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German Pages 367 [369] Year 2007
Beiträge zur historischen Theologie Herausgegeben von Albrecht Beutel
141
Martin Krarup
Ordination in Wittenberg Die Einsetzung in das kirchliche Amt in Kursachsen zur Zeit der Reformation
Mohr Siebeck
Martin Krarup; geb. 1966; 1987–94 Studium der Evangelischen Theologie in Göttingen und Tübingen; 1994–95 DAAD-Stipendiat in Århus; 1996 Stipendiat des Graduiertenkollegs »Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts« in Göttingen; 1996–2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Tübingen; 2001–03 Vikariat in Estorf und Loccum; seit 2003 Pastor in Beverstedt.
e-ISBN PDF 978-3-16-151051-9 ISBN 978-3-16-149256-3 ISSN 0340-6741 (Beiträge zur historischen Theologie)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2007 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Bembo-Antiqua gesetzt, von GuldeDruck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2006 von der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie geringfügig überarbeitet. Meiner Doktormutter Prof. Dr. Dorothea Wendebourg danke ich für vielfältige Hilfe auf dem Weg. Dazu gehören alle Anregungen ebenso wie die Freiheit, die ich bei der Erforschung des quellenmäßig zunächst schwer greifbaren Gegenstandes genossen habe, und schließlich die Bereitschaft, auf den über längere Zeit kurz bevorstehenden Abschluß des Projektes zu warten. Wesentliche Anregungen verdanke ich dem Austausch im Göttinger Graduiertenkolleg »Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts«, im dortigen Kirchengeschichtlichen Doktorandenkolloquium zu Beginn meiner Arbeit und für längere Zeit im Tübinger Doktorandenkolloquium am Lehrstuhl Kirchengeschichte II. Herrn Prof. emer. Dr. Rudolf Mau danke ich für die nicht selbstverständliche Übernahme des Zweitgutachtens. Herrn Prof. Dr. Albrecht Beutel gilt mein Dank für die Aufnahme dieser Arbeit in die Beiträge zur Historischen Theologie, Herrn Dr. Henning Ziebritzki und Frau Tanja Mix vom Verlag Mohr Siebeck für die Betreuung der Drucklegung. Für die Gewährung großzügiger Druckkostenzuschüsse danke ich meiner Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland sowie der Wilhelm-Julius-Bobbert-Stiftung in Münster. Für die kritische Lektüre des Manuskriptes danke ich Hartmut Böschen, Jan Postel, Silke Roeske, Birgit Spörl und meiner Frau Agnethe Krarup. Von ihr wie von unseren Kindern Lea und Jonas wurde mir in den letzten Jahren viel Geduld entgegengebracht, so daß dieses Buch entstehen konnte. Beverstedt, im März 2007
Martin Krarup
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Forschungsgeschichtlicher Abriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Ordination in der reformationsgeschichtlichen Literatur um 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Ordination in der lutherischen Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . c. Die Ordination in der neueren Literatur zu Luthers Amtsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hellmuth Lieberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wolfgang Stein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Harald Goertz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Otto Mittermeier und Ralph F. Smith . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Zur Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3 5 7 7 10 11 13 14 15 15 16 17
I. Die Kritik an der Priesterweihe auf der Grundlage des Priestertums aller Gläubigen in Luthers Schriften der frühen zwanziger Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Die Entdeckung des Priestertums aller Gläubigen (Ende 1519) . . . . 2. Die Kritik an der Priesterweihe in den reformatorischen Hauptschriften von 1520 . . . . . . . . . . . . . a. Die kritische Funktion der Rede vom Priestertum aller Gläubigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Das allgemeine Priestertum – eine Metapher? . . . . . . . . . b. Die Priesterweihe als bloße Amtsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Die göttliche Einsetzung des Amtes bei Luther . . . . . . . .
19 21 21 23 25 27
VIII
Inhaltsverzeichnis
3. Luthers Streit mit König Heinrich VIII. – die Bedeutung der Handauflegung (Sommer 1522) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Heinrichs Schrift gegen Luther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Luthers Antwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 33
II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
37
1. Die Bemühungen Luthers um einen Nachfolger auf seiner Predigtstelle an der Wittenberger Stadtkirche (1521/22) . . . . . . . . . 2. Der Streit um die Anstellung des ersten evangelischen Predigers in Altenburg (1522) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Schrift an die Leisniger: Das Berufungsrecht der Gemeinde (1523) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die evangelische Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Berufungsrecht der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Schrift an die Leisniger als Notrecht oder Programm? . . . 4. Der Ratschlag an die Böhmen: Die evangelische Ordination (1523) a. Hintergrund und Einleitungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Charakter der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Absage an die Priesterweihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die evangelische Ordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Evangelisches Erzbistum und Gemeindeordination . . . . . . . . 5. Die Berufung Bugenhagens zum Wittenberger Stadtpfarrer . . . . . . 6. Luthers Streit mit Karlstadt: Die Bedeutung der Berufung als Kennzeichen des rechtmäßigen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Forderung nach der Berufung während der Wittenberger Unruhen (1522) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Der Streit um Karlstadts Pfarramt in Orlamünde . . . . . . . . . . . . . (1) Karlstadt Wechsel nach Orlamünde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Rückkehrverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Luthers Reise nach Thüringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Luthers Schrift ›Wider die himmlischen Propheten‹ (Ende 1524) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Fazit: Die doppelte Bedeutung der Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 41 49 51 51 53 53 54 56 57 57 58 58 59 60 65 67 70 71 74 74 75 77 79 83
Inhaltsverzeichnis
IX
III. Wittenbergs Rolle bei der Besetzung von kirchlichen Ämtern bis zur Einführung der Zentralordination . . . . . . . . . . . 85 1. Luthers frühe Ordinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Diskussion über eine evangelische Ordination 1524/25 . . . . (1) Luthers Äußerungen von 1524 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bugenhagens Äußerungen von 1524/25 . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Ordination Georg Rörers am 14. Mai 1525 . . . . . . . . . . . . . (1) Das Ereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der aktuelle Anlaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Der Diakonat bei den Wittenberger Reformatoren . . c. Luthers Ordinationen in der Wittenberger Umgebung . . . . . . . . d. Das Schweigen der Reformatoren über die frühen Ordinationen 2. Wittenberg und die Berufung kirchlicher Amtsträger 1525–1535 . . a. Die Vermittlung von kirchlichen Amtsträgern durch die Wittenberger Reformatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Eignungskriterien für das kirchliche Amt . . . . . . . . . . . . . . . c. Zur Frage der Ordination als Voraussetzung des kirchlichen Amtes (1) Die Irrelevanz des Weihestatus für die Berufungsfähigkeit der Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Aussagen der Reformatoren zur Abendmahlssverwaltung durch Ungeweihte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Empfehlung der evangelischen Ordination. Luthers Brief an Johann Sutel in Göttingen (1531) . . . . . . (b) Die Approbation eines ungeweihten Pfarrers. Melanchthons Brief an Spalatin in Altenburg (1532) . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Vorzug geweihter Kandidaten und das Problem einer evangelischen Ordination. Melanchthons Brief an Spalatin in Altenburg (1533) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die theologische Lehrprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Regelungen in Dokumenten der ersten Visitation . . . . . . . . (1) Die Vorschläge des Friedrich Mykonius nach der Tenneberger Visitation (Anfang 1526) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Lehrprüfung in den Bestimmungen der ersten Visitation (1527–29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Praxis der Lehrprüfung in der Zeit der Visitationen . . . . . . . c. Die Regelung künftiger Lehrprüfungen in den Dokumenten der zweiten Visitation (1533) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Die Lehrprüfung als ungelöstes Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 85 85 88 92 92 95 97 100 103 104 104 105 107 107 111 111 116
118 120 121 122 122 123 126 131 133
X
Inhaltsverzeichnis
IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination . . . 135 1. Die Priesterweihe und die bischöfliche Jurisdiktion in den Augsburger Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Vorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Verhandlungen über die bischöfliche Jurisdiktion . . . . . . . . . c. Die Ordination in der ›Confessio Augustana‹ und ihrer Apologie Exkurs: CA 14 in der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lage nach dem Augsburger Reichstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Priesterweihe und evangelische Ordination nach Luthers Schrift ›Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe‹ (1533) . . . . . . . . . . . . . . a. Der kirchenpolitische und ekklesiologische Kontext der Kritik an der Priesterweihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gültigkeit und Katholizität der evangelischen Ordination . . . . . . c. Die Ansätze eines veränderten Ordinationsverständnisses bei Luther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Die Ordination Wolfgang Baumheckels . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135 135 138 141 143 146 149 149 150 154 157
V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Bugenhagens Amtseinführung in Braunschweig 1528 . . . . . . . . . . . 2. Das Ordinationsformular der Hamburger Kirchenordnung von 1529 Exkurs: Die Ordinationspraxis in Hamburg in der Reformationszeit 3. Die pommersche Kirchenordnung von 1535 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die dänische Kirchenordnung von 1537 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159 163 169 172 176
VI. Die Anfänge des Wittenberger Ordinationsverfahrens (1535) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Die Einführung der Ordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die erste Ordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der von der Ordinationsregelung betroffene Personenkreis . . . . . . . 4. Die Bestandteile des neuen Besetzungsverfahrens und die Motive seiner Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Lehrprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Zur Frage des Pfarrermangels in der Reformationszeit . . b. Die Ordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Die kurfürstliche Konfirmation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Notwendigkeit der kurfürstlichen Autorität . . . . . . . . . . . (2) Die Verbindung von Ordination und Konfirmation . . . . . . . .
183 186 188 190 191 193 196 202 203 205
Inhaltsverzeichnis
XI
(3) Die Haltung der Reformatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (4) Die kirchenpolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 d. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
VII. Das Ordinationsverfahren in seiner Begrenztheit auf Kursachsen (1535–37) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Das Unterbleiben der Ordination bei Berufungen außerhalb Kursachsens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a. Johann Forster als Prediger in Wittenberg und sein Wechsel nach Augsburg (1535) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b. Die Berufung Veit Dietrichs zum Prediger an St. Sebald in Nürnberg (1535) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 c. Jakob Schenks Wirksamkeit in Freiberg (1536/37) . . . . . . . . . . . . 217 (1) Die Berufung zum Hofprediger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (2) Die Bemühungen um eine Weihe Schenks . . . . . . . . . . . . . . 220 (3) Das Wittenberger Gutachten zur Notwendigkeit der Weihe . . 226 (4) Der Streit um Schenk und die Wittenberger Ordination . . . . . 228 2. Der Plan einer gesamtevangelischen Ordination im Schmalkaldischen Bund im Vorfeld des Bundestages (Februar 1537) . . . . . . . . . . . . . . 230 a. Der historische Hintergrund von Luthers Schmalkaldischen Artikeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 b. Luthers Artikel »Von der Weihe und Vokation« . . . . . . . . . . . . . . 232 c. Melanchthons Anliegen einer gesamtevangelischen Ordinationsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 d. Die Reaktion des Kurfürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Exkurs: Der Streit zwischen Kursachsen und Hessen um die Behandlung der Täufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3. Die Öffnung der Ordination für nichternestinische Kandidaten . . . 242
VIII. Die Wittenberger Ordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. Luthers Ordinationsformulare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Einleitungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Das Ordinationsformular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der liturgische Kontext des Ritus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Ordinationsversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Ordinationsritus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Luthers Äußerungen zur Handauflegung nach 1525 . . (4) Die verarbeiteten Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247 247 251 252 255 256 259 262
XII
Inhaltsverzeichnis
2. Die Ordinationszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Einleitende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Der Inhalt der Zeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Autorität der evangelischen Ordinatoren . . . . . . . . . . . . . (2) Die Unterzeichner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Eignungsbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Ordination als Übertragung des kirchlichen Amtes . . . . . Exkurs: Die Ordination Wenzeslaus Kilmanns . . . . . . . . . . . . 3. Das Ordinandenexamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Ordinanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Das Wittenberger Ordiniertenbuch als Quelle . . . . . . . . . . . . . . b. Die Entwicklung der Ordinationszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Soziale Herkunft und Bildungsstand der Ordinanden . . . . . . . . . d. Die Amtsbezeichnungen der Ordinanden und die eine Ordination e. Das Verhältnis von Berufung und Ordination nach dem Ordiniertenbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Das Problem der Ordination bereits Amtierender . . . . . . . . . . . . (1) Der Befund des Ordiniertenbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Melanchthons Gutachten für Veit Dietrich . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Andreas Osianders Ordinationsverständnis und der Streit mit Veit Dietrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Konfirmation nach Öffnung des Ordinationsverfahrens . . . . . . 6. Die Ordinatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Wittenberg als europäisches Ordinationszentrum . . . . . . . . . . . . . .
264 264 266 266 267 269 270 271 273 276 276 277 279 283 284 286 286 299 291 294 296 302
Schluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Der Weg zum Wittenberger Ordinationsverfahren . . . . . . . . . . . . . 308 2. Die Grundzüge der Wittenberger Ordination . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 3. Überlegungen zur gegenwärtigen Relevanz der Wittenberger Ordinationspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 a. Erlaß des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen über die Einführung der Ordination in Wittenberg vom 12.5.1535 (ThHStA Reg. Ii 887, 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
Inhaltsverzeichnis
XIII
b. Brief des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen an Herzogin Katharina von Sachsen in Freiberg vom 19.7.1536 (ThHStA Reg. N 65, 2 f) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 c. Brief des Jakob Schenk an Georg von Karlowitz vom 19.12.1536 (ThHStA Reg. N 625, fol. 17r–18r) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 d. Brief des Georg von Karlowitz an Jakob Schenk vom 23.12.1536 (ThHStA Reg. N 625, fol. 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 e. Brief des Georg von Minckwitz an Kurfürst Johann Friedrich vom 1.6.1540 (ThHStA Urk. 4016) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Diagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 a. Die Vermittlung kirchlicher Amtsträger durch die Wittenberger Reformatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 b. Die Entwicklung der Studentenzahlen in Wittenberg 1520–1550 325 c. Die Entwicklung der Ordinationszahlen und der Anteil der Wittenberger Studenten an den Ordinierten 1537–1550 . . . . . . . 326
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 1. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Handschriftliche Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibelstellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341 347 350 353
Einleitung Auf der Reise zum Regensburger Reichstag im März 1541 arbeitete der Wittenberger Professor Philipp Melanchthon an einer Schrift über die Ordination.1 Zweimal kündigte er in diesen Wochen ihre baldige Fertigstellung an und überlegte dabei bereits, auf welchem Wege das Manuskript am schnellsten zum Druck nach Wittenberg gelangen könne. Zweimal wurde ihm daraufhin mitgeteilt, daß sein Werk sehnlichst erwartet werde. Nicht nur das Wittenberger Kollegium, auch der Drucker hoffte, die Schrift bald in Händen zu halten.2 Tatsächlich hatte das Werk gute Aussichten, ein Verkaufserfolg zu werden. Denn die Reformatoren hatten den seit Jahren regelmäßig in Wittenberg praktizierten Ordinationsritus niemals systematisch behandelt, obwohl die Frage nach der rechten Einsetzung von kirchlichen Amtsträgern mehrfach an sie herangetragen worden war. Nun hatte sie durch die in Regensburg anstehenden Verhandlungen zusätzliche Aktualität erhalten. In Wittenberg wartete man jedoch vergebens. Melanchthons Projekt kam, soweit wir wissen, niemals zum Abschluß. Auch die erneute Arbeit an der Schrift Monate später, als der Reformator weniger unter Zeitdruck stand als während des Reichstages, brachte keine greifbaren Resultate hervor.3 Noch einmal unternahm er Anfang der fünfziger Jahre4 den 1 Vermutlich war der Auslöser für Melanchthons Arbeit das sog. Wormser Buch, das Luther wenige Wochen zuvor durch Kurfürst Joachim II. von Brandenburg erhalten hatte. Der von Johannes Gropper und Martin Bucer verfaßte Einigungsentwurf enthielt den Gedanken der apostolischen Bischofssukzession, der bis dato in den Diskussionen der Reformationszeit keine Rolle gespielt hatte. Vgl. zur Amtstheologie des Wormser Buches Kretschmar, Amt, 314–333 und zu den historischen Zusammenhängen Kuhaupt, Kirchenpolitik. 2 Vgl. CR 4, 133 (MBW 2643). In der vorliegenden Arbeit werden die Briefe Melanchthon wegen der besseren Erreichbarkeit und um der Einheitlichkeit willen weiterhin nach dem Corpus Reformatorum zitiert, jedoch jeweils mit der laufenden Nummer der im Erscheinen begriffenen Heidelberger Ausgabe ergänzt. Außerdem wird der Text des MBW ausgewiesen, wo er CR korrigiert. 3 Georg Spalatin berichtete Albrecht von Preußen am 12.11.1541, »Herr Magister Philipp Melanchthon läßt jetzt ein [korrigiert aus »eiu«] Lateinisches Büchlein drucken, wie man die Priester christlich weihen und ordiniren soll« (Voigt, Briefwechsel, 556). Der Altenburger Pfarrer Spalatin war offenbar der Auffassung, daß das Werk bereits im Druck sei. Dazu ist es jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gekommen, denn weitere Hinweise auf eine solche gedruckte Schrift fehlen. 4 Die Frage der Ordination war zu diesem Zeitpunkt in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Zum einen schwelte in Stralsund zwischen Johann Knipstro und Johann Freder ein
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Einleitung
Versuch, die begonnene Schrift abzuschließen. Erneut finden sich in seinen Briefen Ankündigungen einer baldigen Veröffentlichung, doch allem Anschein nach kam es auch jetzt nicht dazu.5 Melanchthon tat sich schwer mit dem Thema. Dies mag zunächst überraschen, da die Ordination weder ein sonderlich komplexer noch ein innerhalb der eigenen Reihen umstrittener Gegenstand war. Doch Melanchthon steht hier nicht allein. Im Gegenteil: Sein unvollendetes Projekt ist geradezu symptomatisch für die Rolle, die die Ordination in den Publikationen und Briefen der Wittenberger Reformatoren spielt. Das Thema nimmt nur einen geringen Raum ein und erfährt nie eine eingehende systematische Entfaltung. Die tatsächliche Bedeutung einer angemessenen Einsetzung in das kirchliche Amt war allerdings wesentlich größer, als sich dies in den reformatorischen Schriften widerspiegelt. Zum einen kam sie mit der Diskussion über die künftige Zuständigkeit der amtierenden Bischöfe in den evangelischen Gebieten auf die Tagesordnung aller Einigungsverhandlungen des Zeitalters. Zum anderen wurde sie auch innerevangelisch zum Thema: Die Berufungen evangelischer Prediger verlangten nach einer eigenen Form. Doch erst im Jahre 1535 kam es zur Einführung eines allgemeinen Ordinationsverfahrens, das schon bald jährlich über hundert Ordinanden durchliefen. Schon dessen praktische Organisation war ein so aufwendiges Unterfangen, daß die Ordination einen festen Platz im Leben der Universitätsstadt gewann. Dennoch wird sie von den Theologen nur selten erwähnt. Die Gründe für dieses auffällige Schweigen sind vielfältig; sie herauszuarbeiten, wird ein wichtiges Ziel der vorliegenden Untersuchung sein. Aus der Quellenlage ergibt sich als methodische Konsequenz, daß das Ordinationsverständnis der Wittenberger Reformatoren im Zusammenhang mit der historischen Entwicklung in Kursachsen bearbeitet werden muß. Nur durch eine historisch-genetische Untersuchung mit den beiden Brennpunkten – der Amtstheologie Luthers, Bugenhagens und Melanchthons sowie der Entwicklung der Einsetzung in das kirchliche Amt – lassen sich aussagekräftige Ergebnisse erzielen. Denn zum einen übten jene drei starken Einfluß nicht nur auf die Entwicklung der kursächsischen Ordinationsregelung, sondern auch auf die gesamte Praxis der Einsetzung in das kirchliche Amt aus. Streit über die Bedeutung der Handauflegung bei der Ordination. In dieser Angelegenheit hatte die Theologische Fakultät im Februar 1551 ein Gutachten verfaßt (CR 7, 740–744 [MBW 6003]). Zum anderen mußte die evangelische Ordination gegen die im sog. Interim aufgestellte Forderung verteidigt werden, daß auch die evangelischen Amtsträger künftig durch die Bischöfe zu weihen seien (vgl. z.B. das Gutachten der Wittenberger Theologen vom Mai 1550 [MBW 5798]). 5 Am 3.8.1551 schreibt Melanchthon an Johannes Mathesius, er werde seine Schrift über die Ordination in wenigen Tagen abschließen (vgl. CR 7, 1046 [MBW 6155]). Fürst Georg von Anhalt gegenüber äußert er am 19.2.1553, in Kürze werde er ein ausführliches Werk über die Ordination vorlegen (vgl. CR 8, 30 [MBW 6734]).
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Zum anderen sind die Äußerungen der Reformatoren nicht sehr zahlreich und beziehen sich zum überwiegenden Teil auf konkrete Fälle. Für ihre Interpretation ist es notwendig, deren historischen Umstände und den Stand der Entwicklung zu berücksichtigen, den die Ordination in Kursachsen jeweils hatte. Durch dieses Vorgehen ergibt sich ein weiterer wichtiger Aspekt: Da die Einsetzung von kirchlichen Amtsträgern im Zusammenspiel der Wittenberger Theologen und der Kurfürsten geschah, ist die vorliegende Untersuchung zugleich ein Beitrag zum Verständnis der Anfänge des landesherrlichen Kirchenregimentes in Kursachsen. Der folgende forschungsgeschichtliche Überblick wird nicht nur zeigen, daß eine eine Untersuchung der beschriebenen Art bisher fehlt. Er wird auch verdeutlichen, daß dieses Fehlen sich überall dort negativ bemerkbar gemacht hat, wo die Amtstheologie der Wittenberger Reformatoren untersucht wurde.
1. Forschungsgeschichtlicher Abriß a. Die Ordination in der reformationsgeschichtlichen Literatur um 1900 Die Forderung nach einer historisch-genetischen Untersuchung der Ordination in der Reformationszeit ist nicht neu. Sie wurde bereits vor über einem Jahrhundert (1889) von Georg Rietschel aufgestellt und auf der Grundlage der damals bekannten Quellen in seinem kleinen Werk Luther und die Ordination eingelöst.6 Ziel der Abhandlung sollte es sein, auf der Grundlage neuer Funde »ein helles Licht auf ein vielumstrittenes Lehrstück zu werfen«.7 Mit anderen Worten: Rietschel meldete sich mit historischen Ergebnissen in einer dogmatischen Diskussion zu Wort. Dabei handelte es sich um den Streit über das kirchliche Amt, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen Friedrich Julius Stahl und Johann Wilhelm Friedrich Höfling ausgebrochen war und inzwischen weite Kreise gezogen hatte. Im Mittelpunkt des Streits stand zunächst die Frage nach dem Ursprung des kirchlichen Amtes.8 Während Stahl dessen göttliche Einsetzung hervorhob, entsprang es nach Höflings Ansicht der Delegation der priesterlichen Vollmachten, über die alle Christen kraft ihrer Taufe verfügten, auf eine Person.9 6
Vgl. Rietschel, Luther, 8. A.a.O., 7. 8 Die Positionen sind vor allem in Stahl, Kirchenverfassung und Höfling, Grundsätze greifbar. 9 Vgl. hierzu und allgemein zur Geschichte der Forschung zum Amtsverständnis Luthers Goertz, Priestertum, 1–27. 7
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Einleitung
Rietschel stellte sich gleich zu Beginn seiner Untersuchung auf die Seite Höflings und führte aus, daß für Luther das Priestertum aller Gläubigen mit der Vorstellung einer Weihe zum geistlichen Amt unvereinbar war. Ein besonderes Amt werde allein durch die Beauftragung seitens der Gemeinde konstituiert.10 Erstmals unternahm es Rietschel, altbekannte und neu aufgefundene Quellen11 aus der Geschichte der kursächsischen Ordination zur jüngeren Forschung über Luthers Amtsverständnis in Beziehung zu setzen. Besondere Bedeutung maß er der Entwicklung des Begriffes ›Ordination‹ selbst bei.Wo Luther diesen Begriff vor 1535 verwende, meine er niemals den später ebenfalls so bezeichneten feierlichen Gemeindeakt, sondern das gesamte kirchliche Besetzungsverfahren. Eine liturgische Handlung mit Gebet und Handauflegung konnte Rietschel zufolge darin eingeschlossen sein, war aber nicht notwendig. Tatsächlich sei sie in Wittenberg kaum zur Anwendung gekommen. ›Ordinieren‹ und ›berufen‹ seien synonyme Begriffe gewesen.12 Die Ordination war also – so Rietschel weiter – primär nicht ein liturgischer, sondern ein rechtlicher Vorgang. Mit der allgemeinen Einführung der Ordination 1535 vollzog sich ein Wandel in der Bedeutung des Begriffs. Unter ›Ordination‹ wurde nunmehr die kirchenregimentliche Konfirmation verstanden, durch die bereits berufene kursächsische Kandidaten eines geistliches Amtes ihre Zulassung erhielten und die in der Form eines liturgischen Aktes mit Gebet und Handauflegung erteilt wurde. Die Ordination bezeichnete nun nicht mehr den gesamten Besetzungsvorgang, sondern nur noch die Handlung in der Wittenberger Stadtkirche. Rietschel betonte zwar den Wert eines solchen öffentlichen und liturgischen Aktes zur Vergewisserung von Gemeinde und Ordinand hinsichtlich der ergangenen Berufung.13 Es liegt jedoch auf der Hand, daß seine Sicht eine Abwertung des Ordinationsritus impliziert. Gebet und Handauflegung einerseits und die Funktion dieses Aktes andererseits stehen danach lediglich in einem losen Zusammenhang. Für eine Approbation der Berufung wären andere Formen adäquater gewesen. Rietschels Untersuchung ist häufig dafür kritisiert worden, daß sie die Ordination primär in rechtliche Kategorien faßt. Inwiefern sie darin den Quellen gerecht wird, wird zu prüfen sein. Ferner muß untersucht werden, ob der Reformator anfangs tatsächlich die Begriffe ordinare und vocare synonym gebraucht hat. Diese These Rietschels hat eine bemerkenswerte Wirkungsgeschichte hinter sich. Sie hat ihren Weg in fast alle neueren Untersuchungen gefunden – zumeist allerdings in einer Weise, die der Intention Rietschels diametral entgegengesetzt ist. Benutzte Luther beide Begriffe synonym, läßt sich 10
Vgl. Rietschel, a.a.O., 30–42. Dabei handelt es sich um die zu jenem Zeitpunkt älteste bekannte Wittenberger Ordinationsagende von 1539 und das dortige Ordinandenverzeichnis der Jahre 1537–1560. 12 Vgl. a.a.O., 51–57. 13 Vgl. a.a.O., 70 f. 11
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nicht nur die Ordination als ein bloßes Berufungsgeschehen auffassen – wie Rietschel es tut –, sondern es können auch umgekehrt Gebet und Handauflegung zu notwendigen Bestandteilen einer jeden ordentlichen Berufung erklärt werden. Ausgelöst durch Rietschels Monographie einerseits und die Arbeit an der Weimarer Lutherausgabe andererseits erschienen zwischen 1894 und 1912 eine Reihe von Zeitschriftenartikeln, in denen jeweils neue Quellenfunde ediert wurden.14 Die wichtigsten veröffentlichte Paul Drews 1905 im Anhang seines Aufsatzes über Die Ordination, Prüfung und Lehrverpflichtung der Ordinanden in Wittenberg 1535. War schon die Arbeit Rietschels dadurch gekennzeichnet, daß dem Ordinationsritus in amtstheologischer Hinsicht eine vergleichsweise geringe Bedeutung zukam, so gilt dies erst recht für die Arbeit von Drews. Er konnte in seiner Untersuchung einen kurfürstlichen Erlaß an die Visitatoren präsentieren, der den Anfang der ernestinischen Ordinationsregelung im Jahre 1535 bildete. Drews schloß aus dieser Quelle und aus einigen Äußerungen Luthers, daß die Einführung eines Ritus mit Gebet und Handauflegung gar nicht den Vorstellungen des Reformators entsprochen habe. Die Wittenberger Theologen hätten sich an diesem Punkt den Wünschen ihres Landesherrn gebeugt.15 Drews’ These hat sich nicht durchgesetzt,16 ist allerdings auch nie widerlegt worden, da nach ihm die Einführung der Wittenberger Ordination nicht mehr eigenständig untersucht wurde. Der theologische Ansatz Rietschels und Drews’ hat im 20. Jahrhundert überwiegend Ablehnung erfahren. Das hat sich dahingehend ausgewirkt, daß auch ihre historischen Ergebnisse kaum noch rezipiert wurden und mehr oder weniger in Vergessenheit gerieten. Die Diskussion im 20. Jahrhundert konzentrierte sich vielmehr auf die dogmatische Untersuchung der Schriften Luthers zu Amt und Ordination und aktualisierte dabei die Positionen des 19. Jahrhunderts. b. Die Ordination in der lutherischen Dogmatik Die Behandlung der Ordination innerhalb der lutherischen Dogmatik ist an sich nicht Gegenstand dieser Arbeit. Einige Positionen müssen dennoch in aller Kürze dargestellt werden, da sie in den letzten Jahrzehnten die Interpretation der Reformatoren beeinflußt haben.17 14 Vgl. etwa Kolde, Geschichte; Rietschel, Ordinationsformular; Buchwald, Luther; Grützmacher, Geschichte. 15 Vgl. Drews, Ordination, 71–73. Noch deutlicher drückt Drews diesen Gedanken in seiner Einleitung zum Wittenberger Ordinationsformular in WA 38, 408 f aus. 16 Eine Ausnahme bildet Karant-Nunn, Luther’s Pastors, 57. 17 Vgl. zur Theologie der Ordination im 19. und 20. Jh. insgesamt Heubach, Ordination, 11–50.
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Einleitung
Auch wenn sich der Streit zwischen Höfling und Stahl nicht an der Frage der Ordination entzündet hatte, ergaben sich doch naturgemäß aus ihrer jeweiligen Amtstheologie auch Unterschiede im Verständnis der Ordination. Höfling faßte sie – darin bereits die Ergebnisse Rietschels vorwegnehmend – vor allem in kirchenrechtlichen Kategorien und bestritt ihr ausdrücklich eine »effektive Kraft und Wirkung«.18 Für Stahl war sie dagegen »wirkliche« Übertragung des Amtes und Segensmitteilung.19 Eine zentrale Rolle erhielt die Ordination in diesem Diskurs jedoch erst durch die amtstheologischen Schriften Wilhelm Löhes. Er führte die Position Stahls weiter, indem er den Ursprung, das Wesen und die Autorität des kirchlichen Amtes in einen engen Zusammenhang mit der Ordination brachte, ja geradezu aus ihr ableitete. Durch sie werde die Gnadengabe, die Voraussetzung einer rechten Amtsausübung sei, von einem Amtsträger auf den nächsten übertragen. Sein Verständnis des sog. Amtscharismas unterscheidet sich an vielen Punkten nur noch terminologisch von der römisch-katholischen Lehre.20 Ohne derartige katholisierende Tendenzen, aber ähnlich kritisch gegenüber der Position Höflings faßte beinahe gleichzeitig Theodor Kliefoth die Ordination als göttliche Beauftragung mit dem Amt. Anders als bei Löhe, der die spezifische Wirkung der Ordination in der Handauflegung verortete, stand für Kliefoth das Ordinationsgebet im Vordergrund. Die Handauflegung war ihm zufolge lediglich ein Symbol dafür, daß Gott selbst das Amt auf den Ordinanden lege.21 Die Tradition Löhes und Kliefoths wurde im 20. Jh. von Joachim Heubach fortgesetzt. Dabei ist die Nähe zu ersterem offenbar größer. Zwar kommt er im Verständnis der Ordination Kliefoth nahe und betont den Unterschied der eigenen Position nicht nur zur römischen Anschauung, sondern auch zu derjenigen Löhes immer wieder. Sein Begriff der »Benediktionsindelebität«, mit dem er die Wirkung der Ordination ausdrückt,22 läßt sich gleichwohl nur schwer von der Position des Löhes abgrenzen. Heubach ist allerdings wie Kliefoth darum bemüht, bei der Rede von einer Amtsgnade festzuhalten, 18
Vgl. Höfling, a.a.O., 94. Vgl. Stahl, a.a.O., 130. 136. 20 Vgl. Löhe, Werke V/1, 294–297 (Aphorismen über die neutestamentlichen Ämter, 1848): »Überall im Neuen Testamente sehen wir, daß das heilige Amt die Gemeinden erzeugt, nirgends, daß das Amt … nur eine Übertragung gemeindlicher Rechte und Machtvollkommenheit sei, daß die Gemeinde das Amt gebe.« Deutlich unterscheidet er sich von der römischen Position allerdings darin, daß das Presbyter- und nicht das Bischofsamt Träger der Amtssukzession sei. Die Ordinationen in den lutherischen Kirchen seien deshalb legitim und gültig. 21 In seiner Argumentation sieht Kliefoth sogar zunächst völlig von der Handauflegung ab, um Mißverständnisse zu vermeiden. Vgl. Liturgische Abhandlungen I, 392. 406. 427. 22 Vgl. Heubach, Ordination, 102 f. 112 f. Hinsichtlich der Stellung zu Luther läßt sich bei ihm die Tendenz beobachten, die eigene Position so nahe wie möglich an die Luthers heranzurücken. Vgl. bes.a.a.O., 111–113. Ähnliches gilt für Brunner, Amt, 15 Anm. 10. 19
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daß die Gnadenwirkung nicht der Person anhaftet, sondern Handeln Gottes bleibt. Auffällig ist bei Löhe, Kliefoth und Heubach, daß sie sich für ihren Standpunkt nicht direkt auf die Wittenberger Reformatoren berufen, sondern den Anspruch vertreten, eine lutherische Lehre von der Ordination allererst zu entwickeln. Löhe kritisiert namentlich die prominenten lutherisch-orthodoxen Dogmatiker, vermeidet es jedoch, die Reformatoren zu erwähnen.23 Andererseits ist der Schrift Kirche und Amt. Neue Aphorismen (1851) ein Anhang beigefügt, in dem »Einige Stimmen aus vergangenen Zeiten« als Kronzeugen dafür aufgeführt sind, »daß im Grunde nicht neu, nicht unlutherisch ist, was in den vorausstehenden Aphorismen zu finden ist«.24 Lediglich zum ersten Punkt, dem »Verhältnis des geistlichen Priestertums zum Amte«, führt Löhe Luther an. In der Schrift selbst hat er zu diesem Thema bereits Luthers Schrift De instituendis ministris ecclesiae von 1523 in ihrer Bedeutung relativiert, indem er sie als Extremäußerung in einer Notlage charakterisiert hat.25 In den Abschnitten zur Ordination und »Über Amtsgnade, Amtsgabe, Wirkung der Ordination« finden die Wittenberger Reformatoren gar keine Erwähnung mehr. Das einzige Zitat aus der ersten Hälfte des 16. Jhs. stammt von Andreas Osiander. Kliefoth bezieht sich fast nur auf die Kirchenordnungen des 16. Jhs. und die altprotestantische Orthodoxie von Chemnitz bis Hollatz. De instituendis ministris ecclesiae wird von ihm als Brief bezeichnet und ähnlich relativiert wie bei Löhe.26 Er beklagt, daß eine kohärente Lehre von der Ordination im Luthertum noch nicht existiere.27 Dasselbe tut Heubach.28
c. Die Ordination in der neueren Literatur zu Luthers Amtsverständnis (1) Hellmuth Lieberg Die ausführlichste und im Hinblick auf die Ordination bis vor kurzem einflußreichste Monographie zum Thema ist Hellmuth Liebergs Amt und Ordination bei Luther und Melanchthon (1962).29 Während Lieberg das Verhältnis zwischen Amt und allgemeinem Priestertum in der Theologie Luthers auf eine Weise interpretiert, die dem Ansatz Höflings nahesteht,30 macht er in bezug auf die Ordination und die Frage eines sog. ›Amtscharismas‹ bei Luther deutliche Anleihen bei Löhe und Heubach.31 Hatten letztere sich jedoch 23
Vgl. Löhe, a.a.O., 308–315. Vgl. a.a.O., 568–588. 25 Vgl. a.a.O., 549–551. 26 Vgl. Kliefoth, a.a.O., 365 f. 27 Vgl. a.a.O., 343. 28 Vgl. Heubach, a.a.O., 84. – Ausdrücklich distanziert sich im übrigen der eine ähnliche Position vertretende Brunner, Amt, 15 Anm. 10 von der reformatorischen Position, um dann jedoch sogleich bei Luther zumindest Ansätze eines späteren Umdenkens zu finden. 29 Allein die Behandlung von Berufung und Ordination bei Luther umfaßt rund 100 Seiten. 30 Vgl. Lieberg, Amt, 69–103. 31 Vgl. a.a.O., 213–216. 225–229 mit Bezug auf Heubach. 24
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darum bemüht, ein spezifisch lutherisches Ordinationsverständnis allererst zu entwickeln, glaubt Lieberg, die »neue [!] … Auffassung von der Ordination« bereits bei den Reformatoren zu finden.32 Daß sein Vorhaben überhaupt zu Ergebnissen führen kann, verdankt sich einigen methodischen Vorentscheidungen, die Lieberg nicht begründet und nur zum Teil überhaupt benennt. Zunächst setzt er voraus, daß sich bei den Reformatoren eine kohärente und – wenigstens in der Zeit nach 1520, aus der der überwiegende Teil der verwendeten Quellen stammt – im wesentlichen unverändert gebliebene Lehre von Amt und Ordination finden lasse. Lieberg räumt allerdings ein, Luther habe in der Frühzeit tendenziell stärker das allgemeine Priestertum und die Berufung betont, während in der späteren Zeit die göttliche Stiftung des Amtes und die Ordination in den Mittelpunkt gerückt seien. Dabei handle es sich aber nur um Nuancierungen, wohingegen sich die Konzeption selbst nicht verändert habe.33 Es lägen in ihr zwei Pole vor: Sowohl aus dem allgemeinen Priestertum wie aus der göttlichen Stiftung des Amtes leite Luther letzteres ab. Ausgehend von dieser Prämisse bestimmt Lieberg auch das Verhältnis zwischen Berufung und Ordination, ohne auf den historischen Kontext seiner Quellen einzugehen. Die Berufung erfolgt »in eine bestimmte konkrete parochial umgrenzte Gemeinde und bezieht sich auf diese. Sie verleiht nicht die Befugnis, überall, auch in anderen Gemeinden ohne weiteres des Amtes zu walten.«34 Die Ordination bestimmt Lieberg demgegenüber als den rituellen Akt der Initiation eines kirchlichen Amtsträgers.35 Berufung und Ordination folgten zeitlich aufeinander und bedingten sich gegenseitig.36 Obwohl Lieberg feststellt, daß beide nicht auseinandergerissen werden dürften,37 betont er, daß es sich bei ihnen um genau zu unterscheidende Vorgänge handle, die von unterschiedlichen Subjekten vollzogen würden. Auf diese Weise gelangt Lieberg zu der These, daß sich die »Zweipoligkeit« in Luthers Amtsverständnis im Nebeneinander von Berufung und Ordination wiederfinden lasse: »Der Begründung des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum und den Notwendigkeiten der priesterlichen Gemeinde entspricht die Vokation durch die Gemeinde, der Begründung aus der Stiftung Christi die Ordination als Amtsübertragung durch bereits im Amt Stehende.«38 Diese Zuordnung hat zur Folge, daß die Ordination aller gemeindlichen Bezüge entledigt wird. Erstens stellt sie nicht die Einsetzung in das Amt in einer 32
Vgl. a.a.O., 13. 206. Vgl. a.a.O., 238 f. Lieberg stellt diese These im Schlußteil seiner Lutherinterpretation auf, ohne sie zu begründen. 34 A.a.O., 142 mit Belegen. 35 Vgl. a.a.O., 172–179 in Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Behauptung Rietschels. 36 Vgl. a.a.O., 232–234. 37 Vgl. a.a.O., 233 f. 38 Vgl. a.a.O., 235. 33
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Ortsgemeinde, sondern die Beauftragung und Bevollmächtigung zum Amt der Kirche dar, in der sich die göttliche Einsetzung des Amtes insofern in ihr widerspiegelt, als der Ordinator dem Ordinanden mittels der Handauflegung die Gabe des Heiligen Geistes mitteilt.39 Zweitens spielen die priesterlichen Vollmachten der Gemeinde im Kontext der Ordination keine Rolle. Lieberg räumt zwar ein, Luther habe für den Notfall, in dem keine Amtsträger zur Verfügung stünden, die Durchführung der Ordination durch Gemeindeglieder befürwortet. Doch die ›Vornehmsten‹ der Gemeinde, die der Reformator für diese Aufgabe vorsehe, fungierten nicht eigentlich als Vertreter der Gemeinde, sondern als deren bischöfliches Gegenüber.40 Lieberg scheidet mithin die Ordination scharf von der Berufung. Im Verlauf dieser Arbeit wird sich nicht nur zeigen, daß seine Interpretation vieler Einzelbelege fragwürdig ist. Es wird auch deutlich werden, daß die Bestimmung des Verhältnisses beider Größen bei Luther eine Wandlung durchlief und damit Liebergs Standpunkt auf einer unzutreffenden Prämisse beruht. Bis 1533 hat Luther nämlich die Ordination selbst als Berufungsgeschehen interpretiert. Die vocatio war danach nicht die Voraussetzung der Ordination, sondern sie selbst konnte rituell mit Gebet und Handauflegung vollzogen werden. Erst mit der Einführung der Wittenberger Zentralordination, die eine lebenslange Gültigkeit erhielt und nicht auf die Stelle vor Ort beschränkt war, verschob sich dieses Verhältnis.41 Eine wesentliche Schwäche der Arbeit Liebergs liegt also darin, daß er Entwicklungen im Denken Luthers unberücksichtigt läßt. Nun behandelt er ausgerechnet im Kapitel über die Ordination durchaus die historische Entwicklung. Er behandelt nacheinander Luthers Auseinandersetzung mit der römischen Priesterweihe in den Schriften von 1520, die Ordinationshandlung, die der Reformator 1523 den Pragern empfahl, und den Prozeß, der schließlich zur Einführung der kursächsischen Ordinationsregelung von 1535 führte.42 Dabei geht es ihm jedoch nicht um eine historisch-genetische Untersuchung, sondern einzig um den Nachweis, daß unter den jeweils veränderten Gegebenheiten »die stets wirksame, tragende Grundanschauung Luthers«43 auf unterschiedliche Weise zum Tragen kam. Er stellt dar, wie der Reformator von der »rechten Lehre von der Ordination … zur praktischen Gestaltung der wahren christlichen Ordination« gelangt sei.44 Der Abschnitt zur Ordination, der im Zusammenhang der systematisch konzipierten Arbeit wie ein historischer 39
Vgl. a.a.O., 215 f. Vgl. a.a.O., 217 f im Anschluß an Elert, Morphologie I, 303. 41 Auch in Liebergs Arbeit hat sich Luthers frühe Sicht von der Ordination als Berufung niedergeschlagen, denn seine Rede von der »Ordination als Einsetzungsakt« (a.a.O., 181 Anm. 82) widerspricht strenggenommen seiner eigenen Systematik. 42 Vgl. a.a.O., 168–191. 43 A.a.O., 241. 44 A.a.O., 179. 40
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Exkurs erscheint, wurde offenbar deshalb nötig, weil sich die historischen Daten mit der von ihm im Anschluß dargelegten Lehre von der Ordination nicht ohne weitere Ausführungen in Einklang bringen ließen. Das Hauptproblem besteht für Lieberg in der späten Einführung der Ordination im Jahre 1535. Ist die Ordination für Luther tatsächlich eine notwendige Voraussetzung für das kirchliche Amt, bedarf die Zeitspanne, die zwischen Luthers Absage an die Priesterweihe in den Schriften der frühen zwanziger Jahre und der Ordinationsregelung liegt, einer Erklärung. Anders gefragt, wie hielten es die Wittenberger Reformatoren während der ersten anderthalb Jahrzehnte mit der Ordination neuer kirchlicher Amtsträger? Obwohl Luther Lieberg zufolge immer davon überzeugt war, daß zur Ausübung des kirchlichen Amtes die Ordination mit Gebet und Handauflegung unbedingt notwendig sei,45 sei ihre Einführung so lange wie möglich hinausgeschoben worden. Dahinter habe die Hoffnung gestanden, daß die römischen Bischöfe nach einer Einigung reformatorisch gesinnte Amtsträger weihen würden, denn »Luther [geht grundsätzlich] davon aus, daß die vorhandenen römischen Bischöfe die Ordination vollziehen sollen.«46 Diese Interpretation ist seither in der einschlägigen Literatur ganz überwiegend zustimmend rezipiert worden.47 Damit bleibt indes unbeantwortet, wie während jener Jahre bei der Besetzung kirchlicher Stellen tatsächlich verfahren wurde. Ohne dafür Belege zu liefern, geht Lieberg davon aus, daß in der Tat häufig Amtsträger ohne eine Ordination berufen worden seien, daß dies jedoch gegen Luthers Willen geschehen sei. Die Differenz zwischen dem postulierten Ordinationsverständnis Luthers und der tatsächlichen Entwicklung in Kursachsen wird von Lieberg also ähnlich wie bei Drews – wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen – darauf zurückgeführt, daß der kirchenpolitische Einfluß des Reformators begrenzt gewesen sei. (2) Wolfgang Stein Um den Problemen, die nicht zuletzt durch die Arbeit Liebergs aufgeworfen worden waren, zu entgehen, wählte Wolfgang Stein für seine Monographie Das kirchliche Amt bei Luther einen »historisch-chronologisch[en]« Zugang.48 45 Vgl. a.a.O., 183. Den Beweis dafür sieht Lieberg in einem Brief Luthers aus dem Jahre 1531, der auf die Frage antwortet, ob ein Ungeweihter das Abendmahl verwalten dürfe. Er folgert, »Luther hält also die gottesdienstliche Ordination jedenfalls für das volle Amt mit Sakramentsverwaltung für notwendig« (a.a.O., 184). 46 A.a.O., 183. 216 f. 47 Sie wird von Lindbeck, Rite vocatus, 463 durch die These auf die Spitze getrieben, daß die Reformatoren »[i]n der Praxis … so gehandelt [hätten], als seien sie überzeugt, daß zumindest ihre eigenen Ordinationen das funktionale Äquivalent zum character indelebilis besäßen«. 48 Vgl. Stein, Amt, 3. Auf Steins Ergebnissen fußt bereits die kurz vorher erschienene Studie von Manns, Amt, passim.
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Das bedeutet nun nicht, daß im Vergleich zu Liebergs Arbeit zusätzliches historisches Material über die Entwicklung von Amt und Ordination in der Reformationszeit geboten würde. Hier begnügt sich Stein mit dem bereits Bekannten. Vielmehr wirkt sich seine Ankündigung dahingehend aus, daß Luthers amtstheologische Schriften in chronologischer Reihenfolge behandelt werden. Dadurch wird zwar deutlich, daß der frühe Luther vor 1519 am Verständnis der Priesterweihe kaum Interesse zeigte. Die sich durch seine Methode bietende Möglichkeit, einer eventuellen Entwicklung im Denken des Reformators nachzuspüren, läßt Stein jedoch weitgehend ungenutzt. Negativ wirkt sich die Methode hingegen insofern aus, als wichtige Punkte wie etwa das Verhältnis zwischen Berufung und Ordination mehrfach bloß berührt, aber nicht geklärt werden.49 Das Faktum der relativ späten Einführung der Ordination erklärt Stein im Gegensatz zu Lieberg damit, daß »die [außer jenem 1525 Ordinierten] in lutherischen Gemeinden eingesetzten Seelsorger, soweit bekannt, alle vor ihrem Übertritt zur Reformation schon von Bischöfen ordiniert worden waren«.50 Diese These, die also damit rechnet, daß die evangelischen Gemeinden mindestens anderthalb Jahrzehnte – außerhalb Kursachsens noch wesentlich länger – gleichsam von der vorreformatorischen Substanz lebten, wird ebenfalls einer eingehenden Prüfung zu unterziehen sein. Stein bemüht sich ferner darum, Luther theologiegeschichtlich einzuordnen. Trotz seiner zahlreichen Exkurse bleibt aber letztlich in der Schwebe, wie er das Verhältnis des Reformators zur Tradition sieht. Er weist die Vorstellung zurück, »Luther habe einfach Ideen und Begriffe unverarbeitet übernommen«.51 Dennoch begnügt er sich häufig mit dem Hinweis auf den Sinn, den ein bestimmter Begriff innerhalb der augustinischen oder scholastischen Theologie hatte, ohne zu fragen, ob und wie er von Luther rezipiert wurde.52 Alles in allem läßt in Steins Untersuchung die »Frage nach dem ›katholischen Luther‹«53 über weite Strecken die historische Analyse in den Hintergrund treten. (3) Harald Goertz Die vor wenigen Jahren erschienene Abhandlung Allgemeines Priestertum und ordiniertes Amt bei Luther von Harald Goertz (1997) hebt sich nicht nur von den übrigen Arbeiten des 20. Jahrhunderts ab, insofern sie deutlich in der
49 Bei der Bestimmung des Ordinationsverständnisses Luthers stützt Stein sich vor allem auf eine einzige Stelle einer Predigtnachschrift, die er völlig mißversteht. Vgl. u. S. 298 Anm. 230. 50 Stein, Amt, 190. Zustimmend Smith, Luther, 61 f. 51 A.a.O., 209. 52 Vgl. Herms, Stellungnahme, 76. 53 Stein, a.a.O., 214.
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Einleitung
Tradition Höflings steht.54 Vor allem bedeutet das Werk für das Verständnis der Amtstheologie Luthers insgesamt einen markanten Fortschritt,55 weil Goertz in der Exegese Luthers sorgfältiger vorgeht als Lieberg und auf dessen zweifelhafte These einer »Doppellinigkeit« im Denken des Reformators verzichtet. Allerdings krankt auch seine Behandlung der Ordination an dem Versuch, die komplizierte Entwicklung und Gestalt der Wittenberger Ordination in ein theologisches System zu zwängen. Die methodische Grundlage dafür ist die These, daß sich aus dem Ordinationsverständnis des Reformators keine neuen Aspekte für dessen Amtstheologie ergeben könnten.56 Goertz geht davon aus, »daß sich Luther auch und gerade in Fragen der praktischen Gestaltung [sc. der Ordination] konsequent an seinen systematisch-theologischen Grundeinsichten orientiert hat« und die Ordination folglich nichts anderes als die liturgische »Konkretion des Berufungsgeschehens« sein könne.57 Ferner stellt er fest, daß Luthers spätere Schriften im Verständnis der Ordination »keinerlei inhaltliche Abweichung« vom 1520 Niedergelegten erkennen ließen.58 Eine Auffassung der Ordination als einer sakramentsähnlichen Handlung ist damit schon a priori ausgeschlossen. Hatte Lieberg seine Interpretation der Ordination bei Luther auf die spätere zeitliche Entkopplung von der Berufung gegründet, geschieht bei Goertz das Umgekehrte. Nachdem er zu Recht festgestellt hat, daß Luther in seiner Frühzeit die Ordination als Berufungsgeschehen auffaßt, liest er auch die späteren Texte mit diesem Vorzeichen.59 Die Ordination kommt unter diesen Umständen nur eingeschränkt zu ihrem Recht. Goertz konzentriert sich völlig auf den – richtigen – Nachweis, daß Luther kein durch die Ordination verliehenes Amtscharisma kenne, und unterläßt es, positiv zu formulieren, worin der Sinn des öffentlichen Ritus mit Gebet und Handauflegung liegt. Wäre die Ordination nichts anderes als die Erteilung eines Mandates, müßte ähnlich wie bei Rietschel gefragt werden, ob die von den Wittenberger Reformatoren gewählte Form, die einen geistlichen Akt suggeriert, tatsächlich dem Anlaß gemäß war.60 54
Goertz zitiert Höfling ausnahmslos zustimmend. Ich werde mich besonders bei der Interpretation der frühen Schriften Luthers mit einigen Thesen Goertz’ ausführlich auseinandersetzen, da seine Monographie inzwischen derjenigen Liebergs zu Recht den Rang des Standardwerks abläuft. 56 Vgl. a.a.O., 299 Anm. 3 gegen Lieberg. 57 A.a.O. Priestertum, 299. 302. 58 Vgl. a.a.O., 301. 59 Goertz berücksichtigt die Verschiebung, die durch die Verlegung der Ordination an einen zentralen Ort eingetreten war, mit der Formulierung, jene sei »Inkraftsetzung der Vokation vor der Gesamtkirche« (a.a.O., 310 Anm. 45; Hervorhebung M.K.). Diese Definition ist erstens historisch unzutreffend, denn die Berufung war in ihrer Geltung niemals von der Ordination abhängig. Zweitens ist sie sachlich irreführend, weil damit der Anschein erweckt wird, als bezöge sich die Berufung zugleich auf die Gesamtkirche. 60 Diese Überlegung ist keineswegs abwegig. Wilhelm Brunottes Untersuchung Das geistliche Amt bei Luther, die sich ansonsten kaum mit der Ordination beschäftigt und hier nicht eigens 55
1. Forschungsgeschichtlicher Abriß
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(4) Otto Mittermeier und Ralph F. Smith In jüngster Zeit haben zwei parallel entstandene Untersuchungen die Forschung um eine neue Perspektive bereichert. Otto Mittermeiers Evangelische Ordination im 16. Jahrhundert (1994) und Ralph F. Smiths Luther, Ministry, and Ordination Rites in the Early Reformation Church (1996) setzen in Aufnahme des Axioms legem credendi lex statuat supplicandi 61 die reformatorischen Lehraussagen zu evangelischen Ordinationsliturgien der Reformationszeit in Beziehung.62 Gleichzeitig weisen ihre Zielsetzungen allerdings erhebliche Unterschiede auf. Mittermeier geht es darum, »die Ordinationsformulare in die Gesamtentwicklung der lutherischen Lehre des 16. Jahrhunderts einzuordnen«.63 Letztere sieht er in den Arbeiten Liebergs und Steins offenbar hinreichend erforscht, denn in den meisten Fällen begnügt er sich mit der Wiedergabe ihrer Ergebnisse. Die Liturgien werden von ihm vergleichend dargestellt64 und als Ausdruck der reformatorischen Amtstheologie interpretiert. Wie dann auch bei Smith bietet das erste Kapitel in Mittermeiers Untersuchung einen Überblick über die Weiherituale in mittelalterlichen Pontifikalien, der dazu beitragen soll, »den Rekurs der Reformatoren auf das altkirchliche Vorbild und ihre Kritik an Theologie und liturgischer Praxis der mittelalterlichen Kirche besser verstehen zu können«.65 Die mittelalterliche Tradition bildet also die Kontrastfolie für die Entwicklung während der Reformationszeit. Ralph F. Smiths Arbeit geht noch einen Schritt weiter. Smith möchte durch seinen liturgiewissenschaftlichen Zugang einen Beitrag zum Verständnis des Amtes bei den Reformatoren liefern. Der Ansatz, nicht nur auf der Grundlage der Lehraussagen, sondern auch der Liturgie zu einem möglichst genauen Bild von der Amtstheologie der Reformatoren zu gelangen, ist interessant, weil er vor einer dogmatischen Engführung der Fragestellung bewahrt. Die Aussagekraft der Ordinationsliturgien wird von ihm jedoch erheblich überschätzt.
zur Darstellung kommt, schließt mit dem Vorschlag, die Handauflegung wegen ihrer Mißverständlichkeit künftig durch einen Handschlag zu ersetzen (vgl. Brunotte, Amt, 202). Bereits bei Calvin findet sich dieser Versuch, die Ordination gegen sakramentalistische Mißverständnisse zu schützen. Vgl. Rohls, Amt, 150. 61 Vgl. zu diesem Grundsatz vor allem die bei Mittermeier, Ordination, 3 Anm. 8 f genannte Literatur. 62 Zu den handwerklichen Fehlern in beiden Arbeiten s.u. S. 103 f Anm. 67, S. 163 Anm. 15, S. 164 f Anm. 19, S. 168 Anm. 30, S. 175 Anm. 59, S. 247 Anm. 1 f, S. 271 Anm. 73, S. 303 Anm. 251. 63 A.a.O., 2 (Hervorhebung im Original). 64 Fast die Hälfte des Buches machen tabellarische Übersichten zum Aufbau der Liturgien und der Abdruck der Texte selbst aus. Letzterer weist leider viele Fehler auf. 65 A.a.O., 3.
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Einleitung
Zu Beginn stellt Smith die These auf, der Akt der Ordination »altered the images people formed of themselves as church«.66 Dabei setzt er voraus, daß jener Akt im Bewußtsein der Gemeinde einen prominenten Rang einnahm. Der Nachweis dafür wird von Smith aber nicht geführt. Zu diesem Zweck müßte neben den Ritualen selbst nämlich auch untersucht werden, wie und wo sie zur Anwendung kamen. Mindestens so problematisch ist Smiths zweite These, daß die Gemeinde – unabhängig davon, ob die Verantwortlichen sich dessen bewußt waren – in der evangelischen Ordination der Reformationszeit die Elemente der Priesterweihe habe wiedererkennen können. Die Kirchen, in denen evangelische Ordinationen stattfanden, waren bis auf zwei Ausnahmen nie Schauplatz einer Priesterweihe gewesen; lediglich in Naumburg und Merseburg saßen kurzzeitig evangelische Bischöfe, die ordinierten, auf den alten Sedes.67 Die Prämisse, daß es sich bei liturgischen Texten um Quellen sui generis handle, deren Interpretation von den Intentionen ihrer Verfasser absehen könne und die als unmittelbarer Ausdruck eines kollektiven Ritualverständnisses gewertet werden dürften, ist folglich auf die Ordinationsagenden der Reformationszeit schon deshalb nicht anwendbar, weil das Ritual dem Volk in einzelnen unbekannt war. (5) Fazit Wie der Forschungsüberblick gezeigt hat, ist die Geschichte der evangelischen Ordination in der Reformationszeit ein vernachlässigtes Feld.68 Die Lücken, die in der älteren Literatur bestanden, wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht geschlossen. Ganz im Gegenteil wurden die Ergebnisse Rietschels und Drews’ nur noch rudimentär rezipiert. Dennoch kommen auch die systematisch-theologischen Arbeiten nicht ohne vereinzelte Rückgriffe auf die Geschichte der Ordination aus, denn das Verständnis des kirchlichen Amtes, das den Reformatoren beigelegt wird, muß jeweils mit einer bestimmten Praxis der Zulassung zum Amt vereinbar sein. Diese 66
Smith, Luther, 1. Vgl. zu Naumburg Brunner, Amsdorf und zu Merseburg Gabriel, Georg III sowie Sander, Ordinatio. Quellen, aus denen hervorginge, wie die Gemeinde diese Wechsel in bezug auf die Ordination wahrnahm, existieren allerdings nicht. 68 Dies betont auch Sander, a.a.O., 15. Im kürzlich erschienenen ersten Teil seiner auf zwei Bände angelegten »Studien zur Ordinationstheologie im Luthertum des 16. Jahrhunderts« wendet er sich Georg von Anhalt zu. Künftig sollen Johannes Mathesius und Jakob Runge folgen. Daß auch diese Forschungslücken geschlossen werden, ist zu begrüßen. Im obigen Forschungsüberblick wurde die Arbeit nicht berücksichtigt, weil sie sich nicht mit den Wittenberger Reformatoren, sondern ausschließlich mit drei ihrer Rezipienten beschäftigt. Kritisch sei allerdings angemerkt:Wenn Sander die »Frage, ob es im Luthertum des 16. Jahrhunderts Ansätze einer ökumenisch relevanten Ordinationstheologie gab« (a.a.O., 14), durch die Untersuchung dreier in ihrer Auswahl nicht weiter begründeter Theologen beantworten will, setzt er offenbar voraus, daß eine solche Ordinationstheologie bei den Wittenberger Reformatoren selbst nicht zu finden ist. Leider führt er diesen – auch ökumenisch relevanten – Standpunkt nicht aus. 67
2. Eigene Zielsetzung
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Rückgriffe geschehen aber auf einer gänzlich unzureichenden Quellenbasis und in methodisch unangemessener Weise.
2. Eigene Zielsetzung Vor dem Hintergrund der eingangs beschriebenen Quellenlage und des gegenwärtigen Standes der Forschung sind nun Entscheidungen für das Vorgehen der vorliegenden Arbeit zu treffen. Ihr Gegenstand sollen Theorie und Praxis der Einsetzung in das evangelische Amt im Kontext der Wittenberger Reformation sein. Es soll also versucht werden, die theologischen Schriften und das Bild, das sich von der historischen Entwicklung gewinnen läßt, in Beziehung zu setzen. Sinnvoll ist ein solcher Weg nur, wenn sich zeigen läßt, daß die Wittenberger Theologen – vor allem Martin Luther und Philipp Melanchthon, sodann Johannes Bugenhagen und Justus Jonas – einen bestimmenden Einfluß auf die Einführung und Gestaltung einer evangelischen Ordination in Kursachsen ausübten und nicht nur Erfüllungsgehilfen der Ernestiner waren. Ferner würde es das Vorgehen zumindest erleichtern, wenn die Reformatoren hinsichtlich der Ordination im wesentlichen übereinstimmten. Beides ist gelegentlich bestritten worden,69 wird sich jedoch im Verlauf der Untersuchung als zutreffend erweisen. Die Untersuchung kann sich nicht auf den eigentlichen Ordinationsritus und seine Anwendung beschränken, sondern muß die Besetzung von kirchlichen Stellen insgesamt in den Blick nehmen. So wird der Tatsache Rechnung getragen, daß die Reformatoren, die seit 1535 die Ordinationen und die vorausgehenden Examina durchführten, bereits mehr als ein Jahrzehnt mit der Besetzung kirchlicher Ämter in Kursachsen und darüber hinaus befaßt gewesen waren, ja, sogar bereits seit 1525 ganz vereinzelte Ordinationen vollzogen hatten. Nur wenn von der frühen Zeit ein genaues Bild gewonnen wird, läßt sich die Einführung einer obligatorischen Ordination 1535 – speziell ihr später Zeitpunkt und die dabei leitenden Motive – angemessen deuten. a. Abgrenzung Die getroffenen Entscheidungen präjudizieren, wie die Untersuchung räumlich und zeitlich abzugrenzen ist. Sowohl die Beteiligung der Wittenberger Theologen bei Besetzungsangelegenheiten vor 1535 wie die späteren Ordinationen bezogen sich überwiegend auf Stellen in Kursachsen. Doch Luther 69 Zum ersten Punkt vgl. o. S. 5. Kretschmar, Amt, 201–214 sieht in der Zeit bis 1537 substantielle Differenzen zwischen dem Ordinationsverständnis Luthers und dem Bugenhagens.
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Einleitung
wurde seit den frühen zwanziger Jahren auch von Gemeinden um Hilfe gebeten, die außerhalb des ernestinischen Territoriums lagen. Umgekehrt waren viele Studenten in Wittenberg eingeschrieben, die aus anderen Gebieten stammten. So wurde das Ordinationsverfahren, das für kursächsische kirchliche Amtsträger eingerichtet worden war, bald auch für Personen geöffnet, die in ein Amt außerhalb des ernestinischen Einflußbereichs berufen waren. Da sich mit der Öffnung des Verfahrens unweigerlich auch der rechtliche Status der Ordination veränderte, kann sich die Arbeit nicht auf die Fälle beschränken, die kursächsische Gemeinden betrafen. Nicht die kursächsische Ordinationsregelung, sondern die Ordination in der Universitätsstadt Wittenberg muß Gegenstand der Untersuchung sein. Den zeitlichen Rahmen gibt auf der einen Seite die Entdeckung des Priestertums aller Gläubigen durch Luther und Melanchthon Ende des Jahres 1519 vor. Erst damit entstand die Frage nach einem reformatorischen Verständnis der Amtseinsetzung und dessen praktischen Folgen für die Haltung zur Priesterweihe. Die früheren Schriften des Reformators bleiben deshalb unberücksichtigt.70 Am Schluß der Untersuchung soll die endgültige Gestalt des Wittenberger Ordinationsverfahrens stehen. Die Ordinationsagende erlangte bereits Ende der dreißiger Jahre eine feste Form, die sich nur noch wenig veränderte. Ähnliches gilt für die Ordinationszeugnisse, die regelmäßig ausgestellt wurden. Für die vorliegende Arbeit ist aber nicht nur von Bedeutung, wie, sondern auch wer ordiniert wurde. Die Zahl der Ordinanden und die statistische Verteilung der sozialen Verhältnisse, denen sie entstammten, und der fachlichen Qualifikation, die sie vorzuweisen hatten, war bis in die vierziger Jahre starken Schwankungen unterworfen. Erst um die Mitte des Jahrzehnts stabilisierten sich die Verhältnisse. Der tiefe Einschnitt, den Luthers Tod 1546 und die ernestinische Niederlage im Schmalkaldischen Krieg 1547 für die Universität Wittenberg bedeuteten, hat – auch für die Beteiligten überraschend – keine dauerhaften Veränderungen in der Ordinationspraxis nach sich gezogen. Deshalb ist es sinnvoll, die Untersuchung auf den Zeitraum bis 1545 zu begrenzen. Vereinzelte historische Splitter aus späteren Jahren werden dennoch berücksichtigt.
70 Wenig sinnvoll wäre es, wie Mittermeier und Smith mit den mittelalterlichen Weiheritualen einzusetzen. Zwar wird im Zusammenhang der Interpretation des Wittenberger Ordinationsformulars zu prüfen sein, ob sich die Reformatoren so eng an die alten Pontifikalien angelehnt haben, wie in den beiden Monographien behauptet wird, doch unabhängig von dieser Frage stellen die Weiheliturgien nicht die Folie dar, von der sich die Geschichte der Wittenberger Ordination insgesamt abhebt.
2. Eigene Zielsetzung
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b. Aufbau Der Aufbau der Untersuchung kann nach dem bisher Gesagten nur historisch-genetisch sein. Den Anfang bildet Luthers Kritik an der Priesterweihe in seinen frühen reformatorischen Schriften. Was der Reformator in diesem Zusammenhang zum Verhältnis zwischen Amt und Gemeinde und damit auch zu einem evangelischen Verständnis der Einsetzung in das Amt schreibt, wird grundlegend für die folgende Entwicklung. Im zweiten Kapitel werden die Konsequenzen jener Publikationen deutlich. Luther war häufig an der Besetzung von kirchlichen Ämtern beteiligt. In den Konflikten, die die Umbruchphase in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre hervorbrachte, erhielt seine Sicht von der Einsetzung in das kirchliche Amt ihre Konturen. Das dritte Kapitel setzt mit der ersten evangelischen Ordination im Jahre 1525 ein und verfolgt die Praxis der Besetzung kirchlicher Ämter in Kursachsen bis zur allgemeinen Einführung der Ordination 1535. Bevor diese behandelt werden kann, ist die kursächsische Besetzungspraxis jener frühen Jahre zu zwei Komplexen in Beziehung zu setzen. Das ist zunächst der kirchenpolitische Kontext der evangelischen Ordination, der vor allem im Zusammenhang mit dem Augsburger Reichstag virulent wird (Kapitel IV). Das sind sodann die ersten evangelischen Ordinationsliturgien, die der Wittenberger Pfarrer Johannes Bugenhagen seit 1529 in Norddeutschland schuf (Kapitel V). Anschließend wird die allgemeine Einführung der Ordination in Kursachsen betrachtet (Kapitel VI). Die mit der Beschränkung dieser Ordnung auf kursächsische Kandidaten entstehenden Probleme und die Versuche ihrer Lösung werden im nächsten Kapitel behandelt (Kapitel VII). Das letzte Kapitel widmet sich schließlich der Gestalt der Wittenberger Ordination, wie sie vor allem in den Liturgien, den Ordinationszeugnissen und dem Ordiniertenbuch ihren Niederschlag gefunden hat. c. Zur Terminologie Mit dem Begriff ›Ordination‹ wird in dieser Arbeit die rituelle Einführung in ein kirchliches Amt bezeichnet; ihre wichtigsten Bestandteile sind Schriftlesung, Gebet und Handauflegung. Darin liegt eine Abgrenzung von zwei in der Literatur vertretenen Definitionen. Einerseits muß die Ordination begrifflich von der Berufung unterschieden werden. Gerade weil untersucht werden soll, ob beide Begriffe in Wittenberg je synonym gebraucht wurden, muß eine terminologische Unschärfe an dieser Stelle vermieden werden.71 Andererseits darf der Begriff der Ordination auch nicht enger gefaßt werden. Wenn etwa die lebenslange Gültigkeit, bestimmte Voraussetzungen des Ordinators o.ä. 71
Diese findet sich besonders bei Rietschel, a.a.O., passim.
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Einleitung
zu Konstitutiva der Ordination erhoben werden,72 wird unweigerlich eine bestimmte Stufe in ihrer Entwicklung zum Maßstab erhoben, von der dann ein unreifes Vorstadium zu unterscheiden ist. Ein solches Vorgehen hätte in den Quellen keinen Anhalt. Zum einen haben sich die Wittenberger Reformatoren niemals eindeutig über die Konstitutiva der Ordination geäußert. Zum anderen haben sie trotz aller Veränderungen, die Theorie und Praxis der Ordination im Laufe der Zeit erfuhren, die früheren Aussagen nie korrigiert. Es ist deshalb sinnvoll, den Begriff der Ordination relativ weit zu fassen. Die oben genannte weite Definition hat zudem den Vorteil, daß das Verhältnis zwischen evangelischer Ordination und Priesterweihe nicht a priori festgelegt wird. Ob und inwiefern die Reformatoren die Priesterweihe als gültige Ordination ansahen und anerkannten, ist im einzelnen zu prüfen. Was die Ordinierten betrifft, werden sie im folgenden als ›kirchliche Amtsträger‹ bezeichnet. Darunter fallen die Pfarrer, die die kirchliche Jurisdiktion in einer Parochie innehatten, die Kapläne, die als Hilfsgeistliche von den Pfarrern angestellt waren, und die Prediger, die vor allem in den Städten häufig von weltlichen Instanzen mit genau bestimmten Predigtaufgaben angestellt waren.73 Die hier gewählte etwas abstrakte Sammelbezeichnung ist aus zwei Gründen nötig: Zum einen kannten die Reformatoren nur eine einzige Ordination zu dem einen kirchlichen Amt, das unterschiedlichen Aufgaben entsprechend unterschiedliche Ausprägungen fand.74 Zum anderen ist ihre eigene Terminologie in mehrfacher Hinsicht unscharf. Häufig findet ›Prediger‹ entsprechend dem Begriff ministerium verbi für das kirchliche Amt insgesamt Verwendung. Spricht Luther hingegen von ›Pfarrern und Predigern‹, sind mit letzteren nicht nur die eigentlichen Prediger, sondern auch die Kapläne gemeint. Letztere wiederum werden seit der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre in evangelischen Gemeinden häufig als ›Diakone‹ bezeichnet, ohne daß damit das im Mittelalter so genannte Amt gemeint war noch eine Verbindung zur Diakonenweihe hergestellt werden sollte.75
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Dies geschieht bei Kretschmar, Amt, 206. 210. 213. Vgl. Herrmann, Prediger, 45 f. 74 Auch die dem Pfarramt übergeordneten regionalen Ämter sind also – sekundäre – Ausprägungen des einen Amtes. Vgl. Wendebourg, Amt, 17 u. dies., Das bischöfliche Amt, 541. 75 Vgl. dazu den Exkurs u. S. 97–100. 73
I. Die Kritik an der Priesterweihe auf der Grundlage des Priestertums aller Gläubigen in Luthers Schriften der frühen zwanziger Jahre Nachdem sich Luthers Sicht der Priesterweihe bis 1519 völlig in den Bahnen der Tradition bewegt hat,1 verändert sie sich durch die Entdeckung des allgemeinen Priestertums von Grund auf. Diese Entdeckung wird zur Basis für seine Kritik am Verständnis der Weihe als eines Sakramentes, wie er sie besonders in seinen Hauptschriften von 1520 darlegt. Stattdessen interpretiert Luther die Priesterweihe als Wahl und Amtsübertragung. Die Frage nach dem Ritus einer recht verstandenen Ordination beschäftigt ihn dabei noch nicht, wie seine Auseinandersetzung mit Heinrich VIII. von England zeigt.
1. Die Entdeckung des Priestertums aller Gläubigen (Ende 1519) Neue Einsichten zum Priestertum nach dem Neuen Testament legt Luther im Brief an Georg Spalatin vom 18. Dezember 1519 dar. Der Hofprediger Friedrichs des Weisen hatte den Wittenberger Theologen aus unbekanntem Anlaß nach den Aufgaben (officia) eines Priesters gefragt. Luther antwortete, er könne lediglich ceremonialia nennen, denn nach 1. Petr 2, 9 und Apok 1, 6; 5, 10 seien alle Christen Priester; der Unterschied zwischen dem Priesterstand, zu dem er und der Adressat gehörten, und den laici bestehe von Zeremonien und menschlichen Satzungen abgesehen nur im Dienst an den Sakramenten und dem Wort. Er habe sich mit Melanchthon darüber gewundert, wie der ordo dazu gekommen sei, als Sakrament bezeichnet zu werden.2 Luther zieht aus dem exegetischen Befund zwei Schlußfolgerungen. Zum einen kann der Unterschied zwischen Geweihten und Ungeweihten in nichts anderem bestehen als im Dienst der Verkündigung in Wort und Sakrament. 1
Die Priesterweihe wurde deshalb von ihm kaum thematisiert. Vgl. Stein, Amt, 33 f. WA.B 1, 595, 26–37 Nr. 231: »Officia sacerdotis, qu ex me quaeris, ignoro, cum, quanto magis cogito, non Inveniam, quod scribam, nisi ceremonialia. Deinde valde me urget petrus Apostolus 1. pe. 2. dicens nos omnes esse sacerdotes, idem Iohannes in apocalypsi, Ut hoc genus sacerdotii, in quo nos sumus, prorsus non differre videatur a laicis nisi ministerio, quo sacramenta & verbum ministratur. C tera omnia sunt qualia, si ceremonias et humana statuta demas. Et satis miramur, unde ordo nomen sacramenti invenerit. Mira h c tibi nonne? Sed praesens plura una cum philippo, quoniam has res & sepe & acute tractavimus. proinde officium tuum a communibus laicorum officiis nihil differt, exceptis oneribus, Qu Ro[mana] Curia sine delectu omnibus sacerdotibus imposuit.« 2
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I. Die Kritik an der Priesterweihe auf der Grundlage des Priestertums aller Gläubigen
Den Reformator bewegt dabei anders als seinen Adressaten weniger die Abgrenzung des konkreten Aufgabenbereichs als vielmehr die Frage nach dem Wesen des kirchlichen Amtes. So wechselt er im Laufe des Briefes von den officia in der Frage Spalatins zu einem im Sinne von ›Amt‹ verstandenen Singular officium. Die Aufgaben des Priesteramtes in der Kirche, nach denen Spalatin gefragt hatte, bezeichnet er als von der Kurie auferlegte Bürden.3 Aus der Absage an eine kategoriale Unterscheidung von Geweihten und Ungeweihten ergibt sich die zweite Schlußfolgerung. Sie besagt, daß die Priesterweihe nicht als Sakrament verstanden werden kann. Diese Gedanken werden in den großen Schriften des folgenden Jahres klarer entwickelt. Luther und Melanchthon befinden sich zu diesem Zeitpunkt in einem Klärungsprozeß. Trotz der noch schwankenden Begriffe zeigt der Vergleich mit den im Anschluß zu behandelnden Schriften allerdings auch, daß sich die wesentlichen amtstheologischen Implikationen des Priestertums aller Gläubigen den beiden Reformatoren hier bereits eröffnet hatten. Luthers Kritik an der Weihe erwächst aus der Erkenntnis des neutestamentlichen Priesterbegriffes.4 Das Angebot an Spalatin, dieses Thema in Gegenwart Melanchthons genauer zu besprechen, reizt zu der Überlegung, ob es sich bei dem Priestertum aller Christen ursprünglich um die Entdeckung des jungen Humanisten gehandelt haben könnte. Bereits Anfang September hatte Melanchthon in Bakkalaureatsthesen die Bestreitung eines bei der Priesterweihe verliehenen character indelebilis vorsichtig für nicht häretisch erklärt.5 In der aus dem Wintersemester 1519/20 stammenden Matthäusvorlesung spricht er pointiert von »sacerdotes et pastores ecclesiarum, qui olim non habebantur uncti et rasi, sed electi, vocati et missi« und nimmt damit einen Kritikpunkt vorweg, der in Luthers Schriften von 1520 eine große Rolle spielen sollte.6 Es ist also möglich, daß eine der wirkungsgeschichtlich bedeutendsten exegetischen Entdeckungen der Reformation erstmals von dem Wittenberger formuliert wurde, für den sie nach 1522 kaum noch eine Rolle spielte und der sie etwa ein Jahrzehnt später einen für die anstehenden Einigungsverhandlungen »unn thigen Artikel«7 nennen sollte.
3 Es ist möglich, daß bei den an dieser Stelle auffälligen onera auch an den Zölibat gedacht ist. Wenige Wochen später erschien Luthers Ad schedulam inhibitionis sub nomine episcopi Misnensis editam responsio, in der er erstmals und noch eher beiläufig die Priesterehe als wünschenswert bezeichnet. Vgl. WA 6, 147, 37–36 und dazu Buckwalter, Priesterehe, 61 f. 4 Methodisch folgt daraus, daß der Herbst 1519 als Zäsur wahrzunehmen ist und frühere Äußerungen nur bedingt zur Interpretation der späteren Texte Luthers zum kirchlichen Amt herangezogen werden dürfen. Dies geschieht nicht nur bei Stein, sondern auch bei Aarts, Amt, dessen zweites Kapitel die Jahre 1517–21 behandelt und damit den Bruch nivelliert, der sich durch die Entdeckung des neutestamentlichen PriesterBegriffs auftut. 5 Vgl. MWA 1, 25, 1 f. 6 Vgl. MWA 4, 173, 20–25. Die Vorlesung wurde zwar erst 1523, doch mit nur geringen Veränderungen publiziert. Vgl. dazu Sperl, Amtslehre, 53 f. Die Kritik an der römischen Amtslehre mit der Betonung des allgemeinen Priestertums gehört jedenfalls eindeutig in die Zeit vor den Wittenberger Unruhen, kann also nicht erst bei der Publikation entstanden sein. 7 CR 2, 183 (MBW 962). Vgl. u. S. 137.
2. Die Kritik an der Priesterweihe in den reformatorischen Hauptschriften von 1520
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2. Die Kritik an der Priesterweihe in den reformatorischen Hauptschriften von 1520 Die Entdeckung des Vorjahres nahm in den drei großen Schriften von 1520 in mehrfacher Hinsicht eine Schlüsselrolle ein. Aus verschiedenen Gründen geriet die Priesterweihe insbesondere in An den christlichen Adel deutscher Nation8 und in De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium9 ins Zentrum der Kritik. Luther interpretierte sie daraufhin neu als Berufung ins Amt. a. Die kritische Funktion der Rede vom Priestertum aller Gläubigen Der neue Sakramentsbegriff in De captivitate Babylonica hat zur Folge, daß Luther nicht nur Firmung, Ehe und Letzter Ölung, sondern auch dem ordo seine Sakramentalität abspricht. Er will diesen jahrhundertealten ritus ecclesiasticus nicht verdammen, doch als Sakrament könne er nicht gelten. Ein solches werde durch ein Zeichen und eine Verheißung konstituiert,10 die der Weihe fehle. Daß nämlich eine solche Verheißung im Abendmahlswort Christi »Hoc facite in meam commemorationem«, durch das die Jünger zu Meßpriestern geweiht worden seien, gesehen werde, sei eine Mißachtung des kategorialen Unterschiedes zwischen Verheißung und Gebot: »Christus hic nihil promittit, sed tantum praecipit«.11 Da ferner die Kirche selbst durch Verheißungen Gottes errichtet sei, stehe es ihr nicht zu, neue Verheißungen aufzustellen, sondern könne lediglich a posteriori zwischen göttlichen und menschlichen Worten unterscheiden.12 Doch nicht nur sein Sakramentsbegriff, sondern auch die Bedeutung der Priesterweihe in der spätmittelalterlichen Kirche und Gesellschaft rief Luthers Kritik hervor. Insbesondere die sekundären Elemente des Weiherituals wie die Salbung der Hände mit Chrisamöl, das Schneiden der Tonsur und das Anlegen des Meßgewandes dienten einzig dazu, Kleriker und Laien zu scheiden und 8
WA 6, 404–469. WA 6, 497–573. 10 Vgl. WA 6, 571, 35 f: »… inter sacramenta videatur censeri posse … omnia illa, quibus facta est promisio [sic] divina …«; 572, 10 f: »Proprie tamen ea sacramenta vocari visum est, quae annexis signis promissa sunt.« 11 Vgl. a.a.O., 563, 10–17. 12 Vgl. a.a.O., 560, 20–561, 15: »Hoc sacramentum Ecclesia Christi ignorat, inuentumque est ab Ecclesia Papae: non enim solum nullam habet promissionem gratiae, ullibi positam, sed ne uerbo quidem eius meminit totum nouum testamentum. … Non quod damnandum censeam eum ritum per tanta saecula celebratum, sed quod in rebus sacris nolim humana commenta fingi … Nec habet Ecclesia potestatem, nouas promissiones gratiae diuinas statuere … ipsa per promissiones dei constituitur, non promissio dei per ipsam. … Hoc sane habet Ecclesia, quod potest discernere uerbum dei a uerbis hominum …«; 561, 26–30: »Quare permitto, ordinem esse quendam ritum Ecclesiasticum, quales multi alii quoque per Ecclesiasticos patres sunt introducti …, in quibus omnibus nemo ponit sacramentum esse, nec ulla in eis est promissio.« 9
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I. Die Kritik an der Priesterweihe auf der Grundlage des Priestertums aller Gläubigen
eine geistliche Tyrannei zu etablieren.13 Zu Beginn der Adelsschrift legt Luther dar, daß sich der Papst hinter jenem Unterschied, den die Priesterweihe innerhalb der Kirche konstituiere, wie hinter Mauern verschanzt habe, um eine Reformation der Kirche unmöglich zu machen.14 Mit diesem Unterschied rechtfertige die Kurie, daß zum einen der geistliche dem weltlichen Stand übergeordnet und zum anderen der geweihten Priesterschaft die Auslegung der Schrift vorbehalten sei. Die exklusiven Rechte und Vollmachten des Klerus fußen nach römischer Lehre auf dem character indelebilis, der Gott gegenüber in Analogie zur Taufgnade den Empfänger identifiziert und damit die Wirkung der durch den Geweihten konsekrierten Sakramente gewährleistet.15 Luther setzt sich mit dieser Lehre nicht näher auseinander, sondern bestreitet die Existenz eines solchen Charakters schlicht.16 Stattdessen arbeitet er das Verständnis des Priestertums heraus, das er im Neuen Testament vorfindet. Die Stellen, an denen von Priestern die Rede sei – in erster Linie 1. Petr 2, 9 und Apok 5, 10 –, bezeichneten mit diesem Begriff keine Amtsträger, sondern alle Christen. Zunächst einmal kommen Christus als dem Erstgeborenen Gottes königliche und priesterliche Rechte zu. Als König ist ihm alles untertan; als Priester tritt er für die Seinen bei Gott ein und belehrt sie innerlich in ihrem Herzen. Dadurch daß die Christen durch die eine Taufe, den einen Glauben, das eine Evangelium Teil des Leibes Christi werden,17 werden sie jener Güter teilhaftig. Es kommt ihnen nicht nur die priesterliche Tätigkeit Christi als solche zugute, sondern sie werden nun selbst zu Priestern und erhalten damit den diesen vorbehaltenen unmittelbaren Zugang zu Gott.18 Die Christen sind deshalb den Klerikern geistlich gleichgestellt. Ihr Priestertum erwirkt ihnen nicht nur die Vollmacht, füreinander im Gebet einzustehen,19 was immer schon allen Christen zugekommen war. Die Tatsache, daß sie von Gott gelehrt sind (Joh 6, 45), befähigt sie auch dazu, die Schrift auszulegen. Sie sind dazu aufgerufen, die Handlungen ihrer kirchlichen Amtsträger einschließlich des Papstes am Wort Gottes zu überprüfen, die Predigt zu beurteilen, ja, im Falle, daß der ›sitzende‹ Zuhörer eine 13
Vgl. WA 6, 563, 27–35; 407, 19–22. A.a.O., 406, 21–415, 6. 15 Vgl. Ott, Weihesakrament, 96–101 zur scholastischen Diskussion. Das auch in Luthers Kritik immer vorausgesetzte Verständnis des Charakters als einer Gnade findet sich erstmals bei Thomas. Vorher waren beide Aspekte – die Identifikation vor Gott durch den character und die Gnadenwirkung der Weihe – getrennt wahrgenommen worden. 16 Vgl. a.a.O., 408, 22–25; 562, 30–32; 567, 22–25. 17 Vgl. a.a.O., 407, 13–28; 564, 6–13. 18 Vgl. WA 7, 26, 32–28, 5 (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520). Die Rede vom mit der Erstgeburt verbundenen Priestertum Christi belegt Luther mit Ex 13, 2; es steht aber offensichtlich darüber hinaus Hebr 1, 4–6; 5, 5 f im Hintergrund. 19 Vgl. a.a.O., 28, 6–25. 14
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bessere Offenbarung als der Redende empfängt, diesen abzulösen (1. Kor 14, 30).20 Der Klerus verfügt überhaupt über keine Vollmacht, die nicht jedem Christen zukäme, denn ›wer Christus hat, hat alles, was sein ist, und vermag alles‹.21 Mit der Taufe erhalten die Christen prinzipiell die gleiche Vollmacht an Wort und Sakrament.22 Exkurs: Das allgemeine Priestertum – eine Metapher? Harald Goertz hat kürzlich die bisher umfassendste Untersuchung zum Verhältnis von allgemeinem Priestertum und ordiniertem Amt bei Luther vorgelegt. Den unbestreitbaren Erkenntnisfortschritt seiner Untersuchung führt er selbst vornehmlich auf die Interpretation des allgemeinen Priestertums als einer Metapher zurück. Obwohl seinen Ergebnissen in weiten Teilen zuzustimmen ist, ist an dieser Stelle zu fragen, ob die Rede vom allgemeinen Priestertum bei Luther tatsächlich als eine Metapher aufzufassen ist. Goertz selbst wundert sich darüber, daß die Priestermetapher in der bisherigen Lutherforschung keine Rolle gespielt habe.23 Den Grund dafür sieht er darin, daß die weitgehend habitualisierte Metapher nicht mehr als solche erkannt werde.24 Aus der fehlenden Einsicht in den metaphorischen Charakter der Rede vom Priestertum aller Christen resultieren Goertz zufolge viele ihrer bisherigen Fehldeutungen.25 Der Nachweis dieser These kann jedoch nicht überzeugen. Ein wichtiges Indiz für die Richtigkeit der These Goertz’ wäre es, wenn Luther selbst das Priestertum der Christen nicht real, sondern als eine rhetorische Figur auffaßte. Goertz räumt ein, Luther komme nie auf den metaphorischen Charakter jener Rede zu sprechen, vermutet dafür allerdings »polemisch-taktische Gründe«.26 Doch es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Rede vom Priestertum und mit Bezug auf die Christen verwandten Metaphern wie dem von Goertz herangezogenen Beispiel des Bettlers. Bei ersterer werden nicht nur »eine oder mehrere bestimmte Eigenschaften, die [es] in [seinem] ursprünglichen Kontext auszeichnen, in übertragener Weise auch von jedem Christen« ausgesagt.Wenn die Christen wie Priester vor Gott treten, ist dies bei Luther nicht in erster Linie Bildrede, sondern die Gemeinde Christi tritt real 20
Vgl. WA 6, 411, 8–412, 38. WA 6, 567, 29 f: »… qui Christianus est, Christum habet, qui Christum habet, omnia quae Christi sunt, habet, omnia potens«. 22 Vgl. a.a.O., 566, 27 f; 407, 38 f. 23 Vgl. Goertz, Priestertum, 35–38. Er bezieht sich dabei auf die Untersuchung sowohl des allgemeinen Priestertums wie des Metapherngebrauchs bei Luther. 24 Es will jedoch nicht recht einleuchten, warum beispielsweise die Metapher der Gotteskindschaft weit weniger habitualisiert sein sollte, so daß deshalb ein ähnliches Mißverständnis unmöglich sei, wie Goertz, ebd. Anm. 28 schreibt. Grundsätzlich wäre zu erwägen, ob der Begriff der Habitualisierung auf diesen Zusammenhang Anwendung finden kann, da damit gewöhnlich das Phänomen bezeichnet wird, daß das Bewußtsein für den bildhaften Charakter eines Ausdrucks wie »aus dem Rahmen fallen« verlorengeht. Daß jedoch das Bewußtsein für die eigentliche Bedeutung des Ausdrucks »Priestertum« nicht mehr vorhanden sei, läßt sich kaum behaupten. 25 Vgl. z.B. Goertz, Priestertum, 99. 146 Anm. 229 zu Formulierungen bei Aarts, Lehre, 269 u.a., die den Eindruck erwecken, das Priestertum der Christen sei als etwas zu verstehen, das als zusätzliches Prädikat dem Christsein hinzugefügt werde und nicht bereits mit diesem gegeben sei. 26 A.a.O., 39 Anm. 24 u. 168 Anm. 324. 21
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das Erbe der alttestamentlichen Priester an. Das alte Gesetz, daß mit priesterlicher Würde ausgestattet sein muß, wer sich der Gottheit nähern will, ist Luther zufolge im Neuen Testament also nicht einfach aufgehoben, sondern durch die Vereinigung mit Christus auf alle Christen ausgedehnt. Umgekehrt bestreitet der Reformator dem, was Goertz zufolge die Sachebene dieser Bildsprache sein soll, die Daseinsberechtigung: Ein »Amtsträger der katholischen Kirche«27 ist gerade nicht Priester zu nennen.28 Selbst als Negativfolie konnte der Dienst des mittelalterlichen Priesters aufgrund der Engführung auf das Meßopfer kaum die Rede vom allgemeinen Priestertum erhellen. Jene heilsgeschichtlich bestimmte Auffassung vom Priestertum der Christen führt Luther vor allem in De abroganda missa privata von 1521 aus, wo er zunächst die beiden von Gott eingesetzten Priestertümer des Alten und Neuen Testamentes gegenüberstellt und anschließend gegen das teuflische Priestertum des Papstes polemisiert.29 Diese Stelle fügt sich nicht in Goertz’ Deutung. Daß Luther das allgemeine Priestertum mit Hilfe von 1. Petr 2, 9, wo das levitische Priestertum im Hintergrund steht, dem römischen Meßpriestertum entgegensetzt, kann in den Kategorien Goertz’ konsequenterweise nur als »problematische[r] Bildspenderwechsel«30 interpretiert werden. Die Schwierigkeit, den Bildspender für die Rede vom allgemeinen Priestertum zu benennen, zeigt gerade, daß Luther hier nicht von einem historisch greifbaren Phänomen, sondern von einem durch seine theologische Funktion definierten Priesterbegriff ausgeht. Dabei kommt auch Goertz’ Untersuchung zu dem Ergebnis, daß die Systematisierung der Redeweise Luthers aufgrund der Vermischung und Kombination verschiedener Bildspender und Subsinnwelten an Grenzen stößt. Er stellt selbst die Frage, »ob Luther nicht über das, was mit einer einzigen Metapher noch sinnvoll geleistet werden kann, hinausgeht«.31 Diese Frage stellt sich sinnvoll natürlich nur, wenn der Reformator tatsäch27
A.a.O., 34. Vgl. WA 7, 28, 26–35. – Gerade die von Goertz angeführte Stelle aus der Auslegung des 1. Petrusbriefes von 1523, in der textbedingt das Priestertum der Christen mit ihrem Königtum parallelisiert wird, zeigt, warum ersteres eine Sonderrolle einnimmt. Luther arbeitet zwar für beides eine Perspektive coram deo (»fur Gott«) heraus, konzentriert sich dann aber auf den Gegensatz zwischen dem wahren und dem geweihten Priestertum. Den »geschmyert[en]« wird abgesprochen, vor Gott Priester zu sein (vgl. WA 12, 318, 1–13). 29 Vgl. WA 8, 458, 13–22: »Inter omnia igitur sacerdocia duo sunt vera et divinitus instituta. Unum Leviticum, in quo summus sacerdos fuit Aaron, lex liber Mosi, sacrificia pecora et res corporales, peccata et iusticiae carnales in sanctitate vestium, cutis, pilorum, escae, potus, vasorum, locorum, dierum, personarum. Sed haec omnia mortua nihil praestabant vitae suis cultoribus. Alterum sacerdotium Christanum et spirituale, in quo summus sacerdos est solus Christus, aeternus, vivus, sanctus, unde et totum sacerdotium eius, et quicquid in eo est, sanctum, vivum aeternumque est. Lex eius fides, id est, vivax illa et spiritualis flamma scripta per spiritum sanctum in cordibus, quid hoc vult, facit, imo est, quod Mosi lex verbo mandat et exigit.« A.a.O., 459, 30–33: »Hoc igitur maledicto maledicendoque sacerdotio [sc. durch das skizzierte Meßpriestertum] transfert et evacuat [sc. der Papst] Christianum nostrum sacerdotium. Nam nemo ferme est, qui iam aliud sacerdotium norit quam hoc papisticum. … Ita et legem vivam Christi evacuat, cum enim spiritus non detur, nisi ad verbum Euangelii, ille autem suum ius canonicum solum doceat, impossibile est, ut spiritus per ipsum detur.« Die stark legalistische Begrifflichkeit im Hinblick auf das Priestertum ist natürlich vor allem durch den Vergleich bedingt, die Rede vom Glauben als dem Gesetz des neuen Priestertums soll jedoch auch unterstreichen, daß auch im Neuen Bund der Umgang mit dem Heiligen Gott Gesetzmäßigkeiten folgt. 30 A.a.O., 168 Anm. 326. 31 A.a.O., 132. 28
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lich bewußt von einer überkommenen Metapher Gebrauch macht. Es erscheint deshalb sinnvoller anzunehmen, daß Luther lediglich in verschiedener Weise das real aufgefaßte Priestertum der Christen mit den Bildern gedeutet hat, die das historische Priestertum vornehmlich des Alten Testamentes bereithielt. Goertz’ Vorgehen bleibt für die Interpretation nicht ohne Folgen. Er stellt zutreffend heraus, daß Berechtigung und Verpflichtung zum Dienst an Wort und Sakrament, die sich aus dem Priestertum der Christen ergeben, nicht zu trennen seien. Wenn er jedoch die Berechtigung als Konsequenz der Verpflichtung auffaßt und die paränetische Funktion der Metapher der polemischen sachlich vorordnet,32 wie es auch in seiner Gliederung zum Ausdruck kommt, tut er sich nicht nur schwer, Quellenbelege zu finden.33 Es wird auch der ursprüngliche Sitz im Leben der Rede vom Priestertum aller Christen unterschlagen:34 Die exegetische Entdeckung, daß erstens in 1. Petr 2, 9 und in Apok 1, 6; 5, 10 alle Christen Priester genannt werden und daß zweitens – dieser Punkt ist innerhalb der Methodik Goertz’ bedeutungslos – diese Bezeichnung im Neuen Testament nie auf ein Amtspriestertum bezogen ist, diente bei Luther zunächst ausschließlich einem kritischen Zweck. Angesichts dieser Schwierigkeiten dürfte es angemessener sei, bei Luther von einer vielfältigen metaphorischen Rede in bezug auf das real aufgefaßte allgemeine Priestertum zu sprechen. Insoweit hätte die Methodik Goertz’ durchaus ihr Verdienst. Wird jedoch behauptet, die Rede vom Priestertum der Christen sei selbst eine Metapher, gerät ihre Intention aus dem Blick.
b. Die Priesterweihe als bloße Amtsübertragung »Szo folget ausz dissem [sc. dem Priestertum aller Christen], das leye, priester, fursten, bischoff, und wie sie sagen, geistlich und weltlich, keynen andern unterscheyd ym grund warlich haben, den des ampts odder wercks halben, unnd nit des stands halbenn, dan sie sein alle geystlichs stands, warhafftig priester, bischoff und bepste, aber nit gleichs eynerley wercks, gleich wie auch unter den priestern und munchen nit eynerley werck ein yglicher hat.«35 Läßt der priesterliche Stand der Christen eine Differenzierung zwischen Geweihten und Ungeweihten nur so weit zu, wie auch zwischen Diensten innerhalb des Klerus oder zwischen weltlichen Berufen unterschieden werden kann, wirkt sich dies auf die Bestimmung des kirchlichen Amtes aus. Dessen Spezifikum ist nicht ein Geistbesitz, der sich von demjenigen der übrigen Getauften 32
Vgl. a.a.O., 172. Die angeführte Stelle aus der Schrift an Leisnig WA 11, 412, 5–13 argumentiert wie weitere dortige Stellen bezeichnenderweise gerade andersherum: Mit dem Recht ist auch die Pflicht gegeben. 34 Kretschmar, Bugenhagen, 200 Anm. 19 führt die Schwierigkeit, eindeutige Aussagen über Luthers Kritik am traditionellen Priesterbegriff zu treffen, darauf zurück, daß »Luther das Priestertum aller Getauften fast nur polemisch ins Spiel bringt und nicht positiv entfaltet, worin die priesterliche Vollmacht der Getauften konkret besteht«. Letzteres ist nicht erst seit Goertz’ Arbeit – vgl. etwa Storck, Priestertum, passim – widerlegt, richtig ist allerdings die Beobachtung, daß die polemische Funktion primär ist und ganz überwiegt. 35 A.a.O., 408, 26–31 (Hervorhebung M.K.). 33
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qualitativ unterscheidet, sondern der konkrete Dienst im Leib Christi. Das Wesen des Amtes definiert sich also durch seine Funktion. Dann aber muß auch die Priesterweihe radikal anders interpretiert werden, als dies in der Tradition geschehen ist. Es handelt sich bei ihr um »nit anders, den als wen er [sc. der Bischof] an stat und person der gantzen samlung eynen ausz dem hauffen nehme, die alle gleiche gewalt haben, und yhm befilh, die selben gewalt fur die andern ausztzurichten.«36 Die Weihe ist ausschließlich als ein Berufungsgeschehen zu verstehen. Sie ist nicht deshalb notwendig, weil der künftige Amtsträger zu seiner Aufgabe bevollmächtigt werden müßte. Sondern gerade weil alle Gemeindeglieder bereits über diese Vollmacht verfügen und ihre Rechte daher konkurrieren, muß er von ihnen allen mit dem Amt beauftragt werden.37 Luther veranschaulicht seine Interpretation der Priesterweihe in der Adelsschrift mit Hilfe mehrerer Aussagen. Zunächst vergleicht er diesen Akt mit der Beauftragung eines Prinzen durch seine Geschwister, das gemeinsame Erbe zu regieren.38 Dann bringt er das – seiner Ansicht nach treffendere – Beispiel vor, daß Christen, die sich ohne einen geweihten Priester in der Wüste befänden, durch Konsens einen aus ihrer Mitte wählen und ihm das Amt befehlen könnten, der dann gültig die Sakramente verwalte und predige. Im übrigen setze auch die nach kanonischem Recht gültige von Laien erteilte Nottaufe voraus, das alle Christen Priester seien.39
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Vgl. a.a.O., 407, 29–31. Vgl. a.a.O., 408, 14 f: »Dan weyl wir alle gleich priester sein, musz sich niemant selb erfur thun und sich unterwinden, an unszer bewilligen und erwelen das zuthun, des wir alle gleychen gewalt haben«; 566, 26–567, 5: »Esto itaque certus et sese agnoscat quicunque se Christianum esse cognoverit, omnes nos aequaliter esse sacerdotes, hoc est, eandem in verbo et sacramento quocunque habere potestatem, verum non licere quenquam hac ipsa uti nisi consensu communitatis aut vocatione maioris (Quod enim omnium est communiter, nullus singulariter potest sibi arrogare, donec vocetur), …«. Nach Brunotte, Amt, 39 Anm. 49 differenziert Luther in der oben im Text zitierten Stelle zwischen »samlung«, die die Gesamtkirche bezeichne, und »hauffen«, der für die Menge der einzelnen Christen stünden. Diese Behauptung überzeugt ebensowenig wie die ähnliche, für Steins Monographie zentrale These, Luther spreche an den zitierten Stellen und anderenorts nie von Einzelrechten der Christen, sondern von der potestas als Gemeinbesitz der universitas fidelium, wofür er auf das communiter im obigen Zitat verweist (vgl. Stein, a.a.O., 90). Schon die zitierten Stellen sind kaum im Sinne einer Vollmacht zu verstehen, die ausschließlich der Gesamtkirche zukommt. Eindeutig sprechen jedoch einige Parallelstellen von einer Vollmacht des einzelnen. Vgl. z.B. in den Schriften von 1523 WA 11, 409, 21 f (»yderman und allen Christen ynn gemeyn«) und WA 12, 184, 21 f. Weitere Stellen führt Lieberg, a.a.O., 84 an. 38 Vgl. WA 6, 407, 32–34. Anderenorts kann er stattdessen auch die Verwaltung eines Erbe durch einen der Brüder oder den Beschluß mehrerer Adliger, ihre Regierungsgeschäfte einem aus ihrer Mitte zu übertragen, als Metaphern verwenden. Vgl. WA 10 III, 396, 21 f; 10 I/2, 239, 35–240, 2. Die Überlegung, daß naturgemäß nur eines der Königskinder das Regiment ausübt und darum die Wahl eines Thronfolgers nicht nur aus Zweckmäßigkeit, sondern notwendig geschieht (vgl. Brunotte, a.a.O., 44), trifft daher nicht Luthers Intention. 39 Vgl. WA 6, 407, 34–408, 2. 37
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Es geht Luther an diesen und ähnlichen Stellen um drei Aspekte. Erstens betont er jeweils die Gleichheit aller Christen hinsichtlich ihrer Rechte und priesterlichen Würde. Zweitens stellt er heraus, daß die kirchlichen Amtsträger im Auftrag und in der Autorität der Gemeinde ihren Dienst versehen. Und drittens schließt er damit aus, daß der Weihe über die Berufung hinaus eine Wirkung beigelegt wird, die den Geweihten über die Gemeinde stellt. Umgekehrt bedeutet dies, daß Luther zu zwei anderen Aspekten keine Aussagen trifft. Erstens erklärt seine Rede vom Priestertum der Christen nicht den Ursprung des Amtes. Die quasi-demokratischen Anklänge in den verwendeten Vergleichen werden mißverstanden, wenn sie dahingehend interpretiert werden, daß das Amt nicht nur von der Gemeinde übertragen werde, sondern überhaupt erst aus dem Konsens der Gemeinde entspringe. Bereits in der Adelsschrift spricht Luther an anderer Stelle von der göttlichen Einsetzung des Amtes.40 Exkurs: Die göttliche Einsetzung des Amtes bei Luther Zu unterschiedlichen Zeiten spricht Luther immer wieder ganz selbstverständlich davon, »… das diß eyn gottlich eynsatzung unnd ordnung sey, das ynn eyner iglichen stadt viel Bisschoff, oder auffs wenigst eyner sey…«.41 Diesen und ähnlichen Stellen wird die sog. Übertragungstheorie42 nicht gerecht. Wenn es etwa im Hinblick auf das Bild der Königskinder aus der Adelsschrift heißt, »die Uebertragung des Amtes erfolgt durch freie Willensentschließung unter sich rechtsgleicher Genossen, oder anders gesprochen, das Amt ist genossenschaftsrechtlich fundamentiert«43, scheint dies durch die isoliert betrachtete Metapher gerechtfertigt, widerspricht aber vielen Äußerungen Luthers, die die Bedeutung der göttlichen Einsetzung des Amtes herausstellen. Das gilt, obwohl der Reformator sie nicht auf eine bestimmten Bibelstelle zurückführt.44 Auch Goertz bestreitet die göttliche Einsetzung, indem er zwischen dem göttlich eingesetzten Amt als Dienst – nämlich der Verkündigung des Evangeliums und der Verwaltung der Sakramente – und dem nur aus dem allgemeinen Priestertum herzuleitenden Amt als Institution – also etwa dem Pfarramt – unterscheidet.45 Die Stellen, an denen dennoch von einer göttlichen Stiftung des Pfarramtes die Rede ist, ordnet Goertz der Ständelehre zu und will sie deshalb nicht innerhalb der Lehre vom Amt, sondern als ethisches Thema
40
Vgl. WA 6, 440, 21 f. WA 8, 500, 16–18 (Vom Mißbrauch der Messe, 1521). 42 Sie wurde begründet durch Höfling. Vgl. v.a. seine Grundsätze, passim. 43 Holstein, Grundlagen, 97. 44 Lediglich der Verweis auf Mt 28, 19 f in der Auslegung des 82. Psalms von 1530 (WA 31I, 196, 13 f ) läßt sich so verstehen, als sähe Luther im Missionsbefehl die göttliche Einsetzung des Amtes. Dies hat er jedoch nicht wiederholt. Alle anderen Stellen, die Brunotte, a.a.O., 127–133 anführt, lassen sich nicht in diesem Sinn interpretieren. Dies gilt auch für den des öfteren angeführten Vers 1. Kor 14, 40, mit dem Luther nicht die göttliche Einsetzung des Amtes, sondern die Notwendigkeit der Ordnung in der Gemeinde begründet (gegen Brunotte, a.a.O., 129–133), und für Eph 4, 11, wo auf diese lediglich verwiesen wird (gegen Lieberg, a.a.O., 106 f ). 45 Vgl. Goertz, a.a.O., 219–236. 41
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verhandelt wissen.46 Doch seine Argumentation überzeugt nicht. Obwohl er Luthers unscharfen Sprachgebrauch bezüglich des Amtes konstatiert,47 setzt er offenbar voraus, der Reformator habe immer entweder dem ministerium verbi et sacramentorum oder dem Pfarrstand, nie jedoch dem institutionellen Pfarramt die göttliche Stiftung zugesprochen. Diese scharfe Unterscheidung ist dem Reformator aber fremd. Ferner ist die Auslagerung des Problems in die Ständelehre und damit in die Sozialethik kaum gerechtfertigt. Wenn Luther die Autorität des Amtes mit dem Hinweis auf dessen göttliche Einsetzung stärken will, ist dies mehr als die Ermahnung, daß jeder den ihn von Gott angewiesenen Platz akzeptieren solle. Besonders deutlich wird die Relevanz der göttlichen Einsetzung in einem Brief, in dem Luther der Gemeinde in Creuzburg die Absetzung ihres Pfarrers mit der Begründung untersagt, »das Ein pfarrampt, predigampt vnd das Euangelion sey nicht vnser …, Sondern allein Gottes vnsers herren, ders mit seinem blut vns erworben, geschenckt vnd gestifftet hat zu vnser seligkeit«.48 Interessant ist hier das Nebeneinander der drei Begriffe, deren Reihenfolge offenbar nicht zufällig ist. Auf dem Wort gründet das Predigtamt49, darauf wiederum das konkrete Pfarramt. Dennoch reklamiert Luther auch für letzteres, es sei von Gott durch den Tod seines Tod erworben und eingesetzt.Wenn diese späte Stelle auch nicht bis ins Detail zur Deutung der Schriften aus den frühen zwanziger Jahren herangezogen werden kann, zeigt sie doch, daß Goertz’ Unterscheidung kaum haltbar ist.
Wie sich die göttliche Einsetzung des Amtes dazu verhält, daß der Amtsträger in der Autorität und in Stellvertretung aller Christen wirkt, hat Luther weder 1520 noch später erörtert. So bietet er wohl keine Theorie der Herleitung des kirchlichen Amtes, wenn er auf die im allgemeinen Priestertum des Amtes begründete Notwendigkeit eines kirchlichen Amtes rekurriert. Stattdessen beschreibt er damit das Verhältnis des Amtes zur Gemeinde, in die es von Gott eingesetzt ist, und folgert, wie die Übertragung dieses Amtes zu verstehen sei.50 Der zweite Aspekt, über den Luther keine Aussage trifft, ist die Frage, in welcher Form die als Berufung verstandene Weihe angemessen durchgeführt werden sollte. Zwar betont er mehrfach, die Handsalbung, das Meßgewand und die Tonsur dienten lediglich dazu, die Fiktion eines besonderen geistlichen Standes zu untermauern.51 Dennoch unternimmt er in den Schriften von 1520 keine Reinigung des Priesterweiherituals von mittelalterlichen Zusätzen. Luthers Kritik ist ohnehin nicht dadurch motiviert, daß die Weihe nicht der 46
Vgl. a.a.O., 228. Vgl. a.a.O., 180–183. 48 WA.B 10, 255, 18–22 Nr. 3844 vom 27.1.1543. Der Beleg ist sehr spät, doch nichts deutet darauf hin, daß Luthers Sicht vom Ursprung des Amtes in den zwanziger Jahren eine andere gewesen wäre. 49 Gemeint ist hier nicht das spätmittelalterliche Amt des Predigers, sondern die funktionale Beschreibung des kirchlichen Amtes als ministerium verbi (vgl. o. S. 18), also eben das, was Goertz mit dem Begriff ›Amt als Dienst‹ bezeichnet. 50 Zur Frage der Einsetzung des Amtes vgl. jetzt auch Wendebourg, Das bischöfliche Amt, 534–540. 51 Vgl. WA 6, 407, 19–22; 566, 14–16. 47
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schlichten urkirchlichen entspricht – er kann sie als einen kirchlichen Brauch durchaus gelten lassen52 –, sondern daß sie als Sakrament mißverstanden wird, welches wiederum eine exklusive Stellung des Klerus begründet. Wie eine evangelische Ordination als Berufung positiv zu gestalten wäre, läge an sich nicht außerhalb des Problemhorizontes der reformatorischen Hauptschriften. Immerhin geht Luther in De captivitate babylonica so weit zu sagen, daß junge Männer sicherheitshalber auf den Empfang der Weihe verzichten sollten, es sei denn, sie wollten predigen oder sie könnten glauben, daß sie durch ihren Empfang nicht zu etwas Besserem als die Laien würden.53 Insofern stellte sich durchaus die Frage, wie die Weihe zu gestalten war, damit sie als ein schlichter ritus vocandi verstanden werden konnte. Dazu hätte auf jeden Fall die Beteiligung der Gemeinde gehört.Wenn er in De captivitate zugesteht, der Amtsträger könne »consensu communitatis aut vocatione maioris« zu seiner Aufgabe autorisiert werden,54 widerspricht dies strenggenommen seiner eigenen hier vertretenen Interpretation der Amtseinsetzung. Wie dem auch sei – Luther befaßt sich noch nicht mit den praktischen Konsequenzen seiner Kritik an der Weihe. Dringender Handlungsbedarf bestand zunächst nicht, und ihm ging es 1520 vor allem darum, die mit der Priesterweihe verbundenen Mißverständnisse zu benennen und auszuräumen. 52 Vgl. a.a.O., 560, 24 f: »Non quod damnandum censeam eum ritum per tanta saecula celebratum«. Der Tatsache, daß Luther hier und a.a.O., 566, 30 (»… sacramentum ordinis esse nihil aliud quam ritum vocandi …«) von einem Ritus spricht, ist jedoch nicht zu entnehmen, daß die Berufung seiner Ansicht nach rituell geschehen müsse (so Stein, Amt, 189 Anm. 52). Er bezieht sich hier schlicht auf den traditionellen Priesterweiheritus, den er als Berufung interpretiert. Smith, Luther, 50 verfehlt den Sinn der Aussagen Luthers völlig, wenn er erwägt, ob der Reformator diesen nicht genannten Elementen so implizit ein ius divinum beigelegt habe. 53 Vgl. WA 6, 566, 9–12: »Ministerium verbi facit sacerdotem et Episcopum. Fugite ergo meo consilio, quicunque tuto vivere vultis: fugite, iuvenes, nec istis sacris initiamini, nisi aut Euangelisare volueritis, aut nisi vos hoc ordinis sacramento nihilo laicis meliores factos credere potestis.« – Die jüngst von Dipple, Luther, passim, bes. 44 f. 55 aufgestellte These, ein eigentlicher Antiklerikalismus, der nicht nur den Papst und seine Anhänger, sondern den gesamten Klerus angegriffen und seine Daseinsberechtigung in Frage gestellt habe, habe sich bei Luther erst seit April 1521 als Reaktion auf die Verdammung der Lehre vom allgemeinen Priestertum durch die Pariser Universität und die im Juli erschienene Quadruplica Emsers (Enders, Luther und Emser II, 129–183; vgl. dazu Peter, Streit, 64–66), die geradezu als Katalysator gewirkt hätten, ausgebildet und sei zuerst im Widerspruch D. Luthers seines Irrtums (WA 8, 241–254), dann in einer durch die Auseinandersetzung mit dem Meßpriestertum verschärften Form in De abroganda missa privata (WA 8, 411–476) zu finden, geht also fehl. Schon in De captivitate bleibt kein Raum mehr für das mit dem Meßopfer eng verbundene Amtspriestertum. Auch wenn Luther gelten läßt, daß jemand sich um der Predigt des Evangeliums willen zum Empfang der Weihe entschließen könnte, ist der Eintritt in den Klerus durch die Verbindung mit dem Meßsystem grundsätzlich negativ besetzt. Daß der Ton 1521 erheblich schärfer wird, ist richtig; dafür ist aber nicht nur die amtstheologische Debatte mit Emser, sondern auch die veränderte Situation – Luther hat den Wormser Reichstag hinter sich und ist inzwischen auf der Wartburg – in Anschlag zu bringen. 54 Vgl. o. S. 26. Daß Luther nicht etwa an einen weltlichen maior, sondern an einen kirchlichen Oberen denkt, zeigt seine gleich zu behandelnde Reaktion auf die Kritik Heinrichs VIII. So auch Stein, a.a.O., 99 Anm. 162 und Brunotte, a.a.O., 50.
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Daraus ergibt sich wiederum, daß aus dem Fehlen der Erwähnung von Gebet und Handauflegung, den Konstituenten der bald von dem Reformator wiederentdeckten altkirchlichen Ordination, in den behandelten Schriften an sich keine Schlußfolgerungen gezogen werden können. Es wird sich allerdings im nächsten Abschnitt zeigen, daß Luther zu diesem Zeitpunkt weder das Gebet noch die Handauflegung als konstitutive Elemente der Weihe bzw. der Amtseinsetzung im allgemeinen ansieht.
3. Luthers Streit mit König Heinrich VIII. – die Bedeutung der Handauflegung (Sommer 1522) a. Heinrichs Schrift gegen Luther Die Assertio septem sacramentorum Heinrichs VIII. von England55 ist die gründlichste Auseinandersetzung mit Luthers De captivitate. Durch die positive Reaktion Papst Leos X., der einwilligte, das Buch den europäischen Monarchen zuzusenden, und dem studierten Theologen für das Werk den lange angestrebten Titel eines fidei defensor verlieh,56 wurde das Werk über den Rang des Privatwerkes eines Laientheologen erhoben. Da Heinrich besonders an der Erhaltung des kirchlichen Status quo gelegen war, maß er der Behandlung des Weihesakramentes eine zentrale Rolle bei.57 Er soll hier nicht nur zur Darstellung kommen, um als Folie für die anschließend zu behandelnde Antwort Luthers zu dienen, sondern auch, weil dessen Position hier nicht wie in einem Großteil der kontroverstheologischen Literatur mit bloßen Rekursen auf die Tradition,58 sondern mit theologischen Argumenten bestritten wird. Heinrich stellt zu Beginn des Abschnitts über die Weihe noch einmal die Spitzensätze aus De captivitate zusammen.59 Die Quelle aller dieser Irrtümer bestehe in der Leugnung der Sakramentalität der Weihe; werde sie ausgetrocknet, würden auch die aus ihr gespeisten Bäche versiegen.60 Der englische König sieht die zentrale Bedeutung des Weihesakramentes für das römische Heilssystem demzufolge ebenso klar wie Luther.61 Zwar will nicht einleuchten, daß durch die erfolgreiche Verteidigung des sacramentum ordinis 55
Vgl. zur Verfasserfrage Fraenkel, CCath 43, 17–23. Vgl. a.a.O., 27–29. 57 Vgl. Peter, Streit, 88. 58 Vgl. a.a.O., passim. 59 Vgl. CCath 43, 206 f. 60 A.a.O., 207: »Sed omnium veluti quidam fons est, quod ordinem negat esse sacramentum: quo obstructo caeteros necesse est rivulos exarescere«. 61 Wenn Peter, a.a.O., 88 die Ausführungen Heinrichs als »zumeist verbalistisch und fundamentalistisch« charakterisiert, trifft dies wichtige Teile des von ihm behandelten Weiheabschnittes gerade nicht. 56
3. Luthers Streit mit König Heinrich VIII. (Sommer 1522)
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bereits Luthers gesamte Sakramentstheologie in Frage gestellt wäre, umgekehrt stehen aber tatsächlich mit der Priesterweihe nach römischem Verständnis alle Sakramente auf dem Spiel, insofern jene nicht nur kirchenrechtlich, sondern auch sakramentstheologisch die Voraussetzung für diese bildet.62 Dem Grundeinwand des Wittenbergers begegnend, das Neue Testament kenne keine Gnadenverheißung für die Weihe, erörtert Heinrich zunächst grundsätzlich, ob die Schrift alleiniges Kriterium für die Sakramente der Kirche sein könne. Aus Luthers Äußerung, die Kirche könne das Wort Gottes von menschlichen Worten unterscheiden,63 folgert er, daß dann auch die Fähigkeit notwendig sei, in den göttlichen Schriften den göttlichen vom menschlichen Sinn zu unterscheiden, und weiter, daß Gott seine Kirche auch über ungeschriebene Traditionen belehre, da für sie die Annahme eines falschen Sakramentes menschlichen oder teuflischen Ursprungs nicht minder gefährlich sei als ein Irrtum bezüglich des Wortes Gottes.64 Luther müsse also zugeben, daß die Kirche bezüglich der Sakramente nicht irren könne. Dieses Argument gegen die Anwendung des Schriftprinzips auf die kirchlichen Sakramente besticht nicht nur durch seine Einfachheit. Bemerkenswert ist auch, daß Heinrich inhaltlich und nicht nur unter dem Hinweis auf die Autorität der Kirche gegen Luthers Kritik vorgeht. Er übersieht dabei allerdings, daß die – später von Luther so genannte – claritas scripturae interna65 nicht einfach aus innerer Notwendigkeit, sondern nur in einem hermeneutischen Zirkel mit Hilfe von Schriftzitaten behauptet werden kann, so daß seine Übertragung dieses Gedankens auf die Sakramente nicht zwingend ist. An dieser Stelle zeigt sich besonders deutlich, wo der Gegensatz zwischen beiden angesiedelt ist. Im Zusammenhang der Theologie Luthers hängt alles davon ab, daß der Christ sich des rechten Verstehens des Evangeliums gewiß ist. Daß in der Kirche menschliche Traditionen in den Rang von Sakramenten gelangt sind, ist vor allem deshalb gefährlich, weil Christen infolgedessen ihren Glauben auf die falschen Objekte gerichtet haben. Im ekklesiologischen Den62 Eine Ausnahme bildet dabei die Taufe, die auch nach römischer Sicht in der Not von Ungeweihten gültig gespendet werden konnte. Hier setzte deshalb Luther immer wieder mit seiner Kritik an der Bindung der Sakramente an die Priesterweihe an. Vgl. o. S. 26. 63 Vgl. o. S. 21. Anm. 12. 64 Vgl. CCath 43, 208 f: »Sequitur igitur ex hoc fundamento, quod nobis substravit Lutherus, ut ecclesia habeat a Deo non id solum quod concedit Lutherus – discretionem verborum Dei a verbis hominum – sed etiam discernendi facultatem, qua in scripturis divinis divinum sensum ab humano discriminet … Denique eadem ratione et istud sequitur: ut et in his quae non scribuntur ecclesiam suam doceat Deus, ne per errorem possit falsa pro veris amplecti; quum ex ea re non minus impendeat periculi, quam si vel scripturas hominum teneat pro verbis Dei vel e verbis Dei falsum eliciat sensum – praesertim si falsa suscipiat sacramenta pro veris et traditiones hominum pro traditionibus Dei, imo non traditiones hominum sed figmenta Diaboli … Non igitur errare potest ecclesia in suscipiendis sacramentis fidei: non magis … quam errare potest in suscipiendis … Scripturis.« 65 Vgl. WA 18, 609, 5–12; 653, 14–22 (De servo arbitrio, 1525).
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I. Die Kritik an der Priesterweihe auf der Grundlage des Priestertums aller Gläubigen
ken Heinrichs stellte es dagegen das gesamte in Heilssystem in Frage, wenn in der Kirche Sakramente gegen den Willen Gottes in Gebrauch wären. Nach diesem grundsätzlichen Einwand liefert Heinrich dann doch noch den verlangten Schriftbeweis für die Priesterweihe. Über die klassische, von Luther bestrittene Einsetzung des Meßpriestertums in den Abendmahlsberichten des Neuen Testamentes hinaus findet der englische König einen deutlichen Hinweis auf das Weihesakrament in 1. Tim 5, 22, der Warnung an Timotheus, niemandem zu bald die Hände aufzulegen. Diese und andere Stellen bewiesen eindeutig, daß jemand nicht durch den Konsens der Gemeinde, sondern nur durch die Ordination durch den Bischof, genauer durch das äußere Zeichen der Handauflegung, durch das Gott die innere Gnade einflöße, zum Priester werden könne.66 Daß durch die Weihe eine Gnade mitgeteilt werde, gehe auch aus der Erzählung von der Weihe Aarons und seiner Söhne durch Mose (Ex 30, 30) sowie aus der von der Aussendung von Paulus und Barnabas in Act 13 hervor.67 Für die Sakramentalität des ordo und für die Lehre vom character indelebilis führt Heinrich darüber hinaus patristische Zitate an und schließt aus der Rede vom Opfer des Hohenpriesters im Hebräerbrief auf die Existenz eines Opferpriestertums im Neuen Bund.68 Der zutreffend wiedergegebenen Ansicht Luthers, »ut populus absque episcopo possit ordinare sacerdotem«, hält er abschließend noch einmal entgegen, daß nach den Pastoralbriefen die Weihe mit Handauflegung durch den Bischof zu geschehen habe.69 Die Assertio Heinrichs VIII. bewegt sich in ihrer Apologie des Weihesakramentes in vielem durchaus in den Bahnen der kontroverstheologischen Literatur der frühen Reformation. Auch sie wiederholt die Argumente der theologischen Tradition und verteidigt durchweg die geltende Praxis. Dennoch geht sie einen bedeutenden Schritt weiter, indem sie nicht nur die Texte der Abendmahlseinsetzung als Schriftbeweis für die Weihe anführt. Dafür lassen sich zwei mögliche Gründe nennen. Zum einen ging es dem englischen König darum, die grundlegende Bedeutung der Weihe für alle Sakramente zu zeigen, weswegen sich die von ihm angeführten Schriftstellen sinnvollerweise 66 CCath 43, 211: »Quae loca plane significant ordinationem sacerdotum non ›consensu communitatis‹, quo solo interveniente fieri sacerdotem posse Lutherus ait, sed sola ordinatione episcopi, idque certa impositione manuum, in qua per exterius signum Deus infunderet interiorem gratiam.« Heinrich bewegt sich hier in der Tradition des Lombarden. Vgl. Petrus Lombardus, Sent., Buch 4, dist. 24 Kap. 13. 67 Vgl. CCath 43, 211. Während Heinrich im letzteren Beispiel die Effektivität der Handauflegung betont (»At cur, obsecro, manus eis imposuerunt apostoli? An ut corpus inani tactu pulsarent, nulla spiritali gratia prodessent animae?«), kann er der Exodusstelle nur allgemeiner eine Gnadengabe der Weihe entnehmen, da der Text von einer Salbung redet. Heinrich scheint also die rituellen Teile der Priesterweihe als eine Einheit zu sehen. 68 Vgl. a.a.O., 212–217. 69 Vgl. a.a.O., 217 f.
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nicht ausschließlich auf die Messe beziehen durften. Zum anderen versuchte er insbesondere, den sakramentalen Charakter der Weihe zu verteidigen. Infolgedessen gewann die pneumatologische Dimension dieser Handlung und damit die Handauflegung an Bedeutung. b. Luthers Antwort Nachdem die Assertio im Mai 1522 in Wittenberg vorgelegen hatte, schloß Luther seine Antwort auf lateinisch und deutsch Mitte Juli ab.70 Während die Widerlegung der meßtheologischen Passagen breiten Raum einnimmt, begnügt sich Luther in der Weihefrage mit einigen kurzen Präzisierungen. Er habe lediglich die Sakramentalität des ordo bestritten, die Berufung und Einsetzung von Predigern hingegen bekräftigt. Diese geschehe richtiger (rectius), wenn auch nicht notwendigerweise mit Wahl und Zustimmung der Gemeinde. Die einzige der von Heinrich vorgebrachten Stellen, die Luther als zur Sache gehörig anerkennt, ist die Anordnung des Paulus in Tit 1, 5, in den Städten Kretas Älteste einzusetzen. Sie könne nur so gemeint sein, daß die Einsetzung nach einer Wahl durch das Volk zu erfolgen habe, andernfalls widerspreche Paulus dem Beispiel der Apostel bei der Wahl der sieben Diakone in Act 6.71 Luther ist also der Überzeugung, daß die Gemeinde nach den neutestamentlichen Schriften an der Berufung beteiligt werden sollte, läßt diesen Aspekt aber zugunsten der Aussage zurücktreten, daß die Priesterweihe nicht als eine Gnadenmitteilung, sondern als Berufung verstanden werden müsse.72 Recht unvermittelt stellt Luther dann fest: »Quae vero de impositione manuum ad ordinis sacramentum trahit, vident pueri nihil ad ordinis sacramentum pertinere, sed more suo Papistico sic e scripturis facit, quodcunque 70 WA 10 II, 180–222 (Contra Henricem Regem Angliae). 227–262 (Antwort deutsch auf König Heinrichs Buch). Zur Datierung vgl. a.a.O., 177 f. 71 Vgl.WA 10 II, 220, 34–221, 5: »Ego ordinem negavi sacramentum esse, id est promissionem et signum gratiae adiectum, quale est Baptismus et panis, non negavi, imo asserui esse vocationem et institutionem ministri et concionatoris, sive hoc fiat autoritate unius Apostoli vel pontificis sola, vel populi eligentis et consentientis simul, nihil refert. Quamquam rectius fiat populo eligente et consenciente quo modo Apostoli Act. 4. [sic!] septem Diaconos instituerunt. Nam ut Paulus Titon iubeat presbyteros ordinare, non tamen sequitur solum Titon sua autoritate id fecisse, sed exemplo Apostolorum per suffragia populi eos instituisse, alioqui pugnabunt verba Pauli cum exemplo Apostolorum.« Die deutsche Version verweist zusätzlich auf die Wahl des Apostels Matthias und durch Wahl zustande gekommene altkirchliche Ordinationen (vgl. a.a.O., 240, 18–241, 2). 72 Stein bezieht a.a.O., 97–101 die Assertio und Luthers lateinische Antwort eigens in seine Untersuchung mit ein, da der Reformator an dieser Stelle klarstelle, daß er in De captivitate keineswegs die Möglichkeit einer Ordination durch die Gemeinde ohne Beteiligung eines Bischofs gelehrt habe, wie Heinrich ihn verstanden habe. Bedeutsam ist jedoch, daß Luther sich erstens nicht gegen die Interpretation Heinrichs verwahrt und zweitens die deutsche Version überhaupt nicht von der Beteiligung eines Bischofs redet.
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visum fuerit. Impositio manuum tunc erat donatio visibilis spiritus sancti.«73 Luther bezieht sich offenbar darauf, daß Heinrich sich für die Sakramentalität der Priesterweihe auf 1. Tim 4, 14 und 2. Tim 1, 6 berufen hatte. Der zunächst überraschende Befund, daß diese Stellen Luther zufolge nicht auf die Priesterweihe anzuwenden sind, klärt sich erst durch Kombination mit der deutschen Version. Denn hier wird die von Heinrich herangezogene Aussendung von Paulus und Barnabas in einer Reihe mit den übrigen in der Apostelgeschichte berichteten Handauflegungen genannt, die allen Christen zuteil geworden seien.74 Zur Interpretation dieser Aussage muß etwas weiter ausgeholt werden. Der Ritus der Handauflegung wird von Luther nur an einer einzigen früheren Stelle erwähnt.75 Im Firmungsabschnitt von De captivitate kritisiert er, daß bestimmte Handlungen allein deshalb als ein Sakrament angesehen würden, weil die Apostel sie praktiziert hätten. Tatsächlich sei die Handlauflegung ein Brauch, den Christus an den Kindern vollzogen habe und durch den die Apostel den Geist gegeben, Presbyter ordiniert und Kranke geheilt hätten – kurzum: ein Ritus, der bei ganz verschiedenen Anlässen angewandt wurde. Luther wünscht sich eine solche mit Vollmacht ausgestattete Handauflegung durchaus für die gegenwärtige Kirche, die Firmung hingegen diene nur dem Zeitvertreib der Bischöfe, die ihre eigentlichen Aufgaben delegiert hätten.76 Der Reformator sieht in der Handauflegung offenbar ein nicht an einen bestimmten Akt gebundenes Zeichen der Geistmitteilung.Wünscht er sie sich für die Gegenwart, denkt er wohl an die Vollmacht der Apostel, durch die Handauflegung Geistmitteilung und Heilung zu bewirken. Insofern bezieht sich auch 1. Tim 4, 14 in seinen Augen lediglich auf die Mitteilung urchristlicher Geistbegabung, nicht aber auf die Institution des Weihesakramentes, das über keine Verheißung verfügt. In diesem Sinne ist auch Luthers Äußerung in Contra Henricem zu verstehen, wonach die Handauflegung damals donatio visibilis spiritus sancti gewesen ist.77 73
A.a.O., 221, 5–9. Vgl. a.a.O., 240, 13–16: »Denn das er auch dasselbs antzeucht die spr ch 1. Timo. 3. von dem henden aufflegen, sihet yderman wol, das es von eym heyntzen kopp dahyn tzogen wirt, und nicht tzum priester weyhen geh rt, wie act. 8. 13. 20. die Apostel pflegten die hende aufftzulegen allen glewbigen.« Hier besteht im übrigen eine strukturelle Parallele zur Ausweitung der Schlüsselgewalt durch die Verbindung von Mt 16, 19 und 18, 18. Vgl. z.B. WA 2, 722, 36–723, 2 im Sermon von dem Sakrament der Buße, 1519. 75 Dies geht aus dem Register des Tübinger Lutherarchivs hervor. 76 Vgl. WA 6, 549, 20–550, 3. 77 Vgl. auch die folgende Stelle aus der Kirchenpostille von 1522 WA 10 I/1, 117, 8–15: »Wyr leßen wol ynn Act. Apostolorum, das die Apostelln yhr hend legten auff die hewbt der getawfften, das sie den heyligen geyst empfingen, wilchs sie tzu der firmelung tzihen, ßo dasselb darumb geschah, das dieselben den heyligen geyst ynn offentlichem zeychen empfingen und mit viel tzungen reden mocheten, das Euangelium tzu predigen. Aber dasselb ist tzeytlich abgangen und nit mehr blieben denn der gleychen [sc. Firmung] odder weyhen tzum priester= oder predi74
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Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß die Handauflegung im spätmittelalterlichen Weiheritus immer mehr zugunsten anderer Elemente zurückgetreten war. Die immer weiter fortschreitende Anreicherung der Liturgie durch fränkische Traditionen und die Interpretation des Priestertums vornehmlich vom Meßopfer her hatten den Schwerpunkt auf die traditio instrumentorum verlagert.78 Darüber hinaus war die Salbung der Hände mit Chrisamöl ein wichtiges Element des Rituals, für Luther eine zusätzliche Ablenkung vom wahren Sinn der Ordination. Die Handauflegung hatte demgegenüber in der Priesterweihe kaum mehr konstitutive Bedeutung. Da sie ähnlich dem Gebet in mehreren christlichen Vollzügen Anwendung findet, macht sie in Luthers Augen nicht das Spezifikum der Weihe aus. Eine gewisse negative Konnotation ist mit ihrer Anwendung in der römischen Kirche für ihn insofern verbunden, als hier der ursprünglich mit charismatischen Wirkungen verbundene apostolische Brauch schriftwidrigen Sakramenten stärkeres Gewicht verleihen soll. Gleichwohl kritisiert er sie eben nicht wie die Salbung als typisches Weiheelement. Aus dieser Stelle geht also hervor, daß zu diesem Zeitpunkt die Handauflegung für Luther nicht in einem exklusiven Zusammenhang mit der Priesterweihe stand. Mehr noch: Wenn er jene als einen Brauch charakterisiert, mit dem zur Zeit des Neuen Testamentes der Heilige Geist mitgeteilt wurde, scheint sie für die Gegenwart überhaupt keine Bedeutung zu haben – es sei denn, Gott wollte seinen Geist wieder ausgießen wie zur Zeit der Urgerampt, wie wol auch dasselb ym mißprauch grewlich gehet.« – Pannenberg, Systematische Theologie III, 433 verkehrt also den Sinn des zitierten Satzes aus der Assertio ins Gegenteil, wenn er interpretiert: »Die Mitteilung einer solchen Gnadengabe [sc. wie sie das Trienter Konzil der Ordination zuschrieb] wurde auch von Luther schon 1522 nicht bestritten.« 78 Vgl. Kleinheyer, Priesterweihe, passim (bes. 226 f ) und Mittermeier, Ordination, 18–25. Auch auf die scholastische Theologie wirkte sich diese Entwicklung aus. Vgl. z.B. Thomas von Aquin, Summa Theologica, Pars III/Suppl., Quaest 37, Art V: »Sed potestatis collatio fit per hoc quod datur eis aliquid quod ad proprium actum pertinat, et quia principalis actus sacerdotis est consecrare corpus et sanguinem Christi, ideo in ipsa datione calicis, sub forma verborum determinata character sacerdotalis imprimitur.« 1439 erlangte diese Sicht in der Bulle Exultate Deo (DH 1326) – wenngleich nicht unumstrittenene – lehramtliche Geltung: »… sacramentum ordinis, cuius materia est illud, per cuius traditionem confertur ordo: sicut presbyteratus traditur per calicis cum vino et patenae cum pane porrectionem. … Forma sacerdotii talis est: ›Accipe potestatem offerendi sacrificium in Ecclesia pro vivis et mortuis, in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti‹.« – In Emsers Wider das unchristliche Buch Martini Luthers hat die Handauflegung ebenfalls kein eigenständiges Gewicht. In der Kritik an Luthers Disqualifizierung der bischöflichen Weihe besteht Emser auf der Notwendigkeit einer äußerlich sichtbaren Weihe. Als Beleg dient ihm die Aussendung von Paulus und Barnabas in Act 13 und deren Auslegung durch die Tradition (v.a. Dionysius Areopagita und Isidor von Sevilla). Dabei dient die Handauflegung als Zeichen der öffentlichen Amtseinsetzung. Daß Emsers Interesse hingegen nicht der Handauflegung als solcher, geschweige denn einer durch sie vermittelten Geistesgabe gilt, zeigt die Aussage, die mit Act 13 belegt werden soll: »Gott [will] keinen heimlich tzu prister oder bischoff weyhen, Er wer dann ouch durch die hend der bischoff offenbarich yn angesicht der Christlichen kirchen gesalbet vnnd geweyhet wie sich gepurt« (Enders, Luther und Emser I, 28; Hervorhebung M.K.).
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I. Die Kritik an der Priesterweihe auf der Grundlage des Priestertums aller Gläubigen
kirche. Daraus folgt aber, daß Luther nicht daran denkt, den Weiheritus zu reformieren und auf seine wahren Elemente zu reduzieren. Noch immer beschränkt er sich darauf, die Weihe in ihrer traditionellen Gestalt evangelisch als Berufung und Einsetzung (vocatio et institutio ministri et concionatoris) zu interpretieren; allein darin liegt für Luther ihr Wesen. So kann ihn Heinrichs Verweis auf die Pastoralbriefe nicht überzeugen. Die Stelle in der Antwort an Heinrich bildet so den terminus a quo für die Interpretation der Sicht Luthers vom Ritus der Ordination.Wenn der Reformator im folgenden Jahr erstmals ein Ordinationsformular konzipieren wird, in dessen Zentrum Gebet und Handauflegung stehen, stellt dies einen wesentlichen Schritt dar.79
79 Dieser Befund ist schwer vereinbar mit der Arbeitshypothese der gesamten neueren Forschung, wonach Luthers Amtsverständnis seit 1520 keine wesentlichen Entwicklungen durchlaufen habe. Dementsprechend wird die Stelle teils gewaltsam umgedeutet (vgl. Stein, a.a.O., 100 f.), teils als taktische Aussage Luthers interpretiert (vgl. Goertz, a.a.O., 321; ähnlich Lieberg, a.a.O., 215 Anm. 259) oder schlicht ignoriert.
II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24) Als sich Luthers Gedanken Anfang der zwanziger Jahre immer mehr verbreiten und viele Gemeinden nach Amtsträgern verlangen, die evangelisch predigen, wird die bisher nur theoretisch formulierte Lehre vom Priestertum aller Gläubigen zur Grundlage praktischer Schritte. Luther unterstützt Gemeinden, die selbst evangelische Amtsträger einsetzen wollen. Was er hier im Hinblick auf solche Einzelfälle entwickelt, legt er 1523 in zwei Schriften grundsätzlich dar. Dabei rückt der Begriff der Berufung immer mehr ins Zentrum: Die priesterliche Gemeinde ist berechtigt, geeignete Kandidaten aus ihrer Mitte zu berufen. In diesem Zusammenhang tauchen erstmals Vorschläge zu einem evangelischen Ordinationsritus auf. Durch Luthers Streit mit Karlstadt kommt es in seiner Sicht der Gemeinde zu einer auffälligen Veränderung. Da für ihn die äußere Berufung durch das göttlich legitimierte Amt kennzeichnet, wird die Forderung nach der ordentlichen Berufung zum Kriterium der Abgrenzung gegen die sogenannten ›Schwärmer‹. Zu einem Bruch in Luthers Amtstheologie kommt es dadurch nicht, doch er nennt als berufendes Subjekt künftig kaum noch die Gemeinde, sondern immer häufiger die sie repräsentierende Obrigkeit.
1. Die Bemühungen Luthers um einen Nachfolger auf seiner Predigtstelle an der Wittenberger Stadtkirche (1521/22) Welche Konsequenzen sich aus Luthers amtstheologischen Entdeckungen ergaben, sollte sich während seines Wartburgaufenthaltes zeigen. Die unfreiwillige Abwesenheit von Wittenberg wirkte sich nicht nur auf die Universität, sondern auch auf die Stadtkirchengemeinde aus. Hier hatte Luther bisher eine bescheiden dotierte Predigerstelle innegehabt,1 die seiner Ansicht nach schnellstens wiederbesetzt werden sollte. Die Bemühungen darum zeigen, daß sich sowohl der reformatorische Flügel als auch die romtreuen Kreise in Wittenberg der Brisanz von Luthers Schriften im Hinblick auf die Priesterweihe
1 Luther hatte die Stelle wohl 1514 erhalten, da der eigentlich für die Predigt verantwortliche Stiftskantor seinen Pflichten nicht nachkam. Vgl. Brecht, Luther I, 150. Ob Luther tatsächlich de iure vom Rat dazu berufen worden war, wie Brecht annimmt, ist allerdings unsicher, da sich der ebd. angeführte Beleg WA 10 III, 10, 10–13 auf die erneute Übernahme der Stelle nach seiner Rückkehr beziehen dürfte (vgl. u. Anm. 18). In jedem Fall muß die Pfründe neu eingerichtet worden sein, da das Erbbuch von 1513 noch keine Prädikatur kennt (vgl. Oppermann, Wittenberg, 105–107).
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
bewußt waren. Im regen Briefwechsel zu diesem Thema fällt vor allem auf, wie sehr Luther an einer baldigen Wiederbesetzung der Stelle gelegen war. Schon in einem Brief an Lukas Cranach auf der Rückreise aus Worms2 macht der Geächtete sich über die Zukunft der Stadtkirchengemeinde Gedanken. Er kennt den Plan des Kurfürsten, ihn zu verstecken, weiß aber nicht, wo und wie lange man ihn »eintun und verbergen« will. Am Ende des Briefes bemerkt er dann kurz: »Ist Euch an Licentiat Feldkirch nicht gnugsam, mügt Ihr Er Amsdorf zum Prediger ersuchen; er wirds wohl machen.« Die Nachfolgefrage scheint demnach bereits vor Luthers Abreise erörtert worden zu sein. Sollte Johann Dölsch aus Feldkirch zu jung sein, weiß Luther von der Bereitschaft Nikolaus von Amsdorfs, die Aufgabe zu übernehmen. Zwei Wochen später fordert er diesen auf, das Wort Gottes bei sich bietender Gelegenheit mit Zuversicht zu predigen.3 Am selben Tag fragt er Agricola besorgt, ob die Predigt schon jemandem anvertraut sei.4 Ende Mai hat Luther offenbar durch einen Brief Melanchthons erfahren, daß es mit der Bereitschaft Amsdorfs doch nicht zum besten bestellt ist. Er fragt, ob seine Nachfolge geregelt sei oder ob Amsdorf noch immer müßig sei. Solange Melanchthon, Amsdorf und andere zugegen seien, sei Wittenberg nicht ohne Hirten und Diener des Wortes und habe keinen Grund zur Klage.5 Melanchthon wird an seine eigene Verantwortung für Wittenberg erinnert. Dieser Gedanke führt ihn Mitte Juli zu der Frage, ob die Vorlesungen haltenden Melanchthon, Amsdorf und künftig auch Justus Jonas sich lediglich untereinander das Reich Gottes predigen wollten. »Non et aliis oportet euangelizari?« Möchten die angeredeten Theologen anders als das urkirchliche Antiochien weder Silas, Paulus noch Barnabas für ein Werk des Geistes hergeben?6
Als sich die Dinge immer mehr hinzogen, versuchte Luther, aus der Not eine Tugend zu machen. Der Gedanke, die Wittenberger Theologen hätten eine gemeinsame Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums, wurde nun konkreter. Dem ungeweihten Melanchthon sollte auf irgendeine Weise die Predigt ermöglicht und auf diese Weise zugleich das wiederentdeckte allgemeine Priestertum in die Praxis umgesetzt werden. Die wesentlichen Gedanken dazu finden sich im Brief an Spalatin vom 9. September.7 Luther schlägt vor, Melanchthon möge an Festtagen morgens irgendwo in der Stadt predigen, »ut fieret consuetudo libertatis introducend & in prisc Ecclesi faciem & mores restituend «. Er behauptet also, daß durch die Predigten Melanchthons ein Stück altkirchlicher Freiheit und Sitte wiederhergestellt würde. 2 WA.B 2, 305 vom 28.4.1521 Nr. 400. Cranach war neben Düring derjenige, dem Luther im Rat am meisten vertraute. Vgl. Bubenheimer, Luthers Stellung, 178. 3 Vgl. WA.B 2, 334, 8 vom 12.5.1521 Nr. 408. 4 Vgl. WA.B 2, 336, 13 f Nr. 409: »Scribe, ut se conciones habeant, quae cui creditae sint, ut vel spem vel metum de verbo augeam.« – »cui« ist wohl Fragepronomen. Gegen Walch2 15, 2520, wo »einem jeden« übersetzt wird. 5 Vgl. WA.B 2, 347, 33–35 vom 26.5.1521 Nr. 413. 6 Vgl.WA.B 2, 359, 109–115 vom 13.7.1521 Nr. 418 an Melanchthon. Daß Amsdorf hier und im Brief an ihn vom selben Datum nicht mehr konkret zur Übernahme der Prädikatur gedrängt wird, dürfte darin begründet liegen, daß ihm gerade eine Pfründe in Schmölln bei Altenburg übertragen worden war. Vgl. WA.B 2, 363 Anm. 1. 7 Vgl. a.a.O., 388, 40–55 Nr. 429.
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Wenn die Wittenberger bereits alle menschlichen Satzungen gebrochen hätten, dürfe es auch kein Hindernis sein, daß Melanchthon ungeweiht und verheiratet sei. Gerade so würde er das allgemeine Priestertum wahrnehmen. »Vere tamen & est sacerdos & agit de facto, nisi non est sacerdotis officium docere verbum.« Andernfalls werde auch das Priesteramt Christi in Frage gestellt. Das Entscheidende ist die göttliche Berufung. »Cum ergo vocatus sit a deo agatque verbi ministrum, vt nemo potest negare, Quid, si a tyrannis istis, Episcopis … vocatus non sit?«8 In einem parallelen Brief vom selben Tag an Amsdorf drückt sich Luther vorsichtiger aus. Spalatin solle betreiben, daß Melanchthon dem gemeinen Volk das Evangelium an irgendeinem Ort wie etwa dem Hörsaal an den Festtagen deutsch vortrage. Falls jemand dann Einwände gegen die Predigt eines Laien habe, könnte man darauf verweisen, daß er lediglich seine Vorlesungen auf deutsch halte.9 Während er den Hofprediger des Kurfürsten offenbar für die ostentative Umsetzung des allgemeinen Priestertums gewinnen möchte, schlägt er Amsdorf – und mit ihm der theologischen Fakultät, die im Konfliktfall für die Berufung Melanchthons zur Verantwortung gezogen würde – einen Modus vor, wie zumindest vorläufig größeren Auseinandersetzungen aus dem Wege gegangen werden könnte. Luther äußert schon im Brief an Spalatin die Befürchtung, daß Melanchthon von dieser Aufgabe nicht begeistert sein werde. Er wünscht sich darum eine Berufung durch die ganze Gemeinde, der sich sein junger Kollege kaum verschließen könne. Spalatin wird beauftragt, durch Lukas Cranach und Christian Düring beim Rat zu betreiben, daß Melanchthon um private Evangeliumsvorlesungen gebeten werde.10 Wohlweislich erwähnt Luther seinen Vorschlag in dem langen Brief an seinen Kollegen selbst, der ebenfalls vom 9. September datiert, mit keinem Wort.11 Aus einem Schreiben von fünf Kaplänen des Stiftskapitels an den Kurfürsten vom 4. November12, das sich größtenteils mit den aktuellen Auseinander8
A.a.O., 388, 52–54. Vgl. a.a.O., 390, 16–23 Nr. 430: »Scripsi Spalatino, ut ageret de Philippo nostro, si forte vernacula euangelium vulgo in aliquo loco, ut collegio, gestis diebus recitaret, qua arte paulatim in praedicandi veterem ritum apud vos euangelium veniret. Habetis pulchrum obiectum, si quis volet inhibere laico euangelium dicendum in angulo, scilicet quod in loco studii et ex officio hoc faciat. Tum vernacula eum loqui et vulgum et mulieres eum audire quis vetet? quis vetet, si quo modo tota civitas eius lectiones audiret, si latine ipsa sciret aut ille vernacula legeret?« 10 Vgl. a.a.O., 388, 57–389, 67. 11 Vgl. WA.B 2, 382–386 Nr. 428. Interessant ist jedoch die Adresse »Wittenbergensis Ecclesiae ministro«. Die Briefe an Amsdorf enthalten nichts Derartiges. Parallelen aus einer Zeit, als Melanchthon von Luther noch nicht ausdrücklich für die Predigerstelle ins Spiel gebracht wurde (vgl. »Euangelistae Wittenbergensis Ecclesiae« am 12.5. und 13.7. sowie »Ecclesiae Wittenbergensis Doctori« am 26.5. [WA.B 2, 332. 356. 347]) widerraten allerdings, die Adressen direkt auf sie zu beziehen. 12 Müller, Wittenberger Bewegung, 58–66 (63 f ). 9
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
setzungen um die Messe beschäftigt, läßt sich der weitere Gang der Dinge erschließen. Danach hatte wenige Tage zuvor der Propst des Kapitels, Justus Jonas, »vons Ratswegen« dem Kapitel das Gesuch übermittelt, Melanchthon zum Prediger zu berufen. Dem Kapitel schien dies wenig ratsam. Zudem sträubte sich der überarbeitete Melanchthon dagegen, wie Luther befürchtet hatte. Im übrigen bestritten die Stiftsherren, daß überhaupt Bedarf bestehe, »wie wol die Cantorei noch nicht in irer ordnung.13 Seind doch viel andere gelerte Theologen alhy, alzo das es, got hab lob, noch nicht von nothen, einen leyhen, der sunder zcweiffel es nit begeret, dozu zubestellen. War ist es das Magister Phillippus der geschicklikeit in der heiligen schrifft, das er furder einem andern dem volck in Christlichen Leren fursein konth, ist es doch widder den gebrauch vnd ane not.«14 Die Kapläne ließen sich also – zumal gegenüber Friedrich dem Weisen – nicht auf eine theologische Diskussion ein. Doch ihre Ablehnung zeigt, daß sie die Tragweite des Antrags erfaßt hatten. Sicherlich dürften die jüngsten Geschehnisse15 zur Skepsis gegenüber einer solchen Neuerung beigetragen haben. Für sie stellte jedenfalls die Weihe die Voraussetzung für die Predigt dar. Nichts in dem Schreiben deutet darauf hin, daß Luthers Kompromißvorschlag, die Predigt offiziell als deutsche Vorlesung zu deklarieren, in den Verhandlungen eine Rolle gespielt hat. Daß dies auch angesichts der Konflikte mit den Augustinern über die Messe niemanden beruhigt hätte, liegt auf der Hand. Im übrigen wirken Luthers Vorschläge an Amsdorf ohnehin wie die zweitbeste Lösung für den Fall, daß keine rechtmäßige Nachfolge zustande kommen sollte. Denn daß sich die Gegenseite mit dieser künstlichen, nur de iure einigermaßen stichhaltigen Konstruktion zufrieden geben sollte, wird Luther nicht erwartet haben.16 Die Antwort des Kurfürsten ist uns nicht bekannt. Wie ein Brief des kurfürstlichen Rates Haugold von Einsiedel an Friedrich zeigt, wurde später zeitgleich mit dem kurfürstlichen Einschreiten gegen die Wittenberger Unruhen, das ein Predigtverbot für Karlstadt und Zwilling zur Folge hatte, doch noch für kurze Zeit Amsdorf mit der Stadtkirchenpredigerstelle betraut.17 Schon 13
Der Kantorei kam eigentlich die Aufgabe der Predigt zu. Der letzte, syntaktisch schwierige Satz ist wohl folgendermaßen aufzufassen: »Wahr ist es, daß Magister Philippus aufgrund seiner Geschicklichkeit in der Heiligen Schrift mehr als jeder andere dem Volk in der christlichen Lehre vorstehen könnte, es wäre jedoch gegen den Gebrauch und ohne Not.« 15 Zu den Wittenberger Unruhen vgl. u. S. 71–74. 16 Das bedeutet, der Antrag des Rates liegt durchaus auf der Linie der Briefe von der Wartburg. Gegen Müller, a.a.O., 63 f Anm. 4. 17 Vgl. a.a.O., 205 Nr. 97 vom 14.2.1522: Einsiedel erwartet, die tags zuvor bei den Verhandlungen zwischen den Professoren und kurfürstlichen Beamten in Eilenburg beschlossene Ordnung werde sich durchsetzen, »Sonderlich weill sich Ambstorff, welcher yetz prediger in der pfarkirchen ist, Erbotten, das volck darzu zuvndterweyssen«. Zum Predigtverbot vgl. u. S. 71 f. 14
2. Der Streit um die Anstellung des ersten evangelischen Predigers in Altenburg (1522)
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im März 1522 wurde diese jedoch durch den neuen Rat wieder auf Luther übertragen.18 Ob Melanchthon tatsächlich als Prediger gewirkt hat, läßt sich nicht mehr sagen. Darauf deutet aber hin, daß die Kunde von dieser brisanten Angelegenheit bis zu Erasmus von Rotterdam drang.19 Luther zieht also zum ersten Mal die Konsequenz aus seinen Schriften des vorausgegangenen Jahres und macht aus Sorge um seine Gemeinde deren Angewiesensein auf das Evangelium zum einzigen Kriterium für das Berufungsrecht und die Auswahl eines Predigers: »Nam populo opus est prae omnibus verbo dei. Quod cum in illo abundet prae c teris,Vides … nos debitores esse, vt eum vocemus…«20 Die konkrete Form, in der die Verkündigung geschieht, ist dabei untergeordnet, denn Luther erwägt gar, die Volkspredigten als Vorlesungen zu tarnen. Unübersehbar ist, daß diese Probe aufs Exempel, die im bewußten Rechtsverstoß vorgenommen werden würde, dem allgemeinen Priestertum gegen menschliche Traditionen zum Durchbruch verhelfen soll.
2. Der Streit um die Anstellung des ersten evangelischen Predigers in Altenburg (1522) Wie vielerorts entstand auch unter den Bürgern Altenburgs, die von der neuen Bewegung erfaßt waren, das Verlangen nach einem evangelischen Prediger. Seit langem hatte der Propst des Augustinerchorherrenklosters Benedikt Bischoff die von ihm zu besetzende Prädikatur21 an der Pfarrkirche St. Bartholomäi selbst versehen. Die Pfarrstellen an dieser wie an der ebenfalls dem Kloster inkorporierten Nikolaikirche hatten seine Ordensbrüder inne.22 18 Vgl.WA 10 III, 10, 10–13, Luthers Schreiben an den Kurfürsten vom 7.3.1522 WA.B 2, 460, 22 f Nr. 456 und dazu Bubenheimer, a.a.O., 202. Die Parallelität beider Stellen spricht dagegen, den Abschnitt aus der zweiten Invocavitpredigt auf die erste Berufung 1514 zu beziehen. 19 Vgl. seinen Brief vom 9.2.1522 (Allen 5, 14, 6–15, 7 Nr. 1258). Dort schreibt er: »Philippus Melanchton publicum agit concionatorum«. 20 WA.B 2, 388 f, 61–64 Nr. 429. 21 Diese Pfründe war 1465 von Andreas Gruner, einem Domherrn am St. Georgenstift, gestiftet worden und war mit 8 Schock Groschen jährlich dotiert, die der Rat dem Propst in zwei Raten auszahlte. Über das Besetzungsrecht des Propstes kam es 1490 zum Konflikt mit dem Rat, als jener einen Ordensbruder mit dem Amt betraute, der nicht über den vorgesehenen Magistergrad verfügte. Über den Gegenstand dieses Streitfalls hinaus wurde vereinbart, die grundsätzliche Regelung beizubehalten; dem Rat wurde jedoch eingeräumt, sich bei Unzufriedenheit an den Kurfürsten zu wenden, der die Sache durch die Konsultierung geistlicher Prälaten schlichten sollte (vgl. Löbe, Mittheilungen, 10; WA.B 2, 504), eine Bestimmung, die nach einem weiteren Streit in einem nicht erhaltenen sog. ›Vereinigungsbrief‹ festgehalten wurde, der 1522 mehrfach als Verhandlungsgrundlage genannt wurde. Vgl. Herrmann, Prediger, 40 f. 22 Die Frage, mit welchen Personen die Stellen Anfang 1522 besetzt waren, wird in der Literatur unvollständig und fehlerhaft beantwortet. Pfarrer an St. Nikolai war jedenfalls Mag. Andreas Koler, wie aus einem Brief des Propstes an Friedrich den Weisen zweifelsfrei hervorgeht (vgl. Löbe, a.a.O., 62). Löbe selbst bezeichnet in seiner Einleitung a.a.O., 11 Koler als den
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
Sie alle genügten dem Anspruch der neuen Zeit nicht mehr. Der Rat teilte deshalb am 28. März 1522 dem Propst mit, er wolle am 1. Mai zum letzten Mal die halbjährliche Rate aus der Stiftung der Prädikatur zahlen, die Pfründe auf eigene Kosten erhöhen und einen evangelischen Prediger berufen. Dem Propst sei es indessen unbenommen, selbst weiterhin zu predigen. Doch Bischoff war – zu Recht, wie sich zeigen sollte – darum besorgt, daß es dem Rat nicht nur um die Prädikatur, sondern um die Kontrolle über das gesamte kirchliche Leben zu tun war, und er wollte den Reformbestrebungen in der Stadt an keiner Stelle nachgeben. So beantwortete er das Ansinnen des Rates ironisch damit, erst dann auf das Besetzungsrecht verzichten zu wollen, wenn ihm im Gegenzug die Nominierung des Bürgermeisters übertragen werde.23 aus der Pfründe angestellten Prediger. Diese Sicht übernimmt Clemen, WA.B 2, 504. Doch den Quellen ist an mehreren Stellen zu entnehmen, daß Bischoff selbst die Prädikatur versah. Vgl. Löbe, a.a.O., 37.48 f sowie besonders die Aussage des Propstes im Verhandlungsprotokoll vom 29.4.1522 a.a.O., 45: »Er hette den predigstul bey den zcu aldenburgk bei zcanzig jaren gehalten …«. Mit der Predigtstelle wird Koler nur in der Aussage des Rates am 29.4.1522 a.a.O., 46 in Verbindung gebracht, »sie kenneten mgrum koler, den der probst anzceiget, sehr wol«. Da Koler hier jedoch von Bischoff als möglicher Kandidat bei einer Neubesetzung genannt wird, scheidet er als bisheriger Inhaber der Pfründe gerade aus. Schwieriger ist die Frage, wer die Pfarrstelle an St. Bartholomäi innehatte. Hermann, a.a.O., 47 zufolge handelte es sich dabei ebenfalls um Bischoff selbst. Dafür scheint erstens zu sprechen, daß sich eine Zitatensammlung, mit der die Gemeinde gegenüber dem Kurfürsten nachzuweisen suchte, wie unzureichend sie mit dem Evangelium versorgt wurde, allein auf die Predigten Bischoffs und Kolers stützt (vgl. a.a.O., 39–41 Nr. 4 sowie a.a.O., 44 f ). Zum anderen gesteht der Rat dem Propst während der Verhandlung am 31.3.1522 zu, auch nach Aufgabe der Prädikatur weiter predigen zu dürfen, wie es einem Pfarrer zustehe (vgl. die folgende Anm.). Jedoch ist in den Dokumenten der Jahre 1523 und 1524 immer wieder von einem namentlich nicht genannten Pfarrer an St. Bartholomäi die Rede, der zwar Augustinerchorherr, aber eindeutig nicht mit dem Propst identisch ist. Vgl. a.a.O., 83.88–90.103.106 f.Wenn Bischoff hingegen zwischen Juni 1522 und Ende 1523 zugunsten eines Ordensbruders auf sein Amt verzichtet hätte, müßte dies seinen Niederschlag in den zahlreichen Beschwerden sowohl des Propstes als auch des Rates gefunden haben, die immer wieder auch auf die zurückliegenden Ereignisse eingehen. Schließlich ist auch auszuschließen, daß zwischen den Parochien St. Bartholomäi und St. Nikolai keine klare Abgrenzung bestand und beide von Koler versorgt wurden, denn im Bericht des Propstes an den Kurfürsten vom 1.6.1522 heißt es ausdrücklich, daß an diesem Tag »der pfarner von Sant Niclas Magr. Köler den predigstull zw Sant Barthelmes hat wollen vorßorgen vnd predigen wollen« (a.a.O., 62). Bei dem Pfarrer an St. Bartholomäi muß es sich also um einen dritten Mann gehandelt haben. Daß er in den Beschwerden des Rates nie genannt wird, könnte daran liegen, daß ihm persönlich nur die Loyalität gegenüber dem Propst vorzuwerfen war. Bevor er nach Ablauf eines Ultimatums am 21.3.1524 schließlich aus dem Pfarrhaus in das Kloster übersiedelte, hatte der Rat ihn mehrfach aufgefordert, deutsch zu taufen und das Abendmahl unter beiderlei Gestalt einzuführen. Seine Predigt wurde nicht beanstandet (vgl. a.a.O., 106 f Nr. 56). 23 Vgl. das Verhandlungsprotokoll a.a.O., 35–37 Nr. 1 sowie das Schreiben des Rats an den Kurfürsten vom 31.3.1522 a.a.O., 37 f Nr. 2: Man habe dem Propst, der »lange zeit vnser prediger in der pfarkirche S. Bartolomes gewehst, itzund in ansehung das seine A.W. mit der caplanei vnd probstei sint beladen, vnd jnen des selbigen predigens zcu verschonen, den predigerstul sampt den zcinsen itzund Walpurgis kunftig vffgesaget, anzceigend, wie wir willens seint denselbigen predigerstul mit verbesserung der zcinse mit einem gelarten christlichen evangelischen prediger selbst versorgen … Wil er sonst predigen, als einm pfarrer zcusteht mags er thun.«
2. Der Streit um die Anstellung des ersten evangelischen Predigers in Altenburg (1522)
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Beide Seiten riefen daraufhin den Kurfürsten an, der seinerseits durch seinen Geleitsmann Johann von Wernstorff auf den 29. April eine Kommission nach Altenburg einberief.24 Ohne diesen Termin abzuwarten, wandte sich der Rat Mitte des Monats an Luther mit der Bitte, »einen christlichen, evangelischen und gelahrten Prediger gegen genannte Zeit Walpurge aber [sic] zuvor uffs forderlichste unvorzuglich zu verordnen«. Daß man dem Propst »den Predigerstuhl … abgesagt« habe, wird berichtet; die anhängige Kommissionsentscheidung wird hingegen aus naheliegenden Gründen verschwiegen.25 Luther empfahl umgehend Gabriel Zwilling,26 den er als »fast berumpt mit verstand vnnd predigen vnnd auch nü wol gevbet« charakterisierte. Einzig sein Klosteraustritt sei »eyn kleyne schewe«. Sollten die Altenburger daran Anstoß nehmen, könnte er ihnen noch zwei Säkularpriester empfehlen.27 Zwilling riet er am selben Tag »in nomine Domini nostri Ihesu Christi, qui te per me et Philippum vocat«, er möge die Anstellung durch die Altenburger »tanquam vocem certissimam vocantis Dei« annehmen. Er solle allerdings um der Schwachen willen wieder ein Meßgewand tragen und solo verbo wirken.28
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Vgl. a.a.O., 38 f Nr. 3. WA.B 2, 502 f Nr. 476. 26 Zwilling, der durch seine Predigtstelle im Augustinerkloster – vgl. Brück an Friedrich den Weisen vom 11.10.1521 Müller, a.a.O., 28 Nr. 10 (=CR 1, 460) und die Wittenberger Beschwerdeschrift an Friedrich vom 4.11.1521 a.a.O., 59 Nr. 25, wo Zwilling jeweils als Prediger der Augustiner bezeichnet wird – neben Karlstadt Hauptakteur in den Wittenberger Unruhen gewesen war, hatte sich auf eine Anfrage aus Eilenburg und mit der Zustimmung von kurfürstlichen Beamten vor Weihnachten dorthin begeben und in St. Marien sofort eine rege Predigttätigkeit entwickelt, wobei er in weltlicher Kleidung aufgetrat. Am Neujahrstag hatte er etwa 250 Gläubigen das Abendmahl unter beiderlei Gestalt gereicht. Der Aufenthalt wurde durch den in Zwillings Abwesenheit geschehenen, aber wohl nicht zu Unrecht mit seinen Predigten in Verbindung gebrachten Sturm auf die Pfarrei beendet. Vgl. die Akten bei Pallas, Reformationsversuch, passim und den Bericht für Herzog Georg bei Gess, Akten I, 261 f Anm. 1. Inzwischen hielt er sich ohne feste Anstellung im nahegelegenen Düben auf. 27 Vgl. WA.B 2, 505 Nr. 477 vom 17.4.1522. Zu diesem frühen Zeitpunkt ist der Klosteraustritt auch in evangelisch gesinnten Kreisen noch eindeutig negativ besetzt. Luther relativiert diesen Makel mit dem Hinweis, daß Zwillings Predigtkunst erst dadurch zur Geltung gekommen sei. In mehreren Zwilling diskreditierenden Quellen wird er betont als entlaufener Mönch bezeichnet. Vgl. z.B. Herzog Georg an Friedrich den Weisen vom 2.2.1522 Gess, Akten I, 261 Nr. 293 (»ein außgloffener monch Gabriel gnant«), den Bericht für Herzog Georg vom Januar ebd. Anm. 1 (»eyn ausgelaufner Augustinermonch …, hat eyn baert, keyn platten und wertlich klayder an, heyst Gabriel«), Friedrich der Weise an von Wernstorff vom 5.5.1522 WA.B 2, 518, 58 (»desselbigen monchs«). Luther, der eine Kopie dieses Schreibens aus Altenburg erhalten hatte, entgegnete darauf dem Kurfürsten: »Das er aber eyn Munch geweßen ist, weyß E. c.f.g. wol, das nicht ergerlich ist denn bey den blinden vnnd yhren leytternn, Wilcher ergerniß tzuuerachten ist, auff das gottl wortt den armen seelen nicht entzogen werde« (a.a.O., 521, 50–52 Nr. 485 vom 8.5.1522). 28 Vgl. a.a.O., 506 Nr. 478. Luther rät Zwilling, »qui [sc. die Altenburger] si ad te venerint, ibis cum eis«, bereitet ihn demnach darauf vor, daß er die Abordnung zu ihm senden werde. 25
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
Auffällig ist, wie Luther hier mit dem Begriff der Berufung verfährt. Wie in seinen Briefen an Melanchthon im Jahr zuvor betont er die Bedeutung der göttlichen Berufung, um den Kandidaten der Rechtmäßigkeit seiner Anstellung zu versichern. Die Berufung wird in diesem Fall durch die beiden Reformatoren ausgesprochen, die den göttlichen Auftrag an Zwilling weitergeben. Von der Gemeinde und ihren Rechten ist nicht die Rede. Dieser Aspekt sollte jedoch bald in den Vordergrund treten. Den im Altenburger Gesuch außerdem ausgedrückten Wunsch, er möge selbst kommen und gegen die Ketzerei des Klerus predigen, erfüllte Luther zum angesetzten Kommissionstermin und konnte vor Ort für den Rat eine Instruktion aufsetzen, die dieser der Kommission vorlegte.29 Das Dokument erkennt zwar an, daß niemand fremdes und vor allem obrigkeitliches Eigentum antasten dürfe. »Wenn es aber die lere vnnd selickeytt der seelen betrifft, ist niemant dem andern schuldig tzu weychen, folgen, thun odder lassen, das widder die rechte lere ist.« Da die Altenburger Kleriker »nicht alleyne das Euangelion nicht leren, Sondernn auch weren vnnd verfolgen«, gedenke der Rat »eynen Euangelischen prediger tzu haben« und werde sich daran nicht hindern lassen, »wenn es gleich eyn Engel vom hymel weren wollt, schwyg das vnß menschen auff erdenn hyndern sollten«. Luther begnügt sich nicht damit, durch den Anklang an Gal 1, 8 den Altenburger Propst in die Nähe der paulinischen Pseudapostel zu rücken; er stellt sogar fest, laut Mt 7, 15 habe das Volk das Recht, den Propst und die Seinen als Wölfe in Schafspelzen aus der Stadt zu vertreiben. Man werde sich jedoch damit begnügen, ihre Predigt nicht länger hinzunehmen und einen evangelischen Prediger zu berufen. Das Plädoyer schließt mit der Forderung, daß die Mönche entweder das reine Evangelium predigen oder auf Macht und Pfründen verzichten müßten.30 Wenig überraschend war dies nicht durchzusetzen. Propst Bischoff war zwar durchaus bereit, auf die Prädikatur zu verzichten, bestand jedoch auf seinem Präsentationsrecht. Er schlug zunächst Andreas Koler vor, den der Rat sofort ablehnte. Hinsichtlich der weiteren Kandidatenauswahl gab er sich kompromißbereit, forderte aber die Konfirmation durch einen Prälaten. Es kam zu keiner Einigung, und die kurfürstlichen Räte empfahlen Friedrich, den Propst und seine Kandidaten durch einen von ihm, dem Kurfürsten, zu bestimmenden Prälaten beurteilen zu lassen, den Vorschlag Bischoffs aber auf jeden Fall abzulehnen. Dann könne er selbst einen evangelischen Prediger vorschlagen und durch den Prälaten bestätigen lassen. So würde man formal auf die Forderung des Propstes eingehen, zugleich jedoch den Wunsch der Gemeinde nach evangelischer Predigt erfüllen, die wiederum den Propst dazu 29
Vgl. a.a.O., 516 Anm. 1 und die Instruktion a.a.O., 507 f. Vgl. a.a.O., 508, 67–72: »Darum entbieten wyr freuntlich dem herrn probst Hec duo: Aut taceant & non predicent nobis omissis tam potestatibus quam censibus. Aut solum & purum Euangelion doceant retentis tam potestatibus quam censibus.« 30
2. Der Streit um die Anstellung des ersten evangelischen Predigers in Altenburg (1522)
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veranlassen könnte, freiwillig auf seine Rechte hinsichtlich der Prädikatur zu verzichten.31 Die Tatsache, daß der Rat bereits mit Zwilling in Verbindung stand, wurde weder während der Verhandlung noch gegenüber dem Kurfürsten erwähnt. Nachdem der Wunschkandidat Luthers am 3. Mai zu allgemeiner Zufriedenheit, aber ohne Wissen des Propstes gepredigt hatte,32 wandte der Rat sich mit der Bitte an Friedrich, daß Zwilling auf Kosten des Rates in Altenburg bleiben und »außerhalb ander embter«, beispielsweise nachmittags, predigen dürfe. Die Rechte des Propstes sollten bis zu einer Klärung der Angelegenheit unangetastet bleiben.33 Für den Kurfürsten war dieses Ersuchen unannehmbar. Zum einen wäre damit die Arbeit der Kommission konterkariert worden, denn wenige Tage nach der Verhandlung wäre so die angeordnete Untersuchung durch einen Prälaten trotz des angeblich vorläufigen Charakters der Berufung überflüssig geworden und eine Entscheidung zugunsten des Rates gefallen. In seiner Antwort an Johann von Wernstorff 34 kündigt er deshalb an, er werde der Stadt dann zu einem Prediger verhelfen, »wenn die Sach zwischen ihnen und dem Probst Endschaft erreicht« habe. Zum anderen hatte Friedrich erhebliche Einwände gegen den Kandidaten und bezweifelte, Luther könnte den Altenburgern Zwilling empfohlen haben, den er doch wegen seines Predigens und Vorgehens in Eilenburg und anderen Orten nie geschätzt habe. Wernstorff solle zwei Vertreter des Rates zu sich zitieren und sie auffordern, von ihrem Vorhaben abzulassen. Der Rat bat Luther, er möge sich bei Friedrich für den Kandidaten verwenden,35 was der auch sofort tat: Er bestätigt, zusammen mit Melanchthon Zwilling empfohlen zu haben. Dann legt er seinem Fürsten dar, die Altenburger und auch dieser selbst hätten die Pflicht, für rechte Prediger zu sorgen. »Da widder helffe keyn sigel noch brieffe noch brauch noch yrgent eyn recht, Es sey denn das sie mit gewallt anders getzwungen werden. Denn widder gott hellt keyn sigel, recht, brauch noch vbirkeytt.« Die Altenburger habe er aufgefordert, bei ihrem Vorhaben zu bleiben und sich nur »tyrannei vnnd welltlich gewallt« zu beugen. Die Einwände gegen die Person Zwillings versucht er mit dem Hinweis auf dessen Sinnesänderung zu zerstreuen. Er habe ihn brieflich ermahnt, keine Neuerungen einzuführen; im übrigen sei
31 Vgl. den Bericht der kurfürstlichen Kommission vom 3.5.1522 über die Verhandlung am 29.4.1522 bei Löbe, a.a.O., 44–48 Nr. 8. 32 Vgl. im Brief des Altenburger Rates an Luther vom 6.5.1522 a.a.O., 517, 13–16 Nr. 484. 33 Vgl. das undatierte Schreiben bei Löbe, a.a.O., 48–50 Nr. 9 (teilweise abgedruckt WA.B 2, 518, 31–44). 34 Vgl. den Brief vom 5.5.1522 bei Löbe, a.a.O., 51 Nr. 11=WA.B 2, 518, 48–61. 35 Vgl. WA.B 2, 517 f Nr. 484 vom 6.5.1522.
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
der Klosteraustritt nicht als Ärgernis anzusehen.36 Luther spricht zwar nicht aus, von welcher Seite der Rat Tyrannei zu erwarten hätte, doch da er mit dem Brief auf den abschlägigen Bescheid Friedrichs reagiert, konnten seine Zeilen nur als kaum kaschierte Kritik am Kurfürsten verstanden werden. Ausdrücklich weist er darauf hin, daß Friedrich die Rechte des Propstes nicht guten Gewissens stützen könne. Das reichlich aufsässige Schreiben schließt mit dem Wunsch, »Solchs meyn schreyben wollt E.c.f.g. von myr nicht tzu vngnaden auffnemen.«37 Der gleichzeitige Brief an den Altenburger Rat sieht im kurfürstlichen Widerstand gar den Teufel am Werk und schärft den Empfängern noch einmal ihre Pflicht ein, die Lehre zu beurteilen. »Denn eyn iglicher muß fur sich selb glewben vnnd wissen, was recht odder vnrecht glawbe ist. Da stehe ich auff, darauff bleybt yhr auch.«38 Luthers Intervention war vergeblich. Bereits zwei Tage vor der Abfassung des Briefes an den Kurfürsten waren die Streitparteien zu einem weiteren Verhandlungstermin auf den 19. Mai nach Eilenburg geladen worden, wo schließlich ein Kompromiß erzielt wurde. Der Propst verzichtete auf das Besetzungsrecht, die Pfründe durfte vom Rat für die Anstellung eines evangelischen Predigers verwendet werden, den allerdings einmalig der Kurfürst auf Vorschlag des Rates bestimmen sollte, so daß auch der Propst sein Gesicht wahren konnte. Zwilling wurde als Kandidat ausdrücklich ausgeschlossen und sollte nicht mehr predigen.39 Die Briefe des Rates an Luther und an den Kurfürsten zeigen, daß die Altenburger mit der Entscheidung leben konnten. In das Predigtverbot für Zwilling wollten sie sich – »wiewohl nicht gerne« – fügen; wichtig war ihnen vor allem, daß »Gott Lob! die Sach« in der Weise »sein Orterung erlangt« habe, daß die Bestellung der Prädikatur in Zukunft beim Rat liegen werde.40 Luther wollte indes nicht einsehen, daß sein Favorit nicht zu halten war. Erneut schrieb er an den Rat, daß Zwilling in Altenburg bleiben und predigen solle, bis er einen anderen empfohlen habe; man solle sich auf sein Schreiben berufen.41 Der Ankündigung eines weiteren Schreibens an Friedrich kam er durch einen Brief an Spalatin nach, dem er die letzte »supplicationem Alten36 Vgl. a.a.O., 520 f, 8–52 Nr. 485 vom 8.5.1522. Daß diese Ermahnung nach dem Auftreten Zwillings in Eilenburg und nicht schon vor dem Weggang aus Wittenberg erfolgte, geht aus einem Brief an Linck vom 19.3.1522 a.a.O., 478, 6 Nr. 462 hervor: »Et Gabriel quidem sese agnoscit, et in alium virum mutatus est…«. Diese Einschätzung wurde bald getrübt. Am 8.5.1522 moniert Luther Zwilling gegenüber, in dessen Brief »quid spiritualis praesumptionis« gerochen zu haben (a.a.O., 523, 4 f Nr. 487). 37 Vgl. a.a.O., 521, 53–63. 38 Vgl. a.a.O., 522 f Nr. 486. 39 Vgl. der Rat von Altenburg an Luther vom 22.5.1522 a.a.O., 538, 1–10 Nr. 496 und a.a.O., 540. 40 Vgl. a.a.O., 538, 18 f; 539, 44–47. 41 Vgl. a.a.O., 540 f Nr. 497 vom 27.5.1522. Vgl. a. Luther an Zwilling a.a.O., 541 Nr. 498.
2. Der Streit um die Anstellung des ersten evangelischen Predigers in Altenburg (1522)
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burgensium« beilegte, die er unzutreffend dahingehend zusammenfaßte, diese hätten ihn gebeten, er solle »pro Gabriele … obtinendo« schreiben. Er habe Zwilling befohlen, nur dann zu weichen, wenn der Kurfürst ihn durch einen anderen Kandidaten zum Weggang zwinge. »Summa: faciat princeps & aula in hac re, quod voluerint, Ego spiritui sancto non resistam, ipsi viderint.«42 Die Altenburger verhielten sich Luthers Rat gemäß, ließen entgegen ihrer früheren Ankündigung Zwilling am 29. Mai, Christi Himmelfahrt, nachmittags predigen und hinderten drei Tage später sogar ihren Pfarrer Koler zugunsten Zwillings an der Sonntagspredigt.43 Dies hatte erneute Beschwerden des Propstes und am 16. Juni einen Verweis des Kurfürsten zur Folge.44 Acht Tage später wurde schließlich Wenzeslaus Linck von Spalatin angeschrieben, er solle Prediger in Altenburg werden45 – eine Entscheidung, mit der Luther ebenfalls unzufrieden war, zumal er nicht erwartete, daß Linck längerfristig auf der Stelle bleiben werde.46 Der Streit um die Altenburger Prädikatur illustriert eindrücklich wie kein anderer Fall die generelle Lage, in der sich die Besetzung von evangelischen Predigtstellen in den frühen zwanziger Jahren unter Wittenberger Einfluß vollzog. Der Hauptwiderstand gegen das, was aus Sicht der Reformatoren der Durchbruch des Evangeliums war, regte sich naturgemäß in der kirchlichen Hierarchie. Für den Propst hatte der Verlust der Besetzungsrechte sogar unmittelbare Auswirkungen auf seine eigene Tätigkeit. Die von Luther formulierte Alternative, jener solle das reine Evangelium predigen oder auf Macht und Einkünfte verzichten, war in erster Linie auf die umstrittene Predigerpfründe gemünzt, wurde jedoch im folgenden Jahr umfassend in die Tat umgesetzt: Der Altenburger Rat verleibte sich gegen die Proteste des Propstes und den erklärten Willen des Kurfürsten die Pfarreien St. Bartholomäi und St. Nikolai dadurch ein, daß er und die evangelisch gesinnten Bürger nach und nach alle Zahlungen an das Kloster einstellten und so die bisherigen Amtsinhaber schließlich dazu zwangen, sich in ihren Orden zurückzuziehen.47 Doch auch die etablierten Rechte des Kurfürsten waren durch die Initiative der Gemeinde berührt. Die im Spätmittelalter zu beobachtende Tendenz, daß 42 Vgl. a.a.O., 547, 41–51 Nr. 500 vom 29.5.1522. Vgl. a. die erneute Bekräftigung nach Spalatins Antwort von Anfang Juni a.a.O., 552, 6–10 Nr. 503. 43 Vgl. das Verteidigungsschreiben des Rates an von Wernstorff vom 13.6.1522 bei Löbe, a.a.O., 65–67 Nr. 25. 44 Vgl. das Schreiben an von Wernstorff a.a.O., 68 Nr. 26. 45 Vgl. a.a.O., 575 Anm. 1. 46 Vgl. Luther an Spalatin vom 26.7.1522 a.a.O., 580, 6–11. Linck blieb bis August 1525 in Altenburg und kehrte dann nach Nürnberg zurück. Sein Nachfolger wurde nach dem Tod Friedrichs des Weisen Georg Spalatin. Vgl. Brecht, Luther II, 235. 47 Vgl. zu dieser Entwicklung Löbe, a.a.O., 22–32 und bes. den Bericht über die Resignation des Pfarrers an St. Bartholomäi im März 1524 a.a.O., 106 f Nr. 56.
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
die Ernestiner ihre Mitspracherechte bei der Besetzung von kirchlichen Ämtern immer mehr ausweiteten,48 findet nun in der unnachgiebigen Haltung Friedrichs ihre Fortsetzung. Dabei ließ sich der Kurfürst offenbar nicht nur durch seine Vorbehalte gegenüber Gabriel Zwilling leiten, sondern auch dadurch, daß die vor seiner Kommission getroffenen Vereinbarungen mißachtet worden waren. Die Tatsache, daß Friedrich sich bis in seine letzten Lebensmonate persönlich in die Altenburger Auseinandersetzungen einschaltete, illustriert, welch hohe Bedeutung er seiner Rolle als Schiedsinstanz in Besetzungskonflikten zumal in einer Phase des kirchlichen Umbruchs beimaß. Es galt einerseits, aufrührerische Tendenzen einzudämmen. Andererseits boten ihm gerade solche Konflikte die Möglichkeit, seinen Einfluß auszudehnen. Natürlich wollte auch der Altenburger Rat seinen Einfluß ausweiten. Es besteht zwar kein Anlaß, daran zu zweifeln, daß seine Forderung von einem aufrichtigen Verlangen nach evangelischer Predigt getragen war. Gleichwohl zeigt die Tatsache, daß sich der Rat bereits drei Jahrzehnte zuvor ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Prädikatur gesichert hatte, daß sein Interesse daran nicht erst durch die Reformation geweckt werden mußte. Vom politischen Blickwinkel aus betrachtet, unterschied sich der jüngste Fall von früheren Auseinandersetzungen lediglich dadurch, daß die neuen Forderungen unter Berufung auf die Heilige Schrift vorgetragen wurden.49 Umgekehrt erweckt auch Luthers nachhaltiges Eintreten für den ehemaligen Mönch nicht den Eindruck, allein von der Überzeugung von Zwillings Predigtkunst geleitet zu sein. Seit der Instruktion für den 29. April zieht sich wie ein roter Faden durch alle Briefe Luthers die Auffassung, daß jeder Christ für sich selbst glauben müsse und folglich wahre und falsche Lehre unterscheiden könne. Die Berufung von kirchlichen Amtsträgern darf darum nicht gegen den Willen der Gemeinde durch geistliche und weltliche Obrigkeiten geschehen. Subjekt der Berufung des Altenburger Predigers ist der Rat also nicht in seiner Eigenschaft als lokale Obrigkeit, sondern als Vertretung der Gemeinde, die selbst entscheiden kann und muß, was ihrem Heil förderlich ist. Die Obrigkeit hätte eigentlich nicht nur den Willen der Gemeinde zu 48 Laut Pallas, Entstehung, 161 hat sich im Spätmittelalter »eine solche Anschauung … durchgesetzt …, daß Inhaber geistlicher Pfründen im Kurfürstentum nicht ohne Zustimmung des Landesherren von ihren Stellen und ihrem Einkommen durch einseitiges Verfahren der geistlichen Behörde entfernt werden könnten«. Diese These wird auch durch die Altenburger Einigung von 1490 bestätigt. 49 Die Frage, in welchem Verhältnis das schon früher vorhandene Emanzipationsbestreben der Gemeinde und der Anstoß durch die neue Lehre zueinander stehen, ist relevant im Hinblick auf die Anwendbarkeit des von Blickle entwickelten Paradigmas der Gemeindereformation (vgl. etwa Gemeindereformation) auf mitteldeutsche Verhältnisse. Diese Fragestellung liegt jedoch außerhalb unseres Untersuchungsgegenstandes, da die Auseinandersetzungen der frühen zwanziger Jahre ausschließlich im Hinblick darauf behandelt werden, wie sich an ihnen das Berufungsverständnis der Reformatoren und v.a. Luthers formt.
2. Der Streit um die Anstellung des ersten evangelischen Predigers in Altenburg (1522)
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respektieren, sondern auch ihrerseits die evangelische Predigt zu fördern. Obwohl Luther in der Angelegenheit nicht mehr als die Rolle eines Ratgebers hatte, versuchte er, den Kurfürst mit Formeln zu überzeugen, die an sein Schlußwort auf dem Wormser Reichstag erinnern. Letztlich gefährdete seine Hartnäckigkeit aber nur den mühsam erreichten Kompromiß; an der Abberufung Zwillings änderte sie nichts. Noch mehr als der Kurfürst scheint Luther im Altenburger Streit einen Präzedenzfall gesehen zu haben. Ausblick Wie sehr Luther daran gelegen war, das Verhältnis von Amt und Gemeinde auf der Grundlage des Evangeliums zu bestimmen, zeigt sich zum einen daran, daß er darauf in den nächsten Monaten mehrfach in seinen Predigten einging.50 Zum anderen engagierte er sich nun in mehreren ähnlich gelagerten Fällen, deren prominentester uns im Zusammenhang mit der an die Leisniger Gemeinde adressierten Flugschrift beschäftigen wird. Bei weitem nicht alle diese Fälle haben Niederschlag im überlieferten Briefbestand Luthers gefunden, wie folgende Aussage aus einem Brief an Spalatin belegt: »Gaudeo vero Christum adhuc regnare tam multis locis. Vbique sititur Euangelion. Vndique petuntur a nobis Euangelist .«51 Schriftliche Quellen entstanden natürlich in erster Linie dort, wo es bei der Berufung eines evangelischen Predigers zu Konflikten insbesondere zwischen verschiedenen beteiligten Parteien kam. Das ist der Grund dafür, daß alle bekannten Fälle dieser Monate solche sind, in denen sich ein evangelisch gesinnter Stadtrat über die Patronatsrechte eines der neuen Bewegung feindlich gegenüberstehenden geistlichen Herrn hinwegzusetzen versucht. Dies gilt auch für die Auseinandersetzungen in Belgern im Juni 1522. Luther hatte in jenem Monat, also in engem zeitlichem Zusammenhang mit den Altenburger Geschehnissen, einen evangelischen Prediger nach Belgern gesandt, der zunächst im Anschluß an die Messe in der »Gottesackerkirche« predigte, wohin die evangelisch Gesinnten ihm folgten. Gegenüber dem Abt von Buch, dem Inhaber der Patronats der Pfarrkirche, der seine Rechte verletzt sah, suchten sich die Belgerner vergeblich damit zu entschuldigen, daß der Prediger ohne ihr Zutun zu ihnen gekommen sei. Obwohl dieser nicht zu halten war, beharrte der Rat auf seiner Forderung nach einem evangelischen Prediger. Zur Vermittlung wurden vom Torgauer Schösser Georg Kelhaymer die kurfürst50 Vgl. WA 10 III, 170, 2–171, 13 (10.6.1522) zur Vollmacht aller Christen an der Predigt und 258, 8–264, 4 (10.8.1522) zur Lehrbeurteilung. Auch in Weimar, wo er in mehreren Predigten »nihil aliud quam fidem & charitatem« (WA.B 2, 613, 9 Nr. 546 Luther an Spalatin vom 3.11.1522) – gleichsam die Grundzüge der evangelischen Lehre – entwickelte (vgl. WA 10 III, CLX f ), ging Luther am 26.10.1522 auf die priesterliche Vollmacht der Christen ein. Vgl. außerdem die auf Predigten fußende Auslegung des 1. Petrusbriefes von 1523 v.a. zu 1. Petr 2, 9a (WA 12, 316, 4–318, 22). 51 WA.B 3, 580, 4–6 Nr. 523 vom 26.7.1522.
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
lichen Räte angerufen, die für die Belgerner Stellung bezogen. Der Abt erklärte sich nur für den Fall bereit, der Gemeinde das Berufungsrecht zu überlassen, daß der Meißener Bischof bestätige, daß der bisherige Amtsinhaber »nicht tauglich, noch genugsam« sei – ein Versuch, die faktische Machtlosigkeit vor Ort durch den Rückgriff auf die kirchliche Hierarchie auszugleichen und so den drohenden Kompetenzverlust zu vermeiden. Als im folgenden Jahr Balthasar Zeiger zum Prediger berufen wurde, geschah das mit kurfürstlicher Vollmacht, ohne daß der Bischof konsultiert wurde.52 Zu einer Umwidmung der klösterlichen Pfründe scheint es in diesem Zusammenhang allerdings nicht gekommen zu sein, wie ein Empfehlungsbrief Luthers an Kurfürst Johann vom 10. September 1527 zeigt. Darin setzt sich der Reformator dafür ein, Zeiger zumindest bis zur bevorstehenden Visitation – das Problem ist also dringend – aus der Pfründe eines untätigen und untauglichen Bucher Mönches zu versorgen.53
Im Sommer 1522 setzte sich Luther erstmals öffentlich für das Berufungsrecht der Gemeinde ein. Dies geschah in der Streitschrift Wider den falsch genannten geistlichen Stand des Papsts und der Bischöfe 54, in der Luther dem Diözesanepiskopat eine prinzipielle Absage erteilt. Die beißende, oft ungerechte Polemik gegen die Bischöfe, die einen großen Teil der Schrift durchzieht, kann hier beiseite bleiben. Auf der Grundlage der bestehenden Verhältnisse in der Reichskirche erblickt Luther für sie nur einen möglichen Weg der Buße: Sie müßten sich ganz der Förderung des Evangeliums verschreiben und gegebenenfalls durch einen geschickteren Prediger vertreten lassen.55 Das Herzstück seiner Konzeption bildet jedoch nicht jener Bußruf, sondern der im Druck abgesetzte Abschnitt Doctor Luthers Bulla und Reformation56. Unter Berufung auf Tit 1, 5–7 schreibt der Reformator hier, nach göttlicher Ordnung solle in jeder Stadt ein Bischof amtieren.57 Dessen Amtspflichten leitet 52
Vgl. Hingst, Reformation, 32 f. Vgl. WA.B 4, 245 Nr. 1142. 54 WA 10 II, (93) 105–158. 55 Vgl. a.a.O., 154, 18–24. Daß Luther mit diesem Abschnitt keineswegs den Diözesanepiskopat als die letztlich doch wünschenswerte Variante hinstellt, wie Krodel, Stand, 50 f folgert, erhellt daraus, daß die einzige Funktion dieser »gutthertzigen bischoffe« darin bestünde, Prediger zu ›schaffen‹. In diesem Begriff einen Hinweis auf Installation, Examen, Ordination und Supervision der Pfarrer zu sehen, wie Krodel dies a.a.O., 44 tut, verfehlt seinen Sinn, denn es geht hier lediglich um den Verzicht der Bischöfe auf ihre eigentliche Aufgabe. In der Stelle der Bischofsschrift den Keim eines reformierten Episkopats zu sehen, ist schon deshalb unmöglich, als Luther wenig später in der Schrift an die Leisniger gerade den Verzicht auf die Predigt als Perversion des Bischofsamtes schlechthin bezeichnet. 56 Vgl. WA 10 II, 140, 1–144, 19. 57 Vgl. a.a.O., 140, 9–11. Bereits in der Adelsschrift (WA 6, 440, 15–29) hatte Luther die exegetische Beobachtung des Hieronymus herangezogen, daß in Tit 1, 5–7 ›Bischof‹ und ›Presbyter‹ synonym gebraucht würden (vgl. z.B. CSEL 54, 683; 56, 308–312). Dort hatte sie einzig dem Zweck gedient, die in V. 7 vorausgesetzte Ehelichkeit des Bischofs auf das Pfarramt zu beziehen und so für jeden kirchlichen Amtsträger die Freiheit zur Ehe reklamieren zu können. Konsequenzen für die Legitimität des Diözesanepiskopats zog er dort noch nicht. Vgl. zur Wirkungsgeschichte der Ansichten des Hieronymus vom Bischofsamt Ott, Weihesakrament, 46–48 und speziell zu Luther Stamm, Berufung, passim, bes. 16 f. 53
3. Die Schrift an die Leisniger: Das Berufungsrecht der Gemeinde (1523)
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er aus der Wortbedeutung von oder superintendere ab: Der Bischof solle ein Wächter oder Hüter seiner Stadt sein.58 Da die von Paulus eingesetzte göttliche Ordnung unaufhörlich mißachtet werde, werden die Christen dazu aufgerufen, dafür zu sorgen, »das ynn iglicher statt eyn oder mehr frum ehelich man Pfarr odder Bischoff w rden«. Den bisherigen Amtsträgern, die im Gehorsam des Teufels stünden, müsse die Gefolgschaft aufgekündigt werden.59 Diese kurzen Ausführungen, die in der polemischen Schrift fast unterzugehen drohen, sind zum einen deshalb bedeutsam, weil in ihnen erstmals Luthers radikales, im Streit um die Altenburger Prädikatur geformtes Plädoyer für das gemeindliche Berufungsrecht publik wird. Die im nächsten Abschnitt zu behandelnde Flugschrift wird, ohne die Polemik gegen die Bischöfe zu wiederholen, am bezogenen Standpunkt im wesentlichen festhalten. Schon in der Schrift an die Böhmen einige Monate später zeichnet sich bei Luther dann im Hinblick auf die Bewertung eines übergeordneten Bischofsamtes ein Umdenken ab. Die dort geäußerten Vorstellungen fußen terminologisch aber auf der Bischofsschrift und können auch inhaltlich nur vor dem Hintergrund der prinzipiellen Absage an den Diözesanepiskopat im Vorjahr ausreichend gewürdigt werden.
3. Die Schrift an die Leisniger: Das Berufungsrecht der Gemeinde (1523) a. Die Situation Mit den Patronatsrechten der Pfarrstelle in Leisnig mit seinen insgesamt 1500 Seelen verhielt es sich ähnlich wie in Altenburg und Belgern.60 Und wie dort wurde auch in Leisnig die Forderung nach einem evangelischen Prediger laut. Am 25. September 1522 fuhr Luther auf eine Einladung hin in die kleine Stadt an der Mulde.61 Während seines Aufenthalts dort wird es auch um die Berufung eines evangelischen Amtsträgers gegangen sein, denn der Begleitbrief zur am 25. Januar 1523 des folgenden Jahres von den Leisnigern nach Wittenberg übersandten Kastenordnung weist Anklänge an Luthers eigene Formulierungen auf. Der Reformator möge den Überbringern »anstatt und in Namen unsere[r] gemeinen Vorsammlunge … christlichen Rat und Unterweisung mitteilen und in Schriften vorfassen«, da die Leisniger sich zur Einrichtung eines Gemeinen Kastens entschlossen hätten, aus dem das 58
Vgl. a.a.O., 143, 29–32. Vgl. a.a.O., 144, 5–14. 60 Vgl. zum Folgenden WA 12, 3–5. Wie in Belgern verfügte der Abt des Klosters Buch über das ius praesentandi. 61 Vgl. Luther an Spalatin WA.B 2, 604, 14 f Nr. 540 vom 25.9.1522. 59
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
Pfarramt »und weß dem anhängig« bestellt werden sollte.62 Luther machte sich zunächst daran, »das Pfarr-Ambt zu befestigen mit Schrift«, und verfaßte die im nächsten Abschnitt zu behandelnde Flugschrift. Alsdann veröffentlichte er die Kastenordnung mit einem Vorwort als »Radschlag wie die geystlichen gutter zu handeln sind«.63 Die Kastenordnung konnte jahrelang nicht in Kraft treten, da der Rat sich weigerte, seine Rechte über Stiftungen und dergleichen an die Kastenherren abzutreten. Der von den Streitparteien angerufene Kurfürst rang sich nicht zu einer Entscheidung durch, so daß erst 1529 durch die Visitatoren Abhilfe für die unter unzumutbaren Verhältnissen leidenden Geistlichen64 geschaffen wurde. Es könnte mit diesen ungeordneten Anfängen zusammenhängen, daß sich kaum noch rekonstruieren läßt, wie und wann in Leisnig welche evangelischen Amtsträger eingesetzt wurden.65 62 Vgl.WA.B 3, 22 Nr. 576. Vgl. a. Luthers Schreiben vom 29.1.1523 a.a.O., 23, 9–13 Nr. 577, wo er eine schriftliche Antwort ankündigt, »wiewohl ihr, von Gottes Gnaden bei euch selbs von Gott begabet, meines geringen Furmogens nicht durft«, ein eindeutiger Hinweis auf die Vollmacht der Laien zur Schriftauslegung und Lehrbeurteilung, wie sie – obgleich schon in den Hauptschriften von 1520 angelegt – besonders in der Korrespondenz zur Altenburger Angelegenheit und in den Schriften des Jahres 1523 hervortritt. Luther dürfte diese Gedanken bereits bei seinem Aufenthalt in Leisnig vorgetragen haben. 63 WA 12, 11–30. Zur Datierung vgl. a.a.O., 7 f. Die dort von Kawerau vertretene These, daß Luther zur Veröffentlichung geschritten sein könnte, bevor die seit Ende März anhängige kurfürstliche Entscheidung über die Kastenordnung vorlag, hat einiges für sich und paßt zu Luthers Verhalten in der Altenburger Streitsache. 64 Vgl. z.B. Luthers Klage an Spalatin vom 24.11.1524 WA.B 3, 390 f, 16–21 Nr. 798. 65 Kawerau bringt WA 12, 3 f Teile eines undatierten Schreibens zur Darstellung, in dem die Leisniger deutlich unter dem Einfluß Luthers die Berufung von Heinrich Kind und Mag. Johann Gruner als Pfarrer und Prediger verteidigen. Die beiden hätten schon eine Zeitlang bei ihnen gewirkt und seien nun mit dem Dienst an Sakrament und Wort beauftragt worden. Den vom Abt verordneten Pfarrer habe man als einen Fremdling abgewiesen. Als Luther im folgenden Jahr die Zustände in Leisnig beklagt, spricht er von Tilemann Schnabel als Prediger, wohingegen Johann Gruner am 1.10.1524 Pfarrer in Zerbst wird (vgl. WA 12, 7 Anm. 1). Im Gegensatz dazu findet sich bei Mehlhose, Kitzscher, 28, der merkwürdigerweise die Einleitung in WA 12 nicht zur Kenntnis genommen hat, die folgende Notiz: »Der vom Abt des Klosters Buch eingesetzte Pfarrer zu Leisnig, Heinrich Kind, blieb beim alten Glauben, bis der Abt zu Buch gestorben, und trat erst 1526 zum evangelischen Glauben über. Als erster evangelischer Prediger in Leisnig wird erst 1523 der von Luther vorgeschlagene Mag. Johann Rosenberger berufen.« Leider belegen weder Kawerau noch Mehlhose ihre Quellen. Vermutlich standen tatsächlich alle Namen in der einen oder anderen Weise mit der noch nicht ordentlich dotierten Predigerstelle in Verbindung. Im Hinblick auf den Pfarrer mag folgende Harmonisierung überlegenswert sein (gegen Clemen, WA.B 3, 22 f Anm. 2, der hier einen unüberbrückbaren Widerspruch sieht): Kind, den eine zeitgenössische Quelle einen abtrünnigen Mönch nennt, war tatsächlich durch seinen Abt eingesetzt worden – womit sich die eigentümliche Aussage der Gemeinde erklärte, man habe ihn schon eine Zeitlang bei sich geduldet –, hatte sich 1522 der evangelischen Bewegung angeschlossen und sollte deshalb abgesetzt werden. Die Gemeinde widersetzte sich dem vom Abt verordneten Kandidaten und berief ihren eigenen Pfarrer nun ›auf evangelische Weise‹. – Daß Kind nicht der sorgfältig gesuchte neue Pfarrer war, zeigt sich daran, daß er sich in der Visitation 1529 als völlig überfordert erwies und in beiderseitigem Einvernehmen in den Ruhestand versetzt wurde, ein aufgrund des Mangels an geeigneten Kandidaten recht seltener Vorgang.
3. Die Schrift an die Leisniger: Das Berufungsrecht der Gemeinde (1523)
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Auffällig ist, daß sich die Flugschrift zwar mit eben jener Situation auseinandersetzt, in der sich die Leisniger befinden, daß jedoch jeglicher Hinweis auf den konkreten Hintergrund fehlt. Die Schrift wendet sich offenbar nicht nur an die Leisniger, sondern an jede Gemeinde, die in einen ähnlichen Konflikt gerät.66 b. Die Schrift (1) Die evangelische Gemeinde Die stringent aufgebaute Schrift dient dem biblischen Nachweis, »[d]as eyn Christliche versamlung odder gemeyne recht und macht habe, alle lere tzu urteylen und lerer tzu beruffen, eyn und abtzusetzen«. Den Ausgangspunkt bildet die Verheißung in Jes 55, 11, wonach das Wort Gottes nicht leer zurückkehrt. Luther schließt daraus, eine christliche Gemeinde sei sicher dort zu finden, »wo das lautter Euangelion gepredigt wirt«. Daraus folgt wiederum zweierlei. Zum einen kann von der Predigt des Evangeliums auf christliche Hörer geschlossen werden kann, »wie wenig yhr ymer sey und wie sundlich und geprechlich sie auch seyn«. Das ist wichtig, weil die Handlungsweise, die Luther im folgenden der christlichen Gemeinde empfiehlt, das Vorhandensein von Gläubigen voraussetzt. Zum zweiten folgt daraus, daß der das Evangelium unterdrückende Klerus zu Unrecht beansprucht, christliche Gemeinde zu sein.67 Von hier aus spannt sich ein Bogen zum Schluß der Schrift. Dort stellt Luther fest, das Predigtamt sei das höchste Amt in der Christenheit. Ein kirchlicher Amtsträger »mag darnach auch teuffen, meß hallten und alle seel sorge tragen odder so er nicht will, mag er an dem predigen alleyne bleyben und teuffen und andere unterampt andern lassen.«68 Sodann weist Luther anhand von Schriftstellen nach, daß das Recht und die Vollmacht, die Lehre zu beurteilen, »yderman und allen Christen ynn gemeyn« gegeben sei.69 Daraus ergeben sich für den Reformator zwei Konsequenzen. Zum einen ist die Gemeinde nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, einen Amtsträger, der gegen das Wort Gottes lehrt, abzusetzen.70 Da die Gemeinde aber 66
Gegen Stein, a.a.O., 169. Vgl. WA 11, 408, 1–28. 68 Vgl. a.a.O., 415, 30–416, 2. 69 Vgl. a.a.O., 408, 29–411, 12. Luther beruft sich vor allem auf Joh 10, 27; Mt 7, 15; 1. Thess 5, 21 und Mt 24, 4, zu welchen er jeweils weitere Stellen anführt. – Nicht nachvollziehbar ist, wie Brunotte, a.a.O., 63 die zitierte Stelle mit »der Christlichen Gemeinde als ganzer« wiedergeben kann. 70 Vgl. WA 11, 411, 13–21. Müller, Luther und Karlstadt, 110–116 möchte ›absetzen‹ in der Schrift an die Leisniger grundsätzlich nur im Sinne von ›meiden, sich entziehen‹ verstehen. Abgesehen davon, daß Luther sich dann an diesem virulenten Punkt fahrlässig ausgedrückt hätte und die Wirkungsgeschichte der Flugschrift ein einziges großes Mißverständnis wäre, ist 67
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
nicht ohne Wortverkündigung sein könne – gewissermaßen der Umkehrschluß der Verheißung aus Jes 55, 11 – und das geistliche Regiment selbst keine evangelischen Prediger einsetzen wolle, folgt zum anderen, daß »wyr uns nach der schrifft halten und unter uns selb beruffen und setzen [müssen] die ienigen, so man geschickt datzu findet und die gott mit verstand erleucht und mit gaben datzu getziert hatt«.71 (2) Das Berufungsrecht der Gemeinde In der Entfaltung dieser beiden Konsequenzen präzisiert Luther, was er in früheren Schriften zum Verhältnis von Amt und Gemeinde gesagt hatte. Zum einen zeigt sich, daß bei der Wahl der geeigneten Kandidaten aus der Mitte der Gemeinde (»unter uns selb«) keine Rolle spielt, ob diese im Besitz der Priesterweihe sind. Das zeigt die Struktur seiner Argumentation. Hatte Luther schon vorher implizit das Priestertum aller Christen ins Spiel gebracht, um die Vollmacht der Gemeinde nachzuweisen, tut er dies nun explizit. Da jeder Christ das Wort Gottes ›hat‹, zum Priester gesalbt und von Gott gelehrt ist (Joh 6, 45), ist es sein Recht und seine Pflicht, »gottis wort … zu bekennen, leren und ausbreytten«.72 Was auf den ersten Blick wie eine Doppelung zum ersten Teil der Schrift wirkt und möglicherweise deshalb bisher in der Forschung übersehen wurde, führt einen entscheidenden Schritt weiter: Das Priestertum aller Christen ermächtigt nicht nur die Gemeinde dazu, für die rechte Verkündigung zu sorgen. Zugleich wird damit auch jeder getaufte Christ und nicht etwa nur der Geweihte zu einem geeigneten Kandidaten des Verkündigungsamtes.73 Auch die Rechte der Gemeinde umreißt Luther in der Schrift an die Leisniger präziser als bisher. Um zu illustrieren, in welchem Verhältnis die priesterliche Gemeinde und der evangelische Amtsträger stehen, begegnet Luther dem fiktiven Einwand, daß er selbst doch oft gelehrt habe, ohne Berufung dürfe niemand predigen.74 Er unterscheidet zwischen zwei möglichen einzuwenden, daß Müllers Interpretation der Konzeption des Reformators, »daß die, die an das Evangelium glauben, sich der kirchlichen Organisation entziehen und sich um den Diener des Worts schaaren, den sie berufen haben oder der sie aufgesucht hat und gewonnen hat«, mit den sozialen Verhältnissen unvereinbar wäre, denn die evangelischen Christen würden sich damit außerhalb der Gesellschaft stellen. 71 Vgl. WA 11, 411, 22–30. Wie auch an früheren Stellen – etwa im Brief an Spalatin und häufig in der Adelsschrift – schlägt sich Luther durch das »wir« auf die Seite der Gemeinde. – Brunotte, a.a.O., 63 f irrt, wenn er mit »Czum andern« (Z. 22) den zweiten Hauptteil der Schrift beginnen läßt. Dem »Auffs erst« am Beginn der Schrift korrespondiert vielmehr das »Auffs ander« auf derselben Seite (408, 29). 72 Vgl. WA 11, 411, 31–412, 13. 73 Wie sich zeigen wird, beriefen die evangelische Gemeinden in den ersten Jahren in aller Regel geweihte Kandidaten. Doch eine theologische Notwendigkeit bestand dafür in Luthers Augen nicht. 74 Vgl. a.a.O., 412, 14 f.
3. Die Schrift an die Leisniger: Das Berufungsrecht der Gemeinde (1523)
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Situationen. An einem Ort ohne Christen bedarf jemand keiner anderen Berufung, »denn das er eyn Christen ist ynnwendig von gott beruffen und gesalbet«. Auch ohne äußere Berufung ist der Christ hier verpflichtet, den in Not befindlichen Seelen aus Nächstenliebe zu Hilfe zu kommen. »Denn nott bricht alle gesetz und hatt keyn gesetze.«75 Sind allerdings Christen zugegen, »die mit yhm gleyche macht und recht haben«, muß derjenige, der »an stad und befelh der andern« predigen und lehren soll, von ihnen berufen sein. Ohne Berufung darf jeder Christ allerdings auch hier dann das Wort ergreifen, wenn der berufene Amtsträger irrt, wie Luther aus 1. Kor 14, 30 schließt. Die Ermutigung des Paulus zu Prophetie und Glossolalie in V. 39 liest er als Verheißung, daß Gott in Notzeiten »eyn iglichen in sunderheyt on menschen beruffen« berufe.76 Das Recht der Gemeinde, Prediger zu berufen, gründet also dort, wo überhaupt die Notwendigkeit dieser Berufung entsteht: im Beisammensein der mit priesterlichen Rechten ausgestatteten Christen. Ein zweiter möglicher Einwand lautet, dieses Berufungsrecht der Gemeinde widerspreche der in den Pastoralbriefen und Act 14, 23 bezeugten Praxis der Apostel, in den Gemeinden Älteste einzusetzen.77 Luther spricht den Bischöfen das Weiherecht, das sie als Stellvertreter der Apostel beanspruchten, ab, solange sie ihrer eigentlichen Aufgabe, der Fürsorge für das Evangelium, nicht nachkämen. Doch selbst wenn sie dies täten, dürften die Bischöfe nur die von der Gemeinde Berufenen bestätigen, »ausgenommen, wo es die nott ertzwunge, das die seelen nicht verdorben aus mangel gottlichs worts«.78 Daß auch die Pastoralbriefe »der gemeyne erwelen und beruffen« voraussetzten, findet der Reformator in der Forderung der Untadeligkeit des Kandidaten in Tit 1, 7 und 1. Tim 3, 2. 10. Damit sei vorausgesetzt, daß das Vorschlagsrecht bei der Gemeinde liege, die allein die geeigneten Personen kenne.79 Damit bewegt sich Luther einen entscheidenden Schritt über seine früheren Schriften hinaus. Recht und Pflicht zur Besetzung des kirchlichen Amtes liegen nun eindeutig bei der Gemeinde.80 Der Sache nach ist dies die Konsequenz aus dem, was er theologisch in den Schriften der letzten Jahre entfaltet hatte. Die früher noch eingeräumte Möglichkeit, daß auch die kirchliche Hierarchie diese Aufgabe erfüllen könnte, ist ausgeschlossen. Nun liegt das Recht eindeutig bei der Gemeinde. 75
Vgl. WA 11, 412, 15–29. Vgl. a.a.O., 412, 30–413, 22. 77 Dieser Einwand geht auf Heinrich VIII. zurück. Vgl. o. S. 32. 78 Vgl. WA 11, 413, 23–414, 10. 79 Vgl. a.a.O., 414, 11–21. 80 Luthers kirchenrechtliche Verweise, die zeigen sollen, daß faktisch auch Rom ein Wahlrecht unterer Instanzen anerkenne, sind freilich kaum überzeugend. Vgl. a.a.O., 414, 11–416, 10. 76
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
Neu ist auch, daß Luther diesen Vorgang nun prägnant als ›Berufung‹ bezeichnet. Erstaunlicherweise hatte der Begriff im Zusammenhang seiner Äußerungen zu den Rechten der Gemeinde bisher keine besondere Rolle gespielt.81 Nun zieht Luther ihn heran, um die Einsetzung kirchlicher Amtsträger durch die Gemeinde zu präzisieren. Damit kreuzen sich gewissermaßen zwei theologische Linien. Die sich aus dem Priestertum aller Christen ergebenden Rechte und Pflichte der Gemeinde fokussieren sich auf die Berufung als die göttliche Legitimation des Amtes – hatte Luther doch schon früher betont, daß Gott die Verkündiger seines Wortes in aller Regel indirekt durch Menschen berufe. Dieser Gedanke verbindet sich nun mit der Auffassung, daß die priesterliche Gemeinde für die evangelische Verkündigung sorgen kann und muß. (3) Die Schrift an die Leisniger als Notrecht oder Programm? Ist der Traktat für die Leisniger primär eine Verteidigungsschrift für eine Gemeinde in einer Notlage,82 oder behandelt Luther das Verhältnis zwischen Amt und Gemeinde hier prinzipiell? Für ersteres spricht, daß der Reformator sich in der Tat auf Notrecht beruft: »… nott bricht alle gesetz und hatt keyn gesetze«.83 Doch der Kontext, in dem Luther dieses Sprichwort84 anführt, ist denkbar unpassend. Im Hinblick auf die Missionssituation widerspräche Luther damit dem, was er gerade entwickelt hat. Hier wird gerade kein Gesetz gebrochen, wenn ein Christ das Evangelium verkündigt, da keine Rechte anderer Christen berührt sind.85 Zwar geht es in der Schrift in der Tat darum, wie in einer Notlage die Verkündigung des Evangeliums gewährleistet werden kann. Doch die Grenzsituation, in der sich die Leisniger Gemeinde befindet, insofern sie die starre Haltung der kirchlichen Hierarchie zur Verletzung der gültigen Rechtsordnung zwingt, lenkt den Blick auf das Wesen und den Zweck des Amtes und sein Verhältnis zur Gemeinde. Weil das Evangelium heilsnotwendig ist, ist die Gemeinde immer in einer Notlage.86 Der Inhalt der Schrift transzendiert
81 Luther verwendet häufiger als ›berufen/Berufung‹ (vgl. o. S. 26 Anm. 37; S. 29 Anm. 52; S. 33 Anm. 71) ›wählen‹, ›beauftragen‹, ›befehlen‹ oder ›einsetzen‹. Vgl. o. S. 26. 82 Dann wäre sie etwa der Instruktion für die Altenburger vergleichbar. Vgl. o. S. 44. 83 A.a.O., 412, 27. Vgl. a. a.a.O., 414, 8. 84 Das schon lateinisch belegte Sprichwort »legem non habet necessitas« war im Deutschen vor allem in der Form »Not kennt kein Gebot« verbreitet. Vgl. Singer, Sprichwörter II, 25. 85 Diese Aussage hat denn auch keine Parallele in der gleich zu behandelnden Schrift an die Böhmen, in der ansonsten fast die ganze Schrift an die Leisniger verarbeitet ist. Die Missionssituation vergleicht Luther dort mit urchristlichen Beispielen aus der Apostelgeschichte und bezeichnet sie nicht als Notfall. Vgl. WA 12, 191, 38–192, 23. 86 Vgl. WA 11, 413, 10 f: Es sei rechtens, »das eyn gantze gemeyne eynen berufft tzu solchem ampt, wens nott ist, wie es denn alltzeyt und sonderlich itzt ist« (Hervorhebung M.K.). – Es
4. Der Ratschlag an die Böhmen: Die evangelische Ordination (1523)
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deshalb ihren konkreten Anlaß. Jede Ordnung steht unter dem Vorbehalt, der Verkündigung des Evangelium dienen zu müssen.
4. Der Ratschlag an die Böhmen: Die evangelische Ordination (1523) a. Hintergrund und Einleitungsfragen Der Erzbischofssitz Prag war seit der von Rom nicht anerkannten Wahl Rokycanas 1421 durch das utraquistische Kapitel unbesetzt.87 Die böhmischen Priesteramtskandidaten wurden deshalb nach ihrem Studium zur Weihe zumeist nach Venedig gesandt. Papst Pius II. hatte zudem 1464 die Basler Compactaten von 1433 für ungültig erklären lassen, nach denen die Utraquisten eine begrenzte Anerkennung besaßen. Den böhmischen Kandidaten wurde seitdem anläßlich ihrer Weihe das für sie nicht haltbare Versprechen abgenommen, daß sie die Kommunion unter einer Gestalt austeilen würden. Luthers wußte von diesen Verhältnissen durch den Prager Magister Gallus Cahera, der sich – wohl im Herbst – 1523 einige Monate in Wittenberg aufhielt und den Reformator zu einer Stellungnahme in der Sache drängte. Luther kam der Bitte mit der lateinischen Schrift De instituendis ministris ecclesiae nach. Cahera hatte gehofft, die Utraquisten könnten sich unter seiner Leitung von Rom lossagen und auf Luthers Seite schlagen, wechselte aber, als sich diese Hoffnung zerschlug, die Seite und suchte stattdessen eine Aussöhnung mit Rom. Das ist für die Interpretation von Luthers Sendschreiben von Bedeutung, weil er selbst sich später teilweise von der Schrift distanzierte. Ein Jahr nach der Abfassung beklagte er sich in einem Brief an den als Lutherfreund gefangen gesetzten Ritter und Prager Kanzler Burian Sobek von Kornitz bitter über Cahera und kam auch auf De instituendis ministris ecclesiae zu sprechen.88 Der Prager habe ihn zu dem Schreiben gedrängt, nur die Form, die Lehre
verfehlt folglich das Argumentationsgefälle der Schrift, wenn Luthers wiederholter Hinweis auf die Notsituation so verstanden wird, als sollten damit seine Empfehlungen restriktiv auf den Ausnahmefall beschränkt werden. So Brunotte, a.a.O., 68–70.75 f, der den Notfall als einen zur Abfassungszeit aktuellen Ausnahmezustand begreift, dem ein Notrecht entspreche und der vom Normalfall zu unterscheiden sei. Lieberg, a.a.O., 151 wendet sich zwar gegen ein eigentliches Notstandsrecht, stimmt aber Kliefoth, Liturgische Abhandlungen I, 365 f zu, demzufolge Luther das Berufungsrecht der Gemeinde auf den äußersten Notfall beschränkt. 87 Vgl. auch zum Folgenden WA 12, 160–163 und Turnwald, Böhmen, 762–765. 88 Vgl. den Brief vom 27.10.1524 WA.B 3, 363 f Nr. 786. Die dortige Fassung ist eine zeitgenössische lateinische Rückübersetzung nach einer erhaltenen tschechischen Übersetzung, auf der auch die nicht den ganzen Brief umfassende deutsche Übersetzung WA 12, 161 fußt. Das Original ist nicht erhalten.
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
und die Anlage der Schrift stamme von ihm selbst.89 Daraus sowie aus der Information des Brieftradenten Bartoš, Cahera habe der Schrift »einiges aus seinem Kopfe« hinzugefügt, hat man auf einen bedeutenden Anteil des Pragers an der Abfassung geschlossen.90 Doch spricht alles dafür, die Schrift als ein Werk Luthers anzusehen. Zum einen stellt sich nämlich die Frage, worin noch der Anteil Caheras bestehen könnte, wenn Form, Lehre und Anlage vom Wittenberger stammen. Zum anderen dürfte sich Luthers Äußerung vor allem darauf beziehen, daß er sich in der Schrift audrücklich für Cahera eingesetzt und ihn für ein evangelisches Bischofsamt vorgeschlagen hatte.Wie sich zeigen wird, zielt Luthers Schrift aber nicht primär darauf ab, sondern führt den Nachweis, daß die durch die Gemeinde vollzogene Berufung gültig sei. Hierin wiederum hat De instituendis ministris ecclesiae viele Parallelen zur etwas früheren Schrift für die Leisniger. b. Die Schrift (1) Der Charakter der Schrift Das Sendschreiben an die Prager ist durch einen völlig anderen Ton als die bisher behandelten Schriften gekennzeichnet. In der Anrede teilt Luther den Adressaten mit, der Inhalt der von ihnen vielfach erbetenen Schrift sei nur per consilium et exhortationem aufzufassen. Darauf folgt eine protestatio, in der er sich gegenüber den Lesern verwahrt, die von ihm eine Verbesserung der durch Rasur und Salbung gekennzeichneten Weihe erwarteten. Wie alt und verbreitet dieser abergläubische Ritus auch sein möge, Luther wolle sich nicht von menschlichen Traditionen, sondern nur von der Schrift leiten lassen.91 Schon der Anfang ist von einer Tendenz geprägt, die sich durch die ganze Schrift zieht: Luther erwartet von den Böhmen trotz der durch Cahera übermittelten Anfrage nicht, daß sie seinen Ausführungen begeistert zustimmen – zu Recht, wie sich zeigen sollte. Andererseits handelt es sich auch nicht um eine kontroverstheologische Schrift, sondern der Reformator umwirbt die Empfänger seines Schreibens und versucht, ihren Skrupeln gegen seine »Dehortatio a suscipiendis ordinibus papisticis« – so die Überschrift des ersten Hauptteils – durch immer neue Vorschläge zu begegnen, die ihnen in ihrer unannehmbaren Situation Abhilfe schaffen könnten. Es ist deshalb damit zu rechnen, daß Luthers eigentliche Vorstellungen hier unterschiedlich stark zum Tragen kommen. 89 Die Rückübersetzung liest »Et nihil in his libellis meum est, praeter modum, dogma et scripturae discursum, omnia Galli sunt.« (WA.B 3, 364, 15–17 Nr. 786). 90 Vgl. Kawerau, WA 12, 162. 91 Vgl. a.a.O., 169, 1–29.
4. Der Ratschlag an die Böhmen: Die evangelische Ordination (1523)
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(2) Die Absage an die Priesterweihe Das Ziel der Schrift besteht darin, den Böhmen den Nachweis zu liefern, daß die päpstliche Weihe unannehmbar und unnötig sei. Der wesentliche Grund für dieses Urteil liegt Luther zufolge allerdings nicht in der spezifischen Lage der Böhmen, die ihn zu dieser Schrift veranlaßt hatte.92 Er setzt zwar damit ein, diese ausführlich zu schildern, und nimmt so seine Adressaten für sich ein. Die schändlichen Bedingungen, die den Priesteramtskandidaten in Italien auferlegt würden – wohl ein Hinweis auf das zu leistende Versprechen, die Kommunion nicht unter beiden Gestalten auszuteilen –, hätten deren Gewissen schwer belastet. Ferner habe der entstandene Priestermangel zwielichtige Gestalten ins Land gebracht.93 Dann wendet Luther sich jedoch den gewichtigeren und auch für seine Leser diesseits der böhmischen Grenzen relevanten Gründen zu, warum die päpstlichen Weihen abzulehnen seien.94 Besonders schwer wiegen nach seinem Urteil dabei jene, die nicht nur die Praxis, sondern auch den Sinn und Zweck der Priesterweihe betreffen. So kritisiert Luther daran, daß die sogenannten Priester nur durch die Autorität des Bischofs ohne Konsens und Wahl durch das Volk gesalbt und eingesetzt würden, nicht nur, daß den Gemeinden ihnen unbekannte Kandidaten aufgebürdet würden, sondern auch, daß Priester überhaupt in incertum, also ohne den Bezug auf ein konkretes Amt, geweiht würden.95 Das Schlimmste aber sei, daß die Ordination nicht als das wahrgenommen werde, was sie nach der Schrift und dem Beispiel der Apostel sei: als Einsetzung von Dienern des Wortes, durch welches die Kirche bestehe.96 Im Gegensatz dazu weihten die Bischöfe Priester ausschließlich zum – im übrigen dem Zeugnis des Neuen Testamentes wider92
Vgl. a.a.O., 170, 8–10. Vgl. a.a.O., 170, 8–171,12. 94 Vgl. a.a.O., 172, 18–21: »Nunc, postquam vos Boemos propriis malis monitos fecimus, ut papisticis ordinibus valedicatis, addam et unam generalem causam, qua suscitemus et vobis et toti orbi nauseam et apostaseam ab execratis illis et abominandis ordinibus.« 95 Vgl. a.a.O., 172, 22–27: »Donabo interim hoc ordinibus papisticis, quod solius Episcopi autoritate unguntur et instituuntur quos vocant sacerdotes, consensu aut suffragio populi, cui praeficiendi sunt, neque requisito nec obtento, cuius tamen, cum sint populus dei, maxime intererat, ut non sine suffragiis suis quisquam eis imponeretur, sed quem ipsi nossent et probassent idoneum, Episcopus confirmare debeat. At nunc in incertum fere ordinantur, quicunque ordinantur, ut nullus ferme sciat, quorum sit futurus sacerdos. Denique maior pars solum ad beneficia (ut vocant) ordinatur, solas missas sacrificaturi, tantum abest, ut populus noscat, quos sibi Episcopus ungat. Donabo, inquam, hoc pessimum monstrum ordinibus papisticis usque in suum tempus.« 96 Vgl. a.a.O., 172, 35–173, 6: »Nam cum ista ordinatio autoritate scripturarum, deinde exemplo et decretis Apostolorum in hoc sit instituta, ut ministros verbi in populo institueret: Ministerium publicum inquam verbi, quo dispensantur mysteria dei, per sacram ordinationem institui debet, ceu res, quae omnium in Ecclesia et summa et maxima est, in qua tota vis Ecclesiastici status consistit, cum sine verbo nihil constet in Ecclesia et per solum verbum omnia constent.« 93
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
sprechenden97 – Meßdienst und zum Hören der Beichte.98 Der Dienst am Wort sei hingegen so sehr in den Hintergrund getreten, daß der Priester dafür eine gesonderte Vokation durch den Pfarrer oder den Rat benötige.99 Kurzum, die päpstliche Weihe mache Priester des Satans und nicht Gottes und dürfe nicht empfangen werden.100 Wer durch sie »ad locum ministerii« gelangt sei, solle seine Ordination verfluchen und verabscheuen, allerdings nicht seine Stelle verlassen, sondern fortan das Wort Gottes lehren und seine Gemeinde leiten.101 Diese Passage sperrt sich gegen die verschiedentlich vertretene Ansicht, Luther erkenne die Weihe faktisch an und wende sich nur gegen die mit ihr verbundenen Mißstände.102 Der Reformator rät grundsätzlich von ihr ab, und für den amtierenden Kleriker hat die eigene Weihe eine ausschließlich negative Bedeutung. Andererseits diskreditiert sie nicht das Amt selbst, wenn sein Inhaber sich entgegen dem mit der Weihe gegebenen Auftrag dem Dienst am Wort zuwendet. Darin liegt keine de facto-Anerkennung der Weihe, sondern des Amtes, dessen rechtmäßige Aufgaben ihr und dem Meßopferdienst zum Trotz bewahrt wurden. (3) Die evangelische Ordination Die vorgebrachte Kritik an der Priesterweihe löste das drängende Problem der Böhmen nicht. Daß Luther sie grundsätzlich ablehnt, provoziert vielmehr erst recht die Gegenfrage, wie dem Priestermangel der Prager abgeholfen 97 Vgl. a.a.O., 175, 9–30: Christus wurde ein für allemal geopfert, weswegen sich der Glaube nur auf sein Opfer stützen dürfe. 98 Vgl. a.a.O., 173, 13–19. 99 Vgl. a.a.O., 173, 31–38. Abgesehen davon, daß das Argument, eine zusätzliche Bedingung werte das Predigtamt ab, nicht recht einleuchten will, ist es auch unkorrekt. Luther vermischt hier zwei Dinge. Zum einen spielt er kritisch auf die Trennung von Konsekrations- und Jurisdiktionsgewalt an. Vgl. dazu Stein, a.a.O., 149 f mit zahlreichen Stellen aus Konzilsdekreten und bei Gabriel Biel. Die geistliche Jurisdiktion konnte allerdings anders, als es Luthers Bemerkung anzudeuten scheint, nicht durch den Pfarrer, geschweige denn durch den Magistrat übertragen werden. Deshalb bezieht er sich offenbar zum anderen auf die Anstellung von Kaplänen durch den Pfarrer bzw. von Prädikanten durch den Rat. Möglicherweise will Luther einen Zusammenhang andeuten zwischen jener kirchenrechtlichen Entwicklung und der Tendenz, daß die Verkündigung delegiert bzw. von weltlichen Instanzen auf eigene Kosten gesichert wird. 100 Vgl. a.a.O., 175, 40–176, 4; hier 2–4: »Itaque iam non est quastio, an liceat a papisticis ordines sacros petere et suscipere, sed definita sententia est, nusquam minus ordines sacros conferri aut sacerdotes fieri, quam sub papae regno.« 101 Vgl. a.a.O., 174, 33–38: »Qui autem per has larvas ad locum ministerii venit, age, ministerium apprehendat et deinceps pure ac digne administret, sacrificandi officium deserat, docens verbum dei ac regens Ecclesiam, caeterum uncturam et totam ordinationem, qua intravit, ex animo damnet ac detestetur. Neque enim necesse est locum quoque ministerii relinquere, licet impiis ac perversis modis ascenderis, dum animus ipse corrigatur et modus ipse damnetur.« 102 Vgl. z.B. Lieberg, Amt, 171; Stein, Amt, 192 f; Manns, Amt, 82 f.134–136; Smith, Luther, 48.54 f.
4. Der Ratschlag an die Böhmen: Die evangelische Ordination (1523)
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werden solle.103 Der Reformator antwortet mit der zentralen, im Druck abgesetzten These, »SACERDOTEM NON ESSE QVOD PRESBYTERVM VEL ministrum, illum nasci, hunc fieri«. Nach dem Neuen Testament werde man zum Priester nicht ordiniert, sondern als ein solcher geboren.104 Der Reformator entfaltet die Lehre vom allgemeinen Priestertum anhand der aus den früheren Schriften bekannten Schriftstellen und zeigt an sieben traditionell priesterlichen Aufgaben (officia sacerdotalia), daß alle Christen zu deren Ausübung bevollmächtigt und folglich Priester seien.105 Wie in der Schrift an die Leisniger begründet Luther mit diesen allen Christen gemeinsamen Voll103
Vgl. WA 12, 177, 37 f. Vgl. a.a.O., 178, 9 f. 26 f. Vgl. a.a.O., 179, 38–189, 16. – Stein zeigt a.a.O., 151, daß weder die Siebenzahl noch die Aufzählung »… [1.] docere, praedicare annunciareque verbum dei, [2.] baptisare, [3.] consecrare seu Eucharistiam ministrare, [4.] ligare et solvere peccata, [5.] orare pro aliis, [6.] sacrificare et [7.] iudicare de omnium doctrinis et spiritibus« (WA 12, 180, 2–4) in der Tradition vorgegeben ist. Luther lehnt sich an ähnliche Reihen an und prägt sie – besonders durch das betonte Hinzufügen des Lehrbeurteilungrechtes – in seinem Sinne um. Das Argument nimmt im wesentlichen aus früheren Schriften Bekanntes auf, insofern Luther das aufgrund des allgemeinen Priestertums für alle Christen Beanspruchte (Predigt, Abendmahlsverwaltung, Schlüsselgewalt, Lehrbeurteilung), das schon nach kanonischem Recht im Notfall allen Zustehende (Taufe) und von ihm allererst als priesterlich Charakterisiertes (Selbstopfer, Fürbitte) in eine Reihe stellt. Merkwürdig schwach ist der Abschnitt über das Abendmahl (a.a.O., 182, 19–183, 16): Der Schluß von dem allen geltenden Gebot »Hoc facite in meam commemorationem« auf die allgemeine Konsekrationsvollmacht ist kaum mehr als die Zurückweisung der traditionellen Verortung der Einsetzung des Priestertums in den Abendmahlsberichten. So bleibt als Argument für den provokantesten Abschnitt der Schrift nur ein Schluß a maiore (Verkündigung und Taufe) ad minus (Abendmahl). Das Anliegen, die Predigt innerhalb der Amtsaufgaben gegenüber der Abendmahlsverwaltung aufzuwerten, führt zu einer so prinzipiellen Abwertung der letzteren, wie Luther sie nicht wiederholt hat. Dieser Abschnitt ist durch den ersten Lösungsvorschlag a.a.O., 171, 13–172, 8 vorbereitet, nach dem die Böhmen notfalls ganz auf Amtsträger verzichten könnten, wenn jeder Hausvater (paterfamilias) seinem Haus das Evangelium lese und seine Kinder taufe oder mehrere Häuser sich um das Evangelium versammelten. Dies sei sicher und heilsam, »etiam si tota vita vel non audeant vel non possint Eucharistiam sumere« (a.a.O., 171, 20 f ), denn Christus habe gesagt, daß nur das Wort Gottes notwendig sei (Z. 31 f ). Im Gegensatz zu Predigt und Taufe ist das Abendmahl also nicht heilsnotwendig und der Verzicht darauf den böhmischen Christen zuzumuten. Die Frage ist nur, warum es zu diesem Verzicht kommen muß. Denn zu der in der Schrift behaupteten Konsekrationsvollmacht aller Christen will die Formulierung »vel non audeant vel non possint Eucharistiam sumere«, die fast wörtlich a.a.O., 172, 3 f wiederholt wird, nicht passen. Luthers späteres Insistieren auf das stiftungsgemäß nur öffentlich zu feiernde Abendmahl (vgl. u. S. 115) kann noch nicht vorausgesetzt werden, wie es Brunotte, Amt, 80 ohne weitere Begründung tut. Es bleibt nur die Lösung, daß Luther mit der zitierten Wendung zunächst nur die subjektive Einschätzung der Gläubigen wiedergeben will. Wenn er derlei Zweifeln hier noch nicht begegnet, dürfte dies nicht nur daran liegen, daß seine große Argumentation für das Priestertum aller Getauften erst folgt, sondern auch darin begründet sein, daß der Vorschlag, vollständig auf Amtsträger zu verzichten, nicht sein eigentliches Argumentationsziel ist, sondern nur den Schwachen gilt (a.a.O., 172, 10). Steins Interpretation, daß der Hausvater objektiv das Abendmahl nicht feiern könne (Amt, 147), steht Luthers zusammenfassendes Diktum entgegen, »[n]on esse aliam memoriam coenae dominicae, quam ubi quilibet Christianus facere potest, quod Christus facere instituit« (WA 12, 190, 1–3). 104 105
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
machten sowohl, daß zum kirchlichen Amt eine Berufung notwendig sei, als auch, daß diese der Gemeinde zukomme.106 Nicht in einem Priestermangel, sondern darin, daß niemand zum Dienst an Wort und Sakrament berufen wird, liegt also das Problem der Böhmen. Sie stehen deshalb vor der Entscheidung, entweder die aus dem Wort Gottes entstehende Kirche ohne Diener des Wortes vergehen zu lassen oder Abhilfe zu schaffen, indem sie selbst Amträger berufen. Zum ersten Mal schlägt Luther dafür eine bestimmte Form vor: Die Prager sollen in einer Versammlung durch gemeine Wahl geeignete Amtsträger wählen und unter Gebet und Handauflegung der Gemeinde empfehlen und bestätigen. Diese müsse die so Erwählten als rechtmäßige Bischöfe und Diener des Wortes anerkennen und glauben, daß in dieser Handlung Gott selbst am Werk sei.107 Luther bezweifelt aber offenbar, seine Leser bereits überzeugt zu haben, denn auf die knappe Formulierung seines Lösungsvorschlags läßt er zunächst einen Exkurs folgen, der das intendierte Vorgehen mit biblischen Berufungsgeschichten vergleicht und dadurch legitimiert.108 Im Anschluß daran präzisiert er seinen Vorschlag durch eine von ihm so genannte forma electionis.109 Bereits vor der eigentlichen Wahl und Einsetzung, die Luther eine ›große Sache‹ nennt,110 soll die Gemeinde in persönlichem und gemeinsamem Gebet Gott das durch eigene Sünden verschuldete Elend bekennen und um die Sendung seines Geistes in die Herzen der Gläubigen bitten, denn göttliche Kraft sei zum glücklichen und heilsamen Verlauf dieser 106 Vgl. a.a.O., 189, 17–27: »Verum haec omnia [sc. die priesterlichen Aufgaben] de iure communi Christianorum diximus. Nam cum omnium Christianorum haec sint omnia (ut probavimus) communia, nulli licet in medium prodire autoritate propria et sibi arripere soli, quod omnium est. Arripe sane id iuris et exequere, ubi nullus est, qui simile ius habeat. Verum haec communio iuris cogit, ut unus, aut quotquot placuerint communitati, eligantur vel acceptentur, qui vice et nomine omnium, qui idem iuris habent, exequantur officia ista publice, ne turpis sit confusio in populo dei, et Babylon quaedam fiat in Ecclesia, sed omnia secundum ordinem fiant, ut Apostolus docuit. Aliud enim est ius publice exequi, aliud iure in necessitate uti: publice exequi non licet, nisi consensu universitatis seu Ecclesiae. In necessitate utatur quicunque voluerit.« Diese sehr geraffte Passage setzt – vielleicht nicht im Hinblick auf den Leser, aber beim hastig schreibenden Luther – die Adelsschrift und das Schreiben an Leisnig voraus, wie sich etwa zeigt, wenn »ubi nullus est, qui simile ius habeat« ohne Erläuterung mit in necessitate gleichgesetzt wird. 107 Vgl. a.a.O., 191, 22–27: »… reliquum est aut permittere Ecclesiam dei perire sine verbo, aut oportere conventu facto communibus suffragibus ex suo gremio eligere unum vel quotquot opus fuerit idoneos, et orationibus ac manuum impositionibus universitati commendare et confirmare, atque eos tum pro legitimis Episcopis et ministris verbi agnoscere et colere, indubitata fide credendo, a deo gestum et factum esse, quod hac ratione gesserit et foecerit consensus communis fidelium, Euangelion agnoscentium ac profitentium.« 108 Vgl. a.a.O., 191, 38–193, 21. Der Sinn dieses Abschnittes ist ganz sicher nicht, den Ausnahmecharakter seines Vorschlages zu unterstreichen (so aber Stein, a.a.O., 146) und diesen so zu relativieren, sondern im Gegenteil, dessen Schriftgemäßheit zu erweisen. 109 Vgl. a.a.O., 193, 22–194, 3. 110 Vgl. WA 11, 193, 23 f: »nam res illa magna est, nec me tam movet eius novitas quam magnitudo«.
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Angelegenheit vonnöten – nicht so sehr des Bruches mit der Tradition, der novitas wegen, sondern weil der Wahlentscheidung große Bedeutung zukomme.111 An der Erhörung dieses Gebetes dürfe nicht gezweifelt werde; die Gemeinde werde in dieser Angelegenheit geleitet (agi). Eine frei zusammenkommende – also nicht fest umgrenzte – Wahlversammlung solle daraufhin Kandidaten wählen, die sich durch Würdigkeit und Eignung empfehlen.112 Diesen sollten die geachtetsten Gemeindeglieder die Hände auflegen und sie damit dem Volk als Bischöfe, Diener, Pastoren bestätigen und empfehlen.113 Die zentralen Elemente der forma electionis sind Gebet und Handauflegung. Daran sollte sich auch in der folgenden Entwicklung nichts ändern. Doch durch den Vergleich mit der Vor- und Nachgeschichte treten mehrere Besonderheiten zu Tage. Zunächst ist auffällig, daß die beiden Elemente in keinen unmittelbaren Zusammenhang gebracht werden. Der Liturgie zufolge hat das Gebet in den Wahlvorbereitungen seinen Platz, während in den Berufungsakt eigentlich nur die Handauflegung behört. Um die Bedeutung der Handauflegung zu bestimmen, greift Luther die Formulierung universitati commendare et confirmare aus der ersten Erwähnung des Lösungsvorschlags wieder auf. Der Ritus wendet sich demnach nicht 111 Pannenberg, Lima, 232 entnimmt dieser Stelle, Jesus Christus sei in der Ordination »der eigentlich Handelnde, indem er auf das Ordinationsgebet hin seinen heiligen Geist sendet.« Was er damit meint, erhellt aus ders., Kirchliches Amt, 109: Es gebe bei Luther »das Verständnis der Ordination als eines mit der Mitteilung des Heiligen Geistes durch Jesus Christus verbundenen Geschehens, da die Gabe des Geistes, auf die sich das Ordinationsgebet bezieht, von Christus zugesagt ist (WA 12, 193, 25 ff)«. Das verfehlt den Sinn der Stelle völlig. Der Heilige Geist wird erstens nicht für den Ordinanden, sondern für die Gemeinde, zweitens nicht für den Akt der Ordination, sondern für die Wahl erbeten. Pannenberg hat diesen Irrtum offenbar bemerkt und das erste Zitat mit einer kleinen, aber entscheidenden Änderung in die Systematische Theologie III, 439 übernommen: Jesus Christus selbst sei bei der Ordination »der eigentlich Handelnde, indem er auf das Ordinationsgebet hin seinen heiligen Geist in die Herzen der Betenden sendet. ›Die Ordination geschieht primär durch den erhöhten Herrn, der den Ordinierten durch den Heiligen Geist bewegt, stärkt und segnet.‹« (Hervorhebung M.K.) Das macht die Sache aber nicht besser. Es ist unverständlich, daß Pannenberg trotzdem mit der Stelle aus De instituendis immer noch belegen will, daß Luther eine Geistesgabe an den Ordinanden kenne. Denn so ist doch wohl zu verstehen, daß er auf den betreffenden Satz unmittelbar ein – nunmehr logisch unverbundenes – Zitat aus Gemeinsame Kommission, Geistliches Amt, Nr. 34 folgen läßt, das von der Wirkung am Ordinierten spricht. 112 Über die Kandidaten heißt es nur, sie sollten digni et idonei scheinen. Die Unbestimmtheit dieser Formulierung hängt wohl damit zusammen, daß der Leitung der Wahl durch den Heiligen Geist so viel Gewicht beigemessen ist. 113 Vgl. a.a.O., 193, 33–194, 3: »Deinde, ubi sic oraveritis, nihil dubitetis fidelem esse quem rogastis, ut det quod petistis, aperiat pulsantibus, et inveniatur quaerentibus, ut sic certissimi sitis, vos agi in hac causa, non agere. Tum convocatis et convenientibus libere, quorum corda deus tetigerit, ut vobiscum idem sentiant et sapiant, procedatis in nomine domini et eligite quem et quos volueritis, qui digni et idonei visi fuerint, tum impositis super eos manibus illorum, qui potiores inter vos fuerint, confirmetis et commendetis eos populo et Ecclesiae seu universitati, sintque hoc ipso vestri Episcopi, ministri seu pastores, Amen. Nam quales eligere oporteat, docet satis Paulus Tit. 1, 1. Timothe. 3.«
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an den Amtsträger, sondern an die Gemeinde, die vergewissert wird, einen legitimen Amtsträger zu erhalten, und der es nun obliegt, ihm die gebührende Anerkennung zu erweisen. Da die Ordinationshandlung direkt auf die Wahl folgt, ergibt sich ferner, daß auch die Berufung mit der Ordination vollzogen wird: Durch den Ritus der Handauflegung wird dem Ordinanden sein Amt übertragen. Darf man Luthers Wortwahl akribisch auslegen, ersetzt der Ritus gleichzeitig die bischöfliche Konfirmation,114 die für die Böhmen durch die Vakanz des Bischofsstuhls ohnehin nicht zu erhalten war. Im Vergleich zur Priesterweihe, an deren Stelle diese Ordination tritt, fällt also ins Auge, daß es dabei nicht um die Zurüstung des Ordinanden zum Amt geht, sondern darum, daß die Berufung durch die Gemeinde ihre angemessene Form erhält. Wie kommt es dazu, daß Luther die Handauflegung als Element der Berufung propagiert? In der Schrift an die Leisniger Gemeinde hatte ein derartiger Ritus noch gefehlt. Luther hatte in der Antwort an Heinrich VIII. die impositio manuum gar als eine an keine bestimmte Situation gebundene charismatische Handlung der Geistmitteilung dargestellt – eine Handlung, deren Wirkung laut De captivitate in der Gegenwart erloschen ist.115 Nunmehr sieht er in ihr den rituellen Vollzug des Berufungsgeschehens. Ein wichtiges Motiv für die Gestaltung eines feierlichen Ordinationsritus dürften für Luther die erwarteten Zweifel der Böhmen an der Rechtmäßigkeit der vorgeschlagenen Einsetzung von Amtsträgern gewesen sein. Als Vorbild kann ihm dafür nur das Neue Testament gedient haben, dessen einschlägige Stellen er nun offenbar anders interpretiert als noch im Jahr zuvor.116 Dennoch beruft sich Luther für seinen Vorschlag nicht auf die Bibel.117 Das ist überraschend, da er ja im Verlauf der ganzen Schrift darum bemüht ist, den skrupulösen Böhmen nachzuweisen, daß seine Empfehlungen dem Evangelium gemäß seien. Offenbar hängt der fehlende Schriftbeweis mit 114
Vgl. Rietschel, Luther, 61. Vgl. o. S. 34. Auszuschließen ist, daß der Reformator wie spiritualistische Zeitgenossen inzwischen zu der Überzeugung gekommen sein könnte, die urchristlichen Charismen seien mit dem Hervorbrechen des Evangeliums wieder verfügbar geworden. Dafür finden sich keine Belege; die Haltung gegenüber den »Zwickauer Propheten« von Vorjahr zeigt im Gegenteil, daß Luther solche Überzeugungen fremd waren. Vgl. die bei Wappler, Müntzer, 74–80 gesammelten Berichte über seine Gespräche mit den »Zwickauer Propheten« während des Jahres 1522, die Luther zwar nicht immer so gelassen zeigen wie in seinem Brief an Melanchthon vom 13.1.1522 WA.B 2, 424, 9–425, 40 Nr. 450, aber dennoch seinen grundsätzlichen Zweifel am charismatischen Geistbesitz zeigen. 116 Neben den von Heinrich angeführten Stellen aus den Pastoralbriefen 1. Tim 4, 14; 5, 22; 2. Tim 1, 6 sind Act 6, 6; 13, 3 zu nennen. 117 Lieberg, a.a.O., 213 beruft sich für die Behauptung, »Luther hält die Ordination von der Schrift her für notwendig«, auch auf De instituendis, verweist dann aber auf die Ausführungen des Reformators zur Notwendigkeit der Berufung. Dies verwundert besonders, weil Lieberg beide strikt unterscheidet. Vgl. o. S. 8 f. 115
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dem Charakter speziell dieses Vorschlags zusammen: Luther will das Verfahren ausdrücklich nur als einen Ratschlag und keineswegs als eine verbindliche Anweisung verstanden wissen. Es sei weder notwendig noch zu erwarten, daß die forma electionis sofort in ganz Böhmen eingeführt werde, schreibt er im Anschluß; niemand dürfe zum Glauben gezwungen werden. Stattdessen sollten einzelne Städte mit dieser Form beginnen und für sie werben.118 Die Gründe für Luthers Zurückhaltung liegen auf der Hand. Die Zeit war noch nicht reif für die Einführung einer evangelischen Ordination. Wie ein Amtsträger in einer reformatorisch gesinnten Gemeinde eingesetzt werden sollte, mußte sich an den jeweiligen Gegebenheiten ausrichten. Dieser Vorbehalt wurde auch später aufrechterhalten. Wie die weitere Untersuchung zeigen wird, behielten die Wittenberger Reformatoren hinsichtlich der Verbindlichkeit des apostolischen Ordinationsritus im wesentlichen die hier von Luther eingeschlagene Richtung bei: Gebet und Handauflegung sind die schon in der Urkirche belegten Elemente der Predigerberufung, die auch in der Gegenwart von Nutzen sind, gehören aber nicht in den Bereich des Gebotenen. (4) Evangelisches Erzbistum und Gemeindeordination Im Anschluß an die forma electionis entfaltet Luther Vorschläge zu einer Neuordnung der böhmischen Kirche, die den Horizont der Ortsgemeinde transzendieren und zum Rest der Schrift in einem ambivalenten Verhältnis stehen. In unserem Zusammenhang stellt sich vor allem die Frage, ob die ins Auge gefaßte allmähliche Bildung eines evangelischen Bistums die zuvor dargelegte Gemeindeordination insofern relativieren soll, daß letztere nur während einer Übergangszeit zu üben sei, bis sich feste Strukturen etabliert hätten. In der Tat erwecken Luthers Überlegungen zunächst diesen Eindruck. Ihren Ausgangspunkt bildet die oben ausgesprochene Empfehlung, mit der Ordination in wenigen Städten zu beginnen. Dann heißt es weiter, würden auf die vorgeschlagene Weise mit Gottes Beistand allmählich viele Bischöfe – damit sind die Gemeindeleiter gemeint – gewählt, könnten diese aus ihrem Kreis einen oder mehrere maiores wählen, deren Aufgabe es wäre, den Bischöfen zu dienen und nach dem Vorbild des Petrus (Act 8 f ) die Gemeinden zu besuchen. So würde Böhmen wieder zu einem Erzbistum werden.119 118
Vgl. WA 12, 194, 4–14. Vgl. a.a.O., 194, 15–20. Wenn Luther hier stillschweigend das Konzept des Gemeindebischofsamtes voraussetzt, wie er es in der Bischofsschrift von 1522 entfaltet hatte (vgl. o. S. 50 f ), mußte der Gedanke, das Bischofsamt in der Gemeinde zu verorten, natürlich für die Böhmen, deren Bischofsstuhl unbesetzt war, von besonderem Interesse sein. Umso mehr verwundert, daß Luther diesen Gedanken in der Schrift nicht ausführt; konnte er doch bei den Böhmen nicht davon ausgehen, daß seine Schriften – zumal die deutschen – allgemein bekannt waren. In De instituendis gebraucht er den Bischofstitel an mehreren Stellen als Synonym anderer Bezeichnungen, die für Pfarrer oder Prediger stehen, was zur Folge hat, daß der Sprengel des 119
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
Nun findet sich indes ein Hinweis darauf, daß Sinn und Zweck des Vorschlags nicht darin bestehen, die Ordination am Ende dieser Entwicklung durch einen evangelischen Erzbischof durchführen zu lassen. Luther weist diese Aufgabe nämlich nicht dem neuen Bischofsamt zu.120 Seiner Bestimmung zufolge handelt es sich bei diesem um ein reines Leitungs- und Visitationsamt. Daß die Ordination in diesem Zusammenhang fehlt, ist tatsächlich kein Versehen, wie die folgende Passage zeigt. Luther unterbreitet hier den Böhmen einen Kompromißvorschlag für den Fall, daß sie für den vorgeschlagenen liberum et Apostolicum ritum noch zu schwach seien. Bis sie heranwüchsen und die Vollmacht des Wortes Gottes ganz verstünden, könne ihnen zugestanden werden, daß Gallus Cahera und seinesgleichen – also evangelisch gesinnte, doch römisch geweihte Priester – mit ihrer Zustimmung vice Episcoporum papalium nach apostolischem Vorbild geeignete Kandidaten beriefen, erwählten und bestätigten.121 In dieser Variante wäre den angenommenen Skrupeln der Böhmen tatsächlich dadurch begegnet, daß künftige Ordinationen nach der vorgeschlagenen Form wenn nicht durch römische Bischöfe, so doch zumindest durch geweihte Priester erfolgen könnten. Doch erstaunlicherweise will Luther das ausdrücklich als ein Provisorium verstanden wissen. Seine in diesem Zusammenhang nochmals ausgesprochene Warnung, daß die Böhmen durch das papisticos ordines et ordinatos suscipere sündigten und den Verlust ihres Seelenheils riskierten, richtet sich offenbar auch gegen den geweihten Cahera. Nun hatte Luther andererseits in der Schrift deutlich gemacht, daß der Empfang der von ihm so scharf kritisierten Weihe den Amtsträger, der das Evangelium verkündigte, nicht schon als solchen diskreditiere.122 So bleibt nur eine Erklärung dafür, daß er seinem eigenen Vorschlag einer Ordination durch geweihte Amtsträger so reserviert gegenübersteht: Die Beteiligung der Gemeinde an der Ordination, wie Luther sie den Böhmen nahegelegt hatte, war – wenn auch durch die konkrete Situation der Adressaten veranlaßt – nicht nur eine Notlösung, sondern in Luthers Augen die wünschenswerte Form der Einsetzung von Kirchendienern, von der er ungern abweichen möchte. Der Kompromißvorschlag, der Gallus Cahera als Ordinator vorsieht, hätte die Rolle der Gemeinde aber unweigerlich abgewertet. gewählten Oberen die Bezeichnung ›Erzbistum‹ erhält. Vgl. a.a.O., 190, 15 f: »Ministri, diaconi, Episcopi, dispensatores rectius nominarentur, qui et ob aetatem presbyteri sepius vocantur«; 191, 24 f: »… eos tum pro legitimis Episcopis et ministris verbi acnoscere et colere …«; 194, 1 f: »… sintque hoc ipso vestri Episcopi, ministri seu pastores …«. Die Selbstverständlichkeit, mit der diese Gleichsetzung geschieht, macht wahrscheinlich, daß Luther die Unvollständigkeit seiner Ausführungen nicht bewußt war. 120 Dies übersieht z.B. Lieberg, Amt, 156. 121 Vgl. WA 12, 194, 21–32. Die Formulierung »donec adolescatis et plene intelligatis, quae sit potentia verbi dei« kann sich nur auf den gesamten Vorschlag beziehen. 122 Vgl. o. S. 60.
5. Die Berufung Bugenhagens zum Wittenberger Stadtpfarrer
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Die Interpretation, daß der Reformator zu diesem Zeitpunkt einer Ordination durch übergeordnete Amtsträger prinzipiell kritisch gegenüberstand, ginge indes zu weit.123 Vieles im heterogenen Schlußteil der Schrift ist einerseits von Luthers Skepsis gegenüber der Glaubensstärke der Böhmen, andererseits von dem offensichtlichen Wunsch Caheras geprägt, als Kandidat für ein evangelisches Bischofsamt empfohlen zu werden. So ist es durchaus möglich, daß der Gedanke eines Euangelicus archiepiscopatus ursprünglich auf den Prager zurückgeht und von Luther nur mitgetragen wurde. Möglich ist aber auch, daß es sich dabei um eine Idee des Reformators handelt, die er nur deshalb so zögernd vorträgt, weil er fürchtet, daß sie von den schwankenden Pragern, die noch nicht verstanden haben, »quae sit potentia verbi dei«, mißverstanden werden könnte. Luther trennt jedenfalls – sicherlich nicht zur Zufriedenheit Caheras – die wünschenswerte Zusammenführung der evangelischen Gemeinden unter einen von den ›Gemeindebischöfen‹ zu wählenden Oberen und die bis zu einer künftigen Gemeindeordination vorläufig tragbare Ordinationstätigkeit Caheras. Luthers Ansätze zu einer umfassenden Neuordnung der Kirche in der Schrift an die Böhmen lassen ihn nicht von seiner Fundamentalkritik am römischen Meßpriestertum abrücken. Trotz der Einsicht in die Notwendigkeit von übergeordneten Strukturen radikalisiert er sogar die aus dem Priestertum aller Gläubigen gezogenen praktischen Konsequenzen. Der Skopus seiner Erörterungen liegt darin, die Böhmen zu ermuntern, ihre kirchlichen Amtsträger künftig selbst zu ordinieren.124 Mit den eigenen Ansätzen tritt das Thema allmählich aus dem Schatten des Streits mit Rom heraus.
5. Die Berufung Bugenhagens zum Wittenberger Stadtpfarrer Auch in Wittenberg selbst entstand im Sommer 1523 ein Konflikt über das Berufungsrecht der Gemeinde, nämlich als der Stadtpfarrer Simon Heins 123 Immerhin hatte Luther an einer früheren Stelle en passant erwähnt, daß die auf evangelische Art Berufenen später anderen das Amt befehlen könnten. Vgl. a.a.O., 190, 34–191, 2. Auch wenn die Bemerkung »Et illi deinceps aliis« dort vor allem durch 2. Tim 2, 2 motiviert ist, wo Luther die von ihm befürwortete schlichte Berufung biblisch verankert, darf die Äußerung doch wohl so verstanden werden, daß ihm an der Beteiligung von Amtsträgern an der Ordination gelegen war. Weitergehende Interpretationen, gar die Projektion dieser Äußerung auf das Amt des Erzbischofs läßt die isolierte Bemerkung jedoch nicht zu. Gegen Lieberg, ebd. 124 Das Thema der Schrift und die Sorge der Böhmen ist im übrigen mit dem Stichwort ›Kontinuität‹ nicht präzis beschrieben, wie es bei Pelikan, Continuity, passim, bes. 147 geschieht. Es geht den Adressaten weniger um die Wahrung einer Sukzession, eine Idee, die im Spätmittelalter praktisch nicht existent war (vgl. Kretschmar, Wiederentdeckung, 300–303), sondern um die Zugehörigkeit zur römischen Kirche, die aus der Sicht der Böhmen bisher durch die eigentümliche Praxis gewahrt worden war, daß sich die Priesteramtskandidaten in Venedig unter Ablegen eines falschen Versprechens weihen ließen.
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starb.125 Die Vorgänge erinnern an die Konflikte in Altenburg und Leisnig. Von Bedeutung ist der Streitfall nicht nur als ein weiteres Fallbeispiel, sondern auch deshalb, weil vor seinem Hintergrund die erste evangelische Ordination zu sehen ist, die Luther anderthalb Jahre später in der Stadtkirche durchführte. Die Pfarrstelle war dem Allerheiligenstift der Schloßkirche inkorporiert, für das der Todesfall zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt kam, fiel er doch zusammen mit der von Luther nun mit Nachdruck betriebenen Abschaffung aller Messen mit Ausnahme der am Sonntag.126 Da damit die Meßpfründen als Einnahmequelle bedroht waren – Luther dachte daran, die Einkünfte der finanziell unterversorgten Universität zukommen zu lassen –, war die Versorgung der Stiftsherren ernsthaft gefährdet. Bisher hatte ihnen der Pfarrer eine beträchtliche Pension gezahlt, doch auch seine finanzielle Lage war durch den Wegfall von Pfründen und verschiedener Stolgebühren in den vergangenen Jahren so prekär geworden, daß das Kapitel ihm die Zahlung der Pension zweimal erlassen hatte. Der Rat war nicht gewillt, seinen Anteil des Gehalts zu erhöhen, und hatte vorgeschlagen, der Pfarrer möge doch die Zahlung der Pension schlicht einstellen.127 Vor diesem Hintergrund hatten die Stiftsherren Nikolaus von Amsdorf zum neuen Pfarrer berufen, aufgrund der ungeklärten finanziellen Verhältnisse allerdings zunächst nur für ein Jahr.128 Überraschenderweise widerrief Amsdorf zwei Wochen später seine Bereitschaft, das Amt anzutreten, woraufhin »Doctor (Martinus neben) dem rath« dem Stiftskapitel ein nach dessen Empfinden viel zu kurzes Ultimatum für die Nominierung eines anderen Kandidaten setzte.129 Nacheinander boten die Stiftsherren die Stelle nun Luther selbst und Wenzeslaus Linck an, die beide ablehnten; jener wegen Arbeitsüberlastung, 125
Vgl. Pallas, Urkunden, 31 und Müller, Wittenberger Bewegung, 279. Vgl. Pallas, a.a.O., passim und dazu Brecht, Luther II, 129–132. 127 Vgl. das Schreiben des Stiftskapitels an den Kurfürsten vom 29.9.1523 bei Pallas, Urkunden, 35 Nr. 23 und dasjenige des Wittenberger Rates an denselben vom 2.11.1523 a.a.O., 85 Nr. 32: Aus den dem Pfarrer nurmehr zur Verfügung stehenden 111 fl. waren außer der Pension für das Stiftskapitel – die hier genannten 40 fl. widersprechen dem Eintrag im Erbbuch von 1513 (vgl. Oppermann, Wittenberg, 97) und einer Urkunde vom 26.11.1523 (vgl. a.a.O., 82 f Anm. 4), wo jeweils 80 fl. genannt werden – das Gehalt für zwei Kapläne zu bestreiten. Der Aufwand für das Gesinde war dadurch erhöht, daß für die Administration der Sakramente auf den Dörfern ein Pferd gehalten werden mußte. Neuerdings waren zusätzlich jährlich 20 fl. für die Hinterbliebenen des verstorbenen Simon Heins zu zahlen, um im Laufe von zehn Jahren für gut die Hälfte der 400 fl. aufzukommen, die dieser für den Bau eines neues Pfarrhauses aufgebracht hatte – alles in allem eine unmögliche Lage, was beide Seiten auch prinzipiell anerkannten. 128 Vgl. a.a.O., 35. Die Aussage des Kapitels, man habe die Pfarre »sonderlich in dissen leuften nit besser wissen zu bestellen«, muß sich auf die Befristung beziehen. 129 Vgl. das Schreiben des Stiftskapitels an den Kurfürsten vom 13.10.1523 a.a.O., 45 f Nr. 28; die Klammer rekonstruiert das teilweise zerstörte Original. Die Gründe für Amsdorfs Rücktritt sind unbekannt. Inwiefern Luther und der Rat in dieser Angelegenheit tatsächlich gemeinsam aufgetreten sind, läßt sich ebenfalls nicht mehr klären. Das Kapitel sah jedenfalls vor allem den Reformator am Werk. 126
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dieser, weil seine Prädikatur in Altenburg wesentlich besser dotiert war als die Wittenberger Pfarre.130 Der Rat war davon überzeugt, daß das Kapitel mit seinen unrealistischen Besetzungsvorschlägen lediglich Zeit gewinnen wollte, und erwählte nun seinerseits »neben der gemein bei uns nach der evangelischen lere Sancti Pauli ern Johan Pommer priester zu unserm pfarner«. Offenbar ohne sich darüber mit dem Rat und mit dem gewählten Bugenhagen, der sich Bedenkzeit ausbedungen hatte, zu verständigen, schuf Luther alsbald vollendete Tatsachen, indem er die Wahl kurzerhand öffentlich bekanntgab: »Und ehr solche frist verfloßen, hat Doctor Martinus ane unser anzeigung des pfarners und sunder unser zuthuen denselben erwelten pfarner auf der canzel als erwelten, zu solchem ampt tuchtig, promovirt, proclamirt und in craft des heiligen evangelion confirmirt und bestetigt.«131 Auch Bugenhagen war offensichtlich von Luthers Vorstoß überrascht und mußte erst davon überzeugt werden, die Stelle anzutreten. Das Zitat aus dem Rechtfertigungsschreiben des Rates zeigt dessen Bemühen, nicht mit dem übereilten Vorgehen Luthers in Verbindung gebracht zu werden. Der Kurfürst hatte das Gremium aufgefordert, zu den Vorwürfen des Stiftskapitels, die inzwischen auch andere finanzielle Streitpunkte umfaßten, Stellung zu beziehen. In dieser Situation mußte der Rat unbedingt den Anschein vermeiden, er wolle den kurfürstlichen Anordnungen nicht Folge leisten. Die Überraschung der Ratsherren über die öffentliche Verkündigung der Berufung war auch sicherlich echt, doch die offenbar wörtliche Wiedergabe der Formulierungen Luthers und der Hinweis, daß die vorausgegangene Wahl des Pommers gemäß paulinischer Lehre geschehen sei, deuten darauf hin, daß der Professor und die Stadtväter in dieser Angelegenheit immer noch in engem Kontakt standen. Zweifellos handelte Luther aber bei der Proklamation der Besetzung eigenmächtig. Auffällig ist, daß Luther dem Stiftskapitel zielgerichtet das Berufungsrecht entwendet.132 Im Gegensatz zur Lage in Altenburg, Leisnig oder Böhmen konnte in Wittenberg kaum von einem Notstand für das Evangelium die Rede sein, auch wenn dies in der Verteidigung des Rates so dargestellt
130
Vgl. das Schreiben des Stiftskapitels an den Kurfürsten vom 28.10.1523 a.a.O., 82 Nr. 30. Vgl. das Schreiben des Rates an den Kurfürsten vom 2.11.1523 a.a.O., 84 f Nr. 32. 132 Wie Hauschild, Amt, 87 zu der Behauptung gelangt, die Einsetzung Bugenhagens allein »aufgrund einer ›Wahl‹ durch den Rat der Stadt Wittenberg« zeige, wie wenig das Modell der Gemeindewahl in den Schriften 1523 verbindlich gewesen sei, bleibt vollkommen dunkel. Auch die Leisniger und Prager sollten doch durch ihre politischen Instanzen von ihrem evangelischen Recht Gebrauch machen. Wenn Hauschild dann im selben Atemzug Luthers Entscheidungen gegen die Gemeinden in Allstedt und Orlamünde anführt, schließt er offenbar stillschweigend die Möglichkeit aus, daß Luthers Sicht von der Vollmacht der Gemeinde sich 1524 gewandelt haben könnte. 131
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
wurde.133 Es gab genügend Prediger, die eine Vakanz bis zu einer für alle Seiten zufriedenstellenden Lösung überbrücken konnten. Das Ultimatum für die Wiederbesetzung wurde bereits wenige Tage nach der Resignation Amsdorfs gestellt, obwohl die Stiftsherren mit dessen Wahl deutlich zu erkennen gegeben hatten, sich nicht gegen einen evangelisch gesinnten Pfarrer sperren zu wollen. Auch wenn die Emotionen in Rechnung zu stellen sind, die aufgrund des Streits mit dem Stift über die Messe auch auf Luthers Seite im Spiel waren, leidet keinen Zweifel, daß er das Berufungsrecht grundsätzlich bei der Gemeinde sehen wollte. Nicht zufällig stellte sich dieser Konflikt in der Retrospektive später als der Anfang einer neuen Berufungsordnung für die Wittenberger Pfarrstelle dar und wird in der Visitationsinstruktion für Wittenberg von 1533 ausdrücklich als Vorbild für die Zukunft dargestellt.134
6. Luthers Streit mit Karlstadt: Die Bedeutung der Berufung als Kennzeichen des rechtmäßigen Amtes Die Forderung, daß die Ausübung eines kirchlichen Amtes eine Berufung voraussetze, wurde von Luther Anfang der zwanziger Jahre kritisch immer dann vorgebracht, wenn ein Amtsinhaber oder die ihm übergeordnete Hierarchie nicht die Verkündigung des Evangeliums gewährleisteten und evangelisch gesinnte Gemeinden entsprechende Prediger berufen wollten. Er konnte die Forderung nach der Berufung aber ebenso gegen Personen wenden, die den Dienst der Verkündigung in Wort und Sakrament ohne Berufung an sich rissen. Beide Gedankenstränge entstammen unterschiedlichen Begründungszusammenhängen und laufen zunächst unverbunden nebeneinander her. Das ändert sich seit Luthers Streit mit Karlstadt: Nun kommen beide Linien zusammen und kreuzen sich. Wie der folgende Abschnitt zeigen wird, ist der entscheidende Einschnitt Luthers Reise nach Orlamünde. Durch den Blick auf den Ursprung des Streits während der Wittenberger Unruhen 1522 wird aber auch deutlich, daß Luthers seit 1524 deutliches Insistieren auf der 133
Vgl. ebd. Vgl. Pallas, Registraturen II/2, 1 (=EKO I, 700): »In dieser stat ist nicht mehr, dan ein pfar, von anfang der universitet aus dem stift aller heiligen mit einem pfarrer bestallt gewest. Die erwelunge aber soll hinfur stehn, wie sie mit ern Johan Bugenhagen angefangen, samptlich bei der universitet und dem rat, nemlich von wegen der universitet rector, seniores und reformatores und von wegen des rats und der gemein zehen person.« 1523 kann nach allem, was den Quellen zu entnehmen ist, kein formelles Berufungsgremium gebildet worden sein. Entscheidend für die Visitatoren, unter denen Jonas und Bugenhagen auch damals am Konflikt beteiligt gewesen waren – vgl. die Liste der Visitatoren bei Burkhardt, Geschichte, 125 –, war die Beteiligung von Universität – in Gestalt von Luther – und Gemeinde. Erst vor dem Hintergrund der Ordination Rörers 1525 wird deutlich werden, inwiefern Luthers persönliche Bemühungen ein Jahrzehnt später als eine Beteiligung der Universität interpretiert werden konnten. 134
6. Luthers Streit mit Karlstadt: Die Bedeutung der Berufung
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äußeren Berufung, also der Berufung durch Menschen bereits vor der Reise angelegt war. a. Die Forderung nach der Berufung während der Wittenberger Unruhen (1522) Im Herbst 1521 kamen Nikolaus Storch,Thomas Drechsel und Markus Thomae aus Zwickau nach Wittenberg.135 Sie erhoben den Anspruch, in Visionen besondere Offenbarungen erhalten zu haben und von Gott zur Reform seiner Kirche berufen zu sein. Melanchthon war durch den ungewöhnlichen Autoritätsanspruch zunächst beeindruckt und verunsichert. Von der Wartburg riet Luther ihm am 13. Januar 1522 zur Gelassenheit. Es gelte, die Geister zu unterscheiden. Alle Worte und Taten der Zwickauer, von denen er bisher gehört habe, könne auch der Satan hervorbringen; die offenbar wunderhaften Fähigkeiten der Zwickauer stellen für Luther als solche also keinen Ausweis göttlicher Autorität dar. Melanchthon aber solle die Zwickauer nach ihrer Berufung fragen, denn Gott sende niemanden, den er nicht durch eine Berufung durch Menschen oder durch besondere Zeichen empfohlen habe. Dies lasse sich an den alttestamentlichen Propheten ebenso ablesen wie an der Sendung Christi und gelte vor allem für die öffentliche Ausübung der Lehre.136 Der prophetische Anspruch der Zwickauer zwang also zur Entscheidung über den Ursprung und die Autorität ihrer Lehre. Es konnte sich nur um Wahrheit oder Lüge, göttlich oder teuflisch inspirierte Gedanken handeln. Die Forderung der Berufung half hier, die Geister zu unterscheiden.137 Luthers Forderung traf neben den Zwickauern138 – möglicherweise, ohne daß ihm dies bewußt war – auch die beiden Wittenberger, die während der 135
Vgl. zum Ganzen Wappler, Müntzer. Vgl. WA.B 2, 424, 9–425, 21 Nr. 450: »Venio ad prophetas, ac primum non probo tuam timiditatem, cum et maiori tam spiritu, quam eruditione polleas, quam ego. Ac primum, cum testimonium perhibeant de se ipsis, non statim audiendi sunt, sed iuxta consilium Ioannis spiritus probandi. Quodsi probare non potestis, habebitis consilium Gamalielis differendi; nihil enim adhuc audio ab eis dici et fieri, quod Satanas non queat praestare vel aemulari. Tu autem ex mea parte hoc explores, anne vocationem suam possint probare. Neque enim Deus unquam aliquem misit, nisi vel per homines vocatum vel per signa declaratum, ne ipsum quidem Filium. Prophetae olim ex lege et ordine prophetali ius habebant, sicut nos modo per homines. Prorsus nolo eos recipi, si nuda revelatione sese vocatos adserant, cum nec Samueli quidem vellet loqui Deus nisi per autoritatem consciam Heli. Hoc primum ad publicam functionem docendi pertinet.« Mit lex et ordo prophetalis ist Dtn 13, 1–5 gemeint, wie aus dem parallelen Schreiben an Amsdorf (a.a.O., 423, 61 f Nr. 449) hervorgeht. 137 Der Gedanke der Bestätigung der vocatio immediata durch wunderhafte Zeichen ergänzt Luther wegen ihrer Uneindeutigkeit später dahingehend, daß der so Berufene in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes lehren müsse (vgl. z.B.WA 17 II, 254, 29–31 [Festpostille, 1527]). Im Brief an Melanchthon scheint er noch davon auszugehen, daß der Teufel und seine Taten an ihrer beschränkten Wirkung zu erkennen seien. 138 Das Kriterium einer vocatio externa war im übrigen dem Denken eines Nikolaus Storch diametral entgegengesetzt. Er faßte das Wirken des Geistes geradezu als Gegensatz zum vermeint136
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
Unruhen in der Stadtkirche das Wort ergriffen hatten: Andreas Bodenstein aus Karlstadt und Gabriel Zwilling. Der kurfürstliche Rat Haugold von Einsiedel ermahnte die beiden am 3. Februar, keine schädlichen Neuerungen einzuführen und nicht unberufen das Predigtamt zu ergreifen.139 Aufschlußreich ist Karlstadts Rechtfertigung vom folgenden Tag. Mit einigem Recht verweist er auf sein Archidiakonat am Allerheiligenstift, das ihm die Predigt in der Schloßkirche auferlegte, und auf das Vorbild seines Propstes Justus Jonas, der ebenfalls in der Stadtkirche gepredigt habe. Doch auch unabhängig von dieser Berufung fühle er sich durch sein Doktorat berechtigt und durch das ihm zuteil gewordene Wort dazu gedrungen zu predigen.140 Karlstadt beklagt sich in diesem Zusammenhang auch, angefeindet und und denunziert worden zu sein, und meinte damit wohl Melanchthon. Dieser hatte die beiden offenbar über Luthers Brief informiert und dürfte dabei auch die Berechtigung der Predigten in der Stadtkirche in Frage gestellt haben.141 Melanchthon schreibt Einsiedel am 5. Februar, er habe mit Zwilling wiederholt über »solche meynung«, nämlich den Inhalt von Einsiedels Brief, gesprochen lichen Wort Gottes auf, wie es im Rahmen der Kirche erklang. Vgl. etwa Wappler, Müntzer, 85 f. Vgl. a. den ersten Artikel der Wittenberger Bürger vom Dezember 1521 bei Müller, Wittenberger Bewegung, 161 Nr. 68: »Der erst artickel, das man eyn yeden das gots wortt frey soll lassen predigen; dan das gots wortt mag vnd will nit gefangen seien.« 139 Vgl. a.a.O., 178 Nr. 81 (=CR 1, 544) an Karlstadt: »Wue jr auch zuuerkundung des worths nicht sunderlich werdt geruffenn, So wolt euch dazu nicht einlassenn …«; a.a.O., 179 Nr. 82 (=CR 1, 543 [MBW 208]) an Zwilling durch Melanchthon: »… das vonn jme wurde gesagt, das er vrsach zu vnwillen gebe vnd zwitracht jn seinem predigen, darzu er nicht erfordert, erregt. Wellet solchs mit jme vnnd andern bey euch predigern, souil an euch, handln, das sye nicht jrn Rhumb, Sunder gots Lobe vnd der seln wolfarth suchen, sich auch zu solchen Ambten nicht vnberuffen eindringen.« Vgl. dazu auch Bubenheimer, Luthers Stellung, 179–181. 140 Vgl. a.a.O., 180 f Nr. 83: »Daß ich aber mich selber einlassen solt on beruffung, ist auch ßo hin an E.g. gelangt. Dan mir geburt zu Sloße czepredigen. Weil nuhn der probst fruh prediget, hab ich nach der vesper auch czupredigen furgenomen, versehe mich, ich sey alßo gnugsam daczu beruffen, wie wolh ich mich an daß auch sonste schuldig erkandt, gotis wort czu predigen. Bin ich doch vnwirdige doctor, war vmb solt ich nit predigen? Gestrenger her, mir ist daß wort vast in grosser swindikeit eingefallen: We mir, wen ich nit predigen! Derwegen bit ich, eur g. wellen mich nit verdencken. Ich weiß auch wol, wan her solig angebung kumen ist. Man ist mir veind, deß danck ich got. Aber ich wil sie nit scheuhen, ich waiß mich gerecht.« Auch Luther berief sich zuweilen auf das mit seinem Doktorat verbundene universale Predigtrecht. (vgl. z.B.WA 38, 187, 12–14). Vgl. zur kirchenrechtlichen Fragestellung Hinschius, System IV, 651 f: »Da das Promotionsrecht … ein päpstliches oder kaiserliches Recht war …, so wurde es von der damit betrauten Person niemals auf Grund des kirchlichen Amtes, … sondern stets in Vertretung des Papstes oder des Kaisers ausgeübt. Der … Promovirte erwarb somit … die Befähigung und das Recht, überall in der ganzen Kirche zu lehren. Soweit es sich dabei um die Theologie handelte, gewährte ihm die Doktor- oder Magisterwürde nach der Ansicht Mancher nicht nur das Recht zum Lehren und Disputiren, sondern auch das Recht zum Predigen.« 141 Karlstadt fühlte sich wohl auch deshalb ungerecht behandelt, weil er bereits am Neujahrstag in der Stadtkirche seine erste Messe sub utraque specie mit Billigung des Pfarrers Simon Heins gefeiert hatte, ohne daß die Frage des Zuständigkeitsbereiches, geschweige denn der Berufung eine Rolle gespielt hätte.
6. Luthers Streit mit Karlstadt: Die Bedeutung der Berufung
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und Karlstadt zur Mäßigung aufgefordert, sei aber letztlich machtlos.142 Karlstadt verteidigte sich am 13. Februar auch vor den kurfürstlichen Räten mit dem Verweis darauf, daß er sich innerlich zur Verkündigung gedrängt fühle. Dennoch lenkte er ein und versprach, nicht mehr zu predigen.143 Die Frage nach der Berufung sollte Luthers Schreiben zufolge ermöglichen, die Geister, die sich in Wittenberg äußerten, zu unterscheiden. Es ging zunächst darum, den Ursprung der neuen Prophetie zu ergründen. Karlstadt und Zwilling warf zu diesem Zeitpunkt niemand vor, falsche Propheten zu sein. Vielmehr sollten die von ihnen eingeleiteten Neuerungen und ihre agitatorischen Predigten unterbunden werden. Melanchthon hatte folglich schlicht Luthers Ratschlag auf die Auseinandersetzung mit seinem Kollegen angewendet. Als Luther nach Wittenberg zurückgekehrt war, verknüpfte auch er die Frage nach der Berechtigung der Radikalreformen in Wittenberg mit der nach der rechtmäßigen Berufung. In seiner ersten Predigt am Sonntag Invocavit stellt er den Neuerern die schreckliche Möglichkeit vor Augen, daß sie bei der Abschaffung der Messe, obwohl es sich dabei an sich um ein gutes Werk handle, nicht von Gott beauftragt sein könnten.Was seine eigene Person angeht, verweist Luther auf die jüngst erneuerte Berufung durch den Rat. Sie wolle er dem Teufel als »spieß vor die nasen« halten. Gleichzeitig macht er den Wittenbergern den Vorwurf, von ihnen als ihr ehemaliger Prediger nicht im Voraus über die Neuerungen informiert worden zu sein.144 Karlstadt bezog diese Predigt vermutlich zu Recht auf sich und sah darin eine Bekräftigung des Predigtverbots. Damit ergibt sich für das Verständnis der Berufung ein neuer Aspekt. Schon früher hatte Luther sie ins Feld geführt, um evangelische Amtsträger der Rechtmäßigkeit ihrer Amtsführung zu vergewissern. In der Auseinandersetzung mit den Zwickauer Propheten dient sie dem Beweis der wahren Lehre. Nun wird die Überzeugung Luthers, daß Gott niemanden ohne eine Berufung sende, erstmals öffentlich ins Feld geführt und zur Voraussetzung jeder legitimen Ausübung des Amtes in der Kirche. Auffälligerweise berührt der Reformator bei seinen Ausführungen mit keinem Wort jene Gedanken, die ihn wenig später für die Gemeinde in Altenburg intervenieren ließen. Im 142
Vgl. a.a.O., 181 Nr. 84 (=CR 1, 546 [MBW 209]). Vgl. das Protokoll a.a.O., 200 Nr. 94: »karstats antwort der predigen halb. Sey seyner gewißen halb darzu gedrungen.« Über eine rechtliche Handhabe verfügte man offenbar nicht, denn die Räte waren angewiesen worden: »Wu man Karolstat vermocht, das er nicht prediget, so were es nit Vngut, dieweyl er sich zuuorn des Ambts zuweylen geeussert« (a.a.O., 193 Nr. 92). Am 17.2.1522 kann Friedrich der Weise an Einsiedel darauf verweisen, Karlstadt habe zugesagt, nicht mehr zu predigen (a.a.O., 207 Nr. 99). 144 Vgl. WA 10 III, 10, 10–13. Konsequenterweise sollte Luther erneut auf seine Berufung verweisen, als er selbst 1523 die Abschaffung der Messe am Allerheiligenstift betrieb (vgl.WA 12, 650, 4–8). 143
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Mittelpunkt der Auseinandersetzung in Wittenberg steht nicht die Gemeinde mit ihren Rechten, sondern die Autorität eines bestimmten Amtsträgers. Beides waren für Luther offenbar unterschiedliche theologische Felder. Daß sie dennoch eng zusammenhingen, sollte sich zwei Jahre später zeigen, als sich Luthers Auseinandersetzung mit Karlstadt zuspitzte. b. Der Streit um Karlstadts Pfarramt in Orlamünde145 (1) Karlstadt Wechsel nach Orlamünde Der Streit nach Luthers Rückkehr hatte Spuren bei Karlstadt hinterlassen. Noch im Sommer 1522 war er zum Dekan der theologischen Fakultät gewählt worden, doch das Verhältnis zu seinen Kollegen war zusehends abgekühlt, was mit einer wachsenden Skepsis gegenüber dem akademischen Betrieb insgesamt einherging.146 Ferner wurde ihm sein Archidiakonat am Allerheiligenstift zur Last. Er war damit zur Teilnahme an den täglichen Messen verpflichtet.147 Die Predigt, die für ihn wie für Luther das Zentrum des kirchlichen Amtes ausmachte, spielte zu seinem Verdruß kaum eine Rolle.148 Und schließlich mißfiel ihm die Art der Dotierung: Er bezog sein Gehalt aus der Pfarre in Orlamünde, für die er einen Vikar anzustellen hatte. Neben der in seinen Augen verwerflichen Praxis des Vikariats als solcher beschwerte ihn, daß der Orlamünder Pfarrer Konrad Glitzsch seinen finanziellen Verpflichtungen ihm gegenüber seit längerem unzureichend nachgekommen war.149 145 Da die Entwicklung, die schließlich zur Vertreibung des ehemaligen Theologieprofessors aus Sachsen führte, seit der Debatte zwischen Hermann Barge und Karl Müller strittig geblieben ist, für die Interpretation des folgenden literarischen Schlagabtausches aber den Hintergrund bildet, müssen die wichtigsten Daten hier zur Darstellung kommen. 146 Vgl. Barge, Karlstadt II, 1–3. 147 Barge, Gemeindechristentum, 224–226 weist nach, daß Müller, Luther und Karlstadt, 140 irrt, wenn er behauptet, die evangelische Minderheit des Stiftskapitels – Jonas, Karlstadt und Amsdorf – hätte den Messen einfach fernbleiben können. Die Festmessen mußten turnusgemäß sogar von ihnen persönlich abgehalten werden. 148 Barge, Gemeindechristentum, 227–229 verweist für die besonders hohe Bedeutung, die Karlstadt mehr noch als »Luthers Anhänger« dem Predigtamt beigelegt habe, auf das »persönliche Bekenntnis« aus dem unmittelbar vor der Übersiedlung nach Orlamünde verfaßten Traktat Ain frage ob auch yemant möge selig werden on die fürbit Marie. Dieser Passus, der das Predigtamt über alle anderen Ämter in der Christenheit erhebt und es für verwerflich erklärt, daß sich die Bischöfe ausgerechnet in dieser Aufgabe vertreten ließen, »erscheint«, so deutet Barge bedeutungsvoll an, »um so beachtlicher, als er sich nur in der Originalausgabe der Schrift findet, während er in den Nachdrucken weggelassen ist«. Über den Sinn dieser Bemerkung zu spekulieren, erübrigt sich, da es sich bei der besagten Stelle um die wörtliche Übernahme des Schlußabsatzes aus Luthers Schrift an die Leisniger handelt. Vgl. Karlstadt, Ain frage, 6v–7r mit WA 11, 415, 30–416, 10. Wurde die Stelle also in späteren Auflagen gestrichen, dann vermutlich deshalb, weil Karlstadt seine Schrift von einem Luther-Zitat reinigen wollte. 149 Es geht aus den Quellen nicht hervor, ob es sich bei diesen Schulden um einen Karlstadt zustehenden Anteil an den Stolgebühren oder einen direkt an Glitzsch ausbezahlten Teil der Pfünde handelt.
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Herzog Johann legte daraufhin fest, daß Glitzsch, nachdem er ein erstes Ultimatum ein halbes Jahr zuvor hatte verstreichen lassen, zum 1. Mai 1523 seine Schulden zu begleichen und die Gemeinde zu verlassen habe.150 Karlstadt sah in der Vakanz eine Möglichkeit, seine unbefriedigende Situation zu verändern, und wurde mit der Gemeinde einig, die Pfarrstelle für ein oder zwei Jahre selbst zu übernehmen. Der von beiden Seiten angerufene Herzog Johann vergewisserte sich dazu der Zustimmung des Kurfürsten. Dieser stellte allerdings die Bedingung, daß Karlstadt auf die Einkünfte aus seinem Archidiakonat verzichten, sich also mit den 17 fl., die dem Vikar zustanden, begnügen und sich mit seinem Vorgänger einigen müsse. Mit ersterem war Karlstadt einverstanden, letzteres war bereits geschehen. Als er vermutlich im Sommer 1523 nach Orlamünde übersiedelte, schien die rechtliche Seite geklärt.151 (2) Die Rückkehrverhandlungen In Wittenberg scheint Karlstadts Weggang zunächst kaum Beachtung gefunden zu haben – sicherlich auch deshalb, weil er sich dem Universitätsbetrieb ohnehin weitgehend entzogen hatte und zeitweilig sein landwirtschaftliches Anwesen in der Nähe bearbeitete.152 Es mag geradezu als eine Erleichterung empfunden worden sein, daß der Querulant die Gegend verlassen hatte. Der Umschwung kam, als Luther erfuhr, daß in Jena Schriften Karlstadts gegen ihn 150 Vgl. Trefftz, Karlstadt und Glitzsch, 348–350 und dazu Sider, Karlstadt, 183–185. Glitzsch hatte sich offenbar auch mit einigen Orlamündern wegen finanzieller Streitigkeiten überworfen (vgl. Joestel, Ostthüringen, 66). Widersprüchlich bleibt in den Quellen der theologische Standpunkt des Pfarrers. Einerseits stand er seit dem Winter 1518/19 in Kontakt mit Müntzer (vgl. Bubenheimer, Müntzer, 175–183) und wurde nach seinem Weggang aus Orlamünde der Verbreitung karlstädtischer Gedanken bezichtigt (vgl. sein Verteidigungsschreiben an Johann den Beständigen bei Barge, Karlstadt II, 569–572). Andererseits soll er bis zum Ende seines Orlamünder Wirkens die Messe gefeiert haben (vgl. Joestel, Ostthüringen, 75 f ). 151 Vgl. zur Übersiedlung nach Orlamünde und der rechtlichen Dimension v.a. Sider, a.a.O., 185–189, wo sich durch neuere Funde im wesentlichen die Position Barges (Karlstadt II, 96–99; Gemeindechristentum, 234–240.322–326) gegenüber derjenigen bei Müller, a.a.O., 142–149 bewahrheitet. In unserem Zusammenhang ist festzuhalten, daß sich die unten zu besprechenden Vorwürfe Luthers, Karlstadt habe sich gegen den Willen des Kurfürsten nach Orlamünde begeben und Glitzsch vertrieben, als unberechtigt erweisen. Wenn Brecht, Luther II, 158 f schreibt, die Fürsten hätten eine Klärung der Rechtsverhältnisse für nötig gehalten und Karlstadts Status sei zunächst ungeklärt gewesen, macht er sich Luthers Deutung tendenziell zu eigen. Tatsächlich hatte Johann seinem Bruder am 2.6.1522 geschrieben, er habe Karlstadt darauf hingewiesen, »das wir nit wusten, was dem Capitel und auch der universitet daselbst und zuvorderst Eur lieb, dieweil der Archidiaconus zu einer lection in der universitet verbunden, inen zu Orlamunde als einen pfarner oder umb pension zu residiren lassen gelegen sein wold« (Hase, Karlstadt, 92). Dadurch daß der Kurfürst geantwortet hatte, Karlstadt müsse dann auf seine Einkünfte aus dem Archidiakonat verzichten, war das Problem ausgeräumt, wie auch daran deutlich wird, daß Friedrich es seinem Bruder überließ, die Angelegenheit zu ordnen. Vgl. a.a.O., 93 und Barge, Gemeindechristentum, 236 f. 152 Vgl. Brecht, a.a.O., 158.
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gedruckt wurden, was in Wittenberg verhindert worden war. Nun forderte er den kursächsischen Kanzler auf, auch dort die kurfürstliche Zensur walten zu lassen, die seit dem Nürnberger Reichtstagsabschied die Wittenberger Druckereien überwachte.153 Er gelangte vollends zu der Überzeugung, den Vorgängen in Orlamünde ein Ende bereiten zu müssen, als er von Spalatin über Karlstadts ›Ungeheuerlichkeiten‹ (monstra) – seine radikalen Reformen am neuen Wirkungsort – informiert wurde. Luther sprach erstmals die Absicht aus, die von nun an Gegenstand der Auseinandersetzung sein sollte: Die Wittenberger Theologen wollten Karlstadt im Namen der Universität von dem Ort, wohin er nicht berufen sei, zurück in sein Lehramt rufen und beim Kurfürsten verklagen, wenn er nicht komme.154 Karlstadt fand sich am 4. April in Wittenberg ein und traf mit Melanchthon und Luther zusammen. In diesem in Anbetracht der folgenden Ereignisse überraschend einmütig verlaufenden Gespräch erklärte Karlstadt sich auf die Zusage hin, mit den »messhaltern« nichts zu tun haben zu müssen, bereit, zurückzukehren und seinen Amtspflichten nachzukommen.155 Damit waren jedoch die Orlamünder nicht einverstanden. Ihr Drängen, Karlstadt solle bei ihnen bleiben, ließ diesen erneut schwanken, und er stellte am 19. April156 neue Forderungen bezüglich seines künftigen Dienstes. Kurz darauf berief die Gemeinde ihn förmlich zu ihrem Pfarrer und begegnete damit Luthers offenbar in dem Gespräch am 4. April geäußerten Vorwurf, Karlstadt verrichte sein Amt ohne Berufung. Geschickt ließ der Orlamünder Rat in dem Schreiben an den Herzog, das ihn über den Schritt informierte, Luthers Schrift an die Leisniger anklingen und bat ihn zu verhindern, daß Stiftskapitel und Universität der Gemeinde ihren Pfarrer wegnähmen.157 Johann verwies sie erneut an das Kapitel, das das Ersuchen um die Freigabe Karlstadts abschlägig beschied. Als sich auch der als letzte Instanz angerufene Kurfürst nicht über
153
Vgl. WA.B 3, 233, 15–28 Nr. 703 vom 14.1.1524. Vgl. a.a.O., 254 Nr. 720 vom 14.3.1524, dort Z. 15–17: »C terum nos nomine vniuersitatis primo eum ad officium verbi, quod hic Vittemberg debet, vocabimus a loco, quo non est vocatus, tandem principi, si non venerit, accusabimus.« Vgl. dazu a.a.O., 255 Anm. 5. Schon im Brief an Brück findet sich die gleichwohl unbetonte und auf die Schriftstellerei bezogene Bemerkung, Karlstadt sei »docere paratus, ubi non vocatur, ubi vero vocatur, semper tacendi pertinax« (a.a.O., 233, 18 f ). 155 Vgl. seinen Brief an Herzog Johann vom 19.4.1524 bei Hase, a.a.O., 94 f. Das Datum der Unterredung geht aus Melanchthons Brief an Spalatin CR 1, 652 (MBW 316) hervor. 156 Vgl. Hase, a.a.O., 95 f. 157 Vgl. das Schreiben vom 3.5.1524 a.a.O., 97: Paulus habe geschrieben, »das eyne iczliche gemeyne eynen pastor und hirtten, die waren reden Gottis dem volck furzulegen, der eynes guthen lebens und vol heiliges geistes ist, zcu erwelen hat. Szo kissen wir gedachten Karlstad, welcher vns, sunst zcuvor durch Gott gegeben, … vns zcu eynem pastor und warhafftigen hirtten.« Karlstadts Einfluß macht sich geltend, insofern hier der Geistbesitz an die Stelle der Gelehrsamkeit in Luthers Schrift tritt. 154
6. Luthers Streit mit Karlstadt: Die Bedeutung der Berufung
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die Entscheidung der Wittenberger hinwegsetzen wollte, erklärte Karlstadt den Verzicht auf das Archidiakonat.158 Die Radikalisierung des Müntzerschen Wirkens in Allstedt bewirkte, daß der Konflikt mit dieser Resignation noch nicht sein Ende fand. Der junge Herzog Johann Friedrich forderte Luther am 27. Juni auf, in Thüringen von Ort zu Ort zu reisen und untaugliche Prediger abzusetzen, um des um sich greifenden Schwärmertums Herr zu werden.159 Der Reformator ermahnte seinerseits im Juli die sächsischen Fürsten zum Eingreifen gegen die aufrührerischen Geister, stellte allerdings klar, daß sie nur dort einschreiten dürften, wo mit Gewalt zu rechnen sei, was er im Falle Müntzer befürchtete.160 Verhängnisvoll sollte sich für Karlstadt auswirken, daß Anfang August der Rektor der Universität, Kaspar Glatz, in einem Schreiben an Spalatin Karlstadt des Aufruhrs bezichtigte und an die Adresse der Fürsten gerichtet die Forderung aussprach, der Theologe müsse aus Orlamünde entfernt werden.161 (3) Luthers Reise nach Thüringen Am 22. August begann Luther mit der Visitation in Jena. Karlstadt suchte ihn nach der Predigt auf, da er sich persönlich angegriffen fühlte.162 Luther 158 Vgl. Hase, a.a.O., 99–103 und Pallas, Verzicht, 70 f. Karlstadt war im übrigen nicht das einzige Mitglied des Stiftskapitels, das in diesen Wochen aufgrund der immer noch bestehenden Meßverpflichtungen resignierte. Die erst im Jahr zuvor gewählten Johann Reuber, Johann Gunkel und Hermann Tulich verzichteten im Juli auf ihre Pfründen und erfuhren die Fürsprachen Luthers und Schurfs. Vgl. WA.B 3, 186 Anm. 2; 273 f Anm. 2; 319–321 Nrr. 758 f. 159 Vgl. WA.B 3, 310, 44–52. Hier begegnet zum ersten Mal der Gedanke einer systematischen Visitation einer kursächsischen Landschaft. Zu Beginn des folgenden Jahres wurde in der Gegend um Eisenach mit Jakob Strauß als Visitator ein erster Versuch gemacht. Vgl. Burkhardt, Geschichte, 3 f. 160 Vgl.WA 15, (199) 210–222 (»Eyn brieff an die Fürsten zu Sachsen von dem auffrurischen geyst«); hier 218, 19–219, 13: »Man lasse sie nur getrost und frisch predigen, was sie konnen, und widder wen sie w llen. Denn, wie ich gesagt habe, Es m ssen secten seyn, und das wort Gottes mus zu felde ligen und kempffen … Wo sie aber w llen mehr thun denn mit dem wort fechten, w llen auch brechen und schlahen mit der faust, da sollen E.F.G. zu greyffen, Es seyen wyr odder sie, und stracks das land verbotten und gesagt: ›Wyr w llen gerne leyden und zusehen, das yhr mit dem wort fechtet, das die rechte lere bewerd werde …‹ … Es ist eyn geystlich streyt, der die hertzen und seele dem teuffel ab gewynnet. Und ist auch also durch Daniel [8, 25] geschrieben, das der Antichrist soll on hand zurst rt werden.« Auffällig ist, wie zuversichtlich Luther hier noch davon ausgeht, die Wahrheit werde sich in einem theologischen Streit ohne Zwangsmaßnahmen durchsetzen. 161 Spalatin fügte die Ausführungen Glatz’ dessen Aufforderung gemäß in seinen Brief an den Kurfürsten ein. Glatz war unter der Bedingung daran interessiert, dort Pfarrer zu werden, »wenn der Hauptsacher der Empörung und Aufruhr nit zu Orlamünde wäre«, fürchtete demnach, daß der Einfluß seines Vorgängers zu stark sei. Vgl. Hase, a.a.O., 110 f. Im September wurde er in dieses Amt gewählt. Vgl. Müller, a.a.O., 230 f. 162 Vgl. WA 15, (323)334–347 (Wes sich Doctor Andreas Bodenstein von Karlstadt mit Doctor Martino Luther beredet zu Jena, und wie sie wider einander zu schreiben sich entschlossen haben. Item die Handlung Doctor Martini Luthers mit dem Rath und Gemeine der Stadt Orlamünd, am Tag Bartholomäi daselbst geschen. [Acta Ienensia]); hier 334, 51–335, 15. Der wahrscheinlich von Karlstadts
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II. Luthers Stellungnahmen in Besetzungskonflikten (1521–24)
bestritt, ihn angegriffen zu haben, und würdigte die in Wittenberg gedruckte Distanzierung der Orlamünder von Müntzer.163 Im Laufe der sich anschließenden Diskussion, in der sich die beiden außer theologischen Irrtümern auch lange zurückliegendes Fehlverhalten vorwarfen, beklagte sich Karlstadt über das Predigtverbot und die Vernichtung seiner Publikationen nach den Wittenberger Unruhen. So sei ihm die Möglichkeit genommen worden, seine Anschauung zu verteidigen.164 Luther griff diesen Faden auf und fragte Karlstadt nach seiner damaligen Berufung. Dieser berief sich wie schon Anfang 1521 auf sein Archidiakonat, fügte jedoch hinzu, neben der Berufung durch Menschen auch eine göttliche Berufung vorweisen zu können. Luther kam daraufhin auf die Frage der Berufung in Orlamünde zu sprechen. Karlstadt verteidigte sich mit der Gegenfrage, ob nicht die Zuhörer in Stifts- und Pfarrkirche einem Volk angehörten165 – sah seine Berufung also in einem universalen Verkündigungsauftrag. Der Verlauf des Gesprächs schien an sich zwar eher dazu angetan, die Auseinandersetzung der beiden zu versachlichen. Tatsächlich überreichte Luther Karlstadt einen Gulden, damit dieser gegen ihn schreiben könne,166 und bekundete Ende des Jahres im Sendschreiben an die Straßburger, jener habe ihn in Jena »schier uber redet«, nichts mit Müntzer zu tun zu haben.167 Schwerer als die Begegnung mit Karlstadt selbst wog Luthers Auseinandersetzung mit den Orlamündern. Der Reformator erhielt noch in Jena einen respektlosen Brief des Rates. Dieser wies die Kritik an Karlstadt zurück. Luthers Kritik sei unchristlich und zeige, daß er kein Glied am Leib Christi sei; man sei aber bereit, ihn brüderlich zurechtzuweisen.168 Da nun Luther – zu Unrecht – Karlstadt der Abfassung des Schreibens verdächtigte, schloß er ihn Anhänger, dem Jenenser Prediger Martin Reinhard, verfaßte Bericht ist nach allgemeiner Ansicht zwar nicht neutral, aber im wesentlichen zuverlässig. 163 Vgl. a.a.O., 335, 35–336, 20. Karlstadt war an dem Offenen Brief beteiligt und hatte selbst bereits vorher Müntzers Bündnisbestrebungen eine freundliche, aber sehr bestimmte Absage erteilt. Vgl. Barge, Karlstadt II, 115 f. 164 Vgl. a.a.O., 337, 30–338, 4. Zu Karlstadts konfiszierter Schrift vgl. Barge, Gemeindechristentum, 207–212. 165 Vgl.WA 15, 338, 2–10: »Luth. Warumb wolt ir predigen, wart ir doch nicht ber ffen, oder wer hieß euch predigen? Karol. Wann wir von der menschen beruffung w llen reden, so weyß ich wol, das mirs von wegen des Archidiaconats was gebüren, w llen wir aber von beruffung gottes reden, do weyß ich auch wol etwas davon z melden. Lut. Wer hieß euch in der pfar predigenn? Karol. So ich doselbst geirret hette, so solt ir mich br derlich z vor drumb gestrafft und nicht haben also uff mich gestochen und geschlagen. Ist es aber nicht ein volckt, das in dem stifft und in der pfar z h ret?« In diesem Zusammenhang kann nicht die Wittenberger, sondern nur die Orlamünder Parochie gemeint sein. 166 Vgl. a.a.O., 339, 31–340, 20. Zur Interpretation dieser Symbolhandlung vgl. Barge, Karlstadt II, Gemeindechristentum, 267 f. 167 Vgl. a.a.O., 395, 22–25 (Ein Brief an die Christen zu Straßburg wider den Schwärmergeist). 168 Vgl. das Schreiben a.a.O., 343 (WA.B Nr. 767).
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von der angesetzten Aussprache mit der Orlamünder Gemeinde aus169 – wohl in der Erwartung, die Orlamünder ohne ihren renitenten Anführer leichter von ihren Irrtümern abbringen zu können. Die Gemeinde erwies sich indes als überraschend schlagfertig und selbstbewußt. Die Einzelheiten des protokollierten Gesprächs sind hier ohne Bedeutung.170 Jedenfalls drang Luther mit seinen Argumenten nicht zur Versammlung durch. Die Wirkung dieses ergebnislosen Streitgespräches kann kaum überschätzt werden. Wochen zuvor hatte Luther noch auf die Macht des Wortes Gottes vertraut, die die Wahrheit im Meinungsstreit ans Licht bringen werde. Bei der Ankunft in Orlamünde hatte er in Karlstadt den Verantwortlichen für den despektierlichen Brief gesehen und den Gemeindegliedern ihre Einfalt zugute gehalten. Er erwartete, die Orlamünder belehren zu können. Was er ihnen vorhielt, war, daß ein wörtliches Verständnis des Alten Testamentes, wie es Karlstadt übte und zur Grundlage seiner Reformen machte, irrig und überdies in seinen Konsequenzen gefährlich sei. Da sich die Gemeinde von Müntzer distanziert hatte und Karlstadt nicht länger an seiner Stelle festhielt, war Luther vom Erfolg seiner Reise überzeugt gewesen. Nun mußte er stattdessen erleben, daß die anwesenden Bürger geschlossen und selbstbewußt hinter den Lehren ihres nunmehr abgesetzten Pfarrers standen. Sie nahmen für sich in Anspruch, die Schrift auslegen zu können und ihren Pfarrer frei wählen zu dürfen. Zu allem Überfluß beriefen sie sich dafür auf Luthers Schrift für die Leisniger.171 (4) Luthers Schrift ›Wider die himmlischen Propheten‹ (Ende 1524) Karlstadt wurde bald nach Abschluß der Visitation – zwar nicht auf Luthers Betreiben, aber auf seinen Bericht hin – aus Sachsen vertrieben.172 In einem längeren Exkurs innerhalb seiner großen gegen Karlstadt gerichteten Schrift 169
Vgl. a.a.O., 342, 26–30; 344, 10–33. Vgl. a.a.O. 344–347. Die Exegese der Orlamünder trieb dabei auch Blüten: Der Schuster gab im Versuch, das Abtun der Bilder biblisch zu begründen, ein Bildwort über die Nacktheit der Braut in der Hochzeitsnacht als Wort Jesu über das Ablegen alles Äußerlichen aus. Vgl. a.a.O., 346, 6–12 und WA 18, 84, 10–30 (Wider die himmlischen Propheten). 171 Vgl. WA 15, 344, 6 f: »wenn Karolstadt unser pfarher nicht ist, so hat Paulus falsch geleert, und ewer b cher m sten auch falsch sein, denn wir haben in erwelt.« 172 Vgl. Brecht, Luther II, 162 f. Am 18.9.1524 fiel die Entscheidung, daß Karlstadt das Kurfürstentum zu verlassen hatte. Luther setzte sich in Unkenntnis darüber und auf Drängen Kaspar Glatz’ am 22.9. dafür ein, Karlstadt nicht nur aus Orlamünde, sondern in Anbetracht seiner Gefährlichkeit ganz aus der Gegend an der Saale zu entfernen. An eine Vertreibung aus Sachsen ist aber auch hier nicht gedacht. Vgl. WA.B 3, 353 Nr. 778 Luther an Johann Friedrich am 22.9.1524. Müller, a.a.O., 175 f Anm. 5 liegt mit seiner Kritik an Albrecht, WA 15, 329 und Barge, Karlstadt II, 138 falsch. Hätte Luther in diesem Brief tatsächlich nur wiederholt, was er einen Monat zuvor mündlich dem jungen Herzog gegenüber zum Ausdruck gebracht hatte, wäre das Schreiben sinnlos. Er schreibt auch nicht, wie Müller behauptet, »alles« schon dem Herzog und dem Kanzler Brück erzählt zu haben, sondern durch welche – noch einmal aufgezählten – Vergehen Karlstadt das von Glatz geforderte ›Abziehen‹ verdient habe. 170
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Wider die himmlischen Propheten rechtfertigte Luther Ende des Jahres das Vorgehen der Fürsten.173 Anders als noch im August war die entscheidende Frage nicht mehr, wie sich sein Gegner zu den Aufruhrplänen Müntzers stellte. Luther sieht nunmehr prinzipiell in einer biblizistischen Auslegung des Alten Testamentes wie bei Karlstadt, ein potentielles ›Mordmesser‹, das sich zunächst gegen Sachen – wie etwa Bilder – richte, schließlich aber auch gegen Menschen wenden werde. Die wahren Absichten Karlstadts sind für Luther belanglos, da ihn der teuflische Geist auch ohne sein Wissen treibe. Dieser Geist ergreife vor allem vom Pöbel Besitz, der, wenn er sich auf das Gebot berufe, die Gottlosen zu ermorden, auch von Karlstadt nicht mehr aufgehalten werden könne.174 Sichtlich unter dem Eindruck des Orlamünder Streitgespräches sieht Luther nun also im rasenden ›Herrn Omnes‹ den treibenden Part. Demgegenüber stellt er Karlstadt als tragische Figur dar, die gewiß nicht unschuldig an ihrer Verstrickung ist, aber die Tragweite der eigenen Lehre nicht überblickt. Die Ursache dafür, daß Karlstadt unter den Einfluß dieses zerstörerischen Geistes geraten ist, liegt in Luthers Augen in der Flucht aus dem Dienst, in den Gott ihn in Wittenberg gestellt hatte, und in der Usurpation der Orlamünder Pfarrstelle. Der Teufel ergreift dort von den Menschen Besitz, wo sie sich aus den Ordnungen entfernen, in die sie Gott durch Menschen gestellt hat. Gegen Karlstadts Anspruch, er sei innerlich berufen,175 wiederholt Luther das Kriterium aus dem Brief an Melanchthon von der Wartburg: »Gott bricht seyne allte ordenunge nicht mit eyner newen, er thu denn grosse zeichen da bey«.176 Über das damalige Schreiben geht er allerdings nun hinaus. Die Berufung durch Menschen ist nicht nur ein Kennzeichen der göttlichen Beauftragung, sondern der Amtsträger kann aus dieser herausfallen, wenn er die Grenzen des Auftrags überschreitet. Auch das Schriftverständnis Karlstadts macht Luther für die Orlamünder Verirrungen und das Ergehen seines Gegners verantwortlich. Beide – die Überschreitung des Auftrags und die verfehlte Hermeneutik – werden zwar von Luther nicht logisch verbunden, haben aber einen gemeinsamen Fluchtpunkt: Es geht um die eschatologische Entscheidung zwischen Gott und dem Teufel. Schon seine Kritik an Müntzer im Fürstenbrief vom Sommer 1524 hatte Luther gleichsam übergeschichtlich damit begonnen, die Strategie des Teufels nachzuzeichnen. Dieser bekämpft das Aufgehen des Wortes Gottes immer zunächst mit der Faust und anschließend durch falsche Zungen. So wie der Widersacher die Urchristenheit zunächst durch Ver173 Vgl. WA 18, 84, 1–101, 10 (Auff die klage D. Carlstads, das er aus dem Land zu Sachssen vertrieben ist). 174 Vgl. a.a.O., 87, 21–88, 30. 175 Vgl. v.a. Karlstadt,Vrsachen, B4v. 176 WA 18, 97, 1 f.
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folgungen, dann durch Ketzer schlug, hat er das neuerliche Hervorbrechen des Evangeliums zuerst durch den Papst zu verhindern gesucht und bedient sich nun falscher Propheten.177 Bei diesem Kampf gegen das Evangelium kann der Teufel die Menschen auch ohne ihr Wissen als Werkzeuge gebrauchen.
Luther bemüht sich sodann um den Nachweis, daß Karlstadt in Orlamünde nicht ordentlich berufen sei. Die Begründungen, die er dafür anführt, sind vor dem Hintergrund seiner eigenen früheren Schriften und der historisch greifbaren Daten allerdings zweifelhaft. Weder das Argument, Karlstadt habe den ordentlich berufenen Konrad Glitzsch aus seiner Gemeinde vertrieben,178 noch jenes, Karlstadt sei erst nachträglich und damit ungültig von den Orlamündern berufen worden,179 und schließlich auch nicht die Behauptung, die Orlamünder hätten ihren Pfarrer »auff eyns andern solt [gewählt], weyl es dem fursten und seyner ordnung zu stund«,180 vermögen zu überzeugen. Was Luther den Orlamündern verweigerte, hatte er selbst noch vor kurzem für evangelische Gemeinden eingefordert. Die Schrift Wider die himmlischen Propheten markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Wittenberger Reformation. Die Positionen, die Luther hier im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Amt und Gemeinde einnimmt, werden sein Denken von nun an bestimmen.Was auf den ersten Blick wie eine Überreaktion aufgrund seines Mißerfolges in Orlamünde aussieht, gründet tiefer. Luthers früheres Eintreten für das Berufungsrecht der Gemeinde war von dem Vertrauen geleitet, daß die Predigt des wirkmächtigen Wortes Gemeinde schaffe. Wo immer das Evangelium erklang, mußten sich notwendig Christen befinden, die wiederum durch die Berufung auf das Wort Gottes von der Wahrheit zu überzeugen waren. So hatte Luther selbst es bei seiner Rückkehr von der Wartburg in Wittenberg erlebt. Doch diese Überzeugung wurde durch die Geschehnisse in Thüringen nachhaltig erschüttert. Auch wenn Luther wei177
Vgl. WA 15, 210, 8–211, 14. Vgl. WA 18, 94, 28; 95, 24 f; 96, 16–20. Es ist kaum denkbar, daß Luther im Verlauf der Auseinandersetzung nicht von der kurfürstlich abgesegneten Vereinbarung zwischen Karlstadt und Glitzsch erfahren haben sollte. 179 Vgl. a.a.O., 97, 6–16. Luther selbst hatte jedoch vermutlich im Jahr zuvor den Leisnigern geraten, ihre bereits amtierenden evangelischen Amtsträger durch eine nachgeholte Berufung im Amt zu bestätigen. Vgl. o. S. 52 Anm. 65. 180 Vgl.WA 18, 97, 17 f. Bei der Pfarre handelte es sich aber nicht um ein kurfürstliches Lehen, sondern diese war durch die Inkorporation in das Allerheiligenstift nur mittelbar dem Kurfürsten unterstellt. Vgl. zur Geschichte des Allerheiligenstiftes Junghans, Luther und Wittenberg, 14–16. Außerdem besteht in der Sache nur ein geringer Unterschied zwischen der Situation der Orlamünder und derjenigen der Altenburger 1522. Während in Altenburg eine zweckgebundene Stiftung weiterhin für eine Prädikatur verwendet werden, die halbjährliche Rate allerdings nicht mehr an den bisherigen Patronatsherren, sondern in einen einzurichtenden Gemeinen Kasten fließen sollte, beanspruchten die Orlamünder ein Mitspracherecht bei der Frage, wer aus der Pfründe des Stiftskapitels angestellt werden sollte, für die auch sie etwa durch den Getreidezehnt (vgl. Joestel, Ostthüringen, 66) oder Stolgebühren aufzukommen hatten. 178
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terhin davon überzeugt ist, daß das Wort nie leer zurückkehre (Jes 55, 11),181 wagt er daraus keine derart unmittelbaren ekklesiologischen Konsequenzen mehr zu ziehen wie zuvor. Er relativiert nicht seine Vorstellungen über das Priestertum des einzelnen Christen, doch die zentralen Aussagen der beiden Schriften von 1523 wiederholt er nicht mehr. Eindrücklich zeigt sich dies in Luthers Festpostille von 1527. Zur mittelbaren Berufung durch Menschen schreibt er, dies sei, »als wenn man einen aus dem hauffen erwelet z eim Bischoff oder prediger, z dem man sich versihet, er habe das wort Gottes unnd k nde es andern auch durch sein lere unnd predigt mittaylen. Da sehe man yhe fleissig darauff das alda nicht auch ein schalcks auge sey, das mann sie yrgentt selbs eindringe z predigen.«182 Der Gedanke der Wahl aus der Mitte der Gemeinde ist aus den früheren Schriften übernommen, doch erstens fehlt die Angabe, durch wen die Berufung erfolgen soll, zweitens der Hinweis, das alle im Haufen prinzipiell über die gleichen Rechte verfügen. Stattdessen ergeht nun die eindringliche Mahnung, kein »schalcks auge« zu berufen. Dieser Hilfe hätte die Gemeinde in der früheren Sicht Luthers nicht bedurft. Luther distanzierte sich wenige Monate nach seiner Schrift gegen Karlstadt folgerichtig von den Zwölf Artikeln der Memminger Bauern, obwohl er in ihrem ersten Artikel bis in die Wortwahl seine Gedanken wiederfinden konnte. Der Artikel reklamierte für die Gemeinde das Recht, Pfarrer zu wählen oder sie abzusetzen, wenn sie sich ungebührlich verhielten. Die Bauern verlangten von den Pfarrern, das Evangelium klar und ohne menschliche Zusätze zu predigen.183 Luther stimmt in der Ermahnung zum Frieden184 diesem Artikel als einzigem zu, schränkt ihn allerdings stark ein. Die Gemeinde müsse ihren weltlichen Herrn um die Bestätigung ihres gewählten Kandidaten bitten. Lehne er ihn ab und sei auch nicht dadurch zur Zustimmung zu bewegen, daß die Gemeinde selbst für den Unterhalt ihres Pfarrers aufkomme, bleibe der Gemeinde nur, zusammen mit diesem das Land zu verlassen.185 Das von den Bauern in der Vorrede geforderte Recht auf das Evangelium bestätigt Luther zwar, weist die daraus gezogenen Konsequenzen im Hinblick auf die freie Pfarrerwahl allerdings mit dem Hinweis zurück, das Evangelium als eine öffentliche Lehre könne prinzipiell nicht unterdrückt werden – also auch nicht durch die Verweigerung eines Pfarramtskandidaten – und sei an keinen Ort gebunden.186 Unter dem Eindruck des Bauernkrieges bewegt sich Luther in der Richtung fort, die er im Vorjahr eingeschlagen hat.
Ausschlaggebend war für Luthers Umdenken neben den traumatischen Erfahrungen, die die Reise nach Thüringen und der Bauernkrieg für ihn bedeuteten, auch ein Perspektivwechsel im Hinblick auf den Fortgang der Reformation. Hatte der Reformator die Ausrichtung am ›Evangelium‹ bisher als rein inhaltliches Kriterium gefaßt, das im gemeinsamen Hören und im Ringen um dessen Verständnis zum Durchbruch kam, kann der Begriff von nun an auch die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zur reformatori181 182 183 184 185 186
Vgl. z.B. WA 50, 629, 28–630, 20 (Von den Konziliis und Kirchen, 1539). WA 17 II, 255, 7–13. Vgl. Laube/Seiffert, Flugschriften, 26–31; bes. 27. Vgl. WA 18, 291–334. Vgl. a.a.O., 325, 20–33 und a.a.O., 298, 30–34 an die Fürsten. Vgl. a.a.O., 322, 23–323, 20.
7. Fazit: Die doppelte Bedeutung der Berufung
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schen Bewegung bezeichnen. So diente Karlstadts Verhalten in Luthers Augen schon deshalb nicht dem Evangelium, weil er sich mit Glitzsch und Friedrich dem Weisen gegen Personen wandte, die auf der Seite des Evangeliums standen.187 Damit drohte Luther die bisher vor allem inhaltlich gefaßte Bestimmung des kirchlichen Amtes, zu der konstitutiv das Lehrbeurteilungsrecht der Gemeinde gehört hatte, preiszugeben.
7. Fazit: Die doppelte Bedeutung der Berufung In den Jahren 1522/23 zog Luther die praktischen Konsequenzen aus seinen früheren amtstheologischen Aussagen. Seine Überzeugung, daß alle Christen berechtigt und bevollmächtigt seien, ins kirchliche Amt zu berufen und berufen zu werden, resultierte in konkreten Ratschlägen für evangelisch gesinnte Gemeinden. Auch ein erster evangelischer Ordinationsritus nahm Gestalt an. Luthers Auseinandersetzung mit den Ansichten der Zwickauer Propheten, Karlstadts und Müntzers führte ihn zu einer restriktiveren Haltung in bezug auf das Berufungsrecht der Gemeinde. Wie sich zeigen wird, sollte in den Folgejahren die Rolle des Landesherrn als des Vertreters der Gemeinde bei der Besetzung des kirchlichen Amtes immer stärker werden. Vor dem Hintergrund eines jahrhundertelangen landesherrlichen Kirchenregimentes und der jahrzehntelangen Erfahrung demokratischer Strukturen innerhalb der Kirche ist Luthers frühes Insistieren auf die Fähigkeit der Gemeinde zur Beurteilung der Predigt und des Amtsträgers ungleich ansprechender als seine spätere Sicht.188 Realistisch war die Erwartung, daß die Gemeinde sich wesentlich selbst steuern könne, aber kaum; das sollten spätestens die Visitationen zeigen. Zu bedenken ist bei alledem, daß Luthers frühe wie seine späte Sicht jeweils auf eigenen Erfahrungen fußte. Auch der Optimismus bezüglich der Wirkmacht des Evangelium in der Schrift an die Leisniger Gemeinde war kein theoretisches Konzept: Nach der Rückkehr von der Wartburg hatte er erlebt, wie allein seine Predigt des Evangeliums das Volk überzeugt hatte. Den Standpunkten, die Luther in den Konflikten um Pfarr- und Predigtstellen einnahm, entsprechen strukturell die beiden theologischen Begrün187 Vgl. WA 18, 96, 4 f: »Er kan hie nicht furwenden, Er habe zu Wittemberg nicht k nnen seyn ketzerey halben, Denn es ist Gott lob, das Euangelion daselbst reyn und feyn …«; a.a.O., 96, 15–18: »Er mag auch nicht sagen, das er aus barmhertzickeyt gen Orlam nde gezogen sey die yrrigen schaff zu leren, Denn die selbige pfarr, war mit eym Christlichen pfarrer, nemlich M. Conradus, durch die Universitet versorget, der das Euangelion recht kund und leret …«; a.a.O., 97, 19 f: »So ist der furst nicht unchristen, wie auch die Universitet, der sie mit gottlosen pfarrer uberl de …«. 188 Vgl. exemplarisch dafür Haendler, Amt, passim.
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dungen, die er für die Notwendigkeit einer Berufung durch Menschen anführte. Zum einen macht er dafür geltend, daß es um der Ordnung willen einer Berufung bedürfe, da alle Christen zur Ausübung des kirchlichen Amtes berechtigt seien. Daraus folgerte er das Berufungsrecht der Gemeinde. Zum anderen führt er für die Notwendigkeit der Berufung ein heilsgeschichtliches Argument an: Gott hat schon immer durch andere Menschen zur Verkündigung berufen; wer ohne eine solche Berufung wirkt, überschreitet seinen Auftrag und hat deshalb nicht das Vertrauen der Gemeinde verdient. In beiden Fällen war dabei die Berufung auf den Dienst in einer bestimmten, umgrenzten Parochie bezogen. Beide Begründungen standen für Luther keineswegs im Widerspruch zueinander. Bereits auf der Wartburg – noch vor seiner Intervention für die Gemeinden in Altenburg und Leisnig – formulierte er gegen den Anspruch der Zwickauer Propheten erstmals auch das heilsgeschichtliche Argument. Andererseits rückte Luther auch später trotz allen kritischen Äußerungen über die Kompetenz der Gemeinde nicht von der Überzeugung ab, daß das Recht zur Berufung kirchlicher Amtsträger auf dem allgemeinen Priestertum beruhe.
III. Wittenbergs Rolle bei der Besetzung von kirchlichen Ämtern bis zur Einführung der Zentralordination Die fortschreitende Ausbreitung der Reformation in Verbindung mit der Wirkung der Person Luthers führt dazu, daß Wittenberg die zentrale Rolle bei der Besetzung kirchlicher Stellen in Kursachsen und darüber hinaus zufällt. Die Reformatoren vermitteln nicht nur Kandidaten auf Stellen, sondern wirken häufig auch direkt auf Entscheidungen ein. Bei den sich daran anschließenden Einsetzungen wendet Luther seit 1525 wiederholt einen Ordinationsritus an, der in etwa demjenigen entspricht, den er 1523 den Böhmen empfohlen hat. Überraschenderweise spielt die evangelische Ordination in den Briefen der Reformatoren, die sich mit Besetzungsangelegenheiten beschäftigen, so gut wie keine Rolle. Sie ist keine notwendige Voraussetzung für die Ausübung des kirchlichen Amtes. Auch die Frage, ob die betreffenden Kandidaten im Besitz der Priesterweihe waren, ist ohne theologische Bedeutung. Unabdingbare Voraussetzungen sind lediglich ihr christlicher Lebenswandel sowie ihre fachliche Tauglichkeit, deren wichtigstes Element die evangelische Lehre ist. Daß letzteres bereits vor 1535 durch ein in Wittenberg abzulegendes Zentralexamen gewährleistet wird, ist unwahrscheinlich.
1. Luthers frühe Ordinationen a. Die Diskussion über eine evangelische Ordination 1524/25 (1) Luthers Äußerungen von 1524 Die Überlegungen, die Luther in der Schrift De instituendis ministris ecclesiae im Herbst 1523 über die Gestaltung einer evangelischen Ordination angestellt hatte, zielten in erster Linie darauf, den Böhmen einen gangbaren Ausweg aus ihrer verfahrenen Situation aufzuzeigen. Gleichwohl ging ihm der Gedanke, kirchliche Amtsträger nach apostolischem Vorbild mit Gebet und Handauflegung einzusetzen, nicht mehr aus dem Sinn. Das zeigen zwei Quellen aus dem Jahr 1524, von denen die erste nur wenige Monate jünger als die Schrift an die Böhmen ist. In einer ungedruckten Reihenpredigt vom 23. Mai 1524 legt Luther Act 13, 3 aus. Die dort beschriebene Sitte, Presbyter einzusetzen, habe als Bestätigung dafür fungiert, daß die Betreffenden vom Heiligen Geist berufen waren. Die gegenwärtigen Bischöfe ahmten diesen Ritus nur schlecht nach. Es müßten jedoch wieder Priester so eingesetzt werden, daß ihnen die Gemeinde unter Gebet das Predigtamt befehle.1 Das geistlose Handeln der 1
Vgl. WA 17 I, 511, 3–7: »›Tunc ieiunabant‹ etc. Hic fuit mos formandi presbyteros etc. Non
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Bischöfe sollte demnach über kurz oder lang durch eine evangelische Einsetzung von Amtsträgern abgelöst werden. Die zugrunde liegende Bibelstelle zeigt, daß Luther hier offenbar einen Ritus nach dem apostolischen Vorbild vor Augen hat.2 Die Handauflegung ist dabei als menschliche Bestätigung der Berufung durch den Heiligen Geist verstanden, ist also wie in der Schrift an die Prager von der Fürbitte zu unterscheiden. Ausführlicher äußerte sich der Reformator am 16. Oktober in einem Nachwort3 zu einer Predigt. Die Bischöfe weigerten sich, jemanden zu weihen, der nicht das Evangelium verleugne. Deshalb müsse man mit der Zeit selbst Prediger ordinieren (praedicatores ordinare). Im Hinblick darauf schärft Luther seinen Hörern ein, daß jeder, der Christi Wort habe, auch dessen Bruder und darum ein Priester mit aller Vollmacht an Wort und Sakrament sei. Deshalb muß auch die Ordination anders verstanden werden als bei jenen Bischöfen: »Ordinare non est consecrare«. Die Ordination ist vielmehr die Beauftragung eines frommen Menschen mit dem Dienst der Verkündigung in Wort und Sakrament. Durch den Konsens der Gemeinde kommt die Ordination zustande.Während das Priestertum der Christen ewig sei, könne die Ordination jederzeit widerrufen werden. Obwohl der Abschnitt auf Bekanntem aufbaut, hatte Luther offenbar das Gefühl, daß er über das Thema noch nicht alles gesagt hatte, denn er will eine ausführliche Behandlung folgen lassen.4 Dazu ist es anscheinend nicht gekommen. vocant eum, sed s piritum s anctum, sed confirmant vocationem hanc. Hoc imitantur nostri Episcopi, sed male, sed iterum institui debent sacerdotes, ut coram ecclesia pro eis oraretur eisque commendaretur verbum dei praedicandum.« Die Auflösung des Kürzels ist nach Act 13, 2 in »s piritus s anctus« zu korrigieren. Vgl. Drews,WA 38, 402 Anm. 1. Mit dem male imitari könnte die vom apostolischen Vorbild abweichende Form der Priesterweihe gemeint sein. Möglich ist aber auch, daß die Betonung darauf liegt, daß das Handeln des Heiligen Geistes bestätigt werden soll, und Luther dessen Gegenwart im Weihesakrament bestreitet. 2 Das »confirmare vocationem« wird von einer späteren Hand supralinear durch »per preces, manus impositionem« erklärt. Auch wenn dabei schon die Erfahrungen der folgenden Jahre eingeflossen sein könnten, dürfte die Glosse den Sinn der Bemerkung Luthers treffen. 3 Luther leitet zu diesen Ausführungen über mit der Bemerkung »Hactenus de Euangelio« (WA 15, 720, 4). 4 Vgl. a.a.O., 720, 4–721, 18: »Episcopi neminem ungunt nisi qui velint abnegare Euangelium. Debemus tamen cum tempore praedicatores ordinare, quare velim vos certos esse, quod quisque Christianus sit Christi frater, si verbum eius habet. … Si ergo fratres sumus, Christus est sacerdos, ideo dixi hoc nomen debere tam commune esse ut Christiani, quia si dico te Christianum, statim dico et sacerdotem, qui potest dare sacramentum, interpellare coram deo, et iudicare de doctrina. Si sumus [sc. sacerdotes], habemus potestatem loqui dei verbum, baptizare, ut mulieres eciam faciunt, quod est officium sacerdotis, quid maius potest facere mulier? … Si ergo omnes habemus verbum, possumus et praedicare. Nos praedicabimus et ungemus aliter quam illi Episcopi. Sed nos qui iam habemus ministeria, commendabimus in nostrum ministerium. Ordinare non est consecrare. Si ergo scimus pium hominem, extrahimus eum et damus in virtute verbi quod habemus, auctoritatem praedicandi verbum et dandi sacramenta. Hoc est ordinare. … Si ergo concordes fimus, ut ille ordinetur vel alius ad officium, certo est ordinatus. Sed hoc impugnabitur, quia novum est. … Item debent [sc. ordinati] ministerium suum agere, sed non perpetuo: possumus ei
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Mit der Formulierung praedicatores ordinare kann kaum etwas anderes gemeint sein als das, was er auch schon einige Monate zuvor in der Predigt zu Act 13, 3 angedeutet hatte: die Einführung eines öffentlichen Ordinationsritus nach apostolischem Vorbild mit Gebet und Handauflegung. Dafür spricht schon die zeitliche Nähe zur besprochenen Predigtstelle einerseits und zu zwei im Anschluß zu behandelnden, etwas jüngeren Äußerungen Bugenhagens andererseits. Dennoch hat Georg Rietschel unter Berufung auf Luthers Formulierung ordinare non est consecrare die These aufgestellt, der Reformator habe mit ›Ordination‹ vor 1535 niemals einen Ritus, sondern immer das ganze Berufungsverfahren bezeichnet, das Handauflegung und Gebet enthalten könne, aber nicht müsse.5 In der Tat stellt Luther an dieser Stelle die commendatio auctoritatis als das Wesen der Ordination dar und sagt explizit nichts über ihre Form. Dennoch spricht alles dafür, daß Luther hier einen Ordinationsritus meint. Denn die Tatsache, daß er im Futur redet (debemus … cum tempore), kann nur bedeuten, daß Luther seiner Gemeinde etwas Neues darlegen will. Darum kann er nicht nur das im allgemeinen Priestertum begründete Recht im Sinn haben, Amtsträger auch unter Mißachtung der kirchlichen Hierarchie zu berufen. Es kann also kaum etwas anderes als der Ordinationsritus gemeint sein. Die Schlußbemerkung Luthers, daß zum Thema noch nicht alles gesagt sei, dürfte sich eben darauf beziehen, daß er zum Eigentlichen noch nicht vorgedrungen war. Offenbar war ihm die Abgrenzung gegenüber der Priesterweihe so wichtig, daß es zur Präsentation des neuen Ritus eines längeren Anlaufs bedurfte. Um Mißverständnisse zu vermeiden, legt Luther erneut seine Gedanken zum Verhältnis zu Amt und allgemeinem Priestertum dar, wie er sie bereits früher in seinen Schriften des Vorjahres und überdies in Wittenberger Predigten vorgetragen hatte. Diese Gedanken gipfeln in der strikten Unterscheidung der Ordination von einer Weihehandlung (ordinare non est consecrare). Um den Unterschied zur Weihe herauszustellen, betont Luther, daß die evangelische Ordination von der Gemeinde rückgängig gemacht werden könne.6 Neben der Beauftragung durch die Gemeinde nennt Luther erstmals einen zweiten Aspekt der Ordination. »[N]os qui iam habemus ministeria,
hodie commendare, cras iterum adimere. Perpetuum est sacerdotium, quod a Christo accepimus. Illud est ministerium. Hoc est tandem praefatio, oportet pluribus verbis hoc agamus.« 5 Vgl. Rietschel, Luther, 55 f. Diese These wird zwar bei Rietschel/Graff, Liturgik II, 848 dahingehend modifiziert, daß »hier und da«, nämlich bei Rörer und Bugenhagen, auch die gottesdienstliche Handlung gemeint sei, in bezug auf Luther aber aufrechterhalten. 6 In dieser Deutlichkeit hat Luther das nicht wieder ausgesprochen. Der Grund dafür ist nicht eine veränderte Auffassung von der Gültigkeitsdauer der Ordination – diese entsteht erst Mitte der dreißiger Jahre –, sondern dürfte darin liegen, daß die Absetzbarkeit kirchlicher Amtsträger in den Hintergrund gerückt wurde.
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commendabimus in nostrum ministerium.«7 Dieser Aspekt wird von nun an eine Konstante im Verständnis der Ordination bei den Wittenberger Reformatoren sein. Die Aufgabe der bereits im Amt Befindlichen besteht offenbar darin, der Gemeinde den Kandidaten zu empfehlen, also seine Tauglichkeit zu bestätigen. Dazu sind sie durch ihre Kompetenz prädestiniert. In der Predigt vom Oktober 1524 spricht Luther erstmals davon, daß mit dem Empfang der Weihe die Absage an die evangelische Lehre verbunden war. Ob ein konkreter Fall hinter dieser Aussage steht und seit wann Luther von einer solchen Haltung der Bischöfe weiß, läßt sich nicht sagen. Damit werden jedenfalls die Bischöfe dafür verantwortlich gemacht, daß die jungen evangelischen Amtsträger keine Weihe empfangen und die evangelische Seite ihren eigenen Ritus schaffen wird. Hierin liegt allerdings ein Problem. Seit 1520 hatte Luther die Weihe kritisiert und mehr oder minder deutlich von ihrem Empfang abgeraten. Inwiefern dann die Tatsache, daß evangelischen Priesteramtskandidaten die Weihe nicht mehr erteilt wurde, in den Augen Luthers eine Veränderung darstellen konnte, wird uns noch in einem anderen Zusammenhang beschäftigen.
(2) Bugenhagens Äußerungen von 1524/25 Aus derselben Zeit existieren auch aus der Feder Johannes Bugenhagens Äußerungen zu dem ansonsten in Wittenberg kaum berührten Thema der Handauflegung bei der Ordination.8 Der Pommer läßt sich dabei weitgehend von den amtstheologischen Schriften Luthers leiten, nimmt jedoch dessen jüngste Überlegungen zur Einführung einer eigenen Ordination nicht auf. Es gibt Anzeichen dafür, daß diese Frage über Monate hinweg zwischen den Reformatoren erörtert wurde, ohne daß es zu einer Entscheidung kam. Ein erster Anlaß, sich zu diesem Thema zu äußern, ergab sich für den Pommer innerhalb seiner Annotationes zu den Paulusbriefen.9 Der Abschnitt über die Eignungskriterien für Bischöfe und Diakone in 1. Tim 3, 1–13 zeigt, wie seine Sicht vom kirchlichen Amt durch Luther bestimmt ist. Bugenhagen stellt fest, die Amtsträger seien im Urchristentum entweder durch das Volk oder zumindest mit dessen Zustimmung gewählt worden. Das Amt sei also nicht als eine dauerhafte Würde aufzufassen, wie mit der Rede vom character indelebilis erdichtet werde.10 Vorausgesetzt ist dabei offenbar ein Argument, mit 7 Der Gedanke ist indes nicht völlig neu: Schon in der Schrift an die Böhmen hatte Luther für die Zukunft auch die Beteiligung Ordinierter an der Ordination ins Auge gefaßt, allerdings ohne dafür einen Grund zu nennen. 8 Vgl. zum Folgenden v.a. Kretschmar, Ordination, passim. 9 Bugenhagens Annotationes in decem epistolas Pauli waren aus Vorlesungsnachschriften von 1524 hervorgegangen und fanden weite Verbreitung. VD 16 listet neun lateinische und vier deutsche Drucke aus den Jahren 1524 und 1525 auf. 10 Vgl. a.a.O., 81r: »Episcopos esse uerbi dei prædicatores ad hoc electos, & diaconos esse sanctorum ministros, & pauperum prouisores, admonui in principio epistulæ ad Philippen. hi eligebantur in ciuitate à populo, uel ab episcopo, id est apostolo alio siue praedicatore, qui illic popul docuerat, & manere ibi non potuit consentiente tum & uolente eos populo. Eligebantur autem ex ciuibus probatißimis, q(ui)bus erat uxor, filij, familia, domus curæ &c. Sicut nunc
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dessen Hilfe Luther die Gemeindewahl sogar in den Pastoralbriefen nachzuweisen suchte: Die Forderung nach der Untadeligkeit und Ehrbarkeit der Kandidaten setze die Anhörung des Volkes voraus.11 Auf die Wahl geht Bugenhagen im Zusammenhang von Kap. 4, 14 näher ein.12 Es handelt sich dabei um die Mahnung an Timotheus, achtzuhaben auf die Gabe, die ihm gegeben sei. Bugenhagen entnimmt dieser Stelle prophetia und vocatio, die zur Zeit der Apostel mit dem Zeichen der Handauflegung geschehen sei, als die notwendigen Voraussetzungen für das Amt. Unter der Prophetie versteht er die Eignung des Kandidaten zur Verkündigung.13 Den Sinn der Handauflegung erhellt der Pommer durch die Kombination der Stelle mit Act 6, 6. Nicht die Amtsträger, sondern die Ältesten der Gemeinde, das Presbyterium aus 1. Tim 4, 14 also, hätten die Handauflegung bei der Wahl der sieben Diakone vollzogen und so den Aposteln angezeigt, auf wen ihre Wahl gefallen sei. Bugenhagen geht es offenbar darum, die Handauflegung aus der exklusiven Verbindung mit der Ordination zu lösen. Dazu zieht er weitere Schriftstellen heran. Der Brauch kam in biblischer Zeit überall dort zur Ausübung, wo etwas consules eliguntur, ut hic uides. Vnde episcopatus & diaconatus officia erant, non perpetuæ dignitates, ut nunc fabulantur de charactere indelebili.« 11 Vgl. o. S. 55. 12 Vgl. Bugenhagen, a.a.O., 86v: »Vult non esse neglectorem officij pastoralis, quod hic donum uocat, ad quod donum duo requiruntur, prophetia & uocatio. Sine his duobus nemo praesumat esse pastor uel episcopus. Prophetia est donum, ut poßis potenter docere quae fidei sunt, quam si habueris, expecta donec uoceris uel a deo uel ab hominibus, sicut omnes prophetae & apostoli uocati sunt. Vocatio tempore apostolorum fiebat per impositionem manuum super caput uocati, quo ceu signo agnoscebatur ille uocatus & susceptus. Sic non apostoli (ut non sibi hoc arrogent nostri apostoli) sed discipuli alij ab apostolis congregati elig t septem Diaconos, & orantes impon t eis manus in c spectu apostolorum, hoc signo ostendentes apostolis, & reliquæ multitudini, quod tales uolebant & eligerunt ministros, & Paulus imposuerat manus Timotheo docto sacris literis à puero, & erudito in fide, sicut dicit epistula secunda cap. 1. sed n solum imposuerat, ut hic uides. [87r] Nam quod hic translat est autoritate sacerdotij, n est in graeco, sed [sic] etc. id est, cum impositione manuum presbyterij, quasi dicas latine senatus, id est seniorum. Vide consensu aliorum Timothe electum, ita & intellige quod infra dicitur, manus cito nemini imponas, & quod Tito scribitur, ut constituas per ciuitates presbyteros etc. Impositio manu fuit Hebræis familiaris, ubi aliquid comm dabatur deo. Sic Iacob imponit manus duobus filijs Ioseph, Gen 48. Sic manus super caput hostiæ immolandæ ponitur Leuitici 1. Sic Christus imponit manus super paruulos, & de credentibus dicit: Super ægros manus imponent, & bene habebunt. Hoc quia extern signum est, uel omitti potest, uel aliter fieri; quia institutum non est aut mandatum. Electionis tantum signum erat. Quæ instituta sunt, ut quod oportet episop [sic] esse sine crimine, aptum ad docendum &c. hodie et negligimus, & contemnimus & uana signa magnifacimus, uana dico, ubi res n adest. Et insuper signis externis omnia complemus, & fingimus talia, quæ Christus & apostoli Christi non nouer t.« Bei der kritisierten Übersetzung (autoritate sacerdotii) handelt es sich nicht um die Vulgata (cum inpositione manuum presbyterii). Es dürfte sich um die Paraphrase des Erasmus handeln. Vgl. Kretschmar, a.a.O., 206. 13 Bugenhagen interpretiert also im Gegensatz zur Vulgata und zu Luthers Übersetzung als Akk. Plur. und nicht als Gen. Sing.
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Gott befohlen wurde.14 Er ist also nur ein äußerliches Zeichen, das nicht – wie ein Sakrament von Christus – eingesetzt oder geboten ist. Im Zusammenhang der Priesterweihe ist das Zeichen (signum) zudem völlig sinnlos geworden, da es seines bezeichneten Inhaltes (res), der Berufung, entleert sei, wie Bugenhagen in der Terminologie der augustinischen Zeichentheorie feststellt. Die in der Exegese der Pastoralbriefe zu Tage tretende Tendenz, den Ritus in seiner Bedeutung zu relativieren, zeigt sich auch in einer kurzen Bemerkung in Bugenhagens Annotationes zum Buch Deuteronomium vom selben Jahr. Zu Dt 34, 9 bemerkt er, daß auch Christus den Aposteln nicht die Hände aufgelegt habe, und wiederholt seine Deutung des Ritus als eines externum signum. Die dort berichtete Geistwirkung liege nicht in der Handauflegung des Mose, sondern in der göttlichen Erwählung Josuas, die durch den Ritus lediglich bestätigt worden sei.15 In beiden Stellen treten zwei Aspekte hervor. Mit Luther hält er fest, daß der Gebrauch des biblischen Ritus für die Kirche nicht verpflichtend sei, da sich aus der apostolischen Praxis keine verbindlichen Ordnungen ableiten ließen. Und wie sein Kollege sieht er in der Handauflegung der Urkirche nicht mehr einen Akt der Geistmitteilung, sondern sie kennzeichnet lediglich die Person, die berufen wurde. Ob hinter den gerade behandelten Äußerungen eine Diskussion über die Einführung einer evangelischen Ordination steht, ist schwer zu sagen, da Bugenhagen das Thema durch die auszulegenden Bibelstellen vorgegeben war. Mit der dritten Äußerung aus dieser Zeit verhält es sich anders. Es handelt sich dabei um die Predigt vom 23. April 1525 (Quasimodogeniti) über die Thomas-Perikope.16 Bugenhagen geht auf die Geistverleihung an die Jünger durch das Anblasen ein. Sie habe einzig und allein den Glauben an den auferstandenen Christus, nicht aber die Fähigkeit, Wunder zu tun, oder eine besondere Amtsvollmacht im Sinne des Schlüsselamtes bewirkt. Der so wirksame Geist sei auch nicht an diesen Vorgang gebunden, wie sich an dem abwesenden Thomas zeige, dessen geistgewirktes Bekenntnis »deus meus« ohne ein Anblasen zustande gekommen sei. Recht unvermittelt bezieht Bugenhagen diese Freiheit des Geistes dann auf die Handauflegung. Mehrfach werde in 14 Auch hierin lehnt sich der Pommer an Luther an. Vgl. o. S. 34. Originär ist, daß er in diesen Überblick auch die alttestamentliche Handaufstemmung auf das Opfertier einbezieht, und so neben der Berufung in der Handauflegung auch ausgedrückt findet, daß das Objekt Gott befohlen werde. Vgl. Kretschmar, a.a.O., 206. 15 Vgl. Bugenhagen, Annotationes ab ipso iam emissæ, 178: »Non hoc efficiunt impositiones manu nostror episcopor , quia deus elegerat Iosue, et mandauerat Moisi ut sufficeretur dux populi. Impositio tam manu servata est ab apostolis n ut necessaria res, alioqui cur eti Christus n imposuit apostolis manum? sed ad hoc externo signo cor ecclesia, id est, populo in civitate, cui praedicaturus erat cui imponebantur manus, declararetur hunc esse dign et spiritu doctum verbi ministrum. Praedicatoribus imponeb t manus, n missarijs. Sed haec aliâs in Paulo.« 16 Buchwald, Predigten, 212–218 (Nr. 50).
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der Apostelgeschichte durch sie der Geist verliehen, aber in Act 10, 44 zeige sich, daß er nicht an den Ritus gebunden sei. Die Handauflegung, von der in den Pastoralbriefen berichtet werde, habe keine Bedeutung in bezug auf Gott gehabt, sondern lediglich den gewählten Amtsträger vor der versammelten Gemeinde bezeichnet. Er, Bugenhagen, könnte sie auch vornehmen, wolle dies aber nicht, weil daraus Schwärmerei entstehen würde; ordiniert sei, wer von der Gemeinde gewählt und angenommen sei. Erneut gibt der Pommer einen kurzen Überblick über den vielfältigen Gebrauch der Handauflegung in der Schrift und verweist darauf, daß Paulus sie nicht in allen seinen Gemeinden – gemeint ist offenbar in Entsprechung zu Act 19, 6 – angewandt habe.17 Das Verständnis der Handauflegung hat sich also seit dem Jahr zuvor nicht geändert. Anders als in seinen exegetischen Schriften scheint für den Abschnitt aus der Predigt aber ein aktueller Anlaß vorzuliegen. Denn erstens legte sich dieses Thema durch die Perikope nicht unmittelbar nahe.18 Und zweitens spricht Bugenhagen von der Möglichkeit der Ordination mit Handauflegung im Hinblick auf sich selbst als Ordinator. Es geht also nicht nur um die allgemeine Praxis der Einsetzung in ein kirchliches Amt, sondern um eine konkrete, dem Wittenberger Stadtpfarrer sich stellende Aufgabe. In der Tat fand drei Wochen später in der Stadtkirche die erste evangelische Ordination statt. Hier aber lehnt Bugenhagen eine solche Handlung ab. Die Begründung für seine ablehnende Haltung, also die Befürchtung, daß die Einführung der Handauflegung zu Schwärmerei führen könnte, ist rätselhaft. Mit letzterer bezeichnen die Wittenberger Reformatoren gewöhnlich die Vorstellung eines besonderen Geistbesitzes, der sich in Offenbarungen und dem Anspruch einer tieferen Erkenntnis des göttlichen Willens äußert. Luther hatte das Schmähwort wenige Monate zuvor in seiner Schrift Wider die himmlischen Propheten vor allem auf Müntzer und Karlstadt bezogen. Nun ist weder für sie noch für andere Männer, die eine ähnliche Position vertraten, überliefert, daß sie von der Handauflegung Gebrauch machten. Möglicherweise befürchtete Bugenhagen aber, daß ein solcher Ritus in ›schwärmerischer‹ Weise mißverstanden werden könnte. Tatsächlich ging zu jener Zeit das von diesem als üble Nachrede bekämpfte Gerücht, Müntzer habe in Zwickau zwölf Propheten und 72 Jünger eingesetzt und damit urchristliche Strukturen restituiert.19 Gerade weil die Handauflegung in den Augen Luthers und 17 Vgl. a.a.O., 216, 39–217, 40. Hier 217, 31–36: »Hoc fecerunt et Episcopi Titus et Timotheus, non quod aliquid esset coram deo. Sed erat signum conuenta concione hunc electum esse et sciretur electus. Ego possem quoque facere, sed quia varia Schwermerei sequeretur, nolo. Qui eligitur ab ecclesia et acceptatur, hic est ordinatus.« 18 Vgl. Kretschmar, a.a.O., 208. Dies zeigt auch ein Vergleich mit der QuasimodogenitiPredigt des folgenden Jahres (Buchwald, a.a.O., 323–325 Nr. 77), die erneut den Geistempfang des Thomas zum Gegenstand hat. 19 Vgl. zu dem, zumindest was den Aposteltitel anbelangt, an zeitgenössische Vorwürfe gegenüber Waldensern erinnernden Zwickauer Gerücht Wappler, Müntzer, 32.39 f. Es hatte
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Bugenhagens ja nicht exklusiv an die Ordination gebunden war, sondern nach dem mehrfach herangezogenen Text Act 19, 1–6 die Geisttaufe der Apostel begleitete, konnte sich von jenem Gerücht her die Vorstellung einer charismatischen Handauflegung durch den Radikalreformator nahelegen. Eine zweite Deutungsmöglichkeit ist weniger wahrscheinlich. Danach befürchtet Bugenhagen, an die Handauflegung könnte sich die Vorstellung einer Amtsgnade heften und in eine Art sakramentalistischen Enthusiasmus ausarten. Der Begriff ›Schwärmerei‹ hatte jedoch in Wittenberg eine völlig andere Konnotation, so daß die Bemerkung in dieser Lesart für große Teile der Predigtgemeinde kaum verständlich gewesen wäre.
In jedem Fall spricht sich Bugenhagen hier gegen die Praxis der Handauflegung bei der Amtseinführung aus. Wie gleich zu zeigen sein wird, hielt ihn das nicht davon ab, drei Wochen später seine Hände dem ersten evangelischen Ordinanden aufzulegen. b. Die Ordination Georg Rörers am 14. Mai 1525 Die erste evangelische Ordination fand am 14. Mai 1525 in Wittenberg statt. Der am 1. Oktober 1492 im niederbayerischen Deggendorf geborene Georg Rörer empfing am 14. Mai 1525 als erster eine evangelische Ordination. Er hatte seit dem Sommer 1511 in Leipzig studiert und war dort 1515 zum Baccalaureus, 1520 zum Magister promoviert worden. Unter dem Einfluß des Leipziger Humanisten Petrus Mosellanus immatrikulierte er sich am 11. April 1522 in Wittenberg.20 Hier wurde man auf seine Qualitäten aufmerksam und gewann ihn für das Amt eines ›Diakons‹, eines Hilfsgeistlichen an der Stadtkirche. Seine Amtseinsetzung wurde als ein Ritus mit Gebet und Handauflegung vollzogen. Uns wird neben dem Ereignis und seiner Bedeutung für die Geschichte der Ordination in einem Exkurs auch die Frage zu beschäftigen haben, was mit der Amtsbezeichnung ›Diakon‹ gemeint war, die früher ganz anders verwendet worden war. (1) Das Ereignis Die Nachrichten über die Begebenheit sind auffällig spärlich, aber eindeutig. Ausschließlich Rörer selbst hat sie in mehreren Notizen festgehalten. Der ausführlichste Vermerk steht als Datierung über der Exodus-Reihenpredigt aus der Vesper dieses Tages. Er lautet: »Dominica Cantate quae erat 14. Maii quo ordinatus sum in diaconum Ecclesiae Wittenbergensis praesente tota ecclesia einen gewissen Anhalt darin, daß Müntzer gegen Egranus tatsächlich die urchristlichen Geisterfahrungen für die Gegenwart reklamiert hatte. Vgl. Franz, Müntzer, 372, 16 f Nr. 25 Müntzer an Nikolaus Hausmann vom 15.6.1521: »Egranus, homo maledictus in aeterna tempora, dixit: ›Ecclesia non habuit spiritum sanctum nisi tempore apostolorum‹.« 20 Vgl. Klaus, Rörer, 114–116 und Foerstemann, Album I, 115.
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Wittenbergensi imponentibus mihi manum Luthero, Pomerano, Phi[lippo] Consu[le], Iud[ice] Anno 25.«21 Rörers eigenem Predigtverzeichnis A läßt sich entnehmen, daß er der erste war, der ›in der Gegenwart‹ (hoc tempore) ordiniert wurde.22 In zwei Notizen zu Predigten des vorausgegangenen Sonntags erwähnt Rörer außerdem eine ›Berufung‹. Beginnen wir mit diesen Einträgen. Rörer vermerkt jeweils, daß er am betreffendem Tag durch Luther berufen worden sei.23 Die Tatsache, daß er dieses Ereignis ganz ähnlich wie seine Ordination notiert, legt nahe, daß es wie diese in der sonntäglichen Messe angesiedelt war. Damit stellt sich die Frage, welchen Vorgang Rörer mit seiner ›Berufung‹ bezeichnen kann. Zum einen tritt sie in Konkurrenz zur Ordination, die die Reformatoren selbst als Berufung auffaßten.24 Zum zweiten war für Luther spätestens seit dem Streit mit den Orlamündern sehr wichtig, daß eine Berufung ordentlich und durch die zuständige Instanz vollzogen wurde. Daß er am 7. Mai in der Messe den Anspruch erhoben hätte, Rörer in sein Amt zu berufen, ist deshalb schwer vorstellbar. Vermutlich ist die Notiz deshalb so zu verstehen, daß Luther an jenem Tag die Wahl Rörers bekannt gab und die Ordination für den kommenden Sonntag ankündigte. Der Wittenberger Diakon dürfte sie dann in einer Zeit festgehalten haben, als Berufung und Ordination tatsächlich auseinander gerückt waren.25 Wir werden auf diese Frage zurückkommen, nachdem wir die Begleitumstände des Ereignisses behandelt haben. Die Ordination selbst fand ›in Gegenwart der ganzen Gemeinde‹, also vermutlich im Rahmen des Meßgottesdienstes am Sonntagvormittag statt.26 21 WA 16, 226 Anm. Der Überschrift der Predigt im Frühgottesdienst (»Dominica Cantate Luth. Ioh. 16.«) fügte er entsprechend hinzu: »quae erat 14. Maij ordinatus etc.« (WA 17 I, 243 Anm.) Vgl. auch die Notiz in Predigtverzeichnis B a.a.O., XVII Anm.: »14 Maij Ordinatus, Confirmatus impositione manuum et Ecclesiae toti exhibitus facta a [te]a [re]catione etc.« 22 Vgl. WA 17 I, XVII Anm.: »Eadem domi[nica]: [uae] erat 14 maij anno 25 ego n[un] minister verbi G.R. primus ordinatus sum hoc tempore«. 23 Vgl. die Notiz zur Überschrift am 7.5.1525 WA 17 I, 193 Anm.: »Hoc die vocatus ad presbyteratum per Doct orem erat 7. Maij Anno 25.« und im Predigtverzeichnis B den Zusatz: »hoc die vocatus sum ad munus [re]sbyteri in E [lesi]a vuit[tembergensi]: 3 Maij Anno 1525 primus a Luthero«. Das letzte Datum, das Drews, WA 38, 403 übernimmt, ist unrichtig. 24 Vgl. nur Bugenhagens wenige Monate zurückliegende Formulierung »Vocatio tempore apostolorum fiebat per impositionem manuum« (zitiert o. Anm. 12). Für Luther ist v.a. auf seine spätere Schrift Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe zu verweisen, aber auch die Gestaltung des Ordinationsritus in der Schrift an die Böhmen läßt keine andere Interpretation zu. 25 Die Vermerke Rörers lassen sich nicht datieren. Die Predigtverzeichnisse sind natürlich späteren Datums. Im Hinblick auf die Randnotizen zu den Predigten läßt sich zumindest sagen, daß sie wegen der unterschiedlichen Amtsbezeichnungen kaum gleichzeitig entstanden sind. Vgl. allgemein zu Rörers Predigtnachschriften des Jahrgangs 1525 WA 15, 399 f. 26 Dazu paßt, was Aurifaber, B cher I, 277r im Jahre 1564 berichtet: »Am Sonntage Cantate hat D.M.L. die Ordination der Prediger nach Apostolischer Weise wieder eingericht nach der Fr predigt zu Wittenberg und ist M. Georg R rer der erste Ordinande gewesen.«
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Über die Liturgie ist nicht mehr bekannt, als daß Luther, Bugenhagen, Melanchthon, der Bürgermeister und der Richter Rörer gemeinsam die Hand auflegten und zuvor durch die Gemeinde gebetet worden war. Auffällig ist, daß Rörer in seinem wesentlich später entstandenen Predigtverzeichnis festgehalten hat, daß das Gebet entgegen der inzwischen längst etablierten Praxis vor der Handauflegung gesprochen wurde. In dieser Hinsicht stimmt der Ablauf der Rörerschen Ordination mit der Ordnung überein, die Luther den Böhmen empfohlen hatte. Die Handauflegung könnte also stumm oder unter der Begleitung durch eine Berufungsformel erfolgt sein. Ihr Sinn hätte dann in Übereinstimmung mit Bugenhagens jüngsten Äußerungen darin bestanden, daß die an der Wahl Beteiligten die Berufung öffentlich vor der Gemeinde vollziehen. Dafür spricht auch die Zusammensetzung der Gruppe, die am Ordinationsritus beteiligt war.27 Als erste nennt Rörer Luther und Bugenhagen, die beide ebenfalls Stellen an der Stadtkirche innehatten. Bemerkenswert ist allerdings, daß nicht der Stadtpfarrer, sondern der Prediger an erster Stelle genannt wird. Der Grund dafür könnte schlicht in Rörers Wertschätzung für den Reformator liegen. Wahrscheinlicher ist aber, daß Luther tatsächlich in dieser Handlung die zentrale Rolle einnahm. So könnte er als Liturg fungiert haben. Doch auch unabhängig von der liturgischen Funktion hatte Luther bei dieser ersten evangelischen Ordination schon deshalb eine besondere Stellung inne, weil sie wohl auf seine Initiative hin zustande kam, wie seine oben behandelten Predigten nahe legen und wie Johannes Aurifaber noch im Jahre 1564 zu berichten wußte. Bugenhagen hingegen hatte sich ja noch wenige Wochen zuvor dagegen ausgesprochen und mußte folglich erst von der Richtigkeit dieses Schrittes überzeugt werden.28 Es dürfte dem Pommer seine Zustimmung erleichtert haben, daß auch drei Männer an der Ordination beteiligt waren, die kein kirchliches Amt bekleideten. Damit war signalisiert, daß durch die evangelische Ordination nicht erneut eine Trennung zwischen Klerikern und Laien zementiert werden sollte.29 Rörer nennt unter ihnen einen Bürgermeister und einen Richter. Sie 27 Daß immer wieder zu lesen ist, Luther habe Rörer ordiniert (vgl. etwa Lieberg, Amt, 182; Mittermeier, Ordination, 37; Goertz, Priestertum, 305 Anm. 24; Kretschmar, Ordination, 208), ist zumindest irreführend. Diese Formulierung geht zurück auf Rietschel, Luther, 55, der seinerseits auf Aurifabers Bericht fußte, da Rörers Notizen noch nicht bekannt waren. 28 Gleichwohl war Bugenhagen an der Ordination beteiligt, was Kretschmar, Ordination, 208 übersieht, wenn er schreibt: »Daß in Bugenhagens Kirche ein Mann, der zum Dienst an dieser seiner Gemeinde bestimmt war, nicht von ihm, sondern von Luther ordiniert wurde, kann nur als Ausdruck eines Konfliktes verstanden werden« (Hervorhebung M.K.). Hätte zum Zeitpunkt der Ordination noch ein Konflikt über diese Frage bestanden, hätte sich Bugenhagen kaum an der Handauflegung beteiligt. 29 Diesen Punkt hatte Bugenhagen im Jahr zuvor besonders betont. Vgl. o. Anm. 12. Auch Luther hatte den Böhmen eine Ordination durch die potiores der Gemeinde empfohlen.
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vertreten hier gemeinsam den Rat, der aller Wahrscheinlichkeit nach an der Wahl teilgehabt hatte.30 Bei der dritten Person handelt es sich um Philipp Melanchthon. Dies ist auffällig, denn weder hatte er ein kirchliches Amt inne, noch bekleidete er eine besondere Funktion in der Stadt. Daß er am Ritus teilnahm, läßt sich nur so interpretieren, daß er als Vertreter der Universität fungierte. So gesehen wirkten Luther und Bugenhagen, die ebenfalls Professoren der Leucorea waren, in einer Doppelfunktion. Die Beteiligung der Universität an der Ordination Georg Rörers dürfte ein Hinweis darauf sein, daß sie formell an der Wahl des Kandidaten beteiligt war. Die Besetzung dieser Stelle wäre dann erstmals so erfolgt, wie es die Visitationsordnung von 1533 für die Wahl des Stadtpfarrers vorsieht und zu Unrecht in die Wahl Bugenhagens 1523 zurückprojiziert. Die Visitationsordnung behauptet nämlich, daß bereits 1523 ein förmlicher Wahlausschuß unter Beteiligung der Universität gebildet worden war.31 Was im Falle Bugenhagens in einem Konflikt erkämpft wurde, wird demnach 1525 in feste Bahnen gebracht und 1533 zur festen Regel erhoben. Da die Universität zur Stadtkirche über keine institutionellen Verbindungen wie zur Schloßkirche verfügte,32 kann nur die gewichtige Rolle, die die Leucorea im öffentlichen Leben Wittenbergs spielte, der Grund für ihre Beteiligung an der Wahl gewesen sein. Insofern war die Zusammensetzung der Ordinatoren im Falle Rörers ein Wittenberger Sonderfall. Doch die Beteiligung dreier Theologieprofessoren an der Handauflegung hatte offenbar noch eine weitere Bedeutung. Sie bestätigte dem Ordinanden als Theologen seine fachliche Eignung für das Amt. Um diesen Aspekt zu würdigen, muß der historische Anlaß der Ordination Rörers herausgearbeitet werden. (2) Der aktuelle Anlaß Wenige Wochen vor der Ordination Rörers hatte der Bauernkrieg das ernestinische Territorium erreicht. Nur einen Tag danach wurde der Aufstand bei Frankenhausen niedergeschlagen.33 Dieses zeitliche Zusammentreffen ist offenbar nicht zufällig, wie ein Blick auf die Ereignisse zeigt, die der Ordination vorausgingen. Am 16. April war Luther in Begleitung Melanchthons und Johann Agricolas nach Eisleben aufgebrochen, um die Gründung einer Schule zu planen. 30 Wittenberg war im Besitz der hohen Gerichtsbarkeit. Zum 24köpfigen Rat, der aus drei jeweils ein Jahr amtierenden Kollegien zusammengesetzt war, gehörten deshalb neben den drei Bürgermeistern auch drei Stadtrichter. Vgl. Oppermann, Wittenberg, 94. 119. 31 Vgl. o. S. 70. 32 Vgl. Junghans, Luther und Wittenberg, 55 f. 33 Auf diesen Umstand hat erstmals Kretschmar, a.a.O., 207 f aufmerksam gemacht.
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Als er hier vom Ausbruch des Bauernaufstandes in Thüringen erfuhr, reiste er von Eisleben aus umher, um durch Predigten die aufgeheizte Atmosphäre zu beruhigen. Nachrichten über Predigtstörungen insbesondere in Nordhausen lassen auf einen geringen Erfolg dieses Unternehmens schließen.34 Vermutlich in Eisleben beantwortete Luther die Artikel der schwäbischen Bauern, die er kurz vor dem Aufbruch aus Wittenberg erhalten hatte. Am 6. Mai abends, also wenige Stunden vor jenem Gottesdienst, in dem er der Stadtkirchengemeinde ihren neuen Diakon präsentierte, traf Luther wieder in Wittenberg ein. Bugenhagens Predigt vom 23. April zeigt, daß der Gedanke einer Ordination Rörers mit Handauflegung offenbar vor der Eislebenreise im Kreis der Reformatoren besprochen worden war. Und offenbar ging der Pommer davon aus, daß es dazu vorläufig nicht kommen sollte, denn sonst hätte er seiner Gemeinde kaum in einer Predigt seine eigenen Einwände auseinandergesetzt. Nach der Rückkehr aus Thüringen am 6. Mai und vermutlich bereits nach der Bekanntgabe der Wahl Rörers muß das Thema erneut aufgegriffen worden sein. Luther scheint es gelungen zu sein, Bugenhagen – und möglicherweise auch Melanchthon – von der Richtigkeit des Schritts zu überzeugen. Zumindest waren auch seine beiden Kollegen bereit, an der Ordination mitzuwirken. Brachte tatsächlich der Ausbruch des Bauernkrieges Luther dazu, erstmals eine evangelische Ordination durchzuführen, dann war dies ein deutliches Signal. Der Reformator, der während jener Zeit seinen baldigen Tod erwartete und nun sein Haus bestellen wollte,35 bekannte sich »dem Teufel ins Angesicht«36 zu einer schriftgemäß geordneten Einsetzung in das kirchliche Amt. Der Widersacher hatte ihn bisher mit Hilfe der Papstkirche bekämpft und tat dies nun auch durch die ›Schwärmer‹.37 In Abgrenzung von jener vollzieht Luther jetzt den Schritt, den er bereits anderthalb Jahre zuvor als richtig erkannt und den Böhmen empfohlen hatte – eine auffällige Parallele zu seiner Eheschließung wenige Wochen später.38 In Abgrenzung von den 34
Die gesicherten Daten dieser Reise bietet WA 17 I, XXXI f. Vgl. Greschat, Luthers Haltung, passim und zu Luthers Krankheiten zu jener Zeit Brecht, Luther II, 203. 36 Kretschmar, a.a.O., 208. 37 Vgl. o. S. 80. Vgl. a. WA 18, 653, 3–10 (De servo arbitrio, 1525) in bezug auf die verfehlte Schriftauslegung in beiden Gruppen. 38 Vgl. dazu Luther an Johann Rühel, Johann Thür und Kaspar Müller vom 15.6.1525 WA.B 3, 531, 8–11 Nr. 890: »Wohlan, weil sie denn toll und töricht sind, will ich mich auch schicken, daß ich fur meinem Ende im Stande von Gott erschaffen gefunden und nichts meines vorigen papistischen Lebens an mir behalten werde, so viel ich kann …«; dazu Greschat, Luthers Haltung, 38.41. Die erste Nachricht von konkreten Heiratsplänen findet sich im Brief an Spalatin vom 16.4.1525, interessanterweise dem Tag der Abreise nach Eisleben, WA.B 3, 474, 13–475, 24 Nr. 857. Obwohl Luther die Vermählung Wenzeslaus Lincks am 14. und 15.4.1523 enthusiastisch begrüßt hatte (vgl. Moeller, Hochzeit, 321), hatte er für seine eigene Person weiterhin gezögert. 35
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›Schwärmern‹ markiert Luther, wie die Einsetzung kirchlicher Amtsträger erfolgen sollte. Auch vor diesem Hintergrund ist die Tatsache zu deuten, daß der Rat und die Universität bei der Ordination vertreten waren. Ihre Beteiligung steht für zwei Größen, die für Luther angesichts der chaotischen Zeitläufte im Hinblick auf die Ordination von zentraler Bedeutung waren: die weltliche Obrigkeit und die akademische Theologie. Die Zustimmung der weltlichen Obrigkeit hatte Luther eben erst gegenüber den Memminger Bauern zur Bedingung jeder Berufung erklärt. Durch die Beteiligung der Universitätstheologen wird dem Ordinanden seine fachliche Eignung bestätigt. Im Fall des Magisters, der seit drei Jahren an der Leucorea eingeschrieben war, war das eine Formalie. Niemand in Wittenberg hätte seine fachlichen Qualitäten angezweifelt, auch wenn die Professoren dem Akt ferngeblieben wären. Doch die Ordination im Mai 1525 sollte demonstrieren, wie künftig solche Handlungen auszusehen hatten. Diese Überlegungen zu den Motiven, die Luther zur ersten evangelischen Ordination veranlaßten, sind zu einem gewissen Grad hypothetischer Natur. An der weiteren Entwicklung wird sich die dargelegte Interpretation bewahrheiten müssen. Doch auch unabhängig vom postulierten aktuellen Anlaß jenes Ereignisses läßt sich ein Motiv mit Sicherheit ausschließen: Die Ordination des ungeweihten Georg Rörer war nicht eine Notmaßnahme in einer Zeit des Pfarrermangels.39 Ganz im Gegenteil gab es Mitte der zwanziger Jahre noch einen reichen Fundus an geweihten Priestern, die nach ihrem Anschluß an die evangelische Bewegung freiwillig oder unfreiwillig ihre bisherige Pfründe verlassen hatten.40 Exkurs: Der Diakonat bei den Wittenberger Reformatoren In einer weiteren Hinsicht steht Rörers Ordination für eine Zäsur in der Geschichte des kirchlichen Amtes in der Wittenberger Reformation. Rörer schreibt in einer seiner Notizen, er sei »in diaconum Ecclesiae Wittenbergensis« ordiniert worden. Dieser Terminus ist ungewöhnlich. Der Diakonat war im Laufe der Jahrhunderte zu einer bloßen Weihestufe innerhalb des Ordo degeneriert. Lediglich einige untergeordnete liturgische Funktionen wie der Lektorendienst waren ihm noch zugeordnet.41 Die Stellung, in der Rörer an der Stadtkirche wirkte, war hingegen die eines Hilfsgeistlichen: er versah den Dienst an Wort
39 Durch den Zusammenhang, in dem Lieberg, Amt, 182 die Ordination Rörers referiert, entsteht der Eindruck, die Reformatoren seien durch eine Mangelsituation zur Ordination Rörers veranlaßt worden. Ähnliches gilt für Stein, Amt, 190 und Mittermeier, Ordination, 36 f. 40 Vgl. u. S. 195 Anm. 44. 41 Vgl. Hergemöller, Diakon, 942. Die Vollmachten der Diakone waren im Laufe der Jahrhunderte immer weiter eingeschränkt worden. Bis ins Hochmittelalter hatten die Diakone vielerorts noch auf dem Gebiet des Bußwesens mitgewirkt, doch das Florenzer Konzil hatte eindeutig den Priester als Spender dieses Sakramentes festgelegt (vgl. DH 1323).
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und Sakrament in einer dem Pfarrer untergeordneten Position.42 Dafür war bisher die Bezeichnung Kaplan üblich gewesen. Rörers Notiz ist einer der ersten Belege für eine solche Füllung des Begriffs ›Diakon‹.43 Sie wird sich Ende der zwanziger Jahre in weiten Bereichen des Wittenberger Ausstrahlungsbereiches durchsetzen. ›Diakon‹ meint nun den Kaplan, bisweilen auch den Prediger; ja, alle Begriffe für untergeordnete kirchliche Ämter lassen sich nur noch schwer gegeneinander abgrenzen.44 Erstaunlich ist, daß auf diese Veränderung im Sprachgebrauch, soweit ich sehe, in den Quellen nirgends eingegangen wird. Bald wird der neue Begriff ganz selbstverständlich verwendet.45 Über den Ursprung dieser Entwicklung lassen sich deshalb nur Mutmaßungen anstellen. Wenn sich spontan eine neue Bezeichnung allgemein durchsetzt, setzt dies normalerweise voraus, daß sie aufgrund veränderter Gegebenheiten benötigt wurde. Tatsächlich hatten sich durch den Wegfall des Meßpriestertums die Aufgabenbereiche kirchlicher Amtsträger verändert. Auch der Inhaber eines untergeordneten Amtes – ob nun Prädikatur oder Kaplanat – war nun in aller Regel für Predigt und Sakramentsverwaltung zuständig. Die Amtsbezeichnung ›Diakon‹ bot sich an, weil sie zum einen neutestamentlich war und zum anderen ebenso wie das häufig für das kirchliche Amt insgesamt gebrauchte minister/ministerium verbi unterstrich, daß das Amt als Dienst zu verstehen war.46 Dabei deuten die wenigen Äußerungen der Reformatoren zum Diakonenamt zunächst in eine ganz andere Richtung. Noch Ende 1523 hatte Luther die Restitution des urchristlichen Armendiakonats für prinzipiell wünschenswert erklärt. In der Predigt über Act 6 erläutert er der Gemeinde die damalige Bedeutung der Amtsbezeichnung. Den Diakonen 42 Zur Predigttätigkeit Rörers vgl. etwa Germann, Forster, 40 f. Am 7.6.1526 taufte Rörer Hans Luther, vgl. WA.B 4, 87 Anm. 4. 43 Wann Rörer die Predigtnachschrift seines Ordinationsgottesdienst mit der im Text zitierten Formulierung überschrieb, ist nicht zu entscheiden. Doch anders als die supralinearen Ergänzungen und die Einträge in Predigtverzeichnissen könnte jene Überschrift auch unmittelbar nach dem Ereignis entstanden sein. Die beiden anderen von ihm benutzten Bezeichnungen minister verbi und presbyter stehen im Verständnis der Reformatoren allgemein für das kirchliche Amt. Daß Rörer zu einem späteren Zeitpunkt auf sie zurückgreift, um seine Ordination zu kennzeichnen, könnte ausdrücken, daß die Wittenberger keine unterschiedlichen Ordinationsgrade, sondern nur eine Ordination ins kirchliche Amt kannten. 44 So wird Johann Mantel, der bereits Anfang 1524 eine Stelle als Kaplan an der Stadtkirche innehatte (WA.B 4, 247, 17 Nr. 713) und auch noch im Sommer 1535 als solcher tituliert wird (vgl.WA.B 7, 209 Nr. 2210), am 8.8.1526 von Luther als Lektor bezeichnet (vgl.WA.B 4, 107, 7 Nr. 1031). Vermutlich ist er auch in dessen Brief vom 30.5.1525 (WA.B 3, 518, 7 Nr. 879) mit dem ›Unterpfarrer‹ gemeint. 45 Vgl. etwa Melanchthon an Spalatin vom 19.10.1527 CR 1, 897 f (MBW 608); Konzept eines Briefes des Rates von Zerbst an Luther vom September 1528 WA.B 4, 573; Luther an den Rat von Zerbst vom 15.10.1528 WA.B 4, 583 Nr. 1336; Jonas an Spalatin vom 26.10.1533 Kawerau, Briefwechsel I, 200 Nr. 244. Auch in den Visitationsakten findet er sich an vielen Stellen. Vgl. z.B. Pallas, Registraturen II/3, 211 (1529); II/2, 3.82 (1531) und II/1, 25 (1533). – Auffällig ist, daß das Wittenberger Ordiniertenbuch Hilfsgeistliche überwiegend als ›Priester‹ tituliert (vgl. u. S. 283), denn dieser Begriff war seit 1520 im evangelischen Raum strenggenommen nicht mehr sachgemäß. 46 Vgl. bes. WA 6, 543, 19–544, 10 (De captivitate) unter Berufung auf 1. Kor 4, 1. So wie das Amt beschaffen ist, ist sein biblischer Beleg wohl in 1. Tim 3, 8–13 zu sehen. Paulus spricht 1. Kor 4, 1 hingegen unspezifisch von . In Act 6, 4 findet sich der Begriff , der in der Vulgata mit ministerium verbi wiedergegeben ist. Damit ist aber nicht der in jener Perikope eingesetzte Diakonat nach lukanischem Verständnis gemeint, sondern der Dienst der Apostel. Vgl. ähnlich 2. Kor 3, 6 ( /ministri Novi Testamenti).
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sei die Austeilung der zeitlichen Güter aufgetragen gewesen.47 Der Reformator wünscht sich, daß nach dem Jerusalemer Vorbild auch in einer Stadt wie Wittenberg mehrere Diakone eingesetzt würden, die sich jeweils in einem Bezirk der Armenpflege annähmen. Er hält eine solche Ordnung jedoch vorläufig für undurchführbar, weil es an der Bereitschaft mangle, diesen Dienst zu unterstützen.48 Zur Einführung eines solchen Amtes in Wittenberg ist es in der Tat ebensowenig gekommen wie zur dafür notwendigen Einrichtung eines Gemeinen Kastens. Daß die Bezeichnung stattdessen anders gefüllt wird, überrascht umso mehr, als Luther in seiner Predigt ausdrücklich kritisiert, daß der Diakonat in der römischen Kirche seine biblische Bedeutung verloren habe. Bugenhagen nahm wenige Jahre nach der Ordination Rörers in seine Kirchenordnungen eben das auf, was Luther in der Predigt über die Einrichtung des Diakonenamtes angekündigt hatte: Die Diakone waren Armenpfleger und hatten überdies die Aufsicht über den Gemeinen Kasten.49 Allerdings zeigen sich auch Abweichungen gegenüber der 1523 von Luther vorgetragenen Konzeption. Anders als dieser sah Bugenhagen vor, daß die Diakone, die ihren Dienst im Ehrenamt versahen, von der Gemeinde zu wählen waren.50 Daran, daß dieses neu zu schaffende Amt mit dem biblischen Vorbild in Verbindung gebracht wurde, 47
Vgl. WA 12, 693, 12–15. Vgl. dazu Wendebourg, Amt, 9–11, bes. Anm. 20.24. Vgl. a.a.O., 693, 31–694, 7: »So versorget das Christlich regiment an lieb und seel, das keyner kein mangel hatt, wie lucas sagt, und alle reychlich gespeyset an der seel und wol versorget am leyb. Das ist ein recht bild. Es wer wol g t, das mans anfieng, wann le t darnach weren, da ein statt als diße hie geteylt w rd in vier oder f nff st ck, geb yeglichem ein prediger und Diaconum, die da g ter außteylten und versorten kranck lewt und drauff sehen, wer da mangel leyde. Wir haben aber nicht die person dartzu, darumb traw ichs nicht anzufahen, so lang, biß unser herr gott Christen macht. Jetz hatt man mit der zeyt Epistler und Euangelier gemacht auß den Diaconis. Wann man ein Bischoff macht, macht man in nicht darumb, das er predigen sol, dann er hats vohin von priesterampt wie sonst ein yeglicher priester. Seind n r darumb, das man sie auff hengst setzt und spricht ›gnad [gnädiger] juncker‹. So welet man auch diacon nicht zu dem ampt, das sie da zur zeyth f rten, Sonder daß steen beym altar, l ren [plärren] Epistel und Euangelium daher … Und ir, wann ir ein gemeyn casten auffricht, so secht [sähet] ir was Bisch ff und Diacones seind.« Zu den Worterklärungen vgl. Goetze, Glossar, s.v. Schwierig ist die Formulierung, es solle jedem Bezirk »ein prediger und Diaconum« gegeben werden. Da Luther gerade ein eigenständiges Amt für die Armenpflege etablieren möchte, ist ausgeschlossen, daß sich die Diakone außerdem auch der Predigt widmen sollten. Eine zugegebenermaßen unbefriedigende Erklärung wäre, daß der Begriff des Predigers hier den Rechtsstatus des Diakons beschreiben soll. Er wäre wie der Prädikant dem Pfarrer untergeordnet und bekleidete wie dieser ein dauerhaftes Amt, das sich nicht wie der römische Diakonat auf die Phase zwischen zwei Weihestufen beschränkte. Als die erstmals 1524 in einem Einblattdruck veröffentlichte Predigt 1527 in die Festpostille übernommen wurde, interpretierte ihr Herausgeber Stephan Roth die Stelle auf der Grundlage der Neuinterpretation, die die Amtsbezeichnung inzwischen erfahren hatte: »[M]an gebe yeglichem tayle ein Prediger und etliche Diaken, die dasselbige Tail mit predigen versorgeten unnd dye g ter außtayleten, …« (WA 17 II, 335, 31–33; Hervorhebung M.K.). – Der letzte Satz des zitierten Abschnitts zeigt, daß sich Luthers Klage, »[w]ir haben aber nicht die person dartzu«, nicht auf die Kandidaten, sondern auf die mangelnde Freigebigkeit der Gemeinde bezieht. Die pessimistische Erwartung rührt wohl einerseits von den tatsächlichen Erfahrungen mit seiner Wittenberger Gemeinde (vgl. Brecht, Luther II, 282) und andererseits von den Schwierigkeiten her, die sich bei der Umsetzung der Leisniger Kastenordnung während der zweiten Hälfte des Jahres 1523 gezeigt hatten (vgl. a.a.O., 75–77). 49 Vgl. die Braunschweiger Kirchenordnung von 1528 (EKO VI/1, 447–455) sowie die Hamburger von 1529 (Wenn, Hamburg, 210–224. 228. 236–252=EKO V, 531–540). 50 Vgl. EKO VI/1, 450. 48
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kommt zum Ausdruck, daß der Kastenvorsteher eines außerordentlich hohen Ansehens und einer erheblichen Selbstdisziplin bedurfte.51
c. Luthers Ordinationen in der Wittenberger Umgebung Die Ordination Georg Rörers im Jahr 1525 sollte, so scheint es, die Wiederherstellung einer schriftgemäßen Amtseinsetzung sein.War mit ihr ein solcher historischer Anspruch verbunden, könnte es sich bei ihr kaum um das singuläre Ereignis handeln, als das sie bisher gesehen wurde.52 Dieses Bild verdankt sich vor allem der Quellenlage. Rörers Ordination ist nur dank seiner eigenen Predigtnachschriften überliefert und hat in den Schriften Luthers, Melanchthons oder Bugenhagens keinen Niederschlag gefunden. Es läßt sich aber zeigen, daß in den folgenden Jahren weitere Ordinationen stattfanden. Eine wichtige Quelle sind in diesem Zusammenhang die kursächsischen Visitationsakten. Aufschluß würde man in erster Linie von den Akten des für uns interessanten Zeitraums erwarten, doch das ist nicht der Fall. In den Examina der ersten beiden Visitationen zwischen 1526 und 1534 wurde niemals nach einer Ordination bzw. der Priesterweihe gefragt.53 Allerdings fand die 51 Vgl. zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen dieses Amtes in den Bugenhagenschen Kirchenordnungen Sprengler-Ruppenthal, Bugenhagen, 225–229. Ihre Formulierung a.a.O., 229, das Diakonenamt sei für Bugenhagen göttlichen Rechts, ist nur im Sinne seiner Vorrede zur dänischen Kirchenordnung (vgl. Schwarz Lausten, Kirkeordinansen, 94–96 und dazu Ders., Christian d. 3., 43 f ) richtig. Dort unterscheidet er zwischen Gottes Ordnung und der königlichen – also menschlichen – Ordnung. Zu jener gehören außer der rechten Verkündigung und Verwaltung der Sakramente auch die Katechese, der Unterhalt der kirchlichen Amtsträger und der Küster sowie schließlich auch die Armenpflege. Als Bestandteile der königlichen Ordnung verbleiben dann Besetzungsfragen, die Gestaltung der Zeremonien u. ä. Alles, was notwendig zur Kirche hinzugehört, ist also Teil der göttlichen Ordnung, auch wenn die Ausgestaltung im einzelnen in das Walten des Königs fällt. Von einem ius divinum könnte man dann nur im Hinblick auf die Notwendigkeit der Diakonie, nicht jedoch hinsichtlich des Diakonenamtes sprechen. Deshalb ist Bugenhagens Abweichung von der Wittenberger Praxis auch nicht als der Versuch zu werten, sich stärker an die biblische Überlieferung anzulehnen, als dies in seiner eigenen Gemeinde möglich war. – Beide Deutungen des Diakonats finden sich nebeneinander bereits in der von Franz Lambert von Avignon verfaßten sog. Homberger Kirchenordnung für die Landgrafschaft Hessen von 1526. Sie kennt einerseits episcoporum diaconi, die den Pfarrern (episcopi) in größeren Städten als Gehilfen zur Seite stehen sollen und für die sich die Kirchenordnung auf 1. Tim 3 beruft. Andererseits sollen diaconi ecclesiarum in Anlehnung an Act 6 als Armenpfleger wirken. Vgl. EKO VIII, 61. Ein Zusammenhang mit der Wittenberger Entwicklung ist allerdings unwahrscheinlich. 52 Zumeist wird lapidar auf die Singularität des Ereignisses verwiesen (vgl. z.B. Lieberg, Amt, 90; Mittermeier, Ordination, 37; Smith, Luther, 62; Goertz, Amt, 305 Anm. 24). Stein, Amt, 190 versucht, dafür eine Erklärung zu geben, und behauptet, daß »die sonst in lutherischen Gemeinden eingesetzten Seelsorger, soweit bekannt, alle vor ihrem Übertritt zur Reformation schon von Bischöfen ordiniert worden waren«. Diese Behauptung ist, wie noch gezeigt wird, falsch. 53 Vgl. die folgenden edierten Akten: Kurkreis: Pallas, Registraturen; Zwickau, Crimmitschau, Werdau und Schneeberg: Fabian, Protokolle; Grimma: Grossmann, Visitations-Acten; Belzig: Müller, Kirchen- und Schulvisitationen; Thüringen: Herrmann, Kirchenvisitationen. Die
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Frage nach der Ordination Eingang in Melanchthons Visitationsinstruktion für die Generalvisitation des Kurkreises im Jahre 1555.54 Und so wurde in den Protokollen jeweils das Datum der Ordination sowie ein kurzes Curriculum des bisherigen Dienstes vermerkt. In zwei Fällen läßt sich hieraus eine Ordination Ende der zwanziger Jahre rekonstruieren.Wie wir aus seinen Briefen wissen, war Luther 1527, also noch vor der Visitation des Amtes Wittenberg, »eine lange zeit« in die Verhandlungen zwischen dem altersschwachen Pfarrer Anton Thomä und seinem Nachfolger Wolfgang Schwan im nahen Elster einbezogen. Die beiden schlossen einen von dem Jessener Pfarrer Urban Sprecher aufgesetzten Vertrag, der dem resignierenden Pfarrer sein Auskommen sicherte. Luther bat den Kurfürsten um die Bestätigung dieses Vertrages und versicherte, daß Schwan diesem Amt gewachsen sei.55 1555 notierten die Visitatoren, der 71jährige Schwan sei »im pfarramt zur Elster gewesen 28 iar, von Doctor Martino dorthin berufen und ordinirt«.56 Der zweite Fall ist ebenfalls in der unmittelbaren Umgebung Wittenbergs angesiedelt. Über den Pfarrer von Bergwitz, Michel Mulleberg, heißt es 1555, er sei im Jahre 1529 »von Doctore Martino Luthero und Doctore Justo Jona uf diese pfarr berufen und ordiniret, zuvor ein ganz iar bei Doctore Martino Luthero gewesen«.57 Letzteres könnte darauf hindeuten, daß der Reformator auch in diesem Fall bereits im Vorfeld persönlich involviert war. Der Zeitpunkt deutet darauf hin, daß diese Besetzung in den Zusammenhang der Visitation des Kurkreises gehört, die bis Ostern 1529 dauerte.58 Beide Einträge deuten mit Sicherheit auf eine Ordination im spezifischen Sinn hin. ›Ordinieren‹ ist hier nicht etwa ein Synonym für ›berufen‹. Die Visitatoren59 kannten die seit langem in Wittenberg etablierte Ordinationsregelung und hätten den Begriff kaum anders verwendet als dort üblich. Bei älteren und nicht evangelisch ordinierten Pfarrern wurden alternativ Ort
Mehrheit der übrigen Akten befindet sich im Dresdener Hauptstaatsarchiv. Vgl. außerdem die Schilderung der frühen Visitation im Amt Tenneberg 1526 bei Drews, Bericht. 54 Vgl. EKO I, 307. 55 Vgl. Urban Sprecher an Luther am 26.9.1527 WA.B 4, 252 f Nr. 1148 und Luther an den Kurfürsten am 30.9.1527 a.a.O., 253 f. Nr. 1149. Elster liegt ca. 15 km von Wittenberg elbaufwärts. 56 Vgl. Pallas, Registraturen II/2, 122. 57 Vgl. a.a.O., 212. Bergwitz liegt 13 km südlich von Wittenberg auf der linken Elbseite. Die Universitätsmatrikel führt Mulleberg nicht auf. 58 Vgl. Burkhardt, Geschichte, 29. Luther ordinierte Mulleberg aber nicht als Visitator, denn die Visitation wurde jeweils in der Amtsstadt durchgeführt, während die Ordination sicher im Beisein der Gemeinde in Bergwitz stattfand. 59 Unter ihnen waren die Theologen Johann Forster und Paul Eber (vgl. WA.B 4, 544). Zu Forsters eigener Laufbahn vgl. u. S. 213–215.
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und Datum der Priesterweihe registriert.60 Beide Ordinationen dürften ähnlich abgelaufen sein wie diejenige Rörers. Beispielsweise wäre auch hier die Beteiligung von mehr Personen zu erwarten, als aus den Akten hervorgeht. Immerhin wird im zweiten Fall der Name des Wittenberger Propstes und Theologieprofessors Justus Jonas genannt. Den Angaben über Michael Mulleberg ist noch ein bemerkenswertes Detail zu entnehmen. Mulleberg, der zum Zeitpunkt seiner Ordination 41 Jahre alt war, war vor seinem Aufenthalt in Wittenberg Kanoniker in Halle gewesen.61 Vermutlich war er also im Besitz der Priesterweihe. Zwar gab es im Spätmittelalter auch Säkularkanoniker.62 Die Tatsache, daß er durch die Reformation dazu veranlaßt wurde, seine Pfründe zu verlassen und in Wittenberg zu studieren, spricht jedoch dafür, daß er nicht zusätzlich einem weltlichen Beruf nachgegangen war. War Mulleberg also Kleriker, dann wäre es für die Ordinationen Luthers ohne Belang gewesen, ob der Kandidat geweiht war oder nicht. Dieses Ergebnis ist nicht so erstaunlich, wie es zunächst den Anschein hat. Zum einen ist diese Sicht für zwei der kursächsischen Reformatoren zu belegen.63 Wurde die Ordination als schriftgemäße Form der Einsetzung verstanden, war es in der Tat gleichgültig, ob der Ordinand bereits im Besitz der Priesterweihe war. Mehr noch: Die Ordination wäre bei einem erneuten Amtsantritt zu wiederholen, da sie sich jeweils auf die Stelle bezog, für die die Berufung erteilt wurde.64 60 In einem Fall wird das Fehlen der Ordination explizit damit begründet, daß diese 1532, als der Kandidat von Justus Jonas in seine Gemeinde gesandt wurde, in Wittenberg noch nicht geregelt war. Vgl. u. S. 109. 61 Vgl. a.a.O., 210: »Der itzige pfarrer er Michel, welcher ein canonicat zu Halle vorlassen …«. 62 Vgl. etwa die biographischen Daten des Johann Heß: 1520 zum Priester geweiht, hatte er bereits 1515 ein Kanonikat in Neiße, später auch eines in Brieg und eines in Breslau erhalten. Vgl. Köstlin, Heß, 789. 63 Vgl. zu Friedrich Mykonius u. S. 122, zu Johannes Bugenhagen u. S. 164. 64 Insbesondere Vajta, Theologie, 219 und Brunotte, Amt, 186 haben systematisch-theologisch dafür argumentiert, daß es in der Konsequenz von Luthers Amtsverständnis liege, die Ordination als Vokation beim Antritt eines neuen Amtes zu wiederholen. Mullebergs Fall könnte ein Hinweis darauf sein, daß die Reformatoren dies praktizierten. Die Sicht Vajtas und Brunottes hat den entschiedenen Widerspruch von Stein, Amt, 196–199 und Manns, Amt, 136 f Anm. 133 gefunden. Sie argumentieren für die gegenteilige Auffassung, daß Luther »die über tausendjährige Tradition der Unwiederholbarkeit der Ordination als selbstverständlich akzeptierte«, v.a. mit einer Predigt Luthers vom 21.5.1531, in der der Kirchenvater Cyprian für die Nichtanerkennung von Ketzertaufen und -ordinationen kritisiert wird (vgl. WA 34 I, 432, 1–10). Auch hier ist wie schon bei der Frage nach der Anerkennung der Priesterweihe überhaupt (vgl. o. S. 60) darauf zu verweisen, daß Luther nicht die Weihe, sondern das Amt und seine Handlungen in der römischen Kirche anerkannte: »Sicut hodie Papistae sitzen ynn dem rechten ampt, ipsi baptisant, dant Sacramentum, ordinant sacerdotes, consecrant coniuges ut nos.« (ebd.) Die Ordination Mullebergs bestreitet nicht die Legitimität seines früheren Amtes, sofern es seiner Bestimmung gemäß ausgeübt wurde.
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d. Das Schweigen der Reformatoren über die frühen Ordinationen Weitere Ordinationen lassen sich bis in die dreißiger Jahre hinein nicht nachweisen.65 Es ist zwar sehr wahrscheinlich, daß Luther bei ähnlichen Anlässen entsprechend verfuhr. Insbesondere gilt dies für die Amtseinführung Sebastian Fröschels Ende 1528 in Wittenberg, über die nichts Näheres bekannt ist.66 Doch die Reformatoren erwähnten diese Ordinationen, die sämtlich in der nächsten Umgebung Wittenbergs stattfanden, mit keinem Wort. Angesichts der großen Zahl von Besetzungsangelegenheiten, in die sie während der folgenden Jahre involviert waren, muß dies überraschen. Offenbar sollten die Wittenberger Ordinationen nicht – wie der den Pragern empfohlene Ritus – als Vorbild für andere Gemeinden dienen. Was hielt Luther davon ab, anderen Gemeinden zu empfehlen, was er selbst für richtig befunden hatte? Da er und die anderen Reformatoren die Frage einer evangelischen Ordination zumindest in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre vollständig unberücksichtigt lassen, können hierüber nur Mutmaßungen angestellt werden. Für Luther dürfte im Vordergrund gestanden haben, daß eine mehr oder minder ungeordnete Ordinationspraxis in der Regie der Gemeinden und lokalen Patrone zwei wichtige Aspekte hätte vermissen lassen: die Bestätigung der Ordinanden durch die Obrigkeit und die durch die Universitätstheologie. Ein Verfahren wie im Falle Rörers ließ sich gegenwärtig noch nicht im ganzen ernestinischen Territorium etablieren. Die Visitationen, durch die zunächst ein Überblick über den Status quo gewonnen werden konnte und allmählich wieder geordnete Strukturen in der kursächsischen Kirche aufgebaut wurden, standen noch bevor.67 65 Sämtliche Akten bei Pallas, Registraturen wurden ebenso überprüft wie die dort fehlenden des Amtes Belzig bei Müller, Kirchen- und Schulvisitationen. Des weiteren ergaben Nachforschungen in den Hauptstaatsarchiven Weimar und Dresden, daß bei den großen Visitationen der Jahre 1555–57 in den ernestinischen und albertinischen Ländern nirgends sonst nach der Ordination bzw.Weihe gefragt wurde. Über evtl. frühe Ordinationen in Thüringen, Franken, dem Vogt- und dem Osterland sind also keine gesicherten Aussagen möglich. Vermutlich hat es in den anderen Landesteilen jedoch keine Ordinationen gegeben, denn auch im Kurkreis sind über die nähere Umgebung Wittenbergs hinaus keine weiteren belegt. Da die persönliche Anwesenheit der Wittenberger Reformatoren konstitutiv gewesen zu sein scheint, wären Ordinationen in der Tradition der geschilderten Fälle nur dort denkbar, wo jene zufällig bei einer Einsetzung zugegen waren. Die Visitatoren haben offenbar nicht ordiniert, denn dies müßte aus den Protokollen des Kurkreises hervorgehen. Zu Wolfgang Baumheckel, der vermutlich 1533 in Wittenberg ordiniert wurde, vgl. u. S. 157 f. 66 Vgl. Klaus, Rörer, 124. 67 Smith, Luther, 69 f glaubt, einem Abschnitt aus Luthers Vorrede zu Melanchthons Unterricht der Visitatoren (WA 26, 197, 12–29) entnehmen zu können, daß der Reformator nur sehr zögerlich das bischöfliche Recht der Ordination beansprucht habe. Er sieht erstaunlicherweise in der Formulierung, der Kurfürst möge »etliche t chtige personen zu solchem ampt [sc. des Visitators] foddern und ordenen [engl.: to ordain]« einen Hinweis darauf, daß Luther nicht selbst ordinieren wollte und deshalb die Beauftragung des Kurfürsten wünschte. Gänzlich verfehlt ist nicht nur die Übersetzung, sondern auch die Interpretation, daß der Landesherr als Bischof
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Ein indirekter Hinweis auf Luthers Standpunkt in dieser Frage findet sich in seinem Ratschlag an Philipp von Hessen, die sog. Homberger Kirchenordnung von 1526 nicht zu ratifizieren. Dort legt er dem Landgrafen dar, daß der Zeitpunkt für neue Gesetze noch nicht gekommen sei.Wie Mose die mündliche Gesetzesüberlieferung seines Volkes aufgeschrieben habe, sollten auch in der Gegenwart die Pfarrer und Schulmeister zunächst Erfahrungen sammeln, bevor daraus allmählich eine Kirchenordnung wachsen könne. Luther prophezeit, daß dann »dieser [Kirchen]ordnung viel stuck wurden sich endern mussen, ettliche der oberkeit alleine bleiben«.68 Dabei dürfte er vor allem an die Einsetzung und Ordination der Pfarrer gedacht haben, für die die Kirchenordnung ein Gemeindewahlrecht vorsieht.69
Ein weiteres Motiv dürfte darin liegen, daß eine evangelische Ordination kirchenpolitische Brisanz in sich trug. Dies wird die weitere Entwicklung zeigen. Je mehr evangelische Amtsträger unter Mißachtung des amtierenden Episkopats eingeführt wurden, desto schwieriger würde sich später die erneute Anerkennung der bischöflichen Jurisdiktion und damit die Einigung mit Rom gestalten. Zudem hätte allein die Tatsache, daß die Wittenberger ihre Ordinationen öffentlich bekannt werden ließen, den romtreuen Ständen auf Reichsebene einen weiteren Angriffspunkt gegen die evangelische Seite geboten. Die Reformatoren konnten darauf verzichten, sich öffentlich für die Einführung der evangelischen Ordination einzusetzen, da sie im Ritus mit Gebet und Handauflegung lediglich einen apostolischen Brauch sahen, der nicht in den Bereich des Gebotenen gehörte. Die tatsächlich vollzogenen Ordinationen hatten unter diesen Umständen eine doppelte Funktion. Zum einen waren sie die Vorwegnahme einer künftigen Ordnung. Bereits jetzt kam in ihnen vor einer begrenzten evangelischen Öffentlichkeit zum Ausdruck, wie die rechte Einsetzung in das Amt einmal aussehen sollte. Zugleich konnte so jene künftige Ordnung allmählich Gestalt gewinnen. Zum anderen und in erster Linie aber waren sie ein geistlicher Akt, in dem den betroffenen kirchlichen Amtsträgern feierlich und unter Fürbitte ihr Amt übertragen wurde und in dem sie zu diesem Amt gesegnet wurden.
2. Wittenberg und die Berufung kirchlicher Amtsträger 1525–1535 a. Die Vermittlung von kirchlichen Amtsträgern durch die Wittenberger Reformatoren Im Laufe der zwanziger Jahre erreichten Wittenberg zahlreiche Anfragen nach reformatorisch gesinnten Pfarrern und Predigern. Gleichzeitig kamen fungieren sollte. Vielmehr handelte er als Mitglied des corpus christianum. Vgl. Krumwiede, Entstehung, 95–99. 68 Vgl. WA.B 5, 157 f Nr. 1071 vom 7.1.1527. 69 So auch Niebergall, Anfänge, 145. Vgl. den Abschnitt der Kirchenordnung EKO VIII, 59–61.
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viele Kleriker, die sich der neuen Bewegung angeschlossen hatten, auf der Flucht vor Repressalien oder auf der Suche nach einer neuen Tätigkeit in die Universitätsstadt. Hier entstand so eine Art Börse für kirchliche Amtsträger. Den Reformatoren und unter ihnen besonders Luther fiel die Aufgabe zu, in einer Vielzahl von Besetzungsangelegenheiten zu vermitteln. Zunächst Luther, während der Visitationen und dann wieder seit den späten dreißiger Jahren immer häufiger Melanchthon, in einzelnen Fällen auch Jonas und Bugenhagen schlugen Gemeinden auf Anfrage Kandidaten vor, die sich in Wittenberg befanden oder ihnen anderweitig bekannt waren. Zudem berieten sie Gemeinden und Amtsträger, wenn in Konfliktsituationen eine Absetzung notwendig wurde.70 Seit den späten zwanziger Jahren vermehrten sich diese Vermittlungen beträchtlich durch die Visitationen in den kursächsischen Gebieten. Luther, Melanchthon, Jonas und Bugenhagen, die als Visitatoren fungierten, waren auch kraft dieses Amtes für die Stellenbesetzungen zuständig.71 Greifbar ist die Vermittlungstätigkeit in erster Linie im Briefwechsel der Reformatoren. Für den Zeitraum zwischen Luthers erster Ordination und der ersten kursächsischen Ordinationsregelung 1535 ergeben sich aus der Besetzungspraxis wichtige Einsichten im Hinblick auf die Entwicklung der Ordination. Das betrifft zum einen ihr Verhältnis zur Weihe. Denn es ist zu fragen, ob bei der Auswahl der Kandidaten von Bedeutung war, ob diese geweiht waren, und ob möglicherweise die neue evangelische Ordination als Ersatz für eine fehlende Weihe ins Spiel gebracht wurde. Zum anderen ist von Interesse, welche Bedeutung die theologische Kompetenz der Kandidaten hatte. Der enge Zusammenhang zwischen Prüfung und Bestätigung der fachlichen Eignung und der Ordination hatte sich bereits im Fall Georg Rörers angedeutet. Evident wird er, als 1535 gleichzeitig mit der Ordination eine Lehrprüfung der Kandidaten eingeführt wird. Darum muß auch untersucht werden, wie während des Jahrzehnts, das zwischen den beiden Ereignissen lag, die Qualifikation der kirchlichen Amtsträger gewährleistet wurde. b. Die Eignungskriterien für das kirchliche Amt In der Charakterisierung der Kandidaten, die von Wittenberg ausgesandt werden,72 stechen in den Briefen der Reformatoren zwei Merkmale hervor. 70 Vgl. das Diagramm u. S. 324 (Anhang 2.a), in dem die Anzahl der Angelegenheiten verzeichnet ist, in die die Wittenberger Reformatoren nach Ausweis ihres Briefwechsels involviert waren. Melanchthon war nach dem Ende seiner Visitationstätigkeit zunächst kaum noch beteiligt, übernahm aber in den vierziger Jahren immer mehr Luthers Funktion. Bugenhagen und Jonas waren vor allem dort mit der Vermittlung kirchlicher Amtsträger befaßt, wo sie über persönliche Beziehungen verfügten. Im Falle Bugenhagens galt dies für Norddeutschland und Dänemark. 71 Vgl. zur Zusammensetzung der Kommissionen Burkhardt, Geschichte, 28 f. 72 Vgl. z.B. zu Luther: 13.10.1522 WA.B 2, 606, 6–8 Nr. 542; 5.10.1523 WA.B 3, 165, 8 f
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Von Bedeutung ist erstens die Lebensführung der Empfohlenen. Sie wird mit Attributen wie »bonus« oder »dignus«, »sittsam« oder »untadelig« charakterisiert. Das Gewicht dieses Aspektes liegt auf der Hand. Nur ein ethisch integrer Pfarrer konnte als Vorbild für die Gemeinde fungieren, wie es von ihm erwartet wurde. Ferner hätte ein anstößiger Lebenswandel die Glaubwürdigkeit seines Dienstes untergraben. Nach ihrer eigenen Wahrnehmung betonten die Reformatoren stärker als ihre Gegner die sittliche Eignung der Kandidaten, ohne damit den Antidonatismus der theologischen Tradition in Frage stellen zu wollen.73 Besonders in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre begegnet in diesem Zusammenhang auch häufig der durch die antizölibatäre Polemik74 geprägte Begriff der »Keuschheit«, der praktisch synonym mit Ehelichkeit gebraucht wird.75 Die Überprüfung des Lebenswandels der Pfarrer war ein integraler Bestandteil der Visitationen, der mit einigem Aufwand betrieben wurde. So reisten zusätzlich zu den Pfarrern und ihren Patronen auch Gemeindeglieder mit an den Visitationsort, um über ihren Pfarrer Zeugnis abzulegen. Ihre Zahl wurde 1533 aus Kostengründen auf sechs reduziert, muß also zunächst um einiges größer gewesen sein.76 Der zweite Aspekt, der in den Briefen zum cantus firmus gehört, ist die theologische Bildung der Empfohlenen. Diese hatte wegen der zentralen Bedeutung der Predigt erheblich an Gewicht gewonnen. Die mangelnde Bildung der Geistlichen war zwar auch im Mittelalter regelmäßig Gegenstand der Kritik, und gut dotierte Predigerstellen in den Städten waren häufig mit gelehrten Theologen, zumindest aber mit Magistern besetzt,77 doch für das Amt eines Dorfpfarrers oder eines Altaristen einer größeren Kirche wurde Nr. 664; 27.10.1527 WA.B 4, 274, 10 f Nr. 1163; 28.10.1529 WA.B 5, 169, 5–7 Nr. 1486; zu Melanchthon: 28.8.1527 CR 1, 886 (MBW 579); Sept. 1532 CR 2, 574 (MBW 1279); zu Jonas: 17.5.1529 Kawerau, Briefwechsel I, 126 Nr. 137; 26.10.1533 a.a.O., 243, 200; zu Bugenhagen: 1.7.1531 Vogt, Briefwechsel 151 Nr. 41. 73 Dies belegen Stellen wie WA 38, 240, 35–241, 5 (Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe, 1533) oder EKO VI/1, 416 (Braunschweig, 1528). 74 Vgl. hierzu Buckwalter, Priesterehe, passim. 75 Vgl. z.B. Luther an den Nördlinger Pfarrer Thomas Billicanus am 17.9.1523 WA.B 3, 154, 8 Nr. 658: »… caste, hoc est, in coniugio vivere …«. Auch im Examen der zweiten Visitation lautete die erste Frage des Komplexes zur Lebensführung des Amtsträgers: »An habeat uxorem« (vgl. Burkhardt, Geschichte, 142 Anm. 1). 76 Vgl. Karant-Nunn, Pastors, 24. Diese Abordnungen sind wohl nur bedingt als Realisierung des allgemeinen Priestertums zu werten. Obwohl die Gemeindeglieder auch über die Predigten ihrer Pfarrer befragt wurden (vgl. z.B. Pallas, Registraturen II/3, 68), fungierten sie doch vor allem als Zeugen für den Lebenswandel ihrer Geistlichen. Vgl. etwa Melanchthons Schreiben an Mykonius vom 23.11.1530 (CR 2, 445 f [MBW 1104]): Er wünsche in der Verhandlung der Absetzung des Pfarrers von Nottleben »tanquam testes aut spectatores aliquos ex rusticis« anwesend. 77 Vgl. Oediger, Bildung, 132–137. Vgl. auch Luthers Kritik an den zu geringen Anforderungen an die Weihekandidaten, wie er sie z.B. 1530 in seiner Vermahnung an die Geistlichen formulierte (WA 30 II, 332, 11–15).
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auch aufgrund des durch Meßstiftungen ständig wachsenden Bedarfs an Klerikern die Fähigkeit des Messelesens notgedrungen als ausreichend angesehen.78 Vor diesem Hintergrund sind die zahlreichen Bitten um Prediger zu sehen, die an die Wittenberger gerichtet wurden. Hierbei dürfte neben dem dominierenden Interesse an der neuen Lehre auch die akademische Bildung der Kandidaten als solche eine Rolle gespielt haben.79 Die unabdingbare Untadeligkeit bezüglich Leben und rechter Lehre beschreibt die Anforderungen an den Aspiranten eines kirchlichen Amtes noch nicht umfassend. Je nach den Erfordernissen der Stelle oder der Eigenart des Kandidaten konnten auch andere Charakteristika wie beispielsweise eine längere Erfahrung oder ein stilles Wesen hervorgehoben werden.80 Vor allem waren bestimmte Attribute selbstverständlich vorausgesetzt, ohne daß sie eigens genannt werden mußten. So konnten die Gemeinden davon ausgehen, daß die ihnen empfohlenen Kandidaten männlichen Geschlechtes waren und über die für das Amt erforderlichen anatomischen Fähigkeiten wie etwa eine tragende Stimme verfügten.81 Andererseits war der Zölibat ebenso selbstverständlich keine Bedingung mehr. Ausführlich ist nun zu untersuchen, wie sich die Priesterweihe in dieses Bild fügt. c. Zur Frage der Ordination als Voraussetzung des kirchlichen Amtes (1) Die Irrelevanz des Weihestatus für die Berufungsfähigkeit der Kandidaten Anhand welcher Kriterien die Reformatoren in der Zeit der Visitationen über die Eignung der Kandidaten für ein kirchliches Amt befanden, wurde im letzten Abschnitt gezeigt. Dabei fällt auf, daß niemals erwähnt wird, ob die betroffenen Personen im Besitz der Priesterweihe waren. Obgleich das 78
Vgl. Oediger, a.a.O., 93. Zu bemerken ist, daß tatsächlich immer die Gelehrsamkeit und nicht wie in späterer Zeit häufig die evangeliumsgemäße Lehre betont wird. Daß die empfohlenen Kandidaten für die in Wittenberg gelehrte Theologie standen, wurde natürlich vorausgesetzt, aber die Abgrenzungen späterer Jahre finden sich noch nicht. 80 Die Erfahrung betont Luther z.B. an den Rat von Zerbst am 20.10.1523 (WA.B 3, 181, 6 f Nr. 677), den stillen Charakter an den Rat von Mühlhausen am 8.8.1526 (WA.B 4, 107, 8 Nr. 1031) und beides an Kurfürst Johann am 27.10.1527 (a.a.O., 274, 10–13 Nr. 1163). Daß die sonst nicht begegnende Betonung eines ruhigen Wesens als Gegensatz zu den aufrührerischen Geistern des Bauernkrieges aufzufassen ist, ergibt sich aus den Daten und Adressaten der letzten beiden Briefe. 81 Vgl. zu diesen beiden Voraussetzungen v.a.WA 8, 497, 19–498,14 und dazu Brunotte, Amt, 191–199. Auf einer anderen Ebene ist die Frage angesiedelt, ob es sich bei den Kandidaten um Christen handelte. Das auf Taufe und Glaube fußende allgemeine Priestertum ist zwar in Luthers Konzeption für den Amtsträger vorausgesetzt. Doch der Glaube der Christen ist verborgen und von außen nicht überprüfbar, und die gültige Amtsausübung hängt sowenig an dem persönlichen Glauben wie an der persönlichen Würdigkeit. Vgl. a.a.O., 191 f. 79
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vermutlich für die große Mehrzahl der empfohlenen Kandidaten galt, wie noch zu zeigen sein wird, spielte dieser Umstand für ihre Empfehlung keine Rolle. Dafür sind zwei Erklärungen denkbar. Entweder könnten die Reformatoren die Priesterweihe trotz ihrer theologischen Kritik an ihr als selbstverständliche Voraussetzung für die Übernahme eines kirchlichen Amtes betrachtet haben. Dann war es unnötig, sie überhaupt zu erwähnen. Oder es war irrelevant, ob der Kandidat geweiht war. Auch dann gab es keinen Grund, sie in Empfehlungsschreiben zu erwähnen. Es liegen eindeutige Hinweise darauf vor, daß die zweite Erklärung zutrifft. Solche Hinweise sind in erster Linie dort zu finden, wo Ungeweihte für die Ausübung eines kirchlichen Amtes in Aussicht genommen werden oder ein solches bereits ausüben. Am 15. Juni 1524 gratuliert Melanchthon dem Altenburger Prediger Wenceslaus Linck zum dortigen neuen Schulmeister Dietrich Reysmann. Er verbindet dies mit der eindringlichen Warnung davor, Reysmann neben seiner Lehrtätigkeit predigen zu lassen. Er selbst habe ihm wegen seiner Jugend das Predigen verboten, denn er halte es für gefährlich, dem Magister die sacra anzuvertrauen, und für frevlerisch, die Schuljungen zu vernachlässigen.82 Aus dem Duktus des Briefes geht hervor, daß dem Humanisten vor allem daran gelegen ist, daß der Schule das ihr gebührende Gewicht zukommt und der begabte junge Magister nicht durch andere Aufgaben von seinem eigentlichen Wirkungsfeld abgehalten wird.83 Deshalb versucht Melanchthon zu verhindern, daß Reysmann Aufgaben des kirchlichen Amtes übertragen werden. Dabei verweist er zwar darauf, daß jener für die sacra zu jung sei, aber auffälligerweise nicht auf den Umstand, daß er nicht geweiht war. Wäre für die Aufgaben, von denen Melanchthon Reysmann fernhalten wollte, die Priesterweihe eine notwendige Voraussetzung gewesen, hätte der Reformator sicher darauf verwiesen, daß der junge Mann ungeweiht war. Einen ähnlichen Fall bilden die Verhandlungen über die Wiederbesetzung der Lochauer Pfarrstelle im Jahr 1528, die stattfanden, nachdem der bisherige Pfarrer gestorben war. Die Gemeinde wählte ihren Schösser Thomas Windisch zum neuen Pfarrer und präsentierte ihn dem Kurfürsten. Dieser hatte keine Einwände, forderte allerdings, daß sich Windisch einer Prüfung 82 Vgl. CR 4, 953 f (MBW 327). Laut Suppl. Mel. VI, 1, 243 hatte sich Reysmann 1520 in Heidelberg, 1521 in Wittenberg immatrikuliert, wo er auch am 5.3.1523 zum Mag. art. promoviert wurde, nachdem er während der Wittenberger Unruhen kurz nach Heidelberg zurückgekehrt war. Vgl. a. Bossert, Reysmann. 83 Melanchthons Befürchtung sollte sich bewahrheiten, denn zwei Jahre später schreibt er an den inzwischen dort als Pfarrer wirkenden Georg Spalatin, er habe Reysmann geraten, wieder an die Schule zurückzukehren. Inzwischen war dieser also anders eingesetzt worden. Vgl. CR 1, 794 f (MBW 460) vom 14.4.1526. Der Hintergrund des Briefes ist offenbar ein Streit zwischen Spalatin und Reysmann (vgl. CR 1, 800 mit 3, 1270 [MBW 469]).
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durch Luther und Melanchthon unterziehen sollte.84 Die Gemeinde bat daraufhin Luther um die Bestätigung, ohne auf den Schriftverkehr mit Johann dem Beständigen zu verweisen. Luther erklärte sich für nicht zuständig und verwies seinerseits die Vertreter der Gemeinde an den Kurfürsten.85 Parallel dazu versuchte er, Johann davon zu überzeugen, daß statt Windischs der aus Österreich nach Wittenberg geflohene Michael Stifel zumindest für eine Übergangszeit die Pfarrstelle erhalten sollte, damit der begabte Kopf im Lande gehalten werden konnte.86 Luther setzte sich durch; es kam somit nicht zur Berufung Windischs. Bezeichnend ist jedoch, daß sich der Reformator in seinem Bemühen für Stifel nicht das Argument zunutze machte, daß Windisch nicht geweiht war. In dieselbe Richtung weist ein weiterer Fall. Luther setzte sich Anfang der dreißiger Jahre beim Kurfürsten mehrfach dafür ein, daß der Not leidende Leisniger Diakon Valentin Paceus eine finanzielle Unterstützung erhielt, obschon er sicher nicht geweiht war.87 Für den Reformator stellte dieser Umstand also offenbar kein Problem dar; sonst hätte er ihm nahegelegt, einem anderen Erwerb nachzugehen. Während der Visitation 1555 wurden die kirchlichen Amtsträger des Kurkreises nach ihrer Ordination gefragt. Die Antworten lassen in einzelnen Fällen darauf schließen, daß die Wittenberger Reformatoren aktiv daran beteiligt waren, daß Ungeweihte in kirchliche Ämter gelangten. Der Schwanebecker Pfarrer Andreas Trebitz gab an, er sei von Justus Jonas um 1532 auf die Lübnitzer Pfarrstelle gesandt worden, nachdem er zuvor in seiner Heimatstadt Belzig als Schulmeister und Stadtschreiber gewirkt habe. Eine Ordinationsregelung habe es damals noch gar nicht gegeben.88 Daß Trebitz nicht ordiniert 84
Vgl. Johann der Beständige an Luther vom 7.9.1528 (?) WA.B 4, 551, 4–11 Nr. 1319. Vermutlich besaß der Kurfürst das Patronatsrecht für Lochau. Die Visitationsakten sind hier unvollständig. Vgl. Burkhardt, Geschichte, 30. Nicht zuletzt Luthers Reaktion auf die Forderung des Kurfürsten spricht dagegen, dass sich die Kandidaten eines kirchlichen Amtes grundsätzlich einer Prüfung durch die Reformatoren zu unterziehen hatten. Vgl. u. S. 129. 86 Vgl. Luther an Johann den Beständigen vom 3.9.1528 WA.B 4, 546 Nr. 1315. Der Kurfürst reagierte auf Luthers Vorschlag reserviert, denn er hatte seinen Amtmann bereits angewiesen, Windisch zum Examen nach Wittenberg zu senden. Stifel möge deshalb auf eine andere Stelle vertröstet werden (a.a.O., 551 vom 7.9.1528 Nr. 1319). Dennoch befindet sich Stifel wenige Wochen später bereits in Lochau (vgl. a.a.O., 584 Luther an Stifel vom 16.10.1528 Nr. 1337). Vgl. zu Stifel Kawerau, Stiefel, 24–28. Thomas Windisch wurde am 30.4.1542 zum Pfarrer in Treben ordiniert. Er war bis zu diesem Zeitpunkt Schulmeister in Lochau (vgl. WOB 394). 87 Vgl.WA.B 6, 378, 6 f Nr. 1968 vom 18.10.1532, wo Luther außerdem auf ein früheres Gespräch in dieser Angelegenheit verweist, und a.a.O., 431 f Nr. 2000 vom 9.3.1533. Paceus wurde nach Grünberg, Pfarrerbuch II, 1, 203 1505 geboren. 1525 immatrikulierte er sich in Wittenberg, wo er 1528 zum Magister promoviert wurde. Nach einer kurzen Tätigkeit als Schulmeister in Herzberg kam er 1530 nach Leisnig (vgl. WA.B 6, 379 f Anm. 1). 88 Vgl. Müller, Kirchen- und Schulvisitationen, 201 (zu Schwanebeck): »Pfarrer Andreas Trebitz von Beltzik, ein wolgeschikter man, jn die 66 jar alt. Ist 16 jar vff dieser pfarr gewesen vnnd zuuor siben jar zur Lübnitz, dohin geschikt von Justo Jona one die offentliche ordination, 85
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war, wird durch eine andere Beobachtung bestätigt: Während bei den älteren Pfarrern alternativ zu Ort und Jahr der evangelischen Ordination die Daten der Priesterweihe vermerkt wurden,89 fehlt eine solche Angabe bei Trebitz. Für den Kurzlipsdorfer Pfarrer Johann Willicko wird 1555 keine Weihe notiert. Dies allein könnte ein Versehen der Visitatoren sein. Doch sie vermerkten, daß er 1528 aus Wittenberg gekommen und ehemaliger Augustinereremit sei.90 Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er deshalb mit dem »Fr. Casperus Williken« identisch, der sich 1520 als Laienbruder in Wittenberg immatrikulierte.91 Es ist aber kaum denkbar, daß ein Wittenberger Augustiner in den zwanziger Jahren noch die Priesterweihe empfing. Auch Willicko wurde also wohl als Ungeweihter von Wittenberg aus in ein kirchliches Amt vermittelt. Kann somit davon ausgegangen werden, daß überhaupt ungeweihte kirchliche Amtsträger durch Wittenberger Vermittlung in ihre Ämter gelangten, könnte auch »M. Pfauhener« aus Priorau, zu dem weder Weihe noch Ordination, wohl aber dessen frühere kirchliche Stellen registriert sind, zu ihnen gehört haben.92 Aus den besprochenen Fällen ergibt sich der Eindruck, daß die Priesterweihe für die Wittenberger Professoren Luther, Melanchthon und Jonas keine notwendige Bedingung für die Berufung in ein kirchliches Amt darstellte. Deshalb findet sie in ihren Empfehlungsschreiben praktisch keine Erwähnung. Es ist anzunehmen, daß die Zahl der in den Jahren bis 1535 berufenen ungeweihten Amtsträger größer ist als in den Quellen greifbar. Gleichwohl deutet sich in der geringen Zahl der belegten Fälle an, daß die große Mehrheit der ersten Generation der evangelischen Amtsträger im Besitz der Priesterweihe war. Daß dies auch durchaus im Sinne der Reformatoren war, wird im übernächsten Abschnitt zu zeigen sein. die dazumal noch nit angericht war, als ehr ettlich jar in patria Schulmeister vnd Stadtschreiber gewesen war.« Leider finden sich zu Lübitz keine Aufzeichnungen über die Visitationen von 1530 und 1534. Vgl. a.a.O., 221. Daß der Ort nicht visitiert wurde, ist wegen der Nachbarschaft zum Amtshauptort Belzig unwahrscheinlich. Trebitz hatte sich 1507 in Wittenberg immatrikuliert (vgl. Foerstemann, Album I, 24) und offenbar seit seinem Studium als Schulmeister gewirkt. Unter ›Sendung‹ dürfte hier die Bestätigung der Berufung durch den zuständigen Visitator verstanden sein. Eine nachträgliche Ordination hat es nicht gegeben, wie das Wittenberger Ordiniertenbuch zeigt. 89 Das galt selbst für Joachim Pfuhl, der wie Trebitz eine Wittenberger Referenz in Form ein Empfehlungsschreibens Luthers vorweisen konnte. Dies wurde sogleich in die Visitationsprotokolle kopiert (vgl. WA.B 4, 545 Nr. 1314) und zusätzlich seine Weihe registriert (vgl. Pallas, Registraturen II/3, 629). 90 Vgl. Pallas, Registraturen II/1, 473 (Kurzlipsdorf ): »Pfarrer herr Johann Willicko, von Kunnigsberg in der neuen mark burtig, … ist zuvor im Augustiner closter zu Witteberg und 27 iar uf dieser pfarr gewesen, ein man uber die 50 iar alt«. 91 Vgl. Foerstemann, Album I, 96: »Fr. Casperus Williken augustinianus Caminen. dioc. de monte regio«. 92 Vgl. Pallas, Registraturen II/2, 217.
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(2) Die Aussagen der Reformatoren zur Abendmahlssverwaltung durch Ungeweihte Die Priesterweihe war also für die Wittenberger Reformatoren keine notwendige Voraussetzung für die Übernahme eines kirchlichen Amtes. Nicht nur heutigen Interpreten, sondern auch Zeitgenossen stellte sich im konkreten Fall daraufhin die Frage: War ein ungeweihter Amtsträger zu allen Aufgaben des kirchlichen Amtes einschließlich der Abendmahlsverwaltung befugt? Luther hatte diese Frage 1523 in der Schrift De instituendis ministris ecclesiae bereits bejaht. Dabei hatte er betont, daß für die Abendmahlsverwaltung keine anderen Voraussetzungen galten als für das kirchliche Amt überhaupt. Möglicherweise weil der Anstoß, der in diesem Standpunkt lag, zu groß war, vielleicht auch, weil die Schrift an die Böhmen weniger verbreitet war als andere Schriften, erhielten die Reformatoren Anfang der dreißiger Jahre zwei Anfragen, die sich auf die Abendmahlsverwaltung durch Ungeweihte bezogen. Der erste zu behandelnde Brief, der an Johann Sutel, ist häufig zur erwähnten Frage herangezogen worden. Es wird sich allerdings zeigen, daß er zur Klärung weniger beiträgt als zwei Briefe Melanchthons, die bisher in der Forschung völlig übersehen wurden.93 (a) Die Empfehlung der evangelischen Ordination. Luthers Brief an Johann Sutel in Göttingen (1531). Am 1. März 1531 schrieb Luther einen Brief an den evangelischen Prediger Johann Sutel an St. Nikolai in Göttingen.94 Diesem Brief zufolge hatte der junge Magister gefragt, ob er als Ungeweihter das Abendmahl verwalten solle.95 Der Reformator gab ihm daraufhin die Empfehlung, sich unter bestimmten Voraussetzungen von den anderen kirchlichen Amtsträgern mit Gebet und Handauflegung öffentlich in der Kirche ordinieren zu lassen und damit »ein Zeugnis« (testimonium) sowie die Autorität zur Abendmahlsverwaltung zu empfangen. Auf den ersten Blick liegt die Schlußfolgerung nahe, daß Luther die Ordination als eine notwendige Voraussetzung für die Verwaltung des Abendmahls ansah. Der Brief ist denn auch immer wieder als Beleg für diese These
93 Nachdem ich selbst hier fündig geworden war, stieß ich auf einen kurzen Hinweis auf die Briefe bei Flemming, Enders 17, 239 f. 94 Vgl. WA.B 6, 43 f Nr. 1787; bes. 44, 15–20: »Hoc [sc. die mangelnde Bereitschaft der Göttinger, ihre kirchlichen Amtsträger angemessen zu entlohnen] non est serio euangelium quaerere. Quare de hoc quod petis, an coenam Domini non rasus neque unctus debeas tractare, nihil respondere possum. Nam si nihil serium ibi fuerit, vellem te, ut hactenus, abstineres; si vero serium fuerit, tum publice coram altari a reliquis ministris cum oratione et impositione manuum testimonium accipies et autoritatem coenae tractandae. Sed parce brevitati!« 95 Luther gibt die Frage Sutels wahrscheinlich inhaltlich zutreffend wieder, auch wenn die Formulierung »non rasus neque unctus« wohl auf ihn zurückgeht (vgl. etwa WA.B 5, 700, 14 Nr. 1762 vom 16.12.1530).
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herangezogen worden.96 Da sich andere vergleichbare Aussagen bei Luther nicht finden, kommt der Interpretation dieses Briefes große Bedeutung zu. Leider drückt sich der Reformator sehr verkürzt aus und bezieht sich nur undeutlich auf die Verhältnisse in Göttingen. Deshalb ist zunächst ein Blick auf den Kontext des Schreibens notwendig. Sutel war am 9. September 1530 vom Rat der Stadt Göttingen zum Prediger an St. Nikolai berufen worden.97 Einer Notiz, die Sutel anläßlich seiner Berufung ausfertigte, ist zu entnehmen, daß er mit der Verkündigung und Sakramentsverwaltung an der drittgrößten Kirche der Stadt beauftragt war.98 Der unmittelbare Anlaß des Schreibens an den jungen Prediger bestand in der Übersendung der im Februar in Wittenberg gedruckten Göttinger Kirchenordnung an den dortigen Rat. Luther gab dem Boten einen Brief an den Rat99 und einen an Sutel mit. Das wichtigste Thema in beiden Schreiben ist die Kritik daran, daß der Rat evangelische Amtsträger nicht angemessen entlohne.100 Diese Verärgerung wirkt sich auch auf den Teil des Briefes aus, in dem Luther die Frage Sutels bezüglich der Ordination beantwortet. Er macht seinen Rat von der Haltung der Göttinger abhängig. Wenn sie, wie er offenbar vermutet, gar nicht ernsthaft nach dem Evangelium trachten,101 soll Sutel sich 96 Vgl. z.B. Clemen, WA.B 6, 44 Anm. 9; Lieberg, Amt, 184 f. 231; Stein, Amt, 192; Lindbeck, Rite vocatus, 462. 97 Vgl. zur Situation in Göttingen Schäfer, Priestertum, 152–157. 98 Vgl. das Faksimile der Berufungsurkunde bei Städtisches Museum Göttingen, 450 Jahre, 26: »Ich Johann Sutell bekenne mit dieser meiner eigen Handschriefft, nachdem mich die Christliche gemein der pffarkirchen Sanct Niclas zu Gottingen, vor einen Diener des gotlichen [Ergänzung am Rand: worts] vnd der Sacramenten habenn angenommen, das ich mich mit der gesunden, reynen leer, den dienern gotlichs worts tzu Wittenberg, vnd Brunßwig in allen dingen vorgliechen, vnd dem Superintendenten, wer er auch ist, gehorsam sein will[,] Wo es aber sache were, das ich mich nit der gesunden reynen leer, vnd on ergerlichts lebens befleyßen wurde, da Gott vor sey, als dan solle die gemeine mir nach der tzeith lonen, dancken, vnd ein anderen on alle vorhinderung vnd mein einredde, an meine stadt antzunemen macht haben, sollichs festiglich vnnd vnuerrucklich tzuhalten, vorsprech vnd betzeug ich mit eigner handt.« 99 Vgl. WA.B 6, 42 f Nr. 1785 vom 1.3.1531. 100 Der Hintergrund für den Ärger Luthers waren seine vergeblichen Bemühungen, Basilius Schumann nach Göttingen zu vermitteln (WA.B 6, 43, 4–9). Schumann lehnte das zunächst auf ein Jahr befristete Angebot von 60 fl. ab (vgl. a.a.O., 43 Anm. 2). Ein Chronist des späten 16. Jahrhunderts gibt an, Sutel habe sich mit 40 fl. begnügen müssen. Vgl. Lubecus, Bericht, 29. Tatsächlich war der finanzielle Spielraum des Göttinger Rates dadurch begrenzt, daß Herzog Erich von Calenberg-Göttingen das Patronat für sämtliche Pfarrstellen der Stadt innehatte und den gegen die Reformation eingestellten Pfarrern ihre Pfründen beließ, obwohl ihnen die Ausübung ihres Amtes verwehrt war. Vgl. Schäfer, a.a.O., 156. 101 So deutet die Stelle auch Clemen, WA.B 6, 44 Anm. 9 gegen Enders 8, 368 Anm. 5 und Drews, WA 38, 408, die »si nihil serium ibi fuerit« auf das Gewicht beziehen, daß die Göttinger der Ordination beilegen. Doch »serio euangelium quaerere« und »si nihil serium ibi fuerit« beziehen sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf denselben Sachverhalt. Dann kann es in beiden Fällen nur um das ernsthafte Trachten nach dem Evangelium gehen, das in der angemessenen Besoldung der Prediger seinen Ausdruck finden soll.
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›wie bisher enthalten‹ (»vellem te, ut hactenus, abstineres«). Die entscheidende Frage für die Interpretation ist nun, welches Objekt hier zu ergänzen ist. In der Forschung ist für die Priesterweihe,102 die evangelische Ordination103 und für die Abendmahlsverwaltung104 plädiert worden. Die ersten beiden Möglichkeiten können ausgeschlossen werden, deshalb spricht alles für die dritte, obwohl auch sie Schwierigkeiten bereitet. Der Bezug auf die Priesterweihe und der auf die Ordination scheitern beide am Adverb hactenus. Wollte Luther sagen, daß sich Sutel weiter der Priesterweihe enthalten sollte, würde er voraussetzen, daß sich der Göttinger Prediger für ihren Empfang entscheiden konnte. Das war aber aufgrund der kirchenpolitischen Lage ausgeschlossen.105 Bezöge sich Luther hingegen auf die evangelische Ordination in der von ihm vorgeschlagenen Form, würde er davon ausgehen, daß Sutel bereits diesen Weg erwogen hatte. Doch der Ratschlag bezieht sich allem Anschein nach nicht auf Bekanntes, sondern stellt eine dem Göttinger Prediger bisher unbekannte Alternative vor.106 Deshalb kann sich das Verb abstinere sinnvoll nur auf die Abendmahlsverwaltung beziehen. Der Sinn der Empfehlung wäre dann, daß Sutel auch weiterhin nicht das Abendmahl verwalten sollte, wenn die Göttinger es, so wie es den Anschein hatte, mit dem Evangelium nicht ernst meinten. Gegen diese Interpretation ist eingewandt worden, daß sich Sutel unmöglich bis zum Zeitpunkt seiner Anfrage an Luther der Abendmahlsverwaltung hatte enthalten können.107 In der Tat schloß sein Amt diese Aufgabe mit ein.108 Ob Sutel dieses Amt allerdings ungehindert wahrnehmen konnte, geht aus den Quellen nicht hervor; seine Anfrage an Luther deutet jedenfalls darauf hin, daß die Legitimität seiner Amtsausübung in Frage gestellt wurde. Deshalb ist durchaus denkbar, daß in St. Nikolai auch nach der Berufung eines evangelischen Predigers zunächst nur Predigtgottesdienste abgehalten wurden. Ob es sich in Göttingen tatsächlich so verhielt, ist im übrigen von nachgeord102
Vgl. Enders 8, 368 Anm. 5. Vgl. Schäfer, a.a.O., 163. 104 Vgl. Lieberg, a.a.O., 184 f; Stein, a.a.O., 192; Clemen, WA.B 6, 44 f Anm. 9. 105 Dieses Argument hat auch Bestand, wenn man – entgegen der sonst von Luther vorgenommenen strikten Unterscheidung zwischen Weihe und evangelischer Ordination – die Bemerkung so verstehen wollte, daß Sutel sich künftig der Ordination so enthalten solle, wie er dies bisher hinsichtlich der Weihe getan habe. 106 In der Tat hatte Luther von einer evangelischen Ordination bisher nur Jahre vorher in der Schrift an die Böhmen geschrieben. Die frisch gedruckte Göttinger Kirchenordnung sah keine bestimmte Form für die Einsetzung von kirchlichen Amtsträgern vor. Vgl. EKO VI/2, 909: »Von bestellynge unde annemynge guder prediger: Wy willen alle parre erlich mit guden predigern, eyne jowelke besundern, bestellen. Mit der arbeit schulle se sick medenander sülvest vorlyken. Ock willen wy jowelkem predigere eyne themelyke wonynge unde erlyke erholdynge bestellen.« Zu Bugenhagens Braunschweiger Kirchenordnung, auf der die Göttinger fußt, vgl. u. S. 159. 107 Vgl. Schäfer, a.a.O., 156–159. 108 Das geht nicht zuletzt aus seiner Berufungsurkunde hervor. Vgl. o. Anm 98. 103
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III. Wittenbergs Rolle bei der Besetzung von kirchlichen Ämtern
neter Bedeutung. Entscheidend für die Hypothese ist, daß Luther in diesem Glauben sein konnte.109 So läßt sich denken, daß er aufgrund der Anfrage den Eindruck gewann, Sutel habe bisher keine Abendmahlsfeiern gehalten.110 Der Reformator rät dem Göttinger Prediger also, sich für den Fall ordinieren zu lassen, daß er künftig das Abendmahl verwalten werde. Der Schluß liegt nahe, Luther erhebe somit die Ordination zur Voraussetzung für die Abendmahlsverwaltung. Doch dieser Schluß greift zu kurz. Luther macht nämlich nicht die Verwaltung des Abendmahl vom Empfang der Ordination, sondern beides vom evangelischen Ernst der Göttinger abhängig. Seine Empfehlung wäre demnach sinngemäß folgendermaßen so zu paraphrasieren: »Du fragst, ob du als Ungeweihter das Abendmahl verwalten sollst. Grundsätzlich würde ich dir raten, dich mit Gebet und Handauflegung ordinieren zu lassen. Wenn die Göttinger aber, wie mir scheint, nicht ernsthaft am Evangelium interessiert sind, solltest du weder das Abendmahl feiern noch dich ordinieren lassen.« Aus dem Brief geht hinsichtlich der Ordination also lediglich hervor, daß Luther sie für empfehlenswert, nicht jedoch, daß er sie für notwendig hält. Dafür, daß er dies nicht tut, spricht folgende Überlegung: Luther beantwortet die Anfrage derartig knapp, daß er sich zu einer Entschuldigung veranlaßt sieht.111 Gleichwohl kündigt er keine ausführlichere Behandlung des Themas an. Der Reformator konnte aber kaum erwarten, daß Sutel allein auf seine knappe Empfehlung gestützt seine Ordination in Göttingen in die Wege leiten würde. Mehr als ein Indiz kann diese Überlegung indes nicht sein. 109 Daß Luther kaum genaue Kenntnisse über den Hintergrund der Anfrage hatte, legen die unbestimmten Formulierungen seines Briefes nahe. 110 Schäfer, a.a.O., 159 hält eine derartige Annahme für »abwegig und absonderlich«. Zugegebenermaßen läßt sie sich nicht beweisen. Demgegenüber kann seine eigene Interpretation des Briefes an Sutel eindeutig widerlegt werden. Schäfer bezieht abstinere nicht auf das Abendmahl, sondern auf eine »nachträglich[e] gottesdienstlich[e] Ordinationshandlung«, nach deren Wichtigkeit Sutel gefragt habe (ebd.). Der im Hintergrund stehende Konflikt hat sich ihm zufolge nicht an der fehlende Weihe, sondern am Vorwurf entzündet, Sutel hege ein zwinglisches Abendmahlsverständnis (vgl. a.a.O., 161–163). Dieser habe also danach gefragt, ob er sich seine »Rechtgläubigkeit« durch die Handauflegung der anderen Amtsträger bestätigen lassen solle. Gegen Schäfers These sprechen gewichtige Argumente. Erstens gibt es für solche Zweifel an Sutels Abendmahlstheologie nicht den geringsten Anhalt in den Quellen. Hätte es sie dennoch gegeben, wäre die Bezeichnung »Rechtgläubigkeit« dafür, der Wittenberger Theologie anzuhängen, umso mehr anachronistisch. Zweitens hätte es einer öffentlichen Disputation und nicht eines Berufungsritus bedurft, um die Fronten zu klären. Drittens kann Sutel, wie bereits begründet wurde, kaum nach einer evangelischen Ordination mit Gebet und Handauflegung gefragt haben. Viertens wäre vor dem Hintergrund seiner sonstigen Polemik auffällig, daß Luther einen Konflikt, der sich auf die Präsenz Christi im Abendmahl bezöge, nicht beim Namen nennte. Entscheidend ist aber, daß – fünftens – die Wiedergabe der Frage Sutels (an coenam Domini non rasus neque unctus debeas tractare) schlechterdings nicht mit der Rekonstruktion Schäfers vereinbar ist, denn die Formulierung non rasus neque unctus bezieht sich eindeutig auf die Priesterweihe und nicht auf einen noch ausstehenden Bestätigungsakt durch die anderen Amtsträger. Kurz, Schäfers Interpretation ist nicht haltbar. 111 Vgl. WA.B 6, 44, 20.
2. Wittenberg und die Berufung kirchlicher Amtsträger 1525–1535
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Der Eindruck, daß für Luther zwischen der Abendmahlsverwaltung und der Ordination ein besonders enger Zusammenhang bestehe – enger etwa als der zwischen Predigt und Ordination –, täuscht offenbar. Er entsteht vor allem durch die Frage Sutels. Wenn sie prinzipiell gemeint gewesen war, hat Luther in seinem Schreiben keine befriedigende Antwort gegeben. Hinsichtlich der Form und der Bedeutung der Ordination enthält der Brief nichts, was über frühere Äußerungen des Reformators hinausgeht. Allerdings muß noch gefragt werden, warum Luther ausgerechnet jetzt zur evangelischen Ordination riet. Zwar war das Thema durch die Anfrage Sutels vorgegeben. Angesichts des jahrelangen Schweigens über die eigene Ordinationspraxis stellt sich dennoch die Frage, ob sich die Rahmenbedingungen für eine evangelische Ordination verändert hatten. Und tatsächlich hatte Luther bereits wenige Monate zuvor in einem anderen Brief die Einführung eines solchen Ritus angekündigt. Wie bei dessen Interpretation zu zeigen sein wird, ist dieser Brief wie der an Sutel vor dem Hintergrund der gescheiterten Einigungsbemühungen auf dem Augsburger Reichstag 1530 zu sehen, wodurch die Frage der Ordination viel von ihrer kirchenpolitischen Brisanz verloren hatte.112 Peter Manns hat versucht, seine Deutung des Briefes an Sutel, wonach für Luther die Abendmahlsverwaltung notwendig die Ordination voraussetzt, durch dessen Stellungnahmen zur Frage einer Abendmahlsfeier im Rahmen der Familie oder unter heimlich zusammenkommenden evangelischen Christen zu stützen. Der Reformator lehnt solche Abendmahlsfeiern in der Tat durchweg ab. Der Grund dafür liegt jedoch nicht im Amtsverständnis, sondern vor allem113 im von Christus intendierten öffentlichen Charakter des Herrenmahls. Der Reformator beruft sich dafür auf die Rede vom Gedächtnis Christi in 1. Kor 11, 26, das er als die öffentliche Verkündigung dessen Todes versteht.114 Daß hierin der ausschlaggebende Grund für Luthers Ablehnung liegt, sieht auch Manns, baut aber dennoch auf ihr seine Behauptung auf, »daß [nach reformatorischer Überzeugung] der Amtsdiener die ›autoritas coenae tractandae‹ erst durch die öffentliche Ordination ›cum oratione et impositione manuum‹ der übrigen Amtsdiener empfing, so daß grundsätzlich nur der ordinierte Diener des Amtes zur Spendung der Eucharistie befähigt und berechtigt war«.115 Den Wechsel in das Amtsthema vollzieht er dadurch, daß bei ihm die sich versammelnde Gemeinde als der Ort des Gedächtnisses116 völlig von der Gesamtkirche, die der ordinierte Amtsträger repräsentiert, verdrängt wird. So spricht er vom »Öffentlichkeitscharakter der 112
Vgl. WA.B 5, 700 Nr. 1762 vom 16.12.1530 und dazu u. S. 146 f. Daß dabei auch die Furcht vor ›schwärmerischen‹ Konventikeln – und das schließt für Luther alle Vertreter eines symbolischen Abendmahlsverständnisses ein – eine wichtige Rolle spielte, zeigen außer dem zweiten in der nächsten Anmerkung zitierten Schreiben bzgl. Matthes Lotthers besonders die Briefe an Freunde in Augsburg vom 3.1.1532 WA.B 6, 244 f Nr. 1894 und vom 21.7.1533 a.a.O., 508 f Nr. 2039. 114 Vgl.WA.B 7, 339, 21–27 Nr. 2281 vom 30.12.1535 und a.a.O., 366, 31–47 Nr. 2296 vom 11.2.1536. 115 Manns, Amt, 86. Vgl. die Behandlung von Luthers Äußerungen zur Hauskommunion a.a.O., 68–83. Ganz ähnlich argumentiert Kühn, Luthers Zeugnis, 152. 116 Vgl. WA.B 7, 366, 40: »wir sollen zusammenkommen«. Ähnlich a.a.O., 339, 25. 113
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III. Wittenbergs Rolle bei der Besetzung von kirchlichen Ämtern
Eucharistie als der allein von der Kirche zu begehenden und zu bekennenden ›Memoria‹ des Herrentods«.117 Luthers Sicht entspricht dies nicht.
(b) Die Approbation eines ungeweihten Pfarrers. Melanchthons Brief an Spalatin in Altenburg (1532). Etwa anderthalb Jahre nach Luthers Brief an Sutel beantwortete Melanchthon im Namen aller vier Wittenberger Reformatoren die Frage, ob einem ungeweihten kirchlichen Amtsträger die Verwaltung der Sakramente gestattet werden solle.118 In diesem Fall kam die Anfrage aus dem ernestinischen Territorium selbst, nämlich vom Altenburger Superintendenten Georg Spalatin.119 Aus Melanchthons Brief läßt sich erschließen, daß Spalatin einen Mann namens Bonaventura, der zu diesem Zeitpunkt ein kirchliches Amt in der Nähe Altenburgs wahrnahm, nach Wittenberg gesandt hatte. Die Reformatoren sollten beurteilen, ob Bonaventura für ein kirchliches Amt geeignet war. So 117 A.a.O., 78.82 (Hervorhebung M.K.). Eine ähnlich gravierende Fehldeutung unterläuft ihm a.a.O., 77, wenn er Luthers Vorschlag an Hans Honold, »wo es sein kunnt, ob etwa ein Städtlin oder Dorflin in der Nache wäre, da man unser [sc. lutherisches] Sacrament reichet, daß Ihr’s daselbst holet« (WA.B 6, 508, 26 f Nr. 2039 vom 21.7.1533), als »eindrucksvolle[n] Beweis für Luthers ungebrochenes Sakraments-Verständnis« dahingehend interpretiert, die Augsburger sollten das Sakrament anschließend zu Hause konsumieren. Luther meint aber, daß die Evangelischen in der benachbarten Kirche kommunizieren sollen. Denn zum einen kann das Abendmahl unter beiderlei Gestalt schon aus praktischen Gründen nicht »ganz auf der Linie der katholischen Krankenkommunion oder des Viaticums« (a.a.O., 78) behandelt – d.h. transportiert – werden. Das haben die besorgten altgläubigen Vertreter des Vierzehnerausschusses im August 1530 in Augsburg gesehen, als sie für den Fall einer Zulassung des Abendmahls sub utraque die Bedingung stellten, daß Kranken entweder nur eine Gestalt gereicht werden oder die Konsekration auf einem transportablen Altar in den Häusern geschehen solle (vgl. Foerstemann, Urkundenbuch II, 252 Nr. 152). Zum anderen bezieht sich bei Luther das Kriterium der Öffentlichkeit nicht nur auf die Konsekration, sondern auf die gesamte Feier des Abendmahls. Deshalb würde auch eine Hauskommunion ohne Konsekration von seiner Kritik an Konventikeln getroffen werden. Manns übersieht zwei wichtige Details. Erstens enthält Luthers Ratschlag noch eine weitere Empfehlung; nämlich – als zweitbeste Lösung, zu der er mit den Worten »wo das nicht, und Ihr’s wogen wollt« (WA.B 6, 508, 27 f ) überleitet – die Möglichkeit der Hauskommunion; sie aber schließt die Konsekration gerade ein. Zweitens ist bedeutsam, daß in Honolds Anfrage ein amtstheologischer Aspekt enthalten war, Luther diesen aber bewußt nicht berücksichtigt. Er referiert zwar die Frage, ob ein Hausabendmahl zulässig sei, »sonderlich so es die reichen, so da lehren oder im Ampt zuvor gewest seind« (a.a.O., 18 f ), geht aber auf diesen Punkt mit keinem Wort ein. 118 Vgl. CR 2, 573 f (MBW 1279): »Audivimus Bonaventuram tuum, Ionas, Pomeranus et ego. Postea etiam cum Luthero deliberavimus, utrum permittenda sit ei administratio sacramentorum, cum non sit initiatus more veteri. Postquam autem intellexit Lutherus, hunc diu iam tractasse sacramenta, eamque rem nihil habituram offensionis, iubet ei committi ecclesiolam, si mores tibi probentur. Doctrina etsi nequaquam est perfecta, tamen videtur isti loco utcunque par esse. Vellemus tamen, te audire eum concionantem. Nam in concione videntur illi [mit MBW-T5, 343; CR: isti] illiterati plus valere quam in disputatione, ubi pugnantes sententiae conferendae et explicandae sunt subtilius. Ego eum praecipue propter facundiam et profectus spem probavi.« Der Brief ist nach MBW auf den September 1532 zu datieren. 119 Die von Melanchthon nach Rücksprache mit seinen Kollegen formulierte Antwort ist deshalb mehr als ein bloßer Ratschlag, sondern eher im Sinne einer Anweisung zu verstehen.
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prüften Jonas, Bugenhagen und Melanchthon zunächst seine theologischen Fähigkeiten.120 Anschließend berieten die drei zusammen mit Luther, ob Bonaventura die Sakramentsverwaltung erlaubt werden dürfe, obwohl er nicht geweiht sei. Luther ließ sich die näheren Umstände berichten und entschied, daß dem Prüfling eine kleine Gemeinde übertragen werden solle: Bonaventura habe bereits seit langem die Sakramente verwaltet. Dies werde, wenn sein Lebenswandel untadelig sei, auch künftig keinen Anstoß erregen.121 Nachdem er von Luthers Entscheidung berichtet hat, kommt Melanchthon auf das Ergebnis der theologischen Lehrprüfung zu sprechen. Auch wenn Bonaventuras Lehre keineswegs vollkommen sei, scheine er für die ihm zugedachte Gemeinde tauglich zu sein. Die im Examen geforderte Fähigkeit zur theologischen Disputation war in den Augen der Reformatoren weniger wichtig als die Eignung zur Predigt. So sollte Bonaventura vor Spalatin eine Probepredigt halten, aufgrund derer der Altenburger Superintendent endgültig über die Zulassung zum vorgesehenen Amt zu entscheiden hatte. Was ergibt sich damit für die Ausgangsfrage, ob der ungeweihte Bonaventura die Sakramente verwalten dürfe? Offenbar wurde Luther zum zweiten Teil des Gesprächs, das dieser Frage galt, eigens hinzugezogen. Demnach hätten die Reformatoren dem Thema erhebliches Gewicht beigemessen. Dazu steht in Spannung, daß Luthers Antwort ganz fallbezogen bleibt. Obwohl die Frage nach der Sakramentsverwaltung durch einen Ungeweihten über die Anstellung Bonaventuras hinaus prinzipielle Bedeutung hatte,122 beschränkte sich Luther – zumindest nach Melanchthons Wiedergabe – auf den konkreten Fall. Dadurch gerät das amtstheologische Problem aus dem Blickfeld, während die Frage nach der fachlichen Eignung und der Akzeptanz in der Gemeinde in den Vordergrund rücken. Dennoch ist implizit eine Antwort auf Spalatins Frage im Brief enthalten. Die Weihe ist in den Augen der Reformatoren keine notwendige Voraussetzung für die Verwaltung des Abendmahls. Anderenfalls wäre Bonaventuras bisheriges Wirken verurteilt worden und ihm hätte keine neue Gemeinde übertragen werden dürfen.
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Zur Praxis der theologischen Lehrprüfung vgl. den folgenden Abschnitt. Zwar läßt sich allein aufgrund der Formulierung »ei ecclesiolam commiti« nicht entscheiden, ob Bonaventura gerade eine neue Gemeinde übernehmen sollte oder ob das Fortwirken auf seiner bisherigen Stelle in Frage stand. Da es sich bei dem Geprüften jedoch um Bonaventura Sülzfleisch handeln muß, der 1532 Pfarrer in Niederwiera wurde (vgl. Flemming, Nachweis, 541), muß ersteres der Fall sein. Dafür spricht auch, daß Spalatin zu jener Zeit nicht als Visitator tätig war (Burkhardt, Geschichte, 102), so daß der Status Bonaventuras nicht im Rahmen der Visitation zum Problem geworden sein kann. 122 Kaum zufällig richtete Spalatin deshalb bald darauf eine ähnliche Frage an Melanchthon, die keinen aktuellen Anlaß erkennen läßt. Sie wird im Anschluß behandelt. 121
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III. Wittenbergs Rolle bei der Besetzung von kirchlichen Ämtern
Auffällig ist, daß in Melanchthons Brief nicht wie in Luthers Brief an Sutel die Alternative eines evangelischen Ordinationsritus ins Spiel gebracht wird. Warum dies nicht geschieht, wird durch das gleich zu behandelnde Schreiben deutlich werden. In jedem Fall bestätigt dieser Umstand die These, daß die evangelische Ordination in den Augen der Reformatoren nicht einen Ersatz für die Weihe darstellen sollte. Nun könnte gerade mit Hinweis auf den Brief an Sutel eingewandt werden, daß Luther und Melanchthon in ihrer Haltung zur Ordination differierten und letzterer die Sicht seines Kollegen nicht korrekt wiedergibt. In der Tat gab es Differenzen zwischen beiden, doch betrafen sie nicht diesen Punkt.123 Hätte Luther nämlich im Gegensatz zu seinem Kollegen die Ordination als notwendig angesehen, wäre Spalatins Anfrage vermutlich nicht von Melanchthon allein, sicherlich aber mit anderen Worten beantwortet worden. Kurz, weder Weihe noch Ordination waren für die Wittenberger Reformatoren notwendige Voraussetzungen für die Ausübung des kirchlichen Amtes unter Einschluß der Sakramentsverwaltung. (3) Der Vorzug geweihter Kandidaten und das Problem einer evangelischen Ordination. Melanchthons Brief an Spalatin in Altenburg (1533) Obwohl die Wittenberger Reformatoren keine theologischen Bedenken gegen die Ausübung des kirchlichen Amtes durch Ungeweihte hegten, lassen sich aus ihren Empfehlungsschreiben nur wenige tatsächliche Fälle dieser Art rekonstruieren. In aller Regel waren die Kandidaten offenbar geweiht und hatten als Priester gewirkt. War dieser Proporz gewollt oder aus der Not geboren? Melanchthon äußert sich dazu in einem Schreiben an Spalatin, das zu Beginn des Jahres 1533 entstanden sein dürfte.124 123 Wie erst im nächsten Abschnitt gezeigt wird, waren sich die beiden offenbar darin uneinig, ob die Zeit für eine allgemeine Einführung evangelischer Ordinationen reif sei. Möglicherweise liegt hierin auch die Erklärung dafür, daß Luther nach der Eignungsprüfung zum Gespräch der anderen Reformatoren hinzugezogen wurde. Das ist auffällig, da die Frage, ob einem Ungeweihten die Sakramentsverwaltung erlaubt werden könne, kaum erstmals 1533 zur Entscheidung stand. Ferner hat mit Sicherheit ein Dissens zwischen Melanchthon und Bugenhagen über die Einführung einer evangelischen Ordination bestanden, denn der Pommer hatte einen solchen Schritt in der Hamburger und in der Lübecker Kirchenordnung bereits vollzogen. Es wäre also denkbar, daß die Prüfung Bonaventuras für die Reformatoren zum Anlaß wurde, das Für und Wider einer Ordinationsordnung für Kursachsen zu verhandeln. 124 Vgl. CR 2, 695 (MBW 1310): »Noster hic mos fuit hactenus, initiatos praeferre , non solum quod populus libentius utitur initiatis, sed etiam quod illorum necessitati consulendum est. Neque enim fere aliis rebus ullis idonei sunt. At si sunt literati, facile inveniunt scholas, sin autem sunt illiterati, et ambiunt sacra ministeria, odio digni sunt. Optarim igitur te quoque, quantum res sineret, praeferre initiatos. Nec est opus huc mittere . Satis est eos a vobis, hoc est, cuiusque loci visitatoribus audiri et approbari, nec ad eam rem opus esse puto adhuc quidem publicis ceremoniis. Temporis ea in re habenda est ratio.« Die Tatsache, daß der Reformator im Brief unvermittelt auf das Thema zu sprechen kommt – der zitierte Abschnitt folgt direkt auf die Anrede des Briefes –, spricht dafür, daß er auf eine Frage
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Melanchthon stellt eingangs fest, daß in Wittenberg bisher der Brauch bestanden habe, geweihte Kandidaten den ungeweihten vorzuziehen,125 und legt die Gründe dafür dar. Nicht nur seien sie beim Volk beliebter, das genannte Vorgehen sei auch wegen ihrer – vermutlich wirtschaftlichen – Not angezeigt, denn sie eigneten sich kaum zu anderen Dingen. Dann führt der Reformator Argumente gegen die Ungeweihten ins Feld. Seien sie gebildet (literati), könnten sie leicht eine Anstellung in Schulen finden (inveniunt facile scholas). Seien sie dagegen ungebildet und bewürben sich nur aus Habgier um die heiligen Ämter, verdienten sie Ablehnung. Der Reformator wünscht sich deshalb, daß auch Spalatin soweit möglich die Geweihten vorziehe. In Melanchthons Aussagen spiegeln sich vermutlich eigene Erfahrungen wider. Daß ein ungeweihter kirchlicher Amtsträger bei Gemeindegliedern, die durch die hergebrachte Auffassung vom Pfarramt geprägt waren, zum Stein des Anstoßes werden konnte, liegt auf der Hand.Wenn der Reformator daneben auf die soziale Lage der noch im alten System Geweihten verweist, hat das einen realen Hintergrund: Wittenberg war seit Jahren eine Anlaufstelle für Kleriker gewesen, die ihre bisherige Wirkungsstätte aufgrund ihrer evangelischen Überzeugung freiwillig oder unfreiwillig verlassen hatten und jetzt brotlos waren. Auch Melanchthons Vorbehalte gegen ungeweihte Amtsträger hatten wohl Anhalt an den tatsächlichen Verhältnissen. Es ist denkbar, daß den einen oder anderen Handwerker oder Bauern das Pfarramt seines Dorfes auch wegen der damit verbundenen Pfründe reizte, ohne daß er den Aufgaben, die er damit auf sich nahm, gewachsen war. Melanchthons Bedenken gegenüber den ungeweihten literati mögen dadurch verstärkt worden sein, daß sich das Täufertum in Thüringen in jenen Jahren auch durch ungeweihte Wanderprediger verbreitete.126 Wie dem auch sei – von Bedeutung für unsere Frage ist lediglich, daß die Vorzüge geweihter Kandidaten in seinen Augen nicht theologischer, sondern pragmatischer Natur sind. Deshalb steht in keinem Gegensatz, daß des Altenburger Superintendenten antwortet. Vermutlich hatte dieser zum im letzten Abschnitt behandelten Schreiben bezüglich der Anstellung Bonaventuras eine Rückfrage gestellt. Da die Wittenberger nur den Einzelfall entschieden hatten und der Kandidat bereits früher ein kirchliches Amt innegehabt hatte, war für Spalatin offen, wie sie grundsätzlich beurteilten, daß Ungeweihte mit dem kirchlichen Amt betraut wurden. 125 Melanchthon benutzt in diesem Brief konsequent initiari / und deren Derivate, um die Geweihten und Ungeweihten zu bezeichnen. Am treffendsten wären die Verben mit ›einweihen‹ zu übersetzen. Dieser Sprachgebrauch findet sich auch sonst bei Melanchthon. Dahinter steckt vermutlich die Neigung des Humanisten, antike Begriffe zu benutzen. Später kann er ihn auch auf die evangelische Ordination beziehen (vgl. etwa CR5, 186: 126 Die Anfänge des Täufertums im hessisch-thüringischen Grenzgebiet verbinden sich vor allem mit dem Namen Melchior Rinck. In Wittenberg war die unzutreffende Ansicht verbreitet, er sei nicht geweiht und früher Schulmeister gewesen. Vgl. u. S. 239 Anm. 126.
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die Reformatoren einerseits soweit wie möglich auf ehemalige Priester zurückgriffen und andererseits die Priesterweihe für irrelevant erklärten.127 So wird auch die Fortsetzung des Briefes verständlich. In scheinbarer Spannung zu seiner gerade ausgesprochenen Empfehlung gibt Melanchthon Anweisungen, wie Spalatin verfahren soll, wenn trotzdem Ungeweihte in kirchliche Ämter berufen werden. Es sei nicht nötig, daß man sie nach Wittenberg schicke, um sie – so ist wohl zu ergänzen – wie Bonaventura durch die Reformatoren examinieren zu lassen. Vielmehr reiche die Bestätigung durch den zuständigen Visitator.128 Vor allem aber fügt Melanchthon noch einen weiteren Punkt hinzu. Er sei der Ansicht, daß auch öffentliche Zeremonien aus Anlaß einer solchen Berufung nicht vonnöten seien. Mit den publicae ceremoniae kann nur die Ordination gemeint sein. Hatte Melanchthon im Falle Bonaventuras gar nicht die Möglichkeit einer Ordination erwogen, so rät er nun ausdrücklich davon ab. Aufschlußreich ist die Begründung, die er für den Verzicht auf die Ordination anführt: Es müsse auf ›die Zeit‹ Rücksicht genommen werden (»Temporis ea in re habenda est ratio«). Offenbar bezieht er sich damit auf die kirchenpolitische Lage, genauer auf die Situation nach dem gescheiterten Augsburger Reichstag. Im nächsten Kapitel wird deutlich werden, daß Luther in den frühen dreißiger Jahren keinen Grund mehr sah, um einer künftigen Einigung mit Rom willen weiterhin auf eigene Ordinationen zu verzichten. Melanchthon dagegen hatte dieses Ziel keineswegs aufgegeben. Evangelische Ordinationen mußten ihm deshalb inopportun erscheinen. Daß er hier seine eigene Meinung wiedergab, die nicht von allen Wittenbergern geteilt wurde, macht das Verb des Satzes deutlich: Er sehe die Dinge so (puto). (4) Fazit Zusammengenommen bestätigen die behandelten Briefe Luthers und Melanchthons, was sich aus ihrem Verhalten in den zahlreichen Besetzungsangelegenheiten bereits nahelegt hatte: Obwohl sie nach Möglichkeit auf geweihte Kandidaten zurückgriffen, setzte die Ausübung des kirchlichen Amtes unter Einschluß der Abendmahlsverwaltung in den Augen der Reformatoren weder die Priesterweihe noch eine evangelische Ordination mit Gebet und Handauflegung voraus. Gleichzeitig zeigen alle drei Briefe, daß in Wittenberg 127 In einer handschriftlichen Notiz hat Luther etwa um die Zeit, als der Brief Melanchthons an Spalatin entstanden sein dürfte, den folgenden Satz vermerkt: »Aptior est vocationi non unctus quam unctus, quia purius est Christianus quam ille, qui fidit in hominibus.« (vgl. u. S. 150). Dabei handelt es um einen Spitzensatz aus den Vorarbeiten zu einer Streitschrift. Die Reformatoren haben bei der Auswahl von Kandidaten, wie wir sahen, anders verfahren. Der Satz unterstreicht jedoch, daß ihr Verhalten nicht theologisch motiviert war. 128 Die Visitatoren blieben auch nach Beendigung der Visitation für ihren Sprengel zuständig. Vgl. u. S. 130 f Anm. 175.
3. Die theologische Lehrprüfung
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Anfang der dreißiger Jahre Überlegungen über eine allgemeine Ordinationsregelung angestellt wurden.
3. Die theologische Lehrprüfung Mit der Aufwertung der Predigt durch die Reformatoren gewann auch die theologische Bildung der kirchlichen Amtsträger an Bedeutung. Dies zeigte sich in Wittenberger Empfehlungsbriefen ebenso wie in der Beteiligung der Universität bei der Ordination Georg Rörers. So war die Ordnung der theologischen Lehrprüfung eine dringliche Aufgabe. Zwar hatte auch das Weiheverfahren ein Examen umfaßt. Doch dieses Verfahren war den evangelischen Kandidaten inzwischen verschlossen und hätte ohnehin den Ansprüchen der neuen Zeit nicht mehr genügt. Hatte doch der hohe Bedarf an Altaristen dazu geführt, daß zumeist nur noch die Fähigkeit, das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis lesen zu können, sowie rudimentäre Lateinkenntnisse verlangt wurden.129 Eine allgemein verbindliche Lehrprüfung setzte die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse im Zuge der Visitationen ab 1527 voraus. Die Visitatoren prüften nicht nur die Lehre und Lebensführung aller kirchlichen Amtsträger, sondern regelten auch, wie ein solches Examen bei künftigen Neubesetzungen zu geschehen habe. Im Kontext unserer Untersuchung ist vor allem von Interesse, bei welcher Gelegenheit, wo und durch welche Instanzen die Prüfungen geschehen sollten. Denn als 1535 die Ordination in Kursachsen verbindlich geregelt wurde, wurde ihr ein Examen durch die theologische Fakultät Wittenberg vorgeordnet. Um ermitteln zu können, was 1535 tatsächlich verändert wurde und welche Motive dabei leitend waren, muß der status quo ante möglichst genau bestimmt werden. Wie sich zeigen wird, gab es vom Beginn der Visitationen bis 1535 keine eindeutige Regelung der Lehrprüfung.
129 Vgl. etwa in der Prüfungsordnung von Havelberg (1471): »Primo legat orationem dominicam, Credo in deum, et queratur, an credat omnes articulos fidei. Item examinetur in Donato et in declinando infrascriptos et in casibus. Si sciat, admittatur. Si omnio sciat, reiciatur. Si vero modicum sciat et fuerit spes de profectu, iniungatur sibi strictissime, quod diligenter addiscat, et facto per eum de hoc promisso admittatur« (Schnell, Unterrichtswesen, 59) und dazu Oediger, Bildung, 83 f.
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III. Wittenbergs Rolle bei der Besetzung von kirchlichen Ämtern
a. Die Regelungen in Dokumenten der ersten Visitation (1) Die Vorschläge des Friedrich Mykonius nach der Tenneberger Visitation (Anfang 1526) Auf der Grundlage der Instruktion Kurfürst Johanns vom 16. Juni 1527130 wurde in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre fast das gesamte ernestinische Territorium visitiert.131 Die Anfänge dieser Visitation reichen in die Zeit vor der Instruktion zurück. Es waren die Visitationen, die Anfang 1526 unter der theologischen Leitung Georg Spalatins im Amt Borna und Friedrich Mykonius’ im Amt Tenneberg vor den Toren Gothas durchgeführt wurden132 und auf gesonderte nur jeweils auf ein Amt bezogene Befehle des Kurfürsten zurückgingen.133 Durch sie sollten möglicherweise für das weitere Vorgehen erste Erfahrungen gesammelt werden.134 Mykonius fügte seinem Visitationsbericht ein Consilium an, in dem er Empfehlungen für das weitere Vorgehen aussprach. Dabei ging er mehrfach auf die Frage der Lehrprüfung ein. Seine Vorschläge sind von einer bemerkenswerten Klarheit, die einen auffälligen Kontrast zur tatsächlichen Entwicklung der folgenden Jahre bildet. Mykonius forderte, die von ihm ausführlich protokollierten Visitationsexamina sollten regelmäßig wiederholt werden. So könne jedwedes ›Schwärmertum‹ bald beruhigt werden. Untaugliche müßten mit einer angemessenen Abfindung ihrer Ämter enthoben werden.135 Mykonius dachte über den Horizont der Visitationsaufgabe hinaus und behandelte auch die Frage, wie künftig die Besetzung von Pfarr- und Predigtstellen geschehen sollte. Zunächst sollte dem Befehl Jesu zufolge darum gebetet werden, daß der Vater Arbeiter in seine Ernte sende.136 Sodann sollte die Obrigkeit als Förderin des Guten zur Besserung des Volkes nach geschickten Predigern zu suchen und diese nach einem Examen in die Gemeinden senden. Ob sie im Besitz der Priesterweihe seien, sei dabei unerheblich.137 Mykonius verhehlt nicht, wie radikal ein solches Vorgehen 130
Vgl. EKO I, 142–148 und dazu Krumwiede, Entstehung, 71–91. Zur Übersicht vgl. immer noch Burkhardt, Geschichte, 102. 132 Vgl. a.a.O., 10–14 und zu Tenneberg Herrmann, Kirchenvisitationen, 179–191. Ein Zusammenhang mit Luthers Briefen an Johann vom 31.10. und vom 30.11.1525 (WA.B 3, 595 f, bes. 56–67; 628 f Nr. 937.950) ist wahrscheinlich. Bereits Anfang 1525, also noch zu Lebzeiten Friedrichs des Weisen, hatte Jakob Strauß in der Eisenacher Umgebung auf Befehl Johanns visitiert. Vgl. a.a.O., 167–179. 133 Vgl. im Bericht des Mykonius bei Drews, Bericht, 5 f. 134 Vgl. Herrmann, a.a.O., 167 u.ö. 135 Vgl. Drews, a.a.O., 13 f. 136 Vgl. a.a.O., 13. Mt 9, 37 sollte später auch eine prominente Rolle in den Ordinationsformularen Bugenhagens und Luthers spielen. 137 Vgl. ebd.: »Weil die Oberkeit ein dinerin ist und forderin der guten zu allen gut, der guten aber einigs gut, das sie gut macht, ist Gottes wort, sol sie ire ambt brauchen, fleissig sich got dorzu brauchen lassen, das gottes wort gefordert were, und wu die Oberkeit erforschen kan, do geschikt, 131
3. Die theologische Lehrprüfung
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wäre. Er legt dem Kurfürsten nahe, die Besetzung der kirchlichen Ämter nach dem Vorbild König Joschafats (2. Chr 19) an sich zu reißen. Adel, Amtleute, Schösser, Bürgermeister und Ratsherren sollten nicht mehr an der Besetzung beteiligt werden, da ihnen zumeist jegliches Verständnis für das Evangelium fehle.138 Ein Präsentationsrecht der Patrone hätte so nicht mehr bestanden; das Konfirmationsrecht unter Einschluß des Examens wäre auf den Kurfürsten übertragen worden. Damit wäre die Notwendigkeit einer theologischen Lehraufsicht entstanden. In auffälliger Nähe zu den grundlegenden Dokumenten der folgenden Visitation, der Instruktion des Kurfürsten und Melanchthons Unterricht der Visitatoren, sah Mykonius zwei Ämter dafür vor. Zum einen sollten die kirchlichen Amtsträger durch eine vom Kurfürsten für jedes Amt zu bestimmende Person beaufsichtigt und unterrichtet werden.139 Dieses hier noch nicht benannte Amt entspricht etwa dem des mit den Visitationen eingeführten Superintendenten. Zum zweiten schlug Mykonius vor, ein oder zwei Männer zu bestimmen, die das gesamte Kurfürstentum unaufhörlich visitieren sollten.140 Einerseits deuten sich in den Vorschlägen des Mykonius bereits die Wege an, die bei der allgemeinen Visitation gegangen wurden. Andererseits wird sich im folgenden zeigen, daß entgegen den radikalen Ideen des Gothaers bestehende Rechtsverhältnisse soweit wie möglich unangetastet blieben. Die Unklarheiten, die sich dadurch ergaben, treten vor seinem Consilium als Folie deutlich zu Tage. Doch auch im Ratschlag des Mykonius wurde nicht gesagt, wem die Lehrprüfung obliegen sollte, wenn eine Stellenbesetzung nicht im Rahmen der Visitation erfolgte. Die beiden Visitatoren wären dafür aufgrund ihrer dauernden Reisetätigkeit nicht in Frage gekommen. So blieben nur die Superintendenten oder eine erst zu schaffende zentrale Instanz. Zwischen diesen beiden Alternativen schwanken die Quellen der folgenden Jahre. (2) Die Lehrprüfung in den Bestimmungen der ersten Visitation (1527–29) Die Grundlage für die allgemeine Visitation des Kurfürstentum seit 1527 bildete Melanchthons Unterricht der Visitatoren. Die Pfarr- oder Predigerstellenbesetzung wird im Abschnitt über das Amt des Superintendenten geregelt.141 Es wird verfügt, daß der Patron den Kandidaten zu einem Verhör gelert, gotfortig, verstendigk, tuchtig leut weren, die andere Christum leren und zeigen konden, die solten sie herfur zihe, inen befehl thun, sie senden, von gottes wegen, und solche arme leutlein durch solche leren laß, unangesehen, das sie nit von pischoffen geschmirt werden. Die solt man auch fur examiniren, ob sie auch tuchtig weren, Christum zu predigen.« 138 Vgl. a.a.O., 15. 139 Vgl. a.a.O., 13. 140 Vgl. a.a.O., 14. 141 EKO I, 171. Eine entsprechende Regelung findet sich in der Instruktion vom Juni 1527 noch nicht, obwohl das Amt des Superintendenten schon festgeschrieben war. Vgl. a.a.O., 146.
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über Lehre und Leben zum Superintendenten senden soll. So soll verhindert werden, daß ein Ungelehrter oder Ungeschickter das Volk verführe. Dies sei in jüngster Zeit des öfteren geschehen, deutet der Text an.142 Der Inhalt eines solchen Examens wird nicht näher bestimmt; Melanchthon wird es sich analog zu den Examina während der Visitation vorgestellt haben, die die Superintendenten in ihrer Eigenschaft als Pfarrer ihrer Parochie über sich selbst ergehen lassen mußten. Auffälligerweise sieht der Unterricht keine Regelung hinsichtlich der Einsetzung kirchlicher Amtsträger vor. Diese Lücke paßt dazu, daß Melanchthon bis in die dreißiger Jahre der Einführung einer evangelischen Ordination skeptisch gegenüber stand.143 Vermutlich ist für den Reformator mit dem Erhalt der Patronatsrechte und der Einführung des Examens durch den Superintendenten das Wesentliche gesagt. Eine detaillierte Regelung der vocatio und electio, wie sie später in den Kirchenordnungen Bugenhagen begegnet, hätte den angestammten Rechtsverhältnissen gerade nicht Rechnung getragen.
Obwohl der Unterricht der Visitatoren in seiner Regelung der Lehrprüfung eindeutig ist, gehen andere Quellen im Gegensatz dazu von einem zentralisierten Examen aus. Der älteste Beleg findet sich in einem Text, der Die artikel der visitation so der ritterschaft und dem adel befoln mit ernst darob zu handeln 1528 überschrieben ist und aus Spalatins Nachlaß stammt.144 Hier heißt es unter Punkt elf, Ritter und Adel sollten, »[w]enn die pfarrlehen verledigt, die priester gin hof presentiren, dieselben, ob sie dazu tuchtig, zuverhoren«. Es wird zwar beteuert, der Kurfürst wolle dem Adel das »lehen recht« nicht nehmen, aber Punkt zwölf stellt klar, Adel und Ritterschaft sollte »[s]onst auch kein geistlich lehen mer verleihen, es sei dan zuvor unserm genedigsten herrn angezeigt«. Von dieser Stelle abhängig ist der 19. Punkt eines Befehls an die Stadträte von 1529145 ebenso wie der diesbezügliche Abschnitt der nicht datierten Visitationsartikel an Adel und Pfarrer.146 Gedacht ist in allen Fällen Zum Wechsel der synonymen Bezeichnungen ›Superintendent‹ und ›Superattendent‹ bis ins 17. Jh. vgl. Pallas, Superintendenturen, 103 Anm. 1. 142 Sperl, Amtslehre, 61 sieht hierin einen Hinweis auf konkrete ohne die notwendige Sorgfalt erfolgte Berufungen. Der Text macht allerdings eher den Eindruck, auf den Lesern bekannte Geschehnisse anzuspielen. So ist eher an einen generellen Verweis auf das ›Schwärmertum‹ zu denken. 143 Konkreter läßt sich diese Beobachtung nicht fassen. Sperl, a.a.O., 61 Anm. 59 schließt aus der Tatsache, daß »Melanchthon [im Unterricht der Visitatoren über eine gottesdienstliche Ordination] schweigt«, darauf, daß das rite vocatus in CA 14 die Frage nach der Notwendigkeit einer solchen bewußt offenlasse, und weist so die Kritik bei Lieberg, Amt, 335 an Maurer u.a. zurück. Demgegenüber ist – trotz der berechtigten Kritik an Liebergs Interpretation von CA 14 – Vorsicht geboten. Denn wir befinden uns in einer Zeit, als auch Luther noch keine Bestrebungen erkennen ließ, daß auch anderenorts evangelische Ordinationen durchgeführt würden, wie er selbst sie praktizierte. 144 A.a.O., 175 (Text 5a). 145 A.a.O., 176 (Text 5b). 146 A.a.O., 177 (Text 5c).
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offensichtlich daran, das Präsentationsrecht bei den Inhabern des Patronats zu belassen, das Examen und die Konfirmation, die bisher dem Bischof zustand, hingegen an den kurfürstlichen Hof zu übertragen.147 Diese Regelung steht in offensichtlichem Widerspruch zu Melanchthons Unterricht. Wie ist der Befund zu erklären? Hinsichtlich der Provenienz der letztgenannten Texte sind zwei Beobachtungen wichtig. Zum einen sind sie sämtlich nur in Spalatins Nachlass überliefert. Zum anderen bauen sie wesentlich auf der kurfürstlichen Instruktion auf.148 Einiges spricht dafür, daß es sich dabei um Texte aus Spalatins eigener Feder oder zumindest aus seinem Umfeld handelt. Sollte ihre Intention sein, die Regelung des Unterrichts offiziell zu korrigieren, müßten die Durchführungsbestimmungen mindestens so klar sein wie in Melanchthons Werk. Das ist aber nicht der Fall. Zum einen bleibt undeutlich, wer das Examen durchführen sollte. Der naheliegende Gedanke, daß die Kandidaten dem Hof in Torgau zu präsentieren wären, steht dazu in Spannung, daß Spalatin selbst einige Männer zu den Theologen nach Wittenberg sandte, wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird. Außerdem fehlen in den Texten Angaben darüber, welche Personengruppe sich diesem Examen zu unterziehen hat.149 Deshalb handelt es sich bei den drei Quellen wohl nicht um offizielle Regelungen, sondern um Anweisungen, die verschiedenen Personengruppen beim Abschluß der Visitation schriftlich oder mündlich ans Herz gelegt wurden.150 In ihnen setzte Spalatin das zentrale Examen als verbindlich voraus. Möglicherweise handelte es sich dabei um seinen eigenen Plan aus den Anfängen der Visitation in Altenburg. Dort hatten er und seine Mitarbeiter sich auch in anderen Fragen nicht nur an die vorher festgelegten Aufgaben gehalten.151
147 Rietschel, Luther, 62 erblickt hier keine Übertragung des bischöflichen Bestätigungsrechts an den Hof, wofür er auf die Beteuerung in den Texten verweist, man wolle »durch solche Prüfung durchaus nicht die Gerechtsame des Lehnherrn beeinträchtigen«. Diese bestand aber lediglich im ius praesentandi, wie besonders in dem unter Anm. 1 zitierten Dokument aus der zweiten Visitation zum Ausdruck kommt. Vgl. zum Thema Oediger, Bildung, 90 f. 148 Vgl. Sehling, EKO I, 48 f. 149 Es wäre beispielsweise sinnvoll gewesen, Bewerber, die an ihrem bisherigen Wirkungsort bereits durch die Visitatoren geprüft wurden, von dieser aufwendigen und teuren Prozedur zu befreien. 150 So auch Sehling, ebd. Drews, Ordination, 83 f, der die ersten beiden Texte übersehen hat, sieht in den Visitationsartikeln »so … zum abschiede denen vom adel sampt iren pfarherrn und underthanen gegeben« (Text 5c), die er irrtümlich unter der Überschrift von 5b liest, einen bloßen Entwurf Spalatins. Dies ist jedoch wegen des dreimaligen Vorkommens der Bestimmung und des Titels von 5c ausgeschlossen. 151 Vgl. dazu Höss, Spalatin, 319–338. Für diese Interpretation spricht auch ein im nächsten Abschnitt zu behandelnder Brief Spalatins an Melanchthon.
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Die behandelten Schriftstücke erwecken den Eindruck, als sei zur Zeit der ersten Visitation nicht für das ganze Kurfürstentum eindeutig geregelt gewesen, wie und wo die Lehrprüfung kirchlicher Amtsträger geschehen sollte. Es muß nun untersucht werden, ob und wie sich diese Unklarheit auch in konkreten Fällen niedergeschlagen hat. b. Die Praxis der Lehrprüfung in der Zeit der Visitationen Im Kurkreis wurde offenbar kein allgemeines zentrales Examen praktiziert. Dennoch wird in vier Parochien bestimmt, daß sich die Kandidaten eines kirchlichen Amtes bei künftigen Besetzungen einer Lehrprüfung in Wittenberg zu unterziehen hätten. In zwei dieser Fälle handelt es sich dabei um Universitätslehen, so daß die durch die theologische Fakultät durchzuführenden Examina lediglich im Rahmen des Patronatsrechtes zu sehen sind.152 In den anderen beiden Fällen wird eine Prüfung durch den Wittenberger Pfarrer vorgeschrieben. Die genauen Hintergründe lassen sich nicht mehr erhellen. Daß es sich dabei aber um besonders motivierte Einzelfälle handeln muß, zeigt sich daran, daß in einem Fall nur der Kaplan, nicht jedoch der Pfarrer in Wittenberg verhört werden soll. Möglicherweise hatte es Konflikte um die Besetzung der betreffenden Stellen gegeben.153 Ebenfalls ein Sonderfall ist die Anordnung der meißnischen Visitatoren vom 17. Mai 1529, der Leisniger Pfarrer solle von einem eigens aus dem kurfürstlichen Amtmann, dem Rat und einigen Vertretern der Gemeinde zu bildenden Gremium gewählt und anschließend durch den Kurfürsten geprüft und bestätigt werden, denn sie wird ausdrücklich mit dem andauernden Zwist mit dem Abt von Buch begründet. Der Patronat der Pfarrstelle soll zwar de iure unangetastet bleiben, doch dem Kloster wird nur noch die Bestätigung
152 Vgl. Pallas, Registraturen II/2, 302 (Schmiedeberg): »Der zukunftige pfarrer soll bei der universitet zu Wittemberg, die weil die pfarr sunst von der universitet und zuvor vom capitel vorliehen, erbeten, der caplan aber, desgleichen coadiuvant [sc. für die Schule] durch den pfarrer und rat zugleich angenommen werden.«; a.a.O., II/6, 4 (Schlieben): »Den prediger soll der probst aufzunemen haben, doch also, wenn man einen neuen annimbt, das derselb zuvor gein Wittemberg geschickt werde und von den professoribus theologice facultatis, Doctore Martino und andern, vorhort.« 153 Zu Bitterfeld, wo der Kurfürst die Patronatsrechte innehatte, findet sich der Eintrag: »Ein pfarrer sol einen caplan, den er zuvor zu Wittenberg durch den probst oder pfarrer soll verhoren lassen, ufnemen und doch solchs mit vorwissen der vorsteher des gemeinen kastens thun« (a.a.O., II/2, 6). In Petersroda soll künftig der »edelmann [Georg Spiegel] einen [Pfarrer] anneme[n] und dem pfarrer zu Wittemberg furstelle[n], damit er examinirt werde …« (a.a.O., II/2, 179). – Vermutlich steht auch hinter der singulären Bestimmung, daß der Pfarramtskandidat von WildenauWercho dem Kurfürsten zu präsentieren war, ein lokaler Konflikt: »Wenn der pfarrer stirbt, soll ein ander durch den edelman und die gemein erwelet und unserm gnedigsten hern umb erkundung willen seiner geschicklickeit zu besteten presentiert werden« (a.a.O., II/3, 650).
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der kurfürstlichen Entscheidung zugestanden, die andernfalls trotzdem ihre Gültigkeit haben soll.154 Wenige Tage nach Beginn der Visitation in Thüringen155 wandte sich Kurfürst Johann mit der Bitte an Luther, den von diesem selbst für die Pfarrstelle in Rädigke vorgeschlagenen Veit Randewich zu prüfen, denn er wisse nicht, »wie derselbig Priester itzt zur Zeit, sint das gottlich Wort so hell und scheinbarlich ans Tag kommen, in demselben geschickt und erfahren«. Luther solle ihm anschließend entweder das mitgesandte Bestätigungsschreiben aushändigen oder es im negativen Fall bei Gelegenheit an den Kurfürsten zurücksenden.156 Den Plan, bei der Visitation jeden Pfarrer dahingehend zu prüfen, ob seine Fähigkeiten den Ansprüchen der neuen Zeit genügen, setzt der Kurfürst bei einer Neubesetzung in seiner Patronatskirche damit bereits in die Tat um. Daß diese Anordnung tatsächlich auf den Patronatsrechten für Rädigke beruht, ergibt sich daraus, daß von der Prüfung die Bestätigung abhängig gemacht wird.157 Eine derart konsequente Neuordnung der Lehraufsicht blieb ein Einzelfall. Schon während der Entstehung des Unterrichts der Visitatoren kam es zu einer ersten Prüfung. Ein aus diesem Zusammenhang stammender Brief Melanchthons an Georg Spalatin läßt vermuten, daß ihre Vorstellungen über die Organisation des Examens differierten. Spalatin hatte Caspar Rudolf, den er als Kandidaten für die Diakonenstelle in Weida vorgesehen hatte, nach Jena geschickt, wohin die Universität wegen der Pest umgezogen war. Obwohl er inzwischen den durch die Lehrtätigkeit überlasteten Melanchthon als Visitator abgelöst hatte,158 ging er offenbar davon aus, daß ein Examen durch die Universität erforderlich sei. Melanchthon antwortete daraufhin am 15. Oktober 1527, er habe Rudolf, obwohl er ihn schon aufgrund der Empfehlung Spalatin für geeignet halte, noch einmal geprüft, so daß auch er ihn dem Weidaer Pfarrer Gülden empfehlen könne.159 Damit läßt Melanchthon den Altenburger wissen, daß das Examen vor Ort ausreicht. Das bedeutet aber umgekehrt, daß Melanchthon in Übereinstimmung mit dem in der Entstehung Begriffenen Unterricht diese Aufgabe dem Visitatoren oder – nach 154
Vgl. Kawerau, Briefwechsel I, 126 Nr. 137. Vgl. Burkhardt, Geschichte, 18. 156 Vgl. den Brief vom 22.7.1527 WA.B 4, 223 Nr. 1123. 157 Die Bezeichnung ›Präsentation‹ im Schreiben des Kurfürsten ist allerdings nicht sinnvoll, da die Kandidaten ja nicht mehr den Bischöfen präsentiert werden. Luthers Bestätigung des Kandidaten entspräche eher der bischöflichen Konfirmation. 158 Vgl. Burkhardt, Geschichte, 22. 159 Vgl. CR 1, 895 (MBW 603): »Misi cum meis ac tuis literis Casparem Rudolfum in oppidum Weidam, quod faustum felixque sit. Et quanquam de tua commendatione iudicabam idoneum ad eam provinciam, cui destinasti eum, tamen ut liberalius commendare eum Aureo ipsi possem, audivi hominem chrstiana dogmata aliquot, ut prolixi quidem contulimus. Nec audivi quod improbare possem. Recte tenet summam doctrinae christianae, quantum iudicare possum.« 155
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Einführung dieses Amtes und im Falle Spalatins in Personalunion – dem Superintendenten zuweist.160 Konsequenterweise verwies Melanchthon deshalb Ende 1528 den Kandidaten eines Predigtstelle in Creuzburg an Friedrich Mykonius. Der hier zuständige Gothaer Superintendent sollte Bonifacius Remp auf die freiwerdende Stelle setzen, »si placebunt tibi eius doctrina et mores«. Melanchthon hielt sich gerade in Eisenach auf und war vom dortigen Amtmann mit der Sache betraut worden.161 Mykonius führte in der Folge das Examen selbst durch, wie der Brief vom 23. März 1530 an seinen Eisenacher Kollegen Justus Menius zeigt. Dieser hatte angefragt, wie bei der Prüfung des neuen Pfarrers in Oberellen zu verfahren sei. Mykonius schreibt, er halte es weder für nötig noch ratsam, den Kandidaten zur einer Reise nach Gotha162 oder an den Hof zu zwingen, was nur zur Vernachlässigung der Gemeinde und der Ermüdung des Kandidaten führe. Der Hof sei ohnehin mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Bestünden die Fürsten – Kurfürst Johann und sein Sohn Johann Friedrich – unter allen Umständen darauf, daß die Kandidaten zu ihnen gesandt würden, wäre es günstiger zu warten, bis sie sich ohnehin in der Gegend aufhielten.163 Mykonius bekräftigt also die Regelung des Unterrichts der Visitatoren. Allerdings macht die Briefstelle den Eindruck, daß von ungenannter Seite die Forderung aufgestellt worden war, die Kandidaten an den Hof zu senden. Dies bedeutete für Thüringen bei Umgehung der albertinischen Gebiete eine Reise von mehr als 250 km.164 Die ausgedrückte Vermutung, der Hof habe andere Sorgen, läßt darauf schließen, daß das Zentralexamen nicht von kurfürstlicher Seite gefordert, sondern von dritter Seite als Wille des Hofes dargestellt worden war. Dabei könnte es sich um Spalatin handeln. Im Süden der ernestinischen Lande besaß kaum jemand einen ähnlich großen Einfluß
160 Wenige Wochen zuvor hatte Melanchthon in einem Brief an Bugenhagen auf die Notwendigkeit einer Prüfung aller kirchlichen Amtsträger hingewiesen. Vgl. CR 1, 882 f (MBW 527) vom 10.8.1527. 161 CR 1, 1012 (MBW 736). Vgl. Clemen, Briefwechsel, 445. 162 Mykonius war offenbar als eine Art Generalsuperintendent für ganz Thüringen zuständig. 163 Vgl. ders., Briefe, 441 Nr. 5: »Placet autem mihi inprimis Ellensi Ecclesiae de fideli et bono pastore tua industria esse prospectum, nec quicquam necessarium puto, ut hunc vel ad me vel ad aulam cogas currere. Ad nihil enim utile esse video, quam quod interim negligetur Ecclesia, et ille se molestissima profectione fatigaret. Satis enim fidelem et diligentem ac dignum duco, quem tu non reprobas; et aula jam est occupatior, quam ut iis leviculis rebus sit interturbanda. Verum si omnibus modis volunt ad se mitti, quod minime sperandum, id fiet commodius, cum aula et Principes fuerint nobis viciniores.« 164 So wurden z.B. die beiden Superintendenten entgegen der Anordnung des Kurfürsten nicht von Luther zum Theologentag Ende 1536 eingeladen, »denn Er Just vnd Fridrich sind vns zu weit gelegen« (Luther an Johann Friedrich vom 3.1.1537, WA.B 8, 3, 9.)
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in kirchlichen Dingen. Möglicherweise hatte er die Forderung nach einem zentralen Examen nicht nur in den behandelten Anweisungen aufgestellt. Luther verlangte zu jener Zeit nicht ein Examen in Wittenberg. Am 2. September 1528 bestätigte er auf die Bitte Bernhard von Milas Joachim Pfuhl als Pfarrer von Schönewalde, tat dies aber ausdrücklich im Namen der Universität, die Patronin der Pfarrstelle war, und verwies für Lehre und Leben Pfuhls auf die von diesem bereits vorgelegten Zeugnisse.165 Nichtsdestoweniger wurden des öfteren Kandidaten zum Zweck der Lehrprüfung zu ihm gesandt. In sämtlichen Fällen scheinen besondere Gründe für diesen Schritt vorzuliegen. Nur wenige Tage nach Pfuhl muß Thomas Windisch nach Wittenberg gekommen sein.166 Der Kurfürst hatte die Lochauer angewiesen, Windisch durch Luther und Melanchthon prüfen zu lassen. Da ähnliche Fälle nicht bekannt sind, dürfte das Verhalten Johanns am ehesten darin begründet liegen, daß in diesem Fall ein ungeweihter Kandidat berufen werden sollte. Herzog Johann Friedrich teilte Luther am 13. April 1529 mit, er habe die Herren von Bünau zu Elsterberg, die Paul Lindenau zum Prediger angenommen hatten, angewiesen, den Kandidaten binnen 14 Tagen zum Reformator zu schicken, damit er sich »verhoren und examiniren lassen sölle«. Er begründete dies ausdrücklich mit dem umstrittenen Wirken Lindenaus in Zwickau.167 Auch dieser Fall ist also kein Hinweis auf ein zentralisiertes Examen. Die näheren Umstände legen ganz im Gegenteil nahe, daß eine solche Vorschrift nicht existierte, denn erst die Intervention des Mylauer Burgherrn Joseph Levin von Metzsch, der die Berufung Lindenaus verhindern wollte, brachte Johann Friedrich dazu, dem Prediger die Reise nach Wittenberg aufzuerlegen.168 Die Nachfolge des verstorbenen Balthasar Düring auf der Coburger Predigerstelle im Herbst 1529 ist insofern ein besonderer Fall, als mit dieser Stelle seit der Visitationstätigkeit Dürings das Superintendentenamt verbunden war.169 Der bereits seit Anfang des Jahres in Coburg weilende, aus Naumburg vertriebene Johann Langer hatte sich offenbar ohne Wittenberger oder Torgauer Geheiß in die Universitätsstadt begeben und Luther die
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Vgl. WA.B 4, 545 Nr. 1314. Vgl. zu den Einzelheiten o. S. 108 f. 167 WA.B 5, 52 f Nr. 1407. Vgl. zu diesem Konflikt Brecht, Luther II, 423. 168 Vgl. a.a.O., 52. Metzsch war seit dem vorigen Jahr Günther von Bünaus Schwiegersohn; vgl. WA.B 4, 439 Anm. 1. Sein Schreiben an den Herzog ist nicht erhalten. Daß von Metzsch dennoch auf den Gedanken kam, ein Examen zu veranlassen, könnte im übrigen auf den Einfluß Spalatins zurückgehen. Immerhin war der Altenburger Superintendent an der vogtländischen Visitation beteiligt. 169 Vgl. Herrmann, Prediger, 51 f. Die Visitatoren versetzten den als Propst bezeichneten Pfarrer der Moritzkirche 1528 in den Ruhestand, und der bisherige Prediger Düring übernahm seine Stelle. Die dort und bei Berbig, Visitation, 353 vertretene Ansicht, Düring sei im November 1521 von Melanchthon nach Coburg gesandt worden (vgl. CR 1, 476 f [MBW 180]), ist mit Clemen, Briefwechsel, 169 zu korrigieren; es handelte sich dabei um Georg Mohr. Düring war bereits seit 1516 im Besitz einer Meßpfründe in Coburg. Den Predigtdienst versah er vermutlich seit Anfang 1522 (vgl. WA.B 4, 531 f ). 166
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Angelegenheit unterbreitet. Dieser hatte keine Einwände und sandte ihn mit einem Empfehlungsbrief zum Kurfürsten, der die Besetzung bestätigen sollte.170 Schließlich ist auch der gemeinsame Brief von Melanchthon und Jonas an Spalatin vom September 1532171 ein Sonderfall. Der von den beiden gemeinsam mit Bugenhagen und Luther für ein Diakonenamt empfohlene Konrad Brun hielt sich offenbar ohnehin in Wittenberg auf. Daß Melanchthon berichtet, man habe ihn angehört, um nicht einen gänzlich Unbekannten zu empfehlen, geht kaum über das hinaus, was bei allen Empfehlungsbriefen vorauszusetzen ist. Ganz im Gegenteil bekräftigt Melanchthon Spalatin gegenüber wenige Monate später erneut, daß das Examen durch die Superintendenten ausreichend sei.172 Indes scheint Spalatin sich daran zumindest im Fall des Wolfgang Baumheckel Ende 1533 nicht gehalten zu haben.173 Im Oktober 1532 erhielten der Pfarrer und Superintendent Wolfgang Fues sowie der Rat von Leisnig ein Schreiben von Justus Jonas, in dem Ambrosius Naumann, der Kandidat ihrer Diakonenstelle, für geschickt befunden wurde.174 Wie man in Leisnig dazu gekommen war, Naumann nach Wittenberg zu senden, ist nicht ersichtlich. Möglich wäre, daß Fues in der Doppelfunktion als Pfarrer und Superintendent nicht seinen künftigen Mitarbeiter examinieren wollte und sich deshalb an eine übergeordnete Instanz wandte. Dafür könnte sprechen, daß Jonas nicht im Namen der Universität, sondern für die Visitatoren des Kurkreises und Meißens »itzt zu Wittemberg« unterschreibt. So läge hier denn – zumindest nach Jonas’ Brief – strenggenommen kein zentrales, sondern ein regionales Examen durch den Visitator vor.175 170 Vgl. Luther an den Kurfürsten vom 29.10.1529 (WA.B 5, 171) und die biographischen Informationen zu Langer und Düring a.a.O., 171 f, Anm. 1 f. Auch Melanchthon steuerte einen Empfehlungsbrief an den Coburger Pfarrer Fesel bei (vgl. CR 1, 1109 f [MBW 838]). Zur Visitationstätigkeit Dürings vgl. EKO I, 47. Am 16.8.1536 bezeichnet Luther Langer als Superintendent (vgl. WA.B 7, 501, 5 Nr. 3065). Möglich ist im übrigen auch, daß Langer sich auf den Weg nach Wittenberg machte, weil der Spalatinsche Standpunkt auch in Franken seine Wirkung entfaltet hatte. 171 CR 2, 610 f (MBW 1283) vom 30.9.1532. 172 Vgl. CR 2, 695 (MBW 1310) wohl vom Februar 1533: »Nec est opus huc mittere . Satis est eos a vobis, hoc est, cuiusque loci visitatoribus audiri et approbari.« Zu diesem Brief vgl. o. S. 118–120. Daß hier im Hinblick auf das Examen nicht nur von den Ungeweihten gesprochen wird, liegt auf der Hand, denn auf sie soll Spalatin ja ein besonderes Auge halten. Daß sich nur die bewährten Kräfte einem zentralen Examen zu unterziehen hätten, wäre unsinnig. Vielmehr trifft Melanchthon über die im Brief thematisierten ungeweihten Kandidaten eine grundsätzliche Aussage in bezug auf das Examen. Dazu war er dadurch veranlaßt worden, daß Spalatin Ende 1532 tatsächlich den ungeweihten Bonaventura zur Prüfung nach Wittenberg gesandt hatte. Auch hier zeigt sich, daß Spalatin von einem Zentralexamen ausging, denn zur Klärung der Weihefrage hätte auch im konkreten Fall ein Brief ausgereicht. 173 Vgl. u. 157 f. 174 Die Visitatoren des Kurkreises und Meißens an Pfarrer und Rat zu Leisnig vom 17.10.1532 (Kawerau, Briefwechsel I, 185 f Nr. 225): »Ewer schreiben fur er Ambrosium Nawman prediger zu Colditz, den ir zu examirn vnd euch zum Diacon zuzuschicken bittet, haben wir empfangen vnd vorlessen, vnd haben vber das wir in hieuor in der visitacion zu Grym examinirt, itzmals auch geschickt befunden.« Zu dieser Gruppe zählten Benedikt Pauli, Sebastian von Kötteritzsch, Hans von Taubenheim und Justus Jonas. Letzterer ist der Verfasser des Briefes. Vgl. Burkhardt, Geschichte, 124 mit Kawerau, a.a.O., 123 Anm. 5. Colditz liegt in der unmittelbaren Nähe von Leisnig, aber etwa 100 km von Wittenberg entfernt, der Aufwand war also beträchtlich. 175 Ein Hinweis darauf, daß den Visitatoren ihre Bezirke nicht nur für die Dauer der Visitation übertragen waren und sie zumindest nach der zweiten quasi-episkopale Vollmachten hatten,
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Weitere Fälle sind mir nicht bekannt. Die erhaltenen Hinweise auf Lehrprüfungen in Wittenberg sind selten und in aller Regel durch besondere Umstände veranlaßt. Aller Wahrscheinlichkeit nach gab es in der Universitätsstadt kein geregeltes Verfahren für die Prüfung kirchlicher Amtsträger. Allerdings bestand – offenbar unter dem Einfluß Georg Spalatins – im Süden der ernestinischen Lande vereinzelt die Überzeugung, kirchliche Amtsträger hätten sich in Wittenberg einem Examen zu unterziehen. c. Die Regelung künftiger Lehrprüfungen in den Dokumenten der zweiten Visitation (1533) Als im Jahre 1533 mit der erneuten Visitation der ernestinischen Gebiete begonnen wurde, bestand die Möglichkeit, Unzulänglichkeiten des ersten Durchgangs zu beseitigen. Die Unklarheiten im Hinblick auf die Regelung der Lehrprüfungen fanden dabei ihren Niederschlag. Ausgeräumt wurden sie erstaunlicherweise nicht. Vielmehr wurden nun die gegensätzlichen Auffassungen in offiziellen Dokumenten zementiert. Die wichtigste Quelle ist die neue Instruktion, die auf der Grundlage ihrer Vorgängerin ausgearbeitet wurde. Hieran war unter anderem Georg Spalatin beteiligt.176 Der Gegenstand der Lehrprüfung findet buchstäblich nur in einem Nebensatz Erwähnung. In den Abschnitt der ersten Instruktion, der die Visitatoren ermächtigt, Parochien zweckmäßig zu teilen oder zusammenzulegen,177 wurde ein Abschnitt eingefügt, der solche einschneidenden Maßnahmen gegen die Kritik der Patrone verteidigte. Diese sollten versichert werden, daß ihr Lehensrecht nicht angetastet würde. Es wird daran erinnert, daß in früheren Zeiten ein Pfarrer dem geistlichen Prälaten präsentiert werden mußte. Das Recht, einen gelehrten, geschickten und tüchtigen Seelsorger zu präsentieren, bleibe auch jetzt bestehen, wo dies gegenüber »uns als dem landesfursten« geschehe. Wer sich als tüchtig und geschickt erweise, werde zugelassen.178 findet sich ausgerechnet im Brief Luthers an den Leisniger Diakon Anton Lauterbach vom 8.1.1535 (WA.B 7, 151 Nr. 2170). Dieser hatte auf jenes Betreiben die Stelle anstatt Naumanns bekommen und sich nun mit Fues überworfen. Luther war von ihm um Beistand gegen seinen Pfarrer gebeten worden und schrieb in seiner Antwort einleitend: »Nosti, optime Antoni, sic esse divisas visitationis dioeceses, ut nobis nihil sit auctoritatis in vestris partibus.« Über Ermahnungen hinaus vermöchten sie nichts zu tun. Erst wenn der Fürst ihnen die Sache übertrage, könnten sie »cum auctoritate« tun, was sie könnten. 176 Vgl. EKO I, 50. 177 A.a.O., 145. 178 A.a.O., 184 f: »Stund auch etwo ainem von adel die leihung ainer pfarren zu, und derselbe wolt der voranderung halben ader sunst beschwerung haben, dem soll von unsern wegen angezaigt werden, das solchs von uns gnediger meinung und im besten zu bescheen bevohlen were. So were im auch an seiner gerechtigkait der leihung unschedlich, dann wie er vorhin den geistlichen prelaten etwo ainen pfarrer presentirt und angegeben so solte es im nachmals unbe-
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III. Wittenbergs Rolle bei der Besetzung von kirchlichen Ämtern
Dieser Abschnitt, der etwas überraschend eine Verbindung zwischen der Ordnungsvollmacht der Visitatoren und dem Prüfungs- und Konfirmationsrecht des Kurfürsten bei der Stellenbesetzung herstellt, setzt letzteres offenbar als bekannt und in Geltung voraus; mit ihm soll nicht neues Recht geschaffen werden. Vielmehr setzt er sich mit dem auf der Grundlage des Lehensrechtes erwarteten Einspruch des Adels zu beiden Punkten auseinander. Es wird argumentiert, daß die Visitation, das Examen und die Konfirmation in kurfürstlicher Vollmacht durchaus im Interesse der Lehensherren vor Ort seien. Neu ist, daß in dieser Quelle das, was bisher als ein besonderes Anliegen Spalatins erschien, durch die Instruktion im Namen des Kurfürsten ergeht. Auch in der Gemeinen Verordnung für Meißen und das Vogtland – der regionalen Anweisung für das Gebiet, in dem Spalatin wirkte – findet sich eine Bestimmung, die das Examen am Hof lokalisiert. Wieder wird en passant festgestellt, bei künftigen Pfarrstellenbesetzungen seien die Kandidaten zum Examen an den Hof zu schicken. Auch in diesem Fall wird betont, daß dadurch die Patronatsverhältnisse unangetastet blieben.179 So selbstverständlich das Prüfungs- und Bestätigungsrecht des Landesherrn in beiden Quellen niedergelegt wird, so eindeutig wird es anderenorts während der zweiten Visitation bestritten. Die Artikel gemeiner Verschaffung für Thüringen, wo Mykonius und Menius an der Spitze der Visitatoren stehen, nomen sein mit den pfarleuten auf ainen gelerten tuchtigen und geschickten seelsorger und prediger zutrachten und uns als dem landesfursten denselben anzugeben. Dann so solcher von inen angegebener seelsorger von uns tuchtig und geschickt befunden wirdet, wollen wir uns mit zulassung desselbigen gnediglich und geburlich wissen zuvornehmen lassen, und das uns hir in zudem das es ime und den seinen selbst zu gutem gemaint wurde, von ime zu gnedigem gefallen geschehe.« Burkhardt, a.a.O., 122 interpretiert diesen Abschnitt so, daß »den Patronaten das Präsentationsrecht für die einverleibten Pfarreien vorbehalten blieb« (Hervorhebung M.K.). Bei der Zusammenlegung von Parochien und den an ihnen hängenden geistlichen Ämter ist dieses Recht aber hinfällig oder wäre zumindest mit dem Patron der anderen Kirchen zu teilen. Die Bestimmung wäre also unsinnig. Zur kirchenrechtlichen Entwicklung des ius praesentandi vgl. Landau, Jus patronatus, 145–185. 179 A.a.O., 187: »Man soll auch nach den so wider die sacrament predigen oder irthumb einfuren, oder sonst der visitatorn unterricht zuentgegen leren oder handeln trachten, hinfurder auch kein geistlich lehen mehr vorleihen es sei dann zuvor unserm gnedigsten herrn angezeigt, so auch pfarren verledigt werden, die kunftigen pfarrer gen hof schicken, dieselben aldo ane schaden eins iglichen gerechtickeit und lehen zuvorhoren.« Der Satz bereitet Probleme. Die Bearbeitung für Wurzen läßt das syntaktisch störende »nach« weg. Trotzdem bleibt eine logische Unstimmigkeit. Der Satzanfang will ausschließen, daß Irrlehrern geistliche Ämter übertragen werden. Die Fortsetzung ab »es sei denn« übersieht dies und bestimmt allgemein, daß die Verleihung geistlicher Lehen dem Kurfürsten anzuzeigen und Pfarrer am Hofe verhört werden sollen. Denn es kann ja nicht gemeint sein, daß Irrlehrer und Querulanten nur mit Zustimmung des Kurfürsten belehnt werden dürfen. – Unter den a.a.O., 51 genannten Visitatoren dürfte erneut Spalatin der spiritus rector gewesen sein. Diesen Text führt Drews, a.a.O., 84 als »Entwurf … ohne praktische Bedeutung« an. Auch in diesem Fall (vgl. o. S. 125 Anm. 150) ist der Text sicherlich falsch charakterisiert, womit über die Umsetzung der Examensregelung am Hofe allerdings noch kein Urteil abgegeben ist.
3. Die theologische Lehrprüfung
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legen fest, nur ein solcher Kandidat sei zu belehnen, der »dem superadtendenten presentirt, in christlicher leher verhort und dermasen, das ehr dem ambt der selsorg genugsamlich vorstehen muge, genugsamlich und tuchtig befunden wurden«.180 Der Abschnitt des Unterrichts der Visitatoren wird also bekräftigt. Auch im Kurkreis ging man vermutlich weiter davon aus, daß das Superintendentenexamen ausreichte; jedenfalls finden sich keine Quellen, die auf eine Änderung hindeuten. Die Visitatoren in Franken sahen offenbar den Widerspruch zwischen der kurfürstlichen Instruktion und dem Unterricht der Visitatoren. Sie versuchten ihn in der Verordnung für Adel und Ritterschaft aufzulösen, indem sie Präsentation und Examen trennten. Pfarrer oder Prediger seien dem Kurfürsten zu präsentieren und dann durch den Superintendenten zu examinieren.181 Schon die unsinnige Reihenfolge – wie sollte ein Superintendent einen Kandidaten prüfen, der bereits durch den Hof bestätigt war? – zeigt, daß in der Regelung wohl der Versuch zu sehen ist, die widersprüchlichen Bestimmungen zu harmonisieren. d. Die Lehrprüfung als ungelöstes Problem Die Dokumente der zweiten Visitation lösten also die Unklarheiten über die Lehrprüfung, die seit der ersten bestanden hatten, nicht auf, sondern schrieben sie fort. In der Praxis änderte sich damit nichts. Es gibt keine Hinweise darauf, daß sich von nun an vermehrt Kandidaten nach Wittenberg oder Torgau begaben. Bis zur Ordinationsregelung von 1535, als erstmals für alle Kandidaten eines kirchlichen Amtes ein Examen in Wittenberg vorgeschrieben wurde, blieb dieser Widerspruch bestehen. Wie erklärt sich, daß ein Gegenstand, dem alle Beteiligten hohe Bedeutung beimaßen, über Jahre hinweg nicht eindeutig geregelt wurde? Spalatin hatte Anfang der dreißiger Jahre den Hof offenbar für die Idee gewinnen können, daß der Kurfürst wie bei der Visitation auch bei der Besetzung kirchlicher Stellen vollständig die Rolle des Bischofs übernehmen sollte. So entsprach die Ordnung von Examen und Konfirmation in den Visitationsdokumenten derjenigen, die vorher für das Weiheexamen gegolten hatte. 180
EKO I, 196. A.a.O., 197: »Zum dritten sollen die vom adel keinen pfarrer oder prediger aufnemen, er sei den unsers gnedigsten hern des churfursten zu Sachsen etc. verordenten erstlich presentirt und durch die superattendenten examinirt ob er tuchtig und geschickt sei« Die Verordnung ist nicht zweifelsfrei auf 1533 zu datieren, da von einer Visitation zu diesem Zeitpunkt kaum Nachrichten überliefert sind, vgl. a.a.O., 54. Die Alternativdatierung auf Ende Mai 1535 läßt sich auch dadurch nicht ausschließen, daß an unserer Stelle noch nicht von der Wittenberger Ordination die Rede ist, da dieser Artikel auch in die zweifelsfrei 1535 entstandene Verordnung der Visitatoren für Franken (a.a.O., 198) aufgenommen wurde. 181
134
III. Wittenbergs Rolle bei der Besetzung von kirchlichen Ämtern
Die Wittenberger Reformatoren und die Thüringer Superintendenten ließen sich auf dieses System – noch – nicht ein. Vorerst genügte in ihren Augen die Prüfung durch die Superintendenten. Ob es darüber zu einer direkten Auseinandersetzung gekommen ist, läßt sich quellenmäßig nicht erheben. Daß sie von den Bestrebungen, ein zentrales Examen einzuführen, wußten, darf aber angenommen werden. Am deutlichsten wird das an Melanchthons Brief an Spalatin vom Frühjahr 1533, in dem es um die Frage nach den ungeweihten Amtsträgern ging.182 Ohne direkte Veranlassung stellte der Reformator dort klar, daß die Kandidaten nicht nach Wittenberg gesandt werden müßten. Möglicherweise steckt in diesem Brief auch die Erklärung für die reservierte Haltung der Wittenberger. Die Tatsache, daß Melanchthon auf dieses Thema in einem Atemzug mit der Einführung der Ordination zu sprechen kommt, der er ebenfalls ablehnend gegenübersteht, könnte auf einen Zusammenhang hindeuten. Den Reformatoren war wahrscheinlich bewußt, daß das zentrale Examen mit der kurfürstlichen Konfirmation nach der Anordnung der Visitationen ein weiterer wesentlicher Eingriff in die bischöfliche Jurisdiktion gewesen wäre. Sobald gegen die evangelische Ordination keine Einwände mehr bestanden, konnte und mußte auch das Examen entsprechend organisiert werden. So geschah es denn auch.
182
Vgl. o. S. 118 Anm. 125.
IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination Der Reichstag zu Augsburg im Jahre 1530 ist ein Wendepunkt für die Geschichte der Ordination in Kursachsen, insofern sein Scheitern die evangelischen Stände schließlich von der Notwendigkeit entbindet, auf die Rechte der Bischöfe Rücksicht zu nehmen. In den Reichstagsverhandlungen sind die evangelischen Theologen bemüht, einer Auseinandersetzung über die Priesterweihe durch weitreichende Zugeständnisse an die Bischöfe aus dem Wege zu gehen. Nachdem die Einigungsbemühungen gescheitert sind, kündigt Luther an, daß die Evangelischen bald selbst ihre Amtsträger ordinieren würden. Seine Schrift ›Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe‹ von 1533 stellt die nunmehr ins Auge gefaßte Einführung einer evangelischen Ordination als Folge des gescheiterten Reichstags dar. Luther verschärft jetzt die Kritik an der Weihe und nimmt für Wittenberg den Rang eines evangelischen Bischofssitzes in Anspruch. Der in diesem Zusammenhang erstmals entwickelte Gedanke, daß der dortige Pfarrer nach dem Vorbild Augustins für andere evangelische Gemeinden ordinieren könnte, bereitet die Wittenberger Zentralordination von 1535 vor.
1. Die Priesterweihe und die bischöfliche Jurisdiktion in den Augsburger Verhandlungen a. Die Vorbereitungen Die Ankündigung Kaiser Karls V., auf dem Reichstag in Augsburg 1530 solle auch beratschlagt werden, »wie der irrung und zwispalt halb in dem hailigen glauben und der Christlichen Religion gehandelt und beschlossen werden mug und solle«,1 machte es für die evangelische Seite notwendig, die eigene Lehre und Praxis vor dem Kaiser zu verantworten. Kurfürst Johann der Beständige forderte am 14. März die Wittenberger Theologen auf, ihn in bezug auf die umstrittenen Glaubens- und Zeremonialartikel über den Verhandlungsspielraum zu instruieren.2 Zu den Problemen, die nun zu erörtern waren, gehörte die Frage, wie die evangelischen Stände sich künftig zum Weihe- und Bestätigungsrecht der Bischöfe verhalten wollten. Obwohl die Wittenberger Reformatoren bei der Besetzung kirchlicher Stellen zunehmend Wert darauf gelegt hatten, bestehende Patronatsrechte nicht anzutasten, stellte doch jede Berufung in den 1
Vgl. die Ausschreibung vom 21.1.1530 bei Foerstemann, Urkundenbuch I, 2–9 Nr. 1, hier
7 f. 2
Vgl. WA.B 5, 264 f Nr. 1538.
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
evangelischen Territorien einen Bruch des kanonischen Rechtes dar, insofern dabei das ius confirmandi des zuständigen Diözesanbischofs bzw. seines Prälaten ignoriert wurde. Das galt im übrigen unabhängig davon, ob der Kandidat im Besitz der Priesterweihe war oder nicht. Dieser Verstoß war von untergeordneter Bedeutung, solange die Bischöfe Bedingungen stellten, die für einen evangelischen Weihekandidaten unannehmbar waren. Sollte es nun aber zu einer Einigung kommen, mußte vorab geklärt werden, welche Rechte den Bischöfen zugestanden werden konnten. Zwei der Gutachten, die die Wittenberger Theologen im März für ihren Landesherrn verfaßten, gehen auf die Weihe ein. An ihnen werden die Hauptlinien der ernestinischen Position, aber auch die Differenzen zwischen den Wittenberger Reformatoren deutlich. Die Gutachten stimmen in der Forderung überein, daß die Ordinanden weder darauf, sich der evangelischen Lehre zu enthalten, noch auf den Zölibat verpflichtet werden dürften. Sie unterscheiden sich vor allem in ihrer Grundstimmung und in den Erwartungen an den Reichstag. Das erste Gutachten (E) entstand unter Luthers Federführung vermutlich am 15. März.3 Es stellt nur kurz fest, daß den Bischöfen ihre Jurisdiktionsrechte zugestanden werden sollten, wenn sie die genannten beiden Forderungen erfüllten, und stellt dies als eine unrealistische Möglichkeit dar. Dann fährt es fort, indem es die Folgen der erwarteten restriktiven Haltung der Bischöfe beschreibt: Sie selbst würden darüber zu Fall kommen, denn bald würden sich angesichts der mit der Weihe verbundenen Bedingungen keine willigen Kandidaten mehr finden. »Vnnd wirt zu letzt dahin khomen, das man das weihen vnnd Ordiniren auch nicht mehr von den Bischoffen, sonndern wie sichs sunst geburt, holen vnnd empfahenn wirdt.«4 Das Gutachten sieht mithin nicht nur kaum Erfolgsaussichten für das eigene Angebot, sondern läßt auch nicht erkennen, daß die Weihe durch die Bischöfe überhaupt ein erstrebenswertes Ziel darstellte. Dazu steht das zweite Gutachten (A), daß wenig später in Torgau entstand und die Handschrift Melanchthons verrät,5 in deutlichem Kontrast. 3 Vgl. Foerstemann, a.a.O., 93–97 Nr. 27E=WA.B 5, 430–433. Foerstemanns Datierung dieser Artikel auf den Beginn der Vorbereitungen für den Reichstag hat sich inzwischen wieder gegenüber derjenigen auf die Tage unmittelbar vor der Übergabe der CA, wie sie u.a. von Clemen in WA.B 5, 429 f vertreten wurde, durchgesetzt. Vgl. Maurer, a.a.O., 29 und MBW 1, 875 (Lit.). 4 Vgl. Foerstemann, a.a.O., 96=WA.B 5, 432, 78–86. 5 Vgl. Foerstemann, a.a.O., 68–84, Nr. 27A=CR 4, 985–999 (MBW 883). Der Kurfürst hatte am 21.3.1530 seine Theologen aufgefordert, sich mit ihrem fertigen Gutachten (E) am Hof einzufinden (vgl. WA.B 5, 269 Nr. 1541). Die Begründung für diesen Auftrag, daß »andere Sachen« vorgefallen seien, ist in ihrer Bedeutung nicht klar. An den dortigen Beratungen, aus denen weitere Gutachten hervorgingen, waren mit Sicherheit Melanchthon, wahrscheinlich auch Brück, Jonas und Bugenhagen beteiligt. Luther wird in A hingegen in der dritten Person genannt, kann also nicht beteiligt gewesen sein (vgl. MBW 1, 883).
1. Die Priesterweihe und die bischöfliche Jurisdiktion in den Augsburger Verhandlungen
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Es zielt vor allem auf die Rechtfertigung des kursächsischen Standpunktes und führt dazu Belege aus der Heiligen Schrift, den Kirchenvätern und dem Kanonischen Recht an. Hinsichtlich der Weihe bekräftigt das Dokument die genannten Voraussetzungen für eine Einigung und nimmt diesen Punkt zum Anlaß, grundsätzlich zur Verhandlungsstrategie Stellung zu beziehen. Sollte die Gegenseite an einem Frieden interessiert sein, so sei man um dieses Friedens willen bereit, so viel an äußerer Freiheit preiszugeben, wie es das Gewissen zulasse. Andernfalls seien für die Zukunft Spaltungen zu befürchten, die der Pöbel zu Aufruhr nutzen werde. Eines Tages werde eine Integrationsfigur wie Luther, der bisher Irrlehre und Krieg verhütet habe, fehlen.6 In den Augen Melanchthons, den die Sorge um das Erbe plagte, das man zukünftigen Generationen hinterlassen werde,7 stand in den bevorstehenden Religionsverhandlungen viel auf dem Spiel. Die zeitlichen Dimensionen, auf die sich seine Überlegungen beziehen, sind offenbar ganz andere als etwa bei Luther, der während dieser Jahre nicht nur den eigenen Tod, sondern auch das baldige Weltende erwartete. In Melanchthons Perspektive werden so auch Fragen als »disputationes, die nicht not ist zuerwegen«, bezeichnet, die an sich von erheblichem theologischen Gewicht waren. Darunter sieht das Gutachten die, »ob die priester mussen durch bischoue ordinirt werden, vnnd ob der priester stannd Jngesetzt sey zu Lahr, oder ain opffer fur anndere zuthun, dadurch denn anndern gnad Erlanget wirt«, sowie die Diskussion über den Weiheritus (»Ceremonien der weihe«). Insgesamt wird auf diesem Gebiet Verhandlungsbereitschaft von beiden Seiten erwartet, »so man der haupt Artickel ainig wurde« – wozu die Amtsfrage eben nicht zählt. Dieselbe Tendenz tritt noch stärker in einem seltsamen Dokument vom 9. oder 10. Juli hervor, als die Confessio Augustana bereits übergeben und die Anfrage des Kaisers zu erörtern war, ob dem Bekenntnis noch weitere Artikel hinzugefügt werden sollten.8 Der mutmaßliche Verfasser Melanchthon gibt hier zu bedenken, daß die Übergabe eines Zusatzdokumentes den Verdacht erregen würde, erst das Abwarten des Kaisers habe die willentlich zurückgehaltenen kontroversen Punkte ans Tageslicht gebracht und die Evangelischen hegten noch weitere Irrlehren. In ähnlicher Weise wie im Gutachten vom März wird festgestellt, »die geh ssigen und unn thigen Artikel, davon man in den Schulen zu disputiren pflegt«, dürften unter keinen Umständen die Religionsverhandlungen belasten. So sollten außer Fragen zur Willens6
Vgl. Foerstemann, a.a.O., 80 f =CR 4, 995 f. Vgl. den u. Anm. 22 zitierten Brief. 8 Vgl. CR 2, 182 f (MBW 962). Der Zettel, dessen ursprünglicher Wortlaut nicht erhalten ist, dürfte auf persönliche Notizen Melanchthons zurückgehen, dessen Prägung er verrät. In einem offiziellen Gutachten, zumal von mehreren Verfassern (so MBW), ergäbe die enthaltene Liste von nicht zu behandelnden Artikeln, die noch nicht einmal nach ihren Themengruppen geordnet wurden, keinen Sinn. Vgl. im Gegensatz dazu die Gutachten zum selben Problem a.a.O., 180–182 sowie Foerstemann, Urkundenbuch II, 12–19 Nrr. 111–113. 7
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
freiheit des Menschen, nach der Zahl der Sakramente und der Vollmacht des Papstes und der Bischöfe9 auch Disputationen darüber verhindert werden, »[o]b die Christen alle Priester sind«, »[o]b ein Laie das Sacrament consecriren k nne«, »[o]b die Priesterweihe einen stets w hrenden Characterem eindr cke«. Die Lehre vom Priestertum aller Gläubigen, wie Luther sie formuliert hatte, und damit auch die Wittenberger Stellung zur Priesterweihe, sollte also aus den anstehenden Verhandlungen herausgehalten werden.10 Tatsächlich berührt das Augsburgische Bekenntnis die Frage der Weihe nicht. Der vierzehnte Artikel De ordine ecclesiastico legt nur fest, daß die Ausübung des kirchlichen Amtes eine ordentliche Berufung voraussetzt.11 Der die bischöfliche Jurisdiktion behandelnde Artikel 28 geht auf das Weiherecht der Bischöfe nicht ein. Dies muß vor dem Hintergrund der im Vorfeld des Reichstags formulierten kursächsischen Gutachten überraschen, paßt allerdings zur Strategie der Wittenberger, einer amtstheologischen Diskussion aus dem Wege zu gehen. Eine Rolle dürfte dabei auch gespielt haben, daß der kursächsische Vermittlungsvorschlag, der unter bestimmten Bedingungen die Wiederherstellung der bischöflichen Jurisdiktion vorsah, bei den evangelischen Genossen bereits im Vorfeld des Reichstags auf Widerstand gestoßen war.12 Die Frage der Jurisdiktion selbst mußte behandelt werden, einen Streit über die Priesterweihe suchte man aber zu vermeiden. b. Die Verhandlungen über die bischöfliche Jurisdiktion Der Versuch, die Frage der Weihe im Unbestimmten zu lassen, mißlang. Zur knappen Formulierung des vierzehnten Artikels stellte die Confutatio der Gegenseite fest, daß als rechtmäßig berufen nur der gelten könne, »qui secundum formam iuris iuxta ecclesiasticas sanctiones ac decreta ubique in orbe christiano hactenus observata vocatur«,13 forderte also eine Berufung in
9 Dieser Punkt ist überraschend, denn die Vollmacht der Bischöfe wird ja in CA 28 ausführlich behandelt. 10 Tatsächlich enthielt bereits Ecks Liste zwei Sätze aus De captivitate, in denen Luther das Weihesakrament als menschliche Erfindung bezeichnet und das Priestertum aller Getauften behauptet. Vgl. Gussmann, Quellen II, 134. 11 Die Bedeutung von CA 14 wird im nächsten Abschnitt gesondert behandelt. 12 Dies gilt insbesondere für Nürnberg, Hessen und Brandenburg-Ansbach. Vgl. Maurer, Jurisdiktion, 226–229. 13 CCath 33, 111, 15–113, 2. Den Konfutatoren war hier wie auch bei der Forderung, in CA 13 müsse die Siebenzahl der Sakramente niedergelegt werden (a.a.O., 111, 9–11), vermutlich weniger am Ritus der Priesterweihe als an der Verbindlichkeit des kanonischen Rechtes gelegen. Das legt zumindest der Stoff nahe, mit dem sich die Kontroverstheologen bis zu diesem Zeitpunkt beschäftigt hatten. Bisweilen findet zwar der Gegensatz zwischen dem Priestertum aller Christen und demjenigen der römischen Amtsträger Beachtung, die Weihe als solche ist jedoch nie Thema (vgl. das Material bei Bäumer, Lehrunterschiede, passim).
1. Die Priesterweihe und die bischöfliche Jurisdiktion in den Augsburger Verhandlungen
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Übereinstimmung mit dem kanonischen Recht. Damit war vermutlich mehr noch als die Weihe selbst das bischöfliche Konfirmationsrecht gemeint. Bei den Verhandlungen zeigte sich, daß eine Einigung über diesen Punkt schwieriger war, als Melanchthon vor dem Reichstag erwartet hatte. Zunächst war umstritten, ob ein Zölibatsdispens sich nur auf bereits Amtierende beziehen sollte oder ob auch Verheiratete in den evangelischen Territorien geweiht werden konnten.14 Von größerer Bedeutung war der Aspekt, daß den Bischöfen mit der Weihe auch die Lehraufsicht über die Kandidaten übertragen würde. Das Angebot der Evangelischen, es solle dafür gesorgt werden, »das den Bischofenn Jr geburennder gehorsam geschehe vnnd erhallten werde, Nemlich das vnnsere Pfarrer vnnd Prediger den Ordinarien eins Jeden orts presentirt werden«,15 wollte die Gegenseite um die Formulierung »zu examiniren und admittiren« ergänzt sehen,16 was de iure eine bloße Präzisierung darstellte, angesichts der beschränkten Macht der Bischöfe in Besetzungsfragen außerhalb ihrer Stifter17 de facto aber einen beträchtlichen Einschnitt in die bisherige Praxis bedeutete. Diese Forderung kam einer Zerreißprobe für die evangelische Seite gleich. Besonders der inzwischen abgereiste Landgraf Philipp von Hessen protestierte scharf gegen die Verhandlungspolitik Melanchthons, dem die noch in Augsburg befindlichen hessischen Räte »in die W rfel fallen« sollten. Daß die Bischöfe, die das Evangelium unterdrückten, »christliche Prediger« examinieren sollten, sei ein Narrenspiel;18 »und so w rde geschehen, das der Allm chtige verh te, daß die Prediger von uns genommen w rden«.19 In den Augen Melanchthons wäre die Beibehaltung der bischöflichen Aufsicht durchaus wünschenswert gewesen. Bereits vor dem Zusammentreten des Vierzehnerausschusses am 16. August plädierte dafür ein vermutlich von ihm verfaßtes Gutachten im Namen der kursächsischen Theologen, das für den Kurfürsten erstellt wurde. Von der alten Ordnung, daß die Bischöfe die Aufsicht über die Pfarrer ausübten, ohne zwingenden Grund abzuweichen, sei gefährlich. Man könne unter dem antichristlichen Papst wie unter einem fremden Herrscher leben, sofern die rechte Lehre nicht unterdrückt werde.20 14 Vorschläge der evangelischen Vertreter des Vierzehnerausschusses vom 20.8.1530 bei Foerstemann, Urkundenbuch II, 258 Nr. 153. Vgl. die Liste der Vertreter WA.B 5, 565. 15 Vgl. a.a.O., 260. 16 Vgl. das Schreiben der Nürnberger Gesandten an ihren Rat CR 2, 313 Nr. 861 vom 26.8.1530. 17 Vgl. Pallas, Entstehung, 161. 18 Vgl. Philipp an seine Räte am 29.8.1530 CR 2, 327 Nr. 871. 19 Vgl. ders. an dies. vom selben Datum CR 2, 325 Nr. 870. 20 Vgl. CR 2, 283 f (MBW 1024): »Zum Andern, mag man den Bisch ffen ihre Obrikeit ber die Pfarrer im Kirchenregiment zustellen, als mit ordiniren, so sie unsre Lehre nicht verfolgen, und die Priester nicht mit ung ttlichen Eiden und B rden verfolgen. Denn die Ordnung, daß
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
Melanchthons Äußerungen aus den letzten Augusttagen sind insgesamt von großer Spannung geprägt. Widersprüche tun sich »zwischen landesherrlicher Kirchengewalt und bischöflicher Jurisdiktion«21, zwischen dem vernichtenden Urteil über den Papst und der Hoffnung auf die Zulassung der evangelischen Lehre auf. Diese Widersprüche lassen die Motive erahnen, die den Reformator leiteten. Zum einen spielte wie schon im Gutachten vom März die Sorge eine große Rolle, daß der Frieden und die Einheit Deutschlands dauerhaft bedroht seien.22 Die gegenwärtigen Entscheidungen durften also nicht nur von aktuellen Erfordernissen bestimmt sein, sondern mußten das Wohl künftiger Generationen im Auge haben. Zum anderen erscheint hier ein Gedanke, der in der Kirchenpolitik Melanchthons künftig ebenfalls einen prominenten Platz einnehmen sollte und in aller Vorsicht auch im Gutachten für den Kurfürsten angedeutet war: das Mißtrauen gegenüber dem landesherrlichen Kirchenregiment. An seinen Freund Camerarius verleiht Melanchthon der Befürchtung Ausdruck, die Tyrannei in der Kirche werde ohne die Jurisdiktion der Bischöfe unerträglicher sein als zuvor.23 Trotz aller Bedenken gegenüber dem Zustand des Episkopats ist Melanchthon offenbar der Ansicht, daß alternative Möglichkeiten, eine Kirchenleitung zu restituieren, eine Verschlechterung bewirken würden. »Politien« zu verändern sei ein gefährliches Unterfangen, hatten die Theologen ihren Kurfürsten in ihrem Gutachten gewarnt. Luther unterstützte den angefeindeten jüngeren Kollegen in seinen Bemühungen. Am 11. September versicherte er ihm, auch er wünsche, daß die Bischöfe die ihnen angebotene Jurisdiktion wieder ausübten,24 auch wenn seine Erwartungen äußerst gedämpft waren.25 Während also das Angebot, künftig die Bischoffe ber die Priester als Superattendenten gesatzt sind, hat ohn Zweifel viel redlicher Ursach gehabt. Denn die Priester m ßen Superattendenten haben. So werden die weltlichen F rsten des Kirchenregiments in der L nge nicht warten … Auch geb hrt uns nicht, diese Ordnung, daß Bisch ffe ber Priester sind, welche von Anfang in der Kirche gewesen, ohne große und dringende Ursache zerreißen. Denn es ist auch vor Gott f hrlich, Politien ndern und zerreißen. Dann wiewohl der Papst ein Antichrist, so m gen wir doch unter ihm seyn, wie die Juden unter Pharao in Egypten etc. und hernach unter Caipha etc., so uns dennoch rechte Lehre frei gelassen wird.« Zu den Spannungen zwischen den kursächsischen Theologen Melanchthon, Jonas, Spalatin und Agricola vgl. Maurer, Erwägungen, 250 f. Angesichts dessen ist nicht sicher, daß alle vier an der Abfassung dieses Gutachtens beteiligt waren. 21 Maurer, Erwägungen, 240. 22 Vgl. Melanchthon an Matthäus Alber vom 23.8.1530 CR 2, 302 f (MBW 1037). 23 Vgl. CR 2, 334 (MBW 1053) vom 31.8.1530: »Video enim, qualem simus habituri Ecclesiam, dissoluta ecclesiastica. Video postea multo intolerabilorem futuram tyrannidem, quam antea unquam fuit.« 24 Vgl. WA5, 618, 31 ff Nr. 1716: »Iurisdictionem episcopis redditam ipsi [sc. die Nürnberger und alle, die Melanchthon anfeinden] non satis intelligunt, nec attendunt cirumstantias adiectas. Atque utinam episcopis eam accepissent sub istis conditionibus!« 25 In seiner Schrift Vermahnung an die Geistlichen (WA 30 II, 236–356, bes. 342, 21–27) hatte er das Angebot der bischöflichen Jurisdiktion in einer derartig distanzierten Weise vertreten, daß
1. Die Priesterweihe und die bischöfliche Jurisdiktion in den Augsburger Verhandlungen
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evangelische Kandidaten eines kirchlichen Amtes durch die Bischöfe weihen zu lassen, in erster Linie taktisch motiviert war, hatten die Theologen an der Restitution der bischöflichen Jurisdiktion an sich durchaus ein Interesse. Hier muß jedoch differenziert werden. Daß dem Bischofsamt in den Gutachten und Briefen aus der zweiten Augusthälfte große Bedeutung und ein hohes Alter (»von Anfang in der Kirche gewesen«) attestiert wird, bedeutet nicht, daß es deshalb göttlichen Rechtes und für das Fortbestehen der Kirche notwendig sei. Ebensowenig behauptet dies der Artikel 28 der Confessio Augustana, der sich um eine präzise Abgrenzung der bischöflichen Vollmacht bemüht und in diesem Zusammenhang auf die Frage nach dem ius divinum eingeht. Nach göttlichem Recht ist den Bischöfen gerade nicht ihre Herrschaft (imperium), sondern das eine ministerium verbi et sacramentorum und mithin das kirchliche Amt übertragen, wie es CA 14 definiert. Nur hierin sind die Gemeinden ihnen de iure divino Gehorsam schuldig (CA 28, 21 f ). Daß das ius divinum in diesem Artikel dem einen Amt in der Kirche zugeschrieben wird, zeigt sich auch daran, daß an mehreren Stellen Bischöfe und Pfarrer gleichgesetzt werden.26
c. Die Ordination in der ›Confessio Augustana‹ und ihrer Apologie Die Frage, ob, unter welchen Bedingungen und wie die Bischöfe künftig die evangelischen Amtsträger weihen sollten, fand in die Confessio Augustana keinen Eingang. Die Zulassung zum Amt wurde jedoch durchaus thematisiert. Im vierzehnten Artikel heißt es knapp, daß niemand öffentlich lehren und die Scheible, Melanchthon und Luther, 43 f fragt, ob die Publikation dieses Angebot fördern oder hintertreiben sollte. Im Juli hatte sich Luther stattdessen für einen politischen Frieden eingesetzt, der die bloße Duldung der Evangelischen beinhalten sollte (vgl. bes. das Schreiben an Albrecht von Mainz WA 30 II, 397–412 und dazu Maurer, Erwägungen, 235 f ). 26 Vgl. CA 28, 30. 53. 55. Daß sich in der Formulierung episcopi seu pastores tatsächlich die häufig bei den Wittenberger Reformatoren begegnende Gleichsetzung von Bischofs- und Pfarramt niedergeschlagen hat, ist bestritten worden. Iserloh, Gewalt, 483. 486 hat dagegen eingewandt, daß dann der gesamte Abschnitt unsinnig würde. Zur Unterstützung der These Iserlohs vertraten Georg Kretschmar und Peter Fraenkel in der sich an dessen Vortrag anschließenden Diskussion nachdrücklich die Auffassung, daß mit dem von Melanchthon mit dem episcopus gleichgesetzten pastor auf keinen Fall der Pfarrer gemeint sein könne. Der Terminus bezeichne im gesamten Mittelalter ausschließlich den Bischof als Guten Hirten (a.a.O., 518. 520). Daß diese Behauptung auf der Konferenz unwidersprochen geblieben ist, ist erstaunlich. Schaefer, Pfarrkirche, 43–49 führte schon vor Jahrzehnten unzählige Belege für die gegenteilige These an. In dem von ihm bearbeiteten Material überwiegen deutlich die Fälle, in denen sich der Begriff auf den Pfarrer und nicht auf den Bischof bezieht. Schon ein sorgfältiger Blick in die von Iserloh behandelten Quellen hätte aber ausgereicht, um sein Argument zu widerlegen. Zum einen bezeichnet selbst die Confutatio in ihrem 14. Artikel den Pfarrer als pastor: »Admonendi tamen sunt, ut in ea perseverent, ut neminem, neque pastorem neque concionatorem nisi rite vocatum in dititionibus suis admittant« (CCath 33, 113, 5 f ). Zum anderen gibt die deutsche Version, die Iserloh völlig übergeht, das Begriffspaar mit »Bischofen oder Pfarrer« wieder. Damit ist natürlich nicht gemeint, daß im gesamten CA 28 unter Bischöfen einfach Pfarrer zu verstehen sind; dann wäre der ganze Abschnitt in der Tat sinnlos. Vgl. a. Tract. 62–65. Vielmehr hat die Gleichsetzung hier den Sinn, das wahre Wesen des Bischofsamtes herauszustellen. Das bedeutet aber, daß dem Bischofsamt in seiner historischen Ausprägung, wie es CA 28 behandelt, kein ius divinum beigelegt wird.
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Sakramente verwalten dürfe, der nicht rite berufen sei.27 Das Bekenntnis wurde schon bald zur Lehrgrundlage der Evangelischen; die Formulierung wurde in viele spätere Texte aufgenommen und bildete den amtstheologischen Grundkonsens der reformatorischen Kirchen.28 Nicht zuletzt wegen der einzigartigen Wirkung muß die Frage beantwortet werden, was genau die evangelische Seite in diesem Artikel zusicherte. Ist das rite als Hinweis darauf aufzufassen, daß der Amtsträger rituell zu berufen sei? Auf der sprachlichen Ebene läßt sich diese Frage nicht beantworten, denn das rite muß nicht mehr umfassen, als daß die Berufung ›ordentlich‹ zu geschehen habe, wie die deutsche Version lautet. Der Begriff könnte aber auch so zu verstehen sein, daß die Berufung nach vorgeschriebener oder herkömmlicher Weise erfolgen sollte. Nicht zufällig verlangten die Konfutatoren, der Artikel müsse durch den Hinweis auf das kanonische Recht präzisiert werden. Zur Interpretation von CA 14 muß daher sein Kontext berücksichtigt werden. Zunächst ist der Artikel als Bestandteil des Augsburgischen Bekenntnisses, sodann vor dem Hintergrund sonstiger Äußerungen seines Verfassers Melanchthon zu würdigen. Es dürfte mit der schwierigen Aufgabe zu tun haben, die mit CA 14 gelöst werden mußte, daß er als einer der letzten in das Bekenntnis eingefügt wurde.29 Erstens war es das Anliegen der evangelischen Seite zu betonen, daß man mit den Gegnern in einer gemeinsamen Front gegenüber täuferischen Wanderpredigern stand, die sich auf eine innere Berufung beriefen.30 Zweitens mußte die Gültigkeit des evangelischen Amtes gegen die römische Seite verteidigt werden, ohne daß man dadurch in eine Diskussion über amtstheologische Fragen geriet, die Melanchthon unbedingt vermeiden wollte. Einer Einigung darüber waren allerdings durch die bestehende Praxis der Amtseinsetzung in den evangelischen Territorien enge Grenzen gesetzt.Wurden doch vielerorts in den Jahren vor und nach dem Augsburger Reichstag kirchliche Amtsträger eingesetzt, die von den Bischöfen weder geweiht noch bestätigt worden waren, allerdings ohne daß an die Stelle der Weihe ein evangelischer 27 Vgl. CA 14: »De ordine ecclesiastico docent, quod nemo debeat in ecclesia publice docere aut sacramenta administrare nisi rite vocatus.« – »Vom Kirchenregiment wird gelehrt, daß niemand in der Kirchen offentlich lehren oder predigen oder Sakrament reichen soll ohn ordentlichen Beruf.« 28 Vgl. z.B. in der dänischen Kirchenordnung von 1537 u. S. 179. 29 In der Nürnberger Handschrift Na vom Anfang Juni fehlte der Artikel noch. Vgl. BSLK, 70 Anm. 5. 30 Vgl. Apol. 13, 13. Dieser Punkt ist nicht in erster Linie apologetisch zu verstehen. Auch Luther hielt die Bedeutung der Berufung in der Auseinandersetzung mit den Täufern hoch. So setzte er sich etwa nachdrücklich dafür ein, daß Justus Menius, dessen Manuskript gegen die Wiedertäufer er auf der Reise zur Coburg oder kurz zuvor geprüft hatte, trotz der Länge der Schrift den Abschnitt über die Bedeutung der Berufung erweitern sollte (vgl. seinen in Weimar abgefaßten Brief vom 12.4.1530 WA.B 5, 274 Nr. 1545). In seiner Schrift Von Schleichern und Winkelpredigern (1532) bildet die Berufung den zentralen Aspekt.
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Ritus getreten war, sieht man von den wenigen Ordinationen Luthers ab.31 Die Tatsache, daß der vierzehnte Artikel des Bekenntnisses der kürzeste ist und einen Minimalkonsens ausdrückt, ist durch diese Schwierigkeit veranlaßt. Daraus ergibt sich, daß die Unterzeichner der Confessio Augustana mit rite vocatus sicher keinen bestimmten Ritus verbanden. Anderenfalls wäre damit eine Bedingung für das gültige kirchliche Amt aufgestellt worden, die in den evangelischen Gebieten größtenteils nicht erfüllt wurde. Daß Melanchthon die Formulierung so verstand, wird dadurch bestätigt, daß er, wie gezeigt, auch zweieinhalb Jahre später die Zeit noch nicht für reif hielt, Berufungen mit einem öffentlichen Ritus durchzuführen.32 Ausschlaggebend dafür war offenbar die Überlegung, daß eine evangelische Ordination die Kirchenspaltung zementiert hätte. CA 14 fordert also keinen Berufungsritus. Exkurs: CA 14 in der Forschung Interpreten der Confessio Augustana haben CA 14 immer wieder dahingehend interpretiert, daß »eine rechtmäßige Vokation stets mit einer (gottesdienstlichen) Ordinationshandlung als ihrem Kern zu geschehen«33 habe. George Lindbeck, der behauptet, eine Entscheidung über das Amtsverständnis der Reformatoren sei auf der Grundlage der nicht immer eindeutigen Quellen ohnehin nicht möglich, leitet unter Mißachtung aller hermeneutischen Prinzipien aus dem Anspruch der CA auf Katholizität die Maßgabe ab, zur Interpretation »die stärker katholischen Versionen dessen aufzugreifen, was die Reformation über die uns betreffenden Fragen zu sagen hatte«.34 Abgesehen davon, daß der Begriff ›katholisch‹ dabei sehr unscharf verwandt wird,35 ignoriert Lindbeck den hier skizzierten historischen Kontext von CA 14 völlig. Auch die sonst für das rituelle Verständnis des rite vocatus ins Feld geführten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Die These Rietschels, wonach Luther bis 1535 ordinare
31 Die Form der Amtseinsetzung spielt in den Gebieten der anderen Unterzeichner der CA bis Mitte der dreißiger Jahre praktisch keine Rolle. Einige spätere Beispiele seien genannt. In Brandenburg-Ansbach wiesen die Ansbacher Prediger im Jahre 1538 den Wittenberger Vorschlag zurück, in ihrem Gebiet eine evangelische Ordination mit Handauflegung einzuführen. Vgl. u. S. 303 f. Im Nürnberger Gebiet, wo die brandenburgisch-ansbachische Kirchenordnung ebenfalls Gültigkeit hatte, wehrte der Rat sich noch 1547 entschieden gegen die Einführung eines Ordinationsritus, vom dem er offenbar die Beschneidung seines Einflusses auf die Stellenbesetzung erwartete. Vgl. u. S. 293. In Hessen wurde im Jahre 1539 eine evangelische Ordination eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren viele Männer in kirchliche Ämter berufen worden, die weder geweiht noch evangelisch ordiniert waren. 1556 wurde von den Visitatoren in Niederhessen verzeichnet, daß etwa 10% der Amtsträger weder römisch geweiht noch evangelisch ordiniert waren. Vgl. Diehl, Geschichte, 285–295. Über diejenigen von ihnen, die später in die benachbarte Grafschaft Henneberg gewechselt waren, heißt es in den hennebergischen Visitationsakten von 1555, sie seien »nit legittime et impositione manuum ordinirt, sondern dem Hessischen gebrauch nach zugelassen« (Germann, Urkunden, 57). 32 Vgl. o. S. 120. 33 Lieberg, Amt, 335. Ähnlich Mittermeier, Ordination, 148, Tjørhom, Kirken, 79 u.a. 34 Lindbeck, Rite vocatus, 460 f. 35 Vgl. den Diskussionsbeitrag Harding Meyers a.a.O., 468.
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
immer im Sinne von vocare gebraucht habe,36 wird in einem Teil der neueren Literatur auf den Kopf gestellt, wenn nun behauptet wird, im damaligen Sprachgebrauch habe man die beiden Begriffe »häufig austauschbar verwendet, um auf den gesamten Vorgang von Wahl, Berufung und Ordination für das Amt Bezug zu nehmen«.37 Einziger Beleg für die These ist eine auch von Rietschel herangezogene Predigt Luthers von 1524, auf die in der beschriebenen Weise als erster Piepkorn verweist.38 Daß die Predigtstelle weder die These Rietschels noch die neue Variante stützt, wurde bereits gezeigt.39 Piepkorns Verweis darauf, daß rite vom IV. Laterankonzil in einem rituellen Sinne verwandt würde, trägt zur Sache nichts bei. Die dortige Bestimmung mit ihrem rite ordinatus40 diente den Reformatoren sicher nicht als Referenztext und sagte auch dort nicht mehr aus, als daß die Weihe ›ordentlich‹ oder ›gültig‹ zu geschehen habe. Schließlich wird häufig argumentiert, Melanchthon habe die Unklarheit der eigenen Formulierung selbst gesehen und deshalb in der CA Variata 1540 durch den Zusatz »sicut et Paulus praecipit Tito, ut in civitatibus presbyteros constituat«, beseitigt.41 Aber abgesehen vom fragwürdigen Vorgehen, den Text auf die spätere Deutung festzulegen, spricht gegen dieses Argument vor allem, daß der Titusbrief im Gegensatz zu den Timotheusbriefen (1. Tim 4, 14; 5, 22; 2. Tim 1, 6) keinerlei Hinweis auf die Handauflegung enthält. Melanchthon muß etwas anderes im Sinn gehabt haben, wenn er Tit 1, 5–7 anführt. Bei dieser Stelle handelt es sich um den von den Reformatoren häufig angeführten locus classicus für die Aussage, daß Presbyter und Bischof ursprünglich Synonyme gewesen seien,42 Der Zusammenhang mit CA Var 14 ergibt sich durch einen Blick auf den Abschnitt De potestestate et jurisdictione episcoporum in Melanchthons drei Jahre früherem Tractatus de potestate papae: Unter Berufung auf die Stelle aus dem Titusbrief und mit dem Hinweis auf Hieronymus hält der Reformator fest, daß der Unterschied zwischen Bischöfen und Pfarrern nicht göttlichen Rechtes sei und deshalb das ius vocandi, eligendi et ordinandi ministros nicht den Bischöfen vorbehalten sei. Die Ergänzung in der CA Variata ist also vor dem Hintergrund der längst praktizierten evangelischen Ordinationen zu sehen und präzisiert nicht den Modus der vocatio, sondern durch wen sie zu geschehen habe.
Daß Melanchthon bis in die dreißiger Jahre einen evangelischen Ordinationsritus weder für nötig noch für angeraten hielt, bedeutet nicht, daß er ihn nicht schätzte. Im Gegenteil betont die zentrale Passage in Art. 13 der Apologie43 die Bedeutung der Ordination derart, daß sie mit der obigen Deutung von CA 14 in einem Widerspruch zu stehen scheint. Begegnet die Apologie der Forderung der Confutatio, in CA 13 müsse die Siebenzahl der Sakramente niedergelegt werden, zunächst mit der Definition, die Sakrament seien Riten, »qui habent mandatum Dei et quibus addita est promissio 36
Vgl. Rietschel, Luther, 55 f. Lindbeck, a.a.O., 462; zustimmend zitiert von Wenz, Theologie II, 362 Anm. 154. 38 Vgl. Piepkorn, Ministry, 114 Anm. 23. 39 Vgl. o. S. 87 f. 40 Vgl. DH 802. 41 MWA 6, 21. Vgl. dazu Lieberg, a.a.O., 335; den Diskussionsbeitrag Vinzenz Pfnürs zu Lindbeck, a.a.O., 469 f; Mittermeier, Ordination, 148. 42 Vgl. o. S. 50. 43 Zu diesem Dokument vgl. den nächsten Abschnitt. 37
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gratiae«, und Riten, denen eine göttliche Anordnung fehle, sollten von den Sakramenten unterschieden werden,44 bewegt sich der Reformator ganz auf der klassischen Wittenberger Linie, wie sie etwa auch in seinen Loci von 1521 begegnet.45 Doch dann führt Melanchthon aus, unter der Voraussetzung, daß der ordo nicht auf ein Opferpriestertum, sondern auf den Dienst am Wort bezogen werde, könnten auch die Evangelischen ihn, ja selbst die Handauflegung ein Sakrament nennen. Denn das Predigtamt sei von Gott eingesetzt und habe große Verheißungen, wie er mit Röm 1, 16 und Jes 55, 11 belegt. Es sei deshalb nützlich, es auf jede erdenkliche Weise gegen seine Verachtung durch die Wiedertäufer zu loben – gegebenenfalls also auch mit dem Begriff Sakrament.46 Im Rahmen dieser Arbeit muß nicht erörtert werden, inwiefern die vornehmlich pädagogisch motivierte Rede vom ordo als einem Sakrament theologisch überzeugt. Wichtig ist nur, was aus ihr für das Verständnis und die angemessene Form der Ordination folgt. Auszugehen ist dabei von dem Gebot und den Verheißungen, die für Melanchthon jene Rede begründen. Die von ihm angeführten Verheißungen haben nämlich das Evangelium und nicht die Ordination zum Gegenstand. Der Sakramentstitel gilt folglich primär der Verkündigung des Evangeliums. Um sie geht es, wenn Melanchthon schreibt, das Amt solle durch den Ordinationsritus ›geschmückt‹ (ornare) werden. Zugespitzt gesagt: Nicht die Wirkung des Ordinationsritus auf den Ordinanden, sondern die, die er auf die anwesende Gemeinde ausübt, leitet die Überlegungen des Reformators.47 Die Ordination mit Handauflegung ist dann eine sinnvolle Form der Einsetzung ins Predigtamt, durch die die große Bedeutung dieser Aufgabe unterstrichen wird. Schon gar nicht legt die Rede vom ordo als einem Sakrament in Apol. 13 das rite vocatus in CA 14 auf eine bestimmte Form fest.
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Vgl. BSLK, 292, 14–293, 16. Vgl. MWA II/1, 140, 24–144,30. 46 Vgl. BSLK, 293, 19–294, 12: »Si autem ordo de ministerio verbi intelligatur, non gravatim vocaverimus ordinem sacramentum. Nam ministerium verbi habet mandatum Dei et habet magnificas promissiones … Ac prodest, quantum fieri potest, ornare ministerium verbi omni genere laudis adversus fanaticos homines …«. 47 Melanchthon übernahm diese Gedanken seit 1535 in die späteren aetates seiner Loci: »Mihi maxime placet etiam addi (sc. zur Zahl der Sakramente) Ordinationem, ut vocant, id est, vocationem ad ministerium Evangelii et publicam eius vocationis approbationem …« (CR 21, 470 [1535]; MWA II/2, 501, 16–18 [1559]). Als Sakrament wird auch hier nicht der Ritus selbst bezeichnet, sondern Melanchthon versteht unter Ordination das gesamte Berufungsgeschehen. Die im folgenden aufgeführten Verheißungen beziehen sich wie in der Apologie nicht auf die Ordination, sondern auf das Amt. Das Ziel dieser Ausführungen ist, den Gläubigen so die große Bedeutung des Amtes vor Augen zu führen (vgl. a.a.O., 502, 22–25). 45
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
2. Die Lage nach dem Augsburger Reichstag Die Ergebnis des Augsburger Reichstags war für die evangelische Seite enttäuschend. Die Verlesung der Confutatio als offizieller Antwort auf das Augsburger Bekenntnis, das Scheitern der Ausschußverhandlungen, die Zurückweisung der Apologie48 und schließlich der Reichstagsabschied, in dem den Evangelischen eine Besinnungsfrist bis zum 15. April des folgenden Jahres eingeräumt und das Wormser Edikt wieder in Kraft gesetzt wurde, zeigte nur eins: Was zum Durchbruch in der Religionsfrage hätte werden sollen, hatte eine Verschlechterung der Gesamtlage bewirkt. Weniger eindeutig war das Reichstagsergebnis im Hinblick auf die Ordination. Das Angebot, daß evangelische Amtsträger sich künftig von den Bischöfen weihen lassen sollten, war zwar vorläufig obsolet geworden. Gleichwohl blieb die Frage bestehen, welche Haltung in Zukunft zur bischöflichen Jurisdiktion einzunehmen war. Davon und von der Einschätzung, wie lange die gegenwärtige kirchenpolitische Lage anhalten würde, war abhängig, wie in der Folgezeit Notwendigkeit und Sinn einer evangelischen Ordination bewertet wurden. Die beiden führenden kursächsischen Theologen waren hierin nicht immer einer Meinung. Melanchthon überarbeitete in den Monaten nach der Rückkehr aus Augsburg die dort verfaßte Apologie gründlich.49 Er hoffte offenkundig immer noch auf eine Lösung. Indem er vom sacramentum ordinis sprach, kam er zumindest in der Terminologie der Gegenseite weit entgegen. Die Einführung einer evangelischen Ordination hätte die Einigungsbestrebungen hintertrieben. Dagegen hatte Luther die Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts offenbar verloren. Unter dem Eindruck der Augsburger Ereignisse kündigte er Ende 1530 eine eigene Ordination an. Ein sonst unbekannter Peter Hackenberg hatte ihm von seinem aus Enttäuschung über den Reichstag gefaßten Beschluß, das Kloster zu verlassen, aber auch von Sorgen über seinen künftigen Lebensunterhalt geschrieben. Luther versichert ihm, daß es aufgrund eines allgemeinen Pfarrermangels nicht schwer sein werde, eine Stelle für ihn zu finden. Er fährt fort, der Mangel zwinge dazu, bald ohne alle episkopalen Insignien, ja ohne die Bischöfe selbst mit eigenem Ritus Amtsträger zu ordinieren bzw. einzusetzen.50 Es liegt, auch wenn Luther dies nicht ausdrücklich schreibt, auf der Hand, daß die jüngsten Ereignisse den Plan einer Ordination ›ohne diese Bischöfe‹ maßgeblich bestimmt haben. 48
Vgl. BSLK 142, 28–49; Foerstemann, Urkundenbuch II, 475 Nr. 206. Vgl. BSLK 143, 10–17. 50 Vgl. WA.B 6, 700, 11–15 Nr. 1762: »Porro de parochia aliqua seu ministerio verbi aliquo ne sis sollicitus. Magna ubique penuria fidelium pastorum, ita ut prope sit, quo cogemur proprio ritu ordinare seu instituere ministros, sine rasura, sine unctura, sine infula, sine chirothecis, sine baculo et sine thuribulo, sine denique istis episcopis.« 49
2. Die Lage nach dem Augsburger Reichstag
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Für sich genommen legt der Brief den Schluß nahe – der auch vielfach gezogen wird –, daß der Reformator die Priesterweihe als notwendige Voraussetzung für das Pfarramt angesehen habe und nach dem Scheitern des Reichstages gezwungenermaßen (cogemur) eine Alternative suchen mußte.51 Doch die Wittenberger hatten, wie gezeigt, keine theologischen Einwände gegen die Berufung von ungeweihten Kandidaten, vor allem aber hatten sie bereits Ordinationen sine istis episcopis durchgeführt. Luther hatte auch keine Veranlassung, gegenüber einem Anhänger ein unzutreffendes Bild zu zeichnen. Im übrigen wären nach jenem üblichen Schluß Luthers Ausführungen sowieso ohne Relevanz für Peter Hackenberg gewesen, da er aller Wahrscheinlichkeit nach geweiht war. Das Problem löst sich, wenn proprio ritu ordinare seu instituere nicht ausschließlich auf einen die Weihe ersetzenden evangelischen Ordinationsritus bezogen wird, sondern das gesamte Feld der Besetzung kirchlicher Ämter meint, die künftig auch offiziell ohne Beteiligung der Bischöfe geschehen soll. Davon wäre auch Hackenberg betroffen. Dazu paßt, daß Luther hier neben Tonsur und Salbung, die er sonst häufig als Symptome eines verfehltenVerständnisses der Weihe nennt,52 die bischöflichen Insignien aufzählt; nachdem es nicht zu einer Restitution der bischöflichen Jurisdiktion gekommen war, mußte der Zugang zum Amt evangelischerseits insgesamt neu geregelt werden. Angesichts der Dringlichkeit, mit der Luther Hackenberg gegenüber von der Neuordnung der Einsetzung in das kirchliche Amt sprach, ist überraschend, daß bis zur Umsetzung des Plans noch viereinhalb Jahre vergehen sollten. Zwar war Luthers Klage über den Pfarrermangel häufigen Schwankungen unterworfen,53 so daß dieses Argument nicht überdehnt werden darf. Doch der Reformator griff das Thema der evangelischen Ordination am 1. März 1531 in der erörterten Antwort an den Göttinger Prediger Johann Sutel noch einmal auf, in der er sich erstmals seit der Schrift an die Böhmen dafür aussprach, daß ein kirchlicher Amtsträger mit Gebet und Handauflegung ordiniert werden solle.54 Die zeitliche Nähe der beiden Briefe ist kaum zufällig; während des Winters 1530/31 plante Luther offenbar die baldige Einführung einer evangelischen Ordination. Dann verschwand das Thema jedoch wieder von der Tagesordnung, obwohl sich an der Situation in den evangelischen Gebieten nichts geändert hatte.55 51 So interpretieren Lieberg, Amt, 180 und Smith, Luther, 62. Drews sieht dagegen in dem ›Zwang‹ einen Hinweis darauf, daß eine solche Einführung »für Luther nur ein Zugeständnis … an die Zeitverhältnisse war« (WA 38, 408) – eine ebenfalls verfehlte Interpretation, die durch seine Bewertung der Wittenberger Zentralordination bedingt ist. 52 So bereits in den Schriften von 1520. Vgl. o. S. 21 f. 53 Vgl. u. S. 195 f Anm. 44. 54 Vgl. o. S. 111–116. 55 Auch im Mai 1531 beklagte sich Luther über den Mangel an fähigen Kandidaten. Vgl.
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
Im Frühjahr 1531 ergaben sich allerdings neue kirchenpolitische Perspektiven, aufgrund derer die Ordinationspläne zunächst nicht weiter verfolgt werden konnten. Ende Februar 1531 war der Schmalkaldische Bund gegründet worden, und bald darauf signalisierte der neu gewählte König Ferdinand durch die Kurfürsten Albrecht von Mainz und Ludwig von der Pfalz die Bereitschaft zu Verhandlungen, um die Bundesgenossen zur Mitwirkung bei der Türkenhilfe zu bewegen.56 Die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden stiegen, als die Verhandlungen auch von Karl V. autorisiert wurden. Am Ende dieses Prozesses stand im Sommer 1532 der Nürnberger Anstand, der den evangelischen Ständen auf Jahre eine relativ gesicherte Position verschaffte. Wie im Vorfeld des Augsburger Reichstages stand erneut zur Diskussion, inwieweit den Bischöfen die Ausübung ihrer Jurisdiktion in den evangelischen Gebieten zugestanden werden konnte. Dabei stand nun weniger eine Einigung in der Lehre als vielmehr eine möglichst große Freiheit unter den römischen Bischöfen als Ziel vor Augen. Luther, Melanchthon und Jonas steckten in einem Gutachten für den Kurfürsten den Verhandlungsspielraum ab.57 Im einleitenden Teil, der Melanchthons Handschrift trägt, wird eine Wiederherstellung der bischöflichen Jurisdiktion abgelehnt, denn in den reformationsfeindlichen Territorien würden evangelische Christen verfolgt.58 Im Hauptteil, der unter Luthers Federführung entstand, wird dennoch dafür plädiert, unter der für die Gegenseite kaum erfüllbaren Bedingung, daß die Predigt des Evangeliums zugelassen werde, das Angebot der Jurisdiktion zu erneuern, so das die eigene Seite entschuldigt wäre. Die Jurisdiktion könne ohnehin »nicht mehr denn eine eusserliche gefengnis« bewirken, weil in den Verhandlungen ausschließlich eine politische Einigung (»nichts anders denn friede«) erreicht werden solle. Die Bischöfe hätten mit der Jurisdiktion auch das Recht zur Weihe und Konfirmation der evangelischen Amtsträger erhalten. Luther sieht darin keine grundsätzlichen Probleme. Er verweist darauf, daß auch in biblischer Zeit das Priesteramt häufig aus der Hand von Tyrannen empfangen werden mußte.59 WA.B 6, 89, 7–18 Nr. 1812. Daß ferner ein Ersatz für die bischöfliche Jurisdiktion gefunden werden mußte, dürfte sich dem Reformator seit dem März 1531 während des langwierigen Streits mit der Zwickauer Gemeinde (vgl. dazu Brecht, Luther II, 424–427) aufgedrängt haben. Die Entlassung des Predigers Laurentius Soranus durch den Rat war gegen den Willen des Pfarrers Nikolaus Hausmann erfolgt. In diesem Zusammenhang bestärkte Luther den Kurfürsten darin, nach dem Ausfall der bischöflichen Herrschaft über Stifter und Ämter nun selbst die Aufsicht über die kirchlichen Ämter auszuüben (vgl. WA.B 6, 48, 8–15 Nr. 1790 vom 4.3.1531). 56 Vgl. dazu Wolgast, Wittenberger Theologie, 203–205; Brecht, a.a.O., 406–411. 57 Vgl. WA.B 6, 110–115 (MBW 1175). Die Datierung bei MBW 2, 41 erscheint plausibler als diejenige bei Wolgast, Wittenberger Theologie, 205, der das Gutachten auf Ende 1531 oder Anfang 1532 datiert. 58 Vgl. WA.B 6, 110, 11–111, 19. 59 Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß er außerdem die gegenwärtige Situation der Böhmen anführt, die trotz der Verfolgung durch den Papst von ihm ihre Priester weihen ließen.
3. Priesterweihe und evangelische Ordination
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Doch er rechnete nicht ernsthaft mit einer Restitution der bischöflichen Jurisdiktion, wie das Dokument deutlich erkennen läßt. Hier Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren, schien deshalb folgenlos zu sein. Die Einführung einer evangelischen Ordination mußte allerdings auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Die Situation, in der man sich nun befand, glich derjenigen vor dem Augsburger Reichstag. Erst als der ersehnte äußere Frieden gesichert war und eine theologische Einigung sich erneut zerschlagen hatte, kamen die Überlegungen über eine Amtseinsetzung ohne die Bischöfe erneut auf die Tagesordnung. Luther veröffentlichte sie in der Schrift Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe.
3. Priesterweihe und evangelische Ordination nach Luthers Schrift ›Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe‹ (1533) a. Der kirchenpolitische und ekklesiologische Kontext der Kritik an der Priesterweihe Als sich Luther 1533 in Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe mit der Priesterweihe auseinandersetzte, war seit seiner letzten amtstheologischen Veröffentlichung, der Schrift De instituendis ministris ecclesiae, ein Jahrzehnt vergangen. Damals war es ihm darum gegangen, auf dem Hintergrund der Lehre vom allgemeinen Priestertum das Berufungsrecht der Gemeinde zu begründen. Nun stand an, Gegnern und Anhängern gegenüber öffentlich Rechenschaft über das kirchliche Amt zu geben, bevor eine evangelische Ordination eingeführt wurde. Je länger der Nürnberger Anstand von 1532 Gültigkeit behielt, desto mehr bestand bei der Frage der Ordination Handlungsbedarf. Einerseits war die eigene Position nun so stark, daß nicht länger Rücksicht auf den Episkopat genommen werden mußte. So widerruft Luther in seiner Schrift Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe ausdrücklich das bisher geltende Angebot der evangelischen Seite, daß sich ihre Amtsträger von den Bischöfen weihen lassen würden.60 Andererseits war eine Lage entstanden, die für die Zeit bis zu einem – vorläufig nicht zu erwartenden – Konzil Bestand haben konnte. Der kirchliche Ausnahmezustand schien dauerhaft geworden und verlangte nach Gestaltung. Nun, da also übergeordnete, dauerhafte Strukturen aufgebaut werden konnten und mußten, stellte sich unweigerlich die Frage, in welchem Verhältnis die eigene Kirche zu der des Papstes stand.Wo war die wahre Kirche zu finden? In den Vorarbeiten zu Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe stellte Luther erstmals Acht Jahre zuvor hatte Luther gerade ihre Lage als unerträglich bezeichnet und die Böhmen dazu aufgefordert, die römischen Weihen zu meiden. Vgl. o. S. 59. 60 Vgl. WA 38, 195, 17–23; 236, 23–32.
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
eine Liste von Merkmalen auf, die er sacramenta nennt. ›Wir haben die Kirche, also auch alle Sakramente.‹61 Unter Sakramenten versteht Luther hier offenbar all jene Mittel, durch die Gott Heil wirkt. Zu ihnen gehört auch das kirchliche Amt, nicht jedoch eine bestimmte Einsetzung in dasselbe. So kann Luther im selben Zusammenhang hinsichtlich der Berufung in das Amt sagen, daß der Ungeweihte für sie besser geeignet sei als der Geweihte.62 So sehr der Reformator auch die Kirche des Papstes kritisiert, spricht er ihr das Kirche-Sein doch nicht ab. Sofern die besagten Merkmale in ihr wirksam waren, war sie Kirche Christi.63 Doch das Amt in der römischen Kirche, über das diese sich definierte, war wesentlich ein Meßpriestertum. Gab es überhaupt eine Kontinuität zu jenem Amt? b. Gültigkeit und Katholizität der evangelischen Ordination Luther verortet das evangelische Amt in der einen Kirche, ohne damit Priesterweihe und Meßpriestertum anzuerkennen. Dabei geht er so vor, daß er die Gestalt des Amtes in der mittelalterlichen Kirche scharf kritisiert, dabei jedoch dessen bewahrten rechten Kern – das Predigtamt – herausarbeitet. In der Form eines Dialog mit dem Teufel berichtet der Reformator über ein eigenes Anfechtungserlebnis. Der Widersacher habe ihm nachgewiesen, daß sein eigener fünfzehnjähriger Dienst als Altarist Götzendienst gewesen sei. Er habe ihm gezeigt, daß die Praxis der Messe gegen ihre Einsetzung durch Christus verstoße. Besonders die Tatsache, daß sie ohne Kommunikanten gefeiert werde, widerstreite ihrem eigentlichen Sinn und mache deshalb ganz ungewiß, ob in der Messe tatsächlich Leib und Blut Christi anwesend 61 Vgl. WA 38, 185 f; hier 185, 11–13: »Habemus Ecclesiam, ergo omnia sacramenta: 1. baptisma, 2. Claves, 3. Absolutionem, 4. verbum, 5. Ministerium, 6. Christum et spiritum sanctum, 7. fidem, 8. charitatem, 9. Crucem, 10. Orationem«. Der Entwurf muß vom Januar stammen, da Veit Dietrichs Abschrift der Notizen von einer Krankheit Luthers weiß, die diesen von der Fertigstellung der Schrift abgehalten hatte (vgl. a.a.O., 185, 1–3). Dabei muß es sich um die Erkrankung des Reformators im Februar und März handeln (vgl. a.a.O., 174). In der endgültigen Fassung der Schrift spielen die Kennzeichen der wahren Kirchen nur eine untergeordnete Rolle (vgl. a.a.O., 221, 18–35). Luther kündigte jedoch bereits hier eine ausführlichere Behandlung ekklesiologischer Fragen an (vgl. a.a.O., 216, 7–9; vgl. ferner a.a.O., 279, 1 f [1534]), die er dann erst sechs Jahre später in Von den Konziliis und Kirchen liefern sollte. Dort führte er die etwas modifizierte Reihe der notae ecclesiae breit aus (vgl. WA 53, 628, 29–643, 26). Den Begriff des ›Sakramentes‹ verwendet er dort nicht mehr, »weil dis wort Sacrament in misbrauch komen ist durch die Papisten, und anders in der Schrifft gebraucht wird«, und spricht stattdessen von ›Heiltümern‹ (a.a.O., 643, 2–5). Luther hält gleichwohl fest, daß die Kirche an solchen Merkmalen erkannt werden kann, »dadurch der Heilige geist in uns eine tegliche heiligung und vivification ubet in Christo« (a.a.O., 642, 32–34). 62 Vgl. a.a.O., 185, 6 f: »Aptior est vocationi non unctus quam unctus, quia purius est Christianus quam ille, qui fidit in hominibus.« Daß diese Aussage theologisch und nicht pragmatisch zu verstehen ist, war bereits o. S. 120 Anm. 127 deutlich geworden. 63 Vgl. Wendebourg, Kirche, 406 f.
3. Priesterweihe und evangelische Ordination
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seien.64 Damit steht aber nicht nur die Meßpriestertätigkeit Luthers, sondern auch das kirchliche Amt als solches in Frage. »Mit der Weise wirstu uns auch keinen Prediger, Pfarher noch Pfarrhen lassen bleiben und das Sacrament, so bis her unter dem Bapst gebraucht, gar auff heben und eitel brod und wein daraus machen«,65 läßt der Reformator seine besorgte Leserschaft einwenden. Und in der Tat mache ja die Priesterweihe als solche den Ordinanden nur zum »Winckel Pfaffen«, berechtige ihn mithin nur zur unchristlichen Privatmesse, während zur Ausübung des Pfarramtes eine Berufung oder Investitur vonnöten war.66 Luther findet nun paradoxerweise gerade in der üblichen Trennung zwischen Weihe- und Jurisdiktionsgewalt, die er grundsätzlich kritisiert, den Kern des rechten Ordinationsverständnisses bewahrt: Die öffentliche Predigt setzt auch in der römischen Kirche die Berufung voraus. Auf diese Weise wurde das Amt in der Kirche erhalten, auch wenn diese Ordnung auf doppelte Weise entstellt ist. So weihen die Bischöfe einen Kandidaten auch ohne Berufung und weigern sich gleichzeitig, auch Ungeweihte zu berufen. In einem apokalyptischen Bild vergleicht Luther den Zustand der Kirche mit dem des jüdischen Tempels, an dem Gott festhält, obwohl in ihm der Greuel aufgestellt ist (Mk 13, 14).67 Ohne das Amt in der römischen Kirche selbst in Frage zu stellen, kann der Reformator so die Geltung und Wirksamkeit der Priesterweihe bestreiten. Nicht sie, sondern die Berufung konstituiert das Amt. Die Weihe in ihrer verzerrten Form ist so für sich genommen ein Hindernis für das recht verstandene kirchliche Amt.68 64
Vgl. a.a.O., 197, 17–204, 13. A.a.O., 220, 6–9. 66 Vgl. a.a.O., 220, 15–27. Zu Unrecht folgert Lieberg, Amt, 174 aus dieser Stelle, wo Luther von der Ordination spreche, sei »die örtliche Vokation in ein bestimmtes konkretes Pfarramt schon vorausgesetzt« (Hervorhebung im Original). Der Reformator will hier nicht zwischen Ordination und Vokation unterscheiden, sondern lediglich herausstreichen, daß auch im Papsttum die Berufung erhalten geblieben ist. 67 Vgl. WA 38, 220, 28–221, 9: »Hie wollen wir nu unterscheiden und sehen den tempel Gottes, darinn der Endechrist sitzt, und die heilige stete, da der grewel jnnen stehet. Das ist gewis (wie itzt gesagt), das der Bisschoff keinen Pfarher noch prediger weyhet, sondern eitel Winckel Pfaffen zur Winckel messe. Ja, es bleibt jm eben so hart nach der weyhe verboten als da vor, das er sich offentlichs predigens Jnn der Kirchen und Pfarrampts nicht thar unterwinden on sonderliche newe ordenung und beruffunge, Und ist also die Weyhe odder Cresem gar weit gescheiden vom ordinirn odder beruff zu dem gemeinen Christlichen ampt des predigens und Pfarrampts … das sie on Pfarre, Pfaffen weyhen und doch on die weyhe keinen Pfarrher ordinirn, macht uns keinen Artikel des glaubens, das drumb also sein m sse, Wir haben itzt daran gnug, das jre weyhe keine Pfarher noch Christlich ampt unter die gemeine der Christen ordinirt, sondern allein einen Winckel Pfaffen …«. Vgl. ähnlich noch a.a.O., 236, 4–30, wo Luther das Patronatsrecht als ein Beispiel dafür anführt, daß Christus das Pfarr- und Predigtamt trotz der Priesterweihe in der Kirche erhalten habe. 68 Vgl. auch die folgenden Abschnitte aus den Vorarbeiten a.a.O. 38, 186, 10–19: »Omnes nos damnas unctos, etiam pastores, quia pariter sumus sic ordinati? ¶ Respondetur: Hoc volo quod ordinatio ista sit simpliciter nihil nisi humana caeremonia, ex qua nobis sacramentum faciunt. 65
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
In der Konsequenz des bisher Gesagten läge es, daß Luther die wahre Ordination nicht in der Tradition der Weihe verorten, sondern als recht verstandene Investitur definieren würde, denn in letzterer wäre ja das zu sehen, was für den Reformator der wahre Kern der Weihe ist. Daß er das nicht tut, ist auffällig und wird gleich zu bedenken sein. Stattdessen versucht Luther, für die Gegenwart fruchtbar zu machen, wie seiner Ansicht nach in der Alten Kirche die Ordination aufgefaßt worden war. Die Kirchenväter »haben … mit [dem von Luther kritisierten Chrisamöl] keine Winckel Pfaffen noch jemand zur Winckel messen geweyhet, Sondern wenn sie jemand zum rechten Christlichen Pfarrampt odder seelsorgen haben beruffen, haben sie solchen beruff f r die gemeine mit solchem geprenge wollen zieren und malen«, um die Amtsträger im Volk unterscheidbar zu machen. »Denn es sol und kan im grunde die weyhe nichts anders sein (sol es recht zu gehen) denn ein beruff odder befelh des Pfarrampts odder Predigtampts.«69 Nachdem Luther herausgearbeitet hat, wie die Ordination richtig zu verstehen sei, führt er den Nachweis, daß die evangelische Seite diese auch ohne den römischen Episkopat gültig vollziehen könne. Daß die Evangelischen den Bischöfen bisher das Bestätigungsrecht angeboten hätten, sei ein Akt der freiwilligen Demut gewesen. Doch künftig sollten jene »jren grewel und cresem behalten, wir wollen sehen, wie wir Pfarrhern und Prediger kriegen aus der Tauffe und Gottes wort, on jren Cresem, durch unser erwelen und beruffen geordinirt und bestetigt«.70 Luther fordert alsdann unter Berufung auf die kirchenrechtliche Gültigkeit der Ketzerweihen, daß die evangelischen Ordinationen von der Gegenseite anerkannt werden müßten, zumal die »Lutherisschen«, wie auch die römisch Gesinnten zugeben müßten, nicht einmal Ketzer seien.71 Die Zielsetzung dieses Abschnittes wird nicht recht deutlich. Wenn der Reformator hier tatsächlich die Anerkennung der eigenen Ordination erreichen wollte, wäre Nam praeter eam restat adhuc vocatio ad parochiam et ministerium sine chrismate et pompa. Ille vero qui non vocatur, manet picta et ficta imago sacrificuli. … Si nihil habemus quam Chrisma, nihil habemus.« A.a.O., 188, 15–18: »Sic wurfft papa die leut ordinatione illegitima in die kirchen, per [sic] wolt gern wehren, et tamen fit: bringt die armen pfaffen In das ministerium; predigstul, tauffstein sind da zuuor, so wurfft er sie hinein; Sic vocatio est legitima.« Das (sic!; conj.: ) ist am ehesten mit der WA als die Symbiose von Papst und Klerus innerhalb des Meßpfründensystems zu interpretieren. Stein sieht hier hingegen eine positiv verstandene »wechselseitige Beziehung zwischen ordinatione illegitima und ministerium« (Amt, 193 Anm. 65). Inwiefern der betreffenden Stelle zufolge das Amt von der Weihe profitiert, wie Stein behauptet, ist mir nicht deutlich. 69 WA 38, 228, 19–31. Historisch ist Luther in doppelter Weise im Irrtum. Einerseits ist die Handsalbung bei der Weihe erst seit dem 9. Jh. belegen. Vgl. Kleinheyer, Priesterweihe, 114–122. Andererseits läßt sich die Ordination in altkirchlicher Zeit keineswegs als reines Berufungsgeschehen auffassen, sondern beinhaltet etwa in der Traditio apostolica eine Gnadenmitteilung. Vgl. Kretschmar, Amt, 15; Ott, Weihesakrament, 14 f. 70 Vgl. WA 38, 236, 30–32. 71 Vgl. a.a.O., 236, 38–237, 10.
3. Priesterweihe und evangelische Ordination
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seine einleitende Bemerkung, man werde die Bischöfe darum nicht bitten, kontraproduktiv. Eher schon hat er in dieser Passage die evangelischen Gemeinden im Blick, deren Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der eigenen Ordinationen er mit dem Hinweis darauf zu stärken sucht, daß diese selbst nach dem kanonischen Recht gültig seien.72 Der Reformator widerlegt den möglichen Einwand, die Ketzerweihen in altkirchlicher Zeit seien anders als die evangelischen Ordinationen durch Bischöfe erfolgt. Einmal mehr führt er dagegen die These an, daß ›Bischof‹ und ›Pfarrer‹ von Paulus synonym gebraucht würden. Dieses bekannte Argument weitet er daraufhin auf die gesamte Alte Kirche aus. Sowohl die erwähnten Ketzerbischöfe als auch ihre katholischen Gegner hätten in sehr kleinen Bistümern amtiert, die in ihrer Größe der Parochie eines Pfarrers in einer Stadt wie Torgau, Leipzig oder Grimma entsprochen hätten. Ein altkirchlicher Bischof wie Augustinus war also nichts anderes als ein Pfarrer. Er sei von seinem Vorgänger Valerius geweiht worden und habe später selbst häufig Pfarrer für andere Städte ordiniert. Dieses Recht beansprucht er auch für den Wittenberger Pfarrer, dessen Sprengel nicht kleiner sei als der Augustins. Er und die übrigen Theologen der Pfarrei könnten ebenfalls kirchliche Amtsträger »ordinirn und senden«, wenn andere Gemeinden bedürftig seien.73 Luther verfolgte mit dem Rückgriff auf die Ordinationspraxis der Alten Kirche einen doppelten Zweck. Zum einen ließen sich auf dieser Grundlage Anfragen an die Priesterweihe in ihrer gegenwärtigen Form artikulieren. Zum anderen war es so möglich, daran festzuhalten, daß die Evangelischen in der Kontinuität der einen apostolischen und katholischen Kirche standen, ohne die Priesterweihe und das Priesteramt als solche anzuerkennen. Die historischen Wurzeln des Weihesakraments zeigten, daß dessen ursprünglicher 72 Luther selbst schrieb in der Vorrede zur lateinischen Übersetzung, das Werk solle eher die eigenen Leute bestärken als die Gegner zu bekämpfen (WA.B 7, 18, 5). 73 Vgl. a.a.O., 237, 19–238, 8: »Und ob sie f r geben, die Ketzer so geweyhet haben, sind Bisschove gewest, darumb hat der Bapst und die Veter jr Weyhen lassen gelten, Das ist war: Sie sind Bisschove gewest, aber nicht Fursten noch herrn, Sondern wie Sanct Hieronymus aus Sanct Paulo beweiset, ist Bisschoff und Pfarrher ein ding gewest. Und haben solche Ketzer und andere Bisschove auch, viel nicht so grosse Pfarhen odder (wie mans nennet) Bistumb gehabt, als itzt ein Pfarrher zu Torgaw, Leyptzig odder Grymme hat, Denn ein igliche Stad hat einen Bisschoff gehabt, wie sie itzt Pfarrhen haben, Und Sanct Augustinus, der von seinem Pfarrher odder Bisschoff Valerio geweyhet odder geordinirt ward zum Prediger, und nach seinem tode, an seine stat Bisschoff ward, hat nicht eine gr sser Pfarre gehabt, denn unser Pfarre zu Wittemberg ist … Und der selbe kleine Pfarrher odder Bisschoff Sanct Augustinus, hat viel Pfarrher odder Bisschove jnn seiner kleinen Pfarrhen geweyhet und geordinirt (da noch kein Weybisschoff noch F rstenbisschoff, sondern eitel Pfarrher waren) die von andern Stedten begerd vnd beruffen wurden, Wie wir aus unser Pfarhen zu Wittemberg, andern Stedten, so es begern und bey sich keine haben, ordinirn und senden m gen. Denn ordinirn sol heissen vnd sein, beruffen und befelhen das Pfarrampt …«. Die hier genannten sächsischen Städte werden nicht als künftige evangelische Regionalbischofssitze, sondern lediglich als Größenbeispiele angeführt, wie aus der Nennung der albertinischen und damit der Reformation verschlossenen Stadt Leipzig hervorgeht.
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
Kern in der Berufung ins Pfarramt lag. Die evangelische Ordination sollte diesen Sinn nun wieder frei legen. c. Die Ansätze eines veränderten Ordinationsverständnisses bei Luther Luther schreibt in Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe erstmals über Ordinationen durch die Wittenberger Reformatoren. Mit dem Ende der kirchenpolitischen Rücksichtnahme gab es auch keinen Grund mehr für das Stillschweigen über die evangelischen Ordinationen. Dabei hat der Abschnitt, in dem der Reformator Wittenberg mit dem altkirchlichen Hippo Rhegius vergleicht, für die Argumentation nur eine ungeordnete Bedeutung. Da Luther nicht erwarten konnte, daß die Gegenseite seinem Verständnis des Bischofsamtes zustimmen würde, war die Überzeugungskraft ohnehin gering. Auch für das Selbstverständnis der Wittenberger Reformatoren war die Analogie zum altkirchlichen Episkopat offenbar nicht konstitutiv, denn sonst hätte nur der gemeindeleitende Pfarrer ordinieren dürfen. Luther behauptet aber das – ja auch tatsächlich in Anspruch genommene – Ordinationsrecht aller Wittenberger Amtsträger.74 Der Abschnitt wendet sich anscheinend nicht an die Gegner, sondern an die Anhänger der Reformation.Was ist seine Intention? Seltsamerweise erwähnt Luther seine eigenen ersten Ordinationen nicht. Die Formulierung, daß die Wittenberger »ordinirn … m gen«, besagt nur, daß sie prinzipiell über die Vollmacht dazu verfügen. Ob dies bereits geschehen ist oder lediglich für die Zukunft ins Auge gefaßt wird, bleibt offen.75 Trotz des offensiven Tones der Schrift vermeidet es Luther offenbar, die kursächsische Kirchenpolitik in ein zweifelhaften Licht zu rücken. Das wäre aber geschehen, wenn bekannt geworden wäre, daß parallel zu den bisherigen Verhandlungsangeboten bezüglich der bischöflichen Jurisdiktion bereits Ordinationen durchgeführt worden waren. 74 »… Wie wir aus unser Pfarhen zu Wittemberg … ordinirn und senden m gen« (Hervorhebung M.K.). 75 Für Rietschels These, Luther habe bis 1535 ›ordinieren‹ lediglich als ein Synonym für ›berufen‹ und also nichtrituell verstanden (vgl. a. o. S. 87), spielt diese Stelle eine zentrale Rolle. Zweifellos schließe ›ordinieren‹ hier nicht eine »kirchliche Feier« ein, da diese Praxis erst 1535 eingetreten sei. Es sei schlicht synonym mit ›senden‹ aufzufassen (vgl. Luther, 56 f; zustimmend Drews, WA 38, 405). Zunächst ist dagegen einzuwenden, daß Luthers Formulierung auch als eine bloße Ankündigung verstanden werden kann (vgl. a. Lieberg, Amt, 177). Sodann sind ›ordinieren‹ und ›senden‹ unmöglich als Synonyme anzusehen, die dann gemeinsam die Bedeutung ›berufen‹ hätten. Luther beanspruchte niemals, die von ihm gesandten Kandidaten ins Amt berufen zu haben; dies gebührt dem Patron oder der Gemeinde vor Ort. Ferner übersehen Rietschel und Drews, daß der Reformator hier nicht von sich selbst, sondern vom Wittenberger Stadtpfarrer redet. Bugenhagen hatte aber mit dem ›Senden‹ von Predigern im herkömmlichen Sinne nur in ganz seltenen Fällen zu tun (vgl. das Diagramm u. S. 324 [Anhang 2.a]). Luthers Aussage impliziert folglich einen Ordinationsritus.
3. Priesterweihe und evangelische Ordination
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Der Grund für Luthers unbestimmte Formulierung könnte aber auch sein, daß er strenggenommen in der Tat etwas Neues ankündigt. In seinen Ausführungen wird in Ansätzen ein Ordinationsmodell erkennbar, das sich von der bisherigen punktuellen Praxis unterscheidet. Die früheren Ordinationen hatten am künftigen Wirkungsort stattgefunden, denn durch den Ritus wurde der Ordinand zu seinem Dienst am Ort berufen. Nun sollten nach altkirchlichen Vorbild in Wittenberg Kandidaten für andere Gemeinden ordiniert werden. Dies war bisher aber nicht geschehen. Insofern handelt es sich bei Luthers Ausführungen tatsächlich um die Ankündigung künftigen Handelns. Hier deutet sich erstmals das zentralisierte Ordinationsverfahren an, das seit 1535 in Wittenberg praktiziert wurde. Dabei war vorgesehen, daß sich alle Kandidaten, die ein kirchliches Amt im Kurfürstentum anstrebten, in der Universitätsstadt ordinieren ließen. Von der späteren Ordnung unterscheidet sich Luthers Plan jedoch darin, daß die Ordination nur auf Wunsch der künftigen Gemeinde hin geschehen soll. Anders ausgedrückt: Sie soll nicht allgemein eingeführt und für jeden evangelischen Amtsträger obligatorisch vorgeschrieben werden. Daß sie gerade in Wittenberg stattfinden soll, verdankt sich dementsprechend auch nicht der Tatsache, daß hier der ranghöchste Superintendent der kursächsischen Kirche seinen Sitz hatte. Vielmehr hat für den neuen Plan offenbar mehr noch als das altkirchliche Vorbild die gängige Praxis Pate gestanden, daß reformatorisch gesinnte Gemeinden von Wittenberg aus mit evangelischen Predigern versorgt wurden.76 Das Neue an Luthers Ausführungen ist also, daß die Vermittlungen von kirchlichen Amtsträgern, die seit Jahren in großer Zahl vorkamen, von nun an mit einer rituellen Ordination verbunden werden sollten, sofern dies gewünscht wurde. Unter den veränderten kirchenpolitischen Verhältnissen war es nunmehr möglich, entsprechend der Praxis der Apostel und der Kirchenväter neue Amtsträger unter Gebet und Handauflegung in ihr Amt einzuführen. Da diese rituelle Ordination jedoch nicht die Voraussetzung dafür bildete, daß das kirchliche Amt gültig ausgeübt wurde, mußte sie auch jetzt nicht allgemein vorgeschrieben werden, sondern stellte lediglich eine Möglichkeit dar, die Luther anderen Gemeinden empfahl. An einem bestimmten Punkt bildet Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe einen Wendepunkt in Luthers Ordinationsverständnis. Wie oben gezeigt wurde, besteht die Pointe der Argumentation in dieser Schrift wie in den früheren gerade darin, daß die Ordination als Berufung zu verstehen sei. In der Ordination vollzieht sich danach die für das Amt konstitutive Einsetzung durch Menschen. Selbst wenn der Ordinator nicht aus der Gemeinde selbst stammt, wie dies etwa bei der Ordination Rörers der Fall gewesen war, 76
Luther spricht von Gemeinden, die »bey sich keine haben«.
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
handelt er doch als ihr Stellvertreter. Die Gemeinde bzw. die Instanz, die im Besitz des Patronatsrechts ist, beruft ihren Amtsträger durch die Hand des oder der Ordinierenden und begleitet den Ritus durch ihre Fürbitte. Dazu steht das neue Ordinationsmodell in Spannung, insofern es die Berufung in eine konkrete Gemeinde und den Ordinationsritus entkoppelte. Nur Patron und Gemeinde – und nicht der Pfarrer in Wittenberg – konnten jemanden mit dem Amt in einer bestimmten Parochie beauftragen. Wenn nun in Wittenberg auch Ordinationen für andere Gemeinden durchgeführt werden sollten, beinhalteten diese immer noch die öffentliche Bestätigung eines Amtsträgers und das Gebet für ihn; die Berufung mußte jedoch vor Ort durch die örtlichen Instanzen geschehen. Die beschriebene Verschiebung hat Konsequenzen für die Geltungsdauer der Ordination. Solange sie als reine Berufung verstanden wurde, bezog sie sich nur auf die Stelle, die der Ordinand gerade antrat.77 Das änderte sich nun. Es dürfte kein Zufall sein, daß Luther in seiner Wiedergabe des altkirchlichen Weiheverständnisses den bestimmten Artikel verwendet: Die Ordination müsse »beruff odder befelh des Pfarrampts odder Predigtampts« sein. Mit diesem Ausdruck ist nicht die Stelle in einer konkreten Gemeinde, sondern das Verkündigungsamt überhaupt gemeint. Als die Ordination 1535 allgemein eingeführt wurde, stellte Luther ausdrücklich fest, daß sie sich auch auf etwaige künftige Stellen beziehen sollte. Die Berufung in eine konkrete Gemeinde blieb indes die Voraussetzung für die Ausübung des Amtes und ging seit 1535 der Ordination notwendig voraus. Luthers Ordinationsverständnis befand sich bei der Abfassung der Schrift Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe in einem noch nicht abgeschlossenen Klärungsprozeß. Einerseits bemühte er sich darum, in der Berufung das Kontinuum zu sehen, durch das während der ganzen Kirchengeschichte das Amt konstituiert worden war. Damit kam der Gemeinde bzw. dem Patron als ihrem Vertreter grundlegende Bedeutung zu. Daß auch die künftigen Wittenberger Ordinationen nur auf Wunsch der Gemeinden stattfinden sollen, belegt, wie wichtig Luther dieser Aspekt war. Andererseits deuten sich in der Schrift bereits die Konturen des Ordinationsverständnisses an, daß dem bald darauf eingeführten kursächsischen Ordinationsverfahren zugrunde lag. Die ekklesiologischen Überlegungen in Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe brachten Luther erstmals dazu, die Ordination im Kontext übergreifender kirchlicher Strukturen zu sehen. Damit waren die Voraussetzungen für die allgemeine Einführung der evangelischen Ordination gegeben. 77 Daß dies tatsächlich so gedacht war, läßt sich angesichts der dürren Nachrichten, die wir über seine frühen Ordinationen besitzen, für Luther nicht beweisen. Bugenhagens Hamburger Kirchenordnung legt hingegen ausdrücklich fest, daß die Geltung der Ordination auf die Dauer der Ausübung eines bestimmten Amtes beschränkt sei. Vgl. u. S. 164.
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d. Die Ordination Wolfgang Baumheckels Am 12. Dezember 1533, wenige Tage nach Erscheinen der Schrift Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe,78 schrieb Luther dem Altenburger Pfarrer Eberhard Brisger: »Mittimus vobis M. Wolfgangum et ordinatum et magistrum factum seu creatum a nobis.«79 Der Magister ist zweifelsfrei als Wolfgang Baumheckel zu identifizieren, der am 31. Januar 1531 in Wittenberg promoviert worden war und wenige Tage nach Luthers Brief von den Visitatoren als Diakon in Altenburg angetroffen wurde.80 Ohne Parallele in Wittenberger Briefen aus jener Zeit ist, daß er als ordiniert empfohlen wird. Das Schreiben selbst gibt keinen weiteren Aufschluß über die Modalitäten der Ordination. Die uns bekannten früheren Ordinationen lassen darauf schließen, daß Baumheckels Ordination in Wittenberg oder der näheren Umgebung stattfand und vermutlich von Luther geleitet wurde. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wann und aus welchem Anlaß der junge Magister ordiniert wurde. Die naheliegende Vorstellung, Baumheckel habe direkt vor seiner Abreise nach Altenburg die Ordination in Wittenberg empfangen, ist mit einem Problem behaftet. Luther wird nämlich in seiner Predigt am 20. Oktober 1535 der Wittenberger Gemeinde die Ordination für eine auswärtige Stelle und die ihr zugedachte Rolle als Zeugin als etwas völlig Neues darlegen.81 Dieses Problem löste sich, wenn die Ordination im Gegensatz zur sonstigen Wittenberger Praxis ein nichtöffentlicher Akt im Rahmen der Universität war. Als entfernte Parallele könnte die Ordination Bugenhagens zum Reformator Braunschweigs, die vermutlich im Kreise der Prediger vonstatten ging, herangezogen werden. Alle anderen Ordinationen fanden vor der versammelten Gemeinde statt.82 Mindestens ebenso viel spricht dafür, daß die Ordination Baumheckels bereits bei einer früheren Gelegenheit erteilt worden war.83 Der frisch promovierte Magister hätte dann zwischen 1531 und 1533 zunächst eine Pfarr- oder Diakonstelle in der näheren Umgebung übernommen, von der wir nichts wissen.84 78
Nikolaus Hausmann erhielt die Schrift am 13.12.1533 in Dessau. Vgl. WA 38, 178. WA.B 6, 560, 12 f Nr. 2072. 80 Vgl. Köstlin, Baccalaurei II, 20 und Jauernig, Einführung, 317. 81 Vgl. u. S. 186. 82 Sollte auch die Ordination Wenzeslaus Kilmanns in die Zeit zwischen Luthers Schrift und dem Oktober 1535 fallen – was nicht auszuschließen ist (vgl. dazu u. S. 272) –, würde für sie Entsprechendes gelten. 83 Dies hat schon Flemming, Enders 17, 240 erwogen. 84 Ganz unwahrscheinlich ist dagegen, daß Baumheckel für einen Predigtdienst in der Wittenberger Parochie ordiniert worden war, wie Clemen, WA.B 11, 316 vermutet. In Frage käme entweder eine Tätigkeit als Diakon oder ein aushilfshalber versehener Predigtdienst. Die erste Möglichkeit scheidet aus, da die drei Diakonstellen Anfang der dreißiger Jahre durchgängig besetzt waren: Die Kastenrechnung von 1531 (vgl. Pallas, Registraturen II/1, 29) nennt Johann 79
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IV. Der Augsburger Reichstag von 1530 und die Ordination
So ist letztlich nicht sicher, ob Baumheckel in Wittenberg für das Altenburger Amt ordiniert wurde oder ob Luther in seinem Brief auf eine frühere Ordination verweist. Entscheidend ist indes, daß in beiden Fällen in der Formulierung des Reformators ein verändertes Verständnis der Ordination zum Ausdruck käme, insofern diese nicht nur für die jeweilige Stelle gilt, sondern den Ordinanden mit dem kirchlichen Amt als allgemeinem Verkündigungsauftrag betraut. Im ersten Fall wäre sonst nicht deutlich, warum sie im Gegensatz zu den früheren fern von der künftigen Gemeinde in Wittenberg stattfinden sollte; im zweiten Fall wäre der Verweis auf eine Ordination in ein früheres Amt so zu verstehen, daß Luther sie nunmehr im Sinne des allgemeinen Verkündigungsauftrags deutet, denn die seinerzeit erteilte Berufung der konkreten Gemeinde war mit dem Ausscheiden aus jenem Amt erloschen. Sollte die Ordination Baumheckels im Dezember 1533 stattgefunden haben, ist zumindest hypothetisch die Möglichkeit ins Auge zu fassen, daß Luther zu ihr erst durch eine konkrete Anfrage veranlaßt worden war. Baumheckels künftiger Superintendent war kein anderer als Georg Spalatin, der einerseits an stärker zentralisierten Strukturen der Pfarreraufsicht interessiert war und sich andererseits mit der Frage auseinandergesetzt hatte, ob auch Ungeweihte ein kirchliches Amt ausüben dürften.85 Es wäre möglich, daß er sich bei Luther – generell oder im Falle Baumheckels – für eine zentrale Ordination eingesetzt hätte. Eine solche Intervention des Altenburger Superintendenten könnte im übrigen mit der Entstehung der die evangelische Ordination betreffenden Passagen in Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe in einem direkten Zusammenhang stehen. Diese Vermutung paßt zu dem Befund, daß jene Passagen in den Vorarbeiten Luthers keine Entsprechung haben und also wohl erst kurz vor Fertigstellung der Schrift konzipiert wurden.Träfen diese allerdings ganz unsicheren Vermutungen zu, könnte hier ein Grund für die oben konstatierten Spannungen innerhalb des Werkes liegen.
Mantel, Georg Rörer und Sebastian Fröschel, die auch Jahre später noch im Amt waren (vgl. z.B. WA.B 7, 209, 8 Nr. 2210; 8, 183, 5 Nr. 3206). Da sie chronisch überlastet waren, war im April 1533 von den Visitatoren eine vierte Stelle eingerichtet worden, die der Predigt auf den zur Parochie gehörigen Dörfern gewidmet war. Sie sollte mit einem Studenten besetzt werden, der dafür mit 30 fl. nicht einmal die Hälfte dessen beziehen sollte, was die anderen drei Diakone erhielten (vgl. Pallas, a.a.O., 2. 24). Abgesehen davon, daß eine derartige Aufgabe für einen Magister kaum attraktiv gewesen wäre – 1541 wurde sie gar auf zwei Erstsemester aufgeteilt (vgl. WOB 320 f ) –, kann ausgeschlossen werden, daß Studenten für diese Aufgabe ordiniert worden wären. Erst im Zuge des Streites mit Jakob Schenk wurde nichtordinierten Studenten die Predigt in Wittenberg untersagt und im Anschluß daran der Schloßprediger Georg Major nachträglich ordiniert. Vgl. u. S. 212 f. 85 Vgl. o. S. 124 f. 116 f Anm. 124.
V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537) Johannes Bugenhagens Kirchenordnungen gehen in lokaler Hinsicht über den Gegenstand dieser Arbeit hinaus. Es besteht jedoch eine starke Wechselwirkung zwischen ihnen und der Entwicklung der Ordination in Kursachsen. Für die Hamburger Kirchenordnung von 1529 schafft Bugenhagen erstmals eine Ordinationsliturgie, die im wesentlichen die 1523 von Luther vorgeschlagenen Elemente enthält. Sie setzt die Ordination mit der Übertragung einer konkreten Stelle in eins; bei einem Wechsel wäre der Ritus zu wiederholen. Ein solches Verständnis findet sich noch in der Pommerschen Kirchenordnung von 1535, die die Hamburger Liturgie kaum verändert. Gleichzeitig nimmt sie jedoch die kursächsische Ordinationsregelung vom selben Jahr vorweg, insofern die Ordination mit dem Examen und der Konfirmation durch einen übergeordneten Amtsträger verbunden wird. Die dänische Kirchenordnung von 1537 steht bereits unter dem Einfluß der Wittenberger Ordinationsordnung und gibt Einblick in die Anfänge des Wittenberger Ordinationsformulars.
1. Bugenhagens Amtseinführung in Braunschweig 1528 Am 5. September 1528 wurde die Kirchenordnung für Braunschweig angenommen, die der für die Einführung der Reformation in der Stadt freigestellte Bugenhagen verfaßt hatte. Anders als in der wenige Monate jüngeren Hamburger Kirchenordnung findet sich in der Braunschweiger kein Ordinationsformular. Da dieses Fehlen weder durch einen plötzlichen Sinneswandel Bugenhagens noch durch die spezifischen Braunschweiger Verhältnisse1 erklärt werden kann, läßt es den Schluß zu, daß das Hamburger Ritual eine Neuschöpfung Bugenhagens darstellt.2 Das Wirken des Pommers in Braunschweig ist dennoch für unsere Untersuchung relevant, denn es gibt Nachrichten über eine ordinationsähnliche 1 Trotz der – im übrigen auch in Hamburg – ungeklärten Rechtsverhältnisse, wird nämlich die Berufung von Predigern genau geregelt: Zunächst soll »mit heymelikeme unde apenbareme van deme predickstole gebede« um Gott die bevorstehende Wahl befohlen werden. Alsdann wählen ein Ratsherr,Vertreter der Gemeinde und der Schatzkastenherr des betroffenen Weichbildes einen frommen und gelehrten Kandidaten und präsentieren ihn dem Superintendenten und seinem Helfer, die ihn examinieren. An eventuellen Entlassungen sollen dieselben Personen beteiligt werden. Vgl. EKO VI/1, 373 f. Die Bestimmung im Unterricht der Visitatoren wird also an die städtischen Gegebenheiten angepaßt. 2 Dies ist ein gewichtiges Argument gegen die These bei Mittermeier, Ordination, 113 f, Bugenhagens Ritual fuße auf einem älteren, das auf Luther zurückgehe. Daß die Hamburger Liturgie auf den früheren Wittenberger Ordinationen aufbaute, steht außer Frage. Doch eine schriftliche Agende lag offenbar noch nicht vor.
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V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537)
Einführung Bugenhagens selbst. Der aus dem frühen 18. Jh. stammenden Braunschweigischen Kirchengeschichte Philipp Rehtmeyers zufolge verlangte der Pommer, daß seine Berufung zum allgemeinen Lehrer und Prediger in allen Kirchen der Stadt vor seinem Amtsantritt von allen Predigern der Stadt mit Handauflegung bestätigt werde, was dann am Vorabend des Himmelfahrtstages, an dem er seine erste Predigt hielt, öffentlich in der St. Andreaskirche geschehen sei.3 Für das hohe Alter der Nachricht über eine Amtseinführung mit Handauflegung spricht, daß sie mit der später allgemein verbreiteten Auffassung unvereinbar ist, wonach die Ordination einmalig auf Lebenszeit erteilt wird.4 Daß sich Bugenhagen für seine zeitlich begrenzte5 Tätigkeit in Braunschweig mit Handauflegung einführen ließ, darf deshalb als gesichert gelten. Die Darstellung der näheren Umstände der Einführung ist allerdings nicht über Zweifel erhaben.6 Rehtmeyer nennt als Quelle ein wenig älteres Werk des Braunschweiger Superintendenten Barthold Bottsack, und in der Tat handelt es sich bei seinem Bericht zum größeren Teil um eine Übersetzung dieses Textes. Der wiederum erweist sich als die wörtliche Wiedergabe eines Abschnitts des aus dem späten 16. oder frühen 17. Jh. stammenden, handschriftlichen Catalogus ministrorum verbi in Ecclesia Brunsuicensi Autor Hustedts. Für die Reformationszeit konnte dieser auf nicht erhaltene, deutsche Aufzeichnungen Heinrich Lampes, eines der ersten evangelischen Prediger in 3 Vgl. Rehtmeyer, Braunschweig, 59: »Auf solche weise kam D. Pommer nach Braunschweig auf das Fest der Himmelfahrt Christi des 1528sten Jahrs … Er wollte aber sein Ampt / dazu er beruffen war nicht eher antreten / bevor die brigen Kirchen=Diener und Evangelischen Lehrer in Braunschweig ihren Willen und Consens darinn bezeuget h tten / durch den gew hnlichen Kirchen=Gebrauch der Auflegung der H nde. Deßhalben ließ er am Abend vor der Himmelfahrt Christi die Prediger in St. Andreas=Kirchen zusammen ruffen / zeigete denselben seine vocationsBriefe / daß er zu dem Ende beruffen / daß er neben denen / so er allhie im Predig=Ampt f nde / GOttes Wort und das Evangelium Christi eine zeitlang lehren und predigen solte; er ged chte sich aber dessen nicht zu unterstehen / die Herren des Ministerii legten ihm denn zuvor ordentlicher Weise die H nde auf / und confirmirten ihn zu solchen Ampt.Welche Best tigung alsbald auf sein Begehren geschehen / und in aller ihrer Gegenwart von M. Heinrich Winckeln zum allgemeinen Lehrer und Prediger in allen Kirchen der Stadt Braunschweig ffentlich inaugurirt worden / daher er den Namen des ersten Braunschweigischen Superintendenten bekommen.« Auf Rehtmeyer beziehen sich Drews WA 38, 403; Jürgens, Reformation, 56 f; Mittermeier, Ordination, 45; Kretschmar, Ordination, 213 f. 4 Für Braunschweig vgl. z.B. EKO VI/I, 457 (1571): »Wo dan die vocierte persone noch nicht ordiniert, so soll … die ordinatio … nach hergebrochtem gotseligen und christlichen gebrauche und gewohneit geschehen …«. 5 Bugenhagen blieb bis Anfang Oktober in Braunschweig (vgl. Jürgens, Reformation, 69). Der ursprünglich ins Auge gefaßte Zeitraum wird sehr viel kürzer gewesen sein, denn am Tage der Abreise Bugenhagens hatte Luther an Wenzeslaus Linck geschrieben: »Hodie profiscitur Pomeranus Brunsvigum, serviturus aliquot dies Christo in Euangelio eis.« (WA.B 4, 457, 21 f Nr. 1264 vom 12.5.1528) 6 Eine neuere Monographie zur Reformationsgeschichte Braunschweigs fehlt, so daß die Zuverlässigkeit der Rehtmeyerschen Darstellung im Ganzen schwer zu beurteilen ist.
1. Bugenhagens Amtseinführung in Braunschweig 1528
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Braunschweig, zurückgreifen.7 Dort fehlen aber genaue Angaben über den Ort und das Datum der Handlung, über die anwesenden Personen sowie die Bezeichnung des Amtes, zu dem Bugenhagen ›ordiniert‹ worden sei. Damit stellt sich die Frage, welchen historischen Wert die zusätzlichen Informationen bei Rehtmeyer haben. Möglich ist sicherlich, daß er über weitere, heute nicht mehr greifbare Nachrichten verfügte. Es könnte sich bei den über letzteren hinausgehenden Angaben allerdings auch um ergänzende Erläuterungen zur als unvollständig empfundenen Quelle handeln. Berichtete diese, Bugenhagen habe »in ipso Festo Ascensionis« in der Brüdernkirche seine Antrittspredigt gehalten, blieb als Zeitpunkt für den – selbstverständlich im Gottesdienst vorgestellten – Ritus nur der Vortag. Auch den Ort der Einsetzung, die Hauptkirche der Neustadt St. Andreas, könnte der Chronist aus späterer Praxis erschlossen haben. Ferner scheint Rehtmeyer auch an zwei anderen Punkten frei mit seiner Quelle umzugehen. Zum einen wirkt die Vorstellung, Bugenhagen habe anläßlich dieser Inauguration »seine vocations-Briefe« vorgelegt, sehr umständlich. Die rechtliche Grundlage seines Wirkens dürfte geklärt gewesen sein, bevor jener Ritus vollzogen wurde. Zum anderen überträgt Rehtmeyer die Amtsbezeichnung des »allgemeine[n] Lehrer[s] und Prediger[s] in allen Kirchen der Stadt Braunschweig«, die sich im Catalogus auf den ›Ordinator‹ Heinrich Winkel bezieht, fälschlich auf Bugenhagen.8 Die Schilderung der Einführung im Catalogus erweckt für sich genommen eher den Eindruck, daß jene zu einem nicht definierten Zeitpunkt vor dem Antrittsgottesdienst im Kreise der Pfarrer und Prediger der Stadt geschehen sei. Ob sie nun öffentlich stattfand oder nicht, so erhält die Handlung in der Darstellung des Catalogus doch einen spezifischen Zweck: Der Pommer wollte sich durch alle kirchlichen Amtsträger der Stadt zu seiner Aufgabe ermächti7 Catalogus, 27 f=Bottsack, Lumen, 47 Anm. m: »[Bugenhagen] noluit officium auspicari, nisi reliqui Ministri de sua voluntate & consensu testificati essent, usitato Ecclesiæ ritu. Itaque solemni manuum impositione inauguratus est ad docendum à M. Henrico VVinckelio communi concionatore in omnibus Parochiis, … [es folgt eine Liste der ferner beteiligten dreizehn Prediger der Stadt]; posteaquam in æde Franciscana cœpit concionari, in ipso Festo Ascensionis …«. Vgl. zum literarischen Charakter und zur Überlieferung des Catalogus Hessenmüller, Lampe, 156–158. Das Original des Catalogus wurde wegen seines für noch lebende kirchliche Amtsträger und Bürger der Stadt kompromittierenden Inhalts wohl im Frühjahr 1610 von Rats wegen verbrannt. Zuvor war jedoch mindestens eine Abschrift angefertigt worden, von der wiederum die älteste erhaltene, hier herangezogene Handschrift abhängt. Autor Hustedt (1557–1609) war von 1597 bis zu seinem Tod Pfarrer an St. Ägidien. Vgl. Landeskirchenamt Wolfenbüttel, Pastoren I, II, 40; 144 Nr. 1855. Bei dem Werk Bottsacks handelt es sich um zwei Predigten über die Reformation aus dem Jahre 1685, die er für den Druck mit oft seitenlangen historischen Anmerkungen versehen hat. Für den Hinweis auf den Catalogus danke ich Herrn Propst i.R. Klaus Jürgens. 8 Zu Winkels Amt vgl. Jürgens, a.a.O., 42 f. Im übrigen ist Rehtmeyers Bemerkung, durch diese Einsetzung habe Bugenhagen »den Namen des ersten Braunschweigischen Superintendenten bekommen«, anachronistisch, denn das Amt des Superintendenten wurde erst durch die kurz vor dessen Abreise angenommene Kirchenordnung konstituiert.
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V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537)
gen lassen. Dies steht nicht in der Tradition der bisherigen Ordinationen im Wittenberger Raum und war wohl durch die Verhältnisse vor Ort veranlaßt. Die Reichsstadt Braunschweig dürfte dem Pommer, für den bisher das überschaubare Wittenberg und die kursächsischen Landstädte den Horizont seines Wirkens gebildet hatten, zunächst fremd gewesen sein. Möglicherweise sah er der Zusammenarbeit mit den Amtsträgern an zwei Stiftskirchen, sieben Pfarrkirchen und einer Vielzahl von Klosterkirchen und -kapellen9 mit Besorgnis entgegen.Tatsächlich war der Ratsprädikant Heinrich Winkel anfangs zwischen die Fronten geraten, die noch zwischen den evangelischen Predigern und einigen romtreuen Ratsmitgliedern bestanden.10 Allen Beteiligten war sicherlich daran gelegen, Kompetenzstreitigkeiten bei den beabsichtigten Reformen von vornherein auszuschließen. Dies geschah in einer Form, die zwar nicht direkt aus den ersten Wittenberger Ordinationen, jedoch aus dem Verständnis der Handauflegung als des zeichenhaften Vollzugs der Berufung hergeleitet werden kann. Der Reformator der Stadt war vom Rat berufen, sah es aber für nötig an, daß dies zusätzlich auch durch die Prediger geschah, in deren Verantwortungsbereich die von ihm ausgeübte Tätigkeit fiel. Daß die Braunschweiger Handlung durch den städtischen Kontext veranlaßt war, bestätigt sich auch dadurch, daß Bugenhagen einer Aussage des Greifswalder Generalsuperintendenten Johann Knipstro zufolge in den folgenden Jahren noch zweimal so vorgegangen ist. Der Stellenwert, den die Handauflegung bei den Wittenbergern habe, zeige sich daran, daß sich Bugenhagen zu seinem reformatorischen Wirken in Hamburg und Lübeck mit Handauflegung habe einsegnen lassen, schreibt Knipstro im Streit mit Johann Freder.11 Demnach wäre Bugenhagen 1529 und 1531 wie in Braunschweig verfahren.12 Die Einführungen Johannes Bugenhagens zum Reformator in drei Reichsstädten bilden einen Nebenstrang in der Geschichte der evangelischen Ordination. Sie sollten seinem Wirken sicher nicht das »Licht einer höhern katholischen Weihe« verleihen,13 sondern dienten der Versicherung, daß alle Amtsträger zur Reformation beitragen wollten. Vermutlich hat es außer den drei Einführungen zwischen 1528 und 1531 keine weiteren solcher Hand9
Vgl. a.a.O., 26. Vgl. a.a.O., 43. 11 Vgl. das Referat der Handschrift Dialogus Twier Superattendenten von der Ordination der Priester die dar geschutt mit dem gebede unde vplegginge der hende (1551) bei Mohnike, Frederus II, 14. Vgl. zu seinem Streit mit Johann Freder Lieberg, Amt, 360–370. 12 Knipstro und Freder verfügten über vielfältige Beziehungen in beide Hansestädte; ersterer war also einerseits genau über die dortige Tätigkeit Bugenhagens informiert und konnte andererseits seinem Kontrahenten gegenüber nicht ungestraft falsche Behauptungen aufstellen. Die Nachricht dürfte mithin zutreffend sein, auch wenn sie durch keine anderen Quellen gestützt wird. 13 So Mohnike, Frederus II, 52 Anm. 37. 10
2. Das Ordinationsformular der Hamburger Kirchenordnung von 1529
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lungen gegeben. Denn als Bugenhagen 1544 bei der Reformation Hildesheims mitwirkte, hatte sich längst die Praxis durchgesetzt, die Ordination nur einmal zu erteilen. Ob es sinnvoll ist, die Einführungen Bugenhagens als Ordinationen zu bezeichnen, mag bezweifelt werden. Daß die Vorstellung einer zeitlich begrenzten Ordination im Denken Bugenhagens seinen Ort hatte, zeigt jedoch die Hamburger Ordinationsliturgie.
2. Das Ordinationsformular der Hamburger Kirchenordnung von 1529 Am 23. Mai 1529 wurde mit der Kirchenordnung für die Stadt Hamburg erstmals eine evangelische Ordinationsliturgie eingeführt.14 Bugenhagen erbrachte hier nur wenige Monate nach der Abfassung der Braunschweiger Kirchenordnung eine Pionierleistung. Zwar hatte Luther zu diesem Zeitpunkt bereits einige Male ordiniert, doch an die allgemeine Einführung der Ordination in Kursachsen dachte damals noch niemand. Ganz im Gegenteil wurde das Thema so zurückhaltend behandelt, daß die Hamburger Liturgie den längsten reformatorischen Text über die Ordination seit Luthers Schrift an die Böhmen darstellt. Als Bugenhagen dieses Formular verfaßte, waren anders als etwa bei der Tauf- oder Gottesdienstliturgie die praktischen Erfahrungen sehr gering. Hinzu kam, daß die Wirkung auf die Gemeinde genau abzuwägen war. Einerseits galt es, den evangelischen Ordinationsritus deutlich von der Priesterweihe abzugrenzen. Andererseits durften keine Zweifel an der Gültigkeit der neuen Handlung entstehen. Von diesen Schwierigkeiten zeugt die Einleitung, die Bugenhagen dem Ordinationsformular15 voranstellte. Die durch das jeweils zuständige Gre-
14 Bereits in der sog. Homberger Kirchenordnung für die Landgrafschaft Hessen von 1526 war ein Ordinationsformular enthalten (vgl. EKO VIII, 58 f und dazu Mittermeier, Ordination, 38–45). Sie wurde jedoch nie in Kraft gesetzt. Die Kirchenordnung für das Land Hadeln entstand in ihren älteren Teilen bereits 1526. Die Ordinationsordnung (vgl. EKO V, 473 f und dazu Mittermeier, a.a.O., 59–61) ist jedoch eindeutig vom Hamburger Ritual Bugenhagens abhängig, so daß dieser Teil einer der späteren Bearbeitungen (1535/42) angehören muß. 15 EKO V, 502 f. Mit Ausnahme der Einleitung abgedruckt nebst einer hochdeutschen Übersetzung bei Mittermeier, Ordination, 48–57. Eine englische Übersetzung, die leider zahlreiche sinnentstellende Fehler aufweist, bietet Smith, Luther, 253–255. Auch Mittermeiers Übersetzung ist fehlerhaft. Verbessere S. 49, 3 »offenkundig« zu »öffentlich« (vgl. dazu in der Braunschweiger Kirchenordnung EKO VI/1, 373); S. 49, 4 f: »unsträflich vor sich und den Seinen erachten, daß er der Pflicht genüge« zu »unsträflich für sich und die Seinen erachten, die er bei sich zu haben pflegt«; S. 50, 6: »Zuvor« zu »zu führen«; S. 50, 7: »möglicherweise vielleicht« zu »trotz [dem uns] möglichen Fleiß«; S. 52, 11: »zuvor« zu »oben«; S. 52, 12: »laden« zu »läuten«; S. 55, 22: »für uns alle« zu »unter uns allen«; S. 56, 31: »Danach (folgt) der Gesang prediket me etc.« zu »Nach dem Gesang predigt man etc.«; S. 57, 32: »es ist nur wichtig, daß deutlich wird, daß …« zu »wie man sehen wird, allein …«. Im Text des Originals verbessere ebd. »datu« zu »dat«.
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V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537)
mium16 gewählten Diener des Wortes sollten im Gottesdienst den ›geistlichen Orden‹ empfangen, ob sie nun im Besitz der Priesterweihe waren oder nicht (»gesmeret edder nicht gesmeret«). Die Weihe ist hier negativ besetzt, doch es geht nicht darum, sie zu kritisieren. Nach dem Hamburger Formular sollten Geweihte oder Ungeweihte mit einem kirchlichen Amt beauftragt werden, so daß in der Logik der Vorrede die Rechte der Bischöfe nur insoweit berührt waren, als die Weihe nicht obligatorisch war. Mit anderen Worten: Die evangelische Ordination ersetzte nicht die Weihe, sondern sah von ihr ab. So konnte Bugenhagen darauf verzichten, diesen Abschnitt für die Übernahme in die Lübecker Kirchenordnung von 1531, als sich die Hoffnung auf eine baldige Überwindung der Religionsstreitigkeiten zerschlagen hatte, zu überarbeiten.17 Die so mit einem Amt Beauftragten sollen »ordinati ad ministerium spiritus non littere« (2. Kor 3, 6) genannt werden. Ebenso wie bei einem »weltliken orden« wie z.B. der Ernennung eines Bürgermeisters gilt auch der geistliche nur so lange, wie das Amt ausgeübt wird. Bugenhagen greift also die traditionell mit der Weihe assoziierten Begriffe ordo/ordinare sowie den verwandten deutschen Terminus auf und interpretiert so den folgenden Ordinationsritus in Analogie zu weltlichen Ämtern als Erteilung eines Mandats.18 Der character indelebilis wird entsprechend zu einer Fiktion erklärt. Daraus folgt nicht nur, daß der ›Orden‹ bei Amtsmißbrauch entzogen werden kann. Noch wichtiger ist die Konsequenz, daß der Ritus, durch den die Beauftragung vollzogen wird, bei einem Stellenwechsel zu wiederholen ist, wie vor allem der Vergleich mit dem Amt des Bürgermeisters zeigt.19 Damit unterscheidet sich 16 Die Zusammensetzung des Gremiums ist für jede Stelle im Abschnitt Erwelinge des lerers edder predicanten festgelegt. In allen Fällen sind kirchliche Amtsträger und Ratsvertreter beteiligt. Vgl. EKO V, 502. 17 Vgl. die wenigen Abweichungen im Apparat bei a.a.O., 502 f. Im wesentlichen mußten nur die Namen der Kirchen angepaßt werden. 18 Dabei greift er terminologisch möglicherweise auf Luthers Drei-Stände-Lehre zurück (vgl. bes. Luthers Bekenntnis am Ende seiner großen Abendmahlsschrift von 1528 WA 26, 504, 30 f und dazu Kretschmar, a.a.O., 210 Anm. 41). Inhaltlich berührt sich der Mandatsgedanke aber eher mit den politischen Metaphern Luthers aus den frühen zwanziger Jahren. 19 Schulz, Ordination, 12 behauptet nachdrücklich, die Bugenhagensche Ordination sei bei einem Amtswechsel nicht zu wiederholen gewesen. Er beanstandet, daß bei Rietschel/Graff, Liturgik II, 846 und der davon beeinflußten Literatur für die gegenteilige These keine Belege angeführt würden. Die von ihm selbst angeführten Stellen stützen seine Behauptung indes nicht. Der Verweis auf die Pommersche Kirchenordnung beruht auf einem Mißverständnis (vgl. u. Anm. 58). Ganz im Gegenteil fehlt dort wie in der Hamburger und Lübecker Ordnung jeglicher Hinweis auf das Verfahren bei einem Amtswechsel von Ordinierten (vgl. dagegen u. Anm. 48). Da Bugenhagen die zeitliche Begrenztheit des ›Ordens‹ in der Hamburger Einleitung explizit herausstellt – ein Aspekt, den Schulz mit keinem Wort erwähnt –, hätte nicht die Wiederholung der Ordination, sondern deren Unterbleiben bei einem Stellenwechsel einer besonderen Bestimmung bedurft. Dies geschieht beispielsweise 1539 in der zweiten Hamburger Kirchenordnung Johann Äpins (vgl. EKO V, 550). – Daß Smith, a.a.O., 94 Bugenhagens »confusion« [!] von Ordination und Installation damit erklärt, erst seit 1530 seien schließlich keine Priesterweihen
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Bugenhagens Ordnung von der späteren kursächsischen Praxis. Ob daraus allerdings abgeleitet werden kann, daß in dieser Frage Ende der zwanziger Jahre ein Gegensatz zwischen dem Pommer und seinen Wittenberger Kollegen bestand, darf bezweifelt werden.20 Die Einführung der kirchlichen Amtsträger soll »na der ersten christen wanheit mit gebede und uplegginge der hende« geschehen. Die evangelische Ordination gehört also nicht in den Bereich des unbedingt Gebotenen, sondern ist ein urchristlicher Brauch. Interessanterweise richten sich diese einleitenden Präzisierungen lediglich an den Leser der Kirchenordnung, nicht aber an die Gemeinde, denn sie sollen nicht im Gottesdienst verlesen werden. Die klaren Grenzen, die der Bedeutung des neuen Ritus gesetzt werden, sollen offenbar vor allem gegenüber den Amtsträgern herausgestellt werden. Demgegenüber zeigt sich in den im Gottesdienst zu Gehör kommenden Abschnitten der eigentlichen Ordinationsliturgie das Bestreben, die Bedeutung des Amtes und die Rechtmäßigkeit der evangelischen Ordination zu unterstreichen. Die Ordinationshandlung beginnt nach der Epistel21 im Hauptgottesdienst mit einer Kanzelvermahnung an die Gemeinde. Einer der beteiligten Prediger erinnert daran, daß für die rechte Wahl gebetet worden sei, und fordert mit dem Hinweis auf Jesu Gebet vor der Berufung seiner Jünger zur Fürbitte für den Ordinanden auf. Werde die ›Sache‹, also die Ordination, Gott befohlen, könne sie selbst dann nicht ›übel geraten‹, wenn die Wahl auf einen Judas gefallen sei. Der eigentliche Ordinationsritus hat dem Formular zufolge den Zweck, daß der Ordinand der Gnade Gottes befohlen und seine Berufung der Gemeinde bekanntgegeben werde. Konsequent findet die Handlung jeweils in der Kirche statt, in der der künftige Diener des Wortes wirken soll. von den Bischöfen mehr zu erhalten gewesen, ist historisch falsch und geht am Kern der Sache ohnehin vorbei. 20 Bugenhagens Sicht stimmt sogar sehr gut mit dem von 1520 (De captivitate Babylonica) bis 1533 (Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe) von Luther vertretenen Verständnis der Ordination als Berufung überein. Die Behauptung, Bugenhagens und Luthers »Vorstellungen [an diesem Punkt] gingen nachweislich lange Zeit auseinander« (Stein, Amt, 197), ist aus den Quellen nicht zu belegen. Dabei wird aus der anfänglichen Skepsis des Pommers gegenüber der Einführung eines Ordinationsritus und seinen Einwänden 1535 hinsichtlich der Zentralisierung der Ordination ein über ein Jahrzehnt andauernder Gegensatz zwischen beiden Reformatoren konstruiert. Doch die Differenz zwischen den Reformatoren im Jahre 1535 hat mit derjenigen von 1524 nichts zu tun. 21 Alle Rituale Bugenhagens stimmen an diesem Punkt gegen diejenigen Luthers überein. In Dänemark änderte Bugenhagen sogar den ihm vorgelegten Entwurf, der die Ordination nach der Predigt angesiedelt hatte, in diese Richtung. Mittermeier, Ordination, 46 und Smith, a.a.O., 94 weisen darauf hin, daß dieser Ort mit demjenigen der Priesterweihe nach den mittelalterlichen Pontifikalien übereinstimme, und sehen hierin ein Indiz für das Bestreben des Reformators, das Weiheritual möglichst wenig zu verändern. Die Übersicht bei Mittermeier, a.a.O., 26 zeigt indes, daß die Priesterweihe ebenso häufig nach dem Evangelium in die Meßliturgie eingeschoben wurde.
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V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537)
Nach dem Gebet einiger Gemeindevertreter und dem Veni Sancte Spiritus des Kinderchors treten alle Geistlichen der Stadt22 vor den Altar und knien zum stillen Gebet nieder. Nach dem Responsorium stehen sie auf und legen dem Ordinanden die Hände auf. Die Ordinationskollekte liest der dem Ordinanden übergeordnete Amtsträger.23 Das Gebet beruft sich auf Jesu Gebot in Mt 9, 37 f, um Arbeiter für die große Ernte zu bitten. Gott Vater möge den erwählten Prediger gnädig ansehen, so daß dieser mit Fleiß seinem Amt nachkomme und das Evangelium in der Gemeinde Frucht bringe. Die Gemeinde nimmt die Bitte mit Luthers Nun bitten wir den Heiligen Geist auf, während die Ordinatoren noch einmal betend niederknien. Nachdem sie die Kirche verlassen haben, um ihre eigene Kanzel zu versorgen, wird der normale Gottesdienstablauf mit der Predigt wiederaufgenommen. Die ganze Liturgie wird von der Fürbitte getragen, die insbesondere der Amtsführung des Ordinanden und der Gegenwart des Evangeliums in der Gemeinde gilt. Auf den Ordinationsakt selbst bezieht sich das Gebet nicht.24 Nichts deutet darauf hin, daß durch diesen Ritus eine besondere Gnade verliehen würde, die den Ordinanden zum Amt bevollmächtigte. Vielmehr wird er mit seinem Dienst der Hilfe Gottes anvertraut. Entsprechend ist in der Liturgie nicht er, sondern ausschließlich die versammelte Gemeinde angesprochen. So ist im Gegensatz zur späteren Wittenberger Liturgie auch kein Ordinationsversprechen vorgesehen. Auch die Bibelstellen, auf die in der Kanzelvermahnung und im Ordinationsgebet Bezug genommen wird, gelten eher der ordinierenden Gemeinde als dem Ordinanden.25 Sie sollen die Versammelten darin vergewissern, den rechten Kandidaten ausgewählt zu haben und bei der Ordination auf dem Boden der göttlichen Verheißungen zu stehen. Entsprechend ist es auch zu verstehen, wenn im Ordinationsgebet das Gebot Jesu zitiert wird, um Arbeiter für die Ernte zu bitten (Mt 9, 37). Dem Aspekt der Vergewisserung mußte im Hamburger Formular eine zentrale Bedeutung zukommen, denn die evangelische Ordination stellte für die Gemeinde ein Novum dar.26 Bugenhagen befürchtete wohl – wie sich zeigen 22 Ihnen wird die Teilnahme an diesem Ritus dadurch ermöglicht, daß der Ordinationsgottesdienst um eine halbe Stunde vorverlegt wird. 23 Bei der Ordination eines Superintendenten fungiert der Pfarrer von St. Petri, der eine besondere Stellung bekleidet, als Ordinator. 24 Ähnlich Kretschmar, a.a.O., 211. 25 1. Tim 3, 1–13; Tit 1, 5–9; Lk 6, 12–19; Mt 24, 45–51. 26 Smith, a.a.O., 95 verzeichnet völlig das Gefälle des Rituals, wenn er etwas verschlungen bemerkt, die Verbindung des Ordinationsaktes mit Jesu Gebet vor der Wahl der Zwölf »would appear to establish a de iure divino argument for its importance«, und im selben Zusammenhang behauptet, der Kandidat »›even if a Judas,‹ could not negate the power of that ecclesial action«. Gerade im Hinblick auf die Ordination hatte Bugenhagen fünf Jahre zuvor gezeigt, daß ein biblisches Vorbild ohne ein konkretes Gebot nicht verpflichtend sei, und der Verweis auf Judas betont nicht die unüberwindliche Macht des Gebets, sondern das Vertrauen auf das Wirken und Walten
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sollte, zu Recht – Zweifel an oder Widerstand gegenüber der evangelischen Ordination. Die Vergewisserung zielt aber nicht allein auf den Einsetzungsritus. So wie die Ordination nicht ihren Zweck in sich trägt, sondern auf den Dienst zielt, soll auch das Vertrauen der Gemeinde letztlich nicht dem Amtsträger selbst, sondern seiner Predigt gelten, die unter den Aufgaben im Vordergrund steht.27 Daneben wird in der Auswahl der Schriftzitate auch ein paränetisches Interesse sichtbar. Bereits im Abschnitt Van den parnern und capelanen edder predigeren werden die Gemeinden dazu ermahnt, »den heren der arne [zu bitten]… dat he gude predigere uns wolde toschaffen, idt is doch sine arne und nicht unse«.28 Wenn die Gemeinde Gott darum bittet, Arbeiter in seine Ernte zu senden, macht sie deutlich, daß die Berufung von kirchlichen Amtsträgern Gottes Sache ist. Das verpflichtet sie gleichzeitig dazu, »de olden und nien vorforers« zu meiden. Die Berufung kirchlicher Amtsträger ist seinem Wesen nach nicht ein demokratisches Recht der Gemeinde, sondern ein Dienst, der Gott geleistet wird. Die Handauflegung hat dem Formular zufolge einen doppelten Sinn. Erstens wird durch sie die Wahl des Ordinanden gegenüber der Gemeinde bezeichnet. Dieser Gedanke begegnete schon in Bugenhagens Vorlesung von 1524. Nach Luthers De instituendis ministros ecclesiae und bei Rörers Ordination waren entsprechend an der Handauflegung diejenigen beteiligt, die die Wahl getroffen hatten. Auffälligerweise tritt das Berufungsgremium in der Hamburger Liturgie nicht in Erscheinung. Stattdessen übermittelt einer der Amtsträger in der Kanzelvermahnung, die Wahl sei mit größtmöglicher Sorgfalt erfolgt. Daß die Handauflegung ausschließlich von den Amtsträgern vollzogen wird, ist auch im Kontext von Bugenhagens Werk auffällig.29 Eine Erklärung dieses Befundes könnte in der zweiten genannten Bedeutung der Handauflegung liegen. Diese geschehe, »dat wi em so in dussem unsem ampte der gnade gades bevelen«. Demnach kam es den Kollegen in besonderer Weise zu,
Gottes, der auch Unwürdige in seinen Heilsplan einbezieht. Ein ›Judas‹ stellte im übrigen nicht die Wirksamkeit der Ordination in Frage, sondern könnte lediglich seinen Aufgaben – predigen, unterrichten, trösten, strafen und vermahnen – nur bedingt nachkommen. 27 Die Verwaltung der Sakramente wird auffälligerweise nicht im Ordinationsformular erwähnt, sondern nur in der Einleitung, wo sogleich der Hinweis angefügt wird, der Amtsträger könne das Sakrament nicht ›machen‹, sondern nur austeilen. Allem Anschein nach glaubt Bugenhagen, sich gegen das Mißverständnis verwahren zu müssen, daß auch durch die evangelische Ordination die Fähigkeit zur Konsekration übertagen werden. 28 Vgl. EKO V, 501. 29 Schließlich hatte der Pommer 1524 großen Wert darauf gelegt, daß die Handauflegung im Urchristentum nicht den Aposteln vorbehalten war. Nach der noch zu behandelnden Pommerschen Kirchenordnung sind ebenfalls nichtordinierte Glieder der Gemeinde zu beteiligen.
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den Ordinanden und seine Amtsführung Gott zu befehlen.30 Möglicherweise sollte so die Einheit des Amtes oder zumindest die gemeinsame Verantwortung am Evangelium unterstrichen werden. Die Gemeinde konnte den Akt jedenfalls visuell kaum anders als eine Aufnahme in das Amt31 wahrnehmen, da ja sämtliche Prediger der Hamburger Kirchen an der Ordination beteiligt werden sollten. Ob dieser Eindruck beabsichtigt war, läßt sich dem Text nicht entnehmen. Die Handauflegung hatte in jedem Fall Zeichencharakter. Durch sie sollte das Objekt der Berufung und der Fürbitte vor der Gemeinde bezeichnet werden. Es fällt auf, daß die Wortfamilie ›berufen/Berufung‹, die für Luther bis zu diesem Zeitpunkt das Wesen der Ordination beschreibt, im Hamburger Formular nicht vorkommt. Das gilt auch für die Rede vom Priestertum aller Christen, mit der Luther die Notwendigkeit der Berufung zu begründen pflegte. Stattdessen dominiert hier das Verb ›befehlen‹. Im Zentrum steht, daß der Ordinand und sein Amt Gott befohlen werden.32 Dieser Aspekt steht in Kontrast zum allein am Mandat orientierten Ordinationsverständnis in der Einleitung, die das Amt der Verkündigung mit den ›weltlichen Orden‹ verglichen und die zeitliche Beschränkung der Ordination betont hatte. Der Begriff des ›Gott Befehlens‹ deutet eher in die Richtung, daß der Amtsträger und sein Dienst menschlicher Verfügung enthoben werden.33 In der beobachteten Differenz spiegelt sich die unterschiedliche Zielsetzung von Einleitung und Ordinationsformular. Stand bei jener im Vordergrund, die evangelische Ordination in ihrer Bedeutung zu relativieren, sollten die zu verlesenden Texte das Gewicht des Amtes unterstreichen. Allein die Tatsache, daß die Hamburger Kirchenordnung eine Ordinationsagende bietet, hebt sich auffallend von der zurückhaltenden Linie ab, die die Wittenberger Reformatoren im Hinblick auf die Ordination in Kursachsen eingeschlagen hatten. Dafür lassen sich mehrere mögliche Faktoren nennen. Zum einen war Bugenhagen nach der Wahrnehmung seiner Zeitgenossen in theologischen Streitfragen weniger kompromißbereit als seine Kollegen.34 So 30 Smith, ebd. führt die besondere Rolle der Amtsträger darauf zurück, daß dem Ordinanden das Amt von ihnen, also nicht von der ganzen Gemeinde befohlen werde. Das Amt würde demnach gleichsam weitergegeben. Sein Beleg ist ein Übersetzungsfehler der Stelle »dat … dusse gemene wete, dat dusser personen bi uns sulck ampt bevalen si«: »bi uns« bedeutet nicht ›by us‹ sondern ›bei uns‹. Ganz im Gegenteil zeigt sich an dieser Stelle wie in Luthers Predigt von 1524 ein unscharfer Gebrauch der 1. Pers. Plural. Bezieht diese sich im zitierten Halbsatz eindeutig auf die gesamte Gemeinde, war in der ersten Hälfte von den ordinierenden Amtsträgern die Rede. 31 Vgl. Kretschmar, a.a.O., 213. 32 Möglicherweise stehen hier die schon in seiner Vorlesung über die Paulusbriefe erwähnten alttestamentlichen Opferriten im Hintergrund. Vgl. o. S. 90. 33 Insofern bildet das Hamburger Ritual das Bindeglied zwischen Bugenhagens früher Paulusvorlesung und der dänischen Kirchenordnung. Vgl. u. S. 180. 34 Melanchthon führte etwa die berühmte Streichung des Wortes ›unter‹ im Abendmahlsabschnitt der Schmalkaldischen Artikel Luthers (BSLK, 450, 14) auf die Einwirkung Bugenhagens
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könnte seine Bereitschaft, auf die Einführung einer evangelischen Ordination zu verzichten, geringer gewesen sein als die Melanchthons und Luthers. Zum anderen unterschieden sich die Verhältnisse in Hamburg grundlegend von denen in Kursachsen. Im ernestinischen Territorium war beispielsweise auch nach der zweiten Visitation immer noch nicht geklärt, wie die Lehrprüfung in allen Landesteilen durchgeführt werden sollte. Der Aufbau neuer kirchlicher Strukturen brauchte seine Zeit. Demgegenüber konnte dergleichen in der Reichsstadt zügig erfolgen. Die Wege waren kurz, und die Prediger der Stadt waren durchweg gut ausgebildet. Zum dritten waren auch die politischen Konsequenzen der Einführung einer evangelischen Ordination nicht so brisant, wie sie in Kursachsen gewesen wären. Hamburgs geringere politische Bedeutung und geographische Lage im Reich eröffneten einen weiteren Spielraum für kirchliche Neuerungen.35 Schriftliche Reaktionen sind weder auf die Hamburger noch die zwei Jahre später entstandene Lübecker Kirchenordnung bekannt, in die Bugenhagen die Ordinationsliturgie nahezu unverändert übernahm. Dies ist immerhin insofern bemerkenswert, als die Lübecker Kirchenordnung nach der Annahme sogleich der Öffentlichkeit in einer Druckausgabe zugänglich gemacht wurde.36 Exkurs: Die Ordinationspraxis in Hamburg in der Reformationszeit Bugenhagen verließ Hamburg etwa zwei Wochen nach der Annahme der Kirchenordnung am 9. Juni 1529. 37 Während dieser Zeitspanne ergab sich kein Anlaß zur Anwendung des Ordinationsformulars. Erstaunlicherweise vergingen vermutlich volle zwei Jahrzehnte bis zur ersten evangelischen Ordination in der Hansestadt. An der Begründung, die später für die Aussetzung dieses Abschnittes der Kirchenordnung gegeben wurde, läßt sich zeigen, daß die evangelische Ordination dort zum Problem werden mußte, wo sich die Anhänger der Reformation mit kirchlichen Instanzen zu arrangieren hatten, die an der Priesterweihe als Zugangsvoraussetzung für das kirchliche Amt festhielten. Im Jahre 1540 wurde der bisherige Konrektor des Johanneums Mag. Johann Freder zum Lector secundus am Dom berufen. Dieses Amt beinhaltete nicht nur eine Lehr-, sondern auch eine Predigttätigkeit; dennoch unterblieb die Ordination.38 Letzteres wurde Jahre später, als Freder zunächst in Stralsund, sodann auf Rügen als Superintendent wirkte, zum Gegenstand eines Streites mit dem ihm übergeordneten Greifswalder Generalsuperintenzurück, »dan der sej ein heftiger man vnd ein grober Pommer« (referiert im Brief Philipps von Hessen an Jakob Sturm vom 10.2.1537 bei Volz/Ulbrich, Urkunden, 105). 35 Nicht zufällig scheiterte das Interim gerade in den norddeutschen Hansestädten. Vgl. Hauschild, Kampf, passim. 36 Vgl. die Faksimileausgabe bei Hauschild, Kirchenordnung. Die Lübecker Ordinationsliturgie läßt sich auch aus dem Apparat der Hamburger Kirchenordnung in EKO V, 502 f erschließen. Im Gegensatz zur Lübecker Ordnung lag die Hamburger nicht im Druck vor, da immer noch auf eine Klärung hinsichtlich des renitenten Klosters Harvestehude gehofft wurde. Vgl. Sillem, Einführung, 155. 37 Vgl. Sillem, Einführung, 131. 38 Mohnike, Frederus I, 5–9.
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V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537)
denten Johann Knipstro über die Notwendigkeit der Handauflegung bei der Ordination, in den auch die Wittenberger Professoren hineingezogen wurden.39 Superintendent Johann Äpin verteidigte während dieses Streits das Vorgehen der Hamburger folgendermaßen: »Die Ordnung der Auflegung der H nde ist bei uns aus keiner andern Ursache unterblieben, denn daß um vieler Ursache willen sie in dem baalitischen Tempel der Thumbherren sine ipsorum irritatione et forensibus periculis nicht geschehen konnte; darum ist der gemeine Fried und Ruhe zu der Zeit f rgezogen solchen Ceremonien und Gebr uchen, ohne welche wir achteten, daß er [sc. Freder] rechtm ßig zum Amte konnte ordinirt werden; und wissen auch gewiß, daß ohne dieselbigen Ceremonien sein Amt recht gewesen sey, und daß er Frucht darin geschaffet, und daß Gott durch seinen heiligen Geist darin gewirket habe.«40 Zumindest die Rede von den befürchteten äußeren Gefahren setzt wohl den Schmalkaldischen Krieg und das Interim voraus, projiziert also spätere Erfahrungen in das erste Jahrzehnt nach Einführung der Reformation in Hamburg zurück. Diese wurde allerdings tatsächlich von Anfang an durch den Konflikt mit dem romtreuen Domkapitel belastet. Bugenhagens Kirchenordnung selbst hatte den Dom nicht in die Ordinationsvorschrift einbezogen und den neu eingeführten Superintendenten in St. Petri angesiedelt. Daß dieses Amt zunächst überhaupt nicht besetzt werden konnte, erklärt sich ebenfalls aus dem Kampf zwischen Rat und Domkapitel. In dessen Verlauf kam es nach Bugenhagens Abreise zunächst zweimal zu monatelangen Schließungen der Hauptkirche, ehe Äpin 1532 zum Superintendenten und gleichzeitig ersten Lektor am Dom gewählt wurde, wo er von nun an auch regelmäßig predigte.41 Auch wenn dies der Wortlaut der Äpinschen Rechtfertigung durchaus zuließe, war die »Ordnung der Auflegung der H nde« offenbar nicht nur im Falle Freders unterblieben. Letzterer berief sich nämlich für die Legitimität seines Amtes auf einige Kronzeugen, die ebenfalls nicht mit Handauflegung ordiniert worden seien. In dieser Reihe erscheint unter anderem Johann Äpin selbst, den sowohl Freder als auch sein Gegner Knipstro gut kannten.42 Da Knipstro diesem Hinweis anders als dem auf Caspar Cruciger43 nicht widerspricht, dürfte Freder mit seiner Behauptung hinsichtlich Äpins im Recht sein. Weder die Einführung Äpins zum Pfarrer an St. Petri am 17. Oktober 1529 noch diejenige, durch die er am 18. Mai 1532 Superintendent wurde,44 dürften also so erfolgt sein, wie es Bugenhagens Kirchenordnung vorsah. 39 Vgl. a.a.O., Frederus II, 10–38; Rietschel, Luther, 90–101; Lieberg, Amt, 360–370 mit jeweils sehr unterschiedlichen Akzenten. Letzterer ignoriert völlig den politischen Hintergrund des Streits. Der Grund dafür, daß sich Freder nicht von Knipstro ordinieren ließ, lag ursprünglich nicht in theologischen Differenzen, sondern darin, daß die Rechtsstellung des Generalsuperintendenten in Stralsund und auf Rügen bestritten wurde. 40 Äpin in der nur in einer handschriftlichen Abschrift in Stralsund erhaltenen Schrift Wie M. Johan Freder in sine Empter gekommen sey… (1556). Zitiert nach Mohnike, Frederus I, 10. 41 Vgl. Sillem, Einführung, 166–168. Da nach der Fundation der erste Lektor im Besitz des Doktorgrades zu sein hatte und man dem Widerstand des Kapitels jeglichen Anhalt nehmen wollte, wurde Äpin im folgenden Jahr auf Kosten des Hamburger Rates in Wittenberg zusammen mit Bugenhagen als einer der ersten nach den reformierten Universitätsstatuten zum Doktor der Theologie promoviert. Vgl. Vogt, Briefwechsel, 127 Nr. 50 vom 28.4.1533 und a.a.O., 128 f Nr. 51 vom 8.5.1533 sowie Hering, Pomeranus, 95 f. 42 Vgl. Mohnike, Frederus II, 12. 43 Vgl. a.a.O., 22. Knipstro behauptet zu Unrecht, Cruciger habe niemals gepredigt. Vgl. u. S. 212 f. 44 Vgl. zu beiden Ereignissen Lappenberg, Chroniken, 541. Der dort abgedruckte Bericht des Stefan Kempe fügt dem Eintrag unter dem Jahre 1529, wonach Äpin »am sondage vor Feliciani
2. Das Ordinationsformular der Hamburger Kirchenordnung von 1529
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Einen sicheren Beleg für eine evangelische Ordination mit Handauflegung gibt es erst für das Jahr 1549. Sollte es sich dabei tatsächlich um die erste gehandelt haben,45 steht sie in einer auffälligen zeitlichen Nähe zu einer Anfrage an die Wittenberger. Die Hamburger Prediger hatten sich darin über die Adiaphora erkundigt und unter anderem gefragt, ob zu den Mitteldingen auch die Zulassung der Berufenen zum Amt mittels der rechten Ordination (justa ordinatione ad sacra officia electos et vocatos admitti) zu rechnen sei.46 Die Wittenberger hatten dies bestätigt.47 In Ermangelung weiterer Informationen läßt sich nicht mehr sagen, ob und inwiefern hier ein Zusammenhang besteht. Möglicherweise wurde die strikt ablehnende Haltung, die die Hamburger Prediger um Johann Äpin und Joachim Westphal zum Interim einnahmen, zum Anlaß, daß nun auch nicht länger auf das Domkapitel Rücksicht genommen werden sollte. So begann man mit der öffentlichen Ordination, obwohl man sich mit den Wittenbergern darin einig war, daß jene zu den Adiaphora zu rechnen war. Die Einführung der öffentlichen Ordination ausgerechnet in der Situation, als zum Interim Stellung bezogen werden mußte, hätte dann als ein evangelischer Bekenntnisakt fungiert. Diese Vorgänge zeigen nicht nur, daß aus den Bestimmungen einer ratifizierten Kirchenordnung noch nicht unmittelbar auf die Praxis geschlossen werden kann. Bugenhagens Einleitung liegt der Gedanke zu Grunde, daß die evangelische Ordination als Einsetzung in eine konkrete Stelle praktiziert werden konnte, ohne daß damit über die Frage der Priesterweihe entschieden wäre. Offenbar hatte der Pommer unterschätzt, welche Symbolwirkung von einer Ordination mit Gebet und Handauflegung ausgegangen wäre. Angesichts der schwierigen Koexistenz mit dem Domkapitel stellte sie – in den Augen Äpins und seiner Mitarbeiter oder tatsächlich – einen vermeidbaren Angriffspunkt dar. 48 [17.10.] to S. Peter vor einem pastoren ingeföret« sei, die Bemerkung hinzu, dieser »is tom superintendenten erwelet am Pingstauende und togetekent [übertragen] de lektur und predige im dom und ingeforet in de doktorie. Got geve, dat it eme und uns gedeye tor salicheit. Amen!« Drews, WA 38, 404 wertet, ohne dies zu begründen, das erste Ereignis als Ordination auf der Grundlage des Bugenhagenschen Formulars. Doch der Eintrag läßt nicht den Schluß auf einen Ordinationsritus zu. Ganz im Gegenteil: Es erscheint unwahrscheinlich, daß eine erste evangelische Ordination mit Handauflegung gerade angesichts der Konflikte, die sich an diesem Thema entzündeten mit den Worten berichtet wird, Apin sei ›als Pastor eingeführt‹ worden. Kempes Eintrag dürfte aus dem Jahr 1532 stammen, in dem Äpin Superintendent wurde. Darauf deuten die Rede vom ›Pfingstabend‹, die nicht durch eine Jahreszahl präzisiert wird, und der Wunsch für die Zukunft hin. 45 Vgl. die folgenden Einträge unter dem Jahr 1549 bei Staphorst, Gestalt, 17: »h.[oc] a.[nno] 13 Maj M. Paul von Eitzen, L.[ector] S.[ecundus] und Past. zum Dom. zu Mar. Magd. ordiniret … h. a. Ostern M. Joach. Tegener, Past. zu Mar. M. ordin. d. 13. Maji.« Mohnike, Frederus I, 9 f schließt hieraus, am 13.5.1549 habe die erste Ordination in Hamburg stattgefunden. In der Tat wird die Ordination bei früheren Einträgen nicht erwähnt, sie fehlt indes auch bei allen weiteren kirchlichen Amtsträgern der Liste, die bis in die Gegenwart Staphorsts führt. Dagegen finden sich bisweilen andere Zusatzinformationen wie der Todestag oder der Zeitpunkt des Wechsels auf eine andere Stelle. Es läßt sich also nicht feststellen, ob Staphorst gerade über diese Ordination Informationen vorlagen oder ob er ausgerechnet sie für bemerkenswert hielt, da es sich um die erste handelte. Seine Hamburgische Kirchengeschichte reicht leider nicht bis ins Jahr 1549. 46 Vgl. CR 7, 366–382; hier 373 (MBW 5495) vom 3.4.1549. 47 Vgl. a.a.O., 382–386 (MBW 5504) vom 16.4.1549. 48 Erstaunlich ist schließlich, daß Äpins 1539 verfaßte zweite Kirchenordnung, die erst 1556 in Kraft gesetzt wurde (vgl. EKO V, 458 f ), zum leicht verändert übernommenen Bugenhagenschen Ordinationsformular ausdrücklich festhält, daß bei einem Amtswechsel die Ordination nicht zu wiederholen sei (vgl. a.a.O., 550), obwohl bis zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch niemand ordiniert worden war.
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V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537)
3. Die pommersche Kirchenordnung von 1535 Anders als in Lübeck konnte Bugenhagen 1535 im Flächenterritorium Pommern nicht einfach die Hamburger Kirchenordnung zur Grundlage nehmen, sondern mußte sich an vielen Punkten stärker an den während der kursächsischen Visitationen gewonnenen Erfahrungen orientieren. Hinsichtlich der Ordination gilt dies aber nicht für den Ritus selbst. Für ihn legte die Kirchenordnung schlicht fest, kirchliche Amtsträger sollten »mit den ceremonien in der [im Druck verbreiteten] Lübeschen ordeninge vorvatet« eingesetzt werden.49 In den Details des Besetzungsverfahrens und in der Benennung der am Ordinationsritus zu beteiligenden Personen wich die pommersche gleichwohl wesentlich von den städtischen Ordnungen ab. Bereits die Überschrift des betreffenden Abschnittes Van examinatoribus gibt zu erkennen, daß die Ordination in Pommern in eine umfassende Regelung der Zulassung zum Amt eingebettet war. Sämtliche Prediger der Städte Stettin, Kolberg sowie entweder Greifswald oder Stralsund bildeten jeweils Prüfungsgremien, zu denen der Kandidat zunächst von der Instanz zu senden war, die bisher das Patronatsrecht innehatte. In einem normierten Examen, das im Verlauf einer halben Stunde die Themen Gesetz und Evangelium sowie Glaube und Werke, danach die Sakramente, die Buße und schließlich die Obrigkeit zum Inhalt haben sollte, mußte der Prüfling vor den Predigern der Stadt sein theologisches Wissen unter Beweis stellen. Die Hamburger Kirchenordnung, in der von einer Lehrprüfung nicht die Rede gewesen war, und die pommersche unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich des völlig andersartigen Geltungsbereiches, sondern sie trennt auch eine Zeitspanne von annähernd sechs Jahren, in die der Abschluß der ersten und die gesamte zweite Visitation in Kursachsen fallen.50 Hatte der Reformator es in Hamburg noch für hinreichend gehalten, daß das Wahlgremium der Gemeinde bekanntgeben ließ, der Kandidat werde für »geweldich mit dem worde des heren« erachtet, werden nun nachprüfbare Kriterien aufgestellt. Zudem gewährleisten die Einrichtung einer Prüfungskommission und das schriftliche Zeugnis eine Vereinheitlichung des Examens in rechtlicher Hinsicht. Anders als in den spalatinschen Dokumenten der vorausgegangenen Jahre51 und anders auch als im späteren kursächsischen Ordinationserlaß werden nicht Theologieprofessoren, sondern die Prediger der größten Städte mit der zentralisierten Lehrprüfung betraut. Vermutlich lag hierin aber keine prinzipielle Entscheidung, denn die Greifswalder 49
Vgl. EKO IV, 331 f. Die Ernüchterung über die Ergebnisse der zweiten Visitation auf seiten der Visitatoren geht aus ihrem Bericht an den Kurfürsten hervor. Vgl. Pallas, Registraturen I, 25–32. 51 Vgl. o. S. 123–126. 50
3. Die pommersche Kirchenordnung von 1535
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Theologische Fakultät befand sich erst im Aufbau und war dieser Aufgabe zumindest vorläufig nicht gewachsen.52 Nach der Lehrprüfung war der Kandidat mit einem schriftlichen Zeugnis der Kirchenleitung zu präsentieren. Diese sollte ihn auf seine Dienstpflichten hinweisen und bestätigen. Erstaunlicherweise ließ die Kirchenordnung vorläufig offen, wer diese Aufsicht ausüben sollte. Unter der Voraussetzung, daß der Bischof von Kammin, Erasmus von Manteuffel, die Kirchenordnung annahm, sollte ihm die Konfirmation der kirchlichen Amtsträger zustehen. Gelang die Einbeziehung des Bischofs nicht, sollten die Superintendenten diese Aufgabe übernehmen.53 Bugenhagen versuchte in der pommerschen Kirchenordnung also, die überkommenen Strukturen so weit wie möglich zu erhalten. Zwar wäre es für ihn unannehmbar gewesen, von den Kandidaten vor ihrer evangelischen Ordination den Empfang der Priesterweihe zu verlangen. Auch konnte die theologische Lehrprüfung nicht dem bischöflichen Stuhl überlassen werden.54 An der traditionellen Konfirmation sollte jedoch festgehalten werden. Obwohl der Bischof sie der Kirchenordnung zufolge weder einem ordentlich Examinierten verweigern noch einem Ungeprüften erteilen konnte, brachte sie den Ordinanden in ein Dienstverhältnis gegenüber einer Instanz der alten Hierarchie. Bugenhagen war vermutlich der Ansicht, daß der Bischof eher als die Superintendenten mit der nötigen Machtfülle ausgestattet war, um im Falle von Amtsverfehlungen der Pfarrer einschreiten zu können. Darauf deutet hin, daß die Superintendenten verpflichtet wurden, schwerere Verfehlungen dem Bischof zu melden.55 Auch in Pommern sollte bald nach Annahme der Ordnung eine Visitation durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, wie mit den kirchlichen Amtsträgern zu verfahren sei, die bereits im Amt waren und sich nicht diesem strengen Verfahren unterzogen hatten. Die Kirchenordnung 52
Vgl. EKO 4, 333 f. Dieser frühe Versuch, einen amtierenden Bischof im Reichsgebiet für die Reformation zu gewinnen, scheiterte, da Manteuffel und etliche Mitglieder des Stiftskapitels bei einem öffentlichen Anschluß an die Reformation Konsequenzen für ihren teilweise auf brandenburgischem Gebiet liegenden Besitzungen fürchteten. Der Bischof erklärte sich gleichwohl bereit, im Gehorsam gegenüber den Herzögen nichts gegen die neue Lehre zu unternehmen. Die kirchenleitende Funktion in der pommerschen Kirche übernahmen an seiner Statt zwei Generalsuperintendenten. Vgl. Vogt, Bugenhagen, 362 f sowie 357 f zu den sonstigen Kompetenzen, die dem Bischof nach der Kirchenordnung belassen werden sollten. 54 Im Mittelalter wurde die Weiheprüfung in der Regel durch den Archidiakon der Bischofskirche durchgeführt. Dieser präsentierte die Kandidaten anschließend dem Bischof. Vgl. Oediger, Bildung, 81 f Anm. 5. 55 Vgl. EKO IV, 331. In aller Deutlichkeit tritt die Überzeugung, daß der Ausfall der Bischöfe und damit der geistlichen Gerichtsbarkeit zu Disziplinlosigkeit in den Gemeinden und z.T. auch bei den Pfarrern geführt habe, im v.a. von Bugenhagen verfaßten Schlußbericht über die zweite Visitation im Kurkreis hervor. Vgl. u. S. 203 f. 53
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V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537)
entscheidet, »[d]e överst so itzunder bereit in namhaftigen steden ordentlick beropen, examiniret und ingesettet sind, bedarfen keiner confirmation, sonder schölen alse confirmati geholden werden«. Demgegenüber haben sich aber diejenigen, die über keine zuverlässigen Zeugnisse über eine durchlaufene Prüfung verfügen, nachträglich dem beschriebenen Examen zu stellen, um anschließend die Konfirmation zu erlangen.56 An eine nachträgliche Ordination in der Gemeinde ist allerdings auch bei ihnen offenbar nicht gedacht.57 Dies ist im Kontext dessen, wie die Wittenberger zu jener Zeit die Ordination verstanden, durchaus angemessen. Denn als Berufung auf eine konkrete Stelle verstanden, wäre ihre nachträgliche Durchführung sinnlos und stellte den bisherigen Dienst in seiner Gültigkeit in Frage. In der pommerschen Kirchenordnung werden keine Äußerungen darüber getroffen, wie bei einem Amtswechsel mit denjenigen zu verfahren sei, die bereits nach der neuen Ordnung examiniert, konfirmiert und ordiniert waren. Es ist wohl davon auszugehen, daß die Superintendenten hinsichtlich des Examens und der Konfirmation auf das ältere Zeugnis eines Kandidaten zurückgriffen, da hier ja die grundsätzliche Befähigung zum Amt bescheinigt war. Dagegen war die Ordination ganz offensichtlich auf eine konkrete Stelle begrenzt. Dies ergibt sich daraus, daß sie im Gegensatz zum Examen und zur Konfirmation nicht durch ein Zeugnis bescheinigt wurde. Anscheinend wurde also nicht mit der Notwendigkeit gerechnet, daß sie später nachzuweisen war. Vor allem aber liegt es in der Logik des Bugenhagenschen Ordinationsformulars, daß es bei einem Amtswechsel erneut zur Anwendung 56 An die geweihten Priester ist bei der Forderung eines nachträglichen Examens offenbar nicht gedacht, denn deren Zeugnisse hätten kaum als ›unzuverlässig‹ im Sinne einer ungewissen Herkunft gelten können. 57 Bei Cramer, Chronicon III, 86 (1628) findet sich folgende Bemerkung: »Über das, so war es bis daher auch mit der Vocation, Ordination und auffstellung der Prediger, die bald hie bald da bald auff dieser bald auff jener Gebot und Verbott auf oder abtreten ziemlich tumultarie zugangen.« Der Treptower Landtag im Dezember 1534, der die Weichen für die Einführung der Reformation stellte, habe entschieden, »daß die Prediger / welche die vorigen Jahre waren in Städte und sonsten ins Predigtampt gekommen / sollten als instituti und confirmati gehalten werden. Ist also was vom Anfang mangelhafft und nicht bestendig gewesen ex postfacto von den Fürsten als den rechten Landes Vatern und Ober Bischoffen rati habiret und confirmiret.« Diese Darstellung suggeriert einen während des Treptower Landtages und damit unter der Mitwirkung Bugenhagens geschlichteten Ordinationsstreit, und so führt Grützmacher, Beiträge, 370 f sie als Beleg für eine »relative Gleichgültigkeit der feierlichen Handlungen« – gemeint ist wohl eine rituelle Indifferenz – beim Wittenberger Pfarrer an. Von einem solchen Streit findet sich jedoch nicht nur im Landtagsabschied (bei Medem, Geschichte, 181–191 Nr. 31), sondern auch im übrigen im Zusammenhang mit der pommerschen Reformation entstandenen Aktenmaterial (a.a.O., 155–304) keine Spur. Zieht man in Betracht, daß Bugenhagens etwas spätere Kirchenordnung bald irrtümlich für den in Treptow beschlossenen Abschied gehalten wurde (vgl. Hering, Pomeranus, 170 Anm. 100), drängt sich die Schlußfolgerung auf, Cramer habe aus der Bestimmung der Kirchenordnung fälschlich auf einen Ordinationsstreit geschlossen. Die Titulierung der Herzöge als Notbischöfe ist ohnehin anachronistisch, denn zum Zeitpunkt des Landtages hoffte man noch auf die Unterstützung des Kamminer Bischofs.
3. Die pommersche Kirchenordnung von 1535
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zu kommen hatte.58 Dies gilt insbesondere für seine pommersche Variante, die in einem entscheidenden Punkt die Hamburger Liturgie korrigiert. Nach der pommerschen Kirchenordnung sollen die Ordinanden nicht nur durch die anderen kirchlichen Amtsträger, sondern auch durch »etlicke van der gemeene, unde den oldesten« angenommen und der Gemeinde befohlen werden.59 Bugenhagen kehrt mit der Beteiligung von Gemeindegliedern an der Handauflegung also zu Gedanken zurück, die sich bereits in seiner Paulusvorlesung fanden. Danach kann der Ordinand sinnvoll nur an seiner künftigen Wirkungsstätte der Gemeinde vorgestellt und mit seiner konkreten Aufgabe Gott befohlen werden. Die Nichtordinierten repräsentieren hier tatsächlich die Gemeinde als berufende kirchliche Instanz, nicht die weltliche Obrigkeit.60 Die pommersche Kirchenordnung verwendet im Gegensatz zur Hamburger den Begriff ›berufen‹.Wie in Luthers Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe verschiebt sich auch bei Bugenhagen das Verhältnis zwischen Berufung und Ordination. Berufung und Ordination stellen in der pommerschen Kirchenordnung die beiden äußeren Punkte des gesamten Besetzungsverfahrens dar, wie aus der Abfolge von »beropen, examiniret und ingesettet« hervorgeht. Die Wahl und Berufung des Kandidaten und seine rituelle Einsetzung treten auseinander, da dazwischen die zentrale Prüfung und die kirchenregimentliche Bestätigung erfolgen sollen. Luther sprach seit der fast gleichzeitigen Einführung der Wittenberger Zentralordination nicht mehr von der Ordination als Berufung. Im Unterschied zur pommerschen Ordnung, die die Gemeinde in die Handauflegung einbezieht, wird in Wittenberg aber die Beteiligung der Gemeinde auf die vorausgegangene Berufung beschränkt und so für den Ordinationsakt selbst aufgegeben. Nach seiner Rückkehr aus Pommern 58 Schulz, Ordination, 12 leitet direkt aus der von ihm verkürzt zitierten Bestimmung der Kirchenordnung, nach der die ordentlich Berufenen keiner Konfirmation bedürften, ab, daß alle Ordinationsformulare Bugenhagens nicht als wiederholbar gedacht waren. Dabei verkennt er nicht nur, daß es bei dieser Bestimmung gar nicht um einen Amtswechsel geht, sondern interpretiert zudem den Terminus confirmatio gewaltsam gegen die traditionelle kirchenrechtliche Bedeutung und mehr noch gegen den mehrfachen Gebrauch im Abschnitt »Van examinatoribus« unter Berufung auf spätere, nicht von Bugenhagen verfaßte Kirchenordnungen als Synonym zu ordinatio. 59 Smith, a.a.O., 98 relativiert diese Tatsache, die zu seinem Gesamtbild der Bugenhagenschen Ordnungen nicht passen will, mit dem Hinweis darauf, es handle sich hier nicht um eine Ordination, sondern ›nur‹ um eine Installation. Die Fragwürdigkeit einer solchen Trennung wurde bereits mehrfach deutlich. Es beruht auf einer Reihe von Fehlinterpretationen, wenn Smith sich für dieses Argument auf Rietschel, a.a.O., 60 beruft. Letzterer sieht hier nicht, wie Smith glaubt, einen Widerspruch zu Luthers Formularen, sondern führt im Gegenteil die pommersche Kirchenordnung als Beleg für die These an, daß die ›Laienhandauflegung‹ auch lutherisches Erbe sei. Im übrigen weist Smiths englische Übersetzung des Rietschel-Zitates noch weitere sinnentstellende Fehler auf. 60 Vgl. Kretschmar, a.a.O., 213.
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V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537)
meldete Bugenhagen deshalb zunächst Vorbehalte gegenüber der in seiner Abwesenheit eingeführten Regelung an.
4. Die dänische Kirchenordnung von 1537 Die dänische Ordinatio Ecclesiastica61 fällt in mehrfacher Hinsicht aus der Reihe der bisher behandelten Kirchenordnungen heraus. Erstens war das dänische Königreich von den Schwierigkeiten hinsichtlich der rechtlichen Stellung des Episkopats im Heiligen Römischen Reich unberührt; ja, der neue König Christian III. hatte nach der Eroberung Kopenhagens einen radikalen Schnitt vollzogen, sämtliche Bischöfe im Königreich für abgesetzt erklärt und wegen jeweils individuell festgestellter Vergehen vor allem im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg gefangengesetzt.62 Die Einführung der Reformation in Dänemark im folgenden Jahr konnte deshalb mit der Installation von sieben Superintendenten geschehen, die Bugenhagen vornahm. Zweitens war inzwischen in Wittenberg eine für kursächsische Amtsträger obligatorische, seit neuestem auch auswärtigen Kandidaten zugängliche Ordinationsregelung eingeführt worden, für die ein eigenes Formular vorlag. Beim Entwurf der dänischen Ordinationsordnung konnte Bugenhagen also auch darauf zurückgreifen. Sie bildet insofern das Bindeglied zwischen seinen früheren und den Kirchenordnungen der vierziger Jahre, in die er Luthers Formular schlicht einfügte.63 Besonders aufschlußreich ist dieser literarische Zusammenhang, weil dem Pommer bei seinem Eintreffen schon ein Kirchenordnungsentwurf vorgelegt worden war, den von Christian beauftragte evangelische Prediger des Landes erstellt hatten. Er enthielt auch eine vor allem am Hamburger/Lübecker Vorbild orientierte Ordinationsordnung.64 61 Schwarz Lausten, Kirkeordinansen, 93–149 (Ordinatio Ecclesiastica Regnorum Daniæ et Norwegiæ et Ducatuum Sleswicensis Holtsatiæ etcet. Anno Domini M.D. XXXVII). Die Kirchenordnung hat zwar auch der Schleswiger Prediger Reinhold Westerholt unterschrieben, zur Geltung kam sie in den Herzogtümern jedoch erst in der überarbeiteten, niederdeutschen Form von 1542. Vgl. Göbell, Kirchenordnung, passim. Zur Reformation in Norwegen vgl. Schwaiger, Reformation, 79–83: Die Kirchenordnung hatte formell zwar nicht für Norwegen Geltung (vgl. Schwarz Lausten, a.a.O., 137: »De Norwegia: … Multa enim ibi aliam requirunt aliam ordinationem.«), wurde aber dennoch, wenngleich nur ganz allmählich auch dort eingeführt. 62 Vgl. auch zum Folgenden Schwarz Lausten, Reformationen, 98–111, Schwaiger, a.a.O., 60–63. 63 Vgl. EKO VI/1, 69–71 (Wolfenbüttel 1543);VII/2, 1, 868–870 (Hildesheim 1544). 64 Vgl. zu Einleitungsfragen Schwarz Lausten, Kirkeordinansen, 9–38 (deutsche Zusammenfassung S. 245–247). Ein lateinischer Entwurf – nicht, wie Clemen,WA.B 8, 69 glaubt, die fertige Kirchenordnung – war am 17.4.1536 von Christian III. an Luther gesandt worden, um dessen Meinung zur gesamten Ordnung im allgemeinen und zur Frage, ob bei der Kommunikation unter beiderlei Gestalt zunächst auf die Schwachen Rücksicht genommen werden solle, im speziellen zu erfragen (WA.B 8, 70 f Nr. 3148). Der Pommer wurde nach seiner Ankunft an der Überarbeitung beteiligt; sowohl die Korrekturen in einem erhaltenen dänischen Entwurf als
4. Die dänische Kirchenordnung von 1537
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Der dänische Entwurf definiert zunächst die Priesterweihe ganz in Wendungen Luthers als ›nichts anderes als einen Brauch in der Kirche, jemanden dazu zu berufen, an Gottes Wort und den Sakramenten zu dienen, denn niemand soll sich unterstehen, von sich aus, ohne rechtmäßig berufen zu sein, diesen Dienst in der Kirche [zu verrichten] oder sich in eine Parochie eindrängen‹.65 Die weitere Einleitung übernimmt aus der Hamburger Ordnung die Aussage, der Amtsträger könne die Sakramente nicht »machen«, sondern nur austeilen, und ergänzt sie um die Forderung nach einem Lehrexamen durch den Propst.66 Die Kanzelvermahnung und die Ordinationsliturgie, die hier allerdings im Gegensatz zu allen Formularen Luthers und Bugenhagens nach der Predigt angesiedelt ist, sind gestraffte Fassungen des Hamburger Textes. Bugenhagen hat diesen Entwurf zunächst ergänzt,67 in der endgültigen Fassung erneut grundlegend überarbeitet68 und für die Ordination der Superintendenten ein eigenes Formular konzipiert.69 Es zeigt sich, daß der Pommer die Vorlage dabei schrittweise an die Wittenberger Praxis anzugleichen versucht. Hatte schon die erste Fassung des Wittenberger Formulars (H) dem Kandidaten auf der Grundlage von 1. Tim 3, 1–7 und Act 20, 28–32 seine Dienstpflichten vorgehalten, besteht die wichtigste Ergänzung des dänischen Entwurfs in der Verbindung dieser Vorhaltung mit der Parallelstelle in Tit 1, 7–9 und einem darauf antwortenden Dienstversprechen des Ordinanden.70 Die zweite Ergänzung im eigentlichen Ritus schließt diesen mit der Bemerkung ab, »und so soll der ganze Brauch der Ordination nach Pauli Wort ›Die Kreatur wird durch das Wort und Gebete geheiligt‹ [1. Tim 4, 4 f] ausgeführt werden«. Das Zitat wirkt hier überraschend. Es findet sich auch auch die endgültige lateinische Kirchenordnung tragen deutlich seine Prägung. – Die dänische Sprache könnte der Grund dafür sein, daß sie in den einschlägigen Arbeiten zu Unrecht bisher kaum Beachtung fand. Nur Kretschmar hat sie a.a.O., 214–219 in seine Untersuchung mit einbezogen, konnte dabei aber noch nicht auf die etwa gleichzeitig entstandene Edition von Schwarz Lausten zurückgreifen, so daß er die Entwürfe nicht berücksichtigte. 65 Schwarz Lausten, a.a.O., 64: »Fore thii prest weyningenn eller ordning er ingthet andet, endt een skiick utj kiirckenn atkallde nogenn tiill attienne utj Gudtzs ordt och Sacramenter Thii ingenn schall aff seg selffuer, vdenn hanndt bliffuer louglig kalldet, vnderstaa seg thendt tiennistte vdi kiirckenn, eller indtrenge seg vdi nogenn saagenn.« 66 Dieser Punkt könnte durch die den evangelischen Predigern ebenfalls vorliegende pommersche Kirchenordnung inspiriert sein, lehnt sich aber enger an das alte Weiheexamen an (vgl. o. S. 173 Anm. 54). 67 Vgl. a.a.O., 64–68 (Hvorledis Kiirckens tiennere schulle tiilskickes [Wie Kirchendiener eingesetzt werden sollen]). 68 Vgl. a.a.O., 112–115 (Ritus instituendi ministros). 69 Vgl. a.a.O., 141–144 (Hisce Caerimoniis ordinabitur publice Superintendens dominica die aut festo). 70 Vgl. Schwarz Lausten, a.a.O., 65. Auch der zweite Grundtypus des Wittenberger Formulars F/C von 1538 kennt ein solches Versprechen. Bugenhagens Korrektur im dänischen Entwurf macht wahrscheinlich, daß es bereits vor seiner Abreise praktiziert wurde.
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V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537)
in der Liturgie der Ordination eines Superintendenten, wo es in die anderen Lesungen eingereiht ist und die Folgerung begründet, »quod haec ordinatio sanctificatur per haec duo, nempe per verbum et orationem«.71 Demnach würde also die Ordinationshandlung durch Wort und Gebet geheiligt. Vermutlich sind zur Interpretation dieses Satzes die frühen Wittenberger Ordinationsformulare heranzuziehen, in denen der Vers ebenfalls zitiert wird. So wäre hier ausgedrückt, daß Schriftlesung und Fürbitte die wesentlichen Elemente der Ordination sind. Weitere Angleichungen an H sind in der lateinischen Kirchenordnung die Erweiterung des Ordinationsgebetes um das einleitende Vaterunser72 und die Einfügung der Pfingstkollekte Deus qui corda fidelium nach dem Veni sancte spiritus.73 Die vielfachen Anleihen aus der Pfingstliturgie74 nimmt Bugenhagen in der Superintendentenordination zum Anlaß, dieses Fest als das seinem Verdienst nach größte in der Christenheit herauszustellen: Hätte Christus an diesem Tag nicht Prediger und Lehrer des Wortes ›gemacht‹, die seinen Schatz austeilten, hätten seine Geburt, sein Tod und seine Auferstehung uns keinen Nutzen gebracht. Das Predigtamt und damit die Ordination setzen demnach die Ausgießung des Heiligen Geistes voraus. Hier wie im Ritus instituendi ministros zeigt der Verweis auf Eph 4, 8–12 allerdings, daß die Wirkung des Geistes nicht als Verleihung einer Amtsgnade, sondern als das Hervorbringen von Charismen gedacht ist.75 Die auffälligste Änderung der Schlußredaktion besteht in der Einfügung eines im Wortlaut festgelegten Amtseides, der sich an das bestandene Examen anzuschließen hat und die Pfarrerschaft durch ein Treuegelöbnis gleichsam zu königlichen Beamten macht.76 Die Ordination begründet also ein Rechtsver-
71
Vgl. Schwarz Lausten, a.a.O., 142. Vgl. Schwarz Lausten, a.a.O., 113. Darin stimmt die Prediger- mit der Superintendentenordination überein (vgl. a.a.O., 143). Letztere bietet als Ordinationskollekte das Gebet des Hamburger Rituals. Die Formulierung im Ritus instituendi ministros »et addat collectam ad hoc factam sine tono« muß sich also ebenfalls auf diesen Text beziehen. 73 Vgl. ebd. 74 Die Assoziation von Pfingsten und Priesterweihe läßt sich auch in manchen mittelalterlichen Riten beobachten. Vgl. Smith, Luther, 112–114. 75 Vgl. Schwarz Lausten, a.a.O., 141: »Magno preconio spiritus sanctus in Paulo laudat hoc ministerium Ecclesiae a Christo glorificato datum dicens: Ascendens Christus in altum, Dedit hominibus dona, quosdam apostolos alios euangelistas etc. ita vt si huc respicias, merito inter festa Christi nobis festum Pentecostes debeat maximum. Nascitur quidem Christus, patitur et resurgit, sed quid mundo prodesset iste thezaurus, nisi in festo Pentecostes et postea vsque ad finem mundi praedicatores et doctores verbi faceret, qui thezaurum mundo per verbum distribuerent, de quibus ait: Qui vos audit etc.« 76 Vgl. Schwarz Lausten, a.a.O., 112: »Ego N. electus pastor Ecclesiae N. promitto Serenissimo regi fidelitatem, quod honorem obedientiam et pacem Regiae Majestatis curabo, diversa vero cauebo. Promitto etiam officii mihi commissi diligentiam quam diu in eo fuero secundum ordinationis praescriptum. …«. Vgl. a. das Iuramentum superintendentis a.a.O., 140 f. 72
4. Die dänische Kirchenordnung von 1537
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hältnis, wie namentlich im Ritual für die Superintendentenordination deutlich wird, wo das Ordinationsversprechen durch Handschlag bekräftigt wird.77 Ein unscheinbares, aber im Kontext dieser Untersuchung wichtiges Detail besteht darin, daß alle Ordinationen am Bischofssitz durchgeführt werden sollten. Noch im dänischen Entwurf war die an die Ortsgemeinde gerichtete Hamburger Kanzelvermahnung übernommen worden. Folglich waren deren Verfasser davon ausgegangen, daß der Ordinand nach einem Examen durch den Superintendenten vor Ort eingesetzt werden sollte.78 Als Ordinatoren sollten die benachbarten Pfarrer mit dem Propst an der Spitze fungieren. Demgegenüber geschieht die Ordination nach der lateinischen Endfassung durch den Superintendenten »in templum ciuitatis vbi habitat«. Die Kanzelvermahnung informiert entsprechend zunächst die Domgemeinde, von welcher Gemeinde der Ordinand berufen sei: »illum virum N. vocatum ab ecclesia N. ad publicum sacri Euangelii ministerium«. Vor Ort ist dann eine commendatio des Kandidaten durch den Propst vorgesehen, in der dieser der Gemeinde aus dem Brief des Bischofs79 vorliest, daß ihr Amtsträger »rite vocatus, examinatus et ordinatus« sei.80 Bugenhagen war demnach bei der Frage des Ordinationsortes inzwischen mit der Wittenberger Regelung einverstanden.81 77
Vgl. a.a.O., 142. Die unter Bugenhagens Mitwirkung entstandene Korrektur des Entwurfs hatte zusätzlich eine Bestätigung der Kandidaten durch den ›Obersuperintendenten‹ und die Anstellung durch den königlichen Präfekten vorgesehen. Letztere wurde in der Endfassung beibehalten, die Konfirmation entfiel zusammen mit der Institution eines Generalsuperintendenten. Diese war ein zentrales Anliegen der evangelischen Prediger gewesen, stand den Vorstellungen des Königs über die künftige Kirchenleitung jedoch entgegen. Vgl. Schwarz Lausten, Christian d. 3., 69–71. Die Korrekturen hatten dieses Amt im übrigen gegenüber der relativ unbedeutenden Position im ursprünglichen Entwurf noch einmal stärken wollen. Bugenhagen stand dem Gedanken eines Erzbischofs also bis zum Veto des Königs durchaus positiv gegenüber (gegen Kretschmar, a.a.O., 215). 79 Schon in der Kirchenordnung findet vereinzelt der Bischofstitel Verwendung, der sich bald gegen die Bezeichnung ›Superintendent‹ wieder durchsetzen sollte. 80 Schwarz Lausten, a.a.O., 113 f. Diese Trias entspricht der Formulierung »beropen, examiniret und ingesettet« in der pommerschen Kirchenordnung. 81 Die Tatsache, daß Bugenhagen in Dänemark gegen den an seinen eigenen Ritualen orientierten Entwurf eine Zentralordination eingerichtet hat, widerlegt vollends die ohnehin unwahrscheinliche These, daß die geregelte Ordination in Wittenberg aufgrund seines Widerstandes erst nach seiner Abreise nach Dänemark von Luther umgesetzt wurde. So Rietschel, Luther, 71 f (wiederholt bei Rietschel/Graff, Liturgik II, 850); Lieberg, Amt, 191. Schlicht falsch ist es, wenn Rietschel, a.a.O., 74 f vorgibt, Bugenhagens Ablehnung der Zentralordination bis in dessen Kirchenordnungen der vierziger Jahre verfolgen zu können. Während die Ordination in der Ordnung für die Stadt Hildesheim tatsächlich durch den Superintendenten am künftigen Wirkungsort des Ordinanden (»yn syner kercken«) geschehen soll (EKO VII/2, 1, 868), trifft dies für die Braunschweig-Wolfenbütteler entgegen Rietschels Behauptung nicht zu. Hier sollen die Ordinationen nach dem Examen am Ort des Superintendenten stattfinden: »schal he dar … up einen werkeldag … geordineret werden« (EKO VI/1, 44). Der Grund dafür dürfte einfach darin liegen, daß dem Superintendenten im Flächenterritorium die weite Anreise erspart werden 78
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V. Die Ordination in Bugenhagens reformatorischem Wirken (1528–1537)
Das Formular für die Ordination eines Superintendenten ist dem festlichen Anlaß seiner ersten Anwendung, nämlich der Einführung der Reformation und der zeitgleichen Königskrönung durch Bugenhagen am 12. August 1537,82 angemessen gestaltet. Es basiert auf dem Ritus instituendi ministros. In den verbindenden Redestücken zwischen den vermehrten Schriftzitaten wird das Amt des Ordinanden wechselweise als Superintendenten- und als Predigtamt bezeichnet. Unbeschadet seiner besonderen Leitungsfunktionen wird der künftige Superintendent zu dem einen Amt an Wort und Sakrament ordiniert.83 Auffällig ist die Deutung der Handauflegung. Wie schon in seinen Annotationes von 152484 zieht Bugenhagen als Parallele die alttestamentlichen Opferriten heran und entnimmt ihnen, daß der Ordinand wie das Opfertier Gott zum heiligen Dienst dargeboten (offerre ad sacrum ministerium) werde. Stärker noch als durch den Terminus ›befehlen‹ in der Hamburger Liturgie findet darin die vertrauensvolle Haltung der Ordinationsgemeinde ihren Ausdruck, die sich hinsichtlich der richtigen Wahl des Kandidaten und seiner künftigen Amtsführung nur betend auf den verlassen kann, der ihr diese Handlung geboten hat. Wie bei einem Opfertier liegt es letztlich nicht an dessen Würdigkeit, sondern an Gottes Gnade, daß das dargebrachte Opfer angenommen wird. Die Handauflegung ist demnach eine besondere Form der Fürbitte.85 sollte. Das bedeutet aber, daß Bugenhagen nicht kategorisch gegen eine zentral durchgeführte Ordination war. 82 Während das Hamburger Formular ausdrücklich festgestellt hatte, »[s]underger kleder edder pracht dorve wi nicht to dusser sake …«, sind bei der dänischen Superintendenteneinführung auch Alba und Chorgewand vorgesehen. Vgl. zu diesem Ereignis Schwarz Lausten, Kirkehistorie, 126–128. 83 Vgl. z.B. a.a.O., 142: »Nam per praedicatorem suum Christus ipse praedicat, baptizat, dat Sacramentum, arguit, exhortatur, consolatur …«. Zur Auffassung der Wittenberger Reformatoren vom Bischofsamt vgl. Wendebourg, Reformation, 197–205 u. dies., Das bischöfliche Amt, 541–544. 84 Vgl. o. S. 90. 85 Kretschmar, a.a.O., 218 ist dagegen der Ansicht, Bugenhagen habe damit seine bisherige Position von der Widerruflichkeit der Ordination preisgegeben: Die Beziehung zwischen den Opferriten und der Ordination »ermöglicht ihm nun auch eine Aussage, die weit über das hinaus führt, was wir bisher gehört haben: wenn die Diener der Kirche, konkret die Bischöfe, in der Ordination Gott zum Opfer geweiht werden, dann können weder sie selber noch andere sie gleichsam wieder zurückholen. Dann sind sie für ihr Leben als Person von dieser Übergabe bestimmt. Man kann ihnen das Amt nehmen, aber nicht die Weihe rückgängig machen.« Er mißachtet dabei freilich, daß es sich bei dem Ritual eben nicht um eine der römischen Priesterweihe vergleichbare grundsätzliche Bevollmächtigung zum Amt, sondern um die Installation eines durch sämtliche Stadtpfarrer der Diözese gewählten königlichen Beamten handelt, der im Falle schwerer Dienstvergehen von seinen Untergebenen vor dem König angeklagt und von diesem abgesetzt werden kann (vgl. Schwarz Lausten, a.a.O., 134 f; nach dem korrigierten Entwurf a.a.O., 89 sollten sogar die Dorfpfarrer mit zur Wahl des Superintendenten zusammengerufen werden).
4. Die dänische Kirchenordnung von 1537
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Für die Geschichte der Wittenberger Ordination hat die Untersuchung der dänischen Kirchenordnung und ihrer Entwürfe gezeigt, daß Bugenhagen Mitte 1537 mit dem Formular Luthers vertraut ist und sich bemüht, sein eigenes Ritual so weit wie möglich an das seines theologischen Lehrers anzupassen. Das gilt selbst für die Zentralisierung der Ordination, die Bugenhagen, der 1535 zunächst anderer Ansicht gewesen war als Luther, – möglicherweise nach einigem Zögern, wie die Korrekturen des Entwurfs andeuten – in Dänemark übernimmt. Allerdings hat der Pommer Luthers Ordinationsformular offenbar nicht vorliegen. Anders als im Falle seiner Kirchenordnungen der vierziger Jahre bildet es zu diesem Zeitpunkt noch kein verbindliches Dokument, das er selbstverständlich übernahm.
VI. Die Anfänge des Wittenberger Ordinationsverfahrens (1535) Im Mai 1535 ergeht ein Erlaß des Kurfürsten, der zum Ziel hat, daß künftig alle kursächsischen Kandidaten eines kirchlichen Amtes in Wittenberg examiniert, ordiniert und konfirmiert werden sollen. Obwohl die Reformatoren von ihrem Ordinationsverständnis her vorziehen, daß die Ordination am künftigen Wirkungsort durchgeführt wird, erfolgt die Einführung der neuen Ordnung in enger Abstimmung mit ihnen. Die allgemeine Einführung der Ordination an einem zentralen Ort soll einerseits durch das mit ihr verknüpfte Examen eine effizientere Kontrolle des Zugangs zum kirchlichen Amt ermöglichen, andererseits durch die Verbindung mit der kurfürstlichen Bestätigung die Autorität des Amtsträgers in der Gemeinde stärken. Die Zentralordination bezieht sich von Anfang an nicht nur auf die künftige Stelle, sondern beauftragt den Ordinanden allgemein mit dem kirchlichen Amt, so daß sie bei einem Stellenwechsel nicht zu wiederholen ist.
1. Die Einführung der Ordination Am 12. Mai 1535 wurde in Kursachsen ein verbindliches Ordinationsverfahren eingeführt. Auf Anordnung des Kurfürsten mußten sich die Bewerber um ein kirchliches Amt einem Examen und der Ordination in Wittenberg unterziehen. Das Ereignis ist nur in einer einzigen offiziellen Quelle greifbar. Dabei handelt es sich um den kurzen Erlaß, den Johann Friedrich am 12. Mai 1535 an die Visitatoren in Meißen und dem Vogtland richtete und in dem es heißt, der Kurfürst und sein Bruder Johann Ernst seien besorgt darüber, daß mit dem allmählichen »absterbenn« der noch von den Bischöfen Geweihten künftig ein Predigermangel eintreten werde. Die Superintendenten sollten deshalb von den Visitatoren angewiesen werden, bei künftigen Stellenbesetzungen die für geeignet befundenen Kandidaten an die Universität Wittenberg zu senden. Dort sollten sie von den Theologen ordiniert werden, auf diese Weise »macht vnd gewalt« ihres Amtes erhalten und im Anschluß daran vom Kurfürsten bestätigt werden.1 Der Charakter des Dokuments deutet darauf hin, daß gleichlautende Schreiben an die übrigen Visitatoren gesandt wurden.2 1 Vgl. den Erlaß aus ThHStA Ii 887, 1 u S. 319 (Anhang 1.a; teilweise gedruckt bei Drews, Ordination, 288 f ). Zu den Grenzen dieses Erlasses, der selbst nicht alles enthält, was tatsächlich vorgesehen war, vgl. u. S. 191 f. – Unter Ii 887, 3 findet sich der Entwurf eines Schreibens Spalatins im Namen der Visitatoren in Meißen und dem Vogtland an die Superintendenten, das sie über den Wortlaut des Erlasses in Kenntnis setzt und dessen Umsetzung anordnet. Gedruckt bei Drews, Ordination, 289 f.
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VI. Die Anfänge des Wittenberger Ordinationsverfahrens (1535)
Der Inhalt des Erlasses scheint auf den ersten Blick eindeutig. Auf den Mangel kirchlicher Amtsträger, der durch den Wegfall der Priesterweihe droht, reagiert der Kurfürst mit der Einführung der Ordination in Wittenberg. Bei näherem Hinsehen zeigen sich allerdings Ungenauigkeiten im Erlaß selbst sowie Verschiebungen gegenüber den Quellen der zurückliegenden Jahre einerseits und den wenigen Nachrichten über die Auswirkungen des Erlasses andererseits. Auf diese Differenzen wird einzugehen sein.3 Zuvor sind allerdings einige methodische Überlegungen notwendig. Obwohl der Erlaß das einzige greifbare offizielle Dokument der Anfangszeit darstellt, kann das Ordinationsverfahren nicht ausschließlich auf seiner Grundlage rekonstruiert werden. Das gilt schon deshalb, weil das Schreiben vom 12. Mai nicht die Einführung der Ordination selbst anordnet, sondern lediglich die Vorschrift bekanntgibt, daß alle neuen Kandidaten sich zwecks der Ordination nach Wittenberg zu begeben hätten.4 Der Erlaß muß sich in das Gesamtbild der zeitgenössischen Quellen einfügen, die sich auf die Anfänge des Verfahrens beziehen. Gegen den Versuch, ein einheitliches Gesamtbild zu gewinnen, könnte eingewandt werden, daß der Kurfürst und seine Theologen über das neue Verfahren geteilter Meinung gewesen sein könnten.5 Das wäre etwa dann 2 Die vier Visitationsbezirke waren der Kurkreis,Thüringen, Meißen/Vogtland und Franken. Vgl. Burkhardt, Geschichte, 124 f. Die für den Kurkreis zuständigen Theologen waren der noch in Pommern wirkende Bugenhagen und Justus Jonas, der aufgrund seiner Doppelfunktion als Visitator und Professor bereits über diese Regelung informiert gewesen sein muß. Parallele Schreiben an die thüringischen und fränkischen Visitatoren sind nicht erhalten. 3 Auffällig ist etwa, daß die Einführung der Ordination damit begründet wird, daß geweihte Kandidaten abstürben, sowie die Nichtnennung des Examens. 4 Drews, a.a.O., 70; Kretschmar, Ordination, 197 Anm. 15; Smith, Luther, 66 gehen daher davon aus, daß der eigentliche Ordinationserlaß verloren ist, der die Universität mit der Durchführung beauftragte. Doch es ist fraglich, ob ein solcher existiert hat. Obwohl Luther die neue Ordnung in erster Linie aus der Perspektive der Universität sieht, referiert er in seiner gleich zu behandelnden Ordinationspredigt vom 20.10.1535 als deren Inhalt, »das unser furst befolhen ubiq ue, wo man mangel an prediger, huc missi«, gibt also den bekannten Erlaß und nicht eine gesonderte Beauftragung der theologischen Fakultät wieder. Letztere hat es deshalb vermutlich in schriftlicher Form nie gegeben. Kretschmar, Bischofsamt, 259 setzt sie offenbar voraus, wenn er formuliert, »diese Verfügung geht also davon aus, daß Studenten nach dem Abschluß ihrer Studien von einer Gemeinde als Pfarrer angefordert werden … und deshalb am Studienort ordiniert werden sollen«. Der Erlaß zielt in die entgegengesetzte Richtung: Die Ordinanden sollen in die Universitätsstadt kommen, wo die größte theologische Kompetenz versammelt war. Es war zwar auch vorgesehen, Wittenberger Studenten vor ihrem ersten Amtsantritt zu ordinieren. Ihr Anteil an den Ordinierten war jedoch zunächst gering, wie wir noch sehen werden. 5 Drews, WA 38, 408 vertritt mit Nachdruck die These, daß Luther sich nur widerwillig in die kurfürstliche Anordnung gefügt habe (vgl. schon ders., Ordination, 71 f ). Karant-Nunn, Luthers Pastors, 60 kommt gar zu dem nur mit dem Verweis auf Drews begründeten Schluß, die Reformatoren hätten sich dieser anfangs widersetzt. Seine Argumente werden im folgenden erörtert. Die von Drews, a.a.O., 68 f auf den 14.4.1534 datierte Tischrede gehört im übrigen ins Jahr 1539 (WA.TR 4, 4595), läßt sich also zur Aufhellung der Vorgeschichte der Ordinationsordnung nicht heranziehen.
1. Die Einführung der Ordination
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zu vermuten, wenn die Reformatoren bald von der kurfürstlichen Ordnung abgewichen wären oder wenn sich direkte Widersprüche zwischen ihren früheren Aussagen und der neuen Regelung ausmachen ließen. Konkret wäre zu fragen, ob das Ordinationsverfahren überhaupt mit der Ankündigung Luthers, man werde künftig selbst ordinieren, in Zusammenhang gebracht werden kann. Tatsächlich hatte der Kurfürst die Angelegenheit offenbar wenige Tage zuvor mit Luther erörtert. In die Zeit seines Aufenthalts vom 7. bis zum 10. Mai in Wittenberg6 fällt nämlich eine Predigt des Reformators, die auf die bevorstehende Einführung der Ordination eingeht7 und keinesfalls den Eindruck erweckt, die aktuellen Planungen stünden seinen Vorstellungen entgegen. Dort heißt es, da die Bischöfe sich weigerten, evangelische Prediger zu weihen, deren Dienst aber notwendig sei, werde man selbst »1 mal mit eim off entlichen gepreng ordinare«. Luther knüpft an frühere Aussagen an, um den bevorstehenden Schritt zu rechtfertigen. Wie in Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe verweist er auf die Vollständigkeit und Legitimität der eigenen »recht Ch ristliche[n] kirche«. Die Aussage, daß sogar durch Frauen erteilte Nottaufen gültig seien und deshalb die von ordentlich berufenen Amtsträgern gespendeten Sakramente auch von der Gegenseite anerkannt werden müßten, hat Parallelen in den Schriften der frühen zwanziger Jahre, wo Luther mit der Gültigkeit der Nottaufe begründet hatte, daß auch das kanonische Recht das Priestertum aller Christen kenne. Diese Verbindung des aktuellen Plans mit seinen eigenen theologischen Aussagen, vor allem aber die Tatsache, daß der Reformator das Ergebnis der Unterredung mit dem Kurfürsten in einer Predigt erwähnt, spricht dagegen, daß es gegen seine eigenen Überzeugungen zustande gekommen sei. Kann folglich von einem prinzipiellen Dissens zwischen dem Kurfürsten und den Reformatoren, die mit der Ordination befaßt waren, nicht ausgegangen werden, ist die Bedeutung ihrer Äußerungen zum neuen Ordinationsverfahren mindestens so hoch zu veranschlagen sein wie die des Erlasses selbst, zumal dieser – wie die Analyse zeigen wird – in Details ungenau und unvollständig ist. So wird sich ergeben, daß sich das Wittenberger Ordinationsverfahren, anders als der Erlaß des Kurfürsten suggeriert, von Anfang an aus Examen, Ordination und Konfirmation zusammensetzte. Damit dieser Nachweis geführt werden kann, ist zunächst zu untersuchen, wann und in welcher Form der Erlaß erstmals zur Anwendung kam; hängt doch vom Datum dieser ersten Ordination ab, ob das Verfahren bereits während der ersten Monate Wandlungen durchlaufen haben kann.8 6
Vgl. Buchwald, Lutherana, 81. Vgl. WA 41, 240, 33–242, 10 vom 9.5.1535. Der Kurfürst war bei der Predigt anwesend, wie Rörer im Rand seiner Nachschrift vermerkte (vgl. a.a.O., 239, Anm. zu Z. 6). 8 So Drews, a.a.O., 86. 7
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VI. Die Anfänge des Wittenberger Ordinationsverfahrens (1535)
2. Die erste Ordination Aller Wahrscheinlichkeit nach fand erstmals am 20. Oktober 1535 eine Ordination auf der Grundlage des Erlasses vom Mai statt. Zu diesem Schluß nötigt die Ordinationsansprache Luthers vom selben Tag.9 Den Anlaß der Predigt beschreibt er folgendermaßen: »Das ist zur vorrhede, cum simus ordinaturi aliquem in aliam Ec clesiam. Prius non fecimus …«, wie es in Rörers Mitschrift heißt. Demzufolge ist an der im Anschluß stattfindenden Handlung neu, daß jemand für eine andere Gemeinde ordiniert werden soll. Luther erklärt den Wittenbergern im folgenden auch nicht den Ordinationsritus, sondern legt Sinn und Zweck des neuen Verfahrens dar: Es soll eine effektive Kontrolle der Besetzungen kirchlicher Ämter gewährleisten. Die Aussage Luthers, früher sei man anders verfahren, bedeutet zwar an sich nicht zwingend, daß es sich bei der folgenden tatsächlich um die erste Ordination handelt, sondern könnte sich auch allgemein auf die Zeit vor dem kurfürstlichen Erlaß beziehen. Die Weise, wie Luther Bedeutung, Anlaß und Zweck der Handlung erklärt, läßt sich hingegen nicht anders interpretieren,
9 Vgl. WA 41, 454–459. Der wichtigste Abschnitt a.a.O., 457, 33–458, 14, aus dem im folgenden mehrfach zitiert wird, soll hier vollständig geboten werden: »Das ist zur vorrhede, cum simus ordinaturi aliquem in aliam Ec clesiam. Prius non fecimus, ne Pap istae, et in con|sp ectu vestro, ut sitis testes. Noster princeps hat geord net, cum noch nicht gefaßt et consultum, et tam multae acced|ant C|ivitates, wird mangel, Das er wolt schaffen ut ex mundana potestate, ut priester nicht geweihet wird nobis ignorantib us, Ut in primitiva Ecc|lesia musten verbieten nec ubiq ue weiheten und uneins wurde cum ps eudoapostolis [App: fraglich, kann auch pf arrer gelesen werden] und lieff davon. Ideo ut non unordnung wurde, donec 1 locus vel quatuor in ista ditione, ubi ordinetur, et ideo nec Ecclesia betrogen mit falsch predigen, das unser furst befohlen ubiq ue wo man mangel an prediger, huc missi, die sol man hie horen, ob geschickt sein etc. scilicet in francken, sachsen, meischen, duringen. Ideo estote testes, quod ordinatus, et schicken hin gen Gott a, et hoc factum ex commiss ione principis, ne ps eudoapostoli an ein an erwachsen. Si hoc daretur ius cuilibet Civitatulae, wurds werden. Ideo sols bl eiben in unitate unter m eines gn edigen herrn hand, bis anders wird …« Diesen Abschnitt bietet auch Drews, Ordination, 290 direkt aus dem Manuskript. Er liest die von der WA als »ps« interpretierten Kürzel als »pf«, also Pfarrer. Dies wird für die erste Stelle auch im Apparat der WA erwogen und ist sicher vorzuziehen. Die Pseudapostel waren zwar schon vorher in der Predigt erwähnt worden. Dort verteidigte Luther allerdings die Gültigkeit des Dienstes gerade auch der Pseudapostel in Abgrenzung von den Täufern als den neuen Donatisten. Wäre nun an der zitierten Stelle von Pseudaposteln die Rede, bezeichneten sie hier, wie der Zusammmenhang zeigt, ausgerechnet die Wiedertäufer, deren Eindringen in das Amt die neue Ordnung verhindern soll (vgl. WA 41, 455, 33–35). Die zweite Stelle bleibt in jedem Fall unverständlich. Der Vorschlag der WA, die folgenden Wörter zu ›aneinanderwachsen‹ zusammenzuziehen, löst das Problem nicht, während Drews’ Interpretation des zweiten »an« als Kürzel für ›Ansehen‹ (»damit nicht Pfarrer ohne ein Ansehen erwachsen«) willkürlich ist. – Eine kürzere Fassung eines Teils der Predigt bildet die Einleitung zur ältesten Fassung des Ordinationsformulars H (gedruckt WA 41, 762 f ). Sie dürfte auf einer von Rörer unabhängigen Nachschrift basieren (vgl. Drews, WA 38, 413). Leider hellt sie die bei ihm völlig unverständlichen Stellen nicht auf.
2. Die erste Ordination
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als daß die Gemeinde eine solche Ordination für eine auswärtige Stelle zum ersten Mal erlebt.10 Dem scheint ein merkwürdiges Schreiben vom 14. August 1535 entgegenzustehen. Es berechtigt einen Hieronymus Hirscheider zum Lehramt in der Kirche.11 Dieses im Namen des Rektors der Universität ausgestellte Zeugnis berichtet, der Examinand habe sich nach Jena begeben, wohin die Wittenberger Universität vor der Pest geflohen war.12 Hier habe Melanchthon ihn nicht examinieren können, da er zu Verhandlungen mit dem Kurfürsten habe aufbrechen müssen und bereits zu Pferde gesessen habe.13 Hirscheider sei daher von anderen in der Heiligen Schrift erfahrenen Männer in Gegenwart des Rektors examiniert worden. Das Schreiben fährt fort, die von ihm gewünschte ›sogenannte‹ Ordination solle nach der Entscheidung Melanchthons in Wittenberg durchgeführt werden, wie es dem Willen des Kurfürsten gemäß schon öfter geschehen sei.14 Demnach hätten also zwischen Mitte Mai und Mitte August bereits mehrere Ordinationen stattgefunden. Doch gegen diese Nachricht erheben sich Zweifel. Zieht man in Betracht, daß die im Schreiben erwähnte Seuche in Wittenberg bereits Ende Juni begonnen hatte15 und seitdem wahrscheinlich keine Fremden die Stadt betreten hatten, ferner zwischen dem Datum des Erlasses und seiner ersten Anwendung mindestens eine, vermutlich zwei Wochen vergangen sein müßten, müßten mehrere Ordinationen im Juni stattgefunden haben; das aber ist unwahrscheinlich, wenn man berücksichtigt, daß bis ins Jahr 1537 überhaupt nur wenige Ordinationen durchgeführt wurden, wie sich zeigen wird. Zudem belegen die vorsichtigen Formulierungen des Zeugnisses für Hirscheider, daß zumindest dessen Verfasser im August noch nicht über die neue Ordnung informiert war und sicher keine dieser Or-
10 Dies widerspricht der Deutung, es handle sich dabei lediglich um die erste Predigt Luthers anläßlich einer Ordination (so Drews, WA 38, 403). 11 Vgl. CR 2, 901 f (MBW 1602). Das Dokument ist in einer Abschrift erhalten, der Spalatin die Notiz hinzugefügt hat, der aus Werdau stammende Hirscheider sei vorher Schulleiter in Reichenbach gewesen. Über die Gemeinde, in der er sein Amt antreten soll, läßt sich der Quelle nichts entnehmen. 12 Die Universität war am 25. Juli von Wittenberg aufgebrochen. Als Rektor amtierte Sebald Münsterer. Vgl. WA.B 7, 207 f. Ob und wann Hirscheider noch ordiniert wurde, ist nicht bekannt. 13 Es ging dabei um Melanchthons Wunsch, für Verhandlungen in Frankreich freigestellt zu werden. Vgl. CR 2, 903–905 (MBW 1603). 14 Vgl. a.a.O., 902: »Quod autem petivit a nobis, ut vocant, ordinari, si quidem episcopi nostros non admittunt ad docendum, et tamen necesse est propter ordinem in Ecclesia hunc ritum retineri: secuti sumus D. Philippi Melan. sententiam, qui existimavit, id commodius Wittenbergae fieri posse, quod ex illustrissimi Principis nostri voluntate idem iam antea istic saepius sit factum.« 15 Vgl. Germann, Forster, 89. Zu diesem Zeitpunkt begannen die Studenten, die Stadt zu verlassen.
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VI. Die Anfänge des Wittenberger Ordinationsverfahrens (1535)
dinationen erlebt hatte.16 Es spricht demnach einiges dafür, daß die erwähnten Ereignisse bereits länger zurückliegen17 und von Melanchthon oder vom Verfasser des Zeugnisses zu Unrecht mit dem kurfürstlichen Erlaß in Verbindung gebracht werden. Die erste Ordination seit dem kurfürstlichen Erlaß dürfte also, vermutlich bedingt durch die grassierende Seuche, tatsächlich erst am 20. Oktober 1535 stattgefunden haben.18
3. Der von der Ordinationsregelung betroffene Personenkreis Bevor das Ordinationsverfahren im einzelnen behandelt werden kann, ist zu untersuchen, für welchen Personenkreis es gedacht war. Zunächst ist sein Geltungsbereich abzugrenzen. Eindeutig ist den Quellen zu entnehmen, daß nur diejenigen Kandidaten eines kirchlichen Amtes ordiniert werden sollten, deren künftiger Wirkungsort in den ernestinischen Landen lag. Luthers Predigt vom 20. Oktober bezieht die neue Ordinationsregelung ausdrücklich auf »francken, sachsen, meischen, duringen«, also auf die vier Regionen, an deren Visitatoren auch der Ordinationserlaß gerichtet war. Die Universität und die Wittenberger Gemeinde ordinierten folglich über den Erlaß hinaus nicht auch solche Kandidaten, die in fremden Territorien ein kirchliches Amt antreten sollten.19 Da die Ordination im Auftrag des Kurfürsten geschah und die Ordinanden gleichzeitig in dessen Namen bestätigt wurden, war dies konsequent.20 Das Verfahren war zunächst eine rein kursächsische Angelegenheit. Schwieriger ist zu beantworten, ob ein eventuelles früheres kirchliches Amt den Kandidaten von der Ordinationsvorschrift entband. Dabei muß zwischen denen, die bereits evangelisch ordiniert waren, und denen, die dies nicht waren, unterschieden werden. Den Quellen ist zu diesem Komplex direkt nichts zu entnehmen. Ein eindeutiger Hinweis, wie mit der ersten Gruppe zu verfahren wäre, findet sich jedoch implizit im Postscriptum des Empfehlungsbriefes für den ersten Wittenberger Ordinanden, der an den Gothaer Superintendenten Friedrich Mykonius gerichtet ist. Hier schließt Luther mit der Bemerkung, werde der Ordinierte einmal ein Zeugnis benötigen, solle es ihm 16 Der Briefsteller und vermutlich auch die anderen am Examen beteiligten Personen scheinen keine klare Vorstellung von dem zu haben, was unter dem Terminus ordinare zu verstehen sei. Zudem berufen sie sich für ihr Vorgehen ausdrücklich auf die Entscheidung Melanchthons. 17 Hier ist an die frühen Ordinationen in Wittenberg und in der näheren Umgebung zu denken. 18 Gegen Drews, Ordination, 79; Lieberg, Amt, 188; Smith, Luther, 68. 19 Gegen Drews, a.a.O., 75. 20 Es wird im nächsten Kapitel ausführlich zu zeigen sein, daß Wittenberg seine Rolle als interterritoriales Ordinationszentrum erst einnahm, nachdem 1537 erste Bestrebungen zu einer allgemeinen Ordinationsordnung innerhalb des Schmalkaldischen Bundes gescheitert waren.
3. Der von der Ordinationsregelung betroffene Personenkreis
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nach einer gewissen Dienstzeit von den Gothaern ausgestellt werden.21 Damit ist offenbar nicht nur gemeint, daß der neue Prediger bei einem Wechsel eine Bescheinigung seiner Amtsführung erhalten sollte. Das wäre banal und von Luther kaum zum Gegenstand eines Briefzusatzes gemacht worden. Mykonius wird vielmehr aufgefordert, eine Beurteilung des bisherigen Dienstes in ein Ordinationszeugnis einfließen zu lassen. Daß der Ordinierte den Empfang der Ordination im Fall eines Stellenwechsels belegen müßte, scheint Luther erst kurz vor der Absendung des Briefes aufgegangen zu sein.22 Das bedeutet aber, daß der Ritus seine Gültigkeit nicht nur für die Gothaer Stelle hatte, sondern prinzipiell dazu berechtigte, ein kirchliches Amt in den ernestinischen Gebieten zu übernehmen. Die Ordination wurde folglich nur einmal erteilt. Darin weicht das neue Verfahren vom früheren Verständnis der Ordination ab, wie es in Luthers Praxis und in Bugenhagens Kirchenordnungen zum Ausdruck kommt. Darauf wird noch einzugehen sein. Wie sollten Kandidaten behandelt werden, die bereits in einer Gemeinde das kirchliche Amt verwaltet hatten, aber nicht evangelisch ordiniert worden waren? Weder der kurfürstliche Erlaß noch Luthers Predigt vom 20. Oktober enthalten Hinweise darauf, daß sie von der Vorschrift auszunehmen wären. Da mit der Ordination auch eine Lehrprüfung und eine Konfirmation, die an die Stelle des bischöflichen ius confirmandi trat, verbunden waren, bestand für den Kurfürsten und die Theologen ein Interesse daran, daß auch die bereits Amtierenden in das Verfahren einbezogen wurden. Diese Überlegung gilt unabhängig davon, ob die Amtsträger geweiht waren oder nicht. Wie gezeigt wurde, war es in den Augen der Reformatoren ohne theologische Bedeutung, ob evangelische Amtsträger früher die Priesterweihe erhalten hatten.23 Entsprechend wären nun alle Kandidaten, die bereits in einem kirchlichen Amt gestanden hatten, aber noch nicht evangelisch ordiniert waren, gleich zu behandeln.
21 WA 7, 303, 13 f: »Si testimonio aliquando ei fuerit opus, ex vobis dari satis fuerit, cum aliquantum ministraverit.« Der Rest des Schreibens wird uns noch beschäftigen. Clemen, a.a.O., 302 versteht den mit cum eingeleiteten Nebensatz kausal (»da er eine beträchtliche Zeit bei euch gedient hat«). Abgesehen davon, daß diese Übersetzung grammatikalisch schwierig ist, sind sowohl die von ihm vorgenommene Identifizierung des Ordinanden mit dem seit Jahren als Prediger in Gotha amtierenden Johann Golhart (dagegen schon WA.B 13, 236) als auch die mit dem Verweis auf Luthers Brief an Johann Sutel vorgebrachte Vermutung, der Ordinand habe bisher nur als Prediger gewirkt und übernehme nun ein Amt, in dem er auch die Sakramente spenden müsse, abzulehnen. Dann spricht alles für die von Clemen abgelehnte Walchsche Übersetzung »nachdem er einige Zeit das Amt verwaltet hat«. 22 Dies kann als zusätzliches Indiz dafür gewertet werden, daß es sich bei der Ordination am 20.10.1535 um die erste auf der Grundlage des Erlasses vom 12.5. handelte. Eine prinzipielle Bestimmung wird man in seinem Vorschlag jedenfalls nicht sehen können. Das erste erhaltene Wittenberger Ordinationszeugnis datiert vom 11.6.1536. Vgl. u. S. 264. 23 Vgl. o. S. 107–121.
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VI. Die Anfänge des Wittenberger Ordinationsverfahrens (1535)
Die Hinweise darauf, daß bereits Amtierende – seien sie geweiht oder ungeweiht – bei einem Stellenwechsel ordiniert wurden, sind allerdings mehr als dürftig. Möglicherweise wurde einige Monate nach Einführung des Verfahrens ein früherer Kaplan ordiniert, als ihm in seiner bisherigen Gemeinde das Pfarramt übertragen wurde.24 Doch über das Datum und damit zusammenhängend über die Umstände dieser Ordination ist keine Sicherheit zu erlangen. Ähnliche Fälle sind aus den ersten Jahren der Wittenberger Zentralordination nicht bekannt. Damit müßte aber gerechnet werden, wenn alle ehemaligen Priester und während der vergangenen Jahre ungeweiht Berufenen im Falle eines Stellenwechsel ordiniert worden wären. Daß dies nicht geschah, dürfte daran liegen, daß anderenfalls auch immer der bisherige Dienst des Ordinanden in seiner Gültigkeit in Frage gestellt worden wäre. Da die Ordination in den Augen der Wittenberger Reformatoren keine theologisch notwendige Voraussetzung für die Amtsausübung, sondern nur die angemessene Form der Einsetzung war, konnte darauf verzichtet werden, wo dies ratsam erschien. So wie bis 1535 die Einführung der Ordination vornehmlich aus kirchenpolitischer Rücksichtnahme unterblieben war, konnte nun Rücksicht auf die Situation des Amtsträgers genommen werden. Was das Fehlen eines Examens anging, war immerhin durch die Visitationen ein Instrument mit vergleichbarer Wirkung geschaffen worden. Die erwünschte Kontrolle des Zugangs zum kirchlichen Amt war gesichert, wenn wenigstens diejenigen zum Empfang der Wittenberger Ordination veranlaßt wurden, die bisher noch nicht in Kursachsen amtiert hatten.
4. Die Bestandteile des neuen Besetzungsverfahrens und die Motive seiner Einführung Am Tage der ersten Ordinationspredigt setzte Luther ein Empfehlungsschreiben an den Gothaer Superintendenten Friedrich Mykonius auf, in dessen Sprengel der Ordinand seinen Dienst tun sollte. Dabei legte er mit wenigen Worten auch dar, aus welchen Elementen sich das neue Besetzungsverfahren zusammensetzte: Berufung und Wahl seien zuvor in Gotha erfolgt, in Wittenberg habe man den Kandidaten gemäß dem kurfürstlichen Erlaß examiniert, öffentlich in der Gemeinde ordiniert und konfirmiert.25 Neu sind in diesem 24
Vgl. u. S. 271–273. Vgl. WA.B 7, 302, 3–10 Nr. 2263 vom 20.10.1535: »Remittimus vestrum Ioannem per vos vocatum et electum, per nos quoque examinatum et publice coram nostra Ecclesia inter orationes et laudes Dei in vestrum comministrum ordinatum et confirmatum ad mandatum Principis nostri, licet D. Pomeranus non satis facilis ad hoc fuerit, ut qui adhuc sentit, quemlibet in Ecclesia ordinandum per suos presbyteros. Quod fiet tandem, ubi ista res nova et ordinatio radices altius egerit et mos firmior factus fuerit.« Die Wendung »ad mandatum Principis nostri« ist 25
4. Die Bestandteile des neuen Besetzungsverfahrens und die Motive seiner Einführung
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Verfahren die in Wittenberg angesiedelten Elemente. Ihre Untersuchung wird zeigen, daß die Motive für deren Einführung eng zusammenhängen. a. Die Lehrprüfung Luther schreibt in seinem Brief anläßlich der ersten Ordination, der Ordinierte sei durch die Wittenberger examiniert worden. Er sah eine zentrale Lehrprüfung offenbar als Bestandteil des neuen Ordinationsverfahrens an. Erstaunlicherweise erwähnt der Erlaß des Kurfürsten sie nicht, stattdessen aber die bisher praktizierte Prüfung durch die Superintendenten. Doch sein Schreiben enthält einen Hinweis darauf, daß die Ordinanden an der Universität nicht nur ordiniert, sondern auch examiniert werden sollten: Johann Friedrich legt fest, daß die Kandidaten zu den ›Gelehrten der Heiligen Schrift‹ zu senden seien. Er bezieht sich also auf die theologische Kompetenz und nicht etwa auf die kirchenleitende Funktion der Reformatoren. Die bewährte Prüfung durch die Superintendenten wurde offenbar dennoch beibehalten, so daß schon vor Ort eine Vorauswahl getroffen werden konnte und nicht offenkundig untauglichen Personen die Reise nach Wittenberg zugemutet werden mußte.26 Die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Examen und Ordination untermauert das Zeugnis für Hirscheider. Es zeigt, daß Melanchthon zumindest seit August 1535 die Lehrprüfung als Bestandteil des Verfahrens ansah.27 Da aber, wie gezeigt wurde, während des Sommers mit großer Wahrscheinlichkeit noch keine Ordinationen stattfanden, dürfte das Examen von Anfang an Teil des Verfahrens gewesen sein.28 Melanchthon hielt es für so wichtig, daß er im Fall Hirscheiders dafür sorgte, daß es, obwohl er selbst verhindert war, sofort und nicht erst zusammen mit der auf unbestimmte Zeit verschobenen Ordination durchgeführt wurde. wahrscheinlich nicht nur auf die Konfirmation, sondern auf alle drei in Wittenberg vollzogenen Elemente zu beziehen. Buchwald, Luther, 152 hatte erkannt, daß der Brief mit der o. Anm. 9 zitierten Predigt zusammengehört und nicht vom 15.12.1535 datiert. Drews, Ordination, 72; Lieberg, Amt, 188; Kretschmar, Ordination, 197 und Smith, Luther, 68 nennen als Datum irrtümlich den 24.10.1535. Zur unsicheren Identität des Ordinanden vgl. WA.B 13, 236. 26 So legen es auch die Visitatoren der dritten Visitation im Kurkreis 1555 fest: »Item das sie [sc. die Lehensherren] die ordinanden abfertigen erstlich zu dem superintendenten, nachmals gen Witteberg …« (Pallas, Registraturen I, 78). 27 Im Hinblick auf den Inhalt dieser Prüfung läßt sich dem Schreiben nur entnehmen, daß der Kandidat »in principiis doctrinae christianae articulis examinatus« sei. Die Reformatoren konnten auf den Erfahrungen aufbauen, die sie während der Visitationen gewonnen hatten. Eine schriftliche Niederlegung der Examensordnung, wie Bugenhagen sie für Pommern verfaßt hatte, hat es kaum gegeben. 28 Drews, a.a.O., 86 nimmt an, das vorgeschaltete Examen sei zunächst nicht vorgesehen gewesen und erst im Sommer 1535 durch die Wittenberger ergänzt worden. Das ist äußerst unwahrscheinlich, da Luther, wie wir gesehen haben, an der Planung des Verfahrens beteiligt war, und im August noch keine Ordination auf der Grundlage des Erlasses vom Mai stattgefunden hatte.
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Tatsächlich war die zentrale Lehrprüfung nicht nur von Anfang an vorgesehen, sondern der Hauptgrund dafür, daß die Ordination von nun an in Wittenberg stattfinden sollte. Luther äußert sich dazu in der erwähnten Predigt vom 20. Oktober.29 Der Erlaß des Kurfürsten habe zum Ziel, »ut priester nicht geweihet wird nobis ignorantib us«.30 Es solle vermieden werden, daß Unordnung entstehe und die Gemeinde durch Irrlehre betrogen werde. Insbesondere droht diese Gefahr Luther zufolge von den Täufern. An den jüngsten Geschehnissen in Münster werde deutlich, daß durch falsche Predigt binnen weniger Tage Tausende verführt werden könnten. Der Kurfürst habe deshalb angeordnet, daß alle Kandidaten in den ernestinischen Landen zum Examen nach Wittenberg zu senden seien.31 Die Einrichtung des Ordinationsverfahrens zielte nach Luthers Darstellung also in erster Linie auf eine effizientere Lehrkontrolle der neu berufenen kirchlichen Amtsträger ab. Ausgerechnet das Element, das der Kurfürst in seinem Erlaß nicht erwähnt hatte, hätte demnach den Ausgangspunkt der Überlegungen über die Einführung der zentral durchgeführten Ordination – und damit eines verbindlichen Ordinationsverfahrens überhaupt – gebildet. Diese These wird durch zwei Beobachtungen untermauert. Zum einen läßt sich zeigen, daß die Ordination selbst nicht den Ausschlag gegeben hat, wodurch wiederum das Examen in den Mittelpunkt rückt. Zumindest die beiden vornehmlich mit der Durchführung der Ordination befaßten Luther und Bugenhagen hielten es nämlich sogar für einen erheblichen Nachteil, daß sie nicht in der Ortsgemeinde stattfand. Darauf wird noch einzugehen sein. Zum anderen ist der Erlaß insgesamt ungenau formuliert, so daß Zweifel am Wortlaut seiner Bestimmungen angebracht sind. Das von Johann Friedrich für die neue Ordinationsregelung vorgebrachte Argument, aufgrund der Haltung der Bischöfe entstehe allmählich ein Pfarrermangel, gibt allenfalls sehr verkürzt wieder, welche Überlegungen dem Erlaß vorausgegangen waren. Es paßt auch nicht recht zum Gegenstand des Erlasses. Letzterer besteht in der Anweisung an die Superintendenten, die ihnen von den Gemeinden präsentierten Kandidaten in Zukunft nicht mehr nur, wie durch den Unterricht der Visitatoren vorgeschrieben, selbst zu examinieren, sondern zusätzlich nach Wittenberg zu senden. Diese Regelung, die die seit 1528 bestehende Vorschrift ergänzt, nach der die Superintendenten ein Examen durchführen sollten, hat mit dem ›Aussterben‹ der vorreformatorischen Pfarrergeneration nichts zu tun. Der Zusammenhang zwischen der Haltung der Bischöfe und dem aufkommenden Pfarrermangel kann nicht den Mittelpunkt der gemeinsamen Planungsgespräche gebildet 29
Zitiert o. Anm. 9. Die Tatsache, daß Luther hier die von ihm abgelehnten Termini ›Priester‹ und ›weihen‹ verwendet, deutet darauf hin, daß sie immer noch den allgemeinen Sprachgebrauch dominierten und um der Verständlichkeit des zu erklärenden, für die Gemeinde neuen Sachverhaltes willen zur Anwendung kamen. 31 Vgl. WA 41, 458, 23–25. Das Täuferreich von Münster war am 25.6.1535 untergegangen. Vgl. Lau/Bizer, Reformationsgeschichte, 84–87. 30
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haben. Der kurfürstliche Erlaß ist also unscharf formuliert und ist als alleinige Quelle für die Motive, die zur Einführung des Verfahrens führten, ungeeignet.
Aus welchem Kontext stammt dann aber der Verweis Johann Friedrichs auf die Verweigerungshaltung der Bischöfe? Auch Luther nennt in seiner Predigt vom 20. Oktober den drohenden Mangel an kirchlichen Amtsträgern als Grund für die Einführung des Ordinationsverfahrens, führt diesen allerdings nicht auf die Haltung der Bischöfe, sondern auf den durch die fortschreitende Ausbreitung der Reformation gesteigerten Bedarf zurück.32 Da zunächst nur kursächsische Kandidaten ordiniert wurden, erwartet Luther offenbar, zukünftig würden in gesteigertem Maße kirchliche Amtsträger aus Kursachsen abgeworben, die wiederum durch neu zu berufende Personen ersetzt werden müßten. Diese Erwartung war realistisch. Mit einer steigenden Fluktuation war auch deshalb zu rechnen, weil die kursächsische Pfarrerschaft vor einem Generationswechsel stand. Viele derjenigen, die in der Frühzeit der Reformation ihr Kloster oder ihre Pfründe verlassen hatten und sich zu einem evangelischen Predigtamt hatten berufen lassen, waren mittlerweile in einem vorgerückten Alter. Ihnen standen nun vermehrt junge Kandidaten gegenüber, die vor ihrem Studium in Wittenberg kein kirchliches Amt versehen hatten.33 Eine derartige Fluktuation begünstigte in Luthers Augen die Ausbreitung von Unordnung und Irrlehre. Nicht ein ›Ordinationsnotstand‹, vielmehr die unzureichende Lehraufsicht seit dem Wegfall der bischöflichen Jurisdiktion hätte demnach den sächsischen Kurfürsten zum Handeln gezwungen. Abhilfe sollte nun eine zentrale Lehrprüfung schaffen. Exkurs: Zur Frage des Pfarrermangels in der Reformationszeit Zu den Konstanten in der einschlägigen Literatur gehört, daß die Einführung der Wittenberger Zentralordination 1535 implizit oder explizit folgendermaßen interpretiert wird: Da seit den frühen zwanziger Jahren kein evangelischer Geistlicher mehr die Priesterweihe erhalten konnte und folglich die Zahl der noch römisch geweihten Amtsträger mit den Jahren immer mehr abnahm, waren die Wittenberger Reformatoren letztlich gezwungen, auf der Grundlage ihrer Überzeugung, wahre Kirche zu sein, einen eigenen Ordinationsritus zu schaffen.34 Diese These will eine Erklärung dafür bieten, warum nach dem Er32 Im Hintergrund wird die Einführung der Reformation v.a. in Württemberg und Pommern stehen. 33 So traten zahlreiche prominente evangelische Theologen der zweiten Generation wie Georg Major (*1502),Veit Dietrich (*1506), Jakob Schenk (*1508) und Johann Freder (*1510) während der Jahre 1535–1537 erstmals ein kirchliches Amt an. 34 Vgl. etwa Drews, Ordination, 67 f; Lieberg, a.a.O., 181–183; Brecht, Luther III, 127 f; Smith, Luther, 61 f. Die von letzterem in diesem Zusammenhang vorgebrachte Behauptung, »that prior to 1530 the possibility still existed for bishops to call and ordain evangelical preachers«, entbehrt jeder Grundlage. Drews und Lieberg stimmen darin überein, daß die evangelische Ordination in ihren Augen mehr oder weniger unfreiwillig eingeführt wurde. Die Begründungen sind einander jedoch diametral entgegengesetzt. Während jener bei Luther prinzipielle Einwände gegen eine rituelle Amtseinsetzung zu entdecken glaubt, geht dieser davon aus, daß der
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scheinen von Luthers reformatorischen Hauptschriften fünfzehn Jahre vergingen, ehe es zu einer allgemeinen Regelung der Ordination kam. Für sie wird auf mehrere Quellen verwiesen, in denen in der Tat ein Mangel an kirchlichen Amtsträgern erwähnt wird.35 So hat sich das Bild festgesetzt, daß Anfang der zwanziger Jahre durch die vielen aus dem Kloster ausgetretenen Mönche und ihrer Pfründen entsetzten, mittellosen Kleriker ein großes Angebot an evangelisch gesinnten geweihten Geistlichen bestand, das während der nächsten anderthalb Jahrzehnte allmählich aufgebraucht wurde, bis diesem Mangel schließlich durch eine eigene Ordinationspraxis abgeholfen wurde.36 Die These eines solchen ›Ordinationsnotstandes‹ ist mit den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung nur schwer vereinbar. Da die evangelische Ordination mit Gebet und Handauflegung sowenig wie die Priesterweihe eine notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit der Berufung war, konnte die Tatsache, daß sie noch nicht allgemein eingeführt war, nicht einen Mangel an kirchlichen Amtsträgern verursachen. Es hätten lediglich mehr Ungeweihte in kirchliche Ämter berufen werden müssen, als dies faktisch geschehen ist, um den Mangel zu beseitigen. Die von Melanchthon gegen dieses Vorgehen ins Feld geführten Argumente waren rein praktischer Natur und besagten nur, daß dort, wo die Möglichkeit bestand, auf Geweihte zurückgegriffen werden sollte. Umgekehrt dienten die wenigen Ordinationen vor 1535 offenbar nicht dem Zweck, einen Mangel an geeigneten Kandidaten zu beseitigen. Zum einen spielte weder für Luther noch für Bugenhagen eine Rolle, ob der Ordinand zuvor die Priesterweihe empfangen hatte. Zum anderen wurde Georg Rörer zu einem Zeitpunkt ordiniert, als die Situation in Wittenberg immer noch davon geprägt war, daß Stellen für die vielen vertriebenen evangelischen Priester, Prediger und ausgetretenen Mönche gefunden werden mußten. Wie also fügt sich der beklagte Mangel an Pfarrern und Predigern ins Bild? Wann und aus welchen Gründen entstand er? Als Quelle dafür, wie sich das Angebot an Predigern und die Nachfrage nach ihnen im fraglichen Zeitraum zueinander verhielten, kommen nur die Briefe der Reformatoren in Frage; auf ihnen fußt auch jene verbreitete These. Besonders Luther befaßte sich mit den zahlreichen Besetzungsangelegenheiten in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren. Häufig schob er in Empfehlungsschreiben für Kandidaten eines kirchlichen Amtes oder in Briefen an Personen, die darauf hofften, mit seiner Hilfe vermittelt zu werden, kurze Bemerkungen zur Stellensituation im allgemeinen ein. Die Untersuchung dieses Materials fördert zu Tage, daß der oft zitierte Brief an Peter Hackenberg37 kein Einzelfall ist. In der Tat beklagte der Reformator in den frühen dreißiger Jahren des öfteren, die Nachfrage nach evangelischen Predigern nicht mehr befriedigen zu können. Doch gerade in Luthers Briefen zeigt sich, daß dabei von einem ›Ordinationsnotstand‹ keine Rede sein kann. Der Reformator macht in seinen Empfehlungsbriefen nicht die Verweigerungshaltung der Bischöfe für den Mangel verantwortlich, sondern beklagt sich
Reformator darauf gehofft hatte, daß die Bischöfe sich wieder zum Weihen der evangelischen Amtsträger bereit erklären würden. 35 Neben dem Ordinationserlaß Johann Friedrichs und Luthers Predigt vom 20.10.1535 wird in diesem Zusammenhang zumeist auch der Brief an Peter Hackenberg vom Dezember 1530 erwähnt, in dem Luther bereits Überlegungen über die allgemeine Einführung der Ordination anstellte (vgl. WA.B 6, 700, 11–15 Nr. 1762). Vgl. o. S. 146 f. 36 Wie Tietz, Erscheinungsbild, 24 zu der nicht weiter ausgeführten, gegenteiligen These kommt, Hauptursache für den Pfarrermangel in den Anfangsjahren [!] der Reformation sei das Ausscheiden der altgläubigen Pfarrer und der Altaristen gewesen, bleibt im Dunkeln. 37 Vgl. Anm. 35.
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über das Fehlen hinreichend gut ausgebildeter Kandidaten.38 Mehrmals fordert er in diesem Zusammenhang die Adressaten dazu auf, mehr Kinder auf Schulen und junge Leute auf die Universitäten zu schicken bzw. Stipendien bereitzustellen.39 Das Problem lag also nicht darin begründet, daß keine Geweihten mehr zur Verfügung standen, sondern war einer mangelhaften Ausbildungssituation geschuldet.40 ›Daß man Kinder zur Schulen halten solle‹, wie es im Titel einer Schrift von 1530 hieß, war ein dauerndes Anliegen des Reformators.41 Hinzu kam, daß zu wenige von denjenigen, die über eine hinreichende Bildung verfügten, motiviert waren, ein kirchliches Amt zu übernehmen.42 Dieses Problem hatte während der gesamten Reformationszeit Bestand und dürfte nicht zuletzt mit den unsicheren Perspektiven evangelischer Amtsträger angesichts der politischen Großwetterlage in Zusammenhang stehen. Auch hatte das Ansehen des Pfarrers durch den Wegfall der geistlichen Jurisdiktion großen Schaden genommen.43 Wertet man Luthers Briefe diachronisch aus, tritt endgültig zu Tage, daß der in den Quellen beklagte Mangel nicht der Anlaß für die Einführung der evangelischen Ordination gewesen sein kann. Die Phasen, in denen der Bedarf nach evangelischen Amtsträgern nicht gedeckt werden konnte, waren nämlich bis Mitte der dreißiger Jahre jeweils nur von kurzer Dauer. Immer wieder klagte der Reformator gleichermaßen darüber, daß für die vielen bedürftigen Interessenten keine Stellen zu finden seien. Bezeichnenderweise stellte sich erst nach 1535 eine Mangelsituation ein, die fast ein Jahrzehnt lang Bestand hatte. Dagegen gab es ausgerechnet in den beiden Jahren vor dem kurfürstlichen Ordinationserlaß eine ausreichende Versorgung mit geeigneten Kandidaten.44 38 Einen Sonderfall stellen zwei Briefe bzgl. einer Stelle in Zerbst dar, für die sich wegen der in der Stadt wütenden Pest kein Kandidat finden ließ. Vgl. die unter Anm. 44 aufgeführten Nrr. 1331.1336. 39 Vgl. die Nrr. 1812. 1956. 2216. 3266. Zur Entwicklung der Immatrikulationszahlen in Wittenberg vgl. das Diagramm u. S. 325 (Anhang 2.b). 40 Bereits bei Rietschel, Luther, 86 f findet sich ein beträchtlicher Teil des Materials. Es ist unerklärlich, warum seine Ergebnisse in der einschlägigen Literatur nicht rezipiert sind; zeigen sie doch, daß der Kandidatenmangel nicht mit der jahrelangen Zurückhaltung hinsichtlich der Ordination zu tun hatte. 41 Vgl. WA 30 II, 517–588. Das Absterben der alten Pfarrergeneration wird in dieser Schrift ebenfalls als eine Herausforderung an das Ausbildungssystem und an die Eltern behandelt. Mit keinem Wort wird hingegen die Frage der Priesterweihe behandelt. Dies liegt natürlich zunächst und vor allem am Skopus der Schrift, ist aber bemerkenswert, da zeitgleich in Augsburg über die Zukunft der Jurisdiktion – und damit auch das Weiherecht – der Bischöfe verhandelt wurde. 42 So erklärt Luther im Frühjahr 1532 in einer Tischrede, daß künftig mit einem Predigermangel zu rechnen sei. Vgl. WA.TR 2, 541, 3–8 Nr. 2606b. 43 Vgl. u. S. 203 f. 44 In der folgenden chronologischen Liste bezeichnet ein ›M‹ den allgemein beklagten Mangel bzw. das Bedauern, im Moment keinen verfügbaren Kandidaten benennen zu können; ›Ü‹ steht für Belege, in denen Luther beklagt, daß nicht alle Amtsträger mit Stellen versorgt werden könnten: 31.7.1525 WA.B 3, 549, 4 f Nr. 907 (Ü); ca. 9.3.1527 WA.B 4, 36, 2–4 (Ü); 24.12.1527 a.a.O., 302, 27–29 Nr. 1185 (M); 14.8.1528 a.a.O., 532, 6–9 Nr. 1306 (Ü); 30.9.1528 a.a.O., 576, 4 f Nr. 1331 (vgl. Nr. 1336) (M); 1.3.1529 WA.B 5, 24 f, 15–17 Nr. 1385 (M); 28.10.1529 a.a.O., 3–7 Nr. 1486 (Ü); 16.12.1530 a.a.O., 700, 12–15 Nr. 1762 (M); 11.1.1531 WA.B 6, 11, 10–12 Nr. 1767 (M); 1.3.1531 a.a.O., 43, 4–9 Nr. 1787 (M); 3.5.1531 a.a.O., 89, 7–18 Nr. 1812 (M); 26.8.1532 a.a.O., 173, 1 f Nr. 1860 (Ü); 10.9.1532 a.a.O., 355, 16–20 Nr. 1956 (M); 26.5.1533 a.a.O., 470, 9 f Nr. 2022 (Ü) – vgl. für das Jahr 1533 auch Melanchthons Äußerungen CR 2, 574. 694 (MBW 1279. 1392) (Ü) –; 20.1.1534 WA.B 7, 14, 8 f Nr. 2084 (M); 7.6.1535 a.a.O., 187, 7 f Nr. 2196 (Ü); 3.8.1535 a.a.O., 221, 15–18 Nr. 2216 (M); 23.11.1535 a.a.O., 325, 10–13
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VI. Die Anfänge des Wittenberger Ordinationsverfahrens (1535)
Bei alledem ist im übrigen Vorsicht gegenüber Luthers Äußerungen angebracht. Er neigte offenbar zu verallgemeinernden Klagen, wenn es galt, einer Gemeinde mitzuteilen, daß sich kein Interessent für ihr vakantes Amt gefunden hatte, oder wenn einem Kandidaten eröffnet werden mußte, daß ihm momentan keine Stelle angeboten werden konnte. Aus den Klagen des Reformators lassen deshalb nur begrenzt Rückschlüsse auf das genaue Ausmaß des Mangels ziehen.
b. Die Ordination Die Ordination wird durch den Erlaß vom 12. Mai 1535 erstmals verbindlich eingeführt. Doch ihre Modalitäten treten in den Quellen, die ihre Anfänge berühren, derartig in den Hintergrund, daß man fragen könnte, ob es überhaupt angemessen ist, das Mandat des Kurfürsten als Ordinationserlaß zu bezeichnen. Nicht nur verdankte sich die zentrale Durchführung der Notwendigkeit eines zentralen Examens. Mehr noch: Der Ritus selbst wird in den Quellen praktisch nicht erwähnt. Der Sinngehalt der Ordination, wie er aus den späteren Ordinationsformularen hervorgeht, wird in Luthers Ordinationspredigt vom 20. Oktober nur insofern gestreift, als er die Gemeinde zur Fürbitte auffordert. Und doch zeigt seine Bemerkung in der Predigt vom 9. Mai, man werde ›einmal mit öffentlichem Gepränge‹ ordinieren, daß es auch im Bewußtsein der Beteiligten von Anfang an um die Regelung der Ordination ging. Welche Rolle sie in den Überlegungen Anfang Mai 1535 gespielt hat, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Bis 1535 wurde die Frage der Ordination von den Reformatoren zumeist nur negativ berührt; es wurden die Gründe erörtert, warum es für ihre allgemeine Einführung zu früh sei. Diesen Faden griff Luther in seiner ersten Ordinationspredigt wieder auf. Auf die Aussage, daß die Wittenberger bisher nicht für andere Gemeinden ordinierten hätten, folgt in Rörers Nachschrift das Bruchstück »ne Pap istae«. D. h., der Reformator brachte die eigene Zurückhaltung offenbar in einen Zusammenhang mit den ›Papisten‹, also den
Nr. 2272 (M); 4.4.1536 a.a.O., 385 f, 8 f Nr. 3004 (M); 13.2.1538 WA.TR 3, 587 f Nr. 2747 (M); 19.2.1538 a.a.O., 594 Nr. 3758 (M); 12.5.1538 a.a.O., 676 f Nr. 3872 (M); 1.7.1538 WA.B 8, 244, 6–8 Nr. 3241 (M); 26.10.1538 a.a.O., 304, 39–44 Nr. 3266 (M); 30.10.1538 a.a.O., 312, 10–12 Nr. 3268 (M); 26.11.1539 a.a.O., 612, 10 f Nr. 3415 (M); 10.4.1541 WA.B 9, 362, 8–10 Nr. 3595 (M); 20.4.1541 a.a.O., 379, 8 Nr. 3601 (M). Schließlich bemerkt Luther am 20.3.1545: »Wir haben Gottlob wol vorrath ynn jungen Theologen. Aber wir müssen so viel ynn fremde Länder haben, das, wo einer reiff ist, viel hende nach yhm fragen, das wir so plötzlich nicht können alle stund geben, wer vnd was er haben will. Sind doch etliche schon ynn der Türkey, auch hin vnd wider ynn Hungarn vnser schülern, daselbst itzt pfarrherr vnd prediger« (WA.B 11, 56, 11–16 Nr. 4084) (Ü). Insofern ist es nicht zutreffend, daß seit etwa 1530 bis in die vierziger Jahre ein Zustand des Mangels geherrscht hätte, wie Rietschel, a.a.O., 86 f glaubt. Zu den Auswirkungen, die der Predigermangel Anfang der vierziger Jahre auf den Bildungsstand der Ordinanden hatte, vgl. u. S. 279–283.
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römisch gesinnten Bischöfen oder Theologen.45 Das ne muß einen negativen Finalsatz eingeleitet haben, der die Begründung für die bisherige Zurückhaltung enthielt: Man hat früher nicht ordiniert, ›damit nicht die Papisten‹ auf eine bestimmte Weise reagierten.46 Eine strukturelle Parallele dazu findet sich in der Schrift Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe (1533): »Solche demut [sc. wie die Makkabäer] haben wir unsern Antiochis und Demetrijs (vgl. 2. Makk 13, 24; 14, 26) bis her auch angeboten, das sie unser Pfarrhern macht sollten haben zu bestettigen, ob sie wol unser feinde weren, damit sie nicht zu klagen hetten, wir weren stoltz und wollten nichts thun noch leiden umb friedens und einigkeit willen.«47 Zwar besteht die Übereinstimmung nur aus zwei Worten, doch an beiden Stellen geht es um dieselbe Sache. Danach war die bisherige Zurückhaltung bei der Einführung einer evangelischen Ordination in erster Linie taktisch motiviert. Die eigene Seite sollte nicht unnötig kompromittiert werden.48 Der aktuelle Anlaß dafür, 1535 die Ordination endlich einzuführen, hatte dann aber mit dem Verhältnis zu Rom kaum zu tun. An dieser Front wurde das kirchenpolitische Schadenspotential mittlerweile gering eingeschätzt. Stattdessen schien der Nutzen einer obligatorischen Ordination nun umso schwerer zu wiegen: Mit ihr sollte vermieden werden, daß Irrlehrer in kirchliche Ämter gelangten, wie Luther in seiner Ordinationspredigt vom Oktober 153549 betonte. Dabei dachte er offenbar nicht nur an das vorgeschaltete Examen, wie nun zu zeigen ist. Die Irrlehrer, auf die er sich ausdrücklich mehrfach in der Predigt bezieht, sind die Täufer.50 Gerade sie drängten nun aber nicht in die kursächsischen 45 Drews, a.a.O., 72 paraphrasiert, »damit wir nicht … wieder päpstisch und im Gewissen beschwert werden«, da er die Worte, die die WA mit »et in con|sp ectu vestro« wiedergibt, als »et in con[scientia] vero« interpretiert hat. Das supralineare »gegenw ertigkeit«, das auch Drews im Apparat bietet, schließt aber diese Lesart aus. Ohnehin ist nicht einzusehen, warum die Ordination künftig keine Gewissensbeschwerung mehr darstellen sollte. 46 Daß der Nebensatz nicht nur begründet, warum bisher keine Ordinationen für andere Gemeinden vollzogen wurden, wie es der Nachschrift zufolge den Anschein hat, liegt auf der Hand, denn die Einwände der römischen Seite richteten sich natürlich nicht gegen den Ordinationsort – auch die Priesterweihe erfolgte zentral am Bischofssitz –, sondern dagegen, daß überhaupt Ordinationen vollzogen wurden, die nicht in Übereinstimmung mit dem kanonischen Recht waren. 47 WA 38, 236, 23–26 (Hervorhebung M.K.). 48 Diese Überlegung war schon mehrfach angeklungen, ohne daß sie vor 1533 einmal deutlich ausgesprochen worden wäre. Daß Rörer sich bei der Mitschrift auf zwei Wörter beschränkte (»ne Pap istae«), könnte ein Hinweis darauf sein, daß ihm dieses Argument geläufig war. – Lieberg, Amt, 187 rekonstruiert die Stelle dagegen folgendermaßen: »Bisher haben wir nicht selbst für andere Gemeinden ordiniert, weil wir noch warteten, ob nicht doch die römischen Bischöfe unsere Prediger bestätigen würden.« Diese Paraphrase läßt sich jedoch nicht auf das ne der Nachschrift zurückführen. 49 Vgl. o. S. 186 Anm. 9. 50 Vgl. WA 41, 455, 13. 30; 458, 23–27; 459, 8–10.
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Pfarrämter – aus dem sie durch eine Prüfung der rechten Lehre ferngehalten werden müßten –, sondern predigten teils ortsgebunden, teils als Wandermissionare, in jedem Fall aber, ohne zu einem Amt berufen zu sein.51 Die äußere Berufung lehnten sie ab, da damit das freie Wirken des Heiligen Geistes beschränkt würde. Den Einfluß der Täufer in Kursachsen dadurch zu beschneiden, daß man ihnen den Zugang zum kirchlichen Amt verwehrte, hätte also bedeutet, Eulen nach Athen zu tragen.52 Der Zusammenhang zwischen der befürchteten Bedrohung durch die Täufer und der Einführung der Ordination muß demnach ein anderer gewesen sein. Da auf die Täufer selbst durch die ergriffenen Maßnahmen kein Einfluß ausgeübt werden konnte, galt es, die Abwehrkräfte der Gemeinde gegenüber deren Mission zu stärken. Die Christen mußten davon überzeugt werden, daß der Predigt des ordentlich berufenen Pfarrers und nicht den neuen Predigern, die sich auf eine besondere Inspiration durch den Heiligen Geist beriefen, Glauben zu schenken war. Luthers hatte während der vorangegangen Jahre angesichts der Bedrohung durch das Täufertum die Bedeutung der äußeren Berufung für die Ausübung des kirchlichen Amtes noch einmal stärker betont. Die Schrift Von den Schleichern und Winkelpredigern (1532)53 hatte eigentlich eine Vermahnung der weltlichen Obrigkeit zu einem entschiedenen Vorgehen gegen die Täufer sein sollen.54 Tatsächlich sind ihre Adressaten im größeren Teil der Flugschrift weder die Fürsten noch die Täufer. Sondern Luther wendet sich an alle Christen und revidiert stillschweigend seine Darstellung der Vollmacht der Gemeinde und hier besonders seine Auslegung von 1. Kor 14 in den Schriften der frühen zwanziger Jahre: Nicht die ganze Gemeinde, sondern der Kreis der Propheten – die berufenen Prediger also – hätten das Recht, in der Versammlung zu reden und die Lehre des Redenden zu beurteilen.55 Ohne in das damals kritisierte römische Amtsverständnis zurückzufallen, vergrößerte der Reformator damit den Abstand zwischen Amtsträger und Gemeinde. Ähnliche Überlegungen gingen offenbar auch der Einführung der Ordination voraus, wie zwei Aussagen Luthers vom 20. Oktober zeigen. Zu ihrem Verständnis ist es nötig, das in Wittenberg gewählte Verfahren mit der 51
Vgl. Voss, Gedanke, 174–187. Demgegenüber mußten die Pfarrer in der Tat zu einem konsequenten Vorgehen gegen eventuelle Täufer in ihren Gemeinden angehalten werden. Dies hatte Luther etwa in Von den Schleichern und Winkelpredigern von ihnen wie von den Amtsleuten gefordert (vgl. a.a.O., 519, 8–520, 28). Der kursächsische Kanzler Brück behauptete 1533, daß die Täufer im thüringischhessischen Hausbreitenbach nur deshalb hätten Fuß fassen können, weil der Pfarrer »dem widertauff vorwandt gewest« sei. Vgl. u. S. 241 Anm. 134. Um Ähnliches zu verhindern, bedurfte es aber nicht einer Zentralordination, sondern einer gewissenhaften Aufsicht vor Ort. 53 WA 30 III, 518–527. 54 Vgl. a.a.O., 518, 12–14. 55 Vgl. a.a.O., 522, 9–527, 5. 52
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Pommerschen Kirchenordnung vom selben Jahr zu vergleichen. Dort hatte Bugenhagen vorgesehen, daß das Examen zwar an einem zentralen Ort stattfinden sollte, die Amtsträger nach einer Konfirmation durch den Bischof bzw. einen evangelischen Generalsuperintendenten jedoch in der Ortsgemeinde und unter der Beteiligung von Gemeindegliedern zu ordinieren waren. Demgegenüber hat die berufende Gemeinde nach der neuen Wittenberger Regelung nichts mehr mit der Ordination zu tun. An ihrer Stelle wird die Wittenberger Gemeinde aufgefordert, einerseits stellvertretend für die Ortsgemeinde die Fürbitte für den Ordinanden zu übernehmen und andererseits die Ordination zu bezeugen.56 Es ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Mißverständnis, daß die Ordination im Mai zunächst in der Universität angesiedelt und erst sekundär von Luther in die Stadtkirche verlagert wurde. Diese geläufige Ansicht57 stützt sich auf die Worte des Erlasses, nach denen »vnsre gelarte, der heiligenn schrifft«, also die Professoren der theologischen Fakultät, die Ordination durchführen sollten. Die Ordination war jedoch in Theorie und Praxis immer ein gottesdienstlicher Akt gewesen. Da die Reformatoren an der Planung der Ordinationsregelung beteiligt waren, ist nicht glaubhaft, daß die Planungen hier zunächst in eine andere Richtung gingen. Bereits im August und damit nach allem, was wir wissen, bevor überhaupt die erste Ordination stattfand, forderte Melanchthon Hieronymus Hirscheider auf, sich zur Ordination zu einem späteren Zeitpunkt nach Wittenberg zu begeben, was unnötig gewesen wäre, wenn dieser Akt der in Jena befindlichen theologischen Fakultät oblegen hätte. Daß Johann Friedrich den Plan an diesem Punkt ungenau wiedergibt, kann entweder daran liegen, daß er mit der zitierten Formulierung gleichzeitig auf das Examen Bezug nehmen wollte, oder seinen Grund darin haben, daß Bugenhagen sich im Mai noch in Pommern befand und in seiner Eigenschaft als Stadtpfarrer von Luther vertreten wurde. Der Kurfürst könnte die Tatsache, daß letzterer anfangs als Ordinator fungieren sollte, fälschlich mit dessen Professoren- und nicht mit dem Pfarramt in Verbindung gebracht haben.
Besonders Bugenhagens sah in der zentral durchgeführten Ordination offenbar einen Widerspruch zum Amtsverständnis der Wittenberger. Das brachte Luther in seinem Brief an Mykonius zum Ausdruck. Bugenhagen habe sich nur widerwillig auf diese Regelung eingelassen, da er immer noch der Meinung sei, daß die Ordination durch die Ältesten58 der Gemeinde geschehen solle. Dies werde erst dann geschehen, wenn »ista res nova et ordinatio« – die neue Ordinationsregelung59 – fest verwurzelt sei. Daß Lu56 Vgl. Luthers erste Ordinationspredigt in der Fassung nach WA 41, 763, 3–5: »Illius publici ritus vos debetis esse testes, deum ardentissime orare, ut ipse det nobis pios et sinceros praedicatores sui verbi«. Zu dieser Nachschrift vgl. u. S. 249. 57 Vgl. etwa Kretschmar, Bischofsamt, 262. 58 Daß mit den Presbytern hier wie in der pommerschen Kirchenordnung die Ältesten der Gemeinde und nicht die Geistlichen gemeint sind (so Rietschel, Luther, 67), zeigt das Possessivpronomen (»per suos presbyteros«). 59 Das »et« muß epexegetisch gemeint sein. Vgl. Rietschel, Luther, 67. Den Begriff »ordinatio« schlicht mit ›Ordnung‹ wiederzugeben (so Drews, a.a.O., 73), widerrät der Kontext. Neu war an dieser Ordnung schließlich nicht nur der Ort der Ordination und ihre Verbindung
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VI. Die Anfänge des Wittenberger Ordinationsverfahrens (1535)
ther den abweichenden Standpunkt des Pommers gegenüber dem vertrauten Superintendenten referiert, dürfte ein Indiz dafür sein, daß er selbst sich nicht grundlegend von jener Position unterschied. Dafür spricht, daß er auch in der Predigt vom selben Tag andeutet, daß die neue Regelung hinsichtlich des Ordinationsortes vorläufig sein könnte. Dort äußert er zum Gedanken eines Ordinationsrechtes der Gemeinden: »Si hoc daretur ius cuilibet Civitatulae, wurds werden. Ideo sols bl eiben in unitate unter m eines gn edigen herrn hand, bis anders wird …«.60 Der Zusammenhang legt nahe, daß die Entscheidung für die Zentralordination mit der aktuellen Bedrohung durch die Täufer zu tun hat. Offenbar sollte zunächst einmal der Sinngehalt und die prinzipielle Notwendigkeit der Ordination im Bewußtsein der Gemeinden verankert werden, so daß unberufene Prediger kein Gehör mehr fänden. Der zentrale Ordinationsort ermöglichte, die Umsetzung der neuen Regelung zu kontrollieren. Darüber hinaus wurde auf diese Weise die Bedeutung der Handlung unterstrichen. Obwohl die Reformatoren die Ordination auch nach 1535 nicht für theologisch notwendig hielten,61 intendierten sie doch, daß die Gemeinden die Ordinationsvorschrift konsequent befolgten und vor den Ordinierten, wie Melanchthon es bald ausdrücken sollte, »ein schew« hätten.62 Zu einer Verlegung der Ordination in die Gemeinde ist es nicht gekommen. Dies könnte daran liegen, daß die Verhältnisse sich nicht wie erhofft zum Besseren entwickelten. Hinzu kam, daß die erneute Änderung der einmal etablierten Ordinationsregelung der Rechtfertigung bedurft hätte. So blieb es dabei, daß die Wittenberger Gemeinde die Ortsgemeinde bei der Ordination vertrat. Ein prinzipielles Problem bestand in der zentral durchgeführten Ordination vor allem, solange durch sie eine Stelle in der konkreten Gemeinde und nicht allgemein der Dienst an Wort und Sakrament übertragen wurde. Seit die mit der kirchenregimentlichen Konfirmation durch den Kurfürsten, sondern es hatte bisher überhaupt keine Regelung gegeben. 60 Dieses Ordinationsrecht der Gemeinden ist nicht identisch mit Luthers Überlegung in derselben Predigt, daß die Ordinationen evtl. an drei weiteren Orten des ernestinischen Sachsens (»1 locus vel quatuor in ista ditione«) stattfinden könnte. Dies wäre lediglich eine Variante der Zentralordination. Drews, Ordination, 70 f. 75 bringt die zitierte Formulierung demgegenüber mit den Überlegungen des Kurfürsten im Vorfeld des Schmalkaldischen Bundestages 1537, vier Ordinationsorte innerhalb des Bundes einzurichten, in Zusammenhang. Er schließt daraus, Johann Friedrichs Pläne hätten von Anfang an auf eine weitergehende Regelung gezielt. Ditio bezieht sich im Sprachgebrauch der Wittenberger jedoch immer auf das Kurfürstentum. Vgl. etwa Melanchthon in den Statuten der theologischen Fakultät von 1533 bei Friedensburg, Urkundenbuch I, 154 oder Jonas im Brief an Spalatin vom 7.2.1541 (Kawerau, Briefwechsel I, 425 Nr. 540. Die Zahl ergibt sich aus den vier Visitationsbezirken (Kurkreis, Thüringen, Meißen/Vogtland, Franken). Vgl. Burkhardt, Geschichte, 124 f. 61 Vgl. u. S. 286–291. 62 Vgl. Volz/Ulbrich, Urkunden, 73, 44=CR 3, 236 und dazu u. S. 234.
4. Die Bestandteile des neuen Besetzungsverfahrens und die Motive seiner Einführung
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Ordination nicht mehr als Berufung aufgefaßt wurde, sondern diese vielmehr voraussetzte, hatte die Beteiligung der berufenden Gemeinde nicht mehr dasselbe Gewicht wie zuvor. In der Konsequenz der Pommerschen Kirchenordnung hatte es noch gelegen, die Ordination bei einem Stellenwechsel zu wiederholen. In Wittenberg war dies von Anfang an nicht vorgesehen. Es kann deshalb nicht überraschen, daß Luthers Ankündigung niemals in die Tat umgesetzt wurde.63 Der Intention, das kirchliche Amt in seiner Autorität zu stärken, kam gerade die nun gewählte Form der Ordination entgegen, denn nun hob eine übergeordnete Instanz den Ordinanden aus der Gemeinde heraus.64 Die Durchführung der Ordination im angesehenen Wittenberg wie die Tatsache, daß sie über die einzelne Pfarrstelle hinaus gültig war, vergrößerten den Abstand zwischen dem Amtsträger und seiner Gemeinde. Dieser Aspekt, den Luther Anfang der zwanziger Jahre an der Priesterweihe noch heftig kritisiert hatte, dürfte nun ein willkommener Effekt der Ordinationsregelung gewesen sein. Die Verschiebung darf in ihrer theologischen Bedeutung gleichwohl nicht überbewertet werden. Daß Luther und Bugenhagen in früheren Äußerungen häufig die Widerruflichkeit der Ordination betonten, sollte den Amtsträger nicht der Willkür der Gemeinde aussetzen. Vielmehr sollte diese Aussage zum einen begründen, daß untaugliche Amtsträger abgesetzt werden konnten und dabei auch der mit dem kirchlichen Amt verbundenen Vollmachten verlustig gingen. Zum anderen drückte sich in jener Behauptung die Überzeugung aus, daß sich die Amtsträger von den übrigen Gliedern der Gemeinde nur durch ihren Dienst und nicht durch einen besonderen Geistbesitz unterschieden. Gleichwohl trat durch die neue Ordinationsregelung eine Veränderung in der gesellschaftlichen Stellung des evangelischen Amtsträgers ein. Luther hatte in der Adelsschrift die herkömmliche Unterscheidung zwischen Klerus und Laien mit dem Hinweis verworfen, alle Christen seien ›geistlichen Standes‹. 63 An dieser Stelle bietet sich ein Blick auf Bugenhagens spätere Kirchenordnungen an, in die Luthers Ordinationsformular eingefügt wurde. Im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel (1543; EKO VI/1, 44) und in Hildesheim (1544; EKO VII/2, 1, 868) wurden das Examen und die Ordination jeweils den Superintendenten übertragen. Letztere sollte im Herzogtum in der Kirche des Superintendenten, in Hildesheim in der Kirche des Ordinanden stattfinden. Offenbar wurde aus praktischen Gründen in Stadt und Land unterschiedlich verfahren. Der Ordinationsort an sich spielte nun keine entscheidende Rolle mehr. Erstmals stellt Bugenhagen in der Wolfenbütteler Kirchenordnung ausdrücklich fest, daß die Ordination nur zu vollziehen sei, »so he nicht thovorne geordineret ist«. Dann soll der Kandidat nur durch den Superintendenten geprüft werden. 64 Problematisch konnte sich die Neuregelung hingegen für diejenigen auswirken, die während des vergangenen Jahrzehnts ohne einen Einsetzungsritus in ihr Amt gelangt waren. Das Bestreben, die Rechtmäßigkeit ihres bisherigen Dienstes nicht durch eine nachträgliche Ordination in Frage zu stellen, war damit erkauft, daß sie gegenüber der wachsenden Zahl evangelisch Ordinierter in einem geringeren Ansehen stehen konnten. Vgl. u. S. 286–289.
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VI. Die Anfänge des Wittenberger Ordinationsverfahrens (1535)
Dieser Begriff war bereits dort mißverständlich gewählt, denn der Reformator hatte schon früher die mittelalterliche Lehre von den drei Ständen rezipiert und konnte auch in den zwanziger Jahren durchaus vom Pfarramt als einem Stand reden. Der springende Punkt war also nicht, daß es keinen ›Stand der Geistlichen‹ mehr geben konnte, sondern daß sich dieser nicht durch seinen Geistbesitz auszeichnete.65 Doch es ist mehr als eine terminologische Korrektur, wenn Luther jene Formulierung von 1520 in den dreißiger Jahren nicht mehr wiederholte. Die Ordination unterschied sich spätestens seit 1535 charakteristisch von der Amtseinsetzung eines Bürgermeisters, mit der Bugenhagen sie 1529 in der Hamburger Kirchenordnung verglichen hatte. Nicht die Form und das Verständnis des Ritus,66 wohl aber die Struktur des Ordinationsverfahrens und der Ort der Ordination in der Biographie des Ordinierten waren nun in Analogie zur Priesterweihe konzipiert. Für die kirchlichen Amtesträger, die kraft der Wittenberger Ordination ihr Amt antraten, bewirkte sie den erwünschten Autoritätsgewinn. c. Die kurfürstliche Konfirmation Der Kurfürst hatte in seinem Erlaß vom 12. Mai bestimmt, daß die Kandidaten nach der Ordination in Wittenberg »durch vns als den Landesfurstern darzu, wie sich geburet auch sollen bestetigt und angewisen werrdenn«.67 Wie diese Bestätigung praktisch geschehen sollte, läßt sich der Quelle nicht entnehmen. Es scheint, als hätten sich die Ordinierten im Normalfall68 nicht zusätzlich zum Besuch in Wittenberg am Hof vorgestellt. Die Ordination fungierte offenbar selbst zugleich als kurfürstliche Konfirmation.69 Auf diesem im praktischen Vollzug unauffälligen Detail, das in der jüngeren Forschung weitgehend ignoriert wird,70 basierte aber nun die Autorität der ganzen Ordnung: Die kurfürstliche Konfirmation sanktionierte das Examen 65 Vgl. z.B. WA 26, 504, 30–505, 28. 1519 hatte Luther diese Lehre erstmals erwähnt. Vgl. WA 2, 734, 24–27. 66 Beides wird uns erst im Zusammenhang der Interpretation des Wittenberger Ordinationsformulars beschäftigen. 67 Anhang 1.a, S. 319. 68 Eine Ausnahme dürften die Stellen gebildet haben, für die der Kurfürst gleichzeitig das Patronatsrecht ausübte. 69 Diesen Eindruck erweckt jedenfalls Luthers Empfehlungsschreiben für den Gothaer Prediger vom 20.10.1535 (zitiert o. S. 190 Anm. 25). 70 Darin liegt allem Anschein nach eine Reaktion auf die Darstellung bei Rietschel, a.a.O., 63–68, der die Wittenberger Zentralordination undifferenziert als kirchenregimentliche Konfirmation bezeichnet und so den Ordinationsakt in seiner liturgischen Bedeutung abwertet. Vgl. etwa Lieberg, Amt, 189 Anm. 119. Für seinen Versuch, das Element der Konfirmation in der pommerschen Kirchenordnung Bugenhagens von den Vorstellungen Luthers säuberlich zu trennen, gilt das, was bereits o. S. 165 Anm. 20 zu einem ähnlichen Versuch Steins gesagt wurde: Der dauernde Gegensatz zwischen den beiden Reformatoren ist eine Fiktion.
4. Die Bestandteile des neuen Besetzungsverfahrens und die Motive seiner Einführung
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und die Ordination als rechtliche Voraussetzungen für die Übernahme eines kirchlichen Amtes in Kursachsen. Da die Ordination mit der Konfirmation verbunden war, konnte Luther in seiner Ordinationspredigt vom 20. Oktober davon sprechen, daß die durch die Zentralordination erreichte Kontrolle der Stellenbesetzungen ex mundana potestate geschehe.71 Die Einverleibung des ehedem bischöflichen Rechtes läßt sich als Fortsetzung des bereits bestehenden faktischen Einflusses der Ernestiner auf die Besetzung der kursächsischen Pfarrstellen verstehen.72 Man könnte darin einen kurfürstlichen Übergriff auf die sich gerade erst formierende evangelische Kirche sehen, wenn sich nicht deutliche Hinweise dafür fänden, daß auch die Reformatoren aufgrund jüngster Erfahrungen zur Überzeugung gelangt waren, daß der Wegfall der bischöflichen Jurisdiktion ein gefährliches Machtvakuum hinterlassen hatte, das gefüllt werden mußte. (1) Die Notwendigkeit der kurfürstlichen Autorität Zum Verständnis der Motive, die eine kurfürstliche Konfirmation wünschenswert erscheinen ließen, muß etwas weiter ausgeholt und das ernüchternde Ergebnis der zweiten Visitation in Kursachsen Anfang der dreißiger Jahre herangezogen werden. Die Visitatoren des Kurkreises legten in ihrem Schlußbericht vom 10. November 1534 schonungslos offen, welche Folgen der Wegfall der bischöflichen Jurisdiktion gezeitigt hatte.73 In der allgemein düsteren Beschreibung der Verhältnisse werden insbesondere die sittlichen Verfehlungen des Volkes und die Willkürakte, denen die Pfarrer vermehrt ausgesetzt seien, auf das Fehlen der Disziplinierung durch die geistliche Gerichtsbarkeit zurückgeführt. Der Gemeindepfarrer sei ohne die übergeordnete Autorität des Bischofs jeglicher Sanktionsmöglichkeiten beraubt. Versuche er, seine Beschwerden stattdessen dem Kurfürsten vorzubringen, blieben sie oft schon auf der Ebene der kurfürstlichen Amtleute stecken, auf die Adel und Volk einen stärkeren Einfluß ausübten als die Pfarrer. Die Visitatoren zeigen sich besorgt darüber, daß die Bereitschaft zum Theologiestudium unter diesen Umständen nachgelassen habe.74 Inzwischen bestehe keine Hoffnung 71
Zitiert oben S. 186 Anm. 9. Vgl. Pallas, Entstehung, passim. 73 Vgl. ders., Registraturen I, 25–32. Der Bericht wurde noch am letzten Visitationsort Belzig verfaßt. Das Original trägt irrtümlich die Jahreszahl 1535 (vgl. a.a.O., 24 Anm. 1). Die Visitatoren waren Justus Jonas, Johannes Bugenhagen, Christoph von Minckwitz, Bernhard von Hirsfeld und Kilian Goldstein. 74 Vgl. a.a.O., 27: »Nachdem auch, gnedigster churfurst und herre, der gemein man gemerkt, das er der bischof, official, commissarien bannen, geltstraf etc. nicht zu besorgen hat und solcher zeume, band und bürden itzund entledigt worden, wirdet so ganz grosser, unseglicher frevel und mutwill nach allem thurst, eigenem verwegen frechen furnemen des pofels zu vil maln mit dem ehstand gebraucht, das es kein christlicher, ehrliebender oder gotsforchtiger anders dann mit bekomerten gemuet sehen oder horen muß. Dieser artikel brenget bei den widersachern und feinden des evangelii vil ergernus und nachrede…«; 28: »So wissen wol dieienigen, so itzund 72
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mehr, daß die Bischöfe unter der Bedingung, die Predigt des Evangeliums zuzulassen, ihre Jurisdiktion auch wieder in den evangelischen Gebieten ausüben würden. Umso mehr sei es deshalb Aufgabe des Kurfürsten, sich nach dem Vorbild der alttestamentlichen Könige um das Wohl der Religion zu kümmern und vor allem »die pfarren und rechten christlichen gotsdinst dermassen gnediglich zu schutzen und zu handhaben, domit die heilige, reine, christliche lere uf die nachkomen raichen muge«.75 Der Kurfürst antwortete am 18. März 1535, über die Situation, die ihn mit Sorge erfülle, jüngst durch eine Predigt Luthers informiert worden zu sein.76 Die negativen Ergebnisse der Visitation waren also unmittelbar vor der Entscheidung für die Zentralordination Gegenstand eingehender Beratungen in Wittenberg gewesen. Die zweite Visitation hatte gezeigt, daß die bestehenden Strukturen gestrafft werden mußten. In den ungenauen Kompetenzbeschreibungen spiegelten diese immer noch wider, in welchem Maße die erste Visitation eine Pionierleistung gewesen war, bei der sich gangbare Wege erst im Verlauf zeigten.77 Die Probleme, die während der zweiten Visitation zu Tage getreten waren, konnten allein durch die Superintendenten nicht gelöst werden. Zeitlich und fachlich waren sie überlastet; nicht einmal ihre Zuständigkeitsbereiche waren lokal genau abgegrenzt. Die durch den Wegfall der bischöflichen Jurisdiktion entstandene Situation verlangte vor allem an zwei Punkten nach Veränderung. Der mangelhaften Sittenzucht mußte durch die Schaffung einer zentralen rechtlichen Instanz vilen fromen pfarrern, rechten treuen dienern des worts, allerlei beschwerung thun, das sie keine bischof haben; kombts denn gein hofe so gelangen auch die sachen nicht allzeit zu gleich fur, und umb eins pfaffen, wie sie es nennen, wil kein bevelhaber oder ambtman iren underthan oder vorwanten erzornen. Domit aber ist diesen grossen sachen nicht geholfen, und mit der weise (:wie albereit beschicht:) werden iunge, wolgeschickte leute sich nicht auf die heilige schrift, sundern uf andere faculteten wenden, das zulezt, wie sich auch offentlich ereuget [sichtbar wird], grosser mangel an guten predigern sein wird.« – Es muß bei den Wittenbergern besondere Ernüchterung hervorgerufen haben, daß nach Abschluß der Visitationen gerade das Problem besonderen Anlaß zur Klage gab, das sie bereits vor der ersten Visitation dazu motiviert hatte, die Hilfe der Obrigkeit in Anspruch zu nehmen. Vgl. Luther an Kurfürst Johann vom 31.10.1525 (WA.B 3, 595, 39–46): »Das erst, das die pfarren allenthalben so elend liegen. Da gibt niemand, da bezalet niemand, opffer vnd seelpfennige sind gefallen, Zinse sind nicht da odder zu wenig, so acht der gemeyn man widder prediger noch pfarrer, das, wo hye nicht eyne dapffer ordnung vnd stattlich erhaltunge der pfarren vnd predigstulen wird furgenomen von E.C.f.g., wird ynn kurtzer zeyt widder pfarhoffe noch Schulen noch Stulen etwas seyn vnd also gotts wort vnd dienst zu boden gehen.« Zu jenem Zeitpunkt war Luther davon überzeugt, daß allein durch die Neuordnung der finanziellen Verhältnisse Abhilfe zu schaffen war. Die Visitationen hatten indes gezeigt, daß die Probleme vielschichtiger waren. 75 Vgl. Pallas, a.a.O., 29–32. 76 Vgl. a.a.O., 32 f. Diese Bemerkung könnte sich auf Luthers Predigt vom 24.1.1535 beziehen (WA 41, 17–33; hier 31,9–33,12), in der Luther die Mißachtung der Pfarrer als eine generelle »unlust contra Euangelium« interpretiert. 77 Vgl. z.B. zu den widersprüchlichen Regelungen in bezug auf die Lehrprüfung für das kirchliche Amt in der Zeit der Visitationen o. S. 121–133.
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begegnet werden, da insbesondere im Hinblick auf die Ehegerichtsbarkeit juristische Expertise vonnöten war. Dies geschah seit 1537 auf Initiative eines landständischen Ausschusses mit der Bildung von vier Konsistorien, die in den folgenden Jahren ihre Arbeit aufnahmen.78 Mindestens ebenso sehr war in den Augen der Reformatoren der Autoritätsverlust der Pfarrer für den Zustand der Gemeinden verantwortlich. Sie repräsentierten nicht mehr eine institutionelle Kirche, sondern wurden im Volk vornehmlich als machtlose Individuen wahrgenommen. So konnten sie im Falle sittlicher Verfehlungen oder der Mißachtung finanzieller Verpflichtungen nur an das Gewissen ihrer Gemeindeglieder appellieren. Als Ersatz für die bischöfliche Konfirmation wurde nun eine kurfürstliche Bestätigung eingeführt, wodurch die kirchlichen Amtsträger künftig ›in weltlicher Vollmacht‹ (ex mundana potestate) ihren Dienst taten.79 Die Neuregelung erlaubte es dem Kurfürsten, in Streitfällen nicht mehr nur als Schlichter,80 sondern als involvierte Instanz aufzutreten, ohne daß damit die Patronatsverhältnisse angetastet wurden. Andererseits hatte diese Regelung zur Folge, daß der Amtsträger dem Kurfürsten verantwortlich wurde. Machte er sich später der Irrlehre verdächtig, konnten die Superintendenten gegebenenfalls in Verbindung mit ihnen übergeordneten Instanzen leichter auch gegen den Willen der Gemeinde und des Patrons seine Absetzung erwirken. (2) Die Verbindung von Ordination und Konfirmation Mit dem Gesagten ist noch nicht erklärt, warum die Konfirmation mit der Ordination verknüpft wurde. Beanspruchte der Kurfürst das Konfirmationsrecht, bezog sich dies in Analogie zum kanonischen Recht nicht nur auf die Fälle, in denen ein Kandidat erstmals ein kirchliches Amt antrat, sondern auf alle Besetzungen kirchlicher Stellen. Das bedeutet, daß Ordination und Konfirmation nicht notwendig zusammengehörten.81 Daß sie dennoch zusammen erteilt wurden, ergab sich zunächst daraus, daß die Inhaber kleiner Landpfarreien in den allermeisten Fällen ihre Gemeinde niemals gewechselt haben, so daß vielen kirchlichen Amtsträgern in der Tat nur einmal in Verbindung mit der Ordination die Konfirmation erteilt wurde.82 78
Vgl. Karant-Nunn, a.a.O., 68–70. Dieser Gedanke war nicht völlig neu, sondern lag bereits den Spalatin zugeordneten Dokumenten der ersten Visitation zu Grunde, insofern auch dort der Kurfürst die Rolle der Prälaten übernehmen sollte. Vgl. o. S. 131. 80 Vgl. etwa die Rolle des Kurfürsten im Streit um die Altenburger Prädikatur. 81 Aus diesem Grund konnten beide wieder getrennt werden, als die Ordination nach 1537 für nichternestinische Kandidaten geöffnet wurde. Rietschels These, daß die Ordination nach 1535 als kirchenregimentliche Konfirmation aufzufassen sei (Luther, 63–68; vgl. Rietschel/Graff, Lehrbuch, 850), ist deshalb zumindest unpräzise formuliert. 82 Auch die Priesterweihekandidaten empfingen ihre Bestätigung im Anschluß an die Weihe. Vgl. Kurze, Pfarrerwahlen, 520. 79
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Mit dieser Verknüpfung verband sich möglicherweise noch ein weiterer Wunsch. Schon während der Visitationen hatte sich bei den Patronen Widerstand dagegen geregt, daß der Kurfürst im Hinblick auf die Besetzung kirchlicher Stellen bischöfliches Recht beanspruchte.83 Seit Anfang der zwanziger Jahre hatte hier ein Machtvakuum bestanden und den Patronen einen Einfluß verschafft, den sie nicht ohne weiteres wieder preisgeben wollten. Deshalb war keineswegs selbstverständlich, daß sich die Forderung der Konfirmation durchsetzen würde. Die Instanzen vor Ort waren unter diesen Umständen leichter davon zu überzeugen, daß der Pfarrer kraft kurfürstlicher Autorität amtierte, wenn ihm dies nicht nur schriftlich bestätigt wurde, sondern in der Verbindung mit dem Wittenberger Universitätsexamen und der dortigen Ordination zum Ausdruck gebracht wurde. So wurde der Anspruch des Kurfürsten, die Aufsicht über alle kirchlichen Amtsträger auszuüben, zunächst einmal bei den Ordinanden durchgesetzt. Sollten solche Überlegungen bei der Planung eine Rolle gespielt haben, waren sie zunächst ein Fehlschlag. Ganz im Gegenteil scheint der Widerstand der lokalen Instanzen gegenüber einer kurfürstlichen Konfirmation so groß gewesen zu sein, daß darunter die Einführung der Ordination litt. Genaue Zahlen stehen zwar erst ab dem Sommer 1537 zur Verfügung, als in Wittenberg eine Ordinationsmatrikel angelegt wurde. Sie lassen jedoch keinen Zweifel daran, daß der kurfürstliche Erlaß nicht nur während des Sommers 1535, sondern während der ersten zwei Jahre praktisch unbeachtet blieb und erst nach vier Jahren allgemein befolgt wurde.84 Nun darf zwar die Wirkung eines einzelnen Schreibens, dessen Inhalt überdies nicht in allen Details eindeutig war, nicht zu hoch veranschlagt werden. Die Ordinationsvorschrift mag hier und da auch in Vergessenheit geraten sein, bevor sie erstmals zur Anwendung kommen konnte. Dennoch könnte mit zum ernüchternden Ergebnis der ersten Jahre beigetragen haben, daß der Adel sich dem Anspruch des Kurfürsten widersetzte.85 Das sich nun konsolidierende Kirchenregiment der Ernestiner 83
Vgl. o. S. 131 f. Sie setzte sich vielleicht nicht zufällig erst zu einem Zeitpunkt durch, als Ordination und Konfirmation keine Einheit mehr bildeten und die Wittenberger Ordinatoren so nicht mehr den Kurfürsten repräsentierten. Zur Entwicklung der Ordinationszahlen vgl. u. S. 277–279. 85 Bezeichnend ist, daß auf den Inhalt des Ordinationserlasses außerhalb Wittenbergs erstmals durch einen Superintendenten verwiesen wird, der gegen die weltlichen Instanzen vor Ort ein Präsentationsrecht geltend macht. Der Zwickauer Pfarrers Leonhard Beyer behauptet im Streit mit dem dortigen Rat Anfang 1536, die Visitationsordnung billige ihm das Recht zu, Diakone »gegen Wittenberg zu presentieren und zu schicken, solche personen zu ordiniren und zu abilitiren« (WA.B 7, 476 ohne Quellenangabe). Damit können nicht die Artikel für Zwickau vom 1529 gemeint sein, denn dort heißt es, »[d]aß hinfurder der Rat Prediger mit Wissen und Bedenken des Pastors aufnehmen soll« (EKO I, 722). Vermutlich handelt es sich hier um eine Kombination der Gemeinen Verordnung für Meißen und Vogtland vom Beginn der dreißiger Jahre (vgl. o. S. 132) mit dem Ordinationserlaß von 1535. Die Terminologie zeigt jedenfalls, daß Beyer letzteren kennt. 84
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ließ dem Adel weniger Einfluß als in vorreformatorischer Zeit, als sich die Bischöfe und die Landesfürsten in ihrer Macht gegenseitig begrenzt hatten.86 (3) Die Haltung der Reformatoren Die kurfürstliche Konfirmation als Baustein des entstehenden landesherrlichen Kirchenregimentes wurde auch in Wittenberg selbst nicht nur positiv bewertet. Am ehesten dürfte nach allem, was wir sonst über seinen Standpunkt zur Frage des Verhältnisses zwischen beiden Regimenten wissen, noch Bugenhagen diesen Aspekt der Ordinationsordnung uneingeschränkt bejaht haben.87 Nicht umsonst stammte der Bericht der Visitatoren von 1534, der eine Verbesserung der düsteren Lage vom Landesherrn einforderte, aus seiner Feder. Die Haltung Luthers zur kurfürstlichen Konfirmation scheint hingegen ambivalent gewesen zu sein. Er schließt in der Predigt vom 20. Oktober die Ankündigung einer möglichen dezentralen Ordination mit der Bemerkung ab, »Ideo sols bl eiben in unitate unter m eines gn edigen herrn hand, bis anders wird.« Sollte die knappe Nachschrift Rörers hier zuverlässig sein, bezeichnet Luther nicht nur den Ort der Ordination, sondern auch die Tatsache, daß sie in kurfürstlicher Autorität geschieht – und damit letztlich die Konfirmation – als Provisorium. Vermutlich erkannte der Reformator zwar die aktuelle Notwendigkeit eines strafferen Kirchenregimentes in der Hand des Kurfürsten, sah hierin aber gleichzeitig eine theologisch problematische Konstruktion, durch die der Landesherr in einer episkopalen Funktion agierte, die ihm innerhalb der reformatorischen Theologie nicht zukam. Es bestand durchaus ein Unterschied zwischen der kurfürstlichen Einberufung der Visitationen, die immer als eine Notmaßnahme festgehalten wurde, und der Rolle, die der Landesherr nun beanspruchte. Während der Ort der Ordination später nicht mehr in Frage gestellt wurde, verblieb die Ordination durch ihre Loslösung von der Konfirmation denn auch nicht in der Hand des Kurfürsten. (4) Die kirchenpolitische Bedeutung Auch kirchenpolitisch war das neue Verfahren nicht unproblematisch. Dies deutet sich in dem Bericht an, den Pietro Paolo Vergerio der Kurie von seiner Begegnung mit Luther und Bugenhagen am 7. November in Wittenberg gab.88 Dem päpstlichen Nuntius zufolge war das Gespräch darauf gekommen, 86
Vgl. z.B. Zieschang, Anfänge, 48 u.ö. sowie Pallas, Entstehung, 161. Seine Stellung zur weltlichen Obrigkeit kommt vor allem in der zustimmenden Begleitung der Reformen Christians III. von Dänemark zum Ausdruck. Vgl. Schwarz Lausten, König, passim. 88 Vgl. NDB 1, 544, 1–15 (Bericht vom 13.11.1535): »Vi ho fatto mentione di Pomerano et non detto altro di lui; egli è uno de primi della sinagoga, parocho di Wittemberga et quello che impone la mano et ordina sacerdoti in tutta quella setta. et me lo diceva egli medesimo di haverne questa autorità data da fra Martino et da quelli altri della Academia, et nelle ordinationi 87
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daß der Pommer die ›Priester dieser Sekte‹ ordinierte. Auf die Frage, wer ihn dazu autorisiert habe, habe er auf Luther und die übrigen Mitglieder der Fakultät verwiesen. Da er,Vergerio, daraufhin gelächelt habe, habe Luther ergänzt, die Weigerung der Bischöfe, sie zu ordinieren oder auch nur anzuhören, habe zu diesem Schritt gezwungen. Die Ordinierten seien gemeinschaftlich approbiert worden, und Bugenhagen habe die Vollmacht, an Stelle eines Bischofs zu walten, mit der Zustimmung vieler guter Männer erhalten. An den vermutlich recht genau wiedergegebenen89 Aussagen der Reformatoren fällt auf, daß die Beteiligung des Kurfürsten nicht erwähnt wird. Stattdessen verweist Luther auf die gemeinschaftlich vollzogene ›Approbation‹. Der Begriff dürfte sich entweder auf die sorgfältige Auswahl der Kandidaten mittels des Examens oder – aufgrund des Stichworts communiter – auf die vorausgegangene Wahl und Berufung durch die Gemeinde beziehen.90 Der Grund für das Verschweigen des kurfürstlichen Auftrags dürfte darin liegen, daß Johann Friedrich nicht im Vorfeld des Konzils belastet werden sollte. Vollzogen einige Theologen ungültige Ordinationen, konnte dies mit einem Lächeln quittiert werden. Wäre hingegen bekannt geworden, daß der Fürst sich bischöfliche Kompetenzen anmaßte, hätte sich dies negativ auf die kursächsische Position auf dem Konzil auswirken können. Der Gewinn an rechtlicher Klarheit, der durch das neue Verfahren nach innen erzielt worden war, überwog das reichspolitische Schadenspotential bei weitem. Dennoch: Daß die Wittenberger Ordinationsregelung in den folgenden Jahren in den Schriften der Reformatoren kaum eine Rolle spielt, dürfte sich nicht zuletzt politischer Rücksichtnahme verdanken.91 servare il modo tradito da santo Paulo. alle quali parole havendo veduto Luthero che io sorrideva, disse quasi con impeto: nos cogimur ita facere et ordinantur viri qui sunt communiter approbati. et io lo domandai quello che volea inferire dicendo cogimur facere? se forse questo che sanno ben di far cosa absurda er che Pomerano non può haber quella autorità data da loro. rispose che essendo sprezzati dalli nostri santissimi (cosi diceva) episcopi, li quali non voleano nè ordinali nè ascoltarli, erano constretti a provedere al fatto et alle anime loro et col consenso di molti buoni dar la potestà ad uno di essi, che supplisca in loco di episcopo.« Vgl. zum weiteren Verlauf dieses Gespräches, das sich der Mission Vergerios gemäß vor allem mit dem bevorstehenden Konzil beschäftigte, Brecht, Luther III, 175–177. 89 Darauf deutet u.a. hin, daß Vergerio die Antwort Luthers lateinisch wiedergibt. 90 In jedem Fall verteidigt Luther Rom gegenüber deutlicher, als dies etwa in der Ordinationspredigt zum Ausdruck gekommen war, daß die Vollmacht, Ordinationen zu vollziehen, nicht auf einem bestimmten Amt beruhe, sondern einzig die Eignung der Kandidaten zur Voraussetzung habe. Daß Bugenhagen darauf verweist, die Ordination im Auftrag Luthers und der theologischen Fakultät zu vollziehen, hebt ebenfalls die Bedeutung des vorangegangenen Examens hervor, könnte allerdings auch ein Hinweis darauf sein, daß er diese Aufgabe nur widerwillig übernommen hatte. So auch Kretschmar, Ordination, 197. 91 Aus Vergerios Bericht geht im übrigen auch hervor, daß die Ordinationen bereits Anfang November in den Zuständigkeitsbereich Bugenhagens fielen. In Anbetracht der kurzen Zeitspanne seit dem 20. Oktober, in der vermutlich noch keine weiteren Ordinationen vollzogen worden waren, darf angenommen werden, daß der Pommer schon an jenem Tag als Ordinator fungierte. Gegen Kretschmar, a.a.O., 197.
4. Die Bestandteile des neuen Besetzungsverfahrens und die Motive seiner Einführung
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d. Fazit Die Untersuchung der Entstehungsgeschichte der Wittenberger Zentralordination hat ein ambivalentes Bild ergeben. Einerseits wird durch sie tatsächlich umgesetzt, was Luther in der Schrift Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe ins Auge gefaßt hatte. Nachdem mit einer Einigung mit Rom nicht mehr zu rechnen war, konnte eine allgemeine Ordinationsregelung gefunden werden; dies umso mehr, als einerseits durch die Ereignisse in Münster ans Licht gekommen war, welche Gefahr von den Täufern ausging, und andererseits zunehmend deutlich geworden war, daß der Wegfall der bischöflichen Jurisdiktion die Position der Pfarrer erheblich geschwächt hatte. Diesen Herausforderungen wurde dadurch begegnet, daß die Ordination sowohl mit einer zentralen Lehrprüfung als auch mit einer kurfürstlichen Konfirmation verbunden wurde. Die Ordination konnte nun sinnvoll nicht mehr als Berufung verstanden werden, sondern betraute den Ordinanden prinzipiell mit dem kirchlichen Amt im Kursachsen und war bei einem Stellenwechsel nicht zu wiederholen. Obwohl das Ordinationsverfahren durchaus eine Abweichung nicht nur von der bisherigen Praxis, sondern auch von Luthers früheren Schriften darstellte, besteht kein Grund zu der Annahme, in ihm einen gegen den Willen der Reformatoren realisierten Plan des Kurfürsten zu sehen; die genaue Regelung der Ordination scheint er seinen Theologen überlassen zu haben. Einzelne noch ungeklärte Elemente dürften auch damit zu tun haben, daß mit der Zentralisierung der Ordination ein den Reformatoren möglicherweise kaum ganz bewußter Bedeutungswandel einherging. Im Rahmen des ursprünglichen Verständnisses der Ordination als Berufung und Übertragung des Dienstes in einer Gemeinde wäre es, wie Luther dies anläßlich der ersten Wittenberger Zentralordination zum Ausdruck brachte, sachgemäß und wünschenswert gewesen, den Gemeinden einmal das Ordinationsrecht zurückzugeben. Wurde der Ordinand hingegen nicht allein mit der konkreten Stelle, sondern mit dem kirchlichen Amt überhaupt betraut, spricht nichts gegen die Zentralordination in der Wittenberger Stadtkirche. Es lag in der Natur der Sache, daß die Zentralisierung nicht mehr rückgängig gemacht wurde.
VII. Das Ordinationsverfahren in seiner Begrenztheit auf Kursachsen (1535–37) Die kursächsische Ordinationsverfahren von 1535 ist zunächst auf das ernestinische Territorium beschränkt.Werden Wittenberger Theologen in kirchliche Ämter außerhalb Kursachsens berufen, werden sie nicht ordiniert. Auch um dieses Problem zu lösen, setzt sich Melanchthon Ende 1536/37 für die Einführung einer Regelung der Ordination für den gesamten Schmalkaldischen Bund ein. Damit verbindet sich für die Kursachsen zudem die Hoffnung, daß auch andere Territorien den Zugang zum kirchlichen Amt auf ähnliche Art ordnen, wie die Wittenberger es seit der Einführung der Ordination tun. Als es nicht zu einer gesamtevangelischen Lösung kommt, wird das kursächsische Verfahren für auswärtige Kandidaten geöffnet.
1. Das Unterbleiben der Ordination bei Berufungen außerhalb Kursachsens Erst Mitte 1537 wird in Wittenberg ein Ordiniertenbuch angelegt. Über die ersten zwei Jahre nach der Einführung der Ordination läßt sich deshalb nur anhand von Einzelfällen ein Bild gewinnen. Die Berufungen junger Wittenberger Magister auf auswärtige Predigtstellen, die 1535 und 1536 erfolgten, zeigen, daß das Ordinationsverfahren zunächst nur bei kursächsischen Kandidaten zur Anwendung kam. In keinem der drei Fälle wurde erwogen, in Wittenberg oder am künftigen Wirkungsort eine Ordination durchzuführen. Besonders der dritte Fall, der des Freiberger Predigers Jakob Schenk, hat aber wahrscheinlich mit dazu beigetragen, daß bald auch auswärtige Kandidaten ordiniert wurden. a. Johann Forster als Prediger in Wittenberg und sein Wechsel nach Augsburg (1535) Einer der ersten Wittenberger Theologen, die nach dem Ordinationserlaß vom Mai 1535 in ein kirchliches Amt berufen wurden, war Johann Forster. Er wurde wohl 1496 in Augsburg geboren und 1520 in Ingolstadt, wo er seit 1515 immatrikuliert war, zum Magister promoviert. Den Wunsch seines dortigen Hebräischlehrers Reuchlin, Forster könne ihm auf seiner Stelle nachfolgen, machten die Pest und die daraus resultierende weitgehende Einstellung des Lehrbetriebes zunichte. Forster immatrikulierte sich daraufhin zunächst in Leipzig und wurde auf Empfehlung Petrus Mosellans bald Hebraist an der neu geordneten Lateinschule in Zwickau, wo er im Oktober 1525 heiratete. Als er 1529 bei der Wiederbesetzung des Rektorats überraschend übergangen wurde, bat
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VII. Das Ordinationsverfahren in seiner Begrenztheit auf Kursachsen (1535–37)
er um seine Entlassung und erhielt auf zwei Jahre ein mit 20 fl. dotiertes Ratsstipendium. Am 1. Juni 1530 immatrikulierte er sich in Wittenberg.1
Forster war nicht geweiht und hatte bis zu seinem Umzug nach Wittenberg nicht vorgehabt, ein kirchliches Amt anzutreten. Die biographischen Daten zeigen, daß sein Lebenslauf auf eine Karriere als Hebraist ausgerichtet war.2 So bedeutete es für Forster eine einschneidende Veränderung, als er vermutlich Anfang 1532 in Wittenberg ein Predigtamt antrat.3 Aus einigen Tischreden läßt sich rekonstruieren, daß Forster auf eine der beiden Schloßpredigerstellen berufen worden war,4 allerdings bald auch in der Stadtkirche zu predigen hatte.5 Obwohl Forster nun wie etwa Georg Rörer und Sebastian Fröschel in der Stadtkirche predigte, ist unwahrscheinlich, daß er wie sie ordiniert wurde,6 da seine Stelle an der Schloßkirche angesiedelt war. Die dortigen Prediger wurden erst seit 1537 ordiniert. Johann Freder verteidigte sich im Streit um seine fehlende Ordination 1550 mit dem Hinweis darauf, daß auch in Wittenberg kirchliche Amtsträger wirkten, die nicht mit Handauflegung ordiniert seien. Als Beispiele führte er Caspar Cruciger und Georg Major an,7
1
Vgl. Germann, Forster, 7–16; ders., Art. »Forster«, 129 f. Vgl. zum Folgenden auch ders., Forster, 33–38. Zwar ist unbekannt, wo sich Forster zwischen seinem Ausscheiden in Zwickau und der Immatrikulation in Wittenberg aufhielt, doch daß er während dieser Phase in den Priesterstand eingetreten wäre, kann wegen seiner bereits ausgeprägten reformatorischen Überzeugung und seines Familienstandes ausgeschlossen werden. 3 Er tat sich zunächst schwer mit seiner neuen Rolle als Prediger und fragte Luther wiederholt bei Tisch um Rat. Vgl. WA.TR 2, 181 Nr. 1685; a.a.O., 539 Nr. 2606a; WA.TR 3, 230 Nr. 3236. 4 Vgl. WA.TR 2, 181 Anm. 2 Nr. 1685: »Forsterus vocatus ad contionatorem in arce«. 5 Daß er in der Stadtkirche predigte, ergibt sich v.a. daraus, daß Luther in einer Tischrede Bugenhagen, Forster und sich selbst in einem Atemzug nennt; ihre Predigten erkenne das Volk nicht als Gotteswort an. Vgl.WA.TR 3, 328 Nr. 3463h. Die Tischrede ist nicht genau datierbar, gehört jedoch offenbar in die Zeit zwischen Mai 1532 und Ende 1534, als Bugenhagen in Wittenberg war. Doch vermutlich war Forster auch schon während dessen Wirksamkeit in Lübeck, als die Predigtversorgung der Stadtkirche ein Problem darstellte, zum Einsatz gekommen. Vgl.WA.B 6, 231, 4–8 Nr. 1886 vom 24.11.1531, wo Luther die baldige Rückkehr Bugenhagens fordert, »quia ego obrutus sum et saepe aeger.« Daraufhin predigte er zwischen dem 9.12.1531 und der Rückkehr Bugenhagens am 30.4.1532 nur zweimal. Vgl. Brecht, Luther II, 416. In diese Zeit dürften die ersten Predigten Forsters in der Stadtkirche fallen. Darauf deutet auch eine Tischrede hin, die aus dem Februar 1532 stammen dürfte; in ihr wird Luther berichtet, daß die Predigten Forsters von vielen gelobt würden (vgl. WA.TR 2, 54, 14 f Nr. 1334). Bei diesen ›vielen‹ dürfte es sich um das Volk handeln. Daß Forster hingegen neben der Berufung als Schloßprediger auch eine eigens für ihn eingerichtete Prädikatur bekleidete, wie Germann, Forster, 38 vermutet, läßt sich den Quellen nicht entnehmen. 6 Forsters Bedenken hatten mit seinem Weihestatus nichts zu tun. Er tat sich schwer mit der Predigtvorbereitung und machte keinen Hehl daraus, lieber bei der Wissenschaft bleiben zu wollen (vgl.WA.TR 2, 539 Nr. 2606a). Forster wirkte auch weiter als Philologe. Cordatus spricht am 9.8.1532 von Aurogallus und Forster als den Hebraeae linguae professores (vgl. WA.TR 3, 243 Nr. 3271b). Eine Professur hatte Forster aber nicht inne. Vgl. Germann, Forster, 38 f. 7 Vgl. Mohnike, Frederus II, 12. Zu Freder vgl. o. S. 169 f. 2
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die beide als Schloßprediger gewirkt hatten.8 Georg Major trat sein Amt zu Ostern 1537 an9 – und damit kurz, bevor Freder im Sommer Wittenberg verließ.10 So konnte Freder nicht wissen, daß Major am 5. Oktober 1537 doch noch ordiniert wurde.11 Bis zu diesem Zeitpunkt sah man offenbar keine Notwendigkeit dafür, die Schloßprediger zu ordinieren. Ihr Amt in der Kirche, in der auch Universitätsveranstaltungen stattfanden, wurde offenbar nicht in derselben Weise als ein öffentliches angesehen wie andere. Diese Wahrnehmung wurde mit dadurch geprägt, daß in der Schloßkirche regelmäßig Studenten zu Übungszwecken predigten. Dafür wurde auch später keine Ordination vorausgesetzt.12 Ausgerechnet in den Tagen, als der Schloßprediger Georg Major ordiniert wurde, verfügte der Propst des Allerheiligenstiftes Justus Jonas, Michael Schenk dürfe erst wieder Übungspredigten in der Schloßkirche halten, wenn er nach zwei weiteren Studienjahren ein Examen durchlaufen habe.13 Hintergrund dieser angesichts der sonstigen Praxis seltsam anmutenden Anordnung war, daß zwischen Schenks älterem Bruder Jakob14 im Laufe des Jahres 1537 ein Streit mit den Wittenbergern über die Zulässigkeit der Kommunion unter einer Gestalt ausgebrochen war.15 Wie Jakob Schenk Luther gegenüber – wohl zu Recht – mutmaßte, galt die Maßnahme gegen seinen Bruder eigentlich ihm, den man in Freiberg nicht belangen konnte.16 Möglicherweise bestand insofern ein Zusammenhang zwischen der Sanktion gegen Schenk und der Ordination Majors, daß die Außenwirkung der Schloßkirche von nun an stärker in den Blick kam. Dazu paßt jedenfalls auch Johann Friedrichs Vermittlungsvorschlag, man solle Michael Schenk ordinieren lassen, damit er weiter predigen könne.17 Die Wittenberger gingen auf diesen Vorschlag, der den Kern der Sache verfehlte, nicht weiter ein.
Im Sommer 1535 bot der Rat der Stadt Augsburg Forster eine Prädikatur an. Diese Geste war als Zeichen der Verbundenheit der Augsburger Prediger mit Wittenberg gedacht.18 Zu diesem Zeitpunkt hatte Forster offenbar seine Bedenken im Hinblick auf seine eigenen Predigtfähigkeiten über-
8
Vgl. de Boor, Cruciger, 239; Scheible, Major, 726. Vgl. Foerstemann, Album II, 19 f: »Anno 1537 in feriis Paschalibus rediit Vitebergum, ubi eodem anno ab illustrissimo principe Iohanne Friderico, electore Saxoniae, munus concionandi in arce ei commendatum est, quo functus est annis 7.« Major war seit 1529 Rektor der Lateinschule in Magdeburg gewesen. Vgl. Scheible, ebd. 10 Vgl. ders., Frederus I, 5. 11 Vgl. WOB 7: Major sei »allhie zum Predigambt auffm Schlos« berufen. 12 Vgl. u. S. 218 Anm. 42; 285 f. 13 Davon berichtet Jonas im Brief an Johann Friedrich vom 18.10.1537 (abgedruckt bei Vetter, Brief, 130). 14 Zu ihm vgl. u. S. 217–230. 15 Vgl. dazu Vetter, Luthers Stellung, passim. 16 Vgl. Jakob Schenk an Luther vom 1.9.1537 WA.B 8, 116–118 Nr. 3174. 17 Vgl. WA.B 8, 124. 18 Die Augsburger Geistlichen hatten Luther am 20.6.1535 ein Abendmahlsbekenntnis zugesandt, das ihre Übereinstimmung mit Wittenberg zeigen sollte, und ihn gleichzeitig darum gebeten, bei der erneuten Berufung des Urbanus Rhegius behilflich zu sein. Als der Lüneburger Superintendent keine Freigabe erhielt (vgl. WA.B 7, 212, 15–17 Nr. 2211 vom 20.7.1535), fiel die Wahl auf Forster. Vgl. auch Brecht, Luther III, 55. 9
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wunden,19 denn er reagierte positiv auf die Anfrage aus seiner Heimatstadt.20 Durch eine Ungeschicklichkeit seinerseits wäre sein Wechsel fast geplatzt. Die Verwicklungen, die daraufhin eintraten, geben wertvolle Hinweise auf den Status der Ordination im Sommer 1535. Gegenüber Gereon Sailer, der zu Verhandlungen nach Wittenberg gekommen war, äußerte sich Forster überaus kritisch über die karge Augsburger Liturgie.21 Sailer war darüber so befremdet, daß er direkt nach seiner Abreise am 20. Juli einen Brief an Melanchthon schrieb. Das Schreiben ist nicht erhalten, doch seine Wirkung zeigt, daß Sailer nunmehr von einer Berufung Forsters abraten wollte.22 Sofort bemühten sich nämlich die Reformatoren darum, Forster, der bereits seinen Hausstand verkauft hatte, eine Alternative in Wittenberg zu eröffnen. Melanchthon verließ, als er den Brief erhielt, auf der Stelle ein Essen im Haus des Bürgermeisters, und begab sich mit dem ebenfalls anwesenden Forster zu Luther. Dieser ließ sofort zwei für die Diakonenberufung zuständige23 Bürgermeister rufen und bat sie, man möge Forster »zu Wittenberg bei der kirchen und schulen halten«.24 War Augsburg nicht an ihm interessiert, wollte man den begabten Hebraisten nicht anderswohin ziehen lassen.25 Bereits 19 Einen entsprechenden Ruf Nürnbergs im Jahr 1533 hatte er offenbar ausgeschlagen. Vgl. Lazarus Spengler an Veit Dietrich vom 9.8.1533 bei Mayer, Spengleriana, 119–121 und dazu Germann, Forster, 36 f. 20 Vgl. den Brief Forsters an den Augsburger Bürgermeister Wolf Rehlinger vom 20.7.1535 abgedruckt bei Germann, Forster, 90. Forster begründet seine positive Antwort u.a. damit, daß er wegen eines früher erhaltenen Stipendiums in der Schuld seiner Heimatstadt stehe und aufgrund der Pest in Wittenberg ohnehin zum Verlassen der Stadt gezwungen sei. Die weitere Entwicklung zeigt, daß Forster aber auch darauf gehofft haben muß, seine prekäre finanzielle Lage verbessern zu können. 21 Vgl. Forsters Bericht bei Germann, a.a.O., 88: »Ich als ein einfeltiger, der sein meinung nicht viel bergen kan, antworte auf die [Frage, wie er die Augsburger Kirchenordnung beurteile], ob zu Augspurg in der kirchen nicht mer ceremonien und kirchenubungen weren, das were eben dinn, fragte ob kein privata absolution, kein disciplina, keine litania, nicht mehr kirchengeseng da weren und henket dran, ich kan itzt aus dieser kirchenordnung schliessen, das Augsspurg an gelarten leuten feilet.« Sailer zeigte Forster zufolge zwar kaum eine Reaktion, war aber offenbar entsetzt. Der ironische Unterton, der besonders aus dem letzten Satz spricht, entging dem Nürnberger Gesandten. 22 Vgl. a.a.O., 89 f. Der Brief, den Forster in seinen bei Germann abgedruckten »Acta Doctoris Joannis Forsteri mit unsern herren predicanten alhie zu Augspurg« im Wortlaut geboten hat, muß deutlich im Ton gewesen sein, denn ein Späterer hat ihn offenkundig aus Rücksicht auf das Andenken Forsters bei der Abschrift der Acta getilgt. Er ist nicht erhalten. 23 Vgl. Pallas, Registraturen II/1, 25=EKO I, 709 (1533). Danach wählt der Pfarrer die Diakone aus, die dann unter Mitwirkung der drei Bürgermeister angenommen werden. Da Bugenhagen noch in Pommern weilte, lag das Vorschlagsrecht tatsächlich bei Luther. 24 Luther dachte also an eine akademische Laufbahn Forsters. Eine weitere Professur war aber augenblicklich nicht realisierbar. 25 Ebenfalls am 20.7.1535 schrieb Luther seine durch und durch freundlichen Antworten an den Rat und die Geistlichen Augsburgs (WA.B 7, 210–213 Nr. 2211 f ). In ihnen wird zwar von den vergeblichen Bemühungen um Rhegius, nicht aber der Name Forsters erwähnt. Stattdessen
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am nächsten Morgen entschied der Rat, Forster als Diakon anzunehmen.26 Die 70 fl. zuzüglich diverser Naturalien, die den Wittenberger Diakonen zustanden, waren hinreichend, seine Familie zu ernähren. Er war damit nicht auf die Gebühren der Studenten angewiesen, deren Rückkehr aus Jena nicht absehbar war. Die Dinge nahmen jedoch eine erneute Wende. Der Mediziner Sailer traf auf dem Rückweg in Leipzig seinen Fachkollegen Heinrich Stromer, der mit Forster befreundet war.27 Der Leipziger lobte den Augsburger so sehr, daß Sailer sich besann und einen versöhnlichen Brief an Forster schrieb, in dem er ihn zum Kommen aufforderte.28 Damit wurde die Berufung zum Diakon in Wittenberg Makulatur. Schon am 4. August machte sich Forster auf den Weg und wurde am 22. August, vier Tage nach der Ankunft in Augsburg, von den Bürgermeistern mit der Predigerstelle an St. Moritz betraut.29 Durch den Bericht Forsters sind wir über die Wochen vor seiner Abreise aus Wittenberg sehr gut informiert. Von einer Ordination berichtet er nichts. Vermutlich wäre er wie Rörer liturgisch in sein Amt eingeführt worden, wenn er sein Amt als Diakon angetreten hätte. Interessanterweise erwogen die Wittenberger weder, Forster in Wittenberg für sein Augsburger Amt zu ordinieren – was zwei Jahre später sicher geschehen wäre –, noch versuchten sie, die Augsburger zu diesem Schritt zu bewegen. Der kurfürstliche Erlaß vom Mai, der aller Wahrscheinlichkeit nach noch kein einziges Mal zur Anwendung gekommen war, wurde von den Beteiligten als eine auf Kursachsen beschränkte Maßnahme aufgefaßt. Bezeichnend ist vor allem, daß von niemandem erwogen wurde, ob nicht für Forster und seinesgleichen ein der kursächsischen Ordinationsregelung entsprechendes Verfahren entwickelt werden mußte. Im Bewußtsein der Reformatoren war die Ordination zu diesem Zeitpunkt Bestandteil des kursächsischen Kirchenregimentes. kündigt er an, sich nach einem geeigneten Kandidaten umsehen zu wollen. Luther kannte also bereits den Brief Sailers. Es ist auffällig, daß er, nachdem er Wochen seit dem Erhalt des Augsburger Schreibens verstreichen lassen hatte und nun auch Sailer als möglicher Briefüberbringer nicht mehr in Wittenberg war, seine Antwort verfaßt, ohne zunächst nach einem Interessenten für das Augsburger Predigtamt zu suchen. Offenbar sollte um jeden Preis vermieden werden, daß die Verstimmung zwischen Sailer und Forster das Verhältnis zu Augsburg belastete. 26 Vgl. Germann, a.a.O., 90 f. Der Rat war erfreut über diese Entwicklung, da der dienstälteste Diakon Johann Mantel seit dem vergangenen Winter »mit ferlickeit des schlags so betroffen«, daß er nicht mehr gearbeitet hatte. Vier Tage zuvor am 16.7.1535 hatte sich Luther beim Kurfürsten dafür eingesetzt, daß Mantel eine soeben freigewordene Pfründe der Schloßkirche als Ruhegeld übertragen werde, bis sich eine andere Lösung finde (vgl. WA.B 7, 209 ff Nr. 2210). Dort hatte er noch keine Wiederbesetzung ins Auge gefaßt. Vermutlich sollte dies erst geschehen, wenn die Universität zurückgekehrt war. 27 Möglicherweise war Stromer mit Forster verschwägert. Vgl. Germann, Art. »Forster«, 130. 28 Vgl. ders., Forster, 91. 29 Zu Forsters Tätigkeit in Augsburg vgl. außer Germann auch Seebass, Augsburger Kirchenordnung, passim.
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b. Die Berufung Veit Dietrichs zum Prediger an St. Sebald in Nürnberg (1535) Wenige Monate nach der Berufung Johann Forsters wurde erneut ein junger Wittenberger Theologe Prediger in einer bedeutenden Reichsstadt. Es handelt sich dabei um den Nürnberger Veit Dietrich. Dietrich war am 8. Dezember 1506 in Nürnberg geboren, hatte sich am 18. März 1522 in Wittenberg eingeschrieben und war im November 1529 zum Magister promoviert worden. Er war Luthers Famulus, seit etwa 1528 auch sein Hausgenosse und machte sich durch Mitschriften von Predigten,Vorlesungen und Tischreden Luthers in Wittenberg bald einen Namen.30 Als sich Dietrich im Herbst 1534 mit Katharina Luther überworfen hatte und infolgedessen auch das Verhältnis zu Luther abgekühlt war, suchte er mit Melanchthons Hilfe eine Stelle an einer anderen Universität.31
Auf dem Weg nach Tübingen, wo er sich bei Camerarius vorstellen wollte,32 machte Dietrich im Oktober 1535 in seiner Heimatstadt halt. Die Nürnberger boten ihm die seit über zwei Jahren vakante Predigerstelle an St. Sebald an. Diese Stelle, für die noch 1533 durch die Vermittlung Dietrichs Forster hatte gewonnen werden sollen,33 schloß die Verwaltung der nicht mehr besetzten Propstei ein und war also das höchste Amt an St. Sebald. Dietrich zögerte. Zum einen zweifelte er an seiner Eignung für das herausragende Amt, da er noch niemals eine Kanzel bestiegen und öffentlich geredet habe.34 Zum anderen sei es für Nürnberg etwas Neues, daß ein Ungeweihter predige, und er wolle auch in dieser scheinbar geringfügigen Sache niemandem einen Anlaß bieten, das Evangelium zu verachten.35 Dietrich ließ sich dennoch nach einer längeren Bedenkzeit am 14. Dezember das Predigtamt an der Sebaldskirche übertragen.36 Dietrich selbst sah die Weihe nicht als eine Voraussetzung für das Predigtamt an, befürchtete aber, daß sein Status von der Gemeinde nicht vorbehaltlos 30
Vgl. Klaus, Dietrich, 35. 53. 56 f. 62; Köstlin, Baccalaurei II, 20. Vgl. auch zum Folgenden Klaus, a.a.O., 125–130. Vgl. Melanchthons Geleitbrief vom 4.10.1535 unter CR 2, 951 f (MBW 1638). 33 Vgl. Klaus, a.a.O., 121 f. 34 Seine Lehrtätigkeit in der Artistenfakultät sah Dietrich offenbar nicht als öffentlich in diesem Sinne an. Luthers Tischrede von 1540, der zufolge Veit Dietrich und Wenzeslaus Linck im Gegensatz zu Andreas Osiander verständlich lehrten (vgl. WA.TR 4, 478, 21 f; 635, 4 f Nr. 4763. 5047), läßt kaum den Schluß zu, daß Dietrich entgegen seiner eigenen Aussage bereits in Wittenberg gepredigt hatte. Die Äußerung dürfte sich lediglich darauf gründen, daß er Dietrich hinreichend kannte. Gegen Klaus, a.a.O., 114. 35 Vgl. Dietrichs Brief an Baumgartner vom 29.10.1535 bei Albrecht/Flemming, Manuscriptum Thomasianum, 258 f Nr. 33: »Sed quid faciam hoc tempore, cum in celeberrimo loco ad frequentissimum templum cum expectatione non exigua multorum magnorum virorum Ego vocor, qui nullum unquam conscendi suggestum? nihil unquam in publ. dixi? … Ad haec novum in hac rep. exemplum est, docere in publ. non vnctum. Nolim autem ea in re, etsi in speciem levis est, quibusdam occasionem contemnendi Evangelij praebere.« 36 Vgl. Klaus, a.a.O., 130. 31 32
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akzeptiert werden würde.37 Angesichts dessen ist auffällig, daß der Gedanke an eine evangelische Ordination weder bei Dietrich noch beim in dieser Entscheidung um Rat gefragten Melanchthon eine Rolle spielt.38 Auch Luther, der Dietrich im Januar zur Vermählung und zu seinem neuen Amt gratulierte, sprach die Möglichkeit einer Ordination nicht an.39 Wie im Falle Forsters bestätigt sich auch hier, daß das Wittenberger Ordinationsverfahren bei Berufungen in andere Territorien weder zur Anwendung kam noch als Vorbild für eine entsprechende Handlung vor Ort propagiert wurde. Die zustimmenden Äußerungen der Wittenberger Reformatoren zur Entscheidung Dietrichs zeigen, daß sich durch die Einführung der Ordination an der grundsätzlichen Sicht, daß diese keine notwendige Voraussetzung für das Amt darstelle, nichts geändert hatte. c. Jakob Schenks Wirksamkeit in Freiberg (1536/37) Die Berufung Jakob Schenks zum Hofprediger in Freiberg hat mit den Berufungen Forsters und Dietrichs gemein, daß auch in diesem Fall einem Wittenberger Magister eine Prädikatur außerhalb der ernestinischen Lande übertragen wurde. Anders als in den früheren Fällen trat in Freiberg jedoch ein, was Dietrich in Nürnberg befürchtet hatte: Die fehlende Weihe des Predigers diente zum Vorwand dafür, die evangelische Predigt zu unterbinden. Der Streit um Schenks Anstellung in Freiberg gibt so nicht nur Einblick in die Wittenberger Position, sondern zeigt auch, welchen Stellenwert die Weihe auf Seiten derer hatte, die die Ausbreitung der Reformation zu verhindern suchten. Sein Fall nahm eine derartige Bedeutung an, daß er, wie es scheint, die weitere Entwicklung der Wittenberger Ordinationsregelung direkt beeinflußte. Deshalb ist er hier ausführlich zu behandeln. (1) Die Berufung zum Hofprediger Jakob Schenk wurde etwa 1508 im württembergischen Waldsee geboren.40 Seine Immatrikulation in Wittenberg erfolgte im Sommer 1526, die Magisterpromotion am 28. August 1532.41 Er blieb in Wittenberg, doch über die
37 Wie sich zeigen sollte, war diese Befürchtung unbegründet. Zu einem Streit darüber kam es Anfang der vierziger Jahre jedoch mit Andreas Osiander. Vgl. u. S. 289–293. 38 Vgl. Melanchthons Brief an Dietrich vom 10.11.1535 CR 2, 978 f (MBW 1662). Der Reformator riet ihm nach reiflicher Überlegung, die Stelle in Nürnberg aus Verbundenheit zur Heimatstadt anzunehmen. 39 Vgl. WA.B 7, 344, 14 f Nr. 2284 vom 17.1.1536: »… gratulor vocationi tuae ad ecclesiae functionem«. 40 Vgl. Seidemann, Schenck, 1 und zum Folgenden außer Seidemann Wartenberg, Einwirkungen, passim. 41 Vgl. Köstlin, Baccalaurei II, 21.
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nächsten Jahre ist wenig bekannt.42 Als ihn Luther im Sommer 1536 davon überzeugte, eine Stelle als Hofprediger in Freiberg anzunehmen, war nicht daran gedacht, daß damit seine akademische Laufbahn beendet sein sollte. Vielmehr faßte man zunächst eine Frist von drei bis sechs Monaten ins Auge, die die Option der Rückkehr an die Universität einschließen sollte.43 Anders als im Falle Forsters ging es beim unverheirateten Schenk offenbar nicht darum, ihn während einer schwierigen Phase der Universität anderweitig finanziell abzusichern. Die Praxis, einen Wittenberger Theologen für eine begrenzte Zeit auszuleihen, ist eher in Analogie zu den Aufenthalten Bugenhagens in Norddeutschland und Dänemark zu sehen. Auch Schenk sollte Hilfe bei der Einführung der Reformation leisten.
In der Bergbaustadt Freiberg residierte Herzog Heinrich der Fromme, der jüngere Bruder Herzog Georgs des Bärtigen, seit er 1505 die Rückeroberung Frieslands aufgegeben hatte.44 Über die beiden Ämter Freiberg und Wolkenstein übte er eine stark beschränkte Souveränität aus. Daher versuchten er und seine Gattin Katharina lange, die Sympathien für Luther und die evangelische Bewegung, die bereits in den frühen zwanziger Jahren bei der Herzogin, in den dreißiger Jahren auch bei Heinrich gewachsen waren, nicht nach außen dringen zu lassen. Daß Georg diese für die albertinische Kirchenpolitik beunruhigende Entwicklung gleichwohl nicht entgangen war, zeigt sich etwa daran, daß er die Erziehung der Söhne Heinrichs, die in der Thronfolge direkt hinter ihrem Vater standen, in die eigene Hand nahm.45 Es mag eine Reaktion darauf gewesen sein, daß sich das herzogliche Paar Anfang 1536 implizit, aber unmißverständlich zu seiner reformatorischen Überzeugung bekannte. Zum einen nahm Heinrich den wegen seiner Weigerung, unter einer Gestalt zu kommunizieren, von Georg entlassenen Rat Anton von Schönberg in seine eigenen Dienste. Zum anderen bat Katharina vermutlich im März 1536 den sächsischen Kurfürsten um die Zusendung eines evangelischen Hofpredigers. Parallel dazu hatten sich »etliche von Freiberg«46 direkt an Luther gewandt und den Wunsch geäußert, er möge einen geweihten und ledigen Kandidaten für das Amt finden. Luther konnte 42 Schenk wohnte offenbar bei Justus Jonas und hatte seit Anfang 1535 in Wittenberg »ohne Sold, allein zur Ubung« in der Schloßkirche gepredigt. Vgl. sein Schreiben an Luther vom 1.9.1537 WA.B 8, 116, 13–117, 26 Nr. 3174. Anfang März 1536 wurde er in die Artistenfakultät aufgenommen. Vgl. Köstlin, a.a.O., 25. 43 Vgl. Schenks Brief an den Kurfürsten vom 8.6.1537 bei Seidemann, a.a.O., 155: Luther habe zu ihm gesagt, »Ich muete euch nicht zu das ir hinauff gen Freybergk zihet, ewig ein prediger daselbst zu bleyben, sondern ich wil euch der Herczogin schicken das man euer als eines geborgten predigers vnd nicht als eines eigens im anfang biß ein wenig angericht, gebrauche, ein virteil jar oder auffs lengst ein halb jar, dan ir solt in keinen weg von der Schul bleiben.« 44 Vgl. zu den politischen Verhältnissen Schmidt, Reformation, 108–112. 45 Die Ehe des albertinischen Kronprinzen Johann war kinderlos geblieben. Sein geistig zurückgebliebener Bruder Friedrich war in der Thronfolge nicht berücksichtigt. 46 Da es hier um die Besetzung des Hofpredigtamtes ging, können damit nicht Vertreter des Rats der Stadt gemeint sein. Daß Anton von Schönberg die Anfrage seiner Herrin betrieben
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niemanden präsentieren, der diese Bedingungen erfüllte,47 und verhandelte deshalb erstmals am 10. April mit Jakob Schenk über eine Anstellung in Freiberg. Noch im Juli machte sich der junge Magister auf den Weg. Wie der Geleitbrief Johann Friedrichs vom 19. Juli48 zeigt, hatte die Herzogin bekundet, daß sie auch einen ungeweihten Kandidaten akzeptieren würde. Die Beteiligten gingen also davon aus, daß der Zölibatsbruch eines Priesters eher Anstoß erregt hätte als die Amtstätigkeit eines Ungeweihten. Während Katharina in erster Linie für ihre eigene Person an einem evangelischen Prediger interessiert war, verfolgte der sächsische Kurfürst weitergehende Ziele. Sein ungewöhnlich langes Geleitschreiben fordert das Fürstenpaar unmißverständlich dazu auf, Schenk nicht nur vor unausbleiblichen Angriffen von Seiten des meißnischen Bischofs und Herzog Georgs zu schützen, sondern ihm auch die Freiheit einzuräumen, das Evangelium öffentlich zu predigen und die päpstliche Messe anzugreifen. Dies ist nicht der Empfehlungsbrief für den Privatprediger einer isolierten evangelischen Fürstin, sondern vielmehr der Appell, mit Schenks Hilfe die Reformation einzuführen. Der Kurfürst erwartete, daß die Freiberger diesbezüglich eine eindeutige Entscheidung trafen, bevor Schenk seinen Dienst antreten sollte. Würde der Prediger hingegen auf halbem Wege bei der Durchführung der Reformen behindert, bedeute dies »schimpff, Auch gefahr seins leibs« für den jungen Theologen.49 Heinrich und Katharina wichen der geforderten Entscheidung zunächst aus. Heinrich bedankte sich in seinem Antwortschreiben vom 22. Juli für die Zusendung des Predigers und sicherte den erbetenen Schutz zu. Von der ungehinderten Predigt des Evangeliums, geschweige denn vom Abstellen von Mißständen durch Schenk, den er betont als Prediger der Herzogin bezeichnet, ist aber nicht die Rede.50 Noch im September forderte die Herzogin letzteren dazu auf, sich ganz auf die Predigt zu beschränken, alles andere sei für ihn gefährlich und Sache der Räte und der Kanzlei.51 Schenk wendete hatte, geht aus dem zeitgenössischen Bericht des Bernhard Freydiger hervor. Vgl. Seidemann, a.a.O., 11. 47 Vgl. Johann Friedrich an Luther WA.B 7, 411, 33–42 Nr. 3022 vom 14.5.1536. 48 Vgl. das Schreiben u. S. 319–321 (Anhang 1. b). Dieses wichtige Schreiben hat Seidemann, der a.a.O., 123 die im Konvolut unmittelbar folgende Antwort Heinrichs bietet, übersehen. Es ist deshalb auch in der jüngeren Literatur unberücksichtigt geblieben. Der Dienstantritt, dessen Datum im Anschluß an Seidemann immer mit dem 1.7.1536 (a.a.O., 11) angegeben wird, kann frühestens am 21.7., vermutlich erst am 1.8. erfolgt sein. 49 Gibt Schenk im folgenden Jahr Luthers Äußerung, wonach er in Freiberg wirken solle, »biß ein wenig angericht« (Seidemann, a.a.O., 155), treffend wieder, hoffte auch der Reformator auf die Einführung der Reformation im Freiberger Ländchen, denn das Fürstenpaar war ja bereits für das Evangelium gewonnen. 50 Vgl. das Schreiben bei Seidemann, a.a.O., 123. 51 Vgl. Katharina an Jakob Schenk vom 22.9.1536 ThHStA Reg. N 625, fol. 80.
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in seiner Antwort52 die Lehre von den zwei Regimenten, die er im Brief der Herzogin zu erkennen glaubte, in eine andere Richtung. Er forderte seine Obrigkeit auf, sich aus den theologischen Auseinandersetzungen völlig heraus zu halten und sich ganz auf den leiblichen Schutz Schenks zu beschränken, um nicht für Georg angreifbar zu sein.53 Als Vorbild sollte Heinrich dabei Friedrich der Weise und dessen Verhältnis zu Luther dienen.54 Obwohl es sicher nicht im Interesse des Fürstenpaares war, daß sich ihr Hofprediger zum Luther Freibergs stilisierte, waren sie doch mit seinen Predigten sehr zufrieden und ließen ihn am 10. Oktober auf ihre Kosten in Wittenberg zum Doktor promovieren.55 (2) Die Bemühungen um eine Weihe Schenks Obwohl Schenk zurückgezogen im Schloß lebte,56 konnte nicht ausbleiben, daß Herzog Georg auf die Berufung eines evangelischen Predigers auf albertinisches Gebiet aufmerksam wurde. Er suchte nach einer Möglichkeit, Schenk wieder aus Freiberg entfernen zu lassen. Erstmals bot sich ein Angriffspunkt, als er von einem Abendessen auf Schloß Wolkenstein erfuhr, in dessen Verlauf Schenk seinem Herzog nach Auskunft des Annaberger Hauptmanns unter Alkoholeinfluß in ungebührlicher Weise in den Bart gegriffen hatte. Georg stellte deshalb den Charakter Schenks in Frage und teilte seinem Bruder mit, selbst einen Prediger für Freiberg suchen zu wollen.57 Dieses in höflichem, aber bestimmtem Ton gehaltene Schreiben würdigte Heinrich keiner Antwort. Als Georg am 19. November in Freiberg war, trat sein Rat Georg von Karlowitz58 an die Herzogin heran. Diese berichtete dem Kurfürsten, Karlowitz habe sie gefragt, »was wyr [sc. das Fürstenpaar] for leutt tzw freyberg weren, das wyr eynn schlechen leyhen der nicht gebeytt were, Hyr predigenn
52 Schenks eigene Abschrift datiert das Schreiben (ThHStA Reg. N 625, fol. 80v–85v) auf den Donnerstag nach Mariä Empfängnis (14.12.1536). Da es direkt auf Katharinas Schreiben antwortet und den Streit um Schenks Weihe noch nicht vorauszusetzen scheint, dürfte es eher in den Oktober gehören. 53 Vgl. a.a.O., fol. 81r–82r. 54 Vgl. a.a.O., fol. 82v–83r. 55 Vgl. Foerstemann, Liber, 31; Seidemann, a.a.O., 11; WA.Tr 4, 612 Nr. 5011. Die Promotion ist ein deutliches Zeichen dafür, daß Katharina nicht daran dachte, Schenk nach wenigen Monaten wieder freizugeben. Umgekehrt muß sich auch Schenk zu diesem Zeitpunkt auf eine längerfristige Anstellung eingestellt haben. 56 Vgl. Katharina an Johann Friedrich vom 14.11.1536 Seidemann, a.a.O., 125. 57 Vgl. ebd. Die Art, in der die Vorwürfe von den Freibergern zurückgewiesen werden, erwecken den Anschein, als habe der Annaberger Hauptmann den Vorfall zwar richtig beschrieben, aber unzutreffend gedeutet. Noch am 1.1.1537 schreibt der sächsische Kurfürst an Schenk, »[w]as auch die Wolckensteinische Handlung antrifft, darin seit Jr bei vns bereitan genugsam entschuldiget« (a.a.O., 142). 58 Vgl über ihn Wartenberg, Landesherrschaft, 87–89 (Lit.).
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lissenn«. Er schlug vor, der Herzog solle sich an den zuständigen Meißener Bischof wenden, »das er unßern prediger tzum evangelion weytt«.59 Schenk sollte demnach die Weihen bis einschließlich der Diakonenweihe empfangen.60 Die weitere Entwicklung zeigt, daß über die Einzelheiten und mithin wohl auch über die Motive für diesen ungewöhnlichen Vorschlag nicht gesprochen wurde. Zugrunde liegt offenbar die Überlegung, daß für die Evangelischen insbesondere die Priesterweihe unannehmbar war. Ihre Ausrichtung auf das Meßopfer und damit zusammenhängend die bei ihrem Vollzug verwendeten Riten hatten die schärfste Kritik der Reformatoren auf sich gezogen. Demgegenüber war die Diakonenweihe ganz auf die Schriftlesung hin konzipiert. Wie Karlowitz in Erfahrung brachte, war es im Meißener Bistum üblich, daß der Ordinand die Hand auf das Evangelium legte. Dagegen konnte seiner Ansicht nach von evangelischer Seite kein Widerspruch erhoben werden. Noch am selben Tag suchte Karlowitz der Herzogin zufolge Schenk auf, wiederholte seinen Vorschlag und machte den Prediger für die möglichen Folgen verantwortlich, wenn es zwischen den Herzögen zum offenen Bruch in der Religionsfrage käme.61 Weder Schenk noch die Herzogin wußten einzuschätzen, ob es sich beim Vorstoß Karlowitz’ um ein ernst gemeintes Vermittlungsangebot oder um den Versuch handelte, Heinrich durch die Einschaltung des Bischofs zusätzlich unter Druck zu setzen, nachdem Georgs Aufforderung nicht gefruchtet hatte. Es beunruhigte die Freiberger zusätzlich, daß der albertinische Regent selbst bei seinem Besuch in Freiberg kein Wort über die Angelegenheit verloren hatte. In dieser Situation verständigte man sich darauf, zunächst nicht zu reagieren und den sächsischen Kurfürsten, auf dessen politischen Schutz nun alles ankam, über das weitere Vorgehen entscheiden zu lassen.62 Johann Friedrich forderte daraufhin bei den Wittenberger Theologen ein theologisches Gutachten an, mit dem Schenk sich vor dem Bischof und der albertinischen Regierung rechtfertigen sollte. Der wohl von Melanchthon stammende, in der ersten Person als eine Stellungnahme Schenks formulierte Text besteht darauf, daß die Berufung des Hofpredigers rechtmäßig gewesen sei. Der nachträgliche Empfang der Diakonenweihe sei unnötig und auf-
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Katharina an Johann Friedrich vom 27.11.1536 Seidemann, a.a.O., 126. Eine geläufige Bezeichnung für den Diakon war ›Evangelier‹. Vgl. Grimm, Wörterbuch, s.v. und ferner die Formulierung Karlowitz’, Schenk möge sich »Zw eynen Euangelier … weyhen lassen« (Seidemann, a.a.O., 132). Die Form »evangelion« (vgl. noch a.a.O., 131) findet sich nicht bei Grimm. Möglicherweise handelt es sich um eine Parallelbildung zu ›Diakon‹. 61 Vgl. Seidemann, a.a.O., 127. Karlowitz drohte der Herzogin zufolge, die Söhne Heinrichs könnten enterbt, der Unterhalt für Heinrich gestrichen werden. 62 Vgl. a.a.O., 126 f. 60
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grund der mit ihr verbundenen Eide sogar schädlich.63 Der Kurfürst schloß sich in seinem Begleitschreiben vom 2. Dezember64 der Sicht seiner Theologen an. Er vermutete hinter dem Vorschlag Karlowitz’ eine Finte, mit der versucht werden sollte, Schenk zumindest bis zum Empfang aller Weihen an der Predigt zu hindern. Sei Georg mit dem Wittenberger Gutachten nicht zu besänftigen, solle Schenk vorübergehend seine Stelle mit dem Schneeberger Pfarrer Wolfgang Zeuner tauschen.65 Protestiere Georg auch dann noch, zeige sich, daß es ihm nicht um die Weihe, sondern nur um die Unterdrückung des Wortes Gottes gehe. Wie dann verfahren werden solle, läßt der Kurfürst offen. Jakob Schenk hielt sich überraschenderweise nicht an den Wittenberger Rat, sondern verfolgte eine eigene, defensivere Strategie. Nach Erhalt des Gutachtens schrieb er an Georg von Karlowitz,66 der Schenks Antwort auf den 63 Vgl. CR 3, 182–185 (MBW 1817). Der Inhalt des Gutachtens wird im nächsten Abschnitt gesondert behandelt. – Der Kurfürst spricht in seinem Begleitschreiben vom »Radt der Theologen« (Seidemann, a.a.O., 129). Ob außer Melanchthon noch jemand an der Abfassung beteiligt war, ist nicht auszumachen. Eine Beteiligung Luthers ist auszuschließen, da er sich nur wenige Wochen zuvor nachdrücklich für die Abberufung Schenks ausgesprochen hatte. Er war mit Herzog Heinrich im Sommer in Streit geraten, als auf seine Aussage hin der Freiberger Matthes Lotther wegen Verletzung des Urfriedens verfolgt wurde (vgl. zum Ganzen Vetter, Luthers Streit). Lotther hatte sich nicht mehr zuschulden kommen lassen, als »disputationsweyse« gefragt zu haben, ob das Abendmahl dort, wo es nicht öffentlich unter beider Gestalt gefeiert werden könne, nicht durch den Hausvater in der Familie gehalten werden dürfe (vgl. a.a.O., 92). Luther, der zunächst nur von Dritten in dieser Angelegenheit um Rat befragt wurde, verdächtigte daraufhin Lotther des gefährlichen ›Schwärmertums‹. Vgl. sein Antwortschreiben vom 11.2.1536 WA.B 7, 365–367; hier 366, 31 Nr. 2296. Nachdem Heinrich von diesem Urteil Luthers erfahren hatte, suchte er Lotther mit dem Ziel der Hinrichtung zu verhaften. Der Kartenmaler flüchtete daraufhin zu Luther, um das Mißverständnis aufzuklären. Ein erster ›Empfehlungsbrief‹ des Reformators fiel jedoch so negativ aus – Luther bat allen Ernstes um eine Begnadigung zur Kerkerhaft –, daß Heinrich an seiner Meinung, Lotther müsse hingerichtet werden, festhielt (vgl. a.a.O., 428 Nr. 3034 vom 7.6.1536). Erst in einem weiteren Gespräch konnte der Freiberger Kartenmaler den Reformator davon überzeugen, daß die ganze Angelegenheit ein schreckliches Mißverständnis war. Luther sprach sich nunmehr dafür aus, Lotther nicht zu belangen (vgl. a.a.O., 458 Nr. 3042 vom 4.7.1536). Heinrich und mit ihm nun auch Schenk ließen sich jedoch in ihrer Position nicht beirren. Anstatt seinen eigenen Fehler ausführlich darzulegen, erging sich Luther in heftigen, aber erfolglosen Vorwürfen an die Adresse der Freiberger (vgl. a.a.O., 584 f Nr. 3100 vom 2.11.1536) und forderte von Johann Friedrich, Schenk müsse aus Freiberg abberufen werden, weil er offenbar nicht frei verkündigen dürfe, sondern seinem Herrn nach dem Mund reden müsse (vgl. den Berichts Brücks über ein Gespräch mit Luther am 13.11.1536 bei Vetter, a.a.O., 93 f ). Das Verhältnis zwischen Luther und Schenk war seit dieser Angelegenheit dauerhaft zerrüttet. Das während des Weihestreits zu Tage tretende Bestreben Schenks, sich von Wittenberg zu emanzipieren, dürfte nicht zuletzt hier seinen Grund haben. Es ist auffällig, daß er während jener Wochen mit Johann Friedrich, Heinrich und Georg von Karlowitz einen regen Briefverkehr führte, mit seinen theologischen Lehrern jedoch nicht in Verbindung stand. 64 Abgedruckt bei Seidemann, a.a.O., 128–130. 65 Zeuner war geweiht, allerdings nicht ledig. Vgl. zu ihm Wartenberg, a.a.O., 113 Anm. 51. Schneeberg lag an der Grenze zum albertinischen Gebiet und war im gemeinschaftlichen Besitz der Wettiner, so daß auch deshalb der Stellentausch eine Kompromißgeste dargestellt hätte. 66 Vgl. das Schreiben vom 9.12.1536 bei Seidemann, a.a.O., 130–132.
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Vorschlag einer Weihe für seinen nächsten Besuch in Freiberg erbeten hatte. Er begründete sein Schreiben damit, beweisen zu wollen, wie sehr ihm der Friede zwischen Georg und Heinrich sowie das Wohl der christlichen Kirche am Herzen liege. Tatsächlich hatte Schenk jedoch eine konkreten Anlaß, sich schriftlich an Karlowitz zu wenden. Er nannte im Brief noch einmal die Einzelheiten ihres Gesprächs und bat seinen Adressaten, deren Richtigkeit zu bestätigen: Um der Einigkeit zwischen den Herzögen willen war Schenk dann zum Empfang der Diakonenweihe bereit, wenn ihm nichts weiter als die Zusage abverlangt werde, das Evangelium recht zu lehren. Weigerte sich der Bischof, ihm unter dieser Bedingung die Weihen zu erteilen, wäre der Prediger entschuldigt. Der Prediger erwähnte das Wittenberger Gutachten mit keinem Wort und stellte auch nicht wie dieses die Zuständigkeit des Bischofs in Frage. Eine Woche später gab Schenk dem Kurfürsten eine ausführliche Begründung seines Handelns.67 Er bedankte sich ausführlich für das Gutachten, das ihm noch nützlich sein könne, das er jedoch zunächst als ein »stichblatt vnd zw eyner letzlichen nöttwehr« zurückhalten wolle.68 Anstatt die Forderung der Gegenseite nach der Weihe prinzipiell zurückzuweisen, wolle er zunächst auf Zeit zu spielen. Er erwarte keineswegs, daß der Bischof auf seine Forderungen eingehen werde. Dann wolle er sich öffentlich vor ihm verantworten. Eine solche Disputation werde für die Gegenseite »wenig ehr vnd glimpff« bringen. Außerdem könne er durch immer neue Fragen das Verfahren verschleppen. So wäre es beispielsweise unangemessen und für seine Person gefährlich, wenn die Weihe in Meißen und nicht etwa in Freiberg stattfinden sollte. Durch solche Diskussionen werde die Gegenseite schließlich das Interesse an der Angelegenheit verlieren.69 Schenks Motiv dafür, einer direkten Konfrontation wenn irgend möglich aus dem Weg zu gehen, lag nicht in erster Linie in der Furcht vor Dresdener Sanktionen, die ja auch keineswegs durch den Sieg in einer theologischen Diskussion abzuwenden waren, sondern in der Rücksicht auf Herzog Heinrich. Blumig vergleicht ihn der Prediger mit einem Vogel, der sich im Fenster sitzend nicht entschließen könne, ob er sich wirklich in der Stube von Christus fangen lassen oder wieder zurück zu Wiesen und Wald fliegen wolle. Durch lautes Geschrei würde der Vogel vertrieben, und deshalb habe er, Schenk, ihm die beschriebene Vorgehensweise vorgeschlagen, die ihm gut gefallen habe. Sei der Kurfürst einverstanden, werde er so verfahren. Komme es wider Erwarten in den wesentlichen Punkten doch zu einer Einigung
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Vgl. das Schreiben vom 16.12.1536 a.a.O., 133–141. A.a.O., 136. Vgl. a.a.O., 137–139.
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mit dem Bischof, so daß etwa nur noch der Weiheort strittig bleibe, wolle er Johann Friedrich Bericht abstatten und weitere Anweisungen einholen.70 Die Taktik ging auf. Die Antwort Karlowitz’ fiel sehr moderat aus.71 Der herzogliche Rat lobte die Predigten Schenks und bestätigte ihm wie verlangt den Inhalt ihres Gesprächs. Inzwischen hatte er eine Unterredung mit dem Meißener Bischof geführt und erfahren, daß der Kandidat bei der Diakonenweihe lediglich Finger oder Hand auf das Evangelium zu legen und zu geloben habe, das Evangelium recht predigen und lehren zu wollen.72 Würden daher an Schenk andere Forderungen gestellt, seien sie nach Ansicht Karlowitz’ nicht von der Kirche geboten, und der Prediger wisse dann sicher Antwort darauf zu geben. Der Meißener Bischof habe allerdings festgestellt, daß eine solche Weihe ein dreiviertel Jahr dauern würde, nur der Mainzer Bischof habe die Macht, sie in einem Vierteljahr durchzuführen.73 In der Zwischenzeit solle Schenk auch im Hinblick auf das bevorstehende Konzil keine Neuerungen einführen. Von einem Predigtverbot bis zum Empfang der Weihen, wie Johann Friedrich befürchtet hatte, ist nicht die Rede. Der Hofprediger verfuhr dennoch, wie er dem Kurfürsten angekündigt hatte. Er antwortete Karlowitz umgehend, »noch nicht gnügßame antwort empfangen« zu haben. Insbesondere vermißte Schenk die Zusage, daß er bei Herzog Georg entschuldigt wäre, wenn der Bischof weitere Forderungen stelle und er selbst die Weihe deshalb ablehnen müsse.74 Wie von Schenk intendiert, reagierte Karlowitz auf die erneute Anfrage leicht ungehalten. Seiner Ansicht nach war inzwischen alles gesagt. Er wiederholte die Empfehlung des ersten Briefes, die anderen Kleriker Freibergs um Rat zu fragen, damit sie ihm über den gegenwärtigen Brauch der Diakonenweihe Auskunft geben könnten. Schenk könne dann prüfen, ob dieser mit der altkirchlichen Praxis übereinstimme. Unabhängig davon, ob er sich schließlich weihen lasse, sei vor allem wichtig, sich gegenüber dem Bischof zu verantworten und also den Willen zum Gehorsam zu bekunden. Der albertinische Rat schließt mit der 70
Vgl. a.a.O., 140 f. Vgl. das Schreiben vom 15.12.1536 a.a.O., 132 f. 72 Üblicherweise wurde das Evangelienbuch nicht nur vom Ordinanden berührt, sondern diesem wie die zu den anderen Weihen gehörigen Instrumente übergeben. Vgl. Ott, Weihesakrament, 92–96. 73 Offenbar verfügte Albrecht von Mainz für das zwischen dem letzten ordo minor und dem Subdiakonat vorgeschriebene Interstitium über ein Dispensationsrecht. Vgl. zur Sache Hinschius, System I, 112 f. 74 Vgl. den Brief vom 19.12.1536 unten S. 321 f (Anhang 1. c): Karlowitz möge »mich zuberichten, ob e.g. bey mir gesagt haben, das wo sich m.g.h. der Bischoff etc. wurde wegern mich auff sölche weysse zu weyhen, sondern wölte mir etwas anders einbinden, dadurch meyne gewissen vileicht etwas beschwert würden, so möchte ich die weyhe nachlassen, vnd würde, als den beyde m.g.h. Herzog Heinrich etc. vnd auch ich gnugßam vnd vberflussig bey m.g.h. Herzog Georgen etc. entschuldigt sein, Solchs ist nun ohne zweyffel aus andern obligenden geschefften verblieben, wöllet euch derwegen sölches noch nicht lassen beschwerlich sein«. 71
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Aufforderung, daß Schenk sich auch weiterhin mit Neuerungen zurückhalten möge, zumal der Bischof gegenwärtig erkrankt und eine Lösung des Problems kurzfristig nicht möglich sei.75 Johann Friedrich bestärkte Schenk in zwei Briefen im Januar76 in seinem Vorgehen und sicherte ihm seine volle Unterstützung zu. Zufrieden nahm er ein erneutes Schreiben Schenks vom 11. Januar77 zur Kenntnis. Dieser hatte ihm berichtet, seit dem Neujahrstag auf Befehl Heinrich sonn- und feiertags im Dom predigen zu dürfen, weil die Schloßkirche durch die bis zu 2500 Gottesdienstteilnehmer hoffnungslos überfüllt war.78 Auch Schenks Ankündigungen, weitere Prediger berufen und das Abendmahl unter beider Gestalt »frey offentlich« reichen zu wollen, lagen auf der kurfürstlichen Linie, nach der Schenk nicht nur Hofprediger, sondern Reformator des Freiberger Ländchens sein sollte. Der Wunsch des Kurfürsten, daß sich das Freiberger Fürstenpaar eindeutig zur Reformation bekennen solle, erfüllte sich. Am 5. Januar dankte Heinrich Johann Friedrich für das Angebot vom 2. Dezember, Wolfgang Zeuner als Ersatz für Schenk zu schicken. Doch Heinrich wolle an Schenk trotz des Widerstandes Georgs festhalten. »So ist auch … vnnßer Bruder In deme fahll [sc. die Berufung eines Predigers] vnßer Herr nicht.«79 Nachdem er und seine Söhne bereits im Sommer des vergangenen Jahres beantragt hatten, in den Schmalkaldischen Bund aufgenommen zu werden, wurde diesem Gesuch im Februar vom Bund stattgegeben. Damit verbunden war die Zusage, daß der Bund seinen Unterhalt sichern werde, falls Georg seine Drohung wahr machen und ihm das Jahresgeld streichen würde. So wurde auch die Position Schenks immer stärker, bis er am 27. Mai offiziell zum Superintendenten und Visitator von Freiberg und Wolkenstein ernannt wurde.80 Daß Schenks Vorgehen tatsächlich erfolgreich war, hatte vor allem äußere Gründe. Die politischen Machtverhältnisse verschoben sich zwischen November und Februar immer mehr zugunsten Heinrichs. Hinzu kam die Erkrankung des Bischofs, durch die die Freiberger zusätzlich Zeit gewannen. Ferner krankte der Vermittlungsvorschlag Karlowitz’ auch an eigenen Schwäche. Zum einen konnte Schenk die Gegenseite leicht in Verfahrensfragen verstricken, da das bestehende Ritual der Diakonenweihe für den von Karlowitz intendierten Anlaß nicht vorgesehen war. Da sie sonst nur den Durchgang zum Priestertum bildete, mußte der Ordinand hier weder auf den Zölibat 75
Vgl. den Brief vom 23.12.1536 unten S. 322 (Anhang 1. d) Vgl. Seidemann, a.a.O., 141 f. 145 f vom 1. und 24.1.1537. 77 Vgl. a.a.O., 142–145. 78 So Katharina in ihrem Brief an Johann Friedrich vom 27.11.1536 a.a.O., 127. 79 ThHStA Reg. N 625, 29. Seidemann, a.a.O., 17 faßt das stark beschädigte Schreiben dahingehend zusammen, daß Heinrich seinen Bruder nicht mehr fürchte. Davon ist dort jedoch keine Rede. Heinrich bekräftigt nur, an Schenk festhalten zu wollen. 80 Vgl. a.a.O., 20; Wartenberg, a.a.O., 100 f. 76
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noch auf das Festhalten an der kirchlichen Lehre verpflichtet werden. Doch waren diese Elemente aus Sicht des Bischofs für einen Prediger verzichtbar? Sollte die Diakonenweihe für sich allein stehen, erhielt sie also einen völlig anderen Stellenwert. Die Tatsache, daß Karlowitz sich erst nach dem Treffen mit Schenk nach den Details dieses Weihegrades erkundigen mußte, zeigt, daß sein Vorgehen nicht mit dem Bischof abgesprochen war. Aus dessen Sicht bereitete Karlowitz’ Vorschlag wohl mehr Probleme, als er löste. Schließlich wurde die Position Karlowitz’ auch durch ihre mangelnde Eindeutigkeit geschwächt. Während der ganzen Zeit wurde nicht deutlich, ob er vorrangig den Einfluß Georgs sichern wollte oder tatsächlich um eine Vermittlung bemüht war. Hatten die Freiberger hier zunächst noch eine Falle vermutet, zeigte sich im Verlauf des Briefwechsels mit Schenk, daß der herzogliche Rat selbst nicht prinzipiell an der Durchsetzung des kanonischen Rechts interessiert war. Der Freiberger Prediger war jedenfalls davon überzeugt, daß Karlowitz durch seinen Brief vom 23. Dezember so sehr kompromittiert sei, daß ihm selbst bei einem Wiederaufflammen der Auseinandersetzung keine Gefahr mehr drohe.81 Karlowitz’ Schreiben lassen erkennen, daß die Sorge der Dresdener darüber, daß man in Freiberg »eynn schlechen leyhen« predigen lasse,82 weniger in einem sakramentalen Defizit, sondern in der Tatsache begründet lag, daß er damit dem Gehorsam des Bischofs enthoben war. Insofern ist der Streit um Schenks Predigtamt symptomatisch dafür, inwiefern der Weihe in der Reformationszeit Bedeutung beigemessen wurde. (3) Das Wittenberger Gutachten zur Notwendigkeit der Weihe Erst jetzt ist das vor allem von Melanchthon verfaßte Gutachten von Anfang Dezember 1536 zu untersuchen. Da es von Schenk zurückgehalten wurde, spielte es für den Verlauf der Auseinandersetzung mit Karlowitz keine Rolle.83 Dagegen übte der Text einen erheblichen Einfluß auf die weitere Entwicklung 81 So in seinem Schreiben an Johann Friedrich vom 11.1.1537 bei Seidemann, a.a.O., 144: »Dan ich nicht sonderlich besorge. Das sie mich weytter söllten mitt yhrer weyhe anfechten. Wie sie sich aber wider vntterstehen wurden, als sie den gleichwol schwerlich von yhrem thun abtretten, so hab ich Karllwitz beyde brieff, so er an mich geschrieben durch welche ich die Bepstliche weyhe kann als strefflich vnnd ungöttlich Dermassen verwerffen, Das kein vnglimpf wieder willen oder vneynickeit zwischen beyden brudern meynen m.g.h. etc. erwachßen kann, Man wölte den mit sonderlichen vleyß vrsach suchen da keyne ist, dan weyl die Bepstliche weyhe von dem mittler selbs gescholten, bin ich dadurch ob sie gleich von mir auch verworffen gnugsam entschuldigt.« Daß Karlowitz die Weihe »gescholten« habe, ist nicht zutreffend, aber darin, daß er ihre Anwendung nicht unbedingt fordert, liegt natürlich eine Relativierung ihrer Bedeutung. 82 Vgl. o. S. 220 f. 83 Gegen Wartenberg, a.a.O., 100. Seine nicht weiter ausgeführte These, daß »die Wittenberger Theologen [mit dem Gutachten] den Ausschlag für Schenks Bleiben in Freiberg« gaben, ist unzutreffend. Heinrich überließ die Angelegenheit seiner Frau und Schenk, die das Gutachten beiseite ließen. Johann Friedrich wollte Schenk unbedingt in Freiberg halten und hätte eher einer Diakonenweihe als einer Abberufung des Predigers zugestimmt.
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der Wittenberger Ordinationspraxis und namentlich auf die Vorbereitungen des Schmalkaldischen Bundestages im Februar 1537 aus, worauf im Anschluß einzugehen sein wird. Einer Präambel gleich wird vor der zu beantwortenden Frage zunächst die hohe Bedeutung des Predigtamtes herausgestellt. Der Prediger selbst und die berufende Gemeinde müßten deshalb der Rechtmäßigkeit der Berufung gewiß sein. Darum wolle Schenk, in dessen Namen das Gutachten formuliert ist, gern über die Frage Rechenschaft ablegen, »ob mir geb hr zu predigen, so ich doch nit von den Bisch ffen geweihet bin zu Subdiacono oder Diacono«.84 Der erste Abschnitt beruft sich für die These, daß Taufe und Predigt auch ohne Weihe »recht und kr ftig« seien, auf Origenes und andere altkirchliche Gewährsmänner. Ebenfalls im Rückgriff auf die Väter – nämlich auf Cyprian, Augustin und die Konzilsväter von Nizäa – wird andererseits festgehalten, daß das öffentliche Predigtamt eine öffentliche Berufung voraussetzt. Damals wurde sie durch »das Volk, das ist, die Vornehmsten im Volk« vollzogen. Dieses Kriterium ist im Falle Schenks erfüllt. »Nu bin ich also durch die Kirch zu Freiburg [Freiberg], das ist durch die Oberkeit und vornehmsten Personen ffentlich berufen, welche Kirche und Personen zu berufen Macht haben, dazu große wichtige Ursach haben, selb und ohne der Bischoff Zuthun, christliche Pr dicanten zu foddern«.85 Hier tritt eine Schwäche des Gutachtens zu Tage. Daß die Beteiligung der Gemeinde an der Berufung, die die Reformatoren seit den frühen zwanziger Jahren gefordert hatten, hier lediglich in der Person des Herzogs verwirklicht ist, ist nicht neu. Luther und Melanchthon lag seit Mitte der zwanziger Jahre daran, den Einfluß des gemeinen Volkes auf die Berufung nach Möglichkeit gering zu halten. Problematisch an der Aussage im Gutachten ist aber, daß Schenk für sein Wirken strenggenommen über keine Berufung verfügte. Er war als Schloßprediger angestellt und arbeitete bereits an der Reformation der gesamten Stadt. Anders ausgedrückt: Heinrich hatte Schenk nicht als der Vornehmste der Freiberger, sondern als Privatmann berufen. Insofern war der Verweis auf die Berufung allein nicht hinreichend. Das Gutachten bezieht sich noch auf einen weiteren Aspekt der altkirchlichen Weihepraxis. Damals sei jeweils ein benachbarter Bischof hinzugezogen worden, »damit der gew hlte ein Zeugniß seiner Lahr h tte«. Dies war bei Schenk nicht geschehen, doch erfüllte in den Augen der Wittenberger sein Doktortitel den gleichen Zweck. »Zu dem habe ich gut Zeugniß meiner Lahr und gemeinen Befehl zu lehren durch den Gradum, welchen ich ffentlich von denjenigen empfangen, welche im Predigtamte sind, und nichts anders, 84 85
CR 3, 183 (MBW 1817). Das »nit« ist nach MBW-T7, 289, 6 ergänzt. A.a.O., 184. Sperrung und Klammer im Original.
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denn reine christliche Lahr, nach Verstand der rechten und katholiken Kirchen Christi lehren und predigen; wie ich auch mit Gottes H lf keine andre Lahr f hren will, denn reine christliche und einhellige Lahr mit der rechten katholiken Kirchen Christi.« Deshalb bedürfe er, Schenk, keiner Weihe durch die Bischöfe. Gegen den Empfang der Diakonenweihe spreche zwar prinzipiell nichts, doch die Eide, das Evangelium zu verleugnen und den Zölibat einzuhalten, könne er nicht leisten. 86 Das mit dem akademischen Grad verbundene universale Lehrrecht, das sich tatsächlich aus päpstlichen und kaiserlichen Privilegien herleitete,87 wird also im Gutachten darauf gegründet, daß andere Amtsträger die rechte Lehre des Promovenden geprüft hatten. Dieses Argument drängte sich Melanchthon wohl nicht nur deshalb auf, weil Schenk damit ein universales Predigtrecht zugeschrieben werden konnte. Hinzu kam, daß so die Befähigung zum kirchlichen Amt ganz analog zum Wittenberger Ordinationsverfahren begründet werden konnte. Dort wurde in der Tat die Berufung in der Gemeinde durch ein Zeugnis ergänzt, das den Ordinierten prinzipiell dazu berechtigte, in der kursächsischen Kirche zu lehren. Diese Zeugnisse waren, wie wir noch sehen werden, von den Wittenberger ministri Euangelii unterzeichnet, womit theologische Lehrer und Prediger gemeint waren. Darin liegt eine Parallele zum Gutachten für Schenk, in dem hervorgehoben wird, daß er seinen Doktorgrad von solchen Personen empfangen habe, die die reine Lehre lehrten und predigten. Ob dieser Abschnitt Herzog Georg oder den Meißener Bischof davon hätte überzeugen können, daß Schenk keiner Weihe bedurfte, ist zweifelhaft. So scheint der Abschnitt im Sinne der Präambel eher der Vergewisserung der eigenen Seite als der Verantwortung vor den kirchlichen Instanzen zu dienen. Schenk war nicht ordiniert, wie dies inzwischen von allen kursächsischen Kandidaten verlangt wurde. Seine Promotion stellte jedoch eine – hinsichtlich der Lehre – mindestens gleichwertige Qualifikation dar. (4) Der Streit um Schenk und die Wittenberger Ordination In den zahlreichen Schriftstücken, die im Streit um die Weihe Schenks hin- und hergingen, schlug sich an keiner Stelle die Tatsache nieder, daß seit anderthalb Jahren in Wittenberg ein Ordinationsverfahren etabliert war. Es ist bemerkenswert, daß dies Verfahren in der Korrespondenz zwischen Freiberg und Kursachsen keine Rolle spielt, obwohl Karlowitz ja durchaus gewillt schien, an einer Kompromißlösung mitzuwirken. Man hätte also versuchen können, ihn mit Argumenten, wie sie Luther in Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe vorgebracht hatte, von der Rechtmäßigkeit der Wittenberger Ordination zu überzeugen. Obwohl der Meißener Bischof mit einer solchen 86 87
Vgl. a.a.O., 184 f. Vgl. o. S. 72 Anm. 140.
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Argumentation kaum zu beeindrucken war, hätte sie in Melanchthons Gutachten zur Weihe ihren Platz finden können, zumal sich der Reformator auf die Promotion bezieht. Daß sich von alledem keine Spur in den Quellen findet, schließt aus, daß Schenk vor seiner Ankunft in Freiberg in Wittenberg für dieses Amt ordiniert worden war.88 Ebensowenig kann erwogen worden sein, eine solche Ordination nachzuholen. Der Grund für diesen Befund liegt darin, daß das Wittenberger Ordinationsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt auf die kursächsischen Amtsträger beschränkt war. Ihnen waren das Examen und die Ordination in der Universitätsstadt von der Obrigkeit vorgeschrieben, während sie für Kandidaten eines auswärtigen Amtes nicht vorgesehen war. Der Streit um den Status Schenks in Freiberg ist dafür der endgültige Beweis. Im Bewußtsein der Be88 Kandler hat in zwei Artikeln (Luther, 377; Schenk, 19–21) die These vertreten, Schenk sei »vor seiner Abordnung nach Freiberg … ordiniert« (a.a.O., 20) worden. Er nennt dafür drei Gründe. Zunächst verweist er auf Luther, der die Ordination als notwendige Voraussetzung für das Amt angesehen habe, wie er v.a. mit dem Brief an Sutel glaubt belegen zu können. Daß diese Deutung des Briefes an Sutel fehlgeht, wurde oben S. 111–116 gezeigt. Sodann bezeichnet er als höchst unwahrscheinlich, daß Luther »gegen die ausdrückliche Bitte um einen von einem Bischof geweihten und unverheirateten Prediger nun ausgerechnet einen Nichtordinierten nach Freiberg gesandt hat« (ebd.). Dieses Argument wird durch den Geleitbrief vom 19.7.1536 widerlegt, in dem der Kurfürst sich auf die Auskunft der Herzogin bezieht, daß sie »an dem nit Scheuch het, ob er gleich von den Bebstlich(en) Bischof(fen) nit geweihet were« (u. S. 319 f [Anhang 1.b]). Vor allem aber stützt sich Kandler auf zwei lokalgeschichtliche Werke aus dem 17. und 18. Jahrhundert, deren Nichtbeachtung in der Literatur zu Schenk er mehrmals beklagt (vgl. Kandler, Luther, 380 Anm. 1; 381 Anm. 34; ders., Schenk, 24 Anm. 20). Die angeführten Belege stützen sich jedoch, anders als Kandler offenbar annimmt, auf keine anderen als die uns bekannten Quellen und sind deshalb historisch wertlos. Zudem zeigt sich bei näherem Hinsehen, daß keiner der Verfasser der Ansicht war, Schenk sei ordiniert gewesen. Im Detail: Bei Wilisch, Kirchen=Historie, 138 (1737) heißt es: »Bald darauf schickte auf Begehren gedachten h chstl bl. Hertzogens und des hiesigen Raths Lutherus ohne Verzug Jacob Schencken hieher, welcher nach erlangten ordentlichen Beruff und Ordination anf nglich in der Schloss=Kirchen, nachmals t glich im Dom zweymal predigte …«. Damit ist in der Tat ein Ordinationsritus in Wittenberg oder Freiberg gemeint. Wilisch verweist für diese Aussage nun seinerseits auf Moeller, Theatrum, 220 f (1653): Luther »[s]chickete … auff begehren Ihrer F rstl. Gnaden/ und E.E. Raths ohne verzug M. Jacob Schencken nach Freybergk … Dieser nach erlangten ordentlichen Beruff predigte anf nglichen in der SchlossKirchen/ folgends t glich im Thum zweymal«.Wilisch selbst schreibt dann jedoch weiter unten, es sei »vermuthlich irrig, wann unser Mollerus l. c. p. 220. Schencken einen erlangten ordentlichen Beruff beyleget« (Wilisch, a.a.O., 155). Die Erklärung für den Widerspruch liegt darin, daß Wilisch zwischen beiden Stellen auf S. 141–147 den Streit um eine eventuelle Weihe Schenks referiert, den er nicht bei Moeller, wohl aber in Seckendorfs Reformationsgeschichte fand, und auf dieser Grundlage zu dem Schluß gekommen ist, daß Schenk nicht ordiniert gewesen sein könne.Tatsächlich hat Wilisch Moeller aber mißverstanden. Dessen Formulierung »nach erlangten ordentlichen Beruff« bezieht sich nicht auf eine rituelle Ordination, sondern gibt den Standpunkt Wittenbergs und Freibergs im Streit mit Herzog Georg wider. Auch wenn Moeller etwa das Gutachten Melanchthons nicht zu kennen scheint, entspricht die Formulierung aus CA 14 genau der dort formulierten Position. Wilisch hingegen verstand diese Formulierung – wie offenbar auch Kandler – als Hinweis auf eine Ordination und ergänzte seine Quelle. Die Freiberger Chroniken sind folglich im Hinblick auf die Frage, ob Schenk ordiniert war, ohne Wert.
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VII. Das Ordinationsverfahren in seiner Begrenztheit auf Kursachsen (1535–37)
teiligten war die Wittenberger Ordination in einem solchen Maße mit den kursächsischen Verhältnissen verknüpft, daß noch nicht einmal der Gedanke aufkam, ob sie zur Lösung des Problems hätte beitragen können. Im Fall Schenks konnte aus Wittenberger Sicht in diesem Zusammenhang auf dessen theologischen Doktorgrad verwiesen werden Doch wie verhielt es sich mit der großen Mehrzahl der Wittenberger Theologen, die ohne einen akademischen Grad ein kirchliches Amt außerhalb der ernestinischen Grenzen antraten? Wie sollten ihre theologischen Fähigkeiten bescheinigt werden? Wie sollte nach innen und nach außen argumentiert werden, wenn wieder ein kirchlicher Amtsträger wegen seiner fehlenden Weihe angegriffen wurde? Diese Frage blieb im Gutachten vom Dezember 1536 offen. Es sollte nur wenige Wochen dauern, bis Melanchthon für das bis dahin offenbar kaum wahrgenommene Problem, das dem Wittenberger Ordinationsverfahren innewohnte, einen ersten Lösungsvorschlag präsentierte.
2. Der Plan einer gesamtevangelischen Ordination im Schmalkaldischen Bund im Vorfeld des Bundestages (Februar 1537) a. Der historische Hintergrund von Luthers Schmalkaldischen Artikeln Im Laufe des Jahres 1536 war Luther mehrmals schwer krank. Irgendwann vor dem 3. September muß Johann Friedrich ihn deshalb aufgefordert haben, ihm »sein hercz der Religion halben als vor sein testament zueroffenen«.89 An einer solchen theologischen Klarstellung war der Kurfürst sowohl wegen der bevorstehenden Entscheidung über die Beschickung des Konzils in Mantua90 als auch im Hinblick auf die innerprotestantischen Streitigkeiten interessiert.91 Dieses Ansinnen lag Johann Friedrich am Herzen, denn Anfang Dezember notierte er sich ähnliche Gedanken in einem »Gedenck zeddel«,92 den er zu 89 Brück an Johann Friedrich bei Volz/Ulbrich, Urkunden, 19, wo auch berichtet wird, Luther habe bereits mit der Arbeit begonnen. Der Befehl des Kurfürsten ist nicht erhalten. Vgl. zu den Krankheiten ebd., Anm. 7 und zum Ganzen Volz, Artikel, 260–263. 90 Das Konzil war am 2.6.1536 von Papst Paul III. in der Bulle Ad dominici gregis auf den 23.5.1537 ausgeschrieben worden. Vgl. Jedin, Geschichte I, 252. 91 Gegen die von Bizer, Verständnis, 66 gegen Volz vertretene These, die Artikel seien ausschließlich als Verhandlungsgrundlage für das Konzil in Auftrag gegeben worden. Daß Luther hier einen »Sonderauftrag« (a.a.O., 64) hatte, während gleichzeitig an alle Wittenberger Theologen im Hinblick auf den unwahrscheinlichen Fall eines freien Konzils der Befehl erging, »das jetzt und zeitlich von dem Concilio berathschlagt und in ordentliche Verzeichniß bracht w rd, welche Artikel man m ßte erw gen und stillschweigen nicht bergehen« (CR 3, 156), spricht ebenfalls für eine weitere Perspektive im Falle Luthers. Die Diskussion ist hier nicht im einzelnen aufzunehmen. Vgl. Volz, Artikel, passim und Bizer, Noch einmal, passim. 92 CR 3, 139–144. Eine bessere Edition des allerdings nicht vollständigen Textes findet sich bei Volz/Ulbrich, a.a.O., 22–26, die soweit möglich zitiert wird.
2. Der Plan einer gesamtevangelischen Ordination im Schmalkaldischen Bund
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Verhandlungen in Wittenberg mitbrachte. Obwohl die Erwartungen im Hinblick auf das Konzil gering sind, wird das Verfahren genau festgelegt: Luther soll schriftlich festhalten, »worauf er … vff ainem Concilio, auch in seinem leczten abeschied von dieser welt … gedenkt zuberuhen vnd zupleiben«, und ferner, in welchen Artikeln aus Liebe und ohne Verletzung des Wortes Gottes ein Nachgeben möglich sei. Die Artikel soll Luther anschließend seinen Wittenberger Kollegen und einigen von ihm einzuladenden Predigern vorlegen, die sie, sofern sie mit den Artikeln einig sind, unterschreiben sollen, damit sie nicht »doch volgend zu ainer andern zeit ain anders leren, Predigen, schreiben vnd an tagk geben wolten«.93 In einem Brief an die Wittenberger Theologen94 fügt er diesem Gedanken hinzu: »W[an einer in e]inem [artickel ader] etzlichen [noch irgendwel]ch bede[ncken hette], des ir euch nit gen[tzlich vorg]leichen mochtet, Der selbe wolte solch sein [bedencken] schrifftlich auch vorfassen, des grundt [vnd vr]sachen vormelden vnd antzaigen vnd vns neben dem andern allenthalben zuschigken.«95 Im Gedenkzettel wird deutlich, warum Johann Friedrich an solchen Artikeln lag: Er verfolgte den Gedanken, ein evangelisches Gegenkonzil einzuberufen.96 Im Hinblick darauf sollten die Artikel Luthers allen Religionsverwandten zur Annahme bzw. zu Einigungsverhandlungen vorgelegt werden. Von dem auf dieser Grundlage einzuberufenen Konzil hatte der Kurfürst klare Vorstellungen. Der Kaiser sei genau zu informieren, so daß »aller Unglimpf« der päpstlichen Seite aufgeladen werde. Das Konzil habe frei zu sein, insofern jeder – aber auch nur derjenige – Teilnehmer anzuhören sei, der sich auf die Heilige Schrift berufe. Abschließend macht der Kurfürst Vorschläge, die die Sicherheit des Konzils gewährleisten sollen.97 Bereits im Juni 1533 nach den Verhandlungen mit Nuntius Rangoni über das Konzil98 hatte Johann Friedrich diesen Gedanken erstmals erwogen und eine Stellungnahme der Wittenberger Theologen99 erbeten. Damals hatten sie ihren Fürsten vor der unnötigen Provokation eines Gegenkonzils gewarnt, zumal vorher Einigkeit in den eigenen Reihen hergestellt werden müßte. 93 Volz/Ulrich, a.a.O., 23, 11–24, 47. – CR 3, 140 hat im die Unterschrift betreffenden Satz das »mit« zu »nit« verlesen. 94 Johann Friedrich an Luther, Jonas, Bugenhagen, Melanchthon und Cruciger vom 11.12. 1536, WA.B 7, 612–614, Nr. 3116=Volz/Ulrich, a.a.O., 26–29. Nach letzteren, die von Clemens Rekonstruktion des durch Mäusefraß beschädigten Originalkonzept teilweise abweichen, wird zitiert. 95 A.a.O., 28, 41–46. – Die Anweisung, die Theologen zu aufrichtigen Kommentaren und ggf. Sondervoten zu Luthers Artikeln zu bewegen, ergibt übrigens nur einen Sinn, wenn der Kurfürst mehr als eine Verhandlungsgrundlage für das Konzil wünschte. 96 Vgl. zu diesem Plan Volz, a.a.O., 264 und Wolgast, Konzil, passim. 97 CR 3, 141–144. 98 Vgl. Wolgast, Konzil, 123. 99 Vgl. WA.B 6, 488, 37–45, Nr. 2028 III.
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Letztere war mit der Wittenberger Konkordie100 inzwischen hergestellt, doch an dem Argument, das Gegenkonzil würde eine katastrophale Außenwirkung haben, hielten die Reformatoren fest: In ihrer Antwort auf den Gedenkzettel Johann Friedrichs von Anfang Dezember 1536 schreiben sie, ein Gegenkonzil habe »einen großen schrecklichen Schein ein Schisma anzurichten, und daß man sich wider die ganze Welt setzen wolle«.101 Obwohl die Theologen also den Gedanken, mit den Artikeln die Bekenntnisgrundlage für ein mögliches evangelisches Konzil zu schaffen, ablehnten, hielten sie sich an das verlangte Procedere. Luther verfaßte seine Artikel trotz eines Herzanfalls am 18. Dezember. Entsprechend knapp ist der Schluß des Textes, den er diktieren mußte, gehalten,102 denn die Einladungen zu einer Theologenkonferenz am 28. Dezember waren an die auswärtigen Theologen Nikolaus von Amsdorf aus Magdeburg, Johann Agricola aus Eisleben und Georg Spalatin aus Altenburg bereits verschickt. Auf dieser Konferenz wurden die Artikel gemäß der Anordnung des Kurfürsten diskutiert.103 Nicht nur seine Krankheit, wie Luther dem Kurfürsten am 3. Januar berichtete,104 sondern auch die Uneinigkeit mit Melanchthon erschwerte eine rasche Einigung auf die Artikel. Während sich Luther auf die Einfügung eines von seinem Kollegen gewünschten Abschnittes über die Anrufung der Heiligen einließ, blieben drei weitere Artikel Melanchthons strittig. Sie wurden als Sondervoten – als »anhengig«105 – zusammen mit den Artikeln überbracht. Die Frage einer evangelischen Ordination wurde in Luthers Artikeln, in einem Ergänzungsartikel Melanchthons und schließlich in der Reaktion des Kurfürsten auf letzteren behandelt. b. Luthers Artikel »Von der Weihe und Vokation« Luthers Artikel106 gliedert sich in zwei Abschnitte. Im ersten Teil wird das Zugeständnis gemacht, daß die eigenen Prediger um der Liebe willen von den Bischöfen ordiniert und konfirmiert werden könnten, wenn diese sich der Kirche und des Evangeliums annähmen. Aufgrund des faktischen Versagens 100
Vgl. dazu und zur Vorgeschichte v.a. Bizer, Studien, 65–130. Gutachten der Wittenberger Theologen CR 3, 126–131, hier 127 (MBW 1818), vgl. WA.B 7, 604 f. Der Kurfürst erhielt das Gutachten am 6.12.1536. 102 Vgl. die Artikel in ihrer Urform bei Volz/Ulbrich, a.a.O., 35–69 und in der Druckform mit Ergänzungen und Luthers Vorrede in BSLK, 405–468. Das letzte Viertel des Textes nehmen die diktierten 13 der insgesamt 22 Artikel ein. Vgl. zur Erkrankung Luthers Volz, a.a.O., 267 f. 103 Vgl. die Briefe WA.B 7, 614 f Nr. 3117 f vom 15.12.1536. Die Einladung an Amsdorf ist nicht erhalten. 104 Vgl. WA.B 8, 3, 10–13 Nr. 3124. 105 Vgl. Volz/Ulbrich, 70 f und dort die Argumente für Melanchthons geistige Urheberschaft gegen die Ansicht bei Höss, Spalatin, 385, es handle sich um Sonderwünsche Spalatins. 106 A.a.O., 65 f=BSLK, 457 f. 101
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der Bischöfe, die ihr Amt nicht ausüben und gar Berufene verfolgen, bleibt dies jedoch eine theoretische Möglichkeit. Soweit entspricht der Artikel den Gutachten der Jahre 1530 und 1531.107 Anders als damals wird nun in einem zweiten Abschnitt ausgeführt, wie die Evangelischen verfahren würden, wenn – oder besser da – die Bischöfe den an sie gestellten Anforderungen nicht gerecht würden. Sie »wollen und sollen«, so der zweite Teil, nach dem Beispiel der Alten Kirche selbst ordinieren. Wie 1533 beruft sich Luther auf die kirchenrechtliche Gültigkeit der Ketzerweihe und fügt die Beobachtung an, daß laut Hieronymus die alexandrinische Gemeinde anfangs ohne Bischof gewesen sei,108 woran sich zeige, daß die Beteiligung des Bischofs an der Ordination nicht notwendig sei. Inhaltlich geht der zweite Abschnitt über die entsprechende Passage in Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe nicht hinaus. Durch seinen Kontext erhält er gleichwohl ein besonderes Gewicht. Einerseits ist die eigene Ordination keine Möglichkeit mehr, die vage für die nächste Zukunft angekündigt wird, sondern in Wittenberg inzwischen eine Realität, die auch der Gegenseite seit dem Besuch des päpstlichen Nuntius Vergerio im November 1535 bekannt ist.109 In Verbindung mit dem Hinweis auf die faktisch stattfindenden evangelischen Ordinationen wird deutlicher als je zuvor, daß das versöhnliche Angebot an die Bischöfe nur »vmb der Liebe vnd einigkeit willen, doch nicht auß nodt« ergeht. Andererseits geht der Reformator zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, daß die Artikel zur Bekenntnisschrift des Bundes erhoben werden sollen.110 Folglich kann der Ordinationsartikel nicht einfach von der kursächsischen Praxis ausgehen, sondern muß auch der Situation der Bündnispartner gerecht werden. Keiner von ihnen praktizierte aber zu diesem Zeitpunkt eine Ordination mit Handauflegung.111 Dies dürfte der Grund dafür sein, daß Luther in der ursprünglichen Überschrift den zweiten Begriff von »Ordination« in »Vokation« ändern ließ, denn die in CA 14 niedergelegte Berufung wurde von allen evangelischen Ständen als notwendige Voraussetzung für das Amt angesehen. Aus Wittenberger Sicht brachte die Änderung gleichzeitig zum Ausdruck, daß in der Berufung der wesentliche Aspekt der Ordination lag.
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Vgl. o. S. 136 f. 148 f. Luther zitiert hier allerdings nicht ganz korrekt. Vgl. BSLK, 430 Anm. 5. 109 Vgl. o. S. 207 f und die Reaktion des Cochläus, dem außer dem Fehlen der Salbung bei den Wittenberger Ordinationen auch bekannt ist, daß Luther und Bugenhagen als Ordinatoren fungierten (zitiert in BSLK, 458 Anm. 3). 110 Vgl. Landgraf Philipp von Hessen an den Straßburger Delegierten Jakob Sturm am 10.2.1537 bei Volz/Bizer, a.a.O., 104, 5 f: Melanchthon habe ihm berichtet, daß Luther seine Artikel »ganz gemein«, also für alle Bundesgenossen annehmbar, formuliert habe. 111 Vgl. o. S. 143 Anm. 31. 108
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c. Melanchthons Anliegen einer gesamtevangelischen Ordinationsregelung Während der Theologenkonferenz Ende des Jahres 1536 in Wittenberg muß Melanchthon die Rede auch auf Luthers Artikel über die Weihe gebracht haben. Über diese Diskussionen ist nichts weiter bekannt, doch das Ergebnis war, daß dem Kurfürsten zu diesem Thema ein Ergänzungsartikel112 übermittelt wurde. In ihm heißt es, unabhängig von der künftigen kirchenpolitischen Entwicklung sollten sich die Fürsten und Stände des Bundes vor Augen führen, »das aufs hochst von neten sey, wie die Ordination zubestellen sey«, da, wie jedermann wisse, ohne Vokation niemand öffentlich lehren dürfe. Außerdem müsse die Gemeinde vor dem berufenen Amtsträger »ein schew haben«. Zunächst ist auffällig, daß sich der Artikel in formaler Hinsicht von den beiden anderen »anhengig[en]« Artikeln113 grundsätzlich unterscheidet. Diese wollen – wie auch Melanchthons verklausulierte Unterschrift unter Luthers Artikel114 – den Verhandlungsspielraum für ein Konzil abstecken, wie es der Kurfürst im Brief vom 11. Dezember verlangt hatte.115 Der Artikel »Von der Ordination vnd weihe« dagegen enthält nicht nur kein Verhandlungsangebot, sondern hat mit dem Konzil überhaupt nur mittelbar zu tun. Vielmehr richtet sich Melanchthon an die eigenen Bundesgenossen und ruft sie unabhängig von einer Entscheidung in der Frage der bischöflichen Jurisdiktion zum Handeln auf. Ferner bezieht sich der Artikel im Gegensatz zu den beiden anderen auf einen vorliegenden Artikel Luthers. Diesen kann und soll er aber in der vorliegenden Form weder ersetzen noch – trotz des Untertitels (»Eyn zusatz an des Herrn doctor Martinus Luthers artickel«) – im Wortlaut ergänzen. Es 112 A.a.O., 73, 31–45=CR 3, 236. Rietschel, Luther, 72 und in seinem Gefolge Lieberg, Amt, 191 f und Smith, Luther, 86 Anm. 95 erklären nicht nur irrtümlich Spalatin zum Verfasser und Melanchthon zum Adressaten dieses Artikels, sondern ignorieren auch völlig den Bezug auf den bevorstehenden Bundestag und Luthers Artikel. Nur so ist es möglich, daß Rietschel hier einen Beleg dafür findet, daß bis zu diesem Zeitpunkt »noch nicht über die rechte Weihe der Ordination klare Bestimmung getroffen« war. – Hauschild, Amt, 86 Anm. 6 nennt jüngst erstaunlicherweise Luther als Verfasser. Er glaubt in dem Artikel einen Beleg für die hohe Bedeutung zu finden, die der Reformator der Ordination beilege. 113 Vgl. Volz/Ulbrich, a.a.O., 71–73=CR 3, 235 f (MBW 1831). Bei den übrigen Artikeln handelt es sich um Thesen zur Duldung der Kommunion unter einer Gestalt in altgläubigen Gebieten sowie einen Artikel über die Adiaphora. Daß Melanchthon mit dieser Haltung auf der Theologenkonferenz nicht völlig isoliert war, beweist der Eingangssatz des Sondervotums, in dem von den »hernach geschriebene[n]« die Rede ist. Obwohl die Unterschriften fehlen – ob dies ein Indiz für den Verlauf der Verhandlungen ist, ist nicht zu klären –, muß Spalatin bei der Niederschrift noch von mehreren Unterzeichnern ausgegangen sein. Scheibles Vermutung, Melanchthons erweiterte Unterschrift unter die Artikel habe das Sondervotum ersetzt (MBW-Reg 2, 289), geht fehl, denn das Schriftstück wurde ja tatsächlich dem Kurfürsten übermittelt. 114 Vgl. Volz/Ulbrich, 75, 7–14=BSLK, 463, 10–464, 4. Melanchthon spricht sich im Nachsatz zu seiner Unterschrift dafür aus, dem Papst den Primat de iure humano unter der Bedingung zuzugestehen, daß er »das Euangelium wolte zulassen«. 115 Vgl. Volz/Ulbrich, 27, 22–25.
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handelt sich bei ihm eher um eine Anmerkung als um einen eigentlichen Änderungsvorschlag. Was versucht Melanchthon zu erreichen? Der Wortlaut des Artikels läßt offen, ob Melanchthon an eine gemeinsame Ordinationsregelung denkt oder ob es ihm lediglich darum zu tun ist, daß überhaupt überall ein Ordinationsritus praktiziert wird. Um darüber entscheiden zu können, muß zunächst geklärt werden, warum er diesem Punkt eine derartig hohe Bedeutung beimißt. Melanchthons Begründung, daß niemand ohne Berufung öffentlich lehren solle, ist nicht hinreichend, da unberufene Prediger von keinem Mitglied des Schmalkaldischen Bundes geduldet wurden. Gemeint ist auch nicht, daß die Obrigkeit die Berufung an sich reißen sollte, denn selbst in Kursachsen berief nicht der Fürst die kirchlichen Amtsträger; dies fiel in die Kompetenz der Patrone und Gemeinden. Verweist Melanchthon dennoch auf CA 14, ist er offenbar der Ansicht, daß die Implikationen dieses gemeinsam unterschriebenen Artikels nicht die Beachtung finden, die er selbst für nötig hält. Wenn diesbezüglich durch die ›Bestellung‹ der Ordination eine Verbesserung erreicht werden soll, kann sie nur in einer effektiven Kontrolle der Amtseinsetzungen bestehen, etwa dadurch, daß sie wie in Wittenberg an einem zentralen Ort stattfinden. Die Tatsache, daß sich Melanchthon an die verbündeten »Fursten vnd Stende« und nicht an die ebenfalls in Schmalkalden erwarteten Theologen wenden will, deutet ferner darauf hin, daß nach Wittenberger Vorbild auch in den anderen Territorien eine Neuregelung der Einsetzung in das kirchliche Amt in weltlicher Autorität eingeführt werden sollte. Dafür spricht auch, daß er mit einer Reform die Hoffnung verbindet, daß die Gemeinden »eine schew« hätten. Auch in Kursachsen sollte, wie wir gesehen haben, durch die kurfürstliche Konfirmation die Stellung der kirchlichen Amtsträger gegenüber Gemeinde und Patronen gestärkt werden. Die Konturen dessen, was Melanchthon vor Augen hat, werden durch den Blick auf den erst kurz zurückliegenden Einsatz für Jakob Schenk in Freiberg deutlicher. Im Gutachten hatte Melanchthon dem Doktorgrad des Freiberger Hofpredigers entscheidende Bedeutung für seine Lehrberechtigung und damit für die Rechtmäßigkeit seiner Berufung beigemessen. Ähnlich wurde auch den Wittenberger Ordinanden ihre Lehrfähigkeit bescheinigt. Die Kandidaten eines kirchlichen Amtes in den anderen evangelischen Territorien konnten in aller Regel nicht auf etwas Vergleichbares verweisen. Wenn aber im Wittenberger Ordinationsexamen nicht nur das theologische Fachwissen, sondern auch die Katholizität der Lehre festgestellt wurde, lag darin ein Anspruch, der über die kursächsischen Grenzen hinaus reichte. Deshalb sollte nun ein gemeinsames Verfahren hinsichtlich der Lehrprüfung entwickelt werden. Möglicherweise spielte auch der Konflikt um die Weihe Schenks eine Rolle in Melanchthons Überlegungen. Im Gutachten hatte er die Suffizienz von
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VII. Das Ordinationsverfahren in seiner Begrenztheit auf Kursachsen (1535–37)
Berufung und Lehrzeugnis behauptet, während er nun von der Notwendigkeit spricht, die Ordination zu regeln. Diese konnte in das Gutachten nicht mit einfließen, da Schenk sie nicht empfangen hatte und auch nachträglich nicht erhalten konnte, weil sein Wirkungsort außerhalb Kursachsens lag. Dies war so lange unproblematisch gewesen, wie der Bekanntheitsgrad der Wittenberger Ordination noch relativ gering war. In eventuellen künftigen Fällen mußte man aber damit rechnen, daß die Gegenseite die unterschiedliche Praxis der Amtseinsetzung auf evangelischer Seite ins Feld führen würde, um deren Amt insgesamt zu diskreditieren. Offenbar zielte Melanchthons Plan darauf ab, daß alle Bündnispartner eine gemeinsame Regelung treffen sollten und die Ordination nicht in die Regie jedes einzelnen Territoriums fallen sollte. Nur dann war es möglich, einen kirchlichen Amtsträger, der wie Schenk in Freiberg in einer kirchenpolitisch umkämpften Situation Widerstand erfuhr, durch eine evangelische Ordination zu stärken. Damit waren zwar erklärte Gegner der Reformation kaum zu überzeugen, doch hinter dem evangelischen Amtsträger stand dann jeweils die gesamte evangelische Seite. Zudem konnte ein evangelischer Ordinationsritus skrupulöse Christen, die die Vollmacht ungeweihter Pfarrer anzweifelten, der Rechtmäßigkeit des evangelischen Amtes vergewissern.116 Luther reagierte auf Melanchthons Ansinnen offenbar abweisend. Die Tatsache, daß der Weiheartikel nicht überarbeitet wurde, läßt an sich zwar noch nicht den Schluß zu, daß er sich dem Plan, im Schmalkaldischen Bund für das Wittenberger Ordinationsverfahren zu werben, überhaupt entgegenstellte. Dafür spricht jedoch eine andere Überlegung.Wollte man auf dem Bundestag die Fürsten und Ständevertreter überzeugen, wie Melanchthon dies vorsah, mußte zuvor der Kurfürst gewonnen werden. Insofern war es naheliegend, Johann Friedrich gleichzeitig mit der Übersendung der Schmalkaldischen Artikel darüber zu informieren. Dadurch, daß der Vorschlag jedoch eingerahmt von den beiden anderen Ergänzungsartikeln übermittelt wurde, mußte der Eindruck entstehen, Luther trage dieses Vorhaben nicht mit. Hätte er diesen anders als die beiden anderen unterstützen wollen, wäre wahrscheinlich ein gesondertes Schreiben aufgesetzt worden. Tatsächlich ging, wie wir gleich sehen werden, auch der Kurfürst von einer Ablehnung des Ordinationsplans durch Luther aus.117 Über die Gründe für Luthers Ablehnung kann nur gemutmaßt werden. Es ist unwahrscheinlich, daß er prinzipielle Einwände dagegen hatte, daß auch 116 Zwei Jahre später erfüllte im Fall Wenzeslaus Kilmann die nachträgliche Bescheinigung der kursächsischen Ordination die Funktion, die bei Schenk das Wittenberger Gutachten gehabt hatte. Vgl. u. S. 271–273. 117 Spalatin hatte Johann Friedrich die Artikel persönlich überbracht und dabei vermutlich auch vom Verlauf der Konferenz berichtet.
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in anderen Territorien kirchliche Amtsträger wie in Wittenberg ordiniert wurden. Lehnte er den Plan Melanchthons dennoch ab, läßt sich dies zum einen mit seinem Widerwillen gegenüber jeglichem Zwang in Kirchenordnungsfragen erklären.118 Luthers Empfinden entsprach eher eine Empfehlung wie die an die Böhmen von 1523, daß einige Städte mit der evangelischen Ordination beginnen und für andere zum Vorbild werden sollten. Ein zweiter Grund für Luthers Haltung könnte sein, daß er um die Einigkeit des Bundes besorgt war. Sein Artikel ging mit der Formulierung »[d]arumb … wollen vnd sollen wyr selbs Ordinirn« bereits über das hinaus, was von den Verbündeten ohne weiteres unterschrieben werden konnte.119 Wäre in Schmalkalden über die Einführung einer gemeinsamen Ordinationsregelung verhandelt worden, hätte die unweigerliche Behandlung der Frage der bischöflichen Jurisdiktion eine Einigung unnötig erschweren können. Welche Motive Luther auch geleitet haben mögen,120 das Ergebnis der Konferenz war jedenfalls, daß der Plan nun als Melanchthons alleinige Position an den Kurfürsten übermittelt wurde. d. Die Reaktion des Kurfürsten Johann Friedrich reagierte überaus positiv auf Melanchthons Ordinationsvorschlag. Obwohl er die kompromißbereite Haltung, wie sie im Blatt mit den drei ›anhängigen‹ Artikeln und in Melanchthons Unterschrift unter Luthers Artikeln zum Ausdruck kam, rundweg ablehnte,121 griff er seinem Kanzler Brück gegenüber den Gedanken einer gesamtevangelischen Ordination auf und machte ihn sich zu eigen.122 Er regte an, daß auf dem Bundestag in Schmalkalden beschlossen werden solle, daß »dye predyger, pfarrer vnd dyener der kyrchen for aufflegung der hende genugksam verhort vnd exsamyny[r]t werden«, um Gefahren und Irrtümer zu vermeiden. Ihm schwebten Witten-
118 Vgl. etwa Luthers Ablehnung der hessischen Kirchenordnung von 1526 WA.B 5, 157 f Nr. 1071 vom 7.1.1527. 119 Vgl. etwa u. S. 303 f die Vorbehalte gegen die Wittenberger Ordinationsordnung, die die Ansbacher Prediger im folgenden Jahr vorbrachten. Auch die Tatsache, daß die Hamburger Bugenhagens Ordinationsformular lange nicht praktizierten, und die Opposition des Nürnberger Rates gegen Osianders Sicht der Ordination (vgl. u. S. 293) belegen, daß derartige Befürchtungen berechtigt waren. 120 War Melanchthons Plan tatsächlich aktuell mit durch den Streit über die Weihe Schenks angestoßen worden, könnte Luthers mangelnde Bereitschaft, sich mit dem Thema zu beschäftigen, u.a. auch durch sein Zerwürfnis mit dem jungen Doktor geschuldet sein. Vgl. o. S. 220. 121 Vgl. sein eigenhändiges Dankesschreiben an Luther vom 7.1.1536 Volz/Ulbrich, a.a.O., 86, 76–87, 92=WA.B 8, 5 f, 59–70 Nr. 3125 und den Brief an Brück vom 9.1.1536 Volz/Ulbrich, a.a.O., 89, 49–90, 55, wo er sich der ablehnenden Position Spalatins anschließt. 122 Vgl. den Zettel, der dem Brief vom 9.1.1536 beigefügt war, a.a.O., 89–91; hier bes. 90, 55–91, 76.
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VII. Das Ordinationsverfahren in seiner Begrenztheit auf Kursachsen (1535–37)
berg, Tübingen, Straßburg und Marburg123 als Ordinationsorte vor, zu denen sich »unsser relygion geystlychen, so nyt ordynyrt,« begeben sollten. Bei Amtsantritt sollten entsprechende Ordinationszeugnisse vorgewiesen werden. Brück wird angewiesen, darüber noch einmal mit Luther zu reden und die Angelegenheit bis zum Bundestag weiter zu verfolgen. Wenn Melanchthons Vorschlag Johann Friedrich unmittelbar zusagte, dann zum einen deshalb, weil sich eine gemeinsame Ordinationsregelung gut in seine Vision der künftigen Gestalt des Schmalkaldischen Bundes einfügte. In einem Bündnis, das sich über die CA hinaus auf neue Lehrartikel Luthers verpflichten und möglicherweise gar ein evangelisches Gegenkonzil betreiben sollte, hätte die gemeinsame Ordnung der Zulassung zum Amt gewiß zur Stärkung der Lehreinheit beitragen können. Bereits jetzt nutzte Kursachsen die Möglichkeit, durch die gezielte Besetzung auswärtiger Ämter den Einfluß der Wittenberger Reformation und ihrer Lehre zu stärken, wie etwa an der als Geste der Verbundenheit gemeinten Berufung Johann Forsters nach Augsburg oder an der Unterstützung Jakob Schenks durch den Kurfürsten deutlich wird. Noch wichtiger dürfte der Aspekt gewesen sein, daß durch die gemeinsame Ordination ein effizientes Examen gewährleistet werden sollte. Mehr noch als seine mehrfache Nennung im Zettel an Brück wird dies an der auffälligen Formulierung deutlich, daß die Kandidaten eines kirchlichen Amtes »for aufflegung der hende genugksam verhort vnd exsamyny[r]t werden« sollten. Danach wäre nicht der Ordinationsritus, sondern das vorausgehende Examen zentraler Gegenstand der geplanten Reform. Nun hatten zwar die meisten Bündnispartner die Zulassung zum kirchlichen Amt an ein Examen gebunden, während eine Ordination außer in Kursachsen nur in Pommern erfolgte.124 Doch anscheinend war Johann Friedrich der Ansicht, daß das Ex123 Das eigenhändig vom Kurfürsten korrigierte Konzept von Schreiberhand liest »maydeburk« (=Magdeburg), was jedoch von Johann Friedrich kaum intendiert war. Viel wahrscheinlicher dürfte Marburg gemeint sein. Es hatte wie die drei anderen Städte eine evangelische theologische Fakultät, die das Examen durchzuführen gehabt hätte. Außerdem repräsentierte es wie diese eines der wichtigsten Mitglieder im Schmalkaldischen Bund. Eine gemeinsame Ordinationsordnung, bei der die Landgrafschaft Hessen übergangen wurde, war weder sinnvoll noch realistisch. Gegen Magdeburg spricht erstens seine räumliche Nähe zu Wittenberg und zweitens, daß es von einem Hochstift umgeben war, so daß die Anreise der Ordinanden in Krisenzeiten problematisch gewesen wäre. Außerdem hätte die Durchführung der Ordination hier allein auf den Schultern des evangelischen Pfarrers Nikolaus von Amsdorfs gelegen. Vgl. zu dessen Situation in Magdeburg Rogge, Amsdorf, 90–92. Ist tatsächlich Marburg gemeint, muß entweder ein Versprecher des Kurfürsten oder ein bei der Korrektur übersehener Hörfehler des Schreibers vorliegen. Ein Verlesen des Herausgebers scheidet aus, da alle drei unabhängigen Editionen an dieser Stelle übereinstimmen (vgl. Virck, Protestanten, 512 und Drews, Ordination, 74). 124 In Hessen wurde das Examen durch die sog. Kirchendienerordnung von 1531 vorgeschrieben. Eine Ordination wurde erst 1539 eingeführt. Vgl. EKO VIII/1, 72. 127. Die Brandenburg-Nürnbergische Kirchenordnung von 1533 enthält keine Bestimmung über die Einsetzung von kirchlichen Amtsträgern. Allerdings versichern die Ansbacher Prediger 1538, daß in ihrem Territorium
2. Der Plan einer gesamtevangelischen Ordination im Schmalkaldischen Bund
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amen nicht mit der nötigen Konsequenz durchgeführt wurde. Sein Anliegen bestand vermutlich nicht so sehr darin, daß durch die Lehrprüfung ein Mindestmaß an theologischer Bildung gewährleistet werden sollte. Vielmehr erhoffte er sich von der Examens- und Ordinationsregelung die Vermeidung »aller varlychkeyten vnd irryger sachen«. Der ins Auge gefaßte Plan diente demnach vor allem der Abwehr gefährlicher Irrlehre. Nicht nur die Tatsache, daß auch bei der Einführung des Wittenberger Ordinationsverfahrens auf die Bedrohung durch die Täufer verwiesen worden war,125 sondern auch die allgemeine Stimmung nach dem Untergang des Münsteraner Täuferreichs spricht dafür, daß auch in diesem Fall vor allem an jene Bedrohung gedacht war. Übertrug der Kurfürst die Überlegungen, die bei der Planung der kursächsischen Ordination leitend waren, nun auf den gesamten Bund, sah er offenbar auch in anderen Territorien eine entsprechende Gefahr. Dabei hatte er wohl in erster Linie die Landgrafschaft Hessen vor Augen. Exkurs: Der Streit zwischen Kursachsen und Hessen um die Behandlung der Täufer Kursachsen und sein Nachbar im Westen befanden sich seit Beginn des Jahrzehnts in einem Zwist über das Vorgehen gegen die Täufer im hessisch-thüringischen Grenzgebiet. Im Amt Hausbreitenbach, das unter hessisch-ernestinischer Koadministration stand, war 1528 der ehemalige Pfarrer und Müntzeranhänger Melchior Rinck126 aufgetaucht und hatte bis zu seiner Verhaftung am 4. April 1529 viele Anhänger gefunden. Auf dem Speyrer Reichstag wurde ebenfalls im April 1529 ein kaiserliches Mandat erlassen, das unter Aufnahme alten kaiserlich-römischen Rechts die Wiedertaufe unter die Todesstrafe stellte.127 Während es niemand in ein Amt gelange, der nicht ordentlich examiniert sei. Vgl. u. S. 303 f. In Hamburg und Lübeck war zwar ein Ordinationsritus in der Kirchenordnung verankert, kam aber nicht zur Anwendung. In Lübeck waren die romtreuen Kräfte seit dem Sturz Wullenwevers so stark geworden, daß sich die Stadt ganz aus dem Bund zurückgezogen hatte (vgl. Hauschild, Lübeck, 493). Sie war deshalb auch nicht in Schmalkalden vertreten. Im übrigen hatte das Examen in den Flächenterritorien naturgemäß eine ungleich höhere Bedeutung als in den großen Städten, wo der erste Pfarrer oder Superintendent die Lehraufsicht ebensogut informell ausüben konnte. Vgl. z.B. die Lübecker Kirchenordnung von 1531, die lediglich für das Landgebiet ein Examen durch den Superintendenten vorsieht (EKO V, 379 f ). In der Stadt erfüllt dessen Beteiligung bei der Kandidatensuche diesen Zweck. Vgl. die hier übernommene Bestimmung der Hamburger Kirchenordnung (1529) a.a.O., 502. 125 Vgl. o. S. 192. 126 Vgl. Weiss, Herkunft, 4 Anm. 15. Die häufige, auf eine Äußerung Justus Jonas’ zurückgehende Bezeichnung Rincks als des Hersfelder Schulmeisters (z.B. bei Mirbt, Rinck, 17) hat offenbar Deppermann, Hoffman, 323 zu der irrigen Annahme geführt, Rinck sei Laienprediger gewesen. 127 Vgl. den Erlaß vom 23. April 1529 DRTA.JR VII/1, 1325–1327, hier 1326: »und declariern demnach …, das alle und jede widertaufer und widergetauften mann und weibspersonen verstendigs alters von natürlichem leben zum tode mit dem feuer, schwerd oder dergleichen nach gelegenheit der personen, one vorgeend der geistlichen richter inquisicion, gericht und gepracht werden«. Davon betroffen sollen auch diejenigen sein, die der Pflicht, ihre Kinder taufen zu lassen, nicht nachkommen. Im übrigen eröffnet das Mandat eine Begnadigungsmöglichkeit bei sofortigem Widerruf.
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VII. Das Ordinationsverfahren in seiner Begrenztheit auf Kursachsen (1535–37)
bereits zu Beginn des folgenden Jahres in Kursachsen erstmals angewandt wurde,128 nahm Philipp der Großmütige einen vergleichsweise toleranten Standpunkt ein, den er gegen politischen Druck von außen über Jahre hinweg verteidigte. Darüber kam es zum Streit mit Kursachsen, als Rinck im April 1531 auf die Zusage hin, keines der beiden Territorien jemals wieder zu betreten, freigelassen wurde. Rinck brach sein Versprechen. Als er Monate später zusammen mit Anhängern erneut im Amt Hausbreitenbach verhaftet wurde, setzte sich Kursachsen mit Nachdruck für eine Hinrichtung der Verhafteten ein.129 Philipp antwortete, er könne nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, »jmandt des glaubens halben … mit dem schwert Richten zulassen«. Gegenüber Johann den Beständigen verteidigte er seine Politik damit, daß sonst auch Juden und »Papisten« entsprechend behandelt werden müßten.130 Er versicherte allerdings, Melchior Rinck werde lebenslänglich in genügender Entfernung vom Kurfürstentum – in Bärbach im Westen der Landgrafschaft – eingekerkert.131 So blieb aus Sicht der Beteiligten keine andere Wahl, als die übrigen Täufer in zwei Gruppen aufzuteilen, so daß jede Seite entsprechend ihrem Gewissen mit den Verhafteten verfahren konnte.132 Das Ergebnis war, daß in Kursachsen ein großer Teil der Täufer hingerichtet wurde, während sämtliche der Landgrafschaft zugeschlagenen Häftlinge zum Widerruf bewegt werden konnten und freigelassen wurden. Doch auch als der lokale Anführer der Bewegung ausgeschaltet war, änderte sich an der allgemeinen Situation nichts. Nach wenigen Monaten wurde einer der Freigelassenen, Fritz Erbe, wegen seiner Weigerung, sein Kind taufen zu lassen, zusammen mit seiner Begleiterin erneut verhaftet. Auf Initiative des neuen Kurfürsten Johann Friedrich wurde ein auswärtiges Gericht in Leipzig mit dem Fall Erbe befaßt. Es verurteilte ihn ebenso erwartungsgemäß zum Tode, wie sich Philipp der Vollstreckung widersetzte. Das Schicksal Erbes, der zunächst jahrelang im Eisenacher Stadtturm, seit 1539 bis zu seinem Tod acht Jahre später wegen eines nicht abreißenden Besucherstromes von Sympathisanten im Turm der Wartburg einsaß, belastete dauerhaft die hessisch-kursächsischen Beziehungen.133 In regelmäßigen Abständen versuchte der sächsische Kurfürst, die Einwilligung des Landgrafen in die Exekution Erbes zu erreichen. Das letzte, offenbar unbeantwortet gebliebene Schreiben lag erst einige Wochen zurück, als Johann Friedrich in seinem Zettel Anfang Januar 1537 das Ziel der Ketzerbekämpfung als Argument für die Regelung der Ordination auf Bundesebene anführte.134 128 Am 18.1.1530 wurden sechs nicht zum Widerruf bereite Täufer aus Reinhardsbrunn in Gotha hingerichtet. Vgl. Wappler, Stellung, 24. 129 Vgl. das Schreiben Johanns des Beständigen an Philipp den Großmütigen vom 21.12.1531 a.a.O., 152 f. 130 Dieses Argument war auch deshalb geschickt gewählt, weil Luther 1530 in seiner Auslegung des 82. Psalms den Juden ausdrücklich zugestanden hatte, dort, wo »keine Christen sind und niemand h ret«, ihre Überzeugungen zu vertreten. Vgl. WA 31 I, 213. 131 Vgl. das Schreiben vom 3.1.1532 a.a.O., 155. 132 Vgl. Wappler, a.a.O., 31.36 f und die Dokumente a.a.O., 147 (3. Nachschrift).156 f. 133 Vgl. a.a.O., 36–39 sowie die Schreiben vom Mai 1533 a.a.O., 163. 164. 165. 134 Vgl. die Schreiben vom März/April 1534 und vom Oktober 1536 a.a.O., 189–193.195 f. Im Mai 1536 hatte Philipp versucht, sein eigenes Handeln durch theologische Gutachten, die er u.a. in Straßburg, Marburg und Wittenberg anforderte, sanktionieren zu lassen. Hier ging es vordergründig zwar um die Frage, wie mit einigen Täufern im westhessischen Gemünden zu verfahren war. Daß Philipp aber mehr an einer prinzipiellen Rechtfertigung seiner Haltung als an einem Ratschlag in der konkreten Angelegenheit interessiert war, erhellt daraus, daß er die Antworten nicht abwartete, sondern bereits vier Tage, nachdem er seine Bittschreiben abgeschickt hatte, ein allgemeines Täufermandat erließ. Vgl. WA.B 7, 417 f Nr. 3026 vom 24.5.1536
2. Der Plan einer gesamtevangelischen Ordination im Schmalkaldischen Bund
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Angesichts des erheblichen Gewichtes, das die Täuferfrage in den hessischernestinischen Beziehungen einnahm, dürfte die Hoffnung des Kurfürsten, eine Ordinationsregelung auf Bundesebene könnte der Ketzerbekämpfung dienlich sein, mit diesem Problem in Zusammenhang stehen. Dafür spricht nicht zuletzt der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Zettel vom 9. Januar 1537 und einem Treffen mit Philipp in den letzten Dezembertagen in Eisenach, das vor allem der Vorbereitung des Bundestages diente, wo aber auch die Täuferpolitik erneut zur Sprache gekommen sein dürfte. Vermutlich stimmte Johann Friedrich mit der Ansicht seines Kanzlers überein, daß eine mangelnde Lehraufsicht in der Landgrafschaft wesentlich zur Ausbreitung des Täufertums beigetragen hatte.135 Gerade das hessisch-ernestinische Verhältnis zeigt auch, warum der Plan Melanchthons, zumindest was den Aspekt der Lehraufsicht anbelangte, an Grenzen stoßen mußte. Er konnte auf Bundesebene nur konsequent umgesetzt werden, wenn er von allen Mitgliedern mitgetragen würde. Um eine gemeinsame Regelung zu erreichen, hätten sich die Bundesgenossen hinsichtlich des Inhaltes der Lehrprüfung und der Sanktionen gegenüber Kandidaten mit abweichenden Glaubensüberzeugungen auf einen gemeinsamen Nenner einigen müssen. Dazu war ein höheres Maß an Lehreinheit vonnöten, als dies unter den Bundesgenossen gegeben war. mit a.a.O., 416 f. – Eine Einigung in der Täuferfrage wurde zusätzlich durch Machtgerangel um die gemeinsame Verwaltung des Amtes Hausbreitenbach erschwert. Der kursächsische Kanzler Brück argwöhnte, das Verhalten des Landgrafen gegenüber den Hausbreitenbacher Täufern diene letzten Endes der Ausweitung des eigenen Territoriums, denn »was sie [der Landgraf und seine Leute] prophan sachen halben nit thun konnen, des vnderstehen sie sich erstlich mit der Religion vnd was derselben anhengigk«. Dabei konnte er darauf verweisen, daß Philipp das Patronatsrecht der beiden Hausbreitenbacher Pfarrstellen nach der Aufhebung des Klosters Hersfeld als des bisherigen Inhabers an sich gerissen habe. Die Handlungsweise Philipps habe dazu geführt, daß vor Jahren nach Breitenbach ein Pfarrer berufen worden sei, »der dem widertauff vorwandt gewest« und damit der Sekte überhaupt erst Einzug verschafft habe. Vgl. das Gutachten vom August 1533 a.a.O., 179 f. Um wen es sich dabei handelte, läßt sich nicht mehr sagen. Rinck kann nicht gemeint sein, da er zur Zeit seines täuferischen Wirkens keine Pfarrstelle mehr innehatte. Auch der weissagende und sich des Sakramentes enthaltende »senex Breitebachensis«, dem Melanchthon bei der Visitation Anfang 1529 die Anweisung gab, über seine Visionen nicht öffentlich zu sprechen, sondern sie nur den Visitatoren und künftig den Amtsleuten (magistratibus) mitzuteilen (vgl. seinen Brief an Mykonius vom 6.1.1529 CR 1, 1021 [MBW 739]), kann nicht jener Pfarrer gewesen sein. Der Alte sprach offenbar freimütig über seine Überzeugungen. Hätte er dabei eine Nähe zu den Täufern erkennen lassen, deren gefährliches Wirken in der Gegend Melanchthon in der vorherigen Woche in einem Brief thematisiert hatte (vgl. CR 1, 1012 [MBW 738]), hätte der Reformator es kaum bei einer Ermahnung zum Schweigen belassen. Bei MBW 739 wird Breitenbach mit dem gleichnamigen Dorf bei Schmalkalden identifiziert. Der Visitationskontext schließt dies sicher aus. Schmalkalden gehörte zur Grafschaft Henneberg, wo die Reformation erst 1544 eingeführt wurde. 135 In jedem Fall ist der Streit mit Philipp ein gewichtiges zusätzliches Argument dafür, daß in seinem Zettel vom Januar 1537 Marburg und nicht etwa Magdeburg gemeint war, denn bei aller Skepsis der Kirchenpolitik des Hessen gegenüber konnte dieser keinesfalls übergangen werden, wenn gerade in seinem Territorium eine Veränderung erreicht werden sollte.
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VII. Das Ordinationsverfahren in seiner Begrenztheit auf Kursachsen (1535–37)
Die Spur des Planes verliert sich im Januar 1537. Möglicherweise fand Brück, der mit Luther weitere Gespräche führen sollte, kein Gehör, so daß die Angelegenheit nicht weiter verfolgt wurde. Denkbar ist auch, daß erst der Verlauf des Bundestages im Februar und März zeigte, daß das Vorhaben nicht zu realisieren war. In einer Situation, in der der Bund hinsichtlich der Konzilsfrage uneinig war und eine Mehrheit es ablehnte, Luthers Artikel zu einem Bekenntnis zu erheben, war der Plan einer gemeinsamen Lehraufsicht unrealistisch. Stattdessen ging man einen anderen Weg. Seit wenige Monate später auch Männer ordiniert wurden, die ein Amt außerhalb Kursachsens antreten sollten, strahlte die Wittenberger Ordination auf die verbündeten Territorien aus.
3. Die Öffnung der Ordination für nichternestinische Kandidaten Die Ordination in Wittenberg war trotz der Überlegungen, eine gesamtevangelische Regelung zu erreichen, bis in die ersten Monate des Jahres 1537 ein Bestandteil des Kirchenregimentes geblieben: Nur wer eine Stelle im Kurfürstentum antrat, mußte sich ordinieren lassen. Es wurde auch kein Versuch unternommen, das Wittenberger Vorbild durch die ausgesandten Theologen zu größerer Verbreitung zu verhelfen.136 Doch im Frühjahr 1537 wurde der entscheidende Schritt getan: Neben den kursächsischen Kandidaten wurden nun auch solche ordiniert, die eine Stelle in auswärtigen Territorien antreten wollten. Der Auslöser dieser Öffnung liegt im Dunkeln. Es gibt keine Hinweise auf weitere Gespräche über die Ordination, nachdem sich das Thema auf dem Schmalkaldischen Bundestag nicht durchgesetzt hatte. Welche Gründe brachten die Wittenberger zur überterritorialen Öffnung des Ordinationsverfahrens? Die Ordination war nach dem Verständnis der Reformatoren mehr als die öffentliche Bekanntmachung der kurfürstlichen Konfirmation. Auch wenn diese zunächst mit ihr verbunden gewesen war, gewann die unter Gebet und Handauflegung vollzogene Ordination immer mehr einen von ihr unabhängigen Stellenwert.137 Nachdem in Wittenberg die Ordination allmählich etabliert worden war, dürfte sich unter auswärtigen Studenten der Wunsch geregt haben, ebenfalls auf diese Art in den Dienst an Wort und Sakrament eingeführt zu werden. Dies war an ihrer künftigen Wirkungsstätte nicht zu erreichen. Hinzu kommt, daß das Renommee und möglicherweise gar die Wirkung, die in den Augen der Studenten speziell mit 136 Die Wittenberger Ordinationsliturgie wird erstmals 1538 einer auswärtigen Kirchenleitung mit der Intention zugesandt, daß sie dort zur Anwendung kommen solle. Vgl. u. S. 250. 137 Dies wird die Interpretation der Ordinationsformulare zeigen.
3. Die Öffnung der Ordination für nichternestinische Kandidaten
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einer Ordination durch die Reformatoren verbunden gewesen sein könnte, ihre Attraktivität gesteigert haben mag. Nicht nur die Bereitschaft, diesem Wunsch zu entsprechen, sondern auch ein eigenes Interesse brachte die Reformatoren dazu, die von Wittenberg aus ein auswärtiges Amt antretenden Studenten einer Lehrprüfung zu unterziehen und sie zu ordinieren. Da viele von ihnen keinen akademischen Grad angestrebt oder erreicht hatten, beschränkte sich die Kontrolle der ausgesandten Kandidaten immer noch auf ein vor der Abfassung eines Empfehlungsschreibens ad hoc durchgeführtes Gespräch. Die seit dem Ende der zwanziger Jahre kontinuierlich gestiegenen Immatrikulationszahlen einerseits und der gesteigerte Bedarf außerhalb Kursachsens andererseits erforderten es, dieses Verfahren effizienter und transparenter zu machen. Dafür bot sich nun das bestehende Ordinationsverfahren an. Denn die von Wittenberg ausreisenden Kandidaten bedurften nicht nur eines Lehrzeugnisses, sondern auch der Vermahnung, des vergewissernden Zuspruchs und vor allem des göttlichen Beistands für eine Aufgabe, die vielerorts noch schwieriger als in Kursachsen war. Die Wittenberger Ordination für auswärtige Kandidaten zu öffnen, legte sich folglich nahe. Die erste überlieferte Ordination für eine kirchliche Stelle außerhalb der ernestinischen Grenzen war diejenige des Naumburger Diakons Benedikt Schumann. Er wurde auf die Bitte der Naumburger hin am 22. April 1537 ordiniert.138 Nun war Naumburg zwar insofern ein Sonderfall, als das reichsunmittelbare Hochstift unter kursächsischer Schirmvogtei stand; Schumanns Ordination hätte also den Rahmen der bisherigen Regelung noch nicht notwendig gesprengt. Erst im Vorjahr hatte Johann Friedrich das Recht reklamiert, auf die Wiederbesetzung der Pfarrstelle Einfluß zu nehmen.139 In dieselbe Richtung zielt es, wenn der Naumburger Rat und der neue evangelische Pfarrer Nikolaus Medler das Ordinationsgesuch für Schumann an »die Visitatores zu Wittenbergk« adressieren und diese bitten, sie sollten ihn »kraft ihres von Gott und der Obrickeit entpfangenen Befehls
138 Das Datum ergibt sich durch die Kombination des Naumburger Begleitbriefes (WA. B 8, 74 Nr. 3150 vom 18.4.1537) mit einer Tischrede Luthers, die seltsamerweise den Ablauf dieser Ordination referiert und eine wertvolle Quelle für die Entwicklung des Wittenberger Ordinationsformulars darstellt. Sie gibt als Ordinationstag den 22.4.1510 an. Gemeint ist vermutlich 1540, richtig aber 1537. Vgl. WA.TR 5, 111 f Nr. 5376 mit Anm. 7. 139 Vgl. das Schreiben an die Wittenberger Theologen vom 25.3.1536 (WA.B 7, 380 f Nr. 3002). Die Stelle des verstorbenen Pfarrers wurde zunächst drei Monate von Justus Jonas, dann seit dem September von Nikolaus Medler versehen (vgl.WA.B 7, 537). Aus dem Brief des Kurfürsten geht im übrigen hervor, daß er hier auf eine Bitte des Rates hin tätig wird. Der evangelisch gesinnte Rat war verständlicherweise an einem möglichst starken Einfluß der Schutzmacht interessiert. Die Einflußnahme Kursachsens kulminierte in der Einsetzung Nikolaus von Amsdorfs als Bischof von Naumburg 1542. Vgl. zum Ganzen Brunner, Amsdorf, 21–60.
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VII. Das Ordinationsverfahren in seiner Begrenztheit auf Kursachsen (1535–37)
bestätigen und ihme solche Ordenung zum Priesterampt mitteilen«.140 Die Naumburger unterstellen sich damit also gleichsam dem kursächsischen Recht. An zwei Punkten wird aber deutlich, daß Schumann nicht auf der Grundlage des bis dahin gültigen Verfahrens ordiniert wurde. Zum einen hatten die Wittenberger Schumann im Januar auf Bitte der Naumburger ohne eine Ordination ausgesandt, woraufhin er am 13. Februar nach zwei Probepredigten zum Diakonenamt berufen worden war. Entsprechend erweckt das Schreiben der Naumburger vom April den Anschein, als sollten die Wittenberger erst von ihrer Zuständigkeit überzeugt werden.141 Zum zweiten entsprachen die Reformatoren dem Wunsch der Naumburger nur zum Teil. Schumann wurde zwar ordiniert, aber die erbetene ›Bestätigung kraft des obrigkeitlichen Befehls‹ erhielt er nicht. War die Konfirmation bisher mit dem Ordinationszeugnis bescheinigt worden, wurde sie Schumann vorenthalten. Sein Ordinationszeugnis ist zwar erhalten, es datiert jedoch vom 18. Dezember 1539.142 Eine derart lange Spanne bis zur Ausstellung des Zeugnisses ist ungewöhnlich, zumal die Bescheinigungen von Anfang an regelmäßig ausgefertigt worden zu sein scheinen.143 Offenbar sahen die Wittenberger also im Fall Schumanns von den rechtlichen Voraussetzungen des Verfahrens ab und führten lediglich die Ordination durch.144 Ob die Ordination Schumanns für das ernestinisch dominierte Naumburg nur ein erster Schritt zur Öffnung des Verfahrens war oder ob diese schon vollzogen war, läßt sich nicht mehr klären. Tatsächlich vergingen aber nach der Ordination Schumanns nur wenige Wochen, bis Melanchthon einem Anton Otto, der ein kirchliches Amt in Merseburg angetreten hatte, dazu rät, sich in Wittenberg ordinieren zu lassen. Das Hochstift Merseburg stand wie Naumburg unter der Schirmvogtei des benachbarten Fürsten. In diesem Fall war dies der Albertiner Georg der Bärtige, der mit dazu beitrug, daß sich die 140 Vgl. das Schreiben des Naumburger Rates an Luther, Jonas, Bugenhagen und Melanchthon, »Doctorn und Visitatorn der Kur zu Wittenbergk«, vom 2.1.1537 WA.B 8, 1 f Nr. 3123 mit Anm. 3. 141 Insbesondere der Hinweis auf das Visitatorenamt geht völlig fehl. Natürlich war Naumburg nicht durch die kursächsischen Visitationen erreicht worden. Außerdem war an den Visitationen in den südlichen Landesteilen, an die das Naumburger Gebiet angrenzte, keiner der Wittenberger Reformatoren beteiligt gewesen. Daß Medler große Stücke auf die Ordination durch letztere hielt, zeigt sich erneut, als er Melanchthon 1547 in Braunschweig dazu überredete, drei Personen zu ordinieren. Vgl. u. S. 300. 142 Vgl. WA.B 12, 466 f Nr. 4330, 8. Die These Clemens, WA.B 8, 74 Anm. 3, das Zeugnis sei entgegen seinem Datum gleichzeitig mit der Ordination ausgestellt worden, wird von Volz/ Wolgast, WA.B 12, 466 zu Recht mit dem Hinweis auf dessen inhaltliche Gemeinsamkeiten mit dem gedruckten Formular von 1540 zurückgewiesen. 143 Vgl. u. S. 265. 144 Vielleicht ist es kein Zufall, daß sich ausgerechnet von dieser Ordination, die im Vorfeld diskutiert worden sein dürfte, ein Bericht in den Tischreden findet. Vgl. WA.TR 5, 112 Nr. 5376.
3. Die Öffnung der Ordination für nichternestinische Kandidaten
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Reformation in Merseburg zu seinen Lebzeiten nicht durchsetzen konnte.145 Die Stadt an der Saale erfüllt also das Kriterium, nicht zum erweiterten Machtbereich Johann Friedrichs zu gehören. Melanchthon ermutigt Anton Otto, sich in Wittenberg ordinieren zu lassen, weil er bisher von Bischof Sigismund von Lindenau in seinem Amt geduldet war, ohne geweiht zu sein. Deshalb erwartet der Reformator, daß dem Prediger auch durch eine Wittenberger Ordination keine Schwierigkeiten entstehen werden.146 Zur Ordination kam es zwar offenbar nicht, doch der kurze Brief Melanchthons läßt sich nur so verstehen, daß inzwischen beschlossen war, in Wittenberg auch nichternestinische Kandidaten zu ordinieren. Zunächst bildeten diese Ordinationen noch Ausnahmen, wie aus dem wenige Wochen später von Luther angelegten Ordiniertenbuch hervorgeht. Dennoch war die Ordination Benedikt Schumanns ein Wendepunkt in der Geschichte der Wittenberger Ordination. Die Öffnung des Ordinationsverfahrens hatte nicht nur eine immense Steigerung der Ordinationszahlen, sondern auch eine Umdeutung wesentlicher Bestandteile des Verfahrens zur Folge. Dies wird deutlich werden, wenn im folgenden Kapitel seine einzelnen Elemente zur Darstellung kommen.
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Vgl. Gabriel, Georg III., 97–105. Vgl. CR 3, 377 mit 10, 396 (MBW 1908) vom 31.5.1537: »De Ordinatione, ego quoque rectum iudico, ut petas ordinationem publice in nostra ecclesia. Nam si episcopus nunc te patitur istic non consecratum, non puto tibi postea molestum fore. Et debet quaedam publica ordinatio in ecclesia existere. Habes meum iudicium.« Der Hintergrund dieses Ratschlags läßt sich nicht mehr ermitteln. Melanchthon drückt einleitend seine Zustimmung zur Entscheidung Ottos aus, die Stellung als Privatlehrer der Kinder eines Adligen aufgegeben und ein ministerium ecclesiasticum übernommen zu haben. Vermutlich hatte Otto ihn um Rat gebeten. Dabei stellte der Empfang der Priesterweihe offensichtlich keine Option dar. Es dürfte dann um die Frage gegangen sein, ob und wie Otto eine evangelische Ordination erhalten sollte.Worauf sich das quoque bezieht, ist unklar.War auch Otto der Ansicht Melanchthons, stellt sich die Frage, warum er erst am 20.10.1538 ordiniert wurde, als er auf eine Diakonenstelle im ernestinischen Gräfenheinichen wechselte (vgl. WOB 27; WA.B 12, 454 Nr. 4330, 3). Die sehr verkürzte Aussage Melanchthons »non puto tibi postea molestum fore« versucht Clemen,WA.B 12, 307 durch die Ergänzung eines non vor postea aufzuhellen. Das si müßte dann im Sinne von etsi aufgefaßt werden: ›Auch wenn der Bischof dich dort bisher ungeweiht geduldet hat, meine ich, daß dies dir später beschwerlich werden könnte.‹ Melanchthon hätte dieser Deutung zufolge die Ordination befürwortet, um eventuell später aufkommenden Einwänden gegen einen ungeweihten Diakon begegnen zu können. Doch dafür, daß sich für die Wittenberger mit der Ordination auch diese Überlegung verband, geschweige denn dafür, daß eine evangelische Ordination während jener Zeit jemals eine solche Wirkung erzielt hätte, findet sich nicht der geringste Hinweis. Wahrscheinlicher ist also, daß der Text hier vollständig ist und Melanchthon die Erwartung ausspricht, die Wittenberger Ordination werde Otto im Verhältnis zur kirchlichen Hierarchie zumindest nicht schaden. 146
VIII. Die Wittenberger Ordination Nach ihrer Öffnung für auswärtige Kandidaten nimmt die Wittenberger Ordination bald eine recht stabile Gestalt an. Dadurch, daß der Rechtsakt der kurfürstlichen Konfirmation, der nur kursächsische Ordinanden betrifft, aus dem Verfahren herausgelöst wird, tritt die geistliche Bedeutung der Ordination stärker hervor. Zudem etabliert sich ein feierliches Ordinationsversprechen. Diese Entwicklung, die 1539 zum Abschluß gekommen ist, schlägt sich besonders im Ordinationsformular und in den Zeugnissen nieder. Anhand des Ordiniertenbuchs läßt sich ein detailliertes Bild von der Wittenberger Ordinationspraxis gewinnen. Nachdem zunächst nur wenige Ordinationen durchgeführt worden sind, schnellen die Zahlen seit der Reformation im Herzogtum Sachsen 1539 in die Höhe. Der Bedarf nach evangelischen Amtsträger steigt so sehr, daß vorübergehend in beträchtlichem Ausmaß ungelehrte Kandidaten ordiniert werden. Auch als das Ordinationsverfahren fest etabliert ist, halten die Wittenberger Reformatoren an ihren amtstheologischen Überzeugungen fest. Diese erlauben ihnen eine gewisse Freiheit im Hinblick auf die Person des Ordinators und den Zeitpunkt der Ordination.
1. Luthers Ordinationsformulare a. Einleitungsfragen Die kursächsischen Ordinationen, die seit 1535 stattfanden, folgten einem Ritual, das Martin Luther ausgearbeitet hatte. Dies bezeugen mehrere zeitgenössische Wittenberger Quellen, die sich jeweils auf die Fassung der seit 1539 dort benutzten Handagende (R) beziehen.1 Doch das Formular ist älter; es sind darüber hinaus vier frühere Handschriften bekannt, von denen jeweils zwei weitgehend übereinstimmen.2 Die Versionen C und F stammen sicher 1 Diese Version R bildete die Grundlage späterer Handschriften und einer lateinischen Übersetzung für ausländische Ordinanden und wurde in viele evangelische Kirchenordnungen übernommen. Vgl. die Auflistung bei Mittermeier, Ordination, 255, dessen erste zwei Einträge »Braunschweig 1543« und »Wolfenbüttel 1543« sich jedoch auf dieselbe Kirchenordnung des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel beziehen (Richter, Kirchenordnungen II, 60–61=EKO VI, 1, 69–71). Die Autorschaft Luthers bezeugen die Wittenberger Diakone Georg Rörer und Sebastian Fröschel (vgl. Drews, WA 38, 410) sowie Johannes Aurifaber in der Mecklenburgischen Kirchenordnung von 1552, die Melanchthon durchgesehen hatte (vgl. EKO V, 132. 193). 2 Alter und Provenienz der einzelnen Handschriften, die mit den im folgenden verwandten Sigla von Drews in WA 38, 423–431 berücksichtigt sind, wurden bei ihrer Erstveröffentlichung jeweils ausführlich beschrieben. Vgl. Drews, Ordination, 291–298 (H); Rietschel, Ordinationsformular, passim (J); Kolde, Geschichte, 217 f.221–225.236–244 (C); Vetter, Ein neues Or-
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VIII. Die Wittenberger Ordination
aus dem Jahr 1538. C wurde von zwei Kulmbacher Predigern aus Wittenberg mitgebracht. F stammt aus den Freiberger Visitationsakten.3 Demgegenüber lassen H und J keine absolute Datierung zu;4 die Ansicht, daß sie älter als C und F seien, hat sich allgemein durchgesetzt, wenngleich sie nicht ohne Widerspruch geblieben ist.5 Unstrittig ist, daß C und F häufig mit R gegen H und J übereinstimmen. So ist ein Abhängigkeitsverhältnis F/C H/J R auszuschließen. Gegen die Priorität von H/J wird allerdings vorgebracht, bei diesen handle es sich um Abschriften einer Bearbeitung des Lutherschen Originals durch einen Unbekannten.6 Hier ist nicht auf die literarkritischen Argumente im einzelnen einzugehen.7 Schon die Tatsache, daß J an mehreren Stellen F/C näher steht als H,8 läßt sich kaum mit jener These vereinbaren. Dann müßte nämlich angenommen werden, daß ausgerechnet Georg Rörer als der Schreiber von J9 seine Vorlage sekundär an ein F/C nahestehendes Wittendinationsformular, passim (F); Rietschel, Luther, 12–16.73–75 (R). Mittermeier, Ordination, 71–101 bietet einen synoptischen Abdruck aller fünf Handschriften, der lateinischen Übersetzung sowie zweier Fassungen einer Tischrede, die den Bericht über die Ordination Benedikt Schumanns 1537 enthält. Leider weist sie Fehler auf. 3 Wie es dorthin gelangte, ist unklar. Vetter, Das älteste Ordinationsformular, 68 weist gegen Drews, WA 38, 416 nach, daß Justus Jonas das Schriftstück nicht dorthin mitgebracht haben kann, da er entgegen Behauptungen in der älteren Literatur dort nicht als Visitator zum Einsatz kam. Warum Jakob Schenk, der zu diesem Zeitpunkt heillos mit den Wittenbergern zerstritten war und, wie Vetter andernorts gezeigt hat (vgl. Luthers Stellung, passim), um größtmögliche Unabhängigkeit von ihnen bemüht war, sich kurz vor seiner Abberufung aus Freiberg um Luthers Ordinationsformular bemüht haben sollte, ist unerklärlich. 4 Aus der Tatsache, daß die gleich zu besprechende Ordinationsrede, mit der H einsetzt, auf einer weiteren Nachschrift der oben behandelten Predigt Luthers vom 20.10.1535 basiert, wie Drews, WA 38, 413 zeigt, geht entgegen der dort vertretenen Ansicht nur der terminus a quo hervor (vgl. Vetter, Das älteste Ordinationsformular, 75). Rietschel, Ordinationsformular, passim hatte J aufgrund einer Manuskriptverwechslung ins Jahr 1537 datiert (vgl. Drews, WA 38, 412). Es handelt sich dabei um eine Abschrift Rörers. 5 Die Reihenfolge HJFCR wurde erstmalig von Drews, a.a.O., 411–422 vertreten. Hier weist er S. 416–418 – nicht immer überzeugend – die These Vetters zurück, wonach es sich bei H und J gewissermaßen um spätere Wildwüchse handele. Letzterer versuchte daraufhin, seine im Zusammenhang der Publikation von F vorgetragene Sicht zu untermauern (Ordinationsformular, passim). Dieser Streit, in dem beide Gelehrte jeweils die Priorität des von ihnen entdeckten Formular nachzuweisen suchten, trägt für die Interpretation des Formulars wenig aus, insofern die theologischen Unterschiede zwischen den einzelnen Fassungen sehr gering sind. Doch von der Entscheidung in dieser Frage hängt ab, seit wann in Wittenberg überhaupt ein ausformuliertes Ritual bestand. 6 Vgl. Vetter, a.a.O., 75. 7 Drews, a.a.O., 417 wirft Vetter zu Recht vor, sich von »modernen Geschmacksurteilen« leiten zu lassen. Dieser Vorwurf fällt allerdings teilweise auf ihn selbst zurück. Tatsächlich läßt sich bei kaum einer Variante sagen, ob es sich dabei um eine Kürzung des einen oder um eine Erweiterung des anderen Formulars handelt. 8 Vgl. WA 38, 424, 2–4.11–14; 428, 7–15; 431, 2–15 (F) mit den im Apparat zu H angegebenen Varianten. 9 Vgl. Drews, WA 38, 412.
1. Luthers Ordinationsformulare
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berger Formular angeglichen hätte.10 Das ist aber kaum anzunehmen. Zwanglos erklären sich diese Unterschiede dagegen, wenn J eine Entwicklungsstufe zwischen H und F/C repräsentiert. Eine Reihe von Eigentümlichkeiten in H/J sind von Bedeutung, weil sie Aufschluß über die Anfänge des Formulars geben. Auffällig ist zunächst die H einleitende lateinische Ordinationsrede, die vermutlich auf einer von Rörer unabhängigen Nachschrift der Predigt vom 20. Oktober 1535 beruht.11 Aus ihr ergibt sich, daß es sich bei dieser Fassung der Liturgie nicht um eine in Wittenberg benutzte Agende handeln kann. Als Bestandteil der Liturgie eignet sie sich weder inhaltlich noch sprachlich. Offenbar erschien dem Verfasser dieser Teil der Predigt als eine treffende Einleitung, die den Sinn der Wittenberger Ordination herausstellen sollte.12 Man könnte dann annehmen, H habe das vorliegende Ordinationsformular mit der Predigtnachschrift verbunden. In der jetzigen Form kann jedoch auch die auffällige Ansprache an die Ordinanden in H/J, die ihnen ausgehend von 1. Tim 4, 4 f die Ordination als eine zweite Heiligung vor Augen führt,13 nicht aus einer Agende stammen, denn sie ist wie die Einleitung im Gegensatz zu den sonstigen Redeteilen des Formulars lateinisch abgefaßt.14 Sie müßte also, wenn es sich hier um ein als Agende gebrauchtes Dokument handelte, jeweils ad hoc übersetzt worden sein. So ist auch dieser Teil als ursprünglich einer Predigtnachschrift zugehörig aus dem Formular auszuscheiden.15 Handelt es sich bei H aber nicht um eine Wittenberger Ordinationsagende, könnte es sich hier um die erstmalige vollständige Fixierung einer Handlung handeln, die Luther bereits früher entworfen, aber nur teilweise schriftlich festgehalten hatte. Dies erklärte zum einen das merkwürdige 10 Vetter, a.a.O., 75 behauptet, J weise »Spuren der Überarbeitung … unter Anlehnung an das lutherische Formular« auf, ohne dies allerdings auszuführen. 11 Vgl. WA 41, 762 f und dazu Drews, WA 38, 413. 12 Die wörtlichen Übereinstimmungen mit den späteren Formularen schließen aus, daß es sich bei diesem Text einschließlich der liturgischen Teile um die Aufzeichnung der Ordination vom 20.10.1535 durch einen Anwesenden handelt, wie Drews, Ordination, 296 f behauptet (vgl. dagegen schon WA 38, 414). Vetter, a.a.O., 72 vertritt die Ansicht, das folgende Formular sei angefügt, um die unvollständige Nachschrift einer Ordinationspredigt zu ergänzen. Dies stellt die Dinge auf den Kopf. 13 Vgl. WA 38, 424, 19–425, 17 (H). 14 Darauf hat schon Vetter, a.a.O., 70 hingewiesen. 15 Es handelt sich bei diesem Schriftzitat aber vermutlich um ein festes Bestandteil der Wittenberger Ordinationen jener Zeit. Das Zitat hat nämlich eine auffällige Parallele in dem ungewöhnlichen Schriftzitat in den Bugenhagenschen Ordinationsformularen der dänischen Kirchenordnung von 1537. Vgl. o. S. 177 f. Dort ist das Schriftzitat noch sperriger als in H/ J. Vermutlich sah Bugenhagen es als Bestandteil der Wittenberger Liturgie an. Der Skopus ist allerdings unterschiedlich. In den dänischen Ritualen begründet das Zitat, daß das Wort Gottes und das Gebet die wesentlichen Bestandteile des Ordinationsritus seien, in H/J geht es um die Heiligung, die dem Ordinanden zuteil wird. Das spricht dafür, daß die Ansprache in H nicht auf Bugenhagen, sondern auf Luther zurückgeht.
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VIII. Die Wittenberger Ordination
Schwanken zwischen Indikativ und Konjunktiv in H, insofern hier der Ablauf der Wittenberger Ordinationen mit dem Ziel beschrieben wäre, eine Agende anzufertigen.16 So würde auch erklärlich, warum Georg Rörer, der akribische Sammler aller Äußerungen Luthers, bei der Aufzeichnung von J auf ein Manuskript zurückgriff, das in dieser Form nicht in Wittenberg benutzt wurde: Hätte in der Pfarrkirche eine Agende existiert, hätte er ohne weiteres Zugang zu ihr gehabt.17 Und schließlich hat die Analyse der dänischen Kirchenordnung ergeben, daß Bugenhagen sein Hamburger Ritual zwar an die Wittenberger Praxis anpaßte, offenbar aber kein Ordinationsformular zur Hand hatte.18 Dies könnte ein Hinweis darauf sein, daß in Wittenberg noch keine Agende fixiert war. Sind diese Schlußfolgerungen richtig, dürfte bei der Abfassung von H oder seiner Vorlage nicht mehr als eine Sammlung von Bibelstellen, Luthers Ordinationsgebet im Wortlaut sowie vielleicht eine Übersicht über den Ablauf vorgelegen haben. Dies war für Bugenhagens Tätigkeit als Ordinator hinreichend19 und entsprach Luthers Vorbehalt gegen eine voreilige Festschreibung von kirchlichen Ordnungen.20 Die Fixierung der Liturgie dürfte zunächst nur mit der Absicht geschehen sein, das Wittenberger Formular auswärtigen Kirchen mitzuteilen. Dafür spricht vor allem, daß es sich bei drei der vier Versionen bis 1538 um Handschriften handelt, die für andere Territorien vorgesehen waren. Bei dieser Niederschrift müssen auch die Einleitung und die lateinische Ansprache formuliert worden sein. Als Verfasser dieser Texte kommt wohl nur Luther in Frage. Die Verbindung des Formulars mit der Predigtnachschrift kann hingegen nicht auf den Reformator zurückgehen,21 denn so müßte dieser auf die Nachschrift seiner eigenen Gedanken zurückgegriffen haben. H dürfte deshalb bereits die erste Bearbeitung des Formulars sein.
16 Drews hatte dies darauf zurückgeführt, daß in H der Ablauf einer bestimmten Ordination festgehalten sei (vgl. o. Anm. 12). Ähnlich Vetter, a.a.O., 71. 17 Diese Schlußfolgerung wird dadurch gestützt, daß Rörer die Ordinationsansprache, die in F/C fehlt, später durchgestrichen hat (vgl.WA 38, 425 Anm. 7 [H]). Der Grund dafür dürfte sein, daß der Diakon darum bemüht war, die Liturgie festzuhalten, wie sie in seiner Kirche praktiziert wurde. Rörer war im übrigen nicht nur ständig an den Ordinationen beteiligt, sondern stand ihnen auch einige Male vor. Vgl. u. S. 297. 18 Vgl. o. S. 177. 19 So sind im lateinischen Formular, das bei Ordinanden Anwendung fand, die des Deutschen nicht mächtig waren, ebenfalls nur die zu lesenden Abschnitte aus R aufgeführt. Vgl. WA 38, 432 f. 20 Der Bericht über die Ordination Benedikt Schumanns im Jahre 1537, der in einer Tischrede festgehalten ist, zeigt, daß zumindest Luther, der hier Bugenhagen vertrat, den Ritus variierte. Vgl.WA.TR 5, 112 Nr 5376 und Mittermeier, Ordination, 73–101, wo dieser Bericht in die Synopse der Ordinationsformulare integriert ist. 21 Gegen Lieberg, Amt, 192.
1. Luthers Ordinationsformulare
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Später wurde auf seiner Grundlage ein Exemplar erarbeitet, das für die Anwendung in Wittenberg bestimmt war und die Vorlage für F/C bildete. Dies könnte gleichzeitig mit der Abfassung der neuen Ordinationsansprache geschehen sein, die sich nun an die zu verlesenden Schriftstellen anschloß und in die Ordinationsverpflichtung mündete, die ebenfalls erstmals in F/C belegt ist. Wie die Interpretation des Formulars zeigen wird, ist diese Überarbeitung vor dem Hintergrund zu sehen, daß im Frühjahr 1537 damit begonnen wurde, in Wittenberg auch für auswärtige Territorien zu ordinieren. Vermutlich entstand diese erste eigentliche Ordinationsagende, als Luther seit Mitte Mai den für zwei Jahre nach Dänemark ausgeliehenen Bugenhagen als Ordinator zu vertreten hatte und dabei die Ordination insgesamt neu organisierte.22 Dann sind H und J in der Tat entsprechend früh, vermutlich schon im Jahr 1536 anzusetzen. Es bestätigt sich also im wesentlichen die allgemein akzeptierte Reihenfolge der Formulare,23 wenngleich die Ordinationen in den ersten Jahren im Ablauf weniger festgelegt waren, als H/J zunächst nahezulegen scheinen. Luther darf als Autor der Urform und der wichtigsten Überarbeitung im Jahre 1537 gelten. Daß auch die weiteren Redaktionen bis R auf ihn zurückgehen, ist zumindest nicht auszuschließen.24 b. Das Ordinationsformular Gebet und Handauflegung sind das liturgische Zentrum der Ordination nach dem Wittenberger Formular. Darin stimmt es mit Luthers früheren Äußerungen zur Ordination und den Kirchenordnungen Bugenhagens überein. Indes war die Liturgie Wandlungen unterworfen. Wie sich im folgenden zeigen wird, läßt sich an ihr die Entwicklung ablesen, die das Wittenberger Ordinationsverfahren während der ersten Jahre nahm.
22 So legte Luther ebenfalls nur wenige Wochen nach Bugenhagens Abreise das Ordiniertenbuch an. Vgl. u. S. 276. 23 Allerdings läßt sich zeigen, daß F älter ist als C, die Reihenfolge also gegen Drews, WA 38, 415 HJFCR heißen muß. An mehreren Stellen stimmt C mit R überein, wo F die Lesart der älteren Fassungen bietet. Dabei kann besonders für die Varianten a.a.O., 429 Anm. 1 f (F) ausgeschlossen werden, daß es sich um zufällige Abschreiberflüchtigkeiten handelt. Auch die ausformulierte Agende wurde also laufend überarbeitet. 24 Kolde, Geschichte, 237–239 glaubt, die Abweichungen von R gegenüber F/C einer Bugenhagenschen Redaktion zuschreiben zu können. Doch seine Ausführungen sind nicht überzeugend. Die vier frühesten Fassungen deuten darauf hin, daß mit ihnen nur zufällige Momentaufnahmen eines allmählichen Bearbeitungsprozesses erhalten sind. R ist die erste erhaltene Handschrift, die in Wittenberg benutzt wurde, und auch in dieses aus ledereingebundene, kalligraphisch geschriebene Exemplar wurden – nun von Bugenhagen – weitere Korrekturen eingefügt (vgl. Rietschel, Luther, 10 f ). Die Unterschiede zwischen F/C und R dürften also kaum auf eine einzige Überarbeitung zurückgehen.
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VIII. Die Wittenberger Ordination
(1) Der liturgische Kontext des Ritus Die Ordinationen fanden bis zum Herbst 1540 fast ausschließlich sonntags statt. Vermutlich die steigende Zahl der mittlerweile wöchentlich abgehaltenen Ordinationen, die der gesamten Gemeinde erspart werden sollte, führte dazu, daß sie auf den Mittwochvormittag verlegt und damit vom zentralen Ort der Sonntagsmesse entfernt wurden.25 Die Mittwochsgottesdienste wurden davon sicherlich stark geprägt, damit aber nicht zu reinen Ordinationszeremonien.26 In den Augen der Reformatoren war wichtig, daß die Ordination inmitten der Gemeinde und mit deutlichem Bezug auf den Gottesdienst verortet war.27 Die Ordination wurde nach der Predigt vollzogen. Dies legte sich schon deshalb nahe, weil so die Gemeinde in der Predigt zur fürbittenden Begleitung des Ritus aufgefordert werden konnte.28 Zugleich hatte der Ritus auf diese Weise seinen Ort zwischen Wortverkündigung und Sakrament, auf die er bezogen war. Die erste größere Einheit des Ritus ist an die Gemeinde gerichtet. Diese soll zunächst zum Gebet für die Ordinanden29 und das von Gott eingesetzte Amt im allgemeinen ermahnt werden. Gott möge treue Arbeiter in seine Ernte schicken und in der rechten Lehre erhalten.30 Während die Ordinanden, der Ordinator sowie weitere Amtsträger vor dem Altar knien,31 singt die Schola
25 Vgl. Buchwald, Ordiniertenbuch, passim. Vgl. zu dieser Quelle u. S. 276 f. Obwohl aus dem Verzeichnis nur der jeweilige Tag hervorgeht, lassen sich die Gottesdienste identifizieren. Die Messe am Sonntag und der Vormittagsgottesdienst am Mittwoch waren zusätzlich zur Vesper am Samstag die Anlässe, bei denen der Stadtpfarrer predigte. Bei anderen Gelegenheiten predigten die Diakone. Vgl. Pallas, Registraturen II/1, 3 (=EKO I, 700 f ). 26 Die Visitatoren legten 1555 fest, daß die Ordnungen der letzten Visitation weiter gültig sein sollten. Vgl. Pallas, a.a.O., 35. Die Mittwochsgottesdienste hatten also ihren angestammten Platz im Leben der Parochie trotz der Ordinationen behalten. 27 Auch die Adaption des Wittenberger Ordinationsformulars in der Wolfenbütteler Kirchenordnung von 1543 sieht die Ordination in einem Abendmahlsgottesdienst »vp einen werckeldag« vor (EKO VI, 1, 69.71). 28 Vgl.WA 38, 423, 9–11 (R) und Luthers als »Vorrede« bezeichnete Predigt vom 20.10.1535 o. S. 186. 29 Bereits in H ist vorgesehen, daß mehrere Personen gleichzeitig ordiniert werden. Dies wurde bald der Normalfall. 30 Vgl. WA 38, 423. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die göttliche Einsetzung des Amtes findet sich nur in H/J, wie überhaupt der ganze Abschnitt seit F/C wesentlich gestrafft ist. – Der Vergleich mit Bugenhagens Hamburger Ritual, in dem an dieser Stelle eine ausformulierte Kanzelvermahnung steht, unterstreicht Luthers Eigenart, den liturgischen Ablauf nur soweit wie nötig festzulegen. 31 Vgl. a.a.O., 424, 1–6 (F). H spricht an dieser Stelle nur vom Niederknien vor dem Altar (»flexis coram altari genibus«). Diese Anweisung wird in J und F/C schrittweise präzisiert. Daß indes auch in H bereits die Beteiligung weiterer ministri seu presbyteri vorgesehen ist, zeigt sich daran, daß sie im Zusammenhang der Handauflegung genannt werden.
1. Luthers Ordinationsformulare
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Veni Sancte Spiritus.32 Da die Gemeinde im Anschluß an die Ordination Luthers Lied Nun bitten wir den Heiligen Geist singt,33 steht der Ritus ganz unter dem Zeichen der Bitte um den Geist. Daß sich die Gesänge strenggenommen auf das Leben der Gläubigen und nicht auf die Ordinationshandlung beziehen, ist dem Verständnis der Ordination bei den Reformatoren durchaus angemessen.34 Die Segensbitte der Gemeinde in ihrem Zentrum zielt ja nicht auf eine sakramentale Wirkung am Ordinanden, sondern auf die segensreiche Wirkung seines Dienstes ab. Das Amt trägt seinen Zweck nicht in sich selbst, sondern weist über sich hinaus. Gott beruft »pro sanctificatione nominis sui, pro augmentatione regni coelorum et pro salute omnium populorum«.35 Nach Gebet und Sequenz betritt der Ordinator die Altarstufen und wendet sich den Ordinanden zu. In H/J folgt an dieser Stelle ein nicht völlig deutliches Redestück, das anhand von 1. Tim 4, 4 f die Ordination der Taufe parallelisiert.36 Möglicherweise dient der Abschnitt lediglich der Einführung des Zitates aus den Pastoralbriefen, denn Gottes Wort und Gebet hatten Luther offenbar als »Gestaltungskriterium«37 bei der Abfassung des Ordinationsformulars gedient. H zufolge entspricht der ersten Heiligung durch das Wort und die Taufe eine zweite, durch die die Ordinanden zum heiligen und göttlichen Amt berufen werden, wodurch wiederum viele andere geheiligt werden sollen. Diese für Luther ungewöhnliche Redeweise38 wird in J insoweit präzisiert, als nicht der Ordinationsritus selbst, sondern die zuvor erfolgte Berufung der vocatio prima in der Taufe zur Seite gestellt wird. Anscheinend soll das Mißverständnis vermieden werden, die Ordination werde durch die Parallelisierung mit der Taufe in die Nähe eines Sakramentes gerückt. Damit wird die Stelle allerdings weiter verdunkelt, denn wie die Berufung als Heiligung verstanden werden könnte, erhellt auch die Fortsetzung nicht. Seit F/C fällt der Abschnitt weg.
32 Hier dürfte es sich um das Veni Sancte Spiritus, reple tuorum fidelium handeln (vgl. Smith, a.a.O., 113). Der Zusammenhang der römischen Invocatio sancti spiritus wird dadurch aufgebrochen, daß dem Versikel Emitte spiritum tuum in J Cor mundum crea in me als Variante zur Seite gestellt wird. Seit F/C erscheint nur noch letzterer. Vgl. die Texte bei Mittermeier, a.a.O., 76. 33 Vgl. WA 38, 431, 11–13 (F) u. Anm. 1 (H). Der an dieser Stelle auch in Bugenhagens Formularen gebotene Gesang fehlt in H. 34 Wenn Kolde, a.a.O., 238 die Platzierung des Liedes nach der Ordinationshandlung als eine »liturgische Ungeheuerlichkeit« bezeichnet, mißachtet er dessen Wortlaut. 35 WA 38, 423, 13–17 (H). 36 Vgl. a.a.O., 424, 18–425, 17 (H). 37 Schulz, Ordination, 21. Vgl. das Schema a.a.O., 13. Schulz machte diese Entdeckung offenbar ohne Kenntnis der entsprechenden Stelle in der dänischen Kirchenordnung von 1537, in der Bugenhagen genau dieses Kriterium zum Ausdruck bringt. 38 Bereits die Wahl der Schriftstelle, die sich ursprünglich auf die Geltung von Speisegesetzen bezieht, ist auffällig. 1. Tim 4, 4 f hat für Luther nach Ausweis des Tübinger Luther-Archivs offenbar sonst keine Rolle gespielt. Nur V. 4 zieht er WA 20, 661, 6 f; 25, 468, 1 f heran, wo die Verwendung von ›Kreatur‹ dem Literalsinn nahekommt. WA 11, 257, 25–28 bezieht er den Begriff auf die weltliche Obrigkeit.
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VIII. Die Wittenberger Ordination
Die Anforderungen und Pflichten des kirchlichen Amtes kommen in Form von biblischen Texten zu Gehör. Die Auswahl von 1. Tim 3, 1–7 und Act 20, 28–31, in denen vom Bischofsamt gesprochen wird, bringt programmatisch zum Ausdruck, daß das nun übertragene Amt das eine, im ursprünglichen Bischofsamt gegebene ist.39 Das kommt explizit in der Zusammenfassung dieser Stellen in R zur Sprache, wo die Amtsträger als »Bischoue, das ist, Prediger und Pfarrer« bezeichnet werden.40 Darin sind alle Ordinierten eingeschlossen; auch wenn ihr rechtlicher Status unterschiedlich sein wird, werden sie alle in dem einen Amt die Herde Gottes weiden.41 Die Gestalt der Ordination als Übertragung des Bischofsamtes läßt sich auch an anderen Zügen ablesen wie der Bestimmung der Ordinatoren nach Can. 4 von Nizäa.42 Allerdings ist dieser Rückgriff nicht in erster Linie dadurch gekennzeichnet, daß eine bestimmte kanonische Praxis kopiert werden soll. Werden doch in dieser Weise nicht nur zukünftige Pfarrer, also die den frühchristlichen Bischöfen entsprechenden Gemeindeleiter, sondern auch Prediger und Hilfsgeistliche ordiniert. Der entscheidende Gesichtspunkt ist inhaltlicher Art: Die Deutung, die das Bischofsamt in den Bibelstellen erfährt, gilt prinzipiell für das kirchliche Amt. Nun erhält es allerdings eine neue Nuance gegenüber früheren Äußerungen Luthers, die immer die Verkündigung des Evangeliums als die wesentliche Aufgabe des kirchlichen Amtes herausgestellt. Das gilt weiterhin; doch wird nun der Aspekt betont, daß der Amtsträger durch seine Verkündigung die Gemeinde zu leiten und zu führen hat. Dies geschieht »mit dem reinen wort Gottes«;43 insofern besteht kein Widerspruch gegenüber der bisherigen Auffassung. Eine Akzentverschiebung liegt dennoch vor. Die Gemeinde auf dem rechten Pfad zu leiten und vor Irrlehre zu schützen, nimmt nunmehr einen prominenten Rang unter den Aufgaben des kirchlichen Amtsträgers ein. Wie im noch zu besprechenden Ordinationsgebet spiegelt sich auch in den Lesungen wider, welch zentrale Bedeutung die Bewahrung der reinen Lehre innerhalb des Ordinationsverfahrens hatte. Die gesamte Rede einschließlich des sich seit F/C anschließenden Ordinationsversprechens bildet den wichtigsten Unterschied zum Hamburger Ritual Bugenhagens, in dem die Redeteile ausschließlich aus Gebeten und Ansprachen an die Gemeinde bestanden hatten. Obwohl die Anwesenheit der betenden Gemeinde für den Ordinationsritus konstitutiv bleibt, richtet er 39
Vgl. Wendebourg, Amt, 15. WA 38, 427, 15 f (R). Vgl. das lateinische Formular (a.a.O., 432, 28): »Episcopi hoc est concionatores et pastores«. Die Übersetzung von Pfarrer mit pastor ist nicht so ungewöhnlich, wie Kretschmar, a.a.O., 261 Anm. 61 glaubt. Vgl. o. S. 141 Anm. 26. 41 Vgl. WA 38, 428, 10–28. 42 Vgl. Wendebourg, a.a.O., 16. 43 WA 38, 428, 13 f (F); 427, 25 (R). 40
1. Luthers Ordinationsformulare
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sich nun in erster Linie an den Ordinanden. Auch die Einfügung des Sendewortes 1. Petr 5, 2–4 nach der Handauflegung bewegt sich auf derselben Linie.44 Diese Gewichtsverlagerung ist nicht nur die zwangsläufige Folge der Ordinationszentralisierung, insofern die Wittenberger Gemeinde nun nur noch als Stellvertreterin der Ortsgemeinde fungiert, sondern entspricht auch dem Sinn dieser Zentralisierung, die Qualität des Pfarrdienstes zu sichern. Die rechte Lehre und der vorbildliche Lebenswandel des Kandidaten werden nicht nur als Voraussetzung für die Ordination untersucht, sondern müssen ihm auch für die Zukunft ans Herz gelegt werden. (2) Das Ordinationsversprechen Die Vermahnung der Ordinanden mündet erstmals in F/C in ein Ordinationsversprechen. Es entspricht dem Duktus der Liturgie, daß die Ordinanden öffentlich auf die Paränese antworten. In F/C ist das Versprechen allerdings derart in das Ritual eingebettet, daß es zur Voraussetzung der Ordination wird. Deren rechtliche Dimension schiebt sich so in den Vordergrund.45 Diese Veränderung ist vor dem Hintergrund der seit dem Frühjahr 1537 bestehenden Praxis zu sehen, in Wittenberg auch solche Kandidaten zu ordinieren, die außerhalb der ernestinischen Grenzen ein kirchliches Amt antreten wollten und für die die bisher mit der Wittenberger Ordination verbundene kurfürstliche Bestätigung ohne Bedeutung war. Denn so wurde das ius confirmationis in F/C vom Ordinator, genauer gesagt von allen beteiligten Amtsträgern wahrgenommen. Sie handelten nun »aus bevelh der kirchen durch vnser ampt«, beriefen sich also einerseits auf das ihnen und dem Ordinanden gemeinsame Amt, andererseits auf die Autorität der ›Kirche‹.46 Dadurch daß die Konfirmation in die Ordination integriert wurde und mithin deren rechtliche Dimension stärker hervortrat, veränderte sich auch die Wahrnehmung der Handauflegung. Obwohl dieser Aspekt in den be44
Vgl. a.a.O., 430, 34 ff. Vgl. a.a.O., 428, 22–36 (F): »Seit ir nu willig vnd bereit solch ampt anzunemen vnd treulich zu vben, so wollen wir aus bevelh der kirchen durch vnser ampt euch ordiniren vnd bestetigen, wie S. Paul zum Tito vnd Timotheo gebeut, das wir sollen in den steten priester setzen vnd das wort beuelhen denen, so tuchtig sind auch andere zu leren. Respondeant: volumus.« Es ist ein Mißverständnis, wenn Lieberg, a.a.O., 194 Anm. 147 davon ausgeht, bereits das Examen vor den Professoren sei mit einer Lehrverpflichtung und einem Ordinationsversprechen abgeschlossen werden. Die angeführten Belege aus den Ordinationszeugnissen beziehen sich vielmehr auf das in der Liturgie verankerte, dem eigentlichen Ritus unmittelbar vorausgehende Versprechen. Zum einen würde eine Verdoppelung dieses Versprechens seine Autorität und rechtliche Verbindlichkeit eher schmälern. Zum anderen enthalten auch die noch zu untersuchenden Zeugnisse erst seit dem Herbst 1537 die Bestätigung, daß ein Ordinationsversprechen geleistet wurde, verweisen also aller Wahrscheinlichkeit nach auf den in F/C festgehaltenen Akt. 46 Vermutlich ist hier mit Kirche wie kurz vorher »die kirche, so euch hergesandt« (WA 38, 427, 27 f [F]) und also die jeweilige Gemeinde mit ihrem Patron und nicht die Gesamtkirche gemeint. 45
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VIII. Die Wittenberger Ordination
treffenden Textstücken nicht explizit zu Tage tritt, mußte sie im direkten Anschluß an das Ordinationsversprechen als Zeichen der gültigen Berufung und mithin in Entsprechung zu Bugenhagens Texten aus den zwanziger Jahren verstanden werden.47 Die enge Verbindung von Konfirmation und Ordination war jedoch nur von kurzer Dauer. In R ist der Schluß der Ordinationsansprache und damit jeglicher Hinweis auf die Konfirmation getilgt. Vermutlich wurde die Konfirmation aus dem Ordinationsverfahren herausgelöst und verselbständigt.48 Der liturgische Gehalt der Ordination wurde dadurch gestärkt. Ihre Öffnung für ausländische Kandidaten bewirkte so indirekt, daß sie aus der engen Verbindung mit dem landesherrlichen Kirchenregiment befreit wurde. (3) Der Ordinationsritus Im Mittelpunkt des Ritus steht die Handauflegung, die H zufolge ab ordinatore et presbiteris vollzogen wird.49 Die Person des Ordinators wird hier wie in den späteren Formularen nicht näher bestimmt und zudem – was allerdings vermutlich nur sprachliche Gründe hat50 – seit F nicht mehr ausdrücklich mit der Handauflegung in Verbindung gebracht. Die Formulierung impositis manibus presbyterorum bzw. totius presbyterii schließt den Ordinator zwar selbstverständlich mit ein, doch Subjekt der Handauflegung ist zunächst nicht er, sondern das ›Presbyterium‹ als Ganzes.51 Unter den Presbytern werden hier anders als etwa in der Pommerschen Kirchenordnung nicht Gemeindeälteste, sondern die Wittenberger Prediger verstanden.52 In einer dem Hamburger Ordinationsformular vergleichbaren Weise nehmen sie die Ordinanden in ihr Amt auf. Der Sinn der Handauflegung wird, dem Genus der Quelle entsprechend, nicht erklärt. Ein Stück weit läßt er sich aus dem Ordinationsgebet erschließen, das der Ordinator deutlich vernehmbar sprechen soll.53 Auch wenn nicht sicher ist, ob das Gebet die Handauflegung begleitete oder ihr folgte, ist es eindeutig auf sie bezogen, so daß es als Interpretament dienen kann.54 47
Vgl. o. S. 90. Vgl. zur weiteren Geschichte der Konfirmation u. S. 294–296. 49 WA 38, 429, 2 f (H). 50 Durch eine Straffung wird die zweimalige Nennung des Ordinators vermieden. 51 Vgl. zur Bedeutung des Ordinators u. S. 296–302. 52 Gegen Goertz, Priestertum, 317 Anm. 76. Es war unmöglich, außer dem Ordinanden noch weitere Vertreter aus ganz Kursachsen, später aus weiten Teilen Europas zur einem Besuch in Wittenberg zu verpflichten. Aus demselben Grund kann sich bei den Presbytern nicht um die künftigen Kollegen des Ordinanden handeln, wie Smith, Luther, 111 f glaubt. Wurden bisherige Studenten für eine Stelle in einer weit entfernten Gemeinde ordiniert, wird häufig nur ein brieflicher Kontakt vorausgegangen sein. 53 Vgl. WA 38, 429 f. 54 Mittermeier, Ordination, 159 weist darauf hin, daß das Gebet in der Mecklenburger Kirchenordnung von 1552, wo Luthers Formular übernommen wird, offenbar nach der 48
1. Luthers Ordinationsformulare
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Es beginnt mit dem Vaterunser, in dem die Bedürfnisse der Gemeinde in Jesu eigenen Worten zusammengefaßt sind.55 Daran schließt sich ein von Luther formuliertes Gebet an.56 In diesem Gebet wird unter Berufung auf Mt 9, 3757 Gott angefleht, er möge dem Ordinanden und allen Amtsträgern »seinen heiligen geist reichlich geben, uns alle segnen und stercken«. So würden durch den Dienst am Evangelium die ersten drei Bitten des Vaterunsers erfüllt. Dem Papst, Mohammed und anderen58, die seinen Namen lästerten, sein Reich zerstörten und seinen Willen verdammten, möge Gott hingegen »ein mal ein end machen«, also seine eigene Herrschaft endgültig aufrichten. Das Gebet stellt also das kirchliche Amt in den Horizont des eschatologischen Handelns Gottes und transzendiert so den Anlaß der aktuellen Ordination. Die Predigt des Evangeliums dient der endzeitlichen Verwirklichung des Willens Gottes und gerät damit in den Kampf mit den Feinden Christi. Deshalb wird der Heilige Geist auf die Ordinanden herabgefleht. Kurzum, Gott wird um seinen Segen für ihrer aller Arbeit gebeten. Seit 1539 wird dies durch ein abschließendes
Handauflegung zu erfolgen hat (vgl. EKO V, 193: »Da lege der superattendens und die anderen diener des worts, so dabei sind, dem ordinando die hend uff das heubt, darnach spreche er.«). Zu Recht erwägt er die Möglichkeit, daß dies auch im an der betreffenden Stelle nicht eindeutigen Wittenberger Formular gemeint sein könnte (vgl. a.a.O., 108). Eindeutig sind Gebet und Handauflegung in der Wolfenbütteler Kirchenordnung Bugenhagens von 1543 getrennt: »Hic presbyteri ordine imponunt manus super caput ordinandi et redeunt quisque ad locum, ubi sederant prius super genua. Et dicat ordinator clara voce orationem dominicam!« (EKO VI/1, 69–71) Der Grund dafür ist jedoch sicher nicht, daß die Wittenberger hierin Anschluß an den Brauch der stillen Handauflegung in den mittelalterlichen Pontifikalien gesucht hätten, wie Mittermeier glaubt. Dieser Umstand ist vielmehr praktisch bedingt.Wenn mehrere Ordinierende mehreren Ordinanden – auch das Wolfenbütteler und das Mecklenburger Formular gehen trotz des Wortlauts der zitierten Stellen davon aus, daß mehrere Ordinanden gleichzeitig zentral am Sitz des Superintendenten ordiniert werden können – die Hände aufzulegen hatten, wurden Gebet und Handauflegung getrennt. Das erhellt daraus, daß das Gebet in der fast gleichzeitig mit der Wolfenbütteler entstandenen Hildesheimer Kirchenordnung, die ebenfalls von Bugenhagen verfaßt ist, während der Handauflegung zu sprechen ist. In Hildesheim sollte die Ordination in der Kirche geschehen, in der der Ordinand künftig seinen Dienst tun sollte (vgl. EKO VII/2, 1, 869). Es wurde also immer nur eine Person ordiniert. 55 Es begleitet auch in Luthers Taufbüchlein die Handauflegung. Vgl. WA 12, 45, 9 f (1523); 19, 540, 15–21 (1526, gekürzt). Darauf weist Kretschmar, Bischofsamt, 260 hin. Die frühen Rituale Bugenhagens enthielten es nicht, der Pommer fügte es aber in den dänischen Entwurf ein. Vgl. o. S. 178. 56 Dies Gebet sollte einen festen Platz in der Ordinationsliturgie erhalten. Denn es konnte zwar laut F/C und R weggelassen werden, wurde jedoch in viele spätere Kirchenordnungen übernommen. Die in Anm. 54 erwähnten Kirchenordnungen übernahmen es ohne den einschränkenden Hinweis, man könne es auch fortlassen. 57 Die Bitte um die Arbeiter für die Ernte ist auch im Ordinationsgebet in der Hamburger Kirchenordnung enthalten. Vgl. o. S. 166. 58 Mit den »Sekten« oder »Rotten«, wie es in den späteren Formularen heißt, sind offenbar v.a. die Wiedertäufer gemeint.
258
VIII. Die Wittenberger Ordination
Segenswort in Verbindung mit dem Kreuzeszeichen zum Ausdruck gebracht: »Benedicat vobis dominus vt faciatis fructum multum.«59 Auf den Segen Gottes, ohne den in Luthers Sicht alles menschliche Bemühen fruchtlos und vergeblich ist,60 sind die kirchlichen Amtsträger in besonderer Weise angewiesen. Zum einen bringt ihr Amt, wie vor allem der Verweis auf die endzeitlichen Gefahren unterstreicht, große Belastungen und Anfechtungen mit sich. Zum anderen kommt der Aufgabe der Evangeliumsverkündigung außerordentliche Bedeutung zu. Die Fruchtbarkeit des Dienstes hängt also entscheidend vom reichlich fließenden Segen Gottes ab. Ist die Gabe dieses Segens im Sinne einer besonderen geistlichen Befähigung des Ordinanden zu verstehen, die ihm in der Ordination mitgeteilt würde? Da eine Liturgie kein theologischer Traktat ist, wird man die Antwort weniger im Ordinationsformular selbst als als in theologischen Schriften Luthers und der anderen beteiligten Wittenberger suchen müssen61, außerdem sind ihre amtspraktischen Maßnahmen zu betrachten.62 Freilich gibt es im liturgischen Text selbst ein Indiz, das für eine verneinende Antwort spricht: Wird die Gabe des Geistes oder Segens doch nicht allein auf den Ordinanden, sondern zugleich auch auf alle anwesenden, also bereits ordinierten Amtsträger herabgebeten. Es geht also nicht um eine gnadenhafte Ausstattung, die hic et nunc dem Ordinanden mitgeteilt wird und ihm von nun an anhaftet. Sondern es geht um die immer wieder notwendige und zu erbittende Unterstützung Gottes bei der schweren und verantwortungsvollen Aufgabe der Verkündigung.63 59 WA 38, 431, 21–23 (R). Kolde, Geschichte, 237 sieht hierin die Redaktion Bugenhagens, der bemüht gewesen sei, »dem Akte der Weihe selbst eine selbständige und höhere Bedeutung zu vindizieren, als dies der Auffassung Luthers entsprach«. Er führt nicht aus, inwiefern dieses Segenswort inhaltlich etwas bietet, das über die älteren Formulare hinausgeht. Daß ausgerechnet Bugenhagen versucht habe, die evangelische Ordination »den hergebrachten Weihungsfeierlichkeiten möglichst anzunähern«, begründet er a.a.O., 239 f damit, daß die Änderungen, die R gegenüber C aufweise, denen ähnele, die Bugenhagen handschriftlich in R eingefügt habe. Dabei handelt es sich jedoch schlicht um die Tendenz, optionale Elemente der früheren Fassungen nun eindeutig vorzuschreiben, also um einen Zug zur Vereinheitlichung, der Bugenhagen tatsächlich eigentümlich war. Für eine theologisch motivierte Redaktion spricht nichts. Dies gilt umso mehr, als schon der Bericht über die Ordination Benedikt Schumanns von 22.4.1537 im Anschluß an die Handauflegung einen Segenswunsch des Ordinators Luther bietet (WA.TR 5, 112, 12–14 Nr. 5376). 60 Vgl. etwa WA 15, 366, 15–25; 368, 9–16; 28, 532, 15–22; 31 I, 437, 7–9. 61 Vgl. den folgenden Exkurs. 62 Luthers Entscheidung, den nach Wittenberg gesandten Pfarrer Bonaventura nicht ordinieren zu lassen, Melanchthons Rat an Spalatin, auch vor Ort keine rituellen Ordinationen zu vollziehen, und das Vorgehen der Reformatoren in weiteren ähnlichen Fällen (vgl. o. S. 107–121) wären unverständlich und unverantwortlich, wenn den Kandidaten dadurch die Gabe vorenthalten würde, die sie erst für das kirchliche Amt befähigen sollte. Selbst nach der Einführung der Zentralordination hielten die Wittenberger an diesem Standpunkt fest, wie ihr Verhalten in den Fällen Johann Forster,Veit Dietrich und Jakob Schenk zeigt. Vgl. o. S. 211–230. 63 So etwa auch Rietschel, Luther, 111; Brunotte, Amt, 188 f; Goertz, a.a.O., 320. Anders dagegen, Stein, Amt, 195 f und Mittermeier, a.a.O., 109. Auch Lieberg, a.a.O., 214 f deutet
1. Luthers Ordinationsformulare
259
Exkurs: Luthers Äußerungen zur Handauflegung nach 1525 Um näher zu bestimmen, wie Luther die Handauflegung verstand, ist ein Blick auf seine Äußerungen darüber in anderen Schriften notwendig. Es handelt sich um Äußerungen, die aus Predigten und Vorlesungen stammen und durch einschlägige Bibelstellen ausgelöst sind. In einer von einer antidonatistischen Tendenz geprägten Predigt zu Joh 20, 22 f stellt Luther 1529 klar, daß die Geistesgabe, von der hier die Rede ist, nicht der Person des Empfängers gelte, sondern ihrem Amt (officium).64 Sofern der Pfarrer nach dem Gebot Christi das Evangelium verkündigt und die Sakramente verwaltet, kann die Gemeinde davon ausgehen, daß der Heilige Geist in seinem Reden und Tun wirksam ist. Daß der Geist bei ihm ist, hat seinen Grund und seine Grenze also im auftragsgemäßen Handeln des Amtsträgers, nicht in einer ihm bei der Ordination verliehenen besonderen Gnadenausstattung: »so weit das [officium] ghet, …«. Das gilt nun aber auch tatsächlich, unabhängig von den persönlichen Qualitäten des Amtsträgers.65 Zu 1. Tim 4, 14 stellt Luther in der Auslegung des 1. Timotheusbriefes aus dem gleichen Jahr fest, Timotheus sei durch die Handauflegung eine Geistesgabe verliehen worden, die ihn zur Lehre bevollmächtigen sollte. Der Reformator fährt fort, damals sei der Geist durch
das Ordinationsgebet wie die letzteren, geht aber bezeichnenderweise auf den Wortlaut des Formulars gar nicht ein. – Ein Indiz in derselben Richtung ist möglicherweise auch die Tatsache, daß die Handauflegung von einem Gebet und nicht von einer Vollzugsformel begleitet wird. Vgl. dagegen die »Vollzugsformel« (Schulz, Ordination, 15 u.ö.) in mittelalterlichen Pontifikalien, die bei der Übergabe von Kelch und Patene gesprochen wurde: »Accipe potestatem offerre sacrificium Deo missasque celebrare tam pro vivis quam pro defunctis« (Pontifikale des Durandus bei Andrieu, Pontifical, 370, 7 f; vgl. ganz ähnlich das PRG bei Vogel, Pontifical I, 35, 25 f ). Sie fand in die nachtridentinischen Rituale Eingang und bildete wohl auch die Vorlage für die Formeln in der hessischen Kirchenordnung von 1526 (EKO VIII, 58; Zitat von Joh 20, 22 f ) und im Formular Bucers (MBDS VII, 316: »Nimm hin die handt und hülff Gottes, den heiligen Geist, der dich lehr, fuer und sterck, deinen dienst fruchbar zuverrichten«), wo sie nunmehr die Handauflegung begleitete. Die Wittenberger schlossen sich dieser Tradition nicht an. Eine Luther unbekannte altkirchliche Parallele zum Wittenberger Formular bildet Hippolyts Traditio Apostolica, die während der Handauflegung ebenfalls ein Gebet vorsieht (vgl. Botte, Tradition, 86 f ). Die Unterschiede zwischen Hippolyts Verständnis der Ordination und demjenigen Luthers sind aber erheblich. Vgl. dazu Kretschmar, Bischofsamt, 235 f. 64 Vgl. WA 29, 304, 3–17. Die von Poach bearbeitete Druckfassung findet sich WA 28, 468, 28–470, 25. 65 So Lieberg, Amt, 224–226. Dies hält ihn nicht davon ab, im folgenden Luthers Ablehnung eines character indelebilis vor allem auf die Verbindung der Weihe mit dem Meßopferpriestertum zurückzuführen und das von ihm zur Predigt über Joh 20 Gesagte ferner dahingehend einzuschränken, der Reformator habe auch die von einem abgesetzten Pfarrer in Übereinstimmung mit der Ordnung Christi vorgenommenen Amtsfunktionen als gültig angesehen (vgl. a.a.O., 228 Anm. 319). Dies ist zwar richtig, hat jedoch nichts mit dem früheren Amt eines abgesetzten Pfarrers zu tun, wie Lieberg an anderer Stelle selbst bemerkt (vgl. a.a.O., 226, Anm. 311). Luther drückt dies an der von Lieberg angeführten Stelle aus Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe drastisch so aus: »Denn es mus unser glaube und Sacrament nicht auff der person [sc. des Amtsträgers] stehen, sie sey from odder b se, geweyhet odder ungeweyhet, beruffen oder eingeschlichen, der teuffel oder seine mutter, Sondern auff Christo, auff seynem wort, auff seinem ampt, auff seinem befelh und ordnung …« (WA 38, 241, 6–9).
260
VIII. Die Wittenberger Ordination
die Handauflegung bisweilen sogar sichtbar gegeben worden.66 Hier spricht Luther in der Tat von einer dauerhaften Geistesgabe. Für sein eigenes Ordinationsverständnis läßt sich diese Stelle jedoch nicht auswerten.67 Denn er charakterisiert den besonderen Geistempfang durch die Handauflegung als ein urchristliches Phänomen und stellt gerade keine Brücke zur Frage einer evangelischen Ordination in der Gegenwart her. Für die Zeit bis 1535 finden sich somit keine Belege dafür, daß Luther der Überzeugung war, durch die Handauflegung bei der Ordination werde der Ordinand mit einer besonderen Geistesgabe ausgestattet. In der Genesisvorlesung vergleicht Luther die unwiderrufliche Segnung Jakobs durch Isaak mit anderen sententiae definitivae, die in göttlicher Autorität ausgesprochen seien und nicht zurückgenommen werden könnten. Als Beispiele nennt er »baptismum, … absolutionem et alia, quae per verbum impertit«.68 Entscheidend ist nun die Frage, ob mit jenen alia auch die Ordination gemeint sein kann. Dies ist eindeutig zu verneinen.69 Zum einen würde dieser damit eine den Sakramenten vergleichbare Verheißung zugesprochen, wofür sich bei keinem der Wittenberger Reformatoren ein Beleg findet.70 Zum zweiten spricht Luther nirgends davon, daß die Handauflegung von Gott geboten sei. Zwar findet sich in demselben Werk an anderer Stelle die Aussage, »impositio manuum non est traditio humana«.71 Damit behauptet Luther aber, wie der Kontext zeigt, nicht ein ius divinum für die Handauflegung,72 sondern hält fest, daß Gott selbst durch die Ordination handelt. Dies betont er häufiger, doch ein Gebot Gottes, wie es für die Wittenberger Sakramentstheologie konstitutiv ist, nennt er für die Handauflegung nie. Zum dritten geht es im obigen Zusammenhang nicht in erster Linie um einen Segensritus, sondern um ein Segenswort. Das Wort, das Isaak aussprach, ist ebenso bindend wie das Absolutionswort und wie die Zusage, die durch die Taufe zum Ausdruck kommt und laut wird. Sollte der Ordinationsritus in diese Reihe einbezogen werden, müßte die Handauflegung ein exhibitives Segenswort begleiten, das die quasi-sakramentale Wirkung zum Ausdruck brächte – das aber ist nicht der Fall. Bereits der Wortlaut jener Stelle der Genesisvorlesung sträubt sich demnach dagegen, vor dem Hintergrund sonstiger Äußerungen Luthers auf die Ordination bezogen zu werden. Von diesen Überlegungen abgesehen wäre es methodisch fragwürdig, Luthers
66 Vgl. WA 26, 82, 35–83, 8: »›Charisma‹: donum gratuitum, was sei gewest fur ein donum, non exprimit, sed puto, quod sit potens in doctrina et exhortando … hoc donum habet ex impositione manuum. Eo tempore donabatur spiritus sanctus etiam visibiliter, quando imponebant, ut in Actis primitiva ecclesia.« 67 Dies geschieht bei Lieberg, Amt, 215 Anm. 259. 68 WA 43, 531, 19–22. 69 Gegen Heubach, Ordination, 112 Anm. 124 und Lieberg, a.a.O., 228 f. 70 Dies geschieht auch nicht in der Apologie, wo Melanchthon es für möglich hält, die Ordination ein Sakrament zu nennen (vgl. o. S. 145). 71 WA 43, 600, 25–27 (vgl. a.a.O., 599, 37) zu Gen 28, 17. 72 Die aus der Scholastik stammende Unterscheidung von ius divinum und ius humanum spielt in Luthers Theologie anders als in der Melanchthons kaum eine Rolle. Der Reformator bestreitet zwar besonders während des Ablaßstreits häufig die Verbindlichkeit von Menschensatzungen, doch geht es dabei weniger um die Unterscheidung eines unabänderlichen göttlichen und eines in die Verfügung der Kirche gestellten menschlichen Rechtes als um die Kritik an Forderungen, die gegen das Wort Gottes verstoßen (vgl. z.B. den programmatischen Titel Von Menschenlehre zu meiden von 1522 [WA 10 II, 72–92]).
1. Luthers Ordinationsformulare
261
Verständnis der Handauflegung vor allem aus einem Text zu eruieren, den der Reformator nicht selbst ausformuliert hat.73 Es findet sich nur eine einzige Stelle, an der Luther selbst den Sinn der Handauflegung bei der Ordination nicht nur als Bestätigung der Berufung erklärt. Sie stammt aus seinem Exempel, einen rechten christlichen Bischof zu weihen. Hier erklärt er den Ordinationsritus folgendermaßen: »Aufflegunge der Hende, die Segenen, bestettigen und bezeugen solchs«.74 73 Der zweite Teil der Vorlesung, der mit Gen 11, 27 einsetzt, erschien erst 1550 (vgl.WA 42, 429, 11); Luther konnte den Text also nicht einmal korrigieren. Meinhold, Genesisvorlesung, 123 geht auch für den 1544 erschienenen ersten Band von allenfalls geringfügigen Korrekturen Luthers aus. Es ist also zu berücksichtigen, daß die jetzige Form des Textes auf Veit Dietrich zurückgeht. Dieses Faktum wiederum erhellt auf spezifische Weise die Stelle zur Handauflegung. Dietrich wurde in den vierziger Jahren von Andreas Osiander angegriffen, weil er nicht cum impositione manuum ordiniert war. Wollte Dietrich die angeführten Stellen so verstanden wissen, wie Heubach und Lieberg sie auslegen, stellten sie die Legitimität seiner eigenen Amtsausübung in Frage und widersprächen dem Gutachten zur Handauflegung, das Melanchthon ihm kurz zuvor nach Rücksprache mit Luther ausgefertigt hatte, und dessen Inhalt sich Dietrich zu eigen machte. Vgl. u. S. 289–291. – Die von Lieberg, a.a.O., 214 f und Smith, Luther, 120 in diesem Zusammenhang ebenfalls angeführte Stelle aus der Predigt zum Andreastag aus der Hauspostille von 1544 (WA 52, 568, 22–569, 27) – nicht »am Andreastag 1544« (Lieberg, a.a.O., 214; vgl. Smith, Luther, 120)! – geht mit Sicherheit nicht auf Luther, sondern vollständig auf Dietrich zurück. Andreas Poach zufolge sind alle Predigten der Hauspostille, die kein Datum tragen, vom Nürnberger Prediger ergänzt worden (vgl.WA 52, VIII). Zudem ist für die Predigt zum Andreastag keine Nachschrift erhalten (vgl. a.a.O., XXII). Gleiches gilt im übrigen für die Predigt »Am tag Stephani«, in der Dietrich ebenfalls auf die Handauflegung eingeht (a.a.O., 590, 35–591, 14). Selbstverständlich hat Dietrich dabei auf seine Mitschriften der mündlichen Äußerungen Luthers sowie dessen Publikationen zurückgegriffen. So scheint etwa der Abschnitt a.a.O., 568, 22–32 zur besprochenen Stelle aus der Vorlesung über den 1. Timotheusbrief in Beziehung zu stehen. Doch die systematische Zusammenstellung desjenigen Materials, zu dem sich in den Schriften Luthers nichts Vergleichbares findet, geht auf Dietrich zurück. Offenbar hatte er sich nicht mit dem Gutachten Melanchthons begnügt, sondern selbst aus Luthers Aussagen zu Amt und Ordination eine Art Florilegium erstellt. So entsteht erst im Kontext der Predigt ein enger Zusammenhang zwischen der Handauflegung in den Pastoralbriefen und der evangelischen Ordinationspraxis.Trotzdem kommt Dietrich zum folgenden Ergebnis: »Die Christen aber sollen wissen, zum Kirchendiener, Bischoff, Pfarrherrn, Caplan, oder wie mans nennen will, gehört mer nit, denn das er erstlich eines unergerlichen wandels sey und ein guten verstand Christlicher lehr haben und die selbe fein klar könne von sich geben. Wo solchs ist, da darffs mer nit denn das solche personen von der öberkeit beruffen, und jnen das predig ambt und ander kirchendienst offenlich befolhen werden. Da mag man die auflegung der hende mit brauchen und dabey betten und ist kein zweifel dran, solchs gebet, ob gleich der heylige Geyst nicht mehr sichtigklich kumbt, wirdt one frucht nit abgehen, sonder das aussrichten, darumb es geschieht, nach der zusagung Christi: Wo zwei oder drey in meinem namen versamelt sind, was sie den Vatter bitten, das wirdt er jnen geben. Also sollen die Christen jre Kirchendiener weyhen, so folgen sie der Apostel und ersten Kirchen Exempel …«. (a.a.O., 569, 11–22) Der Handauflegung und dem Gebet wird zwar eine hohe Bedeutung beigemessen, konstitutiv sind sie im Gegensatz zur öffentlichen Berufung jedoch nicht. Man möchte ergänzen: Dietrichs eigene Vokation war also gültig und vollständig. Lieberg, a.a.O., 209 Anm. 239 bestreitet, daß es sich hier um eine Relativierung der Handauflegung handeln könne, da dies sonst auch für das »unbedingt obligatorisch[e]« Gebet gelte. Doch der Skopus der Predigt liegt gerade darin, daß wie bei den Jüngern Jesu einzig die Berufung das Amt begründe. Die Interpretation, die der Abschnitt bei Smith, a.a.O., 120 erfährt, beruht auf einem sinnentstellenden Übersetzungsfehler. 74 WA 53, 219–260; hier 257, 6 f.
262
VIII. Die Wittenberger Ordination
Anders als in früheren Äußerungen wird hier der Handauflegung auch eine Segensfunktion zugeschrieben. Die Fortsetzung, in der die Ordination mit der Trauung parallelisiert wird, zeigt allerdings, daß auch hier ›Segen‹ nicht anders verstanden wird als im Ordinationsgebet: als göttliche Unterstützung bei den bevorstehenden Aufgaben. Wie in der Trauung wird in der Ordination der Segen für das Leben zugesprochen, das durch den Ritus konstituiert wird. Das eheliche Leben entspricht dabei dem Dienst im kirchlichen Amt. Obwohl Luther davon spricht, daß die Amtsträger – nicht wie im Ordinationsformular Gott selbst – den Ordinanden segneten, leidet doch keinen Zweifel, daß in der Ordination wie in der Trauung dieser Segen von Gott erbeten wird. Auch die Schrift von 1542 geht also substantiell nicht über Luthers frühere Überzeugung hinaus.75
(4) Die verarbeiteten Traditionen Abschließend stellt sich die Frage nach möglichen Vorlagen für das Wittenberger Ordinationsformular. Luther sah in der römischen Priesterweihe vor allem die Bevollmächtigung zum Meßpriestertum. Die damit im Zusammenhang stehenden Riten wie die Händesalbung oder die Übergabe von Kelch und Patene waren in seinen Augen nicht nur äußerliche Mißbräuche, von denen der Ritus gereinigt werden konnte, sondern Ausdruck eines Amts- und Ordinationsverständnisses, das sich von der biblischen und altkirchlichen Tradition entfernt hatte. An die mittelalterlichen Pontifikalien hat Luther deshalb keinen Anschluß gesucht.76 Ohnehin hatte er keinen 75 Brunner, Amt, 15 Anm. 10 distanziert sich hinsichtlich der Frage, ob unter Gebet und Handauflegung ein Charisma verliehen werde, ausdrücklich vom »reformatorischen Verständnis der Ordination«, wo dieser Aspekt nicht hinreichend zur Geltung komme. Anschließend weist er zu Recht darauf hin, daß Luther – abgesehen vom Wittenberger Ordinationsformular – erstmals 1542 im Zusammenhang mit der Ordination vom Segen spricht. Aus der Weise, wie er selbst auf seine erwähnte – für sich genommen etwas kryptische – Fußnote bei der Behandlung der Naumburger Bischofsordination Bezug nimmt (vgl. ders., Amsdorf, 74 Anm. 78), läßt sich schließen, daß er sich mit dem Luther der vierziger Jahre einig glaubt. Brunner übergeht oder übersieht jedoch, welche Folgen sich für die Frage des Amtscharismas daraus ergeben, daß sich die Naumburger Bischofseinführung deutlich an das Wittenberger Formular anlehnt, um die Einheit des kirchlichen Amtes zum Ausdruck zu bringen (vgl. a.a.O., 69). Wie sollte Amsdorf ein Charisma verliehen werden, das er längst besaß? So gesehen zeigt gerade der Naumburger Vorgang, daß die Ordination in den Augen Luthers nicht ein – ein für alle mal gegebenes – Amtscharisma vermittelte. 76 So auch Stein, Amt, 194; Schulz, Reformen, 264; Kretschmar, Ordination, 259 f. Anders Smith, Luther, passim, bes. 47 f. Er begründet dies zum einen damit, daß er an einzelnen Punkten mittelalterliche Traditionen in Luthers Ordinationsformular ausmacht (vgl. a.a.O., 112.114). Zum anderen behauptet er, die Anwesenden hätten nicht nur die Priesterweihe in der evangelischen Ordination wiedererkannt, sondern ohne Kenntnis des Ordinationsgebetes überhaupt nur wenige Unterschiede feststellen können (vgl. a.a.O., 219). Dabei ignoriert er nicht nur, daß die Handauflegung etwa in den spätmittelalterlichen Pontifikalien kaum noch als die »central gesture« wahrgenommen werden konnte, von der Smith spricht (vgl. dagegen o. S. 35). Noch wichtiger ist, daß die Orte, an denen die evangelischen Ordinationen vollzogen wurden, nicht mit den mittelalterlichen Bischofssitzen identisch waren. Ganz abgesehen von dem erheblich veränderten äußeren Rahmen bedeutet dies, daß die Gemeinde, die Smith zufolge in der evangelischen Ordination die Priesterweihe wieder erkennen konnte, nicht existierte. Die große Mehrheit der Wittenberger Stadtkirchengemeinde hatte mit Sicherheit nie eine Priesterweihe erlebt.
1. Luthers Ordinationsformulare
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Zugang zu ihnen.77 Die minimalen Übereinstimmungen78 erklären sich dadurch, daß es sich bei der Priesterweihe und der evangelischen Ordination bei allen Unterschieden um Einführungen in das kirchliche Amt handelte, die einen gemeinsamen Ursprung in der neutestamentlich-patristischen Tradition hatten. In einem engen Zusammenhang steht das Wittenberger Ordinationsformular dagegen mit dem Hamburger Ritual Bugenhagens. Wie dort beginnt der liturgische Teil mit einem Veni Sancte Spiritus und endet mit dem deutschen Nun bitten wir den Heiligen Geist. Ferner stimmen die Formulare nicht nur in der Tatsache überein, daß die Handauflegung von einem Gebet begleitet wird, sondern auch darin, daß die Anamnese jeweils das Gebot Jesu aufnimmt, daß die Jünger um Arbeiter in der Ernte bitten sollen. Andererseits weisen die Epiklesen kaum Gemeinsamkeiten auf. Auch enthält Bugenhagens Formular keine Ansprache an die Ordinanden. Deren Einfügung war vor allem durch die Zentralisation der Ordination veranlaßt. Luther akzentuiert das Gebet, so daß es nicht mehr nur als eine Bitte um den Geist für alle Amtsträger gestaltet ist, und stellt anhand der ersten Vaterunserbitten einen eschatologischen Gegensatz zwischen wahren und falschen Predigern her. Da Bugenhagen für sein Hamburger Formular offenbar nicht auf eine schriftliche Quelle zurückgegriffen hat,79 bleiben Versuche, einzelne Elemente Luther oder Bugenhagen zuzuschreiben, hypothetisch. Beide Liturgien haben ihren Ursprung in der frühen Wittenberger Ordinationspraxis, die offenbar schnell eine relativ stabile Form fand.80 77 So urteilen auch Spinks, Reforms, 20 f und Kretschmar, a.a.O., 259. Smith, a.a.O., 72 Anm. 12 versucht zu belegen, daß Luther der Ritus dennoch sehr vertraut war, indem er auf dessen Wiedergabe der Formel »Accipe potestatem consecrandi et sacrificandi pro vivis et mortuis« (WA 38, 199, 17–19, Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe) verweist. Diese Formel, mit der Luther zeigen will, daß die Priesterweihe als solche ausschließlich auf das Meßpriestertum bezogen ist, lautete aber »Accipe postestatem offere sacrificium Deo missasque celebrare tam pro vivis quam pro defunctis. In nomine patris et filii et spriritus sancti« (Andrieu, Pontifical, 370, 7 f; weitere sehr ähnliche Fassungen bei Mittermeier, Ordination, 23 Anm. 100). Näher steht Luthers Zitat einigen Mainzer Druckagenden aus dem Zeitraum von 1480 bis 1513, in denen die Form des Sakramentes folgendermaßen angegeben wird: »Accipe potestatem offerendi sacrificium in ecclesia pro vivis et mortuis« (zitiert bei Reifenberg, Sakramente, 526). Diese Übereinstimmung rührt kaum daher, daß Luther die bei seiner eigenen Priesterweihe gehörte Formel aus dem Gedächtnis zitiert (so Mittermeier, a.a.O., 23), sondern verdankt sich der Tatsache, daß es sich dabei um den Wortlaut des Decretum pro Armenis von 1439 handelt (DH 1326), das Luther sicherlich bekannt war. 78 Zumindest mit den spätmittelalterlichen Pontifikalien stimmt Luthers Formular darin überein, daß ein Pfingstgesang, die Handauflegung und ein Gebet enthalten sind. Vgl. die Übersicht bei Mittermeier, a.a.O., 26–29. 79 Vgl. o. S. 163. 80 Wenn Melanchthon 1551 schreibt, »Pie fecit Lutherus, qui ad veram Ecclesiam transtulit non solum vocationem, sed etiam publicam testificationem, quae fit publico ritu …« (CR 7, 742 f [MBW 6003]), dann dürfte sich diese Aussage weniger auf das Ordinationsformular im speziellen als allgemein auf die Wiedergewinnung des altkirchlichen Ritus für die Gegenwart beziehen.
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VIII. Die Wittenberger Ordination
2. Die Ordinationszeugnisse a. Einleitende Bemerkungen Da die Wittenberger Ordination seit 1535 die rechtliche Voraussetzung dafür war, daß ein Kandidat in Kursachsen ein kirchliches Amt übernehmen durfte, mußte dieser Akt dokumentiert werden. Die künftige Gemeinde, die der Ordination nicht mehr beiwohnen konnte, der Patron und der Superintendent hatten sich davon zu überzeugen, daß der künftige Amtsträger examiniert, ordiniert und konfirmiert war. Dies galt vor allem für den Fall, daß der Ordinierte später einmal auf eine andere Stelle wechseln würde. Bei der Ordination am 20. Oktober 1535 war daran im Vorfeld offenbar nicht gedacht worden. Luther ging in seinem Brief an den Gothaer Superintendenten Friedrich Mykonius erst im Postskriptum auf die Frage ein, wie Examen, Ordination und Konfirmation auch bei einem Gemeindewechsel den dortigen Instanzen gegenüber dokumentiert werden könnten: Die Gothaer selbst sollten ihrem Prediger zu jener Zeit die rechtmäßige Initiation in das kirchliche Amt bescheinigen.81 Schon bald wurde eine allgemeine Regelung gefunden. Das erste erhaltene Ordinationszeugnis trägt das Datum des 1. Juni 1536. Die Einführung eines offiziellen Zeugnisses könnte allerdings bereits einige Monate zuvor geschehen sein. Offenbar wurden von nun an regelmäßig solche Bescheinigungen ausgestellt. Zwar sind nur sehr wenige im Original oder in Abschrift erhalten.82 Auch wurden sie häufig nicht am Ordinationstag selbst ausgestellt.83 81
Vgl. o. S. 190. Aus Luthers Lebenszeit sind 24 lateinische und fünf deutsche Ordinationszeugnisse in WA.B 12, 451–485 Nr. 4330 sowie 14, IL f ediert. Fünf sind im Original erhalten. Acht gehen auf ausgefüllte Exemplare der lateinischen (1539) und deutschen (1543?) Druckformulare zurück. Zu späteren Drucken vgl.WA.B 14, XLIVf. Die Weimarana bietet außerdem das aus einem anderen Zusammenhang stammende Ordinationszeugnis für Fürst Georg von Anhalt vom 2.8.1545 (a.a.O., 480 Nr. 4330, 20; vgl. zum Vorgang Gabriel, Georg III., 139–153). Zu ergänzen ist das CR 5, 710–713 (MBW 3860) abgedruckte Zeugnis für Lorenz Heunisch vom 25.3.1545, das nicht die Unterschrift Luthers trägt und deshalb keine Aufnahme in die Weimarana fand (vgl. WA.B 12, 449 Anm. 4). Seltsamerweise wurde bei diesem Zeugnis ein gedrucktes Formular verwendet, das dann erst wieder Mitte der fünfziger Jahre belegt ist (vgl. WA.B 14, XLIVf ). Am Datum ist aber nicht zu zweifeln, denn Heunisch wurde am 4.3.1545 ordiniert (vgl. WOB 662). Möglicherweise wurde es nachträglich ausgestellt. Ebenfalls ist dieser Aufzählung das Zeugnis des Bartholomäus Wolfart vom 27.9.1544 hinzuzufügen, das erst kürzlich entdeckt wurde (gedruckt bei Moeller, Ordinationszeugnis, 121 f ). Vom Beginn des Jahres 1546 bis zum Augsburger Religionsfrieden sind weitere Zeugnisse erhalten. Vgl. MBW 4019; MBW 4298. 4330; CR 7, 189 f (MBW 5346); MBW 6040. 6781; CR 8, 81 f (MBW 6820); MBW 6830. 7005. 7222; CR 8, 310 f (MBW 7223); MBW 7240. 7345. 7588. 83 Die Ordinationsdaten gehen aus dem Wittenberger Ordiniertenbuch hervor und sind in bezug auf die Nrr. 4330, 2 f.9.11–19 etwas früher, im Falle des Bartholomäus Wolfart um einige Tage später als das Zeugnisdatum. Nur die unter Nr. 6 und 8 gebotenen Zeugnisse sind längere Zeit nach der Ordination ausgestellt. Im letzteren Fall dürfte dies darin begründet liegen, daß 82
2. Die Ordinationszeugnisse
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Dennoch wurde auf ihre Ausfertigung sorgsam geachtet, wie sich durch den Vergleich der Visitationsakten des Kurkreises von 1555 mit dem Wittenberger Ordiniertenbuch ergibt: Das Ordinationsjahr wird in nahezu allen Fällen von den Pfarrern korrekt angegeben, sofern es verzeichnet ist. Lediglich in drei von mehreren hundert Fällen weicht die Angabe um jeweils ein Jahr von den Daten des Ordiniertenbuches ab.84 Dieses hohe Maß an Übereinstimmung läßt sich kaum anders erklären, als daß den Visitatoren jeweils das Ordinationszeugnis vorgelegt wurde.85 Dafür spricht noch eine weitere Beobachtung: In einem Fall übernahmen die Visitatoren einen offenbar an Stelle eines Ordinationszeugnisses präsentierten Bestätigungsbrief Luthers in Abschrift ins Protokoll; offenbar erwarteten sie die Vorlage eines schriftlichen Dokumentes.86 Fehlte ein solches, notierten sie statt des Ordinationsdatums die dafür vorgebrachte Erklärung des Pfarrers.87 Hätte eine größere Zahl von Pfarrern angegeben, zwar in Wittenberg ordiniert worden zu sein, aber nie ein Zeugnis erhalten zu haben, hätte sich dies in den Protokollen niedergeschlagen.88 Es dürfte demnach selten versäumt worden sein, ein Zeugnis auszustellen.
Benedikt Schumann als erster für ein Amt außerhalb der ernestinischen Grenzen ordiniert wurde (vgl. o. S. 243). Da das Zeugnis anfangs gleichzeitig als schriftlicher Nachweis der kurfürstlichen Konfirmation fungierte, wie im folgenden zu zeigen sein wird, verzichtete man völlig darauf. Offenbar bat Schumann 1539 doch noch um ein Zeugnis, das er mit dem aktuellen Datum versehen erhielt. Das Zeugnis Wenzeslaus Kilmanns wird wegen des unsicheren, aber für unsere Untersuchung dennoch wichtigen Ordinationsdatums unten gesondert behandelt. 84 Vgl. Pallas, Registraturen II/3, 268 (1555) gegenüber WOB 1581 (19.12.1554); II/6, 72 (1548) gegenüber WOB 894 (24.9.1547); II/6, 143 (1549) gegenüber WOB 936 (28.3.1548). Der Grund für diese Abweichungen könnte wie in den Fällen, wo überhaupt kein Ordinationsdatum registriert wurde, darin liegen, daß das Zeugnis verloren gegangen war. Zumindest im ersten Fall könnte das Zeugnis allerdings auch wie in anderen Fällen etwas später datiert sein. Im übrigen läßt sich aus dem Fehlen des Ordinationsdatums nicht schließen, daß die Betreffenden nicht ordiniert waren, wie an nicht eben seltenen Fällen wie dem des Sandersdorfer Pfarrers Ambrosius Matthias deutlich wird, dessen Ordination am 28.3.1548 (WOB 934) von den Visitatoren nicht erwähnt wird (vgl. Pallas, Registraturen II/2, 273). 85 In einigen wenigen Fällen vermerkten die Visitatoren dies ausdrücklich. Vgl. z.B. Pallas, Registraturen II/1, 433: »Dieser pfarrer heist Balthasar Menzer und ist anno 38 zu Wittenberg ordinirt [WOB 24], wie er dessen ein schriftlich testimonium fürgeleget«. 86 Vgl. Pallas, Registraturen II/3, 630=WA.B 4, 545 Nr. 1314 vom 2.9.1528. Luther spricht hier gegenüber Bernhard von Mila die Bestätigung Joachim Pfuhls aus, dessen Schönewalder Pfarrstelle ein Universitätslehen war. Die Visitatoren kopierten den Brief und notierten wie bei anderen älteren Kandidaten auch den Ort und das Datum der Priesterweihe Pfuhls. 87 So entschuldigte sich etwa der Pfarrer von Schwanebeck damit, daß die Ordination zum Zeitpunkt seines Amtsantritts noch nicht üblich gewesen sei. Vgl. o. S. 109. 88 Das Ordiniertenbuch weist zur Ordination eines Ambrosius Stahl am 19.4.1542 die folgende Marginalie auf: »anno 1575 petivit testimonium alterum priore amisso«. Daran läßt sich nicht nur die Bedeutung des Ordinationszeugnisses in den siebziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts ablesen, sondern auch, wie ungewöhnlich ein solcher Fall war, denn ein vergleichbarer Eintrag findet sich sonst nicht.
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VIII. Die Wittenberger Ordination
Die Zeugnisse sind offenbar von Melanchthon verfaßt. Für einen größeren Teil von ihnen läßt sich dies aufgrund von inneren Gründen zeigen.89 Da die übrigen Exemplare nicht wesentlich von ihnen abweichen, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß der Reformator allgemein mit dieser Aufgabe betraut war. Dies gilt umso mehr, als wir Nachrichten aus der ersten Hälfte der vierziger Jahre besitzen, denen zufolge die Zeugnisse nicht in Abwesenheit des Reformators ausgestellt wurden.90 Weil diese Aufgabe aber im wesentlichen nur darin bestand, aus Versatzstücken den für den jeweiligen Ordinanden adäquaten Text zu kombinieren, ließ er sich dabei offenbar zumindest zeitweise assistieren und korrigierte lediglich das Ergebnis.91 Für die frühesten Zeugnisse, deren Aufbau stärker von den übrigen abweicht, läßt sich die Autorschaft Melanchthons nur vermuten. b. Der Inhalt der Zeugnisse (1) Die Autorität der evangelischen Ordinatoren In den Ordinationszeugnissen legen die Ordinatoren ausführlicher und genauer als anderswo über ihr Tun Rechenschaft ab. Das betrifft die Frage ihrer Autorität wie auch die Beschreibung ihres eigenen Handelns. Die ältesten Zeugnisse legen dar, in wessen Autorität und Auftrag die Ordination geschehen sei. Im ersten Ordinationszeugnis vom Juni 1536 betonen die Ordinatoren, daß ihnen die Aufgabe der Ordination »authoritate ecclesiae christi
89 Volz, WA.B 12, 449 Anm. 5 führt mit Recht die Zeugnisse Nrr. 4330, 16. 19 sowie sich stark mit ihnen berührenden Nrr. 4330, 10–14. 17 f eindeutig auf Melanchthon zurück, da ihre Jahreszahl sich nicht auf Christi Geburt, sondern auf die Sintflut bezieht, wie es sich auch anderenorts bei dem Humanisten findet. Außerdem geht eine der beiden erhaltenen Originalhandschriften (Nr. 4330, 5A) auf ihn zurück. 90 Vgl. den a.a.O., 491 f in einem Nachtrag zitierten Brief des in Wittenberg weilenden Hieronymus Rauscher an Johann Sutel in Schweinfurt vom Mai 1544. Danach war dem am 30.4.1544 ordinierten Nikolaus Meier (WOB 591) versprochen worden, sein Zeugnis zu erhalten, sobald Melanchthon wohlbehalten zurückgekehrt sei. Daß es sich dabei nicht um eine spontane Ausflucht der überlasteten Wittenberger handelte, zeigt ein zweiter Fall. Am 14.9.1542 hatte sich Melanchthon gegenüber dem Nordhäuser Pfarrer Johannes Spangenberg über die rasche Abreise des vier Tage zuvor zum dortigen »Priesterambt« ordinierten Leonhard Jacobi (WOB 493) beklagt, da dieser seine Rückkehr nicht abgewartet und deshalb weder sein Ordinationszeugnis noch das von den Nordhäusern angeforderte Gutachten in einer Ehesache mitgenommen hatte (vgl. CR 10, 45 f [MBW 3041]). Es überrascht, daß diese Aufgabe exklusiv von Melanchthon ausgeübt wurde, obwohl man bereits 1540 Druckformulare benutzt hatte, der Text der Zeugnisse also standardisiert war. 91 In zwei der im Original erhaltenen Handschriften hat Melanchthon jeweils nur die Formel »Pastor Ecclesiae Witebergensis et ceteri ministri Euangelii in eadem Ecclesia« eigenhändig geschrieben (vgl. WA.B 12, 467 Nr. 4330, 9; Moeller, a.a.O., 118). Ferner ist das Konzept eines Zeugnisses erhalten, in das Melanchthon nur Korrekturen eingefügt hat (vgl. WA.B 12, 477 f, Nr. 4330, 17). Das Zeugnis a.a.O., 456 f Nr. 4330, 5a weist durchgängig seine Handschrift auf.
2. Die Ordinationszeugnisse
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et mandato superiorum« anvertraut sei.92 Sie beziehen sich also ausdrücklich auch auf den Erlaß des Kurfürsten, den dieser auch im Namen seines Bruders formuliert hatte. Das Zeugnis dokumentiert so zugleich die kurfürstliche Konfirmation. Bereits das zweite Zeugnis vom Oktober 1537 wiederholt das zweite Glied nicht mehr, sondern beschränkt sich auf die Formulierung, man handle »authoritate ecclesiae nostrae«.93 Da sich die Ordinatoren gegenüber den nunmehr zur Ordination zugelassenen nichternestinischen Ordinanden nicht auf den Auftrag der Obrigkeit berufen konnten, wurde dieser kirchenregimentliche Aspekt gänzlich ausgeblendet. Stattdessen betont das Zeugnis umso mehr, daß die Kirche auf ein göttliches Gebot hin ihre ministri berufe. Auf dieses Gebot gründet sich, daß nun jeder Kandidat eines Amtes in der Kirche Christi in Wittenberg ordiniert werden kann. In diesem Argument ist vorausgesetzt, daß die Berufung in die konkrete Gemeinde und die lebenslang gültige Ordination zwar zeitlich und örtlich entkoppelt waren, sachlich aber eine Einheit bildeten. Daß die Frage nach der Autorität der Ordinatoren auch nach der Abtrennung der landesherrlichen Dimension weiterhin Gegenstand der Zeugnisse ist, verdankt sich offenbar dem Bemühen, die Gemeinde dessen zu vergewissern, daß die Wittenberger Ordination vor Gott gültig und rechtmäßig sei.94 Das Autoritätsproblem tritt in der Folge in dem Maße zurück, wie diese Handlung zu einer Selbstverständlichkeit wird. Einige Zeugnisse aus den Jahren 1539/40 enthalten zwar einen Hinweis auf die Vorschrift des Can. 4 des Konzils von Nizäa, dem entnommen wird, daß die Ordination von benachbarten Gemeinden erbeten werden solle. Doch dieses kirchenhistorische Argument hat einen kontroverstheologischen Hintergrund95 und richtet sich weniger an die berufende Gemeinde. (2) Die Unterzeichner Die Zeugnisse sind sämtlich von mehreren Personen unterschrieben. Immer tragen sie den Namen des für die Ordinationen zuständigen Stadtpfarrers oder seines Vertreters.96 Zusätzlich findet sich unter dem ersten Zeugnis vom 92
Vgl. a.a.O., 451, 12 f Nr. 4330, 1. A.a.O., 453, 13 Nr. 4330, 2. Nostra ecclesia steht hier an mehreren Stellen für die katholische, Irrlehren aller Art bekämpfende Kirche Christi. Es ist damit nicht die Wittenberger Gemeinde gemeint. 94 Vgl. auch den Schluß des ersten Zeugnisses a.a.O., 452, 17–20: » … commendamus … elsterburgensi ecclesiae, ut eum recipiat et seruientem vocationi agnoscat esse christi ministrum, et ne quis dubitet de fide harum literarum, adscripsimus nomina nostra«. 95 Vgl. dazu z.B. Melanchthons Tractatus de potestate papae VI (BSLK, 475, 13–15) und bereits Luthers frühe Äußerung während des Ablaßstreits WA 2, 238, 15–18. 96 Der Name des Hauptordinators – Bugenhagen, Luther und einige Male Diakon Sebastian Fröschel, der als »VicePastor« (WA.B 12, 481, 23 Nr. 4330, 21) unterschrieb – stand immer unter den Zeugnissen. Etliche sind zwar völlig ohne Unterschriften überliefert, doch diese waren natürlich ursprünglich vorhanden. 93
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VIII. Die Wittenberger Ordination
11. Juni 1536 die Unterschrift Luthers, der seinem Namen lediglich den Doktortitel hinzufügt97 und vermutlich sowohl als Vertreter der Universität als auch in seiner Eigenschaft als Prediger der Stadtkirche unterschreibt. In allen weiteren Zeugnissen sind die Unterschriften jeweils durch eine Formel erläutert, die zunächst noch Pastor et ministri Ecclesiae Vuiteber[gensis],98 dann mit geringen Varianten Pastor et ceteri Ministri Euangelii in ecclesia Witebergensi lautet.99 Die spätere Form bezeichnete offenbar nicht nur die Prediger der Wittenberger Gemeinde, sondern schloß auch die Universitätstheologen mit ein. Darauf deuten zum einen die erhaltenen Unterschriften hin.100 Zum anderen legen dies die aus Melanchthons Feder stammenden Satzungen der Theologischen Fakultät von 1545 nahe, wo die Universitätstheologen als Mitglieder des ministerium evangelicum bezeichnet werden.101 Daß das Zeugnis auch in ihrem Namen ausgestellt ist, geschieht zunächst und vor allem deshalb, weil es nicht nur die Ordination selbst, sondern auch das Examen zum Gegenstand hat, wie gleich zu zeigen sein wird. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die unterzeichnenden Fakultätsangehörigen aber auch am Ordinationsritus selbst beteiligt.102 Dafür spricht, daß in fast allen Zeugnissen die Unterzeichner vom Geschehen beim Ordinationsritus in der 1. Person Plural schreiben.103 Demgegenüber war mit der Lehrprüfung nach den wenigen Informationen, die darüber erhalten sind, nur Melanchthon befaßt. Da er zwar sämtliche Zeugnisse aufgesetzt, aber nur einige von
97
Vgl. WA.B 12, 452, 22–24 Nr. 4330, 1. So nur im Zeugnis für Jakob Siegel vom 7.10.1537 (a.a.O., 453, 19 f Nr. 4330, 2). 99 Im Jahre 1544 erscheint einmal die Wendung »Pastores Ecclesiae Wittebergensis …« (a.a.O., 479, 25 Nr. 4330, 19). Vermutlich ist hier auch Luther als pastor bezeichnet. Ein Grund für diese Variante läßt sich nicht angeben. Am 19.4.1542 wurde die Formel in ihrer gewöhnlichen Form verwendet, obwohl Bugenhagen abwesend war und der Ordinator Sebastian Fröschel seinem Namen den Zusatz »VicePastor« hinzufügte (vgl. a.a.O., 481, 20–23 Nr. 4330, 21). Dennoch muß er also mit der Bezeichnung pastor gemeint sein. 100 Jonas unterschrieb die Zeugnisse Nr. 4330, 3 f. 9. 20, Cruciger die Nr. 4330, 5b. 13. 15. 19. 22d sowie das Zeugnis bei Moeller, a.a.O., 121 f und Melanchthon die Nr. 4330, 9. Nr. 4330, 6 trägt vermutlich das Siegel des letzteren. Sämtliche unter der Nr. 4330 edierten Zeugnisse waren aller Wahrscheinlichkeit nach im Original von Luther signiert. 101 Vgl. Friedensburg, Urkundenbuch, 262: »Primum igitur sciant omnes, collegium facultatis theologicae non esse collegium humano tantum consilio constitutum, sed ministerii evangelici membrum, ad quod etiam haec promissio Christi pertinet: ubicunque duo aut tres congregati sunt in nomine meo, in medio eorum sum.« 102 Dann schlösse die Bezeichnung presbyterium im Ordinationsformular sie mit ein. Vgl. u. S. 298. 103 Vgl. a.a.O., 451, 12 f Nr. 4330, 1 (»nostrum iuditium publicae ordinationis testimonio … declarauimus«); 456, 11–13 Nr. 4330, 5A u.ö. (»publica ordinatione in Ecclesia commendauimus ministerium docendi Euangelij et Sacramenta in Euangelio instituta administrandi iuxta vocationem«). 98
2. Die Ordinationszeugnisse
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ihnen unterschrieben hat, liegt es nahe, daß er in diesen Fällen auch an der Ordination beteiligt war.104 (3) Die Eignungsbestätigung Den inhaltlichen Schwerpunkt der Zeugnisse bildet die Beglaubigung der umfassenden Eignung für das Amt. Deren wichtigstes Element ist die Feststellung, daß das der Ordination vorausgehende Examen bestanden sei.105 Vor allem deshalb war es wichtig, daß jedes Zeugnis nicht nur vom Stadtpfarrer, sondern auch von Vertretern der Universität unterzeichnet war. Darüber hinaus trafen die Ordinatoren nach Möglichkeit auch Aussagen über den christlichen Lebenswandel des Ordinierten.106 Bei Wittenberger Studenten verwiesen sie gern darauf, daß sie den Ordinanden kannten. 107 Die Feststellung der Lehrfähigkeit und des christlichen Lebenswandels korrespondiert in den Zeugnissen mit dem Hinweis auf das vor der Ordination geleistete Versprechen, se puram doctrinam fideliter populo traditurum esse.108 Dieser Hinweis fehlt nicht zufällig im ersten Zeugnis von 1536, als ein solches Versprechen offenbar noch nicht eingeführt war. Der Verlust an rechtlicher Verbindlichkeit, den die Lösung der Ordination von der Konfirmation mit sich brachte, wurde also etwa gleichzeitig durch die Einführung einer Ordinationsverpflichtung kompensiert; in ihrem Mittelpunkt stand das Versprechen, die reine Lehre zu predigen. Somit spiegelt sich in den Zeugnissen die Entwicklung wider, die die Ordinationsliturgie genommen hat. Indem das in Wittenberg geleistete Versprechen Eingang in die Zeugnisse fand, wurde es den Patronen und Gemeinden bekanntgemacht und gewissermaßen in Kraft gesetzt.
104 Vgl. zu Melanchthons Beteiligung an den Ordinationen u. S. 298. Zwar ist vom 27.9.1544 ein Zeugnis erhalten, das bereits vier Tage vor dem Ordinationsdatum ausgestellt wurde (vgl. Moeller, a.a.O., 122, 1 f ). Zu diesem Zeitpunkt könnte aber bereits festgelegt gewesen sein, wer an der Ordination teilnehmen sollte. Möglich ist auch, daß die Unterschriften erst nach der Ordination hinzugefügt wurden. 105 Im Gegensatz zu den Visitationsprotokollen, die über ein regelrechtes Notensystem verfügten, treffen die Ordinationszeugnisse im Normalfall kein differenziertes Urteil über die Examensleistung, sondern stellen in erster Linie die Rechtgläubigkeit heraus. Nur wenn der Ordinand seinen Prüfern als Student gut bekannt war und sich durch besondere Kenntnisse auszeichnete, wurde die formelhafte Wendung variiert, man habe erfahren, »eum puram et catholicam Euangelij doctrinam, quam et Ecclesia nostra docet ac profitetur, amplecti, et ab omnibus fanaticis opinionibus quae damnatae sunt iudicio catholicae Ecclesiae Christi abhorrere« (WA.B 12, 456, 5–7 Nr. 4330, 5A). 106 Im ersten erhaltenen, für Joachim Pogan ausgestellten Zeugnis vom Juni 1536 konnte stattdessen auf ein Empfehlungsschreiben des Patrons verwiesen werden. Vgl. a.a.O., 451, 1–3 Nr. 4330, 1. 107 Vgl. z.B. a.a.O., 468, 6–9 Nr. 4330, 9. 108 Vgl. z.B. a.a.O., 456, 8 f Nr. 4330, 5A.
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VIII. Die Wittenberger Ordination
(4) Die Ordination als Übertragung des kirchlichen Amtes Die liturgische Bedeutung des Ordinationsritus tritt in den Zeugnissen auffällig zurück. Ihre Funktion, die Eignung der Ordinierten zu bescheinigen, rückt das Examen ins Zentrum. Im ersten erhaltenen Zeugnis wird festgestellt, durch den Ordinationsritus werde die Eignung für das Amt öffentlich bekanntgemacht; von der Übertragung des Amtes ist allenfalls implizit die Rede.109 Erst in den Zeugnissen ab 1538 lautet die Formel, daß das Amt übertragen oder anvertraut werde (committere, commendare).110 Als Übertragung des kirchliches Amtes wäre die Ordination bei einem Stellenwechsel nicht zu wiederholen. Dies wird im Zeugnis von 1536 – und zwar nur in diesem – noch eigens erwähnt111 und offenbar anfangs nicht als selbstverständlich vorausgesetzt. Dies stützt die These, daß die Ordination erst mit ihrer allgemeinen Einführung 1535 nicht mehr als Vollzug der Berufung in eine konkrete Stelle aufgefaßt wurde und den Kandidaten nunmehr auf Lebenszeit mit dem kirchlichen Amt beauftragte.112 Die Ordination setzt aber die vorausgegangene Berufung voraus. Deshalb wird in den Zeugnissen auf sie verwiesen.113 Nicht nur die künftige Stelle wird genannt, sondern die Berufung auf sie und die Bitte der Gemeinde um die Ordination werden als Voraussetzung dafür angeführt, daß in Wittenberg Examen und Ordination durchgeführt werden.114 Die Ordination bestätigt die Berufung.115 Damit unterstreichen die Reformatoren, daß die evangelische Ordination immer auf ein konkrete Gemeinde bezogen ist und nicht absolut erteilt werden kann. Dies entspricht der Auffassung, wonach das Wesen des Amtes durch seine Funktionen und nicht durch eine besondere Würde des Amtsträgers definiert ist. Gleichzeitig kommt damit zum Ausdruck, daß die Beauftragung des Ordinierten mit der Verkündigung in Wort und 109
Vgl. a.a.O., 451, 11–452, 15. Vgl. z.B. a.a.O., 454, 9; 455, 11; 456, 11. 111 Vgl. a.a.O., 452, 17 f Nr. 4330, 1: »Deinde commendamus eum ecclesiis et nominatim elsterburgensi ecclesiae,Vbi vocatus est ad ministerium euangelii …«. 112 Die Beobachtung, daß von nun an die Berufung in die konkrete Stelle und die Ordination zu unterscheiden sind, deckt sich mit der Sprachform in den Schriften der Reformatoren. Melanchthon etwa spricht von der Ordination künftig gern als vom testimonium vocationis oder ähnlichen Begriffen (vgl. CR 5, 211. 825; 7, 741–743; 8, 597; 15, 1334 u.ö.). Vgl. a. Rietschel, Luther, 77 und Lieberg, Amt, 341 f. Wo Luther später in Anlehnung an seine frühen Schriften argumentiert, setzt er die Ordination als recht verstandene Weihe und die Berufung allerdings – in seltenen Fällen – gleich: »Die rechte Weihe ist kein Sacrament, sondern ein Gebot, Befelh und Berüff zum Ampt der Christlichen Kirchen« (WA 54, 437, 2 f, Wider die XXXII Artikel der Theologisten zu Löwen, 1545). 113 Vgl. a.a.O., 453, 12–14 Nr. 4330, 2; 464, 12 f Nr. 4330, 6. Zu den Ausnahmen vgl. u. S. 284–286. 114 Vgl. z.B. den Anfang der Nr. 4330, 3 (a.a.O., 454, 1–3): »Cum Ecclesia in vicino oppido Heinichen vocasset ad Diaconi munus Anton. … ac peteret eam vocationem publica ordinatione confirmari, …«. 115 Zur confirmatio vgl. u. S. 294–296. 110
2. Die Ordinationszeugnisse
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Sakrament einem durch die Berufung begrenzten Bereich, nämlich seiner Parochie gilt.116 An den Ordinationszeugnissen zeigt sich, wie wenig mit der Einführung der Zentralordination bereits eine endgültige Regelung gefunden war. Die Einbeziehung nichternestinischer Kandidaten zwang dazu, das Verfahren aus dem Rahmen des Kirchenregimentes herauszulösen, so daß die Ordination nicht mehr mit der obrigkeitlichen Konfirmation zusammenfiel. Die Zeugnisse spiegeln diese Entwicklung wider. Ihr wesentlicher Zweck, ihren Inhabern die Tauglichkeit zur Übernahme eines kirchlichen Amtes und den Empfang einer gültigen Ordination zu bescheinigen, blieb von diesen Änderungen unberührt. Exkurs: Die Ordination Wenzeslaus Kilmanns Eine für die Geschichte der Ordination wegen seiner umstrittenen Datierung wichtige Quelle ist das Ordinationszeugnis Wenzeslaus Kilmanns.117 Das dort genannte Datum 1539 wurde häufig angezweifelt,118 da als berufende Gemeinde Paserin bei Luckau genannt wird. Dorthin war Kilmann 1529 gekommen; bereits 1538 hatte er Paserin verlassen, nachdem ihn Markgraf Johann zum Pfarrer und Superintendenten in Soldin in der Neumark berufen hatte, wo der Bruder des brandenburgischen Kurfürsten die Einführung der Reformation betrieb.119 Der Zeitpunkt der Ordination kann demzufolge nicht mit dem überlieferten Datum des Zeugnisses identisch sein. Da sich das Datum des Zeugnisses als glaubwürdig erwiesen hat,120 muß es nachträglich ausgestellt worden sein. Kilmann dürfte die Wittenberger um die nachträgliche Bescheinigung seiner Ordination gebeten haben, um sich an seiner neuen Wirkungsstätte gegen erwartete oder tatsächliche Zweifel gegenüber der Legitimität seines Amtes verteidigen zu können.121 Wo und wann ist die Ordination durchgeführt worden? Kilmann war 1529 von den Visitatoren zunächst nur für ein halbes Jahr nach Paserin verordnet worden. Die Vorgabe für die Anstellung als Kaplan war es, daß er in der Gemeinde evangelisch predigen und den 116 So enthält die o. in Anm. 103 zitierte Formel häufig den Zusatz iuxta vocationem. Vgl. dazu Lieberg, Amt, 203 Anm. 199. 117 Vgl. WA.B 12, 463 f Nr. 4330, 6 und zum Folgenden auch die von Volz stammende Einleitung a.a.O., 460–463. Der aus Löwenberg in Schlesien stammende Kilmann hatte sich am 25.6.1528 in Wittenberg immatrikuliert (Foerstemann/Hartwig/Gerhard, Album I, 130a, 29). 118 Vgl. den Forschungsüberblick bei Volz, WA.B 12, 460. 119 Vgl. Lau/Bizer, Reformationsgeschichte, 110 f. 120 Der inhaltliche Vergleich des Zeugnisses mit anderen aus dem Jahr 1539, den Volz, a.a.O., 461 f unternimmt, ist durchweg überzeugend. 121 So auch Flemming, Enders 17, 238–240 und Volz, a.a.O., 462. Dafür spricht, daß nur in diesem Zeugnis davon die Rede ist, die Ordination werde aufgrund eines göttlichen Gebotes erteilt. Ebenfalls nur hier wird mit Hilfe des in den Zeugnissen jener Zeit häufigen Hinweises auf den Can. 4 des Konzils von Nizäa (Conciliorum Oecumenicorum Decreta, 7) die Gültigkeit des eigenen Handelns reklamiert: »Ideo authoritate diuina et testimonio Nicenae Synodi ordinationem nostram valere certum est« (a.a.O., 464, 20–22).
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VIII. Die Wittenberger Ordination
alten Pfarrer in reformatorischer Theologie unterweisen sollte. Er blieb dann in Paserin, doch noch zum Zeitpunkt der zweiten Visitation 1533 bestanden Kompetenzstreitigkeiten mit dem alten Pfarrer.122 Frühestens im Anschluß daran wurde ihm die Pfarrstelle übertragen.123 Kilmann könnte also seine Ordination bereits bei seiner Ankunft in Paserin oder wesentlich später – also etwa, als seine Anstellung dauerhaft wurde oder als er zum Pfarrer berufen wurde – erhalten haben. Für die erste Möglichkeit kann angeführt werden, daß Luther ja in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre bereits einige Male ordiniert hatte. Doch Paserin lag etwa 80 km von Wittenberg entfernt, so daß sich dieser Fall nicht ohne weiteres in den Rahmen der früheren Ordinationen fügt. Waren doch zumindest bis Ende 1533124 die Kandidaten stets an ihrer künftigen Wirkungsstätte ordiniert worden, was sich aus dem Verständnis der Ordination als Berufung ergab. Auch die Variante, daß Luther Kilmann 1529 in seiner Eigenschaft als Visitator ordiniert haben könnte,125 löst diese Schwierigkeit nicht. Denn die Visitation fand im 40 km von Paserin entfernten Herzberg statt, so daß die Ordination in Anbetracht des Zeitdrucks, unter dem die Visitatoren standen, am Visitationsort anzusiedeln wäre. Auch dies wäre schwer mit Luthers Ordinationspraxis der zwanziger Jahre in Einklang zu bringen. Dann stünde ferner zu erwarten, daß während der Visitationen häufiger Ordinationen durchgeführt wurden, wovon sich in den Akten jedoch keine Spur findet.126 Im übrigen spricht der provisorische Charakter der Anstellung Kilmanns in Paserin, wo er als der verlängerte Arm der Visitatoren wirkte,127 gegen ein frühes Datum. Ist Kilmanns Ordination demnach wahrscheinlich in die dreißiger Jahre zu datieren, wird sie in Wittenberg stattgefunden haben, denn die Reformatoren und namentlich Luther, dessen Beteiligung an allen bekannten frühen Ordinationen verbürgt ist, hätten sich einzig wegen eines solchen Anlasses kaum in den entlegenen Nordostzipfel des Kurkreises begeben. Denkbar wäre, daß der alte Pfarrer sich des drohenden Verlustes seiner Stelle durch das Argument zu erwehren gesucht hatte, Kilmann sei nicht geweiht.128 Dieser könnte beispielsweise im Rahmen der zweiten Visitation, die Ende 1533 nach Herzberg gelangte,129 erfahren haben, daß die Wittenberger neuerdings auch für andere Gemeinden Ordinationen durchführten.130 122
Vgl. Kawerau, Briefwechsel, 158. Daß dies überhaupt noch geschah, ergibt sich daraus, daß zu dem Zeitpunkt, als Kilmann nach Soldin wechselte, ein Nachfolger auf die Paseriner Pfarrstelle berufen wird. Kilmann muß also Pfarrer in Paserin gewesen sein. 124 Zu diesem Zeitpunkt ordinierte Luther möglicherweise Wolfgang Baumheckel in Wittenberg. Vgl. o. S. 157 f. 125 Für diese Möglichkeit entscheidet sich Flemming, a.a.O., 240. 126 Hier sind nicht nur die Protokolle von 1555 (vgl. o. S. 101), sondern auch diejenigen der ersten beiden Visitationen selbst relevant, da die Ordinationen in diesem Fall Bestandteil der Visitationstätigkeit gewesen wären und einen schriftlichen Niederschlag gefunden haben müßten. 127 Lag eine größere Stadt in der Nähe, ordneten die Visitatoren in ähnlichen Fällen an, daß der Pfarrer, dessen Fähigkeiten beanstandet worden waren, durch den benachbarten Superintendenten oder Stadtpfarrer beaufsichtigt werden sollte (vgl. z.B. Pallas, Registraturen II/2, 157). Diese Möglichkeit bestand in Paserin nicht. 128 Eine qualifizierte amtstheologische Diskussion kann der alte Pfarrer, der von den Visitatoren als ›ungeschickt‹ bewertet wurde, allerdings kaum geführt haben. 129 Vgl. ders., Registraturen I, 23. 130 Dann wäre in der Ordination Kilmanns eine Parallele zu derjenigen Baumheckels zu sehen. Vgl. o. S. 157 f. 123
3. Das Ordinandenexamen
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Plausibler ist allerdings eine dritte Möglichkeit: Kilmann hätte das Pfarramt erst nach dem Mai 1535 angetreten, als die kursächsische Ordinationsregelung bereits in Kraft war. Dann würde sich die Suche nach einem konkreten Motiv für den späten Empfang der Ordination erübrigen, denn der zuständige Superintendent hätte den Ordinationserlaß so auffassen können, daß Kilmann nun nachträglich ordiniert werden mußte.131 In diesem Fall müßte die Ordination vor dem Juni 1537 stattgefunden haben, denn im Ordiniertenbuch, das zu diesem Zeitpunkt begonnen wurde, findet sich sein Name nicht. Daß das Zeugnis nachträglich erstellt werden mußte, könnte ein Hinweis darauf sein, daß Kilmann vor dem 11. Juni 1536, dem Datum des ältesten Zeugnisses, ordiniert wurde. Unter der Voraussetzung, daß Luthers Predigt vom 24. Oktober 1535 tatsächlich anläßlich der ersten Ordination auf der Grundlage der neuen Regelung gehalten wurde, fiele Kilmanns Ordination in die Spanne zwischen jenen beiden Daten.132 Eine sichere Datierung ist also nicht möglich, doch jeder der möglichen Ordinationstermine fügt sich in das hier gezeichnete Gesamtbild.
3. Das Ordinandenexamen Verdankte sich die Wittenberger Ordinationsregelung von 1535 auch und vor allem dem Bestreben, das Examen der Kandidaten effizienter zu machen, so büßte die Lehrprüfung auch in der Folgezeit nichts von ihrer zentralen Bedeutung ein. Ganz im Gegenteil wurde die Aussage, daß die Ordination nicht eine bloße Zeremonie sein solle, sondern mit einem Examen verbunden sein müsse, bei den Wittenberger Reformatoren zu einer geprägten Wendung.133 Dabei wurde der Standpunkt, daß der apostolische Ritus der Handauflegung nicht geboten und in der Alten Kirche keinesfalls immer zur Anwendung gekommen sei, auch deshalb immer wieder ins Feld geführt, um die Bedeutung der damit verbundenen Lehrkontrolle erst recht zu betonen.134 131 Der Erlaß vom 12. Mai 1535 legte nicht fest, ob die Ordination in einem Fall wie dem Kilmanns erforderlich war. 132 Der Wortlaut des Zeugnisses läßt sich im übrigen nicht detailliert auswerten, denn Melanchthon benutzt hier einfach das zum Zeitpunkt der Abfassung übliche Schema. Im einzelnen: Die Aussage, daß Kilmann vor der Ordination examiniert worden sei, kann nicht als Hinweis dafür dienen, daß die Ordination nach dem Mai 1535 anzusiedeln ist, da das Zeugnis auch ein Ordinationsversprechen registriert, das ja ebenfalls noch nicht üblich war. Ob die Unterschriften Luthers und Bugenhagens auch in diesem Fall Auskunft über die am Ritus Beteiligten geben, ist folglich unsicher. Kaweraus Versuch, die Ordination aufgrund der Anwesenheit Bugenhagens auf das Jahr 1536 zu datieren (vgl. Rezension, 157 f ), geht schon deshalb fehl, weil er zu Unrecht davon ausgeht, daß das Zeugnis am Tag der Ordination ausgestellt und somit einzig die Jahreszahl zu ändern sei. 133 Vgl. etwa WA.B 12, 326, 183 f Nr. 4282 (zitiert unten in Anm. 139), das Schreiben Luthers und Bugenhagens an den Kurfürsten vom 16.12.1544 WA.B 10, 703, 10–16 Nr. 4051 sowie das Gutachten der Wittenberger Theologen zum Interim vom 16.6.1548 (CR 6, 934 [MBW 5182]). 134 Vgl. die Stellungnahme der evangelischen Theologen zu den verglichenen Artikeln des Regensburger Buchs vom Juni 1541, in der die Praxis der Alten Kirche gelobt wird, der Ordination ein Examen vorausgehen zu lassen (CR 4, 489 [MBW 2749]), und einen Brief Melanchthons
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VIII. Die Wittenberger Ordination
Über die Examenspraxis ist wenig bekannt. Die Examina wurden von Melanchthon durchgeführt. Jedenfalls zeigen die dürftigen Nachrichten, die wir über einzelne Prüfungen haben, jeweils ihn als Examinator.135 Daneben dürften auch die anderen Theologen Examina durchgeführt haben. Im Sommer 1542 nämlich sprach sich Johann Friedrich dafür aus, daß die Wittenberger Theologen durch die Übertragung der Ordinandenprüfungen auf die Theologen des Konsistoriums entlastet werden sollten. Diesen sollten Gehilfen zur Seite gestellt werden, die ohnehin ein kurfürstliches Stipendium erhielten. Er sah Vorbehalte gegenüber einer solchen Regelung seitens der Wittenberger Theologen voraus und schlug deshalb ergänzend vor, es solle ihnen auch künftig ermöglicht werden, bei den Examina anwesend zu sein.136 Über das weitere Schicksal dieses Vorschlags ist nichts bekannt. Vielmehr zeigen die bereits genannten Quellen, daß zumindest Melanchthon auch später Ordinationsexamina durchführte. Vermutlich hatte der Kurfürst mit der Erwartung recht, daß die Reformatoren dieses wichtige Aufsichtsinstrument trotz des damit einhergehenden Zeitaufwandes nicht aus der Hand geben wollten.137 Sowohl einige Beispielfragen, die Melanchthon Ende 1547 an Georg von Anhalt übersenden ließ,138 als auch die Examensprotokolle aus den fünfziger an Simon Sinapius aus dem Jahre 1543 (Clemen, Brief, 8 f [MBW 3341]): »Vetus et pius ritus est [!] . Et vtile est inspici doctrinam eorum, qui ad docendum vocantur. Etsi enim disputatio est apud Eusebium lib. 6 Ecclesiastice historiae, pagina 144, in qua colligitur multis exemplis veteribus licere concionari etiam sine illo ritu, tamen amemus , nos presertim, qui literas colimus. Potes in nostra ecclesia ritum illum petere.« Veit Dietrich, der sich kurz zuvor von Melanchthon bezüglich der Ordination hatte beraten lassen, ging in seiner Verteidigungsschrift an die Regensburger so weit zu behaupten, die öffentliche Bestätigung des Berufenen durch die Handauflegung der benachbarten Bischöfe »sey [sc. in der Alten Kirche] allein des Examens halb geschehen / das sie / als gelerte leut / vnd die im Kirchenampt ein zeytlang gewest / haben den / so erwelet war / zuuor erlernen sollen / was geschickligkeit er habe / vnd ob er zu solchem ampt tüglich sey« (Klaus, Dietrich, 173). 135 Hier sind vor allem die Examensprotokolle aus der Zeit zwischen 1549 und 1556 zu nennen, von denen ein Teil bei Drews, Ordination, 298–321 gedruckt vorliegt. Daß Prüfungen nicht immer so schematisch abliefen, wie es nach den Protokollen scheint, legt eine Stelle aus Mathesius’ Leben Luthers nahe: »Auf eine Zeit will sich ein Stadtschreiber zum Kirchendiener ordiniren lassen, Herr Philippus fragt ihn, Wie ein Mensch für Gott gerecht und selig werde? ›Hochachtbarer, in Gott Gelehrter, günstiger Herr, besonders lieber Präceptor,‹ sagt der Redner, ›nach meinem einfältigen Verstand, den mir Gott aus Gnaden eingesprochen, ließ ich mich bedünken, auf diese christliche und hochwichtige Frage wäre diesmal in Eile ungefährlicher Meinung ziemlich, etc.‹ Ehe aber er seine Rede gar verpfändet und verzwickt, fällt ihm der fromme Mann in die Rede: ›Gebt Antwort auf die Frage, was dürft ihr hier des Parlirens, das müßt ihr nun euerem Nachfolger bescheiden, und vom Herrn Christo und seinen Sachen lernt schlecht, gerecht und einfältig reden.‹« 136 Vgl. WA.B 10, 78, 73–79, 83 Nr. 3759 vom Juni 1542. 137 Brecht, Luther III, 278 geht davon aus, daß der Vorschlag des Kurfürsten umgesetzt wurde, führt dafür aber keinen Beleg an. 138 Vgl. den Begleitbrief CR 5, 755 f (MBW 5004) und dazu Sander, Ordinatio, 74 f.
3. Das Ordinandenexamen
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Jahren zeigen, daß zu jener Zeit in den Prüfungen Grundkenntnisse in der reformatorischen Theologie verlangt wurden. Die zentralen Loci wie die Christologie oder die Rechtfertigungslehre wurden nicht nur abgefragt, sondern die Prüflinge mußten auch in der Lage sein, die wichtigsten kontroverstheologischen Argumente wiederzugeben. Waren die Ordinanden der lateinischen Sprache nicht mächtig, wurde die Prüfung auf deutsch abgehalten. Vermutlich wich die Examenspraxis in der früheren Zeit davon nicht wesentlich ab. Wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird, stieg während der vierziger Jahre die Zahl derjenigen an, die zwar keinen akademischen Grad anstrebten, aber für ein oder zwei Semester an der Universität eingeschrieben waren, bevor sie ordiniert wurden. Sie dürften auf das Ordinationsexamen gut vorbereitet gewesen sein. Von Ordinanden, die nicht in Wittenberg oder an überhaupt keiner Universität studiert hatten, waren die Anforderungen nicht ohne weiteres zu erfüllen. Anfang 1543 beantragte Melanchthon deshalb beim Hof die Einrichtung eines vom Universitätsbetrieb getrennten Ordinandenunterrichts.139 Bald schon begann neben anderen der ehemalige Jessener Schulmeister Bernhard Zettler, der aufgrund eines Augenleidens des Lesens nicht mehr mächtig war, mit dem Unterricht.140 Ordinanden, die zunächst am Examen gescheitert waren, wurden nun »14 Tage oder 4 Wochen« in die Grundlagen der evangelischen Lehre eingeführt.141
139 Vgl. Melanchthon an Anton Musa vom 12.3.1543 CR 5, 58 (MBW 3193): »rogavi [sc. bei Hofe] ut de ordinatione ratio iniretur, ut doceri possent qui admittuntur«. Bereits im Gutachten zur Neuordnung des Bistums Naumburg vom Oktober 1541 (WA.B 12, 326, 183–193 Nr. 4282=CR 4, 689 [MBW 2829]) hatten die Reformatoren geschrieben »Von der Verhör vnd Ordinatio. Es mus warlich die Ordinatio nicht allein eine Ceremonien sein, Sondern die hohe notdurfft fordert ein scharff Examen vnd das man etlichen mittelmessigen etlich wochen vnterricht thue … Es mussen auch gewisse gelarte Personen dazu verordnet sein, die Ordinanden nicht allein zu verhoren, sondern auch zu vnterrichten in Christlicher Lahr etc.« Offenbar forderten sie hier für Naumburg, was Monate später auch in Wittenberg verwirklicht werden sollte. 140 Ende 1544 bat Zettler Luther und Bugenhagen, daß sie sich beim Kurfürsten für die Verlängerung seines Stipendiums einsetzen sollten. Wie sein Schreiben zeigt, war dieses bisher eine Unterstützung gewesen und noch nicht als Entlohnung für den Ordinandenunterricht gedacht. Zettler verweist auf diesen Dienst in ähnlicher Weise wie auf den christlichen Unterricht, den er seinen Kindern zukommen ließ, um zu zeigen, daß er so viel Nützliches tue, wie seine Augen zuließen (vgl.WA.B 10, 700–702 Nr. 4050 vom 16.12.1544). Die beiden Reformatoren leiteten das Gesuch an den Kurfürsten weiter und betonten dabei insbesondere die Bedeutung dieses Ordinandenunterrichts, den Zettler neben anderen leite (vgl. a.a.O., 703 Nr. 4051 vom selben Tag). Der Kurfürst verfügte, daß ihm jährlich 40 fl. gezahlt werden sollten, solange er seiner Aufgabe nachkomme (vgl. a.a.O., 702 f ). Künftig war nun in erster Linie Zettler mit der Aufgabe betraut: Bei der Aufzählung der Personen, die 1547 während des Krieges in Wittenberg geblieben waren, nannte Bugenhagen »Bernardus, der die Ordinanden unterrichtet« (a.a.O., 702 Anm. 3). 141 So Melanchthon in einer der üblichen Ansprachen an die Examinierten (gedruckt bei Drews, Ordination, 318).
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VIII. Die Wittenberger Ordination
4. Die Ordinanden Nachdem die Elemente des Ordinationsverfahrens untersucht sind, ist nun danach zu fragen, wer die Wittenberger Ordinanden waren. Neben ihrer Zahl, Herkunft und Bildung interessieren vor allem Einzelfälle, in denen Anlaß und Zeitpunkt der Ordination ungewöhnlich sind. a. Das Wittenberger Ordiniertenbuch als Quelle Das erste Wittenberger Ordiniertenverzeichnis wurde offenbar auf Luthers Veranlassung hin angelegt. Nachdem Bugenhagen im Mai 1537 nach Dänemark abgereist war, vertrat ihn Luther wie schon bei ähnlichen Anlässen als Stadtpfarrer. Damit fielen nunmehr auch die Ordinationen in seinen Kompetenzbereich. Eine seiner ersten Handlungen auf diesem Gebiet bestand darin, eine Ordiniertenmatrikel anzulegen.142 Es läßt sich allenfalls darüber mutmaßen, warum ausgerechnet Luther im Gegensatz zum im allgemeinen praktischer denkenden Pommer die Notwendigkeit sah, die Ordination zu registrieren.143 Das Verzeichnis sollte vermutlich dazu dienen, in eventuellen Streitfällen überprüfen zu können, ob eine Ordination tatsächlich stattgefunden hatte. Für Luther verband sich von Anfang an mit der Zentralordination das Ziel, eine effektivere Kontrolle auf die Besetzung der kirchlichen Ämter im Kurfürstentum auszuüben. Vor diesem Hintergrund lag der Gedanke nahe, über die Ordinationen Buch zu führen. Ob häufig auf das Register zurückgegriffen werden mußte, läßt sich nicht mehr sagen. Zumindest in späterer Zeit kann dies nicht sehr oft geschehen sein. Ein einziges Mal wurde im Jahre 1575 im Rand vermerkt, daß einem Ordinierten des Jahres 1542 ein Ersatzzeugnis ausgestellt worden war.144 Für die Geschichtsschreibung hat das Ordiniertenbuch wegen der Fülle seiner Angaben eine überragende Bedeutung. Nach der Angabe des Datums und des Ordinators folgt jeweils eine Liste der an diesem Tag Ordinierten. Zu jedem von ihnen sind der Name und der Geburtsort sowie die künftige Stellung verzeichnet; bis zum Jahr 1558 bietet die Matrikel zusätzlich die bisherige Tätigkeit des Ordinierten. Aus den Einträgen läßt sich also quantifi142 Die Matrikel liegt in Buchwald, Ordiniertenbuch gedruckt vor. Sie umfaßt die Jahre 1537–1560. Bereits die Ordinationen am 24.6. wurden im neuen Register vermerkt. Rietschel, Luther, 25 löst das erste Ordinationsdatum »Dominica quarta post Trinitatis« fehlerhaft als 29.7. auf. 143 Wie oben gezeigt wurde, liegt der Grund jedenfalls nicht darin, daß Bugenhagen aufgrund seiner Ablehnung der Zentralordination bisher eine Umsetzung des Ordinationserlasses verhindert hatte, wie Rietschel, a.a.O., 72 schlußfolgert. Vgl. o. S. 179. 144 Vgl. die Marginalie zu WOB 390: »anno 1575 petivit testimonium alterum priore amisso«.
4. Die Ordinanden
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zieren, wie viele Ordinationen überhaupt stattfanden, wer sie leitete, welchen sozialen Hintergrund die Ordinanden hatten und – eingeschränkt – welche Bildung sie mitbrachten. b. Die Entwicklung der Ordinationszahlen Zwischen 1537 bis 1560 wurden in Wittenberg 1979 Personen ordiniert. Diese Zahl ist beeindruckend, doch die Anfänge des Ordinationsverfahrens waren bescheiden. In der zweiten Jahreshälfte 1537 wurden ganze acht Ordinationen eingetragen, für das gesamte Jahr 1538 finden sich 32 Namen.145 Vermutlich lag die Zahl 1536 ähnlich niedrig wie 1537. Der neue Ritus mußte sich offenbar erst etablieren und Vertrauen und Bekanntheit erlangen. Von Wittenberg aus war nicht zu kontrollieren, ob alle Superintendenten den Erlaß von 1535 sofort umsetzten. Das Ordiniertenbuch läßt jedenfalls ahnen, daß dies nicht der Fall war. Und obwohl seit dem Sommer 1537 die Ordination auch auswärtigen Ordinanden offenstand, schlug sich dies erstmals im November 1538 in der Matrikel nieder.146 Gerade die auswärtigen Instanzen mußten von der neuen Ordnung, die aus der Ferne sicherlich stark mit der Priesterweihe assoziiert wurde, zunächst überzeugt werden. Erst die Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen im Sommer 1539 ließ die Zahl der Ordinanden in die Höhe schnellen, so daß in der zweiten Jahreshälfte fast doppelt so viele Prediger und Pfarrer ordiniert wurden wie in den gesamten zwei Jahren zuvor. Zwar gab nur ein knappes Drittel der Ordinierten an, zu einem Amt im Herzogtum berufen zu sein. Auch wurden spätestens seit dem Herbst 1540 in Leipzig Ordinationen für das albertinische Sachsen vollzogen.147 Die Wirkung, die die Visitation im Nachbarterritorium auf die Ordinationspraxis in Wittenberg hatte, ist dennoch kaum zu überschätzen.
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Vgl. zur Entwicklung der Ordinationszahlen das Diagramm u. S. 326 (Anhang 2. c). Vgl. WOB 30. 147 Vom 11.10.1540 datiert ein Gemeiner bericht der visitatorn an die pfarrer und dorfschaften …, der parallel zum ernestinischen Ordinationserlaß alle albertinischen Kandidaten eines kirchlichen Amtes zur Ordination in Leipzig verpflichtete (vgl. EKO I, 284). Dennoch wurden in Wittenberg weiterhin vereinzelt Ordinationen für albertinische Gemeinden vollzogen. Diese Ordinanden waren nicht allesamt Wittenberger Studenten, bei denen am ehesten zu erwarten wäre, daß sie sich dort ordinieren ließen. Vgl. WOB 288. 317. 323. 325 u.ö. Die Leipziger Ordinationspraxis fand allem Anschein nach kaum einen quellenmäßigen Niederschlag. Jedenfalls wird im Kontext der Superintendententätigkeit Johann Pfeffingers nirgends auf die Ordinationen Bezug genommen. Vgl. v.a. Seifert, Pfeffinger und ders., Durchführung sowie Wartenberg, Landesherrschaft, 253–255; vgl. ferner a.a.O., 183–187 zu den Ansätzen zu einem albertinischen Konsistorium. Daß solche Ordinationen tatsächlich stattfanden, zeigt indes die Formulierung Georg von Anhalts in der Ordnung seiner Bischofsordination, wonach diese dem folge, »was zu Wittenberg und Leipzick gewonlich« sei (EKO 2, 6; vgl. zum Vorgang Gabriel, Georg III., 148–153). 146
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VIII. Die Wittenberger Ordination
Zum einen entstand im Herzogtum ein großer Bedarf an evangelischen Amtsträgern. In vielen Fällen vermittelten die Wittenberger gezielt erfahrene kursächsische Kandidaten. Die Fluktuation unter den ernestinischen Pfarrern und Predigern, die dadurch entstand, resultierte in einem Bedarf nach neuen evangelischen Amtsträgern im Kurfürstentum.148 Hinzu kam, daß etwa um dieselbe Zeit in Brandenburg die reformatorischen Kräfte Oberhand gewannen.149 Die dortigen Verhältnisse hatten allerdings nach Ausweis des Ordiniertenbuches einen weit geringeren Einfluß. Zum zweiten hat die beschriebene Entwicklung offenbar dazu geführt, daß die Wittenberger Ordnung nun ins Bewußtsein der verantwortlichen Pfarrer und Superintendenten in den ernestinischen Gebieten gelangte, nachdem sie, wie die wenigen verbürgten Ordinationen der vergangenen Jahre vermuten lassen, trotz des kurfürstlichen Erlasses von 1535 bislang kaum beachtet worden war.150 Zum dritten dürften die häufigeren Ordinationen bei den auswärtigen Wittenberger Theologiestudenten den Wunsch geweckt haben, sich ebenfalls für ihren künftigen Dienst ordinieren zu lassen. So erklärt sich, daß auch die Zahl der Ordinanden, die in – z.T. sehr weit entfernt gelegene – Orte außerhalb Kursachsens berufen waren, während dieser Periode anstieg. Die beschriebene Entwicklung führte dazu, daß auch nach dem Abschluß der Reformation im albertinischen Sachsen jährlich etwa hundert Ordinationen verzeichnet werden konnten. Der Einbruch der Immatrikulationszahlen 148 Der Umbau der albertinischen Kirche verlief nicht konfliktfrei. Melanchthon unterbreitete Kurfürst Johann Friedrich bereits Anfang Mai 1539 Vorschläge, welche kursächsischen Pfarrer für bedeutende Stellen im Herzogtum in Frage kämen (MBW 2194. 2198). Im Hinblick auf die Landpfarreien plädierte Luther am 25.7.1539 gegenüber Herzog Heinrich dafür, möglichst viele evangelische Amtsträger zu berufen, nachdem Jonas nach Wittenberg berichtet hatte, daß die Vollmachten der Visitatoren insbesondere hinsichtlich der Absetzung von renitenten Pfarrern stark eingeschränkt seien (vgl. WA.B 8, 506 f Nr. 3364 mit der dazugehörigen Einleitung). Heinrich wandte ein, daß in der kurzfristig anberaumten ersten evangelischen Visitation kein umfassender Neubeginn erreicht werden könne und man sich stattdessen auf die Abschaffung der liturgischen Mißbräuche konzentrieren müsse (vgl. WA.B 8, 524 f Nr. 3372 vom 5.8.1539). Die Visitatoren sprachen sich deshalb in ihrem Abschlußbericht vom 29.8.1539 (Kawerau, Briefwechsel I, 350–355 Nr. 453) dafür aus, bald eine zweite Visitation folgen zu lassen. Auf den Dörfern wirkten noch viele römisch gesinnte Pfarrer, die ihre wahre Überzeugung während der Visitation verschleiert hätten, zumal das albertinische Sachsen zu Lebzeiten Georgs ein bevorzugter Zufluchtsort für reformationsfeindliche Geistliche gewesen sei. Es seien deshalb möglichst viele evangelische Prediger an ihre Stelle zu setzen, von denen die Visitatoren »noch etliche viel personen zu Wittembergk, Leyptzick, Erffurdt dergleichen orter« wähnen, »die dan lectiones in der heyligen schrieft gehort vnd zu der christlichen lere eyn recht christlich neygunge tragen« (a.a.O., 354). Wie es um dieses Angebot tatsächlich stand, wird unten anhand des Ordiniertenbuches untersucht. 149 Markgraf Hans von Küstrin hatte Ostern 1538 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt empfangen, worin ihm sein konservativerer Bruder Kurfürst Joachim II. an Allerheiligen 1539 folgte. Vgl. Lau/Bizer, Reformationsgeschichte, 110 f. 150 Bugenhagen zeichnete dafür nicht verantwortlich. Vgl. o. S. 179.
4. Die Ordinanden
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während des Schmalkaldischen Krieges und die ungewisse Zukunft der Universität, nachdem der Kurkreis an die Albertiner gefallen war,151 sorgten dann dafür, daß in den Jahren 1547 bis 1550 erheblich weniger Kandidaten ordiniert wurden; 1548 war der Tiefstand mit 66 Ordinationen erreicht. In den fünfziger Jahren stellte sich das Vorkriegsniveau wieder ein. c. Soziale Herkunft und Bildungsstand der Ordinanden Das Wittenberger Register gibt zu jedem Ordinierten jeweils den bisher ausgeübten Beruf an.152 Die stärkste Gruppe stellten bis Anfang der vierziger Jahre die Lehrer. Ihre absolute Zahl blieb auch später im Großen und Ganzen konstant. Der Wechsel vom Schulmeister- ins Predigtamt hatte sein Vorbild bereits in der Berufungspraxis der ersten anderthalb Jahrzehnte der Reformation.153 Durch ihre Ausbildung und ihre Berufserfahrung waren die Lehrer für den Eintritt in ein kirchliches Amt gut vorbereitet. Aus ihrer Sicht war eine solche Stellung offenbar auch deshalb attraktiv, weil die Schule ein mühevolleres Arbeitsfeld war.154 Bis zur Mitte der vierziger Jahre waren auch Küster, die sich ihre theologische Kompetenz vermutlich durch ihre ständige Teilnahme am kirchlichen Leben erworben hatten, stark vertreten und reichten in einigen Jahren fast an die Zahl der Lehrer heran. Um dem 1539/40 stark ansteigenden Bedarf nach kirchlichen Amtsträgern zu decken, reichten die Lehrer, Küster sowie die ohnehin zunächst nur eine Minderheit ausmachenden Wittenberger Studenten nicht mehr aus. Die Folge war, daß von 1539 bis 1544 – vor allem während der ersten Hälfte dieser Periode – in erheblichem Maße Handwerker und andere, in ihrer Tätigkeit nicht näher bestimmte Personen155 ordiniert wurden.156 Ihren Höhepunkt 151 Vgl. dazu im Ersuchen der Wittenberger Theologen an Moritz von Sachsen vom Juli 1547 um den Erhalt der Universität (CR 6, 607 f [MBW 4813]): »Dazu ist nu gew hnlich, daß die Nachbauern die Ordination zu Wittemberg suchen, und ist guter Fleiß mit der forma examinis allezeit geschehen, welcher auch ohne Zweifel zu einigkeit in der Lehre in den Kirchen durch die Marke und Schlesien etc. n tzlich gewesen.« 152 Bereits Rietschel, Luther, 84–88 hatte das Ordiniertenbuch in sozialgeschichtlicher Hinsicht ausgewertet. In neuerer Zeit ist ihm Karant-Nunn gefolgt, die in Luther’s Pastors, 9–11 in ausführlichen Tabellen einen umfassenden Überblick über die berufliche Vergangenheit der Wittenberger Ordinanden bietet. 153 Vgl. z.B. o. S. 108. 154 Vgl. z.B. Melanchthon an Mykonius am 13.12.1536 (CR 3, 205 [MBW 1823]): »Plus otii putant esse in functione summa et omnium difficillima, in gubernatione Ecclesiae, quam in Schola puerili.« Vgl. schon ders. an dens. am 19.8.1531 (CR 2, 519 [MBW 1179]). 155 Sie werden jeweils mit der Formulierung ›Bürger von N.‹ bezeichnet. Deren Verwendung ist nicht ganz einheitlich. Zumeist steht sie, wo keine Berufsbezeichnung genannt werden konnte, einige Male aber auch neben der Nennung des Berufes (vgl. z.B. WOB 355). 156 Nicht zufällig stammen die überlieferten fünf deutschsprachigen Ordinationszeugnisse sämtlich aus der Zeit zwischen 1542 und 1544. Zwei der Ordinierten waren allerdings Schulmeister, waren selbst also lateinisch gebildet (Nrr. 4330, 22Ba.d; WOB 468. 646).
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VIII. Die Wittenberger Ordination
erreichte diese Entwicklung 1540, als 18 Handwerker und 26 Bürger zusammen deutlich mehr als ein Drittel der Ordinierten ausmachten. Diese Phase ging, nachdem die kirchliche Neuordnung im Herzogtum Sachsen vollzogen war, so aprupt zu Ende, wie sie begonnen hatte, so daß 1545 beide Gruppen nur noch je einmal im Ordiniertenbuch vertreten sind. Auch in den folgenden Jahren verbleibt ihre Zahl auf niedrigem Niveau. Insgesamt machte die Gruppe der Ordinierten, die »uf keiner universitet studirt« hatten,157 einen beträchtlichen Anteil aus. Dagegen bestanden zwar keine grundsätzlichen Einwände. Die Voraussetzung für die Wittenberger Ordination war nicht eine genau bestimmte Ausbildung; vielmehr wurden Frömmigkeit und Gelehrsamkeit erwartet. Letztere war jedoch bei einem beträchtlichen Teil der Anfang der vierziger Jahre Ordinierten nur mäßig vorhanden. So mußte es das Ziel sein, verstärkt Wittenberger Studenten in kirchliche Ämter zu berufen. Tatsächlich stieg die Quote der Ordinierten, zu denen das Verzeichnis registriert, sie entstammten der Wittenberger Universität, bis zur Mitte der vierziger Jahre stetig an und pendelte sich bei etwa einem Drittel ein.158 Die Formulierung, die Kandidaten seien »aus dieser Vniversitet beruffenn«, die bis zum Sommer 1558159 Verwendung fand, könnte den Eindruck erwecken, als habe eine normierte universitäre Vorbereitung auf das kirchliche Amt existiert. Dieser Eindruck ist nicht erst seit 1535 falsch; bereits bevor sich die neue Perspektive bot, die Universität mit einem Ordinationszeugnis verlassen zu können, hatten die meisten Studenten auch nach einem jahrelangen Studium keine Prüfung abgelegt.160 Allein die Information, ein Ordinand 157 Pallas, Registraturen II/1, 260. Dies wurde 1555 von den Visitatoren des Kurkreises eigens in den Akten vermerkt, obwohl in allen anderen Fällen nicht die Studienlaufbahn registriert wurde. Allem Anschein nach wurde der Pfarrer oder Prediger, der überhaupt nicht mit einer Universität in Berührung gekommen war, von den Visitatoren bereits Mitte der fünfziger Jahre als Ausnahmefall angesehen. Zumindest werden die Patrone in den Generalia dieser Visitation vermahnt, »das sie dieselben [sc. Kandidaten für kirchliche Ämter] in den wolbestalten schulen oder universiteten Leipzik und Witteberg suchen, und nicht allenthalben ungelehrte gesellen oder verdorbene handwerksleut aufklauben oder ire schreiber, reuter oder staliungen priesterlich kleiden und uf die pfarren stecken, uf das sie bei denselben desto leichter erhalten konnen« (Pallas, Registraturen I, 78). Im Spätmittelalter hatte dagegen die Mehrheit der Geistlichen keinerlei Universitätsbildung vorzuweisen. Vgl. den Überblick bei Oediger, Bildung, 66 f Anm. 3. 158 In den Jahren 1545 und 1546 erreichte der Anteil der Wittenberger Studenten an den Ordinierten fast 50%. Damit wirkten sich die seit 1539 stark angestiegenen Immatrikulationszahlen aus, die 1544 mit 816 Einschreibungen ihren höchsten Stand erreichten. Vgl. insgesamt Foerstemann/Hartwig/Gerhard, Album I–III und dazu die Diagramme u. S. 325 f (Anhang 2.b/c). Erst seit dem Herbst 1548 wurde auch registriert, wenn ein Ordinand eine andere Universität besucht hatte. Über den Anteil der vormaligen Hörer auswärtiger Fakultäten läßt sich für das erste Jahrzehnt also keine Aussage treffen. 159 Von diesem Zeitpunkt an wurde nicht mehr die bisherige Stellung des Ordinierten registriert. 160 Vgl. in dieser Beziehung über die spätmittelalterliche Universität überhaupt Oediger, a.a.O., 63 Anm. 5.
4. Die Ordinanden
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habe zuvor in Wittenberg studiert, gibt also noch keinen Aufschluß über die Länge und Qualität der Ausbildung. Ein ungefähres Bild hinsichtlich der Länge des Studiums vor einer Ordination ist durch einen Vergleich der Ordinations- mit den Immatrikulationsdaten zu gewinnen.161 Dazu sind zunächst einige Vorüberlegungen anzustellen. Es muß berücksichtigt werden, daß die Formel »Aus dieser Vniversität beruffenn« offenkundig nicht nur Verwendung fand, wenn der so Bezeichnete gegenwärtig in Wittenberg studierte. In vielen Fällen waren die Ordinierten seit ihrem Studium einer anderen Beschäftigung, zumeist einer Lehrtätigkeit, nachgegangen.162 Das bedeutet, daß die Zeitspanne zwischen dem Immatrikulationsdatum und dem Ordinationstag erheblich länger als die tatsächliche Verweildauer an der Universität sein konnte. Auffällig lange vermeintliche Studienzeiten müssen also unberücksichtigt bleiben, auch wenn im Einzelfall das Studium durchaus sehr lang gewesen sein kann. Ferner kann jenes knappe Drittel der Untersuchungsgruppe, das im Besitz des Magistergrads war, nicht einbezogen werden. Die ungleich umfangreichere Ausbildung und sich häufig anschließende Lehrtätigkeit der Magister würden das Bild zu sehr verfälschen. War ein Baccalaureusgrad vorhanden, wurde er anders als der Magistergrad im Ordiniertenbuch nicht verzeichnet. Er hatte im Hinblick auf die Übernahme eines kirchlichen Amtes kaum eine Bedeutung und wurde auch in der mittelalterlichen Universität häufig nur erworben, wenn der Student plante, später zum Magister promoviert zu werden.163 Unmittelbar vor einer Ordination, gewissermaßen als Abschluß des Studiums, wurde er offenbar nicht angestrebt.164 161 Für den Vergleich wurden sämtliche Ordinierte bis zu Luthers Tod überprüft, denen das Ordiniertenbuch ein Wittenberger Studium zuschreibt. Somit wurden die ersten Jahre mit einigen wenigen Ordinanden, die Zeit des Kandidatenmangels Anfang der vierziger Jahre, als der Druck auf die Studenten, möglichst bald die Universität zu verlassen und ein kirchliches Amt zu übernehmen, gewachsen sein könnte, sowie eine Periode der Normalität mit erfaßt. Während dieses Zeitraums lassen sich keine signifikanten Schwankungen hinsichtlich der Zeitspanne zwischen Immatrikulation und Ordination feststellen. 162 So hatte etwa Mag. Georg Karg vor seiner Ordination am 10.8.1539 (WOB 72) bereits eine Zeitlang wieder in seiner Heimat Öttingen gelebt, bevor er dort zum Pfarrer berufen wurde (vgl. WA.B 8, 508). Mag. Heinrich Bock war seit 1533 Dekan des Sachsenkollegs in Erfurt gewesen (vgl. WA.B 12, 467) und wurde am 25.4.1540 für das Pfarr- und Superintendentenamt in Reval ordiniert (WOB 182). Zu Mag. Nikolaus Gallus, der sich im Sommersemester 1530 immatrikuliert hatte (vgl. Foerstemann/Hartwig/Gerhard, Album I, 139b, 18) und am 11.4.1543 für ein Diakonat in Regensburg ordiniert wurde (WOB 486), bemerkt sein Ordinationszeugnis, er habe zehn Jahre die Universität Wittenberg besucht und hinterher in Schulen und Kirchen Gelehrsamkeit und Fleiß bewiesen (vgl. WA.B 10, 297, 1–4 Nr. 3868). Tatsächlich gibt es eine Nachricht darüber, daß Gallus seit 1540 Lehrer in Mansfeld gewesen war (vgl. Kawerau, Gallus, 361). 163 Vgl. Paulsen, Geschichte I, 35. 164 Vgl. z.B. die folgenden Ordinierten, die den Baccaulaureus-, aber nicht den Magistergrad führten: Kaspar Roth aus Nördlingen (Bac. 20.4.1540 [Köstlin, a.a.O., 6]; Ordination am 15.6.1541 [WOB 310]; Mag. 31.7.1554 [Köstlin, a.a.O., 14), Thomas Cranich aus Eilenburg
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VIII. Die Wittenberger Ordination
Gleicht man unter Berücksichtigung der erwähnten Einschränkungen das Ordiniertenbuch und die Universitätsmatrikel ab, tritt zunächst zu Tage, daß ein knappes Drittel der Ordinierten, bei denen vermerkt ist, sie hätten in Wittenberg studiert, nicht in der Matrikel erscheint.165 Da unwahrscheinlich ist, daß die Ordinatoren sich derart häufig bei ihren Eintragungen irrten, scheinen die Ordinationskandidaten einen Status gehabt zu haben, der nicht in jedem Fall die Immatrikulation erforderte. Möglicherweise wurde ihnen, die in erster Linie den für sie vorgesehenen Sonderunterricht166 in Anspruch nahmen, erlaubt, die eine oder andere theologische Vorlesung zu besuchen, wenn sie in der Lage waren, dem Vortrag zu folgen. In jedem Fall dürfte die Zahl derjenigen, die nur eine sehr kurze Zeit an der Wittenberger Universität verbrachten, bevor sie sich ordinieren ließen, um einiges größer gewesen sein, als aus den Quellen hervorgeht. Auch bei den Immatrikulierten war eine kurze Studienzeit der Normalfall.Während des Untersuchungszeitraums verteilen sich die Zahlen der absolvierten Semester recht gleichmäßig im einstelligen Bereich, wobei eine Studienlänge von zwei oder drei Semestern relativ am häufigsten war.167 Welchen Platz nahmen die Kurzzeitstudenten im Wittenberger Universitätsbetrieb ein? Sie hörten wohl in erster Linie die Vorlesungen über die biblischen Bücher, die im Mittelpunkt des Wittenberger Theologiestudiums standen168 und auch für Studenten verständlich waren, die nicht die obliga(Bac. 28.9.1541 [Köstlin, a.a.O., 7]; Ordination am 24.9.1547 [WOB 893]), Martin Göre aus Delitzsch (Bac. 10.2.1542 [Köstlin, a.a.O., 7]; Ordination am 4.11.1551 [WOB 1204]) sowie die in der nächsten Anm. genannten Richter (Bac. 1539 [Köstlin, a.a.O., 6]) und Heine (Bac. 28.9.1541 [Köstlin, a.a.O., 7]). Diese Kombination war recht selten. 165 Von 160 Ordinierten konnten 49 nicht in der Matrikel nachgewiesen werden. Umgekehrt wurde ein früheres Studium nicht immer im Ordiniertenbuch registriert. So geht beispielsweise aus den Wittenberger Matrikeln hervor, daß »Michael Richter von Delitzsch, Schulmeister zu Bitterfelt«, der am 1.2.1547 ordiniert wurde (WOB 844), im Sommersemester 1537 sein Studium begonnen hatte (Foerstemann/Hartwig/Gerhard, a.a.O., 166a, 3). Der am 24.8.1547 ordinierte Seidaer Schulmeister Johannes Heine (WOB 884) hatte sich im Wintersemester 1539/40 immatrikuliert (Foerstemann/Hartwig/Gerhard, a.a.O., 178a, 31). 166 Vgl. o. S. 274 f. 167 Die Zahlen der zwischen Immatrikulations- und Ordinationsdatum vergangenen Semester einschließlich des zum Zeitpunkt der Ordination begonnenen verteilen sich wie folgt: Semesterzahl 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Ordinierte 4 6 9 4 4 4 4 3 4 3 2 0 3 3 0 4 Zeitspannen zwischen 17 und 21 Semestern kommen nicht, noch größere nur sporadisch vor. Bei ihnen und vermutlich bei einem Teil der hier aufgeführten höheren Semesterzahlen kann davon ausgegangen werden, daß die Ordinierten nicht seit ihrer Immatrikulation studiert hatten. Ebenfalls fallen drei der vier Studenten, die bereits in ihrem ersten Semester ordiniert wurden (WOB 320 f. 423), aus dem Rahmen, da sie jeweils auf die vierte Diakonenstelle an der Stadtkirche berufen waren, die den Anweisungen der zweiten Visitation gemäß mit Studenten zu besetzen und mit 30 fl. jährlich dotiert war (vgl. Pallas, Registraturen I, 2. 24). 168 Vgl. den diesbezüglichen Abschnitt in Melanchthons Satzungen für die Theologische Fakultät von 1533 bei Friedensburg, Urkundenbuch, 155 f.
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torischen Lehrveranstaltungen der Artistenfakultät durchlaufen hatten. Es sprengte also nicht die bestehenden Strukturen an der Universität, wenn seit dem Ende der dreißiger Jahre vermehrt Studenten nach Wittenberg kamen, die lediglich einen Einblick in die reformatorische Theologie erhalten und nach kurzer Zeit das Ordinationsexamen ablegen wollten. Im übrigen gehörten bei diesem Examen auch die Kurzzeitstudenten noch in den vierziger Jahren zu den überdurchschnittlich qualifizierten Ordinanden. Denn wenn auch eine beträchtliche Zahl derer, bei denen der Hinweis auf ein Wittenberger Studium fehlt, möglicherweise andere Universitäten besucht hatte, bereitete doch selbst ein kurzes Studium hier besser auf das Ordinationsexamen vor als ein jahrelanger Aufenthalt an einem Ort, wo weiterhin die alten Sentenzenkommentare gelesen wurden. d. Die Amtsbezeichnungen der Ordinanden und die eine Ordination Das Ordiniertenbuch besteht aus einer einzigen fortlaufenden Matrikel für sämtliche Ordinanden, in der die unterschiedlichen Amtsbezeichnungen jeweils aufgeführt sind. Dies sind in der Mehrzahl Pfarrer, die einer Parochie vorstanden.169 Ferner sind viele Hilfsgeistliche aufgeführt, die je nach der Stelle, auf die sie berufen waren, zumeist als ›Priester‹, seltener auch als ›Kaplan‹, ›Koadiutor‹ oder ›Diakon‹ bezeichnet werden.170 Sie waren Pfarrern als Gehilfen in Predigt und Sakramentsverwaltung zugeordnet. Ihre Besoldung und ihr Bildungsstand variierten nach dem jeweiligen Ort. Schließlich wurden auch zahlreiche Prediger ordiniert. Sie waren vom Rat einer Stadt oder einem Adeligen für einen bestimmten Predigtdienst an einer Kirche angestellt.171 So unterschiedlich ihr Bildungsstand war, so unterschiedlich die Aufgaben und Kompetenzen waren, die die künftigen Stellen beinhalteten, so gab es für sie alle doch nur eine einzige Ordination zu dem einen Amt der Verkündigung. Deshalb wurden die Ordinanden nicht nur gleichzeitig in einem Ritus ordiniert, in dem sie alle gemeinsam angesprochen wurden. Auch ihre Zeugnisse sind nicht nach den einzelnen kirchlichen Ämtern differenziert. Dieser Befund, der sich von der mittelalterlichen Tradition des siebenstufigen sacramentum ordinis abhebt,172 kann vor dem Hintergrund des Amtsverständnisses der Wittenberger Theologen nicht überraschen. Dennoch ist bemerkenswert, daß die theologische Einheit der Ordination sich so konsequent in der Praxis niederschlug, obwohl die jurisdiktionellen Abstufungen 169 Vgl. zu den Charakteristika der spätmittelalterlichen kirchlichen Ämter Herrmann, Prediger, 45. 170 Vgl. etwa WOB 6. 578. 598. 171 Vgl. etwa WOB 5. 565. 172 Vgl. dazu Kleinheyer, Priesterweihe, passim.
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des spätmittelalterlichen kirchlichen Amtes in den evangelischen Territorien in hohem Maße erhalten blieben.173 e. Das Verhältnis von Berufung und Ordination nach dem Ordiniertenbuch Die Wittenberger Ordinanden mußten vor dem Empfang der Ordination bereits eine Berufung auf eine bestimmte Stelle erhalten haben. Sie hatten deshalb zunächst Briefe ihres Patrons oder der Gemeinde vorzulegen.174 Auf diese Weise blieb trotz der zentralen Durchführung der Ordination gewahrt, daß sie streng auf den gemeindebezogenen Dienst an Wort und Sakrament gerichtet war und keine absolute Bedeutung erhielt. Berufung und Ordination waren aus praktischen Gründen zeitlich und örtlich, nicht aber sachlich zu trennen. Im Ordiniertenbuch findet diese Sichtweise ihren Niederschlag darin, daß der künftige Wirkungsort in nahezu allen Fällen in der Form angegeben wird, der Betreffende sei ›berufen gen A. zum Pfarr-/Priesteramt‹. Wie strikt dieser Grundsatz galt, zeigt sich daran, daß es nur ganz vereinzelte Ausnahmen gab: Über den dritten im Ordiniertenbuch verzeichneten Ordinanden Martin Peschel heißt es, »den ort dohin er beruffen, will er aufs forderlichst antzeigen«. Warum der bisherige Grimmaer Stadtschreiber zu diesem Zeitpunkt ordiniert werden wollte, ist nicht bekannt. Jedenfalls dürfte dieses Ansinnen beim Ordinator Luther ein gewisses Unbehagen ausgelöst haben, wie an der nur in diesem Fall aufgestellten Forderung deutlich wird, der Berufungsbeleg solle nachgereicht werden. Das Bestreben, an der prinzipiellen Voraussetzung der Berufung festzuhalten, zeigt sich ebenso, wenn am 20. April 1539 zur Ordination des Mag. Martin Zimmermann sprachlich unlogisch und unzutreffend vermerkt ist, dieser sei »Beruffen gein Niemigk oder Czane zum Priesterambt«.175 Spätere und im übrigen sehr seltene Fälle enthalten nur noch den allgemeinen Hinweis auf ein zukünftiges Amt. Ob ferner solche Einträge, in denen die Frage des künftigen Amtes schlicht übergegangen wird,176 einen ähnlichen Hintergrund haben, läßt sich nicht sagen, da das Ordiniertenbuch bisweilen erst nachträglich ergänzt wurde;177 möglicherweise standen zum Zeitpunkt des Eintrags nicht mehr alle Informationen zur Verfügung. 173 Das gilt für die erwähnten Pfarrer, Hilfsgeistlichen und Prediger, nicht jedoch für Meßpriester, die von Meßstiftungen lebten, welche durch die Reformation abgeschafft worden waren. 174 Dies zeigt der Anfang fast aller erhaltenen Ordinationszeugnisse. Vgl. o. S. 270. 175 Vgl.WOB 43. Tatsächlich wurde Zimmermann am 5.10.1539 von Melanchthon in einem Schreiben an Brenz für Schwäbisch Hall (CR 3, 787 [MBW 2286]), am 24.11.1539 von Johann Friedrich an Luther für Liegnitz vorgeschlagen (WA.B 8, 606 Nr. 3410), war also weder in Niemegk noch in Zahna gewesen. 176 Vgl. WOB 964. 1114. Zu Gregor Schulz (WOB 278) erwähnt das Ordiniertenbuch nur, daß sich seine geplante Berufung ins ernestinische Brehna zerschlagen hatte. 177 Vgl. WOB 78 f. 169. 171–173. 601.
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Nur in Ausnahmefällen wurde die Reihenfolge von Berufung und Ordination umgekehrt. Sie sind zumeist dadurch bedingt, daß auswärtigen Studenten, die in ihrer Heimat eine kirchliche Stelle antreten wollten, aber noch keine Berufung erhalten hatten, die weite Anreise nach Wittenberg erspart werden sollte.178 Daß der Wunsch, vor dem Wegzug aus Wittenberg noch die Ordination zu empfangen, häufig geäußert wurde, ist zu vermuten. Die Befähigung zur Übernahme eines kirchlichen Amtes von den Reformatoren selbst erhalten zu haben, erhöhte die Chance auf eine gute Anstellung. Doch die Reformatoren hielten prinzipiell an der geltenden Regelung fest. Was sie dabei leitete, tritt deutlich in einem Schreiben Melanchthons an Spalatin hervor. Er setzt sich dort für den Chemnitzer Küster Simon Gutschmidt ein, der sich in Wittenberg vergeblich um die Ordination beworben hatte.179 Der Reformator berichtet, daß Pfarrer Wolfgang Fues in Zorn darüber geraten war, daß Gutschmidt übungshalber gelegentlich gepredigt habe. Der Grund für diesen Konflikt bestand – wie der Lösungsversuch zeigt – nicht im Inhalt der Predigten, sondern lediglich in der Tatsache, daß der Küster gepredigt hatte, ohne ordiniert zu sein. Daß man seinem Wunsch in Wittenberg nicht entsprochen hatte, begründet Melanchthon damit, daß die Wittenberger niemanden ohne eine Berufung ordinierten. Diese Aussage ist zwar nicht ganz korrekt, macht aber dennoch deutlich, warum die Reformatoren hier anders entschieden als in den erwähnten Fällen, in denen ebenfalls keine Berufung vorlag. Gutschmidt wollte oder sollte sich ordinieren lassen, um Übungspredigten halten zu können. Ziel der Ordination wäre also zumindest vorläufig nicht die Übernahme eines regulären kirchlichen Amtes gewesen. Aus dem Schluß des Briefes geht zwar hervor, daß der Chemnitzer Küster ähnlich wie die im voraus Ordinierten ernsthaft auf der Suche nach einer Pfarr- oder Predigtstelle war.180 Da die Ordination aber ausdrücklich die Predigten in Chemnitz legitimieren sollte, war sie aus Sicht der Wittenberger
178 Dies gilt besonders für WOB 1124 (Ungarn), aber auch für WOB 277 (Ansbach), 828 (Osnabrück) und 1587 f (Kurpfalz). Dagegen lag das zur Herrschaft Reuß gehörige Schleiz nicht so weit entfernt, daß WOB 164. 166 auf diese Weise erklärt werden könnten. Deren Hintergrund ist unklar. Daß es sich bei dem im Original zerstörten Ortsnamen um Schleiz handeln muß, ergibt sich im übrigen aus der Nennung des dortigen Superintendenten Mag. Thomas Spieß (vgl. zu ihm WA.B 4, 208 f Anm. 3). 179 Vgl. CR 5, 346 f (MBW 3496) vom 1.4.1544: »Venit huc Simon, civis Kemniciensis, aedituus Ecclesiae Kemniciensis, qui attulit testimonium, se alicubi exercitii causa concionatum esse, et petivit ordinationem. Nos, quia sine vocatione nemini impertimus ordinationem, rursus dimisimus eum sine testimonio ritus sacri. Ait, sibi succensere Pastorem Ecclesiae Kemniciensis, quod ausus sit concionari. Mihi exercitium non videtur improbandum esse, etiam in iis, qui non sunt eruditi, modo sint pii, studiosi et dociles.« 180 Der Zweck des Empfehlungsschreibens war offenbar, Gutschmidt davor zu bewahren, daß ihm durch die Ablehnung seines Ordinationsgesuchs künftig der Zugang zu einem kirchlichen Amt verwehrt würde.
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in diesem Fall unangebracht. Melanchthon sprach sich im übrigen dafür aus, daß Gutschmidt seine Predigten fortsetze. Entsprechend verfuhr man auch in Wittenberg. So weisen Melanchthon und Bugenhagen am 6. Oktober 1539 in ihrem Empfehlungsschreiben für Mag. Philipp Agathon an den Rat in Luckau darauf hin, daß der ehemalige Braunschweiger Schulmeister schon eine Zeitlang gepredigt habe »und heut alhie ein gute christliche Predig gethan«. Dabei kann es sich ebenfalls nur um Probepredigten gehandelt haben. Erst am 23. November, nachdem er nach Luckau berufen war, wurde Agathon ordiniert.181 An der Weise, wie die Wittenberger mit dem Ordinationswunsch noch nicht Berufener umgingen, wird nebenbei auch deutlich, daß die Aussage fast aller Zeugnisse wie des Briefes an Spalatin, der Betreffende habe die Ordinatoren um die Ordination ersucht (petere), keine formale Floskel war. Die Kandidaten bewarben sich unter Vorlage der Berufungsbelege um die Zulassung zur Ordination, und die Entscheidungen der Ordinatoren scheinen nicht in allem auf der Grundlage feststehender Richtlinien erfolgt zu sein. Diese Beobachtung ist wichtig im Hinblick auf die Beurteilung des im nächsten Abschnitt gesondert zu untersuchenden Phänomens, daß überraschend häufig Personen in Wittenberg ordiniert wurden, die bereits ein kirchliches Amt bekleideten. f. Das Problem der Ordination bereits Amtierender Da die Reformatoren die Ordination nicht für eine notwendige Voraussetzung für die Übernahme eines kirchlichen Amtes hielten, wurden bereits Amtierende nicht dazu aufgefordert, sich noch ordinieren zu lassen. Gleichwohl sind solche Ordinationen nach 1535 vorgekommen. Es ist zu fragen, warum das geschah. Im Falle Veit Dietrichs in Nürnberg äußerten sich die Wittenberger direkt in der Sache. (1) Der Befund des Ordiniertenbuches In 27 Fällen wurden Personen in Wittenberg ordiniert, die bereits ein kirchliches Amt innehatten. Das Bild, das diese Fälle bieten, ist außerordentlich vielfältig. In 18 Fällen erfolgte die Ordination anläßlich eines Stellenwechsels.182 Das Ordiniertenbuch konnte hier den gewöhnlichen Aufbau der Einträge beibehalten, wie das Beispiel Johannes Milcas zeigt:183 An die erneute 181
Vgl. CR 3, 788 (MBW 2288); WOB 119. Vgl. WOB 241. 350. 669. 730. 814. 927. 931. 960. 987. 1015. 1021. 1025. 1097. 1103. 1133. 1152. 1496. 1521. Die kursiven Ziffern bezeichnen Wechsel innerhalb einer Parochie wie etwa den von einer Prediger- auf eine Pfarrstelle. 183 »Joannes vonn Milca vonn Borchardshain bey Wurtzen, Prediger zu Senfftenberg, Beruffenn genn Barby zum Pfaramb« wurde am 3. November 1540 ordiniert (WOB 241). 182
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Berufung in die Stelle vor Ort schlossen sich ein Examen und ein öffentlicher Ritus an, in dem um den Segen für den Dienst an der künftigen und möglichen weiteren Stellen des Ordinanden gebeten wurde. Der Dienst am bisherigen Wirkungsort wurde in seiner Legimität in Frage gestellt. Nun geht aber aus dem Ordiniertenbuch hervor, daß auch neun Personen ordiniert wurden, die auf ihrer bisherigen Stelle verblieben.184 Dieser Befund ist auffällig und steht zum Amtsverständnis der Reformatoren in einer gewissen Spannung. Zum einen entsteht der Eindruck, daß der Wirksamkeit des Amtsträgers durch die Ordination etwas hinzugefügt wurde. Zum anderen war die Verbindung zwischen der sonst immer erwähnten Berufung und der Ordination abgerissen. Jene konnte Jahre zurückliegen und war jedenfalls nicht mehr der Anlaß für diese. Daß diese Spannung auch in Wittenberg empfunden wurde, zeigt sich an der Sprachregelung des Ordiniertenbuches. Bezüglich der ersten dieser Ordinationen, derjenigen des Pfarrers von Rathenow Petrus Richter, heißt es, er sei »itzt darauff [sc. auf seine Pfarrstelle] ordiniert«. Möglicherweise weil dadurch der Eindruck erweckt wird, dem Ordinanden werde seine Stelle erst durch die Ordination gültig übertragen, heißt es in allen späteren Einträgen stattdessen, N.N. sei nun zu seinem bisherigen Amt berufen worden. Davon könnte aber strenggenommen nur die Rede sein, wenn die Betroffenen bisher nicht ordentlich berufen gewesen waren. Das ist nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Keine der beiden Formulierungen läßt deutlich werden, wie eine derartige nachträgliche Ordination verstanden werden soll. Es soll jedenfalls vermieden werden, der Ordination eine für das Amt konstitutive Bedeutung beizumessen, die zwangsläufig den bisherigen Dienst der Ordinanden in ein zweifelhaftes Licht gerückt hätte. Die unscharfe Begrifflichkeit des Ordiniertenbuches in den erwähnten neun Fällen und deren geringe Zahl deuten bereits darauf hin, daß die Wittenberger keineswegs prinzipiell für die Durchführung nachträglicher Ordinationen eintraten.185 Das wird zusätzlich dadurch untermauert, daß nach dem Sommer 1554 keine Ordinanden nachzuweisen sind, die bereits auf der künftigen Stelle oder anderenorts amtiert hatten. Auffällig ist dabei nicht, daß derartige Ordinationen überhaupt aufhörten, da es sich bei ihnen naturgemäß um ein Übergangsphänomen handelte.186 Auffällig ist vielmehr, daß ausgerechnet aus der Zeit der schon mehrfach erwähnten Visitationen in beiden Sachsen 1555/56 kein einziger Fall stammt, obwohl die Visitatoren 184
Vgl. WOB 407. 439. 488. 598. 667. 1024. 1056. 1170. 1206. Auch eine Ordination, die Melanchthon 1547 in Braunschweig vollzog, geschah auf Drängen des dortigen Superintendenten. Vgl. u. S. 300. 186 Deshalb wäre im übrigen umgekehrt auch der Schluß unzulässig, daß die Wittenberger sich von ihrer früheren Praxis distanziert hätten. 185
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des Kurkreises bei dieser Gelegenheit alle kirchlichen Amtsträger nach ihrer Ordination befragten, so daß die ungeordneten Verhältnisse in den ersten Jahren der Reformation erstmals dokumentiert wurden. Wo in den Protokollen keine Ordination verzeichnet ist, sind die Betreffenden zwar zumeist in der Ordinationsmatrikel nachzuweisen. Doch in einigen Fällen lassen die fast immer verzeichneten biographischen Daten darauf schließen, daß sie nicht ordiniert waren.187 Einmal wird sogar ausdrücklich vermerkt, der Pfarrer habe darauf verwiesen, daß Anfang der dreißiger Jahre die Ordination noch unüblich gewesen und er deshalb von Justus Jonas ohne eine solche auf die Stelle gesandt worden sei.188 Auch sein Name findet sich nicht im Ordiniertenbuch. Die besagten Einträge nachträglicher Ordinationen in der Ordinationsmatrikel lassen also nicht auf eine prinzipielle Linie der Wittenberger Reformatoren schließen, sondern spiegeln Einzelfallentscheidungen wider. Die Motive dafür, daß kirchliche Amtsträger, die nicht im Begriff waren, ihre Stelle zu wechseln, in Wittenberg um den Empfang der Ordination nachsuchten, können vielschichtig gewesen sein. Möglicherweise waren sie subjektiv zu der Einschätzung gelangt, der Ritus sei für die Ausübung ihres Dienstes notwendig oder zumindest wünschenswert. Häufiger dürfte vorgekommen sein, daß die Forderung einer nachträglichen Ordination von Seiten der Gemeinde oder einer kirchlichen Aufsichtsinstanz an sie heran getragen wurde. Überdies dürfte eine fehlende Weihe häufig als Vorwand dafür gedient haben, junge reformatorische Amtsträger in ihrer Wirksamkeit einzuschränken.189 Allerdings könnte besonders in den späteren Jahren auch innerhalb des
187 Dies gilt z.B. für Johannes Schleifer aus Plauen, der sich im Sommersemester 1539 in Wittenberg immatrikulierte (Foerstemann/Hartwig/Gerhard, Album I, 176b, 18) und den Visitationsakten zufolge nach einem vierjährigen Studium zunächst Kantor in Belgern, sodann Diakon in »Ströell« (Strehla?) gewesen war (vgl. Pallas, Registraturen II/1, 181).Wenn wie beim Lochauer Pfarrer Johannes Kaiser keine frühere Tätigkeit verzeichnet ist und der Amtsantritt in die Zeit vor der Einführung der Ordination fällt (vgl. ders., Registraturen II/3, 54) – Kaiser war Ende 1533 wohl auf Vorschlag der Wittenberger Reformatoren als Nachfolger des wegen seiner Weltuntergangsprophetie abgesetzten Michael Stifel nach Lochau gekommen (vgl. die Briefe des Kurfürsten an die Wittenberger vom 22.10. und an Luther vom 15.11.1533 WA.B 6, 545. 556 f Nrr. 2062. 2070 und zum gesamten Vorgang Brecht, Luther III, 20 f ) –, ist zumindest recht wahrscheinlich, daß der Betreffende weder evangelisch ordiniert noch – wie ebenfalls häufig verzeichnet ist – in vorreformatorischer Zeit die Priesterweihe erhalten hatte. Gegen letzteres spricht in Kaisers Fall außerdem, daß er 1555 noch nicht über sechzig Jahre alt zu sein scheint. Denn zum einen ist dies sonst zumeist in den Protokollen registriert. Zum anderen vermerkten die Visitatoren, daß Kaiser jüngst gegen den Willen der Gemeinde seinem damit offenbar noch überforderten und vermutlich jugendlichen Sohn das Küsteramt übertragen hatte. 188 Vgl. o. S. 109. 189 Vgl. etwa die Schwierigkeiten, denen Jakob Schenk und wohl auch Wenzeslaus Kilmann ausgesetzt waren. Vgl. o. S. 217–230. 271–273.
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evangelischen Lagers hier und da ein Streit über die Notwendigkeit der Ordination ausgebrochen sein.190 Solche Überlegungen müßten nun an Einzelfällen überprüft werden. Leider lassen sich in den konkreten Fällen keine sicheren Aussagen treffen. Zwar könnten für diese Frage sämtliche Einträge herangezogen werden, in denen bereits Amtierende ordiniert wurden. Doch über keinen der insgesamt 27 Ordinierten ist Näheres in Erfahrung zu bringen. Überdies sind die Orte, an denen sie wirkten oder wohin sie nun berufen wurden, ähnlich breit gestreut wie die Nennungen bei anderen Ordinationen. Es dominieren das ernestinische und das albertinische Sachsen, aber auch fast alle anderen benachbarten und zahlreiche weiter entfernt liegende Territorien sind vertreten. Die Reformation hatte sich in manchen von ihnen vor längerer Zeit, in anderen erst vor kurzem durchgesetzt. Die Entscheidung für eine nachträgliche Ordination erfolgte deshalb jeweils individuell und nicht aufgrund der allgemeinen Situation in den betroffenen Gebieten. Wegen der dürftigen Informationen über die Ordinanden ist im übrigen auch nicht festzustellen, ob sich unter ihnen Geweihte befanden. Insbesondere bei denen, die aus Territorien stammten, wo bis vor kurzem die bischöfliche Jurisdiktion noch intakt gewesen war, wäre denkbar, daß sie im Besitz der Priesterweihe waren.191 So wie die Reformatoren letztere beurteilten, ist durchaus wahrscheinlich, daß sich unter den Ordinierten auch geweihte Priester befanden. Leider sind aus der Reformationszeit kaum Weihematrikeln erhalten.192 Für unsere Frage kann nur das Merseburger Verzeichnis ausgewertet werden.193 Hier läßt sich der »Johannes Cirolff von Muecheln«, der ›Diakon‹ in Altranstädt gewesen war und am 18. Februar 1551 in Wittenberg ordiniert wurde, nicht nachweisen.194
Aus den tatsächlich vollzogenen nachträglichen Ordinationen lassen sich also weder die zu Grunde liegenden Motive noch die ihnen beigelegte Bedeutung für die Amtsausübung der Betroffenen erheben. Doch in einem ganz ähnlich gelagerten Fall, in dem es dann nicht zu einer Ordination kam, hat sich insbesondere Melanchthon ausführlich geäußert. (2) Melanchthons Gutachten für Veit Dietrich Zwischen den Nürnberger Predigern Andreas Osiander und Veit Dietrich, deren Verhältnis von Anfang an spannungsgeladen gewesen war,195 kam es An190 Bekannte Beispiele sind die Auseinandersetzungen um Johann Freder und Veit Dietrich. Auf letzteren wird gleich einzugehen sein. 191 So wird etwa in MBW zu Recht erwogen, daß es sich bei dem einhändigen Priester, den Melanchthon und Bugenhagen am 6.7.1542 für die Pfarrstelle in Authausen empfehlen (CR 4, 838 f [MBW 3000]), um den am 13.9.1542 dorthin ordinierten Otto Bittel handeln könnte. 192 Vgl. Oediger, Bildung, 87 Anm. 3. 193 Vgl. Buchwald, Matrikel. 194 Vgl. WOB 1133. Altranstädt lag in einer albertinischen Enklave westlich von Leipzig und gehörte zur Diözese Merseburg. Vgl. Schlüter/August, Atlas, 16. 195 Vgl. Klaus, Dietrich, 156–168 über den Streit bezüglich der Praxis der Offenen Schuld.
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fang 1543 zu einem Streit über den Status Dietrichs, der 1536 weder geweiht noch evangelisch ordiniert in sein Predigtamt an St. Sebald gekommen war.196 Offenbar hatte Osiander in Frage gestellt, daß sein jüngerer Kollege rechtmäßig sein Amt versah. Dietrich bat daraufhin Melanchthon um Rat. Am 1. Oktober 1543 kündigte Melanchthon zunächst an, Dietrich bald ausführlich auf seine Frage antworten zu wollen. Er hatte bereits Luther zu Rate gezogen und konnte mitteilen, dieser wundere sich sehr darüber, daß Osiander um die Handauflegung streite. Schließlich sei der Ritus jahrhundertelang nicht zur Anwendung gekommen und stelle im übrigen nichts anderes dar als ein öffentliches Zeugnis.197 Den Wittenberger Standpunkt führt Melanchthon wenige Wochen später in einem Gutachten aus, das die Bedeutung der Handauflegung stark relativiert.198 Er führt zunächst aus, wie es zu der Meinung gekommen sein könne, daß die Ausübung eines kirchlichen Amtes die von Bischöfen vollzogene Priesterweihe199 zur Voraussetzung habe. In der Alten Kirche sei sowohl die Predigt durch Ungeweihte als auch die Abendmahlsverwaltung durch Diakone im Falle der Abwesenheit des Presbyters durchaus üblich gewesen. Eine Verschiebung habe später die Transsubstantiationslehre gebracht, insofern danach die Aufgabe der Wandlung einem bestimmten Weihegrad, dem Priestertum, vorbehalten sei.200 Im Gegensatz zur Priesterweihe erklärte Melanchthon die Berufung bzw. die Wahl (vocatio seu electio) des Amtsträgers für notwendig. Sie fand er in so unterschiedlichen Vollzügen wie der Einsetzung von Ältesten durch Titus (Tit 1, 5), der Bischofswahl, die in der Alten Kirche durch das Volk, in jüngerer Zeit durch das Kapitel vollzogen wurde, sowie in der Berufung von Kirchendienern durch die weltliche Obrigkeit, wie sie etwa in Kursachsen und in Nürnberg geschehe, verwirklicht. Dietrich sei also rechtmäßig berufen.201 Von der vocatio unterscheidet Melanchthon die comprobatio derselben. In der Alten Kirche hätten benachbarte Bischöfe die Berufung durch die Handauflegung bestätigt. Er, Melanchthon, schätze den Ritus sehr. Man wende ihn auch in Wittenberg an, da er vielfach in der Bibel bezeugt sei202 und der hohen Würde des Amtes vor der Gemeinde Ausdruck verleihe. In diesem 196 Vgl. o. S. 216 f. Zum Ordinationsstreit vgl. Klaus, a.a.O., 170–174 und Seebass, Werk, 265–268. 197 Vgl. CR 5, 186 f (MBW 3329). 198 Vgl. a.a.O., 209–212 (MBW 3357). 199 Melanchthon bestimmt diesen von den Gegnern geforderten Vollzug hier näher als Weihe in der successio ordinaria. Dies Thema spielte, nachdem es bislang ohne Bedeutung gewesen war, in der Debatte mit den gegenreformatorischen Theologen seit 1540 eine Rolle. Vgl. Kretschmar, Amt, 300–344. 200 Vgl. a.a.O., 209 f. 201 Vgl. a.a.O., 210 f. 202 Wie Bugenhagen 1524 (vgl. o. S. 89 f ) verweist Melanchthon dabei u.a. auf die alttestamentlichen Opferriten und auf Jesu Segen für die Kinder. Daß er die klassischen Stellen aus der Apostelgeschichte und den Pastoralbriefen übergeht, könnte Ausdruck der Intention sein, den
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Zusammenhang spricht sich Melanchthon dafür aus, daß auch Nürnberg und andere Kirchen die Ordination einführten. Gleichzeitig stellt er jedoch fest, daß durch sie der Berufung hinsichtlich des Rechtes oder der Vollmacht nichts hinzugefügt werde: »Nihil enim addit iuris aut potestatis impositio manuum.« Sie bezeuge und bekräftige nur die Berufung, die selber aber tatsächlich unverzichtbar sei: »Est [sc. impositio manuum] declaratio et comprobatio vocationis, de qua constare necesse est.« Wahre Hirten unterschieden sich von Mietlingen nicht durch den Ritus, sondern hinsichtlich der Art ihrer Lehre und ihrer Gesinnung (voluntas). Das sei auch der Grund, warum die Ordination unmöglich von den amtierenden Bischöfen empfangen werden könne. Die daraus resultierende Spaltung hätten nicht die Evangelischen, sondern die Bischöfe selbst zu verantworten.203 Das Gutachten bot Dietrich zwei Möglichkeiten. Er konnte Melanchthons Vorschlag folgen und sich in eigener Sache für die Einführung der Ordination in Nürnberg einsetzen. Die Erfolgsaussichten dafür waren gering, wie der nachfolgende Exkurs zeigen wird. Die zweite Möglichkeit bestand darin, die Auseinandersetzung mit Osiander zu führen und die Rechtmäßigkeit seiner Berufung festzuhalten, obwohl er nicht mit Handauflegung ordiniert war. Im Brief vom 25. Oktober, dem das Gutachten beigelegt war, eröffnet Melanchthon seinem Freund allerdings noch eine weitere Lösung: Dietrich könne sich bei Gelegenheit in Wittenberg ordinieren lassen.204 Warum diese Variante ebensowenig wie die erste Möglichkeit keine Aufnahme in das Gutachten fand, liegt auf der Hand. Sie lag ausgehend von der Deutung, die Melanchthon der Ordination in seinem Schreiben gab, keineswegs nahe. War es doch ihr zufolge gerade nicht notwendig, daß sich Dietrich noch ordinieren ließ. Tat er es dennoch, hätte darin nur eine Konzession an Osiander und mögliche andere Zweifler liegen können. Aus dem Ordinationsverständnis der Wittenberger ließ sich der Schritt nicht begründen. Es handelt sich bei jenen nachträglichen Ordinationen des Ordiniertenbuches wie bei Melanchthons brieflichem Vorschlag nicht nur wie bereits festgestellt um ein Übergangs-, sondern auch um ein Randphänomen der frühen Wittenberger Ordinationspraxis, das keine amtstheologischen Gründe hatte. Exkurs: Andreas Osianders Ordinationsverständnis und der Streit mit Veit Dietrich Ein Blick auf frühere Quellen des Nürnberger Reformators Andreas Osiander zeigt, daß sein Streit mit Veit Dietrich nicht erst 1543 ausgebrochen sein,205 sondern jahrelang geschwelt unspezifischen Charakter der Handauflegung zu zeigen und sie so in ihrer Bedeutung für die Ordination zu relativieren. 203 Vgl. a.a.O., 211 f. 204 Vgl. a.a.O., 208 f (MBW 3356). 205 So Klaus, Dietrich, 168. 170 f; Seebass, Werk, 266 f.
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haben dürfte. Daß kein konkreter Anlaß greifbar ist, kann also nicht überraschen. An sich interessant ist in diesem Zusammenhang Osianders eigene, durchaus originelle Position. Mehrfach hatte Osiander schon früher seine Wertschätzung einer rituellen Amtseinsetzung zum Ausdruck gebracht. In der Schrift Von den Zeremonien kündigt er 1526 in Übereinstimmung mit Luthers Schrift an die Böhmen an, man werde künftig die evangelischen Kirchendiener selbst mit Handauflegung einsetzen, da die Priesterweihe durch die Bischöfe wegen der mißbräuchlichen Handsalbung und des unchristlichen Gehorsamseides nicht empfangen werden dürfe.206 Darüber geht er in einer Katechismuspredigt zu Joh 20 aus dem Jahr 1533 hinaus. Dort heißt es, so wie Christus seinen Aposteln durch die Mitteilung des Heiligen Geistes das Predigtamt übertragen habe, hätten jene später andere beauftragt. Seitdem sei der Heilige Geist immer durch die Handauflegung weitergegeben worden.207 Neu ist daran nicht nur, daß der Ritus nun ausdrücklich als Geistmitteilung verstanden wird. Im Widerspruch zur früheren Aussage scheint vielmehr zu stehen, daß die Priesterweihe nicht mehr aufgrund der mit ihr verbundenen Mißstände, sondern von der durch die Jahrhunderte gegebenen Ordinationssukzession her beurteilt wird und folglich positiv eingeschätzt wird. Dabei bleibt offen, wer die Glieder dieser Kette sind. Konkret: Kann jeder Ordinierte ordinieren, oder ist diese Funktion wie in der römischen Kirche dem Episkopat vorbehalten? Spätere Quellen lassen darauf schließen, daß Osiander letzteres voraussetzt. In der von ihm verfaßten Kirchenordnung von Pfalz-Neuburg 1543 läßt er – trotz seiner Hochschätzung dieses Ritus – die Bestimmung bezüglich der Ordination in der als Vorlage benutzten kurbrandenburgischen Ordnung Joachims II. von 1540 weg.208 Ein plausibler Grund dafür wäre, daß in Pfalz-Neuburg anders als in Kurbrandenburg kein Bischof an der Neuordnung beteiligt werden konnte; keine Ordinationen durchzuführen war deshalb offenbar besser als unrechtmäßige vorzuschreiben. Dafür, daß Osiander allein die Bischöfe als rechtmäßige Ordinatoren ansah, spricht auch, daß sein Standpunkt von Melanchthon im oben behandelten Gutachten vom Herbst 1543 in die Nähe des im Regensburger Buch 1541 als successio ordinaria bezeichneten Konzeptes gerückt wird. Denkbar wäre zwar, daß der Wittenberger über Osianders Standpunkt falsch informiert war. Doch Dietrich hatte über Jahre hinweg Fragen
206 Vgl. Osiander, Gesamtausgabe 2, 273: »Darumb wollenn wir solche neu erwelte diener im beywesen ettlicher der obrigkait vor gemainer kirchen darstellen und Gott umb gnad und den heiligen gaist mit aufflegung der hend bitten und sie also in ir ambt einsetzen, welchs auch der eltist geprauch ist, kirchendiener zu ordnen.« 207 Vgl. Osiander, Gesamtausgabe 5, 322: »Wo sie nun fromm, heylige leut funden, die zum predigambt tüglich warn, denselbigen legten sie die hend auff und taileten in den heyligen Gaist mit, wie sie in von Christo zu solchem ambt auch hetten empfangen. … Und ist also das predigambt, das Christus, unser herr, selbs angefangen, eingesetzt und verordnet hat, immer von einem auff den andern kommen durch das auflegen der hend und mittailen des heiligen Gaists biß auf disse stund, und das ist auch die rechte weyhe, darmit man die priester weyhen sol und alweg geweyhet hat, und sol noch also bleiben.« – Die Geistwirkung der Handauflegung sah Osiander offenbar nicht als auf die Ordination beschränkt an, denn im Verlauf der Entstehung der Brandenburg-Nürnbergischen Kirchenordnung setzte er sich dafür ein, daß jene im Anschluß an Act 8, 17; 19, 6 bei der Absolution zur Anwendung kommen solle, wie eine spätere Äußerung zeigt: »Ich weiß …, wie man die Handauflegung in der Ordnung … gehöhnet und gespottet hat, daß sie herauskratzt ist worden. Sie ist aber darum noch nicht aus dem neuen Testament gekratzt« (Möller, Osiander, 184). 208 Vgl. EKO III, 85 mit EKO XIII, 93.
4. Die Ordinanden
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bezüglich der Ordination an Melanchthon gerichtet209 und dürfte ihn, als ihn die zunächst erhaltenen Antworten nicht zufrieden stellten, auch eingehend über den Disput mit seinem Kollegen in Kenntnis gesetzt haben. Es hat also den Anschein, als habe Osiander die Ordination als notwendige Voraussetzung für die Ausübung des kirchlichen Amtes angesehen, deren Erteilung den Bischöfen, die selbst in einer Sukzession standen, vorbehalten sei. Wie sich Osiander ein solches evangelisches Bischofsamt, das die Kontinuität der apostolischen Kirche wahren sollte, vorstellte, ist den Quellen allerdings nicht zu entnehmen. Die Einzelheiten des Streits sind nicht mehr greifbar, zumal an ihm allem Anschein nach nicht nur die beiden prominenten Prediger der Stadt, sondern auch der Rat beteiligt waren. Dafür spricht, daß letzterer vier Jahre später eine Verwarnung gegen den Pfarrer im zu Nürnberg gehörigen Hersbruck aussprach, der einen bisherigen Schulmeister als »kirchendiener« berufen habe. Kritisiert wurde daran, daß der Pfarrer einen »sonder process« gebraucht habe, der eine unerlaubte Neuerung darstelle. Dabei hat es sich wohl um eine Ordination mit Handauflegung gehandelt, die von den Nürnbergern als Eingriff in die ihr durch die Reformation zugewachsene Kontrolle über die Besetzung der kirchlichen Ämter angesehen wurde.210 Wie hieran deutlich wird, stieß die Einführung der evangelischen Ordination während der Reformationszeit vielerorts auch deshalb auf Schwierigkeiten, weil die neuen Machtverhältnisse noch nicht endgültig geklärt waren. Osianders Position nimmt nicht nur im Vergleich mit den anderen Reformatoren, sondern innerhalb der gesamten theologischen Literatur der zwanziger und dreißiger Jahre eine Sonderstellung ein. Zum einen zeigt sie, daß der seit Jahrhunderten in Vergessenheit geratene Gedanke der Apostolischen Sukzession bereits Jahre vor dem Regensburger Religionsgespräch, in dem er eine zentrale Rolle spielen sollte, vertreten wurde.211 Er basiert bei Osiander nicht wie dann bei Georg Witzel und Johannes Gropper auf einer Rückbesinnung auf die Alte Kirche, sondern erwächst unmittelbar aus dem Verständnis der Ordination als einer Geistverleihung und ist mithin vor allem im Sinne einer Ordinations- und nicht einer Amtssukzession zu verstehen. Zum anderen fällt von Osianders Sicht her Licht auf das Ordinationsverständnis der Wittenberger: Die theologiegeschichtlichen und kirchenpolitischen Voraussetzungen der Zeit ließen es offenbar zu, im Rahmen einer reformatorischen Theologie zu völlig anderen amtstheologischen Standpunkten als denen der Wittenberger Theologen zu gelangen.212 209 Bereits am 1.1.1540 kündigte Melanchthon dem Nürnberger Prediger die Zusendung von Thesen zur Einheit der Kirche und zur Ordination an, sobald der Druck erfolgt sei (CR 3, 902 [MBW 2338]). Die Thesen (CR 12, 488–491) betonen zwar den Wert der Ordination gegenüber ihrer Verachtung bei den Täufern, enthalten aber nichts, was Dietrich in seiner Situation helfen konnte. Daher dürfte das Versprechen Melanchthons vom 11.5.1540, bald etwas de vocatione schreiben zu wollen (CR 3, 1027 f [MBW 2428]), auf eine nochmalige Rückfrage des Nürnbergers zurückgehen. 210 So auch Seebass, Werk, 267. Der Nürnberger Rat hatte auch »in der Frage der Ehegerichtsbarkeit, des Bannes und der Voranzeige zum Abendmahl so eifersüchtig darüber gewacht …, daß den reformatorischen Predigern in keiner Form eine der früheren bischöflichen Jurisdiktion ähnelnde Vollmacht gegeben würde«. 211 Zur o. Anm. 199 erwähnten Untersuchung Kretschmars wäre also Osiander zu ergänzen. 212 Es ist deshalb fragwürdig, die Äußerungen der Reformatoren zum kirchlichen Amt durch den Hinweis auf die äußeren Umstände des Zeitalters zu relativieren, wie dies häufig geschieht. – Bezeichnenderweise erhebt Löhe in seinen Neuen Aphorismen von 1851 die oben behandelte Predigt über Joh 20 zu einem Kronzeugen dafür, »daß im Grund nicht neu, nicht unlutherisch ist, was in den vorausstehenden Aphorismen zu finden ist« (Werke V/1, 568; vgl. die Predigt a.a.O., 575–583).
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VIII. Die Wittenberger Ordination
5. Die Konfirmation nach Öffnung des Ordinationsverfahrens Da sich mit der Öffnung der Wittenberger Ordination für nichternestinische Kandidaten im Jahre 1537 deren enger Zusammenhang mit dem landesherrlichen Kirchenregiment löste, muß untersucht werden, welche Entwicklung die Konfirmation der kirchlichen Amtsträger seit der Einführung der Zentralordination durchlief. Gegen den Wortlaut des kurfürstlichen Ordinationserlasses von 1535, wonach die Konfirmation als von der Ordination getrennter Akt zu verstehen sei, hatte Luther am 20. Oktober 1535 geschrieben, die Wittenberger Theologen hätten den Ordinierten konfirmiert.213 Luthers Darstellung deckt sich mit den ersten Ordinationszeugnissen seit 1536, die sich auf die Autorität des Kurfürsten berufen und mit der Ordination selbst die kurfürstliche Bestätigung erteilen.214 Nachdem die Konfirmation in den Ordinationsformularen von 1538 dann vorübergehend unter Berufung auf die Autorität der zur Ordination entsendenden Kirche von den Ordinatoren ausgesprochen worden ist, ist sie seit 1539 aus den Quellen verschwunden, die mit der Ordination in Zusammenhang stehen. Damit stellt sich die Frage, ob sie ersatzlos weggefallen war oder in einem anderen Rahmen erteilt wurde. Offenbar hielt der Kurfürst am Bestätigungsrecht für die kursächsischen Ordinierten fest.Tatsächlich existiert eine bisher unbekannte Quelle aus dem Jahr 1540, der zufolge sich an die Ordination nur eine mit ihr nicht unmittelbar zusammenhängende Konfirmation durch den Kurfürsten anschloß: Am 1. Juni 1540 bittet Georg von Minckwitz Kurfürst Johann Friedrich darum, den jüngst in Wittenberg ordinierten Donatus Lehmann als Pfarrer von Elsnig zu bestätigen. Der Ritter führt aus, die Pfarrstelle sei dem Gut Belgern inkorporiert, für das er wiederum im Besitz des Präsentationsrechtes sei. Johannes Bugenhagen habe die Wahl getroffen und – vermittelt durch den Torgauer Superintendenten Gabriel Zwilling – an ihn, Minckwitz, mit der Anweisung gesandt, Lehmann dem Kurfürsten zu präsentieren.215 Dem Minckwitzschen Schreiben zufolge mußte sich der Ordinierte zur Konfirmation an den Hof nach Torgau begeben. Da sich der Ritter für sein Vorgehen ausgerechnet auf Bugenhagen beruft, kann ausgeschlossen werden, daß es sich bei dem Vorgehen um ein Mißverständnis handelte. Es scheint demnach, daß man in Wittenberg von der Notwendigkeit dieser Präsentation am Hof ausging. 213
Vgl. o. S. 190. So ausdrücklich im Zeugnis vom Oktober 1537 WA 12, 453, 12 f: »Itaque iuxta verbum Dei authoritate ecclesiae nostrae publica ordinatione confirmata est vocatio …«. Auch die bischöfliche Konfirmation wurde bei vorher nicht geweihten Kandidaten in Verbindung mit der Weihe erteilt. Vgl. Kurze, Pfarrerwahlen, 520. 215 Vgl. das Schreiben u. S. 323 (Anhang 1. e). 214
5. Die Konfirmation nach Öffnung des Ordinationsverfahrens
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Nun ist dieser Sachverhalt lediglich in einer einzigen Quelle greifbar.216 Deshalb ist zu fragen, ob sich in ihr überhaupt eine allgemeine Regelung widerspiegeln kann. Doch dies ist die wahrscheinlichste Annahme. Der Brief selbst enthält nämlich keine Hinweise auf besondere Umstände, die eine Bestätigung durch den Kurfürsten erforderlich machten. Die dürftige Bezeugung könnte daher rühren, daß derartige Dokumente nur selten der Nachwelt erhalten wurden. Zum einen mußte die Konfirmation im Gegensatz zur Ordination nicht später erneut nachgewiesen werden. Zum anderen wäre ein solches Dokument nicht wie etwa die Ordinationszeugnisse aus bloßem Interesse an seinem Verfasser tradiert worden.217 Das von Minckwitz beschriebene Verfahren kann so ohnehin nur bis zur Niederlage der Schmalkaldener im Jahre 1547 Anwendung gefunden haben.218 Deshalb läßt der Minckwitzsche Brief den Schluß zu, daß die Konfirmation der kursächsischen Kandidaten aus dem Zusammenhang von Examen und Ordination herausgelöst und an den Hof verlagert wurde. Der Zeitpunkt dieser Änderung muß vor der Überarbeitung des Ordinationsformulars im Jahre 1539 (R) liegen. Diese Trennung bewirkte eine Klärung der rechtlichen Verhältnisse. Seit die Konfirmation bedingt durch die Einbeziehung nichternestinischer Kandidaten 1537 im Namen der Gesamtkirche ausgesprochen wurde, war ihr Sinn nicht mehr deutlich gewesen. Der hatte ursprünglich darin gelegen, daß die kurfürstliche Autorität die Aufsicht über die Pfarrer und diese selbst in ihrer Position gegen Übergriffe von Seiten der Gemeinde oder des Adels stärken sollte. In der Allgemeinheit, mit der sie bis zu ihrer Abtrennung allen Ordinanden ausgesprochen wurde, konnte sie diesen Zweck nicht mehr erfüllen. Es dürfte dieser rechtlichen Klärung zu verdanken sein, daß das Wittenberger Ordinationsverfahren die Wirren nach der ernestinischen Niederlage im Schmalkaldischen Krieg und während des Interims unbeschadet überstand. Weder die Tatsache, daß mit der Kurwürde die Herrschaft über den Kurkreis an die Albertiner fiel, noch die fortgesetzte Diskussion, ob den Bischöfen die Weihe der evangelischen Amtsträger angeboten werden könnte, hatten Einfluß auf das gewissermaßen entpolitisierte Verfahren. Mehr noch, in Zeiten, als Melanchthon seinen Verbleib in Wittenberg unter einem Kurfürsten Moritz 216 Allerdings wurden die Instruktionen der Visitatoren für Wittenberg von 1533 im Jahre 1555 um die Bestimmung erweitert, der gewählte Pfarrer solle dem Kurfürsten präsentiert werden (vgl. Pallas, Registraturen II/1, 2. 33). Diese Ausnahme verdankt sich wohl dem besonderen Status des Wittenberger Pfarrers, der gleichzeitig Generalsuperintendent des Kurkreises war. Vgl. u. Anm. 222. 217 Selbst die Zeugnisse sind mit wenigen Ausnahmen nur in Abschrift erhalten. Vgl. o. S. 264. 218 Die Frage, ob nach der Neuordnung in den wettinischen Ländern weiterhin eine eigene Konfirmation praktiziert wurde, geht über den Rahmen dieser Untersuchung hinaus. Mir sind keine diesbezüglichen Hinweise bekannt.
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VIII. Die Wittenberger Ordination
verteidigen mußte, wurde die Ordination für ihn geradezu zum Symbol kirchlicher Selbständigkeit gegenüber dem neuen Landesherrn.219 Gleichzeitig stärkte die Loslösung der Konfirmation die Ordination in ihrer liturgischen Bedeutung, insofern sie nicht mehr gleichzeitig als Rechtsakt fungieren mußte. So rückte stärker ins Zentrum, daß für die künftigen kirchlichen Amtsträger der Segen Gottes erbeten wurde.
6. Die Ordinatoren Während die Ordination traditionell dem Bischof vorbehalten war, hatte Luther 1523 vorgeschlagen, die Böhmen sollten künftig selbst ihre Pfarrer ordinieren. Aus deren Zusammenwirken konnte dann zwar allmählich ein Diözesanbischofsamt neu entstehen; ob einem solchen Bischof nach einer Anfangsphase auch die Ordination obliegen sollte, war damals offen geblieben. 1533 hatte der Reformator dann das Ordinationsrecht für den Wittenberger Stadtpfarrer reklamiert, indem er die sächsischen Landstädte auf eine Stufe mit altkirchlichen Bischofssitzen wie Hippo stellte.220 Das Ordiniertenbuch zeigt, daß Luthers Vorstellung zwar in die Realität umgesetzt wurde, die Ordination allerdings in den dreißiger und vierziger Jahren nicht exklusiv einem bestimmten Wittenberger Amtsträger vorbehalten war. Tatsächlich fungierte in der Regel Bugenhagen als Ordinator. Dies war naheliegend. Da die Ordinationen im Namen der gesamten Kirche erfolgten,221 wurden sie sinnvollerweise durch denjenigen vollzogen, der in Wittenberg eine einem evangelischen Diözesanbischof vergleichbare Stellung ausfüllte. Über den Bereich hinaus, der dem Stadtpfarrer formell als Sprengel zugewiesen war,222 übte die Wittenberger Kirche einen starken Einfluß auf 219 Am 1.9.1547 stellt Melanchthon gegenüber Caspar Aquila nicht nur fest, daß das Evangelium erklinge wie vor dem Krieg. Hinzu tritt der Hinweis darauf, daß beinahe jede Woche kirchliche Amtsträger durch die Ordination konfirmiert und zuvor examiniert würden (vgl. CR 6, 650 f [MBW 4867]). Ähnlich weist er Hardenberg anderthalb Jahre später auf die wöchentlichen Ordinationen hin, um zu zeigen, daß in Kursachsen alles seinen geregelten Gang gehe (vgl. CR 7, 351 [MBW 5481] vom 18.3.1549). 220 Vgl. o. S. 65. 153. 221 Vgl. die Ordinationsliturgien o. S. 255 und die -zeugnisse o. S. 267. 222 Bereits 1528 – nicht 1532, wie häufig zu lesen ist – wurde der Wittenberger Pfarrer von den Visitatoren als Obersuperattendent benannt. Dieses Amt bezog sich auch nicht auf ganz Kursachsen, sondern nur auf das rechtselbische Gebiet des Kurkreises. Vgl. Pallas, Registraturen II/1, 2: »Und nachdem Wittenbergk sonst die hauptstat in der chur zu Sachssen [sc. der Kurkreis] und ane das eine ehrliche hohe schule ist, doraus durch gottes gnade das heilige evangelium in diser letzten zeit revelirt, so soll die kirch im land zu Sachssen ein metropolis und der pfarrer daselbst die obersuperattendenz haben, nach dem sich alle andere kirchen zu richten, und zusambt dem probst zu Kemberg auf alle andere superattendenten im churfurstentumb, nemlich der pfarrer zu Wittemberg auf die, so diesseit der elbe und der zu Kemberg auf die andern so ienseit der elbe sein, desgleichen auf die pfarrer aufsehen haben.« Vgl. dazu auch a.a.O.,VI.
6. Die Ordinatoren
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alle Kirchengemeinden in den ernestinischen Gebieten aus.223 In der Person Bugenhagens zeigt sich zudem, woher dieser Einfluß rührte: Der Pommer war gleichzeitig Theologieprofessor und verkörperte so in besonderer Weise die Verbindung zwischen der Wittenberger Gemeinde und der Universität, die für das Ordinationsverfahren eine wichtige Bedeutung hatte. Gleichwohl wichen die Wittenberger von dieser Praxis immer wieder ab. Dabei sind am leichtesten jene häufigen Fälle erklärlich, während derer Bugenhagen für längere Zeit abwesend war, um an der Einführung der Reformation in Dänemark und Norddeutschland mitzuwirken.224 Dann vertrat während der ersten Jahre jeweils Luther als Prediger an der Stadtkirche seinen Pfarrer und vollzog in dieser Eigenschaft auch die Ordinationen. Später sprang in solchen Fällen Diakon Sebastian Fröschel ein.225 Dieses Vorgehen ließe sich so erklären, daß zwar in der Regel der Pfarrer die Ordination durchzuführen hatte, dieser jedoch während seiner Abwesenheit von Luther und später Fröschel in seinem Amt vertreten wurde. Doch Bugenhagen griff auf Fröschel auch häufig zurück, wenn er durch Erkrankung oder einen anderen Termin nur für eine kurze Zeit verhindert war. Daß der Stadtpfarrer die Ordinationen selbst vollzog, hatte offenbar letztlich doch so geringes Gewicht, daß man dafür den Ordinanden die Wartezeit einiger Tage nicht zumuten wollte. Daß Luther sich wiederum in drei Fällen durch Georg Rörer vertreten ließ,226 läßt sich erst recht nicht so verstehen, als habe nun Rörer die Vertretung des Pfarramtes übernommen. Dieser gehörte nämlich nicht mehr zu den Amtsträgern der Stadtkirche, seit er 1537 von seinen Pflichten als Diakon 223 Als Bugenhagen 1544 vom Kamminer Domkapitel der dortige Bischofssitz angeboten wurde, lehnte er diesen mit dem Hinweis auf die bischöfliche Bedeutung seines gegenwärtigen Amtes ab: »Den disses Pfarrampt, ob wol de Nhame geringer ist, so ists doch ein recht warhaftig bischoflich Ampt, und grosser in disser Zeit, den ander Bistumb« (Vogt, Briefwechsel, 288 Nr. 140 vom 31.7.1544). 224 Dies betrifft v.a. seine Aufenthalte in Dänemark (abwesend von Mai 1537 bis Juli 1539), Schleswig-Holstein (Februar bis Mai 1542), Hildesheim und Braunschweig-Wolfenbüttel (August bis November 1542). 225 Nach der Periode vom 22.8. – unter diesem Datum fehlt der Name des Ordinators – oder 29.8. bis zum 19.9.1540, als er den kranken Bugenhagen vertrat (WA.B 9, 230, 2–5 Nr. 3533), hat Luther kaum mehr ordiniert. Ungewiß ist, ob er dies noch einmal am 29.3. und 6.4.1542 tat – nach Ausweis seiner Briefe hielt er sich während dieser Wochen jedenfalls in Wittenberg auf und war nicht erkrankt –, wie es der Schreiber der Matrikel will, denn eine andere Hand hat dies durchgestrichen und stattdessen den Namen Fröschels eingefügt. Fröschel ordinierte erstmals am 25.1.1542. 226 Rörer ordinierte am 21.7.1538, 2.2.1539 und 26.5.1539 (vgl. Buchwald, Ordiniertenbuch, 2–4). Für den Juli 1538 existieren Nachrichten über eine längere Erkrankung Luthers (vgl. WA.TR 4, 16 Nr. 3928; a.a.O., 200–203 Nr. 4203 sowie Melanchthons Schreiben an Dietrich CR 3, 559 f [MBW 2067 f] vom 22. und 29.7.1538), im Mai 1539 befand er sich in Leipzig (vgl. WA.B 8, 438). Was ihn am 2.2.1539 davon abhielt, die Ordination durchzuführen, läßt sich nicht sagen. Am selben Tag schrieb Luther einen Brief an Melanchthon, der sich in Weimar befand, und erwähnte nichts von einer Krankheit (vgl. WA.B 8, 362 f Nr. 3295). Vgl. a. Rietschel, Luther, 27.
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VIII. Die Wittenberger Ordination
entbunden worden war, um sich ganz der Edition der Werke Luthers widmen zu können.227 Die Aufgabe, Bugenhagen zu vertreten, hätte deshalb vielmehr seinem Nachfolger Anton Lauterbach gebührt.228 Offenbar war aber für die Wahl des Ordinators in solchen Fällen nicht ein bestimmtes Amt ausschlaggebend. Die Person des Ordinators war in der Wittenberger Ordinationspraxis deshalb von untergeordneter Bedeutung, weil ihm in der Liturgie nur der Rang eines primus inter pares zukam. Der Liturg wurde zwar anders als etwa im Hamburger Formular tatsächlich als ordinator tituliert, doch aus der Gruppe derer, die die Hand auflegten, hob ihn nur heraus, daß er die liturgischen Texte sprach. So wie überhaupt der besondere Rang des Wittenberger Pfarrers von der Bedeutung des Ortes und seiner Universität abgeleitet war, war es sachgemäß, daß auch an den Ordinationen noch weitere kirchliche Amtsträger und Mitglieder der Universität beteiligt wurden. Sie werden in der Ordinationsliturgie als presbyterium, in den Zeugnissen als ministri Euangelii bezeichnet. Der gemeinsame Dienst am Evangelium stellte die Ordinierten untereinander und diesen die Universitätstheologen, die nicht alle auch in der Gemeinde Wittenberg einen Dienst versahen, gleich.229 Unter ihnen konnten, da die Handauflegung nicht so verstanden wurde, daß durch sie eine spezifische Amtsgnade übertragen wurde, auch Nichtordinierte als Ordinatoren fungieren.230
227
Vgl. Brecht, Luther III, 145. Vgl. zu ihm WA.B 13, 247 den Nachtrag zu WA.B 7, 519 (Lit.). 229 Vgl. o. S. 268. 230 Auch das widerspricht jeglicher Interpretation, die im Ordinationsritus Luthers die Funktion einer – zugespitzt formuliert: horizontalen – Geistverleihung zu finden glaubt. Smith behauptet, daß Luther im Gegensatz zu Bugenhagen offenbar keine Nichtordinierten an der Handauflegung beteiligt habe (vgl. Luther, 112). Nur so kann er a.a.O., 124 zu dem Schluß kommen, »that Luther understood the liturgical gesture of laying on hands with prayer … to bless, that is bestow the gift of the Spirit«. Lieberg, Amt, 222 stellt fest: »Die Übergabe des Amtes in der Ordination hat zur Voraussetzung, daß die, die es übergeben, es selbst innehaben.« Vgl. dagegen mit Recht Goertz, Priestertum, 307. Stein, Amt, 196 (vgl. a.a.O., 200. 203) gründet die These, es sei »das Amt, das in das Amt einsetzt«, auf der folgenden Stelle in Luthers Ordinationspredigt am 20.10.1535: »1 pf|arrer stirbt nach dem and ern, ampt bleibt. Si hoc, mogen wir andere an die stad setzen. Ibi sumus dei larvae et unsers herr gotts netzige hand« (WA 41, 457, 4 f ). Stein meint, hier sei der bei Luther sonst die Bedeutung der Person relativierende Ausdruck larva in umgekehrter Ausrichtung verwandt. Davon kann jedoch keine Rede sein. Der ganze Abschnitt dient der Abgrenzung der Wittenberger Ordination gegen das donatisierende Amtsverständnis der Täufer: »Olim Donatis tae et hod ie Anab aptistae« (a.a.O., 455, 30). Stein läßt sich bei seiner Interpretation durch das Bild der Hand fehlleiten, das er implizit mit der Handauflegung assoziiert. Luther sakralisiert jedoch nicht die Hand des Ordinators, sondern vergleicht den Amtsträger als ein Werkzeug Gottes mit dessen Hand oder einem Löffel (vgl. a.a.O., 455, 4: »Est domini leffel, hand.«). Im übrigen leitet Stein das Adjektiv ›netzig‹ irrigerweise von ›Netz‹ ab und versteht es positiv (»Gottes einfangende Hand«).Tatsächlich handelt es sich um eine Nebenform zu ›gnätzig‹ (aussätzig, unrein). Vgl. a.a.O., 455 Anm. 1. 228
6. Die Ordinatoren
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So erklärt sich, daß an den Wittenberger Ordinationen seit 1525 und auch später immer wieder der Melanchthon beteiligt war; gleiches galt vermutlich für den ebenfalls nichtordinierten Caspar Cruciger. Darauf deuten jedenfalls die Unterschriften unter den Zeugnissen hin.231 Die Beteiligung Melanchthons behauptet auch Johann Freder, der sich 1550 auf ihn als Kronzeugen beruft.232 Er konnte sich dabei auf seine eigene Anschauung bis zum Spätsommer 1537 in Wittenberg stützen.233 Daß der Humanist auch in den vierziger Jahren, als die Ordinanden immer zahlreicher wurden, noch »fast zu allen Ordinationen« hinzugezogen wurde, ist aber eher unwahrscheinlich.234 Doch auch für die späteren Jahre läßt sich seine Beteiligung belegen. Wie in der Visitation des Kurkreises im Vorjahr fragten auch die niederhessischen Visitatoren 1556 nach Ort und Datum der Ordination und notierten zusätzlich den Namen des Ordinators.235 Der am 15. Januar desselben Jahres in Wittenberg ordinierte Abraham Raidus236 gab zur Antwort, von Melanchthon ordiniert worden zu sein.237 Das Ordiniertenbuch gibt zwar für diesen Tag wie gewöhnlich Bugenhagen als Ordinator an. Da eine Verwechslung zumal bei einem Wittenberger Studenten aber ganz unwahrscheinlich ist, war wahrscheinlich auch Melanchthon an der Ordination beteiligt. Daß er von Raidus als Ordinator genannt wird, könnte sowohl daran liegen, daß er unter den an seiner Ordination Beteiligten der Prominenteste war, als auch daran, daß der Reformator, da er auch das Examen durchführte, im ganzen Verfahren den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen hatte. Vieles deutet also darauf hin, daß Melanchthon zeitlebens an den Wittenberger Ordinationen aktiv teilnahm. So kam in der Handauflegung des Examinators besonders deutlich zum Aus-
231
Vgl. o. S. 268 Anm. 100. Vgl. das Referat der nur anhand der ebenfalls ungedruckten Antwort Johann Knipstros zu rekonstruierenden Handschrift Von Upplegginge der Hende (1550) bei Mohnike, Frederus II, 12: »Melanchthon sey nicht ordinirt und w rde doch in Wittenberg fast zu allen Ordinationen mit zugezogen.« Es ist verwunderlich, daß Lieberg, der Mohnike bei seiner Behandlung des Frederschen Ordinationsstreits ausführlich referiert (Amt, 360–370), diese Stelle übergeht. Denn sie widerspricht seiner These, daß für Melanchthon die Ordination dem geistlichen Amt vorbehalten sei (vgl. a.a.O., 373–378). 233 Zu diesem Zeitpunkt wurde Freder nach Hamburg berufen (vgl. Mohnike, Frederus I, 5). Dafür, daß er sich tatsächlich auf seine eigene Wittenberger Zeit und nicht auf spätere Informationen Dritter bezieht, spricht, daß er außerdem darauf verweist, Caspar Cruciger und Georg Major predigten, ohne ordiniert zu sein. Dies entspricht tatsächlich der Situation zwischen dem 1.4. und dem 7.10.1537 (vgl. o. S. 212 f ). 234 Die wenigen mit Unterschriften überlieferten Ordinationszeugnisse würden hochgerechnet ergeben, daß Melanchthon an knapp der Hälfte der Ordinationen beteiligt war. 235 Vgl. Diehl, Geschichte, 586. 236 Vgl. WOB 1696: »Abraham Raidus vonn Hersfeldt, Aus dieser vniversitet beruffen gein Elsack vnterm Landgrauen zum Pfarambt«. 237 Vgl. Diehl, a.a.O., 590. 232
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VIII. Die Wittenberger Ordination
druck, daß der Ritus nicht zuletzt auch die Funktion hatte zu bestätigen, daß der Ordinand recht lehre.238 Nun könnte eingewandt werden, daß die Bedeutung der Beteiligung Melanchthons und Crucigers anders einzuschätzen ist als die der Ordinierten. Ihre Handauflegung könnte ›nur‹ die öffentliche Bestätigung der Lehrfähigkeit zum Ausdruck gebracht haben, während die unabdingbare geistliche Dimension der Ordination ausschließlich auf dem Handeln der Ordinierten beruht hätte. Eine solche Interpretation widerspricht nicht nur dem, was zum Ordinationsverständnis der Reformatoren herausgearbeitet wurde. Sie läßt sich auch durch eine bisher kaum beachtete Episode widerlegen: Melanchthon hat zumindest einmal eine Ordination selbst geleitet. Als er sich auf der Flucht vor den kaiserlichen Truppen im Mai 1547 in Braunschweig aufhielt, ordinierte er auf Drängen des dortigen Superintendenten Nikolaus Medler drei bereits im Amt befindliche Personen.239 Es ist zwar nicht auszuschließen, daß auch Braunschweiger Amtsträger am Ritus teilnahmen. Die auf einen Augenzeugen zurückgehende Überlieferung spricht jedoch davon, daß Melanchthon die drei ordiniert habe, was sich nur so interpretieren läßt, daß er den Ritus leitete. Wäre Melanchthon der Ansicht gewesen, daß die Gültigkeit der Ordination von der Beteiligung Ordinierter abhing, wäre es mißverständlich gewesen, daß er selbst die zentrale Rolle in diesem Ritus übernahm. Daß er überhaupt dem Drängen des Superintendenten nachgab, könnte daher rühren, daß Wittenberg gerade zu jenem Zeitpunkt von kaiserlichen Truppen belagert wurde,240 so daß unklar war, ob dort jemals wieder evangelische Ordinationen stattfinden würden.241 Immerhin bestand aber in den Braunschweiger Fällen
238 Dieses Verständnis der Ordination kommt am deutlichsten in Melanchthons Gutachten im Streit um Schenks Weihe zum Ausdruck. Vgl. o. S. 226–228. Ähnlich dürfte es aufzufassen sein, daß Bugenhagen im Empfehlungsschreiben für den neuen holsteinischen Hofprediger Petrus Generanus gegenüber Christian III. von Dänemark nicht nur erwähnt, daß der Ordinierte das Ordinationsexamen bestanden habe, sondern auch, daß die Ordination »in beiwesen unser Theologen« stattgefunden habe (Vogt, Briefwechsel, 233 Nr. 103 vom 17.1.1542). 239 Vgl. Rehtmeyer, Braunschweig, 179 f: »Nachdem aber der Churf rst gefangen / und solche Unruhe im Reich war / sind auf Medleri Einrahten / Philippus Melanchton, Matthias Flacius und ander gelehrte M nner / so aus Wittenberg entflohen / nach Braunschweig kommen … Da sich denn unser D. Medler sehr bem het / und darnach getrachtet / daß Philippus etliche / die zwar schon bestelte Prediger / aber deren Gelehrsamkeit man noch nicht erforschet hatte / m chte examiniren / und hernach ordiniren / damit nemlich auch die Stadt Braunschweig und das Ministerium solche Ehre h tte / daß ein so ber hmter Mann darin etwas verrichtet h tte. Philippus als ein humaner Mann sagte ihm auch zu / daß ers thun wolte. … Nach geendigten Examine … sind die Tages darauf in der Peters=Kichen [sic] von ihm mit gew hnlichen Ceremonien ordinirt.« 240 Am 19.5.1547 kapitulierte Wittenberg. Vgl. Junghans, Luther, 122. 241 Noch wenige Tage vor der Niederlage Johann Friedrichs auf der Lochauer Heide hatte er von Zerbst aus einen Kandidaten zur Ordination nach Wittenberg geschickt. Vgl. CR 6, 506
6. Die Ordinatoren
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keine aktuelle Dringlichkeit. Melanchthon hätte sich ohne weiteres der Bitte Medlers widersetzen können. Gegen diese Interpretation des Braunschweiger Falles scheint Melanchthons Forderung von 1539 zu sprechen, daß Pastoren von Pastoren ordiniert werden müßten.242 Den Reformator hatte dort aber nicht die Frage beschäftigt, welche Person von Amts wegen die Vollmacht besitzt, den Ritus der Handauflegung gültig zu vollziehen.243 Denn er wendet sich mit dieser Äußerung gegen eine , in qua populus ad se rapit electionem, sine iudicio et approbatione Pastorum, die den Geboten der Pastoralbriefe und damit dem ius divinum widerspreche. Daß die Ordination durch die Amtsträger dabei mit den Begriffen iudicium et approbatio wiedergegeben wird, untermauert, daß nicht der Ritus, sondern die Eignungsprüfung im Vordergrund stand. Sie ist nach der zweiten Ausgabe der Loci theologici nicht in die Autorität des Volkes, sondern in die der Kirche gegeben. Diese wiederum beauftragt bestimmte Personen mit dieser Prüfung.244 Das bedeutet aber, daß Melanchthon an der theologischen Kompetenz und an der kirchlichen Beauftragung der prüfenden Ordinatoren interessiert war; die Frage, ob sie selbst ordiniert waren, stand nicht im Vordergrund. Im Normalfall lagen die Ordinationen also in den Händen des Stadtpfarrers. Auch kam es vor allem den bereits im Amt Befindlichen zu, dem Ordinanden seine Tauglichkeit zu bestätigen, ihm seine Pflichten vorzuhalten und Fürbitte für ihn zu leisten. Das schloß jedoch keineswegs aus, daß umständehalber auch anders verfahren werden konnte.245 Das Wittenberger Ordinationsverfahren gründete nicht in erster Linie auf einem bestimmten Amt, sondern vor allem (MBW 4720) sein Schreiben an Paul Eber vom 22.4.1547. Der Kandidat wurde am folgenden Tag ordiniert (WOB 867). Danach erfolgten bis zum 10.6.1547 keine Ordinationen. 242 Vgl. CR 12, 490: »Necesse est igitur, Pastores a Pastoribus ordinari«. Zur Datierung vgl. MBW 2338. 243 So sieht es offenbar Lieberg, Amt, 374. 244 Vgl. CR 21, 503. Vgl. noch CR 7, 741 f aus dem Jahr 1551. 245 Die obigen Beispiele zeigen, daß keineswegs nur im Notfall von diesen Grundsätzen abgewichen wurde, wie Lieberg, Amt, 217 f ohne Bezug auf die historische Entwicklung und weitgehend ohne Textbelege behauptet. A.a.O., 158 beruft er sich für die These, daß nach Luther Gebet und Handauflegung allein den Pastoren zukämen, auf ein mit Sicherheit von Mykonius stammendes Bedenken (Ob in Erfurt die wahre Kirche Christi sei, 1536, Enders 11, 40). Selbst wenn die Formulierung, Luther, Melanchthon, Bugenhagen und Jonas »idem sentiunt et subscipserunt«, nicht nur eine vorausgesetzte Zustimmung implizierte, sondern das Dokument von den Wittenberger Reformatoren unterschrieben wurde (vgl. dagegen überzeugend Clemen, WA.B 7, 509), kann der Inhalt nicht einfach für Luther reklamiert werden, wie Lieberg dies tut. Er irrt im übrigen, wenn er behauptet, die undeutlichen Worte »idem sentiunt et subscripserunt« bezögen sich – wäre stattdessen der Singular zu lesen – auf Mykonius, so daß dann die Wittenberger das Dokument verfaßt hätten. Vielmehr wäre in diesem Fall Jonas gemeint, der später unterschrieben hätte. Die Aussagen des Mykonius, nach denen Christus der Gemeinde die Wahl und Einsetzung, den übrigen pastores hingegen das Ordinations- und Konfirmationsrecht gegeben habe, dürften auf einem Brief Luthers vom Vorjahr fußen. Die Tatsache, daß die weltliche Obrigkeit, in deren Autorität die Wittenberger Ordination erfolgte, hier nicht genannt wird, die Amtsträger
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VIII. Die Wittenberger Ordination
auf der Bedeutung, die die Stadt an der Elbe für Kursachsen und darüber hinaus hatte: Hier war der Ursprungsort der Reformation und hier bestand eine einzigartige Verbindung von Kirchengemeinde und Universität.246
7. Wittenberg als europäisches Ordinationszentrum Wittenberg wurde in den vierziger Jahren schnell zum zentralen Ordinationsort für die Kirchen der Reformation. »Es haben auch bis anher diese Schul und Ordination nicht allein die Nachbauern, sonder auch Andere aus fremden Landen, als Ungarn, Behem etc. besucht«, argumentieren die Theologen im Sommer 1547 gegenüber Moritz von Sachsen für den Erhalt der Universität.247 Nicht nur die Studenten, die sich ohnehin in Wittenberg befanden, sondern auch viele andere Kandidaten, die zwischen Dänemark und Siebenbürgen ein kirchliches Amt antreten wollten, begaben sich zur Ordination nach Wittenberg. Außer der Tatsache, daß es um 1540 nur sehr wenige Orte gab, an denen eine evangelische Ordination durchgeführt wurde, spielte dabei das Ansehen der Universität Luthers und Melanchthons eine große Rolle. Indem sich die Kandidaten hier prüfen und ordinieren ließen, erwarben sie ein Gütesiegel, das ihnen vielerorts Anerkennung verschaffen konnte. Für die Wittenberger konnten die Ordinationen für fremde Territorien indes keine Ideallösung sein. Zwar bot sich damit die Möglichkeit, in einem gewissen Maße auf die »einigkeit in der Lehre in den Kirchen« hinzuwirken.248 Doch war das mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Zudem vielmehr im Namen der Ortsgemeinde handeln, ist ein starkes inhaltliches Argument dafür, daß das Dokument ohne die direkte Mitwirkung der Wittenberger entstand. 246 Wie Melanchthons Vorgehen in Braunschweig zeigt, bedeutete dies wiederum nicht, daß die Ordination nur in Wittenberg stattfinden konnte. Er war vermutlich an einer weiteren Ordination beteiligt, die gewissermaßen unterwegs vollzogen wurde. Am 7.3.1540 schreibt Caspar Cruciger aus Schmalkalden an Friedrich Mykonius: »Hodie ordinatione publica commendatum est ministerium evangelii doctori Michaëli Braun, quod illi et ecclesiae, cui praeficitur, sit felix et salutare.« (Baxmann, Briefe, 637 [Delius, Briefwechsel, Nr. 214]). Bei dem dortigen Konvent waren von den Wittenberger Theologen außer Cruciger und Melanchthon auch Jonas und Bugenhagen anwesend. Vermutlich war Braun in Begleitung eines anderen Theologen in Schmalkalden.Woher er stammte oder wohin er berufen war, ist nicht bekannt. Das Schreiben an Mykonius ist jedenfalls kein Empfehlungsschreiben, sondern lediglich ein Bericht der Geschehnisse auf dem Konvent, wie ihn der Gothaer Superintendent von Cruciger mehrmals wöchentlich erhielt (vgl. Delius, Briefwechsel, Nrr. 212. 214. 215–217). Melanchthons Schreiben an Mykonius vom selben Tag geht auf Braun nicht ein. Er war also sicher nicht der Überbringer der Briefe (vgl. CR 3, 976 [MBW 976]). Auch Luther hat zumindest einmal außerhalb Kursachsens ordiniert. Im von Justus Jonas und Michael Cölius verfaßten Bericht über Luthers Tod heißt es über die letzten Tage in Eisleben: »Sontags am tag Valentini [14.2.1546], hat er zween Priester nach Apostolischem brauch selb ordinirt und geweihet« (WA 54, 488, 7 f ). Diese Szene stellt ein Gemälde von Heinrich Göding d. Ä. aus dem Jahre 1569 dar, das sich im Sterbehaus befindet. 247 CR 6, 607 f (MBW 4813) vom 19.7.1547. Zitiert o. S. 279 Anm. 151. 248 So die Wittenberger in dem in der letzten Anmerkung erwähnten Papier.
7. Wittenberg als europäisches Ordinationszentrum
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trat der Zusammenhang zwischen der Ordination und der Berufung in das konkrete Amt desto mehr zurück, je schwächer die Beziehung zwischen dem Ordinationsort und der künftigen Gemeinde war. Die Wittenberger Theologen setzten sich deshalb immer wieder dafür ein, daß auch anderenorts Ordinationsordnungen eingeführt würden. Doch obwohl schon bald damit begonnen wurde, nach Wittenberger Vorbild249 oder unabhängig davon250 Ordinationen durchzuführen, dauerte es in vielen Territorien Jahrzehnte, bis eigene Ordnungen in Kraft waren.251 Das Wittenberger Vorbild stieß auf Vorbehalte, wie sie vor allem 1538 von den Ansbacher Predigern zum Ausdruck gebracht wurden. Melanchthon hatte zwei Predigern aus Kulmbach die eben erst vervollständigte Ordinationsliturgie Luthers252 empfohlen. Diese waren im Auftrag des Hauptmanns Wolff von Schaumberg unter anderem deshalb nach Wittenberg gereist, um Rat darüber einzuholen, wie man des sich verschärfenden Predigermangels Herr werden konnte. In ihrem nach der Rückkehr verfaßten Bericht schreiben die Kulmbacher, sie hätten Luther und Melanchthon nach ihrer Meinung dazu befragt, ob man bisherige Schulmeister »zu Diaconen vnd priestern aufnehmen vnd mit ainer besundern weys ordinirn solt«. Die Reformatoren hätten nachdrücklich für eine öffentliche Ordination nach apostolischem Vorbild plädiert und ihnen das in Wittenberg benutzte Ritual zur Verfügung gestellt.253 Zu dieser Wittenberger Auskunft um ein Gutachten befragt, äußerten sich die Ansbacher Prediger, »die als Prediger der Hauptstadt schon eine Art geistliche Oberbehörde gewesen zu sein scheinen«,254 reserviert. Sie hätten 249
Vgl. nur die o. S. 201 Anm. 63 genannten Kirchenordnungen. Hier wäre v.a. an die Kirchenordnungen von Hessen (1539; EKO VIII, 127) und Württemberg (1547; Richter II, 94 f ) zu denken. 251 Vgl. die allerdings nicht vollständige Übersicht bei Mittermeier, Ordination, 255 f. Zu ergänzen wären unter Hamburg Buxtehude (1552; EKO VII/1, 83–85) und Osnabrück (1543; a.a.O., 260), zu Luther Buxtehude (1565, a.a.O., 121 f ) und die hier behandelte dänische Kirchenordnung von 1537. Bei der von Mittermeier unter Verweis auf Richter II, 260 genannte Braunschweiger Kirchenordnung von 1543 und der nach EKO VI/1, 69–71 zitierten Wolfenbütteler handelt es sich um ein und dieselbe. 252 Vgl. o. S. 248. 253 Vgl. Kolde, Geschichte, 221 f: »Sie achtens aber das es nit allein gut, sondern auch von notten sey, das solche mit einer besondern weiß publice ordinirt oder geweycht werden nach dem exempel der heyligen apostel. Und M. philippus sagt insonderheit wie die hochzeitten, ein fein erbar nottig ding sein, nit zur bestettigung sondern zur offenbarung einer solichen rechten Ehe, so Jr zwey miteinander gestifft haben, Also sey auch die ordinirung nach dem examen vnd beruff zum priesterthumb ein fein Erbar vnd nottig ding, das solche personen von einer gantzen gemein zeugnis haben, das sie zum priesterthumb legittime vnd ordentlich beruffen vnd gesetzt sind worden, vber das haben sie vns die weyß Jrer ordinirung oder weihung so Jm Churfurstenthumb zu Sachsen gehalten wirtt, auch angezeigt vnd mitgeteylt, welche hie hernach zum teyll lateinisch vnd zum teyll teutsch beschriben volget.« Darauf folgt das Formular C (vgl. o. S. 247 f ). 254 Kolde, a.a.O., 220. 250
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VIII. Die Wittenberger Ordination
zwar keine prinzipiellen Einwände, falls die Markgrafen die Einführung nach Wittenberger Vorbild anordneten, sähen aber ein Problem darin, daß eine solche Ordnung nur in größeren Städten und nicht auch auf den Dörfern praktiziert werden könnte. Selbstbewußt fügen sie hinzu, »das on das Inn vnnsers g. h. furstenthumb keiner wirdt zugelassen on Examniniret, vnd E.g. vnnd gunst bewilligung, presentierung vnnd einsetzung, welches dann wir nit weniger für ein rechte ordenliche beruffung vnnd wehung achten als die aufflegung der hende«.255 Hier zeigen sich zwei Mißverständnisse,256 die vermutlich symptomatisch sind für die Weise, wie die Wittenberger Ordination außerhalb Kursachsens rezipiert wurde. Zum einen befürchteten die Ansbacher, der bei ihnen bisher üblichen Berufung solle die Gültigkeit bestritten werden. Zum anderen gingen sie davon aus, daß die Ordination am künftigen Wirkungsort erteilt werden solle, und wandten ein, dies sei nur in größeren Orten möglich. Vermutlich sahen sie das Verfahren, von dem Melanchthon den Kulmbachern gegenüber gesprochen hatte und zu dem auch das Examen und das Zeugnis der rechtmäßigen Berufung gehörten, als eine Überforderung einer Dorfgemeinde an. Darauf, daß das Verfahren auch in Wittenberg zentral durchgeführt wurde, konnten sie aufgrund des Berichtes der Kulmbacher nicht schließen. Noch mehrfach setzte sich Melanchthon dafür ein, daß auch außerhalb Kursachsens die Ordination eingeführt wurde. Im Blick auf Nürnberg wurde das schon bei der Behandlung des Falles Veit Dietrich deutlich.257 Entsprechend setzte sich Melanchthon in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre wiederholt dafür ein, daß Berlin zum Ordinationszentrum Kurbrandenburgs würde. Als der Berliner Propst Georg Buchholzer im März 1545 im Auftrag seines Kurfürsten Wittenberg besuchte, um die dortige Konsistorialordnung zu kopieren, ließ ihn der Reformator auch die Ordinationsliturgie abschreiben.258 Anscheinend ging ihre Einführung in Brandenburg nicht reibungslos vor sich, denn bald darauf empfingen zwei Personen in Wittenberg die Ordination, die Melanchthon erklärtermaßen in Berlin ordiniert sehen wollte. So riet er am 25. November 1547 dem in Wittenberg promovierten Mag. Sebastian Birnstil, sich möglichst in Berlin ordinieren zu lassen, wo er sich bereits befand. Doch dieser griff auf die für ihn beschwerliche Alternative, die ihm der Reformators ebenfalls eröffnet hatte, zurück und wurde am 8. Februar in Wittenberg ordiniert.259 Einige Monate später ließ Melanchthon 255
Vgl. a.a.O., 233. Dafür, daß die Kulmbacher Prediger Melanchthons Äußerung recht genau wiedergegeben haben, spricht die Begrifflichkeit ihres Berichts, die mit anderen Quellen übereinstimmt. 257 Vgl. o. S. 291. 258 Vgl. Melanchthon an Johann Agricola vom 15.3.1545 CR 5, 704 (MBW 3846). 259 Vgl. CR 6, 737 (MBW 4968): »De ordinatione meum consilium est, ut istic in Ecclesia oppidi vestri eam petas; sed si magis libet hic petere, nostrum officium tibi non deerit. Nequaquam velim te sine ordinatione fungi ministerio qua de re meam sententiam copiosius dominus 256
7. Wittenberg als europäisches Ordinationszentrum
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den Berliner Propst wissen, daß er einen Andreas Thiele mit vielen Gründen vergeblich zu überzeugen gesucht habe, sich in Kurbrandenburg um die Ordination zu bemühen.260 Dieses letzte Schreiben enthält einen Hinweis darauf, warum die Praxis, für andere Territorien zu ordinieren, aus Sicht der Reformatoren trotz ihres provisorischen Charakters theologisch akzeptabel war: Die Ordinanden waren in das Verkündigungsamt in der einen Kirche Jesu Christi berufen, die durch die Territorialgrenzen zwar organisatorisch, aber nicht ekklesiologisch getrennt war.
Georgius [Buchholzer] exponet.« Zu Birnstil, der sich am 23.5.1533 in Wittenberg immatrikuliert hatte (Foerstemann, Album I, 149a, 27) und am 9.2.1542 zum Magister promoviert wurde (Köstlin, Baccalaurei III, 13), vgl. WA.B 8, 276 f. Dem Ordiniertenbuch zufolge war Birnstil »zum Predigambt zum Hertzogenn vonn Meckelburg« berufen (WOB 925). 260 Vgl. CR 7, 160 (MBW 5311) vom 3.10.1548: »Non dubito unam et eandem esse Dei Ecclesiam in vestra et nostra urbe. Ideo ordinationem tribuimus Andreae petenti, non gravatim. Sed tamen hortatus fueram, ut istic peteret ordinationem, propter multas causas.« Vgl. außerdem Melanchthons Schreiben an Johann Petzelt vom 11.3.1550 bei Stupperich, Melanchthonia, 72 (MBW 5750), in dem er diesen anweist, sich zur Ordination nach Merseburg zu begeben. Daß es dazu kam, ist unwahrscheinlich. Nach Ausweis der Merseburger Matrikel beendete der »Coadiutor in geistlichen Dingen« Fürst Georg III. von Anhalt wenige Wochen nach der Resignation Herzog Augusts als Administrator des Hochstifts Merseburg seine Ordinationstätigkeit (vgl. Buchwald, Matrikel, 184 und dazu Gabriel, Georg III., 345 f). Entweder war Melanchthon darüber nicht informiert, oder sein Brief stellt wie seine Schreiben bezüglich kurbrandenburgischer Kandidaten den Versuch dar, durch Einzelpersonen auf die Einführung einer allgemeinen Regelung hinzuarbeiten. Sicherlich wußte der Reformator, daß Georg nicht alle seine bischöflichen Funktionen aufgegeben hatte, und hoffte, daß durch die Wiederaufnahme der Ordinationen einer Restauration des alten Kirchenregimentes entgegengewirkt werden konnte.
Schluß Die Geschichte der Ordination im Kontext der Wittenberger Reformation ist kein Niederschlag zielgerichteter Planung. Zwar hatte besonders Luther früh in großer Klarheit das kirchliche Amt und die Bedeutung der Berufung beschrieben. Zwar läßt sich im Rückblick durchaus sagen, daß die Form der Ordination, die sich um 1540 herausbildete, in hohem Maße mit den amtstheologischen Grundsätzen der Reformatoren übereinstimmte. Doch das Ergebnis dieser Entwicklung war im einzelnen nicht vorgezeichnet. Ob etwa die evangelische Ordination eine lebenslange Gültigkeit haben sollte oder bei einem Stellenwechsel zu wiederholen war, durch wen sie zu vollziehen war, welche Bedeutung dem Ritus der Handauflegung beizulegen war – die Antworten auf diese Fragen durchliefen Wandlungen, die durch die Entwicklung der Kirche in Kursachsen beeinflußt wurden. Die vorliegende Untersuchung hat durch ihr historisch-genetisches Vorgehen den Blick auf die Geschichte der evangelischen Ordination erweitert. Lange Zeit war dieser vor allem auf zwei Fragen eingeengt: Heutige Interpreten suchten erstens zu klären, ob und inwiefern die Reformatoren die Ordination für theologisch notwendig hielten, und zweitens, ob für sie der Ritus der Handauflegung mit der Verleihung einer besonderen Geistesgabe verbunden war.1 Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, daß diese Fragen für die Reformatoren keineswegs im Vordergrund standen, sondern daß andere Aspekte wichtiger waren. Sie hat auch gezeigt, daß die Weichenstellungen insbesondere zwischen 1525 und 1537 gar nicht nur auf der Grundlage theologischer Kriterien erfolgten. So wurde die Entwicklung auch von dem Bestreben bestimmt, die Autorität des kirchlichen Amtes im Volk zu stärken. Ferner verdankten sich manche Entscheidungen der Rücksicht auf die kursächsische Reichspolitik. Bevor einzelne Aspekte, die den gesamten Zeitraum kennzeichnen, abschließend hervorgehoben werden, soll die Entwicklung selbst noch einmal skizziert werden.
1 Das jüngste Beispiel dafür bietet Goertz, Priestertum, 301 f, der jegliche Wandlungen in Luthers Ordinationsverständnis bestreitet, tatsächlich aber nur den Nachweis liefert, daß der Reformator auch nach 1530 keine besondere Geistesgabe gekannt hat.
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Schluß
1. Der Weg zum Wittenberger Ordinationsverfahren Die Entdeckung des Priestertums aller Gläubigen nötigte Luther zur Kritik an der Priesterweihe. Da alle Christen Priester sind, konnte sie nicht als Übertragung einer besonderen priesterlichen Gewalt, sondern nur als Berufung zur öffentlichen Wahrnehmung der allen eigenen Vollmacht verstanden werden. Diese Berufung mußte in den Händen der Gemeinde liegen, die sie durch Wahl und Einsetzung ins Amt vollziehen sollte. Deshalb unterstützte Luther 1522 und 1523 Gemeinden, die gegen prorömische Patrone evangelische Amtsträger einsetzen wollten. Wie es in seiner Flugschrift für die Leisniger heißt, verdankt die christliche Gemeinde ihr Dasein dem verkündigten Evangelium. Deshalb ist sie nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, für die Verkündigung selbst Sorge zu tragen. Darin ist die Vollmacht enthalten, untaugliche Prediger durch geeignete Kandidaten zu ersetzen. Ob diese im Besitz der Priesterweihe sind, ist dabei nicht entscheidend. Wie die Einsetzung ins Amt angemessen zu gestalten wäre, beschäftigte den Reformator zunächst noch nicht. Von Heinrich VIII. 1522 auf neutestamentliche Stellen aufmerksam gemacht, die von einer Handauflegung handeln, erwidert er, dabei handle es sich um ein urchristliches Relikt, und legt ihm offenbar keine Gegenwartsrelevanz bei. Doch schon in seiner Schrift an die Christen in Prag entfaltete Luther im folgenden Jahr erstmals die mögliche Form einer evangelischen Ordination nach neutestamentlichem Vorbild. Nach der im Gebet vorbereiteten gemeinsamen Wahl des Amtsträgers wird der Ordinand der Gemeinde durch den Ritus der Handauflegung empfohlen und bestätigt. Luther wollte dieses Modell nur als einen unverbindlichen Vorschlag verstanden wissen und verzichtete auffälligerweise auf Schriftbelege. Bereits hier kommt zum Ausdruck, daß der Ritus der Handauflegung in den Augen der Wittenberger Reformatoren nie den Rang des Notwendigen erhielt, sondern lediglich ein – durchaus geschätzter – apostolischer Brauch war. Luthers Sicht des Verhältnisses zwischen Amt und Gemeinde veränderte sich nachhaltig durch seinen Streit mit Karlstadt im Jahre 1524. Besonders sein Vertrauen in die Kompetenz der Gemeinde, die evangelische Lehre zu beurteilen und Amtsträger einzusetzen, wurde erschüttert. Herausgefordert durch Karlstadts Orlamünder Gemeinde kam Luther zu einer stillschweigenden Korrektur seiner früheren Aussagen. Die Forderung der Berufung hielt er aufrecht. Sie kennzeichnet das göttlich legitimierte Amt. Durchzuführen hat die Berufung von nun an aber vor allem die weltliche Obrigkeit als Vertreterin der Gemeinde. Ihre Aufgabe ist es auch, das Eindringen Unberufener zu verhindern. Im Mai 1525 fand die erste evangelische Ordination statt. Georg Rörer wurde in der Wittenberger Stadtkirche mit Gebet und Handauflegung eingesetzt.
1. Der Weg zum Wittenberger Ordinationsverfahren
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Dieser Schritt verdankte sich vor allem zwei Gründen. Zum einen war Luther allmählich zu der Überzeugung gekommen, daß die den Böhmen empfohlene Form der Amtseinsetzung auch für die kursächsischen Gemeinden von Nutzen sein konnte. Zum anderen ist die Ordination Rörers, der gerade seinen Dienst als Hilfsgeistlicher (diaconus) an der Stadtkirche antrat, vor dem Hintergrund des in Thüringen wütenden Bauernkrieges zu sehen. Gegen das sich ausbreitende Chaos, das in seinen Augen eine Folge widergöttlichen ›Schwärmertums‹ war, setzte Luther einen evangelischen Amtsträger zusammen mit Vertretern der Kirche, des Rates und der Universität ordentlich in das Amt ein. Luther ordinierte in den folgenden Jahren mehrere Male selbst. Doch über sämtliche Ordinationen bis 1533 sind wir nur durch spätere Aussagen der Ordinierten informiert. Die Reformatoren erwähnten diese ›große Sache‹, wie Luther die evangelische Ordination 1523 genannt hatte, in ihren Schriften mit keinem Wort. Ihr Schweigen und das lange Zögern, die Ordination in Kursachsen allgemein einzuführen, erklärt sich durch die kirchliche Lage jener Jahre. Zum einen war ein evangelischer Ordinationsritus in den Augen der Reformatoren nur sinnvoll im Zusammenhang mit einer Ordnung der Besetzung kirchlicher Ämter insgesamt und mithin eines Kirchenregimentes. Doch die Strukturen, in die eine solche Ordnung eingebettet werden konnte, nahmen erst im Verlaufe der Visitationen ab 1527 Gestalt an. Zum anderen wäre die Einführung einer evangelische Ordination während der zwanziger Jahre mit Schaden verbunden gewesen. Um zu einer Einigung mit Rom und zu einem dauerhaften Reichsfrieden zu kommen, mußten sich die evangelischen Stände der Forderung nach einer Wiederherstellung der bischöflichen Jurisdiktion und mithin nach der kanonischen Priesterweihe als Voraussetzung für die Ausübung des kirchlichen Amtes stellen. Eine evangelische Ordination hätte deshalb Tatsachen geschaffen, die die Aussichten auf eine Einigung verschlechtert hätten. Nach dem Scheitern des Augsburger Reichstages 1530 hatte Luther jedoch die Hoffnung auf eine Einigung verloren und kündigte konsequenterweise an, es werde bald eine evangelische Ordination eingeführt. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Klage über die Unwilligkeit der Bischöfe, evangelische Kandidaten zu weihen, war durch kein eigenes theologisches Interesse geleitet; die Beteiligung der römischen Bischöfe war für gültige evangelische Ordinationen nicht notwendig. Dieser Ansicht war offenkundig auch Bugenhagen, denn bereits 1529 nahm er bei der Reformation der Reichsstadt Hamburg eine verbindliche Ordinationsregelung in seine Kirchenordnung auf. Tatsächlich dauerte es jedoch zwei Jahrzehnte, bis in Hamburg regelmäßige Ordinationen durchgeführt wurden. Die Quellen lassen vermuten, daß romtreue Kräfte und das Fehlen eines durchsetzungsfähigen Kirchenregimentes der evangelischen Ordination entgegenstanden.
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Schluß
Zwischen Luthers ersten Publikationen gegen die Priesterweihe und der allgemeinen Einführung der Ordination in Kursachsen vergingen anderthalb Jahrzehnte. Während dieser Zeit wurden in den ernestinischen Gebieten z.T. Männer in kirchliche Ämter berufen, die keine geweihten Priester waren, aber auch nicht mit einem neuen Ritus in ihr Amt eingeführt wurden. Die Wittenberger Reformatoren waren selbst an solchen Besetzungen beteiligt und bestätigten so praktisch, daß für sie weder die Priesterweihe noch ein evangelischer Ordinationsritus eine notwendige Voraussetzung für die Ausübung des kirchlichen Amtes darstellte. Die Reformatoren hielten ausdrücklich fest, daß solche Personen ohne Weihe oder Ordination ihr Amt rechtmäßig ausübten. Die meisten evangelischen Amtsträger waren allerdings bis in die dreißiger Jahre hinein ehemalige Priester. Sie standen in großer Zahl zur Verfügung und wurden in aller Regel auch vorgezogen, allerdings aus pragmatischen Gründen. Die Periode von 1525 bis 1535 war mithin bei aller theologischen Klarheit von großer praktischer Unbestimmtheit gekennzeichnet.Wie und durch wen die Eignung eines Kandidaten festgestellt wurde, ob seine Berufung durch einen Ritus mit Gebet und Handauflegung vollzogen wurde und wie und durch wen er in seiner Amtsführung gegen Willkür seitens der Gemeinden und der Patrone geschützt werden konnte – all dies war nicht oder nur teilweise geregelt. Die vielen Einzelfallentscheidungen, die deshalb von den Wittenberger Theologen gefällt werden mußten, waren für diese zeitraubend und gewährleisteten nicht das gewünschte Maß an innerer Ordnung für die kursächsische Kirche. Lange faßten die Wittenberger Reformatoren die Ordination als Vollzug der Berufung in eine konkrete Gemeinde auf. Schon in der Adelsschrift hatte Luther diesen Gedanken erstmals ausgesprochen. Bugenhagens Hamburger Ordinationsregelung zufolge, die als einzige ausführliche Quelle einen Einblick in den frühen Wittenberger Ordinationsritus eröffnet, sieht vor, daß die Ordination bei einem Stellenwechsel zu wiederholen sei. Bei dieser Position handelte es sich nicht, wie häufig angenommen wird, um eine Eigentümlichkeit des Pommers. Weder Luthers Schriften noch die Nachrichten über seine ersten Ordinationen lassen den Schluß zu, daß die beiden Reformatoren an dieser Stelle differierten. Im Gegenteil legte sich das in der Hamburger Kirchenordnung festgelegte Vorgehen im Kontext der Amtstheologie Luthers sogar nahe.Was den Ordinationsritus betrifft, bildete dieser die beiden Begründungen ab, auf denen die Berufung fußte: Zum einen wurde den Ordinanden durch die Ordinierenden der Segen Gottes zugesprochen und so zum Ausdruck gebracht, daß die Berufung durch Menschen die Beauftragung durch Gott zur Geltung brachte. Zum anderen wurde sichtbar, daß der kirchliche Amtsträger inmitten einer christlichen Priesterschaft seinen Dienst versah.
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Doch die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Berufung und Ordination veränderte sich. Einen Wendepunkt stellt Luthers Schrift Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe (1533) dar. Hier begegnet erstmals der Gedanke, Wittenberg könne zum Ordinationszentrum für evangelische Gemeinden werden. Damit mußten künftig die Berufung in eine konkrete Gemeinde und die Ordination, ohne sachlich getrennt zu werden, zeitlich und örtlich auseinander rücken. Und damit wurde die Ordination selbst zur Übertragung des Verkündigungsamtes, das sich zwar immer im Dienst an einer konkreten Stelle realisiert, doch nicht mit ihm identisch ist und folglich bei einem Stellenwechsel nicht wiederholt wird. Die Einführung einer geregelten Ordination in Kursachsen erfolgte dann entsprechend. Nach einem an die Superintendenten adressierten Erlaß des Kurfürsten vom 12. Mai 1535 hatte sich künftig jeder Kandidat eines kirchlichen Amtes in Kursachsen zur Ordination nach Wittenberg zu begeben. Der Ordination ging zunächst die Berufung durch die Gemeinde, sodann ein Examen durch die Wittenberger Professoren voraus. Anders als es Luthers Plan von 1533 vorgesehen hatte, verband der Erlaß mit der Ordination zudem die rechtsgültige Bestätigung durch den Kurfürsten. Diese trat einerseits an die Stelle der bischöflichen Konfirmation und setzte andererseits endgültig den – bereits vor der Reformation erhobenen – Anspruch der Ernestiner durch, auf die Besetzung kirchlicher Stellen im eigenen Territorium Einfluß zu nehmen. Ausgerechnet der Hauptordinator Bugenhagen konnte sich nach seiner Rückkehr aus Pommern zunächst nicht mit der in seiner Abwesenheit eingeführten Neuerung anfreunden. Er hatte Vorbehalte dagegen, daß nun die Berufung zum Dienst in einer Gemeinde und die Ordination entkoppelt wurden. In seiner Heimat hatte er selbst gerade eine Kirchenordnung erarbeitet, die ebenfalls eine zentrale Lehrprüfung vorsah, die Ordination dagegen in der jeweiligen Ortsgemeinde ansiedelte. Auch Luther sah in der neuen Regelung keine Ideallösung. Daß die Ordination zumindest vorläufig zentral und mit landesherrlicher Autorität geschehen sollte, diente aber ihrer Durchsetzung und sollte die Autorität der Landpfarrer stärken. Denn diese sahen sich seit dem Wegfall der bischöflichen Jurisdiktion immer mehr der Willkür ihrer Gemeindeglieder ausgesetzt. Das Ordinationsverfahren galt nur für Kursachsen. Personen, die von Wittenberg aus auf Stellen außerhalb des ernestinischen Territoriums berufen wurden, wurden nicht ordiniert. Es zeigte sich aber schon bald, daß es bei dieser Begrenzung auf Dauer nicht bleiben würde. Zum einen konnte die Ordination die rechtmäßige Berufung zum kirchlichen Amt gerade auch denjenigen bestätigen, denen in Gebieten außerhalb Kursachsens die Legitimität ihres Dienstes abgesprochen wurde. Als im Herbst 1536 Jakob Schenk,
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Schluß
den die Wittenberger an den Hof Herzog Heinrichs des Frommen nach Freiberg empfohlen hatten, durch dessen Bruder Georg den Bärtigen wegen seiner fehlenden Weihe angegriffen wurde, mußten ihn die Reformatoren verteidigen, ohne auf die Frage einer evangelischen Ordination eingehen zu können. Möglicherweise trug dieser Konflikt mit zu einem Umdenken in Wittenberg bei. Zum anderen mußte den Reformatoren aus reichspolitischen Gründen und um einer effektiven Lehraufsicht willen daran liegen, daß es innerhalb der evangelischen Bewegung zu einer gemeinsamen Ordinationsregelung kam. Melanchthon brachte – möglicherweise auch durch den Konflikt um Jakob Schenk veranlaßt – die Frage, »wie die Ordination zubestellen sey«, auf die Tagesordnung des Schmalkaldischen Bundestages Anfang 1537. Als es dort zu keiner Lösung kam, wurde das kursächsische Ordinationsverfahren geöffnet. Wittenberger Studenten und eigens angereiste Ordinanden, die bereits in kirchliche Stellen außerhalb Kursachsens berufen worden waren, legten fortan in der sächsischen Stadt das Ordinandenexamen ab und wurden zusammen mit den kursächsischen Kandidaten ordiniert und konfirmiert. Die Ordinatoren beriefen sich in ihrem Handeln von nun an nicht mehr auf den Kurfürsten – aus dessen Autorität ja nicht die auswärtigen Kandidaten ordiniert werden konnten –, sondern ausschließlich auf die Vollmacht der Kirche, die nach göttlichem Gebot ihre Diener des Wortes beruft. Um die rechtliche Dimension der Ordination, die ja durchaus gewünscht war, zu erhalten, mußten sich die kursächsischen Ordinierten seit 1539 eigens am Hof bestätigen lassen. Zum endgültigen Durchbruch kam die Ordination im Sommer 1539 infolge der Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen. Viele der neuen evangelischen Amtsträger des Herzogtums traten erstmals eine Stelle an und wurden dazu in Wittenberg ordiniert. Viele andere hatten bisher in Kursachsen gewirkt, so daß sie durch den Wittenberger Pfarrernachwuchs ersetzt werden mußten. In der Folgezeit wurden jährlich rund hundert Ordinationen in Wittenberg durchgeführt. Der Anteil derjenigen Kandidaten, die zuvor an der Leucorea studiert hatten, ging vorübergehend stark zurück. In der Folgezeit hatten sich die meisten Ordinanden zumindest für ein oder zwei Semester in Wittenberg eingeschrieben, bevor sie in ein kirchliches Amt berufen wurden. Nachdem die Ordination in Wittenberg etabliert worden war, scheuten die Reformatoren nicht mehr davor zurück, sie auch anderen evangelischen Territorien und Städten zu empfehlen. Sie hatten damit wenig Erfolg, so daß sich die Frage stellt, warum das Wittenberger Beispiel zwar auswärtige Ordinanden in größerer Zahl anlockte, aber zunächst kaum Schule machte. Diese Frage würde eine eigene Untersuchung erfordern. Das kursächsische Beispiel zeigt zumindest, daß die Einführung einer evangelischen Ordination
2. Die Grundzüge der Wittenberger Ordination
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in Wechselwirkung mit der Neukonstituierung des Kirchenregimentes stand. Die Ordinationsregelung ließ sich darum kaum übernehmen, ohne daß auch entsprechende kirchenleitende Strukturen geschaffen wurden.
2. Die Grundzüge der Wittenberger Ordination Die beschriebene Entwicklung mit all ihren Variationen und Sprüngen wirft die Frage nach dem Konstanten auf. Worin sahen die Reformatoren das Wesen der Ordination? Bei allen Veränderungen lassen sich wiederkehrende Grundzüge ausmachen, die der sich entwickelnden Ordinationspraxis in Wittenberg den inneren Zusammenhang gaben. Dies sind erstens die Bedeutung der Ordination als Ausdruck der Berufung zum Amt der Verkündigung in Predigt und Sakrament, zweitens ihre Form als ein Ritus mit Schriftlesung, Gebet und Handauflegung, drittens der Status dieses Ritus als angemessene, aber nicht notwendige Weise der Amtsübertragung, viertens ihre ekklesiale Funktion als Kennzeichnung eines Amtsträgers der Kirche und fünftens schließlich ihre Einheit. Auszugehen ist von der Feststellung, daß es sich bei der Ordination nicht um eine selbständige Größe handelt. Sie ist dem Amt der öffentlichen Verkündigung in Predigt und Sakrament, in das sie einsetzt, zugeordnet. Deshalb steht sie auch immer in einer – freilich unterschiedlich konkretisierten – Beziehung zur Berufung in einen konkreten Dienst. Eine absolute Ordination ist für die Reformatoren, so wie sie das kirchliche Amt verstanden, nicht denkbar. Auch wenn die Ordination seit 1535 nicht mehr mit der Berufung in eine bestimmte Gemeinde gleichzusetzen ist, bleibt sie unlösbar mit ihr verbunden und setzt sie voraus.Wird in Einzelfällen aus pragmatischen Gründen von dieser Regel abgewichen, wird die Ordination gewissermaßen auf die kommende Berufung hin erteilt und erhält ihren Sinn erst von dieser. Die Berufung in den Dienst vor Ort und die zentral durchgeführte und lebenslang gültige rituelle Übertragung des kirchlichen Amtes sind wie zwei Seiten einer Medaille. Da die menschliche sich letztlich der göttlichen Berufung verdankt, ist es – zweitens – angemessen, daß sie in einem rituellen Akt Ausdruck findet, der die göttliche Dimension zur Geltung bringt. Trotz aller demokratischen Analogien, die Luther Anfang der zwanziger Jahre für die Berufung in das kirchliche Amt anführte, erwog er niemals, die Berufung nach dem Vorbild demokratischer Vorgänge zu gestalten. Der Ritus hatte für Luther seit 1523 in Gebet und Handauflegung sein Zentrum. Von Anfang gehörte wohl auch die Schriftlesung, durch die den Ordinanden ihre Aufgaben vorgehalten wurden, hinzu. Die Praxis der Handauflegung war dabei so naheliegend wie mißverständlich. Naheliegend, weil sie in der jüdisch-christlichen Tradition
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Schluß
wie keine andere Geste einen durch Menschen vermittelten Zuspruch und Anspruch Gottes ausdrückt. Mißverständlich, weil die Gefahr bestand, daß die Ordination in Analogie zum mittelalterlichen Weihesakrament als die Verleihung einer besonderen Amtsgnade aufgefaßt werden konnte. Die Deutungen, die die Reformatoren der Handauflegung beilegten, zeigen das Bestreben, ein derartiges Mißverständnis auszuschließen. Denn zum einen wird ihr Gewicht auch in jener Zeit, als die Wittenberger Ordination fest etabliert war, relativiert. Zum anderen variieren die Deutungen auffällig. Teils wird die Handauflegung als bloße Markierung des Berufenen, teils als feierliche Bestätigung der Berufung, teils als Gebets- und Segensgeste interpretiert. Doch diese Vielfalt wurde offenbar als unproblematisch empfunden. Die unterschiedlichen Deutungen schlossen sich ja nicht gegenseitig aus; eine erschöpfende Interpretation des Ordinationsritus wiederum legten die Reformatoren nie vor. So wurde das Zeichen der Handauflegung in seinem Sinn nicht eindeutig determiniert. Diese Deutungsvielfalt hat mit dazu beigetragen, daß bis heute der Versuch unternommen wird, den Reformatoren ein sakramentales Verständnis der Ordination im Sinne der Übertragung einer Amtsgnade beizulegen. Doch gerade für ein derartiges Verständnis der Handauflegung finden sich keine Anhaltspunkte in den Quellen. Damit zusammenhängend sahen die Reformatoren – drittens – die Ordination bei aller ihr beigelegten Wertschätzung nicht als notwendige Voraussetzung für das kirchliche Amt an. Deshalb war im Vorfeld ihrer allgemeinen Einführung eine Abwägung zwischen dem aus ihr resultierenden kirchenpolitischen Schaden und ihrem Nutzen nötig; entsprechend viel Zeit verstrich zwischen Luthers erster Ordination 1525 und dem Erlaß von 1535. Auch später, als die Ordination in Kursachsen längst verbindlich eingeführt war, bestärkten die Reformatoren wiederholt kirchliche Amtsträger darin, daß die Gültigkeit ihrer Amtsausübung allein von der Berufung abhing, nicht jedoch davon, ob sie unter Auflegen der Hände in ihr Amt eingesetzt worden waren. Die vierte Konstante besteht darin, daß die Ordination im gesamten Untersuchungszeitraum neben dem Bezug auf die Ortsgemeinde eine – mehr oder minder ausgeprägte – gesamtkirchliche Komponente in sich trug. Auch wenn sie in der frühen Zeit auf die Parochie bezogen war, war ihr Bezugsrahmen doch immer größer als diese. Die Ordination wies den Ordinierten als kirchlichen Amtsträger aus.2 Denn die Ordination dokumentierte, daß sich der evangelische Amtsträger auf den Auftrag Christi an seine Kirche, das Evan2 So enthält der Ratschlag an die Böhmen bereits die Vision eines evangelischen Erzbistums. Seit der Einführung einer zentralen Ordination in Wittenberg war der Bezug auf die gesamte Kirche ohnehin gegeben, auch wenn diese Ordnung in rechtlicher Hinsicht auf Kursachsen beschränkt war. Mit ihrer Öffnung war ihr Bezugsrahmen auch explizit die eine christliche Kirche.
3. Überlegungen zur gegenwärtigen Relevanz der Wittenberger Ordinationspraxis
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gelium zu verkündigen, berufen konnte. Dieses gilt der ganzen Kirche, sosehr es primär in der jeweiligen Ortsgemeinde verkündigt wird. Damit hängt zusammen, daß durch die kirchliche Ordination die Bestätigung ausgesprochen wurde, daß der Ordinand für das ihm übertragene Verkündigungsamt geeignet war. Rörers Ordination 1525 enthielt mit der Beteiligung der Wittenberger Universität bereits ansatzweise den Ausweis einer allgemeinen Verkündigungsbefähigung. Das Hamburger Ordinationsformular sah dafür die Teilnahme sämtlicher anderen Pfarrer und Prediger der Hansestadt vor. Seit 1535 war mit der Ordination eine Lehrprüfung verbunden. Die Reformatoren konnten die Bedeutung dieses Gesichtspunktes so sehr betonen, daß Zeitgenossen den Schluß zogen, die Ordination sei Mittel zum Zweck einer geregelten Examenspraxis. Auch wenn diese Interpretation zu kurz greift, war die Ordination doch für die Wittenberger Theologen auch immer die Bestätigung, daß der Kandidat über die für das kirchliche Amt notwendigen Fähigkeiten verfügte. Fünftens war die Wittenberger Ordination entsprechend dem einen kirchlichen Amt der Verkündigung niemals wie das sacramentum ordinis abgestuft. Auch wenn Hilfsgeistliche eine untergeordnete Stelle mit einem geringeren Maß an Verantwortung und Selbständigkeit ausfüllten, war ihr Amt doch das eine Amt der Verkündigung in Wort und Sakrament. Entsprechend wurden sie auch gemeinsam mit zukünftigen Pfarrern und Predigern ordiniert.Weder der Ritus noch die Ordinationszeugnisse differenzieren nach den jeweiligen Stellen und dem Grad der Selbständigkeit. All dies trug dazu bei, daß die Ordination den Amtsträger in der Wahrnehmung der Gemeinden aus ihrer Mitte heraushob, ja ihn als Angehörigen eines besonderen Standes auswies. Die Wahrnehmung des allgemeinen Priestertums der Christen trat demgegenüber zurück. Dies geschah durchaus mit dem Willen der Reformatoren. Im Verlauf des Streits mit Karlstadt, des Bauernkriegs und der Visitationen war die Überzeugung gewachsen, daß es wünschenswert sei, wenn die kirchlichen Amtsträger in ihrer Autorität gestärkt wurden, wozu nicht zuletzt die Ordination beitragen sollte.
3. Überlegungen zur gegenwärtigen Relevanz der Wittenberger Ordinationspraxis Das Handeln der Reformatoren hat im Luthertum nicht als solches normativen Rang. Dennoch erzeugt die Art und Weise, wie die Geschichte der Ordination in der Reformationszeit in dogmatischen Diskussionen behandelt wird, bisweilen den Eindruck, als sei das Gegenteil der Fall. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Bekenntnisse der Reformationszeit sind hinsichtlich der Ordination nicht so aussagekräftig, wie es manche Ausleger wünschen.
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Schluß
Das Handeln der Reformatoren soll deshalb eine bestimmte Interpretation der Quellen unterstützen. In der Tat ließe sich etwa die Wendung rite vocatus in CA 14 leichter auf eine Theologie des Amtes festlegen, die derjenigen von ökumenischen Einigungsdokumenten der jüngeren Zeit entspräche,3 wenn sich am Handeln der Reformatoren ablesen ließe, daß für sie eine Ordination mit Gebet und Handauflegung eine notwendige Voraussetzung für das kirchliche Amt gewesen sei. Diese häufig formulierte These ist durch die vorliegende Untersuchung widerlegt. Ist das ein schädliches Ergebnis – sei es für das Nachdenken über das kirchliche Amt innerhalb der lutherischen Kirche, sei es für deren ökumenisches Engagement? Keineswegs. Zunächst hat historische Erkenntnis ihre eigene Dignität, die nicht nach der Kategorie von Nutzen und Schaden zu bemessen ist. Vor allem aber können die Ergebnisse dieser Untersuchung durchaus für gegenwärtige Reflexionen fruchtbar gemacht werden. Zum einen im ökumenischen Dialog. Als störend wird die reformationsgeschichtlichen Befunde nur betrachten, wer meint, Ziel des Dialogs sei die Übereinstimmung in einem bestimmten Verständnis der Ordination, nämlich als durch bischöfliche Handauflegung vermittelte Amtsbefähigung, und eine bestimmte Praxis, die Eingliederung der evangelischen Amtsträger in die als Weiheabfolge verstandene apostolische Sukzession. Für dieses Ziel lassen sich nicht nur die Bekenntnisschriften, sondern läßt sich auch der Hinweis auf die Reformatoren nicht verwenden. Doch die Wahrnehmung des historischen Befundes kann umgekehrt dazu helfen, sich von solchen Fixierungen zu befreien. Denn die Untersuchung der Kirchengeschichte fördert zutage, daß das kirchliche Amt nicht nur in Wittenberg, sondern auch in Rom, Byzanz, Uppsala oder Canterbury, in der Zeit der Alten Kirche ebenso wie in der Reformationszeit Entwicklungen durchlaufen hat, die je unterschiedlichen geschichtlichen Erfordernissen korrespondierten. Die Frage nach dem Wesen von Amt und Ordination kann nicht einfach mit dem Hinweis auf einzelne dieser Entwicklungen beantwortet werden. Zum anderen haben die Befunde zu den Anfängen der evangelischen Ordination Relevanz für die innerlutherische Diskussion. Sicherlich ist mit ihnen nicht im einzelnen vorgegeben, wie heute die Ordination zu regeln ist. Ein Blick in die Ordinationsagende der VELKD zeigt zwar, daß Luthers Formular bis heute prägend geblieben ist. Auf der anderen Seite ist die Praxis der Ordination aber seit dem 16. Jahrhundert immer wieder der jeweiligen Situation angepaßt worden. Das ist angemessen, und auch darin ist die Reformation traditionsbildend geworden. 3 Zu nennen wären etwa Das geistliche Amt; Taufe, Eucharistie und Amt; Meyer/Urban/ Vischer, Dokumente, 545–585 oder auch das Porvoo-Dokument Together in Mission and Ministry, Nr. 46–54.
3. Überlegungen zur gegenwärtigen Relevanz der Wittenberger Ordinationspraxis
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Die Amtstheologie der Reformatoren für die Gegenwart fruchtbar zu machen, kann nicht bedeuten, deren Handeln zu kopieren. Vielmehr fordert gerade sie dazu heraus, die Einführung in das kirchliche Amt so zu gestalten, wie es seinem Wesen unter den Bedingungen der Gegenwart angemessen ist. Dies gilt vor allem dann, wenn die Form der Ordination – in Übereinstimmung mit den Reformatoren – nicht auf ein verbindliches biblisches Gebot zurückgeführt wird und infolgedessen Förderlichkeitserwägungen unterworfen ist. Dabei ist zunächst und vor allem von Bedeutung, daß das Amt auf die Verkündigung des Wortes und die Verwaltung der Sakramente hingeordnet ist. Demgemäß muß die Einheit des Amtes, die der Einheit dieser Aufgabe entspricht, sichergestellt und auch in der Ordination als der einen Übertragung der einen Aufgabe zur Geltung gebracht werden. Ferner ist zu gewährleisten, daß das Amt nicht als Wahrnehmung einer besonderen, die der anderen Christen überragenden geistlichen Fähigkeit verstanden wird, sondern als Ausübung einer Funktion, die bleibend auf das Priestertum aller Gläubigen bezogen ist. Und schließlich muß der Bezug auf den Rahmen, in dem die Verkündigung in Predigt, Sakrament primär geschieht, nämlich auf die um eine Kanzel, einen Taufstein und einen Tisch versammelte Ortsgemeinde sichergestellt, zugleich aber auch die eine Kirche Jesu Christi, die in der Ortsgemeinde präsent, aber nicht mit ihr identisch ist, im Blick sein. Gleichwohl ist heute wie damals die Antwort auf die Frage, »wie die Ordination zubestellen sey«, nicht komplett durch das Verständnis des kirchlichen Amtes vorgegeben. Für die Reformationszeit gilt: Die unterschiedlichen Bezüge des Amtes erforderten sorgfältige Abwägungen. So trat 1535 durch die zentral durchgeführte Ordination der Bezug des Amtes auf die jeweilige Ortsgemeinde um der Gewährleistung einer effektiven Lehraufsicht und der Stärkung der Position des Amtsträgers willen ein Stück zurück. Melanchthons noch 1533 deutliches Bestreben, die Einheit der Kirche nicht durch die Einführung einer evangelischen Ordination zu gefährden, wich schon bald der Einsicht, daß ein solcher Ritus um der reinen Verkündigung des Evangeliums willen einzuführen war. Ein nüchterner Blick auf die Gestaltung der Ordination in der Gegenwart zeigt, daß auch heute teilweise widersprüchliche Aspekte des kirchlichen Amtes gegeneinander abzuwägen sind. Weit mehr als jemals seit der Reformationszeit wird es in seinem ökumenischen Kontext wahrgenommen. Gleichzeitig rückt die Herausforderung der frühen Jahre der Reformation, überhaupt eine evangelische Verkündigung sicherzustellen, wieder stärker in den Blick: Der vertraute verbeamtete Pfarrer mit abgeschlossenem Theologiestudium ist möglicherweise künftig nicht mehr die einzige Variante des evangelischen Pastors. Bei der Diskussion darüber, wie vor diesem Hintergrund künftig das Amt der öffentlichen Verkündigung wahrzunehmen und wie die Ordination als Übertragung dieses Amtes zu gestalten sei, kann der
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Schluß
Blick auf die Geschichte der Ordination in der Reformationszeit tatsächlich hilfreich sein: Auch die Wittenberger Ordinationsregelung war das Ergebnis eines von unterschiedlichen Gesichtspunkten bestimmten, tastenden Prozesses. An dessen Ende stand jedoch ein Ritus, der in seinem Vollzug nicht mehr von rechtlichen Überlegungen, sondern von seiner Funktion bestimmt war: zum Amt der öffentlichen Verkündigung in Predigt und Sakramentsverwaltung zu berufen, zu segnen und zu senden.4
4
25).
Vgl. die Segensformel in der Ordinationsagende der VELKD (Kirchenleitung, Agende,
Anhang 1. Quellen Die Originale befinden sich sämtlich im Thüringischen Hauptstaatsarchiv in Weimar (ThHStA). a. Erlaß des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen über die Einführung der Ordination in Wittenberg vom 12.5.1535 (ThHStA Reg. Ii 887, 1) Von gots gnadenn Johans fridrich Herzogk zu Sachssenn vnd churfurst etc. Gnedigenn, Andechtigenn Rethe[n] vnd liebenn getreuen Nachdem Zubesorgen, das mit der zceit, an predigern und diacon so das gottlich wort vorkundigen vnd die Sacrament reichen, gebruch, vnd mangel furfallen, möge Aus dem, das die Jenigen so sich ethwo nach altem gebrauch, durch die Bischoffe Zu priester[n], habenn, weihen lassenn, absterbenn, darumb Begeren wir vor vns vnd in vormundtschafft unsers lieben bruders, herzogk Johans Ernsten etc. Ir wollet den Sup[er]attendenten euers bevolen Kreiß, craft dieser unser schrifft bevelen, wen man furder, zuvorkundigung gothlichs worts, vnd raichung der Sacrament pfarher, diacon vnd prediger bedorfen wirdet, das sie die selbenn so zu Iren Ampten, geschigkt, und tugelich, befunden, mit Zustellung einer schrifft gegen Wittembergk an vnsre gelarte, der heiligenn schrifft, weisen, die haben beuehl die selben zu ordiniren, vnd also macht vnd gewalt, Ires priesters vnd diacon Ambts Zugebenn, wie sie dan nachfolgendt durch vns als den Landesfurstern darzu, wie sich geburet auch sollen bestetigt und angewisen werrdenn Das habenn wir Euch nit vorhalt[en] wollenn Vnnd geschicht daran, unser meinung Dat[um] Torgaue Mithwochs nach Exaudi A[nno] etc XXXV. b. Brief des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen an Herzogin Katharina von Sachsen in Freiberg vom 19.7.1536 (ThHStA Reg. N 65, 2 f) Nachdeme, e[ur] L[iebden] Zu mhermaln, bey mir Angemhanet, das doctor Marthinus E. l. mit ainen[n] geschickte[n] Predige[r] vorsehen mocht, Allein das er Rom weihe het,Vnnd mir doch E. l. am negsten[n] vormeldet, das E. l an dem nit Scheuch het, ob er gleich von den Bebstlich[en] Bischof[fen] nit
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Anhang
geweihet were, demnach hab ich souiel, bey doctor Marthinus angehalt[en], das er mir Jezt, ainen[n] Wolgeschickt[n] Man[n] Magis[ter] Jacoff genant, welcher ain Zeit langk, auff dem schloß zu Witemberg geprediget, Vnd ain wolgeschickter Jung Man ist, wie Ich Ine auch selbst, Aldo zu Witembergk, habe Predigen horen[n], welcher kaine weie hat, ist Auch kein Papistisch geweiter Pfaff, welchen Ich e. l. himit vberschicken thue, Auch daneben[n] was mir doctor Marthinus seinemhalb[en] geschrieben hat, Vnd dieweil gemelt[er] Prediger Magis[ter] Jacoff, auf mein handlung vnd anhalten zu, e. L. zeuhet, So ist mein frundlich biet E. l. wollen pey, e. l. hern[n] vnd gemahel, von meinenwegen[n], frundlichen[n] furdern[n], Auch e. L. fur Ir person selbst thun, Das Ine beide e. Liebden[n] In genedig[en] schuz vnd beuelh haben wollen[n]. Auf das er nicht, auf die fleischbanck, muge geantwurt werden[n],Vnnd dem Bischoff Zu Meißen vnd herzogk Jorgen[n] zu teil werden[n]. Sundern[n] E. l wollen[n] genediglich vnd vhestiglich uber Ine halte[n] das Ime kain gewalt gescheche, Zu dem andern[n] wil ich Auch E. l. frundlich vormanet haben[n]. das e. L. darob sein woll[en] [2v] das Ime Am lauf des hailigi[n] Euangeliums, vnd gotlichen Worts, kain vorhinderung geschee, Sundern dasselbige frey, vnd ane alle menschliche, forcht vnd einreden[n]. unuorhundert vorstat werde, Vnnd op er, wie Ime kains wegs dem Euangelion vnnd seinen[n] gewissen Nach, Anders geburen[n] will, den greuel der teufflischen Bepstlichen Messen[n] vnd Anders Angreiffen wirdet, daruber er viel verfolgung vnd Noit, auf sich laden wurt, mussen[n], das er darbey. von e. l. hern vnd gemahel, Auch e. l in genedigin schuz vnd vorleidunge, Erhalten[n]. Dan wann solchs E. l. hern vnnd E. l gemut nit where, ader solchs zuthun nit vormochten[n], were besser, E. l. sagt es dem guettenn man[n], In der erst, dan wan er solche vnd andere, gotslesterliche Hendel zustraffen[n], vnnd Niderzulegen[n], angefangen[n], Das er darnach mit ainem schimpff, Auch gefahr seins leibs dauon[n] Abestehen must, Ich zweiuel aber nit weil der Almechtige got, E. l. hern vnd gemahel, auch E. l. In dem Erkentnus seins gotlichen worts, geben[n], das, E. l das hochwurdige Sacrament, des leibs vnd Pluts christi, wider die Bebstliche, einsezung, der einsezung christi, gemeß empfangen[n]. Vnnd in dem, daß Babstumb Vorachtet, Er werde In dem, das beiden[n] E. liebden[n], das hailigk Euangeliu[m],[3r] offentlich, auch frei An menschliche forcht, predigen lassen[n]. Vnnd von, e. l. gehandthabt wirdet, Auch gnad geben, Darneb[en] wil ich Ine, e. l. seiner vnderhaltung halb[en] Auch frundlich vnd getreulich bepholen[n] hab[en]. das dannacht dem gut[en] Man geben werde, das er nicht klagen darf, das habe ich In eyl E. l. frundlich[en] Meynung nit vorhalt[en] wollen[n], Vnnd seze In kainen[n] zweiuel, e. l. werden sich kegen dem Predige[n] vnd sunstl[ich] kegen mir mit frundlich antwurt vornhemen lassen[n], das bin Ich freundlich vmb e. l. Hern gemahel meinen[n] freundlichen lieben[n] vedternn[n]. Auch E. l zubeschuldn[en]
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vnd zuuordinen geneigt dat[um] dieben dinstagk Nach Margarethete Im XV[hundert] vnnd XXXVI[sten] Jhar Jo: Friderich: Churf-: m[anu]: p[ro]p[ria]: s[ub]s[cri]p[si]t: c. Brief des Jakob Schenk an Georg von Karlowitz vom 19.12.1536 (ThHStA Reg. N 625, fol. 17r–18r)1 Mein gantz willige dienst vnd alles güts zuuor Gestrenger ehrnvhester Herr günstiger lieber freund, Ich hab euer gestrengkeit schrifft, so mir montags vor briffs dato auff den abend vberantwort, ver leßen vnd alles inhalts vernom[m]en, die weyl ich aber auff mein schreyben vnd dienstliche vleyssige bitt, vor eylff tagen an e.g. gethan, noch nicht gnügßame antwort empfangen, ist mir etwas schwer mich in dießer sachen weytter eynzulassen solange biß mir auff mein erste schrifft von e.g. grundtlich geantwort wirt, dan ich e.g. gebetten, sie wölle mir diß zugefallen seyn, vnd sich mit der muhe beladen mich zuberichten, ob e.g. bey mir gesagt haben, das wo sich m.g.h. der Bischoff etc. wurde wegern mich auff sölche weysse zu weyhen, sondern wölte mir etwas anders einbinden, dadurch meyne gewissen vileicht etwas beschwert würden, so möchte ich die weyhe nachlassen, vnd würde, als den beyde m.g.h. Herzog Heinrich etc. vnd auch ich gnugßam vnd vberflussig bey m.g.h. Herzog Georgen etc. entschuldigt sein, Solchs ist nun ohne zweyffel aus andern obligenden geschefften verblieben, wöllet euch derwegen sölches noch nicht lassen beschwerlich sein, vnd mich dießes obgemelten artickels, so in der [17v] nehsten e.g. schrifft nachblieben verstendigen, als den will ich mich mit gottes genade in dießer sachen die weyhen belangende dermassen mit an[n]twort vnd nachfragen haltten, das beyde e.g. vnd menniglich soll erfaren vnd empfinden, das ich aus christlicher liebe mit hochstem vleyß fried vnd eynigkeit vnd beyder furstenthumb besserung suche, welches dan bey e.g. vnd bey eynem yed- vorstendigen gnugsam bekrefftigt wirt, durch diß mein schreyben sampt dem vorigen brieff, vnd der vntherredung, so ich mich nicht beschwert mit e.g. zuhalten, welches mir an zeit, weyl, vnd meynen studiren, wie e.g. zubedencken haben, nicht zutreglich, sondern hinderlich ist, vnd ich auch solche muhe auff mich zunemen von meynes predigampts wegen, (dann es mein bestellung nicht mit sich bringt) nicht schuldig oder pflichtig bin, weyl ich mich denn auff e.g. ansuchen allein, umb christlicher lieb willen auch mit dießer arbeyt zubeladen gar vnbeschwert befinde, vnangesehen, das ich zuuor mit meynem predig[en] vil arbeyt auff mir hab, vnd villeicht mehr, den andere prediger, wie dan e.g. schrifft aus weyßen, das euch sölchs vnuerporgen, so ist 1 Bei dieser und der nächsten abgedruckten Quelle handelt es sich um Abschriften Jakob Schenks, die er seinem Brief an Johann Friedrich vom 11.1.1537 beifügte (ThHStA Reg. N 625, fol. 34–36; abgedruckt bei Seidemann, Schenk, 142–145).
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mein gantz christliche dinstliche vnd freuntliche bitt an euch, weyl yhr die sach erstlich an mich getragen, wöllet euchs nicht mißfallen lassen [18r] mir auff offt gedachte zwischen vns beyden in geheym gehaltene rede von wort zu wort schrifftlich bericht zuthun, vnd bin des ohne zweyffel e.g. werd[en] sich des von wegen obenberürter vnd meynes achtens nötiger vrsach willen nicht beschweren, das hab ich e.g. gunstiger vnd ganz freuntlicher meynung als meynem gunstigen herren vnd freunde auff e.g. schrifft nicht wissen zuverhalten, vnd bitt e.g. wöllen mir bey briffszeyger antworten, vnd bin euch meynes vermögens zudienen gantz willig Datum freyberg dinstag nach Luciae Anno etc 36 E.G. williger Jacob Schenck D d. Brief des Georg von Karlowitz an Jakob Schenk vom 23.12.1536 (ThHStA Reg. N 625, fol. 18) Mein willigen dinst zuuor Lieber Her Doctor sonderlicher guther freundt Ich habe ewerschreyben empfangen vnd verleßen, geb euch darauf darauf zuerkennen, das mich düncket, das ihr aus meynem vorigen schreyben vorstendiglichen gnug beantwort seyt word[en], auff ewer erst gethanes schreyben, aus dem, das ich auch in dem selbigen meynem schreyben angetzeigt hab, wes mich der Bischoff zw Meysßen der weyhe halben bericht hat. Zum andern das ich euch angezeygt habe [18v] das yhr euch solchs am dechant vnd andern geweyhet[en] pristern, ob sichs dermasßen in der weyhe helt, erkunden möchtet, wo sichs dan vor aldters dermasßen vnd nicht anders gehalten hette, vnd ihr daruber weytter, wider es vor althers herkom[m]en, beschwert, wurdet, ihr euch mit antwort wol vernemen lasßen, vnd die weyhe annemen oder nicht, nach ewrem gefallen, so hettet ihr dennoch alle den gehorßam geleystet, wie ander prister zuuorn gethan hetten, zu sonderheit wan yhr euch darneben erpöttet, das yhr euch in ewerm predigen dermasßen halten wöllet, das alles zu friede vnd eynickeit dinstlichen sein solle, vnd wo man yn ewer predigt an eynem artickel mangel hette, so wöllet yhr mich darumb vorhören lassen, vnd wo yhr es nicht mit gutem bestendigen grundt aus der schrifft zuuerlegen, so wöldet yhr euch weyßen lassen. So düncket mich es war ein gleichmessiges vnd auch billiches erbieten, aber weyl der bischoff von Meysßen kranck ist, [am Rande: so düncket mich] das nicht böße sein sölte yhr lisset die sach ein zeit lang in ruge stehen vnd hildet euch, wie ich dan zuuor euch auch geschrieben, das ich euch, als dem ich zu dienen willigk, vnd vn vnangezeigt nicht lasßen wöllen Dat[um] Leyptzig sonnabends nach S Thome apostoli Anno etc. 36 George von Karllwitz amptman zw Radebergk
Anhang
323
e. Brief des Georg von Minckwitz an Kurfürst Johann Friedrich vom 1.6.1540 (ThHStA Urk. 4016) Donaus [sic!] Lehman von Prettin, Burger zu Jessen, Beruffen genn Elsnigk bey Dommatzsch zum pfarrambt. Den durchlauchtigsten, durchlauchtigen, hochgebornen furstenn vnd Herrn[n], Herren Johans Fridreichen, des Heiligen Romischen Reichs Ertzmarschalh, vnd Churfursten Burkgraffen zu Magdeburg vnd Herren Johans Ernnesten gebrudern, Herzogen zu Sachssen Landgraff zu Doringen vnd Marggraff zu Meyssen, Meinen gnedigsten vnd genedigen Herren, Entpiete ich george von Minckwitz Ritter etc. Meine underthenige gantz willige Dienst zuvor vnd Iren Chur vnd furstlichen gnaden, hiemit wissen Nach dem die pfarkirche zu Elsineck, In das gutt Belgeren iure patronato vnderworffen, do [sc. in Belgern] mir itzunder das ius presentandi zustendig, und der jungste besitzer her Johan Milde mit einer anderen pfar vnd kirchen Ihm lande zu meysßen verßorget, Aus dem der Erwirdige Hochgelarth Herr, doctor Johan Bugenhagen pomer pfarher zu wittemberg etc. Brieffs zeigern, donatu[m] Leheman, In obgemelte kirche Elsineck, widdrumb zum pfarherrn[n], vnnd seelsorger erweleth, Auch den ßelben, durch den Hochgelarthenn Herrn Magistru[m] Gabrielem Zwinlingk pfarherren[n] zu Torgau superattenddenten, Euren Chur vnd furstlichen gnad zu preßentirn ahn mich geweißet Demnach hab ich vorgemeln[n] vnd itzt zu wittemberg Examinirten vnd ordinirethen h[err]n Donatu[m] Leheman berurte pfarr sampt aller ihrer geburr vnd gerechtigkeit, Bys auff Euer Chur vnd furstlichen gnad, genedigiste vnd gnedige bestettigung auff sein demutig bitten, mit geburlicher Solemnitet, pure p[ro]pter deum, wircklich preßentiret vnd geligen, gantz vndertheniglichenn[n] bitt, Euer Chur vnd furstliche genad, wollen denselben gnedigst vnd gnedig aufneme[n] vnd bestetigen, das whare wort gotts lauter vnd reine zu leren, vnd predigen das hochwirdige heilige Sakrament des leibs vnd blutts Iesu christi Seinen vnderthane christen zu reichen vnd andere christliche Ceremonien, Ordentlich zupflegen vnd vor allen Euer Chur vnd furstlichen gnaden vnd der visitation ordenu[n]g gehorßams zuleben, Des gleichen Alle nutzung vnd Inkomens der pfarren zugebrauchen, In die kirchen vnd pfarr zu Investieren vnd einzuweißen gnedigste vnd gnedige | beuehln, Ihnen obgemelter Herren doctors vnd Magis[ter], Auch meiner fundiru[n]g, aus gnaden, genosßen, befinden zu lasßen Eurer Chur vnd furstlich gnad wollen sich Ihn denn gnedigst, vnd gnedig erzeigenn, Das vmb Eurer, Chur vnd furstliche genaden, In underthenigkeit, gantz willig zuuordienen, bin ich gevlissen, zu vrkundt, mit meine[n] hierunthen auffgedruckten angepornen petzschafft befestigett zu Belgeren Sontags trinitatis Anno d[omi]ni etc. XXXIX [Siegel].
324
Anhang
2. Diagramme a. Die Vermittlung kirchlicher Amtsträger durch die Wittenberger Reformatoren
Bugenhagen Jonas Luther Melanchthon Bugenhagen Jonas Luther Melanchthon Bugenhagen Jonas Luther Melanchthon
1520
’21
’22
’23
’24
’25
’26
’27
’28
1
4 3
3
10
14 1
11
7
8 11
15 6
1530 1
’31
’32
’33
’34
’35
’36
’37
’38
6 5
5 1
1 8 4
1 4 3
1 4 2
12 4
1 8 1
7
8 1
1540 1
’41 2 4 5 5
’42 1
’43
’44 1 1 6 6
8 8
3 17
1 9 10
’45 2 10 8
’46 1 4
’47
14
16
’29 1 4 17 4 ’39 1 1 21 8
Angegeben ist jeweils, wie oft die Wittenberger Reformatoren innerhalb eines Jahres nach Ausweis ihres Briefwechsels in die Vermittlung von kirchlichen Amtsträgern involviert waren. Das bedeutet, daß sowohl solche Fälle berücksichtigt sind, in denen eine Gemeinde sich mit der Bitte um Zusendung eines Amtsträgers an die Reformatoren wandte, wie auch jene, in denen die Initiative vom Kandidaten ausging. Auch gescheiterte Vermittlungsversuche sind gezählt.
325
Anhang
b. Die Entwicklung der Studentenzahlen in Wittenberg 1520–1550
Jahr 1520 Anzahl 579
’21 245
’22 286
’23 197
’24 170
’25 201
’26 76
’27 73
’28 191
’29 173
Jahr 1530 Anzahl 176
’31 225
’32 225
’33 207
’34 295
’35 110
’36 376
’37 238
’38 363
’39 249
Jahr 1540 Anzahl 508
’41 461
’42 593
’43 502
’44 816
’45 556
’46 357
’47 167
’48 379
’49 653
’50 579
Die Zählung stützt sich auf die von Karl Gerhard erstellte Tabelle bei Foerstemann, Album III, Indexband, 803–809. Angegeben ist jeweils die Zahl der Immatrikulationen von Anfang des Sommersemesters bis zum Ende des Wintersemesters im darauf folgenden Jahr.
326
Anhang
c. Die Entwicklung der Ordinationszahlen und der Anteil der Wittenberger Studenten an den Ordinierten 1537–1550
1537 Ordinierte insgesamt 8 Wittenberger Studenten 1
’38 24 3
’39 110 13
’40 119 14
’41 104 27
’42 103 29
’43 91 25
1544 97 32
’45 82 38
’46 103 47
’47 76 23
’48 66 18
’49 70 23
’50 75 29
Ordinierte insgesamt Wittenberger Studenten
Registriert ist die Zahl der Ordinationen sowie die Zahl derer, die nach dem Ausweis des WOB ›aus der [Wittenberger] Universität‹ berufen worden waren. Vgl. o. S. 280 f.
Literaturverzeichnis 1. Abkürzungen Generell gelten die Abkürzungen bei Siegfried M. Schwertner, IATG2 . Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, BerlinNew York 21992. Darüber hinaus findet folgende Abkürzung Verwendung: WOB Buchwald, Georg (Hg.), Wittenberger Ordiniertenbuch 1537–1560, Leipzig 1894 (WOB).
2. Quellen a. Handschriftliche Quellen [Hustedt, Autor,] Catalogus Ministrorum verbi in Ec=|clesia Brunsuicensi,| ET BREVIS DESIGNATIO RE=|rum, quae cuiq(ue) memorabiles | acciderunt à tempore re=|formata Religionis, | ut quisque prior vel posterior | in collegium Theologicum | cooptatus est.| De verbo ad verbum descriptus | ex originali, manu Iohannis | Bismarci P. Ammenslebensis, 1616, Stadtarchiv Braunschweig H III 7 Nr. 5, Vol. I. Brief der Herzogin Katharina von Sachsen an Jakob Schenk vom 22.9.1535, Abschrift Schenks, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, ThHStA N 625, fol. 80r–v. Brief des Jakob Schenk an Herzogin Katharina von Sachsen vom 14.12.1536 (?), Abschrift Schenks, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, ThHStA N 625, fol. 80v–85v. Brief des Herzogs Heinrich von Sachsen an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen vom 5.1.1537, stark beschädigtes Original,Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar,ThHStA N 625, fol. 29.
b. Gedruckte Quellen Albrecht, Otto/Flemming, Paul (Hgg.), Das sogenannte Manuscriptum Thomasianum, aus Knaakes Abschrift veröffentlicht, ARG 12 (1915), 205–235.241–284; ARG 13 (1916), 1–39.81–123.161–199.277–303. Allen, Percy Stafford (Hg.), Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami, Bd. 5, Oxford 1924. Andrieu, Michel, Le pontifical romain au moyen-âge.Tome III: Le pontifical de Guillaume Durand, StT 88, Rom 1940.
328
Literaturverzeichnis
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Personenregister Aarts, J. 20, 23 Agathon, Ph. 286 Agricola, J. 38, 95, 140, 232, 304 Albrecht II., Markgraf von Brandenburg, Erzbischof zu Magdeburg und Mainz 141, 148, 224 Albrecht v. Brandenburg-Ansbach, Herzog v. Preußen 1 Albrecht, O. 79 Allen, P. St. 41 Amsdorf, N. v. 14, 38–40, 68, 71, 74, 232, 238, 243, 262 Andrieu, M. 259, 263 Anthonius, Abt v. Kloster Buch 49, 51 f Äpin, J. 164, 170 f August, O. 289 Augustinus, A., Bischof v. Hippo Rhegius 90, 135, 153, 227 Aurifaber, J. 93 f, 247 Barge, H. 74 f, 78 f Bäumer, R. 138 Baumheckel, W. 103, 130, 157 f, 272 Baxmann, R. 302 Berbig, G. 129 Billicanus, Th. 106 Birnstil, S. 304 f Bischoff, B. 41 f, 44 f, 47 Bizer, E. 192, 230, 232 f, 271, 278 Blickle, P. 48 Bock, H. 281 Boor, Fr. d. 213 Botte, B. 259 Bottsack, B. 160 f Braun, M. 302 Brecht, M. 37, 47, 68, 75, 79, 96, 99, 129, 148, 193, 208, 212 f, 274, 288, 298 Brenz, J. 284 Brisger, E. 157
Brück, Gr. v. 43, 76, 79, 136, 198, 222, 230, 237 f, 241 f, 260 Brun, K. 130 Brunner, P. 6 f, 14, 243, 262 Brunotte, W. 13, 26 f, 29, 53 f, 57, 61, 102, 107, 258 Bubenheimer, U. 38, 41, 72, 75 Bucer, M. 1, 259 Buchwald, G. 5, 90 f, 185, 191, 252, 276, 289, 297, 305 Buckwalter, St. E. 20, 106 Bünau 129 Bünau, G. v. 129 Burkhardt, C. A. H. 70, 77, 101, 105 f, 109, 117, 122, 127, 130, 132, 184, 200 Cahera, G. 57 f, 66 f Camerarius, J. 140, 216 Chemnitz, M. 7 Christian III., König von Dänemark 100, 176, 179, 207, 300 Cirolff, J. 289 Clemen, O. 42, 52, 112 f, 128 f, 136, 157, 176, 189, 231, 244 f, 274, 301 Cölius, M. 302 Cramer, D. 174 Cranach, L. 38 f Cranich, Th. 281 Cruciger, C. 170, 212 f, 231, 268, 299 f, 302 Cyprian, Th. C. 102, 227 Delius, H.-U. 302 Deppermann, Kl. 239 Diehl, W. 143, 299 Dietrich, V. 193, 214, 216 f, 258, 261, 274, 286, 289–293, 297, 304 Dionysius Areopagita 35 Dipple, G. L. 29
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Personenregister
Drechsel, Th. 71 Drews, P. 5, 10, 14, 86, 93, 101, 112, 122, 125, 132, 147, 154, 160, 171, 183–188, 191, 193, 197, 199 f, 238, 247–251, 274 f Düring, B. 129 f Düring, Chr. 38 f Eber, P. 300 Eck, J. 138 Egranus, J. S. 92 Einsiedel, H. v. 40, 72 f Eitzen, P. v. 171 Elert, W. 9 Emser, H. 29, 35 Enders, E. L. 29, 35, 111–113, 157, 271, 301 Erasmus v. Manteuffel, Bischof v. Kammin 173 f Erasmus D. v. Rotterdam 41, 89 Erbe, Fr. 240 Erich, Herzog v. Calenberg-Göttingen 112 Fabian, E. 100 Fesel 130 Flacius, M. 300 Flemming, P. 111, 117, 157, 216, 271 f Foerstemann, K. E. 92, 110, 116, 135–137, 139, 146, 213, 220, 271, 280–282, 288, 305, 325 Forster, J. 98, 101, 187, 211–218, 238, 258 Fraenkel, P. 30, 141 Franz, G. 92 Freder, J. 1, 162, 169–171, 193, 212 f, 289, 299 Freydiger, B. 219 Friedensburg, W. 200, 268, 282 Friedrich, Herzog v. Sachsen 218 Fröschel, S. 103, 158, 212, 247, 267 f, 297 Fues, W. 285 Gabriel, P. 14, 245, 264, 277, 305 Gallus, N. 281 Generanus, P. 300 Georg d. Bärtige, Herzog v. Sachsen 43, 218–226, 228 f, 244, 278, 312, 321 Georg III., Fürst v. Anhalt, Bischof v. Merseburg 2, 14, 245, 264, 277, 305
Gerhard, K. 271, 280–282, 288, 325 Germann, W. 98, 143, 187, 212, 214 f Glatz, C. 77, 79 Glitzsch, K. 74 f, 81, 83 Göbell, W. 176 Göding d. Ä., H. 302 Goertz, H. 3, 11 f, 23–25, 27 f, 36, 94, 100, 256, 258, 298, 307 Goldstein, K. 203 Golhart, J. 189 Göre, M. 282 Götze, A. 99 Graff, P. 87, 164, 179, 205 Greschat, M. 96 Gropper, J. 1, 293 Grossmann, K. 100 Grünberg, R. 109 Gruner, A. 41 Gruner, J. 52 Grützmacher, R. H. 5, 174 Gülden 127 Gunkel, J. 77 Gussmann, W. 138 Gutschmidt, S. 285 Hackenberg, P. 146 f, 194 Haendler, G. 83 Hartwig, O. 271, 280–282, 288 Hase, E. Fr. 75–77 Hauschild, W.-D. 69, 169, 234, 239 Hausmann, N. 92, 148, 157 Heine, M. 282 Heinrich d. Fromme, Herzog v. Sachsen 218–227, 278, 312, 321 Heinrich VIII., König v. England 19, 29, 30–36, 55, 64, 308 Heins, S. 67 f, 72 Hergemöller, B.-U. 97 Hering, H. 170, 174 Herms, E. 11 Herrmann, R. 18, 41, 100, 122, 129, 283 Heß, J. 102 Hessenmüller, C. 161 Heubach, J. 5–7, 260 f Heunisch, L. 264 Hieronymus, S. E. 50, 144, 153, 187, 199, 233, 266 Hingst, K. W. 50
Personenregister
Hinschius, P. 72, 224 Hippolyt 259 Hirscheider, H. 187, 191, 199 Hirsfeld, B. v. 203 Hoffman, M. 239 Höfling, J. W. Fr. 3 f, 6 f, 12, 27 Hollatz, D. 7 Holstein, G. 27 Honold, H. 116 Höss, I. 125, 232 Hustedt, A. 160 f Iserloh, E. 141 Isidor v. Sevilla 35 Jacobi, L. 266 Jauernig, R. 157 Jedin, H. 230 Joachim II., Kurfürst v. Brandenburg 1, 271, 278, 292 Joestel, V. 75, 81 Johann d. J., Herzog v. Sachsen 218 Johann, Markgraf v. Brandenburg 271, 278 Jonas, J. 15, 38, 40, 70, 72, 74, 98, 101 f, 105 f, 109 f, 117, 130, 136, 140, 148, 184, 200, 203, 213, 218, 231, 239, 243 f, 248, 268, 278, 288, 301, 304, 324 Junghans, H. 81, 95, 300 Jürgens, Kl. 160 f Kaiser, J. 288 Kandler, K.-H. 229 Karant-Nunn, S. C. 5, 106, 184, 205, 279 Karg, G. 281 Karl V., Kaiser 135, 137, 148, 231, 239, 300 Karlstadt, A. Bodenstein v. 37, 40, 43, 53, 70–83, 91, 308, 315 Katharina v. Mecklenburg, Herzogin von Sachsen 216, 218–221, 225, 319 Kawerau, G. 52, 58, 98, 106, 109, 127, 130, 200, 272 f, 278, 281 Kelhaymer, G. 49 Kempe, St. 170 f Kilmann, W. 157, 236, 265, 271–273, 288 Kind, H. 52 Klaus, B. 92, 103, 161, 216, 274, 289–291 Kleinheyer, Br. 35, 152, 283
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Kliefoth, Th. 6 f, 57 Knipstro, J. 1, 162, 170, 299 Kolde, Th. 5, 247, 251, 253, 258, 303 f Koler, A. 41 f, 44, 47 Kornitz, B. S. v. 57 Köstlin, J. 102, 157, 216–218, 281 f, 305 Kötteritzsch, S. v. 130 Kretschmar, G. 1, 15, 18, 25, 67, 88–91, 94–96, 141, 152, 160, 164, 166, 168, 175, 177, 179 f, 184, 191, 199, 208, 254, 257, 259, 262 f, 290, 293 Krodel, G. 50 Krumwiede, H.-W. 104, 122 Kuhaupt, G. 1 Kühn, U. 115 Kurze, D. 205, 294 Lambert, Fr. von Avignon 100 Lampe, H. 160 f Landau, P. 132 Langer, J. 129 f Lappenberg, J. M. 170 Lau, Fr. 192, 271 f Laube, A. 82 Lauterbach, A. 131, 298 Lehmann, D. 294, 323 Leo X., Papst 30 Lieberg, H. 7–13, 26 f, 36, 57, 60, 64, 66 f, 94, 97, 100, 112 f, 124, 143 f, 147, 151, 154, 162, 170, 179, 188, 191, 193, 197, 202, 234, 250, 255, 258–261, 270 f, 298 f, 301 Linck, W. 46 f, 68, 96, 108, 160, 216 Lindbeck, G. 10, 112, 143 f Lindenau, P. 129, 245 Löbe, J. 41 f, 45, 47 Löhe, W. 6 f, 293 Lotther, M. 115, 222 Lubecus, Fr. 112 Luther, H. 98 Luther, K. 216 Major, G. 158, 193, 212 f, 299 Manns, P. 10, 60, 102, 115 f Mantel, J. 98, 158, 215 Mathesius, J. 2, 14, 274 Matthias, A. 265 Maurer, W. 124, 136, 138, 140 f
344
Personenregister
Mayer, M. M. 214 Medem, Fr. L. v. 174 Medler, N. 243 f, 300 f Mehlhose, Ph. 52 Meier, N. 266 Menius, J. 128, 132, 142 Menzer, B. 265 Metzsch, J. L. v. 129 Meyer, H. 143, 316 Mila, B. v. 129, 265 Milca, J. 286 Minckwitz, Chr. v. 203 Minckwitz, J. v. 294 f, 323 Mirbt, G. 239 Mittermeier, O. 13, 16, 35, 94, 97, 100, 143 f, 159 f, 163, 165, 247 f, 250, 253, 256–258, 263, 303 Moeller, A. 229 Moeller, B. 96, 264, 266, 268 f Mohnike, G. 162, 169–171, 212, 299 Mohr, G. 129 Möller, W. 292 Moritz, Kurfürst v. Sachsen 279, 295, 302 Mosellanus, P. 92, 211 Mulleberg, M. 101 f Müller, Karl 53 f, 74 f, 77, 79 Müller, Kaspar 96 Müller, N. 39 f, 43, 68, 72, 100, 103, 109 Müntzer, Th. 64, 71 f, 75, 77–80, 83, 91 f, 239 Musa, A. 275 Mykonius, Fr. 102, 106, 122 f, 128, 132, 188–190, 199, 241, 264, 279, 301 f Naumann, A. 130 f Niebergall, A. 104 Oediger, Fr. W. 106 f, 121, 125, 173, 280, 289 Oppermann, O. 37, 68, 95 Origenes 227 Osiander d. Ä., A. 7, 216 f, 237, 261, 289–293 Otto, A. 244 f Paceus, V. 109 Pallas, K. 43, 48, 68, 70, 77, 98, 103 f, 103, 106, 110, 124, 126, 139, 157 f, 172, 191,
203 f, 207, 214, 252, 265, 272, 280, 282, 288, 295 f Pannenberg, W. 35, 63 Paul III., Papst 230 Pauli, B. 130 Paulsen, Fr. 281 Pelikan, J. 67 Peschel, M. 284 Peter, B. 29 f Petrus Lombardus 32 Petzelt, J. 305 Pfauhener 110 Pfeffinger, J. 277 Pfeffinger, J. 277 Pfuhl, J. 110, 129, 265 Philipp d. Großmütige, Landgraf v. Hessen 104, 139, 169, 233, 240 f Piepkorn, A. C. 144 Pius II., Papst 57 Poach, A. 259, 261 Pogan, J. 269 Randewich, V. 127 Rangoni, U. 231 Rehlinger, W. 214 Rehtmeyer, Ph. J. 160 f, 300 Reifenberg, H. 263 Remp, B. 128 Reuber, J. 77 Reuchlin, J. 211 Reymann, D. 108 Rhegius, U. 213 f Richter, Ae. L. 247, 303 Richter, M. 282 Richter, P. 287 Rietschel, G. 3–6, 8, 12, 14, 17, 64, 87, 94, 125, 143 f, 154, 164, 170, 175, 179, 195 f, 199, 202, 205, 234, 247 f, 251, 258, 270, 276, 279, 297 Rinck, M. 119, 229–241 Rogge, J. 238 Rohls, J. 13 Rokycana, J. 57 Rörer, G. 70, 87, 92–100, 102 f, 105, 121, 155, 158, 167, 185 f, 194, 196 f, 207, 212, 215, 247–250, 297, 308 f, 315 Rosenberger, J. 52 Roth, K. 281
Personenregister
Roth, St. 99 Rudolf, C. 127 Rühel, J. 96 Sailer, G. 214 f Sander, A. 14, 274 Schaefer, H. 141 Schäfer, R. 112–114 Schaumberg, W. v. 303 Scheible, H. 141, 213, 234 Schenk, J. 158, 193, 211, 213, 217–230, 235–238, 248, 258, 288, 300, 311 f, 321 f Schleifer, J. 288 Schlüter, O. 289 Schmidt, M. 218 Schnabel, T. 52 Schnell, H. 121 Schönberg, A. v. 218 Schulz, Fr. 164, 175, 253, 259, 262, 284 Schulz, Gr. 284 Schumann, Basilius 112 Schumann, Benedikt 243–245, 248, 250, 258, 265 Schurf, H. 77 Schwaiger, G. 176 Schwan, W. 101 Schwarz Lausten, M. 100, 176, 180, 207 Seebass, G. 215, 290 f, 293 Sehling, E. 125 Seidemann, J. K. 217–222, 225 f, 321 Seifert, Fr. 277 Seiffert, H. W. 82 Sider, R. J. 75 Siegel, J. 268 Sillem, C. H. W. 169 f Sinapius, S. 274 Singer, S. 56 Smith, R. F. 11, 13 f, 16, 29, 60, 100, 103, 147, 163–166, 168, 175, 178, 184, 188, 191, 193, 234, 253, 256, 261–263 Spalatin, G. 1, 19 f, 38 f, 46 f, 49, 51 f, 54, 76 f, 96, 98, 108, 116–120, 122, 124 f, 127–134, 140, 158, 172, 183, 187, 200, 205, 232, 234, 236 f, 258, 285 f Spangenberg, J. 266 Spengler, L. 214 Sperl, A. 20, 124
345
Spieß, Th. 285 Spinks, Br. 263 Sprecher, U. 101 Sprengler-Ruppenthal, A. 100 Stahl, A. 265 Stahl, Fr. J. 3, 6 Stamm, H.-M. 50 Staphorst, N. 171 Stein, W. 26, 53, 60–62, 97, 100, 102, 112 f, 119, 152, 165, 202, 258, 262, 298 Stiefel, M. 109, 288 Storch, N. 71 Storck, H. 25 Strauß, J. 77, 122 Stupperich, R. 305 Sturm, J. 169 Sülzfleisch, B. 116–120, 130, 258 Sutel, J. 111–116, 118, 147, 189, 229, 266 Taubenheim, H. v. 130 Tegener, J. 171 Thomä, A. 101 Thomae, Th. 71 Thomas v. Aquin 35 Thür, J. 96 Tietz, G. 194 Tjørhom, O. 194 Trebitz, A. 109 f Trefftz, J. 75 Tulich, H. 77 Turnwald, E. 57 Ulbrich, H. 169, 200, 230, 232, 234, 237 Urban, H. J. 316 Vajta, V. 102 Valerius, Bischof v. Hippo Rhegius 153 Vergerio, P. P. 207 f, 233 Vetter, P. 213, 222, 247–250 Virck, H 238 Vischer, L. 316 Vogel, C. 259 Vogt, K. A. Tr. 173 Vogt, O. 106, 170, 297, 300 Voigt, J. 1 Volz, H. 169, 200, 230–234, 237, 244, 266, 271 Voss, Kl. P. 198
346
Personenregister
Wappler, P. 64, 71 f, 91, 240 Wartenberg, G. 217, 220, 222, 225 f, 277 Weiss, R. 239 Wendebourg, D. 18, 28, 99, 150, 180, 254 Wenn, H. 99 Wernstorff, J. v. 43, 45, 47 Westphal, J. 171 Wilisch, Chr. G. 229 Willicko, J. 110 Winkel, H. 160–162
Witzel, G. 293 Wolfart, B. 264 Wolgast, E. 148, 231, 244 Wullenwever, J. 239 Zettler, B. 275 Zeuner, W. 222, 225 Zieschang, R. 207 Zimmermann, M. 284 Zwilling, G. 40, 43–49, 72 f, 294, 323
Ortsregister Allstedt 69, 77 Altenburg 1, 38, 41, 43–49, 51 f, 56, 68 f, 69, 73, 81, 85, 108, 116, 119, 125, 127, 129, 157 f, 205, 232 Altranstädt 289 Annaberg 220 Ansbach 285 Augsburg 17, 115 f, 120, 135–140, 142 f, 145 f, 147, 149, 195, 211, 213–215, 238, 264, 309 Bärbach 240 Belgern 49–51, 288, 294, 323 Belzig 100, 103, 109 f, 203 Bergwitz 101 Berlin 304 Bitterfeld 126, 282 Böhmen, Königreich 51, 56–67, 69, 85, 88, 93 f, 96, 111, 113, 147–149, 163, 237, 292, 296, 309, 314 Brandenburg, Kurfürstentum 271, 278 f, 292, 304 f Brandenburg-Ansbach 138, 143, 238, 285, 303 f Braunschweig 99, 106, 112 f, 157, 159– 163, 244, 286 f, 300–303 Braunschweig-Wolfenbüttel, Fürstentum 176, 179, 201, 247, 252, 257, 297, 303 Brehna 284 Breslau 102 Brieg 102 Burkartshain 286 Byzanz 316 Canterbury 316 Chemnitz 285 Coburg 129 f, 142 Colditz 130
Creuzburg 28, 128 Crimmitschau 100 Dänemark 100, 105, 142, 159, 165, 168, 176–181, 207, 218, 249–251, 253, 257, 276, 297, 300, 302 f Deggendorf 92 Delitzsch 281 f Dessau 157 Eilenburg 281 Eisenach 77, 122, 128, 240 f Eisleben 95f, 232, 302 Elsnig 294, 323 Elster 101 Elsterberg 129 Erfurt 278, 281, 301 Florenz 97 Franken 103, 130, 133, 184, 200 Frankenhausen 95 Friesland 218 Gotha 122 Göttingen 111–114, 147 Greifswald 162, 169, 172 Grimma 100, 153, 284 Halle 102 Hamburg 99, 118, 156, 159, 162–172, 175–180, 202, 237, 239, 250, 252, 254, 256 f, 263, 298 f, 303, 309 f, 315 Harvestehude 169 Hausbreitenbach 198, 239–241 Havelberg 121 Henneberg, Grafschaft 143, 241 Hersbruck 293 Hersfeld 239, 241 Herzberg 109, 272
348
Ortsregister
Hessen, Landgrafschaft 104, 119, 138 f, 143, 163, 169, 198, 233, 237–241, 259, 299, 303 Hildesheim 163, 176, 179, 201, 257, 297 Hippo Rhegius 154, 296 Homberg 100, 104, 163 Ingolstadt 211 Jena 55, 77 f, 127, 187, 199, 215 Jessen 101, 275, 323 Kemberg 296 Kolberg 172 Kopenhagen 176 Kulmbach 248, 303 f Kurkreis 100 f, 103, 109, 126, 130, 133, 173, 184, 191, 200, 203, 265, 272, 279 f, 288, 295 f, 299 Kurpfalz 285 Kurzlipsdorf 110 Leipzig 92, 153, 211, 215, 240, 277, 280, 289, 297 Leisnig 25, 49–58, 61 f, 64, 68 f, 74, 76, 79, 81, 83 f, 99, 109, 126, 130 f, 308 Liegnitz 284 Lochau 108 f, 129, 288, 300 Löwen 270 Löwenberg 271 Lübeck 118, 162, 164, 169, 172, 176, 212, 239 Lübnitz 109 Luckau 271, 286 Lüneburg 213 Magdeburg 213, 232, 238, 241, 323 Mansfeld 281 Mantua 230 Marburg 238, 241 f Mecklenburg 305 Meißen, Bistum 50, 221, 223 f, 228, 320, 322 Meißen, kurs. Landschaft 130, 132, 183 f, 200, 206, Memmingen 82, 97 Merseburg 14, 244 f, 289, 305, Mühlhausen 106
Münster 192, 209, 239 Mylau 129 Naumburg 14, 129, 243 f, 262, 275 Neiße 102 Niederwiera 117 Niemegk 284 Nizäa 227, 254, 267, 271 Nördlingen 106, 281 Nottleben 106 Nürnberg 47, 76, 138–140, 142 f, 148 f, 214, 216 f, 237 f, 261, 286, 289–293, 304 Oberellen 128 Orlamünde 77–81 Osnabrück 285 Osterland 103 Österreich, Erzherzogtum 108 Paris 29 Paserin 271 f Petersroda 126 Pfalz-Neuburg 292 Plauen 288 Pommern, Herzogtum 159, 164, 172–177, 179, 199, 201 f, 214, 238, 256, 311 Porvoo 316 Prag 9, 57 f, 60, 62, 67, 69, 86, 103, 308 Prettin 323 Priorau 110 Rädigke 127 Rathenow 287 Regensburg 1, 273 f, 281, 292 f Reichenbach 187 Reinhardsbrunn 240 Reuß, Herrschaft 285 Reval 281 Rom 55, 57, 67, 104, 120, 197, 208 f, 309, 316, 319, 323 Rügen 169 f Sachsen, Herzogtum 103, 128, 153, 218, 220–222, 224, 244, 247, 277–280, 289, 295, 312 Schleiz 285 Schlesien 271, 279 Schleswig 176, 297
Ortsregister
Schlieben 126 Schmalkalden 16, 200, 235, 237, 241, 279, 295, 302, Schmiedeberg 126 Schmölln 38 Schneeberg 100, 222 Schönewalde 129 Schwäbisch Hall 284 Schwanebeck 109, 265 Soldin 271 Speyer 239 Stettin 172 Stralsund 1, 169 f, 172 Straßburg 78, 233, 238, 240 Strehla 288 Tenneberg 101, 122 Thüringen 77, 81 f, 96, 100, 103, 119, 127 f, 132, 134, 184, 198, 200, 239, 300, 323 Torgau 49, 125, 129, 133, 136, 153, 294, 319, 323 Treben 109
349
Treptow 174 Tübingen 216, 238 Ungarn 285 Uppsala 316 Venedig 57, 67 Vogtland 103, 129, 132, 183 f, 200, 206 Waldsee 217 Wartburg 29, 37, 40, 71, 80 f, 83 f, 240 Weida 127 Weimar 49, 142, 297 Werdau 100, 187 Wildenau-Wercho 126 Wolkenstein 218, 220, 225 Worms 1, 29, 38, 49, 146 Wurzen 286 Zahna 284 Zerbst 52, 98, 107, 195, 300 Zwickau 64, 71, 73, 83 f, 91, 100, 129, 148, 206, 211 f
Sachregister Abendmahl – Einsetzung d. Priesterweihe 21, 32, 61 – Kommunion unter beiderlei Gestalt 42 f, 116, 176, 213, 218, 222, 225, 278 – nicht heilsnotwendig 61 – öff. Charakter 61, 115 f, 222 – Verständnis 114–116, 168, 213 – Vollmacht zur Verwaltung 10, 61, 111–118, 120, 222, 290 Absolution 150, 214, 260, 292 Älteste beteiligt an d. Ordination 63, 89, 94, 199, 227, 256 Altkirchliche Vorbilder 13, 30, 32 f, 38, 50, 135, 152 f, 156, 224, 227, 233, 254, 263, 267, 271, 296 Amtsgnade (s. a. character indelebilis) 6 f, 12, 32, 35, 63, 92, 178, 258–262, 292, 298, 307, 314 Bauernkrieg 82, 95 f, 107, 309, 315 Berufung – durch Menschen als Ausweis göttl. Berufung 44, 73, 78, 80, 84, 198 f, 227, 290, 308, 313 – örtliche Begrenzheit 76, 78, 80, 84 Berufungsrecht d. Gemeinde 41, 50 f, 54 f, 57, 67, 69 f, 81, 83 f, 149, 175 f, 198–200, 208, 308, 313 Besoldung kirchl. Amtsträger 68, 75, 111 f, 158, 215, 283 Bildungsstand d. Ordinanden 279–283 Bischofsamt, evang. 65–67 character indelebilis 6 f, 10, 20, 22, 32, 88, 164, 259 (s. a. Amtsgnade) Charismen, urchristl. 34–36, 64, 92, 260
Diakonat – als Hilfsgeistlichenamt 18, 92–94, 96–100, 109, 127, 130 f, 157, 206, 214 f, 243–245, 252, 283, 290 – als Weihestufe 96, 221, 223–226, 228 Doktorgrad als universales Lehrrecht 72, 228, 235 Einigung mit Rom 1 f, 20, 104, 115, 120, 135–143, 146, 148 f, 189, 209, 231 f, 237, 309 Eignungskriterien 105–107, 172, 269 Einheit d. kirchl. Amtes 180, 283, 313, 315, 317 Gebet 4–6, 9 f, 12, 17, 30, 36, 62 f, 65, 85, 87, 92, 94, 104, 111, 114, 120, 122, 147, 155 f, 165 f, 171, 177 f, 194, 242, 249–259, 261–263, 287, 301, 308 Göttl. Einsetzung 3 f, 8 f, 21, 27 f, 32, 61, 145, 150, 207, 252 Handauflegung 2, 4–6, 9 f, 12 f, 17, 30, 32–36, 62–65, 85–96, 104, 111, 114 f, 120, 143–145, 147, 155, 160 f, 162, 167 f, 170 f, 175, 180, 194, 207, 212, 233, 242, 251 f, 255–263, 273 f, 290–293, 298–301, 307 f, 310, 313 f, 316 Handsalbung 21, 28, 32, 35, 58, 146 f, 152, 233, 262, 292 Interim 2, 169–171, 273, 295 ius divinum 29, 100, 141, 144, 166, 260, 301 Jurisdiktionsgewalt 18, 104, 134–149, 151, 154, 193, 195, 203 f, 209, 234, 237, 289, 293, 309, 311
Sachregister
Kaplan 18, 98, 283 Konfirmation 4, 44, 64, 125, 127, 132–134, 139, 148, 152, 159, 173, 175, 179, 183, 185, 189, 191, 199, 202–207, 209, 235, 242, 244, 247, 255 f, 264 f, 267, 269, 271, 274, 294–296, 301, 311, 323 Konsistorium 205, 274, 277 Konzilspläne 208, 230–234, 242 Landesherr als Notbischof 104, 174, 207 Landesherrl. Kirchenregiment 3, 83, 104, 140, 174, 188, 203, 205–207, 217, 256, 267, 294 f, 311 Lehrbeurteilung durch d. Gemeinde 22, 46, 49, 52 f, 61, 79, 83, 198, 308 Lehrprüfung 15, 50, 85, 100, 106, 109, 117, 120–134, 139, 159, 169, 172–175, 177–179, 183–185, 187, 189–193, 196 f, 198, 201, 204, 209, 235 f, 239, 241, 243, 264, 268 f, 270, 273–275, 279 f, 283, 287, 295 f, 299–304, 311 f, 315, 323 Mangel an kirchl. Amtsträgern 59 f, 62, 97, 146 f, 183 f, 186, 192–196, 204, 281, 303, 319, 322 Materielle Not evang. gewordener Priester 118 f, 146 f Metapher, Rede v. Priestertum d. Christen als 23–25 Mitspracherecht d. Landesherrn bei Wahl 47 f, 203, 206 Mönche, ehemalige 43, 48, 52, 194 Nichtanerkennung ungeweihter Amtsträger 117, 216–230, 236 Notrecht 7, 9, 31, 55–57, 69, 301 Nottaufe als Recht jedes Christen 26, 31, 61, 185 Öffnung für auswärtige Kandidaten 16, 242–245, 247, 256, 277, 294 f, 314 Ordinandenunterricht 275, 282 Ordination – als Berufung 26 f, 29, 63, 86, 101, 143 f, 155, 177, 201, 310 – als lebenslang gültige Übertragung d. kirchl. Amtes 156, 201, 270 f, 311, 313, 318
351
– als Stärkung des Ansehens der Amtsträger 200–202, 311 – als Aufsichtsinstrument 196–202, 239, 241, 269, 273, 276, 288, 295, 312 – nachträgl. Erteilung 286–293 Ordinationsliturgie 159, 163–169, 175, 177–181, 263 Ordinationsort 154–158, 175, 179, 183, 197–201, 207, 209, 235, 238, 272, 302 f, 311 Ordinationsversprechen 177–179, 255 f, 269 Ordinationszeugnis 174, 188 f, 228, 236, 244, 247, 264–273, 283 Ordinator 9, 17, 66, 91, 95, 155, 161, 166, 179, 199, 206, 208, 233, 247, 250–258, 266–269, 276, 282, 284, 286, 292, 294, 296–302, 311 f Papsttum, Kritik am 22, 24, 29, 50, 81, 138–140, 148–152, 234, 257 Präsentation 44, 108, 123, 124–127, 131–133, 159, 173, 192, 206, 294 f Prediger 18, 283 Predigt als wichtigste Aufgabe d. kirchl. Amtes 53, 61, 74, 227, 257 Priesterehe 20, 32, 50, 96, 106 f, 136, 139, 218 f, 222, 225, 227–229 Priestertum aller Gläubigen 4, 7 f, 11, 16, 19–30, 32, 34–39, 41, 54, 56, 61, 67, 82, 84, 86 f, 106 f, 138, 149, 168, 185, 308, 315 Priesterweihe – Nichtanerkennung durch Reformatoren 59 f, 107–110, 122 f, 147, 151, 164, 189 f, 194, 289 – Ritual 13, 16, 165, 257, 259, 262 f – Absage an evang. Lehre als Bedingung für d. Empfang 88, 136 Rücksichtnahme, kirchenpolitische 120, 135, 143, 148 f, 171, 196 f, 208 Sakramentalität v. Priesterweihe/Ordination 12 f, 19–21, 29–36, 90, 144–146, 150, 253, 260, 314 f Schriftauslegung 22, 24, 27, 35, 49, 52, 79 f, 96
352
Sachregister
Schulbildung 195 ›Schwärmer‹ 37, 77 f, 91 f, 96 f, 115, 122, 124, 222, 309 Schweigen über d. Ordination 1 f, 85, 88, 103, 115, 147, 154, 241, 309 Sukzession im Bischofsamt 67, 293, 316 Taufe – als Ursprung d. Priestertums aller Christen 3, 22 f, 107 – Recht z. Spendung 31, 61, 227 Täufer 119, 142, 145, 186, 192, 197 f, 200, 209, 239–241, 257, 293, 298 Tonsur 21, 28, 58, 146 f Übergabe v. Kelch u. Patene 35, 224, 259, 262
Übungspredigten 213, 285 Universität als Hüterin d. evang. Lehre 97, 268–270, 279 Wahl d. Amtsträgers durch d. Gemeinde 19, 26, 29, 33, 41, 48, 54–56, 59, 62–64, 69, 79, 82, 89, 95, 104, 165, 172, 175, 180, 208, 301, 308 Wiederholung d. Ordination bei einem Stellenwechsel 102, 159, 164, 171, 174, 183, 188 f, 201, 209, 270, 307, 310 Wirkmacht d. Wortes Gottes 53 f, 79, 80–83 Wittenberger Unruhen 20, 40, 70–74, 78, 108
Bibelstellenregister Gen 11, 27 28, 17 48, 14
261 260 48, 89
Ex 13, 2 30, 30
22 32
Lev 1, 4
89
Dt 34, 9
90
Ps 82
27, 240
Jes 55, 11
53 f, 82, 145
Dn 8,25
77
2. Makk 13, 24 14, 26
197 197
Lk 6, 12–19
166
Joh 6, 45 10, 27 20 20, 22
22, 54 53 259, 292 f 259
Act 4 6 6, 4 6, 6 8 8, 17 8f 10, 44 13 31, 2 13, 3 14, 23 10, 1–6 19, 6 20 20, 28–34
33 33, 98, 100 98 64, 89 34 34, 292 65 91 32, 34 f, 86 64, 85, 87 55 92 91, 292 34 177, 254
Röm 1, 16
145
Mt 7, 15 9, 37 16, 19 18, 18 24, 4 24, 45–51 28, 19 f
44, 53 122, 166, 257 34 34 54 166 27
1. Kor 4, 1 11, 26 14 14, 30 14, 40
98 115 198 23, 55 27
Mk 13, 14
151
2. Kor 3, 6
98, 164
354
Bibelstellenregister
Gal 1, 8
44
Eph 4, 8–12 4, 11
178 27
1. Thess 5, 21
53
1. Tim 3 3, 1–7 3, 1–13 3, 2 3, 8–13 3, 10 4, 4 f 4, 14 5, 22
100 177, 254 88, 166 55 98 55 177, 249, 253 34, 89, 144, 259 32, 144
2. Tim 1, 6 2, 2
34, 144 67
Tit 1, 5 1, 5–7 1, 5–9 1, 7 1, 7–9
33, 290 50, 63, 144 166 55 177
1. Petr 2, 9 5, 2–4
19, 22, 24 f, 49 255
Hebr 1, 4–6 5, 5 f
22 22
Apok 1, 6 5, 10
19, 25 19, 22, 25