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German Pages 28 [29] Year 1973
Sitzungsberichte des Plenums und der problemgebundenen Klassen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
Nicolae Iorga (1871-1940)
AKADEMIE-VERLAG • BERLIN
f ^ 1972
Sitzungsberichte des Plenums und der problemgebundenen Klassen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
Walter Markov • Werner Bahner Johannes Irmscher
NICOLAE IORGA (1871-1940)
Historiker, Literaturhistoriker, Byzantinist
AKADEMIE-VERLAG 1972
• BERLIN
Jahrgang 1972 • Nr. 2
Vorträge gehalten von Prof. Dr. Waller Markov, Ordentliches Mitglied der D A \ \ \ Prof. Dr. Werner Bahner, Ordentliches Mitglied der DAW. und Prof. Dr. Johannes Irmscher in der öffentlichen Sitzung der problcingebundcnen Klasse „Erbe und Gegenwart" der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und der Kommission für UNESCO-Arbeit der Deutschen Demokratischen Republik zu Ehren des 100. Geburtstages des rumänischen Historikers und Politikers Nicolae Iorga am 9. Dezember 1971 Herausgegeben im Auftrage des Präsidenten der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin von Vizepräsident Prof. Dr. Werner Hartke
Erschienen im x\kademic-Verlag G m b H . 108 Berlin, Leipziger Straße 3-4 Copyright 1972 b y Akademie-Verlag G m b H Lizenznummer: 202 • 100/303/72 Herstellung I V / 2 / 1 4 V E ß Druckerei »Gottfried Willielm Leibniz«, 445 Gräfenluiiiiiclicn/DDll • 388(i Bestellnummer: 2010/72/2 • KS I I A E D V 752 281 8 3.50
1971 jährlc sich der Geburtstag des bürgerlichen rumänischen Historikers und Politikers Nicolae Iorga zum 100. Male. Iis ist bereits zu einer guten Tradition geworden, daß die Konimission für UNESCO-Arbeit der Deutschen Demokratischen Republik und die Deutsche. Akademie der Wissenschaften gemeinsam bedeutender Persönlichkeiten des internationalen geistigen Erbes gedenken. Persönlichkeit und Werk Nicolae lorgas zu würdigen war Gegenstand einer Veranstaltung am 9. Dezember 1971, zu der die Kommission für UNESCOArbeit der Deutschen Demokratischen Republik und die problemgebundene Klasse „Erbe, und Gegenwart" gemeinsam eingeladen hatten. Der Einladung war ein großer Kreis von Persönlichkeiten gefolgt, an ihrer Spitze der Botscluifter der Sozialistischen Republik Rumänien, Herr Dr. Ghenea. Der Vorsitzende der Kommission für UN ESCO-Arbeit, OM Günther Rienäckcr, erklärte in seiner Begrüßung unter anderem: Nicolae Iorga gehört zu den bürgerlichen Wissenschaftlern unseres Jahrhunderts, die stets energisch den Faschismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen bekampft haben. Er klagte den nazistischen Rassenwahn an, entlarvte die von den Naziideologen entwickelte Theorie des Übermenschentums, trat gegen die iMsung vom antikommunistischen Kreuzzug auf und verwarf die Geopolitik mit ihrem Dogma vom mangelnden Lebensraum als Pseudowissenschaft. Iorga wandte sich gegen den Mystizismus, das Obskurantentum und den Primitivismus der rumänischen Faschisten, der Eisernen Garde. Er warf den rumänischen Legionären, jenen InteressenVertretern des Hitlerfaschismus in Rumänien, vor, die nationale Idee zum Monstrum verzerrt zu haben. Iorga war in Rumänien unter den bürgerlichen Gegnern des Faschismus eine der lierausragendsten Gestalten. Er zog sich deshalb früh den Haß der Eisernen Garde zu, die ihn im Jahre 1940 aus seiner Wohnung entführte und in den Wäldern von Sinaia bestialisch ermordete. Das ungeheure Wissen, die außergewöhnliche Produktivität lorgas als Historiker, Literaturhistoriker und Byzantinist würdigten in drei Vorträgen OM lTr. Markov, OM IV*. Bahner und Professor Dr. J. Irmscher.
WALTER
.MARKOV
INicolae Iorga als Historiker
Die befreundete Sozialistische Republik Rumänien gedenkt in diesem J a h r des 100. Geburtstages eines Mannes, der als Gelehrter, als Schriftsteller, als Publizist und als homo politieus das geistige Antlitz seines Landes im ersten Drittel unseres Saeculums bestimmend mitgeprägt h a t : des Arbeitsricsen Nicolae Iorga, der als Autor, Herausgeber und Anreger der Mit- und Nachwelt Hunderte von Büchern und Tausendc von Beiträgen verschiedensten Gehaltes und in vielen Sprachen übermachte; der Ehrendoktor zahlreicher Universitäten und Mitglied mehrerer europäischer Akademien wurde, bedeutende Staatsämter bekleidete und dabei in seinem Tiefsten vor allem ein Historiker von weitem Horizont geblieben ist. Als solcher war er zeitlebens auch der deutschen Geschichtswissenschaft sachlich wie persönlich verbunden, und ich rcchne es mir zur Ehre an, im Auftrag unserer Klasse an diesem hohen Ort die laudatio für den langjährigen Freund meines Berliner Lehrers Otto Hoetzsch mit sprechen zu dürfen, in dankbarer Erinnerung an die empfangenen Eindrücke aus seinen Werken, die zum unverlierbaren Bildungsgut unserer Studentengencration zählten, die sich zwischen zwei Weltkriegen mühte, hren Weg zwischen Erbe und Fortschritt zu finden.
Nicolae Iorga wurde am 5. Juni 1871 in Botoçani, in der Moldau, als Sohn eines Rechtsanwalts geboren. Nach glänzenden Studien an der Universität Iaçi schrieb er sich an der Ecole pratique des Hautes Etudes zu Paris ein, an iler er mehrere Jahre verbrachte. Hier knüpfte er menschliche und fachliche Beziehungen, die seine Liebe zu Frankreich, zur französischen Kultur und auch zu ihrem savoir vivre bis zu seinem tragischen Lebensende einschließen und bestimmen sollten; zu Forsehern wie Monod, Aulard, Denis, Rcnouvin — und auch zum großbürgerlichen Liberalismus der Dritten Republik des fin de siècle, dessen Peripetien im Kampf der Dreyfusards und Antidreyfusards in lorgas Lehr- und Wanderjahre an der Seine fielen. Vorab der Mediävistik zugewandt, die ihn mit Quellenstudium und Quellenkritik vertraut machte
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Walter Maukov
erwarb er jedoch nicht in Paris, sondern in Leipzig den Doktorgrad mil einer Dissertation über den Markgrafen Thomas I I I . von Saluzzo. Schon 189'i. mit 23 J a h r e n , war er zum Professor an der jungen Universität von Bukarest ernannt worden und beteiligte sieh an den Arbeiten der Rumänischen Akademie der Wissenschaften, die ihn 19:10zum Ordentlichen Mitglied wählte. Davor jedoch h a t t e die revolutionäre Woge, die nach Rußland auch Rumänien zwischen 1905 und 1907 erfaßte, eine Zäsur in der politischen Kniwicklung des Landes bewirkt, die Nicolae lorga der vergleichsweisen Behaglichkeit seiner Studierstube entriß. Als das Zweipartciengefügc zwischen einer quasi liberalen und einer starr konservativen Bojarengruppierung unter dem Anprall der Geschehnisse ins Wanken geriet, gründete er die bürgerliche Nationaldemokratische Partei, als deren Führer er seit 1907 den Wahlkreis lasi im Parlament vertrat. E r erhob seine Stimme gegen die blutige Unterdrückung der gewaltigen Bauernerhebung dieses J a h r e s und bekämpfte danach die dynastisch bestimmte Anlehnung König Carols 1. an seine preußischen IlohenzoUcrnvettern. Als Patriot setzte er sich im ersten Weltkrieg mit ganzer K r a f t für die Befreiung Transsilvaniens von der Ilabsburgerherrschaft und seine Vereinigung mit dem R e g a t ein; er h a t t e die Genugtuung, 1918 bis 1920 der ersten gesamtrumänischen Nationalversammlung zu präsidieren. Die historische; Mission der Arbeiterklasse als neuer Weltkraft, die mit der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution auch an Rumäniens Tore vernehmlich pochte, vermochte der bürgerliche Politiker lorga nicht zu erfassen. Li- stieß hier an seine Grenzen. E r täuschte sieh auch im Vertrauen zu seinem einstigen unzuverlässigen Gelegenheitshörer und nachmaligen noch unzuverlässigeren König Carol I L , der ihn zwar 1931 in kritisch zugespitzter Situation zum Ministerpräsidenten berief, jedoch schon im J a h r darauf fallenließ und seine Zilllucht j e länger, j e mehr zu einer Militär- und Hofkamarilla nahm, die das Land nolens volens dem heimischen und dem Iiitierfaschismus als wehrlose Beute in die Arme trieb. Die unmittelbare Gefahr dieser tödlichen Pest h a t Nicolac lorga indessen bald mit Deutlichkeit erkannt; als Staatsmann von den herrschenden Kreisen bereits in den Hintergrund gedrängt, ist er ihr in den späteren dreißiger J a h r e n mit seiner ganzen wissenschaftlichen Autorität als mannhafter Warner entgegengetreten. Das von ihm 1914 gegründete Institut für südosteuropäische Studien, das zu einem internationalen intellektuellen TrclTpunkt emporgehlüh t war und dessen Veranstaltungen jeweils ein gesellschaftliches Ereignis der Hauptstadt bedeuteten, wurde trotz mancher Inkonsequenzen zu einem moralischen Sammelplatz antifaschistischen Widerstandswillens. 1939 und
Nicolao lorga als Historiker
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1940 setzte sich lorga für die Bewahrung der rumänischen Neutralität und ihre strikte Abgrenzung vom Hitlerfaschismus im zweiten Weltkrieg ein. Die Totschläger der Eisernen Garde vergaßen ihm das nicht und warteten auf ihre Stunde. Gedeckt durch den Einmarsch sogenannter „Lehrtruppen" Ilitlcrdeutschlands, die zu weiteren Aggressionen auf dem Balkan und sodann gegen die Sowjetunion auf rumänischem Boden aufmarschierten, und ungehindert von deren „machtcrgreifender" Marschallsmarionette Antonescu, ermordeten sie am 28. November 1940 den Siebzigjährigen auf grauenerregende Weise. Ich entsinne mich noch des schweren Eindrucks, den die Nachricht auf mich machte, als sie just um die W eihnachtszeit auf Umwegen auch unser Zuchthaus erreichte: War doch (las Opfer der erste Historiker von Weltruf, der in diesen Jahren der Entscheidung und Bewährung mit seinen» Leben einstand f ü r die Einheit von Forschung, Lehre und Widerstand gegen die braune Bestie. Die Faschisten vermeinten, sein Andenken auszulöschen. Im Staat der sozialistischen Werktätigen Rumäniens indessen trägt das Historische Institut der Akademie heute den Namen Nicolae Iorgas.
Sein historisches Œuvre gehört einer vergangenen Epoche an, und wir möchten es in deren Zusammenhang betrachten. Gewachsen an Vorbildern, die einesteils der große Fustel de Coulanges und anderenteils die positivistische Methode in Frankreich geschaffen hatte, zeigte sich lorga weit weniger beeindruckt von der Ranke-Schule und ihrem Postulat vom Primat der Außenpolitik, obgleich ihn die zwischenstaatlichen Beziehungen und die Diplomatenkunst stets außerordentlich angezogen haben. Historiographisch ungeklärt erscheint bis zum heutigen Tag die Substanz seines Verhältnisses zum Doktorvater Karl Lamprecht in Leipzig, mit dessen Auffassungen über kultur- und universalgeschichtliche Ganzheit ihn vieles verband, anderes aber wohl auch trennte. Sicher wäre es verfehlt, von einer Übernahme oder einer Verpflanzung von Ideenreihen sprechen zu wollen. Eher wäre an Paralleleinsichten aus verwandter Ausgangsposition zu denken, die Iorgas Erfahrungsaustausch mit dem bis 1933 von Walter G oetz geleiteten Leipziger Institut für Kultur- und Universalgeschichte und seinen verschiedenen Tochtergründungen wechselseitig befruchten konnten. Einen Zugang zu Marx und zum historischen Materialismus hat lorga mit nahezu allen seinen akademischen Fachgenossen im Weltenrund zu jener Zeit weder gesucht noch gefunden. So weist das Werk des gewissenhaften Gelehrten zwar an zahlreichen Stellen den jeweiligen Stand der gesellschaftlichen Produktionskräfte und Eigentumsverhältnisse auf, registriert soziale Schich-
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tungen und Spannungen im geschichtlichen Prozeß der von ihm untersuchten Völker, dringt jedoch bis zur Schlüsselrolle der Klassenkämpfe nicht vor und bleibt daher in seinen Ausdeutungen befangen und eingeschränkt durch eben jenen bürgerlichen Nationalismus, der auch sein politisches Handeln durchgängig bestimmte. Seine Geschichtsauffassung hat lorga in der Arbeit Allgemeines über historische Stadien niedergelegt. Er betrachtete die Geschichtswissenschaft als unentbehrliches Mittel zur Erkennung der Weltzusammenhänge und baute auf ihre Fälligkeit, die geschichtliche Wahrheit zu enthüllen. Vom Historiker forderte er, seine Quellen unbestechlicher und unvoreingenommener Prüfung zu unterziehen; die einwandfrei auszumittelnden Tatsachen systematisch anzuordnen, miteinander zu vergleichen und Analogien herauszufinden, um die — nach seinem Urteil — relevanten Faktoren im Yölkcrgeschehen sichtbar zu machen. Er glaubte auch an den Nutzen einer Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse und der Kultur unter den Massen; als populärwissenschaftlicher Schriftsteller ging er in Zeitungen und Zeitschriften gern mit gutem Beispiel voran und richtete in Väleni de Münte f ü r einen breiteren Hörerkreis Sominerhochschulkurse ein, die er jahrelang förderte und zeitweise auch selbst leitete. Als eine unschätzbare Pionierleistung Iorgas werten wir die Quellensammlungen, die in seinem Gesamtwerk mit Recht einen hervorragenden Platz einnehmen und zur Arbeitsgrundlage für eine ganze Plcjade rumänischer als auch ausländischer Historiker wurden, wie uns erst unlängst einer unter seinen immer noch tätigen Schülern und Mitarbeitern, Carl Göllncr, erneut bestätigen konnte. Ich erwähne die Dokumente zur Geschichte der Rumänen in 5 Bänden, 1897—1913 in der Kollektion Hurmuzaki erschienen, und die anspruchsvolleren Untersuchungen und Urkunden zur Geschichte der Humanen in 31 Bänden, die er 1901—1916 herausbrachte und damit die Erforschung der ausgedehnten rumänischen Fcudalperiode auf einen festen Sockel stellte. In Deutschland machten lorga vor allem zwei umfangreiche Darstellungen bekannt, deren Originalausgaben in deutscher Sprache in Gotha erschienen: Die Geschichte des rumänischen Volkes im Rahmen seiner Staatsbildungen, in zwei Bänden, 1905, und die fünfbändige Geschichte des Osmanischen Reiches, 1908—1915. Letztere nahm aus einem anderen Gesichtswinkel einen Gegenstand wieder auf, dem seit Hammer-Purgstalls und Zinkeisens inzwischen veralteten „Klassikern" keine umfassende Darstellung mehr gewidmet worden war. Das erstgenannte Werk stieß zum guten Teil in absolutes Neuland vor, auf dem bis dahin eigentlich nur Xenopol einige leidlich gerade Furchen gezogen hatte.
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Sichcrlich hat Iorgas aufsehenerregender Zweibänder, den er 1936—1939 zur Istoria romänilor in rumänischer Sprache zu 10 Bänden erweiterte, die angerührten kapitalen Fragenkomplexe der rumänischen Geschichte nicht bis zu Ende gelöst und mit seinen methodologischen Hilfsmitteln auch gar nicht lösen können. Einige ihrer Aspekte stehen sogar heute noch zur Diskussion. Iorga hat sie jedoch aufbereitet und das bei aller emotionalen Aufladung argumentierte systematische Sacli- und Streitgespräch eröffnet: Uber Dakerfrage und Latinität, über Ethnogenese und den Anteil der Slawen an ihr, über Siedlungskontinuität und Wanderhirtcntuin, die Relationen zwischen cisund transdanubischen Wlachen. über den Bcwegungsspielraum der beiden Donaufürstentümer unter türkischer Yasallität, über Volkseinheit und politische Zersplitterung, zentrifugale und einheitsfördernde nationale Kräfte. Iorga erkannte dabei frühzeitig, daß sich keine Geschichte eines Volkes uiid erst recht nicht diejenige einer nach allen Seiten geöffneten Ubergangslandschaft — ernsthaft sehreiben ließ ohne volle Berücksichtigung seiner Einbettung in den größeren Strom der allgemeinen Geschichte. Dieses Problem der wechselseitigen Berührung zwischen Nachbarn mit ihren positiven und negativen Vorzeichen, von autonomer Entwicklungsdynamik auf der einen und universalhistorischen Tendenzen auf der anderen Seite, hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Sie kehrte in vielen seiner späteren Bücher in abgewandelter Form wieder, immer Bezug nehmend auf das Verhältnis von nationaler zu Weltgeschichte. Nachdem er es in den zwanziger Jahren mit dem vierbändigen Essai de synthese de Vhistoire de Vhumanite (Paris 1926—1928) vom anderen Ende her zu greifen versucht hatte, lokalisierte er es 1935 wiederum im eigenen Volk mit La place des Roumains dans Vhistoire universelle (in Bukarest verlegt).
Das wissenschaftliche Porträt Nicolae Iorgas bliebe unvollständig, wollten wir es auf seine großen Synthesen beschränken. Er fühlte von Zeit zu Zeit das Bedürfnis, sich auf ein Einzelthema zu konzentrieren. Diesem Zug, den in der Regel praktische Bildungsbedürfnisse abstützten, verdankt man — abgesehen von einer Flut von Artikeln — Monographien wie eine Geschichte der rumänischen Presse von ihren Anfängen bis 1916 (Bukarest 1922), eine Geschichte des rumänischen Unterrichtswesens (Bukarest 1928) und eine Geschichte der rumänischen Armee (Bukarest 1929). Er legte des weiteren Arbeiten über die Geschichte des Handels, der Industrie, des Rechts, der Kunst, der Kirche vor und glänzte mit sprachgewaltigen Lebensbeschreibungen von rumänischen Herrschern und Schriftstellern. In einer kleinen, französisch abgefaßten Ab-
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Walter Markov
handhing über die Französische Revolution und Sildosteuropa punktierte er 1934 eine historische Verbindungslinie, die marxistische Untersuchungen unserer Zeit in Rumänien und in anderen Ländern verdichten, weiter ausziehen und ihre mannigfaltigen Stränge zu einem neuen Forschungszweig vereinigen konnten. Jedoch ist auch dieses noch nicht der ganze lorga in seiner erstaunlichen Vielgestaltigkcit. Ohne den hierzu berufenen Rednern vorgreifen zu wollen, m u ß doch, u m seine Spannweite ahnen zu lassen, in die Figur des National* und des Univcrsalhistorikers zugleich diejenige des nicht minder regsamen Mediävisten und Byzantinisten, des Literarhistorikers und Kritikers, des Folkloristen und Stückesclireibers einfließen. Erst eine solche Zusainmcnschau erlaubt vielleicht eine letzte Feststellung: D i e Unmenge v o n — oft zusätzlichen — Aufgaben, die einer jungen, aufholbedürftigen und dabei noch kaderarmen Nation gewöhnlich abverlangt wird, zwingt dazu, die stärksten Schultern kumulativ zu belasten. Nicolae lorga hatte solche starken Schultern und entzog sich der geforderten Beanspruchung nicht. „Eine jener legendären Persönlichkeiten in ihrer strahlenden Überfülle" nennt ihn Henri Focillou, „die i m Boden ihres Landes und in der Geschichte des menschlichen Geistes verwurzelt sind"; eigenwillig und explosiv sein Leitungsstil und der Reichtum seiner literarischen Palette; hart die Maßstäbe, die sein Arbeitsethos an sich selbst, an seine Mitarbeiter und Schüler legte. Vieles v o n dem, was er in nie nachlassendem Tatendurst geschailen und gezündet hat, trägt unvermeidliche Züge seiner Herkunft, seiner Umwelt, seiner Epoche und überschreitet oder überwindet sie nicht. Indessen überdauert, wie mir scheinen will, an Nicolae lorga nicht allein das dokumentarische Material, das er der Vergessenheit entrissen, das er gesichtet, in das lebendige Kulturerbe seiner Nation übergeführt und damit auch jenen, die nach ihm kamen, gegenwärtig gemacht hat. Es tritt ein weiteres hinzu. In seinem Streben, die historische Totalität zwingend darzustellen, erfaßte er für umfangreiche Zeitabschnitte die realen Wechselwirkungen zwischen politischer und Kulturgeschichte, die Beziehungen der Geschichte eines einzelnen Volkes zur Komplexität der Weltgeschichte. Darin leistete er einen wertvollen* Beitrag zur konkreten Demonstration des Prozeßcharakters historischer Vorgänge und schrieb seinen Namen, wenn ich so sagen darf, f ü r i m m e r in das Hauptbuch der strengen Muse Klio ein.
W E R S K R ÜAHXKR
Nicolac Iorga als Literaturhistoriker
Wenn Nicolae Iorga von seiner Ausbildung, von der Breite und Bedeutung seines Werkes her auch zunächst und vor allem Historiker war, so darf doch seine rege Tätigkeit auf dem Gebiet der Literaturgeschichte keinesfalls außer acht gelassen werden. Mit seinen weitgespannten literarhistorischen Abhandlungen setzte er nicht nur neue Maßstäbe, sondern stieß auch erstmals in bis dahin von der Forschung unerschlosscne Bereiche vor. Als junger Gelehrter von 19 Jahren hatte er bereits begonnen, sich der Literaturkritik und Publizistik zu widmen. Außerdem verfaßte er selbst dichterische Werke, so eine Reihe von Theaterstücken, die allerdings wenig Erfolg hatten. Als wichtigste literaturwissenschaftlichc Studien sind zu nennen die im Jahre 1901 veröffentlichte Geschichte der rumänischen Literatur des 18. Jahrhunderts (¡storia literaturii romàne in secolul al XV11l',ea), die er bald durch einen Band über die Anfänge der rumänischen Literatur bis zum Jahre 1688 ergänzte (Istoria literaturii romänesti, vol. I). In den Jahren 1907 bis .1.909 folgte eine dreibändige Geschichte der rumänischen Literatur des 19. Jahrhunderts mit dem Untertitel: Ab 1821 im Zusammenhang mit der kulturellen Entwicklung des Volkes (Istoria literaturii romàne din waeul al XIX'lea. De la 1821 inaintr in. legatura cu dezvoltarea culturala a neamului). Eine Geschichte der rumänischen Gegenwartsliteratur (Istoria literaturii romunesti contemporane) in zwei Bänden erschien im Jahre :I934, der 1929 eine als Einführung gedachte synthetische Zusammenfassung der rumänischen Literaturentwicklung vorangegangen war (Istoria, literaturii romàne.fti. Introducere sintetica). In dein Zeitraum von 1920 bis :I925 legte Iorga ferner eine dreibändige Geschichte der romanischen Literaturen in ihrer Entwicklung und ihren Zusammenhängen vor (Istoria literaturilor romanico in dezvoltarea si legäturile lor). Bei diesen literarhistorischen Gesamtdarstellungen handelt es sich keinesfalls um rasch zusammengeschriebene Kompilationen. Es sind auch nicht Werke, bei deren Ausarbeitung der Verfasser auf zahlreichen Vorarbeiten und fundierten wissenschaftliche Studien aufbauen konnte. Die rumänische Literaturwissenschaft von damals war unmittelbar mit der Philologie im engeren Sinne des Wortes verknüpft und verhältnismäßig wenig entwickelt. Noch
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viele Quellen mußten erschlossen werden, um sich einen genaueren Einblick in die literarische \ ergangenheil des eigenen Volkes zu verschallen, Iorga schcutc diese mühevolle Arbeit nicht und griff bei der erforderlichen Erschließung von Quellen auf seine Erfahrungen als Historiker zurück. Vor allem aber brachtc er die überlieferten, gesammelten und selbst gefundenen literarhistorischen Fakten in einen geschlossenen Zusammenhang, der zum historischen Gesanitverlauf in Korrelation stand und von daher seinen tieferen Sinn erhielt. Mit seinen literarhistorischen Studien, die mit seiner die kulturgeschichtlichen Erscheinungen akzentuierenden historischen Gesamtkonzeption in innerer Verbindung stehen, nahm Iorga entscheidend Einfluß auf die Herausbildung der rumänischen Literaturwissenschaft. Nachdrücklich erhob er die unifassende Quellcnerschlicßung zu einer wesentlichen Voraussetzung literarhistorischer Tätigkeit. Unter den rumänischen Literarhistorikern stellte er als erster heraus, welche Bedeutung die Volksdichtung für den Gesamtprozeß der rumänischen Literaturcntwicklung besitzt. Als die positivistische Erudition, das ausschließliche Sammeln, Ordnen und Klassifizieren von Fakten, auf literaturwisscnschaftlich-philologischem Gebiet vorherrschte und eine impressionistische, die Geschichtlichkeit der Erscheinungen mißachtende, letztlich subjektivistische Literaturkritik in der kulturellen ÖiTcntlichkeit auch in Rumänien aufkam, betonte Iorga den inneren Zusammenhang von literarischer, ideologischer und gesellschaftlicher Entwicklung, faßte er die literarischen Erscheinungen einer Epoche unter Beachtung ihrer Spezifik in unmittelbarem Bezug zu anderen geistig-kulturellen Phänomenen. Schließlich machte er wie kein anderer rumänischer Forscher vor ihm auf die Wechselbeziehungen der eigenen Literatur zu anderen Literaturen im Laufe der Geschichte aufmerksam. Die Zusammenhänge von nationaler und internationaler Entwicklung suchte er nicht nur in seinen geschichtlichen, sondern auch in seinen literaturgeschichtlichcn Arbeiten zu erforschen. Er war überzeugt, daß echtes nationales Selbstverständnis nur durch eine Kenntnis der anderen Völker, besonders der Nachbarvölker und ihrer Geschichte, erreicht werden könnte. Zugleich suchte er den Stellenwert der eigenen nationalen Geschichte innerhalb der Weltgeschichte festzuhalten und war bestrebt, den nationalen Beitrag zur allgemeinen Entwicklung zu erkunden. Als einer der ersten Forscher ließ sich Iorga konsequent von dem richtigen Gedanken leiten, daß die rumänische Kulturentwicklungnicht erstim 19. Jahrhundert eingesetzt habe, vornehmlich dank wesentlicher Impulse aus Westeuropa, insbesondere französischer Einflüsse, wie verschiedene Gelehrte und Publizisten meinten. Er ließ sich auch nicht von der damals unter den Literaturwissenschaftlern recht gäugigen Auffassung beirren, daß sprachliche
Nicolae Iorga als Literaturhistoriker
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Verwandtschaft unbedingt in gleicher Weise die literarisch-kulturelle einschließe. Die rumänische Kultur konnte in ihrer gesamten Entwicklung nicht vorrangig als romanisches Gebilde begriffen werden, sondern mußte auf Grund ihrer rund tausendjährigen Einbettung in den byzantinisch-slawischen Kulturkreis unbedingt auch innerhalb ihres südosteuropäischcn Kontextes gefaßt werden. Iorga trug dem umfassend Rechnung, so auch auf literarhistorischem Gebiet. Hier leistete er hinsichtlich der Erschließung und Aufbereitung von Quellen wie auch der Darlegung historisch-kultureller Zusammenhänge Pionierarbeit, auf der bei allen erforderlich gewordenen Korrekturen die heutige interdisziplinär betriebene rumänische Forschung über SiUlosteuropa aufbauen kann. Obgleich Iorga als Universalhistoriker nicht auf methodologische Aspekte der literaturgeschichtlichen Forschung aus war, formulierte er einige Prinzipien, die sich für die Literaturgeschichtsschreibung als fruchtbare Ansätze erwiesen haben. Einige davon seien hier angeführt: Die Literatur eines Volkes kann genaugenommen nicht erst mit den ersten schriftlich überlieferten Werken angesetzt werden, weil letztlich ein Volk ohne Dichtung undenkbar ist, so folgert Iorga und erläutert dies mit Beispielen im Vorwort zur zweiten Auflage seiner „Geschichte der rumänischen Literatur bis 1688" (Bukarest 1925). Die literarhistorische Forschung dürfe sich ferner nicht von Anfang an auf die schöngeistige Literatur beschränken, da so die für die Entstehung einer literarischen Gattung zu beachtenden Anfänge übersehen werden und die Kontinuität der literarischen Entwicklung nicht mehr die gebührende Beachtung erfährt. Schließlich sollte man nicht vergessen, betont Iorga, daß die älteste Dichtung mit den Bedürfnissen des praktischen Lebens in Verbindung stand und frei von dem Anspruch war, etwas Ewiges schlechthin zu verkörpern. Die in einer bestimmten Epoche vorhandene Literatur eines Landes ist seines Erachtens in ihrer Gesamtheit zu betrachten, ohne daß sprachliche Kriterien hierbei maßgebend sind. So umfaßt die spanische Literatur des 13. Jahrhunderts sowohl die lateinisch als auch die kastilisch abgefaßten Werke. Zur italienischen Literatur des 16. Jahrhunderts gehören nicht nur die im ,Volgare' geschriebenen Werke, sondern auch die entsprechenden lateinischen. Für die rumänische Literatur des J8. Jahrhunderts aber hieße das, sowohl neugriechische als auch rumänische Texte zu studieren und auszuwerten. Immer wieder unterstreicht Iorga, daß es die literarische Entwicklung stets im gesellschaftlich-geistigen Gesamtzusammenhang zu sehen gilt. Nach ihm vermag die in der jeweiligen Literatur zum Ausdruck kommende Epochenproblematik nicht ohne Bezug zu diesem Ganzen erkannt zu werden. Auch wenn Iorga vom Literarhistoriker verlangt, daß dieser zugleich Historiker sein muß, und jedem Historiker die Verpflichtung auferlegt, von
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den literarischen Schöpfungen der untersuchten Epoche Kenntnis zu nehmen, vergißt er dabei nicht die künstlerischen Eigenheiten der Literatur. So unterstrich er als einer-der ersten Forscher nicht nur die Bedeutung des Joscfinisinus für die aufklärerisch-nationale Emanzipationsbewegung der Rumänen in Siebenbürgen, sondern er wies zugleich darauf hin, welch außergewöhnliche Holle hierbei Budai-Dclcanu, der Verfasser des komischen Heldenepos „Jiganiada", auf Grund seiner poetischen Begabung spielte. Budai-Deleanu komme «las besondere Verdienst zu, eine dichterische rumänische Sprache geformt zu haben. In seinem synthetischen Abriß der rumänischen Literatlirentwicklung formuliert Iorga: „Das Schöne bei Budai-Dclcanu vor allem ist die Umsetzung der Form Ariostos in das damalige arme siebenbürgische Humänisch, der Übergang von der Sprache des l'open in der Kirche zur Strophe der Götter (S. 131)." Immer wieder war Iorga bemüht, die Verbindungslinie» zwischen Volksdichtung und Kunstdichlung sichtbar zu machen. Letzten lindes war f ü r ihn jede Dichtung, die mit ihrem poetischen (¿ehalt ein gesamtes Volk anzusprechen verstand, Volksdichtung. Nichts haßte Iorga so sehr wie esoterische Wortknnst. Den modernistischen Formexperimenten stand er völlig ablehnend gegenüber. Voller Groll schrieb er im J a h r e 1920: „All diese heute übliche Literatur — das Spiel schwieriger Reime, das Bemühen um unangenehme Rhythmen, die Anwendung von aus den Wörterbüchern stammenden wissenschaftlichen Ausdrücken —, diese heutige scelisehc Armut, voll von so vielen Prätentionen, mag auf diesem Gebiet als Lehre dienen. Diese Literatur liest niemanden, denn ihre Dichter machen sich Illusionen, wenn sie glauben, daß sie jemand liest: nur weil sie behaupten, daß eine literarische Revolution erforderlich ist, um das tiefe Elend einiger armseliger, ausgelaugter Seelen auszudrücken, die ohne eine Verbindung zur Gesellschaft und zu den hohen Zielen sind, zu denen die Menschheit hinstreht" (Istoria litcraturii romAnesti, S. 12). Mit Recht gehören für Iorga Literatur und Ethik untrennbar zusammen. Eine Dichtung, die «lern widerspricht, verliert seines Erachtens das Recht, als solche betrachtet zu werden. Auf Grund seiner Weltanschauung, die manch konservativen Zug aufwies, konnte Iorga trotz einiger grundsätzlich richtiger Ansätze die Komplexität «ler modernistischen Dichtung seiner Zeil, die ja in sich selbst beträchtliche weltanschauliche Differenzen bekundete, nicht verstehen und erfassen. Von Anfang an beschränkte er sich hier auf eine kompromißlose Ablehnung ohne jede eingehendere Prüfung. Iorga plädierte letztlich für die Bewahrung vorkapitalistischer Formen, die im Zuge der fortschreitenden gesellschaftlichen Entwicklung, besonders «ler einsetzenden Industrialisierung, in Gefahr gerieten, unterzugehen. Moderne
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Lebensformen erschienen ihm als Fehlentwicklungen. Die Permanenz des l rsprünglich-Bäuerlichen bildete für ihn die Grundlage der rumänischen Nal ionalkultur. Kür .lorga war der rumänische Hauer, den er sozial nicht genug differenzierte, der nationale Typ schlechthin. Kr sollte in lorgas Refonnvorstellungen den erforderlichen Zugang zum öffentlichen Leben der Nation erhalten. Bezeichnend hierfür war auch folgende Äußerung Iorgas: „Die Volksliteratnr schafft das Volk, aber dieses W ort Volk ist sehr vage lind dehnbar. Zum Volk gehört vor allem der Bauer, der Verteidiger und Bearbeiter dieser rumänischen Erde unter allen jeweils gegebenen Herrschaften lind unter allen ungerechten Ausbeutungen. E r ist der ehrbarste, sittlichste und lleißigste der Bewohner des Landes, und so war es immer." (Istoria literaturii romi\nc?ti, vol. I I , stark erweiterte zweite Auflage, Bukarest 1928, S. 12.) S o war es auch nicht zufällig, daß lorga in den J a h r e n 1903 bis 1906 Theoretiker und Wortführer einer konservativen literarischen Richtung, des ,Sämänätorisnr. wurde, die das bäuerliche Leben idealisierte. Die reaktionären Züge dieser Riehtung und ihre nationalistischen Verengungen, wie sie im Verlauf der Entwicklung dieser Strömung immer deutlicher zutage traten, teilte lorga allerdings hinsichtlich ihrer politischen Konsequenzen nicht. Früh hatte er die untragbaren sozialen Verhältnisse auf dem Lande verurteilt und ihre Abschaffung gefordert. Als die großen Bauernaufstände im J a h r e 1907 blutig von Regierungstruppen niedergeschlagen wurden, trat er für die geknechteten Bauern ein und klagte die Regierung der Bourgeoisie und der Großgrundbesitzer an. Kür die Aufstände machte er „die übliche grenzenlose und erbarmungslose Ausbeutung, die unaufhörliche Beleidigung derjenigen, die vor Ilunger sterben, und darüber hinaus die schlechteste Verwaltung der W e l t " verantwortlich. lorga erblicktc in der rumänischen Nation ein Bauernvolk, das sich angesichts der zersetzenden Tendenzen seiner Zeit — sprich kapitalistische E n t wicklung — wieder zu sich seihst finden sollte. Kr hob hervor, daß dem Kapitalismus kein Ewigkeitswert in der .Menschheitsgeschichte zukommt, und er geißelte die antihumanen Züge des Kapitalismus. Kr erkannte allerdings nicht die gesellschaftlichen Kräfte, deren Mission darin besteht, den Kapitalismus zu besiegen und durch eine wirklich menschliche Ordnung, den Sozialismus, abzulösen. Deshalb konnte er auch nicht begreifen, daß das Band der Solidarität und des gemeinsamen Kampfes, das in Rumänien schon in jenen Jahren vor dem ersten Weltkrieg zwischen dein Proletariat und den werktätigen Bauern teilweise geknüpft worden war, die einzig reale Möglichkeit bildete, angesichts der wachsenden gesellschaftlichen Spannungen und Widersprüche eine wirklich grundlegende Veränderung der unhaltbaren Zustände auf dem Lande zu erreichen.
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W E R N E R BAHNER
Zum Schluß seien noch Iorgas Verdienste gewürdigt, die auf eine vergleichende Literaturwissenschaft hinzielen, ohne daß von einer solchen Disziplin bei ihm ausdrücklich die Rede ist. Wir meinen nicht nur seine forscherischen Bemühungen, die rumänische Literaturentwicklung in engem Zusammenhang mit der der Nachbarländer, besonders des südosteuropäischen Raumes, zu betrachten, oder seine zahlreichen konkreten Hinweise auf die schöpferische Verarbeitung von ausländischen Impulsen und Einilüssen im Verlauf der rumänischen Literaturgeschichte. W ir denken in diesem Zusammenhang in erster Linie an seine dreibändige Geschichte der romanischen Literaturen, die im wesentlichen die westeuropäische Literaturentwicklung vom Mittelalter bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts behandelt. Obgleich das Schwergewicht auf dem romanischen Sprachbereich liegt, wird auch die englische Literatur mit einbezogen. Sogar die deutsche Literatur des Sturm und Drang und der Klassik erhält in diesem Rahmen als ein wesentlicher Neuansatz gegenüber dem über Frankreich hinaus zur Geltung gelangten Klassizismus eine relativ ausführliche Behandlung. Im Hinblick auf die wenigen vorhandenen Werke, die damals eine Zusammenfassung der Geschichte der einzelnen Literaturen boten, so der Abriß der romanischen Literaturen von H. Morf in dem von Hinneberg herausgegebenen Sammelwerk „Die Kultur der Gegenwart" oder die Darstellung der einzelnen romanischen Literaturen in G. Gröbers „Grundriß der romanischen Philologie", bedeutete Iorgas Abhandlung ein Novum. Iorga ging nicht nur über den engeren romanischen Sprachbereich hinaus, sondern unternahm zugleich den Versuch, von dem geistigen Gehalt her zwischen den einzelnen Literaturen einer bestimmten Phase Vergleiche vorzunehmen, insbesondere auf ähnliche wie auch unterschiedliche Entwicklungen hinzuweisen. Dabei stellte er Beziehungen zur allgemeinen gesellschaftliehen Entwicklung her, so beispielsweise recht ausführlich hinsichtlich der literarischen Situation Frankreichs Ende des :I3./Anfang des 14. Jahrhunderts. Er zeigte Parallelen auf betreiFs der Entstehung, des Gehaltes und der gesellschaftlichen Funktion zwischen dem englischen Volkstheater der Shakcspearezeit und der spanischen Schauspielkunst des 16./17. Jahrhunderts, die weniger auf direkte oder indirekte Kontakte zurückgingen, sondern auf ähnlichen literarischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen beruhten. Damit schlug er einen Weg ein, der in der koniparatistischen Forschung heute mehr denn je anvisiert wird. Es handelt sich um das Bemühen, die literarische Entwicklung auf breiter internationaler Ebene in ständiger Beziehung zum entsprechenden historischgesellschaftlichen Gesamtprozeß zu erforschen. Es gilt hier allgemeine Gesetzmäßigkeiten der literarischen Entwicklung in ihrer sozialgeschichtlichen Bedingtheit und gleichzeitig in ihrer nationalspezifischen Ausprägung zu
Nicolao Iorga als Literaturhistoriker
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erfassen. Iorga vermochte zwar infolge seiner idealistischen Grundkonzeption, die weder die sozialökonomischen Verhältnisse noch die dadurch gegebenen Klassenauseinandersetzungen als entscheidenden Ausgangspunkt beachtete, nur erste Markierungen vorzunehmen, doch angesichts des damaligen Standes der Literaturwissenschaft besaßen sie keine geringere Bedeutung. Wie auf vielen anderen geschichtswissenschaftlichen Gebieten erwies sich auch hier lorga als ein bedeutender Anreger. Das Charakteristische dabei ist, daß er nicht so sehr durch methodologische Diskussionen und Überlegungen der Forschung wertvolle Impulse vermittelte, sondern dies durch einen großen Wurf illustrierte, durch kühn entworfene Synthesen vorexerzierte. Weitreichende StolTerschließung und umfassende Stoilvermittlung gingen bei ihm Hand in Hand mit dem genialen Entwurf einer Gesamtkonzeption, die sich zwar auf Grund ihrer idealistischen Ausgangsposition nicht in all ihren Partien und deren Verflechtungen als stichhaltig erweist, doch zugleich viele, am Stoff selbst erläuterte Hinweise bietet, die für uns weiterhin des Nachdenkens wert, sind. Verschiedene dieser Synthesen sind bis heute grundlegende Abhandlungen geblieben. Wer sich mit der Geschichte Rumäniens unter den verschiedensten Aspekten beschäftigt, wird sich immer wieder genötigt sehen, Iorgas Werke zu konsultieren.
2 Markov, Nicoiao Iorga
JOHANNES IKMSCHER
¡Nicolac Iorgu als Byzantinist
Die Byzantinistik, die Wissenschaft, die sich mit Geschichte, Kultur und Sprachen des oströmischen Reiches beschäftigt, hat am Anfang der Neuzeit von praktisch-politischen Veranlassungen ihren Ausgang genommen: der Türkennot, dem Orienthan del, der Kirchenspaltung. Unter dem Protektorat Ludwigs X I I I . und Ludwigs XIV. von Frankreich fanden die bvzantinistischen Studien im Dienste des Ancien régime Verbreiterung und Vertiefung, in den Ideologen der Aufklärung, voran dem weitwirkenden britischen Historiker Kdward Gibbon, Kritik und Widerspruch. Der Philhellenismus des beginnenden :I9. Jahrhunderts gab ihnen neuen Auftrieb, der Historismus des ausgehenden etablierte sie fast gleichzeitig in den meisten Ländern Europas als moderne bürgerliche Wissenschaft mit spezifischen Ausprägungen je nach dem unterschiedlichen Verhältnis der einzelnen Völker zu Byzanz und genial! den différente!! gelehrten Traditionen. An dieser Entwicklung hatte Rumänien in besonderer Weise teil, standen doch sein Volk und dessen Territorium in staatlicher, kirchlicher und kultureller Beziehung nicht nur bis zum Fall Konstantinopcls, sondern infolge der Phanariotenherrschaft bis zum Jahre 1821 im Schatten eines byzantinischgricchisehen Einflusses von zuletzt solcher Intensität, daß die Lösung dieser Symbiose auf rumänischer Seite als Akt nationaler Befreiung empfunden wurde, ein Umstand, der sich verständlicherweise zunächst hemmend auf die byzantinistischen Studien auswirkte. Um so stärker entfalteten sich diese seit der Jahrhundertwende und erfuhren vollends Förderung durch den bürgerlichen großrumänischen Staat, dessen politische und kulturelle Physiognomie zu begründen die Byzantinistik geeignet erschien. Bedeutende Faclivertreter von internationalem Ruf sind hier zu nennen: der Erforscher des al trumänischcn Kirchenbaues, Gheorghe Bali; (1868—1934) ; der Historiker und Kulturhistoriker der Plianariotenzeit, D. Russo (18G9—1938); der Metriker und Ilandschriftenforschcr Const. Litzica (1873—1921); der Geschichtsschreiber Thessalonikis und des Zelotenaufstandes, O. Tafrali (1876—1937); der Kirchenhistoriker und Kanonist Valerian Sesan (1878—1940); der gegenwärtige Nestor der Byzantinistik in Rumänien, der als Sprachforscher wie als Historiker hervorgetretene Xicolac Bänescu (geboren 1878).
Kii-olao foiga als Byzairliuist
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Kbcndiesem Kreise ist auch Nicolae lorga (1871—1.940) zuzuordnen. In seiner Geburlssladt Botosani boten sich lorga bereits in früher Jugend in den im 15. und :l(5. Jahrhundert entstandenen Kirchen monumentale Zeugnisse moldauischer Architektur dar und mögen ihn zur immer wieder aufgenommenen Beschäftigung mit der Kunstgeschichte angeregt haben. Zugleich waren diese Bauwerke Dokumente der vorhin angesprochenen byzantinischrumänischen Beeinllussung, einer Symbiose, die lorga überdies in der eigenen Person verkörpert fand, führte doch seine Mutter ihre Herkunft auf die berühmte griechische Familie Argyropulos zurück; es wird somit nicht Zufall gewesen sein, wenn er sich bereits 1898 veranlaßt fühlte, in einem Vortrag Cultiim ronünä supt Fanariopi (Die rumänische Kultur unter den Phanariotcn) mil Vehemenz für die Rehabilitierung der verfeinten Phanariotenherrschaft einzutreten und auf solche Weise die psychologischen Voraussetzungen f ü r ein Gedeihen der byzantinistischen Studien in seinem Lande zu verbreitern. Ihren Ausgang nahm Iorgas Beschäftigung mit dem griechischen Ostreich nicht von der klassischen Philologie, wie das bei den Bvzantinistcii seiner Epoche beinahe der Regelfall war, sondern — seinem wissenschaftlichen Werdegang entsprechend — von der Geschichte her. Die 189G gedruckte Pariser Diplomarbeit erschloß Quellen zur Ivrcuzzugsgcschichte (speziell im 14. Jahrhundert), jener indispensablen Nachbarprovinz der Byzanzhistorie, auf die lorga auch forthin immer neu zurückkam — genannt sei stellvertretend die sechsbändige Sammlung der archivalischen Notes et exlraits pour servir ä Vhistoire des croisades au X V siecle —, während der Leipziger Aufenthalt den universalhistorischen Aspekt eröffnete: in einer Ehrengabe für seinen Lehrer l.amprecht behandelte lorga bezeichnenderweise das weite Thema Der Uiteinische Westen und der byzantinische Osten in ihren Wechselbeziehungen während des Mittelalters. Ex ungue leonein: An der Kralle erkennt man den Löwen. Es war kein Geringerer als Karl Krumbacher, der Initiator der modernen Byzantinislik in Deutschland, der an einigen frühen Publikationen, die lorga in seiner .Muttersprache verfaßte, die „Arbeitskraft und Kenntnisse" „des jungen rumänischen Gelehrten" rühmte. Eben jene Arbeiten gehörten primär der rumänischen Geschichte zu und mußten doch zugleich ihres Übergreifens wegen in der „Byzantinischen Zeitschrift" angezeigt werden; sie offenbaren, was den Historiker lorga schlechthin und ebenso den Literarhistoriker und Byzantinisten auszeichnet, sein Bestreben nämlich, die Nationalgeschichte, iin konkreten Falle die rumänische, niemals zu isolieren, sondern stets im welthistorischen Zusammenhang der Epoche zu betrachten. Das wissenschaftliche Opus, das lorga hinterließ, ist von stupendem Umfang: bereits 1934 hatte sein Bibliograph 13082 Nummern zu verzeichnen, die sich auf rund 2*
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Johannes Irmscher
15 Sprachen verteilen. Von jenen 13682 bibliographischen Einheiten gehören 5(514 der Geschichte und Literatur und davon wiederum 27 vorzugsweise der Byzantinislik zu — darunter die dreibändige Histoire de la vie byzantine — ; mittelbaren Bezug auf die Byzantinislik haben indes mehrere hundert, nämlich alle diejenigen Arbeiten, die sich mit dem Mittelalter, der Geschichte Rumäniens und Südosteuropas überhaupt befassen. Daß ein derart umfangreiches Œuvre nicht in allen seinen Teilen gleich gewichtig sein kann, verstellt sich von selbst; daß es stets neue Anregungen brachte und noch immer Denkanstöße vermittelt, wurde auch von kritischer Seite anerkannt. Es wäre nicht angängig, dieses Œuvre liier in allen seinen Details auszubreiten, wohl aber muß auf einige seiner konzeptionellen Gesichtspunkte eingegangen werden. Nicht ohne Berechtigung hat Iorga der von Karl Krumbacher begründeten deutschen Schule der Byzantinistik, deren Leistungen er im übrigen durchaus zu schätzen wußte, zum Vorwurf gemacht, daß sie sich in philologischer Kleinarbeit verzehre und dadurch, daß sie diese notwendigen Vorstudien verabsolutiere, es versäume, das Leben der Mensehen in Byzanz in seiner Buntheit, seiner vielfältigen Aktivität und Schöpferkraft zu erfassen; er nannte diese Art vorzugehen, die Byzantinistik zu „sinisieren" (ehinoiser), und forderte statt dessen, sie zu „humanisieren" (humaniser). In Gestalt dessen, was er „byzantinische Synthese" nannte, suchte er jenes auf einen größeren, weltgeschichtlichen Zusammenhang, auf eine „Synthèse de l'histoire de l'humanité" gegründete Postulat zu verwirklichen. Die byzantinische Synthese, die ihm als eine der ausgeprägtesten Formen des Zusammenlebens der Menschheit erschien, fand er in der Verbindung von römischem Staat, hellenischer Kultur und orthodoxem Christentum verkörpert, wozu als nicht weniger wichtige Komponente ein beständiger orientalisch-asiatischer Einfluß getreten sei, der bis nach China hin reichte; als wechselseitige Durchdringung (inter-pénétration) hat lorga dieses Phänomen bezeichnet. Eine solche Sicht stand einer lange geübten und auch heute noch nicht gänzlich überwundenen statischen Betrachtung der byzantinischen Geschichte, die in diesem Bezirk der Welthistoiie lediglich Konservatismus, Pfaffen turn, Aberglaube, rohen Geschmack, Unwissenheit, Niedertracht, Charakterlosigkeit, Verfall und Stillstand erkennen zu können glaubte, von vornherein entgegen; dessen ungeachtet sah sich lorga veranlaßt, im gleichen Vorwort zu seiner im Jahre :I934 erschienenen Histoire de la vie byzantine, auf das bereits Bezug genommen wurde, nachdrücklich auch das vertikale Moment seiner synthetischen Sicht zu unterstreichen. Entwicklungen zu erfassen erschien ihm als die Aufgabe des Byzanzhistorikers, statt sieh lediglich der Chronologie zu unterwerfen, wobei er in diese Entwicklungen die Theo-
Nicolai; Iorga als Byzniitinist
2.L
logie, als die Fortsetzung des griechischen Denkens der alexandrinischen Epochc verstanden, ausdrücklich einbezog. In bezug auf den byzantinischen Staat prägte er in diesem Zusammenhang die nicht ganz glückliche Formel vom byzantinischen Mittelalter, während seine Kennzeichnung der frühbyzantinischen Epochc als Rome orientale und insbesondere seine Charakteristik des türkischen Staates als Home touranienne sowie als neobyzantinisclie Monarchie islamischen (¡laubens zu fruchtbaren Überlegungen anreizten. Iorga selbst hat diese Überlegungen aufgenommen und in einer programmatischen Schrift von 1935, deren Titel Byzance après Byzance zur Bezeichnung eines zusätzlichen Arbeitsfeldes der Byzantinologie geworden ist, für Teilbereiche ausgeführt. So, wie die klassische Altertumswissenschaft schon seit langem die Erforschung des Nachlebens der Antike zur selbständigen Disziplin entwickelt hat, ist durch Iorga die Byzantinistik auf die gleiche Aufgabe gewiesen. Denn als „Type de civilisation" (nach seiner Formulierung) ist Byzanz mit dem Fall Konstantinopels im Jahre 1453 durchaus nicht verschwunden, sondern hat sichtbar weitergewirkt, nicht zuletzt auch, wie vorhin angedeutet wurde, bei den osmanischen Eroberern, lorgas spezielle These, daß jener postbyzantinische Byzantinismus mit der Aufklärung abgestorben sei, wird man dagegen nicht ohne weiteres hinnehmen. Nicht von ungefähr kam es, daß Iorga mit dem Hinweis auf das Nachwirken des Byzantinertums die Aktualität der byzantinistischen Studien herausstellte. Denn von früh auf war seine Arbeit als Historiker aus konkreten politischen Anlässen erwachsen; selbst wenn wir heute in einzelnen Fällen jene Anlässe anders beurteilen als Iorga, werden wir dennoch prinzipiell ein solches Engagement der Geschichtswissenschaft als I'ositivuin erachten. Daß Iorga mit jener Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart zugleich den engen Konnex zwischen der älteren Byzantinistik und der erst in den letzten Jahrzehnten formierten Südostcuropaforschung anbahnte, darf ebenfalls nicht unerwähnt bleiben: So hielt er bereits 1922 an der Sorbonne Vorlesungen über Formes byzantines et réalités balcaniques. Zu dieser beachtlichen konzeptionellen, forscherischen und darstellerischen Leistung treten lorgas nicht geringere Meriten auf dem Felde der Wissenschaftsorganisation. 19:1.4 gehörte er zu den Initiatoren des Bukarester Instituts für südosteuropäische Studien, eines der ersten seiner Art. Den ersten internationalen Byzantinistenkongreß im J a h r e 1924 gewann er für Bukarest. Das Byzantmistische Institut der rumänischen Hauptstadt wurde seit 1934 von ihm geleitet. Auch von seiner byzantinistischen Aktivität her ist es somit vollauf begründet, daß das Institut für Geschichte, das jetzt der neu ins Leben getretenen Akademie für Gesellschafts- und politische Wissenschaflen
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JOHANNES IRMSOHER
«loi- Sozialistischen Republik Rumänien einvcrblcibt ist, seit 1965 Nicolae lorgas Namen trägt. Wir fassen zusammen: Es ist das unstreitige Verdienst lorgas, in einer Zeit, zu der in der internationalen Byzanzforschung ein auf bloße Faktologie orientierter, vornehmlich um das gelehrte Detail bekümmerter Positivismus grassierte, diese Wissensehaft auf die welthistorischen Zusammenhänge gewiesen und ihre Verbindung mit brennenden Fragen der Gegenwart aufgezeigt zu haben. Die von ihm geübte synthetische Betrachtungsweise bedeutete auch und gerade für die Byzanlinistik einen Fortschritt im Methodischen und eröffnete zugleich neue Horizonte, welche am sichtbarsten sich in der Formel vom „Byzance après Bvzance" niederschlugen. Die marxistischleninistische Byzantinistik vermag die Konzeptionen «les Liberalen lorga, dessen kritische Haltung gegenüber der aggressiven Politik Hitlcrdeutschlands sie anerkennend zu würdigen weiß, nicht ungeprüft zu übernehmen. Sie übersieht weder gelegentliche nationalistische Entgleisungen noch die trotz wertvoller Ansätze in kultureller Hinsicht begegnende IJntcrschätzung der Volksrnassen als gcselnchtsbildender Kraft im Werke lorgas und wird nicht wenige seiner geistes- und idcologicgcschichtlichcn Aussagen vom Kopf auf «lie Füße stellen müssen, um sie gültig werden zu lassen. Sic steht nicht in epigonenhaftem Nachtrab zu dem großen Historiker der bürgerlichen Epoche Rumäniens, sondern verwirklicht sein Anliegen und sein Erbe in einer höheren Qualität; damit ist es im besten Sinne aufgehoben.
Prof. Dr. WEBNEB BAHNER
Das Sprach- und Geschichtsbewußtsein in der rumänischen Literatur von 1780-1880 (Sitzungsberichte der DAW zu Berlin, Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst, Jahrgang 1967, Nr. 3) 1967.150
Seiten - gr. 8° - Broschiert
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(2010/67¡V/S)
In dieser Studie werden die geistigen Auseinandersetzungen behandelt, die mit. der Herausbildung der rumänischen Nationalsprache verbunden waren. Auf dem Hintergrund der nationalen und gesellschaftlichen Emanzipationsbestrebungen in den rumänischen Provinzen wird gezeigt, wie sehr die Formung einer allgemeinverbindlichen Nationalsprache alle rumänischen Geistesschaffenden bewegte. Dies ging einher mit einer aus der Geschichte hergeleiteten nationalen Selbstverständigung. Bedingt durch die gesellschaftlichen Spannungen kam es in bezug auf die rumänische Sprachenfrage und auf das dabei vorhandene Geschichtsbewußtsein zu verschiedenen Standpunkten. Die Beiträge der Sprachreformer aus den einzelnen rumänischen Provinzen erwiesen sich in sehr unterschiedlichem Maße einer Lösung der Sprachenfrage förderlich. Da alle diese sprachreformerischen Bestrebungen mit nationalerzieherischcn Aspirationen verknüpft waren und ein Ineinander von sprachlichen, literarischen, historischen und politischen Fragestellungen aufweisen, werden sie in dieser Abhandlung in die historisch-gesellschaftliche Totalität der betreffenden Zeitabschnitte eingeordnet und erhalten von daher ihre Aufhellung. Es wird deutlich gemacht, weshalb diese nationalsprachlichen Bestrebungen Ende des 18. Jahrhunderts in Siebenbürgen einsetzten, und auf Grund welcher Faktoren gegen 1880 diese Diskussionen über die Gestalt und Geschichte der eigenen Sprache ihre Vehemenz einbüßten.
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Prof. Dr.
WEBNER
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Nicolae Bälcescu (1819-1852) Ein rumänischer revolutionärer D e m o k r a t im Kampf f ü r soziale u n d nationale Befreiung (Sitzungsberichte des Plenums und der problemgebundenen Klassen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Jahrgang 1970, Nr. 1) 1970. 24 Seilen - gr. S° - Broschiert Bestell-Nr.
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(2010/70/V/l)
In dieser Studie wird dargelegt, welch herausragende Rolle Bälcescu bei den um Mitte des vergangenen J a h r h u n d e r t s sich manifestierenden nationalen und sozialen Emanzipationsbestrebungen der Rumänen spielte. Sein politisches und schriftstellerisches Wirken wird in unmittelbarem Zusammenhang mit der gesellschaftlichen, politischen und geistigen Entwicklung in den beiden rumänischen Fürstentümern Moldau und Walachei und in Siebenbürgen kurz umrissen, wobei die in historisch-gesellschaftlicher und ideologischer Hinsicht vorhandenen gesamteuropäischen Bezüge besondere Beachtung finden. Der Verfasser zeigt, weshalb es f ü r Bälcescu keine Lösung der nationalen Frage ohne eine grundlegende Veränderung der bestehenden sozialen S t r u k t u r geben konnte. Außerdem bemühte er sich um den Nachweis, daß Bälcescu angesichts der in seinem Land bestehenden Verhältnisse mit seinen politischen und ökonomischen Forderungen die damals fortschrittlichste gesellschaftliche Position bezog.
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