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German Pages 266 Year 1991
ECKHARD MARIA THEEWEN
Napoleons Anteil am Code civil
Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Herausgegeben von Prof. Dr. Reiner Schulze, Trier, Prof. Dr. Elmar Wadle, Saarbrücken, Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, Regensburg
Band 2
Napoleons Anteil am Code civil
Von
Eckhard Maria Theewen
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Theewen, Eckhard Maria: Napoleons Anteil am Code civil I von Eckhard Maria Theewen. - Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte; Bd. 2) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-07048-8 NE: GT
Das Frontispiz zeigt den Ersten Konsul Napoleon Bonaparte im Jahre 1803, nach dem Gemälde [Ausschnitt] von Fran~ois Gerard, Musee Conde, Chantilly
Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0937-3365 ISBN 3-428-07048-8
Meiner Mutter
Vorwort Zum Bicentenaire des Ausbruchs der Französischen Revolution wurde die Arbeit als Dissertation der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt. Mein Dank gilt Herrn Professor Dr. Klaus Luig für seine Bereitschaft, meine Dissertation zu betreuen, und seine Unterstützung während der Forschung. Köln, im Dezember 1989
Eckhard Maria Theewen
,.Le Code civil doit etre le resultat le plus exact de Ia justice civile. S' il repose sur cette base, il sera eternel." Napoleon im Staatsrat, 21. Nivose XII fl2. Januar 18041. Locre. Bd. 14. S. 90.
Inhaltsverzeichnis Einleitung ... . .................... .. . . .................. . ..... .. .............. ·.·......
15
Erster Teil
Erstes Kapitel Biographische Skizze Napoleons
21
Zweites Kapitel Biographische Skizze der Rechtsgelehrten im Staatsrat
26
Drittes Kapitel Die geschichtliche Entwicklung des Code civil
34
I. Die Zivilrechtsentwicklung in Frankreich bis zum Staatsstreich Bonapartes . . .
34
II. Der Entschluß des Ersten Konsuls Bonaparte zur Schaffung des Code civil im Rahmen des Wiederaufbaus Frankreichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
1. Die Motive Bonapartes ..... . ................ , .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . . .. .. .. .. ..
38
2. Die Maßnahmen des Ersten Konsuls zur Durchsetzung der Kodifizierungspläne . . .......... . ............................... . ..... . ............... . .. . ....
42
Zweiter Teil
Erstes Kapitel Generelle Betrachtung über die Rolle Bonapartes bei den Staatsratsdebatten zum Code civil I. Die Protokolle Locn!s als Hauptquelle .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. II. Die Zeugnisse der an der Gesetzgebung beteiligten Zeitgenossen III. Die für die Gesetzesdebatten anberaumten Staatsratssitzungen . . . . . . . . . . . . . .
51 51 54 62
1. Die vom Ersten Konsul geleiteten Sitzungen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
62
2. Die von Cambaceres geleiteten Sitzungen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
65
Inhaltsverzeichnis
10
Zweites Kapitel
Die Debatten im Staatsrat unter der Leitung des Ersten Konsuls Bonaparte
69
I. Der Präliminartitel des Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . .
69
II. Das Erste Buch des Code civil [Personenrecht] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
1. Erster Titel "Von Genuß und Verlust der Bürgerrechte" . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
a) Erstes Kapitel "Vom Genuß der Bürgerrechte" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
aa) Art. 1, 1. Kapitel, 1. Titel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
73
bb) Art. 2, 1. Kapitel des Entwurfs
75
cc) Art. 4, 2. Kapitel des Entwurfs
76
dd) Art. 6, 2. Kapitel des Entwurfs
77
b) Zweites Kapitel "Vom Verlust der Bürgerrechte" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
aa) 1. Abschnitt "Vom Verlust der Bürgerrechte aufgrund des Verlustes der französischen Staatsbürgerschaft" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
a.) Art. 12, 2. Kapitel des Entwurfs........... . .......... .. . .. . ....
78
ß)
Art. 13, 3. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
bb) 2. Abschnitt "Vom Verlust der Bürgerrechte aufgrund gerichtlicher Verurteilung"... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
a.) Art. 15, 2. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . .
81
ß)
Art. 19, 2. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . .
82
y) Die Emigrantenfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
2. Zweiter Titel "Von den Personenstandsurkunden" . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
a) Erstes Kapitel "Allgemeine Regelungen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
b) Zweites Kapitel "Von den Geburtsurkunden" . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .
89
aa) Art. 19 des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
bb) Art. 24 des Entwurfs .. . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . .. . ... . . . . . . .. . . . . . . . ..
89
c) Drittes Kapitel "Von den Heiratsurkunden" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
aa) Art. 25 des Entwurfs . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . ..
90
bb) Art. 35 des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
d) Fünftes Kapitel "Von den Personenstandsurkunden für Militärpersonen außerhalb der Republik" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .
95
Inhaltsverzeichnis
11
3. Dritter Titel "Vom Wohnsitz" .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
100
4. Vierter Titel "Von den Verschollenen" .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
101
a) Zur Problematik des Terminus absent .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... .. .... ..
101
b) Art. 1 des Entwurfs .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
102
c) Art. 2 bis 4 des Entwurfs .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
103
d) Die Einführung der staatlichen Fürsorgepflicht .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
104
e) Art. 6 des Entwurfs . . .. . . .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
106
f) Art. 11 und 12 des 2. Entwurfs .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
107
g) Art. 13 des 2. Entwurfs .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
110
h) Das rechtliche Schicksal der Ehefrau eines Verschollenen . . . . . . . . . . . .
111
5. Fünfter Titel "Von der Ehe" .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
112
a) Erstes Kapitel "Von den zur Eheschließung erforderlichen Eigenschaften und Voraussetzungen" . .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . . . .. .. .. .. .
112
aa) Die Heiratsfähigkeit .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
112
bb) Art. 3, 2. Kapitel des Entwurfs .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
115
b) Zweites Kapitel "Von den die Eheschließung betreffenden Förmlichkeiten" . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116
aa) Art. 2, 2. Kapitel des Entwurfs
116
bb) Art. 5, 2. Kapitel des Entwurfs
117
c) Viertes Kapitel "Von den Klagen auf Ungültigkeit der Ehe" . . . . . . . . .
118
aa) Art. 4, 2. Kapitel des Entwurfs .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. ..
118
bb) Eigenschaftsirrtum und Identitätsirrtum bei der Eheschließung ..
121
cc) Art. 2, 2. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs
124
dd) Art. 7, 2. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs
124
d) Das förmliche Heiratsgesuch der Kinder .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
126
e) Fünftes Kapitel "Von den durch die Eheschließung entstehenden Verbindlichkeiten" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .
126
aa) Die Mitgift . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
bb) Die Unterhaltspflicht .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... .. ..
128
f) Sechstes Kapitel "Von den wechselseitigen Rechten und Pflichten der Ehegatten" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .
129
aa) Art. 2, l. Abschnitt, 5. Kapitel des Entwurfs
129
bb) Art. 1, 2. Abschnitt, 5. Kapitel des Entwurfs
132
Inhaltsverzeichnis
I2
6. Sechster Titel "Von der Ehescheidung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133
a) Der Weg von der Zulässigkeil der Ehescheidung wegen Unverträglichkeit der Gemüter zur Ehescheidung wegen beiderseitigen Einverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I33
aa) Art. I und 2, I. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I33
bb) Bonapartes Verständnis von der Unauflösbarkeit der Ehe . . . . . . .
I4I
b) Die Motive des Ersten Konsuls in der Ehescheidungsfrage . . . . . . . . . . .
I42
aa) Der Vorwurf der Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
I42
bb) Der Vorwurf rein persönlicher Beweggründe . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .
I43
c) Sechster Titel, fünftes Kapitel ,,Von der Scheidung von Tisch und Bett"
I49
7. Siebter Titel "Von Vaterschaft und Abstammung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I 50
a) Art. 1, I. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I 50
b) Die Verankerung einer Ausnahme bei Verheimlichung der Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I 53
c) Art. 4, I. Kapitel des Entwurfs
I 54
d) Art. 2, I. Kapitel des Entwurfs
I 55
e) Art. 7, I. Kapitel des Entwurfs
I 56
f) Art. 2 und 3, 2. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I 57
g) Art. 2, I. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I 58
h) Art. 8, 2. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I 59
i) Art. 6, 2. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs
I6I
8. Achter Titel "Von der Adoption" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . .
I63
a) Die Debatte vor der Unterbrechung . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .
I63
aa) Die Frage des rechtlichen Charakters der Adoption . . . . . . . . . . . . . .
I63
bb) Einzelfragen des Adoptionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I69
a) Art. 34 des Entwurfs . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .
I69
Art. 8 des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I70
y) Art. l3 des 3. Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I70
Ö) Die Frage des Adoptionsrechts für Unverheiratete . . . . . . . . . . .
I72
b) Die Debatte nach Wiederaufnahme der Gesetzesarbeiten .... . . .. . .. . .
I73
aa) Der Stimmungswandel im Staatsrat zu Ungunsten des Adoptionsrechts und die Verteidigung durch den Ersten Konsul . . . . . . . . . . .
I73
bb) Einzelfragen des Adoptionsrechts . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .
I75
~)
a) Die Regelung der Spruchkompetenz der Gerichte und des Min-
destalters für Adoptivkinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
Inhaltsverzeichnis
ß)
13
Pflege oder besondere Dienste als Zulässigkeitsvoraussetzungen... . .. . .. . .................. . ..................... .......
175
y) Art. 1 des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176
O) Art. 4 des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .
177
cc) Das Institut der Pflegeeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178
c) Die Motive Bonapartes .. . ......... ....... .. . .. . .. .. .............. . .. . ...
179
9. Neunter Titel "Von der Väterlichen Gewalt" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .
182
III. Die Regelung der Grundrenten im Zweiten Buch des Code civil . . . .. . . . .. . .
187
IV. Das Dritte Buch des Code civil .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . .. . .
191
1. Erster Titel "Von der Erbfolge" [Intestaterbfolge] . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . .
191
a) Art. 2, 1. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191
b) Art. 10, 2. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
192
c) Art. 26 und 27, 2. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . ..
193
2. Zweiter Titel "Von den Schenkungen unter Lebenden und den Testamenten" . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
194
a) Die Schenkungen unter Lebenden .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .
194
aa) Art. 2 des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . .. .. . . .
194
bb) Art. 46, 1. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs .... .... .. .. .. .. .. ..
195
b) Drittes Kapitel "Vom verfügbaren Vermögensteil und von der Reduktion" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197
aa) Die QuoteJung . .. . . .. .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . .. . . . .. . .
197
bb) Art. 18, 1. Abschnitt, 2. Kapitel des Entwurfs .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
203
cc) Der zur Herabsetzung der Schenkung auf den verfügbaren Vermögensteil berechtigte Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Sechstes Kapitel [Substitution und Fideikommiß] .... .. .. .. .. .. .. .... . 207 3. Sechster Titel, sechstes Kapitel, zweiter Abschnitt "Von der Rückgängigmachung des Verkaufs wegen Verletzung der Preisgerechtigkeit" . . . . . . . 212 a) Art. 94, 2. Abschnitt, 6. Kapitel des Entwurfs .... .. .. .. .. .. .. .. .... ...
212
b) Art. 104, 2. Abschnitt, 6. Kapitel des Entwurfs .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
216
c) Art. 96, 2. Abschnitt, 6. Kapitel des Entwurfs
217
d) Art. 97, 2. Abschnitt, 6. Kapitel des Entwurfs
218
e) Art. 102, 2, Abschnitt, 6. Kapitel des Entwurfs .. .. .. .. .. .. .. .... .. .. ..
219
14
Inhaltsverzeichnis 4. Vierzehnter Titel, zweites Kapitel, erster Abschnitt "Von den Wirkungen der Bürgschaft im Verhältnis von Bürge und Gläubiger" . . . . .. . . . . . . . . . . . 221 5. Fünfzehnter Titel "Vom Vergleich" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 6. Achtzehnter Titel, drittes Kapitel "Von den Hypotheken" . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Der Siegeszug von Publizität und Spezialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Art. 49 und 50 des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
Dritter Teil Zusammenfassung Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237 255
Einleitung In der Verbannung auf Sankt Helena hat Napoleon 1 sein Lebenswerk folgendermaßen kommentiert: "Mein Ruhm beruht nicht auf den 40 gewonnenen Schlachten und darauf, daß ich den Königen, die es gewagt hatten, dem französischen Volk zu verbieten, seine Regierungsform zu ändern, meinen Willen diktiert habe. Waterloo wird die Erinnerung an diese Siege auswischen, so wie der letzte Akt alle vorangegangenen vergessen macht. Doch was nichts auslöschen kann, was ewig bleiben wird, das ist mein Code civil, das sind die Protokolle meines Staatsrates, meine gesamte Korrespondenz mit meinen Ministern, kurz all das Gute, das ich als Administrator, als Erneuerer der großen Familie Frankreich geschaffen habe." 2 Diese Prophezeiung ist nicht in Erfüllung gegangen. Der Kaiser ist gerade als Feldherr in die Geschichte eingegangen. 3 Das Schicksal dieser historischen Persönlichkeit hat Sieburg treffend charakterisiert: "Seine Kriege hüllen sein Andenken in Zwielicht, seine Eroberungen sind zerfallen. Die Taten des Gesetzgebers und Verwalters, so dauerhaft sie sind, werden nur von Kennern ganz ermessen." 4 Die gesetzgebensehe Leistung wird in der Napoleon-Literatur bis heute nur selten gebührend gewürdigt\ und in der modernen Rechtsliteratur 6 herrscht Unklarheit über die juristische Bildung Napoleons. Im deutschsprachigen Schrifttum gibt es lediglich eine Arbeit, die sich mit dem Anteil Bonapartes an der Gesetzgebung des Code civil von 1804 auseinandersetzt. Es handelt sich um Gönners Aufsatz "Über Napoleons persönlichen Einfluß auf das französische Civilgesetzbuch", der in dessen "Archiv für die Gesetzgebung und Reforme des juristischen Studiums" vor nunmehr 180 Jahren erschienen 1 Mit Ausnahme des Titels der vorliegenden Arbeit wurde bei der Bezeichnung der historischen Persönlichkeit der Name Bonaparte gewählt, sofern von ihr bis zur Erhebung zum Kaiser der Franzosen, also während der gesamten Gesetzgebungsdebatten, die Rede ist. Bei Exkursen in die Zeit ab dem 18. Mai 1804 und allgemeinen Betrachtungen über den Gesetzgeber wurde der Name Napoleon gewählt. Alternativ wurde, um Wiederholungen zu vermeiden, jeweils der Titel "Erster Konsul" beziehungsweise "Kaiser" verwendet. 2 Gespräch vom 26. September 1816, Montholon, Bd. 1, S. 401. 3 Canton, S. 3 f. 4 Sieburg, S. 13. 5 Siehe z. B. die ansonsten sehr sorgfältige Napoleon-Biographie von Tulard, in der der Autor nur auf die Finanz- und Verwaltungsreformen eingeht, ohne den Code civil zu erwähnen. 6 Amaud, S. 58.
16
Einleitung
ist. Bereits damals unterstellte Gönner Bonaparte in der Adoptionsdebatte persönliche Motive. Seine dürftige Untersuchung leidet teilweise an unrichtigen Übersetzungen der Entwürfe und deren Sichtung im Gesamtzusammenhang. So kommt Gönner zum Teil zu falschen Ergebnissen. Überhaupt handelt es sich bei seinem Aufsatz im wesentlichen um das Anführen von Zitaten Bonapartes, denen nur ganz selten der Entwurf und der endgültige Gesetzestext beigeordnet wird. So muß man sich auf das verlassen, was Gönner mit seinen Worten wiedergibt. Das Ganze geschieht pauschal in einer Art Erzählton und ist nicht mehr als eine knappe Auswahl des Stoffes. Eine differenzierte Darstellung der Entwicklung vom ersten Entwurf über eventuelle verbesserte Fassungen bis zum Gesetzestext wird nicht geboten. Frankreich hat acht Bearbeitungen dieses Themas vorzuweisen. Ein Jahr vor Gönner brachte Rondonneau seine Schrift "Napoleon le Grand considere comme legislateur" heraus, die jedoch entgegen dem Titel nichts als Aufzählungen der von Napoleon eingerichteten Institutionen enthält und auf dessen Anteil an der Zivilgesetzgebung mit keinem Wort eingeht. 7 Die erste wichtige Arbeit stammt erst aus dem Jahre 1855. Es handelt sich um die unter dem Titel "De Ia part prise par le Premier Consul a Ia confection du Code civil" im Druck erschienene Rede Nicias-Gaillards. Trotz der durchweg treffenden Urteile fehlt die differenzierte Auseinandersetzung mit der Entwicklung der von Bonaparte beeinflußten Entwürfe. Der Autor gibt nur eine Auswahl gekürzter Stellungnahmen Bonapartes zu den wichtigeren Fragen wieder. Als nächstes erschien 1865 Mactelins Abhandlung mit dem Titel "Le Premier Consul legislateur. Etude sur Ia part que prit Napoleon aux travaux preparatoires du Code ". Ihre Entstehung ist aus dem Umstand zu erklären, daß mit der Errichtung des zweiten Kaiserreichs unter dem Neffen Napoleons I. das Interesse an dem berühmten Vorfahren und Begründer der Dynastie und seinen Errungenschaften wieder auflebte. So verwundert es nicht, daß Mactelins Arbeit von einer tiefen Verehrung für Napoleon geprägt ist und an manchen Stellen die gebotene kritische Einstellung vermissen läßt. Madelins Darstellung ist fast durchweg zu pauschal und behandelt das Thema auch nur schwerpunktmäßig. Dagegen bemüht sich Perouse in seiner im darauffolgenden Jahr veröffentlichten Abhandlung "Napoleon/" et /es lois civils du Consulat et de l' Empire" um mehr Objektivität. Sie ist Madelin auch hinsichtlich der Auswertung der Quellen überlegen. Erst Ende des Jahrhunderts erschien die Arbeit Jacs, "Bonaparte et le Code civil. De l' injluence personneUe exercee par le Premier Consul sur notre Iegislation civile ", die zunächst in der Revue catholique des institutions et du droit 1898 und sodann im selben Jahr in Buchform veröffentlicht wurde. Der streng katholische Autor steht Napoleon und seinen liberalen Programmen, vor allem der Zivilehe und der Ehescheidung, sehr kritisch
7
Nach Sagnac, S. XX, sind Rondonneaus Veröffentlichungen zum Code civil un-
brauchbar.
Einleitung
17
gegenüber und kommt aufgrundseines Eifers kaum zu gerechten Urteilen. Zudem muß Jac vorgehalten werden, daß er ganze Passagen wörtlich von Madelin abgeschrieben hat, ohne dies kenntlich zu machen. 8 Der Beitrag von de Roux, "Napoleon tegislateur", für die Revue hebdomadaire, Jahrgang 1921, ist nur eine ganz summarische Behandlung des Stoffes auf 19 Seiten. Savatiers Schrift "L' art de faire /es lois. Bonaparte et le Code civil" aus dem Jahre 1927 befaßt sich fast ausschließlich mit dem Personenrecht Savatiers Darstellung ist zudem ziemlich pauschal und im historischen Detail nicht immer richtig. Der letzte französische Beitrag stammt aus dem Jahre 1934. Es handelt sich um Villeneuve de Jantis Arbeit "Bonaparte et le Code civil". Sie zeichnet sich gegenüber den älteren Bearbeitungen dadurch aus, daß sie sich um mehr Objektivität bei der Würdigung der Person Napoleons bemüht. Zwar fällt der Autor nüchterne, in der Regel zutreffende Urteile, doch reichert er seine Abhandlung, die er zuweilen in der Formulierung mit geradezu romanhaften Akzenten versieht, mit zahlreichen Anekdoten an 9 • Obwohl Villeneuve de Janti in seinem Vorwort 10 ausdrücklich darauf hinweist, daß seine Arbeit ausschließlich für Juristen bestimmt sei, erschöpft sie sich im wesentlichen in einer historischen Schilderung der Gesetzesarbeiten. Man vermißt eine eingehende juristische Würdigung der Genese der einzelnen von Bonaparte beeinflußten Entwürfe. Der Autor reiht lediglich die Wortmeldungen des Ersten Konsuls aneinander", ohne die Entwicklungen deutlich zu machen. Dabei weist seine Bearbeitung zahlreiche Lücken auf. So fehlen etwa die Debatten zum Präliminartitel und teilweise auch die zur Ehescheidung 12• Der Italiener Giordani veröffentlichte 1810 eine Lobrede mit dem Titel "Napoleone legislatore. Panegirico", die er am 16. August 1807 in der Accademia letteraria von Cesena gehalten hatte. Darin sollte es laut Zwischentitel um die bürgerlichen Errungenschaften Napoleons gehen, doch wird die Veröffentlichung weder dem noch dem Haupttitel gerecht. Auf den Code civil und das Institut der Ehescheidung entfällt jeweils lediglich eine Seite. Die diesbezüglichen Stellungnahmen sind unbrauchbar. 1838 legte Swart der Universität Leiden eine Dissertation in lateinischer Sprache mit dem Titel "Disputatio juridica inauguralis de Napoleonte legislatore et jurisconsulto" vor. Auf den dritten Teil der insgesamt 80 Seiten umfassenden Arbeit, der die konkrete Einflußnahme Bonapartes auf die Gesetzesarbeiten zum Code civil darstellen soll, entfallen 24 Seiten. Swart behandelt das Thema nur sehr summarisch. Er geht beispielsweise auf die Scheidungsdebatte gar nicht s Vgl. statt vieler Beispiele nur Jac, S. 50, Zeile 16 bis 23, mit Madelin, S. 71, Zeile 3 bis 12. 9 Siehe z. B. Villeneuve de Janti, S. 56 ff. to Villeneuve de Janti, S. 12. " Siehe z. B. Villeneuve de Janti, S. 94. 12 Siehe bei Villeneuve de Janti, S. 98- 113, wo der Autor auf die Theorie von der Ehescheidung wegen Unverträglichkeit der Gemüter überhaupt nicht eingeht. 2 Theewen
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näher ein, sondern beschränkt sich darauf, auf die Protokolle Locres zu verweisen. Auch mit den Motiven des Ersten Konsuls beschäftigt sich Swart nicht. Schließlich wäre noch zu erwähnen, daß die moderne rechtshistorische Literatur dieses Thema so gut wie überhaupt nicht berücksichtigt. Arnaud geht in seiner Abhandlung über die "Origines doctrinales du Code civil franr,;·ais" aus dem Jahre 1969 entgegen der Ankündigung in der Einleitung 13 auf den Anteil Bonapartes nicht ein. Die wenigen Bonaparte betreffenden Bemerkungen sind in einigen wesentlichen Punkten unrichtig. Die Hinweise bei Ourliac und de Malafosse in deren "Histoire du droit prive" sind spärlich und zum Beispiel in der Adoptionsfrage mißverständlich. Bei einigen Materien, wie etwa bei der Abhandlung des Instituts der Pflegeeltern, fehlt jeglicher Hinweis auf die Autorschaft Bonapartes. Die "Histoire du droit prive franc;ais" von Ourliac und Gazzaniga bietet nichts zu diesem Thema. Auch Ferid verkennt in seinem "Französischen Zivilrecht" im Rahmen des historischen Rückblicks den Einfluß des Ersten Konsuls, wenn er ihn auf die Förderung der "Geschwindigkeit der Beratungen" verkürzt, seine Ausgestaltung des Familienrechts als schlechthin patriarchalisch bezeichnet und im übrigen vor einer Überschätzung warnt 14 • Die Dürftigkeit der Beweisführung wird an den spärlichen Literaturhinweisen deutlich, die nicht einmal als die einschlägigen bezeichnet werden können. Bei Ferid kommt die Stellungnahme zu Napoleons Anteil über drei Sätze und eine Fußnote nicht hinaus. Dabei ist sein Urteil zu pauschal und einseitig. Zusammenfassend ist zum Stand der Forschung folgendes zu sagen: Man sucht in der Literatur vergebens die vollständige Wiedergabe der Evolution von Gesetzesnormen aufgrund einer detaillierten Analyse der sukzessiven Entwürfe. In keiner Bearbeitung ist der Einfluß Bonapartes konkret abzulesen. Die Darstellung der Motive Bonapartes wurde meist pauschal vorgenommen, ohne daß die besonderen Beweggründe seiner einzelnen Stellungnahmen herausgearbeitet wurden. Die vorliegende Arbeit versucht, diese Fehler zu vermeiden. Aufgabe dieser Untersuchung war es, erstens sämtliche Materien, die der Erste Konsul zu beeinflussen versucht hatte, darzustellen, und zweitens für alle diese Fälle seine Beweggründe aufzuspüren. Dazu wurde auf alle einschlägigen Memoiren und Tagebücher der Zeitgenossen sowie die Schriften und Korrespondenzen Napoleons zurückgegriffen. Von Bedeutung war auch der Umstand, daß die Tagebücher des Generals Bertrand erst nach Erscheinen der letzten Abhandlung veröffentlicht worden sind. Darin werden die Gespräche Napoleons während der Internierung auf Sankt Helena wiedergegeben. Sie sind wegen der Offenheit, mit der Bertrand die Aussprüche des Kaisers getreu aufgezeichnet hat, ein besonders wichtiges Zeugnis.
13 14
Arnaud, S. 26. Ferid, S. 119 f.
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In dieser Arbeit werden, dem Aufbau und Wortlaut des Code civil des Franqais von 1804 folgend, alle Artikel untersucht, an deren Entwürfen Bonaparte mitgewirkt hat. Dabei wurden auch die erfolglosen Interventionen einbezogen. Unberücksichtigt blieben lediglich solche Beratungen, in denen der Erste Konsul nur Verständnisfragen stellte, auf die Ausgestaltung einzelner Regelungen aber keinen Einfluß auszuüben versuchte. Die Untersuchung geht so vor, daß stets zunächst die erste Fassung eines Entwurfs zu einem Artikel des Code vorgestellt wird. Sodann erfolgt eine Darstellung der Debatte unter besonderer Berücksichtigung der Wortmeldungen Bonapartes, sofern sie eine Diskussion provozierten oder gar zu einer Änderung des Entwurfs führten. Es kam zuweilen vor, daß aufgrund seiner Anregung ein neuer Entwurf erstellt wurde, der daraufhin in einer späteren Sitzung wieder verworfen wurde. Auch dies wird berücksichtigt, indem stets die endgültige Fassung des Artikels zitiert wird, falls der Entwurf von den Gesetzgebern nicht ganz gestrichen wurde. Sofern die von Bonaparte mitgestalteten Artikel heute noch gültig sind, wird dies vermerkt. Beim Studium der Protokolle wurde der Textsammlung Locres gefolgt. Locre war Generalsekretär des Staatsrates und als solcher für die Protokollierung der Debatten verantwortlich. Seine .,Legislation civile" bildet die Hauptquelle dieser Arbeit. 15 Locre hat das komplizierte Zusammenspiel zwischen der Entwicklung der Entwürfe und der Wiedergabe der zeitlich teils weit auseinanderliegenden Debatten zu einer bestimmten Materie in besonders gründlicher Weise geordnet. Fenet hat in seinem .,Recueil complet des travaux preparatoires du Code civil" dagegen von Locre abgeschrieben und sogar Druckfehler übernommen 16, ohne Locres Ordnung zu beachten, die an Übersichtlichkeit der seinen überlegen ist. Favards Textsammlung mit dem Titel .,Conference du Code civil, avec Ia discussion particuliere du Conseil d' Etat" birgt den Nachteil, daß darin die Debatte aufgeteilt und unter dem jeweiligen Artikel wiedergegeben wird. Die Übersetzungen der Entwürfe, der Artikel des Code civil, deren Wortlaut der Erstausgabe Paris 1804 entnommen wurde, der fremdsprachigen Literatur und Quellen stammen vom Verfasser. Vom Code civilliegt zwar eine deutsche Übersetzung von Daniels aus dem Jahre 1808 vor. Deren Stil ist heute jedoch nur noch schwer verständlich. Auch sind Fehler in der Übersetzung festzustellen. Aus diesen Gründen verbot sich eine Verwendung des Textes von Daniels. Gleiches gilt für die Ausgabe des Großherzogtums Berg. Die Arbeit möchte so mit simplifizierenden Theorien über Bonapartes rein persönliche Motive bei bestimmten Gesetzesmaterien aufräumen, die sich bis
15 16
2*
Siehe unten S. 51.
Durand, Conseil, S. 17 f., Fußnote 3.
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heute erhalten haben 17 , und eine vollständige Darstellung seiner gesetzgebensehen Leistung bei der Schöpfung des Code civil von 1804 bieten. Damit soll nicht nur die französische Zivilgesetzgebung unter dem Konsulat, sondern auch die Persönlichkeit und die politische und juristische Haltung Napoleons charakterisiert werden. 18
17 So unterstellt z. B. Imbert, Artikel ,.Code civil", in: Dictionnaire Napoleon, 1987, S. 430, Bonaparte habe bei der Scheidungsdebatte an seine eigene mögliche Scheidung von seiner Frau Josephine gedacht. 18 Bei der weiteren Lektüre kann zunächst die Zusammenfassung, S. 237-253, als Einführung in die Detailanalyse gelesen werden.
ERSTER TEIL Erstes Kapitel
Biographische Skizze Napoleons Napoleon wurde am 15. August 1769 als Napoleone Buonaparte in Ajaccio auf Korsika als zweiter Sohn des Advokaten Carlo Buonaparte und der Maria Laetitia, geborene Ramolino, geboren. Die Mittelmeerinsel Korsika war gerade ein Jahr zuvor Frankreich einverleibt worden. Da er aus adeliger Familie stammte, durfte Napoleone die Militärschulen von Brienne 1 und Paris 2 besuchen. Mit Patent vom 1. September 1785 wurde er als Sous-lieutenant im Regiment d' artillerie de La Fere angestellt. 3 Obwohl er nun französischer Offizier war, beschäftigte er sich mit den Autonomiebestrebungen Korsikas und der Befreiung von der französischen Herrschaft und unterstützte die korsische Unabhängigkeitsbewegung. Nach dem Tod des Vatersam 24. Februar 1785 sorgte der junge Bonaparte für die verarmte Familie. Am 18. Ventose I [8. März 1793] wurde er zum Capitaine commandant im 4. Fußartillerie-Regiment ernannt. 4 Der Bruch mit den korsischen Separatisten im April 1793 5 zwang ihn und seine Familie zur Flucht auf das französische Festland 6• Im seihen Jahr 7 verfaßte er die Schrift " Le Souper de Beaucaire ", in der er sich zur Bergpartei 8 bekannte. Sein genialer Angriffsplan zur Rückeroberung des im Auftrage der Royalisten von den Engländern besetzten Toulon brachte ihm am 2. Nivose II [22. Dezember 1793] die Beförderung zum Brigadegeneral ein. 9 Vom Nivose II [Januar 1794] an war er Oberbefehlshaber der Italienarmee. 10 Nach dem Sturz Robespierres Vom 15. Mai 1779 bis zum 17. Oktober 1784, Garros, S. 23 ff. Vom 19. Oktober 1784 bis zum 28. Oktober 1785, Garros, S. 26 f. 3 Garros, S. 27. 4 Coston, Bd. 1, S. 234; Schuermans, S. 14. 5 Garros, S. 54 f. 6 Am 13. Juni 1793 Ankunft in Toulon, siehe Garros, S. 59, vgl. auch Louis Bonaparte, Bd. 1, S. 34. 7 Am 28. Juli 1793, Garros, S. 61. s Diese linksradikale Bewegung setzte sich aus Jakobinern [Führer: Robespierre] und Cordeliers [Danton, Marat] zusammen. 9 Schuermans, S. 18. 10 Schuermans, S. 19. I
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I. Teil, 1. Kapitel: Biographische Skizze Napoleons
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erhielt er am 2. Prairial III [21 . Mai 1795] die Nachricht von seiner Entlassung aus der Armee 11 . Kurz darauf wieder aktiviert 12 , wurde er von Barras zur Niederschlagung des royalistischen Aufstandes zur Hilfe gerufen und nach dem siegreichen Straßenkampf gegen die Pariser Section am 13. Vendemiaire IV [5. Oktober 1795] zum Oberbefehlshaberder Armee des Innern ernannt 13 • Am 12. Ventose IV [2. März 1796] 14 folgte dann die Ernennung zum Oberbefehlshaber der Italienarmee. Eine Woche später 15 heiratete er vor dem Standesbeamten die Witwe Marie-Joseph-Rose Vicomtesse de Beauharnais 16, geboreneTascher de Ia Pagerie, die Bonaparte Josephine nannte. Sie war zuvor die Mätresse Barras' gewesen. Diese von Barras selbst begünstige Eheschließung brachte Bonaparte die von ihm angestrebte soziale Anerkennung in den gesellschaftlichen Kreisen des Direktoriums.17 Der Italienfeldzug von 1796 bis 1797 im Rahmen des ersten Koalitionskrieges wurde von Bonaparte ruhmvoll beendet. Mit der territorialen Neuordnung Oberitaliens und den eigenmächtigen Friedensschlüssen mit dem Papst und Österreich 18 zeigten sich seine politische und administrative Begabung und Selbständigkeit. Nach seiner Rückkehr nach Paris am 15. Primaire VI [5. Dezember 1797] 19 wurde ihm auf seine Initiative hin der Oberbefehl über die Ägyptische Expedition übertragen 20, die er jedoch nicht erfolgreich beenden konnte. Deshalb verließ er vorzeitig den Kriegsschauplatz und erschien am 24. Vendemiaire VIII [16. Oktober 1799] wieder in Paris 21 . Die schockierenden Eindrücke militärischer Rückschläge der französischen Heere in Deutschland und Italien zu Beginn des zweiten Koalitionskrieges, der rapide Verfall des Ansehens des unfähigen Direktoriums und die von den Mitverschwörern um Sieyes 22 unterschätzte Popularität Bonapartes, in dem das Volk den Retter Frankreichs sah, ermöglichten im wesentlichen den Staatsstreich vom 18. Brumaire VIII [9. November 1799]. Bonaparte diktierte die Konsulatsverfassung vom 22./23. Primaire VIII [13./ 14. Dezember 1799)23, die ihn zum ersten von drei auf zehn Jahre bestimmten Konsuln machte. 11 Schuermans, S. 27; Garros, S. 78. 12 Am 25. Prairial III [13. Juni 1795], Schuermans, S. 28, Garros, S. 79.
3. Brumaire IV [26. Oktober 1795], Schuermans, S. 31, Garros, S. 83. Schuermans, S. 32, Garros, S. 83; Barras, Bd. 2, S. 69 nennt irrtümlich den 14. Vendemiaire. 1s Am 19. Ventose IV [9. März 1796]. 16 1763 bis 1814. Ab 1804 Kaiserin der Franzosen. Siehe Meneval, Josephine. 11 Barras, Bd. 2, S. 71. 18 Leoben und Campo-Formio, 29. Germinal V [18. Apri11797] bzw. 26. Vendemiaire VI [17. Oktober 1797]. 19 Schuermans, S. 61; Garros, S. 121. 2o Am 15. Ventose VI [5. März 1798], siehe Correspondance inedite, Bd. 5, S. 10. 21 Schuermans, S. 88; Garros, S. 150. 22 Emmanuei-Joseph Sieyes, 1748 bis 1836, Schriftsteller und Staatsmann, veröffentlichte im Januar 1788 seine berühmte Schrift .. Qu'est-ce que le tiers-etat?". 13
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Während des Konsulats 24 konsolidierte Bonaparte viele Errungenschaften der Revolution. Er stabilisierte die innenpolitische Ordnung und schuf die rechtlichen, administrativen und kulturellen Grundlagen für den Aufstieg des Bürgertums. Bonaparte ersetzte die miteinander konkurrierenden revolutionären Gewalten durch ein durchorganisiertes, straff zentralisiertes Verwaltungssystem, schuf ein einheitliches Unterrichtswesen, konsolidierte die desolate Finanzlage 25 und machte mit dem Abschluß des Konkordats mit Papst Pius VII. 26 am 26. Messidor IX [15. Juli 1801] den Klerus durch staatliche Besoldung vom Staat abhängig. Den zweiten Koalitionskrieg führte er in der Schlacht von Marengo 27 zum siegreichen Ende und erreichte mit den Friedensschlüssen von Luneville und Amiens 28 den allgemein ersehnten Frieden. Durch diese Erfolge konnte er, gestützt auf zwei Plebiszite, seine Machtentfaltung vorantreiben. Am 14. Thermidor X [2. August 1802] zum Konsul auf Lebenszeit gewählt mit dem Recht, seinen Nachfolger selbst zu bestimmen, krönte er sich am 11. Frimaire XIII [2. Dezember 1804] in Notre-Dame zu Paris selbst zum erblichen Kaiser der Franzosen 29 und ließ sich sodann vom Papst salben. Am 26. Mai 1805 krönte er sich in Mailand mit der eisernen Krone der Lombardei zum "König von Italien 30". Neben dem 1804 geschaffenen Code civil führte er während des Kaiserreichs den Code de procedure civile [1. Januar 1807], den Code de Commerce [verkündet am 10. September 1807, in Kraft ab dem 1. Januar 1808], und am 1. Januar 1811 Code penal und Code d' instruction criminelle ein. 31 Seine Brüder und seinen SchwagerMurat machte er zu Königen seiner neugegründeten Satellitenstaaten und suchte durch Heiratsverbindungen mit europäischen Herrscherhäusern seine Dynastie zu festigen. Neben der Stiftung der Ehrenlegion 32 schuf er einen prunkvollen Hof. Die durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 6. Ventose XI [25. Februar 1803] eingeleitete territoriale Neuordnung Deutschlands wurde durch den unter Napoleons Protektorat gebildeten Rheinbund 33, der zur Auflösung des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" führte, fortgesetzt. 23 Vandal, Bd. 1, S. 524. 24 1799 bis 1804. 25 Perrin, S. 85. 26 1742 bis 1823, am 23. Ventose VIII [14. März 1800] zum Papst gewählt, schloß er durch Vermittlung des Kardinals Consalvi das Konkordat mit Bonaparte. Consalvi, Bd. 1, S. 309 ff. 27 25. Prairial VIII [14. Juni 1800]. 28 20. Pluviose IX [9. Februar 1801] und 6. Germinal X [27. Mai 1802]. 29 Er krönte sich selbst, weil er der Ansicht war, die Krone sich selbst zu verdanken. "Ich habe die Krone Frankreichs mit der Spitze meines Degens von der Erde aufgehoben", sagte Napoleon nach Remusat, Memoires, Bd. 1, S. 380. 30 Oberitalien. 31 Edmond-Blanc, S. 179 ff. 32 Am 29. Flortal X [19. Mai 1802].
I. Teil, 1. Kapitel: Biographische Skizze Napoleons
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Der Gegensatz zwischen dem britischen Imperialismus und dem französischen, von Bonaparte weiterentwickelten Hegemonialanspruch führte bereits 1803 erneut zum Konflikt. Im dritten Koalitionskrieg folgte nach Napoleons Sieg in der Drei-Kaiser-Schlacht von Austerlitz am 2. Dezember 1805 der Österreich tief demütigende Friede von Preßburg 34. Preußen wurde im vierten Koalitionskrieg in der Doppelschlacht von Jena und Auerstaedt 35 völlig niedergeworfen. Nach dem Sieg von Friedland 36 folgte in Tilsit das Bündnis mit Zar Alexander von Rußland 37 . Die 1806 verhängte Kontinentalsperre sollte England in den wirtschaftlichen Ruin treiben, nachdem Frankreich in zwei Seeschlachten unterlegen und eine Invasion der Insel nicht mehr zu verwirklichen war. Zur Durchsetzung dieser Handelssperre sah sich Napoleon gezwungen, immer wieder militärisch in Aktion zu treten. Der Erfurter Fürstentag 38 war eine glanzvolle Demonstration der Macht, auf deren Höhepunkt Napoleon angekommen war. 1808 dehnte er seinen Einfluß auch auf Spanien aus. Jedoch erwies sich der von den konservativen Kräften gesteuerte Volksaufstand der Spanier, der militärisch auch von England unterstützt wurde, für die französischen Armeen mit der Dauer des Krieges auf der iberischen Halbinsel als katastrophal. In der Schlacht von Wagram am 6./7. Juli 1809 wurde die Erhebung Österreichs niedergeworfen. Danach lösten Napoleon und Josephine die kinderlos gebliebene Ehe. Die Ziviltrauung wies zwar wesentliche formale Mängel auf39, doch der Kaiser verzichtete darauf, die Auflösung seiner Ehe darauf zu stützen. 40 Er einigte sich mit seiner Frau und ließ die Auflösung der Ehe durch den Senat beschließen. 41 Die kirchliche Hochzeit wurde aus formalen Gründen für ungültig erklärt. Der Zeremonie hatten nicht die erforderlichen zwei Zeugen beigewohnt. 42 Sodann heiratete Napoleon am 1. Februar 1810 die Österreichische Kaisertochter Marie-Louise 43. Diese gebar ihm am 20. März 1811 den ersehnten Sohn 44 , der bereits vor seiner Geburt durch Senatsbeschluß vom 17. Februar 1811 den Titel "König von Rom" erhalten hatte. 33 34 35 36 37 38 39
12. Juli 1806. 25. Dezember 1805. 14. Oktober 1806. 14. Juni 1807, der Jahrestag von Marengo. 8. Juli 1807. Ab dem 27. September 1808. Ausführlich Meneval, Bd. 1, S. 229. Vgl. Gregoire, S. 222. 40 Meneval, Bd. 1, S. 229. 41 Pasquier, Bd. 1, S. 369; Meneval, Bd. 1, S. 229. Gregoire, S. 46 ff., gibt den Wortlaut des Senatsbeschlusses wieder. 42 Pasquier, Bd. 1, S. 370; Gregoire, S. 46 ff. 43 1791-1847. 44 Napo1eon-Charles-Fram;:ois, Napoleon "II.", der nie Kaiser wurde und als Herzog von Reichstadt bereits 1832 an der Schwindsucht starb, Nouvelle Biographie Generale, Bd. 37, Sp. 4471421-4481441.
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Die auf der Kontinentalsperre beruhenden wachsenden Interessengegensätze zwischen Rußland und Frankreich führten endlich zum Bruch mit Zar Alexander. Der zur Durchsetzung seines Machtanspruchs unternommene Rußlandfeldzug 1812 brachte durch sein katastrophales Ende den Wendepunkt der Napoleonischen Herrschaft. In den danach ausbrechenden Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 zerbrach das Kaiserreich. Die drückende Last der Konskription und wirtschaftliche Stagnation hatten zu einem Stimmungswandel im französischen Volk geführt. Man war der Kriege müde und sehnte sich nach Frieden. Am 2. April 1814 sprach der Senat die Absetzung des Kaisers aus. Am 6. April 1814 dankte Napoleon in Fontainebleau ab und zog sich als Souverain mit seinem Kaisertitel auf die Insel Elba zurück. Differenzen der Alliierten auf dem Wiener Kongreß und die im Volk platzgreifende Ernüchterung nach der .,Restauration" der reaktionären Bourbonen veranlaBten Napoleon, noch einmal nach der Macht zu greifen, doch scheiterte die "Herrschaft der Hundert Tage" durch die Niederlage gegen die kombinierten Heere der Engländer und Preußen in der Schlacht von "Waterloo" am 18. Juni 1815. Im Interesse der politischen Befriedung Europas wurde der Kaiser von den Engländern auf Lebenszeit auf die Atlantikinsel Sankt Helena verbannt. Dort diktierte er in den Jahren 1815 bis 1821 seine Memoiren. Am 5. Mai 1821 starb Napoleon.
Zweites Kapitel
Biographische Skizze der Rechtsgelehrten im Staatsrat 1 Berlier, Theophile, geboren 1761 in Dijon, gestorben 1844 ebenda, studierte Rechtswissenschaften und wurde Anwalt in Dijon. Im September 1792 wurde er in seiner Eigenschaft alsJuristund Abgeordneter der Cöte d 'Or in den Nationalkonvent gewählt. Er stimmte für die Verurteilung des Königs zum Tode und gegen den Aufschub des Vollzuges. Er plädierte für die Abschaffung der Einziehung von Vermögen durch die Gerichte und Revolutionskommissare und die Auflösung des Pariser Revolutionstribunals. Er war Mitglied des Rates der Fünfhundert von 1795 bis I 797 und I 798 bis I 799. Nach dem Staatsstreich vom 18. Brumaire erfolgte seine Ernennung zum Staatsrat 2 , sodann zum Präsidenten des Conseil des prises. Obwohl er in den Gesetzgebungsdebatten häufig Stellung gegen Bonaparte bezog, belohnte dieser seine Leistungen mit einer Gratifikation von 60 000 Francs, einem pommerschen Majorat mit jährlichem Einkommen von 10 000 Francs, einem weiteren in Illyrien zu 4 000 Francs jährlich, und vier Aktien auf den Kanal von Languedoc. Napoleon machte Berlier I808 zum Grafen. Der stimmte aber 1814 für die Absetzung des Kaisers, was ihm den Posten des Sekretärs der Provisorischen Regierung einbrachte. I816 mußte er als "Königsmörder" Frankreich verlassen, wohin er erst 1830 zurückkehren konnte. Berliers größte Verdienste liegen in seinen Beiträgen zur Gesetzgebung der neuen Gesetzbücher, insbesondere zum Code civil. Eines Tages wurde der überzeugte Republikaner Berlier gefragt, warum er sich von Napoleon habe in den Grafenstand erheben lassen, worauf er erwiderte: "All das ereignete sich im Kabinett des Kaisers, auf wessen Initiative hin weiß ich nicht. Ich habe mich nicht sonderlich darum gekümmert und erst richtig davon erfahren, als ich die Dokumente erhielt .. . Natürlich hätte ich den Titel ablehnen und die Ernennungsurkunde zurückgehen lassen können, doch hätte ich damit auch meine Ämter als Staatsrat und Präsident des Conseil des prises aufgegeben. Dabei handelte es sich aber um Posten, die mir und meiner großen Familie Ansehen und ehrlich verdienten Wohlstand garantierten." 3
In alphabetischer Reihenfolge. Siehe die Wertung bei Bressolles, S. 366 ff. 4. Nivose VIII [25. Dezember 1799). 3 Nouvelle Biographie Generale, Bd. 5, Spalte 541 f.; Las Cases, Ed. Walter, Bd. 2, S. 807 f., Artikel "Berlier"; Bourdon, S. 312; Amaud, S. 303; Dictionnaire Napoleon, S. 200; Berlier, Precis. 1
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Biographische Skizze der Rechtsgelehrten
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Bigot de Preameneu, Felix-Julien-Jean, geboren in Rennesam 26. März 1747, gestorben am 31. Juli 1825. Bigot war vor der Revolution, die er als Gemäßigter begrüßte, Anwalt am Pariser Parlement. 1791 sprach er sich für die Monarchie aus, 1792 wurde er zum Präsidenten der Assemblee gewählt. Als Louis XVI. Österreich den Krieg erklärte, entgegnete Bigot dem Monarchen: "Die Assemblee wird Ihren Vorschlag prüfen und Sie vom Ergebnis ihrer Beratungen unterrichten." Bigot bekämpfte im selben Jahr ein Gesetz, das man gegen die Geistlichen erlassen wollte, die den Eid auf die Republik verweigerten. Seine gemäßigte Haltung zwang ihn schließlich, sich während der Revolution unauffällig zu verhalten. Erst nach dem 18. Brumaire trat er wieder in Erscheinung, nunmehr als Regierungskommissar am Kassationsgericht und als Staatsrat. Gemeinsam mit Portalis, Tronchet und Maleville wurde er auserwählt, einen Entwurf zum Code civil zu erarbeiten. In seinen Stellungnahmen trat stets die Mäßigung und Besonnenheit zutage, die ihn bereits in den Revolutionswirren ausgezeichnet hatten. Anläßlich der Krönungsfeierlichkeiten wurde Bigot zum Grafen und Großoffizier der Ehrenlegion ernannt. 1808 löste er Portalis als Kultusminister ab und behielt dieses Amt bis zum Sturz des Kaiserreichs 1814. Danach wurde er aller seiner Ämter enthoben und lebte fortan vollkommen zurückgezogen. 4 Boulay de Ia Meurthe, Antoine-Jacques-Claude-Joseph, geboren in Chaumousey [Vogesen] am 19. Februar 1761, gestorben in Paris am 4. Februar 1840. Seine Eltern, die er früh verlor, waren wohlhabende Gutsbesitzer. Sein Onkel übernahm die Erziehung und ermöglichte ihm das Studium der Rechte. Boulay wurde Anwalt und übte diesen Beruf in Paris aus, als die Revolution ausbrach, die er begrüßte und zeitlebens verfocht, und der er als Soldat, politischer Redner, Jurist, Minister und Publizist diente. Während der Schreckensherrschaft mußte er untertauchen. Sein Aufstieg begann mit seiner Wahl in den "Rat der Fünfhundert" 1797. Er erwies sich als gemäßigter Streiter für die neue Sache. Er unterstützte den Staatsstreich vom 18. Brumaire, doch war er nicht für die Errichtung des Kaiserreichs. Er nahm regen Anteil an der Ausgestaltung der Verfassung des Jahres VIII und später als Staatsrat und Präsident der Section de legislation [4. Nivose VIII, 25. Dezember 1799] an der Gesetzgebung des Code civil. Ab 1802 betreute Boulay die die Nationalgüter betreffenden Prozeßsachen. Er erreichte während seiner Amtszeit durch Gewissenhaftigkeit und Anstand eine vollkommen abschließende Regelung aller Einzelfälle im Zeichen des Schutzes der Erwerber, so daß es selbst aus den Reihen der ehemaligen Emigranten nach der Restauration und während der Terreur blanche 1815 nicht zu Angriffen gegen Boulay kam, der zum damaligen Zeitpunkt auf der Liste der Geächteten stand. 4 Nouvelle Biographie Generale, Bd. 6, Spalte 62 f.; Amaud, S. 33 f. u. 304; Dictionnaire Napoleon, S. 218.
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I. Teil, 2. Kapitel: Biographische Skizze der Rechtsgelehrten
Boulay blieb stets ein Verfechter der Revolution, als deren Vollender er Napoleon betrachtete. Während der ersten Restauration übernahm er keine öffentlichen Ämter. In den "Hundert Tagen" trat er zusammen mit Cambaceres an die Spitze des Justizministeriums. Boulay war Befürworter der Ernennung Napoleons II. als Thronfolger des Kaisers, dessen Abdankung er zu verhindern suchte. Mit königlicher Ordonnance vom 24. Juli 1815 wurde Boulay geächtet und verbrachte sein Leben zunächst im Exil im Ausland, bis er Ende 1819 heimkehren durfte. Boulay wirkte fortan nicht mehr öffentlich, sondern beschränkte sich auf schriftstellerische Arbeiten. Unter anderem arbeitete er als Co-Autor an der Widerlegung der Memoiren Bourriennes mit. 5 Cambaceres, Jean-Jacques Regis de, geboren am 18. Oktober 1753 in Montpellier, gestorben in Parisam 8. März 1824. Mit dem Studium der Rechtswissenschaften legte er den Grundstein für eine große Karriere. Sein Aufstieg begann unter der Revolution. Er wurde Kriminalgerichtspräsident des Departements Herault und ließ sich im August 1792 als Abgeordneter in den Konvent wählen. Aufgrund seiner großen juristischen Fähigkeiten wurde er in den dortigen Rechtsausschuß beordert, wo er über einen Zeitraum von zwei Jahren blieb. Im Prozeß um Louis XVI. erwies er sich als nobler, umsichtiger Charakter mit untadeligen Prinzipien. Er kämpfte für eine faire Prozeßführung und möglichst viel Spielraum für die Verteidigung des gestürzten Königs. Wie alle Mitglieder des Konvents stimmte er bei der Schuldfrage mit "ja", doch war er für den Aufschub der Vollstreckung. Nach der Restauration wurde er als "Königsmörder" aus Frankreich verjagt.
Am 9. August 1793 legte Cambaceres dem Konvent einen Entwurf zur Vereinheitlichung der Zivilgesetze in einem Gesetzbuch vor, dem zwei weitere Entwürfe folgen sollten, die jedoch nicht zum Erfolg führten. 1794 wechselte er in den Wohlfahrtsausschuß über. Er ließ sich zum Präsidenten wählen und kümmerte sich insbesondere um das Verhältnis Frankreichs zu den übrigen europäischen Staaten. Die Friedensschlüsse mit Rußland und Spanien gehen auf seine Bemühungen zurück. Da er sich das Zeichnungsrecht für sämtliche Akte des Wohlfahrtsausschusses vorbehielt, kann man ihn gewissermaßen als Regierungschef betrachten. Die aufgrund seiner besonnenen Amtsführung von den Radikalen gegen ihn erhobenen Vorwürfe konnte er neutralisieren. Trotzdem wurde er mit dem falschen Vorwurf aus dem Direktorium entfernt, er sei nicht genug Republikaner, weil er nicht für den "Tod des Tyrannen" (des Königs] gestimmt habe. In der folgenden Legislaturperiode wurde er Präsident im "Rat der Fünfhundert" [Oktober 1796], doch später auf Initiative radikaler Republikaner als Royalist der öffentlichen Ämter enthoben. Mit der Neugestaltung der Regierung am 30. Prairial VII [18. Juni 1799] erfolgte seine Ernennung zum Justizminister, s Nouve/le Biographie Generale, Bd. 6, Spalte 943 ff.; Bourdon, S. 312; Dictionnaire Napoleon, S. 275.
Biographische Skizze der Rechtsgelehrten
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die er Sieyes verdankte. Obwohl Cambaceres am Staatsstreich des 18. Brumaire nicht beteiligt war, zog Bonaparte ihn heran, da er dessen hohe Intelligenz, Integrität, gewählte bestechende Rede und gemessene, repräsentative Haltung bewunderte und für seine Zwecke zu verwenden gedachte. Bonaparte vertraute ihm das Amt des zweiten Konsuls an. Fortan hatte Cambaceres, auch als Erzkanzler unter dem Kaiserreich, gewissermaßen die Rolle eines Stellvertreters des Regierungsoberhauptes inne. Wenn er auch gegenüber Bonaparte eine abhängige Stellung einnahm, so sind seine Verdienste doch außerordentlich. Bei der Abfassung des Code civil hatte er aufgrund seiner Vorentwürfe und seiner Funktion als Vizepräsident des Staatsrates maßgeblichen Anteil 6 • Cambaceres präsidierte 43 Sitzungen. 7 Mit der Errichtung des Kaiserreichs übernahm Cambaceres als Erzkanzler den ständigen Vorsitz des Senats. Napoleon erhob ihn am 1. März 1808 zum Fürsten und am 19. des Monats zum Herzog von Parma und überhäufte ihn mit Ehrenzeichen und Dotationen in beträchtlicher Größenordnung. Er hatte zu ihm unumschränktes Zutrauen und wurde auch nicht enttäuscht, denn Cambaceres war ein treuer Anhänger des Kaisers. Vergeblich plädierte Cambaceres für eine Heirat Napoleons mit einer russischen Prinzessin, da er befürchtete, daß es ansonsten binnen zwei Jahren zu einem Krieg mit dem russischen Herrscherhaus kommen würde. Ein Krieg mit Österreich erschien ihm nicht verhängnisvoll, ganz im Gegensatz zu dem mit Rußland, von dem er Napoleon abzuraten versucht hat. Cambaceres wurde auch Vorsitzender des Rates der Kaiserin Marie-Louise. Während der Hundert Tage versuchte Napoleon, Cambaceres wieder für seine Sache einzuspannen. Der rührte sich jedoch nicht, so daß Boulay de Ia Meurthe die Ämter, die Cambaceres wieder übertragen worden waren, kommissarisch ausüben mußte. Im Zuge der zweiten Restauration mußte Cambaceres Frankreich verlassen und sich in Belgien niederlassen. Erst 1818 konnte er nach Paris zurückkehren, wo er sechs Jahre später starb, ohne wieder öffentliche Ämter bekleidet zu haben. Cambaceres war nicht nur wegen seiner noblen Ausstrahlung und würdevollen Haltung berühmt, sondern auch wegen seiner Speisekultur. Bonaparte pflegte zu sagen: "Wenn Sie schnell essen wollen, speisen Sie bei mir, wenn Sie gut essen wollen, beim zweiten Konsul, und wenn Sie schlecht essen wollen, beim dritten Konsul 8". Und Cambaceres sagte gerne: "Regieren läßt sich, indem man zur Tafel bittet." Vialles, dessen Biographie hier im wesentlichen gefolgt wurde, bezweifelt entgegen einigen Stimmen in der Literatur, daß man sich von der Veröffentlichung der handschriftlichen Memoiren Cambaceres' grundlegend Neues versprechen Dubedat, S. 93 ff.; Arnaud, S. 24. Unrichtig Vialles, S. 217, der von 50 Sitzungen spricht; siehe unten S. 65 ff. s Lebrun, Charles-Franl(ois, 1739- 1824. 6
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I. Teil, 2. Kapitel: Biographische Skizze der Rechtsgelehrten
könne. Dabei beruft er sich auf die privilegierten Historiker, Thiers und Vandal, die Zugang zu dem Manuskript hatten. In der Tat haben diese keine überwältigenden Auszüge zutage gefördert. 9 Maleville, Jacques de, geboren 1741 in Domme [Perigord], wo er am 21. November 1824 starb. Er übte zunächst am Parlement zu Bordeaux den Anwaltsberuf aus, zog sich dann jedoch zu privaten Studien des Römischen Rechts zurück. Er begrüßte die Revolution und strebte nach einer konstitutionellen Monarchie. 1790 wurde er Mitglied, später Präsident des Direktoriums des Departements Dordogne. Im darauffolgenden Jahr ging er zum Kassationsgericht. Seine politische Karriere setzte erst mit seinen Eintritt in den "Rat der Alten" im Brumaire IV [Oktober 1795] ein. Er verband sich mit gemäßigten Mitgliedern, insbesondere mit Portalis. Maleville bekämpfte das Gesetz vom 9. Floreal III [28. April 1795], das die sogenannte Vorerbteilung zu Lasten des Vermögens von Aszendenten von Emigranten geregelt hatte, weil er es für ungerecht hielt, Eltern für die Erziehung ihrer Kinder im monarchischen Sinne zu bestrafen. Er unterstützte ebenso Bestrebungen zur Abschaffung des Gesetzes vom 3. Brumaire IV [25. Oktober 1795], das vielen Franzosen Untersuchungshaft und Polizeiaufsicht gebracht und den Verwandten und Freunden von Emigranten das Wahlrecht und die Möglichkeit der Bekleidung öffentlicher Ämter genommen hatte. Diesen Kampf gegen übertriebene republikanische Revolutionsprogramme setzte er beständig fort, unter anderem mit seinem Einsatz für die Abschaffung der ersten Revolutionsgesetze zugunsten unehelich Geborener. Seine Mitgliedschaft im Corps Legislatif endete im Floreal VII [Mai 1799]. Nach der Errichtung des Konsulats wurde er mit Portalis, Tronchet und Bigot de Preameneu mit der Erarbeitung eines Entwurfs zum Code civil beauftragt. Als Anhänger des Droit ecrit vertrat er in den Debatten die Stärkung der väterlichen Gewalt und der Testierfreiheit als Garanten einer moralisch starken Familie. Scheidung und Adoption lehnte er als Bedrohung von Ehe und Familie ab. Nachdem er tatkräftig an der Erarbeitung des Code mitgewirkt hatte, veröffentlichte er 1804 bis 1805 seine Analyse zu diesem Gesetzbuch, was Napoleon veranlaßte, auszurufen: "Mein Code ist verloren!" 10 1806 wurde Maleville in den Senat gewählt und 1808 von Napoleon in den Grafenstand erhoben. Am 1. April 1814 stimmte er für den Sturz des Kaisers und die Rückkehr der Bourbonen. Am 4. Juni 1814 wurde er zum Pair von Frankreich ernannt. Er bekämpfte eine Gesetzesvorlage, die die Wiedereinführung der Zensur beinhaltete. Im Prozeß um den Marschall Ney, der hingerichtet werden sollte, stimmte Maleville für die Deportation. 1817 wurde er von Louis XVIII. zum Marquis gemacht. 1820 zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück. 11 9 10
Vialles; Dictionnaire Napoleon, S. 333- 336; Arnaud, S. 35 f. Arnaud, S. 32 f . u. 314. .
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Portalis, Jean-Etienne-Marie, geboren am 1. April 1745 in Bausset [Var], gestorben am 25. August 1807 in Paris. Der Vater war Professor für kanonisches Recht an der Universität von Aix. Portalis studierte Rhetorik und sodann Rechtswissenschaften. 1765 wurde er Anwalt am Parlement in Aix. Ab 1781 vertrat er als Anwalt in Aix prominente Mandanten. Der berühmteste Prozeß war der der Eheleute Mirabeau, den Portalis für seine Mandantin gewinnen konnte. 12 Seine Beziehung zu adeligen Kreisen machte ihn der Revolution verdächtig und zwang ihn, unterzutauchen. Anfang 1794 wurde er verhaftet, jedoch nach dem Sturz Robespierres 13 wieder freigelassen. Er übte dann wieder den Anwaltsberuf in Paris aus und wurde in den "Rat der Alten" gewählt, wo er sich der Opposition gegen das Direktorium anschloß. Er plädierte für die Pressefreiheit und bekämpfte den Gesetzesentwurf, der das Dekret des Konvents gegen Emigranten und Freunde und Verwandte von Emigranten bestätigen sollte. Der Staatsstreich vom 18. Fructidor V [4. September 1797] zwang ihn zur Flucht. Erst nach Bonapartes Staatsstreich konnte er nach Frankreich zurückkehren, wo er vom Ersten Konsul zunächst zum Regierungskommissar [Procureur general] am Prisengericht ernannt wurde. Daraufhin auch in die Kommission zur Abfassung einer Gesetzesvorlage für das Zivilgesetzbuch berufen, wurde er im September 1800 zum Staatsrat ernannt. Bonaparte schätzte die Integrität, das große Ansehen und die enormen Kenntnisse Portalis' besonders auf dem Gebiet des kanonischen Rechts und betraute ihn deshalb nach dem Abschluß des Konkordats mit einem Ressort, das die Fragen der Religionsausübung zum Gegenstand hatte. Auch an den dem Konkordat zugrundeliegenden Gesetzen hatte er maßgeblichen Anteil. Der größte Verdienst liegtjedoch in seinem Anteil an der Redaktion des Code civil. Sowohl sein Discours preliminaire zum Code als auch die Exposes des motifs zu mehreren Titeln weisen Portalis als hervorragenden Juristen aus. 1804 wurde der zunehmend erblindende Portalis Kultusminister und Innenminister. 1807 erlag er den Folgen einer Augenoperation. 14
Thibaudeau, Antoine-Claire, geboren in Poitiers 1765, gestorben zu Paris 1854. Er war ab 1787 Rechtsanwalt in Poitiers. Später ging er in die Politik und wurde in den Konvent gewählt, wo er die Bergpartei vertrat. Er stimmte für den Tod des Königs und billigte den Sturz Robespierres. Nachdem er in den "Rat der Fünfhundert" gewählt worden war, erfolgte nach dem Staatsstreich Bonapartes am 5. Comptement VIII [22. September 1800] seine Berufung in den Staatsrat 11
Nouvelle Biographie Generale, Bd. 33, Spalte 38 ff.; Dictionnaire Napoleon,
s. 1121. 12 13 14
Amaud, S. 31.
9. Thermidor II [27. Juli 1794]. Amaud, S. 31 f.; Nouvelle Biographie Generale, Bd. 40, Spalte 851 ff.; Michaud,
Bd. 34, Spalte 135 ff.; Dictionnaire Napoleon , S. 1362-1365.
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I. Teil, 2. Kapitel: Biographische Skizze der Rechtsgelehrten
[Section de Legislation]. Thibaudeau redigierte den Entwurf zum Titel "Von den Personenstandsurkunden". Sein Zeugnis von den Gesetzesdebatten im Staatsrat, veröffentlicht in den Memoires sur le Consulat, stellt neben den Protokollen Locn'Ss die wichtigste Quelle dar. Er war bei den Beratungen oft anderer Ansicht als der Erste Konsul und bekämpfte auch die Errichtung der Ehrenlegion. Im April 1803 wurde er aus dem Kreis um Bonaparte befördert, indem er zum Präfekten des Departement des Bouches-du-RhOne ernannt wurde. Dort hatte er trotzfleißiger Aufbauarbeit einen schweren Stand. Von Napoleon in den Grafenstand erhoben, weigerte er sich jedoch, in den Hundert Tagen wieder öffentliche Ämter zu bekleiden. Er lehnte nach dem Sturz des Kaisers die Wiedereinsetzung der Bourbonen ab und mußte deshalb ins Exil gehen. Erst 1830 kehrte er nach Paris zurück. Unter Napoleon III. war er Mitglied des Senats. 15 Thibaudeau hat wichtige Memoiren hinterlassen, die ihn als exakten Chronisten seiner Zeit ausweisen. Tronchet, Fram;:ois-Denis, geboren am 23. März 1726 in Paris, gestorben am 10. März 1806 ebenda. Er studierte Rechtswissenschaften und ergriff 1745 den
Anwaltsberuf. Zwar fehlte ihm die Redegewandtheit, doch bestach er durch seine ausgefeilten Rechtsgutachten. 1789 wurde er aufgrund seines Ansehens zum Präsidenten der Pariser Anwaltskammer und zum Abgeordneten der Generalstände für Paris gewählt. Er fiel durch seine Mäßigung und sein Streben auf, die Verwandlung der Stände in eine Nationalversammlung zu verhindern. Mirabeau nannte ihn den Nestor der Aristokratie. In der Verfassungsgebenden Nationalversammlung arbeitete er die neue Gerichtsverfassung und eine Rechtsfolgenregelung nach Abschaffung des Feudalrechts aus. Er trat für die Einsetzung von Geschworenengerichten im Strafprozeß ein, bekämpfte und verhinderte schließlich durch die Ausarbeitung des Dekrets vom 30. April 1790 jedoch die Einführung von Geschworenen im Zivilprozeß. Im Rahmen der Debatten über die Testierfreiheit sorgte er für die Abschaffung der Ungleichbehandlung von Miterben 16 mit der Begründung, daß der Mensch das Recht auf testamentarische Verfügungen nicht aufgrund des Naturrechts besitze, sondern allein aufgrund des Zivilrechts. Zusammen mit Target wurde er von Louis XVI. am 12. Dezember 1792 zum Verteidiger gewählt. Während Target ablehnte, kehrte Tronchet, der sich auf das Land zurückgezogen hatte, nach Paris zurück, um aus Gründen der Menschlichkeit das unbequeme Mandat zu übernehmen. Diese Aufgabe erfüllte er mit viel Anstand und juristischem Feingefühl. Im Oktober 1795 wurde er vom Departement Seine-et-Oise in den "Rat der Alten" entsandt, in dem er bis Mai 1799 verblieb. Während dieser Zeit übte er unter anderem in den Rechtsfragen zur 15 Thibaudeau, Memoires; Dictionnaire Napoleon, S. 1635 f.; Nouvelle Biographie Generale, Bd. 45, Sp. 140 ff. 16 12. März 1791.
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Strafbarkeit des Verbrechensversuchs und zur Beendigung der Gleichstellung unehelicher mit ehelichen Kindern großen Einfluß aus. Nach dem Staatsstreich vom 18. Brumaire wurde Tronchet vom Senat zum Kassationsgericht beordert. Bonaparte machte ihn in Ansehung seiner großen Verdienste als Rechtsgelehrter zum Präsidenten. Vom Ersten Konsul wurde Tronchet dann auch kurz darauf erwählt, die Kommission zur Erstellung eines Entwurfs zum Code civil zu leiten. Bei der Abfassung des Entwurfs und in den darauffolgenden Debatten vertrat er vehement den Standpunkt des Droit coutumier. In Anbetracht seiner großen Verdienste in den laufenden Beratungen wurde er mit Dekret vom 8. Ventose IX [27. Februar 1801] als "erster Rechtsgelehrter Frankreichs" in den Senat gewählt. Am 22. Ventose X [13. März 1802] übernahm er den Vorsitz dieser Körperschaft. Am 25. Prairial XII [14. Juni 1804] erhielt er das Kreuz der Ehrenlegion am großen Band. 17
11
Nouvel/e Biographie Generale, Bd. 45, Spalte 660 ff.; Dictionnaire Napoleon,
S. 1659; Amaud, S. 31. 3 Theewen
Drittes Kapitel
Die geschichtliche Entwicklung des Code civil I. Die Zivilrechtsentwicklung in Frankreich bis zum Staatsstreich Bonapartes Die Privatrechtsordnung des vorrevolutionären Frankreich gliederte sich in das nord- und zentralfranzösische Gebiet des Droit coutumier und das südfranzösische Gebiet des Droit ecrit. I Die Trennung verlief in einer Schlangenlinie im Westen von der Charente ausgehend durch die Provinz Gex, vorbei an der Auvergne, und schloß das Forez, das Lyonnais, das Mficonnais und die Bresse ein. 2 Die Coutumes hatten ihren Ursprung in fränkisch-burgundisch-vulgarem Recht und wurden durch die Rechtsprechung der ParZements und die königlichen Ordonnanzen gepflegt und fortgebildet. Das Gebiet des Droit ecrit war ursprünglich vom galloromanischen Vulgarrecht geprägt worden, hatte sich dann jedoch dem wissenschaftlichen Römischen Recht geöffnet. Die Pflege und Fortbildung des Rechts des südlichen Frankreich war Aufgabe einer Abteilung des Pariser Parlement. Während man für das Droit ecrit als charakteristisch die väterliche Gewalt, die fast absolute Autorität des Vaters über die Familie, ansehen kann, war im Gegensatz dazu das Droit commun coutumier nicht auf individualistische, sondern vielmehr auf die Interessen der Allgemeinheit, der Familie, und die Gleichbehandlung aller ausgerichtet. Man kannte weder die römischrechtliche Testierfreiheit noch die Mitgift der Frau. Das Gewohnheitsrecht bestand selbst aus etwa 180 Coutumes, die ihrerseits wiederum durch lokale Übung Modifizierungen unterworfen waren. In ganz Frankreich galten insgesamt etwa 360 kleine regionale Codes 3, die teils nur für winzige Landstriche, teils in ganzen Provinzen galten. 4 Neben diesen beiden Rechtssystemen, die Frankreich in zwei Teile spaltete, galt für große Gebiete des Bodenrechts noch das Feudalrecht Dazu kam das Kanonische Recht, das insbesondere das Personenstandsrecht prägte. 5
Mit Ausnahme des Elsaß, Sagnac, S. 2. Sagnac, S. l f. 3 Linguet, S. 26. 4 Sagnac, S. l. s Sagnac, S. 2. 1
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I. Die Zivilrechtsentwicklung bis zum Staatsstreich Bonapartes
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Daneben hatten noch die königlichen Ordonnanzen Geltung, die jeweils bestimmte Anwendungsfragen in Teilbereichen des Rechtslebens regelten, ohne Grundsätzliches zu bewirken. 6 Die Vielfalt dieser sachlich und örtlich zersplitterten Rechtsquellen war verwirrend. Auch die Parlements der verschiedenen Provinzen trugen durch ihre individuelle Rechtsprechung noch zur Vergrößerung der Unsicherheit und Verwirrung bei. 7 Diese Verhältnisse hatten Voltaire zu der Bemerkung veranlaßt, in einem einzigen Landstrich zwischen Alpen und Pyrenäen lebten mehr als 140 kleine Volksstämme, die sich zwar Landsleute nennen würden, in Wirklichkeit aber einander vollkommen fremd seien. 8 Napoleon hat in einem Schreiben vom 12. April 1808 das Frankreich des Ancien Regime als ein buntscheckiges Gebilde ohne einheitliche Gesetze und Administration bezeichnet, das eher ein Zusammenschluß von zwanzig Königreichen als ein Staat gewesen sei. 9 Die ersten Bemühungen um eine schriftliche Fixierung des Zivilrechts gehen auf Charles VII. 10 zurück, der die Aufzeichnung der Coutumes veranlaßt hatte 11 • Diese erste Phase der schriftlichen Fixierung beruhte auf dem Bestreben, Rechtssicherheit im Rechtsverkehr zu schaffen und langwierige, kostenträchtige Prozesse zu vermeiden. An Rechtseinheit dachte man damals noch nicht. 12 Einer Vereinheitlichung standen im wesentlichen drei Widerstände entgegen, die bisher jede Initiative, die vom König auszugehen hatte, verhindert hatten. Trotz der die territoriale Einheit verkörpernden Monarchie war Frankreich keine Nation. Es bestand vielmehr aus einer Vielzahl von Völkerstämmen, die eifersüchtig darauf bedacht waren, ihre Sitten, Gebräuche und partikularen Gewohnheitsrechte zu pflegen und gegen den Einfluß der Nachbarstämme zu behaupten. 13 Daneben bestand eine feudale Ständeordnung, die im wesentlichen zwischen Adeligen und Nichtadeligen unterschied und, zumindest in bestimmten Regionen im Osten und Westen, sogar Leibeigene kannte. Entsprechend differenziert war die Rechtsordnung. Schließlich verhinderte die Union von König und katholischer Kirche jede ernstliche Reformbestrebung, da die Kirche neben ihrer Funktion als Stütze der Monarchie das Monopol der Personenstandsregelung innehatte. 14 Erst die soziale und moralische Revolution von 1789 legte den Grundstein für eine neue Rechtsordnung. Die Verwandlung der Generalstände in die NatioLocre, Esprit, S. 57; Sagnac, S. 2. Sagnac, S. 2. s Voltaire, Bd. 3, S. 614. 9 Correspondance, Nr. 13735, Bd. 16, S. 575 ff. [577]. 1o Charles VII., 1403-1461, König von Frankreich, Nouvelle Biographie Generale, Bd. 9, S. 833 ff. II Ordonnance von 1453, Art. 123, Isambert, Bd. 9, S. 252. 12 Van Kan, S. 32. n Sagnac, S. 6. 14 Locre, Esprit, S. 60; Sagnac, S. 2 ff. 6
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I. Teil, 3. Kapitel: Die Entwicklung des Code civil
nalversammlung bewirkte im Verein mit der Tatsache, daß nach der Abschaffung der Stände und Privilegien nunmehr die Macht beim Volke lag, die Entstehung eines Nationalgefühls. 15 So war es möglich, daß die Provinzen ihre ehemals eifersüchtig gehüteten Privilegien und Coutumes zugunsten der Einheit aufzugeben bereit waren. In der Nachtsitzung vom 4. August 1789 wurde die zivilrechtliehe Gleichheit aller proklamiert und das Feudalrecht aufgehoben. 16 Der Adel wurde mit Dekret vom 9. Juni 1790, die Privilegien derMännerund Erstgeborenen am 15. März 1790 bzw. 8. April 1791 abgeschafftY Daneben hatte die Verfassungsgebende Nationalversammlung 18 am 16. August 1790 erlassen, daß das Zivilrecht einer Revision durch die Gesetzgebende Gewalt unterzogen und ein allgemeines Gesetzbuch geschaffen werde, das einfache, verständliche Regelungen enthalten solle, die mit der Verfassung in Einklang stünden. 19 Die Verfassungsgebende Nationalversammlung hatte dieses Versprechen durch eine Verankerung in der Verfassung vom 3. September 1791 bekräftigt, in der es in Art. 1 hieß: ,,Es soll ein Zivilgesetzbuch für das gesamte Königreich geschaffen werden." 20 Die Verfassungsgebende Nationalversammlung löste allerdings dieses Versprechen der Verfassung nicht ein und beschränkte sich auf einige wenige Reformen.21 Die Gesetzgebende Nationalversammlung 22 griff die Aufgabe wieder auf und gab dem Strafgesetzgebungsausschuß, der unter der Konstituante gebildet worden war, die Bezeichnung "Comite de tegislation civile et criminelle". Die Nationalversammlung erließ einen Aufruf an alle Bürger und sogar an das Ausland, Vorschläge für ein Zivilgesetzbuch einzureichen. 23 Bei der Neuordnung kam es jedoch nur zu der Regelung weniger Bereiche, namentlich des Ehe- und des Personenstandsrechts. 24 Erst der Nationalkonvent 25 nahm das Versprechen wieder auf, indem er am 14. Oktober 1792 einen Gesetzgebungsausschuß mit 48 wechselnden Mitgliedern bildete. Die Arbeitsweise entsprach zunächst der der beiden alten Ausschüsse, doch wurde sie bald als zu schwerfällig empfunden. Am 28. Januar 1793 beschloß man, die Arbeit auf vier Sektionen mit jeweils 12 Mitgliedern zu verteilen. Am 9. August 1793 wurde dem Konvent ein fertiger Entwurf vorgelegt, der aus 719 Artikeln bestand. Aber lediglich Teilbereiche 15 Locre, Esprit, S. 63 f. 16 Locre, Esprit, S. 63 f.; Sagnac, S. 13. 11 Locre, Esprit, S. 64. 1s 1789 bis 1791. 19 Dekret vom 16. August 1790, II. Titel, Art. 19, Duvergier, Bd. I, S. 364. 2o Duvergier, Bd. 3, S. 277; Wieacker, S. 340, meint irrtümlich, diese Forderung sei erstmals in Art. 9 der Verfassung von 1792 erhoben worden. 21 Sagnac, S. 47. 22 1791 bis 1792. 23 Sagnac, S. 48. 24 Sagnac, S. 48. 25 1792 bis 1793.
I. Die Zivilrechtsentwicklung bis zum Staatsstreich Bonapartes
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wurden dekretiert und promulgiert. Insgesamt fand der Entwurf nicht die Anerkennung durch den Konvent. Am 13. Brui1Ulire II [3. November 1793] verfugte er, daß eine aus sechs vom Wohlfahrtsausschuß zu bestimmenden Mitgliedern bestehende Kommission den Entwurf zu überarbeiten habe. Während diese Kommission ihrer Aufgabe nicht nachkam, revidierte der ebenfalls beauftragte GesetzgebungsausschuB seinen Entwurf und legte am 23. Fructidor II [9. September 1794] durch Cambaceres einen neuen, diesmal sehr kurzen Entwurf von lediglich 297 Artikeln vor. Der Konvent empfand die allgemein gehaltenen Regelungen als gefährlich, da sie den Richtern einen zu großen Spielraum ließen, und setzte die weiteren Debatten aus. 26 Am 24. Prairial IV [12. Juni 1796] unterbreitete Cambaceres dem ,,Rat der Fünfhundert" einen dritten Entwurf der Commission de c/assification des lois, der nunmehr 1104 Artikel umfaßte. Dieser Entwurf wurde jedoch gleichfalls nicht weiterverfolgt 27 Portalis sollte später in seinem Discours preliminaire zum Code civil diesen Entwurf als ein Meisterwerk der Methode und Präzision hervorheben. 28 Bis zum Staatsstreich vom 18. Brumaire VIII war nichts Zusammenhängendes verwirklicht worden. Alsbald nach dem Staatsstreich, noch während des provisorischen Konsulats, legte Jacqueminot, Präsident der Section de tegislation, der unter anderem Favard und Tronchet angehörten, am 30. Frii1Ulire VIII [21. Dezember 1799] einen Entwurf vor, der lediglich veröffentlicht wurde, ohne etwas zu bewirken. 29 In Teilbereichen waren somit in den zehn Jahren seit 1789 gesetzliche Reformen erfolgt, die insbesondere das Familien-, Erb- und Eigentumsrecht betrafen. Im großen und ganzen jedoch blieb es bei der Verwirrung aufgrund unvereinbarer Rechtssysteme, die fortbestanden. Es fehlte eben trotz einiger Ansätze die durchgreifende Initiative zur Schaffung eines einheitlichen Gesetzbuches für das gesamte Zivilrecht. Die jeweiligen Machthaber sahen sichangesichtsder mannigfaltigen Probleme außerstande, das Zivilrecht zu vereinheitlichen und gegen das Kompetenzgerangel der Juristen in den maßgeblichen Gremien vorzugehen 30, und beschränkten sich darauf, in den Bereichen, die für die Durchsetzung revolutionärer Ideen und Programme von Wichtigkeit sein konnten, Reformen durchzuführen.
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Sagnac, S. 52 f. Sagnac, S. 53. Locre, Bd. 1, S. 255 und 346. Villeneuve de Janti, S. 18. Thibaudeau, Convention et Directoire, Bd. 2, S. 150.
I. Teil, 3. Kapitel: Die Entwicklung des Code civil
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II. Der Entschluß des Ersten Konsuls Bonaparte zur Schaffung des Code Civil im Rahmen des Wiederaufbaus Frankreichs 1. Die Motive Bonapartes Bonapartes außerordentliche Popularität, seine Beliebtheit und sein Ruhm beruhten zunächst auf seinen militärischen Erfolgen. Hatte er den Staatsstreich noch mit Waffengewalt ausgeführt, so bemühte er sich fortan, an der Spitze Frankreichs angelangt, seinem Amt und seiner Person einen zivilen Anstrich zu geben. Damit wollte er sich von den rivalisierenden Generälen 3 1 distanzieren und seine Militärregierung verschleiern. Am 14. Floreal X [4. Mai 1802] sagte der Erste Konsul: "Ich regiere nicht als General, sondern weil die Nation davon überzeugt ist, daß ich die Fähigkeit besitze, die Geschäfte einer Zivilregierung zu führen .. . Für den Soldaten gibt es nur das Gesetz der Gewalt. Der Bürger hingegen sieht nur das Gemeinwohl. Dem Wesen des Soldaten entspricht es, alles gewaltherrschaftlich zu wollen, dem Bürger, alles in dem Streben nach Wahrheit und Vernunft einer Prüfung zu unterziehen ... Ich bin davon überzeugt, daß unbestreitbar dem Zivilisten die Vorrangstellung gebührt." 32 Anläßlich einer Staatsratssitzung, in der über die Stiftung der Ehrenlegion debattiert wurde, sagte der Erste Konsul: "Ich habe oft gegenüber Zivilisten, die sich über alle Maßen Sorgen machten, betont, daß Frankreich niemals von Militärs regiert werden würde . .. Der bürgerliche Geist regiert und befiehlt fortan, und nicht die militärische Gewalt. Nur die Zivilregierung verdient Achtung. Als Erster Konsul regiere ich nicht in meiner Eigenschaft als Soldat, sondern als Zivilist. Befehlen ist heutzutage eine zivile Angelegenheit. Der Soldat erwartet von seinem General, daß er der Klügste und einer der Tapfersten ist. Nur mit bürgerlichen Eigenschaften befiehlt man. Eigenschaften, die ein General haben muß, sind die Fähigkeit des Planens und Berechnens, Menschenkenntnis und Redegewandtheit ... , übrigens alles bürgerliche Eigenschaften." 33 1803 äußerte Bonaparte sich hinsichtlich der anderweitigen Verwendbarkeit von Militärs: "Generäle sind zu nichts anderem nütze." 34 Hatte er früher stets nur Uniform getragen, so legte er seit dem 25. Messidor X [14. Juli 1802] gewöhnlich Zivilkleidung an. 35 Am 1. März 1821 bekannte Napolt~on auf Sankt Helena, man habe allgemein das Amt des Ersten Konsuls als ein ziviles und nicht als militärisches betrachtet, und deshalb keinen Soldaten in dieser Position haben wollen. Darum habe er [fast] ständig Zivilkleidung getragen, zumeist den roten Lyoner Rock. 36 Hierzu Roederer, Journal, S. 138. Thibaudeau, Consulat, S. 76; Roederer, Journal, S. 122, Fußn. 1; ders., (Euvres, Bd. 3, S. 353; Correspondance, Nr. 6068, Bd. 7, S. 576 f. 33 Roederer, Journal, S. 133 ff.; ders., fEuvres, Bd. 3, S. 444. 34 Hauterive, S. 109. 35 Thibaudeau, Consulat, S. 15. 36 Bertrand, Bd. 3, S. 88. Als Kaiser trug er dann wieder ausschließlich Uniform. 31
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II. Der Entschluß Bonapartes zur Schaffung des Code civil
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Bonaparte strebte nach großen Errungenschaften, die seinen Namen unsterblich machen sollten. 37 Zu dem Nymbus des unbesiegbaren Feldherrn- er bewunderte Alexander und Caesar 38 - sollte, ebenfalls nach klassischem Vorbild, der des Gesetzgebers hinzukommen. 39 Möglicherweise dachte der Erste Konsul dabei an Iustinian, der im Prooemium zu den Institutionen folgendes Programm verkündet hatte: Imperatoriam maiestatem non so/um armis decoratam, sed etiam legibus oportet esse armatam, ut utrumque tempus et bellorum et pacis recte possit gubernari et princeps Romanus victor existat non so/um in hostilibus proe/iis, sed etiam per /egitimos tramites ca/umniantium iniquitates expellens, etfiat tarn iuris religiosissimus quam victis hostibus triumphator. [Kaiserliche Majestät muß nicht nur mit Waffen geschmückt, sondern auch mit Gesetzen gewappnet sein, damit sie in Krieg und Frieden wohl zu regieren vermag, und der Römische Kaiser nicht nur als Sieger aus Schlachten hervorgeht, sondern ebenso auf dem Wege des Rechts betrügerische Machenschaften verhindert, und er sowohl oberster Beschützer der Gerechtigkeit ist als auch über den besiegten Feind triumphiert.]
Daß der junge Bonaparte nämlich die Institutionen Iustinians auswendig gelernt hat, hat Roederer bezeugt. 40 Dies soll Bonaparte nach Roederer während eines Arrests in Grenoble getan haben. 41 Der einzige in Frage kommende Aufenthalt Bonapartes in Grenoble 42 fällt in den August 1791. 43 Im Arrest war er dort aber nicht. 44 Dieser Irrtum Roederers läßt jedoch seine Behauptung nicht unbedingt insgesamt als unglaubhaft erscheinen. Es ist möglich, daß Bonaparte sich, wenn auch bei einer anderen Gelegenheit, mit Iustinian und dessen Institutionen beschäftigt hat. Iustinian spielt jedoch im Weltbild Napoleons keine Rolle, denn es ist kein Gespräch überliefert, in dem er den römischen Kaiser erwähnt hat, noch war Iustinian Gegenstand seiner schriftlichen Arbeiten in der Jugendzeit 45 Die großen Männer der Antike waren für ihn seit der Jugend Alexander und Caesar 46 , und die Personalunion von Feldherr und Gesetzgeber hätte Napoleon für Iustinian nicht gelten lassen. Ein Feldherr hatte mit seinen Truppen in den 37 Brief vom 14. November 1807 an Cretet: Correspondance, Nr. 13358, Bd. 16, S. 191 ff. [194]. 38 Dies kommt in den Gesprächen mit Las Cases zum Ausdruck. Siehe Las Cases, Ed. Walter, Bd. 2, S. 337 f., sowie Walter, Artikel "A/exandre le Grand", ebenda, Bd. 2, S. 727, und ders., Artikel "Cesar", ebenda, Bd. 2, S. 730 f. 39 Ebenso Villeneuve de Janti, S. 24. 40 Roederer, Journal, S. 97. 41 Roederer, (Euvres, Bd. 3, S. 383. 42 Das andere mal passierte Napoleon Grenoble bei seiner Rückkehr von E1ba vom 7. bis 9. März 1815, siehe Garros, S. 460 f. 43 Coston, Bd. 1, S. 176; Schuermans, S. 10; Garros, S. 45. 44 Coston, Bd. 1, S. 176; Schuermans, S. 10; Garros, S. 45. 45 Siehe Napoleon, Manuscrits inedits. 46 Siehe die von Walter bearbeiteten Artikel "Aiexandre le Grand" und "Cesar" in Las Cases, Ed. Walter, Bd. 2, S. 727 u. 730 f.
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Kampf zu ziehen. 47 lustinian hatte aber an den großen Schlachten seiner Zeit nicht teilgenommen. 48 Als junger Mann lagen die Sympathien Bonapartes bei Alexander 49, und auf Sankt Helena äußerte der Kaiser: "Alexander erwies sich gleichermaßen als großer Kriegsherr, großer Politiker und großer Gesetzgeber." 50 Daß Napoleon in seiner Jugend eine starke Neigung zur antiken griechischen Geisteswelt entwickelt hatte, wird neben den Äußerungen auf Sankt Helena 51 auch aufgrundder Anmerkungen deutlich, die er zum "Staat" 5 2 des Philosophen Plato, von dem er zeit seines Lebens gerne sprach 53, verfaßt hat: "Von Rechts wegen muß man dem Regierungsoberhaupt gehorchen. Regierungschefs können sich aber irren. Sie schaffen gute und schlechte Gesetze, denen man gleichwohl gehorchen muß ... Jeder, der herrscht, befiehlt aber nicht in seinem eigenen Interesse, sondern im Interesse seiner Untertanen ... " 54 Er beschäftigte sich in seiner Jugendzeit auch mit der Staatsverfassung Athens. 55 Einen Abschnitt seines Aufsatzes widmete Bonaparte der Gesetzgebung Solons. Besonders vermerkte er, daß Solon die Dotierungsmöglichkeit für Töchter abgeschafft und die Söhne von der Unterhaltspflicht ihren Vätern gegenüber entbunden hatte, sofern sie von diesen keine Berufsausbildung erhalten hatten. 56 Bei der Debatte zum fünften Kapitel des fünften Titels des Code civi/ sollte der Erste Konsul für die Dotierungspflicht der Eltern zugunsten ihrer Töchter plädieren. 57 Bonaparte war offenbar von der staatsmännischen Verpflichtung zur Schaffung von guten Gesetzen für das Volk überzeugt, ohne sich in Einzelfragen von antiken Vorbildern beeinflussen zu lassen. 58 Mehrere Seiten widmete er in seinen historischen Betrachtungen auch der lykurgischen Gesetzgebung in Sparta. 59 Dabei vermerkte er, daß in Sparta die Gesetze mächtiger als die Könige gewesen seien. 60 Mit seinen Siegen hatte Bonaparte Frankreich stark gemacht, nunmehr galt es, seine Befähigung zum Amt des Staatsoberhauptes unter Beweis zu stellen Las Cases, Ed. Walter, Bd. I, S. 238. Pauly, Bd. 3, Sp. 19 ff. [20]. 49 Auf Sankt Helena [10.-12. März 1816] sagte der Kaiser zu Las Cases, Ed. Walter, Bd. 1, S. 415: ,,Als ich während meines Italienfeldzuges die Adria erreicht hatte, schrieb ich ans Direktorium, daß vor mir das Reich Alexanders liege." 50 Las Cases, Ed. Walter, Bd. 2, S. 337. 51 Neben Fußn. 49 oben siehe weiter Las Cases, Ed. Walter, Bd. I, S. 415. 52 Die Bonaparte vermutlich vorliegende Ausgabe von Platos "Republique" dürfte die Übersetzung des Abbe Grou, Paris 1762, oder Amsterdam 1763, gewesen sein [Napoleon, Manuscrits inedits, S. 89, Fußn. 2, Anm. d. Hrsg. Masson und Biagi]. 53 Remusat, Lettres, Bd. I, S. 351. 54 Napoleon, Manuscrits inedits, S. 91 f. 55 Napoleon, Manuscrits inedits, S. 101-103 u. 108-111. 56 Napoleon, Manuscrits inedits, S. 103. 57 Siehe unten S. 127. 58 Siehe auch unten S. 246. 59 Napoleon, Manuscrits inedits, S. 103-106 u. 111. 60 Napoleon, Manuscrits inedits, S. 106 u. 111. 47 48
II. Der Entschluß Bonapartes zur Schaffung des Code civi/
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und seine Regierung möglichst rasch zu konsolidieren. 61 Dies wollte Bonaparte mit der prompten Herstellung der Rechtseinheit durch den Code, der Neuordnung der Administration, der Sanierung der Finanzen und dem Konkordat erreichen. Wenige Wochen nach dem Staatsstreich, noch während des provisorischen Konsulats, äußerte Bonaparte am 6. Nivose VIII [27. Dezember 1799] in einem Gespräch mit Andigne und Hyde de Neuville, zwei Anführern der royalistischen Bewegung, daß er die Religion in Frankreich wiederherstellen werde für sich selbst und das Volk. 62 Die allgemeine Forderung nach Rechtseinheit erfüllte er mit der Schaffung des Code civil. Denn seine Politik bestand zum einen darin, Frankreich aufzubauen, und zum anderen in Ausbau und Festigung seiner Macht. 63 Das hat der Kaiser in einem Schreiben an seinen Bruder Joseph, den er zum König von Neapel gemacht hatte, zum Ausdruck gebracht: "Führen Sie den Code in Neapel ein ... Er festigt Ihre Macht ... Das hat mich auch bewogen, ein Zivilgesetzbuch zu predigen und einzuführen." 64 Soweit man in der Literatur versucht hat, dieses Bekenntnis Napoleons mit dem Argument zu relativieren, er habe mit zunehmender Machtentfaltung Tendenzen willkürlicher und seinem Reformwerk nicht gerecht werdender Geschichtsverbiegung gezeigt 65, wird verkannt, daß der Erste Konsul bereits kurz nach Amtsantritt klar das Motiv seiner Reformpläne umrissen hatte. So erklärt sich die immense Anstrengung, mit der Bonaparte die Neuordnung Frankreichs in Angriff nahm und in kürzester Zeit vollendete. Dies geschah in einem so atemberaubenden Tempo unter persönlicher Führung des Ersten Konsuls, daß einer seiner größten Gegenspieler, Talleyrand, bekannte: "Man kann ohne Übertreibung sagen, daß zum Zeitpunkt des Friedensschlusses von Amiens Frankreich Ansehen, Ruhm und Einfluß in einem nicht erträumten Maße genoß. Und was die Sache noch wunderbarer machte, war die Schnelligkeit, mit der dies alles vollbracht worden war. In nicht einmal zweieinhalb Jahren, das heißt vom 18. Brumaire (9. November 1799) bis zum 25. März 1802, dem Tag des Friedensschlusses von Amiens, hatte sich Frankreich aus der Erniedrigung, in die es vom Direktorium gestürzt worden war, an die Spitze Europas aufgeschwungen. Bonaparte kümmerte sich nicht nur um die außenpolitischen Fragen, sondern genauso um die innenpolitischen. In seinem unglaublichen rastlosen Eifer meisterte er alle Probleme." 66
Ebenso Villeneuve de Janti, S. 49. Andigne, Bd. 1, S. 418, und Hyde de Neuville, Bd. 1, S. 273. 63 Ebenso Lucien-Brun, S. 208; Jac, S. 109 f.; Viollet, S. 205. 64 Brief vom 5. Juni 1806, Correspondance, Nr. 10314, Bd. 12, S. 528 f.; Joseph Bonaparte, Bd. 2, S. 276. 65 Perouse, S. 220; Villeneuve de Janti, S. 182. 66 Talleyrand, Bd. 1, S. 286. 61
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2. Die Maßnahmen des Ersten Konsuls zur Durchsetzung der Kodifizierungspläne Nachdem der Erste Konsul die Finanzen, die er in völlig desolatem Zustand vorgefunden hatte, in Ordnung gebracht 67 und durch den Sieg bei Marengo für Frieden gesorgt hatte, wandte er sich der Ordnung des Rechtswesens zu. Am 24. Thermidor VIII [12. August 1800] erließ er folgende Verfügung: Art. 1: Der Justizminister versammelt in seinem Ministerium die Bürger Tronchet, Präsident des Tribunal de cassation, Bigot-Preameneu, Regierungs-Kommissar ebenda, und Portalis, Commissaire au conseildes prises, um dort über die Abfassung des Code civil zu beraten. Art. 2: Er soll hierzu Herrn Malleville, Mitglied des Tribunal de cassation hinzuziehen, der als Secretaire-redacteur fungieren soll. Art. 3: Der Justizminister soll den Beratungen die drei Entwürfe zum Code civil zugrundelegen, die aufgrund des Auftrages des Konvents abgefaßt worden waren 68, und den Entwurf, der von der Section de tegislation der Gesetzgebungskommission vorgelegt worden war69. Art. 4: Die Bürger Tronchet, Bigot und Portalissollen die verschiedenen Gesetzesentwürfe in ihrer Grundstruktur miteinander vergleichen und einen Entwurf bestimmen, der ihnen am geeignetsten erscheint. Art. 5: Sie sollen danach, der Reihenfolge der von ihnen festgelegten Einteilung folgend, die grundlegenden Fragen der Zivilgesetzgebung diskutieren. Art. 6: Diese Arbeit soll in der letzten Dekade des Brumaire des Jahres JX 70 abgeschlossen sein und umgehend den Konsuln durch den Justizminister vorgelegt werden. Art. 7: Die Bürger Tronchet, Bigot-Preameneu und Portalis sollen an den Sitzungen im Staatsrat, wo die Beratungen über den Code civil abgehalten werden, teilnehmen.71 Der Erste Konsul ließ den Mitgliedern der Gesetzgebungskommission durch den Justizminister Abrial 72 mitteilen, daß die Aufgabe so schnell wie nur möglich erledigt werden müsse. 73 Am 1. Pluviose IX [21. Januar 1801] lag der Entwurf 67 U.a. Gründung der Banque de France am 24. PluviOse VIII [13. Februar 1800]. 68 Gemeint sind die von Cambaceres erarbeiteten Entwürfe vom 9. August 1793, 23. Fructidor li [9. September 1794] und 24. Prairial IV [12. Juni 1796]. Dazu oben S. 37. 69 Entwurf der zehn grundsätzlichen Titel des Code civil, nach dem 18. Brumaire VIII von der Gesetzgebungskommission des Rates der Fünfhundert erarbeitet und vom Volksvertreter Jacqueminot im Primaire VIII vorgelegt; siehe Favard, Bd. I, S. XIII. 70 November 1800. 71 Correspondance, Nr. 5059, Bd. 6, S. 555 f. n Andre-Joseph Abrial, 1750 bis 1828. Von Bonaparte 1800 zum Justizminister ernannt und unter dem Kaiserreich in den Grafenstand erhoben, stimmte er 1814 im Senat für die Absetzung Napoleons. Nouvelle Biographie Generale, Bd. 1, S. 151 f. 73 Maleville, Bd. 1, S. X. Die Initiative ging also nicht von Abria1 aus, wie Sagnac, S. 55, behauptet. Maleville, Bd. 1, S. X, berichtet, daß ihnen die Erfüllung dieser Aufgabe mit viel Fleiß innerhalb von vier Monaten gelungen sei.
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gedruckt vor. 74 Bonaparte, dem nichts schnell genug gehen konnte, und der wußte, daß Frankreich vor allem anderen ein einheitliches Rechtssystem zur Überwindung der Rechtsunsicherheit brauchte, und der davon überzeugt war, daß die junge Regierung dadurch gefestigt werde, setzte die Kommission unter Zeitdruck. Eines Tages empfing er Portalis in Malmaison mit folgenden Worten: "Also, Bürger Portalis", sagte er lachend, ,,Sie sind ein Faulpelz. Wo nun alles nach dem Code ruft, müssen Sie schnell voranmachen." Worauf dieser erwiderte: "Oh, General, Sie glauben wohl, jeder habe Ihre Gabe zu zaubern? Wissen Sie, daß ein Gesetzbuch ein großartiges Denkmal für eine Nation ist? Es ist gar nicht so einfach, darin Ordnung zu bringen." ,,Ja, zweifellos", entgegnete Bonaparte, "aber es muß vorangehen, immer voran!" 75 Obwohl Bonaparte keine Verzögerung duldete, sollte eine zügige Bearbeitung nicht auf Kosten der Gründlichkeit gehen. Deshalb ordnete er am 7. Germinal IX [28. März 1801] an, den fertigen Entwurf an die Gerichte zu versenden. Jedes Gericht sollte eine Kommission von drei Mitgliedern bilden und bis zum 20. Prairial IX [9. Juni 1801] Anmerkungen und Vorschläge einreichen 76 • So wurde der Entwurf mit zahlreichen Verbesserungsvorschlägen versehen. Man ging sogar so weit, das Preußische Allgemeine Landrecht zu übersetzen und zu verteilen. 77 Am 25. Messidor IX [14. Juli 1801], dem Jahrestag des Sturms auf die Bastille und dem Tag der Eröffnung der Beratungen in der Vollversammlung des Staatsrates, ließ der Erste Konsul eine Proklamation veröffentlichen, in der er dem französischen Volk Schutz seines Eigentums und seiner Rechte durch ein "in weisen, gründlichen Beratungen" 78 gereiftes Zivilgesetzbuch versprach 79 • Dies durchzusetzen, gelang Bonaparte zunächst aufgrund des Widerstandes des Tribunat nicht. Diese Körperschaft schöpfte ihre verfassungsmäßigen Kompetenzen aus, um den Fortgang der Gesetzesarbeiten zu hemmen 80• Die Verfassung des Jahres VIII [1799] hatte die Gesetzgebungskompetenz zwischen den Konsuln, also der Regierung, dem Tribunat und dem Corps /egislatif aufgeteilt. Die Gesetzesinitiative war der Regierung vorbehalten, die sie nur mit Hilfe des Staatsrates ausüben konnte. 81 Maleville, Bd. 1, S. X. Abrantes, Bd. 4, S. 146; dieses " i/ faut marcher " habe er mehrmals wiederholt, bemerkt die Abrantes ebenda. 76 Correspondance, Nr. 5490, Bd. 7, S. 121 f. Diesen Beschluß ließ Bonaparte auch im Moniteur veröffentlichen. n " .. . obwohl es nicht viel brachte", bemerkt Locre, Bd. 1, S. 73. Man vermied damals, Anleihen im ausländischen Recht zu machen, insbesondere im angelsächsischen; siehe Perouse, S. 39. 78 " sage lenteur des discussions". 79 Diese Proklamation wurde am 22. Messidor IX [11. Juli 1801] verlaßt, Correspondance, Nr. 5634, Bd. 7, 244 f. [245]. so Villeneuve de Janti, S. 138 ff. s1 Locre, Bd. l, S. 51. 74 75
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Sodann mußte dem Tribunat das Ergebnis dieser Beratung, also der Gesetzesentwurf, durch das Corps legislatifvorgelegt werden. 82 Dies nannte man Communication officielle 83 • Der Tribunat hatte darüber nach Beratung durch Abstimmung zu entscheiden. Danach sollte der Entwurf dem Corps tegislatifdurch kontradiktorischen Vortrag von Seiten der Regierung und des Tribunat zur Entscheidung vorgelegt werden. Als die ersten Gesetzesentwürfe zum Präliminartitel sowie zum ersten 84 und zweiten Titel 85 dem Tribunat vorgelegt wurden, votierte Andrieux 86 als Berichterstatter der Kommission des Tribunat für die Ablehnung des Gesetzesentwurfs zum Präliminartitel. Er sagte, dieser sei nicht speziell für ein Zivilgesetzbuch geschaffen, sondern passe im Grunde zu allen Gesetzbüchern. 87 Ein weiterer Grund für die Ablehnung war die angebliche Inkoherenz der einzelnen Bestimmungen des Entwurfs. Andrieux meinte weiter, sie seien zum Teil eher allgemeine moralische Axiome und hätten daher als Eingangsvorschriften in einem so bedeutenden Gesetzeswerk nichts zu suchen. 88 Am 21. Frimaire X [ 12. Dezember 1801] lehnte der Tribunat mit 65 zu 13 Stimmen den Entwurf ab. 89 Trotz der Bemühungen Portalis' als Regierungsvertreter kam der Entwurf am 24. Frimaire X [15. Dezember 1801] auch vor dem Corps legislatif gegen eine Mehrheit von allerdings nur drei Stimmen nicht durch. 90 Seit längerer Zeit hatte der Tribunat bei Gesetzesvorlagen Schwierigkeiten bereitet, die nicht immer von sachlichen Beweggründen begleitet gewesen waren. 91 Bei den Auseinandersetzungen zwischen dieser Körperschaft und der Regierung handelte es sich oft um reine Machtkämpfe 92 , die von den alten Republikanern unter den Tribunen lanciert wurden 93 • Im Tribunat waren Stimmen laut geworden, die sagten: "Wir haben es geschafft, ein Idol von 14 Jahrhunderten 94 zu stürzen. Zweifelt man, daß wir das Idol eines Tages stürzen können?" 95 Worauf der Erste Konsul im Staatsrat meinte: "Wenn die mir so kommen, hole ich meinen Säbel wieder hervor." 96 Zu Locre sagte er einmal in seinem ArbeitszimLocre, Bd. 1, S. 60. Offizielle Mitteilung, siehe Locre, Bd. 1, S. 60. 84 "Von Genuß und Verlust der Bürgerrechte". 85 "Von den Zivilstandsurkunden". 86 Fran~ois-Guillaume-Jean-Stanislas Andrieux, 1759 bis 1833, berühmter Schriftsteller. Siehe Nouvelle Biographie Generale, Bd. 2, S. 594 ff. 87 Thibaudeau, Consulat, S. 215. 88 Thibaudeau, Consulat, S. 216. 89 Thibaudeau, Consulat, S. 210 u. 216; Thiers, Bd. 3, S. 349, gibt irrig 63 zu 15 Stimmen an. 90 Mit 142 zu 139 Stimmen. Siehe Locre, Bd. 1, S. 87, und Thibaudeau, Consulat, s. 216. 91 Thibaudeau, Consulat, S. 199 ff. 92 Savary, Bd. 1, S. 439. 93 Locre, Bd. 1, S. 85. Zum starken Einfluß der Republikaner auch nach der Reinigung des Tribunat siehe Dumas, Bd. 3, S. 227. 94 Gemeint ist der französische König. 95 Locre, Bd. 1, S. 85. 82 83
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mer: "Die glauben doch tatsächlich, daß sie hier das Direktorium vor sich haben, daß ich sie umschmeichele und hätschele. Da täuschen sie sich aber. Wenn die mich beschimpfen, zahle ich mit gleicher Münze heim." 97 Nach dem Scheitern des ersten Entwurfs beriet Bonaparte mit Cambaceres und dem Staatsrat über die Möglichkeit, die weiteren Entwürfe durchzusetzen. Zwischenzeitlich hatte Boulay de Ia Meurthe am 11. Frimaire X [2. Dezember 1801] den Gesetzesentwurf "Von Genuß und Verlust der Bürgerrechte" und Thibaudeau am 21. Primaire X [12. Dezember 1801] den "Von den Zivilstandsurkunden" dem Corps Iegislatif vorgelegt. 98 Sirneon 99 hatte in seinem Gutachten vor dem Tribunat am ersteren Entwurf Kritik geübt 100• Unter anderem bemängelte er, daß eine Regelung der Nationalität der in den französischen Kolonien Geborenen fehle. 101 Im Staatsrat äußerte sich Bonaparte dazu folgendermaßen: "Wenn ich beispielsweise einen so fähigen Mann wie Sirneon sehe, der fragt, ob die in den Kolonien Geborenen Franzosen seien, so verstehe ich die Welt nicht mehr. 102 Das ist doch sonnenklar. Und was den ersten Entwurf 103 betrifft, so habe ich die Rede des Bürgers Portalis gelesen, und ich wüßte nicht, was man dem entgegenhalten könnte. Er hat denen doch die Zähne gezogen. 104 So eloquent kann man gar nicht sein, daß man innerhalb von 24 Stunden den Standpunkt einer Körperschaft ändern kann, die seit einem Monat von der Idee durchdrungen ist, daß etwas unsinnig ist. Eine Stunde vor der Rede des Bürgers Portalis vor dem Corps legislatif haben die gesagt, die Konsuln und Staatsräte seien lauter Esel. 105" Nachdem eine Fülle von Lösungsvorschlägen diskutiert worden waren, und Dumas mit seinem Vorschlag, vorläufige Mitteilungen an den Tribunat zu machen, noch ungehört geblieben war 106, beschloß Bonaparte, die Entscheidungen Locre, Bd. I, S. 86. Locre, Bd. 1, S. 86. Die Worte Bonapartes: "Da gibt es zwölf oder 15 Metaphysiker, die man am besten ins Wasser werfen sollte. Das ist Ungeziefer, das ich auf dem Rock habe.", die in diesem Zusammenhang oft zitiert werden, so etwa von Perouse, S. 71, und Villeneuve de Janti, S. 140, beziehen sich aber nicht auf die ablehnende Haltung des Tribunat den Gesetzesentwürfen zum Code civil gegenüber, sondern datieren vom 9. Pluviose IX [29. Januar 1801] und zielten auf den Widerstand des Tribunat gegen einen die Sondergerichte betreffenden Gesetzesentwurf ab. Siehe Thibaudeau, Consulat, S. 204. Siehe dazu auch das Gespräch vom 4. Pluviose IX [24. Januar 1801] bei Roederer, Journal, S. 84: "Ich vertrage es nicht, wenn man mich beleidigt", bekannte Bonaparte bei dieser Gelegenheit. 98 Thibaudeau, Consulat, S. 216. 99 Joseph-Jeröme Simeon, 1749 bis 1842, Mitglied des Tribunat ab dem 8. Floreal VIII [28. April 1800], ein gemäßigter Staatsmann, der sich insgesamt durch konstruktive Mitarbeit am Code civil auszeichnete, Nouvelle Biographie Generale, Bd. 43, S. 101 ff. 100 Thibaudeau, Consulat, S. 216. 101 Thibaudeau, Consulat, S. 216; vgl. Perouse, S. 73, Fußn. 1. 102 Thibaudeau, Consulat, S. 217; vgl. Savary, Bd. I, S. 440. to3 Den Präliminartitel betreffend. 104 Thibaudeau, Consulat, S. 217 f. 105 Thibaudeau, Consulat, S. 219. 106 Siehe die von Thibaudeau, Consulat, S. 222 f., wörtlich protokollierte Debatte. 96 97
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zu den zwei Gesetzesentwürfen abzuwarten: "Werden sie verworfen, nehmen wir unsere Winterquartiere. Die Debatten werden wir dann im nächsten Jahr im Staatsrat fortsetzen." 107 Der dritte Entwurf, "Von den Zivilstandsurkunden", wurde auf den 7. Frimaire vorgezogen und vom Tribunat mit 64 gegen 26 Stimmen angenommen, während der zweite, "Vom Genuß der Bürgerrechte", nach einwöchiger Debatte vom Tribunat mit 61 gegen 31 Stimmen abgelehnt wurde. 108 Daraufhin wollte der Erste Konsul eine Entscheidung des Corps Legislatifnicht mehr abwarten 109 und ließ ihm nach Abstimmung mit dem Staatsrat 11 o am 12. Nivase X [2. Januar 1802] folgende Mitteilung zukommen: Gesetzgeber, Die Regierung hat beschlossen, die Gesetzesentwürfe zum Code civil zurückzuziehen ... Mit Bedauern sieht sie sich gezwungen, die mit soviel Anteilnahme der Nation erwarteten Gesetze auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Sie ist jedoch überzeugt, daß die Zeit noch nicht gekommen ist, wo man diese wichtigen Debatten mit der erforderlichen Ruhe und Eintracht führt. 111 Die Einwendungen des Tribunat waren nicht alle unsachlich. Sofern sie sich etwa auf den Bürgerlichen Tod bezogen, waren sie keine Schikane. Doch überwog in den Augen der Öffentlichkeit der Boykottcharakter. 112 Der Erste Konsul war empört über die Hindernisse, die die Tribunen seinen Reformbestrebungen in den Weg legten. Der Widerstand des Tribunat drohte, das Renommee des Ersten Konsuls als Gesetzgeber und seine Verdienste bei der Abfassung zahlreicher Einzelbestimmungen zunichte zu machen. 113 Nach Thibaudeau soll er sogar einmal entmutigt geäußert haben, man könne die Gesetzesarbeiten auch ganz zurückstellen und sich um andere wichtige Dinge wie zum Beispiel das öffentliche Bildungswesen kümmem. 114 Bonaparte wollte sich jedoch auf seinem Weg zur unumschränkten Macht nicht aufhalten lassen. Der Code sollte einer der Meilensteine werden. Wochen später, als er in Lyon über die italienische Frage beriet, richtete er zahlreiche Schreiben an den zweiten Konsul Cambaceres, in denen er die Notwendigkeit der Beseitigung der Opposition unterstrich: "Ganz Frankreich ist empört über die böse Haltung des Tribunat. 115 Der Wille der Thibaudeau, Consulat, S. 222. Vgl. dens., Memoires, S. 45. Thibaudeau, Consulat, S. 210 u. 222. 109 Savary, Bd. 1, S. 440. 110 Thibaudeau, Consulat, S. 223. 111 Correspondance, Nr. 5907, Bd. 7, S. 452. Locre, Bd. 1, S. 88, berichtet, Bonaparte habe danach mehrfach gesagt, er habe den Tribunat mit dieser Erklärung mundtot gemacht. 112 Nicias-Gaillard, S. 41. 113 Villeneuve de Janti, S. 142. 114 Thibaudeau, Consulat, S. 217. 115 Correspondance, Nr. 5917, Brief vom 23. Nivose X [13. Januar 1802], Bd. 7, s. 458 f. [459]. 101
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Nation geht dahin, daß niemand die Regierung daranhindem darf, Gutes zu tun, und daß der Medusenkopf nicht mehr in Gestalt unserer Tribunen ... erscheint. 116 Sie können ruhig verkünden, daß ich so lange keine Gesetzesentwürfe mehr vorlegen werde, wie Leute wie Thiesse, Chazal, Chenier und Garat im Tribunat sitzen. 117 Ich glaube nicht, daß wir vorankommen werden, solange die verfassungsmäßigen Organe aus Feinden bestehen. 118" Die Regierung suspendierte beide Körperschaften von weiteren Gesetzesarbeiten, indem sie keine Entwürfe mehr vorlegte. Die Folge dieser Stagnation im Gesetzgebungsverfahren war, daß die Öffentlichkeit sich auf die Seite des Ersten Konsuls stellte, der zum damaligen Zeitpunkt bereits äußerst populär war. Man erhob gegen die Körperschaften bittere Vorwürfe und klagte den bösen Willen an, mit dem sie die dringend notwendige Gesetzesreform boykottierten. 119 Cambaceres hatte den Ersten Konsul überzeugen können, von der Auflösung des Tribunat Abstand zu nehmen, und statt dessen einen Vorschlag unterbreitet, der eine verfassungsmäßige Umgestaltung der Mitglieder beider Körperschaften vorsah. Art. 38 der Verfassung des Jahres VIII lautete: Le premier renouvellement du Corps Legislatif et du Tribunat n' aura lieu que dans le cours de I' an X. 12o
[Die erste Neuwahl von Corps legislatifund Tribunat soll erst im Laufe des Jahres X 12 1 stattfinden.] Diese Neuwahl betraf lediglich ein Fünftel der Mitglieder. Der Wahlmodus war nicht geregelt. 122 Man befand sich im Jahre X, und Cambaceres regte an, die nach der Verfassung vorgesehene Erneuerung der Kontingente in Tribunat und Corps Legislatifnunmehr vorzunehmen, um die unbequemen, den Gang der Gesetzgebung hemmenden Oppositionellen auf elegante Art zu entfernen. 123 Bei einer Stärke von 300 Mitgliedern im Corps tegislatif und 100 im Tribunat bedeutete dies einen Wechsel von 60 bzw. 20 Mitgliedern. Um die Oppositionellen entfernen zu können, mußte man aber die Ausscheidenden bestimmen können. Bonaparte sprach daher im Staatsrat für das Auswahlverfahren, während einige Räte für das Losverfahren stimmten. 124 Der Erste Konsul meinte, das Losverfah116
Correspondance, Nr. 5922, Brief vom 28. Nivose X [18. Januar 1802], Bd. 7,
111
Correspondance, Nr. 5927, Brief vom 1. Pluviose X [21. Januar 1802], Bd. 7,
118
Correspondance, Nr. 5931, Brief vom 4. Pluviose X [24. Januar 1802], Bd. 7,
s. 462 f. [462]. s. 467.
s. 469 f. [469].
Thiers, Bd. 3, S. 365 u. 407. Thiers, Bd. 3, S. 358. 121 23. September 1801 bis 22. September 1802. 122 Thibaudeau, Consulat, S. 231. 123 Thiers, Bd. 3, S. 358. Siehe die Kritik Jacs, S. 147, an der Auslegung des Art. 38 der Verfassung. 124 Thibaudeau, Consulat, S. 232. 119
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renverstoße gegen das Wahlrecht des Senats. Darauf entgegnete man ihm, dieses Wahlrecht betreffe lediglich die neuen Mitglieder, nicht jedoch die ausscheidenden.125 Man ließ schließlich diese Frage bewußt offen und behielt eine Entscheidung dem Senat vor: Senatoren, Art. 38 der Verfassung verlangt die Neuwahl des ersten Fünftels [der Mitglieder]
von Corps legislatifund Tribunat im Jahre X, und wir befinden uns fast schon im vierten Monat dieses Jahres. Die Konsuln fühlen sich verpflichtet, Ihre Aufmerksamkeit auf diesen Umstand zu lenken. Ihre Weisheit wird die Notwendigkeit erkennen, sich unverzüglich der Vorbereitungen zum Wahlverfahren anzunehmen. 126 Cambaceres und Bonaparte kamen überein, daß der zweite Konsul während der Abwesenheit des Ersten Konsuls 127 im Senat für eine Handhabung des Wahlverfahrens im Sinne der Regierung werben solle. 128 Cambaceres bediente sich Tronchets, um auf den Senat einzuwirken. Dieser griff die Anregung bereitwillig auf. 129 In den Sitzungen vom 25. und 28. Niw5se X [15. und 18. Januar 1802] behandelte der Senat die Frage des Wahlverfahrens. 130 Mit 46 gegen 13 Stimmen entschied er sich für das Auswahlverfahren, das sich auf die Bestimmung der verbleibenden Mitglieder beider Körperschaften beziehen sollte, so daß die Entfernung der ausscheidenden Mitglieder nur indirekt festgelegt 131 und offiziell der Anschein einer bestätigenden Wahl erweckt wurde. 132 Man hatte vielen Senatoren heimlich Listen zukommen lassen, die die Namen der Mitglieder beinhalteten, die man behalten wollte, und diejenigen bezeichnet, die für die Ausscheidenden eintreten sollten. 133 So vollzog sich die Umstrukturierung dieser beiden Körperschaften. In den Tribunat traten so unter anderem Bonapartes Bruder Lucien 134, der ehemalige Kriegsminister Camot 135 und Daru 136 ein. 137 Am Tage seiner Abreise hatte der Erste Konsul auch die inoffizielle Mitteilung der Gesetzesentwürfe an den Tribunat im Staatsrat verteidigt. 138 Die Idee von 125 Thibaudeau, Consulat, S. 232. 126 Correspondance, Nr. 5911 , Briefvom 17. Nivose X [7. Januar 1802], Bd. 7, S. 454. 121 Wegen der Reise nach Lyon, um die Italienische Republik zu gründen. Thiers, Bd. 3, S. 406 f. 12s Thiers, Bd. 3, S. 365 f. u. 406 f. 129 Thiers, Bd. 3, S. 408. 130 Thiers, Bd. 3, S. 409. 131 Thibaudeau, Consulat, S. 232. 132 Thiers, Bd. 3, S. 409 f. 133 Thiers, Bd. 3, S. 410; vgl. Thibaudeau, Consulat, S. 232 f. 134 1775 bis 1846, Napoleons zweiter Bruder. Nouvelle Biographie Generale, Bd. 37, S. 448 ff. 135 Lazare-Nicolas-Marguerite Camot, 1753 bis 1823, General und Staatsmann, Republikaner. Siehe Nouvelle Biographie Generale, Bd. 8, S. 788. 136 Pierre-Antoine-Noel-Bruno Daru, 1767 bis 1829, siehe 1a Barre de Nanteuil, s. 25 ff. 137 Thibaudeau, Consulat, S. 212; Thiers, Bd. 3, S. 413 f.
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der Communication o.fficieuse geht auf Mathieu Dumas zurück, der diesen Vorschlag bereits in der Staatsratssitzung, in der es um die Frage des weiteren Vorgehens im Gesetzgebungsverfahrenangesichts der Ablehnung des Entwurfs des Präliminartitels durch den Tribunat gegangen war, in die Debatte geworfen hatte. Mit Beschluß vom 18. Germinal X [8. April 1802] führte die Regierung die Communication o.fficieuse ein. 139 Art. 1 und 2 des Dekrets lauteten: Art. I : In den Fällen, in denen die Regierung es für sachdienlich erachtet, einer
Sektion des Tribunat eine vorläufige Mitteilung von der Abfassung eines Gesetzesentwurfs, der im Staatsrat beschlossen worden ist, zu machen, soll der Generalsekretär des Staatsrats durch einen Regierungsboten den den Entwurf betreffenden Auszug des Debattenprotokollregisters an den Präsidenten des Tribunat richten. Art. 2: Sodann können Konferenzen zwischen den zu diesem Zweck von der Sektion des Tribunat bestimmten Mitgliedern und den von der Regierung beauftragten Staatsräten unter dem Vorsitz eines Konsuls stattfinden. 140 Diese sogenannte "Inoffizielle Mitteilung" sah demnach folgendes Verfahren vor: Bevor die im Staatsrat beschlossenen Gesetzesentwürfe dem Regierungschef vorgelegt wurden, übergab sie der Generalsekretär des Staatsrates mittels eines Regierungsboten der betreffenden Sektion des Tribunat. Die Sektion beriet dann darüber, verzeichnete in einem Protokoll die Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge 141 und sandte diese durch einen Regierungsboten an den Generalsekretär des Staatsrates zurück. Der leitete das Protokoll an die Section de Iegislation des Staatsrates weiter. Nahm sie die Anregungen und Verbesserungsvorschläge der Sektion des Tribunat auf, so entwarf sie ein Gutachten für die Generalversammlung des Staatsrates. Bei ablehnender Haltung der Sektion hingegen konferierten diese und die Sektion des Tribunat miteinander unter dem Vorsitz von Cambaceres. Über die Konferenz und deren Ergebnis erstattete die Sektion der Generalversammlung Bericht. In beiden Fällen diskutierte die Generalversammlung das Gutachten der Sektion des Tribunat und den Standpunkt der eigenen Sektion und faßte sodann einen endgültigen Entwurf ab. Danach erfolgte die Vorlage beim Ersten Konsul und dann beim Corps legislatif, das den Entwurf offiziell an den Tribunat weiterleitete. Dessen Sektion berichtete sodann in der Generalversammlung. Nach Abschluß der Debatte beschloß der Tribunat dann ein Ablehnungs- oder Zustimmungsvotum, das von besonders bestimmten Sprechern vor dem Corps legislatif vertreten und gegebenenfalls gegen die Regierungssprecher verteidigt wurde. 142 Nachdem so die Opposition zum Schweigen gebracht und die Machstellung der Regierung konsolidiert worden war, stand den Reformbestrebungen BonaparTilibaudeau, Consulat, S. 228. Bd. 1, S. 61. 140 Locr~. Bd. 1, S. 61. 141 Unrichtig P~rouse, S. 10, der behauptet, der Tribunat habe keine Möglichkeit gehabt, Verbesserungen einzubringen. 142 Locr~. Bd. 1, S. 62 f. 138
139 Locr~.
4 Theewen
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I. Teil, 3. Kapitel: Die Entwicklung des Code civil
tes nichts mehr im Wege. Er war nun Konsul auf Lebenszeit, und die Körperschaften konnten ihm keine Schwierigkeiten mehr bereiten. Er setzte die Institution der Ehrenlegion und das Konkordat mit Rom durch. Am 22. Fructidor X [9. September 1802) wurden die Gesetzgebungsdebatten im Staatsrat wieder aufgenommen. Achtzehn Monate nach Wiederaufnahme der Arbeiten sollte der Code fertig sein, indem perGesetzvom 30. Yentose XII [21. März 1804) sämtliche sukzessive promulgierten Titel 143 zu einem Gesetzeswerk unter der Bezeichnung Code civil des Franr;ais zusammengefaßt wurden.
143
Zu den Gründen des gestaffelten Inkrafttretens siehe Locre, Bd. 1, S. 101 ff.
ZWEITER TEIL Erstes Kapitel
Generelle Betrachtung über die Rolle Bonapartes bei den Staatsratsdebatten zum Code civil I. Die Protokolle Locres als Hauptquelle Die Protokolle Locres sind die Hauptquelle der vorliegenden Untersuchung. In der Sitzung vom 5. Nivose VIII [26. Dezember 1799], der zweiten des Staatsrates überhaupt, hatte der General Brune 1 nach Verlesung des Protokolls der ersten Sitzung verlangt, die Wiedergabe der Debatte zu streichen und künftig in den Protokollen nur noch Gegenstand und Ergebnis der Beratungen zu vermerken. Der Staatsrat hatte sich diesem Vorschlag angeschlossen. 2 Während der fünfzehnjährigen Praxis des Staatsrates wurde so verfahren. In der Sitzung vom 4. Thermidor IX [23. Juli 1801] wurde für die Gesetzesdebatten jedoch ein anderer Modus gewählt. Der Erste Konsul hatte nämlich die Frage aufgeworfen, ob die die Gesetzgebungsdebatten betreffenden Protokolle nicht doch gedruckt werden sollten, so wie es ursprünglich angekündigt worden war. 3 Thibaudeau hingegen war für ein bloßes Resümee und sah in der Veröffentlichung der Protokolle den Nachteil, daß man in verschiedenen Mitschriften nachschlagen müsse, wenn man die Beratungen zu einem bestimmten Gesetzesentwurf studieren wolle. 4 Roederer entwickelte eine andere Idee, die sich an den Protokollen der Beratungen zu den Ordonnanzen von 1667 und 1670 orientierte, und die nach seiner Ansicht gegenüber der historischen Mitschrift vorteilhafter sei. Danach sollte zunächst der erste Artikelentwurf vorgestellt werden, sodann die Bedenken, Verbesserungsvorschläge und Gründe, weshalb dieses oder jenes Ergebnis erzielt wurde. Roederer meinte, man müsse dabei nämlich berücksichtigen, daß Louis XIV. an den Debatten zur Ordonnanz von 1667 nicht teilgenommen habe, während der Erste Konsul den Beratungen beiwohne. Deshalb müsse mit Umsicht bei der Art und Weise, wie er zitiert werde, verfahren werden. 5 t 2
3 4 5
4•
Staatsrat von 1799 bis 1810, siehe Durand, Conseil, S. 751. Locre, Bd. 1, S. 57. Locre, Bd. 1, S. 80. Locre, Bd. 1, S. 80 f. Locre, Bd. 1, S. 81 f.
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II. Teil, l. Kapitel: Bonaparte im Staatsrat
Darauf erwiderte Bonaparte: "Die Beratungen über die Ordonnanzen von 1667 und 1670 waren anderer Art. Sie wurden von ganz wenigen hervorragenden Rechtsgelehrten geführt und bezogen sich auf ein begrenztes Gebiet. Die Beratungen des Staatsrates hingegen umfassen sämtliche Materien des Zivilrechts und werden nicht ausschließlich von Rechtskundigen geführt. Es ist daher unvermeidlich, daß man dort mehr Ungenauigkeiten antrifft als in den Protokollen, von denen der Bürger Roederer spricht... Das soll aber nicht stören. Die renommierten Rechtsgelehrten sollen nur sorgfaltig die Abfassung ihrer Ausführungen überprüfen. Das Ansehen, daß sie ganz zu Recht erworben haben, gebietet, daß nichts zutage tritt, was ihrer unwürdig ist. Diejenigen aber, die von der Rechtswissenschaft nichts zu verstehen brauchen, die zur Debatte nur den Gerechtigkeitssinn beisteuern, müssen auf ihre Äußerungen weniger achten. 6 Was uns, Soldaten und Finanzleute, betrifft, die wir keine Rechtsgelehrten sind, so wiegen unsere Ansichten weniger. Ich kann in einer Debatte Dinge sagen, die ich eine Viertelstunde später nicht mehr gut finde, aber ich will nicht mehr scheinen als sein. 7" Tronchet unterstützte Bonaparte und bemerkte zu den Bedenken Thibaudeaus, denen könne mittels eines Inhaltsverzeichnisses oder dergleichen begegnet werden. 8 Auch Portalis legte Wert auf die genaue Wiedergabe der Beiträge. 9 Der Staatsrat schloß sich der Anregung Bonapartes an. Er beschloß die Protokollierung der Debatten zur Zivilgesetzgebung, die Revision durch die Mitglieder und die anschließende Vervielfaltigung durch Druck und Verteilung an Senat, Corps Legislatif, Tribunat und das Kassationsgericht. 10 In der Sitzung vom 24. Vendemiaire X [16. Oktober 1801] wurde bestätigend beschlossen, daß die die Zivilgesetzgebung betreffenden Protokolle fortan nicht mehr verlesen, sondern im Sekretariat zur Einsichtnahme ausliegen und im Bedarfsfalle von den Mitgliedern berichtigt werden sollten. 11 Die Redaktion der Protokolle oblag Locre, dem Generalsekretär des Staatsrates. Die Funktion eines Protokollführers hatte er bereits während der Revolution von 1795 bis 1799 im "Rat der Alten" innegehabt. 12 Diese Arbeit war sehr schwierig und ist nur zu begreifen, wenn man sich vor Augen hält, daß die Stenographie 13 damals noch unbekannt war. 14 Zur damaligen Zeit befand sich die Entwicklung der sogenannten "Tachygraphie" noch in ihren Anfangen, und Thibaudeau hat sich ihrer offenbar bedient, um die Stellungnahmen Bonapartes wörtlich niederzuschreiben. Locre hat behauptet, er habe bei seinen Protokollen zur ZivilgesetzgeLocre, Bd. l, S. 82; vgl. Thibaudeau, Consulat, S. 413. Thibaudeau, Consulat, S. 413 f. 8 Locre, Bd. 1, S. 82 f. 9 Locre, Bd. 1, S. 83. 10 Locre, Bd. 1, S. 83. 11 Locre, Bd. 1, S. 84. 12 Bourdon, S. 10 u. 12. 13 Marquisets Titel "Napoleon stenographie au Conseil d' Etat" ist daher unrichtig. 14 Bourdon, S. 11. 6 7
I. Die Protokolle Locres als Hauptquelle
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bung, die im übrigen die besten aller Versammlungsniederschriften in der Revolution und unter dem Kaiserreich sind 15, lediglich Stichworte notiert und sich im übrigen auf sein Gedächtnis verlassen. Nach Sitzungsschluß sei er dann zur Niederschrift der Debatten geschritten, wobei er versucht habe, peinlich genau die Argumente der Redner wiederzugeben. 16 Es ist jedoch wahrscheinlich, daß Locre mehr als nur Stichworte gemacht hat, da ansonsten nicht erklärlich ist, wie er die sehr langen Sitzungen, wie der Vergleich mit Thibaudeaus Mitschriften zeigt, im Kern getreu protokollieren konnte. 17 Er hat offenbar sinngemäße Zusammenfassungen der Beiträge während der Debatten niedergeschrieben 18 und im Anschluß an die Sitzungen ausformuliert. Nurdiese Deutung der Vorgänge erklärt den uniformen Stil aller Redner in den gedruckten Protokollen Locres und insbesondere den offensichtlichen Verlust der bildhaften Sprechweise Bonapartes, die Thibaudeau in seinen Memoires sur le Consulat für die Nachwelt so gut bewahrt hat.19 Trotzdem gehören die Protokolle Locres, vom dokumentarischen Wert für die Gesetzesarbeiten einmal abgesehen, zu den wichtigsten, bisher allerdings von den Historikern nicht ausgewerteten Quellen. Hier, in den Staatsratsdebatten, treten einem Napoleons Persönlichkeit und Ideenwelt derart umfangreich und geschlossen entgegen, daß sich ein Vergleich mit seiner Korrespondenz, den Zeugnissen eines Gourgaud, Bertrand, eines Caulaincourt und all seiner anderen engen Vertrauten aufdrängt. Auch im Kreise der Gelehrten sah der junge Bonaparte sich bereits historisch, erblickte er die Möglichkeit, der Geschichte seine Person als Gesetzgeber von antiken Maßen mitzugeben, aber er war in seinen Beiträgen nicht der Selbstdarsteller, wie er es in seinen Briefen, wo er beständig sein politisches Credo verkündete, oder in seinen Bekenntnissen in der Verbannung war, wo er, von wenigen Ausnahmen abgesehen, unermüdlich an seiner Legende, die er der Nachwelt zu überantworten gedachte, gearbeitet hat. In den mit großer Offenheit geschriebenen Tagebüchern Gourgauds und Bertrands ist der gestürzte Kaiser denn auch seines Pathos beraubt, das ihn bei den Debatten zum Code civi/ auf für seine Zeitgenossen so wunderbare Weise umgeben hat 20 •
15 Bourdon, S. 15. 16 Locre, Bd. 16, S. 648 f. 11 Bourdon, S. 11 f., sowie Thibaudeau, Consulat, S. 412, Marrnont, Bd. 2, S. 202, Regnaud, S. 241; vgl. dagegen die scharfe Kritik Fains, S. 165, der allerdings an den Debatten nicht teilgenommen hat. t8 Ebenso wurde von seilen der Sekretäre verfahren, die die Dekrete oder Briefe Napoleons aufzunehmen hatten, die dieser in einer kaum faßbaren Eile zu diktieren pflegte; siehe hierzu Fain, S. 57, und Meneval, Souvenirs, Bd. 1, S. 151. 19 Siehe hierzu Thibaudeau, Consulat, S. 414. 20 Siehe den folgenden Abschnitt.
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ß. Teil, 1. Kapitel: Bonaparte im Staatsrat
II. Die Zeugnisse der an der Gesetzgebung beteiligten Zeitgenossen Die Rolle Bonapartes bei der Beratung des Code civil im Staatsrat 1 ist von einer Reihe von Zeitgenossen und Augenzeugen beschrieben worden. 2 Alle, die ihn dort erlebt haben, ob sie ihm nun feindlich oder wohlwollend gesonnen waren, bezeugen die außergewöhnliche Energie, mit der er die Debatten leitete und durch eigene Beiträge bereicherte. Der wichtigste Zeuge 3, Thibaudeau, hat in seinen Memoires sur le Consulat und in seiner Histoire du Consulat et de l' Empire in Auszügen die Stellungnahmen des Ersten Konsuls zu einigen der wichtigsten Fragen der Zivilgesetzgebung wörtlich protokolliert und mitgeteilt. Trotz seines großen Renommees, sagt Thibaudeau, habe man bei Bonaparte so viel Geschicklichkeit bei den verschiedensten Staatsgeschäften anfänglich nicht erwartet, doch sei man trotz der für ihn naturgemäß fremden Zivilrechtsmaterie eines besseren belehrt worden 4 : "Der Erste Konsul führte bei der Mehrzahl der Sitzungen des Staatsrats, in denen der Code diskutiert wurde, den Vorsitz und nahm regen Anteil. Er forderte die Diskussion heraus, hielt sie ständig in Gang, leitete und belebte sie stets aufs neue. Er versuchte nicht, wie einige Staatsräte, durch geschliffene Rede, Wahl des Ausdrucks und flüssige Sprache 5 zu glänzen. Er sprach ganz natürlich, vollkommen unbefangen, ohne Eitelkeit, mit einer Freimütigkeit und in einem Konversationsstil, der natürlich lebendiger wurde, sobald der Diskussionsstoff, die gegensätzlichen Meinungen, der Stand der Debatte es erforderten. 6 Er stand keinem der Mitglieder des Rates in etwas nach. Manchmal kam er den Fähigsten unter ihnen gleich, nämlich dann, wenn er mit Leichtigkeit ein Problem entwirrte, treffende Gedanken entwickelte und starke Argumente vorbrachte. Oft übertraf er sie durch seine originelle Ausdrucksweise. 7" Thibaudeau betont, er behaupte nichts, was nicht durch die gedruckten Protokolle belegt werden könne. 8 Er fügt hinzu, Locre habe bei der Redaktion der offiziellen Protokolle im Kern keine I
mit.
Napoleon nannte ihn eine ausgezeichnete Institution, teilt Roederer, Journal, S. 237,
2 Die Serie von zwölf Artikeln eines "ehemaligen Auditeurs im Staatsrat" in der Gazette des Tribunaux [April 1838 bis November 1842), in der Literatur [z. B. Perouse, S. 319, Fußn. 1] teilweise als seriöse Quelle zitiert, ist apokryph. Sie dürfte von dem Polygraphen Marco de Saint-Hilaire stammen, der sie 1843 in zwei Bänden unter dem Titel Napoleon au conseil d' etat fast wörtlich wiederauflegte. Siehe Durand, Conseil, S. 428 f., Villeneuve de Janti, S. 11 f. 3 In diesem Sinne auch Tulard, Nr. 732, dessen Kritik an Thibaudeaus Datierung der Staatsratsdebatten weitestgehend ungerechtfertigt ist. 4 Thibaudeau, Consulat, S. 411. 5 Zur einfachen Sprache im Staatsrat siehe Pelet, S. 9 f. 6 Siehe hierzu auch Fain, S. 57 f. 7 Thibaudeau, Consulat, S. 411 f., ders., Consulat et Empire, Bd. 2, S. 144 f. 8 Thibaudeau, Consulat, S. 412.
II. Die Zeugnisse der Zeitgenossen
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Veränderungen an den Beiträgen Bonapartes vorgenommen, sondern lediglich stilistisch modifiziert 9 , was allerdings dazu geführt habe, daß sie in starkem Maße ihre Freimütigkeit, Kühnheit, Originalität und Ausdrucksstärke eingebüßt hätten. 10 Miot de Melito, der damals.Staatsrat der Abteilung des Innern war, bestätigt Thibaudeaus Ausführungen. Obwohl seine Memoiren im allgemeinen von einer feindseligen Haltung Napoleon gegenüber zeugen 11 , attestiert Miot Bonaparte eine geistige Gewandtheit, die es ihm ermöglicht habe, einen wichtigen Anteil an Arbeiten zu nehmen, die normalerweise ihm fernliegende Fähigkeiten erfordert hätten. Miot verkennt dabei nicht, daß Bonaparte von hervorragenden Rechtsgelehrten unterstützt wurde, deren unvoreingenommene Auswahl bereits ein großes Verdienst darstelle, aber er betont, daß der Erste Konsul stets aufmerksam die Debatten verfolgt und selbst in die schwierigsten Fragen Licht gebracht habe. Seine Klugheit habe die Staatsräte oft in Erstaunen versetzt. 12 "Der Code civil sichert ihm für alle Zeiten unter den berühmten Gesetzgebern einen besonderen Platz." 13 Miots Urteil ist umso glaubhafter, als er Napoleons Gesetze des Kaiserreichs scharf kritisiert. Der Kaiser habe, so Miot, monarchischer Tradition folgend, in Code penal und Code d' instruction criminelle 14 feudalistische und despotische Prinzipien verankert. 1s Pasquier, Staatsmann und zeitweise Maftre de requetes im Staatsrat, berichtet: "Der Erste Konsul nahm eifrig Teil an den Debatten, und es ist allgemein anerkannt, daß er dort mit seinen Geistesgaben auf das bemerkenswerteste geglänzt hat." 16 Marmont, Bonapartes Waffengefährte der frühen Jahre, später erbitterter Gegner und maßgeblich am Sturz Napoleons im Jahre 1814 beteiligt, während des Konsulats Staatsrat der Section de Ia Guerre, dessen Memoiren in einem die Zeitgenossen herabwürdigenden Ton geschrieben sind 17, läßt Bonaparte als Gesetzgeber Gerechtigkeit widerfahren, indem er seine Eindrücke von den Staatsratsdebatten in mit den anderen Augenzeugen übereinstimmender Weise mitteilt: "Der Erste Konsul war bei den Debatten ständig anwesend und nahm daran sehr großen Anteil. Gewöhnlich schwieg er zunächst und hörte zu, wenn Cambaceres, Portalis oder Tronchet ihre Ansichten und Theorien vortrugen. Sodann ergriff Thibaudeau. Consulat, S. 412. Thibaudeau, Consulat, S. 414. 11 Tulard, Nr. 536. 12 Miot de Melito, Bd. 2, S. 102 f. 13 Miot de Melito, Bd. 2, S. 102. 14 Miot de Melito, Bd. 2, S. 103, nennt dieses Gesetzbuch Code de procedure criminelle. 1s Miot de Melito, Bd. 2, S. 103. 16 Pasquier, Bd. 1, S. 164. 17 Tulard, Nr. 609. 9
to
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II. Teil, 1. Kapitel: Bonaparte im Staatsrat
er das Wort und beleuchtete die Frage unter einem völlig neuen Blickwinkel, mit Scharrsinn und Tiefgründigkeit. Er ... ließ oft die Entwürfe auf das vorteilhafteste verbessern. Bonaparte besaß zwar keine Redekunst, aber einen klaren Sprachstil, eine starke Dialektik und eine große Urteilskraft. ... In seinen Worten lag ein Ausdrucksreichtum und in seinen Überlegungen eine Tiefgründigkeit, die ich sonst bei niemandem wahrgenommen habe. Sein erstaunlicher Geist glänzte so hell in diesen Debatten, wo doch so viele Fragen ihm fremd sein mußten. Herr Locre, Generalsekretär des Staatsrates, hat die Debatten protokolliert. Sie sind von beispielhafter Genauigkeit und beweisen die Wahrheit meiner Behauptungen." 18 Roederer 19, ebenfalls Staatsrat und Vorsitzender der Abteilung des Innem, berichtet, bei den Gesetzgebungsdebatten habe Bonaparte unermüdliche Aufmerksamkeit und analytischen Scharfsinn unter Beweis gestellt 20: "Bonaparte, selbst überrascht von der Logik, der geistigen Regsamkeit und dem profunden Wissen Tronchets, versetzte seinerseits den achtzigjährigen Rechtsgelehrten noch mehr in Erstaunen sowohl durch seinen analytischen Scharrsinn und seinen Gerechtigkeitssinn, die er beide auf jeden einzelnen Fall anzuwenden suchte, als auch durch seine Sorge um den Nutzen für die Allgemeinheit und die Moral, die ihn sämtliche Folgen eines Rechtsgrundsatzes durchdenken ließ. Er verblüffte mit kluger Umsicht, indem er sich nach eingehender Prüfung eines Themas über die Meinungen der anwesenden Autoritäten ins Bild setzte und nach einschlägigen Beispielen fragte, sich über die aktuelle Rechtslage zu einem Problem aufklären und sich über das Alte Recht, die entsprechenden Regelungen im Preußischen Gesetzbuch und über das Römische Recht informieren ließ. Er fragte nach den Motiven und allen möglichen Auswirkungen. In diesen Debatten sah sich der Staatsrat hin- und hergerissen zwischen der Bewunderung für den achtzigjährigen, geistig immer noch völlig präsenten und voll informierten Gelehrten und den jungen Gesetzgeber, der trotz seiner Jugend die höchsten Gipfel der Juristerei erstürmte und eroberte. Bonaparte war pünktlich bei jeder Sitzung, hielt sie fünf bis sechs Stunden hintereinander ab. Er diskutierte vor- und nachher die darin behandelten Themen, indem er ständig fragte: ,Ist das gerecht, ist das nützlich?' 21 Grundsätzlich stellte er bei der Vorlage eines Gesetzesentwurfs im Staatsrat folgende Fragen: ,Ist er vollständig? Ist alles bedacht worden? Warum regeln Sie nicht auch dies oder das? Ist dies notwendig? 1s Marmont, Bd. 2, S. 201 f.
19 ,,Roederer wird interessante Memoiren hinterlassen", sagte Napoleon am 28. April 1819 auf Sankt Helena, Bertrand, Bd. 2, S. 336. 20 Roederer, Journal, S. 91, und Memoires, S. 174. 21 Roederer, Journal, S. 92, und Memoires, S. 175.
II. Die Zeugnisse der Zeitgenossen
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Ist das gerecht? Ist dies nützlich?22 Wie war das früher, in Rom, in Frankreich? Wie ist es heute? Wie ist es in anderen Ländern? 23 ' " Gute oder schlechte Nachrichten aus Ägypten, so berichtet Roederer weiter, hätten den Ersten Konsul nie von den Arbeiten am Code civil abzulenken vermocht. 24 Seine Fähigkeit zu unermüdlicher Aufmerksamkeit bei den stundenlangen Beratungen hat Roederer so beschrieben: ,.Als eines Tages gegen zwei Uhr morgens der Kriegsminister im Verwaltungsrat einnickte und mehrere Räte vor Erschöpfung die Augen schlossen, sagte Bonaparte: ,Aufwachen, Bürger, aufwachen! Es ist erst zwei Uhr, und wir müssen unser Geld verdienen, das wir vom französischen Volk bekommen.' "25 Chaptal, Staatsrat von 1799 bis 1801, teilt über Bonaparte folgendes mit: "Er war noch jung und recht unerfahren in den verschiedenen Bereichen der Administration. Aber er bestach zu unser aller Erstaunen in den Debatten mit Klarheit, Präzision, äußerst vernunftorientierten Ansichten und Weitblick. Anstatt sich mit einem Wissen zu schmücken, das er aufgrund seiner militärischen Ausbildung und seiner relativen Jugend gar nicht haben konnte, war er begierig zu lernen und fragte beständig nach Definitionen von Begriffen und den Verhältnissen und Zuständen vor seinem Amtsantritt. 26 Er forderte Debatten geradezu heraus und hielt sie in Gang, bis er sich ein Bild gemacht hatte. Er war mit einem großen Scharfblick begabt und äußerte oft kluge Bemerkungen und vernünftige Ansichten, was die Spezialisten in Erstaunen versetzte ... Die Beratungen dauerten oft bis fünf Uhr morgens, weil er von einem Problem so lange nicht·abließ, bis er eine Lösung gefunden hatte. In dieser Hinsicht war er sehr eigen. Er begnügte sich selten mit dem, was selbst die fachkundigsten Männer dazu beisteuerten. 27" Berlier beschreibt Bonaparte als einen "außergewöhnlichen Mann, . . . der nicht selten aufgrund seiner hervorragenden juristischen Ansichten den ältesten Rechtsgelehrten im Staatsrat höchste Bewunderung abrang. Seine Anwesenheit beflügelte alle. " 28 Regnaud 29 berichtet, manche Staatsräte, die nicht die Gabe der freien Rede gehabt hätten, hätten zuweilen den Faden verloren oder wären mit ihren Gedanken 22 Zu Caulaincourt, Bd. 2, S. 217, sagte Napoleon einmal: "Ich bin ein Vernunftmensch, der nur das tut, was er für nützlich hält." 23 Roederer, Journal, S. 91, und Memoires, S. 174. 24 Roederer, Journal, S. 95. 25 Roederer, Journal, S. 95. 26 Chaptal, S. 55. 21 Chaptal, S. 225. 28 Berlier, Artikel .,Code civil", Encyclopedie, Bd. 6, S. 317. 29 Auch Regnaud hat, von den Bibliographen bisher allerdings unentdeckt, Memoiren hinterlassen, die erst 1827 postum veröffentlicht wurden. Diese seltenen authentischen Erinnerungen erschienen unter dem Titel Le cabinet des Tuileries. Die British Library,
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li. Teil, 1. Kapitel: Bonaparte im Staatsrat
zu weit abgeschweift. Daraufhin habe der Erste Konsul diskret die Diskussion auf den Kernpunkt zurückgeführt und mit eigenen Beiträgen fortgesetzt. Die Theorien und Ansichten, die er mißbilligt habe, habe er stets mit Vehemenz bekämpft. 30 Auch Regnaud lobt die Protokolle Locres. 31 Der Staatsrat Mathieu Dumas, der ebenfalls an den Gesetzgebungsdebatten teilgenommen hat, bestätigt Bonapartes gesetzgebensehe Leistung 32 ebenso wie der Tribun Favard de l'Anglade33 • Die anderen Staatsräte, deren Memoiren veröffentlicht wurden, haben über ihre Tätigkeit entweder keine Angaben gemacht oder an den Gesetzgebungsdebatten nicht teilgenommen. 34 Der Schriftsteller Lacretelle hat, nicht ganz in Übereinstimmung mit dem anband der hier erschöpfend vorgestellten Zeugnisse entworfenen Bild, seine Gespräche mit einigen Staatsräten über Napoleon so zusammengefaßt: "Er läßt sich weidlich über alles aus, was die Diskussion an Wichtigem bringt, und häufig überschreitet er die Grenzen, um sie höher zu stecken. Wenn er diskutiert, plaudert er eigentlich, ja er gibt sich Träumereien hin, er geht weiter, als man zu folgen vermag. Ich habe von einigen seiner Staatsräte, seinen glühendsten Verehrern, gehört, daß er manchmal deren Konzentration durch die Fülle ein wenig konfuser Folgerungen, die er Schlag auf Schlag anbrachte, strapaziert habe." 35 Mole, Staatsrat von 1809 bis 1813, bemerkte im Jahre 1855 zu Tocqueville: "Was bisher noch niemand beschrieben hat, ist Bonaparte als alles Beherrschender, der ohne Vorkenntnisse zugleich alles lernt und alles lenkt, in einem Gespräch Bd. 135, S. 395, und der National Union Catalogue, Bd. 630, S. 632, geben als Autor Jacques-Anne-Joseph Le Prestre, Comte de Vauban an. Dies ist angesichts der antinapoleonischen Haltung Vaubans, der die Memoires pour servir a /' histoire de Ia guerre de Ia Vendee 1806 veröffentlicht hat, unhaltbar. Weder Barbier, Querard, Fierro-Domenech noch Tulard erwähnen die anonymen Memoiren Regnauds. Tulard, Nr. 643, und Fierro-Domenech kennen nur die unter Regnauds Namen veröffentlichten apokryphen Souvenirs aus dem Jahre 1817. Auch Durand, Conseil, erwähnt in dem Abschnitt über die Schriften der Staatsräte diese Memoiren nicht. Die Bibliotheque Nationale führt den Titel unter den anonymen Autoren. Aufgrund der mit der Biographie Regnauds übereinstimmenden autobiographischen Angaben des anonymen Autors läßt sich jedoch die hier vorgeschlagene Zuweisung begründen. 30 Regnaud, S. 242. 31 Regnaud, S. 241. 32 Dumas, Bd. 3, S. 230. 33 Favard, Bd. 1, S. V. 34 Die Rede ist von Beugnot, Joseph Bonaparte, Louis Bonaparte, Champagny, Gouvion Saint-Cyr, Jourdan, Lavalette, Mole, Mollien, Real sowie Hauterive, von dem Tulard, S. IX, zu Unrecht behauptet, er habe bedauerlicherweise keine Memoiren hinterlassen. Auch Kircheisen hat keine Notiz von der Tatsache genommen, daß die 1839 von Artaud de Montor veröffentlichte Histoire de Ia vie die Erinnerungen Hauterives sind, siehe dort S. 4. Napoleon sagte auf Sankt Helena am 26. April 1821 zu Bertrand, Bd. 3, S. 170: "D'Hauterive hat auch Talent, er könnte schreiben." 35 Lacretelle, Bd. 1, S. 371.
II. Die Zeugnisse der Zeitgenossen
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alle Themen erörtert, selbst die, mit denen er am wenigsten vertraut ist, sich allen möglichen intellektuellen Kühnheiten hingibt ..., stets überraschend und atemberaubend." 36 Las Cases berichtet von einem Gespräch, das er im Jahre 1815, nach der Restauration, mit Bertrand de Molleville, ehemaligem Marineminister unter Louis XVI., hatte. Darin bekannte der Royalist: "Euer B uonaparte 37 , also euer Napoleon, war schon ein außerordentlicher Mann, das muß man ihm las_sen! Wir konnten das aus der Feme ... [der Emigration] doch gar nicht erfassen. Was natürlich für alle greifbar war, das waren seine Siege und Eroberungen. Aber dies sind Leistungen, die auch ein Genserich, ein Attila und ein Alarich fertiggebracht haben. Übrigens löste er in mir eher Gefühle der Angst als der Bewunderung aus. Aber als ich hierhin zurückkehrte, kam ich auf die Idee, mich mit den Debatten zum Code civil zu beschäftigen, und seitdem empfinde ich nur noch höchste Verehrung. Woher, zum Teufel, hat er das alles nur gewußt?! .. . Und jeden Tag entdecke ich etwas neues. Ach, mein Herr, was für ein Mann! Wirklich, ein wahres Wunder!" 38 Die große Gewandtheit Bonapartes auf dem ihm naturgemäß fremden Gebiet der Zivilgesetzgebung bestätigt auch Bourrienne. 39 Pradt, der aufgrund seiner gescheiterten Mission in Warschau 1812 beim Kaiser in Ungnade gefallen war, räumt in seiner Rechtfertigungsschrift, in der er auch viele Unwahrheiten sagt 40 , ein: "Eine der erstaunlichsten Begabungen dieses einzigartigen Mannes war seine Fähigkeit, all seine Gaben und Kräfte den Bedürfnissen entsprechend umzustellen. Er warf sie im gegebenen Augenblick alle gleichzeitig auf die Materie, mit der er sich beschäftigen wollte, auf eine Milbe wie auf einen Elefanten, auf eine einzelne Person wie auf ein feindliches Heer." 41
Tocqueville, S. 196. Die Royalisten nannten den Kaiser stets nur bei seinem Familiennamen in der ursprünglichen, italienischen Form, um ihn als vermeintlichen Ausländer zu diffamieren und seine Eigenschaft als Monarch zu leugnen. 38 Las Cases, Ed. Waller, Bd. 1, S. 597. 39 Bourrienne, Bd. 5, S. 122. Der historische Wert dieser Memoiren ist zweifelhaft. Der Autor, Villemarest, hat zur Abfassung der Denkwürdigkeiten Bourriennes neben dessen Korrespondenz und anderen Papieren vieles selbst hinzugedichtet oder aus anderen zeitgenössischen Memoiren abgeschrieben. Siehe Tulard, Nr. 108, und Bourrienne et ses erreurs. 40 Von einer berichtet Las Cases, Ed. Walter, Bd. 1, S. 507, unter dem 27. April1816: .,Etwa gegen 5 Uhr [nachmittags] unternahm der Kaiser eine Spazierfahrt im Wagen, und als er zurückkam und ausstieg, sagte er zu uns: ,Meine Herren, ein Mann weniger, und ich wäre Herr der Welt! [Zitat aus Pradts Memoiren, S. 1, das der Autor Napoleon in den Mund legt] Erraten Sie, wer damit gemeint ist?' Und als wir schwiegen, fügte er hinzu: ,Nun, der Abbe de Pradt ... 'Worauf wir herzlich lachen mußten." Zur Person Pradts siehe Dictionnaire Napoleon , S. 1383 f. 41 Pradt, S. IX, Fußnote 1 [S. XI]. 36
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li. Teil, 1. Kapitel: Bonaparte im Staatsrat
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Der Erste Konsul sorgte für eine sorgfältige Diskussionsleitung, indem er nicht nur die verschiedenen Aspekte anschnitt, sondern auch reichlich Zeit anberaumte. Dauerten die Staatsratssitzungen gewöhnlich zwei oder drei Stunden 42 , so gingen sie unter seinem Vorsitz von Mittags 12 Uhr 43 bis abends sieben, acht oder manchmal auch neun Uhr 44 • Er zeigte soviel Interesse an den Gesetzgebungsdebatten, daß er oft noch ein paar Staatsräte bei die Seite nahm, um mit ihnen beim Abendessen die Diskussion fortzuführen. 4 5 Napoleon selbst äußerte sich über seine Rolle im Staatsrat, seine Vorliebe für Wortgefechte, seine große Geduld bei den Debatten sowie die liberale Atmosphäre einmal folgendermaßen: "Im Staatsrat habe ich viel zugehört und die Leute reden lassen, solange sie wollten, ganz im Gegensatz zu Cambaceres, der meinte, das sei alles nur Geschwätz und führe zu nichts. Man muß die Leute ausreden lassen 46• Wenn er den Vorsitz führte, waren die Sitzungen immer sehr kurz, wenn ich aber da war, waren sie sehr lang 47 • Der Grund dafür ist einfach: Ein Fechtmeister liebt das Fechten 48 • Meine Stärken sind Logik und Urteilskraft. Das sind meine Werkzeuge, deren ich mich gerne bediene. 49 Ich war der Stärkste aufgrund meiner Logik. Ich habe kein Streitgespräch gescheut. 50 Tronchet war die Seele des Staatsrates und ich der Interpret. Er hatte einen äußerst scharfen Geist, aber er machte viele Gedankensprünge, sprach unverständlich und wußte sich nicht zu verteidigen. Der ganze Rat war anfänglich gegen seine Ideen. Aber ich habe sodann mit meinem lebhaften Verstand und der Fähigkeit, neue GedanSavary, Bd. 1, S. 438. So auch Bourrienne, Bd. 5, S. 122. Locre, Bd. 1, S. 91; vgl. Broglie, Bd. 1, S. 65 und Fain, S. 151. Savary, Bd. 1, S. 438, gibt dagegen irrtümlich 14 Uhr an. 44 Locre, Bd. 1, S. 91; vgl. Savary, Bd. 1, S. 438. Vgl. Bourrienne, Bd. 5, S. 122, der von fünf- bis sechsstündigen Sitzungen spricht. Zur außerordentlichen Länge der Sitzungen siehe Pelet, S. 8. 45 Savary, Bd. 1, S. 438 f. Vgl. Bourrienne, Bd. 5, S. 122, wo Villemarest aus Savarys Memoiren geschöpft zu haben scheint. 46 Immer ein Ohr für andere, auch vollkommen konträre Ansichten zu haben, war ein Charakterzug, der ihm stets eigen war, auch später als Kaiser, Castellane, Bd. 1, S. 21. "Wir waren vollkommen frei in unseren Debatten", sagt Regnaud, S. 242. Thibaudeau, Consulat, S. 198: "Der Erste Konsulließ im Staatsrat die absolute Meinungsfreiheit zu." Dabei setzte er jedoch bedingungslose Aufmerksamkeit voraus, wie Chaptal, S. 326, veranschaulicht: "In Gegenwart Napoleons kannte man keine Entspanntheit, weil niemand auf sein Wohlwollen und seine Nachsicht bauen konnte ... Die kleinste Unaufmerksamkeit löste bei ihm Zornausbrüche aus . .. , so daß man stets auf heißen Kohlen saß in der Besorgnis, sein Mißfallen zu erregen." 47 Unrichtig Ferid, Bd. 1, S. 119, der meint, Bonaparte habe durch seine Anwesenheit die Geschwindigkeit der Beratungen gefördert. 48 Anfang Mai 1802 vertraute Bonaparte Roederer, Memoires, S. 189, an, warum er im Staatsrat so viel diskutieren lasse: "Weil ich dort bei den Debatten der Stärkste bin. Ich lasse mich angreifen, weil ich mich zu verteidigen weiß." 49 Am 26. Juli 1817 zu Bertrand, Bd. 1, S. 250. 5o Am 13. August 1817 zu Bertrand, Bd. 1, S. 259. Sprechen war Napoleon ein Grundbedürfnis, Pradt, S. IX, Fußnote 1 [S. X]. 51 Gespräch vom 12. Mai 1816, Las Cases, Ed. Walter, Bd. 1, S. 593. 42
43
li. Die Zeugnisse der Zeitgenossen
61
kenverbindungen aufzugreifen oder herzustellen, das Wort ergriffen. Und ohne weitere Sachkenntnis als die von Tronchet erarbeiteten richtigen Grundlagen entwickelte ich seine Ideen, zerstreute die Bedenken und setzte die Prinzipien durch." 51 Napoleon vertraute Bertrand am 28. April 1819 auf Sankt Helena an, selbst Sieyes sei höchst erstaunt gewesen über seine Dialektik, seine Art zu deriken und zu urteilen, eine Frage anzugehen und sie von allen Seiten zu beleuchten, bis alles überzeugt gewesen sei 52; und Bertrand bestätigt: "Der Kaiser pflegt eine Frage von allen Seiten und sämtlichen Blickwinkeln zu beleuchten." 53 Napoleon hat einmal gesagt: "Ich arbeite immer, ich denke viel. Wenn ich stets den Eindruck erwecke, auf alles eine Antwort zu haben, so liegt das daran, daß ich lange überlegt habe, bevor ich etwas untemehme." 54 Gerade auf dem ihm fremden Gebiet des Zivilrechts bedurfte es einer gründlichen Vorbereitung, denn Bonaparte wollte sich als erster Mann im Staat vor den Juristen und anderen Gelehrten seines Staatsrates keine Blöße geben. 55 In diesem Sinne faßte der Kaiser im Jahre 1805 auch die Richtlinien für die Regierung des Königreiches Italien ab, die er seinem Stiefsohn Eugene, den er zum Vize-König gemacht hatte, zusandte: ,,Leiten Sie möglichst selten den Staatsrat. Um dort zu bestehen, fehlen Ihnen ausreichende Kenntnisse ... Ergreifen Sie nie das Wort. Man würde Ihnen zwar schweigend zuhören, jedoch sofort Ihre Unsicherheit in der speziellen Materie bemerken. Ein schweigender Fürst gibt sich keine Blöße. Spricht er jedoch, so muß er seiner großen Überlegenheit sicher sein ... " 56 Nach den unveröffentlichten Memoiren Cambaceres' hat Bonaparte sich dessen Gesetzesentwürfe, die unter dem Konvent vorgelegt worden waren, geben lassen. Einige Tage später habe er zum zweiten Konsul gesagt: "Ich habe die Entwürfe durchgearbeitet. Darin steckt ein analytischer Geist, von dem ich angetan bin. Nach einmaligem Lesen wußte ich Bescheid." Bonaparte hat die Gesetzesentwürfe sehr sorgfaltig gelesen und seine eigenen Theorien entwickelt. Mit diesem Rüstzeug trat er in lange Beratungen mit Cambaceres ein, der die vernünftigen Ansichten des Ersten Konsuls sehr schätzte. 57 Im Italienfeldzug des Sommers 1800 errang der Erste Konsul nicht nur einen großen Sieg bei Marengo. Er nahm sich sogar die Zeit, sich durch die Lektüre von Rechtsliteratur auf die Debatten zum Code vorzubereiten. Seinen Staatsräten, die über seine Beiträge staunten, bekannte er daraufhin: "Ich habe sämtliche Rechtsbücher, die ich auftreiben konnte, durchgesehen." 58 Bertrand, Bd. 2, S. 202. Gespräch vom 4. Mai 1816, Bertrand, Bd. 1, S. 27. 54 Roederer, CEuvres, Bd. 3, S. 544. 55 Villeneuve de Janti, S. 177 f. 56 Brief vom 7. Juni 1805, Correspondance, Nr. 8852, Bd. 10, S. 604 ff. [605). 57 So berichtet Cambaceres in seinen Eclaircissemems inedits, zitiert nach Vanda1, Bd. 2, S. 483 f. Das Manuskript Cambaceres' ist in seiner Gesamtheit bislang unveröffentlicht geblieben. Nur sehr wenige Autoren, u. a. Vandal, Bd. 2, S. 483 f., haben daraus schöpfen können. Siehe oben S. 29 f. Napoleon sagte am 17. Juni 1816 zu Bertrand, Bd. 1, S. 66, daß er gerne die Memoiren Cambaceres' lesen würde. 52
53
62
II. Teil, 1. Kapitel: Bonaparte im Staatsrat
Es hat in der Literatur nicht an Versuchen gefehlt, die Grundlagen für das juristische Verständnis Bonapartes aufzudecken. Es ist behauptet worden, der junge Bonaparte habe in Straßburg die Staatsverfassung Roms studiert 59, doch lassen sich für einen Aufenthalt in Straßburg keine Anhaltspunkte finden 60 • Wenn Arnaud behauptet, der berühmte Rechtsgelehrte Merlin de Douai sei in den den Code vorbereitenden Rechtsfragen der Repetitor des Ersten Konsuls gewesen, und sich zum Beweis auf eine Aussage des Kaisers auf Sankt Helena stützt 61 , so ist dies unrichtig. Merlin trat erst am 18. Februar 1806 in den Staatsrat ein. 62 Er war im Jahre 1800 bei der Auswahl der Berater zum Code civil aus politischen Gründen nicht berücksichtigt worden. 63 Auch die Einschränkung Arnauds, Merlin habe zumindest als Repetitor Bonapartes im privaten Rahmen, also inoffiziell, gewirkt, widerspricht der insoweit unmißverständlichen Aussage Napoleons auf Sankt Helena, auf die sich merkwürdigerweise auch Arnaud beruft: "Im Staatsrat war ich sehr stark", sagte der Kaiser, "solange es um den Code ging; sobald wir aber zu entlegenen Themen kamen, wußte ich keinen Bescheid mehr. Merlin war mir da eine große Stütze." 64 Eine schnelle Auffassungsgabe, hohe Intelligenz, unerschöpfliche Energie, Reichtum an Erfahrungen und das angeborene Interesse, sich mit allem ernsthaft auseinanderzusetzen 65, machten es Bonaparte möglich, einen wichtigen Anteil an den Debatten zu nehmen.
111. Die für die Gesetzesdebatten anberaumten Staatsratssitzungen 1. Die vom Ersten Konsul geleiteten Sitzungen Bonaparte leitete insgesamt 59 von den 102 Sitzungen, die für die Debatten des Entwurfs des Code civil im Staatsrat anberaumt wurden. 1 Das geht aus den von Locre veröffentlichten Protokollen hervor, sofern sie eine Stellungnahme Boulay, S. 133. Pariset, S. 78. 60 siehe Garros, S. 34 u. 35 f. 61 Amaud, S. 25. 62 Durand, Conseil, S. 749. 63 Villeneuve de Janti, S. 35. 64 Gespräch vom 3. Oktober 1816, Las Cases, Ed. Walter, Bd. 2, S. 153. 65 Schon als kleines Kind hatte man ihm den Spitznamen Rabullione gegeben, was soviel bedeutet wie "der, der sich in alles einmischt", Garros, S. 14. 1 Emond-Blanc, S. 171, Sore!, in Livre du Centenaire, Bd. 1, S. XXV, und Imben, Artikel .. Code civil", in Dictionnaire Napoleon, S. 429, nennen nur 57 Sitzungen. Cronin, S. 255, gibt 75 Sitzungen an. Thiers, Bd. 3, S. 299 f., und Las Cases, Ed. Walter, Bd. 1, S. 593, behaupten sogar, Bonaparte habe sämtliche Sitzungen präsidiert. Nach Durand, Le Premier Consul, S. 91, soll er von 107 Sitzungen 55 geleitet haben, nach Villeneuve de Janti von 106 Sitzungen 55. Amaud, S. 25, Fußn. 82, schließt sich Sore! an. 58
59
III. Die für die Debatten anberaumten Staatsratssitzungen
63
des Ersten Konsuls oder, was nur für die letzten Bände 2 seiner Legislation civile gilt, einen Vermerk über den Vorsitz beinhalten. Es handelt sich um folgende Sitzungen: 8. Messidor IX [17. Juli 1801]3 4. Thermidor IX [23. Juli 1801] 4 6. Thermidor IX [25. Juli 1801]5 14. Thermidor IX [2. August 1801] 6 16. Thermidor IX [4. August 1801]1 24. Thermidor IX [12. August 1801]8 26. Thermidor IX [14. August 1801]9 6. Fructidor IX [24. August 1801] 10 14. Fructidor IX [1. September 1801] 11 16. Fructidor IX [3. September 1801] 12 24. Fructidor IX [11. September 1801]1 3 26. Fructidor IX [13. September 1801] 14 4. Vendemiaire X [26. September 1801] 15 5. Vendemiaire X [27. September 1801] 16 14. Vendemiaire X [6. Oktober 1801] 17 16. Vendemiaire X [8. Oktober 1801]1 8 24. Vendemiaire X [16. Oktober 1801] 19 26. Vendemiaire X [18. Oktober 1801]2° 4. Brumaire X [26. Oktober 1801]21 Bd. 10-16. Locre, Bd. 1, S. 74 f. Die Gegenüberstellung der gregorianischen Kalenderdaten mit denen des republikanischen Kalenders ist unzuverlässig bei Tulard, Dictionnaire Napoleon, Artikel "Calendrier", S. 325-330. 4 Locre, Bd. 1, S. 378 ff. 5 Locre, Bd. 1, S. 394 ff., Bd. 2, S. 30 ff. 6 Locre, Bd. 1, S. 395 ff., Bd. 2, S. 56 ff. 1 Locre, Bd. 2, S. 79 ff. 8 Locre, Bd. 2, S. 112 ff. 9 Locre, Bd. 2, s. 160 ff. 10 Locre, Bd. 3, S. 40 ff. 11 Locre, Bd. 3, S. 75 ff. 12 Locre, Bd. 3, S. 401 ff., Bd. 4, S. 26 ff. 13 Locre, Bd. 3, S. 99 ff., Bd. 4, S. 44 ff. 14 Locre, Bd. 4, S. 308 ff. 15 Locre, Bd. 4, S. 337 ff. 16 Locre, Bd. 4, S. 366 ff. 11 Locre, Bd. 4, S. 401 ff., Bd. 5, S. 38 ff. 18 Locre, Bd. 5, s. 72 ff. 19 Locre, Bd. 5, S. 94 ff. zo Locre, Bd. 5, S. 129 ff. 21 Locre, Bd. 1, S. 91; Garros, S. 190; Schuermans, S. 123. 2
3
II. Teil, 1. Kapitel: Bonaparte im Staatsrat
64
6. Brumaire X [28. Oktober 1801]22 14. Brumaire X [5. November 1801]23 16. Brumaire X [7. November 1801]24 24. Brumaire X [15. November 1801]25 26. Brumaire X [17. November 1801]26 28. Brumaire X [19. November 1801]27 2. Primaire X [23. November 1801]28 4. Primaire X [25. November 1801]29 6. Primaire X [27. November 1801]3° 14. Primaire X [5. Dezember 1801]31 16. Primaire X [7. Dezember 1801]32 24. Primaire X [15. Dezember 1801]33 26. Primaire X [17. Dezember 1801]34 4. Nivose X [25. Dezember 1801]35 6. Nivose X [27. Dezember 1801]36 14. Nivose X [4. Januar 1802]37 27. Brumaire XI [18. November 1802]38 11. Primaire XI [2. Dezember 1802]39 25. Primaire XI [16. Dezember 1802) 40 16. Nivose XI [6. Januar 1803]41 30. Nivose XI [20. Januar 1803) 42 7. Pluviose XI [27. Januar 1803] 43 14. Pluviose XI [3. Februar 1803] 44 22 Locre, Bd. 4, S. 404 ff. 23
Locre, Bd. 6, S. 23 ff.
24 Locre, Bd. 6, S. 67 ff.
Locre, Bd. 1, S. 413 ff., Bd. 5, S. 156 ff., Bd. 6, S. 86 ff. s. 116 ff. 21 Locre, Bd. 2, S. 207 ff., Bd. 3, S. 113 ff. 28 Locre, Bd. 3, S. 115 ff. 29 Locre, Bd. 4, S. 76 ff. 3o Locre, Bd. 6, S. 388 ff. 31 Locre, Bd. 6, S. 425 ff. 32 Locre, Bd. 6, S. 458 ff. 33 Locre, Bd. 4, S. 423 f. 34 Locre, Bd. 7, S. 12 ff. u. 127 ff. 35 Locre, Bd. 6, S. 488 ff. 36 Locre, Bd. 5, S. 182 ff. 37 Locre, Bd. 5, S. 218 ff. 38 Locre, Bd. 6, s. 524 ff. 39 Locre, Bd. 6, S. 544 ff. 40 Locre, Bd. 10, S. 63 ff. 41 Locre, Bd. 10, S. 113 ff. 42 Locre, Bd. 11, S. 65 ff. 43 Locre, Bd. 11, S. 86 ff. 25
26 Locre, Bd. 6,
Ill. Die für die Debatten anberaumten Staatsratssitzungen
65
21. Pluviose XI [10. Februar 1803] 45 28. Pluviose XI [17. Februar 1803] 46 5. Ventose XI [24. Februar 1803] 47 12. Ventose XI [3. März 1803] 48 19. Ventose XI [10. März 1803] 49 26. Ventose XI [17. März 1803]5° 27. Ventose XI [18. März 1803]5 1 3. Germinal XI [24. März 1803]52 24. Germinal XI [14. April 1803]53 23. Primaire XII [15. Dezember 1803]54 21. Nivose XII [12. Januar 1804]55 12. Pluviose XII [2. Februar 1804)56 19. Pluviose XII [9. Februar 1804]57 21. Pluviose XII [11. Februar 1804)58 5. Ventose XII [25. Februar 1804]59 12. Ventose XII [3. März 1804]60 15. Ventose XII [6. März 1804]61
2. Die von Cambaceres geleiteten Sitzungen Die übrigen 43 Sitzungen, die Cambaceres präsidierte, fanden an folgenden T3;gen statt: 4. Fructidor IX [22. August 1801] 62 8. Brumaire X [30. Oktober 1801] 63 44
Locre, Bd. II, S. 104 ff.
46
Locre, Bd. 11, S. 160 ff.
45 Locre, Bd. 11, S. 136 ff. 47 Locre, Bd. 10, S. 144 ff., Bd. 11, S. 177 ff. 48 Locre, Bd. 11, S. 197 ff. 49 Locre, Bd. 11, S. 221 ff.
s. 235 ff. Bd. 12, S. 238 ff. Bd. 12, S. 271 ff. Bd. 12, S. 335 ff. Bd. 15, S. 296 ff. Bd. 13, S. 263, Bd. 14, S. 76 ff. Bd. 14, S. 114 ff., Bd. 16, S. 95 ff. Bd. 16, S. 194 ff. Bd. 4, s. 566 ff. Bd. 14, S. 265, 404 f., 512 f., Bd. 16, S. 250 ff. Bd. 16, S. 489 ff., 551. Bd. 8, S. 94 ff., Bd. 15, S. 401 ff. Bd. I, S. 407 ff. Bd. 3, s. 105 ff.
5o Locre, Bd. 12, st
52 53 54 55
56 57 5s
59 60 6t
62 63
Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre,
5 Theewen
li. Teil, 1. Kapitel: Bonaparte im Staatsrat
66
12. Brumaire X [3. November 1801] 64 12. Frimaire X [3. Dezember 1801] 65 16. Nivose X [6. Januar 1802]66 22. Fructidor X [9. September 1802] 67 29. Fructidor X [16. September 1802] 68 8. Vendemiaire XI [30. September 1802] 69 22. Vendemiaire XI [14. Oktober 1802]1° 29. Vendemiaire XI [21. Oktober 1802]11 6. Brumaire XI [28. Oktober 1802] 72 13. Brumaire XI [4. November 1802]13 20. Brumaire XI [11. November 1802]14 4. Frimaire XI [25. November 1802]15 18. Frimaire XI [9. Dezember 1802]16 2. Nivose XI [23. Dezember 1802]17 9. Nivose XI [30. Dezember 1802]18 23. Nivose XI [13. Januar 1803]19 21. Ventose XI [12. März 1803]8° 15. Germinal XI [5. April 1803]8 1 6. Vendemiaire XII [29. September 1803]82 13. Vendemiaire XII [6. Oktober 1803]83 20. Vendemiaire XII [13. Oktober 1803]84 27. Vendemiaire XII [20. Oktober 1803]85
64
Locre, Bd. 3, S. 111 ff., 422 ff.
66
Locre, Bd. 5, S. 235 ff.
65 Locre, Bd. 4, S. 103 ff., Bd. 6, S. 144 ff. 67 Locre, Bd. 3, S. 187 ff., Bd. 5, S. 243 ff. 68 Locre, Bd. 6, S. 153 ff. 69
10 11
12 73 74
75 76 11
78 79
80
81 82 83 84
85
Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre,
Bd. 7, S. 24 ff. Bd. 4, S. 118 ff., Bd. 7, S. 155 ff. Bd. 1, S. 565 ff., Bd. 7, S. 181 ff. Bd. 2, S. 299 ff., Bd. 4, S. 460 ff., Bd. 7, S. 192 ff. Bd. 6, S. 180 ff., Bd. 7, S. 320 ff. Bd. 2, S. 309 ff., Bd. 5, S. 281 ff., Bd. 7,S. 47 ff., 334 ff. Bd. 2, S. 314 ff., Bd. 3, S. 431 ff., Bd. 7, S. 338 ff. Bd. 6, S. 561, Bd. 7, S. 228 f. Bd. 10, S. 81 ff. Bd. 10, s. 97 ff. Bd. 10, S. 119 ff. Bd. 7, S. 348 f. Bd. 10, S. 170 ff. Bd. 13, S. 122 ff. Bd. 13, S. 174 ff. Bd. 8, S. 21 ff. u. 114 ff. Bd. 8, S. 123 ff. u. 223 ff.
III. Die für die Debatten anberaumten Staatsratssitzungen 4. 11. 18. 25. 2. 16. 30. 9. 14. 28. 5. 7. 24. 3. 10. 19. 21. 22. 26.
67
Brumaire XII [27. Oktober 1803)86 Brumaire XII [3. November 1803)87 Brumaire XII [10. November 1803]88 Brumaire XII [17. November 1803]89 Frimaire XII [24. November 1803] 90 Frimaire XII [8. Dezember 1803]91 Frimaire XII [22. Dezember 1803] 92 Nivose XII [31. Dezember 1803]93 Nivose XII [5. Januar 1804]94 Nivose XII [19. Januar 1804]95 Pluviose XII [26. Januar 1804]96 Pluviose XII [28. Januar 1804]97 Pluviose XII [14. Februar 1804]98 Ventose XII [23. Februar 1804]99 Ventose XII [1. März 1804] 100 Ventose XII [10. März 1804]101 Ventose XII [ 12. März 1804] 102 Ventose XII [13. März 1804] 103 Ventose XII [17. März 1804]104
Bonaparte hat an den Debatten teilgenommen, die ihm wichtig erschienen, und die er neben den dringenden Staatsgeschäften besuchen konnte. Die unter seiner Leitung abgehaltenen Sitzungen beinhalten in der Regel sehr intensive Debatten, wohingegen die, an denen er nicht teilnahm, häufig ohne Diskussion abliefen und nur dazu dienten, verschiedene Entwürfe, die vom Staatsrat in einer 86 87 88 89
Locre, Bd. 8, S. 41 ff., 131 ff., 245 ff., 319 ff., Bd. 13, S. 209. Locre, Bd. 8, S. 347 ff., Bd. 12, S. 87 ff., Bd. 13, S. 236 ff. Locre, Bd. 12, S. 155 ff. Locre, Bd. 12, S. 174ff. 90 Locre, Bd. 12, S. 210 ff., Bd. 13, S. 12 ff. 91 Locre, Bd. 12, S. 223 ff., Bd. 13, S. 19 ff., Bd. 15, S. 283 ff. u. 534 ff. 92 Locre, Bd. 14, S. 32 ff., Bd. 15, S. 307 ff., 560 ff. 93 Locre, Bd. 14, S. 73 ff., 263, 307 ff. 94 Locre, Bd. 8, S. 47 ff., 139 ff., 259 ff., 364 ff., Bd. 14, S. 351 ff., 483 ff. 95 Locre, Bd. 14, S. 264, 368 ff., Bd. 15, S. 98 ff. 96 Locre, Bd. 12, S. 288 ff. , Bd. 13, S. 25 f., Bd. 15, S. 152 ff., 218 ff. 97 Locre, Bd. 8, S. 78 ff. , Bd. 14, S. 95 ff., 370 ff., Bd. 15, S. 11 ff., 157 f., 317, 565, Bd. 16, S. 532 ff. 98 Locre, Bd. 4, S. 579 ff. 99 Locre, Bd. 14, S. 131 ff., Bd. 15, S. 231, Bd. 16, S. 219 ff. 100 Locre, Bd. 15, S. 33 f., 120, 164, Bd. 16, 10 ff. , 273 ff. 101 Locre, Bd. 8, S. 94 ff., Bd. 16 , S. 20. 102 Locre, Bd. 8, S. 97 ff. 103 Locre, Bd. 15, S. 413 f., Bd. 16, S. 323 ff., 492 f. 104 Locre, Bd. 1, S. 74. 5*
68
II. Teil, 1. Kapitel: Bonaparte im Staatsrat
vorangegangenen Sitzung verabschiedet worden waren, nach der Neufassung durch die Section de legislation nochmals vorzulegen. 105 Eine gründliche Erarbeitung des Code lag dem Ersten Konsul persönlich am Herzen. Deshalb waren die Sitzungen unter seinem Vorsitz so lang. 106 Leitete Cambaceres die Beratungen, so sorgte dieser berühmte Feinschmecker dafür, daß man rechtzeitig zum Diner kam. 107
105 So etwa die Sitzungen vom 6. Brumaire XI, 24. Pluviose XII, 3. und 21. Ventose XII. 106 Siehe oben S. 60. 101 Villeneuve de Janti, S. 50.
Zweites Kapitel
Die Debatten im Staatsrat unter der Leitung des Ersten Konsuls Bonaparte I. Der Präliminartitel des Code civil Der Entwurf des Präliminartitels umfaßte neun Artikel. Im ersten war die Rechtseinheit verankert worden: Art. 1, 1. Abs. des Entwurfs: Les lois seront executoires dans toute Ia Republique, quinze jours apres Ia promulgation faite par le Premier Consul. 1 [Die Gesetze treten in der gesamten Republik vierzehn Tage nach ihrer Verkündung durch den Ersten Konsul in Kraft.]
Diese Regelung kritisierte Bonaparte in der Sitzung vom 4. Thermidor IX [23.·Juli 1801], da sie insofern eine unnötige Verzögerung darstelle, als die Verfassung bereits die Verkündung für zehn Tage aussetze 2 • Das Gesetz müsse in Kraft treten, sobald es bekannt sei 3 : "Die Erhabenheit des Volkswillens würde verletzt, wenn man es erst nach 25 Tagen in Kraft treten ließe." 4 Die einheitliche Frist wurde im Staatsrat namentlich von Regnier als Ausfluß der Rechtsgleichheit verteidigt. Sie trage dem Umstand Rechnung, daß mit der Verkündung allein noch nicht vorausgesetzt werden könne, daß das Gesetz dem Volk auch tatsächlich bekannt sei. 5 Der Erste Konsul empfand diese starre Regelung als ungerecht. Gemäß dem Prinzip, daß ein Gesetz nur verbindlich sein kann, wenn es bekannt ist 6, könne das Gleichheitsprinzip nur so verstanden werden, daß alle Franzosen insofern gleichermaßen von dem Zeitpunkt an dem neuen Gesetz unterstellt werden sollten, an dem es am Wohnort des Einzelnen bekannt werde. 7 Um dem Rechnung zu tragen, schlug er in der Sitzung vom 14. Thermidor IX [2. August 1801] ein gestaffeltes Inkrafttreten vor. Anstatt einer allgemeinverbindlichen Frist von zwei Wochen, so wie sie der Entwurf vorgesehen hatte, regte er eine
Favard, Bd. 1, S. 3; Locre, Bd. 1, S. 380. Locre, Bd. 1, S. 385. 3 Locre, Bd. 1, S. 386. 4 Locre, Bd. 1, S. 388. s Locre, Bd. 1, S. 389. 6 Locre, Bd. 1, S. 386. 1 Locre, Bd. 1, S. 389 u. 391. t
2
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
von nur 24 Stunden 8 für das Departement mit dem Regierungssitz an. 9 In den anderen Departements sollten die Gesetze nach Ablauf einer Frist in Kraft treten, die mit einer Stunde pro Lieue 10 bemessen werden sollte, wobei die Entfernung zwischen dem Regierungssitz und dem Hauptort des jeweiligen Departements maßgeblich sein sollte. Sei das Gesetz dort bekannt, so werde vorausgesetzt, daß es im ganzen Departement bekannt sei. 11 Der Staatsrat schloß sich nach einer weiteren Sitzung 12 dem Vorschlag Bonapartes an 13, und Art. 1 des Präliminartitels des Code civil sollte entsprechend lauten 14 : Art. 1 Code civil: Les lois sont executoires dans tout le territoire franf:ais, en vertu de Ia promulgation qui en est faire par le Premier Consul.
Elles seront executees dans chaque partie de Ia Republique, du moment ou 15 Ia promulgation en pourra etre connue. La promulgation faite par le Premier Consul sera reputee connue dans le departement ou siegera le Gouvernement, un jour apres celui de Ia promulgation; et dans chacun des autres departemens, apres I' expiration du meme delai, augmente d' autant de jours qu' il y aura de fois dix myriametres 16 ( environ vingt Iieues anciennes) entre Ia ville ou Ia promulgation en aura ete faite, et le chef-lieu de chaque departement.
[Die Gesetze treten in ganz Frankreich mit der Verkündung durch den Ersten Konsul in Kraft. Sie sollen in jedem Teil der Republik von dem Augenblick an vollzogen werden, in dem deren Verkündung bekannt sein kann. Die Verkündung durch den Ersten Konsul soll als bekannt angenommen werden: in dem Departement mit dem Regierungsitz ein Tag danach. In allen übrigen Departements nach Ablauf der nämlichen Frist unter Anrechnung eines Tages für je zehn Myriameter (ungefähr zwanzig Lieues), die der Hauptort des Departements vom Ort der Verkündung entfernt ist.]
8 Der Vorschlag stammt nicht von Tronchet, wie Perouse, S. 44, zu Unrecht behauptet. Tronchet hatte eine einheitliche Frist von zehn Tagen vorgeschlagen. Siehe Locre, Bd. I, s. 399. 9 Locre, Bd. I, S. 399; Favard, Bd. I, S. 15. 10 4 km. 11 Locre, Bd. I, S. 398. 12 Sitzung vom 4. Fructidor IX [22. August 1801]. n Locre, Bd. 1. S. 412. 14 Gilt noch heute, wobei lediglich die Amtsbezeichnung der Verkündungsinstanz geändert wurde. 15 "que" nach Locre. Zitiert wird aber nach der offiziellen Erstausgabe des Code civil des Franf:ais und nicht nach Locre, der in seiner 1827 ff. erschienenen Legislation civile Bezeichnungen und Titel wie la republique und le Premier Consul usw. durch le Royaume und le Roi ersetzt hat. 16 1 Myriameter = I 0 km.
li. Erstes Buch des Code civil
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II. Das Erste Buch des Code civil [Personenrecht] In der zweiten Sitzung, am 4. Thermidor IX [23. Juli 1801), ging es um die Einteilung des Ersten Buches des Code civil in Titel. Portalis legte im Auftrag der Section de legislation einen Entwurf vor, der folgende Einteilung vorsah: 1. Entwurf: Von den Personen, die die Bürgerrechte genießen, und denen, die sie nicht genießen 2. Entwurf: Von den Urkunden zur Feststellung des Zivilstandes 3. Entwurf: Vom Wohnsitz und von den Verschollenen 4. Entwurf: Von der Ehe 5. Entwurf: Von der Ehescheidung 6. Entwurf: Von Vaterschaft, Abstammung und Adoption 7. Entwurf: Von der väterlichen Gewalt 8. Entwurf: Von Minderjährigkeit, Vormundschaft und Volljährigkeit 9. Entwurf: Von Mündigkeit und Entmündigung 1 Bonaparte sah dagegen nur drei große Einteilungen im Personenrecht: den Stand des Einzelnen in der bürgerlichen Gesellschaft, das Verhältnis der Eheleute untereinander und das Vater-Kind-Verhältnis. 2 Man müsse die Willkür der Einteilung vermeiden und aus dem Wesen der Materie schöpfen 3, meinte er und regte eine Aufteilung par masses an, die er als einfacher und natürlicher als die von der Section vorgeschlagene bezeichnete. 4 Um seine Ansicht zu untermauern, griff er wahllos Art. 1 bis 3 des 5. Titels des Ersten Buches des Entwurfs heraus und zitierte folgende Formulierung: Le contrat de mariage peut mfanmoins etre resolu avant Ia mort de I' un des deux epoux, dans /es cas ou pour /es causes determinees par Ia loi. 5 [Der Ehevertrag kann jedoch in den vom Gesetz bestimmten Fällen aus den gesetzlich festgelegten Gründen vor dem Tod eines der Ehegatten gelöst werden.]
Dieser Satz erfordere zwangsläufig, daß auch die Scheidung diskutiert werde. 6 Cambaceres wandte dagegen ein, daß die Einteilung des Ersten Buches in nur drei große Abschnitte das Gesetz zu unübersichtlich mache. 7 Locre, Bd. 1, S. 76. z Locre, Bd. 1, S. 77. 3 Locre, Bd. 1, S. 78. 4 Locre, Bd. 1, S. 77. 5 Locre, Bd. 1, S. 77. 6 Locre, Bd. 1, S. 77. 1 Locre, Bd. 1, S. 78. 1
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
Entsprechend legte die Section in der Sitzung vom 24. Brumaire X [15. November 1801] einen weiteren Entwurf vor, der sich vom ersten nur dadurch unterschied, daß er nunmehr aus zehn Entwürfen oder Titeln anstatt bisher neun bestand. Dem Projekt war ein neuer erster Entwurf mit der Bezeichnung "Von der Bekanntmachung, Wirkung und Anwendung der Gesetze im allgemeinen" vorangestellt worden. 8 Der Erste Konsul sprach sich daraufhin für eine Beschränkung auf fünf Entwürfe oder Titel aus: 1. Entwurf: Bekanntmachung, Wirkung und Anwendung der Gesetze im allgemeinen 2. Entwurf: Der Personenstand, beinhaltend Ehe, Ehescheidung, Vaterschaft, Abstammung, Adoption; väterliche Gewalt: Minderjährigkeit, Vormundschaft und Volljährigkeitserklärung; Mündigkeit und Unmündigkeit 3. Entwurf: Die Urkunden zur Feststellung des Zivilstandes 4. Entwurf: Der Wohnsitz 5. Entwurf: Die Verschollenen 9 Auch mit diesem neuen Vorschlag vermochte Bonaparte seinen Staatsrat nicht umzustimmen. Im wesentlichen folgte man dem Entwurf der Section. Der Code civil wurde in seinem Ersten Buch in elf Titel eingeteilt, wobei der erste Entwurf oder Titel des in der Sitzung vom 24. Brumaire X [15. November 1801] verfaßten Projektes als Präliminartitel herausgenommen und Verschollenen- und Adoptionsrecht als jeweils eigenständige Titel behandelt wurden. In der Sitzung vom 6. Thermidor IX [25. Juli 1801] wurde beschlossen, daß die verschiedenen Gesetzesentwürfe in einem Gesetzeswerk mit fortlaufend numerierten Artikeln zusammengefaßt werden sollten. 10 Der Code civil war damit das erste Gesetzbuch, das seine Artikel von Anfang bis Ende einheitlich durchzählte und so die Zitierweise grundlegend vereinfachte. Mit Gesetz vom 30. Ventose XII [21. März 1804] wurde die Vereinigung zu einem Gesetzbuch vollzogen. 11
1. Erster Titel "Von Genuß und Verlust der Bürgerrechte" a) Erstes Kapitel "Vom Genuß der Bürgerrechte"
Die Debatte vom 6. Thermidor IX [25. Juli 1801] hatte die Regelung der Frage zum Gegenstand, wer in den Genuß der Bürgerrechte kommen solle. Locre, Bd. I, S. 78 f. Locre, Bd. I, S. 79. 10 Locre, Bd. 1, S. 84. 11 Locre, Bd. I, S. llO f.
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li. Erstes Buch, erster Titel des Code civil
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aa) Art. 1, 1. Kapitel, 1. Titel des Entwurfs
Der erste Entwurf des späteren Art. 9 Code civil hatte vorgesehen, daß jeder in Frankreich Geborene französischer Abstammung in den Genuß der Bürgerrechte kommen solle: Art. 1 des Entwurfs: Taute personne nee d' un Fram;ais et en France, jouit de tous /es droits resultant de Ia loi civile fram;aise, a moins qu' il n' en ait perdu I' exercice par /es causes ci-apres expliquees. 12
[Jeder in Frankreich Geborene mit französischem Vater genießt alle Bürgerrechte, sofern er ihrer nicht durch die folgenden Gründe verlustig geworden ist.] Dabei sollte die Staatsbürgerschaft des Vaters für die Abstammung maßgeblich sein und das Kind nur die französische Staatsbürgerschaft entsprechend der französischen Mutter erlangen, sofern der Vater unbekannt war. 13 Der Erste Konsul vertrat die Auffassung, daß zur Erlangung der französischen Staatsbürgerschaft die Geburt in Frankreich ausreichend und allein maßgeblich sein solle. Er schlug folgende Regelung vor: Taut individu ne en France est Franr;;ais. 14
[Jeder in Frankreich Geborene ist Franzose.] Dadurch wollte er auch jene zu französischen Staatsbürgern machen, die als Kinder ausländischer Eltern in Frankreich geboren wurden. Einige Staatsräte äußerten Bedenken 15, denen Bonaparte mit dem Argument begegnete, die französischen Bürgerrechte stellten einen großen Vorzug dar 16• Der Ansicht Tronchets 17 , das in Frankreich geborene Kind eines ausländischen Vaters solle lediglich die Möglichkeit haben, die französische Staatsbürgerschaft anzunehmen, entgegnete er, man könne dem Kind gestatten, der Staatsbürgerschaft formell zu entsagen. Eine solche Regelung helfe, den Einflußbereich des französischen Zivilrechts auszudehnen. 18 Neben dem Sendungsbewußtsein der Verbreitung seines Zivilrechts trat aber noch ein anderer Aspekt der Rechtspolitik Bonapartes zu Tage. Bei dieser Regelung versuchte er, die Interessen des Staates in den Vordergrund zu rücken. Dies hat er im Rahmen der Debatten zum Code civil nur in ganz wenigen Ausnahmefallen getan. 18 • Bonaparte stützte in dieser Sitzung seinen Vorschlag mit dem Argument, daß nur sein Entwurf es ermögliche, die Söhne von Ausländern, die sich in Frankreich niedergelassen hätten, der Konskription 12 Locre, Bd. 2, S. 33; Favard, Bd. 1, S. 36 f. n Tronchet, zit. Locre, Bd. 2, S. 34; Favard, Bd. 1, S. 37. 14 Locre, Bd. 2, S. 35; Favard, Bd. I, S. 37. 1s Locre, Bd. 2, S. 35 f. 16 Locre, Bd. 2, S. 35. 11 Locre, Bd. 2, S. 35; Favard, Bd. 1, S. 37. 1s Locre, Bd. 2, S. 35; Favard, Bd. 1, S. 38. 18a Dazu unten S. 251.
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
und anderer öffentlicher Pflichten zu unterwerfen. 19 Deren im Ausland anfallende Erbschaften würden nach Frankreich fließen, und die in Frankreich gemachten würden nach französischem Recht behandelt. Aber selbst die nicht vermögenden Kinder ausländischer Väter seien willkommen, da sie französischen Geist und französische Sitten besäßen. 2o Gönner 21 behauptet zu Unrecht, daß aufgrund dieser Anregung Bonapartes der Art. 9 eine entsprechende Abänderung erfahren habe. Zwar schloß sich der Staatsrat der Ansicht des Ersten Konsuls an 22 und erarbeitete die Section daraufhin einen entsprechenden Entwurf. Der sollte jedoch in der definitiven Fassung keinen Niederschlag finden, denn aufgrund des Votums des Tribunat 23 wurde der Artikel gestrichen. Der Tribun Sirneon hielt der Theorie des von Bonaparte vertretenen ius soli das Prinzip des ius sanguinis entgegen. Die ablehnende Entscheidung wurde von dem Argument, daß das Gesetz nicht die Aufgabe habe, zwangsweise französische Staatsbürger zu schaffen, getragen. Man gab ferner zu bedenken, daß ein in Frankreich geborenes Kind eines Ausländers, das dem französischen Zivilrecht unterstellt werde, ohne Niederlassungserklärung und tatsächliche Niederlasssung ungehindert die in Frankreich anfallenden Erbschaften mit in seine Heimat nehmen könne. Dies wurde als nachteilig empfunden. 24 Schließlich wurde der Vorschlag Tronchets der gesetzlichen Regelung zugrunde gelegt, indem in Art. 9 Code civil dem in Frankreich geborenen Kind eines ausländischen Vaters mit der Volljährigkeit die Möglichkeit eingeräumt wurde, die französische Staatsbürgerschaft durch förmliche Erklärung und Niederlassung in Frankreich anzunehmen: Art. 9 Code civil: Taut individu ne en France d' un etranger, pourra, dans l' annee qui suivra l' epoque de sa majorite, reclamer Ia qualite de Fran~ais; pourvue que, dans le cas ou il residerait en France, il declare que son intention est d'y fixer son domicile, ...
[Jedes Kind eines Ausländers, das in Frankreich geboren wurde, kann innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Volljährigkeit die französische Staatsbürgerschaft verlangen. Voraussetzung ist, daß es für den Fall, daß es in Frankreich wohnt, erklärt, es beabsichtige, dort seinen Wohnsitz aufzuschlagen, ... ] Lagrange irrt, wenn er behauptet, das Prinzip des ius sanguinis habe am besten den staatspolitischen Plänen des Ersten Konsuls entsprochen, der im Begriff gewesen sei, Herrscher über Frankreich zu werden. 25 Im Gegenteil war das ius solidas monarchische Prinzip des alten Feudalrechts gewesen. Wie die Protokolle 19
20 21 22 23 24
25
Locre, Bd. 2, S. 36; Favard, Bd. 1, S. 39. Locre, Bd. 2, S. 37; Favard, Bd. I, S. 39. Gönner, Bd. 2, S. 77. Locre, Bd. 2, S. 38; Favard, Bd. 1, S. 42 ff. Favard, Bd. 1, S. 51 f. Maleville, Bd. 1, S. 18 f. Lagrange, Bd. 1, S. 59.
II. Erstes Buch, erster Titel des Code civil
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zeigen, hat Bonaparte dieses Prinzip bei der Debatte verfochten. Daß das Argument des ius sanguinis letztendlich den Sieg davontrug, ist auf die Initiative des Tribunat zurückzuführen 26.
bb) Art. 2, 1. Kapitel, 1. Titel des Entwurfs Art. 2 des Entwurfs 27 hatte unter anderem eine Regelung enthalten, die jedem im Ausland geborenen Kind eines ehemaligen französischen Staatsbürgers die Möglichkeit gab, die französische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Die entsprechende Erklärung sollte nur in das Gemeindebuch am Wohnsitz des Betreffenden eingetragen werden: Art. 2, 2. Abs. des Entwurfs: Celui ne en pays etranger, d'un Franfais qui avait abdique sa patrie, peut toujours recouvrer Ia qualite de Franfais, en faisant Ia declaration qu' il entend fixer son domicile en France.
Cette declaration doit etre faite sur le registre de Ia commune ou il vient s' etab/ir. 28 [Ein im Ausland geborenes Kind eines ehemaligen französischen Staatsbürgers kann jederzeit die französische Staatsbürgerschaft erlangen, indem es erklärt, daß es beabsichtige, seinen Wohnsitz in Frankreich zu nehmen. Diese Erklärung muß ins Register der Gemeinde eingetragen werden, in die es gerade gezogen ist.]
Berlier und Cambaceres bekämpften in der Sitzung vom 14. Thermidor IX [2. August 1801] den Entwurf 29 mit der Bemerkung, nur die Kinder von Emigranten würden sich dieser Möglichkeit bedienen. Daher sei es besser, nur eine Einbürgerung nach den Vorschriften für Ausländer vorzusehen. 30 Nachdem über die Frage, ob die Emigranten bürgerlich tot seien, affirmativ abgestimmt worden war, bemerkte Bonaparte, der Artikel sei nun nicht mehr mißverständlich und müsse aufgenommen werden: "Das französische Volk ist eine große und fleißige Nation, die beständig expandiert. Was die Franzosen von den Emigranten unterscheidet, ist, daß sie sich nur deshalb im Ausland aufhalten, um ihr Vermögen zu vermehren. Die Verträge, mit denen sie sich scheinbar an eine andere Regierung binden, sind nur dazu da, um den notwendigen Schutz für ihre Unternehmungen zu erlangen. Sie beabsichtigen jedenfalls, nach Frankreich zurückzukehren, sobald sie genug verdient haben. Soll man sie zurückweisen? Selbst, wenn sie in den Adelsstand erhoben worden sind, wäre es ungerecht, sie mit den Emigranten gleichzusetzen, die gegen ihr Vaterland gekämpft haben." 31 In diesem Sinne Perouse, S. 49, Fußn. 1. Später Art. 10 Code civil. 28 Locre, Bd. 2, S. 33. 29 Nunmehr im Rahmen der zweiten Fassung des 1. Titels als Art. 3 bezeichnet, Locre, Bd. 2, S. 58. 3o Locre, Bd. 2, S. 59 f.; Favard, Bd. 1, S. 44. 3t Locre, Bd. 2, S. 64; Favard, Bd. 1, S. 48. 26 27
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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ist ein Schreiben Bonapartes an den Justizminister Regnier vom 29. Fructidor X [16. September 1802] abgefaßt: "Der Erste Konsul ist darüber unterrichtet, daß viele Franzosen, die nichts mit der ehemaligen Klasse der Privilegierten zu tun haben, sich bei verschiedenen Mächten Europas, insbesondere in Rußland, niedergelassen haben und dort im Bildungswesen eingesetzt werden oder aber die technischen Berufe oder Freien Künste ausüben. Die Konsuln wollen die Botschafter und Minister der Republik, insbesondere den Bevollmächtigten in Rußland, autorisieren, den Franzosen Amnestiebescheinigungen auszuhändigen, von denen nicht bekannt ist, daß sie gegen die Republik gekämpft haben oder aber Familien angehören, die man früher als adelig bezeichnete ... " 32 Der Staatsrat entschied sich für den Vorschlag des Ersten Konsuls und stimmte für die Beibehaltung des Entwurfs, der bis auf eine stilistische Verbesserung unverändert als Art. 10 in den Code civil Eingang fand: Art. 10, 2. Abs. Code civil: Tout enfant ne en pays etranger, d' un Fran~ais qui aurait perdu Ia qualite de Fran~ais, pourra toujours recouvrer cette qualite, en remplissant /es formalites prescrites par /' article 9. [Ein im Ausland geborenes Kind eines Franzosen, der die französische Staatsbürgerschaft verloren hat, kann diese jederzeit verlangen, indem es die in Art. 9 geregelten Formalitäten erfüllt.]
cc) Art. 4, 2. Kapitel, 1. Titel des Entwurfs Bei der Frage der rechtlichen Behandlung von Ausländern hatte der Art. 4 des Entwurfs das Prinzip der uneingeschränkten Reziprozität verankert: Art. 4 des Entwurfs: L' etranger jouit en France des memes droits civils que ceux accordes aux Fran~ais par Ia nation a laquel/e cet etranger appartient. 33 [Der Ausländer genießt in Frankreich die Bürgerrechte, die die Nation, der dieser angehört, den Franzosen zugesteht.]
Dieser Entwurf hatte eine staatspolitische Dimension, die der Erste Konsul sofort erkannte. Auf die Frage Bonapartes, wie früher verfahren worden sei, erläuterte Tronchet: "Hinsichtlich zahlreicher europäischer Mächte war, als die Verfassungsgebende Nationalversammlung auf den Plan trat, das Heimfallsrecht aufgrund von Einzelabkommen aufgehoben oder vielmehr modifiziert worden. Keinesfalls waren die begünstigten Ausländer uneingeschränkt erbberechtigt. Wegen des abgeschafften Heimfallsrechts waren sie lediglich dem Fiskus gegenüber von jeglicher Verpflichtung befreit. Dagegen waren französische Verwandte gleichen Grades ihnen gegenüber bevorzugt erbberechtigt, weil den Ausländern die aktive Erbberechtigung versagt war. Die Verfassungsgebende Nationalversammlung hat allen Ausländern ohne Rücksicht auf irgendwelche Verträge diese 32 33
Correspondance, Nr. 6330, Bd. 8, S. 48 f. [48]. Locre, Bd. 2, S. 33.
li. Erstes Buch, erster Titel des Code civil
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Berechtigung gegeben. Es geht nunmehr um die Frage, ob man der Regelung der Konstituante folgen oder aber den früheren Rechtszustand, der die durch Verträge verankerte Reziprozität zugunsten der Franzosen beinhaltete, wiederherstellen soll. . . Diese Verträge beinhalten fast alle die Rechtsfolge, daß das Heimfallsrecht überall dort wieder aufleben soll, wo die vertragliche Reziprozität zugunsten der Franzosen aufgehoben ist." 34 Der Erste Konsulließ mit Unterstützung von Tronchet das Prinzip der uneingeschränkten Reziprozität durch die Reziprozität nach diplomatischem Recht ersetzen. Dadurch war Frankreich nicht mehr gezwungen, ein Zivilrecht anzuwenden, daß ein Staat auf französische Staatsangehörige anwandte, sondern konnte eine Regelung durch Verträge gestalten. 35 Gegen den erheblichen Widerstand des Tribunat wurde die Regelung durchgesetzt und gilt noch heute als Art. 11 Code civil: Art. 11 Code civil: L' etranger jouira en France des memes droits civils que ceux qui sont ou seront accordes aux Franr;ais par /es traites de Ia nation a laque/le cet etranger appartiendra. [Ausländer genießen in Frankreich dieselben Bürgerrechte, welche die Nation, zu der sie gehören, den Franzosen durch Verträge eingeräumt hat oder noch einräumen wird.]
dd) Art. 6, 2 . Kapitel, 1. Titel des Entwurfs
Der erste Entwurf zum späteren Art. 13 Code civil hatte folgenden Wortlaut: Art. 6 des Entwurfs: L' etranger qui aura fait Ia declaration de vouloir se fixer en France pour y devenir citoyen, et qui y aura reside un an depuis cette declaration, y jouira de Ia plenitude des droits civils. 36 [Der Ausländer, der eine Erklärung dahingehend abgibt, daß er sich in Frankreich niederlassen will um Staatsbürger zu werden, und seit dieser Erklärung ein Jahr hier gewohnt hat, soll die Bürgerrechte in vollem Umfang genießen.]
Bonaparte wünschte in der Sitzung vom 6. Thermidor IX [25. Juli 1801] folgende Formulierung: L' etranger qui aura ete admis a faire Ia declaration qu' il veut se fixer, etc.
[Der Ausländer, der die Erlaubnis erhält, eine Erklärung dahingehend abzugeben, usw.]37 War er bei der Debatte über die Nationalität in Frankreich geborener Kinder ausländischer Väter noch ein vehementer Verfechter des ius soli gewesen, so wollte er hier Ausländern die Möglichkeit, die französische Staatsbürgerschaft 34 35
36 37
Locre, Locre, Locre, Locre,
Bd. 2, S. 41 f.; Favard, Bd. 1, S. 53 f. Bd. 2, S. 42. Bd. 2, S. 33 f. ; Favard, Bd. 1, S. 55. Bd. 2, S. 42 f.; Favard, Bd. 1, S. 55.
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
anzunehmen, nicht ohne weiteres eröffnen. Die Zulassung wollte er deshalb von einer staatlichen Genehmigung abhängig machen, weil einem Ausländer französischer Geist und französische Sitten fehlten, Eigenschaften, die nach seiner Ansicht auf französischem Boden Geborene automatisch besaßen 38• Der Erste Konsul konnte den Staatsrat überzeugen, und die vorgeschlagene Genehmigungspflicht fand Eingang in die endgültige Fassung:
Art. 13 Code civil: L' etranger qui aura ete admis par le Gouvernement a itablir son domicile en France, y jouira de tous les droits civils, tant qu'il continuera d'y resider. [Der Ausländer, der von der Regierung die Genehmigung erhält, seinen Wohnsitz in Frankreich aufzuschlagen, soll, solange er dort wohnen bleibt, alle Bürgerrechte genießen.]
b) Zweites Kapitel: "Vom Verlust der Bürgerrechte" aa) Erster Abschnitt: "Vom Verlust der Bürgerrechteaufgrund des Verlusts der französischen Staatsbürgerschaft" a) Art. 12, 2. Kapitel, 1. Titel des Entwurfs
Der erste Entwurf des späteren Art. 17 Code civil hatte die Regelung des Verlustes der Staatsbürgerschaft durch Verzicht vorgesehen. Der Betreffende sollte dem Recht entsagen können, wenn hinreichende Tatsachen vorlägen, die vermuten ließen, daß er sich ohne Absicht der Rückkehr im Ausland niederlasse. Der Verzicht sollte darüber hinaus fingiert werden, wenn der Betreffende sich beispielsweise im Ausland hatte einbürgern lassen oder aber dort ohne Genehmigung der französischen Regierung öffentliche Ämter angenommen hatte: Art. 12 des Entwurfs: La qualite de Franr;ais se perdra par I' abdication qui en sera faire. Cette abdication devra etre prouvie par des faits qui supposeront que le Fran~ais se sera itabli en pays itranger, sans esprit de retour: eile resultera necessairement, JO. de Ia naturalisation acquise en pays itranger; 2°. de I' acceptation non autoriseee par le gouvernement fran~ais de fonctions publiques conjirees par Un gOUVernemenf efranger ," 3°. de [' affiliafiOn Q (OUfe COrporafiOn etrangere qui supposera des distinctions de naissance. 39 [Die französische Staatsbürgerschaft erlischt mit deren Aufgabe. Die Entsagung muß durch Tatsachen bewiesen werden, die belegen, daß der französische Staatsbürger sich im Ausland niedergelassen hat, ohne in seine Heimat zurückkehren zu wollen. Die Aufgabe erfolgt automatisch: 1. bei einer Einbürgerung im Ausland, 2. bei einer Bekleidung öffentlicher ausländischer Ämter, deren Annahme von der französischen Regierung nicht genehmigt wurde, 3. bei einer Aufnahme in eine Gesellschaft, die vornehme Abstammung voraussetzt.] 38 39
Locre, Bd. 2, S. 37; Favard, Bd. 1, S. 39. Locre, Bd. 2, S. 46; Favard, Bd. 1, S. 61.
II. Erstes Buch, erster Titel des Code civil
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Die Fiktion der Entsagung wollte Bonaparte 40 auch auf die Fälle ausgedehnt sehen, in denenjemand ausländische Kriegsdienste angenommen hatte. 41 Obwohl der Staatsrat diesen Vorschlag akzeptierte 42 und die Section de tegislation ihn in die zweite Fassung aufnahm 43 , verwarf Bonaparte den Entwurf in der darauffolgenden Debatte 44 • Nachdem nämlich Tronchet bemerkt hatte, daß es jedem ehemaligen französischen Staatsbürger freistehe, seine ursprüngliche Staatsbürgerschaft wieder anzunehmen, wenn er sich dauerhaft in Frankreich niederlasse 45 , kritisierte Bonaparte die Definition des Begriffs Abdication. Er war der Ansicht, daß von Entsagung im eigentlichen Sinne dann nicht mehr gesprochen werden könne, wenn der Betreffende ohne Genehmigung der französischen Regierung ausländische Kriegsdienste annehmen würde. 46 Der Grund dafür war die generell vorgesehene Möglichkeit des Widerrufs des Verzichts. Der Erste Konsul meinte, dies sei zwar ganz im Interesse des Staates, doch sei es angebracht, diese Gunst nicht auf diejenigen zu erstrecken, die fremde Kriegsdienste ohne Genehmigung genommen hätten. Dieser Fall müsse als endgültiger Verzicht gewertet werden. Der Betreffende müsse so angesehen werden, als habe er die Waffen gegen Frankreich erhoben, was bei den raschen politischen Entwicklungen durchaus im Rahmen des Möglichen sei. In jedem Falle solle der Betreffende unwiderruflich die Bürgerrechte verlieren. 47 Da der Begriff Abdication die Widerrufbarkeil des Verzichts im Rahmen des Art. 17 Code civil beinhaltete, war die Fiktion in den Fällen der unautorisierten fremden Kriegsdienste mit den Prinzipien der Staatsraison nicht vereinbar. Bonaparte dachte dabei an die vielen Emigranten, die in feindlichen Armeen dienten und gegen Frankreich gekämpft hatten. 48 Die dritte Fassung des Entwurfs zum späteren Art. 17 Code civil enthielt bereits nicht mehr den von Bonaparte in der Sitzung vom 6. Thermidor IX eingebrachten und am 14. wieder verworfenen Zusatz. Auch die endgültige Fassung des Art. 17 Code civil sollte die ausländischen Kriegsdienste nicht erwähnen, so daß derjenige den Verzicht auf die französische Staatsbürgerschaft nicht mehr rückgängig machen durfte, der in ausländischen Armeen gedient hatte und damit potentieller Feind Frankreichs gewesen war.
In der Sitzung vom 6. Thermidor IX [25. Juli 1801]. Locre, Bd. 2, S. 47; Favard, Bd. I, S. 61. 42 Locre, Bd. 2, S. 47. 43 Als Art. 13 des 3. Kapitels des I. Titels des Entwurfs, Locre, Bd. 2, S. 70. 44 Sitzung vom 14. Thermidor IX [2. August 1801]. 45 Locre, Bd. 2, S. 66 f.; Favard, Bd. 2, S. 63 46 Locre, Bd. 2, S. 66; Favard, Bd. 2, S. 63. 47 Locre, Bd. 2, S. 67; Favard, Bd. I, S. 63 f. 48 Wenn Bonaparte Emigranten zur Amnestie vorgeschlagen wurden, fragte er stets: "Hat er gegen Frankreich gekämpft?", La Fayette, Bd. 5, S. 191. Eine ausführliche Behandlung dieser Thematik findet im Rahmen der Regelung des Bürgerlichen Todes unten S. 84 ff. statt. 40 41
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ß) Art. 13, 3. Kapitel,
1. Titel des Entwurfs
Die erste Fassung des Entwurfs zum späteren Art. 19 Code civil hatte die mit einem Ausländer verheiratete Französin dessen bürgerlicher Rechtsstellung zugeordnet: Art. 13, 1. Abs. des Entwurfs: Une femme fram;aise qui epousera un etranger, suivra Ia condition de son mari. 49 [Heiratet eine Französin einen Ausländer, so tritt sie in die bürgerliche Rechtsstellung ihres Mannes über.]
Die französische Frau sollte also mit dieser Heirat ihre Nationalität verlieren. Dem Entwurf lag die Überlegung zugrunde, daß für Eheleute eine einheitliche Regelung der Staatsbürgerschaft gelten müsse. Wenn eine Französin einen Ausländer heiratete, so hatte sie ihm zu folgen, sobald er in seine Heimat zurückkehrte. Darum sollte sie die Nationalität ihres Mannes annehmen. Der Verlust der französischen Staatsbürgerschaft sollte sich deshalb automatisch vollziehen, weil die Frau sich in Kenntnis dieser Regelung der Konsequenzen ihres Schrittes bewußt sei. Anders liegt der Fall, wenn der Ehemann erst nach der Eheschließung eine andere Staatsbürgerschaft annimmt. Hier kann die Frau in der Regel eine solche Veränderung nicht vorhersehen. Portalis empfand es als ungerecht, auch in diesem Fall der Frau die französische Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Er forderte deshalb in der Sitzung vom 6. Thermidor IX [25. Juli 1801] einen Zusatzartikel, in dem eine entsprechende Regelung getroffen werden sollte. 50 Diesen Gedanken unterstütze Bonaparte 51 mit dem Argument, es sei ein Unterschied, ob eine Französin einen Ausländer heirate oder einen Franzosen, der, nachdem sie ihm ins Ausland gefolgt sei, Ausländer werde. Erstere habe durch ihre Heirat der französischen bürgerlichen Rechte entsagt. Die andere würde diese dagegen nur verlieren, weil sie ihre Pflicht getan habe. 52 Diese Differenzierung fand im Gesetz jedoch keinen Niederschlag. In der Sitzung vom 6. Thermidor IX [25. Juli 1801] war nämlich der Verbesserungsvorschlag vertagt 53 und in der folgenden Sitzung vom 14. Thermidor IX [2. August 1801] nicht wieder aufgegriffen worden 54• Es handelt sich dabei wohl um ein redaktionelles Versehen. 55
Locre, Bd. 2, S. 46; Favard, Bd. I, S. 72. Locre, Bd. 2, S. 48; Favard, Bd. I, 73. 51 Madelin, S. 22, ist zumindest unpräzise, wenn er sagt, Bonaparte habe als erster diesen Unterschied hervorgehoben. 52 Locre, Bd. 2, S. 48; Favard, Bd. 1, S. 73. 53 Locre, Bd. 2, S. 49. 54 Siehe Locre, Bd. 2, S. 75; Favard, Bd. 1, S. 72 f. 55 Ebenso Perouse, S. 58. 49
5o
II. Erstes Buch, erster Titel des Code civil
81
bb) Zweiter Abschnitt: "Vom Verlust der Bürgerrechte aufgrundgerichtlicher Verurteilung" u) Art. 15, 2. Abschnitt des 3. Kapitels, 1. Titel des Entwurfs
Der erste Entwurf zu den späteren Art. 22 und 23 Code civil hatte vorgesehen, daß lediglich die von den französischen Gerichten verhängten Todesurteile und lebenslangen Freiheitsstrafen den Bürgerlichen Tod 56 nach sich ziehen sollten:
Art. 15 des Entwurfs: Les condamnations pronondes par /es tribunaux franf;ais a Ia peine de mort, ou aux peines afflictives qui s' etendent a toute Ia duree de Ia vie, seront /es seu/es qui emporteront Ia mort civile. 57
[Allein die von den französischen Gerichten ausgesprochenen Verurteilungen zum Tode oder zu lebenslangen Freiheitstrafen ziehen den Bürgerlichen Tod nach sich.] Die neue Fassung 58 lautete dann aber:
La peine de mort, ou /es peines afflictives qui s' etendent a toute Ia duree de Ia vie, emporteront Ia mort civile. 59
[Todesstrafe und lebenslange Freiheitsstrafe ziehen den Bürgerlichen Tod nach sich.] Der Erste Konsul wies in der Sitzung vom 16. Thermidor IX [4. August 1801] auf die logische Ungenauigkeit hin, die der Section beim zweiten Entwurf unterlaufen war. 60 Der Vollzug der Todesstrafe führe zum Tod des Delinquenten. Dann sei aber für die rechtliche Qualifizierung als bürgerlich Toter kein Bedürfnis mehr. Vielmehr könne es nur auf den Zeitpunkt der Verurteilung zur Todesstrafe ankommen. Diese Intervention wegen einer sprachlichen Ungenauigkeit zeigt, mit welch großer Aufmerksamkeit der Erste Konsul den Beratungen folgte. Auch der Justizminister Abrial bemerkte, daß die Todesstrafe den Tod nach sich ziehe und bei dessen Eintritt vom Bürgerlichen Tod nicht mehr die Rede sein könne. 61 Bonaparte sagte, die korrekte Formulierung laute:" Die Verurteilung zum Tode usw." 62 Gönner meint zu Unrecht unter verkürzender Wiedergabe der Debatte 63, der Erste Konsul habe diese Differenzierung erstmals eingebracht. Bereits der erste Entwurfhatte eine entsprechende Unterscheidung beinhaltet. Bonaparte hat allerdings die Ungenauigkeit des zweiten Entwurfs erkannt und dafür gesorgt, daß 56 Die moralische Fragwürdigkeit des Bürgerlichen Todes wird diskutiert von Perouse, S. 59 ff., und Jac, S. 6 ff. 57 Locre, Bd. 2, S. 75. 58 Nunmehr Art. 18 des Entwurfs, in der Sitzung vom 16. Thermidor IX vorgelegt, Locre, Bd. 2, S. 80; Favard, Bd. 1, S. 77. 59 Locre, Bd. 2, S. 83; Favard, Bd. 1, S. 77. 60 Locre, Bd. 2, S. 86. 61 Locre, Bd. 2, S. 85 f. 62 Locre, Bd. 2, S. 86. 63 Gönner, Bd. 2, S. 77 f.
6 Theewen
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
82
der ursprüngliche Entwurf den weiteren Beratungen wieder zugrundegelegt wurde und später auch Eingang in die Art. 22 und 23 Code civil fand, die erst durch Gesetz vom 31. Mai 1854 wieder abgeschafft wurden:
Art. 22 Code civil: Les condamnations a des peines dont I' effet est de priver celui qui est condamne, de toute participation aux droits civils ci-apres exprimes, emporteront Ia mort civile.
[Verurteilungen zu Strafen, die zum Verlust von in der Folge aufgezählten Bürgerrechten führen, ziehen den Bürgerlichen Tod nach sich.] Art. 23 Code civil: La condamnation
a Ia mort naturelle emportera Ia mort civile.
[Die Verurteilung zum Tode führt zum Bürgerlichen Tod.]
ß) Art. 19, 2. Abschnitt des 3. Kapitels,
1. Titel des Entwurfs
Der erste Entwurf des späteren Art. 25 Code civil, vorgelegt in der Sitzung vom 14. Thermidor IX [2. August 1801], hatte die Wirkungen des Bürgerlichen Todes geregelt. Neben anderen Einschränkungen wie der Unfähigkeit, zu vererben, die väterliche Gewalt auszuüben, als Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren aufzutreten oder eine Vormundschaft auszuüben, sollte der Eintritt des Bürgerlichen Todes eine bestehende, gültige Ehe auflösen: Art. 19 des Entwurfs: Les effets de Ia mort civile seront, Ia dissolution du contrat civil du marriage, ... 64
[Der Bürgerliche Tod bewirkt die Auflösung der Zivilehe, ... ] Der Justizminister Abrial wandte sich in der Sitzung vom 16. Thermidor IX [4. August 1801] gegen diese Regelung. Er argumentierte, die Frau werde nach diesem Gesetz als Konkubine angesehen, wenn sie ihren Mann nicht verlassen wolle. Es sei nicht einzusehen, warum eine rechtlich einwandfrei geschlossene Ehe trotz des Willens der Eheleute, zueinander zu halten, zu einer widerrechtlichen Lebensgemeinschaft werden solle, und die daraus hervorgehenden Kinder als unehelich anzusehen seien. Der Bürgerliche Tod könne das natürliche Band zwischen den Gatten nicht trennen, ohne daß einer der Beteiligten dies verlange. 65 Tronchet vertrat die Theorie, die Ehe sei zum einen ein naturrechtlicher Vertrag, der nach Naturrecht zu behandeln sei. Daneben sei sie aber auch unabhängig davon ein bürgerlichrechtlicher Vertrag. Im Bereich des Zivilrechts erfolge eine Behandlung nur nach diesen Normen, naturrechtliche Erwägungen hätten außer Betracht zu bleiben. Die Konsequenz sei, daß die vor dem Eintritt des Bürgerlichen Todes geschlossene Ehe eines bürgerlich Toten so beurteilt werden müsse, als sei sie unter Mißachtung des Gesetzes geschlossen worden. 66
64 65 66
Locre, Bd. 2, S. 49. Locre, Bd. 2, S. 89; Favard, Bd. 1, S. 85 f. Locre, Bd. 2, S. 89; Favard, Bd. 1, S. 86.
II. Erstes Buch, erster Titel des Code civil
83
Des Erste Konsul ergriff erst nach Tronchet und Abrial das Wort. Bei der zwischen Bonaparte und Tronchet ausgetragenen Kontroverse handelt es sich von Seiten des ersteren im wesentlichen um ein Aufgreifen der Argumente des Justizministers. Bonaparte wehrte sich gegen die fatalen Folgen der ihn nicht überzeugenden Theorie Tronchets und wandte ein, daß es danach einer von der Unschuld ihres Gatten zutiefst überzeugten Frau verboten sei, dem Manne, mit dem sie aufs Innigste verbunden sei, in die Verbannung zu folgen. Würde sie aber ihrer Überzeugung, ihrer Pflicht folgen, wäre sie nichts weiter als eine Konkubine. Warum aber solle man solchen Unglücklichen das Recht entziehen, unter dem ehrbaren Titel rechtmäßiger Gatten miteinander zu leben? 67 Weiter führte Bonaparte aus: "Wird der Schuldige durch die Verurteilung seines Vermögens beraubt und aus seinem Feundes- und Lebenskreis gerissen, so wird der Gesellschaft dadurch hinreichend Genugtuung verschafft. Warum soll man die Strafe auch auf die Ehefrau ausdehnen und diese gewaltsam einer Verbindung entreißen, die ihre Existenz mit der ihres Mannes verknüpft? Sie würde Ihnen sagen: ,Hätte man ihm doch das Leben genommen, dann könnte ich wenigstens sein Andenken lieben. Ihr aber wollt, daß er lebt, und verbietet mir, ihn zu trösten!' Wie viele Männer werden bloß aus Schwäche gegenüber ihren Frauen straffallig. Dann soll jenen, die der Anlaß des Unglücks sind, erlaubt sein, es zu mildem, indem sie es teilen. Sie schätzen die Tugend einer Frau, die ihre Pflicht erfüllt, und doch machen Sie keinen Unterschied zwischen ihr und einer Prostituierten."68 Nach Thibaudeau lautete Bonapartes Plädoyer so: "Der Gerechtigkeit und dem öffentlichen Strafanspruch soll mit der Deportation des Verurteilten nicht hinreichend Genüge getan sein? Dann wäre es besser, ihn zu töten. So könnte seine Frau ihm wenigsten im Garten eine Gedenkstätte errichten, um ihn dort zu beweinen. Die Frauen sind zuweilen der Anlaß für die Verfehlungen der Märmer. Darm sollen sie sie auch trösten. Schätzen Sie nicht die Frau, die ihrem •· Manne folgt?" 69 Maleville 70 unterstützte den Ersten Konsul und wies auf das Römische Recht als Vorbild hin, nach dem die Frau im Falle einer Deportation des Gatten die Möglichkeit hatte, die Ehe fortbestehen zu lassen 71 . 72 Portalis erklärte den Fortbestand der Ehetrotz des Bürgerlichen Todes nach altem, d.h. bis zum lnkrafttreten der Verfassung vom 3. September 1791, die die Ehe zu einem rein zivilrechtliehen Vertrag gemacht hatte, geltenden Recht 67 Locre, Bd. 2, S. 90; Favard, Bd. 1, S. 86. 68 Locre, Bd. 2, S. 90 f. Es ist bedenklich, mit Perouse, S. 65, dem Ersten Konsul eine ,,Art von Vorahnung" auf sein künftiges eigenes Schicksal, nämlich seine endgültige Verbannung auf Sankt Helena ab 1815 zu unterstellen, die er nicht mit seiner Frau teilte. 69 Thibaudeau, Consulat, S. 426. 70 Vgl. dessen Stellungnahme zu den Ausführungen Bonapartes bei Maleville, Bd. 1,
s. 47 f. 11 12
6*
Cod. 5, 17, 1. Locre, Bd. 2, S. 91 f.; Favard, Bd. 1, S. 88.
84
li. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
aus der Doppelgestalt dieser Institution. Früher, so sagte er in der Beratung im Staatsrat, habe man die Ehe als Vertrag und als Sakrament begriffen. Die von der katholischen Kirche postulierte Unauflösbarkeit der Ehe habe deren Fortbestandtrotz des Bürgerlichen Todes eines Gatten bedingt und garantiert. Nunmehr werde die Ehe nur noch als Vertrag begriffen, der bei Eintritt des Bürgerlichen Todes gelöst werde. 73 Der Erste Konsul schlug als Ausweg vor, eine Verweisung im Code zu formulieren, wonach der Bürgerliche Tod die Ehe nur in den vom Strafgesetzbuch festgesetzten Fällen auflösen solle. 74 Das hätte zu einer Vertagung der Problematik geführt, da eine Neuordnung des Strafrechts noch ausstand. 75 In der Sitzung vom 24. Thermidor IX [12. August 1801] versuchte er nochmals, eine für die Ehefrau eines bürgerlich Toten günstigere gesetzliche Regelung herbeizuführen. Er schlug vor, die Ehefrau zu verpflichten, innerhalb einer bestimmten Frist zu erklären, ob sie an der Ehe mit ihrem Mann festhalten wolle. Nur in diesem Falle habe sie ihrem Mann zu folgen. 76 Bonaparte konnte sich in dieser Frage jedoch nicht gegenüber seinen Staatsräten durchsetzen. Mit Art. 25 wurde im Code civil unter anderem die Auflösung der Ehe eines bürgerlich Toten eingeführt. Selbst die Gesetzgebung der Restauration, die 1816 die Ehescheidung wieder abgeschaffte, ließ diese Regelung unangetastet, die erst aufgrund der Einführung des Gesetzes vom 31. Mai 1854 aus dem Code civil entfernt wurde: Art. 25, 8. Abs. Code civil: Le mariage qu' il avait contracte precedemment, est dissous, quant a tous ses effets civils.. [Eine vorher geschlossene Ehe ist bürgerrechtlich insgesamt aufgelöst.]
Bonapartes Eintreten für eine frauenfreundliche Lösung dieser Frage zeigt deutlich, daß er keineswegs generell gegen die Frauen eingenommen war, wenn es um die Regelung von deren rechtlicher Stellung im Code civil ging. Im weiteren Verlauf der Gesetzesarbeiten sollte er sie noch besonders in Schutz nehmen. y) Die Emigrantenfrage
Im Rahmen der Debatten über den Verlust der Bürgerrechte spielte die Emigrantenfrage eine entscheidende Rolle. Sie beschäftigte den Ersten Konsul besonders aus staatspolitischen Erwägungen. Die Assernblies der Revolution waren gegen die Emigranten mit größter Härte vorgegangen. Man hatte sie als Feinde der Revolution bekämpft. Der Konvent hatte mit den Gesetzen vom 28. März 1792 77 und 23. Oktober 1793 Handhaben zur Konfiszierung des EmigrantenverLocre, Bd. 2, S. 93; Favard, Bd. 1, S. 89. Locre, Bd. 2, S. 97; Favard, Bd. 1, S. 94. 75 Das Strafrecht wurde erst durch die Einführung des Code penal 1807 reformiert. 76 Locre, Bd. 2, S. 153; Favard, Bd. 1, S. 108. 77 Madelin, S. 18, Fußn. 1, und Perouse, S. 61, Fußn. 1, geben irrtümlich die Jahreszahl 1793 an. 73
74
II. Erstes Buch, erster Titel des Code civil
85
mögens, zur Verbannung auf Lebenszeit und Verurteilung zum Bürgerlichen Tod geschaffen. Diese Gesetze waren bei Aufnahme der Debatte noch in Kraft. Zwar gab es auch Strömungen, die um eine Aussöhnung mit den an der Monarchie hängenden Emigranten bemüht waren. Doch die Gegner der Emigranten waren stärker. Sie setzten sich aus alten Jakobinern und orthodoxen Republikanern, den Überbleibseln der radikalen Assemblees, zusammen und hatten im Staatsrat eine beachtliche Lobby. Für sie waren die Emigranten unbeugsame Feinde, denen die Republik nicht nachgeben durfte, ohne sich und ihre Ideen aufzugeben. Daneben gab es Staatsräte, die zwar die radikalen Ideen nicht teilten, sich andererseits aber auch nicht veranlaßt sahen, auf eine Veränderung des Status quo hinzuarbeiten. Für sie war die revolutionäre Gesetzgebung Ausdruck politischer Notwendigkeit und damit unantastbar. 78 Für die Gemäßigten hingegen war eine von Zwietracht und Haß geprägte Regelung nicht geeignet, Eingang in ein Gesetz zu finden, das für alle Franzosen ein Zeichen des Neubeginns in Eintracht und Frieden sein sollte. Tronchet sagte in der Debatte vom 14. Thermidor IX [2. August 1801], man müsse sich von den momentanen Umständen und Strömungen freimachen und sich auf das besinnen, was für alle Zeiten Gültigkeit habe. 79 Der Code civil habe nichts gemeinsam mit den gegen die Emigranten gerichteten Lois de circonstance. Diesbezügliche Regelungen hätten dort, nicht aber im Code civil etwas zu suchen. 80 Bonaparte war gegenteiliger Auffassung. Als es in der Sitzung vom 14. Thermidor IX um die Fassung der Art. 23 und 24 des Code und die Frage ging, welche Verurteilungen den Bürgerlichen Tod bedingen sollten, schlug er vor, die Maßnahme- und Sondergesetze einzubeziehen. 81 Er beschwor Art. 1 des Gesetzes vom 28. März 1792, wonach alle Emigranten für bürgerlich tot erklärt worden waren. Allerdings war er damit nicht der erste, wie behauptet worden ist. 82 Es war Cambaceres, der im Staatsrat darauf hingewiesen hat, daß Art. 15 des Entwurfs dergestalt abgefaßt worden sei, daß er die Emigrantengesetze mit ihrer Regelung über den Bürgerlichen Tod nicht tangierte. 83 Bonaparte rechtfertigte den Bezug auf die Emigrantengesetze damit, daß zu jeder Epoche und in allen Staaten besondere Umstände auch Sondergesetze notwendig gemacht hätten 84 : ,,Es ist eben so, daß es solche Gesetze gibt, die für die Krankheiten der Volksgemeinschaft geschaffen sind." 85 78 Cambaceres in der Sitzung vom 14. Thermidor IX [2. August 1801], zit. Locre, Bd. 2, S. 60 u. 77; Favard, Bd. 1, S. 44 f. u. 76. 79 Locre, Bd. 2, S. 60; Favard, Bd. 1, S. 45. 8o Locre, Bd. 2, S. 62; Favard, Bd. 1, S. 47. 81 Locre, Bd. 2, S. 77; Favard, Bd. 1, S. 77. Jac, S. II, bezieht den von Bonaparte vorgeschlagenen Zusatz irrtümlich auf Art. 19 des Entwurfs. Es handelte sich aber um Art. 15. 82 So Madelin, S. 19. 83 Locre, Bd. 2, S. 77; Favard, Bd. 1, S. 76. 84 Locre, Bd. 2, S. 77; Favard, Bd. 1, S. 77. 85 Thibaudeau, Consulat, S. 97.
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
Diese Einstellung Bonapartes in der Emigrantenfrage ist oft kritisiert worden. 86 Seine Haltung in dieser Gesetzesdebatte bedarf jedoch einer differenzierten Prüfung. Seit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire beschäftigten ihn Überlegungen über die Reintegration der Emigranten. 87 Dies belegt ein Schreiben an den Jusitzminister Abrial, einen der Redakteure des Code. Darin bittet ihn Bonaparte, sich der Frage der Löschung der Emigrantenlisten anzunehmen: "Es handelt sich bei der Emigrantenfrage um eine der großen Wunden der Republik, die geheilt werden muß." 88 Dieser Brief ist datiert vom 3. Thermidor VIII [22. Juli 1800]. Bonaparte hatte aus eigener Anschauung 89 die Feststellung treffen müssen, daß viele Emigranten in den Koalitionskriegen in den Heeren der Verbündeten gegen Frankreich gekämpft hatten. 90 Trotzdem intervenierte er zugunsten von politischen Auswanderern in Fällen, die ihm persönlich bekannt wurden. 91 Bonapartes Einstellung den Emigranten gegenüber mag negativ gewesen sein, wie Thibaudeau vermeldet 92 , doch hinderte ihn dies nicht an seinen Aussöhnungsbestrebungen. Pasquier berichtet, der Erste Konsul habe keine Haßgefühle gegen die Emigranten gehabt und selbst diejenigen, die ihm während des Italienfeldzuges als Gefangene vorgeführt worden seien, mit Nachsicht behandelt. 93 Bonaparte hatte im Justizministerium eine Kommission bilden lassen, die die Anträge von Emigranten auf Löschung von den Verfolgtenlisten prüfen sollte. 94 "Die Regierung hat nicht die Absicht, den Beschwerden der Opfer von zusammenhanglosen Emigrantengesetzen kein Gehör zu schenken, aber wir werden den Feinden des Vaterlandes gegenüber unerbittlich sein. Sie haben die Befolgung der Gesetze zu überwachen. Ich wünsche keine Vorlage von Vorschlägen, die nicht gesetzeskonform sind", schrieb er dem Justizminister Abrial am 29. Messidor VIII [18. Juli 1800]. 95 Dieses Schreiben gibt Auskunft über die damalige Haltung Bonapartes in der Emigrantenfrage. Von den Emigranten, die aufgrundihrer Aktivitäten gegen die Republik als Staatsfeinde betrachtet wurden, sollten die Flüchtlinge unterschieden werden, die aufgrundunglücklicher Umstände und nicht als Absage an das Vaterland Frankreich verlassen hatten. 96 Nur die Feinde Frankreichs sollten den Emigrantengesetzen unterworfen bleiben, so wie es die Verfassung vorgesehen hatte. 97 Der Senatsbeschluß vom 6. Germinal X [26. April 1802] sicherte 86 Jac, S. 9 f., der Bonaparte allgemein sehr kritisch gegenübersteht, und Madelin, S. 18 f., der ihn als Gesetzgeber verherrlicht. 87 Regnaud, S. 132. Siehe hierzu auch Tal1eyrand, Bd. 1, S. 287. 88 Correspondance, Nr. 5009, Bd. 6, S. 524. 89 Vanda1, Bd. 2, S. 477. 90 Meneval, Bd. 3, S. 12; vgl. auch Lejeune, Bd. 1, S. 39. 91 Antommarchi, Bd. 1, S. 275; Walsh, S. 362. 92 Thibaudeau, Consulat, S. 98 ff. 93 Pasquier, Bd. 1, S. 149. 94 Correspondance, Nr. 4997, Bd. 6, S. 517. 95 Correspondance, Nr. 4997, Bd. 6, S. 517. 96 Meneval, Bd. 3, S. 15; Regnaud, S. 133 f.; Thibaudeau, Consulat, S. 95. 97 Vandal, Bd. 2, S. 579.
II. Erstes Buch, erster Titel des Code civil
87
den Emigranten volle Amnestie zu. Etwa 50 000 Personen wurden von den Listen gelöscht. 98 Ausgenommen waren ledigliehe bestimmte Personengruppen, insbesondere die überzeugten Royalisten, die gegen die Republik in maßgeblichen Positionen gearbeitet hatten. Deren Zahl betrug ungefähr 1000. 99 Die Stellungnahme des Ersten Konsuls zur Frage des Bürgerlichen Todes für Emigranten unter Bezugnahme auf die Sondergesetze erfolgte am 14. Thermidor IX [2. August 1801], also zu einem Zeitpunkt, als dieArretee vom 28. Vendemiaire IX [20. Oktober 1800] bereits knapp ein Jahr Bestand hatte. Ein dreiviertel Jahr später erfolgte dann der definitive Senatsbeschluß. Somit irrt Madelin 100, wenn er den Erlaß zeitlich nach der Stellungnahme Bonapartes einordnet. Die Amnestie vom 28. Vendemiaire IX war bereits vollzogen und hatte den größten Teil der Emigranten betroffen. Zum Zeitpunkt der Debatte war diese Zahl noch angestiegen. Übrig geblieben waren die, die man für Staatsfeinde hielt. Ganz überwiegend handelte es sich dabei um die überzeugten Royalisten, die in der Emigration auf die Wiederherstellung der Bourbonen-Monarchie, der sogenannten Legitimität hinarbeiteten. Es ist deshalb nicht richtig, wenn teilweise in der Literatur 101 zum Code civil von den Emigranten schlechthin die Rede ist. Die staatspolitischen Motive, die Bonaparte zu der gerade diskutierten Stellungnahme bewogen hatten, finden ihre Entsprechung in der Diskussion um die Frage des Verzichts auf die Bürgerrechte. Dort hatte er die Ansicht vertreten, daß diejenigen, die fremde Kriegsdienste nehmen würden, unwiderruflich der Bürgerrechte verlustig erklärt werden müßten. Diese Intervention zu den Art. 23 ff. Code civil aus Gründen der Staatsraison hielt dem Widerspruch des Juristen Tronchet aber nicht stand. Im Ergebnis sollte nicht der Code eine Regelung in der Emigrantenfrage enthalten, sondern ausschließlich die Sondergesetze. Die Sektion schloß sich nämlich letztendlich, trotz einiger Zwischenentwürfe im Sinne des Vorschlages Bonapartes, dem Standpunkt Tronchets an. Der endgültige Text der Art. 23 und 24 Code civil enthielt keine Verweisung auf Sondergesetze. Bonapartes Einstellung zum Bürgerlichen Tod gehört zu den umstrittensten Punkten. Die scharfe Kritik in der Literatur 102 gerade im Hinblick auf die Emigrantenfrage ist jedoch nur in begrenztem Umfang gerechtfertigt. 103 Bereits in der Staatsratssitzung vom 16. Pluviose VIII [5. Februar 1800] hatte Bonaparte bekannt: "Die französische Nation muß nach den Grundsätzen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit regiert werden ... Unter weniger dringenden und widrigen Thibaudeau, Consulat, S. 976 f.; Vandal, Bd. 2, S. 480. Regnaud, S. 136; Vandal, Bd. 2, S. 481. Insoweit unrichtig Holleben, S. 3, der behauptet, alleine in Anspach hätten sich im Jahre 1805 noch Tausende von Asylanten aufgehalten. 100 Madelin, S. 19 f. 101 Jac, S. 9; Madelin, S. 18 f. 102 Jac, S. 9 f ., und Madelin, S. 18 f. 103 Wie hier Nicias-Gaillard, S. 26. 98
99
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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Umständen müssen die [Emigranten-]Gesetze gemildert werden." 104 Der Kaiser sollte sich später auf Sankt Helena relativierend über seine Stellungnahmen äußern: "Man wird bei dem, was ich gesagt habe, unterscheiden müssen zwischen den für den Augenblick guten Maßnahmen und solchen, deren Anwendung immerwährende Gültigkeit hat." 105
2. Zweiter Titel: "Von den Personenstandsurkunden" a) Erstes Kapitel: "Allgemeine Regelungen"
Die grundlegende Reform der Personenstandsregister war von der Revolutionsgesetzgebung bereits vollzogen worden, indem das Gesetz vom 20. September 1792 den Standesbeamten die Führung der Personenstandsregister übertragen hatte, die bis dahin der Geistlichkeit anvertraut gewesen waren. 106 Man verstand fortan diesen Bereich als zum Zivilrecht gehörend. Dies war nicht zuletzt auch eine Konsequenz der Religionsfreiheit. Da keine Religion mehr den Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit erheben durfte, mußte mit der Betreuung des Personenstandes eine staatliche Behörde beauftragt werden. 107 In der Debatte über die allgemeinen Regelungen des späteren 1. Kapitels des 2. Titels des Code civil wurde in der Sitzung vom 6. Fructidor IX [24. August 1801] die Frage aufgeworfen, ob die Personenstandsurkunden einheitlich in französischer Sprache erstellt werden sollten. Bisher war darüber keine gesetzliche Regelung getroffen worden. Doch warangesichtsder Frankreich neuerlich einverleibten nicht frankophonen Departements hinsichtlich der Amtssprache eine Rechtsunsicherheit zu besorgen. Daher wurde die Ansicht vertreten, auch Flämisch oder Deutsch seien zuzulassen. 108 Bonaparte forderte im Interesse der Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit eine einzige Amtssprache. Die Personenstandsformulare seien so leicht verständlich, meinte er, daß eine allgemeine Einführung dieser Urkunden in der Amstsprache Französisch problemlos sei. 109 Im Grunde hatte er ein über die Sprache der Urkunden hinausgehendes Interesse an der Ausbreitung der französischen Sprache. Er vertrat nämlich die Ansicht, daß es besser sei, daß sich alle Franzosen, also auch die nicht französisch spreRoederer, Memoires, S. 122. Montholon, Bd. 2, S. 527. Dies spiegelt sich eben auch in den von Napoleon mitgestalteten Artikeln wider, die entweder später abgeschafft wurden oder noch heute Geltung haben. 106 Locre, Bd. 3, S. 1 f. 107 Bericht Duchesnes vor dem Tribunat am 2. Nivose XI [23. Dezember 1802], zit. Locre, Bd. 3, S. 152 ff. [156 f.]. Locre, Bd. 3, S. 149, gibt als Datum irrig die Jahreszahl X an. 108 Regnaud, zit. Locre, Bd. 3, S. 55; Favard, Bd. 1, S. 190 f. 109 Locre, Bd. 3, S. 55; Favard, Bd. 1, S. 191. 104 105
II. Erstes Buch, zweiter Titel des Code civil
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chenden, an den Gebrauch der einen nationalen Sprache gewöhnten. 110 Durch die Einführung einer einheitlichen Amtssprache sollte nicht nur eine Eingliederung der Bewohner der neuen Departements erreicht, sondern auch ein reibungsloses Funktionieren des Staatsapparates und seiner Organe gewährleistet werden. b) Zweites Kapitel: "Von den Geburtsurkunden"
aa) Art. 19 des Entwurfs
Bei der Regelung der Anzeige einer Geburt bei der Behörde war der Entwurf der traditionellen Bestimmung gefolgt und hatte eine Frist von 24 Stunden vorgesehen, binnen derer eine Geburt dem örtlich zuständigen Standesbeamten gemeldet werden mußte: Art. 19 des Entwurfs: Les declarations de naissance seront faites, dans /es vingtquatre heures, a I' officier de I' etat civil du lieu de I' accouchement: I' enfant lui sera presente.lll [Eine Geburt soll innerhalb von 24 Stunden dem Standesbeamten des Geburtsortes gemeldet werden. Das Kind soll ihm gezeigt werden.]
Der Erste Konsul empfand den Zeitraum als zu kurz und setzte in der Sitzung vom 6. Fructidor IX [24. August 1801] eine Frist von drei Tagen durch. 112 Daher ist nach dem Code civil eine Geburtsanzeige lediglich innerhalb von drei Tagen erforderlich: Art. 55 Code civil: Les declarations de naissance seront faites, dans les trois jours de I' accouchement, a I' officier de I' etat civil du lieu: I' enfant lui sera presente. [Eine Geburt soll innerhalb von drei Tagen dem Standesbeamten am Geburtsort gemeldet werden. Das Kind soll ihm gezeigt werden.]
bb) Art. 24 des Entwurfs
In derselben Sitzung ging es um die Regelung der aktenmäßigen Erfassung neugeborener Findelkinder: Art. 24 des Entwurfs: Tout individu qui aura trouve un enfant nouveau-ne, sera tenue de le remettre a I' officier de I' etat civil, et de lui declarer /es vetemens et signes exterieurs trouves avec I' enfant, et toutes les circonstances du temps et du lieu ou il aura ete trouve. II en sera dresse proces-verbal detaille 113 ; il demeurera annexe a I' acte de remise de /' enfant, qui enoncera son age apparent, son sexe, /e nom qui sera donne, et qui sera inscrit sur /e registre des naissances. 114 Locre, Bd. 3, S. 55; Favard, Locre, Bd. 3, S. 46; Favard, 112 Locre, Bd. 3, S. 71; Favard, 1n falsch detail/ee nach Locre, 114 Locre, Bd. 3, s. 47 f. 110 111
Bd. 1, S. 191. Bd. 1, S. 216. Bd. 1, S. 217. Bd. 3, S. 47.
90
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes [Jedermann, der ein neugeborenes ausgesetztes Kind findet, ist verpflichtet, es dem Standesbeamten zu übergeben und die Kleidungsstücke und weiteren äußeren Anzeichen sowie alle Umstände wie Zeit und Fundort genau anzugeben. Darüber soll ein genaues Protokoll angefertigt werden, welches Bestandteil der Übergabeakte wird. Diese Übergabeakte soll Auskunft über das vermutliche Alter, das Geschlecht und den Namen geben, den man dem Kind gibt, und in das Geburtenregister übertragen werden.]
Bonaparte setzte sich in allen Debatten für die sozial Schwachen ein. So empfahl er mit Nachdruck, im Protokoll auch den Verbleib des Kindes zu vermerken, um eventuelle spätere Nachforschungen der Eltern zu erleichtern. 115 Darüber hinaus forderte er, daß für den Verbleib des Findelkindes der Staat verantwortlich sein müsse. Dieser habe für die Aufnahme in ein Waisenhaus zu sorgen: "Ein Kind, das keine Eltern hat, wird ein Kind der Republik." 116 Er überzeugte seinen Staatsrat von der Notwendigkeit des Vorschlages, und der Code civil sollte ihn enthalten 117 : Art. 58, 2. Abs. Code civil: 1/ en sera dresse un proces-verbal detaille, qui enoncera en outre . . . I' autorite civile a laquelle il sera remis. Ce proces-verbal sera inscrit sur /es registres.
[Darüber soll ein genaues Protokoll gefertigt werden, welches unter anderem Auskunft über .. . die Zivilbehörde, der es übergeben wird, gibt; dieses Protokoll soll in das Register eingetragen werden.] c) Drittes Kapitel: "Von den Heiratsurkunden"
aa) Art. 25 des Entwurfs Nach dem Entwurf zum späteren Art. 63 Code civil sollte vor der Eheschließung der Standesbeamte nacheinander zwei Aufgebote bestimmen, die auf einen Decadi 118 fallen sollten: Art. 25 des Entwurfs: Avant Ia celebration du mariage, I' officier de I' etat civil fera deux publications, unjour de decadi, devant Ia porte de Ia maison commune ... 119
[Vor der Eheschließung soll der Standesbeamte zwei Aufgebote an einem Decadi an der Türe des Gemeindehauses anschlagen ... ] Sinn dieser Regelung war es, eine heimliche Eheschließung zu verhindem 120 und die Erhebung von Einwendungen Dritter zu ermöglichen. 121 Bd. 3, S. 74 f. Bd. 3, S. 74. Dies gilt heute noch in allerdings abgewandelter Form. Der Feiertag der zehntägigen Woche des Revolutionskalenders. Favard, Bd. I, S. 228; Locr~. Bd. 3, S. 48. Thibaudeau, zit. Locre, Bd. 3, S. 79. Tronchet, zit. Locr~. Bd. 3, S. 81.
115 Locr~, 116 Locr~. 117 118 119 120 121
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Gegen diese Regelung führte Bonaparte in der Sitzung vom 14. Fructidor IX [1. September 1801] folgendes an: "Wenn der Tag frei gewählt werden kann, werden viele Bürger die Aufgebote so legen, daß die Eheschließung an einem Tag gefeiert werden kann, der mit ihrer Religion in Einklang steht. Nach der Kirche werden sie sich dann zum Gemeindehaus begeben. Besteht dagegen keine Wahl, so wird man die Ehen von den Priestern weihen lassen und die Ziviltrauung verschieben. Auch die Religion besitzt solche Gesetze über die Aufgebote. Steht das Zivilrecht damit im Widerspruch, würde dessen Ausübung gehemmt werden." 122 Ihm ging es darum, die alten Gewohnheiten zu berücksichtigen und zu verhindern, daß strenge, nicht an den beim Volk gebräuchlichen religiösen Übungen orientierte Regelungen die Bürger in ihrer Gewissensfreiheit beeinträchtigten oder die Erfüllung der bürgerlichen Pflichten verhinderten. Kurz zuvor, am 26. Messidor IX [15. Juli 1801] hatte der Erste Konsul das Konkordat mit dem Papst unterzeichnet 123 , doch war dem Staatsrat bis zu der in Rede stehenden Sitzung über den Inhalt des Abkommens noch keine Mitteilung gemacht worden. Bonaparte berücksichtigte in dieser Debatte bereits ganz bewußt wieder die Sitten und Gebräuche der katholischen Kirche. Schon kurz nach dem Staatsstreich, am 6. Nivose VIII [27. Dezember 1799] 124, hatte er zu Andigne gesagt: "Ich werde die Religion wieder einführen, weil das Volk sie braucht." 125 , und zum ebenfalls anwesenden Hyde de Neuville: "Ich will dem Volk ... zuliebe, daß die Religion geachtet und geschützt wird." 126 Er vermochte sich im Staatsrat zwar nicht durchzusetzen 127, doch sollte ein späterer Beschluß der Konsuln vom 13. Floreal X [3. Mai 1802] gemäß dem soeben geschlossenen Konkordat die Aufgebote auf die Sonntage legen, so wie im übrigen bereits das Gesetz vom 20. September 1792 verfahren war. So konnte doch den Vorstellungen des Ersten Konsuls entsprochen werden, indem die Regelung dem Konkordat angepaßt wurde und der Code civil in Abänderung des Art. 25 des Entwurfs vom Sonntag als dem Tag der Aufgebote sprechen sollte: Art. 63 Code civil: Avant Ia celebration du mariage, l' officier de l' etat civil fera deux publications, a huit jours d' intervalle, un jour de dimanche , devant Ia porte de Ia maison commune. Ces publications, et l' acte qui en sera dresse, enonceront /es prenoms, noms,professions et domiciles desfuturs epoux, leur qualite de majeurs ou de mineurs, et les prenoms, noms, professions et domiciles de leurs peres et meres. Cet acte enoncera, en outre, /es jours, lieux et heures ou /es publications auront etefaites: il sera inscrit sur un seul registre, qui sera cote et paraphe comme il est dit en l' article 41, et depose, a Ia finde chaque annie, au greffe du tribunal de l' arrondissement.
122 123
124 125
126 121
Locre, Bd. 3, S. 80; Favard, Bd. 1, S. 230 f . Consalvi, Bd. 1, S. 309 ff. Datum nach Hyde de Neuville, Bd. 1, S. 269. Andigne, Bd. 1, s. 418. Hyde de Neuville, Bd. 1, S. 273. Locre, Bd. 3, S. 81.
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes [Vor der Eheschließung soll der Standesbeamte zwei Aufgebote in einem Abstand von acht Tagen auf einen Sonntag an der Türe des Gemeindehauses anschlagen. Diese Aufgebote und das entsprechende amtliche Protokoll enthalten Namen und Vomamen der Brautleute sowie Angaben über deren Beruf und Wohnsitz sowie Voll- oder Minderjährigkeit, ferner Vomamen und Namen der Eltern der Brautleute nebst Berufs- und Wohnsitzangabe. Der amtliche Vermerk beinhaltet darüber hinaus die Angaben über Ort, Tag und genaue Zeit der beiden Aufgebote. Er wird in ein besonderes Register eingetragen, das nach der Vorschrift des Art. 41 von Blatt zu Blatt fortlaufend paginiert und unterschrieben werden muß, und am Ende eines jeden Jahres auf der Geschäftsstelle des Bezirksgerichts niedergelegt wird.]
bb) Art. 35 des Entwurfs In derselben Sitzung ging es auch um das Verfahren der Eheschließung vor dem Standesbeamten. Der Entwurf sah im Rahmen des Titels "Von den zur Feststellung des Zivilstandes bestimmten Urkunden" folgende Regelung vor: Art. 35 des Entwurfs: Le jour designe par /es parties, apres /es delais des publications, I' officier de I' etat civil, en presence de quatre temoins, parens ou non parens, fera lecture aux parties des pieces ci-dessus mentionnees, relatives a leur etat et aux formalites du mariage. II recevra de chaque partie, I' une apres I' autre, Ia declaration qu' ei/es veulent se prendre pour mari et femme; il prononcera au nom de Ia loi, qu' ei/es sont unies par le mariage; et il en dressera acte sur-/e-champ, qui sera signe par lui, par les epoux et par les temoins. Si quelques uns d' entre eux ne savent ou ne peuvent signer, il en sera fait mention. 128
[An dem Tage, den die Parteien nach Ablauf der Aufgebotsfristen bestimmt haben, soll ihnen der Standesbeamte in Anwesenheit von vier verwandten oder nicht verwandten Zeugen die oben angeführten Urkunden, die sich auf ihren Stand und die Formalitäten der Eheschließung beziehen, verlesen. Er soll sich von jedem Teil einzeln und nacheinander die Erklärung geben lassen, daß sie sich zum Manne und zur Frau nehmen wollen. Sodann soll er im Namen des Gesetzes erklären, daß sie durch das Band der Ehe verbunden sind, und auf der Stelle darüber eine Urkunde aufsetzen, die von ihm, den Eheleuten und den Zeugen unterzeichnet werden soll. Ist jemand unter ihnen, der nicht schreiben kann, sei es, weil er es nicht gelernt hat, sei es, weil er es körperlich nicht vermag, so soll dies vermerkt werden.] Der Erste Konsul vermißte bei diesem Verfahren jede Feierlichkeit: "Wenn es nur darum ginge, eine Eheschließung festzustellen, genügte das Amt eines Notars. Ein Vertrag jedoch, der eine neue Familie begründet, muß feierlich geschlossen werden." 129 Zwar hatte die Säkularisation der Ehe, die er befürwortete, eine Trennung von der kirchlichen Hochzeit geschaffen, doch sprach er sich für eine dem Akt angemessene Form aus. Er machte hier ebenso Anleihen bei der Kirche wie später auch bei der Regelung der Adoption 130• Ihm schwebte 128 129 130
Locre, Bd. 3, S. 50; Favard, Bd. l, S. 241 f. Locre, Bd. 3, S. 89; Favard, Bd. l, S. 245 f. Dazu unten S. 165 f.
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folgende Zeremonie vor: "Die Frau soll erklären, daß sie den Mann als Familienoberhaupt anerkennt, und dieser, daß er sie zur Gefährtin nimmt. Sodann sollen ihnen die ehelichen Rechte und Pflichten vorgehalten und die Verpflichtungen eröffnet werden, die sie füreinander übernehmen." 131 Nach dem Bericht Thibaudeaus sagte er: "Die Frau soll Gehorsam geloben. Sie muß wissen, daß sie die Obhut der Familie verläßt und in die des Mannes übertritt. Der Standesbeamte schließt die Ehen ohne jede Feierlichkeit. Das ist zu trocken, dazu gehört etwas Moral. Die Priester haben ihre Predigt. Wenn so etwas vielleicht nicht immer bei den Brautleuten ankommt, weil sie mit anderen Dingen beschäftigt sind, so wird es doch von den übrigen Anwesenden vernommen." 132 Laut Legouve 133 soll er gefordert haben, daß der Bürgermeister bei den Worten "Die Frau ist dem Manne Gehorsam schuldig" ein imposantes Kostüm tragen und diese Worte feierlich vortragen solle. Daß ferner die strenge Einrichtung der Räumlichkeiten das ihre zur Würde der Gehorsamsverpflichtung beitrage, auf daß diese sich auf ewig in den Herzen der Verlobten einpräge. Es ist nicht ersichtlich, woher Legouve seine Kenntnis bezieht. Da er kein Zeitgenosse war, kann er seine Informationen nur aus zweiter Hand bezogen haben, möglicherweise von seinem Vater 134, bei dessen Tode er aber erst fünf Jahre alt war. Dem suspekten Zitat widersprechen sowohl Locres offizielle Protokollierung als auch Thibaudeaus wörtliche Mitschrift Auch wenn Legouve Aufzeichnungen seines Vaters benutzt haben sollte, wasangesichtsder in seinen Souvenirs mitgeteilten Anekdote 135 zu vermuten ist, bleibt die Authentizität in diesem Falle höchst zweifelhaft. Es handelt sich wohl um eine phantasievolle Paraphrasierung eines der beiden Protokolle. Tronchet nahm die Anregung Bonapartes auf und schlug vor, daß der Standesbeamte das Kapitel "Von den Pflichten der Eheleute" des 2. Titels verlesen solle. 136 Dies empfand der Erste Konsul auch deshalb als sinnvoll, weil eine Braut, die zum Eheversprechen gezwungen worden sei, so die Zeit habe, in aller Öffentlichkeit zu protestieren. Außerdem hinterlasse die Lektüre bei den Eheleuten Erinnerungen, die ihnen helfen könnten, im Falle einer Ehekrise das Gesetz zur Hilfe zu nehmen. 137 Der Staatsrat schloß sich den Vorschlägen Bonapartes an 138 und der Code civil erhielt so einen entsprechenden Zusatz 139: m Locre, Bd. 3, S. 89; Favard, Bd. 1, S. 245. 132 Thibaudeau, Consulat, S. 90. 133 Ernest Legouve [1807 -1903], Histoire, S. 6. 134 Der Vater Gabriel-Marie-Jean-Baptiste Legouve [1764-1812] war nach eigener Aussage Ernest Legouves, Souvenirs. Bd. I, S. 186, prägend für die Arbeit an seiner
Histoire morale des femmes. 135 Legouve, Souvenirs, Bd. I, S. 195 f.
136 Locre, Bd. 3, S. 89; Favard, Bd. 1, S. 246. m Locre, Bd. 3, s. 90. 138 Locre, Bd. 3, S. 90.
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Art. 75 Code civil: Le jour designe par/es parties apres /es delais des publications, l' officier de l' hat civil, dans Ia maison commune, en presence de quatre ternoins parens ou non parens, fera lecture aux parties des pieces ci-dessus mentionnees, relatives a leur etat et aux formalites du mariage, et du chapitre VI du titre du Mariage, sur les droits et /es devoirs respectifs des epoux 140 . . .
[An dem Tage, den die Parteien nach Ablauf der Aufgebotsfristen bestimmt haben, soll ihnen der Standesbeamte auf dem Gemeindehaus in Anwesenheit von vier verwandten oder nicht verwandten Zeugen die oben angeführten Urkunden, die sich auf ihren Stand und die Formalitäten der Eheschließung beziehen, sodann das sechste Kapitel des Titels "Von der Ehe", "Über die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Eheleute", vorlesen . . .] Der Erste Konsul führte zwar durch das Konkordat mit Rom die katholische Religion in Frankreich offiziell wieder ein, wollte jedoch nicht, daß das kirchliche Zeremoniell in Konkurrenz zur staatlichen Eheschließung trat. Der Vorrang gebührte nach seiner Vorstellung eindeutig der Ziviltrauung. Deshalb wollte er erreichen, daß diese an Feierlichkeit der kirchlichen Trauung in nichts nachstand. Seine Einstellung der Kirche gegenüber wird deutlich in dem Gespräch, daß der Erste Konsul am 30. Thermidor VIII [18. August 1800] mit Roederer geführt hat: Bonaparte: "Wie stellen wir die guten Sitten her? Doch nur, indem wir die Religion wieder einführen." - Roederer: "Ich denke schon, daß die Religion eine wichtige Stütze der Regierung ist, doch darf sie nie Überhand gewinnen und beherrschen." - Bonaparte: ,,Nein, sicher nicht . .. Aber wie soll man in einem Staat ohne Religion Ordnung schaffen? Die Gesellschaft kann doch wohl ohne Religion nicht bestehen. Die Gesellschaft ist ohne ungleich verteiltes Vermögen nicht denkbar, und diese Ungleichverteilung nicht ohne Religion zu motivieren. Jemand, der neben einem Wohlgenährten Hungers stirbt, vermag das nicht zu akzeptieren, wenn da nicht die Religion wäre, die ihm sagt: ,Gott will es so. Es muß auf der Welt Arme und Reiche geben. Aber später, in der Ewigkeit, wird es anders sein.' ... Und dann ist die Regierung vor dem Klerus nicht sicher, wenn sie dessen nicht Herr ist. Ihr Metaphysiker befindet Euch in einem großen Irrtum ... , wie überhaupt alle Politiker. Die denken, man soll die Priester links liegen lassen, sie in Ruhe lassen, solange sie sich nicht rühren, und einsperren, wenn sie Unruhe stiften. Da könnte man genauso gut sagen: ,Die Leute da mit den brennenden Fackeln an Ihrem Haus, lassen Sie sie ruhig. Sperren Sie sie erst ein, wenn sie es in Brand gesteckt haben.' Der Klerus muß ... vom Staat besoldet werden . . . Man sollte das Gehalt nach der Anzahl der Gläubigen bemessen ... " 141 Las Cases berichtet, er habe Napoleon einmal im Staatsrat gegen die "Nebeneinkünfte" der Priester wettern gehört und erlebt, wie er sagte, es sei eine Frechheit, denen zu ermöglichen, mit religiösen Handlungen, auf die man angewiesen sei, Geld zu machen. Er habe vorgeschlagen, diese Nebeneinnah139 140 141
Vgl. den aktuellen Art. 75 Code civil. Gesperrt in der Orginalausgabe des Code civil. Roederer, Memoires, S. 133 f.
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men zu unterbinden: "Wenn wir die Sakramente gratis erteilen lassen, stellen wir deren würdevollen, wohl- und mildtätigen Charakter wieder her. Wo wir so viel für die kleinen Leute tun, ist doch nichts natürlicher und selbstverständlicher, als diese kirchlichen Nebeneinkünfte durch eine gesetzliche Gebühr zu ersetzen. Jeder wird einmal geboren und muß wieder sterben, und viele heiraten; da haben wir drei Bereiche, wo die kirchlichen Krämer aus dem vollen schöpfen! Das stößt mich ab, das möchte ich abschaffen!" 142 Noch auf Sankt Helena meinte der Kaiser: "Die religiösen Handlungen dürfen niemals über den Gesetzen stehen." 143144 Die Unterordnung der Kirche unter den Staat im napoleonischen Staatsgefüge kommt nicht nur in der Abhängigkeit des französischen Klerus zum Ausdruck, sondern auch in des Kaisers Annexion des Kirchenstaates durch Dekret vom 17. Mai 1809. Nachdem Pius VII. daraufhin die Exkommunikation Napoleons ausgesprochen hatte, ließ der den Papst durch den General Radet verhaften 145 • In Savona wurde Pius gefangengehalten und dann nach Fontainebleau verbracht. Später, im Jahre 1813, diktierte Napoleon dann ein neues Konkordat. 146 d) Fünftes Kapitel: "Von den Personenstandsurkunden für Militärpersonen außerhalb der Republik" Der Entwurf hatte nur oberflächliche Regelungen über die Personenstandsurkunden von Militärpersonen außerhalb Frankreichs enthalten. Art. 7 des 4. Abschnitts des Entwurfs "Von den besonderen Regelungen, die Sterbeurkunden betreffend" hatte lediglich vorgesehen, daß die Todesfalle von Militärpersonen der Land- und Seestreitkräfte ebenso beurkundet werden sollten wie die von Zivilpersonen. Eine Ausnahme sollten lediglich die von den Militärreglements erfaßten Fälle darstellen, die es jedoch gar nicht gab 147 : Art. 7 des Entwurfs: Les deces des militaires de terre et de mer seront constates de Ia maniere prescrite par les articles ci-dessus, sauf /es cas prevus par /es reg/emens militaires. 14 8
Las Cases, Ed. Walter, Bd. 2, S. 344. O'Meara, Bd. 1, S. 60. 144 Jac, S. 28, wirft Bonaparte vor, er sei der Säkularisation der Gesetzgebung, insbesondere des Eherechts, nicht entgegengetreten. 145 Friederich, Bd. 2, S. 422 f. Der Autor dieser anonym veröffentlichten Memoiren heißt mit Vomamen Johann Konrad, siehe Ebrard/Liebmann, S. 7 ff. Anders Hänsel, Nr. 916: "Der Verf., der stets mit den Vomamen Johann Conrad zitiert wird, gibt Kar! Ferdinand selbst an (S. 17)." Hänse1 folgt hier den pseudonymen Angaben Friederichs, Bd. 1, S. 17, ohne Bd. 1, S. 195 u. a. zur Kenntnis zu nehmen, wo Friederieb seinen ebenfalls pseudonymen Nachnamen "Fröhlich" nennt. 146 Pacca, Ed. Bellaguet, Bd. 1, S. 104 ff., und Ed. Queyras, Bd. 1, S. 173 ff. 147 Nicias-Gaillard, S. 33. 148 Locre, Bd. 3, S. 52 f. 142
143
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[Der Tod von Militärpersonen der Land- und Seestreitkräfte soll mit Ausnahme der von den Militärreglements behandelten Fälle nach den obigen Artikeln festgestellt werden.) Der Erste Konsul beauftragte in der Sitzung vom 14. Fructidor IX [I. September 1801] die Section de legislation und die Section de Ia guerre mitderunverzüglichen Abfassung von Regelungen über die Feststellung von Sterbefällen von Militärpersonen im Code. 149 Der Auftrag sollte jedoch noch weitere Aspekte umfassen. Art. 4 des 4. Abschnitts des Entwurfs hatte sich lediglich auf die Sterbefälle in Hospitälern und Lazaretten in Frankreich beschränkt: Art. 4 des Entwurfs: En cas de deces dans les hopitaux militaires ou autres maisans publiques, /es superieures, directeurs, administrateurs et maftres de ces maisons, seront tenus d' en donner avis, dans /es vingt-quatre heures, a I' officier de I' etat civil, qui dressera I' acte de deces sur /es declarations qui lui auront he faites, et sur /es renseignemens qu' il aura pris concernant /es mentions afaire dans I' acte de deces, suivant I' article precedent. II sera tenue, en outre, dans /es hopitaux, des registres destines a inscrire ces declarations et ces renseignemens. 150 [Bei Sterbefällen in Militärhospitälern oder anderen öffentlichen Einrichtungen sollen die Vorgesetzten, Direktoren, Verwalter und Anstaltsleiter den Standesbeamten innerhalb von 24 Stunden benachrichtigen, welcher eine Sterbeurkundeaufgrund dieser Angaben und der Daten, die gemäß dem vorigen Artikel zu einer Sterbeurkunde gehören, anzufertigen hat. Darüber hinaus sollen in den Hospitälern Register geführt werden, in denen die Angaben und Daten vermerkt werden.] Bonaparte kritisierte, daß der Entwurf keine Aussage über das Schicksal von Soldaten außerhalb Frankreichs treffe, also über Todesfälle im Ausland. 151 Sodann machte er folgenden Vorschlag: "In dem Falle kann eine Sterbeurkunde an dem Ort der Beisetzung ausgestellt werden, doch muß eine Kopie an den Heimatort des Verstorbenen geschickt werden. Es ist gleichermaßen erforderlich, eine Regelung dafür vorzusehen, wie die Sterbeurkunden der im Felde gefallenen Militärpersonen an den Heimatort geleitet werden. Diese Fälle sind keine bloßen Zufälle, die sich nur selten zutragen. Das ist der natürliche Lauf der Dinge. Die Fahne stellt den ständigen Aufenthaltsort des Soldaten dar, wo immer dieser sich auch befindet. Von dort muß seine Sterbeurkunde an seinen richtigen Wohnsitz gelangen. Eine sichere Weiterleitung ist leicht zu bewerkstelligen. Man braucht nur von den Verwandten, die das Erbe antreten wollen, die Sterbeurkunde zu verlangen."152 Der Erste Konsul bemängelte bei dieser Gelegenheit auch das Fehlen einer Regelung der Eheschließungen von Militärpersonen bei der Armee 153 , worauf 149 150 151 152
Locre, Locre, Locre, Locre,
Bd. 3, Bd. 3, Bd. 3, Bd. 3,
S. 95. S. 52. S. 95; Thibaudeau, Consulat, S. 427. S. 95; sinngemäß ebenso Thibaudeau, Consulat, S. 427 f.
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Thibaudeau erwiderte, daß jene innerhalb Frankreichs sich wie alle anderen Bürger verheirateten, und daß es eine allgemeine Regelung gebe, die besage, daß "alle Personenstandsurkunden von Franzosen im Ausland gültig sind, sofern sie in den dort üblichen Formen abgefaßt sind". 154 Dies hielt Bonaparte für abwegig, weil er den bei den Fahnen stehenden Soldaten nicht als im Ausland befindlich ansah: "Wo die Fahne ist, da ist auch Frankreich!" 155 Sodann bemerkte er: "Die Soldaten heiraten einfach vor dem Korporal. Mit diesem Skandal muß Schluß sein. 156 Von der Heiratsurkunde nimmt doch niemand Notiz. 157 Ein Gesetz muß hier eine Regelung für die Vergangenheit treffen. Aber auch für die Zukunft bedarf es einiger Artikel über Geburten, Eheschließungen und Sterbefalle bei der Armee. 158" Bonapartes Einsatz für eine bessere Regelung der zivilrechtliehen Stellung der Militärpersonen entsprang dem Wissen um die katastrophalen Verhältnisse im Felde, die er aus eigener Anschauung als Offizier und Feldherr kannte. Aber nicht nur die rechtliche Stellung des Soldaten lag ihm am Herzen. Ihm war auch bewußt, daß Rechtsunsicherheit ebenso auf das zivile Umfeld übergreifen konnte. So bestand die Gefahr, daß ohne amtliche Sterbeurkunde falsche Erben an die Verwandten eines bei der Armee Dienenden herantreten konnten, und die Eheschließungen nicht ernst genommen wurden, was für die Frauen schlimme Folgen haben konnte. Wie in vielen anderen Fällen trat er hier für den Schutz der Frauen ein. Der Erste Konsul beauftragte die beiden Sektionen mit der Erstellung von Entwürfen, die sich an seinen Vorstellungen orientieren sollten. 159 Diese wurden nach der Vorlage im Staatsrat ausnahmslos gebilligt. Die Aufnahme in Tribunat und Corps legislatif war enthusiastisch. 160 So wurde in den 2. Titel des Code civil ein vollkommen neues 5. Kapitel aufgenommen, das ganz auf die Initiative des Ersten Konsuls zurückzuführen ist 161 :
Bd. 3, S. 95 f.; Thibaudeau, Consulat, S. 428. Bd. 3, S. 96. 155 Locr~, Bd. 3, S. 96. Die von Toullier, Bd. I, Nr. 336, vertretene Schlußfolgerung, für Bonaparte sei die Armee Frankreich gewesen, ist unhaltbar. Daß er Frankreich gerade nicht auf die Armee reduziert betrachtet hat, beweist die Tatsache, daß er die Soldaten unter die Zivilgesetze stellen wollte. Bonaparte hat auch stets den Vorrang des Zivilrechts betont. Zur Zeit des Konsulats sagte er zu Roederer, Memoires, S. 180: "Wenn ich ... sterben müßte, würde ich ein Testament machen, in dem ich der Nation raten würde, sich vor einer Militärregierung zu hüten. Ich würde ihr empfehlen, die Führung einem Zivilisten anzuvertrauen." Siehe auch oben S. 38 f. 156 Thibaudeau, Consulat, S. 427 f. 157 Zum Problem der Eheschließungen bei der Armee siehe Nogues, S. 25 f. 158 Locr~. Bd. 3, S. 96. 159 Locr~. Bd. 3, S. 96. 160 Bericht Duchesnes vor dem Tribunat in der Sitzung vom 2. Niv6se XI [23. Dezember 1802], zit. Locr~, Bd. 3, S. 152 ff. [159]; Bericht Chabots vor dem Corps li gislatif am 20. Vent6se XI [11. März 1803], zit. Locr~, Bd. 3, S. 221 ff. [237]. 161 Maleville, Bd. 1, S. 107. Siehe auch Ferid, Bd. 1, S. 120, Fußnote 6. 153 Locr~.
154 Locr~,
7 Theewen
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Des Actes de I' hat civil concernant les militaires hors du territoire de Ia republique. Art. 88: Les actes de I' etat civilfaits hors du territoire de Ia republique, concernant les militaires ou autres personnes employees a Ia suite des armees, seront ridiges dans les formes prescrites par les dispositions precedentes; sauf les exceptions contenues dans les articles suivans. Art. 89: Le quartier-maitre dans chaque corps d' un ou plusieurs bataillons ou escadrons, et le capitaine commandant dans les autres corps, rempliront les fonctions d' officiers de I' hat civil: ces memes fonctions seront remplies, pour Ies officiers sans troupes et pour les employes de l'armee, par l'inspecteur aux revues attache a I' armee ou au corps d' armee. Art. 90: II sera tenue dans chaque corps de troupes, un registre pour les actes de I' hat civil relatifs aux individus de ce corps, et un autre a I' etat-major de I' armee ou d' un corps d' armee, pour Ies actes civils relatifs aux officiers sans troupes et aux employes: ces registres seront conserves de Ia meme maniere que les autres registres des corps et hats-majors, et deposes aux archives de Ia guerre, a Ia rentree des corps ou armees sur le territoire de Ia Republique. Art. 91: Les registres seront cotes et paraphis, dans chaque corps, par I' officier qui le commande; et a I' hat-major, par le chef de I' etat-major general. Art. 92: Les declarations de naissance a I' armee seront faites dans les dix jours qui suivront I' accouchement. Art. 93: L' officier charge de Ia tenue du registre de I' hat civil, devra, dans les dix jours qui suivront l'inscription d'un acte de naissance audit registre, en adresser un extrait a I' officier de I' itat civil du dernier domicile du pere de I' enfant, ou de Ia mere si le pere est inconnu. Art. 94: Les publications de mariage des militaires et employes a Ia suite des armees, seront faites au lieu de leur dernier domicile; elles seront mises en outre, vingt-cinq jours avant Ia celebration du mariage, a I' ordre du jour du corps, pour les individus qui tiennent a un COrps; et a celui de /' armee OU du COrps d' armee, pour /es officiers sans troupes, et pour Ies employes qui en font partie. Art. 95: lmmediatement apres I' inscription sur le registre de I' acte de cetebration du mariage, I' officier charge de Ia tenue du registre, en enverra une expedition a I' officier de I' hat civil du dernier domicile des epoux. Art. 96: Les actes de deces seront dresses, dans chaque corps, par le quartiermaftre; et pour /es officiers sans troupes et /es employes, par l'inspecteur aux revues de I' armee, sur I' attestation de trois ternoins; et I' extrait de ces registres sera envoye, dans les dix jours, a I' officier de I' itat civil du dernier domicile du decede. Art. 97: En cas de deces dans les hopitaux militaires ambulans ou sedentaires, I' acte en sera redige par le directeur desdits hopitaux, et envoye au quartier-maitre du corps, ou a I' inspecteur aux revues de I' armee ou du corps d' armee dont le decede faisait partie: ces officiers en feront parvenir une expidition a I' officier de I' etat civil du dernier domicile du decede. Art. 98: L' officier de I' etat civil du domicile des parties, auquel il aura ete envoye de I' armee expedition d' un acte de I' hat civil, sera tenu de I' inscrire de suite sur les registres.
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[Von den Personenstandsurkunden für Militärpersonen außerhalb der Republik. Art. 88: Die außerhalb des Gebietes der Republik gefertigten Personenstandsurkunden, die Militär- oder andere bei den Armeen angestellte Personen betreffen, sollen nach den in den vorhergehenden Regelungen vorgeschriebenen Formen abgefaßt werden, vorbehaltlich der in den folgenden Artikeln enthaltenen Ausnahmen. Art. 89: Der Quartiermeister eines jeden Korps mit einem oder mehreren Bataillonen oder Eskadronen und der kommandierende Capitaine bei den übrigen Korps sollen die Funktion eines Standesbeamten ausüben. Diese Funktion soll der Musterungsinspektor bei der Armee oder beim Armeekorps für die Offiziere ohne Truppe und für die Heeresangestellten verrichten. Art. 90: In jedem Truppenkorps soll ein Register für die Personenstandsurkunden von Angehörigen dieser Korps und ebenso eins beim Stabe einer Armee oder eines Armeekorps für die Personenstandsurkunden der Offiziere ohne Truppe und Angestellten geführt werden. Diese Register sollen auf die gleiche Weise aufbewahrt werden wie die anderen Register der Korps und Stäbe und im Kriegsarchiv hinterlegt werden, sobald das Korps oder die Armee in das Gebiet der Republik zurückkehrt. Art. 91: Die Register sollen bei jedem Korps vom kommandierenden Offizier und beim Stabe vom Generalstabschef fortlaufend numeriert und paraphiert werden. Art. 92: Die Geburten bei der Armee sollen innerhalb von zehn Tagen nach der Niederkunft angezeigt werden. Art. 93: Der mit der Führung des Personenstandsregisters beauftragte Offizier soll innerhalb von zehn Tagen nach Eintragung der Geburtsanzeige in das Register einen Auszug davon dem Standesbeamten des Ortes zusenden, an dem der Kindesvater, oder, wenn der Vater unbekannt ist, die Kindesmutter zuletzt gewohnt hat. Art. 94: Die Aufgebote für die Eheschließungen von Militärpersonen und Heeresangestellten sollen am Wohnort ihres letzten Wohnsitzes erstellt werden. Sie sollen darüber hinaus bei Korpsangehörigen mit dem Tagesbefehl des Korps und bei den Offizieren ohne Truppe und den Heeresangestellten beim Tagesbefehl der Armee oder des Armeekorps verkündet werden, der sie angehören. Art. 95: Unverzüglich nach der Eintragung der Eheschließung in das Register soll der mit der Führung dieses Registers beauftragte Offizier eine Ausfertigung dem Standesbeamten des letzten Wohnortes der Ehegatten zusenden. Art. 96: Die Sterbeurkunden sollen bei jedem Korps vom Quartiermeister, und hinsichtlich der Offiziere ohne Truppen und Angestellten vom Armeemusterungsinspektor auf die Anzeige von drei Zeugen hin gefertigt werden. Der Auszug aus diesen Registern soll innerhalb von zehn Tagen dem Standesbeamten am letzten Wohnort des Verstorbenen zugesandt werden. Art. 97: Im Falle des Todes in einem Feldlazarett oder stehenden Hospital soll die Sterbeurkunde vom Anstaltsleiter ausgefertigt und dem Quartiermeister des Korps oder dem Musterungsinspektor der Armee oder des Armeekorps, dem der Vestorbene angehörte, zugeleitet werden. Diese Offiziere sollen den Standesbeamten des letzten Wohnortes des Verstorbenen eine Ausfertigung zukommen lassen. Art. 98: Der für den Wohnort der Parteien zuständige Standesbeamte ist verpflichtet, die ihm von der Armee zugesandte Ausfertigung einer Personenstandsurkunde umgehend in das Register einzutragen.] 7•
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
100
3. Dritter Titel: "Vom Wohnsitz" Art. 2 des Titels "Vom Wohnsitz" des Entwurfs hatte den Wohnsitz wie folgt definiert: Art. 2 des Entwurfs: Le domicile, considere sous ce rapport, sera, pour tout individu franf;ais, le lieu oit il a son principal etablissement. 162
[So hat jeder Franzose den Wohnsitz an dem Ort, wo er sich niedergelassen hat.] Art. 3 des Entwurfs hatte diesbezüglich weitere Regelungen vorgesehen und den Wohnsitz als einen ständigen Aufenthalt definiert, der mit einer entsprechenden Absicht einhergehen mußte. Die Veränderung des Wohnsitzes sollte durch ein anderweitiges Wohnen und eine dahingehende Absicht bedingt sein: Art. 3 des Entwurfs: Le domicile se formera par I' intention jointe au fait d' une habitation reelle. ll se conservera par Ia seule intention. ll ne changera que par une intention contraire,jointe aufait de I' habitation reelle. 163
[Der Wohnsitz wird durch eine mit einem tatsächlichen Wohnen verbundene Absicht begründet. Er wird durch den bloßen Willen beibehalten. Ein Wechsel ist abhängig von einer entsprechenden Absicht und einem tatsächlichen anderweitigen Wohnungnehmen.] Bonaparte kritisierte in der Sitzung vom 16. Fructidor IX [3. September 1801] die in Art. 3 verwendete Formulierung Le domicile se formera als nicht treffend. Der Wohnsitz werde mit der Geburt festgelegt. Dort, wo der Mensch geboren werde, sei in der Regel zunächst einmal auch der Ort, wo sein Wohnsitz sei. Er verwies auf Art. 2 des Entwurfs, in dem man übereingekommen war, daß der Wohnsitz an dem Ort sei, wo man sich niedergelassen habe 164• Es sei deshalb verfehlt, nochmals zu bestimmen, wie ein Wohnsitz begründet werde. Nunmehr gehe es um den Wechsel des Wohnsitzes. Der Erste Konsul meldete noch weitere Bedenken an. Die Möglichkeit, plötzlich einen neuen Wohnsitz irgendwo aufzuschlagen, könne dazu führen, daß man sich auf diese Weise seinen Gläubigern oder der Steuerpflicht entziehe. 165 Das wollte Bonaparte verhindern. Er meinte, allenfalls könne anstelle einer Vorauserklärung auch darauf abgestellt werden, daß der Wohnsitzwechsel rechtlich wie tatsächlich erst nach drei Monaten bedeutsam werde 166: "Der Artikel muß regeln, daß der Wohnsitz nur bei einer Ankündigung drei Monate im voraus verändert werden kann." 167 162 163 164
165 166
167
Locre, Locre, Locre, Locre, Locre, Locre,
Bd. 3, S. 403; Favard, Bd. 1, S. 270. Bd. 3, S. 403; Favard, Bd. 1, S. 280. Bd. 3, S. 415; Favard, Bd. 1, S. 281. Bd. 3, S. 414 f., 418; Favard, Bd. 1, S. 281 u. 285. Bd. 3, S. 419 f.; Favard, Bd. 1, S. 286 f. Bd. 3, S. 415; Favard, Bd. I, S. 281.
II. Erstes Buch, vierter Titel des Code civil
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Die von Bonaparte gewünschte Frist setzte sich zwar nicht durch, doch wurde die Fassung des noch heute gültigen Art. 103 Code civil aufgrundseiner Kritik in dem Sinne gekürzt, daß sich diese Norm darauf beschränkt, lediglich den Wohnsitzwechsel zu regeln 168 • Der Staatsrat hatte erkannt, daß eine Stellungnahme zur Begründung des Wohnsitzesangesichts des vorangehenden Artikels überflüssig war. Art. 103 Code civil: Le changement de domicile s' operera par lefait d' une habitation reelle dans un autre lieu, joint a I' intention d' y fixer son principal etablissement.
[Der Wohnsitzwechsel wird dadurch bewirkt, daß jemand tatsächlich an einem anderen OrtWohnung nimmt und zugleich die Absicht hat, sich dort niederzulassen.]
4. Vierter Titel: "Von den Verschollenen" Die Expansion der Handelsbeziehungen mit fernen Ländern und ein neues Lebensgefühls, daß sich in reger Reisetätigkeit äußerte, hatten es notwendig gemacht, einen Bereich im Gesetz grundlegend zu regeln, der im alten Recht nur unzureichenderfaßt worden war. Es geht um das Recht der Verschollenen. a) Zur Problematik des Terminus absent Der 4. Titel Des Absents ist mit "Von den Verschollenen" zu übersetzen. 169 Sowohl die von Daniels besorgte Übersetzung des offiziellen Gesetzestextes 170 als auch das Zivilgesetzbuch für das Großherzogtum Berg 171 übersetzen "Von den Abwesenden". Gönner hat mit Recht auf den Unterschied zwischen einem Abwesenden und einem Verschollenen hingewiesen 172 , den Bonaparte bereits in der Sitzung vom 24. Fructidor IX [11. September 1801] aufgezeigt hatte 173 • Die bloße Abwesenheit vom Wohnort oder den Besitzungen mag zeitlich noch so lange sein, doch erfordert sie noch nicht zwangsläufig eine übertragene Vermögensverwaltung, solange der Abwesende nämlich über die Entfernung hinweg zur Einflußnahme auf seine Belange oder Geschäfte in der Lage ist. Erst wenn der Kontakt abgebrochen ist, kann von einem Verschollenen gesprochen werden. 168 Zu eng Madelin, S. 34, Jac, S. 17 f., und Perouse, S. 85 f., die Bonaparte einen Einfluß auf den 3. Titel des 1. Buches ganz absprechen. 169 So zutreffend bereits Gönner, Bd. 2, S. 177; vgl. Maleville, Bd. I, S. 233. 110 4. Titel des 1. Buches, Art. 112 ff., S. 49 ff. 171 s. 25 ff. 172 Gönner, Bd. 2, S. 177 f.; Marcade, Bd. 1, S. 254: "Der Begriff absent hat hier nicht dieselbe Bedeutung wie in der Alltagssprache, wo er so viel bedeutet wie "nicht anwesend". Im vorliegenden Titel bezeichnet er aber eine Person, über deren Existenz Unklarheit herrscht." 173 Locre, Bd. 4, S. 55.
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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In diesem Sinne äußerte sich der Erste Konsul in der Sitzung vom 24. Fructidor IX [11. September 1801]. Er kritisierte die Doppeldeutigkeit des Begriffs absent, blieb jedoch mit seiner Anregung, einen eindeutigen Terminus technicus zu erarbeiten, ungehört. 174
b) Art. 1 des Entwurfs Der Entwurf zum späteren Art. 115 Code civil hatte die Voraussetzungen für die Verschollenheitserklärung, ohne die eine fremde Vermögensverwaltung nicht möglich sein sollte, festgelegt: Art. I des Entwurfs: Celui qui, apres avoir quitte le lieu de son domicile ou de sa residence, n' aura point reparu depuis cinq annees, ou dont on n' aura ref:u aucune nouvelle depuis ce temps, pourra etre declare absent. 175
[Wer, nachdem er den Ort des Wohnsitzes oder seines gewöhnlichen Aufenthaltes verlassen hat, dort nach fünf Jahren nicht wieder erschienen ist, oder von dem man seit dieser Zeit keine Nachricht bekommen hat, kann für verschollen erklärt werden.] Der Erste Konsul kritisierte in der Sitzung vom 16. Fructidor IX [3. September 1801] die Formulierungdonton n' aura re~u aucune nouvelle [von dem man ... keine Nachricht bekommen hat). Sie mußte nach seiner Ansicht so verstanden werden, als ob der Artikel auf den Erhalt von Nachrichten durch den Verschollenen abstelle. Dies war ihm aber zu eng. Anzeichen für das Verschollensein, so meinte er, könnten sich auch aus dem Umstand ergeben, daß es keine Nachrichten über den Verschollenen von dritter Seite gebe. 176 Auf seinen Hinweis hin wurde der Entwurf entsprechend abgeändert, indem der Ausdruck durch eine neutrale Formulierung ersetzt wurde, die sich hinsichtlich der Art und Weise der Nachricht nicht festlegte: Art. 6, 2. Fassung des Entwurfs: Celui qui, apres avoir quitte le lieu de son domicile
ou de sa residence, n' aura point reparu depuis quatre annees, ou dont on n' aura eu aucune nouvelle depuis ce temps, pourra etre declare absent. 177 [Hat jemand den Ort seines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes verlassen und ist auch nach vier Jahren nicht wieder erschienen, so kann er für verschollen erklärt werden, wenn man über ihn überhaupt keine Nachrichten hat.]
Die Verbesserung wurde in der Sitzung vom 24. Fructidor IX [11. September 1801] bestätigt 178 und fand Aufnahme in Art. 115 Code civil. Locre, Bd. 4, S. 55; Favard, Bd. 1, S. 295. Locre, Bd. 4, S. 29. 176 Locre, Bd. 4, S. 36. Die französische Satzkonstruktion war dagegen für Bonaparte keineswegs doppeldeutig, wie Gönner, Bd. 2, S. 182, meint, denn das Wort ref:u im ersten Entwurf schloß die Nachricht durch andere aus. m Locre, Bd. 4, S. 49. 11s Locre, Bd. 4, S. 56. 174
11s
II. Erstes Buch, vierter Titel des Code civil
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In derselben Sitzung veranlaßte der Erste Konsul eine weitere Verbesserung des Entwurfs, indem er kritisierte, daß der Artikel nur von solchen Personen handele, die ihren Wohn- oder Aufenthaltsort verlassen hätten. Es könne aber vorkommen, daß man vom Tod eines Menschen, der seinen Wohnsitz nicht verlassen habe, gewichtige Indizien habe, obwohl die Leiche nicht gefunden worden sei. Man könne dann wohl sagen, daß dieser Mensch verschwunden sei, aber nicht, daß er verschollen 179 sei. Wer jedoch die Verschollenheitserklärung begehre, müsse nach dem Entwurf beweisen, daß der Betreffende seinen Wohnsitz verlassen habe 180• Diese Regelung empfand Bonaparte als zu eng. Mit dieser Kritik vermochte er seinen Staatsrat umzustimmen. Entsprechend wurde der Entwurf abgeändert. 181 In Art. 115 Code civil ist daher nicht mehr die Rede von "demjenigen, der, nachdem er seinen Wohnsitz verlassen hat". Statt dessen enthält er eine allgemein gehaltene Formulierung: Art. 115 Code civil: Lorsqu' une personne aura cesse de paraltre au lieu de son domicile, ou de sa rt!sidence, et que depuis quatre ans on n' en aura point eu de nouve/les, /es parties interessees pourront se pourvoir devant le tribunal de premiere instance, afin que I' absence soit declaree.
[Wenn jemand an seinem Wohn- oder Aufenthaltsort nicht mehr erschienen ist, und man keine Nachrichten über ihn hat, können die Beteiligten sich an das Gericht erster Instanz wenden, um eine Verschollenheitserklärung zu erwirken.] Die Arbeit an diesem Entwurf zeigt, daß der Erste Konsul großen Wert auf Logik legte und diese gerne in exakten Formulierungen der Artikel verwirklicht sah. c) Art. 2, 3 und 4 des Entwurfs
Im Rahmen der Beratungen vom 16. Fructidor IX [3. September 1801] über die Art. 2 bis 4 des Titels "Von den Verschollenen" des Entwurfs zu den späteren Art. 116 und 117 Code civil nahm sich Bonaparte der Frage der gerichtlichen Überprüfung der Verschollenheit an, die in Art. 2 des Entwurfs mit weiteren Formalien festgelegt worden war 182• Die Art. 3 und 4 des Entwurfs, die die Art der Nachricht zum Gegenstand hatten, empfand Bonaparte dabei als zu speziell. 183 Sie lauteten: Art. 3 des Entwurfs: Les dernieres nouve/les de I' absent doivent resulter d' actes authentiques ou d' actes prives signes de lui ou ecrits de sa main, et, en cas de contestation, verifies par experts. 179 18o 181 182 183
Abwesend im Sinne von "ohne Nachricht entfernt vom Wohnsitz sich befindend". Locre, Bd. 4, S. 55 f. Siehe Locre, Bd. 4, S. 56. Locre, Bd. 4, S. 29. Locre, Bd. 4, S. 37.
Il. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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[Die letzten Nachrichten des Verschollenen müssen aus beglaubigten oder privaten Urkunden, die dieser geschriebenen oder unterzeichnet hat, herrühren, und im Bestreitensfalle von einem Sachverständigen begutachtet werden.] Art. 4 des Entwurfs: L' existence a une epoque determinee, de I' individu pretendu
absent, pourra neanmoins etre constatee par temoins, ou meme par Ia representation de lettres ecrites pardes tiers dignes de foi, et dont I' ecriture pourrait etre verifiee 184 0
[Die Existenz des vermutlich Verschollenen kann durch Zeugen oder durch Vorlage von Briefen glaubwürdiger Dritter, deren Handschrift beglaubigt werden kann, festgestellt werden.] Bonaparte wandte ein, es könne genauso gut eine allgemeine Überzeugung bzw. eine starke Gewißheit geben, die aus anderen Umständen herrühren könnten als die, welche in diesen beiden Entwürfen aufgeführt seien. Der Richter müsse frei von einengenden Vorschriften sich ein Bild machen und ermitteln können. 185 Daraufhin wurden diese beiden Artikel fallengelassen. 186 Der Code civil garantiert daher die richterliche Aufklärungskompetenz und das freie Ermessen: Art. 117 Code civil: Le tribunal, en statuant sur Ia demande, aura d' ailleurs egard aux motifs de I' absence, et aux causes qui ont pu empecher d' avoir des nouvelles de I' individu presume absent.
[Das über das Gesuch befindende Gericht soll auf die Beweggründe der Abwesenheit und die Ursachen, welche Nachrichten über den mutmaßlich Verschollenen verhindert haben könnten, Rücksicht nehmen.]
d) Die Einführung der staatlichen Fürsorgepflicht aufgrund der Intervention des Ersten Konsuls
Der Entwurf hatte in extenso die VerschollenheilSerklärung behandelt, jedoch keine Stellung zu der Frage genommen, wie die Rechte und Interessen des Verschollenen in der Zwischenzeit zu schützen seien. 187 Es war der Erste Konsul, der in der ersten diesbezüglichen Debatte, in der Sitzung vom 16. Fructidor IX [3. September 1801], auf die Regelungslücke hinwies. Er meinte, es sei notwendig, daß man auch die Vermögensverwaltung für die Zeit bis zur Verschollenheitserklärung regele. 188 Solange ein Verschollener einen Bevollmächtigten zurückgelassen habe, sei alles in Ordnung. Sterbe jedoch dieser Bevollmächtigte, oder sei gar keiner eingesetzt worden, so müsse ein Vermögensverwalter eingeLocre, Bd. 4, S. 29. Locre, Bd. 4, S. 37; Favard, Bd. 1, S. 300. 186 Locre, Bd. 4, S. 37. 187 Anders Gönner, Bd. 2, S. 178 f., der, wohl verwirrt durch die nicht chronologisch veröffentlichten Protokolle, zu dem unrichtigen Schluß kommt, die Art. 3 bis 5 des Entwurfs, die späteren Art. 113, 112 und 114 Code civil, seien Teil derersten Gesetzesentwurfsvorlage im Staatsrat gewesen. Tatsächlich aber wurden sie erst am 24. Fructidor IX vorgelegt, also acht Tage nach dem Entwurf Bonapartes. 188 Locre, Bd. 4, S. 43. 184 185
II. Erstes Buch, vierter Titel des Code civil
105
setzt werden. 189 Der Hinweis auf diese Regelungslücke führte zur Vorlage eines entsprechenden Entwurfs, der Bonapartes Vorstellungen berücksichtigte. Es entspann sich eine lebhafte Debatte 190, in der es nicht mehr lediglich um zivilrechtliehe Probleme und Themen ging, sondern um die Frage, ob und inwieweit der Staat die Möglichkeit haben solle, sich in die Angelegenheiten des Einzelnen, in seine Privatsphäre und Belange einzumischen. Tronchet bekämpfte den EntwurfBonapartes und trat unter Berufung auf die Autonomie und Eigenverantwortlichkeit des Privatrechtssubjekts gegen jedes staatliche Interventionsrecht ein: Es sei gefährlich, jemandem die Möglichkeit einzuräumen, in die Angelegenheiten eines Menschen einzudringen, der noch nicht für verschollen erklärt worden sei. Es sei untragbar, daß ein bloßer Verschollenheitsantrag oder gar eine sechsmonatige Abwesenheit den Erben dieses Recht verschaffe. Eine Pflicht zur Verwaltung fremden Vermögens könne das Gesetz in diesem Falle nicht statuieren: "Vigilantibus iura succurrunt", erwiderte Tronchet dem Ersten Konsul. 191 Der entgegnete darauf mit folgenden Argumenten, die seine Auffassung von der sozialen Aufgabe des Rechts offenbaren: "Es ist auch gefährlich, die Angelegenheiten eines Verschollenen 192, der keinen Bevollmächtigten eingesetzt hat, ihrem Schicksal zu überlassen. Seine Wechsel gehen zu Protest, sein Kredit platzt, und seine Schuldner können insolvent werden. Sein Ruin wäre vollkommen. Es wäre allerdings bedenklich, deswegen seinen Erben Einblick in seine Verhältnisse zu gestatten. Aber warum soll der Staat, der Witwen und Waisen beschützt, weil diese sich nicht helfen können, nicht auch einen Volljährigen schützen, der nicht anwesend ist, um seine Interessen wahrzunehmen? Jedermann, der über seine Geschäfte wacht und Hihig ist, sein Vermögen zu verwalten, soll freie Hand haben. Recht so, und in diesem Sinne ist auch das Sprichwort, welches der Bürger Tronchet zitiert, zu verstehen. Ist der Betreffende jedoch verschollen, so muß die Gesellschaft seine Beschützerio werden. 193 Die Beweggründe, die einen Vormund einem Minderjährigen beiordnen, müssen auch maßgeblich sein für die Verwaltung des Vermögens eines Verschollenen. Beide sind, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, außerstande, für ihr Vermögen zu sorgen ... Es ist von allgemeinem Interesse, daß die Pensionen, die der Verschollene schuldet, bezahlt, und die Waren, die er verkauft hat, ausgeliefert werden ... Darüber hinaus soll ja nur für den Fall für die Vermögensverwaltung zugunsten eines Verschollenen Vorsorge getroffen werden, daß er nicht selbst dafür sorgen konnte, oder aber die von ihm geschaffenen Vorkehrungen nicht mehr ausreichen. 194" Mit diesen Argumenten setzte sich Bonaparte gegen Tronchet durch.
189
190 191 192 193 194
Locre, Bd. 4, S. 43 f.; Favard, Bd. I, S. 315. Sitzung vom 24. Fructidor IX [11. September 1801]. Locre, Bd. 4, S. 57; Favard, Bd. l , S. 303. Absent im Sinne von ,,noch nicht für verschollen erklärt". Locre, Bd. 4, S. 58; Favard, Bd. I, S. 303. Locre, Bd. 4, S. 58 f.; Favard, Bd. 1, S. 304.
106
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
Das Prinzip der staatlichen Aufsicht fand daraufhin Eingang in das 1. Kapitel des Titels "Von den Verschollenen", "Von der Verschollenheitsvermutung", das somit alleine auf Bonapartes Initiative zurückgeht und noch heute gilt: Art. 112 Code civil: S' il y a necessite de pourvoir a I' administration de taut ou partie des biens Iaisses par une personne presumee absente, et qui n' a point de proeureur fonde, il y sera statue par le tribunal de premiere instance, sur Ia demande des parlies interessees. [Wird die Einrichtung einer Verwaltung für Teile oder die Gesamtheit des zurückgelassenen Vermögens eines mutmaßlich Verschollenen mangels eines eingesetzten Verwalters notwendig, so verfügt darüber das Gericht erster Instanz auf Antrag der Beteiligten.] Art. 113 Code civil: Le tribunal, aIa requete de Ia partie Ia plus diligente, commettra un notaire pour representer /es presumes absens, dans /es inventaires, comptes, partages et Iiquidations dans lesquelles ils seront interesses. [Auf Antrag der zuerst auftretenden Partei beauftragt das Gericht einen Notar, den mutmaßlich Verschollenen bei eventuell anstehenden Bestandsaufnahmen, Rechnungsstellungen, Teilungen und Liquidationen zu vertreten.] Art. 114 Code civil: Le ministere public est specialement charge de veiller aux interets des personnes presumees absentes; et il sera entendu sur toutes /es demandes qui /es concernent. [Die Staatsanwaltschaft hat den besonderen Auftrag, über die Interessen der mutmaßlich Verschollenen zu wachen. Sie soll bei allen Klagen, die einen mutmaßlich Verschollenen betreffen, gehört werden.] In dieser Debatte tritt Bonapartes Sorge um diejenigen, die selbst nicht in der Lage sind, für ihre Belange zu sorgen, besonders deutlich hervor. Sein Konzept trägt wohlfahrtsstaatliche Züge, die auch in der Debatte um die gesetzliche Hypothek zugunsten Geschäftsunfähiger erkennbar werden. 195 e) Art. 6 des Entwurfs
Der Gesetzesentwurf zum späteren Art. 120 Code civil behandelte die Frage, was mit dem Vermögen des Verschollenen, der keinen Bevollmächtigten mit seiner Vermögensverwaltung betraut hatte, zu geschehen habe. Danach sollte nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Verschwinden oder den letzten Nachrichten eine provisorische Besitzeinweisung vollzogen werden können: Art. 6 des Entwurfs: Dans le cas ou I' absent n' aura point laisse de procuration pour I' administration de ses biens, ses heritiers presomptifs pourront, apres cinq annees revolus depuis cette epoque, ou depuis /es dernieres nouvelles, se faire envoyer en possession provisoire des biens qui lui appartenaient au jour de son depart. 196
t9s
196
Siehe unten S. 225 ff. Locre, Bd. 4, S. 30; Favard, Bd. 1, S. 309.
li. Erstes Buch, vierter Titel des Code civil
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[In den Fällen, in denen der Verschollene keine Vollmacht zur Verwaltung seines Vermögens zurückgelassen hat, können seine Präsumtiverben 197 nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Verschwinden oder den letzten Nachrichten sich in den provisorischen Besitz des Vermögens einweisen lassen, das diesem am Tag seiner Abreise gehörte.]
Bonaparte billigte diese Regelung im Prinzip, wehrte sich jedoch gegen die unmittelbare Besitzeinsetzung. Nach seiner Vorstellung sollte sie nur mit der größtmöglichen Publizität einhergehen, um die Aufmerksamkeit in den Handelszentren zu erregen. Diejenigen, die man für verschollen erklären wolle, seien häufig nur an einer prompten Rückkehr in ihre Heimat gehindert, weshalb Vorsichtsmaßnahmen zu deren Gunsten eingebaut werden müßten. 198 Er lege größeren Wert auf die Publizität als auf die Wartezeit. Die Untersuchung solle nach vier Jahren durchgeführt werden. Direkt im Anschluß daransolle die Verschollenheitserklärung veröffentlicht werden. Die Einsetzung der Erben in den Besitz solle jedoch erst nach Ablauf eines Jahres erfolgen. 199 Der Vorschlag fand Eingang in den zweiten Entwurf200, setzte sich jedoch in der endgültigen Fassung des Art. 120 Code civil nicht durch, denn dieser sieht vor, daß Verschollenheitserklärung und Besitzeinweisung miteinander einhergehen. Jedoch fand Bonapartes Publizitätsgedanke zumindest Niederschlag in den Art. ll8 und ll9 Code civil, die regeln, daß Besitzeinsetzung und Verschollenheitserklärung erst ein Jahr nach einem öffentlich bekanntzumachenden vorbereitenden Urteil vollzogen werden dürfen: Art. 118 Code civil: Le commissaire du Gouvernement enverra, aussit6t qu' ils seront rendus, /es jugemens tant prt!paratoires que definitifs, au Grand-luge, Ministre de Ia justice, qui /es rendra publics.
[Der Regierungskommissar soll sowohl die Vorbescheide als auch die Endurteile, sobald sie erlassen sind, beim Großrichter-Justizminister einreichen, der sie zu veröffentlichen hat.] Art. 119 Code civil: Le jugement de declaration d' absence ne sera rendu qu' un an apres le jugement qui aura ordonne I' enquete. [Das Urteil, wonach jemand für verschollen erklärt wird, soll erst ein Jahr nach dem Urteil, welches das Zeugenverhör angeordnet hatte, ausgesprochen werden.] I) Art. 11 und 12 des 2. Entwurfs
In den Art. 11 und 12 des 2. Entwurfs, aus denen später die Art. 121 und 122 Code civil werden sollten, war eine zehnjährige Frist für den Fall vorgesehen worden, daß der Verschollene einen Bevollmächtigten eingesetzt hatte. Erst nach 197 Die Personen, die im Falle des Todes des verschollenen Erblassers zu Erben berufen wären. 198 Locre, Bd. 4, S. 38; Favard, Bd. 1, S. 310. 199 Locre, Bd. 4, S. 38, Favard, Bd. 1, S. 310. zoo Siehe Art. 10, 1. Abschnitt, 2. Kapitel des Entwurfs, Locre, Bd. 4, S. 49 f.
li. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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Ablauf dieser Frist, gerechnet ab dem Verschwinden oder der letzten Nachricht, sollte ein Antrag auf Inbesitznahme durch die Präsumtiverben zulässig sein. Für den Fall, daß nach fünf Jahren die Verwaltung aus irgendeinem Grunde endete, sollte die Regelung der entsprechen, die für den Fall vorgesehen war, daß der Verschollene keinen Bevollmächtigten zurückgelassen hatte. Auch hier sollte also den Erben umgehend die Möglichkeit eröffnet werden, die Verschollenheitserklärung und die Inbesitznahme zu beantragen: Art. II des Entwurfs: Si/' absent a laisse une procuration, ses hiritiers presomptifs ne pourront demander /' envoi en possession provisoire, qu' apres dix annees revolues depuis sa disparition, ou depuis ses dernieres nouvelles, et qu' apres avoir fait declarer /' absence dans /es formes prescrites par /es articles ci-dessus. 201 [Hat der Abwesende einen Bevollmächtigten eingesetzt, können seine Präsumtiverben die provisorische Besitzeinweisung erst nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet ab dem Verschwinden oder der letzten Nachricht, und erst dann beantragen, wenn sie das Verschollensein gemäß den in den obigen Artikeln vorgeschriebenen Förmlichkeiten erklärt haben.] Art. 12 des Entwurfs: Si, apres /es cinq ans de Ia disparition, ou des dernieres nouve/les de /' absent, Ia procuration vient a cesser par Ia mort, Ia renonciation du procureur fonde, ou taute autre cause, /es hiritiers presomptifs pourront se pourvoir pour faire declarer /' absence. 2o2 [Sofern die Vollmacht später als fünf Jahre seit dem Verschwinden oder der letzten Nachricht des Verschollenen durch Tod, Verzicht des eingesetzten Bevollmächtigten oder jede andere Ursache erlischt, können die Präsumtiverben die Verschollenheitserklärung betreiben.] Auf die Frage Bonapartes, warum der Entwurf diese Differenzierung enthalte, antwortete Thibaudeau, der Grund liege darin, daß der vom Verschollenen eingesetzte Verwalter dem vorgezogen werden müsse, den das Gesetz ihm gebe. 203 Diese unzutreffende Interpretation 204 korrigierte der Erste Konsul durch folgende Überlegung: "Der Grund kann auch in der Vermutung liegen, daß der Verschollene zurückkehren wird. Sollen die Erben etwa berechtigt sein, solange diese Erwartung andauert, bei Erlöschen der Verwaltung innerhalb der fünf Jahre vor der Verschollenheitserklärung binnen der üblichen Fristen das Urteil auf Besitzverschaffung zu fordern ... ? 205 Nach dem Entwurf würden die Erben nicht in beiden Fällen die gleichen Rechte haben. Hat der Verschollene niemanden mit der Verwaltung seines Vermögens beauftragt, so erwerben sie die Früchte bereits nach Ablauf von fünf Jahren vorbehaltlich des Ersatzes. Dagegen erhalten sie diese Befugnis erst nach zehn Jahren im Falle einer Bevollmächtigung. Will man nun aber einen Verschollenen, der für die Verwaltung seines Vermögens in der 201 202 2o3
204 2os
Locre, Bd. 4, S. 50; Favard, Bd. 1, S. 317 f. Locre, Bd. 4, S. 50; Favard, Bd. 1, S. 317 f. Locre, Bd. 4, S. 63; Favard, Bd. 1, S. 317. Gönner, Bd. 2, S. 183, unterläuft das gleiche Mißverständnis. Locre, Bd. 4, S. 63; Favard, Bd. 1, S. 317.
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Zeit seiner Abwesenheit gesorgt hat, schon nicht begünstigen, so muß man den Erben die Einkünfte des Verschollenen ohne Unterschied nach der gleichen Frist überlassen. Glaubt man dagegen, die Umsicht eines Verschollenen verdiene eine gewisse Bevorzugung, so darf man ihn seiner Einkünfte nicht deshalb berauben, weil ein Zufall seine Bevollmächtigung zunichte gemacht hat, und deshalb seine Vorkehrungen vereitelt worden sind. Es wäre ungerecht, wenn man ihn nicht besser behandelte als den sorglosen Verschollenen, und nicht während der zehn Jahre seine Einkünfte in ein Kapital verwandelte, daß er bei seiner Rückkehr vorfindet. 206" Der Staatsrat schloß sich diesen Ausführungen an. Der Entwurf enthielt in der Tat eine unlogische Konstruktion. Wenn die Präsumtiverben eines vorsorglichen Verschollenen erst nach zehn Jahren die Inbesitznahme beantragen dürfen sollten, und die eines Verschollenen ohne Vermögensverwaltung bereits nach fünf Jahren dieses Verfahren betreiben könnten, so war die rechtliche Behandlung des Verschollenen, dessen eingerichtete Verwaltung nach fünf Jahren endigte, insoweit ungerecht, als sie ihn nicht anders stellte als den unvorsorglichen Verschollenen. Gerade aber die Einsetzung eines Verwalters mußte den Willen des Verschollenen dokumentieren, sich für einen längeren Zeitraum von zu Hause zu entfernen. Wenn der Betreffende nun nicht sogleich zurückkehrte, so konnte darin noch kein Grund dafür angenommen werden, daß er verstorben sei oder nicht heimkehren wolle. Erlischt eine Verwaltung vorzeitig, so fordert die Gerechtigkeit, den Verschollenen so zu behandeln wie einen Abwesenden, dessen Vermögensversorgung Bestand hat. Eine Gleichstellung mit dem rechtlichen Schicksal eines Verschollenen ohne jegliche Verwaltung ist dagegen nicht angemessen. Dies hat Bonaparte, dem es auch hier wieder um Gerechtigkeit ging, aufgezeigt und damit bewirkt, daß das Gesetz in seinen Art. 121 und 122 die Gleichbehandlung der rechtlichen Stellung eines Verschollenen, dessen Verwaltung vorzeitig endet, mit der eines solchen, dessen Prokura wie vorgesehen abgewickelt wird, statuiert. Entsprechend legen die Art. 121 und 122 Code civil fest, daß die Präsumtiverben eines Verschollenen, der eine Vollmacht hinterlassen hat, erst nach zehn Jahren den provisorischen Besitz verlangen dürfen, auch wenn die Verwaltung früher endet: Art. 121 Code civil: Si I' absent a laisse une procuration, ses heritiers presomptifs ne pourront poursuivre Ia declaration d' absence et I' envoi en possession provisoire, qu' apres dix annees revolues depuis sa disparition ou depuis ses dernieres nouvelles.
[Hat der Verschollene einen Verwalter eingesetzt, können die Präsumtiverben die Verschollenheitserklärung und die Einweisung in den vorläufigen Besitz erst nach Ablauf von zehn Jahren seit dem Verschwinden oder dem letzten Lebenszeichen betreiben.]
206
Locre, Bd. 4, S. 64 f.; Favard, Bd. 1, S. 318 f.
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
110
Art. 122 Code civil: II en sera de meme si Ia procuration vient a cesser; et, dans ce cas, il sera pourvu a l' administrationdes biens de l' absent, comme il est dit au
chapitre /." du present titre.
[Im Falle des Erlöschens der Verwaltung verhält es sich ebenso. Das Vermögen des Verschollenen soll dann nach Maßgabe des ersten Kapitels des vorliegenden Titels verwaltet werden.]
g) Art. 13 des 2. Entwurfs
Bei der Regelung über die Beantragung der Besitzzuweisung waren in Art. 13 des Entwurfs lediglich die gesetzlichen Erben und die Ehefrau des Verschollenen berücksichtigt worden. Die rechtliche Stellung der Vermächtnisnehmer 207 war nicht geregelt worden: Art. 13 des Entwurfs: Lorsque les heritiers presomptifs auront obtenu l' envoi en possession provisoire, I' epoux de l' absent pourra demander Ia dissolution provisoire de Ia communaute, et exercer egalement, atitre de provision, tous /es droits resultant de son cantrat de mariage a Ia charge de donner caution. 2os [Haben die Präsumtiverben die provisorische Besitzeinweisung erlangt, kann der Ehegatte des Verschollenen die provisorische Autbebung der Gütergemeinschaft verlangen und gleichfalls vorbeugend gegen Sicherheitsleistung alle sich aus dem Ehevertrag ergebenden Rechte ausüben.] Bonaparte empfand diese Regelung als lückenhaft. Seine Kritik lautete folgendermaßen: "Hat der Verschollene ein Testament hinterlassen, kann es vorkommen, daß die, welche man als gesetzliche Erben betracht, von der Erbfolge ausgeschlossen werden ... Man muß umgehend eine Regelung treffen, die nachher nicht mehr durch eine Testamentseröffnung umgestoßen werden kann." 209 Entsprechend wurde ein Art. 11 entworfen 210 , der als Art. 123 Code civil die Vermächtnisnehmer bei der Besitzzuweisung berücksichtigt: Art. 123 Code civil: Lorsque /es heritiers presomptifs auront obtenu l' envoi en possession provisoire, le testament, s'il en existe un, sera ouvert a Ia requisition des parties interessees, ou du commissaire du Gouvernement pres le tribunal; et /es legataires, /es donataires, ainsi que tous ceux qui avaient sur /es biens de l' absent, des droits subordonnes a Ia condition de son deces, pourront /es exercer provisoirement, a Ia charge de donner caution. [Haben die Präsumtiverben die vorläufige Besitzeinweisung erlangt, soll auf Antrag der Beteiligten oder des Regierungskommissars bei Gericht das Testament, sofern eines vorhanden ist, eröffnet werden. Die Vermächtnisnehmer, die Schenkungsnehmer sowie alle, die auf die Güter des Verschollenen einen durch dessen Tod beding201
2os 209
210
Art. 1003 ff. Code civil. Locre, Bd. 4, S. 50. Locre, Bd. 4, S. 74. 3. Entwurf, Locre, Bd. 4, S. 82.
II. Erstes Buch, vierter Titel des Code civil
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ten Anspruch haben, sollen unter der Bedingung zur provisorischen Ausübung ihrer Rechte zugelassen werden, daß sie Sicherheit leisten.]
h) Das rechtliche Schicksal der Ehefrau eines Verschollenen
Der Entwurf schützte nach Ansicht des Ersten Konsuls nur unzureichend die Interessen der Ehefrau eines Verschollenen. Bonaparte wies auf die Notwendigkeit hin, eine gesetzliche Stellungnatune vorzusehen, die verhindem sollte, daß die Ehefrau durch die vorläufige Inbesitznahme ausgeschlossen werde. 211 Es genüge dabei nicht, daß die Frau nur provisorisch die Rechte und Vorteile erhalte, die ihr der Tod des Mannes sowieso gebracht hätte. 2 12 "Man muß auch dafür sorgen, daß sie nicht aus ihrem vertrauten Umfeld zugunsten der Kollateralerben herausgerissen wird. Sie kann nicht gleichzeitig verheiratet und nicht verheiratet sein. Und es darf nicht in der Macht der Erben des Mannes stehen, ihr Namen und Stand zu nehmen, wenn sie beides behalten will." 213 Das Schicksal der Frau sei zu hart, wenn die Verschollenheil ihres Mannes zum Verlust der Vorteile, die ihr aus der Gemeinschaft erwüchsen, führe. Es sei absurd, die Erben des Verschollenen auf Kosten der Ehefrau zu begünstigen, wo die Möglichkeit bestehe, daß nach dem nicht eröffneten Testament das gesamte Erbe der Frau zugefallen wäre. 214 Cambaceres ließ daraufhin einen Entwurf erstellen 215 , der Eingang in die Gesetzgebung fand, jedoch die Vorschläge des Ersten Konsuls nur teilweise aufnehmen sollte. So betrifft Art. 124 Code civi/Jediglich die in Gütergemeinschaft lebende Ehefrau. Sie soll die Wahl haben zwischen der Fortsetzung und der Auflösung der Gemeinschaft. Entscheidet sie sich für die Fortsetzung, soll sie die provisorische Einweisung der Präsumtiverben in alle durch den Tod des Verschollenen bedingten Rechte verhindem und die Verwaltung selbst übernehmen beziehungsweise fortsetzen können 216: Art. 124 Code civil: L'epoux commun en biens, s'il opte pour Ia continuation de
Ia communaute, pourra ernpieher I' envoi provisoire, et I' exercice provisoire de tous /es droits subordonnes a Ia condition du deces de I' absent, et prendre ou conserver par preference I' administration des biens de I' absent. Si /' epoux demande Ia dissolution provisoire de Ia communaute, il exercera ses reprises et tous ses droits /egaux et conventionnels, a Ia charge de donner caution pour /es choses susceptibles de restitution. Lafemme, en optant pour Ia continuation de Ia communaute, conservera le droit d'y renoncer ensuite.
211 212 213 214 215 216
Locre, Bd. 4, s. 71. Locre, Bd. 4, S. 71. Locre, Bd. 4, S. 71. Locre, Bd. 4, S. 72. Locre, Bd. 4, S. 75. Der aktuelle Art. 124 Code civil hat den 2. Absatz nicht mehr.
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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[Wünscht der in Gütergemeinschaft mit dem Verschollenen lebende Ehegatte die Fortsetzung der Gemeinschaft, so ist er befugt, die vorläufige Einweisung und die vorläufige Ausübung aller durch den Tod des Verschollenen bedingten Rechte zu verhindem und selbst die Verwaltung des Vermögens des Verschollenen zu übernehmen oder fortzuführen. Verlangt der Ehegatte die vorläufige Aufhebung der Gütergemeinschaft, so kann er seine Befugnisse hinsichtlich der Zurücknahme seines Eigentums und alle seine gesetzlichen und vertraglichen Rechte unter der Bedingung ausüben, daß er Sicherheit für die Sachen leistet, die Gegenstand einer Rückerstattung sein könnten. Entscheidet sich die Ehefrau für die Fortsetzung der Gütergemeinschaft, so behält sie das Recht, später davon Abstand zu nehmen.] Die weitergehende Vorstellung Bonapartes blieb unberücksichtigt. Möglicherweise ist diese Regelungslücke auf die Unsicherheit zurückzuführen, die im Staatsrat aufgrund des Umstandes herrschte, daß eine Behandlung des Erbrechts noch nicht in Angriff genommen worden war. 217
5. Fünfter Titel: "Von der Ehe" a) Erstes Kapitel: "Von den zur Eheschließung erforderlichen Eigenschaften und Voraussetzungen" Der Anteil Bonapartes an den Debatten zum fünften Titel des ersten Buches des Code civil war beträchtlich. Hier hat er den meisten Einfluß zu nehmen versucht. Für ihn war dieses Thema von herausragender Bedeutung, da er die Ehe als die maßgebliche Grundlage der Familie und der Gesellschaft empfand. Die Redakteure des Entwurfs hatten die ehemals durch ein religiöses Versprechen geprägte Eheschließung zu einem rein bürgerlichrechtlichen Vertrag gemacht. 218 Sie waren damit der Tradition der Revolutionsgesetzgebung treu geblieben. 219
aa) Die Heiratsfähigkeit Bei der Frage der Heiratsfähigkeit hatte sich das alte Recht streng an das Römische Recht gehalten. Danach hing die Heiratsfahigkeit von der pubertas ab, die bei Männern mit Vollendung des 14. Lebensjahres 220 und bei Frauen mit Vollendung des 12. Lebensjahres angenommen wurde. 221 Das Gesetz vom Wie hier Perouse, S. 90. 218 Locre, Bd. 4, S. 265. 219 So die Verfassung vom 3. September 1791 und das Dekret vom 20. September 1792, Ourliac I Malafosse, Bd. 3, S. 211. 220 c. 4, 8, 6, 3. 221 Iustinian hatte beide Regelungen endgültig festgelegt: C. 5, 60, 3; lnst. 1, 22; D. 28, 1, 5. 211
II. Erstes Buch, fünfter Titel des Code civil
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20. September 1792 hatte allerdings die Altersgrenzen für Frauen auf 13 Jahre und fürMännerauf 15 Jahre festgelegt. Entsprechend war der Entwurf [im 2. Kapitel des Entwurfs zum Ehe-Titel] abgefaßt worden: Art. 2 des Entwurfs: L' homme ne peut se marier avant I' age de quinze ans revolus, et Ia femme avant celui de treize ans aussi revolus. 221 •
[Männer dürfen vor vollendetem 15. Lebensjahr und Frauen vor vollendetem 13. Lebensjahr keine Ehe schließen.] Diese Analogie zum Römischen Recht war jedoch in der Folgezeit im Hinblick auf die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen als bedenklich kritisiert worden. 222 Real schlug in der Sitzung vom 26. Fructidor IX [ 13. September 1801] vor, im Einklang mit der Natur und der Vernunft die Heiratsfahigkeit für Männer auf 18 Jahre und für Frauen auf 15 Jahre heraufzusetzen. Er gab zu bedenken, daß eine frühe körperliche Reife nur bei den Menschen in den mediterranen Ländern wie dem klassischen Rom anzutreffen sei. Auf Frankreich, insbesondere die nördlichen Provinzen mit ihren kalten und gemäßigten Klimazonen, passe dies hingegen nicht. 223 Re als Vorschlag entsprach auch den Voten der Gerichte von Paris, Bourgues und Lyon. Maleville unterstützte diesen Antrag unter anderem mit dem Hinweis, daß das Preußische Allgemeine Landrecht, das für klimatisch vergleichbare Gebiete gelte, die Altersgrenzen bei Männern auf 18 Jahre und bei Frauen auf 14 Jahre festgelegt hatte. 224 Die Intervention Berliers ging dahin, alles beim alten zu belassen. Die elterliche Einwilligung, so trug er vor, sei bei allen Minderjährigen erforderlich. Daher könnten die Eltern schon dafür sorgen, daß es nicht zum Mißbrauch komme. 225 Der Erste Konsul erhob Einwände gegen die vorgesehene Regelung. Er meinte, es sei nicht wünschenswert, daß man mit 13 oder 15 Jahren heiraten könne. 226 Dann dürfe dem auch nicht durch allgemeine Regeln Vorschub geleistet werden. Die vorgeschlage Altersgrenze empfand er als viel zu niedrig und sagte: ,,Es ist besser, eine Regelung zu treffen, die im Einklang mit dem Interesse der Allgemeinheit steht. 227 Sonst bekommen wir kein gesundes Volk. 228" Ausoahmen zugunsten des Individualinteresses sollten nur in von der Regierung zu beurteilenden Fällen genehmigt werden. 229 Bonaparte empfand es als vom physischen Standpunkt aus bedenklich, Mädchen im zarten Alter von 13 Jahren zu verheiraten: "Denn was kann mit einem Mädchen passieren, das neun Monate Schwanger221 • 222 223 224
22s 226 227 22s 229
Favard, Bd. 2, S. 3. Locre, Bd. 4, S. 316. Locre, Bd. 4, S. 316. Locre, Bd. 4, S. 317. Vgl. ALR li. Teil, 1. Titel,§ 37. Locre, Bd. 4, S. 317 f. Locre, Bd. 4, S. 318; Thibaudeau, Consulat, S. 429. Locre, Bd. 4, S. 318; Thibaudeau, Consulat, S. 429. Thibaudeau, Consulat, S. 429. Locre, Bd. 4, S. 318.
8 Theewen
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
schaft erdulden muß. Man denke an die Juden. In Jerusalem ist ein Mädchen mit zehn Jahren heiratsfähig, mit 16 Jahren alt und mit 20 unberührbar."23o Der Erste Konsul empfand es als inkonsequent, daß es Minderjährigen, die aufgrund ihrer Geschäftsunfähigkeit keine Verträge schließen konnten, erlaubt sein sollte, eine Ehe zu schließen. Er hielt seinem Staatsrat die Frage vor, ob man .,Kindern mit 15 Jahren etwa erlauben solle, den feierlichsten aller Verträge zu schließen?"231 In einem Rechtssystem, gab er zu bedenken, das die Scheidung vorsehe, könne man nicht erwarten, daß die Ehen, die von Kindern geschlossen würden, von Dauer seien. 232 Hinsichtlich der von Bonaparte vorgeschlagenen Altersgrenzen widersprechen sich Locre, der in seinen offiziellen Protokollen 21 Jahre für Männerund 15 Jahre für Frauen angibt 233 , und Thibaudeau, in dessen Mitschriften von 20 bzw. 18 Jahren die Rede ist 234. Nur die Angaben Thibaudeaus sind aber mit den Ausführungen des Ersten Konsuls in Einklang zu bringen. Dagegen stehen die 15 Jahre für Mädchen, die Locre angibt, im Widerspruch zu der von diesem ebenfalls mitgeteilten Ansicht Bonapartes, es sei nicht wünschenswert, daß man mit 13 oder 15 Jahren heiraten dürfe. Durch seine Einwände brachte Bonaparte den Entwurf zu Fall. 235 Mit seinem eigenen Vorschlag kam er jedoch nicht durch. Der Staatsrat folgte der Anregung Reals und setzte die Altersgrenze fürMännerauf 18 Jahre und für Frauen auf 15 Jahre fest. 236 Diese Bestimmung gilt noch heute: Art. 144 Code civil: L' homme avant dix-huit ans revolus, Ia femme avant quinze ans revolus, ne peuvent contracter mariage. [Männerdürfen vorvollendetem 18. Lebensjahr, Frauen vorvollendetem 15. Lebensjahr keine Ehe schließen.]
Dagegen sollte Bonapartes Vorschlag, Ausnahmen in bestimmten Fällen zuzulassen, die von der Regierung auszusprechen seien 237, Gegenstand eines besonderen Artikels werden: Art. 145 Code civil: Le gouvernement pourra neanmoins, pour des motifs graves, accorder des dispenses d' age.
[Die Regierung kann indessen aus wichtigen Gründen Ausnahmen hinsichtlich des Alters zulassen.]
230 Thibaudeau, Consulat, S. 429. Hier schöpfte Bonaparte wieder aus seinen im Ägyptenfeldzug gemachten Erfahrungen. 231 Thibaudeau, Consulat, S. 429; vgl. Locre, Bd. 4, S. 318. 232 Locre, Bd. 4, S. 318. 233 Locre, Bd. 4, S. 319. 234 Thibaudeau, Consulat, S. 429. 235 Anlaß für seine Intervention war möglicherweise auch das Schicksal seiner Frau Josephine. Sie war in erster Ehe im Alter von 14 Jahren verheiratet worden, Eugene, Bd. 1, S. 28. 236 Locre, Bd. 4, s. 319 237 Locre, Bd. 4, S. 318.
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bb) Art. 3, 2. Kapitel des Entwurfs Mit der Ablehnung einer Teilregelung des Art. 3 des 2. Kapitels des EheTitels 238 des Entwurfs setzte Bonaparte sich durch. Darin hatten die Redakteure unter anderem vorgesehen, die von Geburt an Taubstummen von der Heirat auszuschließen, sofern nicht feststehe, daß sie in der Lage seien, ihren Willen auszudrücken: Art. 3 des Entwurfs: Sont incapables de contracter mariage, 1o. L' interdit pour cause de demence ou de fureur; 2°. Les sourds-muets de naissance, a moins qu'il ne soit constate qu'ils sont capables de manifester leur volonte; 30. 239
[Unfahig, eine Ehe zu schließen, sind: 1. wegen Wahnsinns oder Tobsucht Entmündigte, 2. von Geburt an Taubstumme, sofern nicht feststeht, daß sie in der Lage sind, ihren Willen kundzutun, 3. ... ] Diese Regelung akzeptierte der Erste Konsul nicht. Die Ehe sei ein Vertrag, wandte er in der Sitzung vom 26. Fructidor IX [13. September 1801] ein, und jeder Vertrag komme durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Wer nun seinen Willen nicht erklären könne, könne folglich nicht heiraten. Der Taubstumme aber, der mit Vater und Mutter zusammenlebe, kenne das soziale Gefüge der Ehe. Er sei stets in der Lage, seinen Willen, so zu leben wie die Eltern, kundzutun. Warum also solle man sein Unglück noch verschlimmern, indem man ihm zu seiner Behinderung noch eine weitere Beschränkung hinzufüge? 240 Die Initiative Bonapartes zugunsten der Taubstummen ist auf ein Erlebnis zurückzuführen, das er ein dreiviertel Jahr zuvor gehabt hatte. Damals, am 16. Nivase IX [6. Januar 1801], zwei Wochen nach dem fehlgeschlagenen Attentat vom 3. Nivose IX [24. Dezember 1800] in der Rue Saint-Niqaise, waren den drei Konsuln mehrere Abordnungen sozialer Einrichtungen vorgestellt worden. Die Vertreter der Schüler der Taubstummenschule hatten dem Ersten Konsul ihre Freude darüber bekundet, daß er das Attentat unbeschadet überstanden hatte. Dabei hatten die Taubstummen sich ihrer Zeichensprache bedient. 241 Diese Begegnung hat ihn in den Stand gesetzt, aus eigener Anschauung beurtei· len zu können, daß Taubstumme sehr wohl in der Lage sind, ihren Willen kundzutun. Aufgrund der ablehnenden Haltung Bonapartes wurde der Entwurf 238
Wurde durch Streichung des 2. Kapitels zum 1. Kapitel des Titels, Locre, Bd. 4,
s. 312. 239 240 241
s•
Locre, Bd. 4, S. 312. Locre, Bd. 4, S. 319. Schuermans, S. 113, Fußn. 1.
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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gestrichen. 242 Der Code civil statuiert darum lediglich allgemein, daß eine Ehe nur bei übereinstimmenden Willenserklärungen zustande kommt: Art. 146 Code civil: ll n'y a pas de mariage Lorsqu'il n'y point de consentement.
[Ohne gegenseitige Einwilligung gibt es keine Ehe.] Bonapartes Anregung, in einem besonderen Artikel eine Regelung darüber zu treffen, wie die von Geburt an Taubstummen ihre Einwilligung auszudrücken hätten, wurde zwar vom Staatsrat angenommen. 243 Mit der Vertagung und Verweisung in das Kapitel "Von den die Eheschließung betreffenden Förmlichkeiten" geriet der Vorschlag aber in Vergessenheit. Eine förmliche Regelung erfolgte dann nicht mehr. b) Zweites Kapitel: "Von den die Eheschließung betreffenden Förmlichkeiten" aa) Art. 2, 2. Kapitel des Entwurfs
Im Rahmen des 2. Kapitels des 5. Titels wurde im Staatsrat der Entwurf eines Artikels diskutiert, der später in das 3. Kapitel des 2. Titels "Von den Heiratsurkunden" zurückverwiesen werden sollte 244 • Er hatte folgenden Wortlaut: Art. 2 des Entwurfs: ll sera cetebre dans La commune ou l' un des deux epoux aura son domicile. Ce domicile, quant au mariage, s' etablira par six mois d' habitation continue dans La meme commune. 245
[Sie soll in der Gemeinde geschlossen werden, in der einer der Ehegatten seinen Wohnsitz hat. Für die Eheschließung bestimmt sich der Wohnsitz nach dem ununterbrochenen Aufenthalt von sechs Monaten in derselben Gemeinde.] Sinn dieser Vorschrift, insbesondere der Sechsmonatsfrist, war, heimliche Eheschließungen zu verhindern. Durch die Frist sollte Betroffenen und Eltern die Gelegenheit eröffnet werden, gegen die Heirat Einwände vorbringen zu können. 246 Nachdem in der Sitzung vom 14. Fructidor IX [1. September 1801] der die Aufgebote betreffende Entwurf verabschiedet worden war 247 , meinte der Erste Konsul in der Sitzung vom 4. Vendemiaire X [26. September 1801], eine heimliche Eheschließung könne besser dadurch verhindert werden, daß man eine Frist von einem Monat zwischen dem Aufgebot am Wohnort und der Eheschließung festlege. Die Notwendigkeit dieser Frist versuchte er durch folgendes Bei242 243 244 245 246 247
Locre, Bd. 4, S. 322 f. Locre, Bd. 4, S. 322 f.; Favard, Bd. 2, S. 10; Maleville, Bd. 1, S. 164. Locre, Bd. 4, S. 344. Locre, Bd. 4, S. 340. Tronchet zit. Locre, Bd. 4, S. 342 f . Siehe oben Art. 63 Code civil, S. 91.
II. Erstes Buch, fünfter Titel des Code civil
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spiel anschaulich zu machen: "Es ist nämlich durchaus möglich, daß ein junger Mann mit Wohnsitz in Lyon eine Liebschaft in Paris anfängt. Nachdem er dort sechs Monate gelebt hat, schickt er das Aufgebot der von ihm beabsichtigten Eheschließung zu einem so geschickt gewählten Zeitpunkt ab, daß ein Widerspruch nicht mehr rechtzeitig in Paris eintreffen kann." 248 Er meinte, mit der Frist zwischen Aufgebot und Eheschließung Manipulationen vorbeugen und damit die Interessen der Familie schützen zu können. Der Staatsrat schloß sich dieser Ansicht nicht an und verwies den Art. 2 des Entwurfs zurück in das 3. Kapitel des 2. Titels, wo er unverändert 249 als Art. 74 Code civil aufgenommen wurde. Auch diese Intervention zeigt, daß Bonaparte in den Sitzungen die zur Debatte stehenden Fragen vertiefte und bemüht war, Lösungen zu erarbeiten, die von der Kommission nicht gesehen worden waren. bb) Art. 5, 2 . Kapitel des Entwurfs
Dieser Artikel hatte der Regierung und den von Ihr Beauftragten die Kompetenz eingeräumt, in Härtefällen vom Erfordernis der Aufgebote entbinden zu können: Art. 5 des Entwurfs: Le gouvernement, ou ceux qu' il preposera acet effet, pourront, pour des causes graves, dispenser desdites publications 250
[Die Regierung oder die von ihr zu diesem Zwecke Beauftragten können aus wichtigen Gründen von den Aufgeboten entbinden.] Der ehemals mögliche Verzicht auf das Aufgebot war seit zehn Jahren abgeschafft. Berlier bekämpfte den Entwurf in der Sitzung vom 4. Vendemiaire X [26. September 1801], weil er einerseits heimlichen Eheschließungen Vorschub leiste, andererseits aber auch für den Artikel kein wirkliches Bedürfnis bestehe, da es offenbar keine Beschwerden gegen die seinerzeitige Abschaffung des Erlasses gegeben habe. 251 Bonaparte sprach für den Entwurf mit folgenden Worten: "Es kann nicht der Wille des Gesetzgebers sein, daß die Frauen Opfer von bloßen Förmlichkeiten werden, daß sie die Gelegenheit einer günstigen Eheschließung versäumen, nur weil die Zeit für die Erfüllung der Formalitäten fehlt." 252 Es sei nun einmal allzu menschlich, sagte der Erste Konsul, daß man die Angelegenheiten immer erst im letzten Augenblick angehe. Man müsse dies berücksichtigen und regeln, daß vom zweiten Aufgebot immer dann abgesehen werden könne, wenn man es für notwendig erachte. 253 248 249 25o 251 252 253
Locre, Bd. 4, s. 343. Lediglich das ll wurde durch Le mariage ersetzt. Locre, Bd. 4, S. 340. Locre, Bd. 4, S. 344 f. Locre, Bd. 4, s. 347. Locre, Bd. 4, s. 347.
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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Da man die Kompetenz nicht auf die Regierung allein beschränken wollte, andererseits aber auch die Notwendigkeit des Aufgebotes erkannte, beschloß der Staatsrat, Regierung und Beauftragten die Möglichkeit einzuräumen, von dem Erfordernis des zweiten Aufgebotes zu entbinden. 254 Der vom Ersten Konsul in Erwägung gezogene Erlaß beider Aufgebote aufgrund noch festzulegender Gründe fand dagegen keine Anhänger. Die Regelung im Code civil lautete 255 : Art. 169 Code civil: Le gouvernement, ou ceux qu' il preposera a cet effet, pourront, pour des causes graves, dispenser de Ia seconde publication.
[Die Regierung oder die von ihr zu diesem Zweck Beauftragten können aus wichtigen Gründen vom zweiten Aufgebot entbinden.]
c) Viertes Kapitel: "Von den Klagen auf Ungültigkeit der Ehe"
aa) Art. 4, 2 . Kapitel des Entwurfs
Dieser Entwurf zum späteren Art. 146 Code civil hatte folgende Fassung: Art. 4 des Entwurfs: Le mariage n' est pas valable, si les deux epoux n'y ont pas donne un consentement libre. II n'y a point de consentement, } 0 • S' j{ Y a eU ViOience; 2°. S' il y a eu erreur dans Ia personne que I' une des parlies avait eu intention d'epouser; 3°. S' il y a eu rapt, a moins que le consentement n' ait ite donne par Ia personne ravie, apres qu' elle a eu recouvre sa pleine liberte. 256
[Die Ehe ist ungültig, wenn die Eheleute keine freie Einwilligung gegeben haben. Keine Einwilligung liegt vor, 1. bei Gewaltanwendung; 2. wenn eine der Parteien sich in der Person, die zu heiraten sie beabsichtigt hatte, geirrt hat; 3. bei Entführung, sofern die Einwilligung der entführten Person nicht erst nach Wiedererlangung ihrer vollkommenen Freiheit erfolgte.] Der Erste Konsul bekämpfte die Bestrebungen, diesen Artikel in das Kapitel über die Ungültigkeit der Ehe aufzunehmen: "Das würde nämlich bedeuten, daß man die Fälle, in denen es keine Ehe gibt, mit denen vermengt, wo eine Ehe aufgehoben werden kann." 257 Weiter sagte er in der Sitzung vom 26. Fructidor IX [13. September 1801]: "Ohne freie Willenserklärung gibt es keine Ehe. Ein solcher Fall ist die Willenserklärung eines Menschen, der von der Familie mit 254 255 256 257
Locre, Bd. 4, Der moderne Locre, Bd. 4, Locre, Bd. 4,
S. 348 f. Code civil kennt überhaupt nur noch ein Aufgebot. S. 312 f.; Favard, Bd. 2, S. 7. S. 327; Favard, Bd. 2, S. 14.
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Gewalt genötigt wird. 258 Es liegt keine Willenserklärung vor bei Gewalt, Verführung 259 oder Irrtum. 260" In der folgenden Debatte über die Ungültigkeit der Ehe, am 24. Primaire X [15. Dezember 1801], wurde ein Entwurf vorgelegt, der als Art. 2 des 1. Kapitels "Von den zur Eheschließung erforderlichen Eigenschaften und Voraussetzungen" den Bedenken Bonapartes Rechnung trug: Art. 2 des Entwurfs: II n'y a pas de mariage, lorsqu' il n'y a point de consentement. II n' y a pas de consentement lorsqu' il y a violence, ou erreur sur la personne. 261
[Ohne Einwilligung gibt es keine Ehe. Es liegt keine Einwilligung vor bei Gewalt oder Irrtum über die Person.] Als Real diesen Entwurf vortrug, sah er sich vom Ersten Konsul unterbrochen, der nunmehr, wie Thibaudeau schildert 262 , die gegenteilige Auffassung vertrat: ,,Natürlich liegt dann eine Einwilligung vor ... Nur ist sie nicht frei geäußert worden." 263 Worauf Real verwirrt meinte, er habe doch nur versucht, die Vorstellungen des Ersten Konsuls wiederzugeben. 264 Bonaparte fuhr folgendermaßen fort: "Wir hatten unterschieden zwischen dem Fall, wo der Standesbeamte eine Einwilligung angenommen hat, obwohl keine, auch keine zwangsweise, stattgefunden hat, und dem Fall, wo eine Einwilligung unter Zwang erfolgt ist. Im ersten Fall besteht keine Ehe, im zweiten Fall dagegen schon, nur kann sie für ungültig erklärt werden. Wir hatten auch unterschieden zwischen dem Irrtum über die Identität und dem Irrtum über die bürgerlichen Eigenschaften eines Menschen und dabei gesagt, daß keine Ehe vorliege, wenn eine andere Person den Platz für diejenige einnimmt, die man heiraten wollte. Dagegen besteht eine Ehe, die allerdings wieder gelöst werden kann, wenn zwar physische Identität vorliegt, die Person aber nicht der Familie angehört, deren Namen sie sich beigelegt hat. Art. 2 ... des neuen Entwurfs entspricht aber nicht dieser Entscheidung des Staatsrates ... Der Art. 2 sagt, daß es keine ... Ehe gegeben habe, wenn keine Einwilligung vorgelegen hatte. Sodann wirft er alle Fälle durcheinander und regelt, daß keine Einwilligung vorgelegen habe, infolgedessen es auch 258
2s9
Locre, Bd. 4, S. 325; Favard, Bd. 2, S. 12. Seduction.
Locre, Bd. 4, S. 326; Favard, Bd. 2, S. 13. 261 Locre, Bd. 4, S. 426. 262 Thibaudeau, Consulat, S. 430 f. 263 Thibaudeau, Consulat, S. 430 f. 264 Thibaudeau, Consulat, S. 430 f. Daß Bonaparte im Kreise dieser Männer die unbestrittene Vorrangstellung und Autorität innehatte, belegt auch das Zeugnis Andignes, Bd. 1, S. 423, der folgende Szene vom 6. Nivose VIII [27. Dezember 1799] [Datum nach Hyde de Neuville, Bd. 1, S. 269] aus einem Gespräch mit dem Ersten Konsul wiedergibt: "Wenig später öffneten sich die Flügel erneut, und ich hörte die Ankündigung ,Der zweite Konsul der Republik!'. Bonaparte sagte wieder ,Soll warten!', und dann jedoch ,Nein, nein, soll eintreten!'. Cambaceres durcheilte darautbin das Kabinett, ohne die Augen aufzuschlagen, den Blick stur geradeaus, in einer Hast, daß seine Perücke wie Espenlaub zitterte." 260
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in den Fällen des Intums oder der Gewalt keine Ehe gebe. 265 Der Begriff Gewalt besagt, daß etwas zwar gewaltsam, aber immerhin doch getan wurde. Dies besteht so lange, bis es aufgehoben wird. Hat keine Einwilligung stattgefunden, existiert die Ehe nicht einmal scheinbar. Eine junge Frau erscheint vor dem Standesbeamten ... Sie protestiert. Sie widerruft öffentlich die falsche Erklärung ... Hier liegt offensichtlich keine Eheschließung vor. Willigt sie hingegen, durch Drohungen verängstigt, in die Heirat ein, so besteht die Ehe so lange fort, bis die Gerichte festgestellt haben werden, daß die Einwilligung unter Zwang gegeben wurde. 266" Diese Ausführungen zeigen, daß der Erste Konsul ein besonderes Gespür für rechtstechnische Feinheiten hatte. Bonaparte stellte hier die Notwendigkeit differenzierter gesetzlicher Regelungen unter Beweis. Diese Erkenntnis hat er nach eigenem Bekunden selbst sehr schnell treffen müssen, nachdem er zunächst davon ausgegangen war, daß man ein besseres Ergebnis mit allgemeinen Regelungen erzielen könne. 267 Bonapartes Erinnerung ist es zu verdanken, daß der Begriff "Gewalt" nicht lediglich physisch definiert wurde. Tronchet meinte nämlich 268 , eine offene Gewalt vor dem Standesbeamten sei gar nicht denkbar, ohne daß dieser selbst genötigt werde; dann komme aber auch keine Einwilligung und damit überhaupt keine Ehe zustande. 269 Darauf erwiderte Bonaparte: ,,Es gibt auch eine verborgene, moralische Gewalt, die von einer tyrannischen Familie gegenüber einer Braut von zartem Alter angewandt wird. Es kann geschehen, daß eine genötigte Person offensichtlich eine Einwilligung vor dem Standesbeamten abgibt. So wie keine wirkliche Einwilligung vorliegt, existiert dann auch die Ehe nur scheinbar." 270 Er wollte sogar einen anderen Begriff als den der Gewalt verwandt wissen, da dieser zu einseitig, nämlich lediglich physisch aufgefaßt werde. 271 Mit Ausnahme einer Abänderung des Begriffs Violence schloß sich der Staatsrat den Ausführungen Bonapartes an und ließ sie in·die Fassung des Entwurfs zum späteren Art. 180 Code civil einfließen. 272 Der Code civil regelt folglich, daß eine Ehe, die aufgrund zumindest einer unfreien Einwilligung geschlossen wurde, angefochten werden kann:
Locre, Bd. 4, s. 437 f. Locre, Bd. 4, S. 438. 267 Las Cases, Bd. 6, S. 394. 268 Sitzung vom 4. Vendemiaire X [26. September 1801]. 269 Locre, Bd. 4, S. 361; Favard, Bd. 2, S. 64. 210 Locre, Bd. 4, S. 361; Favard, Bd. 2, S. 64. 211 Locre, Bd. 4, S. 361; Favard, Bd. 2, S. 64. 272 Jac, S. 32 Fußn. 2, zitiert Perouse mißverständlich, wenn er im Rahmen der Diskussion über die Einwilligung durch Zwang sagt, Bonaparte sei mit beiden gegenteiligen Ansichten gescheitert. 265
266
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Art. 180 Code civil: Le mariage qui a ete contracte sans le consentement libre des deux epoux, ou de I' un d' eux, ne peut etre attaque que par /es epoux, ou par celui des deux dont le consentement n' a pas ete libre.
Lorsqu' il y a eu erreur dans Ia personne, le mariage ne peut etre attaque que par celui des deux epoux qui a ere induit en erreur. [Eine Ehe, die ohne freie Einwilligung beider Ehegatten oder eines von ihnen geschlossen worden ist, kann nur von den Ehegatten oder von dem Gatten, dessen Einwilligung nicht frei war, angefochten werden.
Hat ein Irrtum in der Person stattgefunden, so kann nur der Ehegatte die Ehe anfechten, welcher zu dem Irrtum verleitet wurde.] bb) Eigenschaftsirrtum und Irrtum über die Identität bei der Eheschließung
Bei der Frage, in welchen Fällen ein Irrtum die Gültigkeit der Eheschließung in Frage stellen könne, konnte auf die damalige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Danach ließen Irrtümer über Eigenschaften des Ehegatten, etwa in moralischer oder körperlicher Hinsicht, die Gültigkeit der Ehe unberührt. Lediglich der Irrtum über die Identität führte zur AnfechtbarkeiL 273 Bonaparte war anderer Meinung. In der ersten Debatte, der Sitzung vom 26. Fructidor IX [13. September 1801], hatte er zwar noch geäußert, die Wahl des Ehegatten werde nicht nur durch den Namen bestimmt, sondern auch durch die Eigenschaften, die soziale Stellung und das Vermögen. Ein Irrtum hinsichtlich solcher Umstände müsse folglich dazu führen, daß die Einwilligung hinfällig werde, obwohl kein Irrtum über die Identität vorliege. 274 Diese Ansicht vertrat er jedoch in der Sitzung vom 4. Vendemiaire X [26. September 1801] nicht mehr. Zwischenzeitlich hatte er sich eine neue Meinung gebildet, die er bis zuletzt verfolgte, ohne jedoch eine Veränderung herbeiführen zu können. Irrtümer über Eigenschaften oder Vermögen des Ehegatten waren für ihnjetzt nur noch Nebensächlichkeiten. Erheblich sollte nur noch der Irrrtum über die Identität des Ehegatten sein. 275 Doch wollte auch in diesem Falle Bonaparte gewichtige Einschränkungen machen, da für ihn die Wahrung der Würde der Ehe und der Schutz der Frauen im Vordergrund standen. Dabei dachte er zunächst an den beiderseitigen Irrtum: "Das Gesetz wäre unmoralisch, wenn es eine Ehefrau im Stich ließe, die gleich ihrem Gatten einem Irrtum erlegen ist. 276 Sie können das Mädchen nicht mehr in den Zustand von früher zurückversetzen. Das wäre unmoralisch und würde gegen die Menschenwürde verstoßen. 277 Sie dagegen halten die Ehe für einen Fischzug . . . Man würde ein Drama, das meiner Ansicht widerspricht, 273 274 275 276 277
Maleville, Bd. 1, S. 195 f. Locre, Bd. 4, S. 326; Favard, Bd. 2, S. 13. Locre, Bd. 4, S. 363; Favard, Bd. 2, S. 65. Locre, Bd. 4, S. 441 f. Thibaudeau, Consulat, S. 432; vgl. Locre, Bd. 4, S. 442.
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auspfeifen ... Ihre Vorstellung rührt noch aus der Zeit her, als man sich durch Vermittlung vermählte. Heutzutage heiratet man, nachdem man sich kennengelernt hat ... Sie reden davon wie Geschäftsleute." 278 Der Irrtum könne sich auch auf den Familiennamen, also die Familienidentität beziehen, doch müsse er von dem Ehegatten, auf den er sich bezogen habe, verursacht worden sein, um einen Anfechtungsgrund abgeben zu können. Voraussetzung war demnach auch bei Eigenschaftsirrtümern eine Täuschungshandlung. 279 Der einseitige Irrtum sollte jedenfalls aber auch dann nicht mehr zur Anfechtung berechtigen, wenn die Ehe durch eine harmonische Lebensgemeinschaft bzw. die Geburt von Kindem bestätigt worden war. Der Erste Konsul veranschaulichte seine Auffassung an folgendem Beispiel: "Ich möchte meine Cousine heiraten, die aus Indien zurückkehrt, aber man schiebt mir eine HochstapleTin unter. Aus der Ehe gehen Kinder hervor, und erst jetzt erkenne ich, daß ich nicht meine Cousine geheiratet habe. Die öffentliche Moral verlangt, daß die Ehe gültig ist. Denn es hat ein geistiger und körperlicher Austausch stattgefunden. In der Ehe gibt es wichtigeres als die Vereinigung von Namen und Vermögen. Soll der Gesetzgeber etwa zulassen, daß man sich hauptsächlich nur deswegen heiratet, anstatt wegen der äußeren Erscheinung, der moralischen Eigenschaften und all dessen, was geistige und körperliche Gefühle auslöst? Wenn nunalldiese Eigenschaften das maßgebliche Fundament einer Ehe ausmachen, wäre es anstößig, sie zu annulieren, nur weil die Braut nicht die nebensächlichen Eigenschaften hatte. 280" In der Sitzung vom 24. Primaire X [15. Dezember 1801] unterstrich er seine These nochmals: "Die bürgerlichen Eigenschaften waren ohne Zweifel von großer Bedeutung, als es die Standesunterschiede noch gab. Heute jedoch zählt nur noch der Mensch selbst. Es wäre unmenschlich, eine Ehe zu zerstören, in der jeder der Gatten die Persönlichkeit des Partners zur Genüge kannte. Ein Ehemann hat in die Ehe mit einer Frau eingewilligt, die man ihm vorgestellt hatte. Er hat ihr Liebe und Geborgenheit versprochen. Sechs Monate später soll er sagen dürfen: ,Das ist nicht die, die ich wollte, weil sie einen anderen Namen trägt als den, unter dem ich sie bisher kannte.' 281 Name und bürgerliche Eigenschaften machen einen Menschen nicht aus. 282 Denn was sind neben den natürlichen Eigenschaften die rein bürgerlichen! 283" Der Erste Konsul sah die Ungültigkeit der Ehe nicht als Korrektur, sondern als Bestrafung des Gatten an. 284 Deshalb hat er sich gewehrt, die Tatsache anzuerkennen, daß eine Einwilligung nicht wirksam vorliegt, wenn man sich über wesentliche Eigenschaften, die auf die Identität Auswirkung haben, irrt. Er hat 278
279 280 281
282 283
284
Thibaudeau, Consulat, S. 431 ff. Locre, Bd. 4, S. 364; Favard, Bd. 2, S. 65. Thibaudeau, Consulat, S. 430; vgl. Locre, Bd. 4, S. 363. Locre, Bd. 4, S. 440. Locre, Bd. 4, S. 439. Locre, Bd. 4, S. 440. Jac, S. 42; zu Unrecht, wie Madelin, S. 62, meint.
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entscheidend auf die Täuschung abgestellt. Nur im Falle der Täuschung sei die Willenserklärung fehlerhaft und die Eheschließung nicht wirksam zustande gekommen. Vor dem Hintergrund des Strafcharakters ist auch sein Vorschlag zu verstehen, eine Heilung 285 des durch den Irrtum bedingten Mangels vorzusehen. Diese Heilung sollte selbst in Fällen arglistiger Täuschung möglich sein, und zwar durch ehrbares Verhalten, durch das sich der betreffende Ehegatte rehabilitieren konnte: ,,Eine sittlich-moralische Betrachtungsweise kann die Aufhebung einer Ehe verbieten, die irrtümlich mit einer Hochstaplerio geschlossen wurde, wennn diese durch andauernde gute Führung ihren Gatten glücklich gemacht hat." 286 Mit diesen Argumenten versuchte der Erste Konsul, sich gegen den Staatsrat zu behaupten, insbesondere gegen Cambaceres, Maleville und Tronchet. Man vertrat die traditionelle Rechtsansicht Tronchet entgegnete, es sei allein Sache des Ehemannes, zu entscheiden, ob die Tugenden seiner Gattin für die fehlenden, aber erwarteten Qualitäten entschädigten. 287 Bonaparte, der größten Wert auf den Bestandsschutz der Ehe zugunsten der Ehefrauen und Kinder legte 288 , entwarf folgenden Gesetzeswortlaut: Le mariage sera dec/are nul toutes /es fois, ] 0 • qu'i/ y a erreur sur l'identite de l'individu; 2°. qu' il y a erreur sur Ia famille, et que /' individu en est complice; dans tous ces cas le mariage sera valable s' il est consomme et qu' il en est m! des enfans. 289
[Die Ehe ist für ungültig zu erklären, I. wenn ein Irrtum über die Identität des Partners vorliegt, 2. wenn ein Irrtum über die Familie vorliegt und der Partner dafür verantwortlich ist. In all diesen Fällen soll die Ehe jedoch gültig bleiben, sofern sie vollzogen wurde und daraus Kinder hervorgegangen sind.] Der Staatsrat schloß sich den Ausführungen des Ersten Konsuls jedoch nicht an, sondern brachte die traditionelle Regelung in das Gesetz ein. In Art. 180 Code civil290 wurde festgelegt, daß bei einem Irrtum über die Identität der irrende Teil die Ehe anfechten kann. Weder der Eigenschaftsirrtum noch die Verursachung des Irrtums sollten Berücksichtigung finden. Dogmatisch konsequent sollte die arglistige Täuschung unberücksichtigt bleiben. Liegt eine arglistige Täuschung hinsichtlich der wesentlichen Eigenschaften vor, so besteht ein Grund zur Annulierung der Ehe. Bei Täuschung über nebensächliche Eigenschaften erübrigt sich von vomherein eine Prüfung.
285 286 287 288 289 290
Siehe hierzu Locre, Bd. 4, S. 362; Favard, Bd. 2, S. 65. · Locre, Bd. 4, S. 362; Favard, Bd. 2, S. 65. Locre, Bd. 4, S. 362; Favard, Bd. 2, S. 65. Perouse, S. 105. Locre, Bd. 4, S. 364; Favard, Bd. 2, S. 67. Siehe oben S. 121.
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cc) Art. 2, 2. Abschnitt des 3. Kapitels des Entwurfs
Im Ralunen der Beratungen über Art. 2 des 2. Abschnitts ["Von den Ehenichtigkeitsklagen"] des 3. Kapitels des Entwurfs ging es um die Frage, unter welchen Umständen eine Heilung anzunehmen sei, beziehungsweise nach Ablauf welcher Frist eine Anfechtung wegen Gewalt oder Entführung unzulässig sei: Art. 2, 2. Abs. des Entwurfs: Neanmoins Ia demande n' en pourra etre admise s' il y a des enfans vivans, ou si, quoiqu' il n' y ait pas d' enfans vivans, /es epoux ont cohabite pendant une annee revolue, et s'il n'y a pas preuve de la continuation de violence. 291 [Trotzdem ist der Antrag unzulässig, wenn lebende Kinder vorhanden sind, oder wenn, obwohl keine lebenden Kinder vorhanden sind, die Ehegatten ein ganzes Jahr lang in ehelicher Gemeinschaft zusammengelebt haben und kein Beweis für die Fortdauer der Gewalt vorliegt.] Bonaparte war der Ansicht, der Vollzug der Ehe, manifestiert durch die Geburt von Kindern, stelle eine offensichtliche Ratifikation einer unter Gewaltanwendung erzwungenen Heirat dar. Er nannte dies einen Contrat par/es sens. 292 Diese Betrachtungsweise ist jedoch nicht zwingend, da Beiwohnung und Schwangerschaft nicht schlechthin auf das Fehlen von Zwang und Irrtum schließen lassen. Darum kann darin nicht zweifelsfrei die Bestätigung der Ehe gesehen werden. Diese Überlegungen hielt Tronchet dem Ersten Konsul vor. 293 Daraufhin schlug dieser, unterstützt von Tronchet, vor, eine Frist von drei Monaten nach Beendigung der Gewalt vorzusehen. 294 In Anlehnung an Bonapartes Vorschlag wurde beschlossen, eine fortgesetzte Beiwohnung, allerdings während eines Zeitraumes von sechs Monaten seit Beendigung der Gewalt oder Entdeckung des Irrtums zu fordern. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Anfechtung der Ehe nicht mehr zulässig: Art. 181 Code civil: Dans le cas de I' article precedent, la demande en nullite n' est plus recevable, toutes /es fois qu' il y a eu cohabitation continuee pendant six mois depuis que I' epoux a acquis sa pleine liberte, ou que I' erreur a ete par lui reconnue. [Im Falle des vorhergehenden Artikels ist die Nichtigkeitsklage nicht mehr zulässig, wenn von dem Zeitpunkt an, wo der Ehegatte seine völlige Freiheit erlangt oder den Irrtum bemerkt hat, eine während sechs Monaten fortgesetzte Beiwotmung stattgefunden hat.] dd) Art. 7, 2. Abschnitt des 3. Kapitels des Entwurfs
Bei den Beratungen über die fehlende Einwilligung der Eltern in eine Eheschließung Minderjähriger kritisierte der Erste Konsul in der Sitzung vom 5. Ven291 292 293 294
Locre, Locre, Locre, Locre,
Bd. 4, Bd. 4, Bd. 4, Bd. 4,
S. 354; Favard, Bd. 2, S. 62. S. 359 f. S. 359. S. 360.
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demiaire X (27. September 1801] den Entwurf, der vorgesehen hatte, daß die Eltern bis zur Erreichung der Volljährigkeit der Brautleute die Nichtigkeitserklärung beantragen konnten: Art. 7 des Entwurfs: Les pere et mere, ai"eul et ai"eule, dans le cas ou leur consentement au mariage est requis par Ia loi, peuvent demander Ia nullite du mariage, qui a ete celebre sans ce consentement. 295 [In den Fällen, in denen die Einwilligung in die Eheschließung gesetzlich erforderlich ist, können die Eltern und Großeltern die Nichtigkeit der Ehe beantragen, wenn sie ohne diese Einwilligung geschlossen wurde.]
Bonaparte wandte ein: "Ein Vater, der seine Einwilligung nicht gegeben hat, darf mit seinem späteren Widerspruch dann nicht gehört werden, wenn er die Eheschließung lange Zeit geduldet hat." 296 Und im Hinblick auf den Entwurf meinte er, es sei zu hart, die Nichtigkeitsgründe unbegrenzt wirken zu lassen. Hier müsse eine Frist eingeführt werden 297 : "In jedem Falle müssen die Väter oder Familien ihr Widerspruchsrecht dann verlieren, wenn sie es versäumt haben, innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme der Heirat dagegen vorzugehen." 298 Zwar betonte er noch auf Sankt Helena, daß die von den Eltern gestifteten Ehen die besten seien, doch sagte er auch, daß ein Vater nicht gut daran tue, seine Tochter an einen Mann zu verheiraten, den sie ekelhaft finde. 299 Daher erkannte er auch die Notwendigkeit des Vertrauensschutzes, daß nämlich ein Widerspruch der Erziehungsberechtigten unverzüglich zu erfolgen habe, um die Ehe des minderjährigen Kindes aufzulösen. Art. 183 Code civil trägt diesem Gedanken Rechnung, indem er die Duldungspflicht statuiert. Jedoch räumt das Gesetz den Berechtigten einen weitaus längeren Zeitraum ein, als der Erste Konsul vorgesehen hatte, nämlich ein Jahr ab Kenntnisnahme der Eheschließung: Art. 183 Code civil: L' action en nullite ne peut plus etre intentee ni par/es epoux, ni par /es parents dont le consentement etait requis, toutes /es fois que le mariage a ete approuve expressement ou tacitement par ceux dont le consentement itait necessaire, ou lorsqu' il s' est ecouli une annie sans reclamation de leur part depuis qu'ils ont eu connaissance du mariage. Elle ne peut etre intentie non plus par I' epoux lorsqu' il s' est icoule une annie sans reclamation de sa part, depuis qu' il a atteint I' age compitent pour consentir par lui-meme au mariage. [Weder die Ehegatten, noch die Verwandten, deren Einwilligung erforderlich war, können die Nichtigkeitsklage anstrengen, sofern von letzteren die Eheschließung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt worden ist, oder sofern, seitdem ihnen die Eheschließung bekannt wurde, ein Jahr abgelaufen ist, ohne daß sie Widerspruch eingelegt haben. Ebensowenig kann der Ehegatte diese Klage anstrengen, wenn er 295
296 297 298 299
Locre, Bd. 4, s. 355. Locre, Bd. 4, S. 375; Favard, Bd. 2, S. 84 f. Locre, Bd. 4, S. 375; Favard, Bd. 2, S. 84. Locre, Bd. 4, S. 376; Favard, Bd. 2, S. 85. Napoleon am 13. Oktober 1817 zu Bertrand, Bd. 1, S. 285.
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes von dem Zeitpunkt an, wo er das Alter erreicht hat, um selbst in die Ehe einwilligen zu können, ein Jahr hat verstreichen lassen, ohne seine Rechte geltend zu machen.]
Bonaparte hat hier auf fast modern anmutende Weise versucht, die Autorität des Familienvaters zugunsten der Kinder einzuschränken. Bei der später folgenden Debatte über die Rechte der Kinder sollte er sich wiederum für sie einsetzen. d) Das förmliche Heiratsgesuch der Kinder
In der Sitzung vom 21. Pluviose XII [11. Februar 1804] wurden zwei Gesetzesentwürfe diskutiert, die Ausführungsbestimmungen zum Art. 151 Code civil enthielten. Art. 151 Code civil beinhaltete die Verpflichtung großjähriger Kinder, ein feierliches Heiratsgesuch bei ihren Eltern zu stellen. Der Unterschied zwischen den beiden Entwürfen bestand darin, daß der des Justizministers Abrial zusätzlich Priester zur Prüfung der Formalien des feierlichen Gesuchs 300 vorgesehen hatte, während die Section de tegislation in ihrem Projekt diese Kompetenz auf die Standesbeamten beschränkt hatte. 301 Der Erste Konsul, konsequent in seinem Prinzip, die Kirche aus dem Kompetenzbereich des Staates herauszuhalten, meinte, die Verpflichtung der Priester sei zweifellos eine zusätzliche Sicherheit, doch entspreche sie nicht dem Geist der Gesetzgebung. Diese schließe die Priester gänzlich von allem aus, was mit der Gültigkeit der Ziviltrauung zu tun habe. 302 Auch widersprach er Treilhard, der für eine Einfügung in den Code de Proeidure civile eintrat 303, und plädierte für eine Aufnahme in den Code civil. 304 Der Staatsrat folgte dem Vorschlag Bonapartes und beschloß, den Entwurf der Section 305 in den Code civi/ 306 aufzunehmen. Der Entwurf wurde dort als Art. 152 bis 157 eingefügt. e) Fünftes Kapitel: "Von den durch die Eheschließung entstehenden Verbindlichkeiten"
Art. 1 des 4. Kapitels des Ehe-Titels des Entwurfs 307 sollte auf die späteren, heute noch geltenden Art. 203 und 204 Code civil ohne weitere Modifikation aufgeteilt werden. Er hatte folgenden Wortlaut: 300 301 302 303 304
3os 306 307
In seinem Art. 5, siehe Locre, Bd. 4, S. 568. In Art. 6, siehe Locre, Bd. 4, S. 570.
Locre, Bd. 4, s. 573. Locre, Bd. 4, S. 575. Locre, Bd. 4, S. 574. Locre, Bd. 4, S. 574. Locre, Bd. 4, S. 575. Die Einteilung der Entwürfe entspricht nicht unbedingt der des Code.
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Art. 1 des Entwurfs: Les epoux contractent ensemble, par le fait seul du mariage, I' obligation de nourrir, entretenir et eiever leurs enfans. L' enfant n' a pas d' action
contre ses pere et mere pour un etablissement par mariage ou autrement. 308
[Allein aufgrundder Eheschließung übernehmen die Ehegatten die Verpflichtung, ihre Kinder zu ernähren, zu unterhalten und zu erziehen. Das Kind hat keinen klagbaren Anspruch gegen seine Eltern auf Versorgung durch Heirat oder in sonstiger Weise.] aa) Die Mitgift
Die Ansichten zum Entwurf waren geteilt. Die Verteidiger verwiesen auf die Tradition der Coutumes, wonach eine Mitgift als eine freiwillige Leistung des Vaters 309 angesehen wurde. Die gegensätzliche Position wurde von den Anhängern des Droit ecrit vertreten, die meinten, den Ursprung des Anspruchs auf Dotierung auf die Lex lulia des römischen Kaisers Augustus zurückführen zu können. 310 Beide Standpunkte wurden im Staatsrat vertreten. Bonaparte schloß sich der Meinung an, die Tronchet formuliert hatte. Danach sollte die Familie gegenüber dem Vater berechtigt sein, im Namen der Tochter eine Mitgift zu fordern. 311 Der Erste Konsul war der Auffassung, es sei gefährlich, eine Regelung so zu fassen, daß die väterliche Gewalt, die nur im Interesse der Kinder da sei, gegen diese gerichtet werden könne. Im übrigen sei der Vater nach allgemeinen Grundsätzen verpflichtet, allen Kindern Unterhalt zu gewähren. Diese Verpflichtung erstrecke sich auch auf die Verheiratung der Töchter, da diese anders als die Söhne eine eigene Existenz nur durch die Ehe begründen könnten. Darum, so folgerte er, habe vermutlich die Lex lulia nur den Töchtern diesen Anspruch zugestanden. 312 Bonaparte hat hier wiederum Partei für die Kinder ergriffen, deren Rechtsstellung er gegenüber dem Familienvater stärken wollte. Dabei berief er sich auf das vermeintliche Leitbild der Lex lulia, ohne etwa generell im Römischen Recht eine besondere Autorität zu erblicken, nach der er sich ausgerichtet hätte. Ihm ging es um die Durchsetzung seiner Prinzipien, die er mit den Argumenten verteidigte, die sich ihm in den Debatten gerade anboten. Auch sonst berief er Locre, Bd. 4, S. 379. Ne dote qui ne veut, Pothier, Bd. 4, S. 206, Nr. 646; Maleville, Bd. 1, S. 219. 310 Die Rechtsgelehrten im Staatsrat bemühten zur Verteidigung ihres Standpunktes D. 23, 2, 19: .,Capite trigesimo quinto legis luliae qui .. . dotem dare non volunt ex constitutione . .. Severi et Antonini,per proconsules praesidesque provinciarum coguntur in matrimonium collocare et dotare . .. " [Gemäß dem 35. Kapitel der Lex lulia werden ... diejenigen, welche entgegen der Konstitution von .. . Severus und Antoninus keine Mitgift geben wollen, durch die Proconsuln und Provinzstatthalter zur Verheiratung und Ausstattung gezwungen ... "]; so Pothier, Bd. 4, S. 206; Marcade, Bd. 1, S. 533; vgl. Maleville, Bd. 1, S. 220 f. m Locre, Bd. 4, S. 382; Favard, Bd. 2, S. 93. 312 Locre, Bd. 4, S. 383; Favard, Bd. 2, S. 94. 308
309
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sich nie auf die Autorität von Droit coutumier oder Droit ecrit um derentwillen. Dafür war sein Selbstgefühl zu stark ausgeprägt. An solchen historischen Herleitungen war er nicht interessiert. Ihm ging es nur darum, seine materialen Grundsätze im Gesetz zu verankern. Mit dieser Ansicht setzte Bonaparte sich jedoch nicht durch. Portalis wandte ein, es sei besser, den Kindem keine gesetzliche Handhabe zu geben, mit der sie den Vater, dem man gleichzeitig jede Gegenwehr genommen habe, angreifen könnten. Ansonsten werde die väterliche Autorität untergraben. In einer Zeit der Lockerung der Sitten sei dies nicht wünschenswert. Im übrigen sei es bedenklich, bei der VereinheitlichUng des Zivilrechts eine Dotationspflicht den Gebieten Frankreichs zu oktroyieren, in denen das Droit coutumier diese Pflicht verneint habe. 313 Der Entwurf erfuhr daher keine Veränderung im Sinne der Ausführungen des Ersten Konsuls. bb) Die Unterhaltspflicht
Die zweite Frage betraf die Unterhaltspflicht der Eltern ihren Kindem gegenüber. Auch hier sollten die Gesichtspunkte der Wahrung der väterlichen Autorität über die vom Ersten Konsul geforderte Bevorzugung der Kinder siegen. Bonaparte meinte, die Unterhaltspflicht sei nicht auf die Zeit bis zur Volljährigkeit beschränkt, sondern müsse auch dariiber hinaus fortbestehen. Gegen den Gesetzesentwurf, der mit der Formulierung .. . I' obligation de nourrir, entretenir et eiever leurs enfants. 3 14
[. .. die Verpflichtung, ihre Kinder zu ernähren, zu unterhalten und zu erziehen.] nach der Ansicht des Berichterstatters Real zum Ausdruck bringen sollte, daß die Unterhaltspflicht sich nur auf die Zeit bis zur Volljährigkeit beziehen solle 315 , wandte Bonaparte ein: "Es wäre empörend, wenn ein reicher Vater seine Kinder einfach aus dem Hause jagen könnte, nachdem er sie aufgezogen hat. 316 Und wenn ein Kind behindert ist, etwa taubstumm? Auf diese Weise könnte ein Vater sein Kind, das ihn eines Tages doch beerben soll, ins Elend stürzen. 317 Dann könnte er es ja auch gleich enterben. 318 So zwingt man aber die Kinder, ihre Väter zu töten. Ein wohlhabender oder reicher Vater schuldet seinen Kindem stets einen gefüllten Teller. 319 Der Unterhalt bemißt sich aber nicht nur nach den physischen Bedürfnissen, sondern auch nach den individuellen Gewohnheiten. Der Unterhalt muß den finanziellen Möglichkeiten des Vaters und der Bildung des anspruchsberechtigten Kindes angepaßt werden. 320 Der Sohn hat einen An313 314 315 316 317 318 319
Locre, Bd. 4, S. 386; Favard, Bd. 2, S. 96. Locre, Bd. 4, S. 379; Favard, Bd. 2, S. 91. Locre, Bd. 4, S. 389; Favard, Bd. 2, S. 100. Locre, Bd. 4, S. 389; Favard, Bd. 2, S. 100; vgl. Thibaudeau, Consulat, S. 433. Thibaudeau, Consulat, S. 434; vgl. Locre, Bd. 4, S. 390; Favard, Bd. 2, S. 100. Locre, Bd. 4, S. 390; Favard, Bd. 2, S. 100. Thibaudeau, Consulat, S. 435.
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spruch auf das Vermögen des Vaters. Dieser Anspruch ist auf Lebenszeit des Vaters aufschiebend bedingt. Aber selbst während dieser Zeit geht das Vermögen in den Bedürfnissen des Sohnes auf. 321" Diese Theorie von der Gamelle paternelle 322 , wie sich Bonaparte ausdrückte, zeugt von einem großen Einsatz für die Belange der jungen Menschen. Die Mehrheit des Staatsrates war jedoch nicht bereit, die Idee vom "väterlichen Eßgeschirr" zu verwirklichen. Man betrachtete sie als mit der väterlichen Autorität unvereinbar. So blieb es dabei, daß der Entwurf unverändert als Art. 203 und 204 Eingang in den Code civil fand. t) Sechstes Kapitel: "Von den wechselseitigen Rechten und
Pflichten der Ehegatten"
aa) Art. 2, 1. Abschnitt, 5. Kapitel des Entwurfs
Bei den Beratungen über die Rechte und Pflichten der Ehegatten untereinander setzte Bonaparte eine Änderung des Entwurfs durch. 323 Die Verfasser hatten in Art. 2 des I. Abschnitts des 5. Kapitels des Entwurfs vorgeschlagen, die Frau zu verpflichten, dem Ehemann überallhin zu folgen. Nur ins Ausland sollte sie ihm nicht folgen müssen: Art. 2 des Entwurfs: Lafemme est obligee de demeurer avec le mari, et de le suivre partout, ou il jugera a propos de resider. Le mari est oblige de Ia recevoir et de lui fournir tout ce qui est necessaire pour les besoins de Ia vie, selon ses facultes et son etat. Si le mari voulait quitter le so/ de Ia republique, il tie pourrait contraindre sa femme a lui suivre, si ce n' est dans le cas ou il serait charge, par le gouvernement, d' une mission a l' etranger exigeant residence 324 0
[Die Ehefrau ist verpflichtet, mit dem Ehemann zusammenzuleben und ihm überallhin zu folgen, wo sich aufzuhalten er für richtig hält. Der Mann ist verpflichtet, sie aufzunehmen und ihr alles, was zum Lebensunterhalt notwendig ist, nach seinem Vermögen und seinem Stand zu geben. Will der Ehemann das Territorium der Republik verlassen, so kann er seine Frau nicht zwingen, ihm zu folgen, es sei denn, er ist von der Regierung mit einer Mission beauftragt, die ein Wohnen im Ausland erfordert.]
Bonaparte, ganz der Tradition der korsischen Männergesellschaft verhaftet 325 , wandte in der Sitzung vom 5. Vendemiaire X [27. September ISO!] gegen diesen Artikel ein, eine Ausnahme voin Prinzip des Art. I des Entwurfs 320 32t 322
323 324
325
Locre, Bd. 4, S. 390; Favard, Bd. 2, S. 101. Locre, Bd. 4, S. 390; Favard, Bd. 2, S. 101. .,Väterliches Eßgeschirr". Sitzung vom 4. Vendemiaire X [26. September 1801]. Locre, Bd. 4, S. 393; Favard, Bd. 2, S. 105. Cronin, S. 109.
9 Theewen
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Il. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes Les epoux se doivent mutuellement fidelite, secours, assistance. Le mari doit protection ii sa femme; Ia femme obeissance ii son mari. 326 [Die Ehegatten schulden einander Treue, Unterstützung und Beistand. Der Ehemann schuldet seiner Frau Schutz, die Frau ihrem Mann Gehorsam.]
sei nicht opportun, da die Verpflichtung, dem Manne zu folgen, allgemein und absolut sei. Folge sie ihm nicht, so könne er ihr einfach den Unterhalt versagen. 327 Die Rechtsprechung sollte später aber sogar die Gewaltanwendung zulassen, um die Frau an ihre Pflichten zu erinnern. 328 Einen Tag vor dieser Sitzung, in der Debatte vom 4. Vendemiaire X [26. September 180 I], in der es um den Entwurf zum späteren Art. 165 Code civil ging, hatte Bonaparte zu Bedenken gegeben, ob man nicht verlangen solle, daß die Braut vor dem Standesbeamten Gehorsam gelobe. Der Standesbeamte brauche eine Formel, die das Versprechen des Gehorsams und der Treue der Frau enthalte. Dieser müsse beim Austritt aus der Obhut der Familie bewußt sein, daß sie in die des Ehegatten übertrete. 329 Die Einstellung Bonapartes zur Frau wird ergänzt durch seine Äußerungen über die Gehorsamspflicht gegenüber dem Manne, die er später, in der Sitzung vom 14. Brumaire X [5. November 1801] im Rahmen der Diskussion um den späteren Art. 213 Code civil getan hat. In dieser Debatte bemerkte er zum Begriff des Gehorsams, den die Frau dem Manne schulde: "Das hat schon der Erzengel zu Adam und Eva gesagt. Bei der Hochzeitszeremonie wurde dies in lateinischer Sprache ausgesprochen, und die Frauen haben nichts davon verstanden. Dieses Wort ist besonders gut geeignet für Paris, wo die Frauen glauben, sie könnten tun, was sie wollen. Ich will damit nicht sagen, daß dies auf alle Frauen Wirkung macht, aber doch wenigstens auf einige. Die Frauen beschäftigen sich nur mit Vergnügungen und Aufmachung. Man müßte noch hinzufügen, daß die Frau nicht bestimmen kann, sich mit jemanden zu verabreden, der ihrem Mann nicht zusagt. Die Frauen sagen fortwährend: ,Sie wollen mir verbieten, zu sehen, wer mir gefallt.'" 33o Bonapartes Bemühen, daß das Gesetz vorsehe, daß die Frau dem Manne untertan sein solle, war eine Reaktion auf die sittlichen Ausschweifungen, denen sich die Frauenwelt unter dem Directoire 331 , hingegeben hatte 332 • Das war mit seinen korsisch geprägten sittlich-moralischen Anschauungen nicht vereinbar. Locre, Bd. 4, S. 393. Locre, Bd. 4, S. 396; Favard, Bd. 2, S. 106. 328 Ourliac 1Malafosse, Bd. 3, S. 154. 329 Thibaudeau, Consulat, S. 433. 330 Thibaudeau, Consulat, S. 435 f. 33 1 Das Direktorium regierte von 1795 bis 1799. 332 Eine Freundin Josephines, Madame Hamelin, hatte es zur damaligen Zeit fertiggebracht, barbusig über die Pariser Boulevards zu schlendern, Cronin, S. 172. Die freizügige Mode sei Ausdruck des liederlichen Lebensstils gewesen, berichtet Thibaudeau, Consulat, S. 17. 326
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II. Erstes Buch, fünfter Titel des Code civil
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Auch seine Erfahrungen während des Italienfeldzuges hatten dazu beigetragen, daß er kein vorteilhaftes Bild von der sittlichen Haltung der Frauen seiner Zeit bekommen hat. So berichtet eine Zeitgenossin, Bonaparte habe die Frauen verachtet: "Er hat in Italien die vollständige Auflösung der Sitten, die durch die Anwesenheit der Armee noch beschleunigt wurde, erlebt. Als er nach Frankreich zurückkam, fand er eine verkommene Gesellschaft vor. Der korrupte Einfluß, dem das Direktorium ausgeliefert war, die eingebildeten, frivolen Frauen der Geschäftsleute: solche Pariserinnen lernte er ausschließlich kennen ... " 333 Auf Sankt Helena sagte der Kaiser rückblickend: "Während der Revolution wurden die Frauen rebellisch, rotteten sich zusammen und wollten sogar Bataillone formieren. Das wurde dann aber unterbunden. Die Gesellschaft wäre auseinandergebrochen, wenn sich die Frauen aus ihrer Abhängigkeit, in die sie gehören, befreit hätten . .. Das eine Geschlecht muß dem anderen unterworfen sein." 334 Der unerbittliche Standpunkt, den Bonaparte in der Frage der Folgsamkeits- und Gehorsamspflicht einnahm, läßt sich darüber hinaus auch ganz konkret aus seinem Verhältnis zu seiner Frau Josephine erklären. Wenn Bonaparte forderte, die Frau müsse ihrem Manne überallhin folgen, sogar ins Ausland, so dachte er dabei auch an seine Frau, die ihn während seines Italienfeldzuges mit dem Husarenlieutenant Hippolyte Charles betrogen hatte. 335 Trotz seiner bittenden Briefe, ihm doch nachzufolgen, hatte sie stets andere Ausreden gefunden, um ihr Bleiben in Paris zu rechtfertigen. 336 Diese Erfahrungen haben dazu beigetragen, daß Bonaparte glaubte, daß der Mann das Recht habe, seine Frau zum Gehorsam zu verpflichten. Dabei sorgte er sich um den Erhalt der Sitten, die, davon ging er aus, von den Frauen geprägt wurden. Nach seinem Weltbild waren die Frauen 337 die Seelen der Familien, und die Familien waren wiederum für ihn Bausteine des Staates. Bereits 1791 hatte Bonaparte geschrieben: "Ohne gute Sitten gibt es keine Republik." 338 Daher rührt seine Anstrengung, geeignete Mittel zur ZügeJung der Frauen zu finden. Diese Mittel fand er in der Vormachtstellung des Ehemannes. Für ihn sollte ein Gatte befugt sein, seine Frau zu einer moralischen Haltung zu bewegen. Aufgrund der Einwände des Ersten Konsuls beschloß der Staatsrat, den 2. Absatz des Art. 2 des Entwurfs zu streichen. 339 Ourliac und Malafosse weisen darauf hin, daß in der Literatur oft vorschnell die strengen Regelungen des Code gegen die Frauen auf die Initiative Bonapartes Remusat, Memoires, Bd. I, S. 112. Gespräch vom 9. Januar 1817, Gourgaud, Ed. Aubry, Bd. 1, S. 271, und Ed. Grouchy I Guillois, Bd. I, S. 390. 335 Cronin, S. 164 ff. 336 Cronin, S. 165 f. 337 Daß er nur tugendhafte Frauen schätzte, bezeugt Hortense, Bd. 2, S. 114. 338 Napoleon, Manuscrits inedits, S. 522. 339 Locre, Bd. 4, S. 396. 333
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zurückgeführt worden sind. 340 Zwar hatte er mehrere Stellungnahmen zu dieser Materie abgegeben. Doch folgt das Recht der Frau, so wie es der Code formulierte, unter dem Einfluß der Philosophen Voltaire, Rousseau, Diderot und Mirabeau 341 ganz der Tradition des Droit commun coutumier 342• Das Ergebnis entsprach gleichwohl Bonapartes Prinzipien. Die ganz überwiegende Mehrheit des Staatsrates unterstützte die im übrigen trotz der Ideen der geistigen Väter der Revolution dem Zeitgeist 343 entsprechenden Bestrebungen, die Abhängigkeit der Frau vom Mann gesetzlich zu festigen. bb) Art. I, 2. Abschnitt, 5. Kapitel des Entwurfs
Bei der Frage, wann die Eheleute nach Auflösung der Ehe durch Scheidung eine neue eingehen dürften, hatte die Section zehn Monate für die Frauen und drei für die Männer veranschlagt. Art. 1 des 2. Abschnitts des 5. Kapitels des Entwurfs hatte folgenden Wortlaut: Art. I des Entwurfs: La femme ne peut contracter un nouveau mariage qu' apres dix mois revolus depuis Ia dissolution du mariage precedent; le mari ne peut contracter un second mariage qu' apres trois mois depuis cette dissolution. 344 [Die Frau darf eine neue Ehe erst nach Ablauf von zehn Monaten seit Auflösung der alten Ehe eingehen; der Ehemann darf eine neue Ehe erst nach Ablauf von drei Monaten seit der Auflösung schließen.]
Tronchet erklärte, Sinn der Zehnmonatsfrist für Frauen sei es, eine sogenannte Confusion de part, eine Vaterschaftsverwechslung, zu verhindern. 345 Der Erste Konsul empfand die Frist als zu lang und votierte eine liberale Handhabung. Zum Problem der Confusio partus meinte er, die alten Römer hätten sich nicht darum gekümmert. Das Beispiel des Augustus zeige, daß sie sogar schwangere Frauen geheiratet hätten. 346 Der Art. 1 des Entwurfs erfuhr jedoch im Hinblick auf die Frau keine für sie günstigere Veränderung. Anders sollte es sich nur mit der den Ehemann betreffenden Regelung verhalten. Sie wurde von Bonaparte ebenfalls angegriffen. Er meinte, man solle sie entweder gar nicht erwähnen und sich auf die Sitten und Gebräuche verlassen, oder aber die Wartezeit für die neue Heirat verlängern. Jedenfalls sei es nicht gut, wenn das Gesetzbuch sich in diesem Punkt nachsichtiger zeige als die Gebräuche. 347 Auf diese Bedenken hin beschloß der Staatsrat, Ourliac I Malafosse, Bd. 3, S. 156. Ourliac I Gazzaniga, S. 272. 342 Ourliac I Malafosse, Bd. 3, S. 156. 343 Ourliac I Malafosse, Bd. 3, S. 155. Die führenden Philosophen der Aufklärung wollten die Frauen hinter den Herd verbannen, Ourliac I Gazzaniga, S. 272. 344 Locre, Bd. 4, S. 402; Favard, Bd. 2, S. 116. 345 Locre, Bd. 4, S. 403; Favard, Bd. 2, S. 117. 346 Locre, Bd. 4, S. 403; Favard, Bd. 2, S. 117. 347 Locre, Bd. 4, S. 403; Favard, Bd. 2, S. 117. 340
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II. Erstes Buch, sechster Titel des Code civil
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den den Ehemann betreffenden Teil unter Beibehaltung des Entwurfs im übrigen ersatzlos zu streichen. 348 Art. 228 Code civil hatte so denn auch mit Ausnahme der den Ehemann betreffenden Regelung den gleichen Wortlaut wie der Entwurf. 6. Sechster Titel: "Von der Ehescheidung" Die Möglichkeit der Ehescheidung wurde weder von den Verfassern des Entwurfs noch den Staatsräten prinzipiell in Frage gestellt. 349 Widerstände sollte es nur von Minderheiten in Tribunat und Corps /egislatif geben. Die Scheidung war bereits im Jahre 1792 in die Gesetzgebung eingeführt worden. 350 Dies war eine Konsequenz der Forderung nach individueller Freiheit gewesen, mit der ein unauflösbarer Vertrag als nicht vereinbar angesehen worden war. Dagegen vertreten Perouse, Madelin und Jac die Ansicht, die Ehe rage aufgrundihres sakramentalen Charakters über alle anderen Verträge hinaus und dürfe mithin nicht wie diese gelöst werden. 351 Zehn Jahre später, im Jahre XI der Republik, war der anfängliche Enthusiasmus, mit dem man dieses neue Institut begrüßt hatte, der Ernüchterung gewichen. Die Ehescheidung hatte sich aufgrund mißbräuchlicher Anwendung nicht uneingeschränkt als segensreich erwiesen. 352 In den Augen vieler lief die Ehe Gefahr, zu einer vorübergehenden Lebensgemeinschaft herabgewürdigt zu werden. Entsprechend war im Entwurf die Beibehaltung der Ehescheidung als eine Art Zugeständnis an revolutionäre Forderungen bezeichnet worden. 353 a) Der Weg von der Zulässigkeil der Ehescheidung wegen Unverträglichkeit der Gemüter zur Ehescheidung wegen beiderseitigen Einverständnisses
aa) Art. 1 und 2, 1. Kapitel des Entwurfs Die Art. l und 2 des 1. Kapitels ["Von den Scheidungsgründen"] waren folgendermaßen abgefaßt worden: Art. 1 des Entwurfs: Le divorce ne pourra etre prononce que pour /es causes dererminees par Ia loi. 354
Locre, Bd. 4, S. 403; Favard, Bd. 2, S. 117. Wie bereits die anstandslose Ratifizierung des Entwurfs zum späteren Art. 228 Code civil zeigt, s. o. S. 132 f. 350 Durch das Gesetz vom 20. September 1792, Ourliac I Malafosse, Bd. 3, S. 153 und S. 212; Locre, Bd. 5, S. 3. 35 1 Perouse, S. 113; Madelin, S. 85; Jac, S. 58 f. 352 Ourliac I Malafosse, Bd. 3, S. 214. 353 Portalis, zit. Locre, Bd. 5, S. 44 f.; vgl. Maleville, Bd. 1, S. 421. 354 Locre, Bd. 5, S. 41; Favard, Bd. 2, S. 119. 348
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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[Die Ehescheidung kann nur aus den durch Gesetz festgelegten Gründen ausgesprochen werden.] Art. 2 des Entwurfs: Ces causes sont, /es sevices ou mauvais traitemens, Ia conduite habituelle de I' un des epoux qui rend a I' autre Ia vie commune insupportable, Ia diffamation publique, I' abandon du mari par lafemme, ou de lafemme par le mari, I' adultere de Ia femme accompagne de scandale public, ou prouve par des ecrits emanes d' elle, celui du mari qui tient sa concubine dans Ia maison commune. 355 [Die Gründe sind Mißhandlung oder schlechte Behandlung, das beständige Verhalten eines Ehegatten, das dem anderen das Zusammenleben unerträglich macht, die öffentliche Verleumdung, das Verlassen des Mannes durch die Frau und umgekehrt, der Ehebruch der Frau, der mit öffentlichem Aufsehen einhergeht oder mit Schriftstücken bewiesen werden kann, die von ihr herrühren, der Ehebruch des Ehemannes, der seine Konkubine in die eheliche Wohnung aufnimmt.] Portalis lehnte die Ehescheidung im Grunde ab, was folgender Wortwechsel belegt. Der Erste Konsul sagte zu Portalis: "Wenn Sie zu sagen hätten, würden Sie die Ehescheidung nicht zulassen.", worauf dieser entgegnete: "Hätten wir es mit einem neuen Volk zu tun, würde ich sie nicht einführen." 356 Trotzdem hielt Portalis in der Sitzung vom 14. Vendemiaire X [6. Oktober 1801] vor dem Staatsrat eine Rechtfertigungsansprache. Darin führte er aus, daß das Gesetz nicht erlaube, es habe vielmehr nur den Mißbrauch zu Lasten der individuellen Freiheit zu verhindern. Es sei ein Korrektiv der individuellen Freiheit und sorge dafür, daß die Gesellschaft durch Aktivitäten Einzelner nicht beeinträchtigt werde. Dort, wo die Überwachung durch das Gesetz aufhöre, beginne die Herausforderung an das Gewissen. Damit stelle sich für jeden einzelnen die Frage, ob eine Scheidung für ihn vertretbar sei. 357 Verstoße das Verlangen nach Ehescheidung im Einzelfall gegen die Ordnung, müsse das Gesetz vor dem Mißbrauch schützen. 358 Das Institut der Scheidung lasse sich nicht mit der individuellen Freiheit begründen und rechtfertigen. Die individuelle Freiheit gebe keine willkürlichen Rechte. Sie sei nur im Rahmen geltenden Rechts und nur solange erlaubt, wie der Schutz der öffentlichen Ordnung gewährleistet sei. Der wahre Grund für die Beibehaltung der Scheidung im Zivilrecht sei die Religionsfreiheit. Die Scheidung schöpfe ihre Daseinsberechtigung aus den Konfessionen, die sie vorsähen. Das Gesetz müsse folglich dieses Institut bereithalten, damit die Menschen, mit deren Glauben sie im Einklang stehe, sich ihrer bedienen könnten. 359 Für den Ersten Konsul war diese Betrachtungsweise nicht schlüssig. Die Scheidung müsse also konsequenterweise, so folgerte er im Umkehrschluß, abgelehnt werden, wenn dieses Institut in keiner Religion verankert sei. Dies sei aber nicht wünschenswert. 360 Er berief sich in den folgenden Debatten auf die Ehescheidung 355 356 357
358 359
Locre, Bd. 5, S. 41; Favard, Bd. 2, S. 119. Thibaudeau, Consulat, S. 436 f. Locre, Bd. 5, S. 44; Favard, Bd. 2, S. 121. Locre, Bd. 5, S. 44; Favard, Bd. 2, S. 122. Portalis, zit. Locre, Bd. 5, S. 44; Favard, Bd. 2, S. 122.
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als Mittel zur Wahrung der guten Sitten, der öffentlichen Ordnung, und des Familienfriedens. Er fand die Scheidung nützlich. In Einzelheiten variierten seine Ansichten allerdings. Zunächst ließ er in der Sitzung vom 14. Vendemiaire X [6. Oktober 1801] nach Anhörung des Berichterstatters Portalis abstimmen, ob die Ehescheidung in der Gesetzgebung belassen werden solle. Der Staatsrat stimmte dafür. 361 Man kann also nicht sagen, daß Bonaparte das Recht auf Ehescheidung durchgesetzt hat 362• Danach war Gegenstand der Debatte die Frage, ob die Scheidungaufgrund des von einem Ehegatten vorgetragenen Argumentes der Unverträglichkeit der Gemüter 363 oder aber nur aufgrund von noch festzulegenden Tatsachen zugelassen werden sollte. Unter Unverträglichkeit der Gemüter wurde ein Scheidungsgrund verstanden, den einer der Eheleute vorbringen konnte und für den kein Beweis angetreten werden mußte. 364 Portalis bekämpfte den Scheidungsgrund der Unverträglichkeit der Gemüter. Er sagte, die Ehe sei zwar ein Vertrag, sie unterscheide sich aber von allen übrigen Vertragsarten dadurch, daß sie auf Lebenszeit geschlossen werde, weil sie zur Fortpflanzung des Menschengeschlechts diene. Entsprechend könne der Gesetzgeber den Ehevertrag nicht zeitlich begrenzen. Lasse er dagegen eine Scheidung aufgrund Unverträglichkeit der Gemüter zu, so stehe es im Belieben eines Ehegatten, die Dauer der Ehe zu bestimmen. Dies sei aber gegen die Natur dieses Vertrages. 365 Ferner sei, so führte Portalis aus, die Ehe nicht nur für die Eheleute da. Sie bestehe ebenso zugunsten der Gesellschaft und der Kinder. Mit der Ehe werde die Familie gegründet. Sie dürfe nicht einfach durch oberflächliche Launen zerstört werden. Außerdem untergrabe es die Autorität des Ehemannes, der eine Vorrangstellung bekleide, wenn die Gattin die Ehe ihrerseits einfach auflösen könne. Andererseits verstoße die Unverträglichkeit der Gemüter aufgrund einseitigen Antrages auch gegen den Schutzgedanken zugunsten der Frau. 366 Im übrigen könne man nicht die Scheidung aufgrund des Antrages nur eines Gatten wegen Unverträglichkeit der Gemüter zulassen, wenn der andere Teil widerspreche. Dies verstoße gegen die Gerechtigkeit. 367 Zunächst trat der Erste Konsul für die Anerkennung des Scheidungsgrundes der Unverträglichkeit der Gemüter ein: "Man darf bereits mit 15 beziehungsweise 18 Jahren heiraten, also bevor man über sein Vermögen verfügen darf. Glaubt man denn, daß diese Ausnahmeregelung von den Volljährigkeitsgrundsätzen 360 361 362 363 364
365 366 367
Locre, Bd. 5, S. 55; Favard, Bd. 2, S. 131. Locre, Bd. 5, S. 45; Favard, Bd. 2, S. 122. So aber Cronin, S. 258 f. .,/ncompatibilite d'humeurs ". Portalis, zit. Locn5, Bd. 5, S. 48; Favard, Bd. 2, S. 125. Locre, Bd. 5, S. 49; Favard, Bd. 2, S. 126. Locre, Bd. 5, S. 49 f.; Favard, Bd. 2, S. 126 f. Locre, Bd. 5, S. 50; Favard, Bd. 2, S. 127.
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
zugunsten der Eheschließung dazu führen darf, daß, obwohl einer der Eheleute den Irrtum hätte erkennen müssen, dem er aufgrund seines zarten Alters erlegen ist, dieser daran gehindert ist, mit Anstand für Abhilfe zu sorgen? Das wäre höchstens zulässig, wenn die Ehe erst mit 20 beziehungsweise 21 Jahren zulässig wäre. Wenn die Scheidungaufgrund Unverträglichkeit der Gemüter dem Interesse der Frauen, Kinder und Familien widersprechen soll, so ist aber nichts dem Interesse unverträglicher Eheleute konträrer, als sie auf die Wahl zu beschränken, entweder weiter zusammenzuleben, oder aber sich unter großem Aufsehen zu trennen. Nichts widerspricht dem Sinn der Familie mehr als eine geteilte Familie. Die Scheidung von Tisch und Bett hatte früher fast die gleichen Auswirkungen wie die Ehescheidung. Sie ist früher so üblich gewesen wie heute die Scheidung. Aber sie hatte den Nachteil, daß eine ehrlose Frau den Namen ihres Gatten entehren konnte, da sie diesen beibehielt. Es geht nicht an, die Ehescheidung derart zu erschweren, daß die Eheleute sich faktisch auf das Getrenntleben beschränken müssen." 368 Er kritisierte Art. 2 des Entwurfs, der die Scheidungsgründe festlegte: "Was für ein Unglück wäre es, sich gezwungen zu sehen, bis in die kleinsten und geheimsten Einzelheiten der Ehe einzudringen. Die Unverträglichkeit als das mildere System beugt diesen Unannehmlichkeiten vor. Es ist aber ebenso peinlich wie die Scheidung aus bestimmten Gründen. Diese Gründe führen nämlich nicht immer zur Scheidung, selbst wenn sie tatsächlich gegeben sind. Wegen Ehebruchs beispielsweise kann eine Ehe nur geschieden werden, wenn Beweise vorgelegt werden, die nun aber zumeist schwerlich oder gar nicht beigebracht werden können. Und trotzdem müßte in einem solchen Fall ein Ehemann weiter mit seiner Frau zusammenleben, obwohl er sie verachtet und sie ihm Kinder von einem anderen in die Ehe einbringt. Seine Rettung besteht nur in der Trennung, was aber nicht verhindert, daß sein Name weiterhin entehrt wird. 369 Die Ehe ist nicht, wie man gemeinhin glaubt, stets eine Liebesverbindung. Eine junge Frau stimmt zum Beispiel einer Heirat zu, nur um etwa mit der Mode zu gehen oder um unabhängig zu werden und eine eigene Existenz zu gründen. Sie heiratet einen wesentlich älteren Mann, dessen Anschauungen, Geschmack und Gewohnheiten nicht die ihren sind. Das Gesetz muß ihr in einem solchen Fall einen Ausweg bereithalten für den Augenblick, wo sie erkennt, daß sie nicht zueinander passen, und sie zu einem falschen Entschluß verleitet wurde. 370 Die in früher Jugend geschlossenen Ehen sind nur selten das Werk der Betroffenen, sondern vielmehr das der Familien, die nach Schicklichkeitserwägungen entscheiden. Deshalb müssen die ersten Jahre als Probezeit angesehen werden. Erkennen die Eheleute sodann, daß sie nicht zueinander passen, so müssen sie eine Ehe auflösen können, über deren Schließung ihnen selbst nicht zu befinden gestattet war. 371 Ist eine Ehe unglücklich, so muß das Zivilgesetz, das frei von hehren sakramentalen Ideen ist, für das Glück der Betroffenen sorgen! 372" 368 369
37o
Locre, Bd. 5, S. 55 f.; Favard, Bd. 2, S. 131 f .; Thibaudeau, Consulat, S. 437. Locre, Bd. 5, S. 56; Favard, Bd. 2, S. 132 f.; Thibaudeau, Consulat, S. 438. Locre, Bd. 5, S. 57; Favard, Bd. 2, S. 133 f.; Thibaudeau, Consulat, S. 439.
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Die Scheidungsmöglichkeit sollte nach dem Willen des Ersten Konsuls allerdings nur unter bestimmten Auflagen und Bedingungen zugelassen werden, um dem Mißbrauch vorzubeugen. Er dachte dabei beispielsweise an einen Familienrat, an die einmalige Scheidungsmöglichkeit für Frauen, an das Verbot der Wiederverheiratung vor Ablauf von fünf Jahren für Frauen, um zu verhindern, daß sie sich nur zum Zwecke der Eingebung einerneuen Ehe scheiden lassen konnten. 373 Diese von Bonaparte zu Beginn der Scheidungsdebatte vorgetragene These war von einer liberalen Interpretation des Eheversprechens geprägt. Zum Schutz der während der Minderjährigkeit zumeist von den Familien verheirateten Kinder regte er an, aus Gründen der Menschlichkeit eine Lösung dieser Ehen gesetzlich vorzusehen. 374 Portalis verteidigte die Ehe, indem er betonte, sie müsse genauso stabil sein wie alle anderen Verträge. 375 Er wiederholte, daß sie nicht nur für die Eheleute da sei, die in Wirklichkeit lediglich Werkzeuge der Natur seien, um das Menschengeschlecht fortzupflanzen. Die Ehe sei das Resultat der Natur, die den Menschen dazu bestimme, in der Gesellschaft zu leben. 376 Der Erste Konsul war gegenteiliger Auffassung. Er entgegnete Portalis, die Ehe stamme nicht von der Natur ab, sondern von der Gesellschaft, den Sitten und Gebräuchen. Um dies zu begründen, zog er das Beispiel der orientalischen Familienstruktur heran 377 , die von der abendländischen völlig verschieden sei: "Erstere kennt mehrere Ehefrauen und Konkubinen. Das erscheint uns als unmoralisch, aber es funktioniert. Und die Gesetze dort regeln das. Ich teile nicht die Ansicht, daß die Familie vom Zivilrecht und dieses vom Naturrecht sich herleiten läßt. Die Römer hatten auch andere Vorstellungen von der Familie. Die Sitten bestimmen die Familienorganisation." 378 Bonapartes Vorschlag, einem Ehegatten die Möglichkeit der Scheidung aufgrundUnverträglichkeitder Gemüter einzuräumen, fand im Staatsrat keine Mehrheit. Emmery verwies auf die Rechtsgeschichte und bemerkte, die Debatte verwechsele die Begriffe. Man müsse zwischen Ehescheidung 379 und Verstoßung 380 unterscheiden. Das Römische Recht habe die einseitige Verstoßung durch den Gatten unter anderem wegen Ehebruchs anerkannt 381 • Ohne Gründe habe man die Ehe nur lösen können, wenn beide Gatten den Willen hatten, sich zu trennen. Locre, Bd. 5, S. 58 f.; Favard, Bd. 2, S. 135; Thibaudeau, Consulat, S. 439 f. Thibaudeau, Consu/at, S. 439. 373 Locre, Bd. 5, S. 59; Favard, Bd. 2, S. 135; Thibaudeau, Consulat, S. 440. 374 Locre, Bd. 5, s. 58 f. 375 Locre, Bd. 5, S. 58; Favard, Bd. 2, S. 134. 376 Locre, Bd. 5, S. 58; Favard, Bd. 2, S. 134; Thibaudeau, Consulat, S. 439. 377 Siehe dazu seine noch auf Sankt Helena gemachten Ausführungen bei Las Cases, Bd. 4, S. 179 ff. 378 Thibaudeau, Consulat, S. 439. 379 Divorce. 380 Ripudiation. 371
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Eine Scheidung im eigentlichen Sinne liege mithin nur bei beiderseitigem Einverständnis vor. Eine Verstoßung durch einen Gatten ohne bewiesene Gründe sei untragbar. Die Unverträglichkeit der Gemüter könne also nur die Scheidung bewirken, wenn sie in beiderseitigem Einverständnis vorgetragen werd~. 382 Emmery begründete seine Ausführungen damit, daß dieses System geeignet sei, die peinlichen Gründe einer Scheidung zu verdecken. Wer zu besorgen habe, daß gegen ihn schwere Vorwürfe erhoben werden, könne sich einer schändlichen Auseinandersetzung dadurch entziehen, daß er sogleich sein Einverständnis in die Scheidung gebe. 383 Der Erste Konsul griff diese Idee sogleich auf und machte sie zur Grundlage einer neuen Scheidungstheorie. 384 Die Scheidung auf Grund beiderseitigen Einverständnisses385 bot seiner Meinung nach den Vorteil, die peinlichen Gründe nicht ausbreiten und nicht mehr mit einem Ehepartner leben zu müssen, dessen Vergehen oder Verbrechen, welche Scheidungsgründe sein sollten, nicht bewiesen werden konnten. Er entwickelte eine Theorie, nach der die Scheidung allein die Angelegenheit der Eheleute und deren Eltern sein sollte. Die Justiz sollte danach lediglich die Aufgabe haben, die Zustimmung der Eltern festzustellen. 386 Diese sei deshalb notwendig, weil die Ehegatten stets als Minderjährige anzusehen seien, denn die Leidenschaft habe sie ganz offenbar davon abgehalten, sich ihres gesunden Menschenverstandes zu bedienen. 387 Der Code civillegte denn auch die Notwendigkeit der elterlichen Genehmigung fest: Art. 278 Code civil: Dans aucun cas, le consentement mutuel des epoux ne suffira, s' il n' est autorise par leurs peres et meres, ou par leurs autres aseendans vivans, suivant /es regles prescrites par l'article 150, au titre du Mariage. [In keinem Fall soll die wechselseitige Einwilligung der Ehegatten genügen, wenn sie nicht von deren Eltern oder übrigen noch lebenden Aszendenten nach den im Art. 150 unter dem Titel "Von der Ehe" vorgeschriebenen Regeln genehmigt worden ist.] So sollte die Ehe nur auf dieselbe Weise aufgelöst werden können, wie sie geschlossen worden war. Durch die Mitwirkung der Familien versprach sich Bonaparte eine genaue Prüfung, ob wirkliche Scheidungsgründe vorlagen. 388 381 Hinsichtlich der römischrechtlichen Regelung siehe Kaser, § 14 II 1 e), § 19 II 3. 382 Locre, Bd. 5, S. 63 f.; Favard, Bd. 2, S. 139 f. Vgl. Thibaudeau, Consulat, S. 441. 383 Locre, Bd. 5, S. 64; Favard, Bd. 2, S. 140. 384 Gönner, Bd. 2, S. 90 f., überschätzt die Urheberschaft Bonapartes, wenn er sagt, diese Theorie sei von ihm entwickelt und lediglich durch eine zufällige Bemerkung Emmerys bedingt worden. Die Protokolle zeigen, daß die Ausführungen Emmerys durchaus detailreich und reflektiert vorgetragen wurden. Die Idee der Scheidung aufgrund beiderseitigen Einverständnisses geht unzweifelhaft auf Emmery zurück; vgl. auch Thibaudeau, Consu/at, S. 441. 385 Divorce par consentement mutuelle; siehe auch Ourliac I Gazzaniga, S. 299. 386 Locre, Bd. 5, S. 66; Favard, Bd. 2, S. 141 f. 387 Locre, Bd. 5, S. 67; Favard, Bd. 2, S. 142.
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Dabei hoffte er, daß ein Breittreten der Hintergründe in der Öffentlichkeit vermieden werde. Seien im Einzelfall Verwandte aufsteigender Linie nicht vorhanden, sollten nach der Vorstellung des Ersten Konsuls angesehene Bürger zur Durchführung des Verfahrens beigezogen werden. Das Gericht solle die Scheidung ohne Prüfungsverfahren aussprechen und lediglich das beiderseitige Einverständnis feststellen 389 : "Das Gericht spricht die Scheidung aus, nicht weil ein beiderseitiges Einverständnis vorliegt, sondern immer dann, wenn ein solches vorliegt." 390 Eine Scheidung solle nach zehnjähriger Ehe auch in beiderseitigem Einverständnis nicht mehr zulässig sein. 391 Dieses System beinhaltete keine Scheidungsgründe. Bonaparte wollte zunächst nicht einmal eine Scheidung aufgrund einseitigen Antrages wegen Mißhandlung zulassen. 392 Ausschließlich der Ehebruch erschien ihm nebem dem beiderseitigen Einverständnis als Scheidungsvoraussetzung akzeptabel. 393 Beim Ehebruch sollte das gewöhnliche Verfahren eingeleitet werden, wenn das Einverständnis des Gatten und dessen Eltern dem verletzten Teil verweigert worden war. 394 Im Laufe der Beratungen am 16. Vendemiaire X [8. Oktober 1801] akzeptierte Bonaparte weitere Scheidungsgründe. Dieser Anschauungswandel rührt daher, daß er befürchtete, die Öffentlichkeit könne ansonsten fälschlich vermuten, die Scheidung könne ohne Grund beantragt werden. 395 Der Erste Konsul nannte als Scheidungsgründe Mißhandlung und die weniger schwerwiegenden des Art. 2 des Entwurfs. Diese Gründe seien als erwiesen anzusehen, sofern die Eltern die Scheidung genehmigten. Auf diese Weise solle vermieden werden, daß die Austragung des Verfahrens Tatsachen zutage fördere, die, wie Zeugungsunfähigkeit oder Ehebruch, peinlich und unehrenhaft für die Betroffenen seien. 396 Dieser Standpunkt wurde heftig kritisiert. 397 Der Erste Konsul bestand jedoch auf der heimlichen Austragung der Scheidung und dem Verbot eines öffentlichen Beweisverfahrens: "Die Scheidung nur wegen eines öffentlich bewiesenen Ehebruchs zulassen hieße, sie gänzlich zu verbieten. Denn einerseits ist ein Ehebruch nur schwer zu beweisen. Andererseits müßten die Männer schon ungewöhnlich schamlos sein, wenn sie die Schandtat ihrer Gattin öffentlich verkündeten. 398 Ein Mann von Ehre schreitet zur Scheidung nur wegen eines Locre, Bd. 5, S. 66; Favard, Bd. 2, S. 142. Locre, Bd. 5, S. 66 u. 68; Favard, Bd. 2, S. 141 u. 143. 390 Locre, Bd. 5, S. 69; Favard, Bd, 2, S. 144. 39 1 Locre, Bd. 5, S. 68; Favard, Bd. 2, S. 143. 392 Locre, Bd. 5, S. 69; Favard, Bd. 2, S. 144. 393 Locre, Bd. 5, S. 55 f. u. 69; Favard, Bd. 2, S. 132 f. u. 144; Bonaparte äußerte sich ebenso in der Sitzung vom 16. Vendemiaire X [8. Oktober 1801]: Locre, Bd. 5, S. 85; Favard, Bd. 2, S. 157. 394 Locre, Bd. 5, S. 69; Favard, Bd. 2, S. 144. 395 Thibaudeau, Consulat, S. 446. 396 Locre, Bd. 5, S. 88 f.; Favard, Bd. 2, S. 160; Thibaudeau, Consulat, S. 447. 397 Insbesondere von Tronchet, Locre, Bd. 5, S. 89; Favard, Bd. 2, S. 160. 388 389
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Ehebruchs und auch nur dann, wenn sie ohne Aufsehen durchgeführt werden kann. Das entspricht französischer Sitte, und das Gesetz muß sich danach richten. 399 Es wäre hart, ... einen Mann zu zwingen, seine Frau, die ihn entehrt, zu behalten. Hier muß eine Möglichkeit geschaffen werden, die Publizität eines Gerichtsverfahren zu vermeiden. 400" Neben der einvernehmlichen Scheidung sah er in der Hauptsache die Scheidung wegen Ehebruchs, wobei er im wesentlichen auf die Untreue der Frau abstellte: "Die Frauen von heute müssen wieder genügsam werden. Es entspricht nicht französischer Sitte, ihnen Autorität einzuräumen. Sie haben davon schon zu viel. Diese Frauen, die wegen Tand ... und allerhand anderer Vergnügungen die Ehe brechen, müssen gezügelt werden. 401 Es wäre skandalös und schadete der Ehre der Nation, wenn man öffentlich kundtun würde, was sich in bestimmten Ehen abspielt. Man würde nämlich sonst zu Unrecht daraus schließen, daß dies französische Sitten seien. 402" Aber der Erste Konsul stellte die Wahrung der Sitten und die Interessen der Gesellschaft nicht uneingeschränkt obenan. In einer künstlichen Hinauszögerung der Trennung sah er die Gefahr der Verschwendung des Familienvermögens, was wiederum die Zerrüttung und folglich die Auflösung der Familie auf Kosten der Kinder zur Folge habe. Solche Verbindungen fortbestehen zu lassen, sei darüber hinaus eine Versündigung gegen die Erhabenheit der Ehe. 403 Boulay und Berlier legten je einen Entwurf vor, in denen sie die Ergebnisse der Debatten verarbeitet hatten. Nach Abstimmung durch den Staatsrat wurde Boulays Fassung den weiteren Debatten zugrunde gelegt. 404 Der Staatsrat einigte sich schließlich darauf, die Scheidung aufgrund beiderseitigen Einverständnisses einzuführen, um einerseits die peinliche Darlegung von Gründen zu vermeiden, und andererseits die Gründe zu berücksichtigen, die das Gesetz wegen der Unvorhersehbarkeit nicht konkretisieren konnte. 405 Gleichzeitig wurden bestimmte Scheidungsgründe wie Mißhandlung, Ehebruch, schwere Beleidigung und die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe aufgenommen. Dagegen sah Bonaparte Exzeß und Mißhandlung nicht als Scheidungsgründe, sondern nur als Voraussetzungen für eine Trennung von Tisch und Bett an. 406 Nur für den Fall, daß diese Gründe in ein wechselseitiges Einverständnis gehüllt wurden, sollten sie nach seinem Verständnis zum Scheidungsgrund werden. 407 Für den Ersten Konsul sollte das beiderseitige Einverständnis schwerwiegende Gründe der Eheleute kaschieren. 408 Sobald ein Gatte gegen den anderen einen 398 399
400 401 402 403 404
405 406
Locre, Bd. 89; Favard, Bd. 2, S. 161. Locre, Bd. 5, S. 92; Favard, Bd. 2, S. 163. Locre, Bd. 5, S. 92. Thibaudeau, Consulat, S. 448 f. Locre, Bd. 5, S. 89; Favard, Bd. 2, S. 161. Locre, Bd. 5, S. 90; Favard, Bd. 2, S. 161. Locre, Bd. 5, S. 112; Favard, Bd. 2, S. 179. Favard, Bd. 2, S. 173. Locre, Bd. 5, S. 71 u. 126; Favard, Bd. 2, S. 146 u. 192.
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Grund zur Scheidungsklage habe, solle das beiderseitige Einverständnis eine Art Vergleich zwischen den Parteien herbeiführen. Daraufbin spreche das Gericht die Scheidung ohne Prüfung aus. 409 Um sich nicht gegenseitig diffamieren zu müssen, würden folglich die Parteien als Scheidungsgrund Mißhandlung wählen. Die Öffentlichkeit werde nur von diesem Grund Kenntnis nehmen, nicht aber vom Ehebruch, den Bonaparte in seinen Überlegungen stets voraussetzte. Selbst wenn die wahren Umstände von Einzelnen in Erfahrung gebracht würden, so verhalte es sich damit nicht anders als mit Gerüchten, die wieder vergehen, meinte Bonaparte. Dies sei jedenfalls nicht mit der Diffamierung zu vergleichen, die aufgrund einer gerichtlichen Prüfung erfolge. 410 Nur wenn die Mißhandlung bis zum äußersten getrieben werde, liege ein selbständiger Klagegrund vor. 411 Ansonsten sei sie es nur im Verbund mit dem beiderseitigen Einverständnis. Bemerkenswert an der Scheidungsdebatte ist die allgemeine Unsicherheit, die sämtliche Mitglieder des Staatsrates, auch die führenden Rechtsgelehrten Frankreichs, erfaßt hatte. Die Protokolle vermitteln einen guten Eindruck von der anfänglichen Orientierungslosigkeit, die erst nach und nach gefestigten Anschauungen Platz machte. Es war nicht Bonaparte, der mit der Idee der Scheidung aufgrund beiderseitigen Einverständnisses den Grundstein für die endgültige gesetzliche Ausgestaltung des Ehescheidungsrechts gelegt hat. Dies hat Emmery getan. Vergleicht man jedoch den Kern seiner Ausführungen im ersten Diskussionsabschnitt mit seiner späteren Theorie vom beiderseitigen Einverständnis, so werden starke übereinstimmende Strukturen deutlich. Stets legte er großen Wert auf eine Lösung der Ehe ohne Aufsehen. Insbesondere sollten ehrenrührige Gründe nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Insgesamt bleiben jedoch bei der Betrachtung seiner Beiträge die Unsicherheiten offenkundig, die er bei der Definition der Scheidungsgründe an den Tag legte, doch ging es ihm hier nicht anders als allen anwesenden Rechtsgelehrten. Aufgrund seiner Initiative wurde der Gedanke des beiderseitigen Einverständnisses unter Aufsicht der Eltern oder Großeltern im Code civil, und zwar in Art. 278, verankert.
bb) Bonapartes Verständnis von der Unauflösbarkeit der Ehe Seine Auffassung von der Unauflösbarkeit der Ehe hat der Erste Konsul folgendermaßen formuliert 41 2 : ,.Die Ehe ist unauflösbar in dem Sinne, daß die 407 408 409
410 411 412
Locre, Bd. 5, S. 126; Favard, Bd. 2, S. 192. Locre, Bd. 5, S. 126; Favard, Bd. 2, S. 192. Locre, Bd. 5, S. 126. Locre, Bd. 5, S. 127; Favard, Bd. 2, S. 193. Locre, Bd. 5, S. 128; Favard, Bd. 2, S. 193. Sitzung vom 16. Vendemiaire X [8. Oktober 1801].
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Eheleute im Augenblick der Eheschließung die feste Absicht haben müssen, sie nie aufzulösen und auch nicht auf die zufälligen, oft strafbaren Ursachen zu bauen, die die Auflösung der Ehe notwendig machen können. Daß die Unauflösbarkeit der Ehe aber in jedem Fall unabänderlich ist, ist eine Behauptung, die durch Beispiele aller Jahrhunderte widerlegt worden ist. Es liegt nicht in der Natur der Dinge, daß zwei eigenständige Wesen jemals vollkommen eins werden. 413 Die eheliche Gemeinschaft ist nicht wie ein Apfelbaum, auf den man etwas aufpfropfen kann, was dann mit diesem wirklich eins wird. Die menschliche Natur ist einfach anders. 414" Noch auf Sankt Helena verteidigte er die Beschränkung der Unauflösbarkeit der Ehe. Am 13. Mai 1818, zwei Jahre nach der Abschaffung der Ehescheidung in Frankreich, sagte er zu Montholon: "Über die Trennung oder die Unantastbarkeit des ehelichen Bandes reden heißt, über Kleinigkeiten streiten. Das ist keine Frage des Prinzips. Will man das eheliche Band unauflöslich machen, bedeutet dies, das Verbrechen heraufzubeschwören, ja, daß man einen Dorfpfarrer über die Macht des Gesetzes stellt. Die Trennung von Tisch und Bett ist nur ein mezzo termine, der nur in den oberen Schichten Anwendung finden kann. Das Volk findet darin keinen Schutz. Die kleinen Leute wären dazu verdammt, ihr Leben lang unter dem Irrtum eines einzigen Tages zu leiden, oder aber zu einem Verbrechen Zuflucht zu nehmen ... Das wäre ein Rückschritt ins Mittelalter, damit kehrte man zur Feudalordnung zurück, zu einer Ordnung also, die durch die Revolution von '89 vollständig zerstört worden ist." 415 b) Die Motive des Ersten Konsuls in der Ehescheidungsfrage
Der große Einsatz Bonapartes in der Scheidungsdebatte hat in der Literatur Anlaß zu zahlreichen Spekulationen über seine Beweggründe gegeben. aa) Der Vorwurf der Kompensation
Man hat Bonaparte vorgeworfen, er habe mit der Beibehaltung der Ehescheidung die Revolution dafür entschädigen wollen, daß er Prinzipien des Ancien Regime wieder habe aufleben lassen, die ansonsten seine Rolle als Neuerer in Frage gestellt hätten. 416 Solche Kompensationsbestrebungen sind jedoch unwahrscheinlich, da die Ehescheidung gerade mehrheitlich von der Bevölkerung abgelehnt wurde 417 •
413 414 415 416 417
Locre, Bd. 5, S. 85; Favard, Bd. 2, S. 156 f. Thibaudeau, Consulat, S. 446. Montholon, Bd. 2, S. 273. Rapetti, Nouvelle Biographie Generale, Bd. 27, S. 268. Perouse, S. 131.
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bb) Der Vorwurf rein persönlicher Beweggründe
Man hat bei Bonaparte auch rein persönliche Motive vermutet, die ihn veranlaßt haben sollen, sich für die Einfügung des Instituts der Ehescheidung in den Code einzusetzen. 418 Dubedat hat gesagt, Bonapartes persönliches Interesse an der Möglichkeit der Ehescheidung habe aus jedem seiner Worte gesprochen. 419 Locre meint, Bonaparte habe seine Herrschaft über Frankreich als Monarchie fundieren wollen und darum die Notwendigkeit einer eigenen Nachkommenschaft erkannt. 420 Diese Nachkommenschaft habe seine unfruchtbare Ehefrau ihm aber nicht geben können. 421 Daher habe er sich mit dem Gedanken einer Scheidung anfreunden müssen, obwohl er innerlich die Ehescheidung verachtete. 422 Locre stützt seine Behauptung auf folgendes: Auf Napoleons Anweisung habe er die "Statuten für die Kaiserliche Familie" abgefaßt und, da er nicht gewußt habe, ob die Familie dem allgemeinen Recht unterstellt werden sollte, zwei Artikel entworfen, wovon der eine das Verbot der Ehescheidung für die Mitglieder der kaiserlichen Familie vorsah, während der andere die vom Kaiser autorisierte Scheidung billigte. Napoleon habe den zweiten Artikel gestrichen. 423 Mit Locre daraus eine prinzipiell ablehnende Haltung Napoleons gegenüber der Scheidung im allgemeinen abzuleiten, ist allerdings ebenso verfehlt wie die Behauptung Thibaudeaus, Napoleon habe seine Meinung geändert 424 • Mit dem Verbot der Ehescheidung in den "Statuten für die Kaiserliche Familie" wollte der Kaiser lediglich verhindern, daß das Ansehen seiner Familie durch Scheidungsauseinandersetzungen in Mißkredit 425 geriet. Nach Locre soll Bonaparte auch sinngemäß gesagt haben: "Die Scheidung sollte in unser Recht gehören. Die Religionsfreiheit verlangte es, aber es wäre ein großes Unglück, wenn sie zur Gewohnheit würde. Was ist eine aufgelöste Familie? Da werden plötzlich die Ehegatten zu Fremden, nachdem sie doch zunächst aufs engste . .. miteinander gelebt haben, und können sich doch nicht vergessen. Und bedenken Sie das Schicksal der Kinder, die keinen Vater mehr haben! Kinder, die nicht mehr gemeinsam diejenigen umarmen können, die ihnen das Leben geschenkt haben! Die verpflichtet sind, beide zu lieben und zu respektieren und dabei gezwungen sind, Partei zu ergreifen. Die in Gegenwart der geschiedenen Eltern nicht wagen, die traurige Ehe zu erwähnen, aus der sie hervorgegangen sind. Hüten wir uns, die Scheidung zu propagieren! Von allen Gebräuchen wäre sie der schlimmste. Aber drücken wir auch nicht dem Ehemann, 418 419 42o 421 422 423 424 425
Savatier, S. 42; Jac, S. 66 ff.; Locre, Bd. 5, S. 4. Dubedat, S. 101. Locre, Bd. 1, S. 92. Locre, Bd. 1, S. 92 f. Locre, Bd. I, S. 93. Locre, Bd. 1, S. 93. Thibaudeau, Consulat et Empire, Bd. 3, S. 205 ff. Hortense, Bd. 2, S. 65.
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der sich scheiden läßt, den Stempel der Schande auf, sondern bedauern wir den Mann, dem ein so großes Unglück widerfahren ist. Hoffen wir, daß unsere Sitten dieses traurige Mittel ablehnen werden, das das Gesetz unglücklichen Eheleuten nicht verwehren konnte."426 Bonaparte hat die Ehescheidung nicht innerlich kategorisch abgelehnt und nur eigenen Zwecken zuliebe propagiert. Er erkannte zwar sehr klar die Schattenseiten einer geschiedenen Ehe und die schlimmen Konsequenzen für die Familie 427, doch sah er auch ein, daß ein Fortbestehenlassen einer für die Betroffenen unerträglichen Lebensgemeinschaft eine zu große Härte darstellte. Nach der Krönung, also nur etwa drei Jahre nach der Scheidungsdebatte, richtete der Papst eine Beschwerde bezüglich der die Ehescheidung betreffenden Regelungen des Code an den Kaiser. Die Antwort, die Napoleon durch Portalis an Pius VII. richten ließ, spiegelt die Haltung wieder, die er als Vorsitzender des Staatsrates in der Scheidungsdebatte eingenommen hatte: "Seine Heiligkeit sagt, daß die die Scheidung betreffenden Regelungen des Code civil nicht mit dem kirchlichen Dogma der Unauflösbarkeit der Ehe in Einklang stehen. Er wünscht eine entsprechende Änderung der französischen Gesetzgebung. Das Zivilrecht vermag aber die Scheidung in einem Land nicht zu verbieten, das aufgrund der Religionsfreiheit Glaubensrichtungen toleriert, die sie zulassen. Es wäre in jedem Falle wenig klug, eine Gesetzgebung plötzlich ändern zu wollen, die sich in fünfzehnjähriger Revolution gefestigt hat. Im allgemeinen kann das Zivilrecht nur eine relative Güte besitzen. Es muß sich den Umständen entsprechend anpassen, in denen sich ein Volk augenblicklich befindet. Die Zeit ist es, die die Zivilgesetze verbessern muß. Den Kirchengesetzen obliegt es, das absolut Gute, das von Natur aus unveränderlich ist, zu empfehlen." 428 Hier zeigt sich, daß Napoleon, die Vor- und Nachteile einer Ehescheidung vor Augen, auf diplomatische Art zum Ausdruck gebracht hat, daß die weltlichen Gesetze unabhängig von der Kirche bestünden. In einem Brief vom 5. Juni 1806 an seinen Bruder Joseph 429, den König von Neapel, nahm der Kaiser anläßlich des Widerstandes der Katholiken in Neapel wie folgt Stellung zur Ehescheidung: "Falls die Ehescheidung Ihnen in Neapel nicht paßt, habe ich nichts dagegen, daß Sie den Artikel wegfallen lassen. Trotzdem finde ich ihn nützlich. Denn warum sonst spricht der Papst die Scheidung aus wegen Zeugungsunfähigkeit oder anderer Fälle höherer Gewalt?" 430 Im Jahre 426 Locre, Bd. 1, S. 93. 427 Auf Sankt Helena sagte er am 9. Januar 1817 zu Gourgaud, Ed. Aubry, Bd. 1, S. 271 : "Die Ehescheidung ist für eine Frau äußerst nachteilig. Einem Mann, der mehrere Ehefrauen hatte, sieht man das nicht an, wohingegen eine Frau, die mehrere Ehemänner hatte, vollkommen verblüht wirkt." 428 Correspondance, Nr. 8457, Bd. 10, S. 302 ff., (vermutlich) vom 30. Yentose XIII [21. März 1805]. 429 Nicht, wie Savatier, S. 41, irrig meint, Napoleons Schwager Joachim Murat, der Joseph erst am 15. Juli 1808 auf den Thron nachfolgte.
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1808 hatte er sich wieder mit der Scheidungsfrage in Neapel auseinanderzusetzen. Murat, der inzwischen an Stelle von Joseph, der König von Spanien geworden war, den Thron in Neapel bestiegen hatte, wurde vom Kaiser mit Schreiben vom 27. November 1808 belehrt: "Die wichtigste Regelung im Code Napoleon ist die Scheidung. Sie bildet das Fundament. Sie dürfen keinesfalls daran rühren. Das ist das Gesetz des Staates. Eher soll Neapel wieder dem ehemaligen König von Sizilien 431 gehören, als daß der Code Napoleon so verstümmelt wird. Die Scheidung steht der Religion nicht entgegen. Wer sie mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, braucht sich ihrer ja nicht zu bedienen. Ich dulde jedenfalls in meiner Eigenschaft als Garant der Verfassung keine Abänderung des Code Napoleon. Er ist im ganzen Königreich Italien eingeführt. Florenz hat ihn, Rom bald auch, und es muß endlich Schluß damit sein, daß die Priester sich in Vorurteilen ergehen und überall einmischen." 432 Einen Monat später, am 14. Dezember 1808, richtete der Kaiser seinem Außenminister Champagny aus, daß der Code civil in Neapel ohne jede Ausnahme, insbesondere hinsichtlich der Ehescheidung, eingeführt werden müsse. 433 Napoleon hielt nach alledem die Möglichkeit der Ehescheidung für unbedingt erforderlich. Endgültigen Aufschluß über seine persönliche Einstellung zur Scheidung von seiner Frau gibt sein Gespräch mit Bertrand im März 1818 auf Sankt Helena. Dort äußerte er rückblickend: "Die Ehescheidung war eine ganz natürliche Angelegenheit, sehr politisch und so immens wichtig für alle Welt, daß ich sie nie als problematisch angesehen habe. Ich wußte genau, daß ich Josephine und ihre Kinder leicht dazu bewegen konnte, darin einzuwilligen. Fouche 434 hat beinahe alles verdorben, weil er seine Nase da reingesteckt hat 435 • Dafür, daß er es gewagt hatte, mein Bett in die Öffentlichkeit zu zerren, hätte ich ihn entlassen, wenn dies nicht den Anschein erweckt hätte, daß an der Scheidungsidee nichts gewesen sei. Als ich mich dazu entschlossen hatte 436 , erklärte ich der Kaiserin, daß die Notwendigkeit der Ehescheidung in ihr begründet liege. Ich habe die Kaiserin Correspondance, Nr. 10314, Bd. 12, S. 527 f. Ferdinand I., 1751 bis 1825, aus dem Hause der Bourbonen, Nouvel/e Biographie Generale, Bd. 17, 403 ff. 432 Correspondance, Nr. 14519, Bd. 18, S. 99 f. [99]. 433 Correspondance, Nr. 14559, Bd. 18, S. 137 f. [137]. 434 Joseph FoucM, 1759 bis 1820, von Napoleon zum Herzog von Otranto gemacht, zum damaligen Zeitpunkt Polizeiminister. Siehe Fauche, Memoires. 435 Für diese Affaire um FoucM siehe auch Correspondance, Nr. 14110, vom 17. Juni 1808, Bd. 17, S. 367. 436 Nach dem eigenen Bekunden faßte Napoleon diesen Entschluß erst nach der Schlacht von Wagram [6. Juli 1809]: Napoleon im Jahre 1820 und am 26. Januar 1821 zu Bertrand, Bd. 2, S. 442, u. Bd. 3, S. 48; als Grund nannte er: "Ich hatte die Befürchtung, daß ich, wenn ich noch länger wartete, keine Kinder mehr haben könnte.", Napoleon am 26. Januar 1821 zu Bertrand, Bd. 3, S. 48. Deshalb ist die Behauptung Cronins, S. 398, das auslösende Moment sei der fehlgeschlagene Attentatsversuch Staps' vom 12. Oktober 1809 gewesen, nicht haltbar. 430 431
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mit der Gewißheit krönen lassen, mich einmal scheiden zu lassen ... Die Scheidung (ohne die Krönung) hätte nämlich möglicherweise den Eindruck erweckt, daß ich mich aus einer lächerlichen ... Ehe befreien wollte. Dagegen trug die Scheidung als feierlicher Akt nach der Krönung, die ebenfalls ein feierlicher Akt war, nur zur Festigung der Stellung der Kaiserin bei . . . Meine Regierung und meine Dynastie mußten konsolidiert werden. Und darum brauchte ich Kinder. Das Volk erwartet Kinder von dem, den es erwählt hat. Brüder und Neffen gewinnen die Sympathie des Volkes bei weitem nicht so wie eigene Kinder .. . " 437 Napoleon hat in den Wochen vor der Kaiserkrönung vergeblich versucht, sich dem beharrlichen Wunsch seiner Frau 438 nach einer kirchlichen Hochzeit zu entziehen 439 • Einen Tag vor der Krönung, am 1. Dezember zwischen l3 und 14 Uhr, ließ Napoleon den Kardinal Fesch wissen, daß er keine Zeugen, die für die Gültigkeit der kirchlichen Hochzeit Voraussetzung waren, wünsche. 440 Entsprechend wurden er und Josephine ohne Zeugen noch am selben Nachmittag gegen 16 Uhr getraut. 441 Wenige Tage später erklärte der Kaiser dem Kardinal Fesch, er habe diese Trauung nur vornehmen lassen, um die Kaiserin zu beruhigen. "Er erklärte mir", berichtet Fesch, "daß er nicht auf eine direkte Nachkommenschaft verzichten konnte, wenn er ein Reich gründete." 442 Napoleon wollte sich die Möglichkeit der legalen Trennung von seiner Frau vorbehalten. Diesen inneren Vorbehalt muß er auch bereits zum Zeitpunkt der Scheidungsdebatte gehabt haben. Seit dem Staatstreich vom 18. Brumaire hatte er nämlich beständig darauf hingearbeitet, Herrscher über Frankreich zu werden 443, und er wußte schon damals, daß seine Frau ihm keine Kinder schenken konnte 444 • Daß er als weitblickender Politiker die Möglichkeit der Ehescheidung in seine Überlegungen einbezogen hatte, bezeugen zwei Äußerungen, die Napoleon gegenüber seinem Bruder Joseph und Roederer im November 1804 gemacht hat. Zu Joseph sagte er, er habe sich bis zum Zeitpunkt seiner Reisen in die Normandie und nach Belgien nicht von seiner Frau getrennt, obwohl er die Notwendigkeit erkannt und die Scheidung für ihn immer festgestanden habe 445 • Bertrand, Bd. 2, S. 80. Bericht des Kardinals Fesch vom 6. Januar 1810, zit. Gregoire, S. 52. Siehe auch Marchand, Bd. 1, S. 82. 439 Bericht Feschs vom 6. Januar 1810, zit. Gregoire, S. 52 f.; vgl. ebenso Pasquier, Bd. 1, S. 367. 440 Bericht Feschs, zit. Gregoire, S. 52. 441 Bericht Feschs, zit. Gregoire, S. 52 f.; Pasquier, Bd. 1, S. 367, der sich auf das Zeugnis des Sohnes des Kultusministers Portalis beruft; Zeugnisse Berthiers und Durocs vom 6. Januar 1810, zit. Gregoire, S. 53 f. 442 Bericht Feschs und Zeugnisse Berthiers und Durocs, zit. Gregoire, S. 52 ff.; vgl. Pasquier, Bd. 1, s. 367. 443 Sarrazin, S. 141; Vandal, Bd. 2, S. 525. 444 Spätestens im Frühjahr 1798 war sich Bonaparte über die Unfruchtbarkeit Josephines im Klaren, wie die Mitteilung bei Hortense, Bd. 1, S. 132, bezeugt; siehe auch Meneval, Josephine, S. 65, u. Cronin, S. 187. 437
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Dort habe er dann aber die Erkenntnis gewonnen, daß es dieses großen Schrittes vorerst nicht bedurfte. 446 In ähnlicher Weise äußerte sich Napoleon vor der Erhebung zum erblichen Kaiser Roederer gegenüber: "Wegen der Gerechtigkeit habe ich mich nicht scheiden lassen. Mein Interesse, ja die Staatsraison forderten meine Wiederverheiratung. Aber ich habe mir gesagt: Wie komme ich nur dazu, mich von dieser guten Frau zu trennen, nur um noch mächtiger zu werden! Hätte man mich ins Gefängnis geworfen oder ins Exil geschickt, hätte sie mein Schicksal geteilt." 447 Auch bezeugen Locre 448 und Roederer 449 , daß Josephine sich während der Scheidungsdebatte jeden Abend nach Schluß der Sitzungen nach dem Stand der Diskussion erkundigt habe, insbesondere ob und unter welchen Voraussetzungen die Ehescheidung in das Zivilgesetzbuch aufgenommen werde. Bonaparte hat also die Notwendigkeit der Ehescheidung für seine Person für durchaus möglich gehalten. Das bedeutet aber noch nicht, daß er die Debatte auf seine Bedürfnisse zugeschnitten hat. Gegen die Theorie der persönlichen Motive spricht zunächst der Umstand, daß die Scheidung vom Staatsrat gebilligt wurde, ohne daß es einer befürwortenden Intervention des Ersten Konsuls bedurfte. Er hätte der Debatte ihren Lauf lassen können, ohne sich exponieren zu müssen, wenn es ihm nur darum zu tun gewesen wäre, seine eigene Scheidung vorzubereiten oder sich diese Option offen zu halten. 450 Hätte er eigene politische Ziele verwirklichen wollen, wäre er bei den Debatten sicher vorsichtiger verfahren, um zu vermeiden, daß der Verdacht einer Ehescheidung ihn in den Augen der breiten Öffentlichkeit diskreditierte, da Josephine vom Volk sehr verehrt wurde. Noch 1808, wohl auf dem Höhepunkt seiner Macht, sorgte er sich um sein Ansehen und die Bedrohung durch unbegründete Scheidungsgerüchte 451 • Seine an Cambaceres gerichtete Beschwerde über den Polizeiminister 452 stammt vom 17. Juni 1808. Darin heißt es, man habe ihm, dem Kaiser, hinterbracht, daß bei Fouche überspannte Reden geführt würden. Seit den Gerüchten über seine Scheidung, heiße es, spreche man ständig in dessen Salon darüber, obwohl er, der Kaiser, Fouche seine Meinung darüber mindestens zehnmal gesagt habe 453 • "Dadurch wird der Souverän in Mißkredit gebracht, und das Volk nur verrückt gemacht." 454 Napoleons Sorge muß zu Beginn seiner Karriere, also im Oktober 1801, noch weit größer gewesen sein. Den Umstand, daß Bonaparte die Protokolle 445 Die Reisen fanden statt vom 7. bis 22. Brumaire XI [29. Oktober bis 13. November 1802] und vom 5. Messidor bis 18. Thermidor XI [24. Juni bis 6. August 1803]. 446 Miot de Melito, Bd. 2, S. 239. 447 Roederer, Memoires, S. 204 f. 448 Locre, Bd. 1, S. 94. 449 Roederer, Memoires, S. 154 u. 167. 450 Ebenso Perouse, S. 133 u. 135. 451 Siehe zu den Gerüchten Hortense, Bd. 1, S. 331 , die mitteilt, nach Tilsit seien Scheidungsgerüchte aus der Umgebung des Kaisers laut geworden. 452 Fouche. 453 Siehe auch Meneval, Bd. I, S. 213 u. 225. 454 Correspondance, Nr. 14110, Bd. 17, S. 367.
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der Ehescheidungsdebatte von der Veröffentlichung hatte ausnehmen lassen, hat man zum Beweis für die bloße Vermutung herangezogen, daß er befürchtet habe, seine persönlichen Motive würden zutage treten. 455 Dabei hat Bonaparte dies nur getan, weil er Sorge hatte, seine Äußerungen in der Scheidungsdebatte könnten zu dem irrigen Schluß verleiten, er verfolge persönliche Motive. Die Protokolle enthalten Äußerungen des Ersten Konsuls, die ganz offensichtlich gegen eine persönliche Voreingenommenheit sprechen. So hatte er vorgeschlagen, die Ehescheidung nach zehnjähriger Ehe nicht mehr zuzulassen, was auch vom Staatsrat gebilligt worden war. Er hatte seine Frau am 19. Ventose IV [9. März 1796] geheiratet. Eine Scheidung wäre für ihn nach dieser Regelung im Frühjahr 1806 nicht mehr möglich gewesen. Anstatt persönliche Vorteile durchzudrücken, ging es ihm darum, Ehen, die sich bereits in zehn Jahren bewährt hatten, vor einer Auflösung aufgrund von oberflächlichen Launen eines der Ehegatten zu schützen. 456 "Ein Mann von Ehre läßt sich nur wegen eines Ehebruchs scheiden!" 457 hat er seinen Staatsräten gesagt und damit konkludent dokumentiert, daß eine Scheidung nach bürgerlichem Recht für ihn nicht in Frage komme, denn als Regierungschef hätte er sich nicht die Blöße geben können, diesen Scheidungsgrund anzugeben. Sodann vermag die Theorie der persönlichen Motive keine Antwort auf die Frage zu geben, warum Bonaparte im Staatsrat anfänglich ohne Konzept, ohne klare Linie gesprochen hat. 458 Wie die Protokolle zeigen, war er von einem festen Programm weit entfernt. Hätte er seine eigene Scheidung vorbereiten wollen, hätte er dem Staatsrat ein fertiges Konzept vorgelegt. Seine Unsicherheit in Detailfragen, sein leidenschaftliches Eintreten für die Belange des Einzelnen, gegen das nach seiner Ansicht feudalistische Institut der Scheidung von Tisch und Bett, sprechen aber dafür, daß es ihm sehr ernst war mit seiner Aufgabe als Gesetzgeber und seiner Verpflichtung, dem französischen Volk ein gutes Gesetzbuch zu geben. 459 Die Scheidung war in seinen Augen das einzige Mittel, die Ehe betrogener Ehemänner zu lösen und dem zuweilen entehrenden Einfluß der Frauen ein Ende zu bereiten. Immer wieder evozierte er in der Debatte die lockeren Sitten der Frauen der Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Die Ehescheidung war für ihn aber auch die zwingende Konsequenz der Säkularisation der Ehe, wie die Diskussion mit Papst Pius VII. veranschaulicht. Wie auch in der Adoptionsfrage 460 war Bonaparte sich hier im klaren, daß er sein persönliches Ziel nur über einen Senatsbeschluß, nicht aber auf zivilrechtliebem Wege erreichen würde. Das belegt Napoleons Äußerung aus dem März 1818 gegenüber Bertrand461. Locre, Bd. 1, S. 98 f. Siehe Favard, Bd. 2, S. 142. 457 Thibaudeau, Consulat, S. 440 f. 458 Ebenso Perouse, S. 133 u. 135. 459 So auch Thibaudeau, Consulat et Empire, Bd. 3, S. 205 ff. 460 Siehe unten S. 181. 461 Siehe oben S. 145 f. 455
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II. Erstes Buch, sechster Titel des Code civil
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All das zeigt, daß Bonaparte in der Scheidungsdebatte nicht in unehrenhafter Weise persönliche Motive verfolgt hat. c) Fünftes Kapitel: "Von der Scheidung von Tisch und Bett"
Die Revolution hatte mit ihrem Gesetz von 1792 mit der alten Rechtstradition gebrochen und die Scheidung von Tisch und Bett verboten. Der Entwurf war auf dieses Rechtsinstitut nicht eingegangen, es hatte nicht einmal Erwähnung gefunden. 462 Die Scheidung von Tisch und Bett fand auch im Staatsrat kaum Anhänger. Lediglich Portalis und Maleville verfochten sie. Maleville sprach von den Vorteilen, die dieses Institut für die Kinder bringen würde. Die befragten Gerichte sprachen sich für eine Wiedereinführung aus. Mit dem Institut der Scheidung von Tisch und Bett, so argumentierte man, könne man diejenigen vor Gewissenskonflikten bewahren, die aus religiösen Motiven eine Scheidung ablehnten. 463 Bonaparte war innerlich gegen die persönliche Trennung 464, doch sorgte er in der Sitzung vom 26. Vendemiaire X [18. Oktober 1801] für einen geordneten Ablauf der Debatte. Es stand nämlich aufgrund des Verlaufs der Diskussion zu besorgen, daß Ehescheidung und persönliche Trennung ihre Konturen verloren. Er forderte deshalb, für jedes Rechtsinstitut ein besonderes Kapitel einzurichten465: "Ehescheidung und Scheidung von Tisch und Bett sind Parallelen. Da aber Parallelen sich niemals berühren können, ist es besser, über sie getrennt nachzudenken." 466 Trotz seiner Vorbehalte erkannte der Erste Konsul die moralische Berechtigung der persönlichen Trennungangesichts des religiösen Verbotes der Ehescheidung. "Der Respekt vor den Religionen verlangt die Möglichkeit der persönlichen Trennung" 467 , sagte er in der Sitzung vom 14. Vendemiaire X [6. Oktober 1801]. Jedoch wollte er diesem Institut keinesfalls eine Vorrangstellung zubilligen. Er wollte nämlich vermeiden, daß sich alle Welt statt der Scheidung mit der persönlichen Trennung begnügte. Seiner Meinung nach zog sie eine Auseinandersetzung nach sich, die für unangenehmes Aufsehen sorgen mußte. 468 Des weiteren bemühte er sich um den Erhalt der guten Sitten, die er durch das Verbot, bei einer persönlichen Trennung eine neue legitime Verbindung einzugehen, gefahrdet sah. 469 Er kritisierte den Umstand, daß eine ehrlose Frau, 462 Locre, Bd. 5, S. 3. 463 Favard, Bd. 2, S. 254. 464 Locre, Bd. 5, S. 132. 46s Locre, Bd. 5, s. 142. 466 Locre, Bd. 5, S. 134; Favard, Bd. 2, S. 256. 467 Locre, Bd. 5, S. 56; Favard, Bd. 2, S. 256. 468 Locre, Bd. 5, S. 55 f . 469 Locre, Bd. 5, s. 56.
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
die von ihrem Manne getrennt lebe, desssen Namen entehren und von einem anderen Mann empfangene Kinder in die Familie einbringen könne 470 • Für ihn schuf die Scheidung von Tisch und Bett keine klaren Verhältnisse, sondern eine Grauzone, die zum Nachteil der Familien und ihrer Mitglieder führen mußte. Das Vermögen werde aufgezehrt, die Familie gespalten, und die Kinder seien die Leidtragenden, gab er seinem Staatsrat zu bedenken. Die Moral und das Interesse der Kinder forderten deshalb die Scheidung. 471 Bonaparte wollte die persönliche Trennung nur für Gründe minderschwerer Art, also für solche zulassen, die keine Scheidungsgründe darstellten. Der Ehebruch sollte folglich kein Grund für die Trennung sein, da er die Grundlagen der Ehe zerstöre. 472 Durch die Scheidung wegen Ehebruchs werde der Ehre des Mannes Genugtuung verschafft und die schuldige Frau bestraft, indem sie den Namen des Mannes verliere. 473 Bei der persönlichen Trennung sei es anders, und darum müsse, so meinte der Erste Konsul im Staatsrat, das Gesetz dem Rechnung tragen. 474 In derselben Sitzung, also am 26. Vendemiaire X [18. Oktober 1801], sagte er, es gehe nicht an, daß die Sitten und Gebräuche durch eine Nichtverfolgung des Ehebruchs beeinträchtigt würden, denn dann wäre die Gesetzgebung unmoralisch. Eine Nichtbestrafung führe ansonsten nämlich zu einer Trennung, die es der ehebrecherischen Frau erlaube, nunmehr mit ihrem Liebhaber zusammenzuleben. 475 Der Erste Konsul trug maßgeblich dazu bei, daß das Institut der persönlichen Trennung neben der Ehescheidung im Code civil verankert wurde.
7. Siebter Titel: "Von Vaterschaft und Abstammung" Die gesamte Vaterschaftsdebatte war geprägt durch die aufgrunddes damaligen Standes der Wissenschaft bedingte Unsicherheit einer medizinischen Bestimmbarkeil der Vaterschaft. 476 a) Art. 1, l. Kapitel des Entwurfs
Der Entwurfs hatte eine Regelung vorgesehen, nach der das in der Ehe empfangene Kind den Ehemann zum Vater haben sollte:
Locre, Bd. 5, S. 56; Favard, Bd. 2, S. 254 f. Favard, Bd. 2, S. 161. 472 Locre, Bd. 5, S. 134; Favard, Bd. 2, S. 255 u. 258. 473 Locre, Bd. 5, S. 133. 474 Locre, Bd. 5, S. 133 f.; Favard, Bd. 2, S. 255. 475 Locre, Bd. 5, s. 136. 476 Napoleon sagte im Januar 1818 auf Sankt Helena zu Bertrand: ,,Der Vater kann dessen niemals sicher sein. Bei der Mutter ist man es immer." Bertrand, Bd. 2, S. 17; vgl. ebenso Hortense, Bd. 1, S. 210 f. 470
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Art. 1 des Entwurfs: L' enfant com;u pendant le mariage a pour pere le mari. La loi n' admet contre cette paternite, ni I' exception d' adultere de Ia part de Ia femme, ni I' allegation d' impuissance naturelle ou accidentielle de Ia part du mari. 477
[Das während der Ehe empfangene Kind hat den Ehemann zum Vater. Das Gesetz läßt gegen diese Feststellung der Vaterschaft weder die Einrede des Ehebruchs der Frau noch den Einwand der natürlichen oder unfallbedingten Zeugungsunflihigkeit zu.]
Cambaceres forderte in der Sitzung vom 14. Brumaire X [5. November 1801] eine Ausnahme von der gesetzlichen Vermutung für den Fall, daß die Umstände offensichtlich gegen die Vaterschaft des Ehemannes sprächen. 478 Dagegen verteidigte Bonaparte den in die Debatte eingeführten Grundsatz des
"Pater is est, quem nuptiae demonstrant" 479 • 480 Er verwies auf das Problem der
medizinischen Unbeweisbarkeit, auf die Notwendigkeit des Schutzes der Autorität des Ehemannes und auf die Interessen des Kindes: "Ein Kind ist nicht immer die Folge eines Ehebruches. Wenn eine Frau mit ihrem Gatten und einem anderen Mann schläft, muß man davon ausgehen, daß das Kind vom Ehemann ist. Es spricht nichts dagegen, daß es nicht von ihm ist. Es ist dagegen sogar sehr wahrscheinlich, daß er der Vater ist. Die Zeugungsunfahigkeit ist ein unklarer Begriff. Sie kann durchaus vorübergehend sein. Welcher Arzt kann schon eine Diagnose über die Ursache der Zeugungsunfähigkeit abgeben und dafür einstehen, daß nicht die geringste Möglichkeit der Potenz besteht? 48 1 Im Zweifelsfalle muß 477 478 479
Locre, Bd. 6, S. 25; Fenet, Bd. 10, S. 3 f. Leiere, Bd. 6, s. 31 f.
Paulus D. 2, 4, 5.
Locre, Bd. 6, S. 33. 481 Thibaudeau, Consulat, S. 449 f.; auf die Schwierigkeit, eine Zeugungsunflihigkeit im Prozeß zu beweisen, wies Bonaparte Cambaceres mit folgenden Worten hin: "Sie sind doch ein erfahrener Anwalt! Haben Sie jemals einen Fall von Zeugungsunflihigkeit erlebt? Wohl kaum, denn wenn es zum Beweis kommt, wird die Frau stets sagen, daß das Kind die Zeugungsflihigkeit beweise.", Thibaudeau, Consulat, S. 450; zu Bonapartes Mißtrauen gegen die ärztliche Kunst siehe seine Stellungnahme in der Sitzung vom 14. Brumaire X [5. November 1801], Locre, Bd. 6, S. 42: "Der vollkommene Sachverstand ist in der Heilkunde nicht so universell verbreitet, daß man sich blind jedem anvertrauen kann, der sie ausübt." In diesem Sinne auch sein Gespräch vom 19. Mai 1816 mit Bertrand, Bd. I, S. 46: "Ich wiederhole, daß ich nur an einen Arzt, nicht aber an die Medizin schlechthin glaube. Sie ist eine physikalisch-mathematische Wissenschaft, die zweifellos eine Menge Kenntnis verlangt, doch macht deren Aneignung noch keinen Arzt; dazu bedarf es der Erfahrung und eines guten Urteilsvermögens ... Für gewöhnlich tötet die Medizin mehr Menschen als sie heilt."; "Die Medizin ist eine Anhäufung von blinden Vorschriften, die die Armen umbringt und bei den Reichen manchmal wirkt, und im großen und ganzen der Menschheit eher schädlich als nützlich ist", Napoleon am 27. Oktober 1819 zu seinem Arzt Antommarchi, Bd. I, S. 169; zu dems., Bd. I, S. 184, am 31. Oktober 1819: "Man schlug mir Desgenettes [als Arzt] vor. War mir auch recht. Dieser Schwätzer hielt mir aber einen so langen Vortrag und verschrieb mir jede Menge Arzneien, daß ich bei meiner Überzeugung blieb, daß ... diese Kunst Betrug ist."; und am 14. Oktober 1820 zu dems., Bd. 2, S. 35: "Sie wissen nur zu gut, lieber Doktor, daß die Heilkunst nur darin besteht, den Geist zu benebeln und zu beruhigen. 48o
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immer zugunsten des Kindes davon ausgegangen werden, daß der Ehemann der Vater ist. 482 Das Kind kann sich ja nicht wehren, wenn seine Legitimität in Frage gestellt wird. Darum muß der Gesetzgeber ihm zu Hilfe kommen. Das Kind ist in der Ehe geboren worden, und dieser Umstand spricht zu seinen Gunsten. Und um jedem Zweifel vorzubeugen, muß die Regelung absolut gefaßt werden. 483" Bonaparte betonte, daß es bei der Frage der Abstammung nicht um die Interessen der Frau, sondern um die des Kindes gehe. Das Gesetz müsse die Interessen des Kindes wahren. 484 Tue es dies, so erhalte man einen guten Bürger. Denn was solle ansonsten aus demjenigen werden, den alle verachten und verstoßen. 485 "Solange die Möglichkeit besteht, daß das Kind vom Ehemann stammt, muß der Gesetzgeber die Augen schließen. 486 Sollte der Ehemann zeugungsunfahig sein und dies vorbringen, müßte man sagen: ,Soll er doch froh sein, daß ein anderer das Kind für ihn gemacht hat!' 487", meinte Bonaparte. Nach seiner Auffassung konnte die Gesellschaft kein Interesse an der Geburt unehelicher Kinder haben. Die unehelichen Kinder waren zwar, durch die Revolutionsgesetzgebung nunmehr den ehelichen gleichgestellt 488 , nicht mehr rechtlich benachteiligt, jedoch weiterhin sozial diskriminiert. Ziel der Intervention Bonapartes war, die Zahl der außerehelichen Kinder zu verringern. Gleichzeitig stellte nach Bonapartes Ansicht jede Ausnahme vom Grundsatz des Pater is est eine Bedrohung der Autorität des Ehemannes dar. Mit dem Blick auf die Sitten der Frauen zur Zeit des Directoire sagte er: "Ein Ehemann muß eine absolute Machtstellung innehaben und seiner Frau sagen können: ,Madame, Sie gehen nicht aus, Sie gehen nicht ins Theater, Sie treffen nicht diesen oder jenen, denn die Kinder, die Sie bekommen werden, werden auch meine sein.' 489 Hätte der Mann nicht dieses Privileg, würde die Frau ihm antworten: ,Warum wollen Sie meine Freiheit einschränken? Wenn Sie meine Tugendhaftigkeit in Zweifel ziehen, dann beweisen Sie doch, daß das Kind nicht von Ihnen ist.' 490" Darum habt Du Euch früher imposante Gewänder umgehangen. Heutzutage tragt Du diese Verkleidung nicht mehr .. . Wer weiß, wenn Sie nun plötzlich mit einer riesigen Perücke, einem Bart und einem langen Zopf vor mir stünden, würde ich Sie vielleicht auch für den Gesundheitsgott halten, so aber sind Sie nur ein Quacksalber." Das geringe Vertrauen Napoleons in die Heilkunst bestätigt auch Marchand, Bd. 1, S. 54. 482 Locre, Bd. 6, s. 33. 483 Locre, Bd. 6, S. 34; vgl. Maleville, Bd. 1, S. 311. 484 Thibaudeau, Consu/at, S. 450. 485 Thibaudeau, Consulat, S. 451 ; Locre, Bd. 6, S. 38. 486 "So vermeidet man skandalöse Prozesse, die nicht ausbleiben, wenn man in allen Fällen den Gegenbeweis zuließe", sagte er am 9. Januar 1817 zu Gourgaud, Ed. Aubry, Bd. I, S. 271. 487 Thibaudeau, Consulat, S. 450 f. 488 Ourliac I Malafosse, Bd. 3, S. 450. 489 "[Die Männer] müssen über ihre Frauen absolute Macht haben, um verhindem zu können, daß sie ihnen uneheliche Kinder gebären", sagte der Erste Konsul, Locre, Bd. 6, s. 34. 490 Thibaudeau, Consulat, S. 430 f.; vgl. Locre, Bd. 6, S. 34.
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Als Ausnahme des Pater is est ließ der Erste Konsullediglich die tatsächliche Unmöglichkeit der Zeugung aufgrund örtlicher Abwesenheit gelten, denn nur mit der Einbildung lasse sich kein Kind zeugen. 491 "Wenn man zum Beispiel beweist, daß zum Zeitpunkt der Niederkunft der Frau in Frankreich der Ehemann bei der Schlacht von Almanza war und seit fünfzehn Monaten die Fahnen nicht verlassen hat, kann er nicht als Vater des Kindes angesehen werden." 492 Die Zeugungsunfähigkeit aufgrund eines körperlichen Gebrechens wollte er zunächst nicht akzeptieren. Die Unrichtigkeit seiner Ansicht leuchtete Bonaparte erst ein, als Maleville ihm das Beispiel einer Schußverletzung vorhielt 493 : "Das könnte ja auch mir passieren" 494, meinte er und fügte hinzu: "Die unfallbedingte Zeugungsunfähigkeit kann aber nur dann angenommen werden, wenn die Sache wirklich sonnenklar ist. Alles andere ist bloße Illusion." 495 Der Erste Konsul plädierte dafür, die Regelung so zu fassen, daß der Ehemann das Kind in jedem Falle adoptieren solle. 496 Der letzte Vorschlag fand jedoch nicht Eingang in Art. 312 Code civil, der neben dem allgemeinen Grundsatz des Pater is est die zwei Einschränkungen der örtlichen Abwesenheit und der physischen Unmöglichkeit als gesetzliche Ausschließungsgründe der Vaterschaft beinhaltete: Art. 312 Code civil: L' enfant conf:U pendant /e mariage, a pour pere le mari.
Neanmoins celui-ci pourra desavouer I' enfant, s' il prouve que, pendant /e temps qui a couru depuis /e trois-centieme jusqu' au cent-quatre-vingtieme jour avant Ia naissance de cet enfant, il etait, soit par cause d' e/oignement, soit par I' effet de que/que accident, dans I' impossibilite physique de cohabiter avec sa fqnme. [Ein während der Ehe empfangenes Kind hat den Ehemann zum Vater. Dieser ist jedoch berechtigt, das Kind nicht anzuerkennen, wenn er beweist, daß es ihm in der Zeit vom dreihundertsten bis zum hundertachtzigsten Tag vor der Geburt des Kindes wegen Abwesenheit oder aufgrundeines Unfalls 497 naturgesetzlieh unmöglich gewesen ist, seiner Frau beizuwohnen.]
b) Die Verankerung einer Ausnahme bei Verheimlichung der Schwangerschaft
Bonaparte wies in der folgenden Sitzung vom 16. Brumaire X [7. November 180 I] darauf hin, daß ein Kind nicht als legitim angesehen werden könne, sofern die Schwangerschaft dem Ehemann verborgen worden sei. 498 Der Erste Konsul Thibaudeau, Consu/at, S. 450. Locre, Bd. 6, S. 80. 493 Thibaudeau, Consu/at, S. 451. 494 Thibaudeau, Consulat, S. 452. 495 Thibaudeau, Consu/at, S. 451. 496 Locre, Bd. 6, S. 38, der mißverständlich vom Vater spricht. 497 Die Übersetzung von accident mit ,,Zufall" bei Daniels, Code Napoleon , und in der offiziellen Ausgabe für das Großherzogtum Berg ist unrichtig. 498 Locre, Bd. 6, S. 81. 49 1 492
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schlug deshalb vor, zu den Ausnahmen von der gesetzlichen Vermutung, wie sie in der Sitzung vom 14. Brumaire X [5. November 1801] formuliert worden waren, die der verheimlichten Schwangerschaft hinzuzufügen. 499 Diese sogenannte "moralische Unmöglichkeit" 500 der Vaterschaft fand den Beifall des Staatsrates und sollte im Rahmen des Art. 313 Code civil den Ehemann in die Lage versetzen, die Vaterschaft durch Beweise anzufechten, sofern zu dem Ehebruch der Ehefrau die Verheimlichung der Schwangerschaft kam. Der Umstand der Verheimlichung wurde als stillschweigendes Geständnis der Illegitimität gewertet. Da der Entwurf 501 diese Überlegungen in keinem seiner Artikel verarbeitet hatte, ist der Erste Konsul als der geistige Urheber anzusehen. 502 Die Regelung lautete: Art. 313 Code civil: Le mari ne pourra, en a/Ieguant son impuissance naturelle desavouer I' enfant: il ne pourra le desavouer meme pour cause d' adultere, a moins que Ia naissance ne lui ait ere cachee, au quel cas il sera admis a proposer tous /es faits propres ajustifier qu' il n' en est pas le pere.
[Der Ehemann ist nicht berechtigt, unter Anführung seiner natürlichen Zeugungsunfähigkeit das Kind zu verleugnen. Er kann es selbst wegen eines von seiner Ehegattin begangenen Ehebruchs nicht verleugnen, es sei denn, die Geburt wurde ihm verheimlicht. In diesem Fall ist er befugt, alle Tatsachen vorzubringen, die beweisen können, daß er nicht der Vater ist.]
Dies zeigt, daß Bonaparte stets ganz bei der Sache war und eine Rechtsfrage nicht als abgehakt ansah, auch wenn der Staatsrat hierzu bereits Regelungen verabschi~det hatte. c) Art. 4, 1. Kapitel des Entwurfs
Ein Redaktionsversehen führte dazu, daß ein Entwurf zur Frage der Vaterschaft bei getrennt lebenden Eheleuten keinen Eingang in das Gesetz finden sollte. 503 Art. 4 des 1. Kapitels des Entwurfs hatte die gesetzliche Vermutung bei persönlicher Trennung ausgesetzt, sofern eine tatsächliche Wiedervereinigung und Versöhnung nicht stattgefunden hatte. 504 Bonaparte bekämpfte diese Ausnahmeregelung in der Sitzung vom 16. Brumaire X [7. November 1801] mit der Bemerkung, daß der Verkehr zwischen getrennt lebenden Ehegatten nicht ohne weiteres ausgeschlossen sei. 505 Der Staatsrat beschloß eine Vertagung der Debatte zu diesem Thema. 506 Eine Wiederaufnahme Bd. 6, S. 85. zit. Locre, Bd. 6, S. 70. sot 1. Kap. des Titels "Von Vaterschaft und Abstammung", Locre, Bd. 6, S. 25 ff. 502 Ebenso Perouse, S. 151. so3 Siehe Locr~. Bd. 5, S. 244 u. Bd. 6, S. 8. 504 Locre, Bd. 6, S. 26; Fenet, Bd. 10, S. 11. 5os Locre, Bd. 6, S. 85. 506 Locre, Bd. 6, S. 86. 499 Locr~.
soo
Cambac~res,
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sollte allerdings versehentlich unterbleiben 507, so daß der Code civil in dieser Hinsicht eine Regelungslücke enthielt, die erst mit dem Gesetz vom 6. Dezember 1820 geschlossen wurde 508• Bis dahin war es einer getrennt lebenden Ehefrau möglich, dem Ehemann nach dem Prinzip des Pater is est ein Kind unterzuschieben, sofern sie die Schwangerschaft nicht verheimlicht hatte 509 • d) Art. 2, I. Kapitel des Entwurfs
Der Entwurf hatte vorgesehen, daß ein Kind, das vor dem 186. Tag der bestehenden Ehe geboren wurde, nicht der Ehelichkeitsvermutung unterliegen sollte: Art. 2 des Entwurfs: L' enfant ne avant le cent quatre-vingt-sixieme jour du mariage n' est plus presume I' enfant du mariage. 51 0 [Ein vor dem 186. Tag der Ehe geborenes Kind wird nicht mehr als ehelich angesehen.]
Bonaparte bekämpfte in der Sitzung vom 14. Brumaire X [5. November 1801] die Frist von 186 Tagen. In einem Disput mit dem Staatsrat Fourcroy, einem Naturwissenschaftler, legte er sein Mißtrauen in die Fähigkeiten der Ärzte dar, eine zuverlässige Aussage über den Zeitpunkt der Empfängnis machen zu können. 511 Der Erste Konsul fragte Fourcroy, ob die Ärzte feststellen könnten, ob ein Kind mit neun Monaten geboren worden sei, was dieser verneinte. 5 12 Darauf meinte Bonaparte: "Würde mir nach fünfmonatiger Ehe ein Kind geboren, so hielte ich es auch den Ärzten zum Trotz für meines. 513 Man kann doch kein Interesse daran haben, ein unschuldiges Geschöpf zu diffamieren. 514" Er befürwortete, daß ein kurz nach der Geburt verstorbenes Kind ehelich sei. Man solle, so seine Argumentation, aus diesem Umstand zugunsten der Mutter auf eine Frühgeburt schließen. 515 Es bestehe außerdem kein Interesse, die Legitimität eines verstorbenen Säuglings oder die Ehre der Ehefrau und Mutter anzuzweifeln. 516 Dabei sprach er sich für eine von Boulay vorgeschlagenem Zehntagesfrist aus, nach deren Ablauf eine Nichtanerkennung nicht mehr zulässig sein sollte.
507
Locre, Bd. 6, S. 8.
5os Perouse, S. 152, Fußn. 1; Jac, S. 75.
Jac, S. 75. Locre, Bd. 6, S. 25 f. 511 Thibaudeau, Consulat, S. 453. 512 Thibaudeau, Consulat, S. 453. m Thibaudeau, Consu/at, S. 453. 514 Thibaudeau, Consu/at, S. 452. m Locre, Bd. 6, S. 40. 516 Locre, Bd. 6, S. 40. 517 Locre, Bd. 6, S. 40. 509
510
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Er verteidigte diese Frist mit dem Hinweis auf die Unsicherheit der Ärzte bei der Diagnose über die Lebensfähigkeit eines Kindes. 518 In eben diesem Sinne forderte er auch eine Herabsetzung der Frist auf 180 Tage. 519 Mit der Zehntagesfrist setzte sich der Erste Konsul nicht durch, wohl aber mit der Frist von 180 Tagen: Art. 314 Code civil: L' enfant ne avant le cent-quatre-vingtieme jour du mariage, ne pourra etre desavoue par le mari, dans /es cas suivans: 1°. s' il a eu connaissance de Ia grossesse avant le mariage; 2°. s' il a assiste a l' acte de naissance, et si cet acte est signe de lui, ou contient sa declaration qu' il ne sait signer; 3°. si l' enfant n' est pas declare viable. [Ein Kind, das vor dem 180. Tag der bestehenden Ehe geboren ist, kann in folgenden Fällen vom Ehemann nicht verleugnet werden: 1. wenn ihm die Schwangerschaft vor der Eheschließung bekannt war; 2. wenn er bei der Aufnahme der Geburtsurkunde zugegen war und diese von ihm unterzeichnet wurde oder aber seine Erklärung enthält, daß er des Schreibens nicht mächtig ist. 3. wenn das Kind für nicht lebensfähig erklärt wurde.]
Auch hier wird wiederum deutlich, daß Bonaparte durch gesetzliche Regelungen die Zahl der außerehelichen Kinder gering halten wollte. e) Art. 7, 1. Kapitel des Entwurfs Bonaparte bekämpfte in der Sitzung vom 14. Brumaire X [5. November 1801] den Art. 7 des Entwurfs, nach dem die Erben eines verstorbenen Familienoberhauptes, das von seinem Recht auf Nichtanerkennung eines Kindes keinen Gebrauch gemacht hatte, die Legitimität dieses Kindes nicht anfechten durften: Art. 7 des Entwurfs: Si le mari est decede sans avoir fait le desaveu, ses heritiers ne seront point admis a contester Ia legitimite de l' enfant. 520 [Ist der Ehemann verstorben, ohne seine Vaterschaft bestritten zu haben, so haben seine Erben kein Recht, die Ehelichkeit des Kindes anzufechten.]
Der Erste Konsul empfand es als ungerecht, den Erben ein Recht zu versagen, das aus irgendwelchen Umständen vom Berechtigten nicht geltend gemacht worden war, sei es, daß er verschollen oder vor Beginn der Einspruchsfrist verstorben war. Voraussetzung sollte allerdings sein, daß der Berechtigte die Legitimität noch nicht stillschweigend oder ausdrücklich anerkannt hatte. 521 Art. 317 Code civil trug diesem Argument Rechnung und räumte den Erben die Möglichkeit der Anfechtung unter den erwähnten Bedingungen ein: Bd. 6, Bd. 6, Locr~. Bd. 6, Locre, Bd. 6,
518 Locr~. 519 Locr~. 520 521
S. 40. S. 41. S. 26 f. S. 48.
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Art. 317 Code civil: Si le mari est mort avant d'avoir fait sa reclamation, mais etant encore dans le delai utile pour le faire, les hiritiers auront deux mois pour contester Ia Iegitimite de l' enfant, a compter de l' epoque ou cet enfant se serait mis en possession des biens du mari, ou de l' epoque ou 522 /es heritiers seraient troubles par l' enfant dans cette possession. [Ist der Ehemann, bevor er seinen Widerspruch eingelegt hat, jedoch noch während der hierzu geltenden Frist verstorben, können die Erben innerhalb von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt, in dem das Kind das Vermögen des Ehemannes in Besitz genommen oder die Erben in diesem Besitz gestört hat, die Ehelichkeit des Kindes anfechten.] t) Art. 2 und 3, 2. Kapitel des Entwurfs
Eine weitere Neuerung im Rechtsgefüge des Code civil steuerte der Erste Konsul zum 2. Kapitel "Vom Beweis der Kindschaft ehelicher Kinder" bei. Der Entwurf hatte dem Kind, das keine Geburtsurkunde besaß oder aber unter falschem Namen oder als von unbekannten Eltern stammend ins Register eingetragen worden war, gestattet, auf anderem Wege den Beweis anzutreten: Art. 2 des Entwurfs: Si /es registres sont perdus, ou s' il n' en a point ete tenu, Ia possession constante de l' etat d' enfant legitime suffit. 523
[Sind die Register verlorengegangen oder war eine Eintragung unterblieben, so genügt die beständige Innehabung der Eigenschaft eines ehelichen Kindes.] Art. 3 des Entwurfs: A defaut de cette possession constante, Ia preuve de lafiliation peut se faire par temoins, s' il y a commencement de preuve par ecrit. ll en est de meme si l' enfant a ete inscrit sous de faux noms, ou comme ne de pere
et mere inconnus. 524
[In Ermangelung der beständigen lnnehabung kann der Beweis der Kindschaft durch Zeugen geführt werden, wenn ein schriftlicher Anfangsbeweis vorliegt. Gleiches soll gelten, falls das Kind unter falschem Namen oder als Kind unbekannter Eltern geführt wird.]
Bonaparte gab in der Sitzung vom 16. Brumaire X [7. November 1801] zu bedenken, daß der Grundsatz Pater is est nicht uneingeschränkt gelten könne. Auch wenn dem Kind der Beweis der Abstammung von der Mutter gelungen sei, müsse es dem Ehemann oder dessen Erben möglich sein, den Gegenbeweis dafür anzutreten, daß er nicht der Vater sei. Das Kind müsse über den Beweis von der Abstammung mütterlicherseits hinaus nicht noch nachweisen, daß es vom Ehemann der Mutter abstamme. Diese Pflicht obliege dem Ehemann bzw. den Erben. 525 Der Erste Konsul sagte: "Das Kind beweist, daß es von der Ehefrau 522 523 524
525
In der Originalausgabe des Code civil fehlt der Accent grave.
Locre, Bd. 6, S. 27. Locre, Bd. 6, S. 27. Locre, Bd. 6, S. 75.
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geboren worden ist, die Erben beweisen, daß es nicht vom Ehemann stammt. Beide Klagen laufen gleichzeitig." 526 Entsprechend läßt der Code civil den Gegenbeweis zu der gesetzlichen Vermutung der Vaterschaft nach dem Beweis der Abstammung von der Mutter zu: Art. 325 Code civil: La preuve contraire pourra se faire par tous /es moyens propres reclamant n' est pas I' enfant de Ia mere qu' il pretend avoir, ou meme, Ia maternite prouvee, qu' il n'est pas l'enfant du mari de Ia mere.
a etablir que le
[Der Gegenbeweis kann durch jedes Mittel geführt werden, das darzutun geeignet ist, daß der Kläger nicht das Kind der angeblichen Mutter, oder für den Fall, daß dies erwiesen ist, des Ehemannes der Mutter ist.]
g) Art. 2, 1. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs
Im alten Recht, das ganz dem Römischen Recht folgte, war die Legitimierung unehelicher Kinder allein durch die Eheschließung der Eltern möglich gewesen 527 • Art. 2 des Entwurfs hatte dagegen ein vorheriges oder aber ein in die Heiratsurkunde aufzunehmendes förmliches Anerkenntnis gefordert: Art. 2 des Entwurfs: 1/s seront legitimes par le mariage subsequent de /eurs pere et mere, lorsque ceux-ci /es auront legalement reconnus avant leur mariage, ou qu' ils /es reconnaftront dans I' acte meme de ce/ebration. 5 28 [Es wird legitimiert durch die nachfolgende Eheschließung der Eltern, wenn sie es vor der Heirat gesetzlich anerkannt haben oder in der Heiratsurkunde förmlich anerkennen.]
Sinn dieser Neuregelung war, der Gesellschaft zu garantieren, daß die Eheleute wirklich die Eltern des Kindes waren. Der Justizminister Abrial forderte in der Sitzung vom 24. Brumaire X [15. November 1801], den Eheleuten eine Anerkennung auch noch nach der Eheschließung zu ermöglichen. 529 Portalis, Tronchet und Regnier hingegen wandten gegen diesen Vorschlag ein, eine solche Regelung könne dem Betrug Vorschub leisten. 530 Das Zeugnis, das über den Stand eines unehelichen Kindes entscheide, solle ausschließlich zu einem unverfänglichen Zeitpunkt abgegeben werden können. 53 1 Der Erste Konsul äußerte sich entsprechend und prägte eine Formulierung, die Bigot de Preameneu später in seiner Rede vor dem Corps /egislatifwiederholen sollte 532: "Würde man einem nach der Heirat abgegebenen Anerkenntnis eine 526 527
Locre, Bd. 6, S. 80; Fenet, Bd. 10, S. 39.
c. 5, 27, 5 ff.
Locre, Bd. 6, S. 29. Locre, Bd. 6, S. 87. s3o Locre, Bd. 6, S. 87 ff. 531 Portalis, zit. Locre, Bd. 6, S. 90. 532 Siehe das Expose de Motifs Bigot-Preameneus in der Sitzung des Corps legislatif vom 20. Ventose XI [11. März 1803]: " ... Das Gesetz darf den Eheleuten nicht die 528
529
II. Erstes Buch, siebter Titel des Code civil
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rechtliche Wirkung zugestehen, so würde man damit die Familien 533 im Ungewissen belassen und gleichzeitig ermöglichen, daß eheliche Kinder aufgrund beiderseitigen Einverständnisses geschaffen werden." 534 Der Entwurf setzte sich somit durch und schuf im Code civil eine neue Regelung535: Art. 331 Code civil: Lesenfans nes hors mariage, autres que ceux nes d' un commerce incestueux ou adulterien, pourront etre legitimes par le mariage subsequent de leurs pere et mere, lorsque ceux-ci les auront legalement reconnus avant leur mariage, ou qu' ils /es reconnaftront dans I' acte meme de cetebration. [Mit Ausnahme der inzestuös oder ehebrecherisch gezeugten Kinder können die unehelich geborenen durch eine nachfolgende Heirat ihrer Eltern legitimiert werden, wenn diese sie bereits vor der Heirat gesetzlich anerkannt haben oder in der Heiratsurkunde förmlich anerkennen.]
h) Art. 8, 2. Abschnitt; 3. Kapitel des Entwurfs
Die Sektion hatte auch im Rahmen des 2. Abschnitts "Von der Anerkennung unehelich geborener Kinder" einen Entwurf vorgelegt, nach dem die Anerkennung durch die Mutter unabdingbar für die Wirksamkeit der Anerkennung des unehelichen Kindes sein sollte. Eine Anerkennung ohne Bestätigung durch die Mutter sollte unwirksam sein: Art. 8 des Entwurfs: Toute reconnaissance du pere seul, non avoue par Ia mere, sera de nul effet, tant a I' egard du pere que de Ia mere; sans prejudice neanmoins de Ia preuve de Ia maternite, et de ses effets contre Ia mere seulement. 536
[Jede Anerkennung durch den Vater, die nicht von der Mutter bestätigt wird, ist hinsichtlich beider Elternteile unwirksam; davon unberührt ist allerdings der Beweis der Mutterschaft und dessen Wirkung gegen die Mutter.] In der Sitzung vom 26. Brumaire X [17. November 1801] wurde der Entwurf vom Justizminister und von Thibaudeau angegriffen. Sie argumentierten, ein uneheliches Kind gehöre zu niemandem, und darum sei es ungerecht und hart, wenn man die Möglichkeit der Anerkennung einem Willigen verweigere. 537 Jemand könne mit einer leichtfertigen Frau, die später einen anderen geheiratet habe, Kinder gezeugt haben. Nach der Regelung des Art. 8 des Entwurfs sei es dem Vater unmöglich, seine Kinder anzuerkennen, ohne daß er gleichzeitig die Ehre der Kindesmutter kompromittiere. 538 Möglichkeit geben, sich allein aufgrundbeiderseitigen Einverständnisses Kinder anzumaßen. Die Familien dürfen nicht in einer ständigenUngewißheit leben ... ", Locre, Bd. 6, s. 208. 533 Familie hier im weiteren Sinne, als Sippe. 534 Locre, Bd. 6, S. 96. 535 Vgl. den aktuellen Art. 331 Code civil. 536 Locre, Bd. 6, S. 30. 537 Locre, Bd. 6, S. 127.
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li. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
Bonaparte verteidigte den Entwurf, unterstützt von Tronchet, mit folgenden Worten: "Die Anerkennung durch den Vater hängt aufgrundder Nichtfeststeilbarkeit der Vaterschaft essentiell von der Bestätigung durch die Mutter ab. Die Anerkennung durch den Vater allein beweist nichts, solange sie isoliert dasteht. Die Mutter, die es besser wissen muß, könnte nachher kommen und einen anderen Kindesvater benennen. Die Gesellschaft darf nicht zulassen, daß jemand sich als Vater eines Kindes geriert, ohne die Mutter angeben zu können. Was hätte man von solch einer Anerkennung? ... Nichts hält dagegen einen Willigen ab, dem Kind Alimente zu zahlen. Besser noch durch eine Adoption kann er dem Kind größte Wohltaten erweisen. Das Gesetz kennt zudem außerhalb der Ehe nur die Mutter. Deren Interessen und Rechte würden verletzt, wenn das Kind einem Vater gegeben werden könnte, den sie nicht als solchen anerkennt. Außerdem sind die Interessen des Kindes tangiert, wenn man es dem erstbesten Antragsteller ausliefern würde. Es kann nämlich dabei Gefahr laufen, von einem Böswilligen oder Minderbemittelten beansprucht und damit der vorteilhaften Möglichkeit beraubt zu werden, von seinem richtigen Vater anerkannt zu werden, von einem Vater, der vielleicht viel besser in der Lage wäre, ihm Gutes angedeihen zu lassen." 539 Dem wurde von Regnier entgeg'engehalten, daß es wohl selten vorkomme, daß die Leute ihre unehelichen Kinder anerkennen würden. Demzufolge liege es fern zu befürchten, daß Fremde sich dazu hergeben könnten. 540 Bonaparte wies auf den Schwachpunkt hin, der der Theorie der Opposition anhaftete. Was geschehe, so fragte er, wenn ein neues Anerkenntnis von einem anderen ausgesprochen und von der Mutter bestätigt werde. Werde das erste dadurch etwa aufgehoben? 541 Dies sei wohl gegen die Sitten, die Sozialordnung, und gegen die Natur, denn es zerstöre die zarten und liebevollen Bande zwischen Vater und Sohn. Letzterer müsse nämlich Zweifel haben, ob derjenige, der ihn ohne Bestätigung der Mutter anerkannt habe, wirklich sein Vater sei. Die Stimme der Blutsverwandtschaft spreche sein Herz nicht an; er mache seine Zuneigung vielmehr von den Wobitaten abhängig, die ihm zuteil würden. 542 Emmery kritisierte den von Bonaparte unterstützten Entwurf, weil ein eventueller Tod der Mutter oder deren Böswilligkeit genüge, um eine ernstliche und möglicherweise sogar vorteilhafte Anerkennung des Kindes durch den Vater zu vereiteln. 543 Diese Anregung schließlich nahm der Erste Konsul auf. Er wollte die Forderung der Section dahingehend modifizieren, daß die alleinige AnerkenAbrial, zit. Locre, Bd. 6, S. 127. Locre, Bd. 6, S. 127 f.; siehe auch ebda., S. 128, das Lob, das Tronchet dem Ersten Konsul daraufhin spendete. 540 Locre, Bd. 6, S. 129. 541 Locre, Bd. 6, S. 128. 542 Locre, Bd. 6, S. 130. 543 Locre, Bd. 6, S. 132. 538
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II. Erstes Buch, siebter Titel des Code civil
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nung durch den Vater insofern nur wirksam sein solle, als sie nicht von der Mutter bestritten werde. 544 Sodann konkretisierte er seine Auffassung und machte einen Vorschlag, der verhindern sollte, daß das Kind zum Objekt von Intrigen werden konnte: "Man könnte der Anerkennung durch den Vater noch eine stets sinnvolle Richtung geben, indem man festlegt, daß sie nur dem Kind zugute kommen und andererseits dem Vater keine Rechte geben soll, wenn sie nicht von der Bestätigung der Mutter gestützt wird. 545 Anstelle der Formulierung ,Die Anerkennung des Vaters allein ist ohne Wirkung, wenn sie von der Mutter nicht bestätigt wird.' könnte man besser sagen: ,Die Anerkennung des Vaters allein ist wirksam, wenn sie nicht bestritten wird.' 546" Der Verbesserungsvorschlag wurde angenommen. 547 Die endgültige Fassung statuiert in Art. 336 Code civil, daß die isolierte, nicht bestrittene Anerkennung wirksam ist, jedoch nur gegenüber dem Vater: Art. 336 Code civil: La reconnaissance du pere, sans l'indication et l'aveu de la mere. n' a d' effet qu' a I' egard du pere.
[Ohne Anzeige und Zustimmung der Mutter ist die Anerkennung des Vaters nur im Hinblick auf ihn selbst wirksam.]
Die Lehre legte später den Artikel im Sinne der Theorie des Ersten Konsuls aus. 548 i) Art. 6, 2. Abschnitt, 3. Kapitel des Entwurfs
In der Sitzung vom 26. Brumaire X [17. November 1801] wurde auch die Frage behandelt, wie über die Untersuchung der Vaterschaft zu entscheiden sei. Der Entwurf zum späteren Art. 340 Code civil hatte ein absolutes Untersuchungsverbot ausgesprochen: Art. 6 des Entwurfs: La loi n' admet point la recherche de la paternite non avouee. 549
[Die Untersuchung der nicht anerkannten Vaterschaft ist gesetzlich unzulässig.] Man hatte damit die Auswüchse und Mißbräuche verhindern wollen, die durch die Anwendung des alten Rechtssatzes Creditur virgini se praegnantem asserenti hervorgerufen worden waren. 550 Cambaceres verlangte eine Ausnahme von dem neuen Prinzip für den Fall, daß die Schwangerschaft mit Entführung oder Vergewaltigung in Zusammenhang stehe und verwies auf Art. 14 des Entwurfs 551 • 552 544 545
546 547 548 549
55o 551 552
Locre, Bd. 6, s. 134. Locre, Bd. 6, S. 134 u. 135. Locre, Bd. 6, S. 134. Locre, Bd. 6, S. 137. Demolombe, Bd. 5, S. 383. Locre, Bd. 6, S. 30; Fenet, Bd. 10, S. 71. Cambaceres, zit. Locre, Bd. 6, S. 119. Siehe Locre, Bd. 6, S. 31. Locre, Bd. 6, S. 119, der irrtümlich Art. 34 angibt.
II Theewen
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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Danach sollte der Entführer einer Frau, die während der Entführung ein Kind empfangen hatte, zum Schadensersatz verurteilt werden, sofern er das Kind nicht anerkannte. 553 Bonaparte wandte sich gegen diesen Vorschlag. Er sagte, man dürfe nicht gegen seinen Willen gezwungen werden, ein uneheliches Kind als eigenes anzuerkennen. Eine erzwungene Anerkennung verstoße gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit. 554 Als Begründung führte er an, die Gesellschaft könne kein vorrangiges Interesse daran haben, illegitime Kinder zu ehelichen zu machen. 555 Etwas anderes könne nur gelten, wenn sie dazu verpflichtet sei, für die Zeugung ehelicher Kinder zu sorgen, was aber nicht der Fall sei. 556 Statt dessen forderte er eine Verurteilung des Schuldigen zum Schadensersatz an die Kindesmutter: "Das Gesetz muß denjenigen bestrafen, der sich einer Vergewaltigung schuldig gemacht hat, aber es darf nicht weiter gehen. 557 Das Verbrechen, eine Kindesmutter entehrt zu haben, muß durch eine Verurteilung zu einer Geldstrafe geahndet werden, doch darf es nicht so weit kommen, daß der Schuldige ein Kind annehmen muß, von dem er glaubt, daß es nicht seines ist." 558 Der Staatsrat schloß sich dem ausnahmslosen Verbot der Nachforschung der Vaterschaft an. 559 Jedoch fand später ein Vorschlag Cambaceres' die Zustimmung des Tribunat. Die gesetzliche Regelung, wie sie in Art. 340 Code civil aufgenommen wurde, ermächtigte der Empfehlung des Tribunat 560 entsprechend die Gerichte, im Falle einer Zeugung während einer Entführung auf Antrag der Beteiligten den Entführer zum Kindesvater zu erklären: Art. 340 Code civil: La recherche de Ia paternite est interdite. Dans le cas d' enlevement, lorsque I' epoque de cet enlevement se rapportera a celle de Ia conception, le ravisseur pourra etre, sur Ia demande des parties interessees, dec/are pere de I' enfant.
[Die Erforschung der Vaterschaft ist verboten. Nur im Falle einer Entführung kann der Entführer auf Antrag der Betroffenen zum Vater des Kindes erklärt werden, sofern der Zeitpunkt der Entführung mit dem der Empfängnis übereinstimmt.] So gelangte entgegen der Initiative des Ersten Konsuls eine Ausnahme vom Prinzip des Verbotes der Untersuchung der nicht anerkannten Vaterschaft in die Zivilgesetzgebung.
553 554 555
556 557 558 559
s60
Cambaceres, zit. Locre, Bd. 6, S. 121. Locre, Bd. 6, S. 122. Locre, Bd. 6, S. 123. Locre, Bd. 6, S. 123. Locre, Bd. 6, S. 122. Locre, Bd. 6, S. 123. Locre, Bd. 6, S. 123. Locre, Bd. 6, S. 183 f. u. 322.
II. Erstes Buch, achter Titel des Code civil
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8. Achter Titel: "Von der Adoption" Die Adoption mit ihren römischrechtlichen Wurzeln hatte sich in Frankreich nicht durchsetzen können. Sowohl die Coutumes als auch das Droit ecrit hatten in der Adoption eine Gefahr für das Erbrecht der leiblichen Nachkommen gesehen.561 Die Nationalversammlung hatte am 18. Januar 1792 beschlossen, daß der Gesetzgebungsausschuß die Adoption in ihr Projekt der Ordnung der Zivilgesetze aufnehmen solle. 562 Im Jahre 1793 hatte die Nationalversammlung dann im Namen des Vaterlandes die Tochter eines gewissen Michel Lepelletier adoptiert, ohne daß grundsätzliche gesetzliche Bestimmungen getroffen wurden. 563 a) Die Debatte vor der Unterbrechung
Die Redaktionskommission hatte in ihrem Entwurf die Adoption nicht berücksichtigt. 564
aa) Die Frage des rechtlichen Charakters der Adoption Die Section de legislation hingegen hatte es für erforderlich gehalten, dem Staatsrat in der Sitzung vom 6. Primaire X [27. November 1801] einen Entwurf über die Adoption vorzulegen. 565 Die Kommission hatte die Adoption als rein politisches Instrument begriffen. Sie sollte eine Ausnahmeregelung darstellen und als solche zur Belohnung der Bürger dienen, die der Republik herausragende Dienste geleistet hatten, deren Ehen aus besonderen Gründen jedoch kinderlos geblieben waren. 566 In diesem Sinne äußerten sich auch Tronchet und Maleville. 567 Nur diesem besonderen Personenkreis solle das Privileg der Adoption zukommen, damit der Familienname vererbt werden könne. 568 Wenn der Staat die herausragenden Dienste des Adoptionswilligen belohnen wolle, und zu erwarten sei, daß der Adoptierte sich als ebenso verdient für die Republik erweisen werde wie der Adoptivvater, so sollten Regierung und Corps tegislatif ermächtigt sein, das Adoptionsverfahren zu betreiben. 569 Die Adoption als Institut im allgemeinen Rechtsgebrauch laufe dagegen Gefahr, mißbraucht zu werden. 570 Sie führe zu 561 562 563 564 565 566 567 568 569 57o II*
Ourliac 1Malafosse, Bd. 3, S. 79; vgl. Maleville, Bd. I, S. 340 f. Favard, Bd. 2, S. 307; Maleville, Bd. 1, S. 341. Maleville, Bd. 1, S. 341; vgl. Locre, Bd. 6, S. 358. Locre, Bd. 6, S. 358; Favard, Bd. 2, S. 307. Locre, Bd. 6, S. 358. Locre, Bd. 6, S. 358 u. 399. Locre, Bd. 6, S. 399 ff. Maleville, zit. Locre, Bd. 6, S. 403; Tronchet, zit. Locre, Bd. 6, S. 407. Tronchet, zit. Locre, Bd. 6, S. 408. Maleville, zit. Locre, Bd. 6, S. 400; Tronchet, zit. Locre, Bd. 6, S. 403.
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
bedenklicher Bevorzugung unehelicher Kinder, welche über den Umweg einer Adoption erbberechtigt würden, was ihnen von Gesetzes wegen ausdrücklich versagt sei. 571 Dadurch würden die gesetzliche Ordnung der Erbfolge zerstört und die Familien ihres Vermögens beraubt. 572 Dagegen sprachen vornehmlich Portalis und Roederer. Sie verwarfen die politischen Hintergründe der Adoption, weil dies die Wiederherstellung des Patriziats in einem Land bedeute, in dem die Klassengesellschaft abgeschafft worden sei. 573 Nichts spreche jedoch gegen ein allgemeines Adoptionsrecht Den Bedenken, uneheliche Kinder könnten auf diesem Wege in unangemessener Weise bevorzugt werden, könne man abhelfen, indem man die Adoption von Kindern verbiete, deren Herkunft unbekannt sei. 574 Die Debatte hatte beide Fragenkomplexe zum Gegenstand. Zunächst wurde beschlossen, daß die Adoption grundsätzlich Aufnahme ins Zivilgesetzbuch finden solle. 575 Sodann ging man zur Beratung des von der Section de tegislation vorgelegten Entwurfs über. Dabei sorgte Bonaparte dafür, daß man zunächst nicht Detailfragen klärte, sondern Grundsatzfragen in Angriff nahm. Seinen Staatsräten sagte er: "Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Zuerst muß man Grundsätzliches klären. Erst dann geht es um Formalien. 576 In einem ersten Titel könnte man das Prinzip der Adoption regeln, in einem zweiten die Formalien und in einem dritten die Fälle, . . . die soeben erörtert worden sind. 577" Man wandte sich deshalb zuerst der grundlegenden Frage zu, ob die Adoption ein streng zivilrechtliches Institut oder aber ein politisches Instrument im französischen Recht werden sollte. Nur im letzten Falle wäre das Corps tegislatif die maßgebende Instanz gewesen. Die Section de tegislation wurde daher beauftragt, Stellung zu nehmen. Sie kam zu dem Ergebnis, daß die Adoption in das Zivilrecht gehöre. Berlier legte am 14. Frimaire X [5. Dezember 1801] einen entsprechenden Entwurf vor. 578 Nachdem zunächst wiederum Einzelfragen diskutiert worden waren, lenkte der Erste Konsul die Aufmerksamkeit des Staatsrates auf die die Formalien betreffende Kernfrage. 579 Die Meinungen dazu waren geteilt. Einige meinten, es genüge ein Verfahren vor dem Standesbeamten, andere sprachen sich für ein forensisches Verfahren aus 580, eine dritte Meinung plädierte für eine hohe staatliche Instanz wie Senat, Corps Legislatif oder Regierung 58 '. 571
Maleville, zit. Locre, Bd. 6, S. 401; Tronchet, zit. Locre, Bd. 6, S. 404.
m Maleville, zit. Locre, Bd. 6, S. 401; Tronchet, zit. Locre, Bd. 6, S. 405 ff.
Portalis, zit. Locre, Bd. 6, S. 411; Roederer, zit. Locre, Bd. 6, S. 413. Roederer, zit. Locre, Bd. 6, S. 413. m Locre, Bd. 6, S. 413. 576 Thibaudeau, Consulat, S. 417. m Locre, Bd. 6, S. 423. 57& Locre, Bd. 6, S. 432 ff. 579 Locre, Bd. 6, S. 442; Thibaudeau, Consulat, S. 419. 5&o Roederer, Thibaudeau, Berlier und Boulay, zit. Thibaudeau, Consulat, S. 419. m
574
II. Erstes Buch, achter Titel des Code civil
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Bonaparte schloß sich der letzten Ansicht an. Er entwickelte im Staatsrat eine eigene Theorie des Adoptio naturam imitatur 582 , die allerdings in ihrer radikalen Konsequenz noch weit über die Konzeption des Römischen Rechts hinausging 583 : "Die Adoption ist eine Fiktion, die die Natur kopiert, eine Art Sakrament, welches Gefühle und Zuneigung zwischen Vater und Kind in denen wecken soll, die sich bis dahin fremd waren." 584 Dabei begriff er die Adoption nicht als bloße Möglichkeit, dem Adoptionswilligen einen Erben zu verschaffen: "Dem Adoptivvater muß mehr als ein Erbe geschenkt werden, er muß einen Sohn bekommen." 585 Um diesen Effekt zu erreichen, müsse nur eindringlich genug auf die Einbildungskraft der Menschen eingewirkt werden, "damit der Adoptivvater im Herzen des Adoptivsohnes den Vorzug vor dem leiblichen Vater erhält. 586 Auf einem sinkenden Boot soll sich der Sohn für den Adoptivvater entscheiden. 587 Die Menschen empfinden so, wie man sie fühlen läßt, und wenn man damit beim Adoptivkind rechtzeitig anfängt, wird es seinen Adoptivvater schon lieber haben als den leiblichen Vater. 588 Auf die Einbildung kann umso intensiver eingewirkt werden, je höher die Autorität ist, von der die Adoption bewilligt wird. 589 Das ganze muß von oben kommen wie der Blitz! 590 Es geht darum, eine Autorität zu finden, die so großartig ist wie die Natur selbst. 591 Das Adoptionsverfahren muß so feierlich ablaufen, daß tiefgreifende Eindrücke bleiben. 592 Wir brauchen ein politisches Sakrament, dessen Priester die höchste staatliche Autorität ist. 593 Denn es handelt sich um den größten Akt, den man sich vorstellen kann. 594 Diese Autorität soll als der erste Hohepriester Frankreichs handeln, dessen irdische Macht ein Abbild der Allmacht Gottes ist. 595" Nur wenn die Autorität entsprechend sei, könne der notwendige Effekt erzielt werden: "Man spielt nicht mit den Menschen wie mit toten Gegenständen. Die Menschen werden bewegt, indem man die Seele anspricht ... Das Schlechte an unseren modernen Gesetzen ist, daß ihnen nichts eigen ist, was die Einbildungskraft anspricht. Hätte die Kirche die Adoption einzuführen, würde sie daraus eine würdige Feierlichkeit machen." 596 Ein Notar, 581 582 583 584 585 586 587 588 589 590 591 592 593 594 595 596
Portalis, zit. Locre, Bd. 6, S. 442; Thibaudeau, Consulat, S. 419. Inst. 1, 11, 4. Vgl. D. 1, 7, 16. Vgl. Inst. 1, 11, 5. Locre, Bd. 6, S. 450; Thibaudeau, Consulat, S. 420. Locre, Bd. 6, S. 455; vgl. Thibaudeau, Consulat, S. 422 f. Locre, Bd. 6, S. 454; vgl. Thibaudeau, Consulat, S. 422. Thibaudeau, Consulat, S. 422. Locre, Bd. 6, S. 456. Locre, Bd. 6, S. 451. Thibaudeau, Consulat, S. 420. Locre, Bd. 6, S. 452. Locre, Bd. 6, s. 454. Locre, Bd. 6, s. 451 u. 454. Thibaudeau, Consulat, S. 420. Locre, Bd. 6, S. 455; vgl. Thibaudeau, Consulat, S. 422 f. Thibaudeau, Consulat, S. 422.
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dem man 12 Francs dafür gebe, erziele diese Wirkung so wenig 597 wie die Geschäftsstelle eines Gerichts59s. Der Erste Konsul selbst hat in der Debatte die Gründe für seine Theorie dargetan. Er verwies nämlich auf die Sitten und Gebräuche des Orients, die er während seines Ägyptenfeldzuges 1798 bis 1799 kennengelernt hatte, und die auf ihn einen nachhaltigen Eindruck gemacht hatten. Er sagte, um seine Ansicht vor seinem Staatsrat zu beleuchten, daß bei den Mamelucken der in die häusliche Gemeinschaft aufgenommene Sklave für seinen Herrn die gleiche Ergebenheit und die gleichen Gefühle hege wie der eigene Sohn. 599 Aber neben seinen Erinnerungen an den Vorderen Orient spielt auch sein Vertrauen auf seine eigene charismatische Ausstrahlung eine Rolle. Mit ihr hatte er im Italienfeldzug der Jahre 1795 I 1796 großartige Siege mit völlig desolaten Truppen errungen. 600 Das blinde Vertrauen und die abgöttische Verehrung seiner Soldaten 61H haben ihn wohl zu dem Analogieschluß bewegt, man könne Gefühle der Liebe zwischen Vater und Kind beliebig erzeugen. "Nicht für fünf Sous pro Tag oder eine erbärmliche Auszeichnung läßt man sich töten. Nur indem man die Seele anspricht, elektrisiert man die Menschen 602 ... und lenkt sie, 603" sagte er im Staatsrat. Nach dem Willen des Ersten Konsuls sollte der Gesetzgeber bestimmen, wer mit "Fleisch und Blut" 604 der Sohn eines Adoptivvaters werden solle: "Wissen Sie denn nicht, daß in der Gesellschaft das Gesetz die Väter macht und daß der Mensch aus sich heraus fast nichts bewirken kann? Seit der Geburt wird unser Leben von Gesetzen und Gebräuchen bestimmt. 605" "Wer ist der Statthalter Gottes auf Erden? Der Gesetzgeber!" 606 , sagte er in der Sitzung vom 14. Primaire X [5. Dezember 1801]. Damit betonte er das großartige Wesen der Adoption und verneinte gleichzeitig den Vertragscharakter. 607 Darüber hinaus sprach Bonaparte sich auch für die Unwiderrufbarkeit der Adoption aus, die man in Anlehnung an die Ehescheidung in die Debatte eingeführt hatte: "Die Widerrufbarkeil der Adoption könnte bei den Adoptivkindern die Vorstellung nähren, dem Adoptivvater eines Tages sagen zu können: ,Ich 597 Thibaudeau, Consulat, S. 423. 598 Locre, Bd. 6, S. 455. 599 Thibaudeau, Consulat, S. 242; Locre, Bd. 6, S. 457. 600 Stendhal, S. 136 f. 601 Vgl. Stendhal, S. 137 u. 217, der als Augenzeuge berichtet, und Napoleons Äußerung arn 26. Dezember 1816 gegenüber Gourgaud, Ed. Aubry, Bd. 1, S. 244 bezüglich der Ägyptenarmee: "Ich hätte mit meinem Heer machen können, was ich wollte, so liebte es mich." Siehe auch Morvan, Bd. 2, S. 473 ff. 602 Thibaudeau, Consulat, S. 423. 603 Thibaudeau, Consulat, S. 422. 604 Thibaudeau, Consulat, S. 420 u. 424. 605 Locre, Bd. 6, S. 515. 606 Thibaudeau, Consulat, S. 423. 607 Thibaudeau, Consulat, S. 420 u. 422.
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kenne Sie nicht!' " 608 Dies könne zu einem Mißbrauch des Vertrauens führen, das der Adoptivvater dem Adoptierten entgegenbringe. 609 Da die Adoption nicht auf einer richterlichen Handlung beruhe 610 , sondern durch ein staatliches Organ vollzogen werde, sei eine Aufkündigung undenkbar. 611 "Kein vernünftiger Mensch wird sich der Erziehung eines Kindes annehmen, sein Vermögen und seine Fürsorge opfern, um später von dem Kind abgelehnt zu werden, wenn es in ein schwieriges Alter kommt. Adoption und Widerrufbarkeil sind zwei miteinander unvereinbare Begriffe." 61 2 Der Staatsrat ließ sich vom Ersten Konsul überzeugen und entschied sich für die Unwiderruflichkeit der Adoption. Er beauftragte die Section, einen neuen Entwurf nach den Ausführungen des Ersten Konsuls zu erarbeiten. 613 Die 3. Fassung des Entwurfs regelte demzufolge in ihren Art. 2, 3 und 4 die Spruchkompetenz des Corps tegislatif, die Unwiderrufbarkeit und die Rechtsstellung des Adoptivkindes gemäß der Forderung Bonapartes 614 : Art. 2 des Entwurfs: Nulle adoption ne pourra erre faite que par un acte du Corps . Legislatif. [Eine Adoption kann nur durch das Corps legislatif durchgeführt werden.] Art. 3 des Entwurfs: L' adoption sera irrevocable. [Die Adoption ist unwiderruflich.] Art. 4 des Entwurfs: L' enfant adopte aura, dans Ia famille du pere adoptant, tous /es droits d' un enfant nature/ et legitime. 6 l5
[Das Adoptivkind hat in der Adoptivfamilie sämtliche Rechte, die ein leibliches, legitimes Kind hat.] Der Entwurf, der lediglich die Grundsätze der Adoption berührte, wurde von Boulay am 16. Frimaire X [7. Dezember 1801] dem Staatsrat vorgelegt. 616 Dabei wurde die spruchkompetente Instanz diskutiert. Angeregt durch die Bemerkung Regnauds, ein Dritte beeinträchtigendes Urteil könne von diesen angefochten werden, ein Gesetz nicht, 617 sagte Bonaparte, eine Vermengung von Legislative und Judikative könne zu Willkür und Tyrannei führen. 618 Im übrigen sei die Legislative durch die wichtigen staatlichen Aufgaben Locre, Bd. 6, S. 454. Thibaudeau, Consulat, S. 421. 610 Thibaudeau, Consulat, S. 420 u. 421; vgl. Locre, Bd. 6, S. 45l :"Solche Gefühle werden nicht aufgrund einer einfachen richterlichen Entscheidung geweckt!" 611 Thibaudeau, Consulat, S. 421. 61 2 Locre, Bd. 6, S. 514. 613 Locre, Bd. 6, S. 457 f. 614 Locre, Bd. 6, S. 457. 615 Locre, Bd. 6, S. 461. 6 16 Locre, Bd. 6, S. 461. 617 Locre, Bd. 6, S. 465; Thibaudeau, Consulat, S. 424. 618 Locre, Bd. 6, S. 467; Thibaudeau, Consulat, S. 425. 60s 609
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und Belange derart ausgelastet, daß sie nicht in der Lage sei, sich um die Interessen des Einzelnen zu kümmern. 619 Und dies sei gerade die Aufgabe der Gerichte. 620 Daraus entwickelte der Erste Konsul sein System vom Zusammenspiel der Gewalten. 621 Unter Berücksichtigung der jeweiligen Kompetenzen sollten die Gerichte prüfen, ob das Adoptionsgesuch zulässig sei und Interessen Dritter nicht verletzt seien. 622 Alles, was über die Individualinteressen hinausgehe, falle nicht mehr in den Kompetenzbereich der Gerichte. 623 Die so von den Gerichten erstellten Entscheidungen sollten als Voten angesehen 624 und als solche der Regierung 625 oder dem Corps tegislatif626 zur Ratifizierung vorgelegt werden. 627 Im Falle einer ablehnenden Entscheidung der Gerichte könne die staatliche Instanz nicht anders entscheiden. Bonaparte begründete dies mit der Unabhängigkeit der Gerichte und dem Schutz des Einzelnen vor staatlicher Willkür. 628 Er sagte weiter: "Wenn das Gericht keine Veranlassung sieht, eine Adoption zu genehmigen, hat die Obrigkeit nicht das Recht, die Interessen Dritter [durch eine entgegenstehende Entscheidung] zu verletzen. 629 Nichts war barbarischer als die Könige Frankreichs, die früher unter Bäumen hockten und Recht sprachen. 630 Der Staat darf nicht Recht sprechen. 631 " Und gegen einen Vorschlag Cambaceres', eine in den Händen staatlicher Verwaltung liegende Untersuchung vorzusehen 632 , wandte er ein: "Die Gerichte sprechen Recht, nicht aber staatliche Organe. Sie können dem einzelnen Bürger keine Sicherheit garantieren. 633 Die Verwaltung soll sich nur dort einmischen, wo sie selbst betroffen ist. 634 Ein Präfekt hat nicht über den Stand eines Menschen zu befinden. 635 Niemand soll befürchten müssen, daß ein Gesetz ihm gegen seinen Willen sein Kind wegnehmen kann. 636" Unter diesem Eindruck beschloß der Staatsrat am 16. Frimaire X [7. Dezember 1801], daß die Adoption prinzipiell von einem der obersten staatlichen Organe ausgesprochen werden solle. 637 619
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Locre, Bd. 6, S. 467; Thibaudeau, Consulat, S. 424. Locre, Bd. 6, S. 467; Thibaudeau, Consulat, S. 424. Locre, Bd. 6, S. 467; Thibaudeau, Consulat, S. 424. Locre, Bd. 6, S. 467 u. 468; Thibaudeau, Consulat, S. 424. Locre, Bd. 6, S. 467. Locre, Bd. 6, s. 471. Locre, Bd. 6, S. 467. Thibaudeau, Consulat, S. 425. Locre, Bd. 6, S. 468; Thibaudeau, Consulat, S. 425. Locre, Bd. 6, S. 468 f. Thibaudeau, Consulat, S. 425. Locre, Bd. 6, S. 469; Thibaudeau, Consulat, S. 425. Thibaudeau, Consulat, S. 425. Locre, Bd. 6, S. 468; Thibaudeau, Consulat, S. 425. Thibaudeau, Consulat, S. 425. Thibaudeau, Consulat, S. 426. Locre, Bd. 6, S. 471; Thibaudeau, Consulat, S. 426. Locre, Bd. 6, S. 469.
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bb) Einzelfragen zum Adoptionsrecht
In den letzten Sitzungen vor der Unterbrechung vom 16. Nivose X [6. Januar 1802] waren auch Einzelheiten bezüglich der Ursachen und Bedingungen der Adoption diskutiert worden. a.) Art. 34 des Entwurfs
Getreu seinem Postulat von der vollkommenen Nachahmung der Natur sprach Bonaparte sich dafür aus, daß ein Adoptivkind die Rechte, die es gegenüber seiner ehemaligen Familie besessen habe, nicht in die Adoptivfamilie übertragen dürfe. Damit griff er den Entwurf an, der folgenden Wortlaut hatte: Art. 34 des Entwurfs: L' adopte conserve et apporte dans sa nouvelle famille /es biens et droits qui auraient pu lui etre acquis dans I' autre au moment de I' adoption. 638
[Der Adoptierte behält und überträgt in seine neue Familie das Vermögen und die Rechte, die ihm im Zeitpunkt der Adoption angefallen sind.] Der Erste Konsul empfand es als ungerecht, daß durch die Adoption jemand die Familie, die er verlasse, des Erbteils berauben könne, das durch viele Mühen seiner Vorfahren erarbeitet worden sei. Da die Adoption eine Nachahmung der Natur sei, und ein Kind nackt und mittellos geboren werde, müsse es auch in diesem Zustand in der Adaptivfamilie aufgenommen werden. Das Adoptivkind dürfe nur Rechte haben, die ihm in der neuen Familie erwüchsen. 639 Marmont entgegnete dem, dies könne dazu führen, daß ein Kind nur deshalb zur Adoption freigegeben werde, um sich seines Erbteils bemächtigen zu können. Zumindest müsse der Adoptivvater verpflichtet werden, dem Adoptivkind einen entsprechenden Ausgleich für den durch sein Ausscheiden aus der leiblichen Familie bedingten Vermögensverlust zuzusichern. 640 Der Erste Konsul schloß sich diesem Argument an und empfahl, es bei der Neufassung des Art. 34 des Entwurfs zu berücksichtigen 641 , denn "es wäre ungerecht, das Kind zu zwingen, einen realen Anspruch gegen bloße Aussichten einzutauschen" 642 • Der Vorschlag wurde vom Staatsrat gebilligt. 643 Doch sollte dieser Artikel später aufgrundder Fassung des Art. 348 Code civil wegfallen, der statuierte, daß das Adoptivkind in seiner leiblichen Familie verbleiben und seine dortigen Rechte behalten solle 644: Locre, Bd. 6, S. 473. Locre, Bd. 6, S. 437 f.; der Entwurf wurde auch den Regelungen des Preußischen Allgemeinen Landrechts gegenübergestellt, Locre, Bd. 6, S. 480. 639 Locre, Bd. 6, S. 481. 640 Locre, Bd. 6, S. 481. 641 Locre, Bd. 6, s. 486 642 Locre, Bd. 6, S. 486. 643 Locre, Bd. 6, S. 486. 644 Vgl. den aktuellen Art. 364 Code civil. 637
638
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes Art. 348 Code civil: L' adopte restera dans sa famille naturelle, et y conservera
tous ses droits; ...
[Das Adoptivkind verbleibt in seiner leiblichen Familie und behält alle seine dortigen Rechte; ... ]
ß) Art. 8 des Entwurfs Dieser Artikel hatte eine Regelung vorgesehen, nach der es verboten sein sollte, mehrere Kinder nacheinander zu adoptieren: Art. 8 des Entwurfs: La meme adoption pourra s' erendre sur plusieurs enfans, mais apres une premiere adoption consommee, l' adoptant ne pourra en faire aucune autre pendant Ia vie de l' enfant adopte ou de ses descendans. 645 [Eine Adoption kann sich auf mehrere Kinder gleichzeitig erstrecken, doch kann der Adoptierende, nachdem er einmal adoptiert hat, später zu Lebzeiten des Adoptivkindes oder seiner Nachkommen nicht wieder adoptieren.]
Der Erste Konsul wandte dagegen ein: "Die Regelung des Artikels sollte verhüten, daß durch nachfolgende Adoptionen die Vorteile der ersten Adoption hinfällig werden. Aber dieses Motiv greift nicht durch, solange die zweite Adoption den Bruder oder die Schwester_des Adoptivkindes betrifft. Es ist doch ganz natürlich, daß der Adaptivvater die gleichen Gefühle für alle Kinder einer Familie hegt und er diese gleichermaßen an den Vorteilen teilhaben lassen will." 646 Der Staatsrat schloß sich diesem Vorschlag an. 647 Die Section entwarf daraufhin einen entsprechenden Artikel648: Art. 7 des Entwurfs: On pourra, par le meme acte , adopter plusieurs enfans; mais apres I' adoption consommee /' adoptant ne pourra, pendant Ia vie de I' enfant adopte ou de ses descendans,faire d' autres adoptions, a moins qu' elles ne portent sur /es freres ou soeurs de l' enfant precedemment adopte. 649
[Man kann mehrere Kinder auf einmal adoptieren. Nach vollzogener Adoption kann der Adoptierende auf Lebenszeit des Adoptierten oder seiner Nachfahren niemand anderen außer den Geschwistern des zuvor Adoptierten adoptieren.] Später sollte die Einschränkung des Verbotes gänzlich entfallen, indem das Gesetz dazu keine konkrete, in einem Artikel geregelte Aussage mehr traf. y) Art. 13 des 3. Entwurfs
In der Sitzung vom 4. Nivose X [25. Dezember 1801] wurde ebenfalls ein Entwurf diskutiert, der die Adoption von Waisenkindem zum Gegenstand hatte: 645 Locre, Bd. 6, S. 491. 646 Locre, Bd. 6, S. 500. 647 Locre, Bd. 6, S. 501. 648 Im Rahmen der 4. Fassung des Entwurfs "Von der Adoption". 649 Locre, Bd. 6, S. 526.
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Art. 13 des Entwurfs: Si I' enfant n' a point de parens connus, le juge de paix convoquera quatre voisins ou amis, lesquels lui eliront un tuteur special, a I' effet de consentir a I' adoption, s' il y a lieu. 650
[Sind die Kindeseltern unbekannt, beruft der Friedensrichter vier Nachbarn oder Feunde ein, welche dem Kind einen Pfleger auswählen sollen, der die Aufgabe hat, einer eventuell stattfindenden Adoption zuzustimmen.] Der Erste Konsul sprach sich gegen eine Adoption minderjähriger Waisenkinder aus, sofern sie nicht in Armut lebten. Die Entscheidung zur Freigabe stehe nur den Eltern zu, sofern das Kind minderjährig sei. Es sei somit gerecht, die Adoption eines elternlosen Kindes zu verbieten. 651 Eine Ausnahme solle nur bei völlig mittellosen Waisen gelten, denn es gehe nicht an, daß Verwandte oder gar Fremde das Kind seines Erbes berauben könnten, wofür der Vater geschuftet und sich geschunden habe. 652 Verfüge das Kind auch nur über etwas Vermögen, sei es unzulässig, es durch eine Adoption eines Namens zu berauben, der ihm lieb und teuer sei. Gestehe man die Entscheidung auch Verwandten zu, so könne ein Kind gegen seinen Willen aus seiner Familie gerissen werden. 653 Er sagte: "Mit welchem Recht soll nach dem Tod eines Vaters, der seinem Sohn etwas zum Leben hinterlassen hat, der Wille von irgendwelchen Leuten das Kind aus seiner Familie reißen dürfen? 654 Es ist gegen die Natur, daß Verwandte und Nachbarn über ein Kind entscheiden, mit dem sie keine besondere Zuneigung verbindet! 655" Dabei betonte er auch das seiner Ansicht nach zu respektierende Vorrecht der verstorbenen Eltern: "Die Eltern haben ihrem Sohn ihr Blut und die Früchte ihrer Arbeit geschenkt, haben sich die größten Beschränkungen auferlegt, um ihrem Kind ein bescheidenes Erbe zu hinterlassen, daß es ihm ermöglichen soll, ihren Namen fortzuführen. In dieser Hoffnung sterben sie, und trotzdem soll von heute auf morgen die Nachkommenschaft enden, weil das Kind in eine fremde Familie übernommen wird? 656 Jedes Kind, das auch nur etwas Vermögen besitzt, und sei es nur ein kleines Häuschen und 600 Francs Rente, darf von einem Mann mit einer Million nicht adoptiert werden, es sei denn, der Vater selbst gibt es frei. 657" Die Anregung, die Adoption von Waisenkindern nur auf Bedürftige zu erstrekken, und die Entscheidung in diesem Falle den Verwandten zu überlassen, fand den Beifall Berliers658 und des gesamten Staatsrates 659 . Da die Adoptionsdebatte 650 Locre, Bd. 6, S. 492; Fenet, Bd. 10, S. 330. Der Entwurf gleichlautend mit der 2. Fassung, siehe Locre, Bd. 6, S. 435. 651 Locre, Bd. 6, S. 501. 652 Locre, Bd. 6, S. 502. 653 Locre, Bd. 6, S. 506. 654 Locre, Bd. 6, S. 506. 655 Locre, Bd. 6, S. 508. 656 Locre, Bd. 6, S. 507. 657 Locre, Bd. 6, S. 510. 658 Locre, Bd. 6, S. 511.
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jedoch unter vollkommen anderen Vorzeichen fortgesetzt wurde, wurde diese Regelung obsolet. Bonaparte hatte den Entwurf auch noch aus einem weiteren Grunde begrüßt: "Es ist gut, daß die Verfehlung eines Mannes, die die Geburt eines ehrlosen Geschöpfes zur Folge hat, behoben werden kann, ohne daß die Sitten verletzt werden. 660 Unehelichen Kindem darf man kein Erbrecht einräumen, das wäre ein Verstoß gegen die guten Sitten. Ein solcher Verstoß ist allerdings ausgeschlosssen, wenn man den Weg einer Adoption beschreitet. Indem der Gesetzgeber die unehelichen Kinder vom Erbrecht ausgeschlossen hat, wollte er diese Unglücklichen nicht für eine Verfehlung ihrer Väter bestrafen. Er wollte damit nur der Würde der Ehe Respekt verschaffen. Die kluge Idee, ihnen das Erbrecht mittels der Adoption zu eröffnen, versöhnt mithin Gerechtigkeit und Moral. 661 " Der Erste Konsul verteidigte damit den Entwurf gegen Tronchet, der alleine kritisierte, der Artikel begünstige die Adoption unehelicher Kinder, was nicht wünschenswert sei 662 • Portalis schlug mit Erfolg vor, im Gesetz überhaupt keine Einschränkung zu formulieren. 663 Weil der Code civil so zur Adoption unehelicher Kinder keine Stellung bezog, gelangten sie in den von Art. 345 Code civil allgemein mit individu umschriebenen Personenkreis. 664 Napoleon sagte rückblickend am 9. Januar 1817 auf Sankt Helena: "Ich habe getan, was ich konnte, um das Los der unehelichen Kinder zu verbessern, dieser armen Unschuldigen, die keine Ehre mitbekommen haben, doch sollte man nicht zu weit gehen, da ansonsten die Institution der Ehe Schaden nehmen würde." 665 Ö) Die Frage des Adoptionsrechts für Unverheiratete
Eine andere Forderung sollte später von Bonaparte selbst nicht mehr weiter verfolgt werden. Er hatte in der ersten Sitzung vom 6. Primaire X [27. November 1801] gesagt, die Adoption dürfe nicht von Junggesellen ausgeübt werden. Sonst sei zu befürchten, daß viele auf die Ehe verzichteten, um sich den damit verbundenen Verpflichtungen zu entziehen, andererseits aber den Vorteil einer Nachkommenschaft hätten. 666 "Die Ehe", so führte der Erste Konsul aus, "ist ziemlich beliebt. Dann müssen wir aber auch dafür sorgen, daß sie es bleibt. Um die Adoption in unsere Sitten zu integrieren, darf sie lediglich ein selten angewandtes 659 660 661
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Locre, Bd. 6, S. 512. Locre, Bd. 6, S. 502. Locre, Bd. 6, s. 502 f. Locre, Bd. 6, S. 501 u. 502. Locre, Bd. 6, s. 505. Zum Wortlaut des Art. 345 Code civi/ siehe unten S. 176. Gourgaud, Ed. Aubry, Bd. 1, S. 271. Thibaudeau, Consulat, S. 418; vgl. Locre, Bd. 6, S. 418 f.
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Institut sein und nicht ein Mittel, sich der Ehe zu entziehen!" 667 Bonaparte befürchtete bei falscher Anwendung der Adoption einen Rückgang der Ehen und damit zugleich der Bevölkerung: "Der Bevölkerungsschwund könnte so voranschreiten wie in Spanien nach der Entdeckung der Neuen Welt. Die Wirkungen von Zivilgesetzen, die Einfluß auf die Bevölkerungszahl haben, sind kaum spürbar. 668 Das merkt man erst Jahrhunderte später. Steter Tropfen höhlt den Stein! 669" Entsprechend hatte der Staatsrat für die in Art. 1 des Entwurfs beschriebene Forderung des Verheiratet[gewesen]seins gestimmt. 670 In derselben Sitzung relativierte Bonaparte jedoch seinen Standpunkt und konzedierte eine individuelle Prüfung der Umstände, unter denen jemand unverheiratet geblieben war: "Man sollte prüfen, ob dies aus Abneigung gegen die Ehe oder aber aus stichhaltigen Gründen wie der Liebe zu Forschung oder Studium oder der Erfüllung öffentlicher Aufgaben entspringt."67I Später, nach Wiederaufnahme der Debatten, sollte zugunsten der Unverheirateten auf jede Einschränkung verzichtet und dies in Art. 343 Code civi/612 verankert werden. b) Die Debatte nach Wiederaufnahme der Gesetzesarbeiten Die Gesetzgebungsdebatten wurden nach rund elf Monaten am 27. Brumaire XI [18. November 1802] wiederaufgenommen.
aa) Der Stimmungswandel im Staatsrat zu Ungunsten des Adoptionsrechts und die Verteidigung durch den Ersten Konsul Bonaparte hatte inzwischen seine These von der vollkommenen Nachahmung der Natur zugunsten einer gemäßigten, an Praktibilitätserwägungen orientierten Theorie aufgegeben. Unhaltbar ist die Unterstellung, er habe einfach vergessen, was er elf Monate zuvor gesagt habe 673 . Er hatte vielmehr nach reiflicher Überlegung sein Konzept zugunsten einer sachlicheren Lösung aufgegeben. 674 In der Sitzung vom 27. Brumaire XI [18. November 1802] räumte er nämlich ein, daß in den ersten Debatten seine Ansichten möglicherweise etwas zu weit gegangen seien. 675 667 Thibaudeau, Consulat, S. 418; vgl. Locre, Bd. 6, S. 419. 668 Locre, Bd. 6, S. 418; vgl. Thibaudeau, Consulat, S. 418. 669 Thibaudeau, Consulat, S. 418. 67o Locre, Bd. 6, S. 419. 671 Locre, Bd. 6, S. 423 f. 672 Siehe unten S. 177. 673 So aber Jac, S. 90. 674 Ebenso Perouse, S. 176, Madelin, S. 112, Nicias-Gaillard, S. 270, und insbesondere Locre, Bd. 6, S. 361. 675 Locre, Bd. 6, S. 362, teilt mit, er habe dieses Zugeständnis nicht in die offiziellen Protokolle aufgenommen.
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Die Stimmung im Staatsrat war zum damaligen Zeitpunkt nicht günstig. Obwohl die Sektion einen weiteren Entwurf vorgelegt hatte, waren nunmehr viele gegen eine formale Aufnahme der Adoption 676 oder aber für eine Regelung, die lediglich die bereits vollzogenen Adoptionen zum Gegenstand haben und nicht in den Code aufgenommen werden sollte. 677 Der Erste Konsul verteidigte die Adoption, weil deren Nichtaufnahme eine zu große Lücke im Bürgerlichen Recht ließe. 678 Auf den Einwand Tronchets, die Adoption diene lediglich der Eitelkeit und passe nur in ein monarchisches System 679 , entgegnete er, sie sei im Gegenteil vorwiegend in republikanischen Staatsformen üblich gewesen. Im übrigen sei es ein leichtes, sie in Einklang mit den Gegebenheiten in Frankreich zu bringen. 680 Er führte seinem Staatsrat die Vorteile der Adoption vor: "Die Adoption ist geeignet, eine sicherere Stütze und Trost fürs Alter zu schaffen, als man es von Seitenverwandten erwarten kann. Sie verhilft dem kinderlosen Kaufmann oder Fabrikanten zu einem Helfer und Nachfolger. Sie läßt das Alter die Jugend erziehen und fördern. Sie stellt für alle Berufe eine Notwendigkeit dar." 68 1 Daneben spielten auch staatspolitische Erwägungen eine Rolle, weil, wie er sagte, die Adoption geeignet sei, dem Staat gute Bürger heranzubilden. 682 Das Argument der möglichen Enttäuschung des Adoptivvaters entkräftete er mit folgenden Worten: ,,Reue kann die Folge jeden menschlichen Handeins sein. Man bereut einen Verkauf, eine Schenkung oder eine Heirat. Bei der Adoption hingegen verbleibt dem enttäuschten Adoptivvater ein Mittel, und zwar die Beschränkung des Kindes auf den Pflichtteil." 683 Zu den beeinträchtigten Interessen der Kollateralen sagte er, diese seien völlig unbedeutend. Und dennoch stünden sie sich bei einer AQoption sogar besser als bei einer Schenkung, da die Namensverwandtschaft zwischen ihnen und dem Adoptierten ein Verhältnis knüpfe, das ihnen unter gewissen Umständen nützlich sein könne. 684 "Der glücklichste Effekt der Adoption ist, daß den Kinderlosen ein Kind und Waisenkindem ein Vater geschenkt wird." 685 Dem Argument Tronchets, die Adoption sei wegen der Testierfreiheit ü~rflüssig 686 , begegnete Bonaparte mit dem Einwand, daß der Erblasser aufgrund erbrechtlicher Vorschriften nicht in der Lage sei, die Bande zu knüpfen, so wie sie mit einer Adoption möglich seien. Außerdem sei mit erbrechtliehen Vorschriften eine Namensübertragung nicht möglich. 687 676 677
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Berliers Bericht vom 27. Brumaire XI, zit. Locre, Bd. 6, S. 530 ff. Bericht Berliers, zit. Locre, Bd. 6, S. 532. Locre, Bd. 6, S. 537. Locre, Bd. 6, S. 537 ff. Locre, Bd. 6, s. 540. Locre, Bd. 6, s. 540 f. Locre, Bd. 6, S. 541. Locre, Bd. 6, S. 541. Locre, Bd. 6, S. 541. Locre, Bd. 6, S. 543 u. 552. Locre, Bd. 6, S. 539. Locre, Bd. 6, S. 540.
II. Erstes Buch, achter Titel des Code civil
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Man einigte sich dann doch darauf, das Adoptionsrecht im Code civil zu verankern.
bb) Einzelfragen des Adoptionsrechts a.) Die Regelung der Spruchkompetenz der Gerichte
und des Mindestalters für Adoptivkinder
Die vom Ersten Konsul nunmehr vertretene Doktrin des Adoptionsrechts stellte sich folgendermaßen dar: Die Adoption sollte nun lediglich eine Übertragung des Namens und des Vermögens zum Gegenstand haben 688, ohne das natürliche Verhältnis zwischen Adoptiertem und seiner leiblichen Familie zu tangieren. 689,690 Nur ein Volljähriger sollte adoptiert werden können. Für die Fälle eines Adoptionsantrages bezüglich Minderjähriger sagte er: "[Nichts steht dem entgegen,] daß die Einwilligung der Eltern in die Adoption eines minderjährigen Kindes nur von vorläufiger Bedeutung ist. Der Minderjährige behält des Recht, bei Eintritt seiner Volljährigkeit entweder die Adoption anzunehmen oder abzulehnen. Der endgültige Akt betreff seines Standes und damit der Namensübertragung findet erst zu diesem Zeitpunkt statt. Somit ist es nicht mehr notwendig, die Adoption durch einen Akt des Corps Iegislatif genehmigen zu lassen. Hier genügt die Autorität der Gerichte."69t Beide Vorschläge fanden Aufnahme in den Code civil. Die Kompetenz der Gerichte wurde im 2. Abschnitt des 1. Kapitels verankert, und die Frage der Volljährigkeit in Art. 346 Code civil geregelt: Art. 346 Code civil: L' adoption ne pourra, en aucun cas, avoir lieu avant Ia majorite de I' adopte. Si I' adopte, ayant encore ses pere et mere, ou I' un des deux, n' a point accompli sa vingt-cinquieme annee, il sera tenu de rapporter le consentement donne a I' adoption par ses pere et mere, ou par le survivant; et s' il est majeur de vingtcinq ans, de requerir leur conseil.
[Die Adoption eines Kindes kann vor seiner Volljährigkeit nicht erfolgen. Sind beide Eltern oder ein Teil noch am Leben, so ist der Adoptierte verpflichtet, die Einwilligung seiner Eltern oder des Überlebenden beizubringen, sofern er das fünfundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und um ihren Rat zu fragen, sofern er älter als fünfundzwanzig Jahre ist.]
ß) Pflege oder besondere Dienste als Zulässigkeilsvoraussetzungen Auch Bonapartes weitere Anregungen sollten maßgebend zur Ausgestaltung des Adoptionsrechts beitragen: "Man könnte", so sagte er, "die Adoption nur unter bestimmten Bedingungen zulassen, so aufgrund besonderer Dienste. Die 688 Locre, Bd. 6, S. 535, 540 u. 552. 689 Locre, Bd. 6, S. 362. 690 Siehe die Regelung in C. 8, 47, 10, l ff. 691 Locre, Bd. 6, S. 537.
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
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Pflege, die jemand einem Kind hat angedeihen lassen, müßte zur Adoption berechtigen. Umgekehrt sollte man einen Erwachsenen adoptieren können, der einem wichtige Dienste geleistet hat. Die Adoption eines Erwachsenen wäre nämlich sonst absurd, wenn sie von seiten des Adoptierenden nicht aus Dankbarkeit erfolgte." 692 Die Vorschläge fanden die Zustimmung des Staatsrates und sollten Eingang in den endgültigen Gesetzestext finden. In Art. 345 Code civil wurde entsprechend verankert, daß eine Adoption nur bei vorheriger Pflege oder besonderen Diensten zulässig sein sollte: Art. 345, 1. Abs. Code civil: Lafaculte d' adopter ne pourra etre exercee qu' envers I' individu a qui I' on aura, dans sa minorite et pendant six ans au moins, fourni
des secours et donne des soins non interrompus, ou envers celui qui aurait sauve Ia vie a I' adoptant, soitdans un combat, soit en le retirant desflammes ou desflots. 693 [Nur derjenige kann adoptiert werden, den man entweder während seiner Minderjährigkeit mindestens sechs Jahre lang unterstützt und ununterbrochen gepflegt hat, oder der den Adoptanten entweder in einem Gefecht, vor den Flammen oder dem Ertrinken gerettet hatte.] y) Art. 1 des Entwurfs
In den Sitzungen vor der Unterbrechung hatte der Erste Konsul noch eine Stellungnahme zu Art. 1 des Entwurfs abgegeben, die auch nach Wiederaufnahme der Adoptionsdebatte Gültigkeit hatte. So hatte Bonaparte in der Sitzung vom 6. Frimaire X [27. November 1801] für eine Altersgrenze von 50 Jahren plädiert, unter der niemand adoptieren dürfe. 694 Der erste Entwurf hatte lediglich in Art. 1 festgelegt, daß ein Adoptant nicht älter als 70 Jahre sein dürfe und mindestens 19 Jahre älter 695 als der Adoptierte sein müsse: Art. 1 des Entwurfs: Nu/ individu, de I' un ou de I' autre sexe, ne peut adopter, s' il ne reunit /es qualites suivantes: 1°. Etre ou avoir ete marie; 2°. N' avoir pas d' enfans ou descendans legitimes; 3°. Ne point passer I' age de soixante-dix ans; 4°. Et avoir au moins dix-neuf ans de plus que I' adopte. 696 [Niemand, egal welchen Geschlechts, darf adoptieren, sofern er nicht sämtliche der nachfolgenden Eigenschaften besitzt: 1. wenn er verheiratet ist oder war, 2. wenn er keine Kinder oder legitimen Abkömmlinge hat, Locre, Bd. 6, S. 543. Dazu Ourliac I Gazzaniga, S. 265. 694 Locre, Bd. 6, S. 423; dies geschah in Anlehnung an Berlier, zit. Locre, Bd. 6, S. 423, und Defermon, zit. Locre, Bd. 6, S. 414, dersich ausdrücklich auf dieentsprechende Regelung im ALR bezog. 695 Nach Römischem Recht waren es 18 Jahre, Inst. I, 11, 4. 696 Locre, Bd. 6, S. 396. 692 693
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3. wenn er nicht älter als 70 Jahre ist, 4. wenn er mindestens 19 Jahre älter als der Adoptierte ist.] Bonaparte begründete seinen Vorschlag damit, daß nur dem die Adoption erlaubt sein dürfe, der in einem Alter sei, in dem man für gewöhnlich keine Kinder mehr erwarten könne. 697 Art. 343 Code civil folgte dieser Anregung und regelte, daß erst ab einem Alter von 50 Jahren adoptiert werden dürfe: Art. 343 Code civil: L' adoption n' est permise qu' aux personnes de l' un ou de l' autre sexe, agees de plus de cinquante ans, qui n' auront, a l' epoque de I' adoption, ni enfans, ni descendans legitimes, et qui auront au moins quinze ans de plus que /es individus qu' elles se proposent d' adopter.
[Die Adoption ist nur solchen Personen beiderlei Geschlechts gestattet, die das 50. Lebensjahr vollendet und zur Zeit der Adoption keine ehelichen Kinder oder Abkömmlinge haben, und mindestens 15 Jahre älter sind als diejenigen, die sie adoptieren wollen.] Ö) Art. 4 des Entwurfs
Eine weitere Stellungnahme des Ersten Konsuls sollte ebenfalls nach der Wiederaufnahme der Debatte Gültigkeit haben. In der Sitzung vom 4. Nivose X [25. Dezember 1801] wollte Bonaparte lediglich eine im beiderseitigen Einverständnis der Eheleute beantragte Adoption zulassen, da es nicht der Natur entspreche, wenn jemand sich ein Kind nehme, das dann nicht auch gleichzeitig dem anderen gehöre. 698 Dies könne ansonsten zu Zwietracht und Streit in den Familien führen. Wenn es zulässig sein solle, daß eine Frau, die ja doch unterder Vormundschaft ihres Mannes stehe, sich ein Kind nehmen könne, über welches sie alleinige unabhängige Autorität ausüben könne, so widerspreche dies der Vorrangstellung des Ehemannes und einer gesunden Familienordnung. 699 Damit unterstützte er den Entwurf, der in seiner 1. Fassung gelautet hatte: Art. 4 des Entwurfs: L' adoption en commun ne peut etre faite que par deux personnes unies entre ellespar le mariage. Nut epoux ne peut adopter sans le consentement de l' autre. 700
[Eine gemeinschaftliche Adoption kann nur von zwei durch das Band der Ehe verbundenen Personen vorgenommen werden. Kein Ehegatte kann ohne die Einwilligung des anderen adoptieren.] Die weiteren Fassungen entsprachen dem sinngemäß. 701 Der Code civil legt damit fest, daß eine Adoption nur von beiden Ehegatten gemeinsam durchgeführt werden kann 702 : 697 698 699
100 101
Locre, Bd. 6, S. 422. Locre, Bd. 6, S. 496. Locre, Bd. 6, s. 496. Locre, Bd. 6, S. 396. Siehe Locre, Bd. 6, S. 432 f. u. 526.
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes Art. 344 Code civil: Nul ne peut etre adopte par plusieurs, si ce n' est pas par deu.x epou.x. Hors le cas de I' article 366, nul epou.x ne peut adopter qu' avec le consentement de /' autre conjoint. [Niemand kann von mehreren adoptiert werden, es sei denn, es handelt sich um Ehegatten. Mit Ausnahme des Art. 366 kann kei~ Ehegatte ohne die Einwilligung des anderen adoptieren.]
Die von Bonaparte letztendlich vertretene Adoptionstheorie bildete so die Grundlage für die gesetzliche Ausgestaltung des 8. Titels des Code civil. cc) Das Institut der Pflegeeltern
Im Rahmen der Diskussion um eine Entschädigung für das Kind, dem eine Adoption in Aussicht gestellt, aber nicht erfüllt worden war, prägte der Erste Konsul erstmals das Institut der Pflegeeltern 703 ·704: "Solange das Kind minderjährig ist, findet eine Adoption nicht statt. Es gibt nur ein pflegeelterliches Verhältnis, einen Vormund und ein Mündel. 705 Die Pflegeeltern sind verpflichtet, das Kind bis zum Alter von 18 Jahren großzuziehen. Eine Unterhaltsverpflichtung als unabdingbare Voraussetzung des pflegeelterlichen Verhältnisses würde zu schweren Nachteilen führen. Zunächst einmal würde das Kind in eine derartige Unabhängigkeit versetzt, die es ihm ermöglichte, seine Pflichten gegenüber seinem Wohltäter zu vernachlässigen. Darüber hinaus stellte der ihm so zustehende Unterhalt einen Teil der Erbmasse des Pflegevaters dar. Damit besäße das einfache pflegeelterliche Verhältnis partiell die Wirkung der Adoption. Das widerspräche aber dem unabdingbaren Grundsatz, daß eine Adoption erst mit der Volljährigkeit eines Kindes erfolgen kann. 706 Die Pflegeeltern schulden dem Kind Unterhalt, sofern sie sterben, ohne es adoptiert zu haben oder sich weigern, es bei Volljährigkeit zu adoptieren. Wer fünf Jahre lang Pflegeelternteil war, soll das Kind durch eine testamentarische Verfügung adoptieren können. 707" Art. 364 Code civil beinhaltete den Ausführungen Bonapartes entsprechend die Verpflichtung der Pflegeeltern, das Kind zu ernähren und großzuziehen: Art. 364 Code civil: Cette tuteile ne pourra avoir lieu qu' au profit d' enfans dges de moins de quinze ans. Elle emportera avec soi, sans prejudice de toutes stipulations particulieres, I' obligation de nourrir le pupille, de /' elever, de le mettre en etat de gagner sa vie.
102 703 704 1o5 706 101
Abs. 1 nunmehr in Art. 346 Code civil enthalten. "Tutelle officieuse ". Locre, Bd. 6, S. 553. Locre, Bd. 6, S. 553. Locre, Bd. 6, S. 558 f . Locre, Bd. 6, S. 560.
II. Erstes Buch, achter Titel des Code civil
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[Die Pflege kann nur solchen Kindem zuteil werden, die noch nicht 15 Jahre alt sind. Vorbehaltlich jeder besonderen Vereinbarung beinhaltet sie die Verpflichtung, das Pflegekind zu ernähren, zu erziehen und in den Stand zu setzen, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.] Art. 367 Code civil schließlich sprach die Verpflichtung der Pflegeeltern aus, im Falle ihres Todes für den Zeitraum der Minderjährigkeit des Pflegekindes einen angemessenen Unterhalt vorzusehen, so wie es Bonaparte gefordert hatte: Art. 367 Code civil: Dans le cas ou le tuteur officieux mourrait soit avant les cinq ans, soit apres ce temps, sans avoir adopte son pupille, il sera fourni a celui-ci, durant sa minorite, des moyens de subsister, dont Ia quotite et l' espece, s'il n'y a ete anterieurement pourvu par une conventionformelle, seront reglees soit amiablement entre /es representans respectifs du tuteur et du pupille, soit judiciairement en cas de contestation. [Stirbt der Pfleger entweder vor Ablauf dieser fünf Jahre oder danach, ohne sein Pflegekind an Kindes statt angenommen zu haben, so soll diesem, so lange es minderjährig ist, Unterhalt gezahlt werden, dessen Höhe und Art mangels vorheriger getroffener förmlicher Vereinbarung entweder gütlich zwischen den beiderseitigen Vertretern des Pflegers und des Pflegekindes oder im Streitfalle gerichtlich bestimmt werden soll.]
Art. 369 Code civil beinhaltete die Möglichkeit des volljährigen Kindes auf Inanspruchnahme der sich der Adoption verweigernden Pflegeeltern auf Schadensersatz, sofern das Kind erwerbsunfahig war. Der Schadensersatz sollte dem Kind eine Erwerbschance eröffnen: Art. 369 Code civil: Si, dans/es trois mois qui suivront Ia majorite du pupille, /es requisitions par lui faites a son tuteur officieux, afin d' adoption sont restees sans effet, et que le pupille ne se trouve point en etat de gagner sa vie, le tuteur officieux pourra etre condamne a indemniser le pupille de I' incapacite ou celui-ci pourrait se trauver de pourvoir a sa subsistance.
Cette indemnite se resoudra en secours propres a lui proeurer un metier; le tout sans prejudice des stipulations qui auraient pu avoir lieu dans Ia prevoyance de ce cas. [Sind in den ersten drei Monaten nach der Volljährigkeit des Pflegekindes die Anfragen bei seinem Pfleger auf Adoption erfolglos geblieben, und ist es nicht in der Lage, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, so kann der Pfleger verurteilt werden, den Pflegling wegen dieser Erwerbsunfähigkeit zu entschädigen.
Diese Entschädigung soll sich in eine Unterstützung auflösen, die geeignet ist, dem Pflegling zu einem Beruf zu verhelfen, jedoch unbeschadet der auf diesen Fall im voraus getroffenen Vereinbarungen.] c) Die Motive Bonapartes Wie bei der Scheidung hat man auch hier vermutet, Bonaparte habe mit seinen Stellungnahmen zur Adoption persönliche Ziele verfolgt. 708 Es wird darauf ver708
12*
Gönner, Bd. 2, S. 189; Jac, S. 86; Madelin, S. 111; Savatier, S. 43 f.
180
II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
wiesen, daß die Adoption für ihn ein willkommenes Mittel gewesen sei, trotz Kinderlosigkeit seine dynastischen Pläne verwirklichen zu können. 709 Dabei wird teilweise gesagt, er habe noch keine festen Pläne gehabt. Er habe vorsorglich für die Adoption plädiert, weil er sich über eine Scheidung noch nicht im klaren gewesen sei. 710 Da ihm eigene Kinder bis dahin versagt gewesen seien, habe er während der Debatten der Jahre X und XI für die Einführung der Adoption gekämpft, um eventuell später auf legalem Wege einen Nachkommen zu bekommen, ohne den Weg der Scheidung beschreiten zu müssen. 711 Dagegen steht die These von Villeneuve de Janti. Danach soll Bonaparte zum damaligen Zeitpunkt an eine mögliche Adoption nicht gedacht haben, da ein solcher Schritt in Richtung Erbfolge verfrüht gewesen sei. 712 Villeneuve de Janti führt als Stütze für seine Ansicht ein Gespräch über die Frage der Nachfolge zwischen dem Ersten Konsul und Devaisne an, das Roederer mitgeteilt hat: ,"Sollte ich in vier oder fünf Jahren sterben, wird alles von alleine laufen. Sollte ich dagegen vorher sterben, weiß ich nicht, was werden soll', sagte Bonaparte. Auf die Antwort: ,Man fühlte sich in Frankreich sicherer, wenn man einen leiblichen Nachfolger an Ihrer Seite sehen würde', entgegnete er: ,Ich habe aber keine Kinder.' -,Und wie wäre es mit einem Adoptivkind?' -,Dessen bedarf es nun wirklich nicht."' 7 13 Das Gespräch fand aber bereits im Primaire IX [November 1800] statt, also ein Jahr vor Beginn der Adoptionsdebatte im Staatsrat. Dagegen zeugen Bonapartes Pläne zur Verheiratung seiner StieftochterHortensemit seinem Bruder Louis von der Absicht, einen Nachfolger zu bekommen. Bereits im August 1801, also noch vor den ersten Beratungen, die erst am 6. Primaire X [27. November 1801] begannen, hatte er konkrete Pläne zur Verheiratung seiner Stieftochter Hortense mit seinem jüngeren Bruder Louis, den er am liebsten von allen seinen Brüdern hatte 714 • Er sagte damals zu seiner Frau: "Wir werden vielleicht nie Kinder haben. Ich habe Louis großgezogen, ich betrachte ihn als meinen Sohn, und Deine Tochter ist für Dich das Liebste auf der Welt. Die Kinder der beiden werden die unseren sein. Wir werden sie adoptieren, und dies wird uns darüber hinwegtrösten, daß wir keine haben." 715 Anfang Februar 1802 äußerte der Erste Konsul der schwangeren Hortense gegenüber, daß er hoffe, sie werde keine Tochter, sondern einen Sohn bekommen. 716 Zwei Tage nach der Niederkunft, am 21. Brumaire XI [ 12. November 1802] zeigte er sich der Mutter gegenüber sehr zufrieden, 709 710
111 112 71 3 7 14
11s 7 16
Jac, S. 86; Madelin, S. 111. Jac, S. 86; Madelin, S. 111. Jac, S. 86; Madelin; S. 111. Villeneuve de Janti, S. 131. Roederer, CEuvres, Bd. 3, S. 353. Hortense, Bd. 1, S. 105. Hortense, Bd. 1, S. 105. Hortense, Bd. 1, S. 121.
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daß ein Junge geboren worden war. 717 Am 17. Germinal XII [7. April 1804]7 18 äußerte er defintiv den Wunsch, seinen Neffen zu adoptieren, um einen Erben zu haben. 719 Im Pluviose XIII [Januar 1805] wiederholte er den Wunsch, doch lehnte sein Bruder Louis, der Vater des Kindes, ab. 720 Der Kaiser verankerte indessen in Art. 4 des 2. Titels des Senatsbeschlusses vom 28. Floreal XII [18. Mai 1804] die Möglichkeit, seine Neffen und Großneffen mit Vollendung des 18. Lebensjahres adoptieren zu können. 721 Noch am 30. November 1809 sagte er zu Hortense, er habe 1804 geglaubt, deren Sohn adoptieren zu können, um dem allgemeinen Wunsch nach einem Thronfolger nachkommen zu können. 722 Solange das Kind lebte 723, hat Napoleon es wie sein eigenes behandelt. 724 Die Geburt hatte kurz vor Wiederaufnahme der Adoptionsdebatte nach der langen Unterbrechung stattgefunden. Der Erste Konsul dachte also bei der gesamten Adoptionsdebatte an die Adoption eines Nachfolgers, doch schnitt er die betreffenden Artikel des Code civil nicht auf seine Bedürfnisse zu. Die gegensätzliche Ansicht beachtet dabei nicht die zahlreichen Forderungen, die Bonaparte im Grunde gegen sich aufstellte. Wenn er für das Erfordernis der Volljährigkeit des Adoptivkindes und eine Mindestaltersgrenze von 50 Jahren für den Adoptanten eintrat, so konnte er angesichts des erst kürzlich veranstalteten Attentats in der Rue Saint-Ni~aise vom 4. Nivose IX [24. Dezember 1800] oder der Gefahren einer Schlacht nicht sicher sein, dieses Alter zu erreichen. Auch die Voraussetzung der beständigen Pflege des Adoptivkindes während seiner Minderjährigkeit oder die herausragenden Dienste, die er für so wichtig hielt, wären für ihn ungünstig und ein möglicher Hinderungsgrund gewesen. Andererseits war dem Ersten Konsul, der bereits damals die Alleinherrschaft über Frankreich anstrebte, klar, daß er, wie bei der Scheidung, über einen Senatsbeschluß zur Adoption eines Nachfolgers gelangen konnte, ohne den komplizierteren zivilrechtliehen Weg beschreiten zu müssen. 725
Hortense, Bd. 1, S. 136. Zur Datierung des Besuchs siehe Miot de Melito, Bd. 2, S. 178. 719 Hortense, Bd. 1, S. 138. 120 Hortense, Bd. 1, S. 138. 721 Hortense, Bd. 1, S. 139, Fußn. 1. 722 Hortense, Bd. 2, S. 45 f.; im März 1818 sagte er auf Sankt Helena zu Bertrand, Bd. 2, S. 80: "Meine Regierung und meine Dynastie mußten sich konsolidieren. Und dafür brauchte ich Kinder. Das Volk will Kinder von dem, den es erwählt hat. Brüder und Neffen können das Herz des Volkes bei weitem nicht so gewinnen wie eigene Kinder."; in übereinstimmender Weise äußerte er sich auch gegenüber Montholon, Bd. 2, S. 470: "Würde Eugene mein Nachfolger werden, würde ich damit keine Dynastie begründen, denn die Abstammung aufgrund Adoption ist nur eine Fiktion, die der gesunde Menschenverstand eines Volkes nicht akzeptiert. Das Blut der vierten Dynastie wäre das eines Beauharnais und nicht das eines Napoleon." 723 Es starb am 5. Mai 1807, auf den Tag 14 Jahre vor Napoleon. 724 Siehe statt vieler nur Hortense, Bd. 1, S. 145. 725 Villeneuve de Janti, S. 132. 111 718
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
Der Erste Konsul sorgte für vernünftige Regelungen, die dem Wohl des Adoptivkindes entsprechen und auch dem Adoptanten gerecht werden sollten. Insbesondere das allein von ihm in der Adoptionsdebatte entwickelte Institut der Pflegeeltern zeigt deutlich seine Sorge um das Wohl der Kinder und eine vernünftige gesetzliche Regelung im allgemeinen. Die Darstellung der Adoptionsdebatte unter dem Vorsitz Bonapartes wird von Ourliac und Malafosse mißverständlich dargestellt. 726 Es entsteht der Eindruck, als ob der Erste Konsullediglich die politisch motivierte Adoption durchzusetzen versucht habe. Die von ihm eingebrachten Regeln werden nicht als sein Werk gekennzeichnet. Desgleichen findet die Tatsache, daß das Institut der Pflegeeltern auf Bonaparte zurückgeht, keine Erwähnung.
9. Neunter Titel: "Von der Väterlichen Gewalt" Im Einflußbereich des Droit ecrit war der Macht des Vaters vor 1789 in Anlehnung an das Römische Recht727 eine solche Ausdehnung beigemessen worden 728, daß von einem bloßen Schutzgedanken nicht mehr die Rede sein konnte 729 • Vielmehr war die Väterliche Gewalt im wesentlichen auf den Erhalt der Macht und die Verfolgung väterlicher Interessen ausgerichtet gewesen. Dies hatte politische Hintergründe gehabt. Eine starke väterliche Autorität garantierte eine solide Familienorganisation und damit gesunde Mitglieder eines starken Staates. Damit war aber auch der Möglichkeit schrankenloser Ausbeutung der Kinder Tür und Tor geöffnet worden. Insbesondere die Enterbung stellte das stärkste Instrument der Patria potestas, der Puissance paterneUe dar. 730 Die diesbezüglichen Regelungen in den Provinzen der Coutumes waren vollkommen uneinheitlich, teilweise widersprüchlich 731 und hatten im wesentlichen als gemeinsame Grundlage die Möglichkeit der Enterbung. 732 Das französische Gewohnheitsrecht kannte keine Patria potestas im Sinne des Römischen Rechts. Die väterliche Gewalt wirkte lediglich im Interesse der Kinder 733 und bestand nur, solange diese minderjährig waren 734 • Die Revolution von 1789 war darangegangen, die väterliche Autorität abzubauen. Mit Dekret vom 28. März 1792 hatte man deren Wirkung auf die Minderjährigen beschränkt, mithin der Regelung der Coutumes zur Allgemeingültigkeit 726
121
12s 729
730 73 1 732 733 734
Siehe Ourliac I Malafosse, Bd. 3, S. 82. Ourliac I Malafosse, Bd. 3, S. 40. Ourliac I Malafosse, Bd. 3, S. 69 ff. Maleville, Bd. 1, S. 377 f. Ma1eville, zit. Locre, Bd. 7, S. 16. Siehe den Überblick bei Ma1eville, Bd. 1, S. 376 f. Tronchet, zit. Locre, Bd. 7, S. 18. Jac, S. 94. Our1iac I Malafosse, Bd. 3, S. 80.
Il. Erstes Buch, neunter Titel des Code civil
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verholfen. 735 Mit Dekret vom 20. September 1792 war die Altersgrenze auf 21 Jahre festgelegt worden. 736 Die Gründe dafür lagen einerseits in den Gleichheitsgrundsätzen der Revolution, andererseits darin, daß die neuen Machthaber die Jugend dadurch an das neue System binden wollten, daß sie sie von den alten Zwängen befreiten. 737 Bonaparte nahm lediglich an einer der Sitzungen teil, in denen der 9. Titel diskutiert wurde, und zwar an der vom 26. Primaire X [17. Dezember 1801]. Bei der Wiederaufnahme der Beratungen im Staatsrat im darauffolgenden Herbst sollte er aufgrund politischer Geschäfte außerstande sein, den Gesetzgebungsarbeiten beizuwohnen. Nach einer zweiwöchigen Reise mit seiner Frau durch die Normandie 738 widmete er sich ganz den außenpolitischen Spannungen zwischen England und Frankreich, die er mit dem im Frieden von Amiens geschlossenen Bündnis kurzfristig beenden konnte. 739 Deshalb bieten seine Stellungnahmen kein abgerundetes Bild von seiner Vorstellung von der väterlichen Gewalt. Der Entwurf, der eingangs dem Staatsrat vorgelegt wurde, hatte neben Disposition officieuse und Vermögensverwaltung in den Art. 1 bis 6 740 lediglich die Kompetenz des Vaters geregelt, seine nicht besserungswilligen Kinder aufgrund schwerwiegender Verfehlungen in einer Besserungsanstalt unterbringen zu können: Art. l des Entwurfs: Le pere qui aura des sujets de mecontentement tres graves sur Ia conduite d' un enfant dont il n' aura pu reprimer /es ecarts, pourra le faire detenir dans une maison de correction.
[Hat ein Vater erheblichen Anlaß zur Unzufriedenheit über das Verhalten eines Kindes, das er selbst nicht zur Vernunft bringen konnte, so kann er es in eine Besserungsanstalt einweisen lassen.] Art. 2 des Entwurfs: A cet effet, il s' adressera au president du tribunal de l' arrondissement, qui, sur sa demande, devra delivrer l' ordre d' arrestation necessaire, apres avoir fait souscrire par le pere une soumission de payer tous /es frais et de fournir /es alimens convenables.
L' ordre d' arrestation devra exprimer Ia duree de Ia detention et Ia maison qui sera choisie par le pere.
[Zu diesem Zwecke hat er sich an den Präsidenten des Bezirksgerichts zu wenden, der auf seinen Antrag hin den Arrestbefehl ausstellen muß, nachdem der Vater eine Erklärung unterzeichnet hat, daß er sämtliche anfallenden Kosten zahlt und für den notwendigen Unterhalt sorgt. Ourliac 1Malafosse, Bd. 3, S. 80. Male,ville, Bd. I, S. 380. 737 Perouse, S. 180. 738 Vom 7. Brumaire XI [29. Oktober 1802] bis zum 23. Brumaire XI [14. November 1802], Schuermans, S. 137 ff. 739 Thiers, Bd. 4, S. 220 ff. 740 I. Abschnitt des I. Kapitels des Entwurfs, "Von der Väterlichen Gewalt über die Kinder". 735
736
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
Der Arrestbefehl muß die Dauer der Unterbringung und die Anstalt bestimmen, die der Vater ausgesucht hat.] Art. 3 des Entwurfs: La detention ne pourra, pour Ia premiere fois, exceder six mois: eile pourra durer une annee, si l' enfant, redevenu libre, retombe dans les ecarts qui l' avaient motivee. Dans tous les cas, le pere sera le maftre d' en abreger Ia duree. [Die Unterbringung darf beim ersten Mal nicht länger als sechs Monate dauern; sie kann ein Jahr dauern, wenn das entlassene Kind in das Verhalten, das zur Unterbringung geführt hatte, rückfällig wird. Der Vater hat stets das Recht, die Dauer zu verkürzen.] Art. 4 des Entwurfs: Si le pere est remarie, il ne pourra faire detenir un enfant du premier lit, qu' avec le consentement des deux plus proches parens maternels de cet enfant. [Ist der Vater eine neue Ehe eingegangen, kann er ein Kind aus erster Ehe nur mit Einwilligung der zwei nächsten Angehörigen dieses Kindes mütterlicherseits unterbringen lassen.] Art. 5 des Entwurfs: La mere survivante ne pourra exercer le droit de detention qu' avec le consentement des deux plus proches parens paternels de ses enfans. [Ist der Vater verstorben, kann die Mutter das Unterbringungsrecht nur mit der Einwilligung der zwei nächsten Angehörigen ihrer Kinder väterlicherseits ausüben.] Art. 6 des Entwurfs: Les articles du present Titre seront communs aux pere et mere des enfans naturels legalement reconnus. 741 [Die Artikel dieses Titels gelten ebenso für die Eltern von gesetzlich anerkannten ehedem unehelichen Kindern.] Der Entwurf war von einem Geist getragen, den Tronchet folgendermaßen umschrieb: "Die väterliche Gewalt ist ein Recht, das auf der Natur beruht und vom Gesetz bestätigt wird. Es gibt den Eltern das Recht der Aufsicht über ihre minderjährigen und nicht durch Heirat verselbständigten Kinder und deren Vermögen." 742 Der Staatsrat sollte sich, die beiden gegensätzlichen Rechtstraditionen vor Augen, unter dem Eindruck der Initiative des Ersten Konsuls von der Patria potestas des Römischen Rechts distanzieren. Bonaparte griff nämlich, bestrebt, liberale Forderungen auch im Familienrecht durchzusetzen, insbesondere die Rechte der Kinder gebührend auszubauen, den Entwurf der Kommission scharf an: "Die Section ... hat ... entschieden, daß ein Vater sein Kind einsperren lassen kann!" 743 Für ihn war es unverständlich, daß ein Gesetz nur repressive Kompetenzen regeln konnte, ohne in der so wichtigen Materie einen Katalog der Rechte und Pflichten in der Vater-Kind-Beziehung aufzustellen. Daß der Code civil eine kinderfreundlich ausgerichtete Gewaltenregelung beinhaltet, ist 741 Locre, Bd. 7, S. l3 f . 742 Locre, Bd. 7, S. 17. 743 Locre, Bd. 7, S. 20.
II. Erstes Buch, neunter Titel des Code civil
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dem Ersten Konsul zu verdanken, der durch seine Vorschläge die Schutzund Wohltäterfunktion der väterlichen Gewalt dem Kind gegenüber vor aller väterlichen Autorität in den Vordergrund rückte: "Der in Rede stehende Gesetzesentwurf muß das Kind von seiner Geburt an berücksichtigen. Er muß regeln, wie für seine Erziehung Sorge zu treffen ist, wie man es auf seinen späteren Beruf vorbereitet, wie ein Kind eines minderjährigen Vaters anerkannt werden und wie es unter welchen Voraussetzungen heiraten, verreisen und seinen Stand wählen kann." 744 Nach Bonapartes Vorstellung sollte ein Kind ohne Einwilligung seines Vaters weder das elterliche Haus verlassen noch verreisen dürfen. Tue es dies doch, habe der Vater das Recht, es zurückholen zu lassen. 745 Dies verstand er unter väterlicher Gewalt im engeren Sinne. Sodann aber dachte er an die Verpflichtung des Vaters seinen Kindern gegenüber. Er stellte im Staatsrat die Frage, ob ein Kind etwa keinen Anspruch gegen seinen Vater auf eine den wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende Ausbildung habe. 746 Ob nicht zwischen der Ausbildung von Jungen und Mädchen unterschieden werden müsse. 747 Ferner gab er zu bedenken, ob nicht im Falle einer schlechten Erziehung der Großvater befugt sein solle, dem Kind eine bessere zuteil werden zu lassen. 748 Der Erste Konsul regte ebenfalls an, ob man nicht für den Fall eines moralisch bedenklichen Lebenswandels des Vaters der Mutter eine gewisse Autorität geben solle, die "ohne eine Machtstellung innezuhaben, doch letztlich die natürliche Lehrerin ihrer Kinder ist". 749 Für diese Einstellung war sicherlich die Erziehung durch seine Mutter Laetitia prägend. 750 Einige der Anregungen sollten aus systematischen Gründen anderen Titeln des Code civil zugeordnet werden, wie zum Beispiel die Voraussetzungen, die ein Minderjähriger erfüllen muß, um heiraten zu können, und die Anerkennung des Kindes eines Minderjährigen. Auch der Vorschlag, man solle die zivilrechtliehe Haftung des Vaters für Handlungen seiner Kinder regeln, sollte aus Gründen der Systematik nicht in den 9. Titel aufgenommen werden. 751 Als Tronchet betonte: "Das Kind gehört nur dem Vater." 752, erwiderte der Erste Konsul, daß die Eltern zwar eine beträchtliche Macht über ihre Kinder ausübten, es aber jedenfalls gerecht sei, "daß die Gesellschaft, der das Kind eines Tages ausschließlich gehören wird, darüber wacht, wie der Vater mit seiner Macht umgeht!" 753 Bonaparte verstand das eingeschränkte Interventionsrecht des Locre, Bd. 7, S. 20. Locre, Bd. 7, s. 20. 746 Locre, Bd. 7, S. 21. 747 Locre, Bd. 7, S. 21. 748 Löcre, Bd. 7, s. 20. 749 Locre, Bd. 7, S. 21. 750 "Sie wachte über uns mit einer Fürsorge, die beispiellos ist", sagte der Kaiser am 31. Juli 1820 auf Sankt Helena zu Antommarchi, Bd. 2, S. 24. 751 Tronchet, zit. Locre, Bd. 7, S. 17. 752 Locre, Bd. 7, S. 20. 744 745
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
Vaters bei einer nicht von ihm genehmigten Heirat seines minderjährigen Kindes in einer Konsequenz, die noch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts für einen Rechtsgelehrten wie Jac 754 nicht verständlich sein sollte. "Dies ist eine Schutzvorschrift, die nicht für die Interessen der Väter errichtet worden ist, sondern zugunsten des Sohnes wirkt" 75 5, hat der Erste Konsul seinen Staatsräten gesagt. Ebenso hatte er gefordert, "daß das Gesetz allgemein regeln soll, daß der Vater verpflichtet ist, seine minderjährigen Kinder zu ernähren und großzuziehen, und ihnen eine Existenz zu schaffen, sobald sie großjährig sind, oder aber ihnen Unterhalt zu zahlen", weil der Sohn einen Anspruch auf das Vermögen des Vaters habe. 756 Bei den Töchtern war er so weit gegangen, für die Einführung einer Dotationspflicht zu plädieren. 757 Daß er der Materie eine große Bedeutung beimaß, wird daran deutlich, daß er eingangs der ersten Beratungen eine Unterteilung des Personenrechts in drei Abschnitte vorgesehen hatte, wovon einer dem VaterKind-Verhältnis vorbehalten sein sollte. 758 Nur in einem Punkt stärkte er die väterliche Position. Bei der Erbrechtsdebatte sollte er nämlich für das Dispositionsrecht des Vaters als Ausfluß der Puissance paterneUe plädieren. 759 Dem Ersten Konsul gelang es nicht, die Entwürfe zu Fall zu bringen, denn sie wurden inhaltlich kaum verändert als Art. 375-381 in den Code civil aufgenommen. Dagegen konnte Bonaparte zwei Regelungen durchsetzen. Er hatte angeregt, eine Ausname vom Grundsatz der Puissance paterneUe hinsichtlich der freien Wahl des Aufenthaltsorts des Kindes zuzulassen, nämlich für den Fall, daß es sich ohne Genehmigung des Vaters anwerben ließ. 760 Art. 374 Code civil entsprach genau diesem Vorschlag, indem darin geregelt wurde, daß ein Kind Fenet, Bd. 10, S. 344. Jac, S. 97 f. m Fenet, Bd. 9, S. 56. 756 Fenet, Bd. 9, S. 69. 757 Locre, Bd. 4, S. 383; Favard, Bd. 2, S. 94; Fenet, Bd. 9, S. 62. Dazu oben S. 127. Napoleons Fürsorge erschöpfte sich allerdings nicht in dieser theoretischen Forderung. In ihm bekannt gewordenen Fällen sorgte er für eine angemessene Aussteuer für Töchter unvermögender Bürger, wie etwa die Schilderung von Soden, S. 257 ff., belegt: Als der Kaiser zur Armee reiste, die er gegen die Österreicher ins Feld führte, wurde er am 16. April 1809 hinter Ludwigsburg von dem württembergischen Oberförster Faber eskortiert. Und wie der Kaiser gerne die Leute über ihre persönlichen Verhältnisse auszufragen pflegte, so erkundigte er sich auch hier über Fabers Familie, "welche Besoldung er habe, ob er verheiratet sei, Kinder habe und wie viele? Ob Mädchen darunter seien und welches Alter die älteste erreicht habe? ,Sie zählt neun Jahre', erwiderte Faber. ,Wie viel können Sie einst Einer Heirathsgut mitgeben?' ,Sehr wenig, Sire." ' Worauf der Kaiser dem Oberförster Faber neben einigen gutgemeinten Ratschlägen über dieWahldes Bräutigams 125 Napoleonsd' or als Aussteuer für seine Tochter aushändigen ließ. Savary, Bd. 4, S. 68 f., bestätigt als Augenzeuge diese Begebenheit. Sodens Mitteilung beruht auf der mündlichen Überlieferung Fabers aus dem Jahre 1820, die lediglich in der Datierung der Begebenheit, 9. Aprill809, ungenau ist. Zum Datum siehe auch Schuermans, S. 248. 758 Siehe oben S. 71. 759 Siehe unten S. 199 f. 760 Locre, Bd. 7, S. 20. 753
754
III. Die Regelung der Grundrenten im Zweiten Buch des Code civil
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das Elternhaus nach vollendetem 18. Lebensjahr ohne Einwilligung des Vaters nur verlassen dürfe, wenn es sich freiwillig zum Militärdienst anwerben lasse. Sinn dieser Regelung sollte sein, den freiwilligen Eintritt in die Annee zu fördern, um die Konskription nicht zum üblichen Mittel der Rekrutierung werden zu lassen. 761 Art. 374 Code civil: L' enfant ne peut quitter Ia maison paterneile sans Ia permission de son pere, si ce n' est pour enrolement volontaire, apres I' age de dix-huit ans revolus.
[Das Kind darf das Elternhaus ohne Erlaubnis des Vaters nicht verlassen, es sei denn, es geschieht zwecks freiwilliger Anmusterung nach vollendetem 18. Lebens-
jahr.]
Art. 385 Ziff. 2 Code civil legt noch heute fest, daß die Nutznießung des Vennögens der Kinder für den Vater bis zur Volljährigkeit mit der Auflage verbunden ist, die Kinder entsprechend ihrem Vennögen zu ernähren, zu unterhalten und zu erziehen: Art. 385 Ziff. 2 Code civil: Les charges de cette jouissance seront, . . . 2°. La nourriture, I' entretien, et I' education des enfans selon leur fortune; [Die mit dieser Benutzung verbundenen Lasten sind: . .. 2°. Die Ernährung, der Unterhalt und die Erziehung der Kinder gemäß ihrem Vermögen.]
Der Erste Konsul hatte gefordert, den Kindem einen Anspruch auf eine den wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßte Erziehung gegen den Vater zu geben. Da der erste Entwurf des zweiten Abschnitts darüber keine Aussage getroffen hatte, ist der Erste Konsul als geistiger Urheber dieser Nonn anzusehen.
111. Die Regelung der Grundrenten im Zweiten Buch des Code civil Mit Ausnahme der Bestimmungen über die Grundrenten 1 nahm Bonaparte keinen Anteil an der Gesetzgebungsdebatte zum Zweiten Buch des Code civil. Nachdem die Gesetzesarbeiten zum Zweiten Buch beendet worden waren und man an die Arbeit ging, die einzeln verabschiedeten Titel zu vereinigen, legte der Staatsrat dem Ersten Konsul noch eine Frage zur Prüfung vor, die den Grundrentenvertrag zum Gegenstand hatte. Darunter verstand man unter dem Ancien Regime einen Vertrag, nach dem ein Grundstückseigentümer jemandem sein Grundstück zur Bebauung beziehungsweise landwirtschaftlichen Nutzung überlassen und für dieses zeitlich nicht begrenzte Jus in re immobili eine ebenfalls zeitlich nicht begrenzte Rente in Geld oder Naturalien fordern konnte. Die Forderung lastete auf dem gesamten Vennögen des Schuldners und der folgenMaleville, Bd. 1, S. 386. Der spätere Art. 530 Code civil.
761 I
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II. Teil, 2. Kapitel: Die Debatten unter Leitung Bonapartes
den Generationen. Diese Vertragsart läßt sich bis auf die römischrechtliche EIJ.1)1:EU