201 80 18MB
German Pages 341 [344] Year 1982
PHONAI LAUTBIBLIOTHEK DER EUROPÄISCHEN SPRACHEN U N D M U N D A R T E N Herausgegeben von der Internationalen Vereinigung sprachwissenschaftlicher Schallarchive
D E U T S C H E REIHE Herausgegeben vom Deutschen Spracharchiv im Institut für deutsche Sprache Band 23
Monographien 14
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1982
Herausgabe, Schriftleitung und Leitung der Herstellung:
Edeltraud Knetschke, Mannheim Margret Sperlbaum, Mannheim
Herstellung der Druckvorlage: Nik Rothfuchs, Dettenhausen Montage der korrespondierenden Texte:
Hildegard Magis, Mannheim
Karten:
Willi Oksas, Mannheim
Zu diesem Monographienband ist ein Tonband lieferbar, das die zugrundeliegenden Originalaufnahmen der Mundart enthält.
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Monographien / [Hrsg., Schriftl.: Edeltraud Knetschke ; Margret Sperlbaum]. Tübingen : Niemeyer (Phonai : Dt. Reihe ; ...) NE: Knetschke, Edeltraud [Hrsg.]; Phonai / Deutsche Reihe 14. —» Guentherodt, Ingrid: Dudenrode Kr[eis] Witzenhausen, Netra Kr[eis] Eschwege Guentherodt, Ingrid: Dudenrode Kr[eis] Witzenhausen, Netra Kr[eis] Eschwege / von Ingrid Guentherodt. Tübingen : Niemeyer (Monographien ; 14) (Phonai : Dt. Reihe ; Bd. 23) NE: Phonai / Deutsche Reihe [Hauptbd.]. - 1981.
ISBN 3-484-23027-4
ISSN 0554-0992
© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1982 Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Satz: Rothfuchs, Dettenhausen Druck: Sulzberg Druck GmbH, Sulzberg/Allg. Einband von Heinr. Koch, Tübingen
Dudenrode Kr. Witzenhausen Netra Kr. Eschwege
von
Ingrid Guentherodt
5 VORWORT Die vorliegende Untersuchung von Tonbandaufnahmen, die das Deutsche Spracharchiv 1959 in den hessischen Gemeinden Dudenrode und Netra aufnahm, wurde im Herbst 1970 begonnen und beanspruchte, bedingt durch zweimaligen Stellenwechsel und die nicht ganz freiwillige Rückwanderung aus den U.S.A. nach Deutschland, etwas mehr als fünf Jahre. Durch die Teilnahme an zwei Sommer-Linguistik-Instituten der Linguistic Society of America (University of Illinois 1969, State University of New York in Buffalo 1971) konnte sich die Autorin u.a. mit der generativen Phonologie eingehender beschäftigen. Bei einigen Sprachphänomenen des Spracharchiv-Materials, vor allem bei den Assimilationserscheinungen, drängte sich eine konsequente Zusammenfassung in Form von generativen Merkmal-Regeln auf. Um jedoch ungenaue bzw. unrichtige Verallgemeinerungen zu vermeiden, wären dazu weitere gezielte Materialsammlungen notwendig gewesen. Der Synchronie wegen mußte mit Ausnahme von kurzen Zusatzaufnahmen in den Jahren 1973 und 1976 auf neue Umfragen verzichtet werden. Die Autorin verwendete aus den oben erwähnten Gründen sowohl strukturalistische Analysemethoden als auch Methoden der generativen Phonologie je nach Material und Zielsetzung. Beim Abschluß der Arbeit gilt der Dank vor allem Frau Dr. Edeltraud Knetschke und Frau Dr. Margret Sperlbaum für Beratung und Kritik. Das Manuskript wurde in der vorliegenden Form im März 1976 eingereicht. Inzwischen sind KontrastivArbeiten zum Hessischen von Joachim Hasselberg und Klaus-Peter Wegera erschienen, die durch die Betonung des Südosthessischen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung ergänzen. Diese Arbeiten wurden im Literaturverzeichnis nachgetragen \
1
Anm. d. Redaktion: Wie bereits manchmal in dieser Reihe sind gerade bei diesem Band von der Zeit der Abgabe des Autorenmanuskriptes bis zum Zeitpunkt des Erscheinens sehr große Verzögerungen eingetreten, die u.a. durch personellen Abbau und die Verlegung des Deutschen Spracharchivs von Bonn nach Mannheim entstanden sind. Wir bedauern dies sehr, sind andererseits aber der Meinung, daß die vorliegende Monographie nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat. 10.11.80
EK/MS
7 INHALT
VORBEMERKUNGEN 1. Aufnahmedaten 1.1. Dudenrode 1.2. Netra
11 11 11
2. Aufnahmeleiter und Frager
12
3. Abhörerin und Bearbeiterin
12
4. Abhörgerät
13
5. Sprecher/innen 5.1. Dudenrode 5.2 Netra
13 13 14
6.Orte und Landschaft 6.1. Dudenrode 6.2. Netra
15 15 16
7.Sprachliche Situation der Orte Dudenrode und Netra
17
8.Inhalt der Aufnahmen von Dudenrode und Netra
21
9. Bemerkungen zu Transkriptionen
24
10.Phonetische und phonologische Beschreibung 10.1. Probleme der Systematik 10.2. Assimilation 10.2.0. Assimilation und ,langue' 10.2.1. Assimilation innerhalb der Lexemgrenzen 10.2.1.1. ohne Deletion von Segmenten 10.2.1.2. mit Deletion von Segmenten 10.2.2. Assimilation über Lexemgrenzen hinweg 10.3. Alternation 10.3.1. Zur Auslautverhärtung 10.3.2. Zu Umlaut und Ablaut 10.3.2.1. Pluralumlaut 10.3.2.2. Steigerungsumlaut 10.3.2.3. Verbalablaut 10.4. Phonologisches System. Synchrone Untersuchung 10.4.0. Probleme der Phonembestimmung 10.4.1. Phonemsystem von Dudenrode 10.4.1.1. Oppositionen, Phoneme, ihre Distribution und ihre Varianten 10.4.1.1.1. Vokale 10.4.1.1.2. Konsonanten 10.4.1.2. Strukturierung des Phonemsystems von Dudenrode . . . . 10.4.2. Phonemsystem von Netra
25 25 26 26 28 28 29 30 33 33 33 34 34 35 38 38 40 40 40 43 47 48
8 10.4.2.1. Oppositionen, Phoneme, ihre Distribution und ihre Varianten 10.4.2.1.1. Vokale 10.4.2.1.2. Konsonanten 10.4.2.2. Strukturierung des Phonemsystems von Netra 10.5. Entsprechungen in den Lautsystemen des Wgm., Mhd., Nhd. und der Dialekte von Dudenrode und Netra. Diachrone Untersuchung . . 10.5.1. Tabellen zum Vokalismus mit Wgm. als Bezugsrahmen. . . . 10.5.1.1. Diachrone Tabelle zum Vokalismus von Dudenrode . . . . 10.5.1.2. Diachrone Tabelle zum Vokalismus von Netra 10.5.2. Kontrastive Analyse des Vokalismus mit Wgm. als Bezugsrahmen 10.5.2.1. Gemeinsame Entwicklung der Dialekte im Kontrast zum Nhd 10.5.2.2. Verschiedene Entwicklungen der Dialekte im Kontrast zum Nhd 10.5.3. Komparative Analyse von Vokalismus und Konsonantismus mit Nhd. als Bezugsrahmen
48 48 51 54 55 55 56 60 66 66 68 70
11. Wortbildung 11.0. Vorbemerkung 11.1. Verben 11.2. Substantive 11.2.0. Orts-, Flurnamen, Häuser-und Familienbeinamen 11.2.1. Ableitungen 11.2.2. Zusammensetzungen 11.2.2.1. Komposita mit zwei Konstituenten 11.2.2.2. Komposita mit mehr als zwei Konstituenten 11.2.2.3. Komposita mit unbetonter Vorsilbe 11.3. Adjektive 11.4. Adverbien 11.4.1. Lokal-und Temporaladverbien 11.4.2. Modaladverbien 11.4.3. Kausaladverbien 11.5. Zahlwörter 11.6. Unbestimmte und bestimmte Quantitätspartikel 11.7. Zusammenfassender Überblick
76 76 76 78 78 79 79 80 82 82 82 83 83 84 84 84 85 85
12. Zur Morphologie und Syntax. Kontrastive Untersuchung 12.0. Vorüberlegung 12.1. Pronomen 12.2. Substantive 12.3. Zahlwörter und Adjektive 12.4. Verben 12.4.1. Hilfs-und Modalverben 12.4.2. Varianten der Infinitivform
86 86 87 88 89 90 90 95
9
12.5. 12.6. 12.7. 12.8. 12.9.
12.4.3. Varianten des Partizips Perf 12.4.3.1. Unregelmäßige Verben 12.4.3.2. Regelmäßige Verben Präsubstantivische Adjektivattribute Präpositionalphrasen Sprechanfänge Besetzung der Initialposition in Haupt-und Nebensätzen Syntaktische Redundanz durch nach-bzw. vorgestellte Deixis . . . .
98 98 99 99 100 101 103 106
13. Quellen
108
14. Literatur
109
15. Abkürzungen
112
TEXTE
115
Phonetische Texte
116
Phonemische Texte
117
Hochsprachliche Interlineartexte
116
ANHANG Wenkersätze Fragebogen (1879/80) Antwortbogen (1879/80) aus Dudenrode und Netra
280 280 281
Zusammenstellung der Zahlwörter von 1 bis 10 und der Wochentagsnamen . . .
288
Morph-Register zu den Texten aus Dudenrode und Netra Morph-Register: Dudenrode Morph-Register: Netra
291 291 315
Karten
339
11 VORBEMERKUNGEN
1. Aufnahmedaten 1.1.
Aufnahmeort: Aufnahmetag: A ufnah medauer:
Technische Beurteilung: Gesprächsinhalt:
Archivnummer: Toningenieur: A ufnahmeleiter: 1.2.
Dudeniode, Kreis Witzenhausen Planquadrat 2916 2. Oktober 1959 Sp.i 9 Minuten, 55 Sekunden Sp.2 7 Minuten, 45 Sekunden Sp.3 10 Minuten, 5 Sekunden 1/2/1/1; 1/1/1/1/; 1/1/1/2 Sp.i Trockene Jahre 1893, 1911 und 1959, Erwerbsmöglichkeiten der Dorfbewohner, Kirmesbräuche, Schweineschlachten, fahrende Handelsleute von früher, Salzstraße. Sp.2 Arbeit der Bauersfrau, Trockenheit von 1959, Schweineschlachten, Kirmesbräuche. Sp.3 Trockenheit von 1959, Arbeit der Bauersfrau, Kirmesbräuche, Kino, Spinnstube, Schweineschlachten, Flurnamen, Landarbeit von Frühjahr bis Herbst, Arbeit auswärts, Familienbeinamen. Sp.i 1/5237; Sp-2 1/5238; Sp.3 1/5242; Günter Deutscher Dr. Horst Müller
Technische Beurteilung: Gesprächsinhalt:
Netra, Kreis Eschwege Planquadrat 3017 4. Oktober 1959 Sp.i 9 Minuten, 40 Sekunden Sp.2 9 Minuten, 40 Sekunden Sp.3 12 Minuten 1/2/1/1; 1/1/1/1; 1/1/1/1 Sp.i Kirmesbräuche, zwei tödliche Unfälle, Trockenheit von 1959, Familien- und Hausbeinamen, Schweineschlachten. Sp.2 Kirmesbräuche, „Lausejungen"- und Fahrschülerzeit, Landarbeit von Frühjahr bis Herbst. Sp.3 Kirmesbräuche, Familienbeinamen, Trokkenheit und Mäuseplage, Landarbeit von Winter bis Herbst.
Archivnummer: Toningenieur: Aufnahmeleiter:
Sp.i 1/5246; Sp.2 1/5247; Sp.3 1/5249 Günter Deutscher Dr. Horst Müller
Aufnahmeort: Aufnahmetag: Aufnahmedauer:
12
2. Aufnahmeleiter und Frager Horst Müller, geboren 1931 in Kassel (PI.Qu. 2914), seine Mutter gebürtig aus der gleichen Stadt. Er wohnte bis zu seinem 16. Lebensjahr in Kassel, bestand 1948 das Abitur, studierte Germanistik und Geschichte an den Universitäten in Göttingen und Freiburg und promovierte. Der Aufnahmeleiter und Frager spricht eine der Hochsprache sehr nahe, überregionale mitteldeutsche Umgangssprache und bemüht sich nicht um einen bestimmten regionalen oder Ortsdialekt. Nur ab und zu weist die Sprache des Aufnahmeleiters und Fragers deutlichere Merkmale der Umgangssprache des hessisch-thüringischen Gebietes auf, wie vor allem die intervokalische Konsonantenschwächung. Er scheint jedoch den regionalen Dialekt zu kennen, bemerkt nichtdialektale Formen seiner Informanten und verweist die Sprecher wiederholt darauf, „richtig Platt" zu sprechen. Die dem Hochdeutschen nahe Sprache des Aufnahmeleiters und Fragers bewirkt sicherlich auch das anfängliche Verharren einiger Sprecher (Sp.i aus Dudenrode und Sp.3 aus Netra) bei einer dem Hochdeutschen näheren Umgangssprache. Die Sprecher stellen dieses Befangensein jedoch selbst oder nach Hinweis des Aufnahmeleiters fest und bemühen sich daraufhin, den Ortsdialekt konsequenter zu gebrauchen. In der Taktik des Themenwechsels erweist sich der Aufnahmeleiter und Frager bei den meisten Sprechern als außerordentlich geschickt, problematischer ist es jedoch, wenn er bei den Sprecherinnen von Dudenrode wiederholt darauf beharrt, sie sollten von typischen Frauenarbeiten erzählen, wo es doch auch dem u n i f o r mierten Städter klar sein müßte, daß die Bauersfrau, die gerade angegeben hat, ihr Mann sei Pendler, auch die Arbeiten des Mannes auf dem Hof und auf dem Feld übernehmen muß (vgl. Sprechdauer von Sp.2 Dudenrode).
3. Abhörerin und Bearbeiterin Ingrid Guentherodt, geboren 1935 in Eschwege (PI.Qu. 2917), einer Stadt in Nordosthessen, aus der auch ihre Eltern und Großeltern stammen. Sie besuchte dort die Schule bis zum Abitur im Jahre 1955, studierte an den Universitäten Heidelberg und Mainz-Germersheim und erwarb 1959 dort das Übersetzerdiplom für Französisch Hauptfach, Englisch Nebenfach, mit einer Arbeit über französische Wörter im Pfälzischen. Nach einem anschließenden Germanistikstudium promovierte sie 1963 an der University of Texas in Austin bei Professor Winfred P. Lehmann mit einer phonologischen Untersuchung französischer Wörter im Pfälzischen. Von 1965 bis 1967 arbeitete sie als DAAD-Lektorin bei Professor Marthe Philipp am Atlas Linguistique de la Lorraine Germanophone in Nancy, Frankreich, und unterrichtete dann als Assistant Professor an den Universitäten von Hawaii und Kansas Germanistische Linguistik und Neuere deutsche Literatur. 1969 und 1971 nahm sie an den Kursen des Summer Institute der Linguistic Society of America teil und übernahm 1972 eine Stelle als Akademische Rätin, später Oberrätin in Germanistischer Linguistik an der Universität Trier. Sie veröffentlichte einige Untersuchungen zur Intonation in Dialekten von Lothringen und der Pfalz. Die vorliegende Arbeit ist ihre erste aus dem hessischen Bereich. Sie spricht die Eschweger Umgangssprache mit Merkmalen
13 des hessisch-thüringischen Dialektbereichs, zu dem auch die beiden hier untersuchten Mundarten von Dudenrode und Netra gehören.
4. Abhörgerät Zur Transkription der Tonbandaufnahmen und ihrer Überprüfung wurde im Labor des Sprachzentrums der Universität Trier folgendes Gerät verwendet: Revox (Schweizer Fabrikat), Bandgeschwindigkeit 9,5 und 19 cm/s. Frequenzbereich 60 bis 15 000 Hz bei 9,5cm/s. Angeschlossen war eine Verstärkerbox.
5. Sprecher/innen 5.1. Dudenrode S p . i : (Archivnummer 1/5237): H.S., Jahrgang 1888, zur Zeit der A u f n a h m e 71 Jahre alt, ist in Dudenrode geboren wie seine Eltern und seine Ehefrau. Sein Vater war Waldarbeiter, er selbst hat in mehreren Berufssparten gearbeitet: im Bergwerk, als Waldarbeiter, in einer Ziegelei, einer Zuckerfabrik, zuletzt als Landwirt und zeitweise als Bürgermeister von Dudenrode. Er war jedoch mit Ausnahme der Militärzeit 1 9 1 4 - 1 8 immer in Dudenrode. Der Sprecher spricht Vollmundart ohne Mikrofonbefangenheit. Seine Erzählweise zeigt vielseitige Kenntnisse, eine gute Beobachtungsgabe und Humor. Leider erschwerte jedoch seine schnelle und etwas verschlissene Artikulation die phonetische Umschrift. Interessant für eine psycholinguistische Untersuchung wären die relativ zahlreichen syntaktischen Fehlplanungen, die sich vielleicht als eine Alterserscheinung erklären lassen. Sp.2: (Archivnummer 1/5238): L.B., Jahrgang 1921, zur Zeit der Aufnahme 38 Jahre alt, stammt aus Dudenrode wie ihre Eltern und ihr Ehemann. Ihr Vater war Schmied. Von 1939 bis 1950 arbeitete sie im Nachbarort Hundelshausen und heiratete 1950 nach Dudenrode. Ihr Mann ist Maurer u n d arbeitet auswärts. Sie versorgt außer dem Haushalt noch die Landwirtschaft und ist sich der Doppelbelastung einer Bauersfrau, deren Mann auswärts arbeitet, deutlich bewußt. Die Sprecherin spricht Vollmundart, jedoch anfangs anscheinend nicht ganz ohne Mikrofonbefangenheit. Ihre Erzählweise ist etwas unsicher u n d einsilbig. Bei Sp.2 ist die thüringische Artikulation der Plosiven besonders auffällig, d.h. am konsequentesten lenis. Sp.3: (Archivnummer 1/5242): M.R., Jahrgang 1915, zur Zeit der Aufnahme also 44 Jahre alt, ist in Dudenrode geboren wie ihr Vater und ihr Ehemann. Ihre Mutter stammt aus dem Nachbarort Frankershausen, Kreis Eschwege (PL Qu. 2916). Sp.3 ging in Dudenrode zur Schule und hat 1940 geheiratet. Sie versorgt neben dem Haushalt mit ihren Eltern den landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Familie und ihr Mann arbeitet als Stellmacher auswärts. Die Sprecherin spricht Vollmundart, erzählt lebhaft und scheint vor dem Mikrofon sehr viel weniger befangen als Sp-2- So werden die relativ zahlreichen
14 „naja" und „na" bei Sp.3 wohl kaum eine größere Unsicherheit ausdrücken, sondern eher die Funktion haben, Pausen für gedankliche und syntaktische Planung zu überbrücken, die gerade bei einer lebhaften Erzählweise nötig werden. Ein nicht-identifizierbarer Sprecher schlägt gegen Ende der Aufnahme 1/5242 dem Aufnahmeleiter bzw. Sp.3 lediglich das Thema Beinamen vor. Der Lautstärke seiner Stimme nach zu urteilen saß er bei der Aufnahme im Hintergrund. Möglicherweise handelt es sich um den damaligen Lehrer des Ortes. Seine Sprache weist nicht die für den Ortsdialekt typischen Merkmale auf. Er ist also kein Informant. Alle drei Informanten (Sp.j, Sp.2 und Sp.3) sind also in Dudenrode geboren und sind auch dort zur Schule gegangen. Bei zwei Sprechern (Sp.j und Sp-2) sind sowohl Eltern als auch Ehegatten in Dudenrode geboren. Ein sprachliches Merkmal des Altersbzw. Generationsunterschiedes der Sprecher zeigt sich in der jeweiligen Realisation von /r/. Sp.i, Jahrgang 1888, und Sp.3, Jahrgang 1915, verwenden beide noch das Zungen-r, Sp.2, Jahrgang 1921, jedoch konsequent schon das uvulare (vgl. dazu GÖSCHEL 1971). Außer den elf Jahren, die die 38jährige (Sp.2) im Nachbardorf Hundelshausen arbeitete und der Militärzeit ( 1 9 1 4 - 1 8 ) von Sp.i haben die drei Sprecher ihre ganze Lebenszeit in Dudenrode verbracht. Ihre Sprache müßte folglich für die Ortsmundart von Dudenrode, Kreis Witzenhausen, repräsentativ sein.
5.2. Netra Sp.i:
(Archivnummer 1/5246): A . A . , Jahrgang 1906, zur Zeit der Aufnahme 53 Jahre alt, ist wie ihre Eltern und ihr Ehemann in Netra geboren, hat dort die Schule besucht, war von 1925—29 in Leipzig und 1930 ein Jahr lang in Frankfurt am Main, sonst aber immer in Netra. Im Alter von 29 Jahren heiratete sie in Netra. Ihr Mann war Straßenwärter und verstarb früh. So mußte sie Haushalt und die von ihren Eltern geerbte Landwirtschaft allein versorgen, ermöglichte ihrem Sohn (Sp.2) aber dennoch den Besuch des Gymnasiums in Eschwege.
Die Sprecherin spricht Vollmundart ohne Mikrofonbefangenheit. Ihre Erzählweise spiegelt neben vielseitigen Kenntnissen ihre selbständige und besonnen humorvolle Art. Der lebhafte, aber gleichmäßige Sprechrhythmus und die klare, entschiedene Artikulation der Sprecherin erleichterten die Transkription wie auch die übrigen sprachlichen Untersuchungen des Textes 1/5246. Sp.2: (Archivnummer 1/5247): F.A., Jahrgang 1937, zur Zeit der Aufnahme 22 Jahre alt, stammt wie seine Eltern aus Netra. Er ist der Sohn von S p . i , ging in Netra in die Volksschule, besuchte als Fahrschüler das Gymnasium in Eschwege, war 1957 ein Jahr zu Hause und ist zur Zeit der Aufnahme Finanzanwärter in Kassel. Der Sprecher spricht Vollmundart ohne jegliche Mikrofonbefangenheit. Wie seine Mutter erweist er sich als außergewöhnlich gut informiert. Seine gleichfalls außergewöhnlich schnelle, lebhafte Sprechweise erschwert Abhören und Umschrift nur wenig, da die Artikulation deutlich ist und die syntaktische Planung trotz des Sprechtempos sowie der seltenen und nur sehr kurzen Pausen sicher und ungestört bleibt.
15 Sp.3: (Archivnummer 1/5249): H.S., Jahrgang 1893, zur Zeit der Aufnahme 66 Jahre alt, in Netra geboren. Seine Mutter stammte aus Hoheneiche, Kreis Eschwege, rund 10 km von Netra entfernt, sein Vater und seine Ehefrau jedoch sind aus Netra gebürtig. Sein Vater war Stellmacher und Landwirt, er selbst ist Landwirt. Außer der Militärzeit 1 9 1 4 - 1 9 war Sp.3 immer in Netra. Der Sprecher spricht Vollmundart ohne Mikrofonbefangenheit, muß aber anfangs vom Aufnahmeleiter daran erinnert werden, „immer Platt" zu sprechen, da er zwischendurch und besonders gegen Ende der Aufnahme beim „Spekulieren" in eine dem Hochdeutschen angenäherte, regionale Umgangssprache verfällt. Seine gegen Mitte der Aufnahme außergewöhnlich schnelle Sprechweise, die an einigen Stellen auch den anderen beiden Informanten aus Netra nachträglich unverständlich blieb, erschwerten Abhören, Umschrift und Analyse weitgehend. Da jedoch die Sprache von Sp.3 einige sprachgeschichtlich interessante Merkmale aufweist, wurde diese Aufnahme (1/5249) trotz der genannten Schwächen verwendet.
Alle drei Sprecher sind also in Netra geboren und auch dort zur Schule gegangen. Bei zwei Sprechern (Sp.i und Sp.2) stammen beide Eiternteile gleichfalls aus Netra. Auch die Ehegatten der beiden verheirateten Sprecher stammen aus Netra. Ein deutliches sprachliches Merkmal der Generationsunterschiede ist auch hier die jeweilige Realisation von /r/. Während Sp.3, Jahrgang 1893, noch das Zungen-r aufweist, verwenden Sp.i, Jahrgang 1906 und Sp.2, Jahrgang 1937, Zäpfchen-r. Mit Ausnahme der fünfjährigen Abwesenheit von Sp.i und der gleichfalls fünfjährigen Militärzeit von Sp.3 haben alle drei Sprecher immer im Ort gewohnt. Ihre Sprache muß folglich für die Ortsmundart von Netra, Kreis Eschwege, repräsentativ sein.
6. Orte und Landschaft 6.1. Dudenrode Dudenrode (PI. Qu. 2916), mit der frühesten urkundlichen Nennung aus dem Jahre 1267 (BRUCHMANN, S. 164), gehört politisch zum Landkreis Witzenhausen in Nordosthessen (BRD), einer Gegend, die direkt an die DDR grenzt. Das Dorf liegt umgeben von nur wenigen Wiesen und Feldern dicht am Nordhang des waldreichen Meißners im oberen Talabschnitt eines kleinen Baches, der als Oberrieder Bach nördlich von Bad Sooden-Allendorf in die Werra fließt. Obwohl es abseits von den beiden Kreisstädten Witzenhausen und Eschwege liegt, führt durch Dudenrode doch eine früher regional bedeutende Straße, die sogenannte „Salz-" oder „Sälzerstraße" (vgl. u.a. BRUCHMANN, S. 11), die auch heute noch kürzeste Verbindung zwischen der ehemaligen Salz- und heutigen Kurstadt Sooden-Allendorf und Kassel, dem Sitz der nordhessischen Bezirksregierung. Dudenrode hat keine eigene Bahnstation; zur nächstliegenden in Bad Sooden-Allendorf (9 km) führt jedoch eine direkte Busverbindung. Bad Sooden-Allendorf liegt an der Bahnstrecke Eichenberg-Bebra, einem Teilabschnitt der großen Nord-Süd-Achse Hamburg-Basel. Die wichtigsten wirtschaftlichen Orientierungspunkte sind für das Dorf Dudenrode, für seine Einkäufer und vor
16 allem für seine Berufspendler folgende Städte: die 15 km entfernte Kreisstadt Witzenhausen im Norden; Bad Sooden-Allendorf im Osten, wo jedoch 9 km von Dudenrode entfernt die Grenze zur DDR jegliche weitere Verbindung nach Osten, dem Eichsfeld und Thüringen, verhindert; Eschwege im Südosten; Hessisch-Lichtenau im Süden; das 31 km entfernte Kassel im Nordwesten. Noch zu nennen ist der Hohe Meißner ( 7 5 4 m) mit seinem Braunkohlenbergwerk und forstwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe von Dudenrode. Nach der Hessischen Gemeindestatistik 1 9 6 0 / 6 1 bot die demographische und wirtschaftliche Lage des Dorfes Dudenrode für die Zeit der hier untersuchten Aufnahmen ( 1 9 5 9 ) folgendes Bild: Dudenrode zählte damals 2 0 6 Einwohner, davon 15 Vertriebene. Unter den 131 Erwerbspersonen waren 27% Auspendler und nur 1% Einpendler. 63% arbeiteten in der Land- und Forstwirtschaft, 30% im produzierenden Gewerbe. Im Dorf Dudenrode befanden sich um 1 9 6 0 mit 6 0 ständigen Arbeitskräften 4 0 landwirtschaftliche Betriebe, von denen jedoch keiner mehr als 10 ha Nutzfläche besaß. Diese Nutzfläche verteilte sich etwa zur Hälfte auf Dauergrünfläche und auf Ackerland, das zu rund 2/3 zum Getreideanbau verwendet wurde. Die landwirtschaftlichen Betriebe in Dudenrode hatten im Durchschnitt vier Kühe und drei Schweine. Kein Wunder also, wenn bei dieser bedrückenden wirtschaftlichen Enge die Wohnbevölkerung von 1 9 3 9 bis 1961 nur um 4% zugenommen hatte und zwischen 1 9 5 0 und 1 9 6 1 sogar um 22% abnahm. 1 9 6 1 lebten hier 1 0 9 Männer und 97 Frauen. Das Dorf war 1961 zu 94% evangelisch und wählte bei der Bundestagswahl 1961 zu 22% CDU, 36% SPD und 38% FDP.
6.2. Netra Netra (PI. Qu. 3 0 1 7 ) , mit der frühesten urkundlichen Nennung aus dem Jahre 1025 (BRUCHMANN, S. 164), gehört politisch zum Landkreis Eschwege in Nordosthessen, der durch die Teilung Deutschlands nach 1945 wie der Kreis Witzenhausen sogenannter „Zonengrenzbezirk" wurde. Der Ort Netra liegt 16 km südlich von Eschwege in einem relativ weiten und hochgelegenen Tal des nördlichen Ringgaus, etwa 4 km von der Grenze der DDR entfernt. Da Netra von 1 8 1 8 (RASCH, S. 73 und BRUCHMANN, S. 1 2 3 ) bis zum Zweiten Weltkrieg Sitz eines Amtsgerichtes war und relativ früh eine Arztpraxis und eine Apotheke am Ort eröffnet wurden, gewann Netra für die umliegenden Gemeinden eine gewisse Bedeutung. Netra liegt an der früher bedeutenden Straßenverbindung Kassel-Leipzig, nur rund 20 km von Eisenach entfernt. Nach 1945 wurde diese Strecke als Bundesstraße 7 durch die Grenze der DDR überregional so gut wie bedeutungslos. Die wirtschaftliche Orientierung der Gemeinde Netra bleibt daher heute auf Norden, Westen und Südwesten beschränkt. Auf der durch Netra führenden Bundesstraße 7 ist das 6 0 km entfernte Kassel direkt zu erreichen, die 16 km entfernte Kreisstadt Eschwege auf kurzen Teilstrecken der Bundesstraßen 7, 27 und 4 3 2 u.a. durch eine direkte Busverbindung. Diese beiden Verkehrsverbindungen sind für den Ort wichtig, da Netra keine eigene Bahnstation besitzt, Eschwege und Kassel aber Zielorte sowohl für Einkäufer als auch vor allem für die meisten Berufspendler sind. Die nächste Bahnstation für Netra ist Hoheneiche (rund 10 km entfernt) an dem Teilabschnitt Eichenberg-Bebra der Nord-Süd-Achse
17
der Bundesbahn von Hamburg nach Basel. Fast genau parallel zu dieser Bahnstrecke läuft hier, nur 8 km von Netra entfernt, die Bundesstraße 27, die Göttingen und den Harz über Witzenhausen, Eschwege, Bebra mit dem Süden verbindet. Zur Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur von Netra macht die Hessische Gemeindestatistik 1960/61 folgende Angaben: Im Jahre 1961 zählte Netra 749 Einwohner, darunter 117 Vertriebene. Von den 403 Erwerbstätigen Netras waren 21% Auspendler und 9% Einpendler. 51% der Erwerbspersonen arbeiteten in der Land- und Forstwirtschaft, 30% im produzierenden Gewerbe, einschließlich dem Baugewerbe. Von den 110 landwirtschaftlichen Betrieben Netras mit insgesamt 205 ständigen Arbeitskräften hatten nur vier Betriebe mehr als 15 ha Nutzfläche. Der Viehbestand war jedoch höher als der in Dudenrode, obwohl Netra nur rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche als Dauergrünland verwendete: auf einen landwirtschaftlichen Betrieb kamen im Durchschnitt 5 Stück Rindvieh und 6 Schweine. Die etwas günstigere wirtschaftliche Situation spiegelt sich auch in der Zu- bzw. Abnahme der Wohnbevölkerung wider, die in Netra von 1939 bis 1961 17% Zunahme aufweist, jedoch in den Jahren zwischen 1950 und 1961 nur 19% Abnahme. Die Bevölkerung von Netra war 1961 zu 86% evangelisch und zu 13% katholisch. Sie wählte bei der Bundestagswahl 1961 zu 24% CDU, 27% FDP und 41% SPD.
7. Sprachliche Situation der Orte Dudenrode und Netra Nach der Abgrenzung der deutschen Dialekte wie sie Ferdinand WREDE auf Karte 56 im Deutschen Sprachatlas vorgenommen hat, gilt die ik/ich-Linie als Grenze zwischen Nieder- und Hoch- bzw. Mitteldeutsch, die pund/fund-Linie als Grenze zwischen West- und Ostmitteldeutsch. Wenn diese Einteilung auch wiederholt angezweifelt wurde (u.a. von WIESINGER 1970, Bd. 2, S. 334), so bezogen sich neuere Darstellungen (vgl. u.a. LGL 1973, S. 337 und LÖFFLER 1974, S. 143) doch wieder darauf. In der vorliegenden Untersuchung soll die Wredesche Einteilung als Bezugsrahmen für die sprachliche Situation der Orte Dudenrode und Netra verwendet werden. Die ik/ich-Linie, die Grenze zwischen Nieder- und Mitteldeutsch, verläuft rund 15 km nördlich von Dudenrode und rund 40 km nördlich von Netra. Beide Orte befinden sich nur wenige Kilometer östlich der pund/fund-Linie und damit schon im ostmitteldeutschen Bereich. Nach RASCH 1912 verläuft die appel/apfel-Linie (einschließlich der mp/mpf-Linie), die sich bei Sontra von der pund/(p)fund-Linie trennt, zwischen Netra und dem drei Kilometer westlich gelegenen Nachbardorf Röhrda, sodaß für die grobe Einordnung der Dialekte von Dudenrode und Netra folgendes Merkmalschema angenommen werden muß: Stand der 2. Lautverschiebung: ik/ich pund/(p)fund appel/apfel strump/strumpf
Dudenrode
Netra
ich fund appel Strümp
ich fund apfel strum(p)f
18 Folgende Belege (hier der Einfachheit halber in schriftsprachlicher Form) aus den Tonband-Aufnahmen des Deutschen Spracharchivs bestätigen dies: 1. für Dudenrode: ich, pflanzen, Töpfe, Töpfchen, stopfen; 2. für Netra: ich, Pfarrer, Pferde, Pferdegeschirr, glimpflich. Die mundartlichen Realisationen sind aus dem Morph-Register ersichtlich. Die Nähe der niederdeutsch-mitteldeutschen Sprachgrenze und die Zuordnung zum ostmitteldeutschen Dialektbereich läßt vermuten, daß die zu untersuchenden Ortsmundarten sowohl mit dem Niederdeutschen als mit dem Thüringischen einiges bzw. vieles gemeinsam haben. Schon August F.C. VILMAR (1868) hat sich in seinem Idiotikon von Kurhessen (S. IV) dazu geäußert: „Niederhessen [ . . . ] eines [ . . . ] consonantisch hochdeutschen, vocalisch niederdeutschen Dialektes, und hinsichtlich des Wortvorrats mit zahlreichen niederdeutschen Idiotismen durchsetzt, bietet mehrere nicht ganz unerhebliche Schattierungen dar. Der östliche Theil, das Werragebiet von Heringen bis unterhalb Eschwege, hat mehrfache nahe Verwandtschaft mit der thüringischen und hennebergischen Sprache und Idiologie, unterhalb Eschwege fangen niederdeutsche Elemente an, sich einzumischen..." (Ausslassungen von der Verf.). Ganz ähnlich lautet die aus unserer Zeit stammende zusammenfassende Beobachtung von WIESINGER 1970 (Bd. 2, S. 336), der das Ost- und Nordhessische dem „thüringischen Großraum" (vgl. ebd., S. 334) zuordnet: „Das Nordhessische, dessen synchrone Übereinstimmung mit dem Thüringischen im Osten und Nordosten stärker als im Westen ist, verfügt besonders im Nordosten auch über niederdeutsche-westfälische Einflüsse." Während in den Arbeiten von HASSEL 1942 (z.B. Karte 2), von MARTIN 1959 (S. 141 und 144) und von MÖHN 1962 (u.a. Grundkarte 1) grundlegende Angaben zu dem uns interessierenden Bereich um die ik/ich-Linie gemacht werden, bezieht sich die ausführliche Darstellung von RASCH 1912 sehr viel direkter auf den engeren Bereich der hier zu untersuchenden Mundarten. Die Einflüsse des nördlichen Niederdeutschen und des östlichen Thüringischen lassen sich besonders deutlich an RASCHs Merkmalliste (S. 8 5 - 6 ) zu seiner Sprachlinie Nr. 3 ablesen, die zwischen Dudenrode und dem vier Kilometer nördlich gelegenen Nachbardorf Hundelshausen (vgl. Lebenslauf von Sp.2 aus Dudenrode) verläuft; die Transkriptionssymbole von RASCH wurden beibehalten.
1. 2. 3. 4. 5. 6.
trocken Dorf heute Scheune Infinitiv-Endung Sg.-„Endung" der schwachen Femina (z.B. „Wiese")
Hundelshausen
Dudenrode
traya terf h0ta Syra -n -a
treyo terf hlta sin -3 -n
19 Der für das Niederdeutsche charakteristische gerundete Palatalvokal in 1 - 3 von Hundelshausen (vgl. Karte 12 „Dorf" in HASSEL 1942) ist bei 1 und 2 in der mundartlichen Realisation von Dudenrode lediglich entrundet. Die Belege von 1959 aus Dudenrode stimmen mit denen zu 1 und 2 überein. Netras Belege von 1959 stimmen nur mit 2 überein, für „trocken" heißt es konsequent [drogs] . Den Einfluß des thüringischen Raumes zeigen für den wortgeographischen Bereich Nr. 4, für den morphologischen Bereich Nr. 5 und 6 der oben erstellten Tabelle. RASCH (1912, S. 105) ist der Auffassung, „daß zwischen den mittelalterlichen Amtsgrenzen und dem dialektgeographischen Liniennetz der engste Zusammenhang besteht". Er belegt dies in seiner Arbeit und meint im Zusammenhang mit den Einflüssen aus dem Thüringischen: „Auffallend schwach als Dialektscheide ist die östliche Grenze, die Grenze des ehemaligen Kurfürstentums Hessen gegen das kurmainzische Eichsfeld (Linie 85) und gegen die Ganerbschaft Treffurt, die Hessen, Mainz und Sachsen gehörte." (S. 104) RASCH verweist anschließend darauf, daß erstaunlicherweise die spätere „Confessionsgrenze", d.h. die Grenze zwischen dem protestantischen Nordhessen und dem katholischen Eichsfeld in Thüringen keinen Einfluß auf die Sprachentwicklung des nordhessischen Grenzgebietes gehabt habe. Da hier auf eine ausführliche Diskussion der Zusammenhänge zwischen Sprachgrenzen und der Territorialgeschichte in Nordosthessen verzichtet werden muß, sei außer auf RASCH 1912 noch auf BRUCHMANNs Untersuchung von 1931, auf die Karten 9,12, 16, 22 und 43 im Geschichtlichen Atlas von Hessen 1960 und auf die Darstellung von ROSENKRANZ 1964 verwiesen. Die Darstellung von ROSENKRANZ 1964 ist wohl die aufschlußreichste, neuere Arbeit zum Problem der Mundartgrenzen im nordosthessischen Gebiet um Dudenrode und Netra. ROSENKRANZ spricht von der „hess.-thür. Mdagrenze, die sich abweichend von der politischen Grenze als Höhenscheide über die Waldgebiete des Kaufungerwaldes, des Hohen Meißner, des Richelsdorfer Gebirges und des Seulingswaldes zur Rhön hinzieht." (S. 262) Er nennt u.a. folgende Sprachgrenzen als Teil des Linienbündels der hessisch-thüringischen Sprachschranke (S. 7 - 8 und 262; vgl. auch seine Karten s.u.):
l.pund/fund (wgm. p-) (vgl. Kt. 1 und 2) 2.Sg.-Endung der schwachen Femina (vgl. Kt. 2) 3. Infinitiv-Endung (vgl. Kt. 1 und 57) 4.hast, hat 5. Dorf 6.durch 7.recht (mhd. e) (vgl. Kt. 58) 8. Scheune 9.in den Wald 10.ziehen (vgl. Kt. 2 und 30)
Hessisch
Thüringisch
Pund
(P)fund
Wiese
Wiesen
machen
mache
host, hot Dorf dorch recht
hest, het Derf derch rächt
Scheuer in die Hecken dinsen
Scheune ins Holz zerren
20 Die Belege der Tonband-Aufnahmen des Deutschen Spracharchivs (im weiteren: TA) von 1959 aus Dudenrode und Netra bestätigen mit Ausnahme von 9. und 10. in allen Fällen die Zuordnung der Mundart von Dudenrode und Netra zum Thüringischen. Im Folgenden sollen die schriftsprachlichen Äquivalente der Belege angegeben werden, um die Lektüre zu erleichtern; die mundartlichen Formen sind aus dem MorphRegister ersichtlich. TA-Belege zur Zuordnung der Mundarten von Dudenrode und Netra zum Thüringischen: 1. Dudenrode: pflanzen; Netra: Pfarrer, Pferde(—); 2. Dudenrode und Netra: Kirche; 3. Dudenrode und Netra: aufpassen; 4. Dudenrode und Netra: hat; 5. Dudenrode und Netra: Dorf; 6. Dudenrode und Netra: durch; 7. Dudenrode und Netra: selber; nur Dudenrode: schlecht; 8. nur Netra: Scheune. Abweichende Belege, d.h. nicht dem Thüringischen zuzuordnende, sind das als hessisch gekennzeichnete Substantiv „Hecken" mit der Bedeutung ,Wald' (Nr. 9) aus Dudenrode und das Verb „dinsen" mit der Bedeutung ,ziehen' (Nr. 10) aus Netra. Das Verb „dinsen" wurde in der Aufnahme 1/5247 aus Netra nicht vollständig artikuliert, jedoch 1973 nachträglich beim Überprüfen der Transkription durch Sp.2 aus Netra bestätigt. Bei der Dokumentation stützt sich ROSENKRANZ oft auf die Untersuchung von RASCH 1912, erklärt jedoch RASCHs Auffassung vom „Zusammenfall von Dialektscheiden und politischen Grenzen als illusorisch" (S. 263), da die territorialen Gebiete, Gerichtshoheiten und Pfarreien vom 14. bis 17. Jh. oft sehr klein gewesen seien, und z.B. mitten durch maßgebende Herrschaftsterritorien wie Billstein und Boyneburg starke Bündel von Mundartgrenzen hindurchgehen. ROSENKRANZ verbindet die hessisch-thüringische Mundartgrenze mit der von BRUCHMANN 1931 aufgewiesenen hessisch-thüringischen Siedlungsgrenze, die zum Teil mit der Wasserscheide Werra/Fulda und mit der Kirchengrenze Fritzlar/Heiligenstadt zusammenfällt. Er verlegt somit die Entstehung der hessisch-thüringischen Mundartgrenze sehr viel weiter in die Vergangenheit als RASCH 1912. Wenn ROSENKRANZ 1964 das Mitteldeutsche gegen das Nieder- und Oberdeutsche mit der allgemein mitteldeutschen Realisation „hingen" für .hinten' (Kt. 45, S. 181) und mit der Deletion von intervokalischem -g- u.a. in „Regen" und „tragen" (S. 182-3) abgrenzt und die obenstehende Unterscheidung des Thüringischen vom Hessischen belegt, so versucht WIESINGER 1970 nach dem Hinweis auf die Überbewertung der pund/fund-Linie, den „Thüringischen Großraum", zu dem er auch die Dialekte Nordosthessens rechnet, folgendermaßen zu charakterisieren: „Er wird heute noch einigermaßen durch die als ältestes Erbe zu betrachtenden, einst allerdings wesentlich weiter verbreiteten r-losen Pronomina ,mir', ,dir', ,wir', ,ihr' umrissen." (Bd. 2, S. 334) Im Textteil des Thüringischen Dialektatlas 1961 heißt es: „Der Infinitiv auf -e wird gern als Hauptkennzeichen des Thüringischen genannt." (S. 70) Alle diese Merkmale charakterisieren die Dialekte von Dudenrode und Netra. Schließlich muß beim Thema der sprachlichen Situation noch auf die Darstellung eines weiteren Marburger Dialektologen verwiesen werden. Nach der Karte zur „Innengliederung des Ostmitteldeutschen" von PUTSCHKE 1973 (im LGL, S. 346)
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wird Dudenrode dem Bereich des Eichsfeldischen als Teil des Nordthüringischen zugeordnet, Netra jedoch dem westthüringischen Bereich als Teil des Zentralthüringischen. Auch auf PUTSCHKEs Karte „Raumtypen des Ostmitteldeutschen" (LGL, S. 342) sind die beiden Orte zwei verschiedenen Bereichen zugeordnet: Dudenrode einem ostmitteldeutschen Konsistenzraum mit -p-, -ch-, f- (in Apfel, machen, Pfund) und Netra einem ostmitteldeutschen Interferenzraum mit -pf-, -ch-, f-, Interferenz wird hier also im Sinne von Einfluß aus südlich angrenzenden Dialektgebieten verstanden (-pfin Apfel). Zusammenfassung: Die TA-Belege aus Dudenrode und Netra zu den Gegenüberstellungen aus RASCH 1912 und ROSENKRANZ 1964 verdeutlichen im Überblick die Bezüge der mitteldeutschen Dialekte von Dudenrode und Netra zu den angrenzenden Sprachräumen des Niederdeutschen und des Hessischen und ihre Zuordnung zum thüringischen Sprachraum. Beide Orte liegen einige Kilometer östlich der Grenze zwischen West- und Ostmitteldeutsch an der engsten Stelle des Mitteldeutschen, da wo Niederdeutsch und Oberdeutsch sich geographisch am stärksten einander nähern. Dudenrode, die nördlichere Gemeinde, liegt in unmittelbarer Nähe der niederdeutschmitteldeutschen Sprachgrenze (ik/ich-Linie), grenzt im Osten an das Eichsfeld und gehört sprachlich in den Bereich der nordthüringischen Mundarten. Netra, die südlichere Gemeinde, liegt nur einige Kilometer nordöstlich von der Gabelung der Lautverschiebungslinien wgm. p-, -pp- und -mp(-) und gehört durch ihre Nähe zum Sprachraum der Stadt Eisenach zu dem Übergangsgebiet von Nordthüringisch und Westthüringisch, wie auch die Karte zur Sprachraumgliederung in SPANGENBERG 1966 (S. XI) besonders anschaulich zeigt.
8. Inhalt der Aufnahmen von Dudenrode und Netra Die hier zu untersuchenden Aufnahmetexte aus Dudenrode und Netra werden inhaltlich vor allem durch die Sprechsituation des Interviews bestimmt (dazu BERENS 1975). Formal macht sich dies u.a. in der Abwesenheit von Verbal- und Pronominalformen in der 2. Person Singular und Plural, den Anredeformen eines Gesprächs, bemerkbar. Wie wenig bei den Aufnahmen von 1959 auf sprachliche Interaktion Wert gelegt werden sollte, spiegelte sich in den Protokollen der einzelnen Aufnahmen, wo in allen sechs Fällen unter Punkt 20, der Anzahl der Sprecher, die Angabe „1" unterstrichen wurde. Der Interviewer oder Frager wurde also nicht als Sprecher bzw. Partner der Kommunikationssituation Interview mitgerechnet. An den Interviews nahmen mit Ausnahme von Aufnahme 1/5242 in Dudenrode nur der eine jeweilige Sprecher und selbstverständlich der Aufnahmeleiter teil. Bei der Aufnahme 1/5242 in Dudenrode beteiligt sich gegen Schluß der Aufnahme noch ein dritter Sprecher, vielleicht der Lehrer des Ortes, der aus dem Hintergrund sprechend das Thema Familienbeinamen vorschlägt und etwas später den Beinamen „Hertans" suggeriert. Bestimmt wird die Art des Interviews und der Inhalt auch dadurch, daß die Themen der Aufnahmen im allgemeinen vom Aufnahmeleiter und Frager erst während der Aufnahme vorgeschlagen werden. Man merkt jedoch durch den Rückverweis eines Sprechers (Sp.j aus Dudenrode) zu Beginn des Interviews ( was wir.. .ich vorhin schon alle gesagt habe"), daß der Aufnahmeleiter mit den Informanten Themen vorbesprochen hatte, aber auch, daß in manchen Fällen Sprecher durch ein
22 Thema überrascht wurden und deshalb nur wenig aussagen konnten, wie bei der Antwort auf eine Frage zur Erklärung von Flurnamen („Das kann ich nun auch nicht sagen, wie das ist. Gott, im Moment, ja, wenn man sich das.. .eben vorbereitet ist auf so etwas.. " von Sp.3 aus Dudenrode). Folgende Komponenten der Sprechsituation scheinen mir für den Inhalt außerdem verantwortlich: Das Interview wurde nicht im Aufnahmewagen des Deutschen Spracharchivs, sondern in der alltäglichen, gewohnten Umgebung des Sprechers durchgeführt. Häusliche und landwirtschaftliche Nebengeräusche sind dafür Zeuge. Kommunikationspartner waren der interviewte Sprecher der jeweiligen Ortsmundart und der Aufnahmeleiter, der von außen in die alltägliche Lebenssituation des Sprechers einbrechen mußte und eine dem Hochdeutschen nahe, überregionale Umgangssprache sprach. Die Gesprächsthemen wurden mit ganz wenigen Ausnahmen vom Aufnahmeleiter durch Fragen, Aufforderungen oder durch Behauptungen mit Fragefunktion suggeriert, woraufhin vom Sprecher erwartet wurde, daß er über das jeweilige Thema „erzählte". Da der Aufnahmeleiter vor allem bei erzählfreudigeren Sprechern sehr stark zurücktritt (auch aufnahmetechnisch), muß man die Aufnahmetexte jedoch eher als Monologe bzw. Berichte klassifizieren, die nur selten dem Typ einer Erzählung nahe kommen (u.a. bei Sp.j aus Netra beim Thema zweier tödlicher Unfälle). Wenn für die Häufigkeit der in den Aufnahmen angeschnittenen Themen vor allem der Aufnahmeleiter und Frager verantwortlich war, so für die Ausführlichkeit und Qualität der Berichterstattung vor allem der Sprecher, seine Informiertheit und Erzählfreude. Hier soll nun noch kurz auf die Häufigkeit und auf den Informationswert einzelner Themen eingegangen werden. Allen sechs Interviews gemeinsam ist das Thema Kirmes, das neben dem Thema Schweineschlachten am ausführlichsten behandelt wird. Allen Aufnahmen gemeinsam sind außer dem Thema Kirmes lediglich noch die Aufzählung der Wochentage und die Zahlen von eins bis zehn. Die Häufigkeit des Themas Trockenheit erklärt sich durch das Jahr der Tonbandaufnahmen, 1959, ein Jahr mit einem ausgesprochen trockenen Sommer. Themen, die wiederholt besprochen werden, sind nach Häufigkeit: 1.Kirmes: Dudenrode 1/5237,1/5238,1/5242;Netra 1/5246,1/5247, 1/5249; 2.Trockenheit: Dudenrode 1/5237,1/5238,1/5242;Netra 1/5246,1/5249; 3.Schweineschlachten: Dudenrode 1/5237,1/5238,1/5242; Netra 1/5246; 4.Familienbeinamen: Dudenrode 1/5242; Netra 1/5246,1/5249; 5.Landarbeit im Jahreslauf: Dudenrode 1/5242; Netra 1/5247,1/5249; 6.Haus- und Feldarbeit der Bauersfrau: Dudenrode 1/5238,1/5242; 7.Erwerbsmöglichkeiten: Dudenrode 1/5237,1/5242; 8.Flurnamen: Dudenrode 1/5242;Netra 1/5246; Jeweils nur von einem Sprecher wurden folgende Themen behandelt: 9.Spinnstube: Dudenrode 1/5242; 10.Kino/Fernsehen: Dudenrode 1/5242; 11.Lausejungen- und Fahrschülerzeit: Netra 1/5247; 12.Tödliche Unfälle: Netra 1/5246. Dieses Thema, zwei Unfälle in landwirtschaftlichen Betrieben, fand eine gute sprachliche Darstellung. Es wird hier auch genannt, um einen Vergleich zwischen der Interviewtechnik des Deutschen Spracharchivs und der Interviewtechnik William LABOVs anzuregen (vgl. LAB OY, S. 136).
23
Von besonderem Informationswert für Volkskunde, Sozialgeschichte und Sprachgeschichte scheinen mir folgende Themen, wie sie bei den TA von 1959 aus Dudenrode und Netra zur Sprache kommen: 1. Die Kirmes: Sie findet jedes Jahr im Oktober statt mit Bräuchen wie Gehacktesessen der Kirmesburschen, die die Kirmes „beschließen", mit dem Kirchgang, dem Tanz auf dem Anger unter der Linde und im Gasthaus, dem „Gesundheiten" (nur aus Netra belegt), den Ständchen vor allen Häusern des Dorfes, dem Eiersammeln, dem Umzug mit Verkleidungen als „Bär" und „Bärenleiter" (nur aus Netra belegt), dem Schwarzmalen der heiratsfähigen jungen Mädchen (nur Netra) und dem Kirmesbegräbnis (nur Dudenrode). Literatur zum Vergleich: VILMAR 1868, S. 202-3: Kirmes als jährliches Tanzfest der Bauern im Oktober „unter der Linde", „mit Musik von Haus zu Haus" und „allerlei Vermummung"; HESSLER 1904, S. 4 3 2 - 7 ; 2. Das Schlachtefest bzw. Schweineschlachten: Es findet im Winter statt mit Bräuchen wie „Abendbrotswurst" (Dudenrode), „Schlachtekohl" (Dudenrode) bzw. „Sauerkohl" (Netra) und Töpfehängen der Jungen (Dudenrode). Literatur zum Vergleich: HESSLER 1904, S. 437-9; HNVW IV, (172, 174-179) zum Töpfehängen ; 3. Die Spinnstube: In Dudenrode als geselliges Zusammensein im Winter von vier bis fünf Ehepaaren, bei dem die Frauen handarbeiten und die Männer Skat spielen. Literatur zum Vergleich: HESSLER 1904, S. 439; 4. Erwerbsmöglichkeiten der Dorfbewohner (Dudenrode). Früher als fahrende Handelsleute, die bis nach Helgoland „machten", die Salz fuhren von der Saline in Sooden-Allendorf über die „Salzstraße" an Dudenrode vorbei nach Norden und Westen, schließlich als „kleine Handelsleute" im Hausiererhandel. Literatur zum Vergleich: MITZKA 1946, S. 4 9 - 5 0 (über Fuhrleute, Salzfahrer und Hausierer unter den Bewohnern des Meißnerlandes). Heute: im Bergwerk und bei der Waldarbeit auf dem Meißner, im Steinbruch und in den regionalen Industriebetrieben wie Ziegelei, Zuckerfabrik, und Textilfabrik. Die Männer pendeln außerdem als Maurer, Stellmacher, „Weißbinder" (= Anstreicher), die Frauen „gehen in Stellung" als Hausgehilfin oder Textilarbeiterin. 5. Behelfe in trockenen Jahren. Früher: Sammeln von „Laubheu" für das Vieh (Dudenrode); heute: Pflege der Quellen und Brunnen (Netra). 6. Flurnamen, Familien- und Häuserbeinamen: Als sprachliche Reliktformen verdienen sie besondere Beachtung. Vorerst ihre vollständige Auflistung: Aus der Aufnahme Dudenrode 1/5242 als Flurnamen: Bannrod, Bramberg, auf dem Gleichen, Hasenecke, Hasenwinkel, hinter dem Mühllande, Richerrode, Schwiemel; als Häuser- bzw. Familienbeinamen: Bräschäcken (,preußische Ecke'), Gobrahls (.Korporal1), Hertans (.Hirtenhans'), Luchs, Viedtecken. Die in Klammer angegebenen Entsprechungen wurden von den Informanten selbst gegeben. Aus den Aufnahmen Netra 1/5246 und 1/5249 als Flurnamen: Aschenborn, Dudersbach, Schweineborn, Simonsecke; als Häuser- bzw. Familienbeinamen: Angeroden (,Anger-Adam'), Fischbach, Klamersch (,Klamerl), Nollschmeets (,Nagelschmied'), Fitzhüs, (,Viedtshaus'), Wissbart (,Weißbart'). Auch hier wurden die in Klammern angegebenen Entsprechungen von den Informanten selbst geliefert.
24 Um die Bedeutung einiger mir unverständlicher Flurnamen zu klären, wandte ich mich an das Flurnamenarchiv in Marburg und erhielt daraufhin von Herrn Karl A. Müller Messblattausschnitte mit den Orten Dudenrode und Netra, auf denen folgende Flurnamen lokalisiert worden waren: für Dudenrode die Namen Bannrod, Gleichen, Hasen(h)ecke, Hasenwinkel, Mühlland und Rischroth (vgl. Richerrode); für Netra die Namen Aschenborn, Dudersbach, Schweineborn, und Simonsecke. Zu dem obskuren Häuserbeinamen aus Dudenrode [fi:,öegn] fand Müller im Kataster 1774 den Eintrag „bei Viedtshöfen" und „im Viedtshoffe", was die Interpretation ,an der Ecke bzw. Hecke bei Viedts Höfen' erlaubt (vgl. BRUCHMANN 1931, S. 160 „Motzenn Acker, Vidi-"). Zum Dudenröder Flurname „Schwiemel* schlägt Müller (persönliche Mitteilung wie oben) als Erklärung „Pferde-Schwemmteich" vor. Da jedoch BRUCHMANN 1931 (S. 164) im Anhang außer der Wüstung „Richerrode" auch „Schweinebühl" nennt (vgl. ebd. S. 161 „Schweinebe(i)ll" und S. 163 „Schwimelstein"), würde ich eher annehmen, daß „Schweinebühl" in seiner nicht-diphthongierten mundartlichen Realisation dem Flurnamen „Schwiemel" zugrundeliegt (nach Teilassimilation des Nasals und Deletion von /b/ einer Zwischenstufe *„Schwienbel"). Schließlich ist nach Müller der Dudenröder Flurname „Gleichen" eine sehr häufige Bezeichnung für ebene Berghöhen. Die Klärung des Dudenröder Häuserbeinamen „Viedt(h)ecken" nutzte auch der Klärung von „Fitzhüs", einem Häuserbeinamen aus Netra: als Haus der Familie Viedt (siehe oben und BRUCHMANN 1931, S. 160). Zu den Netraer Flurnamen „Aschenborn" und „Dudersbach" schlägt Müller die Erklärung .Eschenquelle' und .Dudosbach' vor, letzteres allerdings mit Fragezeichen.
9. Bemerkungen zu
Transkriptionen
Für die phonetische und die phonologische Umschrift werden die Symbole des IPA verwendet. Bei den Plosiva werden die phonetischen Zeichen [b d g] als stimmlose Lenes verstanden. Auf Diakritika wird somit bei den Plosiva weitgehend verzichtet, obwohl auch Varianten feststellbar sind, die zur Stimmhaftigkeit tendieren. Da bei den Plosiva jedoch die Realisierung stimmhaft/stimmlos unsystematisch ist, können abweichende Notierungen an der strukturellen Darstellung der Laute wohl kaum etwas ändern (vgl. Konsonanten Kap. 10.4). Bei der phonologischen Umschrift steht zusätzlich /c/ als Phonemzeichen für die beiden Allophone [?] und [x] . Zur Angabe von Liaison an Wortgrenzen wird für die phonetische Umschrift ein Bogen verwendet z.B. [veiz 15] für ,weiß ich'. Der gleiche Bogen wird bei der phonologischen Umschrift verwendet, um das Längezeichen /:/ mit dem Vokalzeichen zu verbinden und lange Vokalphoneme zu identifizieren z.B. /mijse/ für ,Mäuse'. Außerdem wird er verwendet, um Diphthonge von anderen Vokalfolgen zu unterscheiden wie z.B. in /'tsvae.e/ für ,zwei'. Besonders schwierig war es, in der phonetischen Umschrift Wortgrenzen bei Assimilationserscheinungen im phonetischen Kontinuum zu kennzeichnen. Da die PhonaiTranskription auch im phonetischen Kontinuum die Angabe von Wortgrenzen fordert, soll folgendermaßen verfahren werden. Handelt es sich um die Deletion eines Segmentes durch Totalassimilation an der Wortgrenze wie in ,von Neuem', so wird dies bei der phonetischen Umschrift als [fu | 'noi,am] notiert, wobei der senkrechte Strich die Wortgrenze angibt, bei der phonologischen Umschrift jedoch als /fun
25 'noi.sm/ (vgl. 1/5237). Bei der Deletion eines von zwei verschiedenen Segmenten durch Assimilation wird hingegen das gebliebene Segment da gelassen, wo es ursprünglich in dieser Form realisiert wurde z.B. für ,in die' die Umschrift [in | 3] und nicht * [i i . Die zweite Umschrift könnte jedoch für ,in eine' stehen. Die Umschrift [fun noiam] ,von Neuem' als Assimilationsform wird für die phonetische Transkription verworfen, da deutlich sein muß, daß es sich hier nicht um die Folge von zwei [n] handelt, sondern daß nur ein [n] realisiert wird. Zu welchen komplizierten Spekulationen die hier abgelehnte Transkriptionsart führen könnte, möge das Beispiel der Mundartrealisation zu ,in einer Wirtschaft wird dann noch' darlegen: [iners 'vedjavedano:] . W o sollen in diesem Lautkontinuum die Wortgrenzen eingesetzt werden? Soll man Assimilationssegmente an Wortgrenzen jedesmal verdoppeln und mit einem Bogen verbinden? Das sähe so aus: * [in ncra 'vsdjav ved dan no:] Doppelkonsonanz liegt jedoch nicht vor. In der vorliegenden Arbeit wurde deshalb folgende Transkription verwendet: [in|ßra ' v e d / a | v e | d a | n o : ] . Der senkrechte Strich verweist also eindeutig auf eine Wortgrenze im Lautkontinuum. Die Segmentfolge vor und nach einem solchen Zeichen ist daher als Lautkontinuum zu lesen. Zur Angabe des Tonhöhenverlaufs werden die Zahlen 1, 2 und 3 verwendet, wobei 1 auf eine tiefere, 2 auf eine höhere und 3 auf die relativ höchste Tonhöhenstufe des Sprechers verweist. Der Tonhöhenverlauf wird nur in den phonetischen Transkriptionstext eingezeichnet, da bisher zu wenige Arbeiten zur Intonation in deutschen Dialekten vorliegen (vgl. HEIKE 1969 und GUENTHERODT 1973) und die hier zu untersuchenden TA zu wenig Material bringen, um bei vergleichbarem Material bzw. Sätzen, die als Oppositionspaare verwendet werden könnten, von distinktiven Elementen sprechen zu können. Die Tonhöhenangaben werden also lediglich im phonetischen Text verzeichnet, nicht aber im phonologischen. Die Zahlen 1, 2 und 3 für die relative Tonhöhe sind also nicht als Zeichen für distinktive Oppositionen zu verstehen, sondern lediglich als noch nicht systematisierte Annäherung bzw. stark vergröberte Darstellung des Tonhöhenverlaufs. Zur Angabe der syntaktischen Hauptbetonung wird zusätzlich ein hochgestellter kleiner Kreis verwendet und die Wortbetonung mit der im IPA üblichen Notierung bezeichnet.
10. Phonetische und phonologische
Beschreibung
10.1. Probleme der Systematik Während der hochdeutsche Interlineartext mit Ausnahme einiger weniger undeutlich und schnell artikulierter Stellen ohne Mühe herzustellen war, erforderte die phonetische Umschrift einschließlich der Angaben zum Tonhöhenverlauf viel Geduld, vielfach wiederholtes, intensives Abhören und Überprüfen, vor allem aber das Bewußtsein, auch Nichterwartetes notieren zu müssen, so wenig wie möglich in den Text hineinzuhören d.h. auch das, was völlig gegen unsere Erwartung ist, treu aufzuzeichnen. Ich denke hier an die für mich völlig überraschende Realisation von initialem ge- z.B. in „geht" durch [j] im Dialekt von Dudenrode. In diesem Falle wäre es grundfalsch gewesen, zu meinen, man habe sich verhört, es müsse doch ein [g] sein und auch als solches notiert werden. Sehr viel später nämlich, nach eingehender Lektüre zum Thüringischen und nach der zufälligen Entdeckung des gleichen Phänomens in einer Tonbandaufnahme des Deutschen Sprachatlas (Marburg) aus Orferode,
26 einem Nachbardorf von Dudenrode, wurde die Richtigkeit des [j] bestätigt, eines Merkmals also, das nur bei dem ältesten von drei Sprechern der Mundart auftrat, aber trotz der minderheitlichen Belege unbedingt als Teil des Lautsystems der Mundart zu verstehen ist. Viel Zeitaufwand erforderte auch der phonologische Text, da entschieden werden mußte, welche Phoneme den oft zahlreichen Varianten eines Wortes zugrunde liegen. So variiert bei der Realisation des Wortes,Abend' selbst ein und derselbe Sprecher den betonten Vokal zwischen [o:] und [o:] und bei dem Wort ,Tag' zwischen [a] und [D:] . Es wurde nicht nur der lautliche Kontext des jeweiligen Satzes geprüft, sondern nach der Erstellung einer Wortkartei und des Morph-Registers alle Varianten bei den sechs Sprechern verglichen, vor allem aber auch an die Möglichkeit gedacht, ob nicht manchmal auch die hochsprachliche Form zugrunde liegen könne und damit ein ganz anderes Phonemsystem. Bei den oben erwähnten zwei Beispielen könnte dies im zweiten Fall bei ,Tag' ohne weiteres möglich sein. In einigen Fällen wie bei dem Diphthong/ei/fand sich eine Bestätigung auch in der diachronen Untersuchung der Belege bzw. der Entsprechungen zu wgm. ai (mhd. ei). Die Absicherung der Phoneme durch die Vergleiche mit Varianten des MorphRegisters und der diachronen Tabelle war vor allem nötig, wenn kein Minimalpaar zu finden war, nur ein notdürftiges „near minimal pair" vorlag, oder das Minimalpaar strengeren phonologischen Maßstäben nicht standhielt wie die Kontraktionsform [raen] .Regen' und [rein] ,rein'. Auf die Streitigkeiten um die Wertung der Diphthonge und Affrikaten möchte ich hier nicht weiter eingehen, sondern auf die vorzügliche Zusammenfassung von VEITH 1971 (S. 1 1 3 - 4 ) und WERNER 1972 (S. 3 2 - 5 und 5 0 - 5 ) hinweisen, woraus auch meine Begründung für eine monophonematische Wertung der Diphthonge und Affrikaten zu entnehmen ist. Im Grunde gibt es in den beiden Mundarten von Dudenrode und Netra nur /ts/ als Affrikat, da das mundartliche Äquivalent von hochdeutsch /pf/ entweder lenisiertes /p/ oder / f / ist (vgl. Sprachliche Situation der Orte Kap. 7). Und selbst /ts/ wird durch Deletion der ersten Konstituente oft nur als [s] realisiert vgl. Assimilation Kap. 10.2.
10.2. Assimilation 10.2.0. Assimilation und ,langue' Es ist fachgeschichtlich von Interesse und sicher nicht zufällig, daß die strukturelle Phonologie das Problem des Um- und Ablauts vernachlässigte, die generative Phonologie wiederum das Problem der Assimilation. Mit dem Phonem als kleinster bedeutungsunterscheidender Einheit sind Umlaut und Ablaut als einer für die ,langue' verbindlich gewordenen Assimilationserscheinung kaum zu beschreiben, wohl aber mit Hilfe eines Systems von distinktiven Merkmalen. Wenn wiederum von generativer Seite bisher nur wenig mit Assimilationserscheinungen gearbeitet wurde, so wahrscheinlich, weil auch sie sich von der Vorstellung einer strikten Trennung von ,langue' und .parole' bzw. Kompetenz und Performanz noch nicht lösen kann. Die Beschreibung und Erklärung von Assimilationserscheinungen setzt ein Verständnis von Sprache voraus wie es etwa von WHITAKER 1971 (u.a. S. 144) gefordert wird, einem Sprachverständnis, das keine Trennung von Kompetenz und Performanz als Vorwand für die alleinige Beschäftigung mit Kompetenz bzw. ,langue' impliziert. Assimilation und Alternation bereiten bei der Untersuchung von Dialekten besondere Schwie-
27 rigkeiten, Assimilation durch ihren proteischen Charakter, Alternation u.a. durch das Fehlen von Dokumentation zur Geschichte der Ortsmundart. Assimilation und Alternation müssen jedoch beschrieben und soweit wie möglich erklärt werden, bevor das zugrundeliegende Lautsystem dargestellt werden kann. Es ist unvermeidlich, daß dabei viele Fragen offen bleiben, vor allem die der Zuordnung von Ortsdialekt, regionaler Umgangssprache oder Hochsprache als zugrundeliegendes System. Hier ein Beispiel: Bei der Darstellung von Assimilationserscheinungen im Bereich der Hochbzw. Einheitssprache unterscheidet man zwischen verbindlicher (,langue l ) - und nicht verbindlicher (,parole') - Assimilation wie in ,Imbiß' gegenüber [ambao] für .Anbau'. Welche der folgenden Varianten aus Dudenrode für hochdeutsch ,eben' Teil der ,langue' sind, wird schwer bzw. gar nicht zu entscheiden sein: [e:mn], [e:m] oder [e:n]. Auch die Frage, ob [e:m] ,eben' die ältere Form ist und [e:mn] vielleicht aus der regionalen Umgangssprache oder der Einheitssprache übernommen wurde, bleibt offen. Assimilationserscheinungen als .Energeia' par excellence lassen sich in ihrem Zuerst und Danach nicht eindeutig dokumentieren. Assimilation ist wohl das Thema der Sprachwissenschaft, das am deutlichsten aus dem synchronen in den diachronen Bereich des Gegenwärtigen und Zukünftigen hinüberweist und damit Aufschlüsse über mögliche zukünftige Entwicklungen der Sprache geben kann. Es soll auch deshalb etwas ausführlicher behandelt werden. Assimilation als sprachökonomische Angleichung von Segmenten im Sprechkontinuum durch Übernahme bzw. Verlust von Merkmalen kann bekanntlich bei einseitig gerichteter Beeinflussung zur partiellen oder auch zur völligen Angleichung des einen Lautsegmentes an das benachbarte und damit zu seiner Deletion führen. Bei einer wechselseitigen Angleichung, einer reziproken Assimilation, ergibt sich hingegen eine Lautfolge, in der keines der beiden Ausgangssegmente in seiner ursprünglichen Form erhalten bleibt. Als Beispiel möge die mundartliche Realisation des Wortes ,Abend' dienen. In dem Beleg /'o:,vet/ und seinen Varianten aus Dudenrode liegt die für das Mitteldeutsche charakteristische intervokalische Konsonantenschwächung vor, eine partielle Assimilation, außerdem Deletion des Nasallautes. In Komposita wie die mundartlichen Äquivalente zu .Abendbrot' und ,Abendbrotswurst' fällt das finale /t/ der Konstituente ,Abend' weg und der intervokalische Reibelaut gleicht sich den Vokalen der Umgebung soweit an, daß nur noch die vokalischen Merkmale realisiert werden. Es entsteht die Form /'o:,bro:t/. In Netra dagegen überwiegt die mundartliche Realisation /o:mt/ für ,Abend', die das Ergebnis einer reziproken Assimilation ist. In /m/ wurde von dem ersten assimilierten Segment /b/ das Merkmal [+ labial] übernommen, vom nachfolgenden /n/ das Merkmal [+ nasal] . Im Kompositum z.B. im Äquivalent zu ,Abendbrotspause' ging die Reduktion nur bis /o:m/ ,Abend-' und nicht wie in Dudenrode bis zu /o:/. Was nun im Dudenröder Dialekt bei der Assimilation im Wort /o:vet/ ,Abend' zuerst erfolgte, der Wegfall von /n/ oder die Substitution von /b/ durch den Reibelaut /v/, bleibt der Spekulation überlassen, da die sprachgeschichtliche Dokumentation fehlt. Um dieser Art von Spekulation aus dem Wege zu gehen, soll im Folgenden nur die Assimilation mit eindeutiger Substitution von Konsonantensegmenten bzw. Assimilation mit Deletion von Segmenten beschrieben werden. Dabei wird zwischen dem Kontext innerhalb von Lexemgrenzen und dem Kontext über Lexemgrenzen hinweg unterschieden. Der besseren Lesbarkeit wegen werden anstelle der mundartlichen Belege die hochdeuschen Äquivalente gleicher sprachlicher Herkunft genannt. Die mundartlichen Realisationen sind aus den beiden Morph-Registern ersichtlich.
28 10.2.1. Assimilation innerhalb der Lexemgrenzen Substitution eines Segmentes ohne Deletion eines anderen findet nur bei partieller Assimilation statt. Dazu gehört auch die oben erwähnte intervokalische Konsonantenschwächung. Sie beläßt in den meisten Fällen die Äquivalente von hochdeutsch /p pf t k/ in der Dudenröder und Netraer Mundart als stimmlose Lenis, so in den Äquivalenten von .stopfen, Mutter, Ecke' der Dudenröder Texte und von ,berappen, Mutter, Säcke' in den Netraer Texten. Bei den Äquivalenten von hochdeutsch /b d g/ verursacht die intervokalische Konsonantenschwächung jedoch eine Reihe von Substitutionen, die mehr als ein Merkmal betreffen. Intervokalisch entstehen LenisReibelaute, wobei das Merkmal [+ plosiv] durch ein artikulatorisch schwächeres [+ frikativ] ersetzt wird, die Artikulationsstelle jedoch die gleiche bleibt.
10.2.1.1. Assimilation ohne Deletion von Segmenten Substitution der Äquivalente zu hochdeutsch /b d g/: b d-*-ö
g/ ? g/x-*y
Dudenrode: Abend, aber, Herb(e)st, Nähstube, schreiben, sieben, überall; Netra: aber, erleben, Leberwurst, Oberdorf, Räuber, überhin; Dudenrode: l Richerrode, schneiden, oder vgl. (Handels)leute; /d/ in wieder realisiert als [ö d r 0] ; Netra: keine Belege Dudenrode: eigen, Vegesack, Ziegelei; Netra: kriegen, meinetwegen, Regen; Dudenrode: zogen; Netra: Jugend, Plage, Roggen, Schlager, Tage, verzogen;
Substitution der Äquivalente zu hochdeutsch /f s f 5 x/: f->v s
x-^-y
Dudenrode: Netra: Dudenrode: Netra: Dudenrode: Netra: Dudenrode: Netra: Dudenrode: Netra:
Hafer, verkaufen; Hafer, Kartoffel, laufen, -häufen; auslesen, Witzenhausen, Kirmesse; Kessel, Masse, Straße, weißes; keine Belege Kirmesburschen, Netrasche, waschen; gleiche (vgl. Kirche, welche) sprechen (vgl. Kirche) Kachelofen, machen, (be-, ge-)sprochen; Jauche, machen, abgestochen, Wochen;
Substitution von /n/ nach bilabialem Verschlußlaut: n-^m
Dudenrode: /ri:bm/ ,Rüben'; Netra: /gro:bm/ ,(be)graben', /o:bm/ ,oben', /ry:bm/ ,Rüben', /sebm/ .sieben' vgl. auch die Realisation von ,Anfang' (Netra).
Bei allen übrigen Assimilationserscheinungen liegt immer auch die Deletion eines Konsonantensegmentes vor. Nur in ganz wenigen Fällen ist mit der Deletion eine Substitution verbunden u.a. bei Deletion von labialen (vor/n/) und dentalen Plosiven (nach/n/).
29 10.2.1.2. Assimilation mit Deletion von Segmenten (1) Deletion von labialem Verschlußlaut vor bzw. nach Nasal (a) mit Substitution von /b + n/ durch /m/: Dudenrode: bleiben (/bli:m/). eben, graben, leben, Rüben- -stuben, Netra: Abend, Aufgaben, eben, verstorbene; (b) ohne Substitution: Dudenrode: Abend-; Netra: ausgepumpt (2) Deletion von dentalem Verschlußlaut (a) mit Substitution von /n + d, t/ durch /i}/ (Gutturalisierung): Dudenrode: hinten, Hundelshausen, Linde, -kinder, unter (jedoch keine „Gutturalisierung" im Äquivalent zu ,Untergang' in einem Filmtitel) Weißbinder; Netra: Ende, hinten, (-)hinter, (-)länder, unten, u n t e r ( - ) verbunden; (b) ohne Substitution: nach /n/ lexemmedial: Dudenrode: andere, besonders, -lande, -hundert-, Ständerchen. Stunde; Netra: andere, anderthalb, -ernte, (-)hundert (- )stunde, Winter-; nach /n/ lexemfinal: Dudenrode: Bekanntschaft, Branntwein, Land-, sind, und; Netra: Abend-, allerhand; anhaltend, irgend, Jahrzehnt, Prozentsatz; sind, Seitenwand, Sonnabend und, Verwandtschaft; nach /s f ?/ lexemfinal: Dudenrode: erst-.. Herbst, ist, jetzt, Mist, nicht -schaft; Netra: Ast, erst, fest, furchtbar, Herbst; ist. jetzt. Mist, nicht (wahr), -schaft; nach /1 r/: Dudenrode: Alten, balde, halten, werden; Netra: alte, älter, Alter, anhaltenden, Erd- ; Felde, Pferde-, wilde, werden vor /s/ in der Affrikate /ts/: initial - Dudenrode: (nur im unbetonten) zu (nur im unbetonten) zu (~) Netra: einzige, tanzen, neunzehnmedial — Dudenrode: ganzen, tanzen, -zwanzig, gesetzt; Netra: ganz, (—)salz, Tanz; final — Dudenrode: Holz, -kränz, Tanz, Weiz(en) Netra: haupt-, oder, wieder; Einzelbelege: Dudenrode: haupt-. mindestens; Netra: (3) Deletion von velarem Verschlußlaut (a) mit Substitution von /e, a + g(e)/ durch [ae] bzw. [a:e] : Dudenrode: Gelegenheit, Mag(e)d-, Regen, regnet, getragen; Netra: geegget, Eschwege, (-)gegen, leget, Mag(e)d, geregnet
30 (b) mit Substitution von /o + rg(e)/ durch [oe] bzw. [o:e] ; Dudenrode: (-)morgen(s) Netra: morgen (c) ohne Substitution: Dudenrode: Sonntagabend, gewachsen (Etymologie!) Netra: gebänkt, eigentlich, gefragt, Handwagen, Nagelschmieds, gesagt, ausgeschlagen, Tage, voriges (4) Deletion von labialem und dentalem Reibelaut Zur Deletion von /f/ und /s/ liegt nur je ein Beleg vor, beide aus Dudenrode: /o:m/ ,(Kachel)ofen' /mun/,müssen'. Die Form /mun/ könnte jedoch auch aus /mutn/ assimiliert sein (vgl. Kapitel über Hilfs- und Modalverben). (5) Deletion von palatalem und velarem Reibelaut palatal Dudenrode: Kirchmesse (u.a.), nicht Netra: Kirchmesse (u.a.), nicht velar — Dudenrode: auch, nach (—), noch, (Tag) Netra: auch, nach(—), noch(-), (-tag) (6) Deletion von Liquiden /I r/ (a) /l/ - Dudenrode: (—)mal, wollen Netra: (—)mal, wohl (b) /r/ präkonsonantisch — Dudenrode: Kartoffel, Korporal, -wirt-, vor(i)ges; Netra: Bär(e)nleiter, besorgen, -ernte, viertel; final — Dudenrode: gar, Glauber(salz), her, hier, mehr, mir, nur, vor-, war, wer; Netra: furchtbar, Gemähr, ( - ) h e r , hier, mehr, Pfarrer, vor-, wir; (7) Deletion von Nasal (nur /n/) Dudenrode: Infinitiv und Part. Perf. (siehe dort), Abend, einmal, man, nein; Netra: Infinitiv und Part. Perf. (siehe dort), Abend, einmal,|fünfzehn, gestern(abend), man, meinetwegen, -weizen, steinern, nein, -fünfzig, Gendarm Besonders interessante Belege für Assimilation sind in den Dudenröder Texten: neunzehnhundertelf, Preußische Ecke; in den Netraer Texten: Anger-Adam, Frikadellen (siehe Morph-Register). Aus dem oben untersuchten Material wird deutlich, daß die Zahl der Kontexttypen für Assimilation und Deletion bei Dentalverschlußlauten am höchsten ist (vgl. dagegen DIETH 1950, S. 268).
10.2.2 Assimilation über Lexemgrenzen hinweg Assimilationserscheinungen über Lexemgrenzen hinweg vollziehen sich nach ähnlichen Regeln wie die Assimilation innerhalb der Lexemgrenzen, nur sind sie nicht so
31
zahlreich. Wenn im folgenden die Beobachtungen in Form von Regeln zusammengefaßt sind, so bedeutet dies nicht, daß diese Regeln in jedem Fall gelten. Sie sind fakultativ. Sie beziehen sich nur auf Stellen mit schon vollzogener Assimilation. Assimilation über Lexemgrenzen hinweg ist also mit sehr wenigen Ausnahmen nicht obligatorisch. 1. Regel: Folgen einander vor und nach der Lexemgrenze identische Konsonanten so wird einer getilgt: Dudenrode: Aus+säen, Kartoffel+land, im Moment Netra: Kartoffel+länder, acht Tage 2. Regel: Folgen einander vor und nach der Lexemgrenze homorgane Konsonanten wie t+d, 5+j, f+v, dann wird der finale Fortislaut getilgt: Dudenrode: kommt der - [g.mdaR] (aber nicht * [gimaR] ) mit dem - [medm] ( [mem] mit Deletion) das weiß ich ja aber - [das veiz i/j/'a.ve] Wirtschaf(t) wird dann noch — [vedja/ve/da/no:] Netra: kommt der - [kimda] (aber nicht * [kimn] ) fast den - [fasan] Glück gehabt - [gligahad] Oberdorf was ['GVB des vas] weit daß sie - [vi:daza] mich ja — [mija] 3. Regel: Folgen einander vor und nach der Lexemgrenze zwei verschiedene Nasale, so wird der finale getilgt: Dudenrode: behalten mer (= wir) - [.ba'haJma] un(d) machen — [u/'ma,xn] Netra: wollen mer (= wir) - [voma] 4. Regel: Folgen einander vor und nach der Lexemgrenze die Reibelaute /(t)s/ in Final- und /// in Initialstellung, dann wird der finale Reibelaut /s/ getilgt: Dudenrode: besonders scharf - [.ba'sonBRjauf] ganz schlecht - [gonjla:?t] Salz+straße - ['saljdra:sa] Netra: keine Belege Die folgenden beiden Regeln sind die der intervokalischen Konsonantenschwächung bezogen auf die Wort- bzw. Silbengrenze. 5. Regel: Folgen einander vor und nach der Lexemgrenze /b d g/ in Final- und ein Vokal ohne [?] in Initialposition, dann wird das Merkmal [+ plosiv] durch das Merkmal |[+ frikativ] ersetzt und der Lenisreibelaut in die Initialposition der ersten Silbe des nächsten Lexems gezogen. Dudenrode: glaub ich (b ->v) Viedt+ecken ( d - > ö ) Netra: genug Arbeit (g, x - ^ y ) 6. Regel: Folgen einander vor und nach der Lexemgrenze /f s 5 x/ in Final- und ein Vokal ohne [?] in Initialposition, dann wird das Merkmal [+ fortis]
32 durch das Merkmal [+ lenis] ersetzt und der Lenisreibelaut in die Initialposition der ersten Silbe des folgenden Lexems gezogen. f - * v Dudenrode: zwölf Uhr, auf ein Netra: auf (d)en Saal s-^z Dudenrode: weiß ich, muß ich, raus und, das und, is(t) es, das ist, ganz ist Netra: weiß ich, das ist, is(t) es auch, is(t) es, was ich, morgens um 9 -*• j Dudenrode: kein Beleg Netra: natürlich ein, sich in, sich um, durch ist, durch + ein + ander x - ^ y Dudenrode: nach und nach Netra: (genug Arbeit s.o.) Die Assimilationserscheinung, die durch die 7. Regel formuliert wird, ähnelt u.a. der unter (2): Deletion von dentalem Verschlußlaut nach /n/ bei Assimilation innerhalb der Lexemgrenzen. 7. Regel: Folgen einander vor und nach der Lexemgrenze /n/ in Finalposition und in der Initialposition (1) der Verschlußlaut /d/, so wird /d/ getilgt: Dudenrode: in die ( [in/9] ) Netra: kein Beleg (vgl. jedoch [dB no:st] * ,der Ast' aus Netra) (2) der Verschlußlaut /g/, so wird /n/ zu / q / (a) und /g/ nicht getilgt: Dudenrode: dahingegangen - [daheqgagaein] dahingezogen; Netra: eingeschenkt - [iqgafeqkt] (b) und Ig/ wird getilgt: Dudenrode: hereingelangt - [ r i q a b q a d ] , eingeladen, ungefähr - [uqafas.T] Netra: kein Beleg (3) der Reibelaut / f / , dann wird /n/ zu /m/ durch regressive Assimilation: Dudenrode: kein Beleg Netra: Anfang - [oimfaq] (vgl. progressive Assimilation bei ,(Kachel)ofen' - [o:m] ) An einem Beispiel aus Dudenrode (1/5237) soll hier einmal die Reihenfolge der Assimilations- bzw. Deletionsregeln beobachtet werden: ,(in einer) Wirtschaft wird dann noch (gegessen)' [irrera ' v e d j a / v e / d a / n o : 'ge.sn] Reihenfolge der Regeln: 1. Tilgung des finalen /t/ nach / f / in .Wirtschaft' 2. Tilgung des finalen -n vor n-, des finalen -t vor d- und des finalen -f vor v3. Tilgung des präkonsonantischen /r/ in .Wirtschaft' und in .werden' 4. Tilgung von finalem -x in .noch'
33 Die Reihenfolge ist nicht beliebig. Regel 1 muß vor Regel 2 angewandt werden, damit die Folge von homorganen Segmenten an der Lexemgrenze ermöglicht wird, die dann wiederum Regel 2 in Aktion versetzt. Die Folge der übrigen Regeln scheint jedoch nicht obligatorisch, sondern beliebig. 10.3. Alternation Bei den Alternationserscheinungen der deutschen Sprache lassen sich zwei Grundtypen unterscheiden. Der eine Alternationstyp, zu dem im Hochdeutschen die Auslautverhärtung gehört, hat die Funktion, Morphgrenzen bzw. Wort- und Silbengrenzen zu signalisieren und damit die lineare Struktur der Sprache zu gliedern. Der andere Alternationstyp, der im sogenannten Umlaut und Ablaut realisiert wird, differenziert nicht die lineare, sondern die hierarchische Struktur der Sprache und hat die Funktion, Kategorien wie Singular/Plural, Komparativ/Superlativ und Präsens/Präteritum zu unterscheiden (vgl. VEITH 1971, S. 114-6).
10.3.1. Zur Auslautverhärtung Mit Ausnahme von Übernahmen aus einer dem Hochdeutschen angenäherten regionalen Umgangssprache wird in den Dialekten von Dudenrode und Netra bei Verschlußlauten grundlegend kein Unterschied zwischen Lenis und Fortis bzw. stimmhaft und stimmlos gemacht. Es entfällt damit die Erscheinung der Auslautverhärtung. So steht als Entsprechung zu der hochdeutschen Korrelation Inlaut [b] und Auslaut [p] z.B. im Verb .sterben, starb' durgehend [b] , ein stimmloser Lenisverschlußlaut, sowohl im In- als im Auslaut. Dies schließt nicht aus, daß in den Transkriptionstexten, sowohl in den phonetischen als in den phonologischen scheinbar inkonsequente Notationen auftauchen. Der Wechsel zwischen Ortsdialekt und u.a. regionaler Umgangssprache mit Annäherung an das hochdeutsche Lautsystem kann nicht weggeleugnet werden. Den mundartlichen Realisationen der Texte aus Dudenrode und Netra liegt kein einheitliches Phonem- und Lautsystem zugrunde, sondern mehrere. Zu der Tatsache, daß in den Ortsmundarten von Dudenrode und Netra die Gesetze der Auslautverhärtung nicht zur Anwendung kommen, liegen mehrere sprachliche Erscheinungen als Beweis vor: die sehr oft zu beobachtende Deletion von finalem Verschlußlaut und die dafür teilweise verantwortliche Regel der intervokalischen Konsonantenschwächung, die auch an Lexemgrenzen wirksam wird, wie wir an Beispielen wie [evBdeBvas] .Oberdorf was' und .natürlich ein', wo finales [?] zu [j] wurde, beobachten konnten (vgl. Kapitel Assimilation).
10.3.2. Zu Umlaut und Ablaut Von den grammatisch relevanten Alternationen sollen hier nur die genannt und diskutiert werden, zu denen mindestens zwei Grundformen belegt sind und/oder die deutlich vom hspr. Gebrauch des Umlauts und Ablauts abweichen.
34 10.3.2.1. Pluralumlaut Als Belege konnten in den TA nur sehr wenige Singular/Plural-Wortpaare gefunden werden und auch diese sind nicht immer vollständig. Es handelt sich um die mundartlichen Äquivalente zu (Busch)/Büsche, Haus/(Häuser), (Maus)/Mäuse, Korn/Körner, Land/Länder, Mann/Männer. Zur Vereinfachung der Orientierung wird von den hspr. Umlaut-Bezeichnungen ausgegangen. (1) u-Umlaut: Bei dem einzigen ma. Beleg eines Plural-Umlautes auf/u/ aus den TA ist der Umlautvokal entrundet: /bife/ .Büsche' aus Dudenrode. Aus Netra (1959) stammt lediglich der Beleg /kyje/ ,Kühe', der nachträglich 1973 von den Netraer Informanten Sp.j und Sp.2 als hspr. identifiziert und ersetzt wurde durch /kaeve/ ,Kühe', einen Beleg, der durch keiwe in Nr. 37 des Netraer Wenkerfragebogen von 1879/80 bestätigt wird, aber in den TA nicht vorkommt. 1976 kamen noch folgende Belege hinzu: aus Dudenrode /buf/, /bife/, /ku:/, /kijve/ und /fu:s/, /fejse/ zu ,Fuß, Füße'; aus Netra /buj/, /bife/, /ku:/, /kaeve/ und /fu:s/, /fnse/. (2) au-Umlaut: Zu dem in den Ma. von Dudenrode und Netra z.T. noch nicht diphthongierten mhd. ü in der Singularform zu ,Haus' und ,Maus' ist in den TA nur der Plural-Umlaut,Mäuse' belegt, zu ,Haus' aber der Diminutiv-Umlaut in .Häuschen'. Für die Singular-Stammvokale ist neben /u:/ palatalisiertes [Y] und [y] belegt (dazu ROSENKRANZ 1964, S. 223), die Formen des Plural- und Diminutiv-Umlautes sind beide entrundet zu/i:/. TA Belege aus Dudenrode: [hys] ,Haus(halt)', /hujzen/ ,(Witzen)hausen'; TA-Belege aus Netra: /hujs/ ,Haus', [hys] ,(Viedts)haus', [mi:za] .Mäuse' und der Diminutiv-Umlaut in [hi:s$an] ,(Wasser)häuschen'. 1976 kamen folgende Belege hinzu: aus Dudenrode [hus] , [ h i S B ] , [his?3n] und [mu:s] , [mi:za] ; aus Netra: [hu:s] , [hisB] , [his^an] und [mu:s] , [mi:sa] . (3) o-Umlaut: Bei dem o-Umlaut in ,Korn/Körner' ist der Umlautvokal weder in Dudenrode noch in Netra entrundet (TA-Belege). In den ma. Belegen zu .Dorf/ Dörfer' findet sich jedoch keine Alternation, sondern im Sg. und PI. der Stammvokal /e/. Belege aus Dudenrode: /gorn/ ,Korn', /koerner/ ,Körner'; Netra: /karn/ und /körn/ .Korn', /koerndr/ .Körner', zusätzliche Belege von 1976 aus Dudenrode: /koren/ ,Korn' im Sinne von ,Roggen' und /kajrn/ „Korn, Körner'; aus Netra: /korn/ ,Korn' und /kaeren/ .Körner'. (4) a-Umlaut: Während zum Plural von .Land' nur Umlaut vorliegt, gibt es beim Plural von ,Mann' auch Pluralvarianten ohne Umlaut. Belege aus Dudenrode: /man/ ,Mann', /maener/ und /mander/,,Männer', /land/ .Land'; Netra: /leger/ .Länder', /man/ .Mann', /maner/ .Männer'; 1976 aus Netra auch /maener/ .Männer'; vgl. Diminutiv-Umlaut /bo:rd/ ,(Weiß)bart', /be:rdcn/ ,(Weiß)bärtchen' und /emdercen/ .Ämterchen'.
10.3.2.2. Steigerungsumlaut Der Umlaut von gerundeten Stammvokalen ist dabei durchgehend entrundet, bei den Entsprechungen von hspr. .älter' und .länger' scheinen die nicht umgelauteten Belege die älteren Dialektrealisationen zu sein. Der syntaktische Kontext von Komparativen
35 ist nicht wie in der Hspr. ,als' sondern ,wie'; z.B. Dudenrode: .anders wie hier'; Netra: .schlechter wie Stroh'. (1)u-Umlaut: Kein TA-Beleg aus Dudenrode; jedoch 1976 /juqk/ - jung' und /jirjer/ jünger'; aus Netra (1959): /juqk/ jung', /jeijer/ und /jigern/ jünger, jüngeren'. (2)o-Umlaut: Dudenrode: /hojc/,hoch',/e:cstn/.höchsten'; Netra: /hecer/ .höher'; 1976 aus Dudenrode und Netra: /hojc/, /hecer/, /hecst/ für .hoch, höher, höchst'. (3) Umlaut von mhd. ö behielt noch seine Funktion in Dudenrode: /Jein/,schön', aber /Jendr/ .schöner', /Jensde/ .schönste'; 1959 aus Netra lediglich /Je:n/ ,schön', 1976 /Jejne/ .schön' und /Jener/ .schöner'. (4)a-Umlaut: Zu den Wortpaaren ,alt/älter', ,lang/länger' und ,(nah/)näher/nächst' konnten folgende Belege gefunden werden: Dudenrode: /o:ld/ und /o:len/ ,alt(en)', /alder/,älter'; /läge/ und /toge/ .lange', /laeqere/ und /laqer/ ,länger(e)'; /negsde/ .nächste'; - Netra: /ajle/ ,alte', /eler/ = /aelere/~ /alere/ ,älter(e)'; /laq(e)/ .lang(e); /ne:er/ .näher' /negsde/ .nächste'.
10.3.2.3. Verbalablaut Auch bei der Alternation von Stammvokalen im Verbalablaut sind die Paradigmen so unvollständig, daß man zögert, hier eine Untersuchung durchzuführen. Da aber gerade beim Verbalablaut die Abweichungen vom Hochdeutschen besonders deutlich sind, der Dialektsprecher folglich Schwierigkeiten beim Erlernen der hochdeutschen Verben haben wird, sollen hier Verben mit mindestens zwei belegten Ablautformen genannt werden. Der zahlreichen Varianten wegen wird in diesem Kapitel auf die verlässlichere phonetische Notierung der Belege zurückgegriffen. Bei der Gliederung wird die Reihenfolge der mhd. Ablautreihen verwendet, da in vielen Fällen der mhd. Lautstand noch erhalten ist und durch das Fehlen von Belegen in den TA nicht festgestellt werden konnte, ob z.B. der Stammvokal von Infinitiv und vom Partizip des Perfekt übereinstimmen u.ä. Schließlich ist anzunehmen, daß das Schema aus der Diachronie vielen Lesern eine schnellere Orientierung ermöglicht. Folgende Gliederung wird also verwendet: 1. 2. 3. 4.
Ablautreihe: Ablautreihe: Ablautreihe: Ablautreihe:
mhd. ohne mhd. mhd.
T — i — i — Belege: bleiben, leiden, schneiden schreiben ausreichende Belege i/e - a - u/o - Belege: (ver)binden, trinken, melken, helfen e — ä — o — Belege: dreschen, kommen, nehmen, sprechen, (ab)stechen essen, geben, liegen, sitzen (vgl. 5. Ablautreihe: mhd. e — ä — e - Belege: setzen). 6. Ablautreihe: mhd. a — uo — a — Belege: fahren, graben 7. Ablautreihe: mhd. — ie — Belege: blasen, gehen, halten, heißen (Modal- u. Hilfsverben siehe 12.4.1.) 1. A b l a u t r e i h e : Während zu .schreiben' nur ein einziger Beleg gefunden werden konnte (ga/revn .geschrieben' aus Dudenrode), wurden zu .bleiben' und .leiden' mehrere Belege notiert. Die mhd. Ablautreihe T - i - i blieb im Stammvokal des
36 mundartlichen Infinitivs noch deutlich erkennbar, veränderte sich jedoch stark im Stammvokal des Partizips des Perfekt. Belege aus Dudenrode: bli:va .bleiben' (Inf.), bli:msa .bleiben sie', und gablevn .geblieben'; li:d .litt' und galedn .gelitten'; aus Netra: li:dan .leiden' (Inf.), blaebd .bleibt'. Ferner aus Dudenrode die beiden Infinitiv-Varianten Jni:da und Jniöa .schneiden'. Vgl. WS 25 Du., Ne. gebleben .beblieben'; RASCH 15 lita .leiden'; HASSEL 46 bliwan .bleiben', liran .leiden'; WIESINGER Kt. 2 mhd. I. 2. A b l a u t r e i h e : ohne ausreichende Belege. Lediglich aus Dudenrode belegt: .heqga.tsoxn .hingezogen'. 3. A b l a u t r e i h e : Zu ,(ver)binden' und .trinken' sind aus Dudenrode nur gadruqgij .getrunken' und aus Netra lediglich fabuijan .verbunden' belegt. Zu .helfen' sind aus Netra folgende Belege vorhanden: gahelva .helfen' (Inf.), haelvan ,(sie) helfen', ,ga'hulvn .geholfen'. Aus Dudenrode liegt nur der Infinitiv 'meit.halvn .mithelfen', vor. Von Dudenrode sind außerdem die Infinitiv-Varianten malga und mae:lgn .melken' notiert worden. Vgl. RASCH 9 h?lfa .helfen', 12 kahylfn .geholfen', 10 m?lka .melken'; HASSEL 24 hflfa .helfen' 4. A b l a u t r e i h e : Während zu .dreschen' und .abstechen' nur gadro/n .gedroschen' aus Netra und abgajdoxan .abgestochen' aus Dudenrode und Netra belegt sind, wurden zu den Verben .kommen, nehmen, sprechen' relativ viele Belege notiert. Belege aus Dudenrode: guma ,kommen' (Inf.), gim(a)t und kumd ,(er) k o m m t ' , gumn ,(sie) kommen', haemguma .heimkommen'; mmat ,(er) nimmt', ne:mn ,(sie) nehmen', 'usga.numan ,aus-' und me:dganu:m ,mit-genommen' von .sprechen' lediglich .ga'Jbroyn .gesprochen'; aus Netra: zu .kommen' goma .(ich) komme', gimd und kimd ,(er) kommt', kumn und kamn ,(sie) kommen', ka:m ,(er) kam' und 'haem.gumm .heimgekommen'; zu .nehmen' die Belege nem ,(ich) nehme', ne:m ,(sie) nehmen', .ga'num und .ga'nom .genommen'; zu .sprechen' lediglich Jbreja .sprechen' (Inf.), Jbngd ,(er) spricht', Jbregn ,(sie) sprechen'. Vgl. WS 18 Du. kummen,,gekommen', Ne. gekummen .gekommen'; RASCH 25 kyma ,kommen', 10 kjmst,kommst'; HASSEL 36 y in .gekommen'; RASCH 10 ngma .nehmen'; WS 31 Du. sprächen .sprechen' (Inf.), Ne. schprechen .sprechen'; RASCH 9 sprp^a .sprechen' 5. A b l a u t r e i h e : Zu mhd. e - ä — e sind Formen der Verben .essen, geben, liegen, sitzen' belegt, außerdem Einzelbelege zu ,lesen' und ,treten', schließlich Rückumlautformen zu .decken, setzen' und .bestellen'. Belege aus Dudenrode: gssn .gegessen'; git ,(er) gibt', gsn ,(sie) geben', gab ,(er) gab' und gegae:an ,gegeben'; 115t ,(er) liegt'; zu den Verben ,sitzen' und ,setzen' scheinen in Dudenrode für das Präsens die gleichen Formen mit /i/ zu gelten (vgl. MorphRegister); als Einzelbeleg außerdem 'usga,la:zn .ausgelesen'; aus Netra: aesn .(sie) essen', 'gae.sn und 'ga:,sn .gegessen' vgl. den Einzelbeleg aus Netra faii'bi:gadRa:dn .vorbeigetreten', zu .geben' die Belege git ,(er) gibt' ,go:b ,(er) gab'; zu ,liegen'" die belege Ii:d ,(er) liegt' (vgl. laed ,legt') und li:n ,(sie) liegen', la:y ,(er) lag', gale:n .gelegen' (mit dem Hilfsverb haben).
37 Rückumlautforinen sind 1959 nur aus Netra belegt. Es sind Formen des Partizips Perfekt zu den Verben .bestellen, decken, ansetzen': .ba'Jdakl und .ba'Jdadd; ,ga'do:xt; 'o:ng3,so:st mit den Varianten .ga'zoisd und ,ga'zo:st. Vgl. WS 7 Du. ist ,ißt', Ne. issd ,ißt'; RASCH 9 gsa ,essen', kgsn .gegessen'; RASCH 10 kfwa .geben', gjt ,gibt', kakfn .gegeben'; WS 25 Du. leinen .liegen' (Inf.), 24 Du. lugen .lagen', WS. 25 Ne. legen .liegen' (Inf.), 24 Ne. lagen .lagen'; RASCH 20 lfi .legen' und .liegen'; WS 36 Du. sitzen .sitzen'; RASCH 26 sjtsa .sitzen', sgtsa .setzen'; Rückumlautform RASCH 8 kastpxt .gesteckt' 6. A b l a u t r e i h e : .graben' ist nur durch das Partizip des Perfekts vertreten,,fahren' jedoch durch verschiedene Formen. Belege aus Dudenrode: foian ,(sie) fahren', fu:ran ,(sie) fuhren', .ga'foiran .gefahren'; aus Netra: f o : B R 3 ,fahren' (Inf.), ,g3'fo:rn und .ga'foEn .gefahren'; .ba'grccbm und -g3gRo:bm ,(-)ge- bzw. begraben' Vgl. WS 40 Ne. gefohren .gefahren'; RASCH 8 fpra .fahren'; RASCH 8 kröwa .graben' 7. A b l a u t r e i h e : Von den Verben .blasen' und .halten' konnten nur je zwei Belege notiert werden, von .heißen' fünf, von .gehen' jedoch mehr als zehn mit besonders vielen Varianten. Belege aus Dudenrode: haila .halten' (Inf.); (h)?:sn .(wir) heißen', hi:s ,(er) hieß'; ge: und gen ,gehen' (Inf.), ge: ,(ich) gehe', get und jet ,(er) geht', gen ,(wir/sie) gehen', giijk ,(er) ging, .ga'geein und .ga'goqan ,gegangen'; die zweite Variante ist offensichtlich vom Hochdeutschen beeinflußt; aus Netra: ble:sd ,(er) bläst', ,ga'blo:zn .geblasen'; held ,(er) hält'; haesd ,(er) heißt', haezn ,(wir/sie) heißen', .ga'hsezn .geheißen'; ,g3'ge:n und ,ga'ge: .gehen' (Inf.), get ,(er) geht', gen ,(wir/sie) gehen', guq ,(er) ging', .ga'ge: und die Varianten ,ga'gen und .ga'gem .gegangen' (in 1/5249 im Kontext „so hat es uns gegangen" im Sinne von ,so ist es uns ergangen'). - Undurchsichtig bleibt die Verbgruppe .hängen/hangen'. Im Zusammenhang mit der Schlachtefestsitte des Töpfehängens werden aus Dudenrode folgende Formen für die Tätigkeit genannt: heqgat ,(er) hängt', 'hoq.gsn und 'haq.gan ,(sie) hängen' (Töpfe). Für den Zustand des Hängens ist das Partizip belegt und zwar 'hoqan.ga'blevn für .hängengeblieben'. Vgl. RASCH 28 plösa .blasen': RASCH 29 heisa .heißen'; WS 12 Du. geh .gehen' (Inf.), Ne. gieh .gehen' (Inf.), WS 27 Du., Ne. genn me ,gehen wir'; RASCH 20 ke .gehen', kaken .gegangen'; RASCH 7 haqka .hängen'. Hilfs- und Modalverben werden in Kapitel 12.4.1. dargestellt.
38 Stammvokale des Präsens und des Partizips Perfekt (Umfrage 1976) (Präteritformen sind in Dudenrode und Netra wenig geläufig) Ablautreihe 1.
Dudenrode
Netra
Präs./Part.
Präs./Part
bleiben, leiden schreiben, schneiden
i:
e
i:
ziehen
e:
o
i:
binden trinken helfen, melken
I a
u u
I ae
u u
Mhd. Stammvokale I- i
Verben
e:
2.
ie - o
3.
i/e - u/o
4.
e—o
sprechen, stechen dreschen nehmen kommen
a e a: u
o o u u
ae ae ae: u
o 3 u u
5.
e—e
geben, treten essen setzen, sitzen bestellen liegen
a: a i e ae
a: a D: ae
ae: ae e/i e i
e/ae: ae o:/e a: a:e
fahren, graben
D:
O:
o:
blasen, halten hängen, henken heißen gehen
o: o: 3 ei e:
o: oi 0 ei e
o: a: e ae e:
6. 7.
a- a
o: o: a: a ae e
10.4. Phonologisches System. Synchrone Untersuchung 10.4.0. Probleme der Phonembestimmung Um beim Nachweis bedeutungsunterscheidender Segmente die Texte der TonbandAufnahmen von 1959 möglichst als einheitliche synchrone Grundlage der Untersuchung ohne diachrone Vermischung mit nachträglichen Umfragen zu belassen, mußte wegen Mangel an Minimalpaaren vielfach auf Wortpaare zurückgegriffen werden, die nur ähnliche, nicht aber identische Kontexte boten. So entsprechen manche Wortpaare als sogenannte „near minimal pairs" nicht den strengen Maßstäben der Prager Phonologen und denen der Arbeiten zur deutschen Phonologie von Marthe PHILIPP, da diese bei der Kommutationsprobe zur Phonembestimmung nur einfache Lexeme mit Nullmorphem oder mit gleichem Morphem zulassen und einen völlig identischen
39 Kontext fordern (vgl. PHILIPP 1974, S. 21). Wenn irgend möglich, wurde bei der nun folgenden Darstellung der phonologischen Oppositionen die Einbeziehung verschieden flektierter Lexemstrukturen vermieden. Aus der Untersuchung von RASCH 1912 sind für die Bestimmung bedeutungsunterscheidender Vokalsegmente u.a. folgende Belege zu entnehmen: fir ,Feuer', f[r ,vier', fer ,für'; ke ,gehen', k | , g e b e n ' ; hyt ,Haut', hijt ,Hut', myl ,Maul', möl ,Mal'; ryt ,rot', rij>t ,Rad'; r^ina .regnen', reina ,rein', fr^i ,Frau', froi .fragen', 11p ,lieb-, loip ,Laub'. In den Texten der Tonband-Aufnahmen von 1959 konnten u.a. keine überzeugenden Belege, d.h. weder Minimalpaare noch „near minimal pairs" zu der phonologischen Opposition von /i:/ und /i:/ gefunden werden, obwohl Segmente dieser Art vielfach notiert worden waren. Auch der Komplex der offenen Vokale und der Diphthonge bereitete durch die große Zahl von Varianten und durch das Fehlen von eindeutigen Minimalpaaren Schwierigkeiten bei der Phonembestimmung und der Zuordnung von Varianten zu Phonemen. Eine nachträgliche Wortbefragung wurde trotz geduldiger und sorgfältiger Analyse unumgänglich. Sie wurde Anfang Januar 1976 in Dudenrode und Netra durchgeführt und zwar nach dem Muster indirekter Befragungstechnik: „Im Ofen brennt das ." (Suggestion des mundartlichen Äquivalents zu hochdeutsch „Feuer") und „Eben war es drei Uhr, jetzt ist es schon fast (Suggestion des mundartlichen Äquivalents zu hochdeutsch „vier"). Wenn sich auch bei diesem Beispiel herausstellte, daß im Gegensatz zu RASCHs Aufzeichnungen die Belege zu „Feuer" und „vier" heute in Netra Homonyme sind, konnte bei der Wortbefragung von 1976 durch andere Wortpaare wie die Belege zu „Leute" und „Hüte" sowie zu „Haut" und „Hut" nachgewiesen werden, daß in Dudenrode und Netra /!:/ und /i:/ sowie /u:/ und /u:/ im Gegensatz zum hochdeutschen Phonemsystem bedeutungsunterscheidend sind. Das von RASCH notierte /y:/ ist als [Y] nur noch in Reliktbelegen wie ,(Fitz)haus', .Haus(halt)', ,(hi)naus' und ,(he)raus' aus den TA bekannt und durch die Umfrage von 1976 als ein solches Relikt bestätigt worden. Für den Komplex der schwer zuzuordnenden offenen Vokalvarianten [e,ae, a] in Wörtern wie „Feld, Fest, Geld, Metzger, Quelle, schnell,welk, Wetter" aus den Texten der TA von 1959 erbrachte die nachträgliche gezielte Wortbefragung von 1976 in Dudenrode nur Belege mit [a] und in Netra nur Belege mit [ae] . Da aber vor allem der inzwischen verstorbene Sp.3 aus Netra in den TA eben diese Wörter auch mit [a] realisiert hatte, sind die häufigen Schwankungen zwischen [e, ae, a] wahrscheinlich als Symptom generationsbedingter Variation und damit eines Sprachwandels zu verstehen (vgl. RASCH 10 f?lt ,Feld'; HASSEL 24 fala .Felde' für den Ort Hundelshausen; ROSENKRANZ 1964, S. 2 4 8 - 9 und seine Karte 58 mhd. e > a für den osthessischen und thüringischen Bereich). Neben den Einflüssen des Hochdeutschen dürfen jedoch dialektgeographische Momente nicht ausgeschlossen werden. Schließlich hat die nachträgliche Umfrage im Januar 1976 auch zur Klärung des Komplexes D i p h t h o n g e beitragen können. Mit mehr als fünfzehn Belegen aus Dudenrode konnte /EI/ keine Zufallsrealisation sein, doch lag von 1959 nur ein Minimalpaar vor, zu dem 1976 zusätzliche erfragt werden konnten. Die beiden TA-Belege zu [EI] und [ei] aus Netra (in Äquivalenten zu .meinen' und ,ein(fahren)') scheinen jedoch eindeutig Reliktformen zu sein. Sie wurden 1959 von Sp.3, dem ältesten Netraer Sprecher verwendet, von den jüngeren Sp-i und Sp.2 jedoch nie. Die Umfrage von 1976 bestätigte, daß /EI/ nicht zum Phoneminventar dieser Netraer Sprecher ge-
40 hört (vgl. Kt. 15 mhd. ei und Kt. 17 mhd. öü in WIESINGER 1970, der im Gebiet um Dudenrode äi und fi, im Gebiet direkt südlich von (und um?) Netra jedoch ae und äi notiert). Bei der nachträglichen Wortbefragung von 1976 wurden die ehemaligen Informanten von 1959 befragt, in Dudenrode Sp>2 und in Netra S p . j und Sp.2. Die Sprecher Sp.i aus Dudenrode und Sp.3 aus Netra waren inzwischen verstorben. Sp.3 aus Dudenrode kam nur gegen Schluß der Umfrage von 1976 in Dudenrode hinzu. Die hier notierten Belege von 1976 sind der Einheitlichkeit wegen jedoch lediglich die von Sp.2 aus Dudenrode und von S p . j aus Netra. Zur Kennzeichnung ist den Belegen der nachträglichen Wortbefragung von 1976 im Gegensatz zu den Belegen von 1959 ein Asteriskus* nachgestellt. Bei der nun folgenden Darstellung von Phonemgruppen und -Untergruppen dient die Gliederung in PHILIPP 1974 als Vorbild. Die Wortpaare der Kommutationsprobe werden jedoch im Gegensatz zu PHILIPP 1974 in phonetischer Umschrift wiedergegeben, da erst aus diesen Wortpaaren (parole) die zugrundeliegenden Phoneme als bedeutungsunterscheidende Segmente (langue) entnommen werden können. Die Beispiele zur Phonemdistribution in Initial-, Medial- und Finalstellung werden der besseren Lesbarkeit wegen in ihrer schriftsprachlichen Realisation notiert. Die ma. Belege sind in den Morph-Registern nachprüfbar. Der Beschreibung des Phonemsystems von Dudenrode folgt die des Phonemsystems von Netra.
10.4.1. Phonemsystem von Dudenrode 10.4.1.1. Oppositionen, Phoneme, ihre Distribution und ihre Varianten 10.4.1.1.1. Vokale (1) Lange Vokale - geschlossen/offen /i:/ - /i:/ aus [fi:u] - [fi:R3] Feuer, vier [liröa] * - [li:Ö3R] * Leute, Lieder /i: / initial, medial, final in Belegen zu .überall, Schwein, nie' Varianten: [1] in .(Brannt)wein' /i:/ medial, final in Belegen zu ,Licht*, Kühe*, sein*' /i:/ — /e:/ aus [fi:3R] * — [fe:3R] * vier, für [gRirnas] * - [Je:n] Grünes, schön /e:/ initial, medial, final in Belegen zu .einerlei, (Duden)röder, dreh(en), geh(en)' Varianten: [e:] in jeder, (Hirten)wiesen' (letzteres durch Assimilation) /e:/-/a:/ aus t'fei.la] - [fallt] viele, fehlt [ge:] * - [ga:] * gehen, geben /a:/ initial, medial, final in Belegen zu ,ihre, zehn, schlecht, Wege*, her, er*' Varianten: [ae:] - [e:] in ,eben, leben, her' /u:/ - /u:/ aus [hu:t] * - [hu:t] * Haut, Hut [mu:s] * — [fu:s] * Maus, Fuß
41
/u:/ - /o:/
/o:/ - /o:/
/u:/ initial, medial, final in Belegen zu ,Uhr, faulen, dazu' Varianten: [y:] in .dauert' (Relikt vgl. /Y/; RASCH 16 tyra .dauern'); [u:] vor /r/ in .fuhren' /u:/ medial und final in Belegen zu ,Huhn*, gut, Blut, Kuh*' Varianten: keine aus [gu:t] - [Ro:t] * gut, rot [hu:n] * - ['moin.doig] Huhn, Montag /o:/ initial, medial, final in Belegen zu ,Abend, oben, Kohl, so, Stroh*' Varianten: [o:] in ,Abend' aus [ko:l] - [so:l] Kohl, Saal [Ro:t] * -
/o:/ - /a:/
[Ro:t] *
rot, Rad
/D:/ initial, medial, final in Belegen zu ,acht, Gras*, haben*' Varianten: [a:] in ,Tag' (Einfluß des Hochdeutschen). Keine Belege von [or] als Variante von /o:/ und von /o:/ als Äquivalent von hochdeutsch/o:/, aus ['foi.ns] - ['tsai.na] Fahne, zehn ['bo:,r9n] - ['a:,R3] Paaren, ihre /a:/ siehe oben b e i / e : / — / a : /
(2) Lange Vokale - palatal/velar /i:/ — /u:/ aus [fi:B] — ['fui.rsn] [di:3R] * - ['du:,Ran] * /i:/ - /u:/ aus [li:t] * - [gu:t] /e:/ — /u:/ aus ['fe:,la] — t'fu:,ln] ['de:,Ran] - ['du:,R3n] * /e:/ - /o:/ aus ['be:,gan] - ['bo:,dn] [se:] * - [so:]
Feuer, fuhren Tier, dauern Lied, gut viele, faulen Türen, dauern schreien, Boden sehen, so
(3) Kurze Vokale - geschlossen/offen /i/ - / e / aus [bis] - ['be.sar] bis, besser [git] - [get] gibt, geht /i/ initial und medial in Belegen zu ,ich, flicken, Büsche, weiß*' Varianten: keine /e/ initial, medial und final in Belegen zu ,Ecke, Dorf, hinten, hinter', Varianten: 1. betont: [e] in , D o r f ; 2. unbetont wortfinal [a] in ,Ecke, hinte(n)' 3. unbetont v o r / r / [B] in .hinter', bei Deletion v o n / r / ; 4. betont vor /r/ [E:] in .Ernte'. /E/ - /a/ aus TsE.vana] - ['a.var] sieben, aber [ve.dar] - f'va.daR] * wieder, Wetter /a/ initial, medial in Belegen zu ,älter, Feld, Metzger'
42
/u/ - /o/
aus /u/
hl /o/ - hl
aus
/o/ - /a/
aus
/i/ - /a/
/a/ aus
/u/ - /a/
aus
Varianten: [ae] - [e] in ,Männer'; [a:] vor /l/ in .Feld, Geld'. ['fux.da] - [lox] feucht, Loch fglu.ga] * - f'glo.gan] * Glucke, Glocke initial und medial in Belegen zu ,auf, aus, jung, Haus*' Varianten: [Y] , in ,Haus(halt), (hi)naus, (he)raus, Kartoffel', vgl. unter /Y/. initial und medial in Belegen zu ,ob, donnern, gehackt' Varianten: [a] in .Stall' (Einfluß des Hochdeutschen). Loch, lachen [lox] * - [b.xa] * Kopf, Kappe [kob] * - [ko.bn] * ob, ab [op] - [ap] fast, Fest [fosd] - [fast] siehe oben bei /e/ - /a/ mein, Mann [mm] - [man] Linde, länger ['li.qan] - ['la.rjaR] müssen, Mann [mun] - [man] unter, Anger fu.qar] - fa.qar]
(4) Kurze Vokale - palatal/vclar in, und aus lin] - [un] N- M mein, müssen [min] - [mun] stellen, Stall aus ['Jde.ln] - [Jdol] M - hl ['£°pn] - ['o.gaR] * Ecke, Ackcr fünf, Strumpf aus ['fym.fa] - [JdRump] * /*/ - /u/ [nYs] - [nus] * (hi)naus, Nuß [nYS] ist jedoch Variante von [nus] .(hi)naus' und deshalb unter /u/ geführt. Es ist deshalb anzunehmen, daß in früheren Zeiten das Wortpaar ,naus': ,Nuß' ein echtes Minimalpaar war; vgl. RASCH 17 ys ,aus', 16 hys ,Haus', aber HASSEL 50 hüs ,Haus'; ROSENKRANZ 1964, S. 223; WIESINGER 1970, Karte 3 mhd. ü in der Gegend um Dudenrode als ü und ü notiert. Das einzige /Y/ ohne Variante ist heute nur noch in dem Beleg zu .fünf' in Dudenrode, /ce/ - ¡0/ aus [tsvoelv] - [fols] zwölf, falls Der einzige zusätzliche Beleg zu /ce/ außer der Zahl .zwölf' ist der Beleg zu .Körnerernte', offensichtlich eine vom Hochdeutschen beeinflußte Realisation; vgl. RASCH 26 tswelf ,zwölf', HASSEL 6 1 - 2 dsigflf oder dswglf. (5) Quantitätsoppositionen Licht, leichter aus [ 11:5t] * - ['lie,d3R] M- -N Grünes, (he)rein ['gRK.nas] * - [rin] eben, aber aus ['a:,v3n] * - t'a.var] /a:/ -hl ['na:g,sd3] * - ['na.^SR] * nächste, näher Fuß, Haus aus [fu:s] * - [hus] * /«:/ -M [hu:n] * - [hun] Huhn, (sie) haben rot, Rotte lo:/ - /o/ aus [Ro:t] * - ['Ro.da] *
43 /o:/ - /o/
aus
[no:xt] - [nox] [do:x] - [dox]
(6) Quantitäts- und Qualitätsoppositionen aus ['vi:,s3] * - ['vi.sa] * /i:/ - N ['nii.na] - Lnin] ['de:,R3n] - [derç] /e:/ - le/ [•Jbei.lan] - ['Jde.ln] aus [mu:s] * - [mus] /u:/ - M [.huqals'huisn] [lo:s] - [Jbos] aus /o:/ - M ['Joi.fa] * - ['Jb.fa] *
Nacht, noch Tag, doch Weise, wissen neun, (hi)nein Türen, durch spielen, stellen Maus, (man) muß Hundelshausen los, Spaß Schafe, schaffen
(7) Diphthonge - Qualitätsoppositionen /EI/ - /ae/ aus [ Î R E I ] * - [fRae] * frei, Frau frei,na] - [raen] rein, Regen /EI/ initial, medial, final in Belegen zu .einzige, klein, drei' Varianten: [e:i] - [e:i] in .Fleisch, klein' /ae/ initial, medial, final in Belegen zu ,Eier, Fehler*, zwei' /EI/ - /ou/ aus [.ga'heift] - [.ga'douft] * gehäufelt, getauft [.for'ksiva] - ['glou.va] * verkaufen, glauben /ou/ initial, medial in Belegen zu ,auch, laufen*' Varianten: [œi] in ,auch' (8) Diphthonge - Monophthonge aus ['rei.ns] - [rin] /«/ - M [VEIS] - [vis-] /ae/ - /e:/ aus [raen] — [me:n] ['fae.la] * - [fe:,b] aus [Jdoub] * - ['Jdo.ba] M - M ['lou.fa] * - [.far'sofn] vgl. RASCH 18 stoip ,Staub', WIESINGER 1970, Karte 13 und ?u).
rein, (he)rein (ich) weiß, Weiß(binder) Regen, mähen fehlen, viele Staub, stopfen laufen, versoffen oi ,auch'; ThDA Karte 1 ,auch'; mhd. uo (um Dudenrode y
10.4.1.1.2. Konsonanten Wenn bei der Frage nach dem Phonemstatus der Vokale von Dudenrode vor allem die offenen Längen wie [i:, u:, o:] und die Diphthonge genauer untersucht werden mußten, so bildet bei den Konsonanten die Gruppe der Verschlußlaute das schwierigste Problem. RASCH 1912 schreibt über den Dialekt von Niddawitzhausen und des Kreises Eschwege: „Unter ihren Consonanten kennt die Mundart von N. sowohl wie die des ganzen untersuchten Gebiets nur stimmlose Verschlußlaute." Er stellt fest, daß „nach kurzem Vocal der Verschluß mit größerer Intensität gelöst wird als nach langem Vocal, Diphthong oder im Anlaut" (Seite 5 und 6), verwendet aber konsequent nur die Zeichen p t k des damals üblichen Teuthonista- bzw. Prä-TheuthonistaSystems. Inzwischen ist die sprachliche Situation in den Gemeinden des Kreises Esch-
44 wege nicht mehr so einheitlich wie Anfang dieses Jahrhunderts zur Zeit der Untersuchung von RASCH. Die Mobilität der Dorfbewohner war auch zur Zeit der Aufnahmen des Deutschen Spracharchivs im Jahre 1959 größer geworden, die Kontakte nach außen häufiger und damit der Einfluß der regionalen Umgangssprache und der Standardsprache sehr viel deutlicher als um 1910. Es wäre sicher eine allzu große Vereinfachung, wollte man alle Verschlußlaute der Dialekte von Dudenrode und Netra als „stimmlose zwischen Lenis und Fortis liegende" beschreiben, wie es RASCH 1912 noch tun konnte (S. 6). Dem Fortisverschlußlaut im phonetischen Text (parole) kann auch ein Fortisverschlußlaut zugrundeliegen, der von dem hochsprachlichen Lautsystem übernommen wurde und damit gleichfalls als phonemisch (langue) verstanden werden muß. Den Sprachrealisationen liegen also mehrere Systeme zugrunde, die Phone können somit nicht nur den Phonemen eines einzigen Phonemsystems zugeordnet werden. Vielleicht sollte man nicht von einer Mischsprache, sondern eher vom Wechseln zwischen zwei oder mehr Kodes, einem mundartlichen, einem jedem bekannten umgangssprachlichen und evtl. einem hochsprachlichen Kode sprechen. Grundlegend hat sich im Dialekt von Dudenrode beim System der Verschlußlaute jedoch nicht viel verändert. Die wenigen Wortbelege mit Entsprechungen von hochdeutsch /p/ im Anlaut wie ,paar, Paar, passen, Pause, Periode, prima, putzen' werden alle lenisiert artikuliert, ebenfalls die Entsprechungen von hochdeutsch initialem /t/ in ,Tag, Tal, Tanz' und rund einem Dutzend weiteren Wortbelegen. Nur bei dem velaren Verschlußlaut in Initialposition wie in den Entsprechungen von ,Kirmes' u.a. wurde unabhängig vom folgenden Lautkontext ein Schwanken zwischen Fortis und lenisiertem Verschlußlaut in etwa zwanzig Belegen notiert. Interessant ist jedoch, daß nun keineswegs bei neueren Übernahmen aus dem Standarddeutschen der stimmlose velare Verschlußlaut überwiegt, denn in den Entsprechungen von .Kaffee, kassieren, Kino, Milchkühlanlage' wird der initiale velare Verschlußlaut deutlich lenisiert, andererseits unter Satzakzent bei besonderer Emphase ein velarer Lenisverschlußlaut als Fortis artikuliert wie in .Glaubersalz' und .begraben' (beide: Sp-i von Dudenrode). Im Inlaut ähnelt die sprachliche Situation von 1959 der von 1910 etwas mehr. Mediales [p] und [t] wurde nur in je zwei Wortbelegen und nach kurzem Vokal phonetisch notiert, mediales [k] gleichfalls nach kurzem Vokal in drei Wortbelegen, von denen zwei vom Satzakzent hervorgehoben werden. In den anderen Fällen sind mediale [p, t, k] lenisiert. Es bleibt der Auslaut: phonetisch als Fortis wurde bilabialer Verschlußlaut in vier von etwa neun Wortbelegen notiert und velarer Fortisverschlußlaut in sieben von rund sechzehn Wortbelegen. Lediglich beim dentalen Verschlußlaut in Finalstellung scheint die Fortisrealisation zu überwiegen, in 27 von rund 38 Wortbelegen. Von einer konsequenten Auslautverhärtung kann jedoch nicht die Rede sein (vgl. das Kapitel über Assimilation). Wichtig bleibt also, daß die Merkmale fortis/lenis bzw. [± sth.] bei den Verschlußlauten des Dialektes von Dudenrode nicht bedeutungsunterscheidend sind. Selbst bei den Wortbelegen der relativ häufigen initialen velaren Fortisverschlußlaute findet sich kein einziger, der mit einem der Gruppe der entsprechenden Lenisverschlußlaute ein Wortpaar zum Nachweis einer phonologischen Opposition bilden könnte. Bei der Beschreibung des Systems der Verschlußlaute wird also nach der Diskussion der Ausnahmeerscheinungen doch auf ein wie bei RASCH 1912 reduziertes Zeichensystem zurückgegriffen werden können. Die phonetischen Zeichen b d g sind im folgenden als stimmlose Lenes zu verstehen. Da das
45 Konsonantensystem sehr viel weniger Probleme aufwies als das Vokalsystem, wurde keine nachträgliche Wortbefragung dazu durchgeführt. Dies bedingt die geringe Zahl von Minimalpaaren und die etwas andersartige Gruppierung von Oppositionspaaren und den Belegen zur Distribution und zu den Varianten. Sind Belege aus der nachträglichen Wortbefragung von 1976 hinzugezogen worden, so sind sie mit einem Asteriskus* gekennzeichnet. (1) Verschlußlaute /b/ - /d/ aus /b/ — /v/ /d/ - /s/
/g/ - /d/
[bis] - [dis] bis, dies [bin;] - [di:3R] * Bier, Tier aus t'bai.la] - [vol] bald, wohl aus [do:] - [so:] da, so /b/ initial, medial, final in Belegen zu ,paar, stopfen, Körben, ob' Varianten: [v] , [ß] intervokalisch in ,Weiber' vgl. Assimilation /d/ initial, medial, final in Belegen zu .trocken, Dreck, abladen, Vater, gut' Varianten: [ö] intervokalisch in .wieder' (in diesem Beleg auch als Variante [r] ) vgl. Assimilation aus [gans] - [dans] ganz, Tanz ['g£B,93n] - [deR?] Kirche, durch t'e.ga] - ['be.da] Ecke, Bett /g/ initial, medial, final in Belegen zu ,Korn, gern, flicken, weg' Varianten: [x] - [y] und [5] - [j] vgl. Assimilation
(2) Nasalkonsonanten /m/ - /n/ aus [met] - [net] mit, nicht (wahr) [im] - [in] um, in /m/ - /f/ aus [mun] - [fun] müssen, von /n/ - /s/ aus [ni:] - [si:] * nie, sein /m/ initial, medial, final in Belegen zu .Morgen, immer, Kram' Varianten: keine /n/ initial, medial, final in Belegen zu ,Nacht, Stunde, Regen' Varianten: [q] und [m] vgl. Assimilation, /rj/ — /n/ aus ['a.qar] - ['a.naiia] Anger, andere ['li.qan] - ['dri.na] Linde, d(a)rin /r)/ medial und final in Belegen zu ,Junge, Weißbinder, Stellung' Varianten: keine (vgl. unter /n/) (3) Reibelaute /f/ — /v/
aus /f/
[fun] — [vun] von, (sie) wollen [fi:] - [vi:] Vieh, wie initial, medial, final in Belegen zu .Feld, gepflanzt, Kartoffel, scharf'
46
/v/
N ~ /f/
aus /s/
m
aus /J"/
///-
/5 */ - /n/
aus [5]
[x]
/}/ - /n/
aus /)/
/h/ - [7]
N -M
aus aus /h/
Varianten: [v] in ,verkaufen' vgl. Assimilation initial, medial in Belegen zu ,welk, zwei, Hafer, sieben' Varianten: keine ['sun,do:g] - [fun] Sonntag, von initial, medial, final in Belegen zu .sieben, Kessel, Tanz, daß' Varianten: [z] initial in ,sich, so', intervokalisch in ,Hasen-' (vgl. Assimilation), [jun] — [fun] schon, von initial, medial, final in Belegen zu .spielen, Büsche, Donnerstag, Fleisch' Varianten: keine [15] — [in] ich, in [ax] — [an] ach, an medial, final nach palatalen Vokalen und nach /a, a:/, falls diese aus mhd. e; in Belegen zu .sicher, trocken, ich' und aus mhd, e [.ga'fasdad] .gefochten (= gebettelt)', [Jla:?t] .schlecht', ['va:,9a] * ,Wege'. Varianten: [j] intervokalisch vgl. Assimilation medial, final nur nach velaren Vokalen in Belegen zu ,Woche, feucht, Loch'. Varianten: [y] vgl. Assimilation [jets] - [net] jetzt, nicht (wahr) [me:j] — [me:n] mehr, mähen initial, medial, final in Belegen zu jeder, Ziegelei, mehr' Varianten: keine ['he.kn] — ['?e,g9n] Hecke, Ecke [heis] — [veis] heiß, weiß (ich) initial in Belegen zu ,Hafer, hier' Varianten: keine
(4) Affrikate
M -M
aus
['abg9,tsa:l] - [so:l] abgezahlt, Saal [,tsa] - [,sa] zu, sie (unbetont) /ts/ initial, medial, final in Belegen zu .zehn, Metzger, jetzt' Varianten: [s] in ,Tanz'vgl. Assimilation und RASCH 1912, S. 6, der ts als „einzige Affricata" nennt.
(5) Liquide
/!/ - M
aus /l/
['Ii9,d9r] - ['Ri5t,$as] leichter, richtiges ['fe:,l3] - f f n . r a ] viele, vier initial, medial, final in Belegen zu ,Laubheu, faulen, Kohl' Varianten: [1] bei allen drei Sprechern vor allem nach /a/
47
Iii
aus mhd. e wie .Feld, Geld' vgl. HENTRICH 1919 zum Velaren III. initial, medial, final in Belegen zu ,Regen, Kraut, Korn, Türen, Jahr, leichter' Varianten: [ r ] initial, medial, final bei Sp.j (*1888) und Sp.3 (*1915); [R] initial, medial und final bei Sp.2(* 1921) [B] bei allen drei Sprechern präkonsonantisch wie in ,Korn* und final nach Vokal wie in ,Jahr' (zu den r-Varianten vgl. GÖSCHEL 1971).
10.4.1.2. Strukturierung des Phonemsystems von Dudenrode Bei der Frage nach der Anordnung bzw. Strukturierung der Phoneme von langen und kurzen Vokalen und Diphthongen im Dudenröder Dialekt fällt auf, daß einige Phoneme nur durch wenige Wortbelege gestützt werden und somit einige Stellen im System schwach besetzt sind. Dies trifft im Dudenröder Vokalsystem vor allem für die Kürzen /Y/ und /OE/ zu, die keine entsprechenden Längen als Phoneme des Dialektes aufweisen können. Die Ausnahmen sind offensichtlich Entlehnungen aus dem Hdt.: /y:/ in,Milchkühlanlage, Rüben-', /«:/ in .gewöhnlich'. Eine weitere Unsicherheit entsteht durch die Schwankungen bei /a/ aus mhd. e zwischen den Kürzen [ae] , [e] und [a] , wo vor allem das im Hochdeutschen entsprechende Phonem /e/ als Konkurrenz auftreten kann. Es ist also anzunehmen, daß sich die Lautstruktur an diesen Stellen verändern wird. Heute bietet sich noch folgendes Bild für das Vokalsystem von Dudenrode: ein vierstufiges Viereck bei den langen Vokalen, ein dreistufiges Viereck bei den kurzen Vokalen mit einer Mittelreihe /Y/ und /oe/, die nur in den Zahlen ,fünf' und .zwölf' realisiert wird, und eine Struktur von drei Diphthongen, die durch das Fehlen von /ao/ nicht ganz ausgewogen ist. Lange Vokalphoneme
Kurze Vokalphoneme
M
/u:/
M
/u:/
N
(/*/)
/u /
/e:/
/o:/
le/
(/oe/)
/o/
M
M
/a/
.
Diphthonge
lol
Die dem hochdeutschen Vokalsystem entnommenen Phoneme, die hier nicht aufgeführt wurden, sind /y:/, belegt in ,Rüben, Milchkühlanlage', /0:/ in .gewöhnlich' /ao/ in .Frau' und /oe/ in .Neuem'. Nicht belegt ist hochdeutsch /e:/. Das in den Dudenröder Texten notierte [e:] ist Variante von /e/ oder Angleichung der Varianten von /a:/ aus mhd. e an die hochdeutsche Entsprechung z.B. in Belegen zu .eben'.
48 Für den heutigen Lautstand scheint mir die Zuordnung von /a:/ und /a/ zu den Palatalvokalen angemessen, da [9] auch nach /a:/ und /a/ als palataler Frikativlaut realisiert wird. Durch die ma. Realisation von mhd. e als palatales [a:] und [a] z.B. in Entsprechungen von nhd. .schlecht, rechts' werden [5] und [x] nicht zu Phonemen. Wortbelege für Minimalpaare mit der Opposition [a:?] - [a:x] bzw. [a?] — [ax] waren bei der Zusatzumfrage 1976 in Dudenrode nicht auffindbar, da die im Nhd. als [a:] bzw. [a] realisierten Vokale vor /x/ im Dudenröder Dialekt als deutlich velares [o:] bzw. [o] belegt sind. Abgefragt wurden 1976 die ma. Entsprechungen zu hd. .schlachten: schlecht(en), Bach: Pech, brach(en Acker): brechen, flechten: flach, fechten (= betteln): Fach, rechts: kracht's, Rechen: Rachen'. Das Inventar der Konsonantenphoneme aus Dudenrode ist an zwei Stellen durch schwankenden Gebrauch bzw. Varianten gestört: der velare Verschlußlaut, bei dem durch den Einfluß des Hochdeutschen die Reihe der sonst fast konsequenten stimmlosen Lenisverschlußlaute durch einige Fortisbelege ergänzt wird, und die Gruppe der Lenisreibelaute, die z.T. noch als alternative Assimilationsrealisationen bewertet werden müssen, so [v] als Assimilationsvariante von /b/ und [j] als Assimilationsvariante von [9] . Ohne Phonemstatus treten als Assimilationsvarianten u.a. auf: [y] für [x] bzw. /g/ und [z] für /s/; außerdem sporadisch [ö] für /d/. Da die älteren beiden Sprecher für /r/ konsequent das sogenannte Zungen-r verwenden, die jüngere Sprecherin jedoch velares [R] , ist anzunehmen, daß auch die Liquiden zu einer Bereicherung des schon durch die Fortisergänzung komplexeren Gefüges der Velaren beitragen werden (/l/ ist schon im alten Lautsystem der Mundart z.T. velar). Als weitere Verschiebung bzw. Angleichung innerhalb des Systems muß die der letzten Affrikate genannt werden, die vor allem in Finalstellung oft nur durch ihre zweite Komponente, den Reibelaut [s] realisiert wird, so wie altes /pf/ in Initialstellung nur durch die zweite Komponente als [f] realisiert wird. Beispiele sind die Belege zu ,Tanz, gepflanzt'. Unter Auslassung der einzigen Affrikate bietet das Phonemsystem der Dudenröder Konsonanten folgende einfache Struktur: / b/ M IH hl
W In/ N m M
. Iii
/? Iii
/g - k/ hl x/ /h/
[7]
- >
10.4.2. Phonemsystem von Netra 10.4.2.1. Oppositionen, Phoneme, ihre Distribution und ihre Varianten 10.4.2.1.1. Vokale (1) Lange Vokale — geschlossen/offen /i:/-/i:/ aus ['Ii:,da] - ['hi:,da] * Leute, Hüte ['mk.za] - ['fi:,S3] * Mäuse, Füße /i:/ medial und final in Belegen zu ,Schwein, teuer*, vorbei, nie'.
49
/i:/ /i:/
— /e:/ - aus /e: /
/e:/ - /ae:/
aus /ae:/
/ a e : / - /a:/
aus /a:/
/u:/ - /u:/
aus /u:/
/u:/
/u:/-/o:/
aus
initial, medial, final in Belegen zu ,ihren, Grünes*, sein*' Varianten: [e:] in ,früh' [ ' f R i : , B ] - [fe:B-] früher, Vor(fahren) [ ' g R i : , n 9 S ] * — ['Je:,na] * Grünes, schön medial und final in Belegen zu .viele, zufrieden, hier, sehen*' Varianten: — t'fei.la] - ['fae:,la] * viele, fehlen [lere] - [bae:3] * leer, Bär initial, medial und final in Belegen zu .eben, leben*, schlecht, Gemäh(re)' Varianten: [e:] - [a:] in ,eben', Netra, trotzdem' ['faei.la] * - [.ba'Jdaild] fehlen, bestellt ['fae:,l3] * — ['a:,lB] fehlen, Alter initial, medial, final in Belegen zu .alte, Hand, Sand, (Seiten)wand, Opa' Varianten: — [hu:t] * - [hu:t] * Haut, Hut [gRu:s] * - [gRu:s] * Gruß, groß initial, medial, final in Belegen zu ,Uhr, Haus, dazu'; Varianten: [y] in .(Viedts)haus' medial, final, in Belegen zu ,Fuß, Sauerkohl*, Kuh*' Varianten: keine [ g R U i s ] * - [gRo:s] * groß, Gras [Ru:t] * -
/o:/ — /o:/
[Ro:t] *
rot, Rad
/o:/ initial, medial, final in Belegen zu .acht, Hofreite, Stroh' Varianten: [o:] in ,Abend(s)' aus [o:mt] - [no;m] Abend, Name ['o:n-] - ['o:,n3] ,an-, ohne /d: / initial, medial, final in Belegen zu .Anfang, mitgebracht, da (betont)' Varianten: —
(2) Lange Vokale - palatal/velar /i:/ - /u:/ aus [bi:B] - [bu:B] [fi:B] - [flu:a] /1:/ — /u:/ aus [ ' g R i : , n a s ] * - [hu:n] * ['fi:,sa] * - [fu:s] * /e:/ - /o:/ aus [de:B] * - [do:B] ['fe:,l3] - [sod] /ae:/ — /o:/ aus [bae:a] — [bo:B] [nae:m] - [no:m]
Bier, Bauer vier, Flur Grünes, Huhn Füße, Fuß Tür, Tor viele, Saal Bär, paar nehmen (sie), Name
(3) Kurze Vokale - geschlossen/ offen /i/ -
/e/
aus
[bis]
-
['fija] -
['be,S9]
['fes.^an]
bis, besser
Fische, Fäßchen
50 /i/
/e/
/e/ - /ae/
aus /ae/
/ « / - /a/
aus /a/
/u/ - /a/
aus /u/
/o/
M - /a/
aus /a/
initial, medial in Belegen zu .immer, Umzug, Glück, heute' Varianten: [u] in ,um' (Einfluß des Hochdeutschen), [Y] in ,fünf, zwischen, nichts' initial, medial in Belegen zu ,Ende, Dorf, sieben, für/vor, hinter' Varianten: 1. betont: [e] in .Kirmes', 2. unbetont [a] in .Kirmes, Ernte, alte' 3. unbetont vor /r/ bei Deletion von /r/ als [B] in .hinter, Alter' [fest] * - [faest] * fest, Fest ['ve.dB] — ['vae.dB] wieder, Wetter initial, medial in Belegen zu ,älter*, Feld*, Fenster, helfen, sechs' Varianten: [e] in .helfen'; [a] in .Feld' (Sp.3). [faest] * - [fast] * Fest, fast [Jnael] * - [/dal] * schnell, Stall initial, medial in Belegen zu ,ab, Mann, langen (= holen)' Varianten: — [duj] - [.ga'drofn] Tusch, gedroschen feucht, gefochten f f u x . d a ] - [.ga'foxds] * initial, medial in Belegen zu ,auf, unter, Kartoffeln, schon' Varianten: [Y] in ,(hi)naus, (he)raus' vgl. unter /u:/. ( [Y] auch in ,fünf' vgl. /i/). initial, medial in Belegen zu ,ob, oder, Born, Wochen' Varianten: — ob, ab [ob] - [ab] locker, Acker ['lo.gB] - fa.gB] siehe oben
(4) Kurze Vokale - palatal/velar /i/ - /u/ aus [bis] - [bus] [Jin] - [Jun] /e/ — ¡0/ aus [get] - ['go.das-] ['feB,di9] - [ford] /ae/ - /a/ aus siehe oben (5) Quantitätsoppositionen /I:/-/I/ aus ['hi:,da] * - ['hi.da] ['fii.sa] * - ['hi.SB] * /u:/-/u/ aus [fu:s] * - [nus] * |gRu:s] * - [RUS] /o:/ - /D/ aus [.ga'foiBn] - [foum] ['foi.dE] - ['o,de]
bis, Bus Scheune, schon geht, Gottes(dienst) fertig, fort
Hüte.heute Füße, Häuser Fuß, Nuß groß, (he)raus gefahren, Form Vater, oder
51
/a:/ — /a/
aus
['a:.l3] -
['a.la]
[-va:n [ -
[van]
( 6 ) Quantitäts- und Qualitätsoppositionen /i:/ - /i/ aus [-'vh.za] - ['vi.zas] f'/niid-] - [ - J n i d ] ['Je,üb] *
/e:/ - /e/
aus
['Jei.na] * _
/u:/ - /u/
aus
[RU:S]
aus
['gui.da] - ['mu.du] [ d o : x ] * - [dox] [so:l] - [fol]
/o:/ - /o/
( 7 ) Diphthonge -
/ae/ - /ao/
-
[rus]
alte, alle (Seiten)wand, wann (stellen) weise, weißes Schneid(ernte), (Ab)schnitt schön, schöner R u ß , (e)raus gute, Mutter Tag, doch Saal, voll
Qualitätsoppositionen
aus
[fRae] * -
[fRao] *
frei, Frau
['ae.B] - [ao] Eier, auch /ae/ initial, medial, final in Belegen zu ,Eier, Räuber, Schnee, zwei, drei, rein'; Varianten: — /ao/ initial, medial, final in Belegen zu ,auch, kaum, Heu' Varianten: — Einzelfälle:
/EI/ nur in zwei Belegen zu ,meinte, ein (gefahren)' /oe/ in hochdeutschen Entlehnungen wie .(Vieh)zeug'
( 8 ) Diphthonge - Monophthonge /ae/ - /i/ aus [vaes] - [vis] ['Rae.na] * - [Rin] /ao/-/o:/ aus [hao] - [ h o : ] * [fRao] * - [fRo:] /EI/ - /i/ aus [mernd] - [min]
Weizen, weiß (ich) rein, (he)rein Heu, haben Frau, froh meinte, mein.
1 0 . 4 . 2 . 1 . 2 . Konsonanten Auch für Netra gilt beim System der Verschlußlaute das, was schon für den Dudenröder Dialekt festgestellt worden war. Hier nur einige Belege zur Situation der T e x t e aus Netra: Im Anlaut wurde bilabiale Fortisrealisation nur in dem Beleg für ,Plage' notiert. Alle übrigen Bilabialen im Anlaut sind Lenes, selbst bei Übernahmen aus dem Hochdeutschen wie .Polizeistunde, Predigt, prima, Prozentsatz'. Für dentalen Fortisverschluß im Anlaut liegt kein einziger Beleg vor. Beim velaren Verschlußlaut j e d o c h hält sich in Netra die Zahl der Fortis- und Lenisrealisationen im Anlaut in etwa die Waage. Die Ergänzung des Lenisbereichs durch velaren Fortisverschluß ist also in Netra noch deutlicher als in Dudenrode und betrifft nicht nur Wörter der offiziellen bzw. städtischen Sprache wie .Kirche, Kasse, K a f f e e ' , sondern auch Wörter des typisch dörflichen und häuslichen Sprachbereichs wie .Kirmes, Korn, Kessel, k o c h e n ' . Auf der anderen Seite findet man jedoch noch deutliche Lenisrealisation der Velaren in Wörtern wie .Kartoffel, krass, Verkleidung'. Im Inlaut wurde bilabialer Verschlußlaut mit Fortisrealisation nur in dem Beleg für .Kapelle', also in betonter Silbe, notiert, jedoch überwiegen auch bei diesem Wort die Lenisrealisationen. Für dentale Verschlußlaute im Inlaut fand sich kein einziger Fortisbeleg und für velare nur der Beleg für .eingeschenkt'. Im Auslaut wird auch hier das Neutralisa-
52
tionsgesetz der sogenannten Auslautverhärtung nicht wirksam. Auch im Auslaut nämlich zeigen sich in der Mehrheit besonders im dentalen Bereich ausgesprochene Lenisrealisationen vgl. die zahlreichen Assimilationserscheinungen über die Wortgrenzen vgl. Kap. 10.2. Das beim Konsonantensystem schwierigste Problem der Verschlußlaute kann also dadurch gelöst werden, daß wir die Annäherung an das hochdeutsche System im velaren Bereich zur Kenntnis nehmen, als das zugrundeliegende System der Verschlußlaute jedoch lediglich die alten stimmlosen Lenes ansetzen. Die Zeichen b d g stehen im folgenden für stimmlose Lenes. (1) Verschlußlaute /b/ - /d/ aus /b/ - /v/ /d/ - /s/
/d/-/g/
[bis] - [dis] bis, dies [bo:u] - [donj] paar, Tor bis, weiß aus [bis] - [vis] * aus [hu:t] * - [hu:s] Haut, Haus /b/ initial, medial, final in Belegen zu ,Bauer, Platt, sieben, Stoppelländer, halb, ab, knapp' Varianten: [v] intervokalisch in ,Rüben' vgl. Assimilation /d/ initial, medial, final in Belegen zu ,Dorf, Teil, Fuder, Futterwerk, leiden, Leitung, Geld, Zeit' Varianten: [t] in ,Bett' aus [da:ns] - ['gan,sa] Tanz, ganze ['Run.da] - ['Run.gal] Runde, Runkel /g/ initial, medial, final in Belegen zu ,gar, gegen, Kartoffeln, locker, Säcke, Genick, welk' Varianten: [k] in ,Speck, jung'
(2) Nasalkonsonanten /m/ - /n/ aus [mus] - [nus] * muß (er), Nuß [im] - [in] um, in /m/ - /b/ aus [Jlem] - [Jlebd] schlimm, schleppt /n/ - /d/ aus [nas] - [das] naß, daß Im/ initial, medial, final in Belegen zu .Mäuse, Kirmes, Baum' Varianten: keine /n/ initial, medial, final in Belegen zu ,Name, Winter, neun' Varianten: durch Assimilation [q] bzw. [m] /n/ - / q / aus ['a.nara] - ['a.ijB] andere, Anger [han] - [haq] (sie) haben, Hang /q/ medial, final in Belegen zu jünger, hinter, Anfang, Ende, lang' Varianten: keine (3) Reibelaute /f/ - /v/
aus /f/
[fi:-] - [vi:] Vieh(zeug), wie [folg] - [Vol.gan] Volk, Wolken initial, medial, final in Belegen zu .Feld, Kaffee, glimpflich, Dorf' Varianten: vgl. Assimilation
53 /v/
/s/ - /f/
aus /s/
151 - h l
aus ///
/q x/ - / f / — /// - /g/
aus aus aus [9]
[x]
H l - /h/
aus /)/
/ h / - [7] /h/ - /v/
(4) Affrikate /ts/ — /s/
aus aus /h/
aus
initial, medial in Belegen zu ,welk, zwei, Quelle, Hafer, Leberwurst', nach Diphthong auch in .gebaut, gestreut' als [.ga'bao.vad] und [.ga'/dRao.vad] Varianten: [ß] in .Eschwege' [se:e] - [fe:e] * sehr, für ['sei.la] - ['fe:,la] Säle, viele initial, medial, final in Belegen zu .Sand, essen, ganze, Haus, Ast, Tanz' Varianten: [z] initial u.a. in .sonst, so', medial in ,Mäuse, große, Kessel', final in .aus, bis' vgl. Assimilation [/in] - [sm] Scheune, sind (sie) [.ga'JiS.da] - rgsi?,dB] Geschichte, Gesichter initial, medial, final in Belegen zu .Scheune, Fische, Rutschen, Donnerstag, Tusch' Varianten: [3] in .waschen, (Winter)gerste' [deu?] - [defcf] durch, Dorf ['vo.xn] — ['vo^n] Wochen, waschen [bx] ['fo,gB] ' Loch, locker medial und final in Belegen zu .schlecht, höher, ich'; es wurden keine Belege zu /a:, a/ vor [5] wie in den Dudenröder Texten gefunden (mhd. e wurde nur in einigen Fällen von Sp.3 als /a/ realisiert, sonst dafür /se:, ae/). [5] steht in Netra also wie im Hochdeutschen bei Sp.i und Sp.2 nur nach palatalen Vokalen. Varianten: [j] intervokalisch vgl. Assimilation medial und final in Belegen zu .gebrochen, feucht, gedeckt, Zug' Varianten: [y] in ,Jauche' vgl. Assimilation ['jur.ni:] - [hu:n] * Juni, Huhn ['j'i.ijb] * - ['hi.rjB] jünger, hinter initial und medial in Belegen zu .Jahr, besorgen, kriegen' Varianten: keine f'ha.ga] * - ['?a,ge] hacken, Acker [haes] - [vaes] heiß, Weizen initial in Belegen zu ,hier, Heu' Varianten: keine (vgl. Unterschied zum Hochdeutschen im Beleg zu .höher')
[tsi:d] — [sidn-] Zeit, Seiten(wand) t,b9 , tso:,ln] - [so:l] bezahlen, Saal /ts/ initial, medial, final in Belegen zu .zehn, Zeit, Flitzebogen, kurz, Holz' Varianten: [s] in ,Tanz, Holz'vgl. Assimilation und RASCH 1912, S. 6 ts als „einzige Affricata".
54 (5) Liquide /l/-/r/
aus
/!/
/r/
['fe:,la] - [fin?] viele, vier leer, Röhrda [le:B] - ['ReiB.da] Loch, Roggen [lox] - ['ra,y an] initial, medial, final in Belegen zu .Land, allein, Teil' Varianten: [1] bei den beiden älteren Sprechern ( S p j und Sp.3) in .allemal, Quelle, schnell, Volk, Wolken' vgl. HENTRICH 1919 zum velaren /l/. initial, medial, final in Belegen zu ,reif, Freitag, Röhrda, Donnerstag, aber ,Bier' Varianten: [r] initial, medial, final bei Sp.3 (* 1893) z.B. in ,reif'; [R] initial, medial bei Sp.i (*1906) und Sp.2 (*1937) z.B. in ,reif'; [B] in finalem /er/ und präkonsonantisch bei allen drei Sprechern z.B. in ,Anger, Korn' (zu r-Varianten vgl. GÖSCHEL 1971).
10.4.2.2. Strukturierung des Phonemsystems von Netra Die Struktur des Netraer Phoneminventars ähnelt dem Dudenröder System nur in manchem. Auch in Netra gibt es im System der Vokalphoneme im Gegensatz zum hochdeutschen Vokalsystem die offenen Längen /i:, u:, o:/ als Entsprechung zu den geschlossenen Längen /i:, u:, o:/. Unterschiedlich ist jedoch die Struktur des unteren Teils der Vokalhierarchie. Anstelle des vor allem aus wgm. e > m h d . e herleitbaren /a:/ von Dudenrode steht /ae:/ als offenstes Vokalphonem in der vorderen Reihe, wodurch /a:/ eine Stufe tiefer rückt als im Vokalsystem von Dudenrode. Da im System der Netraer Mundart keine langen gerundeten Palatalvokalphoneme belegt sind, kann man von einer fünfstufigen Vokalstruktur sprechen, in der die unterste Stufe nur von einem Phonem, die übrigen Stufen aber jeweils von zwei Phonemen besetzt sind. Im System der Kurz vokale ist durch die Weiterentwicklung von wgm. e > mhd. e zu heutigem /ae/ ein dreistufiges, zweireihiges Viereck als Struktur entstanden. Es scheint unangemessen, die beiden kurzen gerundeten Palatalvokale in das Phonemsystem mit einzubeziehen. Sie wurden 1959 lediglich als Varianten von /i/ und /u/, in den Zahlwörtern .fünf' und .zwölf und in .Körner' belegt und sind sicherlich in den letzten Jahrzehnten aus dem Hochdeutschen entlehnt, da in den WS aus Netra von 1879 für beide Wörter Belege mit entrundeten Vokalen notiert wurden: WS Ne 37 finf, 37 zwelf vgl. RASCH 30 finf und 26 tswelf. Als Diphthonge sind lediglich /ae/ und /ao/ belegt, beide also ausgehend von [a] mit maximal differenzierender Artikulation. Bei der Vokalfolge [a: e] handelt es sich um die Kontraktion aus -age- und -ege- z.B. in .Mädchen, dagegen'.
55 Lange Vokalphoneme
Kurze Vokalphoneme
/W
/u:/
/i:/
N
/"/
/e:/
/u:/ /o:/
/E/
/o/
/«:/
/»:/
/»/
Diphthonge
[e]
[o]
/a/ /ae, ao/
/a:/
Das System der Konsonantenphoneme von Netra hat die gleiche einfache Struktur wie das von Dudenrode. Ergänzungen durch z.T. neue Varianten finden sich vor allem im Velarbereich, so der Fortisverschlußlaut, velares /!/ bei der älteren Generation (Sp.3), velares /r/ bei der mittleren und jüngeren Generation (Sp.i und Sp.2) und ein relativ häufiges Vorkommen des Lenisreibelautes [y] mit der Entsprechung im dentalen Bereich und dem stellungsbedingten Lenisreibelaut [z] . Diese letztgenannten sind als Erscheinungen der intervokalischen Assimilation und wohl als Angleichung an die regionale Umgangssprache zu verstehen, [z] jedoch auch als Angleichung an das Hochdeutsche, wenn es in Initialposition auftritt. / b/ /m/ Ii/ M
/dl Ig, k/ /n/ M hl Iii /? x/ Hl N M-*
[?] /hl
10.5. Entsprechungen in den Lautsystemen des Wgm., Mhd., Nhd. und der Dialekte von Dudenrode und Netra. Diachrone Untersuchung. Nach der streng synchronen Darstellung folgen nun diachrone Tabellen mit dem wgm., mhd. und nhd. Vokalismus als Bezugsrahmen, aus denen sich zwei Untersuchungen ableiten, die die Phonemsysteme von Dudenrode und Netra mit dem des Hochdeutschen zueinander in Bezug setzen. Dabei soll zuerst das jeweilige Vokalsystem der Dialekte mit Hilfe der Diachronie aus der Sicht des wgm. und mhd. Vokalsystems mit dem hochdeutschen kontrastiert und erklärt werden. Zweitens soll, ausgehend von den hochdeutschen Vokal- und Konsonantenphonemen, mit erklärenden Rückverweisen auf die Diachronie nach den Entsprechungen in den beiden Dialekten gefragt werden.
10.5.1. Tabellen zum Vokalismus mit Wgm. als Bezugsrahmen. Bei den Entsprechungen werden für das Hochdeutsche die Phonemzeichen, für die Dialekte jedoch die phonetischen Zeichen verwendet, um auch Relikterscheinungen und lautliche Varianten eindeutig festzuhalten, die sich teilweise oder nur durch den Einfluß u.a. des Hochdeutschen erklären lassen. Bei der Reihenfolge der Phoneme des Hochdeutschen wurde auf ihre Nähe bzw. Ferne zu der wgm. Entsprechung geachtet,
56 desgleichen bei den phonetischen Realisationen der Dialekte im Hinblick auf die hochdeutsche Entsprechung. Umlautrealisationen und offensichtliche Übernahmen aus dem Hochdeutschen wie /y:/ und / » : / stehen am Schluß der jeweiligen Auflistung. Bei der Anführung der Belege wurde die alphabetische Reihenfolge in Bezug auf die Stammsilbe als Ordnungsprinzip verwendet. Die Belege sind der leichteren Lesbarkeit wegen in der Form der hochsprachlichen Entsprechungen notiert. Die mundartlichen Realisationen sind aus den Morph-Registern ersichtlich. Hspr. Entsprechungen zu Belegen aus der Wortbefragung von 1976 sind mit einem Asteriskus* versehen.
10.5.1.1. Diachrone Tabelle zum Vokalismus von Dudenrode Nhd. Dud. /-/ [-] i
i
i i
e: e
i
e Y
a e: E: a: e e Y
u
u
u u u: u: u: u: D
i E u: u: u o: U
o o o: Y
3 a o: I
Kurzvokale wgm. i > mhd. i bis, bißchen, dicht*, dick, flicken, hinten, hinter, ich, in, Kind, Linde, Milch-, Mist, misten, Mittag, Mittwoch, nicht, schlimm, sich, sicher, sitzen, Spinn(stube), stricken, Winkel, Winter, gewiß, wissen*, zwischenmich, mit-hin, Hirten(hans, -wiese), Kirche, Kirmes, mit, nicht (wahr), Wirt, Wirt(Weiß)binder, (Weiß)binder* spielen, viele, viele*, Wiese* (Hirten)wiese ihre sieben, wieder jetzt fünf, fünf* wgm. u > mhd. u, ü -bruch, Bursche, Busch*, furchtbar, Glucke*, jung, jung*, Junge, kurz, Nuß*, Strumpf*, Stunde, getrunken, um, ,Um-, un-, und, uns, unter, Wurst, Zuckerum durch (Näh) stube, Zug Jugend ('Um)zug (Spinn)stube Donners(tag), sollen (Inf.), sollen (Inf.)*, soll (er), Sonn(abend, -tag), sonst donnern, Sommer, besonders, sonst soll (das) (Bann)rod, (Riche)rode, (Riche)rode* Büsche, Büsche*, -gefüllt, jünger*, Nüße*, -stück
Nhd. Dud. [-] /-/ Y e i: y: 8 y: e: y: (E u 0: e: e
e
e
ae
e e
a
ae:
8 e: e: e: e:
a: e: e: a:
e: 1
ae 1
i: 0
i:
0
a
0
3
0 0
u
0:
0:
ae:
u
£
0:
e:
0:
8
oe OB
e 1
oe Y
a: 8
a
a
57 dürfen* -,'briihen, 'überfür ,über-\ über(all)* für*, Tür, Tür* können (Inf.), können (Inf.)* (Duden)röder, -röder* wgm. e >mhd. 2 Berg-, Dreck, Ecke, Ecke*, Fern-, Gesell(schaft), Hecke (=Wald), Hecke (= Wald)*, lernen, recht, -wärts, weg, werden essen, Feld, fressen, Geld, melken, -recht, schlecht, sechs, Speck, sprechen gern -essen, fechten (= betteln), Feld, Feld*, Fest, Fest* Geld, Geld*, -helfen, melken, Quelle*, schnell*, sechs, selber, -selbe, weg, welk, welk*, Wetter* Berge, -berg, recht*, schlecht drehen, (Fern)sehen, sehen*, gesehen eben wer dem, eben, gegeben, leben, (sie) werden, gewesen, eben*, er*, geben*, leben*, -gelesen, Wege*, wegen*, werden (Inf.)*, werden (sie), gewesen*, zehn, zehn* (Esch)wege, Regen, Regen*, regnen (Inf.)*, regnet gibt (es)*, richtig -spiel, Vieh, ziemlich wollen*, (sie) wollen gefochten (= gebettelt) wgm. 0 >mhd. 0, ö Glocke*, Gott, kochen, Korn, Korn*, Loch, (Mitt)woch, Morgen, noch, ob, ob*, Schloß*, stopfen, toll, Wochen fort, Knopf*, (sie) kommen, (mit)kommen, von Dorf, (Allen)dorf Boden, Hof*, oben, -ofen, gewohnt voriges vor Körbe Töpfe, Töpfchen Körner* (evtl. wgm e) hübsch wgm. a ~>mhd. a, e, e, ä ab, ab*, ach, als, an, ander, Anger, Arbeit, dann, Flasche, ganz, halt, Handels-, Kachel-, langen (= holen), manch-, Mann, naß, naß*, Sache, Salz-, scharf, Schlachte-, (sie) schlachten, Stall, Tanz, tanzen, wann, Wasser, zusammen
58 Nhd.
Dud.
/-/ a a
[-] a: o
a a a: a: a:
o: o: a a: o:
a: a: e
o o: e
e e e e e: e: e: ce
e: ae a D E: a: ae oe
arg, behalten, (Haus)halt, (Helgo)land, Salz-, geschlachtet Acker*, alle, (über)all*, Arbeit, gefallen, -falls, (an)fangen, fast, fast*, hacken, hacken*, handarbeiten, Bekanntschaft, lang*, langen*, -langen, machen, pflanzen, sammeln, schaffen*, Stall*, gewachsen, Wald, was, Zusammen(halt) acht, acht*, alt, alt*, Ast*, bald, halten, Nacht,-nacht, Salz, warten warten aber gar, sagen Fahne, fahren, fahren*, gerade, begraben, Gras*, haben, haben*, Hahn*, halten*, Hasen, Hasen-, -laden, Mittag, Name, Name*, Rad*, Saal, Saal*, Tag, Tag*, Tal, Vater Hafer Gar( wurst) besser, Bett, Blätter, Ende, fertig, fest, Fremden, Herbst, erkennen, Kessel, zuletzt, Mensch(heit), schmecken, stellen, Stellung, bestellen, wärmer, welche, wenn, wenn*, Ernte, Wecker (haupt) sächlich älter, älter*, ältest*, länger, länger*, Männer*, Ständerchen henken ähnlich erzählt Mädchen, Mädchen* zwölf L a n g v o k a l e und D i p h t h o n g e
ae
i:
ae: ae
i: i
ae ae ae i:
1(5) ei ae e
ao
u:
ao ao ao
u Y ao
wgm. i > mhd. f bei, bei*, Bei(name), (da)bei, bleiben, bleiben*, Eisen*, gleich, Keime, Keime*, leiden*, mein, mein*, schneiden*, schneiden, schreiben*, Schwein, Schweine*, Weiber, Wein*, (stellen)weise* sein (Verb) ein-, -ein, Frei(tag), gleich, leicht*, leichter, leichter*, mein, mein*, -wein, weiß*, Weiß(binder), Weiß(binder)* schneien drei, frei*, Streiche* Bei(spiel), Feier(abend), gefeiert, -leicht, reich(haltig), weil geblieben*, gelitten*, geschnitten*, geschrieben, geschrieben* wgm.ü~> mhd. ü, iu 'aus-, Bauer*, braun*, dauern*, faulen, (Hundeis-, Witzen)hausen, Haut*, Kraut*, Maus*, Sauer(kohl)* auf, aus-, (he)raus, außerdem, Haus*, Kraut, Strauch* Haus(halt), (he)raus, (he)raus*, (hi)naus, (hi)naus* Maurer, sauber
59 Nhd. /-/ oe oe oe oe
Dud. [-] i: i u EI
Mäuse* Häuser*, Häuschen* feucht, feucht* häufeln
a: a: a: a: a e: e: e: e:
a: o: o: D o: a: a e: 8
wgm. e > mhd. ä, ae -Straße Abend, ja, Jahr, mal, nach, (nicht) wahr Abend, Abend*, fragen*, Jahr, Kram, mal, nah*, Nach(barn) gebracht nächste* näher* mähen, Näh(stube), säen, (aus)säen schwerer
i: i:/i i i:/e:
wgm. e > mhd. ie wie* wie kriegen hier
u: u: u: u: u y: y: y= y Y
ou: u: u: i: u i: i: e: i u
wgm. ö > mhd. uo, üe gut Blut, Gruß*, gut, Rute*, Besuch, tun, (da)zu Fuß*, gut*, Huhn*, Hut*, Kuh* besuchen Futter, Grummet, Mutter, zum früh, Früh-, gemütlich, Rüben Grünes*, Kühe* Füße* füttern müssen, müssen*
oe oe
ou i:
oe
oe
wgm. eu ~>mhd. iu neu* Bedeutung, Feuer, Feuer*, heute*, Leute, Leute* teuer* heute, Neuem
i: i: i: i i
i: i: e: i: i
wgm. eu > mhd. ie Bier, nie, nie*, beschließen, tief, Tier*, wie, wie* Lied*, Lieder*, vier, vier* ziehen* Licht* immer, nicht
60 Nhd.
Dud.
/-/
[-]
e: e: e: e:
e:/e:j/i:j e: e i
wgm. ai > mhd. e mehr gehen* erst, (sie) gehen, (es) geht, stehen, wenig stehen
wgm. ai~>mhd. ei ae
ei
Arbeit, eins, alleine, einzige, Fleisch, heim-, (da)heim, heiß, kein, klein, rein, rein*, zerteilt, Stein-, (ich) weiß -arbeit, -fleisch, meiste kein Arbeit, Eier, Eier*, eigen, zwei elf
ae ae ae e
e: e/i ae e
o:
o:
o: o o 0: 0: 0:
u d e e: e oe
bloß, -brot, groß, groß*, hoch, hoch*, los, los*, rot*, Rote(wurst), so, Stroh* schon doch, Trocken(heit) trocken, im Trocknen höchstens, schön, schön* höher*, höchsten*, schöner* schöner*
ao ao ao ao ao oe oe oe
ou oe ao ae ei ei ae oe
auch*, glauben*, Laub*, laufen*, Staub, Staub*, getauft* auch, auch*, glauben, hauptFrauen, Laub(heu), beschauen, Beschauer Frau*, Frauen verkaufen gehäufelt Heu, "leu(Laub)heu
wgm. au > mhd. ö, o
wgm. au > mhd. ou, öu
10.5.1.2. Diachrone Tabelle zum Vokalismus von Netra Nhd. /-/
Net. [-]
i
i
i i
e e
Kurzvokale
wgm. i > mhd. i bis, bißchen, (aller)dings, drillen, Fische, Flitze(bogen), glimpflich, hinten, hinter, ich, immer, in, mindestens, Mist, Miste, mit, mittags, Mitt(woch), nicht, Geschichte, Abschnitt, sich, sicher, Gesicht, entsinnen, wild, Winter, Winter-, wirklich, Wirklichkeit, -wirt-, wissen*, zwischenSchritt (Weiß)binder*, Kirche, Kirmes, Kirmes-, nicht (wahr), -geschirr, schlimm, Schlitten, Wirt-
61 Nhd. /-/ I i: i: I:
Net. '[-] Y i: i e:
i:
e
e Y Y
Y u
u
u
u u u u u u: 0 3 o: Y
Y Y Y y: y: y: y: y: I CE ce 0:
e
I Y 0
e a u: u 0 o: i
e Y oe i
e: e y: Y I u i
e:
E
e
e e
e: ae
e
ae:
nichts, -zwischen ihren, liegen dies, sieb(zehn), wieder zufrieden, -schmied, spielen, viele, viele* -schmiederei, sieben, wieder jetzt fünf, fünf* fünf(zehn), -fünfzig (in 59, 1959) wgm. u ~>mhd. u, ü verbunden, bunt, Busch*, Dumm(heiten), dunkel, durch-, furchtbar, gesundheiten, Glucke*, gucken, -hundert-, jung, jung*, Nuß*, Runde, Strumpf*, Stunde, -stunde, getrunken, um, und, uns, unser, unten, unter unter-, (her)unter, um, um-, -um, Um-, Unter-, -frucht darum Bursche, -burschen, kurz durch, -durch durch, Wurst, -wurst Jugend, Jugend-, Zug, -zug Donners(tag), sollen*, Sommer-, Sonn(abend, -tag), Donners(tag), sonst, Stoppel-, trocken, Trocken(heit) Sohn Büsche*, Glück, Hütte, jünger, jünger*, kümmern, Nüße*, rückt, Stück, -stück dürfen, dürfen*, stürzen, (ab)stürzen, Würste wünschen fürchterlich über, über(haupt) für*, Tür* für, drüben, über(all)*, über(hin) abgebrüht über(haupt) Spritzerei können (Inf.) können (Inf.)* -röder* wgm. e > mhd. e Ecke*, -ecke, -ernte, -fest, fressen, nennen, schnell, sprechen, stellen-, weg-, welk, -werk -gerste, werfen essen, -essen, Feld*, Fenster, Fest*, Geld, Geld*, gestern, helfen, Quelle, Quelle*, schlecht, schnell*, sechs, sech(zehn), selber, Speck, vergessen, -weg, welk*, werden, Wetter, Wetter* recht*
Feld, -fest, Geld, gegessen, schnell, sechs, selber, bestellt gegessen, bestellt Bär, Bär*, Bären(leiter) Bär geschält Regen, sehen* leb(haft), (sie) nehmen, -getreten, -zehn eben, eben*, Erd-, geben*, leben*, erlebt, Rege*, regnen*, geregnet, Wege*, wegen*, -wegen, wem, wer, werden, werden*, gewesen, zehn, zehn* zehn, -zehn -her, Leber(wurst) (Esch)vvcfc -getreide gibt*, Genick, Hilfe, richtig* -spiel, Vieh-, ziemlich wollen*, gewollt* wollen (wir) wgm. o > mhd, o, ö Born, -born, -born*, gebrochen, Form, fort, Glocke, Gott, Gottes-, Holz, Holz (= Wald)*, kochen, Koch-, Korn, Korn*, Loch, -loch, morgens, noch, noch-, ob, Roggen, Schloß-, Volk, voll, von, vorn, vorne-, Wochen, (Mitt)woch (sie) kommen Wolke besorgen Dorf, -dorf noch, noch-, Schloß* -bogen, oben, Tor, wohnen oder vor-, Vorüber-, vor Boden, -boden Töpfe* Körner Körner (evtl. wgm e) wgm. a > mhd. a, e, e, ä ab, ab*, ach, beobachten, Acker, Acker*, ackern, alle(s), (über)all*, als, an, ander, Anger, Arbeit, (Duders)bach, (Fisch)bach, -dank-, dann, Fackel-, umgefallen, fangen, (An)fang, fassen, fast, fast*, ganz, hacken*, gehackt, Gehacktes-, Hackerei, Hack-, halb, Halt-, -hand, krachen, Land-, lang, lang*, langen (= holen), langen (= holen)*, verlangen, machen, manch-, Mann, Mark, naß, sammeln, versammeln, schaffen*, Schlacht-, Schlamm, schwarz, Stall*, Wald, Verwandt-, wann, -warten, was, Wasser, -wasser, Wasser-, zusammen
63
Nhd.
Net.
/-/ a
[-] a:
a a a a: a: a: a: a:
o o: o: a a: D o: o:
e
e
e e e e: e: e: e e e: e: ae 0:
ae a: a: a: e: e:/ae: D: o: a:e/a:j* a:e/a:j* ce 0:
alt, alt*, Alter, halten*, -haltend, Hand, Hand-, -kränz, -pflanzen, -salzen, Sand, Tanz, tanzen, -wand Arm, (Aschen(born)*,) gewachsen, was, waschen An(fang), anacht, acht*, Ast, Ast*, Nacht*, Pfarrer aber, (sie) haben, Hafer gar, gesagt, Wagen Nagel-, geschlagen, Wagen, -wagen (Weiß)bart, fahren, Name, Name*, (Mon)tag, Vater (-)gefahren, (unbe)fahr(bar)*, Gar(wurst), gerade, Gras*, begraben, haben*, -laden, Rad*, Saal, Saal*, Tag, Tag*, mittags (Mon-, Diensetc.)tag bezahlen. Ämterchen, besser, Bett, denn, Ende, Ernte, Ernte-, ernten, Fäßchen, fertig, fest, fremd, Fremde, Herbst, Kessel, Länder, -länder, verlängern, letzte, März, Menschen, eingeschenkt, durchsetzt, wenn älter*, älteste*, länger*, Männer*, -sächlichste, wenn* älter, Männer, bestellt, wenn bestellt erzählt (Part. Perf.) (Weiß)bärtchen Pferde, Pferde-gesetzt gedeckt Mädchen, Mädchen* gegen, (da)gegen, dagegen* zwölf gewöhnlich
L a n g v o k a l e und D i p h t h o n g e wgm.T^>mhd.
ae
i:
ae ae
1: 1
ae ae
ei ae
(i:
e:
f
bei, Bei-, (vor)bei, bleiben*, Eisen*, Keime*, leiden, leiden*, mein, Schneid(ernte), schreiben*, Schwein, Schweine*, Seiten-, Wein*, -weise, (stellen)weise*, weiter, Zeit sein (Verb) beim,-dreißig, ein-, (her)ein, (hin)ein, Frei(tag), leicht*, leichter*, mein, mein*, meinet(wegen), reif, Schweine(born), sein(e), -teich, weil, weiß*, Weiß(bärtchen), Weiß(binder)*, weiß (es) ein(fahren) Bei(spiel), bleiben, drei, Feier(abend), feiern, fein, frei*, leid, Leitung, (wahr)scheinlich, Streich*, (Jugend)zeit geblieben*, gelitten*, geschnitten*, geschrieben*)
64 Nhd. Net. /-/ [-] ao u:
wgm. ü ~>mhd. u, iu Aus(nahme), Bauer, Bauer*, braun*, Braun, dauern, dauern*, Haus, Haus*, Haut*, Kraut*, Maus* auf, -aus, (hin)aus*, (her)aus*, aus, draußen, Strauch* Sauer(kohl)* Sauer(kohl) (Viedts)haus (her)aus, (her)aus*, (hin)aus, (hin)aus* bauen, brauen, faulen, -häufen, kaum, sauber -häuschen, Mäuse, Mäuse*, Mäuse-, läuten* Häuser*, Häuschen*, (Scheune) feucht, feucht* eingedrückt
ao ao ao ao ao ao oe oe oe Y
u u: y: y Y ao i: i u U
a: a: a:
a: o: o:
a e: e: e: e: e: o:
a ae: ae e e: e: o:
wgm. e ~>mhd. ä, mhd. ie hier, kriegen, nie*, nießen, Nieß-, wie, wie* (wegge)kriegt, wie
u:
u:
u: u: u u y: y: y: y: y: Y Y
u: u u i i: i: Y: y: ae i U
oe
i:
wgm. ö >mhd. uo, üe Blut-, Flur, Flur-, Fuhre, Fuß, Gruß*, gut, Huf-, pflüg, Ruhe-, Ruß, Rute*, suchen, Besuch, tun, zu, -zu Fuß*, Huhn*, Hut*, Kuh* Fuder, genug Grummet, Grummet-, Mutter, zum Futter(werk) früher, Früh-, Grünes, Rühr(ei) früher, Füße*, Grünes*, Hüte* Rüben, FrühKühe Kühe* füttern müssen, müssen (Inf.)* wgm. eu > mhd. iu Feuer*, Leute, Leute*, neun, neun*, neun-(in 39, 59, 1911, 1959), teuer*
65
heute, heute*, Scheune (Vieh)zeug gebraut
wgm eu > mhd. ie Bier, -bier, -dienst, verdienen, Lied*, Liedchen, nie, -schließend, Tier*, -tier, vier, vier*, wie, ziehen* vierten vier(zehn) immer, nicht, viertel
wgm. ai > mhd. e gehen*, Lehrer, mehr, sehr mehr erst, (sie) gehen, (es) geht*, steht, wenig Schnee zwei, zweiten, zwei(undzwanzig) zwanzig, -zwanzig
wgm. ai > mhd. ei meinte kein, verkleidet weiß (ich) allein, allgemein, Arbeit, -arbeit, beiden, Breite, Eier, Eier*, (Rühr)ei, Eier-, eigentlich, Einheimischen, eins, Gemeinde-, heim, daheim, heiß, heißen (sie), kein, verkleidet, Verkleidung, klein, leid, meiste, rein*, vorbereitet, steinern, Teil, beteiligt, Weizen, -weizen elf, -elf
wgm. au >mhd. ö, o -brot-, froh, groß, hoch*, los, los*, also, Stroh, Stroh* -brot, schon schon groß*, (Sauren)kohl, rot* Rote(wurst), (Sauren)kohl doch schön* schön höchsten*, höher, höher*, schöner* -brötchen
wgm. au~>mhd.ou, öu auch, auch*, Frau*, Genaues, glauben, laufen, -beschauer, Zuschauer Heu, Heu-, gestreut Heu-, Räuber (vor)läufig
66 10.5.2. Kontrastive Analyse des Vokalismus mit Wgm. als Bezugsrahmen Als zusammenfassende Interpretation zu den vorangehenden diachronen Tabellen soll sich nun eine kontrastive Untersuchung anschließen, die folgende Fragen klären hilft: (1) Wo weisen die Vokalsysteme von Dudenrode und Netra aus diachroner Sicht Gemeinsamkeiten auf, die sie von dem hochdeutschen Vokalsystem unterscheiden? (2) Welche Vokale entwickelten sich in Dudenrode und Netra unterschiedlich und zugleich anders als im Hochdeutschen? Ein kurzer Überblick über die Tabellen läßt folgende Beobachtung zu: Eine gemeinsame Vokalentwicklung der beiden Dialekte im Kontrast zum Hochdeutschen liegt mit ganz wenigen Ausnahmen bei den Vokalen aus wgm. i, u, o,7, u, e, o, und eu vor; Unterschiede zwischen dem Vokalsystem von Dudenrode und Netra ohne völlige Übereinstimmung mit dem hochdeutschen Vokalsystem sind wiederum besonders deutlich bei den Vokalen aus wgm. e, a ai und au. Belege aus der Wortbefragung von 1976 werden im Gegensatz zu denen von 1959 mit einem Asteriskus* gekennzeichnet. D steht für Dudenrode, N für Netra. 10.5.2.1. Gemeinsame Entwicklung der Dialekte im Kontrast zum Neuhochdeutschen wgm. i > mhd. i > nhd. /i, i:/, D und N /e, e:/ Die Vokalrealisationen von D und N zu dieser Gruppe sind offener als die des Hochdeutschen: /e/ ist belegt aus D und N in .Kirche, Kirmes, nicht, Wirt; sieben, wieder' und /e:/ in Belegen zu .spielen, viele'. wgm. u~>mhd. u, ü >nhd. /u, o, ce, Y, y:/, D undN /v, e, i, e:j In D und N ist altes /u/ erhalten in Belegen zu ,Donners(tag), sollen*, Sonnabend, -tag), können (Inf.), gekonnt'. Entrundung liegt vor bei /i/ in ,um', bei /e/ in ,durch', sowie bei den Umlautentsprechungen /i/ in Belegen zu .Büsche*, jünger*, Nüße*. Stück', /e/ in .dürfen*, über, für (wenn unbetont)' und /e:/ in ,für* (wenn betont), Tür*'. wgm. o *>mhd. o, ö ~>nhd. /o, o:/, D und TV /u, e, e:/ Beiden Dialekten gemeinsam ist die Realisation von /u/ in Belegen zu .kommen'. Entrundung liegt vor bei /e/ in .Dorf' und in unbetontem .vor/für', während in betontem ,vor/für' /e:/ notiert wurde. wgm. T~>mhd. T *>nhd. /AE/, D und N //:, v, I, EI, ae/ Die nhd. Diphthongierung wurde in den beiden Dialekten z.T. nicht durchgeführt, d.h. die Länge /i:/ blieb erhalten in Belegen u.a. zu ,bei, mein (= mir), schneid(en), Schwein, Wein*, weise*' und als offene Realisation die Länge /i:/ im Verbinfinitiv von ,sein'*. In Belegen zu ,Frei(tag), leicht, weiß*' ging das Merkmal Länge verloren; die Vokalrealisation wurde zu /i/. Die einzigen, den beiden Dialekten ge-
67 meinsamen und mit dem Hochdeutschen kontrastierenden Wörter mit Diphthong aus wgmT sind ,drei, frei, Streich' mit folgender unterschiedlicher Vokalrealisation: /ei/ in D und /ae/ in N. WIESINGER 1970 notiert auf Kt. 2 mhd. i für die Gegend um D und N die Vokale T — i, {und auf Kt. 5 mhd. i im Hiatus die Realisation gj, also eine weitgehende Übereinstimmung mit den Belegen aus den Tonbandaufnahmen von 1959. wgm. ¡7 > mhd. ü, iu > nhd. /ao, oej, D und N /u:, u, i:, i/ Der lange Vokal /u:/ ist in D und N erhalten u.a. in Belegen zu ,aus (wenn betont), Bauer*, braun*, dauern*, Haut*, Kraut*, Maus*'. Entsprechende Kürze d.h. /u/ wurde belegt in ,auf, aus (wenn unbetont), Strauch*'. Die Belege zu ,Haus' weisen in D kurzes /u/, in N jedoch langes /u:/ auf. Bei den Umlautformen liegt Entrundung vor in Belegen zu ,Mäuse' mit /i:/ und .Häuser*' mit /i/. Altes, allerdings gekürztes /u/ liegt vor in Belegen zu ,feucht'. WIESINGER notiert auf Kt. 3 mhd. u um D und N die Entsprechungen ü und u (vgl. Varianten [Y] unter /u:/ und /u/, Kap. 10.4), auf Kt. 4 mhd. ü die Vokale I— i, j, südlich von Netra und nördlich von Dudenrode jedoch Restgebiete mit erhaltener Umlautrundung ü, ü. wgm. e > mhd. ä > nhd. /a:/, D und N /o:/ Mhd. ä behält in beiden Dialekten das Merkmal Länge, wird aber geschlossener realisiert, /o:/ wurde notiert in Belegen zu ,Abend*, fragen*, Jahr, nah*, Schaf(e)*'. WIESINGER 1970 verzeichnet auf Kt. 10 mhd. a für die Gegend von D und N gleichfalls ö . Zu dem Umlautvokal von mhd. ä vgl. unter wgm. a. wgm. ~ö~>mhd. uo, üe > nhd. /u:, y:, Y/, D und N /v:, v, e:, ae/ Im Gegensatz zum hochdeutschen Vokalsystem wird in folgenden Belegen langes offenes /u:/ realisiert: ,Fuß*, Huhn*, Hut*, Kuh*'. Umlaut wird entrundet realisiert als /i:/, so in Netra in Belegen zu ,Füße*, Hüte*, früher'. In D wurde zu ,Kühe*' Ii:/ notiert, jedoch /e:/ zu ,Füße*'. Der Netraer Pluralvokal in ,Kühe*' ist der Diphthong /ae/. In beiden Dialekten wird der Stammvokal des Infinitivs von .müssen' als /u/ realisiert. WIESINGER 1970 notiert auf Kt. 13 mhd. uo die Entsprechung p und auf Kt. 14 mhd. üe die Entsprechungfür die Gegend von D und N. wgm. eu >mhd. iu ~>nhd. ¡oel, D und N //:, i/ Der Palatalvokal des Mhd. wird entrundet zu /i: / und nicht diphthongiert in Belegen zu .Feuer*, Leute, neun, teuer*'. Die Belege zu .heute' weisen in D den langen Vokal /i:/ auf, in N die Kürze /i/.
68 10.5.2.2. Verschiedene Entwicklungen der Dialekte im Kontrast zum Neuhochdeutschen Pt ( a ' , N/ae, ae:/ D /a/ und N /ae/ in .essen, Feld*, Fest», Geld*, helfen, Quelle*, schnell*, sechs, selber, weg, welk*, Wetter*' D /a:/ und N /ae:/ in .recht*, schlecht, eben*, geben*, gewesen*, leben*, Weg*, wegen*, werden, zehn1. Bei Sp.3 aus Netra, dem ältesten Sprecher, findet sich auch /a/ in den Belegen zu .Feld, -fest, Geld, sechs* und /a:/ in .gegessen, zehn', aber auch der jüngste Sprecher von Netra (Sp.2) verwendet /a/ in .schnell, selber' und /a:/ in .bestellt'. Die Wortbefragung von 1976 ergab in Netra bei Sp.j und Sp.2 hierbei jedoch nur /ae/ bzw. /ae:/.
wgm. e">mhd. e">nhd. /e. e:. e.7
{3' N /a, o:, ae/ D ¡0/ und N /a/ in .Acker, alle, Arbeit, fast, hacken*, lang*, langen (= holen)*, machen, sammeln, schaffen*, Stall*, Wald, was' D /o:/ und N /o:/ in ,acht, Ast*, Nacht*; begraben, fahren, gerade, Gras*, Rad*, Saal, Tag' Beim Umlaut von mhd. a in den Belegen zu ,älter, ältest, länger, Männer' wird in D /a/ und in N /ae/ realisiert. Dies entspricht dem Muster der Vokale aus wgm. e. Ähnlich richtet sich auch der Umlaut von mhd. ä aus wgm e nach diesem Muster: .näher' wird in D mit /a/, .nächste' mit /a:/ realisiert, wogegen .näher' in N mit /ae:/ und .nächste' mit /ae/, wobei die Verteilung des Merkmals Länge wahrscheinlich den Einfluß des Hochdeutschen widerspiegelt. Die Verteilung von /a, a:/ und /ae, ae:/ wird auf den Karten von WIESINGER 1970 bestätigt, der für Nordhessen als Entsprechung von mhd. ae (Kt. 11) die Entsprechung § notiert, in Richtung Fulda jedoch a und in Thüringen ä . Danach wäre Netra mehr nach Süden, Dudenrode mehr nach Thüringen orientiert.
wgm. a~>mhd. a, e, e, ä>rihd.
wgm. eu~>mhd.
!a, a:, e/
ie ~>nhd. Ii:/
R (!'( N /1:/ In Belegen zu ,Lied*, vier' wird in D mhd. ie als offene, in N als geschlossene Länge realisiert, wobei die Realisation von N wieder dem Hochdeutschen näher steht.WIESINGER Kt. 12 mhd. ie notiert nur~[ als Entsprechung in der Gegend um D und N. {e N /ae/ Der konservativere Lautstand von Dudenrode im Unterschied zu Netra wird deutlich in den aus beiden Dialekten notierten Belegen zu .allein, Arbeit, daheim, eins, heiß, kein, klein, rein*, stein-, (-)teü'. WIESINGER 1970 notiert auf Kt. 15 mhd. ei als Entsprechung ä j in der Gegend um D und N und ae südlich von N.
wgm. ai > mhd. ei > nhd. lael
wgm. au~>mhd.ö,ö
~>nhd. /o:, 0 . /
^|°'|,DundN/u,e:,£/
D /o:/ und N /u:/ in ,groß*, rot*, (Sauer)kohl*'. D und N gemeinsam ist jedoch
69 die Realisation /u/ in ,schon' und die entrundeten Umlautentsprechungen /e:/ in .schön' und /e/ in ,höher, schöner'. Bei WIESINGER 1970 findet sich hierzu eine Bestätigung auf Kt. 8 mhd. 6 mit der regionalen Entsprechung ü, o und auf Kt. 9 mhd. ö die Entsprechung e u n d l . wgm. au > mhd. ou, öu >nhd. /ao, oej
^
/ao/^^'
Ähnlich wie bei der Entsprechung zu Nhd. /ae/ aus wgm. ai spiegelt Dudenrode den älteren, Netra den neueren Lautstand wider, der jedoch auch durch regional bedingte Varianten mitbestimmt wurde. D /ou/ und N /ao/ in ,auch, glauben*, laufen'. Die Belege zu .Frau, Heu' weisen in D /ae/ auf, in N jedoch /ao/. WIESINGER 1970 notiert auf Kt. 16 mhd. ou die Entsprechung 9e um D und N, auf Kt. 17 mhd. öü vorwiegend äj, in Thüringen jedoch ae. Auch hier erweist sich die Realisation von D als die dem Thüringischen nähere. Schon aus dieser kurzen Untersuchung der Vokalsysteme aus diachroner Sicht wird deutlich, daß Verschiedenheiten zwischen den Dialekten von Dudenrode und Netra vor allem im Bereich der Vokale mit dem Merkmal [+ tief] , d.h. bei /ae, ae:, a, a:/ und der o-Gruppe zu beobachten sind. Diskordanzen finden sich weiterhin bei den Diphthongen. Sie betreffen interessanterweise nicht so sehr den vom Hochdeutschen abweichenden Bereich der Vokale mit dem Merkmal [ — tief] wie /i:, i:, u:, u:/. Gerade dieser Bereich bietet jedoch aufschlußreiche Entsprechungen zu den Befunden in WIESINGER 1970, d.h. zu seiner Darstellung der Reihenentwicklung der mhd. Langvokale und Diphthonge und ihrer Entsprechungen in den deutschen Dialekten. mhd.i-ü-ü
DundN
/i:/-/u:/-/i:/ in .Schwein, Haut*, Mäuse*' /i/ — /u/ - /i/ d.h. gekürzt in .leicht, Haus, Häuser'
D mhd. 8 - 0 - 0
D N
mhd. ie — uo — üe
D N
mhd. ei - ou - öü->
/i:/ - /o:/ - /e/ /i:/ - /u:/ - /e/ in ,mehr, groß, höher'
D N
/i:/ - /u:/ - /i:/ /i:/ - /u:/ - /i:/ in ,Lied*, Hut*, Grünes' /EI/ - /ou/ - /ae/ /ae/ - /ao/ - /ao/ in ,rein*, laufen*, Heu'
Diese durch die beschränkte Auswahl zweifellos stark vereinfachte Zusammenstellung läßt folgende Beobachtung zu: Die Reihen mhd. & - o — ö und mhd. ie - uo - üe sind in den Dialekten von Dudenrode und Netra zum Teil zusammengefallen (vgl. WIESINGER 1970 Bd. 1, S. 272). Es wird weiterhin deutlich, daß ein Teil der offenen Langvokale dieser Reihen zu den geschlossenen Langvokalen aus mhd. t — u - ü in Opposition steht, so z.B. /u:/ zu /u:/ in /hu:t/ ,Hut' und /hu:t/ ,Haut'. Damit wird im wesentlichen die Beobachtung von WIESINGER 1970 bestätigt, daß
70 die aus der Reihe mhd. e - o - o und mhd. ie - uo - üe entstandene „offene Monophthongreihe I - ö im nordhessisch-nordthüringischen Übergangsgebiet um Waldkappel - Eschwege [ . . . ] von der geschlossenen Monophthongreihe T - ü für mhd. l - ü - u streng unterschieden" wird (WIESINGER 1970 Bd. 2, S. 7 2 - 7 3 ) . Die Unterscheidung der offenen und geschlossenen Langvokale /i:/:/i:/ und /u:/:/u:/ ist sowohl für das System der acht Vokalphoneme von Dudenrode als für das der neun Vokalphoneme von Netra charakteristisch. Es ist deshalb erstaunlich, daß in VEITH 1972 (S. 211) für das System der Langvokale von Hilgershausen, einem Nachbarort von Dudenrode im Kreis Witzenhausen, als Langvokale lediglich palatale I, E, A und velare U, O, C aufgeführt werden, also keine Differenzierung im I- und U-Bereich zwischen geschlossen und offen nachgewiesen wird.
10.5.3. Komparative Analyse des Vokalismus und Konsonantismus mit Nhd. als Bezugsrahmen Wenn hier die mundartlichen Äquivalenzen der hochdeutschen Vokal- und Konsonantenphoneme untersucht werden, soll neben der sprachgeschichtlichen Erklärung auch der didaktische Aspekt beachtet werden, d. h. die Probleme, denen Lehrer/innen begegnen werden, die Kinder aus Dudenrode und Netra unterrichten. Der Verständlichkeit wegen mußte aus der Fülle der Details eine Auswahl getroffen werden. Langvokale Nhd. /i:/
Nhd./e:/
Nhd. /E:/
Nhd. /a:/
Entsprechungen sind in den Texten aus Dudenrode und Netra von 1959 relativ selten belegt. Es handelt sich für Dudenrode um [i:, i:, i, e:, e] , für Netra um [i:, i, e:, e] . Entspricht ein Dialektvokal dem nhd. /i: / und leitet sich aus mhd. ie (wgm. eu) ab, so ist die Realisation in beiden Dialekten mit ganz wenigen Ausnahmen [i:] , z.B. in ,beschliessen, Bier, nie, tief, wie'. Für nhd. /i:/ aus mhd. i (wgm. i) liegen jedoch mehrere Entsprechungen vor, in Dudenrode vier, in Netra zwei (vgl. S.56). Hierbei dürfte für den Dialektsprecher beim Erlernen der Hochsprache jedoch keine Schwierigkeit erwachsen. hat im Dudenröder und Netraer Dialekt die Entsprechungen [e:,e:, e, ae:, a:] . Dabei stammen die stärksten Öffnungsgrade [a:, ae:] ohne Ausnahme aus mhd. e (wgm. e) wie in ,eben, zehn'. Die Kürze [e] ist ableitbar aus mhd. e (wgm. ai) z.B. in .wenig' und in Formen von .gehen, stehen'. Die Realisation [e:] als Äquivalenz von nhd. /e:/ ist in beiden Dialekten außerordentlich selten belegt. Entsprechungen sind selten. In beiden Dialekten [a:] aus wgm a in .erzählt' und [ae] bzw. [a:e] in .Mädchen'. Schließlich [e:] aus wgm. e in .säen'. in beiden Dialekten selten aus [a:] bzw. [a] , häufiger als [D:, O:]. Die wenigen a-Realisationen z.B. in ,sagen' lassen sich fast ausnahmslos von wgm. a ableiten. Viel häufiger sind Entsprechungen im o-Bereich. Bei Belegen aus mhd. a (wgm. e ) treten in beiden Dialekten Schwankungen zwischen [o:] und [o:] auf, so in .Abend, Jahr, mal'. Bei
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Nhd. /u:/ Nhd./o:/
Nhd. /y:/
Nhd. /0:/
den Wörtern mit Stammvokal aus mhd. a (wgm. a) ist jedoch in Dudenrode fast ausnahmslos [D:] belegt, in Netra vor allem [or] . Beispiele sind ,Rad*, Saal, Tag'. Wenn der jüngste Sprecher (Sp.2) aus Netra bei den Namen der Wochentage in ,-tag' konsequent [o:] verwendet, die älteren beiden Sprecher aus Netra jedoch [o:] , so könnte dies als Angleichung an das hochdeutsche Lautsystem verstanden werden, wo lange Vokale das Merkmal geschlossen bzw. gespannt aufweisen. Entsprechungen sind in der Mehrzahl [u:] , vereinzelt [u:] , das aus mhd. uo (wgm. ö ) herleitbar ist, wie in ,gut, Hut, tun'. Mit Ausnahme einiger Einzelbelege wie [e:] in .voriges'und [u] in ,schon' sind die Entsprechungen in den meisten Belegen [o:] . Als Gruppe bilden die Belege zu ,groß, rot, -kohl' noch eine Ausnahme, da sie in Netra mit [u:] realisiert werden. Bei nhd. /o:/ dürften Dialektsprecher aus Dudenrode und Netra beim Erlernen des Hochdeutschen wohl kaum Schwierigkeiten haben, wohl aber bei nhd. /a:/ mit den zahlreichen und verschiedenen o-Realisationen. Entsprechungen sind entrundete Vokale wie [i:, i:, e:] . So in ,früh, Grünes*, Füße*, Tür*'. Die Kürze [e] findet sich in den oft verwendeten ,für, über' in unbetonter Position. Entsprechungen sind sehr seltenen beiden Dialekten entrundet zu [e:, E] Z.B. in ,schön, schöner, höher'. Die hochdeutsche Lautung [0:] wurde nur in .gewöhnlich' und in .Gehacktesbrötchen' notiert.
Kurzvokale Nhd. /i/
Nhd. /E/
Nhd./a/
Entsprechungen in beiden Dialekten sind zahlreich. Es handelt sich vor allem um [1] aus wgm. i (weniger aus wgm. e und öu) und um [e] in einigen oft verwendeten Belegen wie .Kirmes, Wirt'. hat die Entsprechungen [E] , die Gruppe [ae, ae:, a, a:] aus mhd. e (wgm. fe) und in Einzelbelegen [o:, D:] . In allen mundartlichen Belegen ist [E] sogenannter Primärumlaut und ableitbar von wgm. a, so in ,Bett, Ende, Herbst' (vgl. ROSENKRANZ 1964, Karte 58). Die Entsprechungen aus mhd. e (wgm. e), vor allem [ae] und [a] in Belegen wie ,Feld, Fest, Geld, sechs', stehen im Zusammenhang mit der Lautentwicklung im Westthüringischen, wo sich wgm. e über mhd. e zu /a/ geöffnet hat (vgl. ROSENKRANZ 1964, Kart 58). Die beiden oRealisationen erscheinen in sogenannten Rückumlautformen: [o:] in .gedeckt' und [D:] in .gesetzt'. Es ist anzunehmen, daß der Komplex um nhd. /e/ den Dialektsprechern Schwierigkeiten bereitet, wenn Sie die Standardsprache lernen wollen. Entsprechungen in beiden Dialekten sind [a, a:] und [o, o : , o : ] vor allem aus mhd. a (wgm. a). Neben den zahlreichen Realisationen von kurzem [a] aus wgm. a sind einige vor nachfolgendem /l, n/ + Dentalplosiv zu Längen gedehnt worden wie in .halten, -land, Hand, Salz' (vgl. ROSENKRANZ 1964, S. 193 zu ,Salz, Sand'). Die o-Realisationen sind weniger zahlreich als die a-Realisationen (vgl. umgekehrtes Verhältnis bei der Äquivalenz von nhd. /a:/). Dehnung und Rundung zugleich
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Nhd. /u/
Nhd. /d/
Nhd. /Y/
Nhd. /ce/
liegt vor mit [D:] in den Dudenröder Belegen zu ,acht, alt, bald, Nacht, warten' und in den Netraer Belegen zu ,an-, Name'. Geschlossenes [o:] wird aus Netra für ,acht, Ast, Pfarrer' notiert, kommt jedoch in Dudenrode als Äquivalent zu nhd. /a/ nicht vor. Kurz, der Komplex um nhd. /a/ ist recht schwierig und muß von denen, die für den Deutschunterricht verantwortlich sind, besonders beachtet werden. Entsprechungen sind [u] , seltener [o, i, e] vor allem aus mhd. u (wgm. u). Insgesamt liegen im Gegensatz zu den a- und o-Belegen nur relativ wenig u-Belege in den beiden Dialekten vor. [u] aus wgm. u ist belegt in jung, Stunde, getrunken, und', aus wgm o in .Grummet, Mutter'. Zu [o] geöffnet wurde der Stammvokal in .Bursche, kurz' in Netra und zu [i] bzw. [e] entrundet in ,um, durch' in beiden Dialekten. Entsprechungen sind in beiden Dialekten in der Mehrzahl [o] , seltener [u, e, a] . Die mit dem Hochdeutschen identische Lautrealisation [a] aus wgm. o wurde in Netra z.B. in ,Korn, Loch' belegt, [o] aus wgm. u in ,sonst', [u] aus wgm. u und o ist erhalten in beiden Dialekten in ,Donnerstag, Sonntag, kommen'. Entrundete Vokalrealisationen liegen vor als [e] in ,Dorf' aus beiden Dialekten, aber in ,trocken' nur aus Dudenrode (vgl. HASSEL Kt. 12 zu ,Dorf und Kl. Enz., S. 417 mit Kt. zu .trocken'), [a] wurde in Netra in ,noch'notiert. Bei den Entsprechungen handelt es sich um die Entrundung [I], seltener um [e] bzw. [u, Y] . Beispiele für [i] sind die Belege zu .Büsche*, füttern, jünger*', für [e] u.a. ,hübsch'aus Dudenrode und .stürzen' aus Netra, [u] wurde u.a. notiert in .müssen' und [Y] in beiden Dialekten in .fünf' (nur eine Ausnahme mit [i] in .fünf' aus Dudenrode). Entsprechungen sind aus beiden Dialekten nur in insgesamt fünf Wörtern notiert worden, davon [ce] als abgesicherte Realisation lediglich in dem Zahlwort,zwölf. Sonst scheint die mundartliche Entsprechung [e, i, u] zu sein, davon [u] nur in .können', [e] z.B. in .Körbe' und [i] in beiden Dialekten in den Belegen zu .Töpfe, Töpfchen'.
Diphthonge Nhd./ae/
Die Entsprechungen [i:, i:, i, e:, e, si, ae] können eindeutig nach der sprachgeschichtlichen Herkunft gruppiert werden, [i:, i:, i] lassen sich auf mhd. T (wgm. I) zurückführen, [ei] und [e:, e] dagegen auf mhd. ei (wgm. ai). [ae] schließlich ist vor allem Übernahme aus dem Hochdeutschen, denn in der Gruppe der Belege finden sich sowohl solche für mhd. i als auch für mhd. ei. Im Zahlwort ,zwei' scheint [ae] jedoch fester Bestand der Mundart geworden zu sein. Wortbelege für [i:] sind aus beiden Dialekten u.a. ,Keime*, Schwein*', für [i] u.a. .Frei(tag), weiß*', für [i:] ,sein', für [ei] in Dudenrode ,klein, rein*' für [e:] .meiste, -fleisch, -arbeit', das sonst in Dudenrode als [ei] realisiert wird. Monophthongiert zu [e] wurde der Stammvokal aus mhd. ei außerdem in .keine, verkleidet', eine Erscheinung, die für das
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Nhd./oe/
Nhd. /ao/
Thüringische charakteristisch ist (vgl. WIESINGER 1970, Kt. 15 zu m h d . ei). Die mundartlichen Entsprechungen sind [ i : , i ] und in Einzelbelegcn u.a. [ao, ae] . Beispiele für [i:] in beiden Dialekten sind ,Mäuse*, Leute, neun', für [i] u.a. .heute, Scheune*, [ a o ] und [ae] sind regionale Varianten im Beleg ,Heu'. Das aus dem Hochdeutschen übernommene [oe] wurde in weniger als drei Belegen aus jeder Mundart belegt. Entsprechungen sind [ou] in Dudenrode und [ a o ] in Netra, weiterhin [u:, u:] , mit palatalisierten Varianten wie [ y : , Y ] und mit nur je einem Beleg [ae, ei] (Dudenrode: .Frauen, verkaufen'). Die u-Gruppe mit den Y-Varianten geht zurück auf mhd. IT(wgm. ü ) und wird belegt durch ,Haus, dauern' u.a. (vgl. ROSENKRANZ 1964, S. 223 zur ü-Palatalisierung in ,Haus, braun'), [ou] aus mhd. ou (wgm. au) variiert in Dudenrode z.T. mit [oe] in Belegen wie .auch, glauben', k o m m t in Netra jedoch nicht vor. Die mit dem Hochdeutschen identische Lautung [ao] findet sich in Wortbelegen aus wgm. ü~ und au.
Verschlußlaute Nhd. /p/ Nhd. /t/ Nhd. /k/
Nhd. /b/ Nhd. /d/
Nhd. /g/
Entsprechung in Dudenrode und Netra ist / b / z.B. in ,paar, berappen (N), ob'. hat die Entsprechung / d / in beiden Dialekten z.B. in ,Tanz, Mutter, g u t ' (wie /b/ stimmlose Lenis). Mundartliche Entsprechungen sind [g - k ] , außerdem, /q, x/. Als /g/ in ,Kartoffel, Ecke, Frühstück', als / k / in ,Kirmes', als [9] medial nach / e / in ,trocken' (D) und final nach /r/ in ,arg, Berg-' (D); als [x] schließlich in ,-zug'. entspricht in der Mundart initial /b/ z.B. in ,bis'; medial [b - v] z.B. in,Rüben', in Einzelbelegen [ ß ] , so in ,Weiber' (D) und in .über' (N). entspricht initial /d/ z.B. in ,dies'; medial u.a. [d - ö] in .schneiden', .Richerode*' (in Dudenrode, aber in Netra nur medial /d/ z.B. ,Fuder'. In Belegen zu .wieder' finden sich zu intervokalischen /d/ folgende Varianten: [d - ö - r _ 0] . Als Einzelbeleg steht in .Kinder' statt nhd. /d/ ein /k/ nach /q/. Entsprechungen sind initial /g/ z.B. in ,ganz(e)'; in Einzelbelegen aus Dudenrode auch [j] in .geht, gesät, fertiggeworden' (ThDA Karte 6 zeigt, daß für das Präfix ge- in Nordwestthür, bis etwa auf die Höhe von T r e f f u r t etwas südlich von Eschwege inselartige Reliktgebiete mit jebestehen); außerdem medial nach Palatalvokalen als [g] in ,kriegen' (D), als [j] in .Ziegelei' (D) und .Regen' (N). Nach Velarvokal medial als [x] in .zogen' (D) und in .verzogen' (N). Deletion von intervokalibt,hcm /g/ liegt u.a. vor in .Gelegenheit, Regen, morgen' (D)
Nasalkonsonanten Nhd. / m /
entspricht / m / in den Dialekten z.B. in .mit, immer, um'.
74 Nhd. /n/
entspricht /n/ initial und final z.B. in .nicht, in' und medial in .Winter'. NachDeletion von nachfolgendem Dentalverschluß kann jedoch /q/ für nhd. /n/ stehen, so in .Linde, hinter' vgl. Assimilation, Kap. 10.2. entspricht /q/ in ,Anger, jung, getrunken'. Final auch noch als /qk/ in .ging', (D) und jung' (N).
Nhd. /x)l
Reibelaute Nhd. /{/
Nhd. /v/
Nhd. /s/
Nhd. /z/ Nhd. /// Nhd. /c/
Nhd. /c/
Nhd. I)/ Nhd. /h/
Entsprechungen sind /f/ initial, medial, final in ,Feld, Kaffee, auf', /v/ medial in ,Hafer' und /p/ in dem Reliktbeleg ,Hof' in Dudenrode und Netra. entspricht /v/ in ,wie, zwei'. In einigen Fällen jedoch als /b/ initial in /be:/ ,wie' und [ba] ,wird (gegessen)' in Dudenrode (Sp.i) und in [ba: ms] .waren wir' in Netra (Sp.3) (vgl. ThDA Karte 39 .wer' und Textteil des ThDA, S. 179). entspricht initial, medial final /s/ in .sieben, essen, daß'; jedoch /// nach /r/ in .erst, Donnerstag, Dudersbach (N), Wurst, war's (N)'. Im Beleg zu .Kessel' ist aus Dudenrode /s/ belegt, aus Netra jedoch [z] . Auch in .große' variiert [s - z] . entspricht /s/ mit Variant [z] z.B. in .Saal' und in .Hase' (D) und .Mäuse' (N). entspricht /// in .schon, -bursche, hübsch (D), Tusch (N)'. Variante [3] in .waschen' (N). = [5] entspricht in beiden Dialekten [5] , steht aber in Dudenrode auch nach /a/, wenn dieses aus wgm. e (so in ,gefechtet' und in schlechter'). [5] medial in .leichter', final in .durch'. Als /j/ in .Kirche' und als [x] in .feucht' nach dem Monophthong /u/. = [x] entspricht medial und final im Dialekt [x] in .Wochen, Loch'; medial nach Velarvokalen [x - y] z.B. in .machen'; als [9] in .besuchen' vor /i:/ (D). entspricht /j/ z.B. in jetzt'. Kein Beleg für medial. entspricht /h/ z.B. in .heiß'; medial [9] in .höher' und in .aufstehen' (D). Zu Deletion vgl. Assimilation.
Affrikaten Nhd. /pf/
Nhd. /ts/
entspricht initial /f/ z.B. in .gepflanzt' (D) und in .-pflanzen, Pfarrer, Pferde(-)' (N); medial /b/ in .stopfen, Töpfe' (D), aber /pf/ in Netra in ,Töpfe', schließlich /b/ final in ,Knopf*, in Dudenrode, aber / f / in Netra in .Strumpf*, glimpflich)'. Zur Lautverschiebung vgl. Kapitel zur sprachlichen Situation der Orte. initial /ts/ in .zehn, zwölf', aber [ts - s] in ,zu'. Nur /s/ final in ,tanz(en), ganz'.
Liquide Nhd./l/
entspricht mundartlich /!/ in ,Loch, allein, weil'. Als velarisiertes [1]
75
Nhd. /r/
vor allem nach offenen Vokalen (kurz und lang) aus mhd. e (wgm. e) wie in ,Geld, schnell, welk'; in Netra relativ oft bei Sp.3. Die mundartlichen Realisationen von /r/ u.a. die Vokalisierung, entsprechen weitgehend denen der Standardsprache bzw. Umgangssprache. Die positionsbedingten Varianten [r] und [E] sind bei den älteren Sprechern Sp.i und Sp.3 aus Dudenrode und Sp.3 aus Netra belegt, [R] und [B] bei den jüngeren Sprechern. Dabei ist zu bemerken, daß die Sprecher von Zungen-r das Äquivalent von /r/ in präkonsonantischer und finaler Position seltener vokalisieren als die Sprecher des [R] (vgl. unter /r/ S. 47). Beispiele für [r] bzw. [R] ,(he)raus, rein*', für [B] ,Korn' und .wieder' (zu den r-Varianten im Nhd. vgl. GÖSCHEL 1971, S. 114-115 und Abb. 22 auf S. 94).
Im Rückblick auf den Vergleich zwischen hochdeutschen Vokal- und Konsonantenphonemen und ihren mundartlichen Äquivalenten soll nun noch einmal die Frage gestellt werden, wo Dialektsprecher von Dudenrode und Netra beim Erlernen des Lautsystems der deutschen Standardsprache Schwierigkeiten haben könnten und wie diese zu beheben sind. Bei der Gegenüberstellung von hochdeutschen Vokalphonemen und Entsprechungen im Dudenröder und Netraer Dialekt wurde deutlich, daß die Aufmerksamkeit der Lernenden bzw. Lehrenden der Standardsprache bei den Langvokalen vor allem den o-Varianten von nhd. /a:/, bei den Kurzvokalen den a-ae-Varianten von nhd. /e/ (aus mhd. e) gelten muß, daß neben den in der Mundart nur reliktartig vorhandenen gerundeten Palatalvokalen besonders die Diphthonge geübt werden müssen. Es ist jedoch anzunehmen, daß im Gegensatz zum /a:/ -und /e/- Bereich die Diphthonge wegen der besonders ohrenfälligen sprachlichen Entsprechungen (z.B. /u:/ statt nhd. /ao/) weniger Mühe bereiten werden. Für den Konsonantismus und die Didaktik der hochdeutschen Aussprache ergeben sich für Dialektsprecher aus Dudenrode und Netra vor allem drei wichtige Übungsbereiche: 1. Kontrastieren von Lenis und Fortis, stimmhaft und stimmlos bei den Verschlußlauten; 2. Substituieren von u.a. Lenisreibelauten in intervokalischer Position durch Lenisverschlußlaute und 3. Bewußtmachen aller Realisationen von vor allem nhd. /g/. Eine verständnisvollere Aussprachepflege könnte auch dadurch gefördert werden, daß bei kontrastiven Sprechübungen Beispiele der sprachgeschichtlichen Prozesse herangezogen werden. Hier einige Beispiele:
1. Öffnung des Vokals vor /r/
2. Öffnung des Vokals von /l/ 3. Dehnung vor Liquiden u. Nasalen
wgm. i i u u u i e a e
Nhd. 1 i: u u u i: e a e
Mda. Beispiele: e Kirmes a: ihre (D) 0 Bursche (N) e durch, für a Wurst e: spielen a Feld, welk a:/a: Hand, Salz e: Ernte
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11. Wortbildung 11.0. Vorbemerkung Unter dem Thema Wortbildung sollen nur komplexe Wortstrukturen untersucht werden. Unter komplex wird hier formal komplex verstanden unabhängig von der Komplexität zugrundeliegender semantischer Strukturen, also Wörter, die aus mehr als Stamm plus grammatischer Endung bestehen. Dies schließt Wortbildungspaare wie .ziehen - Zug, Futter - füttern' aus der Untersuchung aus. Bei Dialektaufnahmen mit Themen des bäuerlichen Alltags wie die vorliegenden TA wird mancher Leser im voraus kaum allzu komplexe Wortbildungsformen erwarten, da der an abstrakten Komposita besonders reiche Wortschatz u.a. der Verwaltung und der Wissenschaft vollkommen ausgeklammert ist. Die Ziele der folgenden Untersuchung sind die Beantwortung der Frage, wie komplex die Struktur der Wörter ist, und dem Lehrer, der die Kommunikationsfähigkeit seiner den Dialekt sprechenden Schüler entwickeln soll, mehr Informationsmaterial zugänglich zu machen. Da es sich bei den Informanten um Personen handelt, die für ihren Lebensbereich überdurchschnittlich einsichtig und erfahren sind, kann ihre sprachliche Ausdrucksfähigkeit als positives Modell für das jeweilige Lebensalter gelten. Als Orientierungsrahmen für die Untersuchung zur Wortbildung wird das traditionelle Kategorienschema Verben, Substantive, Adjektive, nichtflektierbare Adverbien und Quantitätspartikel dienen, das wichtigste Kriterium der Zuordnung dabei die Funktion des Wortes im syntaktischen Kontext sein. Substantivierte Infinitive und Partizipien, die als Attribute u.a. vor Substantiven gebraucht werden, können damit nicht der Kategorie Verben zugeordnet werden. Eine Ausnahme bilden die Kategorien Adjektive und Adverbien. Die Zahl der Adverbien wurde dadurch beschränkt, daß die Adjektive, die im vorliegenden Text adverbiale Funktion haben, aber in anderer syntaktischer Stellung flektiert werden, zu den Adjektiven gerechnet werden. Unter Adverbien werden hier also nur die nichtflektierbaren Adverbien des Ortes, der Zeit sowie die modalen und kausalen Adverbien verstanden. Nur etwa fünf komplexe Wörter, die aus mehr als Stamm und grammatischer Endung bestehen, ließen sich nicht in die erwähnten Kategorien einordnen.
11.1. Verben Komplexe Verben lassen sich formal am einfachsten nach der Art ihrer Präfixe oder Suffixe einteilen. Von den Verben auf -ieren ist in den Aufnahmetexten aus Dudenrode und Netra nur jeweils ein Beleg notiert worden. Ordnungsprinzip ist deshalb die Art des Präfixes und hierbei wiederum das Kriterium betont bzw. unbetont. Die weitere Einteilung richtet sich nach der ursprünglichen Wortart der Präfixe, der Häufigkeit der Belege und der alphabetischen Reihenfolge. Mit Präfix sind hier Segmente gemeint, die dem Verbalstamm vorausgehen, also die weitere Bedeutung von Prä + fix, die auch Wortbildungen wie ,hoch + heben' und ,hand + arbeiten' betrifft. Da das grammatische Suffix für die hier durchzuführende Wortbildungsanalyse irrelevant ist, wird bei der Angabe der Belege auf die grammatische Differenzierung der Belege verzichtet und der besseren Lesbarkeit wegen nicht nur wie schon in einigen der frühe-
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ren Kapitel das schriftsprachliche Äquivalent aufgeführt, sondern auch der Verbstamm immer mit der für das Verb charakteristischen Infinitivendung verbunden. In den Texten aus Dudenrode bestehen mit fünf Ausnahmen (diese sind kursiv gedruckt) alle komplexen Verben nur aus einem Präfix und Verbalstamm. Nur bei einem Beleg kann der Verbalstamm nicht ohne das (unbetonte) Präfix verwendet werden: ver+quansen, verkaufen'. Die einzige Verbform auf -ieren ist kassieren (1/5238). Aus Dudenrode liegen folgende präfigierte Verben vor: 1. mit betontem Präfix 1.1. Präfix = Präposition ab+ : brechen, haben, laden, stechen, zahlen aus+ : füllen, lesen, machen, nehmen, säen auf+ : fangen, hängen, passen, stehen mit+ : helfen, kommen, nehmen hin+ : machen, ziehen (he)rein+ : langen, schütten Außerdem mit nur jeweils einem Beleg die Präpositionspräfixe: an+fangen, d(a)ran+ machen, durch+ drehen, ein+ laden, (he)raus+ gehen, her+ gehen, (vor+ be+ reiten)) weg+ machen, zu+ machen 1.2. Präfix =Verb hängen+ bleiben 1.3. Präfix = Substantiv bzw. Adverb hand+ arbeiten heim+ kommen 1.4. Präfix = Adjektiv hoch+ heben sauber+ machen 2. mit unbetontem Präfix be+ : graben, halten, schauen, schließen, sprechen, stellen, suchen ver+ : kaufen, quansen, saufen er+ : kennen, zählen Außerdem mit nur je einem Beleg die unbetonten Präfixe: ge+ fallen, über+ brühen, wieder+ holen, zer+ teilen In den Texten aus Netra bestehen mit vierzehn Ausnahmen (wie ge+ sund+ heit+ en; die übrigen Ausnahmen sind kursiv gedruckt) alle zusammengesetzten Verben nur aus einem Präfix und dem Verbstamm. In sechs Fällen können die Verbstämme nicht ohne Präfix (unbetont) verwendet werden: be+ ginnen, be+ obachten, be+ rappen, be+ teiligen, ver+ gessen, ver+ längern. Der einzige Beleg eines Verbs auf -ieren ist marschieren (1/5247). Aus Netra liegen folgende präfigierte Verben vor: 1. mit betontem Präfix 1.1. Präfix = Präposition ab+ : brühen, gehen, nehmen, stechen, stürzen, warten aus+ : graben, machen, pumpen, schlagen ein+ : drücken, fahren, salzen, schenken mit+ : bringen, er+ zählen, machen, nehmen
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an+ : nehmen, pinseln, setzen auf+ : laden, machen, passen vor+ : be+ reiten, bei+ treten, nehmen (he)raus+ : kommen, machen (he)rein+ : kommen, kriegen (he)rum+ : balgen, blasen Außerdem mit nur jeweils einem Beleg die Präpositionspräfixe: d(a)ran+ machen, durch+ setzen, her+ an+ rücken, los+ gehen, nach+ lassen, um+ fallen, weg+ kriegen 1.2. Präfix = Adverb heim+ : fahren, kommen 1.3. Präfix = Adjektiv sauber+ machen mit unbetontem Präfix ver+ : bieten, binden, dienen, gessen, kleiden, langen, längern, sammeln, stecken, ziehen be+ : ginnen, graben, ob+ achten, rappen, sorgen, stellen, teil+ igen, zahlen er+ : leben, zählen ent+ : sinnen
11.2. Substantive Wenn bei den komplexen Verben die Präfixe das wichtigste Ordnungsprinzip waren, so bei den substantivischen Ableitungsformen die Suffixe und bei den Zusammensetzungen Zahl und Art der Konstituenten. 11.2.0. Orts-, Flurnamen, Häuser- und Familienbeinamen Der Analyse der Ableitungen und Zusammensetzungen sollen als relativ einheitliche Sondergruppe die Orts- und Flurnamen sowie die Häuser- und Familienbeinamen vorausgeschickt werden. Unter den Ortsnamen wird auch ein Inselname geführt. Es ist interessant, wie ähnlich die formale Struktur der komplexen Orts- und Flurnamen sowie Häuser- und Familienbeinamen ist. Sie ist durchgehend zweigliedrig, wobei die zweite Konstituente immer verständlich, die erste in einigen Fällen durch Lautveränderung jedoch nicht mehr direkt zugänglich ist. So Allen+ in Allen+ dorf, Duders+ in Duders+ bach und Viedt+ in Viedt+ ecken, um nur von jeder Art ein Beispiel zu nennen (Vgl. auch die Struktur der Wochentagsnamen, die hier nicht analysiert werden, da ihre ma. Struktur mit der hspr. übereinstimmt). Aus Dudenrode wurden belegt als 1. Ortsnamen: Allen+ dorf, Duden+ rode, Ham+ bürg, Helgo+ land, Hundels+ hausen, Witzen+ hausen 2. Flurnamen: Bann+ rod, Bram+ berg, Hasen+ ecke, Hasen+ winkel, Hirten+ wiese, Mühl+ land, Richer+ rode 3. Häuser- und Familienbeinamen: Hirten+ hans, Viedt+ ecken
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Aus Netra.wurden belegt als 1. Ortsnamen: Esch+wege 2. Flurnamen: Aschen+ born, Duders+ bach, Schweine+ born 3. Häuser- und Familienbeinamen: Anger+ adam, Bern+ hard, Fisch+ bach, Nagel+ schmied, Viedts+ haus, Weiß+ bait (bzw. bärtchen)
11.2.1. Ableitungen Sie sind aus Dudenrode und Netra mit folgenden Derivationssuffixen belegt: +chen, +e, +(er)ei, +er, +heit, +schaft, +ung. Aus Dudenrode außerdem +tum und aus Netra noch +keit und +sch(e). Besonders zahlreich sind in beiden Dialekttexten die Ableitungen auf +er: sieben Belege aus Dudenrode, acht aus Netra. Relativ häufig belegt sind außerdem in Netra das Diminutivsuffix +chen mit neun Belegen und das Suffix +schaft in Dudenrode mit sechs Belegen. Aus Dudenrode liegen folgende Substantivableitungen vor: +er Beschau +er, Dudenrod +er, Maur +er, Metzg +er, Musik +er, Weck +er, Weißbind+er +schaft Bekannt +schaft, Gesell + schaft, Kirmesgesell +schaft, Landwirt +schaft, Verwandt +schaft, Wirt +schaft +ung Bedeut +ung, Gemark +ung, Ordn +ung, Stell +ung +chen Mäd +chen, Ständer +chen, Töpf +chen +heit Gelegen +heit, Mensch +heit, Trocken +heit +ei Ziegel +ei +tum Alter +tum Aus Netra liegen folgende Substantivableitungen vor: +chen +er +schaft +ung +erei +heit +keit +sch(e)
Ämter +chen, Bärt +chen, Fäß +chen, Gehacktesbröt +chen, Lied +chen, Mäd +chen, Schnäps +chen, Wasserhäus +chen Bärenleit +er, Bau +er, Lehr +er, Metzg +er, Pfarr +er, Schlag +er, -beschau +er, Zuschau +er Landwirt +schaft, Verwandt +schaft, Wirt +schaft Leit +ung, Ordn +ung, Verkleid +ung Hack +erei, Hufschmied +erei, Spritz +erei Dumm +heit, Trocken +heit Haltbar +keit, Wirklich +keit Kalmer +sch, Netra +sche
11.2.2. Zusammensetzungen Substantivische Zusammensetzungen sind in beiden Dialekten bis zu vierteilig. Es überwiegt jedoch die Gruppe der zweiteiligen Komposita, und darunter überwiegend diejenigen, deren beide Konstituenten Nomen sind.
80 11.2.2.1. Komposita mit zwei Konstituenten (1) Substantivierter Infinitiv mit einer (vorangehenden) Konstituente: Mit Ausnahme von zwei Belegen besteht die modifizierende Konstituente nur aus einem Lexem. Die modifizierende Konstituente hat folgende Funktion: Dudenrode: 1. Akkusativobjekt - Heu+machen, Kartoffel+, Kraut+, Rüben+ ausmachen 2. Modaladverb - Fern+sehen, Lang+füttern, Welk+werden 3. Zeitangabe - Mittag+essen Netra: nur als Akkusativobjekt - Gehacktes+essen, Heu+machen, Kartoffel+ pflanzen (2) Zwei Nominalstämme: S N j + SN2 Diese besonders zahlreichen Komposita lassen sich mit Ausnahme von vier Belegen nach den ihnen zugrundeliegenden Bezugssystemen in fünf Strukturtypen einteilen. Die vier Ausnahmebelege sind: Haus+halt, Jahr+zehnt, Kilo+meter und Vieh+tier. Die fünf Strukturtypen lassen sich durch folgende Paraphrasierungen feststellen und den Belegen zuordnen: Leiter des (von/für) Bären Formel: SN2 des SNi Likör aus Eiern (gemacht) 2. Typ - Eier+likör Formel: SN2 aus SN^ Land mit Stoppeln (bedeckt) 3. Typ - Stoppel+land Formel: SN2 mit SNi 4. Typ - Land+arbeit Arbeit auf dem Land Formel: SN2 lokal (in/auf) S N j Arbeit im Winter 5. Typ - Winter+arbeit Formel: SN2 temporal (in/um) SNi Die starke Vereinfachung der obenstehenden Gliederung ist nur durch die stark zusammenfassende Darstellung verzeihlich. Bei allen 5 Typen läßt sich die erste Konstituente durch Fragen der zweiten zuordnen, z.B. 4 und 5 durch „wo" und „wann". Den Komposita des 1. Typs liegen Genetivkonstruktionen zugrunde, von denen die einen durch ein Syntagma mit „von", die anderen eher durch ein Syntagma mit „für" ersetzt werden können. So liegen den Komposita Bären+leiter, Heu+ ernte, Salz+straße folgende Konstruktionen zugrunde: Leiter des Bären (von/für), Ernte des Heus (von), Straße des Salzes (für). 1. Typ - SN2 des SNi (Genetivkonstruktion) Dudenrode: 1.1. ,von'-Syntagma: Getreide+, Heu+, Kartoffel+, Körner+, Rüben+ernte; Glauber+salz; Handels+leute; Kirch+messe 1.2. ,für'-Syntagma: Salz+straße, Zucker+fabrik (d.h. Fabrik für die Zuckerherstellung) Netra: 1.1. ,von'-Syntagma: Grummet+, Heu+, Kartoffel+, Korn+, Körner+ernte, Heu+machen, Kartoffel+pflanzen, Kirch+messe 1. Typ
-
Bären+leiter
81
1.2. ,für'-bzw. ,von'-Syntagma: Bären+leiter, Ernte+kranz, Ernte+krone, Flur+name, Gemeinde+fest, Gottes+dienst, Hof+reite, Huf+schmiederei, Mause+loch, Pferde+geschirr, Prozent+satz, Runkel+haufen, Trichinen+beschauer, Wasser+häuschen 2. Typ - SN2 aus SNj Dudenrode: Laub+heu Netra: Blut+, Leber+wurst, Gehacktes+essen, Eier+bier, +likör; in Futter+werk und Vieh+zeug hat die 2. Konstituente schon Suffixfunktion. 3. Typ - SN2 mit SNj Dudenrode: Kachel+ofen, Kartoffel+land Netra: Gehacktes+brötchen, KartoffeB-, Stoppel+land, Fackel+zug 4. Typ - SN2 in/auf/ an SN1 (lokal) Dudenrode: Berg+werk, Ruck+sack, Schul+kinder, Stall+arbeit Netra: Hand+wagen, Land+arbeit, Platz+bursche, Schloß+teich, Seiten+wand (Erd+boden mit mehreren zugrundeliegenden Syntagmen). 5. Typ - SN2 in/um SNj oder umgekehrt (temporal) Ist die 1. Konstituente SNj eine Zeitangabe wie in Sommer+getreide, so enthält die zugrundeliegende Paraphrasierung einen Relativsatz mit Relativpronomen, das auf die 2. Konstituente Bezug hat,Getreide, das im Sommer gesät wird'. Ist jedoch die 2. Konstituente SN2 die Zeitangabe wie in Kaffee+pause, so enthält die zugrundeliegende Paraphrasierung einen Nebensatz mit der Konjunktion ,wenn': .Pause, wenn Kaffee getrunken wird' o.ä. Dudenrode: SNj = Zeitangabe - Abend+brot, Winter+fest SN2 = Zeitangabe - kein Beleg (Mit+tag?) Netra: SNj = Zeitangabe - Abend+brot, Sommer+getreide, +weizen, Winter+arbeit, +frucht, +gerste SN2 = Zeitangabe — Jugend+zeit, Kaffee+pause, Mäuse+jahr, Polizei+stunde, Ruhe+pause (Mit+tag?) (3) Verbalstamm und Nominalstamm: SV + SN Diese Komposita sind sehr viel seltener als Zusammensetzungen aus zwei Nominalstämmen. Aus Dudenrode liegen lediglich sieben, aus Netra nur acht solcher Komposita vor. Dudenrode: Brannt+wein, Feier+abend, Näh+, Spinn+stube, Schlaöhte+fest, +fleisch, +kohl Netra: Feier+abend, Flitze+bogen, Hack+pflug, Koch+wasser, Nieß+pulver, Riihr+ei, Schlacht+fest, Schneid+ernte (4) Adjektivstamm und Nominalstamm: SA + SN Dudenrode: Früh+jahr, +stück, Rote+wurst, Weiß+binder, Welk+werden Netra: Früh+jahr, +stück, Gar+, Rote+wurst, Sauer+kohl, Ober+, Unter+ dorf, Ur+opa (Weiß+bärtchen vgl. 11.2.0.) (5) Adverbial- bzw. Präpositionalstamm und Nominalstamm: SAdv/Pr + SN Als Adverbien werden nur unflektierbare Partikel einbezogen. Dudenrode: Bei+name, Bei+spiel, Um+zug, Unter+gang, Zusammen+halt Netra: Ab+schnitt, An+fang, Auf+gabe, Aus+nahme, Bei+name, Bei+spiel, Vor+fahren, Zu+schauer, Zwischen+pause
82 11.2.2.2. Komposita mit mehr als zwei Konstituenten Substantivische Zusammensetzungen mit mehr als zwei Konstituenten sind in beiden Dialekten ausgesprochen selten. Die unter ihnen stärkste Gruppe sind die Komposita, die nur aus Nominalstämmen bestehen. (1) Alle Konstituenten = Nomen: SNi + SN2 + SN3 (+ SN4) Dudenrode: Abend+brot+wurst, Diens+tag+abend, Kir+mes+bursche, Mon+tag+ morgen, Sonn+abend+, Sonn+tag+abend, +morgen, +nacht Netra: Abend+brot+pause, Kir+mes+diens+tag, Mon+tag+morgen, Sonn+ abend+abend (2) 1. Konstituente = Präpositionalstamm: SPr + SNj + SN2 Dudenrode: Nach+nnt+tag Netra: kein Beleg (3) Mittlere Konstituente = Verb: SNi + SV(+ SPr)+ SN2 Dudenrode: Milch+kühl+an+lage Netra: Ernte+dank+fest Falls beim Abzählen von Konstituenten auch Derivationssuffixe und Präfixe hinzugezogen werden, so ist neben dem Kompositum ,Milch+kühl+an+lage' aus Dudenrode der Beleg ,Ge+hack+t+es+bröt+chen' aus Netra die komplexeste Wortbildung aus den Texten der beiden Dialekte. Beide sind jedoch offensichtlich Übernahmen aus dem Hochdeutschen.
11.2.2.3. Komposita mit unbetonter Vorsilbe Hier sollen noch kurz die Substantivzusammensetzungen genannt werden, die mit unbetonter Vorsilbe beginnen und zu denen auch die eben notierte komplexeste Wortbildung zählt. Dudenrode: Netra:
Be+deutung, Be+kanntschaft, Be+schaucr, Be+such, Ge+legenheit, Ge+markung, Ge+sellschaft, Ge+treideernte, Ver+wandtschaft Be+darf, (Trichinen-)be+schauer, Be+such, Ge+hacktesbrötchen, Ge+ hacktesessen, Ge+mähre, Ge+meinde, Ge+meindefest, Ge+nick, Ge+ schichte, Ge+sicht, Ver+kleidung, Ver+wandtschaft.
Es überwiegen deutlich Komposita mit der Vorsilbe ,Ge+'. Auf eine weiterführende Analyse muß hier verzichtet werden.
11.3. Adjektive In den Texten von Dudenrode sind komplexe Adjektive - mit nur zwei Ausnahmen (ge+wiss, un+ge+fähr) - alles Derivationen mit den Suffixen +ig, +lich, +bar (in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit). Etwas vielfältiger ist das Material aus Netra. Mit Ausnahme dreier komplexer Adjektive ohne Suffix (all+ge+mein, ein+fach, jahre+lang) sind alle komplexen Adjektive in Netra Derivationen mit den Suffixen +lich, +ig, Ke)n und mit weniger als drei Belegen +(e)nd, +t, +bar und +haft. Die komplexe-
83 sten Adjektive bestehen aus zwei Wortstamm-Konstituenten plus Derivationssuffix wie haupt+säch+lich und wahr+schein+lich. Dudenrode:
+ig +lich
+bar ohne Suffix Netra: +lich
+ig +(e)n +(e)nd +t +bar +haft ohne Suffix
ein+ig, einz+ig, fert+ig, reichhalt+ig, richt+ig, vor+ig, wen+ig ähn+lich, eigent+lich, gemüt+lich, hauptsäch+lich, natür+lich, ziem+lich frucht+bar ge+wiss, un+ge+fähr bedenk+lich, eigent+lich, fürchter+lich, gewöhn+lich, glimpf+lich, hauptsäch+lich, mög+lich, natür+lich, wahrschein+lich, wirk+lich, ziem+lich fert+ig, vor+ig, vorläuf+ig, wicht+ig steiner+n, verschied+en, verstorb+en, zufried+en anhalt+end, anschließ+end sogenann+t, verfrei+t (.verheiratet1) furcht+bar leb+haft all+ge+mein, ein+fach, jahre+lang
Aus dem Material wird deutlich, daß nur einige wenige Adjektivderivationen häufig verwendet werden, mit großer Überzahl die auf +lich und +ig. Eine Erklärung zu dieser Beliebtheitskala wäre eine Untersuchung wert, sie ist ein Desideratum.
11.4. Adverbien Als Adverbien werden hier nur die nichtflektierbaren Partikel untersucht. Adjektive, die in den Texten aus Dudenrode und Netra die Funktion von Adverbien übernehmen, jedoch in anderem Kontext flektiert werden können, wurden als Adjektive unter 11.3. untersucht (vgl. 11.0.). Die in den Texten von Dudenrode und Netra notierten komplexen Adverbien können den Funktionskategorien der Lokal-, Temporal-, Modal- und Kausaladverbien zugeordnet werden. Da viele der Lokaladverbien auch temporal verwendet werden, soll hier die Gruppe der Lokal- und Temporaladverbien zusammen aufgeführt werden.
11.4.1. Lokal- und Temporaladverbien Komplexe Adverbien des Ortes und der Zeit lassen sich formal klassifizieren nach ihrer Kombinierbarkeit mit den Affixen da+, +mal und den als Präfix und Suffix belegten +her+ und +hin+. Aus Netra sind zusätzlich noch die beiden Affixe vor+ und +weise belegt. Nicht in dieses Schema passen aus Dudenrode acht und aus Netra fünf Belege. Sie werden in folgendem als Restbelege aufgeführt. Die Adverbialpräfixe da(r)+, her+ und hin+ werden durchgehend nur mit Präpositionen kombiniert. Dabei fallen wie im Umgangsdeutsch vor den Präpositionen mit initialem Vokal nach Einfügung von /r/ nach da+ der Vokal des unbetonten Präfixes weg, bei her+ und hin+ außerdem das /h/ des Präfixes. So wird wie im Umgangsdeutsch da+r+an zu dran, her+aus zu raus und hin+aus zu naus.
84
Dudenrode:
Netra:
d(a)(r)+ bei, heim, hin, an, auf, in, unter, von, zu (he)r+ aus, ein, um, auf (hi)n+ auf, aus, ein +hin da, vor +mal(s) da, ein, erst, manch Restbelege aller+wärts, aus+ein+ander, mit+unter, (nach und nach,) über+all, wo+anders, zu+letzt, zwischen+durch d(a)(r)+ bei, drunten, heim, her, hinter, an, auf, inne, üben, um (he)rum, zu, zwischen (he)r+ an, aus, ein, um, unter (hi)n+ auf, aus, ein +her bei, da, hinter, nach, vor +hin über +mal ein, erst, manch, noch, iks (bzw. x-) vor+ bei, her (und in vorneweg) +weise stellen Restbelege in+zwischen, mit+tags, nach+mit+tags, zu+erst, zwischen+durch
11.4.2. Modaladverbien Zu den komplexen Modaladverbien sollten trotz „Auseinanderschreibung" noch folgende beiden Wortgruppen gezählt werden, die aus beiden Dialekten belegt sind: an und für sich, je nach dem. Beide haben die Funktion von Modaladverbien. Dudenrode: Netra:
all+ein, außer+dem, be+sonders, eben+falls, einer+lei, irgend+wie, so+gar, viel+leicht, zu+recht, zu+sammen all+ein, alle+mal, aller+dings, aller+hand, durch+ein+ander, hundert+ weise, meinet+wegen, über+haupt, zu+sammen.
11.4.3. Kausaladverbien Komplexe Kausaladverbien sind ausgesprochen wenig vertreten. Dudenrode: Netra:
al+so, da+durch al+so, ob+wohl, trotz+dem, war+um.
11.5. Zahlwörter Als komplexe Zahlwörter sind aus den Texten von Dudenrode lediglich die sprachlichen Entsprechungen zu 93 und 1911 belegt, aus den Texten von Netra jedoch folgende stattliche Reihe: 15, 39, 59,1911, 1959, 16, 17, 14, 20, 22.
85 11.6. Unbestimmte und bestimmte Quantitätspartikel Weitere Quantitäspartikel mit komplexer Struktur, die sich den Zahlwörtern anschließen, sind aus Dudenrode: ein biß+chen, et+was, irgend+was; und aus Netra: andert+halb, ein biß+chen, et+was, irgend+ein, nicht+s, vier+tel. Damit wären alle komplexen Wortstrukturen erfaßt, die aus den Texten von Dudenrode und Netra belegt sind.
11.7. Zusammenfassender Überblick Während in beiden Dialekten die Gruppe von komplexen Verben mit betonten Präfixen aus ehemaligen Lokalpräpositionen (ab, auf, aus) sehr groß ist und damit die Texte beider Dialekte an Bewegungsdynamik gewinnen, ist der Gebrauch von komplexen Verben mit unbetonten Präfixen in den beiden Dialekten unterschiedlich. Von den Dudenröder Sprechern wird das Präfix ver+ nur in Verbindung mit drei Verbstämmen verwendet: kaufen, quansen, saufen. Von den Netraer Sprechern sind jedoch zehn verschiedene Verbalkombinationen mit ver+ belegt. Den Texten beider Dialekte ist wiederum das Kuriosum gemeinsam, daß jeweils nur ein einziges Verb auf +ieren notiert werden konnte: kassieren aus Dudenrode und marschieren aus Netra. Nach diesem letzten nicht ganz so irrelevanten Detail könnte man bei den komplexen Substantiven einmal die Frage nach den Abstrakta auf +heit, +keit, +schaft und +ung aufgreifen, um festzustellen, ob aus dem sozial städtischeren Netra wie bei dem Präfix ver+ auch mit diesen Derivationssuffixen mehr Kombinationen vorliegen als aus Dudenrode. Ein Vergleich der Belege bestätigt diese Annahme jedoch nicht. Der Schluß auf eine größere Beweglichkeit beim Gebrauch von Abstrakta durch die Sprecher aus Netra wäre hier etwas vorschnell gewesen. Es könnte jedoch vom sozialpsychologischen Standpunkt interessant sein, die Bedeutung der zumeist abstrakten komplexen Substantive auf +heit, +keit, +schaft und +ung einmal kurz zu prüfen und nach den geistigen Dimensionen zu fragen, die sich darin manifestieren. Neutral nach Suffix und alphabetischer Reihenfolge sind es folgende komplexe Substantive: Dudenrode:
Netra:
+heit +keit +schaft +ung +heit +keit +schaft +ung
Gelegenheit, Menschheit, Trockenheit kein Beleg Bekanntschaft, Gesellschaft, Kirmesgesellschaft, Landwirtschaft, Verwandtschaft, Wirtschaft Bedeutung, Gemarkung, Ordnung, Stellung Dummheit, Trockenheit Haltbarkeit, Wirklichkeit Landwirtschaft, Verwandtschaft, Wirtschaft Leitung, Ordnung, Verkleidung
Von den insgesamt dreizehn Belegen aus Dudenrode und den zehn Belegen aus Netra sind beiden Gruppen von Dialektsprechern folgende gemeinsam: Trockenheit (aktuelles Thema im Jahr der Aufnahme, 1959), Landwirtschaft, Wirtschaft, Verwandtschaft, Ordnung. Ein weiterer Vergleich des Sprachgebrauchs der Dudenröder und Netraer Spre-
86 eher zeigt vor allem bei den zusammengesetzten Substantiven aus der schwierigen Genetivstrukturgruppe sowie bei den komplexen Adjektiven, Adverbien und Zahlwörtern, daß die Wortbildung der Netraer Sprecher vielseitiger ist. So liegen aus Dudenrode 15 komplexe Adjektive, aus Netra jedoch 28 vor, fast das doppelte. Aus Dudenrode sind 44 komplexe Adverbien belegt, aus Netra 55. Bei den komplexen Adverbien überwiegen bei weitem die deiktischen des Ortes mit da+, +her+, +hin+. Modale und kausale Adverbien, die sonst am stärksten den Ausdruck von Reflexion signalisieren und modifizieren, sind aus beiden Dialekten hingegen sehr wenig belegt. Zusammenfassend kann also zur Komplexität der Wortbildung etwa das bestätigt werden, was anfangs angenommen wurde. Die Strukturen sind in beiden Mundarten vorwiegend einfacher Art. Die Vielfalt im Gebrauch komplexer Wortstrukturen scheint jedoch vom Kommunikationsradius der jeweiligen Gemeinde abhängig zu sein. In dieser Hinsicht liegen für die Gemeinde Netra günstigere Voraussetzungen vor als für Dudenrode.
12. Zur Morphologie und Syntax. Kontrastive Untersuchung. 12.0. Vorüberlegung Mit „kontrastiv" ist hier gemeint, daß nur die Erscheinungen in den Texten aus Dudenrode und Netra untersucht werden, die sich von denen des Hochdeutschen unterscheiden. Die Verbindung von Morphologie und Syntax ist dadurch gerechtfertigt, daß auch bei der Untersuchung morphologischer Fragen u.a. zu Pronominal- und Verbalformen immer der Satzkontext mit beachtet werden muß. Hier mögen zwei Probleme als Beispiele dienen: die Formen /mi:n/ und /min/ für ,mein' aus Dudenrode und der präfigierte Infinitiv /ge+mach+e/ .machen' aus beiden Dialekten. In den TA des Deutschen Spracharchivs von 1959 wird aus Dudenrode die Pronominalform ,mein' in ,mein Mann' und .mein Sohn' als unbetontes [min] belegt, im Kontext .dann ist die meiste Arbeit mein(e)' jedoch als betontes [mi:an] . Bei der nachträglichen Befragung von 1976 stellte sich heraus, daß [min] in Dudenrode nicht einfach als unbetontes Allomorph, [mi:n] als betontes gewertet werden darf. Ob mit syntaktischer Hauptbetonung wie in ,Das ist mein Haus (nicht deins)', oder unbetont wie in ,Das ist mein Haus (.nicht meine Scheune)', die Realisation ist immer /min/. Ähnlich bleibt auch das nachgestellte .mein', ob betont wie in ,Das ist meinfsf oder unbetont wie in ßas ist mein(s)', immer /mi:n/. Das Possessivpronomen /min/ wird also lautlich vom Personalpronomen /mi:n/ unterschieden, das formal dem alten Genetiv ähnlicher blieb. Die Sätze [dos .ga'heatt 'mi:,na] .Das gehört mir' und [das hus .ga'heiRt 'mii.na] .Das Haus gehört mir' sind als Kontamination aus ,Das gehört mir' und ,Das ist mein' zu verstehen (vgl. Paul-Stolte 1962 S. 427). Das an /mi:n/ angehängte Schwa erklärt sich wahrscheinlich als Angleichung an die Form des Possessivs und des mundartlichen Adjektivs (vgl. unter 12.3.). In Netra werden die beiden Morpheme lautlich nicht unterschieden. In beiden Kontexten ist /min/ belegt. Die Realisation [mi:n] (Sp.2) in ,mit meinem Onkel' ist eine Zufallsvariante. Als zweites Beispiel sei auf den Infinitiv mit Präfix /ge-/ verwiesen, der im syntaktischen Kontext ,Das kann ich noch machen' grammatisch richtig ist, jedoch nicht in einem Satz wie ,Das muß ich noch machen' (vgl. unter 12.4.2.).
87
12.1. Pronomen Bedingt durch den Kommunikationstyp des Interviews ist der Gebrauch der Pronomen in den Tonbandaufnahmen von 1959 sehr beschränkt. So fehlen die Formen der 2. P. Sg. und des Plurals vollkommen, d.h. die Personalpronomen der direkten familiären Anrede und die dazugehörigen Possessivpronomen ,du/dein..und ,ihr/ euer...'. Außerdem ist aus Dudenrode kein Possessiv der 3. P. Singular und der 1. P. Plural belegt. Die in Tonband-Aufnahmen des Deutschen Spracharchivs von 1959 belegten Personal- und Possesivpronomen: Personalpronomen Subjekt Objekt** Dudenrode
i?
Netra
15
l.Sg. Dudenrode
B - 3 0
me: mi:an mi(j)
Possessivpronomen min min _ men - mini - maen
i:m
es - as - s
0 0
B - 3 S3 es - 3S _ s
n
sm(d) - sin
S3 0
zin
me:(3) - ms
uns
me: - mu - ms
uns
unssn, unzsrs
Dudenrode
S3
aen
a:r(a)
Netra
S3
0
i:e(n)
3. Sg. Netra
Dudenrode
0
0
0
1. PL Netra 3. PI. ••Reflexiv in beiden Dialekten [si§] .sich' Zum Vergleich sollen hier die Belege aus den Wenkerfragebögen von 1879 (WS) aus Dudenrode und Netra und aus RASCH 1912 angeführt werden, die den oben angeführten Pronomen entsprechen: 1. Sg. Objekt WS (D) 8 mö ,mir'; RASCH 11 me .mir' 3. Sg. Objekt WS (D) 34 äm ,ihm\ 2 äss ,es'; RASCH 61, h? ,er',9gs ,es', f n ,ihn' Subjekt WS (N) 17 se, 2 es, 33 sin .sein'; RASCH 16 sin .sein' 1. PI. Subjekt WS (D) 31 meh .wir', (N) 12 me ,wir'; RASCH 31 me ,wir' Objekt WS 26 (D) unsem (N) unserm .unserem' 3. PI. WS 9 (D) ähren .ihren' (N) ehrer .ihrer'
88 Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, liegen für das Personalpronomen der 1. P. Plural aus beiden Dialekten mehrere Varianten vor. Es handelt sich jeweils um die Allomorphe /me:/ in betonter und /ma - ras/ in unbetonter Stellung. Diese z.T. r-losen Formen spiegeln einen besonders konservativen Lautbestand und werden von WIESINGER 1970 im Zusammenhang mit r-losen Formen zu ,mir, dir, ihr' als wichtigstes Kennzeichen des „Thüringischen Großraumes" genannt, zu dem er auch Nordosthessen rechnet (WIESINGER 1970, Bd. 2, S. 334). Die Belege aus den TonbandAufnahmen von 1959 stimmen auch weitgehend mit den Informationen überein, die der Karte 61 ,Die r-losen Pronomina in Thüringen', S. 258 in ROSENKRANZ 1964 zu entnehmen sind. ROSENKRANZ kennzeichnet darauf das Gebiet um Eschwege und Witzenhausen als r-los für ,er, wir, ihr, unser'. Leider liegt aus den TA von 1959 für die 3. P. Singular kein Beleg für die betonte Variante von ,er, sie' vor. Die auf der Tabelle angeführten Belege sind nur die Allomorphe für unbetonte Stellung. Bei einer nachträglichen Befragung von 1973 in Dudenrode (Sp.2 und Sp.3) und Netra (Sp.i) konnten die Paradigmen der Personalpronomen belegt werden. Personalpronomen nach der Zusatzbefragung von 1973 (Nominativ): Dudenrode PI. Sg. / 1. Person 2. Person 3. Person
[i?] [du:] [ha:] [se:] [es]
[me:] [de:] [se:]
Sg. [15] [du:] [hae:] [se:] [es]
Netra PI. / [me:] [de:] [se:]
Nhd. Sg./Pl. ,ich'/,wir' ,du'/,ihr' ,er'/,sie' ,sie' ,es'
Die r-lose Realisation von ,er' wird durch eine Aufnahme des Deutschen Sprachatlas, Marburg, bestätigt, die 1968 in Orferode, einem Nachbardorf von Dudenrode (gleiches Planquadrat) durchgeführt wurde; als die betonte Variante wurde [ha(:)] ,er' notiert. Auch im Wenkerfragebogen von 1879 wurde aus Dudenrode häh bzw. hah ,er' gemeldet, aus Netra hä ,er', aber auch er. Der DWA-Fragebogen von 1938/9 aus Dudenrode verzeichnet hä ,er', aus Netra ar ,er' (vgl. MITZKA 1968, S. 70).
12.2. Substantive Bei den Substantiven fällt die vom Hochdeutschen abweichende Singularform einiger Femina auf. So kann der Satz [dan gen sa in da 'gsr^an] bedeuten, daß eine Gruppe mehrere Kirchen besichtigt, aber auch, daß diese Gruppe nur eine Kirche besucht. Die Singularform des Substantivs ['ger^an] .Kirche' unterscheidet sich nicht von der Plualform (vgl. RASCH 20 und 57). Folgende Substantive, sogenannte feminine n-Stämme oder schwache Femina auf -n, haben im Singular finales -n beibehalten: — in Dudenrode: Ecke, Flasche, Hirtenwiese, Hecke, Kirche, Linde; — in Netra: Kirche, Miste, Mulde, Quelle, Sutte, Wintergerste.
89
ROSENKRANZ 1964 notiert auf Karte 2, S. 7, als,Westgrenze des Thüringischen' die Grenze Wiese/Wiesen, die westlich von Witzenhausen und Eschwege parallel zur pund/(p)fund-Linie verläuft und somit die Belege aus den TA von 1959 bestätigt. Gleichfalls im Gegensatz zum Neuhochdeutschen wurde unbetontes finales -e in Dudenrode in den Singularformen folgender Substantive erhalten: Kirmes, Schlachtefest, Uhr - mit der Realisation ['ker.masa] , ['jlaxda.fasda] und [im saegs 'ui.ra rim] ,um sechs Uhr rum'. Hinsichtlich mundartlicher Sonderformen des Plural vgl. Alternation Kap. 10.3.
12.3. Zahlwörter und Adjektive Unbetontes, finales -e wird außerdem in einigen Zahlwörtern und adjektivischen bzw. adverbialen Verbalergänzungen verwendet, die im Hochdeutschen ohne -e realisiert werden. Aus Dudenrode sind die Zahlwörter von vier bis zehn in der Aufzählungsreihe mit finalem -e belegt, als ['fi:,ra, 'fvm.fa] usw., in Netra jedoch eine elose Form, also [fiiu, fYmf] usw. Für beide Dialekte gilt dagegen, daß das Zahlwort ein e-Suffix erhält, wenn es im Satzkontext (mit Satzbetonung und) ohne nachfolgendes, durch das Zahlwort modifiziertes (betontes) Substantiv genannt wird z.B. ,um achte rum', aber ,um acht Uhr\ Kontrastsyntagmen zu Zahlwörtern Dudenrode
mit e-Suffix
ohne e-Suffix
YIU 'o:x,da RIM ,um acht rum' um 'fn.ra ,um vier'
o:xt 'J"du,na ,acht Stunden' firB fimf 'boi.ran ,vier fünf Paaren' fYmf yne ,fünf Uhr' im saegs 'ui.ra rim ,um sechs Uhr rum'
u m . . . 'fvm.va ,um fünf' im 'saeg.sa ,um sechs' am 'ei.na, am 'tsvae.a ,im 'dREi.a, vm . . . 'nii.na, im 'tsa:,na Rim, im 'el.va, Netra
um 'o:x,da rim ,um acht rum' o:xd v:v ,acht Uhr' um 'dRae,3 ,um drei' drae ure ,drei Uhr' am 'saeg.sa ,um sechs' um saegs m 'tsvoel.va RYHI (ohne Substantiv) ,um zwölf rum'
Leider war bei den Adjektiven und Adverbien mit Suffix -e nicht festzustellen, inwieweit diese Reliktformen durch den Satzkontext bedingt sind wie im Falle der Zahlwörter. Adjektivische Verbalergänzungen mit -e sind folgende Belege -
aus Dudenrode: allein, dick, feucht; aus Netra: allein, bunt, fest, feucht, klein.
90 Als Lokal-, Temporal- bzw. Modaladverbien mit -e liegen vor -
aus Dudenrode:
— aus Netra:
bald, gern, ungefähr, viel, zurecht, außerdem, drauf, davon, zuletzt; dran, viel.
Als Beispiele für den Satzkontext mögen folgende Belege dienen — aus Dudenrode:
-
aus Netra:
['boi.la] in ,Dann kann's bald schneien' ['di.ga] in ,Die Rüben sind nicht dick' [.tsa'RaE^da] in ,Dann wird die Fahne zurechtgemacht' ['bun.da] in .Gesichter werden bunt gemalt' f f u x . d a ] in ,es war . . . feucht'.
12.4. Verben Bei der Darstellung der Verbalformen soll zuerst auf die Hilfs- und Modalverben eingegangen werden. Dann folgt eine Untersuchung der Infinitiv- und Partizipialformen und ihre Abweichungen von den hochdeutschen Entsprechungen im syntaktischen Kontext.
12.4.1. Hilfs- und Modalverben Ebenso wie bei den schon unter Alternation genannten Verben sind auch die Paradigmen bei den Hilfs- und Modalverben ausgesprochen lückenhaft belegt in den TA von 1959. Relativ häufig sind daraus belegt die Formen der 1. und 3. Person Singular und Plural, Präsens und Präteritum. Nicht belegt ist jeweils die 2. Person Singular und Plural (vgl. 12.1. Pronomen). Im Paradigmenrahmen der Tabelle zu den TABelegen von 1959 wird die 2. Person Singular und Plural deshalb auch nicht aufgeführt. Die bei der Zusatzbefragung von 1976 gewonnenen Belege des Infinitivs und des Partizip Perfekts werden mit Asteriskus* gekennzeichnet und in die erste Tabelle eingesetzt. Anschließend werden in einer zweiten Tabelle die vollständigen Paradigmen der drei Hilfsverben zum Präsens und Präterit sowie der Infinitiv und das Part. Perf.wiedergegeben, die bei einer Zusatzbefragung aus dem Jahre 1973 notiert werden konnten.
91 Belege zu Hilfs- und Modalverben aus den Tonbandaufnahmen von 1959 mit Belegen zu Formen des Infinitivs und des Partizips Perfekt aus der Zusatzbefragung von 1976* Hilfsverben
Dudenrode
Netra
haben Infinitiv Part. Perf.
ho:* - ho:n - -ho:v .ga'hot*
ho:* .ga'hat* - .ga'hat - .ga'hod - .ga'habd han het - hat han han - hon - hen hat had - hod hadma .hatten wir' •ha.dn
Präs. Sg. PI. Prät. Sg. PI.
"ha.va het - hod hun - hon hun - hon - h an _ ha:m 0 0 'ha.dn 'ha.dn - 'ho.dan
Anmerkungen: WS (D) 196 hawe .haben', 199 me hun ,wir haben', se hun ,sie haben', WS (N) 9 hon ,ich habe', 20 se hon - han ,sie haben'; R A S C H 1912, 29 hä .haben (Inf.)', kahat .gehabt', 61 jy han ,ich habe' und me hyn ,wir haben', hf het ,er hat'.
sein Infinitiv Part. Perf. Präs. Sg. PI. Prät. Sg. PI. Kond. Sg, PI.
si:* ,ga'va:n* - ,ga'vae:n. _ ,g3've:s be:jn 'bin in' - bin es~ is sima .sind wir' sin vo:r vo:r ~ va:r 0 vo:r(a)n - vai(a)n 0 0
si: * - si - sin - .ga'se: ,g3'vae:sn* - ,g3'vae:zn - ,g8'vae:st bin es - is simE ,sind wir' sin vo - va: vot - vob - va:B - va: ba:ma .waren wir' voBn - 'va:,3n - 'va:,Bn veB 've.Bn
Anmerkungen: WS (D) 9 ich bän gawähn .ich bin gewesen', 4 äs ,ist' 6 sin ,sind'; WS (N) 4 iss ,ist' ben..gewesd ,bin. .gewesen'; R A S C H 1 9 1 2 , 1 5 sT ,sein\ 55 kowf st - 10 kawfn gewesen'; HASSEL 1942, 30 ?s ,ist', 28 gawcen - gawän.
92 Hilfsverben
Netra
Dudenrode
werden Infinitiv
va:,R3* - va:,r3 -
va.ra
"vaei.Ra* - "vaei.rs - 've:,r3
~'va:,3n - ve:r 'vD,R3n* _ vorn - ,g3'va:n
Part. Perf.
,(g3)'vDBn* - voBn - 'voB.dn - 'va.sn
- ,§3'vod3
Präs.
Sg. 1. 3. PI. 1. 3.
Prät.
Sg. 1. 3. PI. 1 3.
0
0
vert - virt
veBd - v e t - vred
veBnd
0
"vai.rsn - va:n vae:n - 've:,3n - "ve.Bn
"vaei.an - 'vae.Bn _ 've.Bn
0
0
'vu:,Bd - vu:d
'vu.Bd
0
0
0
'vuB.dn
Anmerkungen: WS ( D ) 2 ward ,wird\ WS ( N ) 28 wären .werden ( I n f . ) ' , 2 werd ,wird'; R A S C H 1912, 28 w?rs .werden ( I n f . ) ' ; H A S S E L 1942, 25 w a r n .werden (Inf.)'.
Modalverben
Dudenrode
Netra
dürfen Infinitiv
'deR.fa*
'deB.fn*
Part. Perf.
.ga'duRft*
.ga'duBft*
0
detjf
Präs. Sg.
3.
Anmerkungen: WS ( N ) 15 derfsd ,darfs'; R A S C H 1912, 13 t f r f s .dürfen'
können Infinitiv
kun*
Part. Perf.
.gs'kunft*
.gs'kunt*
Präs.
gan
kan
Sg. 1. 3. PI. 1. 3.
Prät.
PI. 3.
'ki.ns*
ga:n - kan
kan
ge:n
koms .können wir'
gun - kun
kun
'gun.dsn
0
Anmerkungen: R A S C H 1912, 13 tyin ,können'
93 Modalverben müssen Infinitiv Part. Perf. Präs. Sg. 1. 3. PI. 1. 3. Prät. Sg. 1. 3. PI. 3.
Dudenrode
mun* - 'mi,sn Cmu.tn*) mus mus 0 mun 0 0 'mu.dn
Netra
'mu.sa* .ga'must* mus mus 0 'mu.sn mud mud 'mu.dn
Anmerkungen: WS (D) 22 meh mun ,man muß'; WS (N) 22 man muss ,man muß' RASCH 1912, 25 myn .müssen', 25 muts ,mußte'.
sollen Infinitiv Part. Perf. Präs. Sg. 3.
sun* 0 sal - sul
suln* .ga'sult* 0
Anmerkungen: WS (D) 192 hä sali ,er soll'; RASCH 1912,12 syl .sollen'
wollen Infinitiv Part. Perf. Präs. PI. 1. 3. Prät. Sg. 1. 3.
vun* .ga'velt*. .ga'volt* 0 vun 0 0
vuln* .ga'vult* voma .wollen wir' 0 vol(d) vo:l - vol
Anmerkungen: WS (D) 37 wullen sie .wollen sie'; WS (N) 9 wollde .wollte'; RASCH 1912,12 wyl .wollen'.
94 Belege zu den Hilfsverben aus der Zusatzbefragung von 1973: Hilfsverben
Dudenrode
Netra
haben Infinitiv Part. Perf. Präs. Sg. 1. 2. 3. PI. 1. 2. 3. Prät. Sg. 1. 2. 3. PI. 1. 2. 3. Perfekt
ho: _ .gs'ho: (vgl. 12.4.2) .ga'hot ho: du he st ha: het me: hun de: hud se: hun i? 'ho.da du 'ho.dast h a : 'ho,da me: 'ho, dan de: 'ho.dad se: 'ho,dan i? ho:.. ..ga'hot
ho: - .ga'ho: .ga'had 19 han du h e s t hae: haed me: han de: had se: h a n 19 'ha,da du 'ha.dast hae: had me: "ha.dn de: 'ha,dad se: 'ha.dn 19 h a n . . ..ga'had
sein Infinitiv Part. Perf. Präs. Sg. 1. 2. 3. (Präs.) PI. 1. 2. 3. Prät. Sg. 1. 2. 3. PI. 1. 2. 3. Perfekt
sirj - ,ga'si: ,ga'va:n ben i9 du bisd ha: es me: sin de: sid se: srn voa - vo:r 15 du voast - v o i s t ha: voa - vo:r me: voan - 'vo:,r3n de: 'vo:,rat se: voan - 'vo:,ran I? ben . . . ga'va:n
si: - .ga'si: ,ga'vae:n - ,ga'va:n _ ,g3'vae:st 19 ben du bist hae: es me: sin de: sid se: sin 19 du hae: me: de: se: 19
werden Infinitiv Part. Perf. Präs. Sg. 1. 2. 3. PI. 1. 2. 3.
'vae:,r3 - ,ga'vae:ra 'vo.ran - 'voan ie "ve.ra du verst ha: verd me: 'vae:,ran - Vahren de: 'v3e:,rat - 'va:,rat se: 'vae:,ran - Va:,ran
've:,R3 - ,ga veaia vonn 19 veB du veBsd hae: veBd me: veBn de: veBd se: veBn
VOB VOBSt VOB
vo:Bn VOBd
voan ben . . . ,ga'vae:n - ,ga'va:n - ,ga'vae:st
95 Hilfsverben
Dudenrode
Netra
Prät.
15 du ha: me: de: se: 15
15 0 hae: me: 0 se: 15
Sg. 1. 2.
3. PI. 1. 2.
3. Perfekt
'vur.da 'vur.dast 'vur.da 'vur.dan 'vur.dat 'vur.dan b e n . . . "voran - voan
"vus.da 'vua.da "vua.dn1 'vua.dn 1 1 b e n . . . voBn
Das System der Hilfsverben aus Dudenrode könnte bei einigen Formen von .werden' Anlaß zu Mißverständnissengeben, wenn ein Sprecher des Hochdt. z.B. das Äquivalent zu ,sie werden krank' mit ,sie waren krank' verwechselt. Bei den Hilfsverben aus Netra wiederum ist die unterschiedliche Realisation von ,(er) hat' und ,(er) hatte' eine Stelle im System, die Mißverständnisse verursachen könnte, z.B. wenn eine Mutter sagt .Mein Kind /had/ Masern' und .hatte' meint. In den Tonbandaufnahmen von 1959 sind einige relativ komplexe Syntagmen mit Hilfs- und Modalverben belegt, die jedoch mit einer Ausnahme nicht vom Muster der hochdeutschen Wortstellung abweichen. Der vom Hochdeutschen abweichende Beleg aus Dudenrode (Sp.j) hat folgende Wortstellung: .und zwischendurch haben sie müssen schon verkaufen'. Das als Infinitiv realisierte Partizip des Modalverbs .müssen' (sogenannter „doppelter Infinitiv") steht hier nicht in Finalposition nach dem eigentlichen Infinitiv wie im Hochdeutschen, sondern an der Stelle, wo das Partizip stände, wenn es sich nicht um ein Modalverb handeln würde vgl. hdt. ,und zwischendurch waren sie gezwungen zu verkaufen'. Belege, die als Syntagmastrukturen mit dem Hochdeutschen übereinstimmen, sind aus Dudenrode (Sp.j): .und wie sie fertig geworden sind', ,wo sie die Kirmes halten wollen'; aus Netra (Sp.j): ,wann wird es gewesen sein' und .werden früher viele Schweine dort gewesen sein'. Außerdem von Sp.2 aus Netra ,so weit, daß sie rausgemacht werden können', in phonetischer Realisation [zo vi da Z9 'Rusga.max vaeia kun] . Ünter den restlichen Verben finden sich deutliche strukturelle Abweichungen von der Standardsprache vor allem beim Infinitiv und beim Partizip des Perfekts. 12.4.2. Varianten der Infinitvform Dem schriftsprachlichen Infinitiv mit der Struktur (Präfix +) Stamm +en entsprechen in den TA aus Dudenrode und Netra fünf verschiedene Realisationen je nach Art des Affix: 1) Stamm +en (wie im Standarddeutschen), 2) Stamm +e (d.h. n-loser Infinitiv), 3) Stamm +0 (d.h. endungsloser Infinitiv), 4) ge+ Stamm + e (d.h. n-loser Infinitiv mit Präfix ge-), 5) ge + Stamm + 0 (d.h. endungsloser Infinitiv mit Präfix ge+) Die Reduktionsformen des n-losen und endungslosen Infinitivs sollen aus dem Würzburger Raum in den hessisch-thüringischen Raum übernommen worden sein. ROSENKRANZ 1964 stellt die dialektgeographische Situation auf Karte 57, S. 247 dar und gibt die sprachgeschichtliche Erläuterung. Für den Satz ,ich will machen' liegt nach Karte 57 im Raum um Würzburg und Fulda bis herauf nach Eisenach der endungslose Infinitiv ,mach' vor, im zentralen Thüringen bis in das Gebiet knapp westlich von
96 Eschwege und Witzenhausen der n-lose Infinitiv .mache', weiter nördlich und westlich schließlich die Form .machen'. Nach ROSENKRANZ 1964 soll der n-lose Infinitiv schon in der Würzburger Beicht aus dem Jahre 955 belegt sein. „Dieser Würzburger Infinitiv auf -c hat früh das gesamte thür. Sprachgebiet erobert [...] Infolge der Apokope m u ß t e im Mainfrk. auch das ungedeckte Infinitiv -e abfallen, wodurch sekundär der endungslose Infinitiv e n t s t a n d " (ROSENKRANZ 1964. S. 2 4 7 - 8 ) . Aus den TA von 1959 wurden folgende Belcgzalilen notiert InfinitivSuffix +en +e +o
Dudenrode
Netra
11 28 6
12 16 1
45
29
Von den sechs endungslosen Infinitiven aus Dudenrode liegt jedoch eigentlich nur in einem Fall deutlich ein n- und e-Schwund (in dieser Reihenfolge) vor, in ,ausmachten)'. Bei den Belegen zu .abhaben, drehen, füttern (2), säen' wird das e schon vor dem n geschwunden gewesen sein. Einwandfrei ist jedoch die große Mehrheit der n-losen Infinitivformen aus Dudenrode, sowie die gleichfalls deutliche Mehrheit der n-losen Infinitive aus Netra. Sowohl in Dudenrode als auch in Netra überwiegt also nicht der im Fuldaer Raum verbreitete endungslose Infinitiv, sondern der n-lose Infinitiv, wie er im angrenzenden Thüringen gebräuchlich ist. Die sprachliche Verbindung nach Osten ist bei diesen Belegen also enger als die nach Süden (vgl. ThDA Textteil, S. 70 „Der Infinitiv auf -e wird gern als Hauptkennzeichen des Thüringischen genannt."). Hier einige Beispiele aus den Tonband-Aufnahmen von 1959 von
Dudenrode Sp-2 Sp.3
[da mun sa "sal.vaR "b.qa un ' a b , b : d s ] .da müssen sie selber holen und abladen' [dam:: r.s dos 'Jla^'.dar 'u.-s.max ] .dann ist das schlechter ausmachen'
von Netra Sp.2 [do mud 19 . . . Jan moenz am 'saeg.sa 'fo:E,R3] ,da m u ß t e ich . . . schon morgens um sechs fahren' Sp.2 [vü ss nid ' a , b 'haemg3,fD:t? k u n ] .weil sie nicht alle heimfahren k ö n n e n ' In den Texten aus Dudenrode und Netra werden die n-losen Infinitive mit Ausnahme zweier Belege aus Dudenrode, die als substantivierte, artikellose Infinitive verstanden werden k ö n n t e n , durchgehend im Zusammenhang mit Modalverben und nie mit ,zu' verwendet. Die seltenen Belege von Infinitiven mit ,zu' haben en-Suffixe z.B. aus Netra [fr.l sa ' m a . y n ] .viel zu machen' (Sp. j) und [ ' a b s u . v a r d n ] .abzuwarten' (Sp.3). Man kann annehmen, daß Betonung hier mit den Ausschlag gibt, die bei Infinitiven mit ,zu' mit aller Wahrscheinlichkeit stärker auf dem Infinitiv selbst liegt als in einer Wortfolge ohne ,zu'.
97 In dem oben genannten, zweiten Beispiel aus Netra zu endungslosem Infinitiv wurde die Infinitiv-Form ,heimgefahr(en)' notiert, die den Nichtsprachwissenschaftler dadurch erstaunen wird, daß sie durch das Affix +ge+ die Form des Partizip Perfekts aufweist. Es handelt sich hier um die Form des perfektivierten Infinitivs, der im Mhd. nach den Verben .können, mögen, dürfen', noch häufig verwendet wurde und der heute in der deutschen Standardsprache in den Wortpaaren .brauchen/gebrauchen, frieren/gefrieren, loben/geloben' als festgelegte Form deutlich wird. Dieser perfektivierte Infinitiv mit ge+ Präfix tritt in den TA aus Dudenrode und Netra nicht im Kontext mit ,zu' auf, sondern nur bei Infinitiven nach Modalverben, d.h. Infinitiven ohne ,zu' (vgl. dazu schon HESSLER 1906, S. 362 und REIS 1908 und 1909). Im Textteil des ThDA wird die Kombination von Modalverben und perfektiviertem Infinitiv damit erklärt, daß die eigentliche Bedeutung der Modalverben nichts Unvollendetes vertrage und der ihnen nachgestellte perfektivierte Infinitiv ausdrücke, „daß die von ihm bezeichnete Tätigkeit nicht beliebig andauert, sondern so oder so zu einem Ziel kommt, daß sie perfekt wird" (ThDA Textteil, S. 39). Bei einer Untersuchung der Dialekte von insgesamt 102 Belegorten im östlichen Thüringer Wald stellte SPERSCHNEIDER 1959 bestimmte Kombinationspräferenzen von Modalverben und den ihnen folgenden Infinitivformen fest. Im größeren Teil seiner Belegorte folgte auf .dürfen, lassen' ein endungsloser Infinitiv (vgl. S. 91) und „ga- vor dem Infinitiv normalerweise nur in Verbindung mit können und mögen" (S. 92). So wird bei SPERSCHNEIDER 1959 in einem Satz wie .Ich kann dir nicht helfen' vorwiegend die Form gah^lfa belegt. Da nach .können' sogar Fremdwörter die Form des perfektivierten Infinitivs annehmen, z.B. .rasieren, passieren', verweist SPERSCHNEIDER 1959 darauf, „wie stark diese ga-Form in der Mundart verwurzelt ist" (S. 94, vgl. Karte 24). SPERSCHNEIDER erfaßt in seiner Untersuchung zwar noch das Gebiet der oberen Werra vom Quellgebiet bis herunter nach Raurieth, verfolgt jedoch den Verlauf der Mundartgrenzen nicht weiter nach Westen. Aus seiner Arbeit kann man also nicht den Übergang zur Eschweger und Witzenhäuser Gegend verfolgen, wohl aber annähernd auf Karte 6 des ThDA (Infinitivform in .Meine Schwiegertochter kann noch keinen Strumpf stopfen'). Dieser Karte nach zu urteilen, liegen Dudenrode und Netra im Gebiet des perfektivierten Infinitivs südlich der Grenze zur Infinitivform ohne ge-, die zwischen Heiligenstadt und Duderstadt etwa iuf der Höhe von Göttingen verläuft. Im Textteil heißt es „In Thüringen beschränkt sich heute der Gebrauch auf den Westen und Süden, wo sich der perfektivierte Infinitiv besonders nach können, zum Teil auch nach mögen, ganz vereinzelt nach dürfen in den Mundarten erhalten hat. Aber die Perfektivierung ist in ihrer Bedeutung gänzlich verblaßt. Der Mundartsprecher verwendet nach können usw. das gevorm Infinitiv völlig mechanisch" (ThDA Textteil, S. 39-40). Folgende beiden Tabellen zu den TA von 1959 sollen Auskunft geben über die Kombinationspräferenzen von Modalverben und den fünf Infinitiwarianten (S. 98). Aus den Tabellen wird deutlich, daß bei der Kombination von Modalverb und Infinitiv der n-lose Infinitiv in beiden Dialekten bei weitem am häufigsten verwendet wird. Weiterhin ist aus den Tabellen zu ersehen, daß perfektivierte Infinitive nur mit dem Modalverb .können' kombiniert werden. Da die Zahl der Belege sehr niedrig ist, kann kein endgültiger Schluß gezogen werden. Von der Kombinationspräferenz .können' + perfektivierter Infinitiv schreibt jedoch auch SPERSCHNEIDER 1959 (S. 92) sowie die Verfasser des ThDA Textteils (S. 39). Außerdem wird die Beobachtung des ThDA (Textteil, S. 39) „Die Negation... hebt die Perfektionsregel nicht
98 Dudenrode Infinitiv auf: dürfen können müssen sollen wollen
-en
-e
1
2 19 1 3
5
25
-en
-e
4
-0
ge-e
ge-0
2
1
2
1
ge-e
ge-0
2
3
2
3
2 1 3
Insgesamt: 0 5 25 1 5 36
Netra Infinitiv auf: dürfen können müssen sollen wollen
1
-0
1 1 9 4
1
15
0
Insgesamt 1 6 10 0 4 21
auf" durch je einen Beleg aus Dudenrode und Netra bestätigt - aus Dudenrode (Sp.3) [das gan 19 nu oei ni .ga'Jbrae.sa] ,das kann ich nun auch nicht sprechen (= sagen)' und aus Netra (Sp.2) [vil sa nid ' a , b 'haemga.foiB kun] ,weil sie nicht alle heimfahren können'. Wie im letzten Beispiel deutlich wird, steht das perfektionierende ge zwischen betontem Präfix und Verbalstamm (vgl. Netra Sp-2 [un dan kan/s . . . lo:sga.ge:] ,und dann kann es losgehen'). Das Modalverb .mögen' ist in den TA von 1959 weder aus Dudenrode noch aus Netra belegt.
12.4.3. Varianten des Partizips Perfekt 12.4.3.1. Unregelmäßige Verben Bei den Partizipien des Perfekts von unregelmäßigen Verben weichen in den Texten von Dudenrode nur fünf Belege von der Struktur ge + Stamm + en des hochdeutschen Partizips ab: (1)n-losist (2) endungslos (3) ohne ge-
[fediga'vo.da] ['abgsjdorx] fme:dga,nu:m] fge.sn] [heim.goman]
,fertiggeworden' (Sp.j) .abgestochen' (Sp.2) .mitgenommen' (Sp.3) .gegessen' (Sp.i) vgl. RASCH 1912.9 k^sn .gegessen' .heimgekommen' (Sp.i)
In den Texten von Netra, die im allgemeinen sprachlich weniger konservativ sind als die aus Dudenrode, weichen elf Belege von Partizipien des Perfekts von der Struktur des Hdt. ab:
99 (1) n-los ist (2) endungslos
[.ga'drugga] .getrunken'(Sp.3) [.ga'faij] .gefangen'(Sp.3); [kum] .gekommen'(Sp.i); [.ga'num] .genommen' (Sp.2); [.ga'nom] .genommen' (Sp.3) (3) ohne ge-je zwei Belege zu .gegessen, gekommen' und je ein Beleg zu .gekriegt, geworden'.
12.4.3.1. Regelmäßige Verben Von der Struktur des hdt. Partizips ge + Stamm + (e)t von regelmäßigen Verben weichen zwei Gruppen von Belegen ab. Die eine Gruppe weist bei der Verbindung Stamm und Suffix (noch) ein [a] auf, wo bei der hochdeutschen Entsprechung keins (mehr) eingefügt wird. Die zweite Gruppe besteht aus Partizipialformen, deren Suffix-t getilgt wurde. 1. e vor Suffix-t Dudenrode in Belegen zu: Netra in Belegen zu: 2. Deletion von Suffix-t Dudenrode in Belegen zu: Netra in Belegen zu:
gehackt, hereingelangt, gelangt, gesät, gestrickt; erlebt, gebaut, gestreut. abgezahlt, besucht, drangemacht, gehandarbeitet, reingeschüttet, gemacht, getanzt, vorbereitet; geerntet, rausgemacht, gekracht, fertiggespielt, verkleidet.
Der Wegfall von Suffix-t im Partizip des regelmäßigen Verbs ist z.T. nicht so eindeutig festzustellen wie der Wegfall von -(e)n im Partizip des unregelmäßigen Verbs, da nach einigen der Belege der Partizipien regelmäßiger Verben ein Wort mit initialem dentalem Verschlußlaut folgt und somit Assimilation über die Wortgrenze hinweg vorliegen kann wie in folgendem Beleg aus Dudenrode [nox 'dRo:ga,mox j 'dms.dak ' o:,v3t] .noch drangemacht Dienstagabend'. Als Parallelerscheinung zu dem im Partizip erhaltenen e vor Suffix-t sind die vom Hochdeutschen abweichenden Belege mit e vor Flexionssuffix-t in der 3. Person Singular Präsens zu verstehen. Sie sind nur aus Dudenrode belegt in Entsprechungen zu .hängt, kommt, nimmt, schmeckt', realisiert als [heij.gat, 'gi.mgt, 'ni.mat, 'Jme.gat] vgl. ferner aus Dudenrode die Belege ['fRe.madan] .Fremden', [her.vas] ,Herbst',
12.5. Präsubstantivische Adjektivattribute Adjektivattribute in Nominalphrasen verlangen ähnlich wie Nebensatzkonstruktionen eine komplexere Planungsstrategie. Deshalb sollen Syntagmen mit Adjektivattributen hier kurz untersucht werden. Mit zwei Ausnahmen von Nominalphrasen mit je zwei Adjektivattributen (Dudenrode Sp.3 .kleine und auch dicke Kartoffeln' und Netra Sp.3 ,der alte, verstorbene Opa') finden sich in den sechs TA aus Dudenrode und Netra nur Nominalphrasen mit einem Adjektivattribut. Unter den zehn attributiven Adjektiven mit mehr als einem Beleg finden sich nur die allergewöhnlichsten wie ,groß' und ,klein'. Es sind nach der Häufigkeit mit elf Belegen das Adjektivattribut .ganz' z.B. in ,das ganze
100 Dorf', mit sechs Belegen .groß', mit fünf .klein', mit vier ,alt' und .nächst', mit drei .gut' und mit jeweils zwei Belegen .älter, letzt, meist, vorig'. Die übrigen 31 attributiven Adjektive sind nur jeweils einmal belegt. Interessanter als diese quantitative Darstellung ist die Verteilung auf die verschiedenen Sprecher. Pränominale attributive Adjektive wurden von den Dudenröder Sprechern sehr viel seltener verwendet als von den Netraer Sprechern. Die Belegzahl zur Verwendung von attributiven Adjektiven ist folgende: Attrib. Adjektive
Sp.i
Sp-2
Sp-3
Insgesamt
Dudenrode Netra
7 16
7 14
6 22
20 (Sprechzeit - 28 Min.) 52 (Sprechzeit - 31 Min.)
Bei diesem so unterschiedlich vertretenen Merkmal sprachlichen Verhaltens zeigen sich m.E. am deutlichsten die Konsequenzen unterschiedlicher Bildungschancen und unterschiedlicher Kommunikationsoffenheit je nach den geographischen und sozialen Gegebenheiten der Gemeinde. Obwohl das „schmückende Beiwort" gerade von „Gebildeten" oft negativ gewertet wird und sicher nicht das entscheidende Merkmal urbanerer sprachlicher Verhaltensweisen ist, muß es hier jedoch sicherlich als eines der auffälligsten notiert werden.
12.6. Präpositionalphrasen Auch bei den Präpositionalphrasen ist die Verteilung deutlich zugunsten von Netra mit insgesamt 209 Belegen gegenüber 141 Belegen aus Dudenrode. Charakteristisch dabei ist die Verteilung auf die einzelnen Sprecher und die einzelnen Präpositionen. Die Sprechzeit der einzelnen Informanten wurde angegeben, um allzu starke Verallgemeinerungen zu vermeiden.
Dudenrode Sp.i Sprechzeit Präpositionalphrasen mit: ,in' ,auf' ,mit' ,um' ,bei' ,an' ,bis' ,zu'
Sp. 2
9'55" 7'45"
Netra
Sp-3 IO'OS"
Sp.i
Sp-2
9'40" 9'40"
Sp-3
Insgesamt
12'
60
36
45
60
92
57
26 4 4 4 2 4 5 2
9 9 2 5 1 3 1 1
16 6 1 3 4 2 6 0
16 6 5 4 3 3 1 7
28 10 11 13 9 1 3 3
18 1 13 0 4 7 0 3
113 36 36 29 23 20 16 16
101 Insgesamt unter 15 Belegen wurden notiert für ,von' (14), /ür' (11), ,nach' (9), ,vor' (8),,durch, unter' (5), ,aus' (4), .hinter' (2) und je ein Beleg zu ,ohne, über, zwischen'. Auch bei der Berücksichtigung der Sprechzeit lassen sich auf den ersten Blick grosse Unterschiede bei der Häufigkeit von Präpositionalphrasen feststellen. Die größte Diskrepanz liegt beim Sprechverhalten von Sp.2 aus Dudenrode und Sp.2 aus Netra vor. Die Präferenz bei der Verwendung von bestimmten Präpositionen ist bei diesen beiden Sprechern jedoch recht ähnlich. So verwendet Sp.2 aus Netra, der versierteste der Sprecher hinsichtlich der Präpositionalphrasen, neben Syntagmen mit ,in' (davon 20 lokal, 8 temporal) vor allem solche mit ,um', mit lokalem ,auf' und der Präposition ,mit'. Sp.2 aus Dudenrode verwendet Syntagmen mit ,in' und lokalem ,auf' am häufigsten und wie Sp.2 aus Netra ,um' vor allem temporal. Bei der Entwicklung von Wortschatz und syntaktischer Programmierung in der Schule könnte von diesen Präpositionen ausgegangen werden.
12.7. Sprechanfänge Bei der Frage nach charakteristischen Merkmalen des Sprech- bzw. Sprachverhaltens soll nun der planungsstrategisch besonders wichtige Sprechbeginn der Informanten untersucht werden. Unter Sprechbeginn und Sprechanfang des Informanten wird hier nur das Einsetzen bzw. der Neueinsatz der Informanten nach einer Äußerung des Aufnahmeleiters verstanden. Um einen besseren Überblick über die Häufigkeit und Verteilung der Sprechanfänge zu ermöglichen, wurde unter die Gesamtsprechzeit jedes Informanten die Zahl der Sprechabschnitte angegeben. Unter Sprechabschnitt ist der Block von Äußerungen des Informanten gemeint, der zwischen zwei Äußerungen des Aufnahmeleiters liegt. Die Zahl der Sprechabschnitte bezogen auf die Gesamtsprechzeit eines Informanten gibt Auskunft über die Kontinuität des Sprechens eines Informantens, da der Aufnahmeleiter nach der am Anfang des Interviews erfolgten Aufforderung zum Sprechen die Informanten nicht unterbricht, sondern bei Versiegen des Gesprächsstoffs des Informanten nur zum Weitersprechen ermuntert und zwar durch Fragen, durch Angabe von neuen Gesprächsthemen u.ä. Bei den Sprechabschnitten werden auch die Sprecheinheiten mitgezählt, in denen die Namen der Zahlen von 1 bis 10 und die der Wochentage genannt werden. Es stellte sich heraus, daß das für den Sprechbeginn charakteristische Merkmal jeweils eine Partikel wie j a ' , ,naja' ist. Dazu folgende Tabelle (S. 102). Ein Vergleich zwischen der Zahl der Sprechabschnitte und der Gesamtzahl der in der Tabelle aufgeführten Partikel rechtfertigt die Untersuchung: bei allen Sprechern ist über die Hälfte der Sprechanfänge mit den oben genannten Partikeln besetzt. Berücksichtigt man, daß jeweils zwei Sprechabschnitte lediglich aus der Aufzählung der Wochentage und der Nennung der Zahlen von eins bis zehn bestehen, daß sie folglich unbeachtet bleiben könnten, so ergibt sich, daß Sp.i und Sp.2 aus Dudenrode und Sp.i und Sp-2 aus Netra so gut wie immer mit einer der in der Tabelle genannten Partikeln auf eine Äußerung des Aufnahmeleiters reagieren. Die Funktion der hier ausgezählten Partikel ist offensichtlich nicht nur Zustimmung, sondern vor allem sprechstrategisch eine Verzögerung des Sprechens ,um damit eine bessere sprachliche und gedankliche Planung zu ermöglichen. Beim Vergleich der Sprechzeit und der Zahl der Sprechabschnitte wird deutlich, daß die längsten Zeitabschnitte ununterbro-
102
Dudenrode Sp-1 Sprechzeit Sprechabschnitte:
Sp-2
9'55" 7'45"
Netra
Sp-3 10'05"
Sp.i
Sp-2
9'40" 9'40"
Sp-3
Insgesamt
12'
13
10
22
13
6
10
74
Davon beginnen mit: ja naja ach (naja) (ja) also na nein
5 2 1 0 0 1
7 0 0 0 0 1
3 6 3 0 2 0
6 0 0 3 0 0
0 3 0 1 0 0
4 1 0 0 1 0
25 12 4 4 3 2
Insgesamt:
9
8
14
9
4
6
50
chenen Sprechens im Text von Sp.2, dem jüngsten Sprecher aus Netra vorliegen, wogegen bei genau der gleichen Sprechzeit Sp.i aus Netra, die gleichfalls erzählfreudige Mutter von Sp.2, das Doppelte an Sprechabschnitten aufweist und dreizehnmal auf einen Redeanstoß des Aufnahmeleiters sprachlich reagiert. Aus der Tabelle geht weiterhin hervor, daß in den sechs Interviewtexten bei drei Sprechern (Sp.i und Sp.2 aus Dudenrode und Sp.j aus Netra) während des Interviews rund einmal pro Minute ein Redeanstoß vom Aufnahmeleiter gegeben wird, bei Sp.3 aus Dudenrode jedoch doppelt so viel und bei Sp.2 und Sp.3 aus Netra deutlich weniger als einmal pro Minute. Dabei scheint mir sozialpsychologisch interessant, daß von den vier Sprechern, die am häufigsten Redeanstöße vom Aufnahmeleiter bekommen (müssen), drei Frauen sind, dagegen zwei der drei interviewten Männer sehr viel weniger zum Sprechen ermuntert werden müssen bzw. selbständiger und selbstbewußter draufloserzählen können. Soziologisch geschlechtsspezifisch scheint auch die Art des Redebeginns zu sein. Der weitaus größte Anteil von zustimmenden bzw. hinzögernden Partikeln am Sprechanfang ist bei den drei Frauen zu beobachten, wobei Sp.3 aus Dudenrode zwar seltener j a ' verwendet, jedoch häufiger ,naja', ,na' und ,ach' als jeder der fünf anderen Sprecher (vgl. KNETSCHKE in PHONAI, Beiheft 2). Daß die Partikel j a ' bzw. j a also' und ,also' die Funktion des Hinauszögerns der eigentlichen Sprechhandlung haben können, wird besonders deutlich am allerersten Redeabschnitt jedes Informanten zu Beginn des Interviews. Hier die Texte: Dudenrode
Sp.i: Sp.2: Sp.3:
Ja, in der... in dreiundneunzig, da war noch mal so eine Trockenheit. Da war's aber... Ja, in der Landwirtschaft das ist ein langer Tag. Da muß man schon früh aufstehen... Nein, so lange wie ich weiß, war's noch nie so trocken wie heu-... wie jetzt, ach n a . . .
103 Netra
Sp.j: Sp.2: Sp.3:
Über die Kirmes... Also die Kirmes beginnt den ersten... also acht Tage vorher ist am Sonnabendabend großes Gehacktesessen. .. Ja, also, es ist so. Es geht los einen Sonntag... einen Sonnabend vor der Kirmes. Da gibt's erst... Die Kirmes hat früher bei den Burschen... das sind Burschen. .. ist die Jugend... bei den Burschen haben vierzehn Tage gefeiert...
Mit Ausnahme von Sp.3 aus Netra gehen alle Sprecher in ihrem ersten Sprechabschnitt auf das vom Aufnahmeleiter Gesagte ein, entweder durch ja'/,nein' oder durch die Wiederholung eines Teils des Gesagten, wie Sp.j aus Netra durch „Über die Kirmes...". Offensichtlich gewinnen die Sprecher dadurch Zeit für die syntaktische und gedankliche Planung. Diese gelingt jedoch eigentlich nur Sp.2 aus Dudenrode. Alle anderen Sprecher müssen sich schon im ersten bzw. zweiten Satz korrigieren und das trotz zusätzlicher Stützpartikel wie ,da, so, also', die die syntaktische Planung vereinfachen bzw. herauszögern helfen. Besonders deutlich wird die syntaktische Fehlplanung bei Sp.i aus Dudenrode und Sp.3 aus Netra, den beiden ältesten Sprechern, deren Texte insgesamt mehr syntaktische Fehlplanungen aufweisen als die der übrigen Sprecher.
12.8. Besetzung der Initialposition in Haupt- und Nebensätzen In Texten gesprochener Sprache ist es schwierig, die genaue Zahl der Haupt- und Nebensätze festzustellen, vor allem durch die relativ häufigen syntaktischen Fehlplanungen, der unvollständigen und inkonsequent realisierten Sätze. Bei der Zusammenstellung der sprachlichen Signale zu Beginnn von Haupt- und Nebensätzen wurden für die vorliegenden Texte aus Dudenrode und Netra auch die Partikel einbezogen, die unvollständige Haupt- und Nebensätze einleiten, die jedoch wie z.B. ,weil' die Intention einer Nebensatzplanung signalisieren. Bei den Hauptsätzen werden der Häufigkeit der Belege nach zu urteilen folgende drei Einleitungstypen vorgezogen: 1. ,und dann'/,und da', 2. ,da' + Verb, 3. ,und' + Ortoder Zeitangabe. Bei der Besetzung der Initialposition durch Subjekt oder Objekt, gefolgt durch das finite Verb, und bei der Verwendung von ,(t)ja' zeigen sich deutlich geschlechtsspezifische Verhaltensweisen. Sofortige Nennung des Subjekts oder Objekts, gefolgt vom finiten Verb, als die syntaktische Planung, die wohl am eindeutigsten Sicherheit der Information und/oder des Verhaltens widerspiegelt, ist bei den männlichen Sprechern häufiger als bei den Frauen. Dagegen ist ja' zu Beginn des Hauptsatzes sehr viel öfters in den Texten der Frauen belegt als in denen der Männer, ein Beleg u.a. für das gesellschaftlich bedingte zustimmende Sprachverhalten der Frau, das in den letzten Jahren in mehreren Arbeiten von amerikanischen Linguistinnen untersucht bzw. diskutiert wurde (vgl. THORNE and HENLEY). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die sehr unterschiedliche Verteilung von ,aber'. Als Einleitung zu einer Gegenmeinung wird ,aber' von männlichen Sprechern insgesamt achtmal satzinitial verwendet, von weiblichen Sprechern jedoch insgesamt nur zweimal. Dies scheint die Ansicht zu bestätigen, daß die Frau so erzogen wird, daß sie den Mann (der Aufnahmeleiter ist ein Mann) bestätigt, ihm aber nicht widersprechen soll,
104
Hauptsätze
Dudenrode
Sprechzeit: In Initialposition: ,und dann' ,und da' ,dann' + Verb ,da' + Verb (,und' +) Ort- oder Zeitangabe (,und' +) das + Verb ,und' + Verb ,und' + Objekt oder Subjekt Objekt oder Subjekt + Verb Verb + Subjekt ,na(ja)' ,(t)ja' ,nein' ,aber' ,also' ,denn'
Netra
Sp.i 9'55'
Sp.2 7'45"
Sp-3 10'05"
Sp.i 9'40"
Sp.2 9'40"
Sp-3 12'
26 3 3 10
15 2 5 14
10 1 8 1
12 9 1 14
24 16 2 14
6 8 5 11
5 4 4
10 5 0
5 4 1
12 1 0
15 5 1
16 5 0
4
2
2
8
4
0
26 6 11 2 1 3 0 0
8 0 0 7 0 0 0 0
7 4 42 6 1 1 2 0
7 0 9 7 1 1 3 0
13 4 15 2 0 0 2 0
16 0 6 5 0 5 12 1
der Mann jedoch gelernt hat, sich zu behaupten und die Gegenposition wie auch die Kausalzusammenhänge (siehe unten) zu artikulieren.
Nebensätze In Initialposition: Relativpronom** wenn.. .(da(nn)) daß weil bis ob wo (= als) obwohl solange wie je nachdem wie bzw. wo
Dudenrode
Netra
Sp.i
Sp-2
Sp-3
Sp.i
Sp-2
Sp-3
2 3 3 2 2 1 0 0 0
6 3 0 2 0 0 0 0 0
7 13 4 0 2 1 0 0 1
3 3 0 0 1 3 0 0 1
10 11 3 3 2 0 3 0 0
12
3 1 0 0 0 2 0
40 39 13 8 7 5 3 2 2
0
0
1
0
0
1
2
13
11
29
11
32
25
121
6*
** Aufschlüsselung der Relativpronomen siehe nächste Tabelle ***tein Beleg ohne .wenn' nicht mitgezählt
Insgesamt:
**
105 Bei den Nebensätzen werden folgende drei Einleitungstypen deutlich vorgezogen: 1. Relativpronom., 2. wenn-Sätze, 3. daß-Sätze. Mit einigem Abstand folgen die Konjunktionen ,weil, bis, ob'. Auch bei der Nebensatzplanung scheint der Tabelle nach zu urteilen die Flexibilität bei den männlichen Sprechern größer. Eine Ausnahme bildet Sp.3 aus Dudenrode, eine Frau, die von den drei Dudenröder Sprechern die höchste Zahl von Belegen zu Relativpronomen, zu ,wenn' und zu ,daß' aufweist, allerdings bei der Hauptsatzplanung die bei weitem höchste Zahl des Verlegenheitspartikels ,na' verwendet. Eine genauere Untersuchung geschlechtsspezifischen Sprachverhaltens würde sich offensichtlich lohnen, ist aber in dem hier gesteckten Rahmen nicht möglich. Es soll hier jedoch auf einige Sozialdaten verwiesen werden, die sich mit dem Sprachverhalten verbinden lassen. Sp. j aus Dudenrode, der eine relativ große Variationsbreite in der syntaktischen Planung aufweist, mußte als Hilfsarbeiter in den verschiedensten Berufssparten arbeiten, konnte aber die Achtung seiner Umwelt soweit gewinnen, daß er im Alter zum Bürgermeister seines Heimatdorfes gewählt wurde. Sp.3 aus Dudenrode mit der größten Flexibilität in der Nebensatzplanung der Dudenröder Sprecher hat nach ihren eigenen Angaben zu urteilen ein ausgesprochen starkes Bedürfnis nach Abwechslung und Bildung und entwickelt, bezogen auf die Zeit der Aufnahme (50er Jahre) und den Ort (sehr kleines, abgelegenes Dorf) eine erstaunliche Eigeninitiative u.a. hinsichtlich Kino und Fernsehen. Die bei weitem größte Flexibilität in der Planung von Haupt- und Nebensätzen zeigt zweifellos Sp.2 aus Netra, ein junger Mann, der die Oberschule besuchen konnte, während alle anderen fünf Sprecher aus Dudenrode und Netra lediglich die Volksschule besucht haben. Ein Vergleich der beiden Tabellen zur Besetzung der Initialposition in Haupt- und Nebensätzen läßt schließlich einiges Grundlegende im Sprachverhalten der Informanten aus Dudenrode und Netra ersichtlich werden: die insgesamt geringe Anzahl von hypotaktischen Signalen und die überwältigend große Zahl von Signalen parataktischer Planung wie ,und d a n n ' selbst und gerade bei den erzählfreudigsten Sprechern wie Sp.] aus Dudenrode und Sp-2 aus Netra. Bei einer etwas vorschnellen Beurteilung ließe sich die besonders hohe Zahl von ,und dann'/,und da' bei Sp.2 aus Netra als ein Mangel an syntaktischer Flexibilität erklären, die durch sein jugendliches Alter bedingt sei. Dagegen sind die noch häufigeren ,und dann'-Sätze bei dem ältesten Sprecher ( S p . i ) aus Dudenrode anzuführen und die große Variationsbreite im Gebrauch von Nebensatzkonjunktionen in den Texten von Sp-2 aus Netra. Beim Vergleich von Texten ist also eine Verallgemeinerung zur Flexibilität syntaktischer Planung allein bezogen auf die Häufigkeit von ,und dann'-Sätzen irreführend. Als Anmerkung: Im Text von Sp.2 aus Netra ist außerdem ein relativ regelmäßiger Wechsel von ,und dann'- und ,und da'-Sätzen zu beobachten, der eine weitere Untersuchung u.a. zum Thema des stilistischen Wechsels in gesprochenen Dialekttexten wert wäre. In der folgenden Tabelle sollen die oben in Tabelle 2 dieses Kapitels erwähnten Relativpronomen aufgeschlüsselt werden. Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, stellen die globalsten Relativpronomen ,die (Plural), wo, was' 90% der Belege aller Relativpronomen aus den sechs Aufnahmetexten aus Dudenrode und Netra. Die Verteilung von ,die' (Plural) und ,wo' (lokal) auf die einzelnen Sprecher spiegelt in etwa die oben besprochene Flexibilität im sprachlichen Ausdruck wider.
106
Relativpronomen
Dudenrode Sp.i
die (Plural) wo (temporal) wo (lokal) was der (Nom. Sg.) den wer (= derjenige, der) wiem (Kontraktion)
Netra Sp.i
Sp.2
Sp.3
Insgesamt:
1 0 1 0 1 0
7 1 1 1 0 0
3 5 0 4 0 0
12 8 8 8 1 1
1
0
0
0
1
1
0
0
0
0
1
6
7
3
10
12
40
Sp-2
Sp-3
0 1 1 0 0 0
1 0 2 1 0 1
0 1 3 2 0 0
0
0
0 2
12.9. Syntaktische Redundanz durch nach- bzw. vorgestellte Deixis Bei der Frage nach syntaktischen Strukturen, die sich von denen der Standardsprache unterscheiden und damit in einer kontrastiven Analyse aufgeführt werden müssen, war nur eine sprachliche Erscheinung zu finden, die relativ gut belegt ist, jedoch auch in der Umgangssprache beobachtet werden kann (vgl. SCHENKER 1973, S. 75). Es handelt sich um die redundante Wiederaufnahme eines Nomen durch ein deiktisches Pronomen d.h. um eine redundante, nachgestellte (bzw. vorgestellte) Deixis. Hier einige Beispiele: 1) die Körnerernte, die war ja nun gut (Dudenrode S p . i ) 2) die Mädchen, die gehen auch fort (Dudenrode S p . i ) 3) Verwandtschaft und Bekanntschaft aus den nächsten Dörfern, die besuchen uns dann (Dudenrode Sp.3) 4) Sonnabendabends, dann geht's dann schon los (Dudenrode S p . i ) 5) einen Sonnabend vor der Kirmes, da gibt e s . . . (Netra Sp.2) 6) nach Vegesack... da sind die hingemacht (Dudenrode S p . i ) 7) und dann diese kleinen Dörfer, da ist ja dann auch kein groß keine Arbeit da (Dudenrode S p . i ) 8) und das andere, da wird Wurst von gemacht (Netra S p . i ) 9) aber das O b e r d o r f . . . die h a b e n . . . kaum Wasser (Netra Sp.3) 10) die faulen Blätter, wenn das alles naß ist, d a n n . . . (Dudenrode Sp.3) Durch Deletionsprobe läßt sich an diesen Texten nachweisen, daß es sich um zwei grundlegend verschiedene Strukturtypen handelt. In Belegen, die wie die Beispiele 1 bis bis 6 strukturiert sind, kann das deiktische Pronomen ohne Störung der Satzkonstruktion weggelassen werden, in den Beispielen 7 bis 10 jedoch nicht. In den Beispielen 1 bis 6 stimmen die Nomen mit den nachgestellten Pronomen in Genus und/oder Numerus überein. In den Beispielen 7, 9 und 10 stimmen Numerus von Nomen und Verb nicht überein, in Beispiel 8 wäre für ,das andere' sogar ein ganz anderes Verb erforderlich. Ein Vergleich mit den standarddeutschen Entsprechungen
107 zeigt, daß für die Beispieltexte 7 und 9 ein Präpositionalsatz passen würde, der für die syntaktische Planung wahrscheinlich etwas schwieriger wäre. Folgende Texte könnten substituiert werden: für 7) und in diesen kleinen Dörfern ist ja auch keine Arbeit zu finden; für 8) und von dem anderen wird Wurst gemacht bzw. und das andere wird zu Wurst verarbeitet; für 9) aber im Oberdorf die haben kaum Wasser. Schließlich muß Beispiel Nr. 10 als fehlgeplanter Satz verstanden werden, der wahrscheinlich folgendermaßen lauten sollte: Wenn alles naß ist und die Blätter faulen, dann... Je nach Kontext hat die nachgestellte Deixis die Funktion, entweder die Sprechhandlung zu verzögern, um eine bessere bzw. einfachere syntaktische und gedankliche Planung zu ermöglichen, oder eine Äußerung zu stützen bzw. zu korrigieren. Die Belege sind folgendermaßen verteilt: Dudenrode Sp-i Sp.2 Sp.3
2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)
Singular-Nomen.. .der Singular-Nomen... das Singular-Nomen.. .die Plural-Nomen.. .die zwei Sg.-Nomen.. .die (PI.) Tempus-Nomen.. .dann Tempus-Nomen... da Ortsnomen... da Plural-Nomen (lokal), .da Sg.-Nomen (das).. .davon Sg.-Nomen (kollektiv das) Sg.-Nomen (die), .das..die (PI.)
Netra Sp.i Sp.2 Sp.3 1
1 1 1
1 2
2 1 1 1
1 1
2
3 1 1 1
1
2
1 1 1 7
4
3
4
6
4
Insgesamt: 1 1 1 6 3 4 7 1 1 1 1 1 28
Rendundanz durch das dem Nomen nachgestellte und ihm semantisch und morphologisch entsprechende deiktische Pronomen wurde in einigen der oben angeführten Beispiele belegt. Für den Fall, daß ein Pronomen oder Nomen durch ein nachgestelltes Nomen wiederholt wird, eine Art Pleonasmus also, gibt es nur insgesamt 16 Belege in den Texten aus Dudenrode und Netra. Aus Dudenrode liegen von Sp.i, dem ältesten Sprecher, die meisten Belege vor, insgesamt zehn, von den beiden anderen Dudenröder Sprechern nur jeweils zwei. Aus Netra wurden nur insgesamt zwei Belege notiert, aus dem Text von Sp. j : „die kriegen.. .einen eingeschenkt, ein Schnäpschen"; und aus dem Text von Sp.2: „bis es leer ist, der Saal". Die kommunikative Funktion dieser z.T. unnötigen Erweiterung scheint nicht so sehr die der Verzögerung bzw. einer Gedächtnisstütze zugunsten der syntaktischen Planung zu sein, sondern eher die einer Präzisierung des informativen Gehaltes. Es handelt sich also vor allem um eine Form der Korrektur. So wird in den Texten aus Dudenrode von Sp-2 »das andere" und „die anderen" präzisiert durch „das andere Fleisch" bzw. durch nachgestelltes „die Fremden". Von Sp.3 wird deiktisches „das" und Plural-„die" präzisiert durch nachgestelltes „die Arbeit" bzw. „die Kinder" vgl. „das ist alles eben schwerer
108 die Arbeit" und „die wollen... was abhaben die Kinder". Von Sp.j aus Dudenrode werden in fünf von zehn Belegen zeitliche Angaben präzisiert z.B. „nun wie jetzt dieses Jahr" und „am anderen Morgen, Sonntagmorgen". Als vorgestellte Deixis wird sowohl ,das, die' als auch ,es, sie' verwendet wie in „wurde das geholt das Salz" bzw. „und dann war es dann gleich wieder versoffen das Geld" und „haben sie mir gesprochen, die Alten" (alle drei Belege von Sp.j aus Dudenrode). Bei nachgestellter Deixis jedoch wurde in keinem Fall ,es, sie', sondern nur ,das, die' etc. verwendet. Dies steht interessanterweise im Gegensatz zum Sprachgebrauch des Englischen „My brother he went to the park" (vgl. SHUY 1961, p.6). Ob hier eine allgemein gültige Regel der deutschen Dialekte und Umgangssprache vorliegt, müßte einmal an einem erweiterten kontrastivkomparativen Textmaterial germanischer Sprachen und Dialekte untersucht werden. Ein Desideratum bleibt also auch dies.
13. Quellen Als Quellen dienten die unter Aufnahmedaten angeführten Tonbandaufnahmen des Deutschen Spracharchivs von 1959 aus den Gemeinden Dudenrode und Netra. Im August 1973 und im Januar 1976 wurden zwei kurze Zusatzumfragen bei den vier noch lebenden Sprechern von 1959 in Dudenrode und Netra durchgeführt und zwar bei Sp-2 und Sp.3 aus Dudenrode und bei Sp.j und Sp-2 aus Netra (siehe Kap. 5.1 u. 5.2.). Bei diesen kurzen Zusatzumfragen wurde die Information der vier Sprecher lediglich schriftlich notiert und nicht auf Tonband aufgenommen. Im August 1973 wurden schwerverständliche Textstellen geklärt, einzelne Sachfragen (u.a. zu Bräuchen) beantwortet und die Paradigmen zu Hilfs- und Modalverben erstellt. Im Januar 1976 konnten durch Wortbefragung (Minimalpaare) noch zusätzlich einige Probleme zum Phonemstatus von Vokalen geklärt werden. Auf eine größere Zusatzumfrage in Dudenrode und Netra wurde verzichtet, um den Sprachstand streng synchron als den von 1959 darstellen zu können (vgl. die zeitgebundenen Angaben unter Orte und Landschaft) und in die Untersuchung nicht allzu viele Belege neueren Datums einzubringen, die dann eine zusätzliche Darstellung der sozio-ökonomischen Situation der Orte und der Lebensdaten der Sprecher erforderlich machen. Alle Belege aus den Zusatzumfragen von 1973 und 1976 wurden auch deshalb im Text der Untersuchung deutlich gekennzeichnet. Als weitere Quellen standen durch die freundliche Vermittlung vor allem von Prof. Dr. Joachim Göschel, Marburg, aus Dudenrode und Netra sowohl Kopien der Wenkerfragebögen von 1879 als auch der DWA-Fragebögen von 1938/9 und die phonetische Transkription einer Tonbandaufnahme von 1968 aus Orferode, einer Nachbargemeinde von Dudenrode im Kreis Witzenhausen, zur Verfügung. Bei der Darstellung der Flur- und Hausnamen war die briefliche Information Karl A. Müllers vom Marburger Flurnamenarchiv von großer Hilfe. - Als wichtigste Sekundärquellen müssen hier die Arbeiten von RASCH und HASSEL genannt werden, die für die vorliegende Untersuchung vollständig exzerpiert wurden. Sie werden wie alle weiteren in der Untersuchung verwendeten Quellen unter Literatur aufgeführt.
109
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15. Abkürzungen Adj. adj. Anm Bd. D = Du. = Dud. DSA DSAv DWA ff. GL Hg. HNVW Hspr hspr. IF Inf. Kt. Kl.Enz.
Adjektiv adjektivisch Anmerkung Band Dudenrode Deutscher Sprachatlas Deutsches Spracharchiv Deutscher Wortatlas folgende Germanistische Linguistik Herausgeber Hessen-Nassauisches Volkswörterbuch Hochsprache hochsprachlich Indogermanische Forschungen Infinitiv Karte Kleine Enzyklopädie. Die deutsche Sprache.
113
K mhd. mnd. Ma. ma. N = Ne. = Net. nhd. nd. Part. Perf. PI. S. s.u. Sg. TA ThDA Umg. umg. u.a. vgl. V WS wgm. Z ZDM ZMF ZDL
Konsonant mittelhochdeutsch mittelniederdeutsch Mundart mundartlich Netra neuhochdeutsch niederdeutsch Partizip Perfekt bzw. Partizip des Präteritums Plural Seite siehe unten Singular Tonbandaufnahmen des Deutschen Spracharchivs Thüringischer Dialektatlas Umgangssprache umgangssprachlich und andere, unter anderem vergleiche Vokal Wenkersätze (nur bezogen auf die Fragebögen von 1879 aus Dudenrode bzw. Netra); bzw. die Mitzka-DWA-Fragebögen (1938/39) westgermanisch Zahlwort Zeitschrift für deutsche Mundarten (1906-1924) Zeitschrift für Mundartforschung ( 1 9 3 5 - 1 9 4 4 , 1 9 5 2 - 1 9 6 8 ) Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik (1969ff.)
[] // ,' >, nachgestellt*
phonetischer Text phonologischer Text Bedeutung eines Wortes oder seine hspr. Entsprechung wird zu, wird realisiert als Beleg der Umfrage 1976
TEXTE
116 1/5237
A.
h e B J b e k , 7 e 'tse:,lan zi dax ma-1 f a n de- 'gRo:,san 'tROgan.haet
? u n t , f i l a e ? t fon Jlim Sp.j
3
.ga'vei.zn
?
ae.nam
'fRyra.Ran j a : c v o ^ s
a o x Jon m a d z o
is
ja:32|2?ine:2|1?in
.draea'^naen/tsi?
1 2
\ da va-r
nay m a :
zo:/na''dragan
"hae^M'da 2 vaj>s
^a.va 2 glaovj? ' n o * " ^ i l e i j . d a r
•^e-as.da^asj?
, 2 hoe,da 2 | V J T I ^ . I ?
l 7 als
vi 7 in dar 1 1 . . . 1 ? i n ' 2 ? elf 2 |' vi-/n . . .
, f o - " 2 h i n Van , ? a.la .ba'Jbra.yn ha:mM
Mas va- 7 in naendse:n hunrad" 3 ? elf 2 n e 2 | 1 ? u n 2 d a z X i s n .draea ' , 3 noen.dsi e • o p o '.ga'veis 1 ! A.
'bis,§an 'laa.dB u n "Ri^ti? p l a t ' J b R E ^ n
Sp.j
2
(übersprochen)
s o - 2 | - (tiefes A t m e n ) | 1 j a : 1 | 2 n a y *un d a n . d r e i a ' ^ n i i n s i ? 3 ! 1 da v e i z j ^ a -3
A.:
nit
x
me- gans
Herr Speck, erzählen Sie doch einmal von der großen Trockenheit und vielleicht von einem früheren Jahr, wo es auch schon einmal so schlimm gewesen ist.
S p . j : Ja, in, in dreiundneunzig 1 , da war noch einmal so eine Trockenheit. Da war es aber , glaube ich, noch schlechter als wie in der. . . in elf wie das
1
2 3
/ae/ und /ae/, offensichtlich Phoneme aus dem System der Umg. bzw. Hspr., werden weiter unten in /,drenjn'ni:nsic/ .dreiundneunzig' durch die ma. Phoneme /EI/ und /I:/ ersetzt. WS 20 awer; RASCH 8 awr ,aber\ Paradigma von ,sein' vgl. S. 91.
117 1/5237
A.
her jpek .er'tsej.len zi: dac ma:l fon der 'grossen "traken.haet unt .fii'laegt fon 'aenem 'fryx.ren ja:r vo:/s aoc Jo:n ma:l zo: Jlim .ge've: ,sn ist
Sp.i
j a : | in | in .draeun'naen.tsic 1 | da: vajr nac ma: so:/ne "dragen.haet | da
v^:r/s "a.ver 2 glaav ic nac "Jlec.der als vi: in der | in elf |vi:/n 'e:rs,de vas ic 'hae.de | vas me:... ic ,fo:r'hin Jan "a.le .be'Jbra.cn ha:m | das vau- in .naentsejnhunred'elf ne | un das is in .draeun'naentsic ,ge 've :s 3 | A.
'bis.cen 'laa.ter unt 'ric.ti? p l a t (Jpre.cn)
Sp.i
soj | j a : | na un dan,dreiun'ni:nsic 4 | da: veis 5 ic ja: nit me: 6 gans
erste, was ich heute, was wir. . . ich vorhin schon alle besprochen habe, das war in neunzehnhundertelf, nicht. Und das ist in dreiundneunzig 3
gewesen . A.:
(Ein) bißchen lauter und richtig Platt sprechen.
S p . . : So — ja. Na, und dann dreiundneunzig 4 , da weiß 5 ich ja nicht mehr 6 ganz
4 5 6
Vgl. Anm. 1. RASCH 11 wjsa .wissen', 25 ¿Xwes ,ich weiß'; zur Lenisrealisation im Auslaut vgl. S. 33. RASCH 18 mer ,mehr'; von den 10 Dudenröder Belegen zu .mehr'sind 9 r-los, darunter wiederum zwei (von Sp. -,) mit auslautendem j.
fe:l 2 nit 2 | 1 da 2 vo:rj/?a n a : 1 ! 1 . . . d a 2 v d j j / ? 3 na- j v . . . 3 n " 2 j u + , q a 'a.var 15 'ha.va
WS Junt h 2 | 2 a:...varJQ Jbn ' 2 3ddr , 2 ? al,dar na da gii^ic J u n l - Y v u d i " 3 Juil.'kiipra 'muf.dn " V . l a
,2
m e : t , W v n , mu,dn 1 | , 3 laop, 2 h 3e ho:...'la,i]3 2 |
^ u i n : 1 ! 3 ! » 2 das ' e v a das fi: va/su "frae.sn Vorr 1 ! 1 di mun 'a.la
viel 7 , nicht. Da war ich ja noch, da war ich ja noch ein Junge, aber ich habe 8
9
das immer erst, haben sie mir gesprochen
10
11
, die Alten
— nennen wir
das - erzählt 12 davon 13 . . . Aber von elf 1 4 , neunzehnhundertelf 15 , da war (es)
7 8 9
16 17
WS 30 fahle .viele'; RASCH 11 fela .viele'; HASSEL 31 fela. Paradigma von .haben' vgl. S. 91. Paradigma der Pronomen vgl. S. 87 und S. 88; zu r-losen Pronomen ROSENKRANZ 1964, S. 258 (Kt 61) und WIESINGER 1970, Bd. 2, S. 334. WS 31 sprächen (Inf.) .sprechen'; RASCH 9 SprgX? .sprechen'; HENTRICH 1912, s. 20 Sprays .sagen'; zur Wortgeographie vgl. DSA Kt. 5 5 ; Wortbefragung 1976 ergab /a/ im Inf., /o/ im Part. Perf. von .sprechen'. Vgl. S. 38. WS 4 ahle; RASCH 8 .alt'; zur redundanten Apposition vgl. S. 108; Lautgeographie zu ,alte' vgl. DSA Kt. 65 und 66. WS 21 erzahlt; RASCH 8 f?rts|it; HASSEL 23 fardsüt (für Hundelshausen); zur Laut- und Wortbildungsgeographie von .erzählt' vgl. DSA Kt. 51 und 52. Vgl. Adverbien mit Suffix-e S. 90. Zahlwörter mit Suffix-e vgl. S. 89. WS 37 nün; RASCH 19 nirw .neun'; HASSEL nyn ,neun"; das /e/ in ,neun-' entweder entrundetes /y/ oder Angleichung an den betonten Vokal /e/ in ,-elf;vgl. /'ni:,na/ ,neun' S. 59. WS 24 schun; HNVW III, 4 0 0 u.a. s\int,schon'; HOFMANN, S. 215. Komparativ- und Pluralformen ohne Umlaut vgl. S. 35.
18
WS 12 woh; von den insgesamt 13 Belegen zu ,wo' sind nur vier mit /u/
10
11 12 13 14 15
119
fe:l 7 mt | do: vo:r ic ja: nac i dg; v d j ic jo: nac j y . . . | n 'ju.qe 'a.ver ic 'ha,\ das 'i.mer erts... | hun 8 se: me: 9 .ge'Jbro.cn 10 dh'aj.ln 11 nenn me: das | .er'tsadt 12 ,da'fo:ne 1 3 | 'a.ver fon 'el.ve 1 4 | .nenser'elve 15 da: vorr Junt 16 | va:r ic Jon odt | 'al.der 1 7 ... na da giq ic Junt | vu: 18 di: 'Jud.knjere
ig
"mus.dn "a.le 'mert.halvn
20
... 'mu.dn
21 i 22 | laob.hoe ho:... 'la
un i no das 'e:,ve 24 das fi: 25 vas tsu: 'frae.sn26 vo:r | di: mun 'a,le
schon16. . . war ich schon alt, älter17. . . Na, da ging ich schon. . . wo 18 die Schulkinder19 mußten alle mithelfen 20 , mußten 21 Laubheu 22 holen 23 und na, daß eben24 das Vieh25 was zu fressen 26 war. . . Die mußten alle
19
20 21 22
23 24 25 26
bzw. /u:/ notiert worden, der Rest mit /o:/ und der durch schwache Betonung bedingten kurzen Variante. WS 14 Kink ,Kind'; RASCH28 kina .Kinder'; HASSEL 70 kint .Kind'; DWA 196 kink ,Kind'; zur Lautgeographie vgl. DSA Kt. 17, 38 und 75; Sp.j aus Dudenrode für .Kinder' /'knj.kr/, wahrscheinlich eine ältere Realisation als die von Sp..; zur Velarisierung vgl. S. 29. RASCH 9 h?lfa .heffen'; HASSEL 24 h?lfo .helfen'; RASCH 12 met .mit'; HASSEL 30 m$t .mit'; zu /a/ aus mhd. S vgl. S. 57. Paradigma von .müssen' vgl. S. 93. RASCH 18 loip ,Laub", 47 h