Mobile Publishing: E-Books, Apps & Co. 9783110303544, 9783110303568, 9783110341140

The Internet has become mobile: the iPhone and the iPad have set off a wave of new developments, with eBooks, eJournals,

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German Pages 159 [160] Year 2013

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Mobile Publishing: E-Books, Apps & Co.
 9783110303544, 9783110303568, 9783110341140

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Harald Henzler und Fabian Kern Mobile Publishing

Akademie des Deutschen Buchhandels Praxiswissen Verlag

Herausgegeben von Tina Findeiß und Bernd Zanetti

Harald Henzler und Fabian Kern

Mobile Publishing

E-Books, Apps & Co.

ISBN 978-3-11-030354-4 e-ISBN 978-3-11-030356-8 EPUB-ISBN 978-3-11-034114-0 ISSN 2196-1484 Libary of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Libary of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliothek; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: le-tex, Leipzig Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt

Einleitung  1

1 Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode  7 2 2.1 2.2 2.3 2.4

2.5

Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt  16 Der Markt für Endgeräte  16 Die Kunden: Wie nutzen die Personen die Geräte? Was machen Sie im Netz? Wie verändert sich der Arbeitsplatz?  20 E-Reader, Tablets oder Smartphones?  23 Die Ökosysteme der global player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen?  24 Andere Anbieter von Inhalten: Jeder ist ein Verleger  42

3 Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung  50 3.1 eBooks  50 3.2 Apps  56 3.3 Enhanced eBooks  65 3.4 Einsatz-Szenarien für Verlagsprodukte  76 3.5 Vergleich der verschiedenen Ansätze, Kombinationsmöglichkeiten  78 3.6 Marktentwicklung und Trends in der technischen Entwicklung  81 3.7 Strategische Empfehlungen  84 4 4.1 4.2 4.3

Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe  87 Die Definition der Zielgruppe  88 Daten, Daten, Daten  89 Die soziologische Betrachtung – Sag mir, mit wem du gehst, und ich sage dir, wer du bist  92 4.4 Die Tätigkeitsbeschreibung: Ich bin, was ich tue  100 4.5 Das Nutzungsverhalten: Zeig mir, wie du surfst und ich sage dir, wer du bist  105 4.6 Der bewusste, unbewusste Wunsch – oder was treibt den Kunden wirklich um?  106 4.7 Zusammenfassung  111 5 5.1 5.2

6 6.1 6.2 6.3

Das richtige Produkt entwickeln – Dieses Produkt will der Kunde  112 Auf welchen Geräten erreiche ich meine Kunden? – Die Kennzahlen aus dem Markt  113 Mit welchen Produkten erreiche ich meine Kunden? Die tausend Möglichkeiten, die bisherigen Produkte besser zu machen  119 Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden  125 Was will mein Kunde und wie binde ich ihn an mich? Der Weg führt über „Big Data“  128 Was muss ich wissen?  129 Welche Arten von Daten soll man sammeln?  130

VI – Inhalt 6.4 Program follows data  131 6.5 Den Kunden kennen  132 6.6 Distribution ist nur ein Teil des Kundenkontakts – Social Media  133 6.7 Social Media Marketing  135 6.8 Die Vermarktung von Apps  137 6.9 Crossmediales Marketing – Content Marketing – Co-Creation…  140 6.10 Zusammenfassung  142 7

Das richtige Produkt entwickeln – So rechnet sich das  143

8 8.1 8.2

Epilog – die Umsetzung  148 Was muss ich machen, um überlebensfähig zu sein?  148 Was passt zu meinem Unternehmen, meinen Fähigkeiten und meiner DNA?  149 Welche Werkzeuge brauche ich dafür?  149

8.3

Literaturverzeichnis  150 Über die Autoren  153

Einleitung Dieses Werk bietet einen Einstieg in das Thema „Mobile Publishing“ und eine Orientierung für das strategische Vorgehen. Wie immer sind derartige Begriffe zu Beginn einer Entwicklung wenig festgelegt, schillernd und leider oft nichtssagend, wenn sie über Gebühr benutzt werden. Mobile Publishing wurde zunächst für alle Arten von Inhalten („Content“) gebraucht, der auf Smartphones genutzt wurde, von Musik über Klingeltöne bis zu Texten. Und unter Mobile Publishing verstand man alle Formen des Publizierens für dieses Gerät, das im Vergleich zum traditionellen PC mobil ist. Sein Nutzer kann es allein aufgrund der Größe und des Gewichts bei sich tragen. Obwohl es schon seit über zehn Jahren auch Lesegeräte für eBooks gibt, konnten diese den Markt nie nachhaltig prägen. Auch hier wurde im wahrsten Sinne des Wortes für Trägermedien publiziert, die mobil waren. Aber erst mit den Smartphones setzte eine Entwicklung ein, die den Markt auch wesentlich geprägt und verändert hat. Denn die Reichweite erhöhte sich durch die Netze der Telekommunikationsanbieter und Cloud Computing ermöglichte die Verfügbarkeit der Inhalte über neue Plattformen: Plötzlich konnten Inhalte von verschiedensten Orten aus empfangen und genutzt werden. Mit den Tablets kam dann ein weiterer Gerätetyp hinzu, der die Mobilität des modernen Publizierens sichtbar macht. In seinem Schlepptau wurden viele weitere Produkte realisiert und neue Produktformen entwickelt, die sich die Kombination aus mobilem Zugriff und erhöhtem Darstellungskomfort zu Nutze machten. Mobile Publishing hat also erst durch das Zusammenspiel von neuen Trägergeräten, der Verfügbarkeit von Inhalten an verschiedensten Orten und einem exponentiellen Anstieg von Angeboten seine heutige Bedeutung erlangt. Wir verstehen Mobile Publishing als treibende Kraft für die Veränderung in der Verlags- und MedienBranche. Und dies in zweierlei Hinsicht, der Rezeption und Produktion: – Das Trägermedium, auf dem Inhalte rezipiert werden, ist nicht festgelegt und an vielen Orten verfügbar. Der Kunde liest, hört, sieht auf dem Smartphone, dem Tablet, dem PC oder in gedruckter Form. Die Inhalte sind mobil – sie wandern von einem Medium zum anderen und zeigen sich in immer neuen Formen. Zum Vergleich: Auch ein Buch ist mobil. Aber die Inhalte bleiben immer an dieses Trägermedium gebunden. Sie können nicht ohne weiteres verarbeitet, verändert, getauscht oder weitergegeben werden. – Das Publizieren selbst ist im wahrsten Sinne des Wortes mobil: Es ist nicht mehr festgelegt auf einen Ort der Produktion, sondern kann mobil von vielen Geräten aus erfolgen. Dieselben Geräte, die zur Rezeption genutzt werden, dienen zugleich zur Produktion. Es ist möglich, ein „Buch“ mit einem Tablet zu erstellen und zu lesen.

Das hat weitreichende Folgen für das Publizieren im 21. Jahrhundert. Die Produktionsmittel stehen (fast) allen zur Verfügung und sorgen dafür, dass die Anzahl der Anbieter exponentiell ansteigt. Es ist, als ob der Traum der Aufklärung wahr geworden wäre: Der Mensch hat weitestgehend Zugang zum Wissen der Zeit und er kann es auch selber mitgestalten und weiterentwickeln. Denn erst durch den Gebrauch des Wissens ist der Austritt aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ gewährleistet. Wenn die Enzyklopädisten des 18. Jahrhunderts noch daran glaubten, das Wissen ihrer Zeit in Buchform zu sammeln, so offenbart Wikipedia die Illusion und gleichzeitig die Weiterführung dieser Idee. Der exponentielle Anstieg des Wissens macht eine umfängliche Erfassung unmöglich. Aber die Mitarbeit aller macht wiederum eine Teilhabe von so vielen möglich wie nie zuvor. Mit der Einschränkung, dass die technologischen Möglichkeiten und Begrenzungen der Trägermedien neue, eigene Ökosysteme rund um Apple, Google, Amazon und Co. entstehen lassen, die manchmal mit anderen kompatibel sind, manchmal nicht. Die Technologie ist alles andere als gemeinfrei und allen Nutzern zugänglich. Marx

Neue mobile Geräte + Cloud Computing + Netzausbau + neue Publikationsformen = Mobile Publishing

Der Kunde von heute ist Leser und Autor zugleich.

2 – Einleitung

Mobile Publishing heißt, dass verschiedenartigste Inhalte auf verschiedensten Geräten rezipiert und erstellt werden können.

hätte also seine Freude an den günstigen Produktionsmitteln in den Händen vieler Teilnehmer und sein Leid mit der Dominanz „kapitalistischer“ Unternehmen, die so viel Einfluss ausüben können wie Staaten. Deshalb erscheint uns der Begriff Mobile Publishing gut geeignet, die Herausforderungen zu bezeichnen, vor denen eine ganze Branche steht. Die Zielgruppe dieses Buches sind vor allem Medienhäuser und mit ihnen zusammenhängende Dienstleister, die aus dem klassischen Geschäft mit Printmedien kommen. Im Vordergrund stehen deshalb die Texte und die damit verbundenen Bilder, Filme, Audio etc. Wir blenden in diesem Zusammenhang Musik, Spiele und Filme weitestgehend als eigenständige Publikationsformen aus. Wobei wir sehr wohl auf einige Geschäftsmodelle eingehen wollen, weil sie für alle Publikationen eine hohe Relevanz haben. Die Märkte sind doch verschieden und nur teilweise vergleichbar. Aber sie treffen sich in den Ökosystemen der großen Plattformen und prägen dort das Miteinander der Publikationen – in diesem Rahmen werden wir auch darauf eingehen. In diesem Werk gehen wir systematisch vor: Wir entwickeln ein methodisches Vorgehen, wie man von der Kundenanalyse über die sich daraus ableitenden Aufbereitungsformen zu den entsprechenden Erlösmodellen und einem konkreten Umsetzungsplan kommt. In der Folge werden die Bedingungen des Marktes erläutert. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre und Projekten mit verschiedensten Verlagen sehen wir einen Bedarf im Markt nach Orientierung. Wie prüfe ich Ideen? Auf welcher Basis treffe ich eine Entscheidung für die ein oder andere Produktform, Technologie, Vermarktung? Unter der Vielzahl an Möglichkeiten im digitalen Markt gilt es auszuwählen. Und für diese Auswahl braucht man Kriterien. Diese wollen wir mit unserem Werk an die Hand geben und praktische Entscheidungshilfen für die Wahl des optimalen Produktes entwickeln. Wir können dabei nicht bei allen Themen in die Tiefe gehen und verweisen im Anhang auf entsprechende Fachwerke, Datenbanken oder Blogs, die sich eingehender mit den Technologien, Vermarktungswegen oder Aufbereitungsformen befassen. Wir haben dieses Werk bewusst als Autorenteam entwickelt: Die Kompetenz in der Entwicklung digitaler Produktformen und –linien fließt dabei ebenso ein wie das umfangreiche Know-how bezüglich der technologischen Entwicklung. Erst dadurch ist unserer Ansicht nach eine sinnvolle strategische Entwicklung möglich. Jede Entwicklung neuer Angebotsformen muss wissen, welche technologischen Möglichkeiten und Begrenzungen vorliegen. Jede Entscheidung für eine Technologie ist wertlos, wenn sie nicht zu den entsprechenden Kundenbedürfnissen der Zielgruppen und den umsetzbaren Geschäftsmodellen des Unternehmens passt. Die neuen Produktformen – Apps, enhanced eBooks und mehr Mit den Smartphones und Tablets haben sich Geräte auf dem Markt etabliert, die multimediale Inhalte sehr gut darstellen können. Waren es zuerst nur Apps, die die technologische Basis dafür boten, gibt es jetzt schon mehr Möglichkeiten, den Text um Fotos, Videos, Audio u.a. zu erweitern. Das hat es z.B. im eLearning und als Spiel- und Lern-CDs für Kinder schon viele Jahre gegeben. Aber der Markt war begrenzt, meist auf den PC oder firmeninterne Plattformen. Vor allem aufgrund der Tablets scheint nun neben den Apps und den eMagazines eine neue Produktform massentauglich zu werden: das enhanced eBook. Die Grenzen des App-Marktes für Verlage Der App-Markt bietet für Entwickler zahlreiche Möglichkeiten, die der Controller in Medienhäusern meist sehr kritisch sieht. Mit Apps kann man Geld verdienen, wenn man Spiele produziert oder es geschafft hat, einen besonderen Service anzubieten.

– 3

Einleitung 

Klassische Verlage tun sich in der Regel schwer, allein die Kosten für die Entwicklung einzuspielen, da dafür Verkaufszahlen erforderlich sind, die zumeist weit jenseits derer eines Verlagsproduktes liegen. Die Gründe sind vielfältig: Die App-Stores sind unübersichtlich und haben im Vergleich zum Buchhandel kein für Anbieter und Kunden vergleichbar umfangreiches Programm. Bücher verlieren sich neben Spielen und Services und selbst Apple hat es nicht geschafft, für seinen iTunes Store eine sinnvolle Suchfunktion, eine verständliche Trefferliste oder eine einleuchtende Orientierung zu entwickeln. Die Produktvielfalt ist zu groß, zu unübersichtlich und für Anbieter wie für Kunden schwer zu kategorisieren. Dazu ermöglicht das Pricing und das in App-Stores übliche Preisgefüge es nur wenigen, auch richtig Geld zu verdienen. Viele Anbieter nutzen Apps zur Kundengewinnung und treten damit zu den Verlagen in Konkurrenz auf – so als ob sie im Buchhandel plötzlich ganz viele kostenlose Bücher anbieten würden. Dazu kommt die Erwartungshaltung der Kunden, die komplexe Applikationen für einen Spottpreis erhalten und das bisherige Leitmedium Smartphone verlangt nach schnellem Glück und wenig Tiefsinn. Man vergleiche allein die Preise der von Microsoft angebotenen Office-Suite (mehrere 100€ je nach Lizensierungsmodell) mit den komplementären Produkten von Apple im iTunes Store: Die Office-Tools Keynotes, Pages und Numbers kosten alle jeweils unter 10.–€.

App-Stores sind neben Spielhöllen eine gute Möglichkeit, schnell viel Geld zu verbrennen. Nur Profis können gewinnen.

Ein größeres Angebot und eine bessere Technologie Die Kategorie der eBooks orientiert sich noch an den traditionellen Büchern und kann sich damit nach deren Preisen richten. In dem Fahrwasser können auch enhanced eBooks mitschwimmen: Es sind Bücher, aber aufgrund der multimedialen Inhalte noch viel mehr als nur das. Mit dem allmählichen Aufblühen der Shops für elektronische Bücher und den technologischen Möglichkeiten der Erstellung von enhanced eBooks können jetzt relativ einfach neue Produktserien entwickelt werden. Enhanced eBooks sind wie Apps eine neue Form multimedialer Produkte, die im Namen noch die Herkunft verraten, aber eigentlich schon eine ganz andere Produktform darstellen. Enhanced eBooks können Wissen besser vermitteln – vorausgesetzt sie sind gut gemacht Gute Produkte werden sich dort durchsetzen, wo sie langfristig einen Kundenvorteil bieten. Wo soll der bei enhanced eBooks liegen? In der didaktisch besseren Vermittlung von Wissen. Einen Hinweis liefert Apple mit seinem Angebot iTunes U und der Offensive an Schulen, Universitäten und allen Weiterbildungsinstitutionen. Das enhanced eBook eignet sich ideal für alle Lehrwerke. Überall dort, wo Wissen vermittelt werden soll, können multimediale Elemente mehr als nur unterstützen. Richtig eingesetzt, ergeben sich neue Drehbücher, die dem Lernenden im richtigen Rhythmus von Text, Bild, Video und interaktiven Prüfungen spielerisch und anschaulich Inhalte darbieten. Aus der reinen Ansammlung von Wissen wird über multimediales Storytelling ein Produkt, das eine neue didaktische Qualität besitzt und ein anderes Lernen ermöglicht. Von den Verlagen setzt das voraus, dass sie ihre bisherigen Workflows umstellen müssen. Jetzt steht nicht mehr der Text allein im Vordergrund, der Autor ist nicht mehr der einzige Urheber. Erst im Team kann ein gutes Produkt gelingen und die Produktion wird erst durch iterative Prozesse gehen müssen – agiles Projektmanagement lautet das Schlagwort. Die Arbeit des Autors in Zusammenarbeit mit dem Lektor wird eher der eines Regisseurs ähneln, der ein Storyboard entwickelt und dann die nötigen Teile zusammenstellt bzw. im Team entwickeln lässt.

Das Bessere ist der Feind des Guten: enhanced eBooks haben ein großes Potenzial.

4 – Einleitung Dies spricht dafür, dass sich hier ein neues Lehrwerk etablieren wird, das wohl seinen Ursprung im Text hat, in der Konzeption einer Geschichte mit einem klaren Ziel. Für die Erstellung werden aber die bisherigen Schritte nicht mehr ausreichen, um ein wirklich gutes Werk zu entwickeln. Der Lohn sind spannende, neue Produkte. Denn es werden nicht nur Lehrwerke im klassischen Sinne sein, die hier ihr Publikum finden werden: Exzellente Beispiele für diese neuen Medienform sind beispielsweise Al Gores „Our Choice“, eine App zum Thema Klimawandel, die im iTunes-Store erhältlich ist, oder „Life on Earth“ des Biologen E. O. Wilson, ein Enhanced eBook für das iPad. Hier wird auch deutlich, dass die gewohnten Grenzen zwischen den Produkten aufgeweicht werden. Noch orientieren sich eBooks an den klassischen Bücher und eMagazines an den klassischen Zeitschriften. Noch suchen beide ihre Wege über eBook-Stores und Magazinplattformen. Aber Apps und enhanced eBooks weisen allein durch ihre Möglichkeiten der zeitnahen Aktualisierung und Verknüpfung verschiedener Elemente darauf hin, dass diese klassichen Kategorien nicht mehr lange Bestand haben werden. Die Konsequenzen für Medienunternehmen, Unternehmen und Aus- und Weiterbildungsanbieter Cambia, todo cambia – und das immer schneller und mit spannenden, neuen Produktformen und Geschäftsmodellen.

Für Medienunternehmen ergeben sich daraus die folgenden Konsequenzen: – Neue Produktformen werden sich auf dem Markt etablieren. Apps und enhanced eBooks werden in Kombination mit webbasierten Angeboten über Smartphones und Tablets die Kunden z.T. besser ansprechen als bisher. – Die neuen Produkte werden manche der gewohnten Angebotsformen ersetzen oder ergänzen. Reiseführer oder Tourenvorschläge sind nur ein Beispiel von vielen, bei denen digitale Produkte mehr bieten können als ihre gedruckten Verwandten. – Diese Angebote basieren z.T. auf anderen Geschäftsmodellen. Manche Anbieter werden durch kostenlose Angebote neue Kunden gewinnen wollen bzw. ihre bisherigen Kunden besser pflegen. Andere werden sich durch ergänzende Serviceangebote oder Werbung finanzieren und nicht mehr wie bisher durch den reinen Verkauf der Produkte. – In der Folge werden Unternehmen mit Publikationsangeboten auf den Markt drängen, die eigentlich keine Medienunternehmen sind. Es ist eine logische Folge der Webpräsenz, dass diese weiter ausgebaut wird und Content Marketing zur Strategie vieler Firmen gehören wird. Das heißt, dass zur Kundengewinnung und -pflege Inhalte oft kostenlos weitergegeben werden und das, was für den Verlag noch das Produkt war, für andere Unternehmen reines Vertriebs- und Marketinginstrument wird. – Die Monetarisierung der Angebote wird Medienhäuser vor die Aufgabe stellen, Ihr Portfolio strategisch zu entwickeln. Denn neben den verschiedenen Geschäftsmodellen werden vor allem Mehrfachverwertung und Skalierbarkeit von Angeboten darüber entscheiden, ob die Produktionskosten und Erlöse ein nachhaltig rentables Produktangebot ermöglichen.

Ein Werk zum Thema Mobile Publishing in gedruckter Form: Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Der erste Teil der Antwort fällt pragmatisch aus. Wir wollen das dem Leser überlassen. Für viele bietet ein Buch in gedruckter Form nach wie vor die beste Form der Wissensvermittlung, weil es sich ruhig und geduldig dem Leser anpasst. Es fordert nicht dauernd Aufmerksamkeit durch Updates und aktuelle Nachrichten. Es lenkt nicht ab durch tausende von Verweisen und multimedialen Schnickschnack. Es sagt dem Leser aufgrund langjähriger Erfahrungen relativ genau, wie lange er wohl brauchen wird zum Lesen und die Inhalte lassen sich auch für viele relativ gut einem Ort zuweisen („das war irgendwo in der Mitte unten links, die eine Grafik mit dem Querbalken“). Es vermittelt dem Leser das Gefühl, die Inhalte auch zu begreifen, zu fassen.

– 5

Einleitung 

Und solange das gedruckte Buch für viele noch die erste Wahl ist, werden auch diese Inhalte in dieser Form vermittelt. Für alle, die das eBook vorziehen, stehen selbstverständlich auch die ent-sprechenden Varianten zur Verfügung. Neben dem Buch bieten wir auf unserem Blog www.smart-digits.com Erweiterungen, Ergänzungen und zusätzliche Artikel zum Thema an. Hier werden wir auf aktuelle Entwicklungen eingehen und im Kontext des Themas mobile Publishing kommentieren. Unser Dank an dieser Stelle dem Verlag für die sorgfältige Betreuung und das Lektorat, der Akademie des Deutschen Buchhandels für die Vermarktung und all den Freunden und Bekannten für die anregenden Diskussionen. Da uns das Thema noch länger beschäftigen wird, hier schon die Vorwarnung auf weitere Gespräche. Sollte uns jemand vermisst haben in der Zeit des Schreibens – wir sind wieder da. Und wir freuen uns selber über die wiedergefundene Zeit mit unseren Liebsten.

Neben dem Buch bieten wir auf unserem Blog www.smart-digits.com Erweiterungen, Ergänzungen und zusätzliche Artikel zum Thema an.

1 Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode Im Folgenden stellen wir Ihnen eine Methode vor, wie man im scheinbar unübersichtlichen Markt vorgehen sollte, wenn man digitale Produkte entwickelt. Aus ihr lässt sich die für Ihr Unternehmen passende Strategie ableiten. Dabei müssen zeitglich sechs Bausteine zusammen betrachtet werden, um zu einem schlüssigen Ergebnis zu kommen: Markt, Kunde, Produktform, Vermarktung, Geschäftsmodell und Umsetzung. Auf die ersten fünf können wir im Rahmen dieses Werkes eingehen, alles andere sprengt leider den vorgegebenen Umfang. Egal wo man beginnt, immer müssen diese sechs Bausteine zusammen gedacht werden. Anlehnungen finden sich in dem bekannten, von Osterwalder und Pigneur entwickelten Business Modell Canvas, das wir für unsere Bedürfnisse in ein paar Punkten verändert und angepasst haben. So sehen wir zur Zeit vor allem durch die technologische Entwicklung und die neuartigen Produktformen die Notwendigkeit, diese beiden Aspekte für Medienunternehmen deutlicher hervorzuheben. Die Bausteine sehen wir wie Glieder einer Kette: Ist ein Glied zu schwach, so ist die gesamte Kette weniger wert. Deshalb hilft es nichts, nur auf den Kunden zu schauen oder nur auf das Geschäftsmodell oder nur auf das neue Produkt. Nur das stimmige Gesamtkonzept kann überzeugen. Das heißt, Sie brauchen eine Strategie. Und diese ergibt sich aus einer Analyse Ihres Portfolios, das genau Ihren Kunden begeistert und zu Ihrer Marke und Ihren Fähigkeiten passt. Die richtige Technologie, den Weg zum Kunden und das überzeugende Produkt vorausgesetzt. Wir werden immer wieder gefragt, wo man anfangen soll oder wie man das Vorhandene weiter entwickelt. Egal wo Sie anfangen oder in unserem „Kreis“ einsteigen: Gehen Sie einfach alle Schritte durch und die sinnvolle Strategie erschließt sich. Dieses Werk bietet Ihnen eine Methode, um Ihr Unternehmen und Ihr Portfolio zu entwickeln. Deshalb sind die einzelnen Kapitel zum Thema Technologie, Produktformen, Kundenanalyse, Vermarktung und Geschäftsmodell nur so weit vertiefend dargestellt, dass sie das Zusammenspiel in unserer Methode darstellen. Für jedes der Einzelthemen gibt es wiederum zahlreiche, vertiefende Informationen. Dieses Werk ersetzt kein Fachwissen in diesen Gebieten, sondern weist einen Weg und zeigt ihre Bedeutung im Gesamtprozess. Publizieren war immer schon ein schillerndes Geschäft mit den unterschiedlichsten Teilnehmern. Renditen im zweistelligen Bereich bei wissenschaftlichen Zeitschriften, Bestsellern und langlebigen Backlist-Titeln oder zu Blütezeiten der Loseblattwerke stehen neben vielen Aktivitäten ohne Erfolg: Liebhaber-Exemplare, die mit an Selbstausbeutung grenzendem Aufwand produziert wurden und Flops in allen Segmenten. Kaum eine Branche bietet derartig viele unterschiedliche Charaktere und Teilnehmer wie die Verlagsbranche. Um es auf einen Punkt zu bringen: So vielfältig wie das Leben stellt sich auch die Verlagswelt dar, die ihre jeweilig eigenen Akteure für Liebesromane, technische Fachbücher, Atlanten oder Bibeln ins Feld führt. Prägend waren über Jahrzehnte, über Jahrhunderte hinweg jedoch relativ gut einschätzbare Produktformen: ob Buch, Zeitschrift oder Zeitung – die gedruckte Publikation hat den Markt beherrscht. Damit verbunden sind zahlreiche Prozesse und Fähigkeiten entwickelt worden, die die heutigen Medienhäuser auszeichnen. Fachleute können auf jahrelange Erfahrungen zurückgreifen, wenn es darum geht, das richtige Cover zu finden, den richtigen Schreibstil für das jeweilige Werk oder die erfolgreichs-

Im digitalen Markt muss jedes Unternehmen seine Wertschöpfung neu definieren.

Verlegen war schon immer eine der vornehmsten Arten, Geld zu versenken.

8 – Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode

Disruptive Märkte sind kein Paradies für Liebhaber eindeutiger Aussagen: Es gibt keine Muster­ lösungen.

ten Vermarktungsaktionen. Und sie können dem folgend auch einigermaßen belastbare Annahmen über den Erfolg oder Nichterfolg eines Produktes treffen in Relation zu den Ausgaben. Sprich: Die Kennzahlen der Vergangenheit lassen auch einigermaßen verlässliche Prognosen für die Zukunft zu. Anders sieht dies bei digitalen Produkten aus. Es liegen keine Erfahrungswerte vor und keine Kalkulation der Welt kann stimmig errechnen, in welche Richtung sich Apps, enhanced eBooks oder Datenbanken bewegen. Denn zu rasant entwickeln sich auch die Technologien weiter – und das auch weitestgehend unabhängig von den Medienhäusern. Es sind die Global Player wie Amazon, Apple, Google und andere, die den Markt prägen und den traditionellen Anbietern den Markt streitig machen. Da es keine Standards im Markt gibt, liegt die Herausforderung für Medienhäuser darin, auf die richtigen Pferde zu setzen. Um es in einem Bild zu beschreiben: Bisher konnten Verlage mit einem Produkt auf die verschiedensten Käufer über bekannte Verkaufswege zugehen. Ein neues Sachbuch über den Klimawandel konnte in derselben Form bei allen Händlern im deutschsprachigen Raum verkauft werden. Eine Taschenbuchausgabe und die Lizenzen bei Buchclubs und anderen Anbietern oder die Mehrfachverwertung in Sonderausgaben von Zeitschriften waren kalkulierbare Einnahmen. Bei digitalen Produkten gibt es diese Standards (noch) nicht. Es ist so, als ob ein und dasselbe Buch in jeweils veränderter Form bei Thalia, Hugendubel, Weltbild und Co. erscheinen müsse. Zudem unterscheidet es sich auch vom Angebot auf der eigenen Webseite. Außerdem muss es für jeden Kunden auch gleich nochmal anders gedruckt werden, weil einige ein größeres Schriftbild nicht lesen können, andere die Bilder nicht und die Dritten die beigelegte CD nicht lesen können… Ein und derselbe Inhalt muss also mehrfach angefasst und aufbereitet werden, um einen Bruchteil der Kunden zu erreichen, die vorher mit einem Produkt bedient werden konnten. Weil diese Standards fehlen, fällt es schwer, sich über die bisherigen Kalkulationen dem Markt zu nähern. Denn der Aufwand für die technologische Aufbereitung ist hoch und kann sich selten gleich lohnen. Denn noch ist der Markt im Wandel begriffen und es müssen die gedruckten wie die digitalen Produkte gleichermaßen entwickelt, produziert und vermarktet werden. Die Investitionen in die richtige Technologie können sich deshalb im ersten Schritt nicht rechnen. Unsicher ist zudem nicht nur die Entwicklung der digitalen Produkte, sondern auch die der bisherigen, gedruckten Werke. Der Rückgang des Verkaufs gedruckter Produkte ist fast durchgängig. Es ist jedoch keine einfache 1:1-Korrelation, bei der man genau erkennen könnte, dass der Kunde A, der vorher ein Buch oder eine Zeitung gekauft hat, jetzt das digitale Produkt B kauft. Wie bei allen umfassenden Neuerungen in der Gesellschaft hilft nur ein systemischer Ansatz: Das Alte wird nicht sofort ersetzt, sondern bleibt. Aber für den Kunden erhält es eine andere Relevanz, weil das Neue ebenfalls Aufmerksamkeit erfordert und diese jetzt für das Alte fehlt. Ganz so, wie wenn ein Neugeborenes in einer Familie seinen Platz einfordert und die Beziehungen der bisherigen Familienmitglieder untereinander neu definiert wird. Die neuen, digitalen Produkte ersetzen nur zum Teil gedruckte Werke und gedruckte Werke erhalten für den Kunden eine andere Bedeutung als vorher. Das Zusammenspiel von gedruckten und digitalen Produkten findet sich im Markt neu und niemand kennt das Resultat. Da auch nicht sofort einsichtig ist, auf welche Technologie man setzen soll, verharren viele Akteure in einer „Kaninchen-vor-der-Schlange-Stellung“ und warten ab, wohin sich der globale Tross wendet. Ob Google Play wirklich so bedeutend wird wie Amazon, ob Nokia wirklich den Totgeweihten zuzurechnen ist, ob Apple wirklich keine gute Buchsuche im iTunes-Store einrichten wird, ist schwer ein-

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Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode 

zuschätzen. Vorsicht ist deswegen zunächst einmal naheliegend. Aber genau von dieser Einschätzung hängen Investitionen in die Zukunft ab, denn digitale Produkte sind immer an die ihnen zu Grunde liegenden Technologien gebunden. Gerade zu Beginn einer Marktentwicklung ist deren Einsatz umso bedeutender, weil sich Standards in der Regel noch nicht etabliert haben und Schnelligkeit einen Vorteil verspricht in der Vermarktung neuer Produkte. Wer als erster interaktive Grafiken in seine Bücher einbaut, gewinnt dadurch neue Kunden. Wer als erster Geolokalisation in seine Reiseführer einbaut, sichert sich dadurch einen Vorsprung. Und so weiter. Nur war die Produktion derartiger Bestseller im Buchgeschäft über viele Jahrzehnte nicht von einer Technologie abhängig, sondern „nur“ vom Inhalt. Ein eigener Autor wurde gepflegt, aufgebaut und natürlich unter Vertrag genommen. Auf der Buchmesse wurde das neue Werk verkündet und es konnte eine eingespielte Vermarktungsmaschinerie in Gang gesetzt werden. Was die Abhängigkeit von der richtigen Technologie für die eigenen Angebote bedeutet, das kann das Verlagsgeschäft von den Spieleproduzenten lernen. Die technologischen Fortschritte wurden hier immer auch von den großen Distributionsplattformen geprägt, die entscheiden konnten, in welche Richtung es geht. Und es ist nicht verwunderlich, dass diese Branche die neuen Geräte Smartphone und Tablet in Beschlag genommen hat. Sie hat blitzschnell reagiert und sich den neuen Bedingungen angepasst. Dabei sind neue Anbieter auf den Markt gekommen und haben sich besser auf die neuen Kunden eingestellt. Da das Verlagsgeschäft jedoch zum größten Teil nicht auf Bestsellern basiert, bleibt die Frage, wie man seine Backlist, seine Longseller, das Brot-und-Butter-Geschäft in die neue Zeit hinüberretten kann. Denn auch hier spielt die richtige Technologie eine wichtige Rolle. Die Investition ist nämlich nicht mit dem Kauf abgeschlossen, sondern beginnt erst damit. Nicht nur die Wartung und die Pflege, auch die Weiterentwicklung der Produkte und der Produktionssysteme müssen bedacht werden, sondern auch der Aufbau von Know-how und die Anpassung der Prozesse im Unternehmen. Sprich: Die Technologie frisst Ressourcen und Geld. Es liegt auf der Hand, dass man deshalb gerne die Technologie auch als Ausgangspunkt für alle Entscheidungen machen möchte. Dort sind die Investitionen am größten, der Aufwand für alle Mitarbeiter ist hoch und jeder weiß, dass er hier am meisten dazulernen muss. Das Problem ist, dass hier keine Antworten zu erwarten sind, die über die Technologie hinausgehen. Es kann nur gesagt werden, was machbar ist, aber nicht, was sinnvoll ist für den Markt. Und der Sinn ergibt sich erst durch den Käufer. Nur wenn der Kunde wirklich seinen Geldbeutel aufmacht, hat man seine Bedürfnisse erkannt und das richtige Produkt angeboten. Aber wann zückt der Kunde den Geldbeutel? Wie so oft hilft auch hier keine einfache Antwort. Es sind mehrere Faktoren, die gut zusammenspielen müssen, wenn man Erfolg haben will. Neben der Marktanalyse sind es vor allem zwei Fragen, die beantwortet werden wollen: 1. Wer will was in welcher Form und auf welchem Weg erhalten? (Und ist dann auch noch bereit, dafür zu zahlen.) 2. Wie kann ich dieses Produkt mit meinen Ressourcen so herstellen, dass ich daran verdiene?

Das ist nichts Neues und auch keine Geheimwissenschaft. Aber in diesen sich schnell wandelnden Zeiten scheint es so, als ob diese einfachen Grundregeln oft vergessen werden, weil man über Jahre mit schon lang bestehenden Methoden und Produkten sein Geld verdient hat. Die Gewohnheiten prägen dann das Bewusstsein.

Spiele sind in den App-Stores die wichtigste Ware. Bei einer guten Vermarktung lässt sich damit Geld verdienen. Aber nur, wenn das Produkt auch für die neuen Kunden aufbereitet wird. Mehr dazu in diesem Artikel:

http://bit.ly/Z6TtnF

Die zentrale Frage lautet: Welches Bedürfnis hat der Kunde? (Und wie viel ist ihm die Befriedigung desselben wert?)

10 – Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode

„Lesen macht vielseitig, Verhan­ deln geistesgegenwärtig und Schreiben genau.“ (Francis Bacon)

Wir empfehlen ein Vorgehen, bei dem man die zentralen Faktoren für die richtige Produktentwick­ lung im Blick hat. 1. Wie entwickelt sich der Markt? Hier werden die Marktentwicklung analysiert, der Wettbewerb und neue Marktteilnehmer. Vor allem die Entwicklung der verschiedenen Ökosysteme von Amazon bis Apple spielt hier eine große Rolle. 2. Wer sind die Zielgruppen? Und was wollen sie? Hier wird das Profil der eigenen Zielgruppe erstellt mit den Bedürfnissen, dem Umfeld und den Tätigkeiten. Vorliegende Kundendaten spielen eine genauso große Rolle wie die künftig zu entwickelnden Profile. 3. Wie müssen die Informationen aufbereitet sein? Das zur Zielgruppe passende Infoprofil erkennt, welche Inhalte positiv beeindrucken und wählt die passenden(digitalen) Trägermedien aus. 4. Wie und wo erreicht man die Kunden? Die Plattformen und Verkaufsstellen werden identifiziert, über die die vorher definierten Kunden am besten zu erreichen sind. Vor allem crossmediale Angebote tragen zum richtigen Marketingmix bei. 5. Wie rechnet sich das? Alle Möglichkeiten der Monetarisierung werden geprüft und in einen stimmigen Plan gegossen. 6. Wer setzt was wie um? Die Ressourcen und das Know-how werden überprüft und lassen erkennen, ob man überhaupt in der Lage ist, wettbewerbsfähige Produkte zu erstellen. Oder ob man Partner dazu braucht.

Erst wenn man bei seinem Produkt hierauf auch stimmige Antworten hat, können die ersten Schritte angegangen werden.

So entwickelt sich der Markt So wird es umgesetzt.

Das sind Ihre Zielgruppen und das wollen sie

So rechnet sich das für Sie

So müssen Ihre Informationen aufbereitet sein So erreichen Sie Ihre Kunden

So entwickelt sich der Markt So wird es umgesetzt.

Das sind Ihre Zielgruppenund das wollen sie

So rechnet sich das für Sie

So müssen Ihre Informationen aufbereitet sein So erreichen Sie Ihre Kunden

So wird es umgeset zt.

So rechnet sich das für Sie

So entwick elt sich der Markt

So erreiche n Sie Ihre Kunden

Das sind Ihre Zielgrup pen und das wollen So müssen Ihre Informa tionen aufberei tet sein

Abb. 1.1: Das eigenen Portfolio entwickeln in einem disruptiven Markt: ein systematisches Vorgehen zur iterativen Produktentwicklung

Bei jeder Produktentwicklung müssen die sechs Kernfragen beantwortet werden. Finden sich bei einer der Fragen keine schlüssigen Antworten, so steht die Realisierung in Frage. Nur wenn überzeugende Antworten vorliegen ergibt sich ein klares Bild des zu entwickelnden Produktes. Nach kurzer Zeit müssen die Annahmen überprüft werden, weshalb der Prozess iterativ ist.

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Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode 

Das sinnvollste Werkzeug hierfür ist ein Steckbrief, der die wichtigsten Eckdaten zusammenfasst. Dadurch erhält man eine Übersicht, die als Entscheidungsgrundlage dienen kann. Und es gibt noch eine Reihe weiterer Gründe, warum die Formalisierung der Produktentwicklung durch einen Steckbrief so wichtig ist: –– Für die Produktentwickler, Produktmanager, Lektoren, Redakteure etc., für all die, die die Aufgabe haben, das Programm weiterzuentwickeln, ist der Steckbrief eine sinnvolle Checkliste, um zu erkennen, ob sie an alles gedacht haben. Durch das Ausfüllen werden die Mitarbeiter auch gleich geschult. –– Erst durch die genaue Beschreibung ihres Produktes werden Sie auf mögliche Schwächen und Widersprüche in der Konzeption aufmerksam. –– Da digitale Produkte nur im Team sinnvoll entwickelt werden können, bietet der Steckbrief eine gemeinsame Arbeitsgrundlage, ein Format, in das alle hineinarbeiten können. Denn neben der Gestaltung des Inhalts müssen die Fragen nach der Technologiewahl, der Vermarktung, der Distribution etc. beantwortet werden, um auch eine einigermaßen stimmige Kalkulation zu erhalten. –– Da digitale Produkte immer weiterentwickelt werden müssen, ist der Steckbrief die Vorlage, die man schrittweise anpassen kann, ohne immer wieder alles neu erfinden zu müssen. Nach den selbst gesetzten Meilensteinen für die Produktentwicklung – ein halbes Jahr empfiehlt sich hier als Richtwert – müssen die getroffenen Annahmen überprüft werden. Dafür braucht man eine Vorlage, die man dann wieder hervorholen kann. –– Man braucht eine verbindliche, für alle nachvollziehbare Grundlage für Entscheidungen. Oft gehen die Meinungen auseinander, warum bestimmte Produkte gemacht oder nicht gemacht werden. Und meist sind es dann doch persönliche Gründe, die ins Feld geführt werden, Machtkämpfe, die offensichtlich oder scheinbar den Ausschlag gegeben haben. –– Wichtig ist Transparenz auch, um allen Mitarbeitern die Teilhabe an der Entwicklung der neuen Produkte zu ermöglichen. Es passiert oft, dass eine noch so tolle Idee einfach daran scheitern muss, weil die Ressourcen gebunden sind, weil die Technologie nur von wenigen Kunden genutzt wird oder aus vielen anderen Gründen heraus. Um immer wieder von der Sache her zu argumentieren, hilft der Steckbrief. Man verständigt sich über die Annahmen, die man zu einem gewissen Zeitpunkt gemacht hat und entscheidet dann verbindlich auf dieser Grundlage. Wenn sich die Annahmen später als falsch herausstellen, soll sich auch keiner herausreden und sagen er hätte es immer schon gewusst. –– Die bekannte Erfahrung aus dem Projektmanagement trifft hier zu, dass eine gute Planung zu Beginn die halbe Miete ausmacht. Jeder Architekt, jeder Bauplaner, jeder Softwareentwickler wird zustimmen, dass Fehler in der Konzeptionsphase später teuer zu stehen kommen – wenn sie überhaupt noch ausgebügelt werden können. Der Steckbrief ist der erste Schritt zu einem stimmigen Projekt. Wie immer gilt aber auch hier: Der Gebrauch eines Werkzeugs entscheidet über seinen Nutzen. Zu viel Formalismus kann hier genauso schaden wie pro forma erstellte Textbausteine, die hin- und hergeschoben werden. Steckbriefe machen nur Sinn, wenn sie: – verbindlich sind. Und das heißt, dass er von den Führungskräften eingefordert und für wichtig erachtet werden muss. Wenn die Führung kein Interesse an diesem Steckbrief zeigt, macht er keinen Sinn. – von den Beteiligten genutzt werden. Niemand will Laufwerksleichen. Ein Steckbrief, der nur der Form halber ausgefüllt wird, ist wertlos. Die Beteiligten müssen ihn als Werkzeug nutzen wollen, weil sie erkennen, dass sie dadurch ihre Arbeit besser machen können, es Zeit und Energie spart.

12 – Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode

Der Steckbrief ist weder eine Doktorarbeit noch eine Ansamm­ lung von Textbausteinen. Er muss in ein bis zwei Tagen Arbeitszeit ausgefüllt sein.

„Fail often, fail early, fail cheaply.“

Es empfiehlt sich deshalb, einen derartigen Steckbrief auch im eigenen Haus zu entwickeln und an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Das, was man selber entwickelt hat, liegt einem immer näher und die Akzeptanz ist ungleich höher. Es ist wichtig, einen allen transparenten Entscheidungsprozess zu etablieren, bei dem dieser Steckbrief genutzt wird. Eine Programmkonferenz in regelmäßigen Abständen ist hierfür geeignet. Auf dieser werden die neuen Ideen durch die verantwortlichen Personen vorgestellt und im großen Gremium besprochen. Führungskräfte und Fachleute müssen hier gleichermaßen beteiligt sein. Um eine sachliche und effiziente Diskussion zu ermöglichen, müssen die Unterlagen mindestens drei Tage vor der Sitzung allen Beteiligten zukommen. In der Sitzung müssen alle Einwände gehört und besprochen werden. Wichtig ist, dass diese auch dokumentiert werden. Die Entscheidung muss jedoch von allen getragen werden. Es darf kein „hab ich doch gleich gesagt, dass“ geben. Es macht keinen Sinn, dass zu viel Energie und Ressourcen in Ideen gesteckt werden, die dann zurückgestellt oder verworfen werden. Auch das kann eine Organisation lahmlegen. Als Durchschnittswert gilt, dass insgesamt ein bis zwei Tage Aufwand (in Personentagen gerechnet) für das Erstellen eines Steckbriefs genügen müssen. Der mag am Anfang noch höher sein, wenn die Prozesse noch nicht eingespielt sind, sollte sich dann aber auf diesem Niveau einpendeln. Denn eine längere Bearbeitungszeit bedeutet auch eine höhere Belastung und verlangsamt insgesamt den Entscheidungsprozess. Gerade das soll und muss aber auch vermieden werden. Es ist wie immer der richtige Mittelweg: Eine gute Planung und durchdachte Ideen sind wichtig für den weiteren Projektverlauf. Sie sparen Geld und Zeit. Eine zu ausführliche Planung verzögert Entscheidungen und ein schnelles Handeln. Gestatten Sie Fehler. Sie werden nicht ausbleiben. Nur der Untätige macht nur einen Fehler: den, dass er gar nichts lernt und sich nicht entwickelt. Da sich der Markt so schnell dreht und kaum Erfahrungswerte vorliegen, kommt eine Planung auch schnell an ihre Grenzen. Vieles muss auch einfach ausprobiert werden. Dadurch werden erst Erfahrungen erworben, die dann auch wieder für die Weiterentwicklung genutzt werden können. Man muss ausprobieren und Erfahrungen sammeln, weil man sich nicht auf die Vergangenheit berufen kann. Man muss schnell sein, weil sich der Markt in einer rasanten Geschwindigkeit dreht. Und man muss das Risiko begrenzen durch die Entwicklung von Prototypen, die bei einem Misserfolg nicht das gesamte Unternehmen gefährden. Bei größeren Organisationen mit vielen Beteiligten und Ideen sowie aufwändigen Projekten empfiehlt sich eine Trennung zwischen dem Vorschlag für Produktideen und einem detaillierten Plan für die Realisierung. In dem Ideensteckbrief wird die Produktskizze vorgestellt und bei Verabschiedung können dann die konkreten Aufwendungen kalkuliert und detailliert beschrieben werden. Gerade bei Projekten mit einem hohen Technologieanteil ist dies wichtig. Manchmal zieht der Vorschlag für den Verkauf von eBooks auf der eigenen Webseite gleich eine Änderung der Portalstrategie mit sich. Eine solche lässt sich aber ohne die Evaluation der Marktanbieter nicht in einem Tag kalkulieren. Dann ist ein stufenweises Vorgehen sinnvoll. Die Idee wird befürwortet, das Projekt wird weiter verfolgt, aber eine Entscheidung über die Realisierung wird erst dann erfolgen können, wenn die Investitionen kalkulierbar sind. Zunehmend werden nämlich nicht einzelne Produkte und deren Verkauf die Erlösquelle sein, sondern ein Bündel an Angeboten. Und die technologischen Implikationen sind dann schwerer zu kalkulieren und müssen eher in Projekten bearbeitet werden und nicht in standardisierten Prozessen für die Produktentwicklung. Anders gesagt: Eine Serie von Büchern zu erstellen ist ein gelernter Prozess. Daraus eine Serie von eBooks zu machen lässt sich ebenfalls standardisieren, so dass die Lektoren künftig beide Produktformen entwickeln. Aber einen eigenen Shop wei-

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Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode 

terzuentwickeln zu einer Plattform für Selfpublisher ist ein eigenes Projekt, das wie jedes Technologieprojekt auch als solches zu behandeln ist. Es braucht einen Projektleiter, einen Projektplan und eine eigene Kalkulation mit einem Meilensteinplan. Deshalb gilt für derartige Projekte nicht das Vorgehen wie für neue Produktideen. Das vorliegende Muster soll und kann nur eine Richtlinie sein. Es ist von uns selbst jedoch über zehn Jahre genutzt und angewandt worden und wir können dieses Werkzeug aus eigener Erfahrung nur empfehlen. Mit der Zeit wurde den Steckbrief verständlicherweise auch immer wieder modifiziert und den Bedingungen des Marktes angepasst. Aber am grundsätzlichen Konzept hat sich nichts geändert.

Muster für einen Produkt- und Marketing-Steckbrief: Titel

Autor(en)

Preis

Umfang

Erscheinungstermin

Die Zielgruppe: Wer ist der Kunde, was will der Kunde? Wer ist der Kunde? Welches Bedürfnis hat der Kunde? Was erwartet er? Das Produkt: Was kann das Produkt? Wann wird es genutzt? Das Produkt kann ... Es wird in den folgenden Situationen genutzt… Aufbau und Inhalt: USP/Alleinstellungsmerkmal: Worin liegt der einzigartige Kundennutzen/Unterscheidung gegenüber anderen Produkten/Konkurrenz? USP in 1–2 kurzen Sätzen

(der Unterschied zur Konkurrenz liegt in: Preis, Bekanntheit des Autors, Vermarktung, besondere inhaltliche Merkmale, besondere Features…)

CVP/Customer Value Proposition: Warum ist dieses Produkt die richtige Lösung für den Kunden? Warum will der Kunde das Produkt, welchen Nutzen sieht er für sich? CVP in 1–2 kurzen Sätzen

(der Kunde will das Produkt, weil: erleichtert Arbeit, ist witzig, bietet schnellen Erfolg, verspricht Emotion xy…)

Vorschlag für den Beschreibungstext bei Amazon/der eigenen Website/im App-Store lauten (2–4 Sätze)?

Die wichtigsten 2–3 Wettbewerber – und worin unterscheidet sich unser Produkt? Marktbereich

Titel

Buchmarkt

Andere Angebotsformen (Akademie, Video, Software…)

Apps

Abb. 1.2: Smart Digits Produkt- und Marketing-Steckbrief

Preis und Umfang

14 – Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode Zeitschriften und Portale

Andere

Distributionskanäle – Plattformen – Kooperationspartner Über welche Wege verkaufen wir das Produkt? Wo ist der Leser zu finden? Marketingaktionen

Kurzbeschreibung Vermarktungsschwerpunkte und geplantes Budget (Angabe in TEUR) SEM PR Handelsmarketing Social Media Marketing Direktmarketing (klass.) …

Kennzahlen/Kalkulation Voraussichtliche Verkaufszahl und Um­ satz nach Channel und Gesamtauflage Buchhandel eBook-Plattformen Eigener Shop bzw. NL-Aktionen etc. Projektgeschäft Andere Partner …

x x x x x x

Expl. Expl. Expl. Expl. Expl. Expl.

Y Umsatz Y Umsatz Y Umsatz Y Umsatz Y Umsatz Y Umsatz

Erlöse gesamt TEUR Provisionen Honorar Kosten Produktion Kosten Programmierung Grafik Prozesse u. Sonstiges Werbekosten DB II TEUR Abteilungskosten DB III TEUR Abb. 1.2: (Fortsetzung) Smart Digits Produkt- und Marketing-Steckbrief

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Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode 

Mit der folgenden Checkliste soll überprüft werden, ob das Produkt zur Wertschöpfung des Unternehmens beiträgt. Es ist nicht möglich, diese Fragen abschließend beantworten zu können. Niemand kennt die Zukunft. Es soll lediglich ausgeschlossen werden, dass man mit dem geplanten Produkt Kosten und Aufwand produziert, die das Unternehmen nicht voranbringen.

Muster für eine Produkt-Checkliste: Titel

Autor(en)

Frage Passt das Produkt zur Marke des Verlages? Wenn ja: Wird es auch in drei Jahren noch passen? Wenn nein: Warum soll es trotzdem gemacht werden? Werden mit dem Produkt auch die Zielgruppen angesprochen, die man in Zukunft ansprechen will? Wenn nein: Warum soll das Produkt trotzdem gemacht werden? Werden die Zielgruppen das Produkt auch in drei Jahren noch brauchen? Wird die Marktentwicklung den Verkauf des Produktes fördern oder hemmen? (Distributionswege, Konkurrenz…) Können weitere Produkte mit denselben Merkmalen entwickelt werden? Wenn ja: Welche Merkmale/Features sollen übernommen werden? Wenn ja: Wie viele? Und welchen Umsatz könnten sie generieren? Wenn nein: Warum ist es trotzdem wichtig, das Produkt zu machen? Welche Kompetenz muss aufgebaut werden, um künftig weitere derartige Produkte machen zu können? Welche Folgekosten sind zu erwarten? (Aufbau Kompetenz, Umstellung Abläufe, Pflege Software…) Wird der USP des Produktes auch in drei Jahren noch tragen und die Marke des Unternehmens fördern? Abb. 1.3: Smart Digits Produkt-Checkliste

Erscheinungster­ min

Preis

Umfang

Ja/ Nein

Kommentar

2 Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt So entwickelt sich der Markt: Die Kunden So wird es umgesetzt.

Das sind Ihre Zielgruppen – und das wollen sie

So rechnet sich das für Sie

So müssen Ihre Informationen aufbereitet sein So erreichen Sie Ihre Kunden

– Der Markt für Endgeräte (Tablets, Smartphones, eReader) – Die Kunden: Wie nutzen die Personen die Geräte? Was machen Sie im Netz? Wie verändert sich der Arbeitsplatz? – Die Ökosysteme der Global Player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen? – Andere Anbieter von Inhalten – die „neuen Verleger“: Selfpublishing, Agenturen, Lehrstühle, Institutionen

2.1 Der Markt für Endgeräte Die Entwicklung des Marktes für Smartphones

http://bit.ly/129EXgB

Der Markt für Apps und enhanced eBooks wächst. Der Grund dafür ist der Anstieg der Endgeräte, die den Zugang zu digitalen Inhalten bieten. Dadurch erhält der Markt eine neue Dynamik. Allein durch die wachsende Anzahl an Smartphones und Tablets ist die Bereitschaft höher geworden, digitale Inhalte zu nutzen. Im Vergleich zu den reinen eReadern zum Lesen von Texten offenbaren sie die Möglichkeiten digitaler Inhalte wie Vernetzung, Aktualität oder multimediale Darstellungsformen. Und dies betrifft den privaten wie den beruflichen Bereich gleichermaßen. Im ersten Quartal 2013 gaben laut Bitkom ein Drittel der Unternehmen an, dass sie Tablets einsetzen.

Abb. 2.1: Die Entwicklung zeigt nach oben. Smartphones haben die klassischen Handys abgelöst und erschaffen somit einen großen Markt für digitale Produkte.

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Der Markt für Endgeräte 

Der Anstieg der Tablets weltweit: Dreistellige Wachstumsraten (Quelle IDC)

Abb. 2.2: Bei den Tablet-Verkäufen ist der Anstieg ungebrochen. Neben Apple positioniert sich Samsung als bedeutendster Anbieter von Android-Geräten. (Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Android-Tablets-sind-Marktfuehrer-Windows-waechst-am-schnellsten-1926119. html?view=zoom;zoom=1)

Der Verkauf der Endgeräte fördert zwangsläufig auch den Verkauf digitaler Inhalte. Und er hat folgerichtig auch zu einer schnellen Bereitstellung von Angeboten von Seiten der Verlage gesorgt. Lange Zeit wurden z.B. digitale Inhalte als eBooks auf dem PC gelesen und auch auf eReadern angeboten. Trotzdem hat sich der Markt nur langsam entwickelt und nie die Dynamik gezeigt, die disruptive Technologien kennzeichnet. Auf den Tablets und Smartphones sind mit den App-Stores plötzlich weitere Marktplätze aufgetreten, die den Verkauf und den Vertrieb digitaler Angebote ermöglicht haben. In Form von Apps konnten nicht nur Texte und Videos, Audiodateien und Bilder, sondern auch neue Produktformen in der Kombination all dieser Elemente angeboten werden. Allen voran natürlich die Unterhaltungsprogramme und Spiele, aber auch Applikationen, sprich kleine Softwareprogramme, die den Arbeitsalltag erleichtern. Agenturen, Fernsehanstalten, Unternehmen etc. sind als Anbieter auf den Markt getreten und haben diesen beflügelt. Anders als Verlage sind dabei auch viele Anbieter nicht am reinen Erlös durch den Verkauf von Produkten interessiert, sondern am Zugang zu den Kunden. Sie erhoffen sich eine Bindung der Kunden, eine Aufwertung ihrer Marke, Erkenntnisse zum Kundenverhalten etc. – und bieten dafür gute Produkte. Der Effekt ist, dass die Appstores ein attraktives Angebot bereithalten und dadurch auch wieder die Nachfrage nach den Endgeräten ankurbeln – aus der Sicht der Hardwareproduzenten wie Apple ein attraktives Geschäft. Aber auch die reinen Lesegeräte für eBooks erfreuen sich großen Zuspruchs. Dies zeigt deutlich, dass es nicht allein die technologischen Möglichkeiten der Tablets und Smartphones sind, die den Markt beflügeln. Es gibt auch nach wie vor eine große Anzahl an Kunden, die mit den „einfachen“ Lesegeräten zufrieden sind.

Die Bedeutung der Tablets steigt weltweit.

http://engt.co/10V9Tfn Und in Deutschland nutzen es auch immer mehr Unternehmen.

http://bit.ly/1aMxTeB

18 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt Es gibt eine Reihe von Argumenten für die eReader: – Der Preis für die Geräte ist günstig und noch weiter im Fallen begriffen. – Die Inhalte sind meist relativ schnell verfügbar, ein Onlinezugang vorausgesetzt. – Die großen Anbieter wie Amazon machen es dem Kunden zudem sehr einfach, Titel zu bestellen. Wenn man einmal seine Kundendaten hinterlassen hat, erhält man mit wenigen Klicks das Produkt. – Das Angebot an eBooks ist inzwischen so groß, dass Neuerscheinungen in der Regel auch als eBook vorhanden sind. – Es gibt neue Titel, die zuerst und manchmal auch nur als eBook erscheinen. Wer Zugang zu allen verkäuflichen Titeln wünscht, kommt an digitalen Lesegeräten nicht vorbei. – Es gibt zahlreiche Titel, die kostenlos erhältlich sind, von Klassikern über Sonderangebote bis zu werbefinanzierten Werken.

Anstieg der eReader in Deutschland (Quelle GFK) 800.000 verkaufte Geräte in 2012 (=247% Zuwachs zum Vorjahr) Für 2013 nochmal ein Anstieg um 78% auf 1.400.000 Geräte erwartet Der Durchschnittspreis für Geräte liegt mit 97 € um 24% unter dem des Vorjahres Abb. 2.3: Auch die eReader haben einen Zuwachs in den Absatz- und Umsatzzahlen zu verzeichnen. Dies ist auf das breitere Angebot an „Lesestoff“, die bessere Bedienbarkeit und günstigere Preise der Geräte selbst zurückzuführen.

Aus diesen Betrachtungen erkennt man, dass sich der Markt vor allem im Jahr 2012 gedreht hat und diese Drehung weitergehen wird. In der Regel ist das Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu beobachten, wenn sich Innovationen am Markt durchsetzen: 1. Es müssen genügend Endgeräte vorhanden sein. Sowohl Tablets wie auch Smartphones bieten neben dem PC und den eReadern neue Möglichkeiten, digitale Inhalte zu nutzen. Dann möchte der Kunde diese Geräte auch einsetzen und kauft dafür die entsprechenden Inhalte. 2. Diese Geräte müssen einfach zu nutzen sein, beziehungsweise der Zugang zu den Produkten ist einfach. Vor allem die Ökosysteme von Apple und Amazon sind hier treffende Beispiele, wie man es dem Kunden leicht macht, auch noch eine Vielzahl neuer Produkte (Musik, Apps, Filme etc.) zu erwerben. Der Markt wird dadurch beflügelt, dass der Kunde von einem Ort aus den Zugang zu einem breiten Angebot erhält. Die Konzentration des Angebots durch große Unternehmen wie Amazon oder Apple beflügelt die Entwicklung, weil sie hohe Investitionen in die Entwicklung stecken und das Kundenerlebnis ständig optimieren. Der Kunde muss dann nur einmal seine Kundendaten hinterlassen, um eine Vielzahl an Produkten erwerben zu können und zu einem Dauerkunden zu werden. 3. Es muss ein ausreichend großes Angebot vorhanden sein, damit die Kunden auch immer wieder kommen. So lange z.B. im Buchmarkt die meisten Titel nur in gedruckter Fassung zu haben sind, werden die Leser eben bei den großen Buchhandelsketten oder den Katalogen für gedruckte Bücher nach Neuerscheinungen suchen. Sobald jedoch eine genügend große Anzahl an neuen Werken auch als eBook vorliegt, lohnt sich auch wieder die Anschaffung von Lesegeräten. Dies

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Der Markt für Endgeräte 

4.

5.

ist bei den Onlineangeboten von Apple und Amazon z.B. gegeben. Und es betrifft von Apps über Musik, Filme und Bücher verschiedenste digitale Produkte. Der Kunde erkennt sofort seinen Vorteil. Am einfachsten ist das natürlich über den Preis zu vermitteln. Aber auch die mobile Verfügbarkeit, eine bessere Information über neue Produkte und verwandte Themen oder auch angereicherte Produkte sind wichtige Faktoren. In dem Maße, in dem Smartphones und Tablets zu einem alltäglichen Gebrauchsgegenstand werden, werden Sie als Zugang zum Kunden immer bedeutender. Und das führt wiederum dazu, dass die großen Anbieter mit zahlreichen Sonderangeboten locken. Die Nutzung des Produktes wird zur Mode. Oder anders gesagt: Die Gesellschaft fördert den Gebrauch der Produkte und niemand wird gemieden oder gar geächtet, wenn er die neue Technologie nutzt. Im Fall von Apple stieg ein Unternehmen sogar vom exklusiven Anbieter mit dem Image des smarten Außenseiters gegenüber Microsoft zum Weltmarktführer auf, der sich eine strenge Zensur im eigenen Angebot erlauben kann.

Wann entwickelt sich ein Markt?

Die Geräte sind einfach zu nutzen und der Zugang zu digitalen Inhalten ist einfach

Es gibt viele Endgeräte zu einem attraktiven PreisLeistungs-Verhältnis

Es gibt ein großes Angebot an digitalen Inhalten

Ein neues Produkt setzt sich durch, wenn diese Faktoren zusammenkommen

Der Kunde erkennt den Vorteil des neuen Angebots sofort und hat möglichst einen Preisvorteil

Der Kunde hat keinen gesellschaftlichen Nachteil zu befürchten

Abb. 2.4: Es müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, damit sich der Markt für digitale Produktangebote plötzlich dynamisch entwickelt. Jeder der oben aufgeführten Punkte kann die Entwicklung entscheidend hemmen.

Am Beispiel des Buchmarktes lässt sich hier gut zeigen, dass die ersten Reader und auch das Lesen von eBooks am PC über mindestens zehn Jahre hinweg nie zu einem relevanten Anstieg der Nutzerzahlen geführt haben. Erst der Zuwachs an günstigen Geräten und die Vereinfachung von Bestellvorgang und Nutzung durch Apple und Amazon haben viele Kunden überzeugt. Danach haben auch die Verlage erkannt, dass es sich lohnt, ihre Inhalte digital anzubieten und jetzt ist es für den Kunden offensichtlich, dass er immer im digitalen Markt suchen muss, will er einen Überblick erhalten zum Angebot. Es gibt noch einige Titel, die nur gedruckt vorliegen, aber diese werden immer weniger. Und die Titel, die nur digital vorliegen, werden immer mehr. Dies wird in nächster Zeit dazu führen, dass das digitale Angebot an Büchern die erste Anlaufstelle ist für einen Leser, weil er nur dort sicher sein kann, dass er auf die für ihn relevanten Titel stößt. Anders ist hingegen die Einschätzung im Markt für Zeitschriften und eMagazines. Hier haben die ersten, aufwändig produzierten digitalen Angebote meist mehr gekostet als sie eingespielt haben. Der Markt der Tablet-Leser ist noch nicht groß

20 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt genug und das Angebot an gedruckten Ausgaben übertrifft noch bei weitem das der digitalen Angebote – wenn man die klassische Produktform Zeitschrift betrachtet. Mit Sicherheit werden aber hier digitale Mehrwertdienste (Geolokalisierung, Datennutzung und -bearbeitung etc.) und Darstellungsformen (Video, interaktive Infografiken, Verlinkung zu vertiefenden Informationen etc.) dazu führen, dass neben der klassischen Zeitschrift ganz andere Produktformen entstehen werden. Ob man diese dann eMagazine oder enhanced eBook nennen wird ist gleich. Diese Begriffe verweisen nur auf ihre ursprünglichen Formate, aber eigentlich werden es völlig neue Produkte sein. Dieses Zusammenspiel der verschiedenen Medienformen ist jetzt schon zu beobachten. Anbieter von Musik, Filmen, Bildern oder Büchern drängen in die App-Stores und auf die großen Plattformen, weil ihre Kunden dort zu finden sind. Und auch die Entwickler investieren in diese Technologien, so dass dadurch wieder Innovationen möglich werden. Deshalb soll im Folgenden auf die Nutzung der neuen Endgeräte und ihrer Produkte durch die Kunden eingegangen werden.

2.2 Die Kunden: Wie nutzen die Personen die Geräte? Was machen Sie im Netz? Wie verändert sich der Arbeitsplatz? Im iTunes-Store hofften nach dem Erscheinen der ersten Tablets viele darauf, dort endlich zahlungsbereite Kunden für Apps vorzufinden. Denn auf den Portalen im Internet ist es äußerst schwer geworden, Content zu verkaufen. Am ehesten gelang dies noch im B2B-Bereich – und auch nur dort, wo der Kunde auf den Inhalt nicht verzichten konnte und wollte. Aber Consumer im Sinne von Kunden, die Inhalte aus der eigenen Tasche zahlen, konnten immer weniger davon überzeugt werden, auch Geld auszugeben. Zu zahlreich waren die kostenlosen Angebote vieler Anbieter, die zuvor nie als Wissensvermittler aufgetreten sind. Die Folge war die Wahrnehmung des Kunden, er erhalte im Internet ohnehin alles kostenlos und Google werde ihm den Weg schon weisen. Mit der Bindung der Smartphones und Tablets an den Computer und iTunes als neuem Shop gelang Apple ein wichtiger Schritt in Richtung „Monetarisierung von Content“: Der Kunde war bereit, für digitale Angebote wie Musik, Filme, Apps oder Bücher zu zahlen. Folglich stürzten sich viele in den App-Store und jeder wollte eine eigene App anbieten. Die Ernüchterung war dementsprechend groß, als die Erfolge ausblieben. Prägend für den Markt war dabei vor allem, dass es die Verlage im App-Markt mit ganz anderen Konkurrenten zu tun bekamen. Spiele sind dort der Renner. Selbst wenn die Werbung von Apple für die eigenen Geräte den Bildungsauftrag besonders suggerieren möchte. Das Tablet wurde bisher von den Kunden vor allem für Unterhaltung, den Austausch im sozialen Netz, die Suche nach Nachrichten oder zum Einkaufen genutzt. Über eine App auch längere Texte anzubieten hat sich als Irrweg erwiesen, wollte man über den reinen Produktverkauf auch Geld verdienen. Ob sich hier auch die Vermittlung von Wissen etablieren wird, wird sich zeigen. Deutlich wird bei den Untersuchungen zum Nutzerverhalten auch, dass der Kunde bei den Apps viel Interaktion und multimediale Inhalte erwartet. Das Smartphone und auch das Tablet wollen von den Kunden in ihren Möglichkeiten genutzt werden. Während der Kunde mit einem eReader „nur“ einen Text lesen will, so erwartet er vom selben Text als App auch Ton und Bild. Denn sein Gerät kann das ja darstellen.

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Die Kunden 

Statistik: Die am meisten genutzten Apps

http://bit.ly/17VMS2i Abb. 2.5: Die meistgenutzten Apps in Deutschland auf dem iPhone bzw. iPad zeigen, dass der Zugang zum Netz die wichtigste Funktion ist: Social Media, eCommerce, Nachrichten und Spiele führen (Quelle: Statista).

Für Zeitungsverlage ist das Smartphone Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil über das Smartphone immer häufiger der Zugang zum Netz erfolgt. Und alles aufgenommen wird, was sich schnell aufnehmen lässt, also z.B. Nachrichten. Das erleichtert einerseits den Kunden den Weg zu den kostenlosen Angeboten auf den Webseiten, andererseits kann ein gutes Angebot über eine App auch die Zugriffszahlen erhöhen – und damit die Werbeeinnahmen.

Das Smart Phone ist der Zugang zum Netz (28% in Deutschland). Und macht nicht nur der Buchbranche zu schaffen: bei 54% hat das Smartphone den Wecker ersetzt, bei 46% die Uhr und bei 39% die Kamera

Statistk: Wozu Smartphones vor allem genutzt werden

Bei nur 6% das Buch.

(Quelle: O2 vom 29.6.2012; mobile zeitgeist vom 4.7.2012, E-Plus vom 5.9.2012)

Abb. 2.6: Das Smartphone ist der Zugang zum Netz (28% in Deutschland). Und macht nicht nur der Buchbranche zu schaffen: Bei 54% der Kunden hat das Smartphone den Wecker ersetzt, bei 46% die Uhr und bei 39% die Kamera. Bücher werden nur von 6% der Kunden gelesen. Die oben aufgeführte Grafik zeigt die Nutzungsintensität des Smartphones für die verschiedenen Tätigkeiten. Diese Tendenz begann schon 2012 und hat seitdem eher zu- als abgenommen (Quelle: O2 vom 29.6.2012; mobile zeitgeist vom 4.7.2012).

http://bit.ly/1a1axPo

22 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt Die Schwierigkeit der Monetarisierung zeigt sich noch deutlicher bei den Tablets. Zwar sind sie das geeignete Medium für digitale Magazine, aber die Zahlungsbereitschaft ist dort nach wie vor niedrig. Wobei hier die Beobachtung wichtig ist, dass die Vielleser gerne beides nutzen. Wollen Verlage also nicht auf ihre wichtigsten Kunden verzichten, werden sie wohl oder übel auch dort Präsenz zeigen müssen, wo ihre Kunden sind.

Digitale Produkte werden genutzt und gelesen – aber nicht so oft gekauft: nur 31% wollen dafür extra zahlen.

Die Vielnutzer = wichtigsten Kunden nutzen Print wie digital gleichermaßen stark. (Quelle: PWC, 6/2012)

Abb. 2.7: Digitale Produkte werden genutzt und gelesen – aber nicht so oft gekauft: nur 31% wollen dafür extra zahlen. Aber zugleich fördern die Tablets die Bereitschaft zu lesen (Quelle: PWC, 6/2012).

Statistiken: Die Nutzer digitaler Lesegeräte lesen viel, zahlen aber weniger

http://pwc.to/1293yPf

http://bit.ly/15muijt

Noch deutlicher wird dies in einer Studie des Pew Research Centers bei der Analyse des Leseverhaltens. Leser digitaler Inhalte offenbaren in allen Themengebieten ein höheres Interesse. Es scheint so, als ob der Drang nach Wissen, nach Lesen nicht nach dem Medium fragt. Sondern dass das Medium nur die Form ist und der Kunde die Form wählt, die es ihm am einfachsten macht.

Die Nutzer von eBooks und anderen digitalen Lesegeräten sind Vielleser.

http://bit.ly/17VQCka

Abb. 2.8: In den USA ist zu beobachten, dass die Vielleser in jedem Medium zu Hause sind. Sie zu verlieren ist die große Gefahr für alle Verlage, die sich dem Netz verschließen.

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E-Reader, Tablets oder Smartphones? 

2.3 E-Reader, Tablets oder Smartphones? Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Entwicklung der E-Reader, die primär zum Lesen von Texten geeignet sind, und Tablets sowie der zahlreichen Zwischenformate zwischen Smartphone und Laptop schwer einzuschätzen. Den Produkttyp eBook gibt es schon länger. Als PDF lagen die Inhalte schon seit vielen Jahren vor und wurden über verschiedenste Plattformen (Ciando, Google Books, redmark…) angeboten. Meist waren es Fachinhalte und die Kunden benötigten die Informationen in ihrem beruflichen Umfeld. Meist ist der Inhalt mit dem des gleichnamigen, gedruckten Werkes identisch. Das Lesen steht hier im Vordergrund. Die Nutzung im Bereich der Publikumsliteratur blieb trotz verschiedenster Endgeräte auf sehr niedrigem Niveau. Noch 2010 machte der Umsatz mit eBooks kaum 1% des Umsatzes der großen Verlage aus. Das änderte sich in der Folge, so dass man für 2012 je nach Programmstruktur von einem Umsatzanteil von 5–20% ausgehen kann, der mit eBooks erzielt wird. In den USA liegen die Zahlen deutlich höher und im Durchschnitt im zweistelligen Bereich. Der eBook-Markt ist nicht zuletzt aufgrund der oben genannten fünf Faktoren gewachsen. Vor allem Anbieter wie Amazon oder Weltbild haben es dem Kunden sehr einfach gemacht, digitale Produkte zu beziehen. Durch den Markt der Tablets und Smartphones sahen sich viele Verlage genötigt, ihre Titel auch elektronisch anzubieten, woraus wieder ein besseres Angebot entstand, das wiederum zu einer höheren Nachfrage führte. Schwer einzuschätzen ist, ob in Zukunft die reinen eReader verschwinden und dieselben Funktionalitäten wie Tablets haben werden und nur als Zwischenstufe in die Geschichte eingehen. Oder ob sie als reine Lesegeräte geschätzt werden, weil sie eben auch nur zum Lesen da sind. Zur Zeit wird der Markt durch die technologischen Möglichkeiten geprägt. Die eReader bieten durch die verwendete eInk-Technologie eine bessere Lesbarkeit von Texten und verfügen aufgrund des geringen Stromverbrauchs über eine wesentlich längere Laufzeit. Sie sind deutlich günstiger als Tablets und das Format ist handlich. Die Verkaufszahlen zeigen, dass ein Markt vorhanden ist – dennoch lassen erste Zahlen von Anfang 2013 vermuten, dass die Tablets gegenüber den reinen eReadern deutlich aufholen. Sollten die Unterschiede beim Preis, dem Stromverbrauch und der Lesbarkeit von Texten verschwinden, dürften es die reinen eReader schwer haben. Wohl deshalb zeigen Anbieter wie Amazon oder Weltbild, dass sie auch den Markt der Tablets im Blick haben. Sie bieten mittlerweile beide Gerätetypen an, obwohl auch sie zunächst auf die Reader gesetzt hatten. Aktuell sind im Markt die folgenden Entwicklungen zu beobachten: –– E-Ink-Displays mit ihren Vorteilen beim längeren Lesen von Texten werden über Merkmale wie Hintergrundbeleuchtung (Glowlight-Displays), schnellerer Bildwechsel zur Anzeige von Animationen oder die momentan im Entwicklungsstadium befindlichen Farbdisplays aufgewertet. Beispiele dafür sind der Kindle Paperwhite oder der Kobo Glow. –– Erste Geräte mit Dual-Displays (ein LCD-Display, ein eInk-Display) werden entwickelt, um die Vorteile beider Technologien verwenden zu können. Beispielsweise können wichtige Informationen auf einem Smartphone dauerhaft auf dem eInkDisplay angezeigt werden, um den Stromspar-Effekt zu nutzen. –– Tablets werden immer kleiner und können über Zubehör wie Bluetooth-Headsets auch zum Telefonieren benutzt werden. Smartphones dagegen kommen mit zunehmend größeren Displays und einem Tablet-ähnlichen Funktionsumfang auf den Markt, der das Telefonieren zur Nebennutzung werden lässt. Diese Entwicklung mündet bereits im Begriff der Phablets – Hybride aus Smartphones und Tablets.

Artikel: Anne Stirnweis skizziert das E-Book-Geschäft von Random House

http://bit.ly/10wlgve

Artikel: The E-Reader Revolution: Over Just as It Has Begun?

http://on.wsj.com/127lFus

24 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt

Fallbeispiel: „The Mongoliad“

http://bit.ly/153W4PS

Diese Entwicklung wird voranschreiten. Denn einmal digital vorliegende Inhalte bieten einfach zu viele Vorteile. Nicht nur, dass multimediale Erweiterungen möglich sind, dass Texte vorgelesen und bebildert, erweitert und verändert werden können. Selbst beim Eintauchen in literarische Texte, dem bewussten Abschotten von der Umgebung und der Konzentration auf das Wort, ist spätestens beim Austausch mit anderen der Zugang zum Netz hilfreich. Der Trend zur Konvergenz der Medien im crossmedialen Publizieren zeigt sich deutlich daran, dass die Phase der Pilotprojekte und defizitären PrestigeObjekte in diesem Bereich vorbei zu sein scheint, da auch namhafte Herausgeber profitable Produktformen schaffen – wenn auch in der Regel mit ungewohnten Geschäftsmodellen. Ein schönes Beispiel dafür aus dem belletristischen Bereich ist das Projekt The Mongoliad des amerikanischen Autors Neal Stephenson. Dieser historische Roman, der im europäischen Mittelalter zur Zeit der mongolischen Invasion angesiedelt ist, wurde zunächst von Stephenson und einem Kreis befreundeter Autoren im CowritingModell auf der von ihm mitgegründeten Web-Plattform Subutai verfasst und als Fortsetzungsgeschichte kapitelweise veröffentlicht. Für den Zugriff auf den Content über Web bzw. Mobile App für iOS und Android war ein Preis von 44,99$ kein Hindernis für eine breite Leserschaft – was für derartige Produktformen sicherlich bereits als Premium-Modell angesehen werden kann. Eine Rolle spielt dabei sicher, dass zur Veröffentlichung Subutais eigenes Content Management-System PULP verwendet wurde, das neben der reinen Content-Distribution in hohem Maße auf Integration von Multimedia-Objekten und Social Media-Kanälen sowie die daraus erzielbare Einbindung einer großen Fan-Community ausgelegt ist. Vom Online-Roman zum Produkt-Portfolio Aufgrund der Interaktion zwischen dem Autorenteam und der Community entstanden weitere Projekte bzw. Produktformen: – Neben dem Roman entstand aus der Materialsammlung der Autoren und der Fan-Community ein digitales Nachschlagewerk auf Mediawiki-Basis, das historisches Hintergrundmaterial in allen denkbaren Medienformen enthält und mit dem Romantext verlinkt ist. – Nach Abschluss der Veröffentlichung über die Web-Plattform wurde der gesamte Content neu ediert und zunächst als eBook, später auch als Printausgabe veröffentlicht – beides über die entsprechenden Amazon-Services. Die übliche Publikationskette wurde schlicht umgedreht. Neben The Mongoliad sind inzwischen diverse weitere Produkte aus „side stories“ und Fan Fiction erschienen. – Aus der Begeisterung des Autors und einem Kreis von Experimental-Archäologen resultierte das per Crowdfunding finanzierte Projekt Clang zur Entwicklung eines Videospiels mit einer Schwertkampfsimulation, die mit realistischer Spielphysik und historischen Kampftechniken das Niveau kommerzieller Egoshooter erreichen soll. Das Projekt erreichte in vier Wochen das Finanzierungziel von 500.000 $ und befindet sich inzwischen in der Entwicklungsphase.

2.4 Die Ökosysteme der global player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen? Was macht ein digitales Ökosystem aus? Aus den vorangegangenen Überlegungen heraus bietet es sich an, den Begriff des Ökosystems näher zu erläutern. An ihm lassen sich die oben genannten Elemente aufzeigen und er bietet einen Schlüssel zum Verständnis, welche Märkte für wen relevant sind.

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Die Ökosysteme der global player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen? 

Der Begriff des Ökosystems ist in diesem Zusammenhang sinnvoll, weil er verdeutlicht, dass erst das Zusammenspiel verschiedener Elemente den Erfolg ausmacht. Genauso wie in der ursprünglichen Begriffsbildung in den Biowissenschaften erst die Interaktion von Umgebung, Lebensraum und Lebewesen das Ökosystem konstituiert, geht man bei der Verwendung im Sinne eines „digitalen Ökosystems“ davon aus, dass eine Innovation allein noch nicht zur Entwicklung eines erfolgreichen Geschäftsmodells führt. Hardware, Software, Content und Services sind in den Ökosystemen eng miteinander verknüpft – und im Vergleich zu den Jahren davor ist Content eben nur ein Bestandteil eines umfangreichen Angebots.

Abb. 2.9: Die konstitutiven Bestandteile eines digitalen Ökosystems aus technischer Sicht. Hardware, Software, Content und Dienste werden über das Internet vernetzt und über webbasierte Shop-Plattformen distribuiert.

Die verwendeten Basistechnologien werden mit den Bestandteilen des Ökosystems zu geschlossenen Technik-Plattformen vernetzt, die zentrales Alleinstellungsmerkmal des jeweiligen Anbieters sind. Die Vernetzung der verschiedenen Komponenten in den Ökosystemen erfolgt dabei auf drei verschiedenen Ebenen: Vernetzungsfaktoren in den mobilen Ökosystemen – Technische Vernetzung: Von der Ebene der Basistechnologien wie Prozessorarchitektur über die Software-Komponenten und die darüber distribuierten Inhalte unternehmen die ÖkosystemAnbieter große Anstrengungen, dieses Zusammenspiel so zu optimieren, dass für den Kunden intuitive und flüssige Bedienung möglich wird. Apple hat das eindrucksvoll gezeigt, indem es nicht nur auf seine zweifelsohne guten Geräte vertraut hat. Erst durch den iTunes-Store mit all seinen Angeboten entsteht ein geschlossenes Angebot für den Kunden, aus dem man diesen nur mit viel größeren Anstrengungen herauslösen kann als vorher. Und auch ein noch so großes Content-Angebot wäre nie so attraktiv geworden, wenn der Zugriff darauf über die verschiedensten Mobilgeräte nicht so einfach geworden wäre, dass sich die Hardware und die Mediennutzung nahtlos ins Alltagsleben integriert. – Inhaltliche Vernetzung: In allen Ökosystemen werden Content, Software und Dienste im Hintergrund so miteinander verknüpft, dass durch neue Funktionen die Inhalte mit neuen Mehrwerten angereichert werden. Amazon hat hier mit der Kindle X-Ray-Funktion einen neuen Typ Service geschaffen, der durch Verlinkung von eBook-Inhalten mit anderen Mediendatenbanken dem Leser nicht nur umfangreiche Zusatzinformationen zum Titel zur Verfügung stellt (Autoren, Personen

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„If you look five years out, every industry is going to be rethought in a social way“ Mark Zuckerberg



der Handlung, Schauplätze etc.), sondern ihn auch als Kunden direkt zu anderen Content-Angeboten lenkt (Film zum Buch, Hörbuch, Kommentarausgaben, andere Werke desselben Autors). Soziale Vernetzung: Der Austausch über Content und Software in sozialen Netzwerken spielt eine zentrale Rolle in den Ökosystemen. Das Bedürfnis der Kundengruppen nach sozialer Interaktion mit den Objekten ihres Medienkonsums scheint so groß zu sein, dass eine App oder ein eBook-Reader ohne die typische Facebook-/Twitter-Integration mittlerweile kaum noch ernstgenommen wird.

Aus der Sicht des Kunden resultieren aus den Effekten dieser Vernetzung drei zentrale Nutzenfaktoren, die den enormen Erfolg der Ökosysteme erklären können: Nutzenversprechen mobiler Ökosysteme – Massive Nutzung von mobilem Breitband-Internet durch die Ökosysteme kommt der gesellschaftlichen Anforderung nach Mobilität entgegen: „In jeder Lebenssituation kann ich alle Teile des Ökosystems immer nutzen“. – Kombination von Content, Software und Services zu neuen Formen von Mehrwertdiensten wie z.B. Google Now als „persönlichem digitalen Assistenten“: „Ich erhalte exakt die Information oder Dienstleistung, die ich persönlich in meiner Lebenssituation gerade benötige“. – Integration in Soziale Netzwerke: „Über jeden Aspekt meiner Lebenssituation kann ich mich jederzeit mit Freunden und Bekannten austauschen, unabhängig davon, wo sie sich befinden“.

Abb. 2.10: Das Zusammenspiel der Komponenten bietet dem Kunden Nutzen, die den einmaligen Boom der digitalen Ökosysteme erklären.

Die Rolle der Verlage als Content-Anbieter Für Content-Anbieter aus dem Verlagsbereich ist der Markt der Ökosysteme ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite bietet sich die Chance, fertig aufgebaute Vertriebskanäle zu riesigen Zielgruppen sowie die Dynamik der Empfehlungs- und Fankultur in den sozialen Netzwerken zu nutzen. Auf der anderen Seite entsteht die ungewohnte Situation, dass durch den Anbieter die allermeisten Markt- und Rahmenbedingungen bereits festgelegt und nicht verhandelbar sind.

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Die Ökosysteme der global player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen? 

Dazu ist der Content – das, was für das Verlagsgeschäft das eigentliche Produkt darstellt – im Technologie-getriebenen Markt nur noch ein Angebot von vielen. Und oft nicht einmal der erfolgsentscheidende Faktor beim Aufbau eines profitablen Produktportfolios. Der Content wird so zum Spielball in den Geschäftsmodellen der großen, multinationalen Unternehmen. Denn entscheidend sind für diese die Kundendaten. Der Zugang zum Kunden ist die wichtigste Währung. Ist dieser einmal gewonnen, so können dann die verschiedensten Angebote erstellt werden. Ökosysteme legen die Rahmenbedingungen fest Hardware: oder wer entwickelt die Smartphones, Tabletsetc. weiter?

Content: oder wer bietet die nötigen Informationen oder die gewünschte Unterhaltung an?

Verlag

Software: oder wer bietet günstig die beste Produktionsumgebung

Service: oder wer liefert dem Kunden günstig, schnell und sicher alle nötigen Produkte?

Abb. 2.11: Die Ökosysteme für digitale Produkte funktionieren durch das gute Zusammenspiel mehrerer Faktoren: Hardware, Software, Service und Content sind eng ineinander verwoben. Der Content ist nur noch ein Faktor unter vielen.

Ist es bei Apple die Hardware, die die Erlöse bringt und den Kern des Unternehmens ausmacht, so ist es die Software bei Google und die Logistik bei Amazon. Bei allen dreien führt das dazu, dass der Content gerne auch recht günstig angeboten wird, um die Kunden zu binden. Wenn man mit den Geräten, der Hardware oder der Distribution aller Art von Produkten sein Geld verdient, dann können die Inhalte eben auch mal in einer Mischkalkulation kostenlos abgegeben werden. Denn mit ihnen will man gar nicht das Geld verdienen. Sie sind das Schmieröl im System, der Anreiz für viele Kunden, neu einzusteigen oder zu wechseln. Und damit unterscheiden sich diese Ökosysteme grundlegend von den bisherigen Märkten für Medienhäuser. Denn letztere haben in einem System ihre Inhalte verkauft, in dem diese einen relativ sicheren Preis hatten. Wenn es aber jetzt um die Ecke Freibier gibt, warum soll man dann noch teuer bezahlen? Wenn Apple einzelne Songs für unter einem Dollar anbietet, warum die ganze CD kaufen? Wenn Google den Zugang zu vielen kostenlosen Büchern und anderen Inhalten im Netz bietet, weil es an den Werbeeinnahmen verdient, warum dann noch den Brockhaus kaufen?

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Abb. 2.12: Die Herausforderung für Verlage: Welche Wertschöpfung kann in diesen Ökosystemen geleistet werden? Die Verlage kommen in eine immer schwierigere Position, weil ihre Wertschöpfung – die Erstellung, Veredelung und Distribution von Content, immer mehr in den Hintergrund gerät.

Artikel: Vom Buchhändler zum Onlineherrscher: Die Amazon-Ökonomie

http://bit.ly/176P8GG

Das Amazon-Ökosystem Amazon ist durch zwei Faktoren zu einem der bedeutendsten Ökosystem-Anbieter auf der Welt geworden: Zunächst durch den Aufbau einer hoch optimierten Infrastruktur zur Auslieferung von physischen Medien wie Bücher, CDs, DVDs etc., mit der die Shop-Plattform amazon.com zum führenden Content-Marktplatz weltweit geworden ist. Parallel dazu wurde in den letzten Jahren eine ebenso mächtige Infrastruktur zur Distribution von digitalem Content aufgebaut. Daneben wurde mit dem Amazon Kindle im Jahr 2007 das Gerät auf den Markt gebracht, durch das der Boom des eBooks als Medium begonnen hat, und das noch heute eine führende Rolle als Content-Plattform hat.

Abb. 2.13: Die Komponenten des Amazon-Ökosystem

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Die Ökosysteme der global player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen? 

Durch die Rolle von Amazon als Logistik-Dienstleister ist die Hardware im Ökosystem zwar notwendiger Bestandteil, dient aber letztlich nur als Verlängerung der Shop-Plattform. Mit dem Kindle wurde dazu ein Modell entwickelt, das alle Merkmale eines erfolgreichen Mobilgerätes vereint: klein, leicht, handlich, preisgünstig und durch sein eInk-Display mit zentralen Produktvorteilen ausgestattet, was Lesekomfort und Akku-Laufzeit angeht. Zusammen mit einem umfassenden Content-Angebot ist der Markterfolg des Kindle insofern wenig verwunderlich. Charakteristisch für die Strategie von Amazon ist zudem die hohe Subventionierung der Hardware: Die Wertschöpfung erfolgt durch die Umsatzbeteiligung beim Content-Verkauf. Analog zum Kindle als eReader wurde 2011 mit dem Kindle Fire auch ein Tablet auf den Markt gebracht, das sich zumindest in den USA bereits genauso zum Verkaufsschlager entwickelt hat wie der Kindle. Zusätzliche multimediale Angebote wie App-Store und Video-Streaming sollen hier den Erfolg im TabletBereich befruchten. Software spielt für Amazon nur eine untergeordnete Rolle: Bereits für die Software des Kindle wurde mit Mobipocket eine Firma eingekauft, die bis heute die technische Basis der meisten Kindle-Reader entwickelt hat. Als Betriebssystem für den Kindle Fire wurde Googles Android lizensiert, das allerdings mit umfangreichen Anpassungen versehen wurde. Zentral für das Nutzenversprechen gegenüber dem Kunden sind jedoch die Kindle-Apps: Durch das Angebot des Kindle als Reader-Software für Windows, Mac OS, iOS, Android und Blackberry ist der Content zwar im Amazon-Ökosystem gebunden, aber auch auf allen relevanten anderen Plattformen nutzbar. Mit der Markteinführung des Kindle Fire wurde auch ein AppMarktplatz geschaffen, der technisch gesehen auf dem Android App-Store basiert. Amazon tritt hier nicht selbst als Software-Anbieter auf, sondern stellt lediglich die Marktplattform zur Verfügung. Bestehende Android-Apps können hier mit minimalen Modifikationen eingestellt werden – allerdings muss ein eigener Zertifizierungsprozess bei Amazon durchlaufen werden. Zusätzlich wird der Amazon-Appstore ähnlich wie bei Apple stärker kuratiert als Googles Android-Appstore. Nach Amazon soll das Angebot auf der eigenen Plattform in einer Art „Best of Android-Apps“ bestehen. Das Content-Angebot ist naturgemäß der Schwerpunkt des Amazon-Ökosystems. Mit einem breiten Angebot über alle denkbaren Medien- und Produktformen hinweg hat sich Amazon im letzten Jahrzehnt erfolgreich als der zentrale Marktplatz weltweit positioniert und dabei den Standard für Funktionen und Bedienprozesse von OnlineShops gesetzt. Darüber hinaus entwickelt Amazon aber zunehmend eigenständige Content-Angebote (Auftreten als Verleger), versucht mit neuen Publikationsformen zu experimentieren (Kindle Serials) und integriert bestehende Angebotsformen in eigene Geschäftsmodelle (Online-Video-Leihe als Gratis-Addon bei Nutzung des PremiumKundenprogramms Amazon Prime). Daneben ergeben sich im Online-Geschäft Nebeneffekte durch die Stellung als ubiquitärer Marktplatz, wie z.B. die zentrale Bedeutung eines Amazon-Shop-Eintrags für die Sichtbarkeit in der Google-Suche. Auch für den Online-Einkauf von physischen Gütern bekommt eine Plattform wie der Kindle Fire eine eigenständige Bedeutung. Im Bereich Services hat Amazon erst relativ spät Angebote außerhalb seiner traditionellen Domäne Logistik entwickelt: Zunächst waren Dienstleistungen wie Cloud-Datenspeicherung für Privat- und Großkunden oder Autoren-orientierte Dienste wie das Kindle Direct Publishing als Plattform für Selfpublisher logische Erweiterungen des Logistik-Gedankens in die digitale Welt. Mittlerweile entwickelt Amazon zusammen mit der Kindle Fire-Plattform zunehmend weitere Dienste für seine Kunden. Neben dem bereits erwähnte „Kindle X-Ray“-Feature sind dies beispielsweise Funktionen wie:

“We want to make money when people USE our devices, not when people BUY our devices.” Jeff Bezos

Software-Angebot

Content-Angebot

Service-Angebot

30 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt –– V erwendbarkeit des Kindle Fire mit verschiedenen Nutzerkonten (ein Gerät „für die ganze Familie“) in Verbindung mit einer differenzierten Nutzungszeit-Beschränkung für Kinder –– Synchronisation von Lese-Verlauf zwischen verschiedenen Geräten und verschiedenen Medien (eBook und Hörbuch) –– eBook-Leihe: Sowohl der Verleih von eBooks zur temporären Nutzung von Amazon zum Endkunden als auch die Möglichkeit zum gegenseitigen Ausleihen zwischen Kunden kommen als neue Dienste hinzu. –– Auto-Rip für Musik: Käufer einer CD erhalten in Zukunft die MP3-Dateien dazu kostenlos und automatisch in ihren Cloud-Account geliefert.

Abb. 2.14: Das Amazon-Ökosystem aus der Sicht des Kunden: Über den Shop und die Kindle-Geräte erhält der Kunde Zugang zu den verschiedensten Produkten und wird durch unterschiedliche Services gebunden.

Abschottung des Ökosystems

Zielgruppe

Ähnlich wie andere Anbieter versucht Amazon seine Assets dadurch zu schützen, dass durch den Kunden DRM-Mechanismen und Bindung des Content an das Nutzerkonto innerhalb des Ökosystems gehalten werden. Die Verwendung von proprietären Formaten (Mobipocket bzw. das Nachfolger-Format KF8) für den eBook-Content sorgen hier für eine noch engere Bindung, da die Inhalte außerhalb der Kindle-Welt letztlich kaum verwendbar sind. Allerdings hat der Kunde durch die Kindle-Apps eine deutlich freiere Auswahl seiner gewünschten Geräte-Plattform. Und gleichzeitig dringt Amazon dadurch auch in andere Ökosysteme ein. Dass bei diesem Vorgehen gerne auch mit harten Bandagen gekämpft wird, zeigt ein Beispiel von Anfang 2012: Über eine HTML5-basierte Web-App gibt Amazon Apple-Kunden die Möglichkeit, den eigenen Musik-Shop auch zum MP3-Kauf unter iOS zu nutzen – und dies unter Umgehung der bei Apple üblichen Umsatzbeteiligung für In-App-Verkäufe. Aufgrund der Vielzahl verschiedenster Angebotsformen hat Amazon unter den Ökosystemen mit die breiteste, aber auch heterogenste Mischung an Zielgruppen. Für den Content-Anbieter dürfte „der Amazon-Kunde“ als Kundengruppe in der Folge kaum fassbar sein. Für das eBook-Angebot ist in jedem Fall eine Auswirkung der enorm erfolgreichen Kindle-Plattform, dass Anbieter aufgrund des Marktanteils von über 60% bei den eBook-Verkäufen in keinem Fall an Amazon vorbei kommen – dabei sein ist hier alles.

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Die Ökosysteme der global player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen? 

Für die Produktform enhanced eBook weist die Kindle-Plattform und ihr neues Format KF8 dagegen noch zu viele Schwächen auf, um hier attraktive Produkte anbieten zu können: Audio- und Video-Einbindung wird zwar prinzipiell unterstützt, ist aber nur auf einem Bruchteil der Geräte auch praktisch verfügbar. Die Integration von interaktiven und dynamischen Content-Elementen ist momentan nicht möglich. Die Realisierung von enhanced eBooks ist insofern auf Amazon-Plattformen de facto nur als Content-basierte App sinnvoll möglich. Wie sich der App-Markt auf den Amazon-Plattformen entwickeln wird, ist noch relativ schwer vorauszusagen. Sicher ist jedoch, dass die Nutzung von Android als Betriebssystem-Plattform hier große Vorteile für Content-Anbieter hat: Bestehende Android-Apps können mit geringen Zusatz-Aufwänden auch bei Amazon angeboten werden. Allerdings ist hier der Effekt möglich, dass aufgrund der bewusst geringeren Auswahl von Apps im Store die Sichtbarkeit innerhalb der Fülle des Angebots im Google App Store eine noch größere Rolle für den Markterfolg von Apps haben wird – mit entsprechenden Folgen für das App-Marketing. Zukunfts-Perspektiven des Amazon-Ökosystems Für die Zukunft sind aufgrund der Strategie von Amazon folgende Trends mit Relevanz für ContentAnbieter zu erwarten: – Weiterentwicklung der Endgeräte Kindle und Kindle Fire über Funktionen wie Vorlesefunktion per Text-to-Speech-Engine, Entwicklung von Farb-eInk-Displays und tiefere Integration mit Webservices. Die Geräte werden dadurch noch attraktiver für den Kunden, können den Content-Anbieter aber ggf. zur Anpassung seiner Inhalte zwingen. – Weiteres Vordringen in andere Ökosysteme: Wo immer es möglich ist, wird Amazon seine Angebote auch jenseits seiner eigenen Geräte-Plattformen positionieren. Ähnlich wie beim MP3-Store für iOS sind weitere Angebote für eigenen Content auf fremden Plattformen möglich und wahrscheinlich – mit entsprechender Verbreiterung der Kundenbasis auch für ContentAnbieter. – Ausbau der Services im B2C- und B2B-Bereich: Für den Kunden sind neben den bereits mit dem Kindle Fire verbundenen Angeboten noch eine Vielzahl anderer Dienstleistungen denkbar, mit denen Amazon sein Content-Angebot attraktiver gestalten kann. Insbesondere für kleine und mittelgroße Content-Anbieter versucht sich Amazon mit Modellen wie Shop-Hosting und Nutzung der eigenen Prozesse für Bestellungs- und Zahlungsabwicklung auch als Infrastruktur-Anbieter zu positionieren.

Das Apple-Ökosystem Apple ist über seine gesamte Firmengeschichte hinweg bekannt als innovativer und designorientierter Hardware-Anbieter. Konnte sich die Macintosh-Plattform aber nur in einer Marktnische halten, ist es Apple mit iPod, iPhone und iPad gelungen, Produkte zu entwickeln, die mit einer Hardware als Treiber die Paradigmen und Mechanismen der damit verbundenen Märkte Musik-Angebot, Mobiltelefonie bzw. Mobile Computing in entscheidender Weise verändert und neu gesetzt haben.

enhanced eBooks mit KF8

App-Markt

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Abb. 2.15: Die zentralen Elemente des Apple-Ökosystems “Design is not just what it looks like and feels like. Design is how it works.” Steve Jobs

Software-Angebot

Content-Angebot

Service-Angebot

Die Hardware spielt insofern die zentrale und entscheidende Rolle im Geschäftsmodell und damit auch im Ökosystem von Apple: Exzellente Endgeräte, bei denen Design und Funktionalität direkt ineinandergreifen, haben so sehr den Charakter des Statussymbols für den Nutzer, dass auch langfristig eine hohes Preisniveau durchsetzbar ist. Die Geräte und ihre Möglichkeiten stehen beim Kunden für einen Lebensstil – dass Software und Content in ausreichendem Maße verfügbar sind, wird dagegen als selbstverständlich wahrgenommen. Insofern ist im Apple-Ökosystem der Content der Treiber für den Hardware-Verkauf – genau umgekehrt wie bei Amazon. Das Software-Angebot spielt für Apple eine untergeordnete Rolle: Die Basis-Applikationen für die mobilen Plattformen werden umsonst mitgeliefert oder sehr günstig angeboten (Office-Suite, Garage Band etc.). Daneben spezialisiert sich Apple stark auf Autorenwerkzeuge für Medienproduzenten und mit der Entwicklungsumgebung XCode auch auf Werkzeuge für App-Anbieter. Der Content im Ökosystem ist das zweite zentrale Standbein der Apple-Welt: Das Musik-Angebot hat zusammen mit dem iPod als Gerät und der Integration in die Macund PC-Welt über iTunes als Kombination von Shop-Plattform und Mediathek-Anwendung den Markt der Musikbranche komplett verändert. Dazu hat Apple neben dem App-Angebot mittlerweile alle relevanten anderen Medienformen integriert: Videofilme, TV-Serien, Podcasts, eBooks/enhanced eBooks und eine Kiosk-Anwendung für digitale Zeitschriften und Zeitungen machen den Shop zum universellen Marktplatz für Content-Anbieter aus allen Bereichen der Medienbranche. Bemerkenswert ist in diesem Ökosystem, dass sich ähnlich wie im Musikmarkt auch in den anderen Content-Bereichen mittlerweile stabile Preisgefüge herausbilden – zwar auf niedrigerem Niveau als bei den körperlichen Produkten, aber so, dass Anbieter einen halbwegs verlässlichen Kalkulationsrahmen annehmen können. Im Bereich der Services stellt Apple neben der Cloud-Speicherung in iCloud für den Content des Kunden vor allem die Basis-Infrastruktur für Anbieter von Content und Diensten zur Verfügung. Mit iTunes U existiert eine Distributions-Plattform für Lernmedien. Für die Medienanbieter bietet Apple über das iTunes Connect-Programm eine umfangreiche Schnittstelle für den Content-Marktplatz. Die wichtigste Infrastruktur aber liegt in der Architektur des Mobilbetriebssystems iOS selbst begründet. Mit Merkmalen wie dem direkten Zugriff auf die Geodaten der Mobilgeräte, der Ver-

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netzung von Applikationen mit Adressbuch, Mailanwendung und Browser des Nutzers, der Schnittstelle zu personalisierten Push-Informationen und nicht zuletzt der Integration der sozialen Netzwerke Facebook und Twitter auf Betriebssystem-Ebene wird die Umsetzung von anspruchsvollen Mehrwertdiensten für Applikations- und Serviceanbieter erst möglich. Erfolgreiche Dienste wie myTaxi zeigen deutlich, wie durch Kombination dieser Gerätemerkmale neue Service-Modelle entstehen können, die auch auf zunächst nicht naheliegenden Märkten disruptive Effekte haben können.

Abb. 2.16: Das Apple-Ökosystem aus Sicht des Kunden – die Hardware ist der entscheidende Punkt

Apple bindet wie alle großen Ökosysteme die gekauften Inhalte an den KundenAccount und verwendet für Video und eBooks DRM-geschützte Dateiformate. Nach jahrelangen Diskussionen mit der Musikbranche wird jedoch in diesem Bereich kein hartes DRM mehr angewandt. Ein zentraler Faktor des geschlossenen Ökosystems ist jedoch die Kontrolle über iOS als Betriebssystem und die Zertifizierung der Apps durch Apple: Während reinrassige Web-Apps durch Safari als Browser im System kaum zu verhindern sind, sperrt Apple konkurrierende Anbieter gerne rigide aus – insbesondere wenn sie versuchen, die Umsatzbeteiligung im App-Store oder für InApp-Verkäufe zu umgehen. Jüngstes Beispiel im Verdrängungswettbewerb der Ökosysteme war die Entfernung der zwei Basis-Apps Youtube und Google Maps aus dem System mit der Umstellung auf iOS 6, mit der Apple ein deutliches Zeichen gegenüber Google gesetzt hat – selbst um den Preis heftiger Nutzerproteste. Für den Bereich eBooks hat sich Apple mit seiner Shop- und eReader-Plattform iBooks neben Amazon zum zweite großen Player im eBook-Markt entwickelt – in Deutschland liegt der Apple-Store hier bei etwa 15% Marktanteil bei den eBook-Verkäufen. Bis heute ist iBooks die funktional beste eBook-Reader-Software im Markt, die sich durch ihre frühzeitige Unterstützung für Multimedia-Integration und Interaktivität und die weitgehende Implementierung von EPUB3 insbesondere für enhanced eBooks eignet. Daneben hat Apple Anfang 2012 mit iBooks Author die erste Autorensoftware für enhanced eBooks eines namhaften Ökosystem-Anbieters vorgestellt. Die Voraussetzung für anspruchsvolle Content-Angebote sind also in diesem Bereich besonders gut – jedoch immer um den Preis, dass Produkte für die ApplePlattform nicht ohne größere Schwierigkeiten in anderen Ökosystemen verwendbar

Abschottung des Ökosystems

enhanced eBooks

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App-Markt

Zielgruppen

sind. Content-Produkte sollten sich zudem im Apple-Ökosystem visuell ansprechend präsentieren und in die dort gesetzten Standards einpassen, denn schlecht gemachte Produkte werden hier schneller als in anderen Ökosystemen als minderwertig empfunden und entsprechend abgewertet. Für App-Angebote ist der geschlossene Charakter des Ökosystems vorteilhaft: Durch die strikten Versionszyklen von iOS ist die App-Umgebung im Gegensatz zu den vielen im Markt kursierenden Android-Varianten relativ gut kontrollierbar, was Entwicklung und Test vereinfacht. Dagegen führt die in der Entwicklungsumgebung verwendete, relativ exotische Programmiersprache Objective-C nach wie vor dazu, dass gute Entwickler Mangelware und das Preisniveau für Programmierprojekte entsprechend hoch ist. Im App-Store hat sich mittlerweile ein gegenüber dem eBook-Markt eher niedrigpreisiges, aber in sich relativ verlässliches Marktgefüge herausgebildet – das jedoch immer noch höhere Preise erlaubt als im Android-Markt. Nutzer des Apple-Ökosystems stellen tendenziell hohe Ansprüche an Funktionalität und Bedienkomfort von Apps und strafen Angebote schneller ab, wenn diese Ansprüche nicht erfüllt werden. Die Nutzer des Apple-Ökosystems sind meist zahlungskräftige, statusorientierte Early Adopter, die einen modernen, mobilen Lebensstil kultivieren. Wobei sich auch hier die Verhältnisse allmählich verschieben. Die nicht mehr so aktuellen Modelle haben eine nicht so zahlungskräftige Kundschaft gefunden, die auch genauer auf ihre Ausgaben achtet. Analog zum Musikangebot gilt auch für die anderen Content-Bereiche, dass im Apple-Ökosystem durchaus eine Menge Marktpotenzial liegt, denn die Kunden in diesem Bereich sind bereit und in der Lage, für gut gemachte Angebote Geld auszugeben. Jedoch stellt sich aufgrund der Menge der mittlerweile integrierten Produkte und Angebote im iTunes-Store für jeden Anbieter das Problem der Sichtbarkeit und Wahrnehmung von eBooks und Apps in der unübersehbaren Menge der Konkurrenz – die bisher noch nicht wie von Amazon durch eine darauf ausgelegte Shop-Architektur unterstützt wird. Wer nicht damit rechnen kann, durch Bekanntheit von Marken oder Autoren ohnehin in den „Top 10“ zu landen, wird das Content- und App-Marketing genauso ernst nehmen müssen wie die Produktumsetzung, um im Markt gesehen zu werden. Zukunfts-Perspektiven des Apple-Ökosystems Für die Zukunft sind im Apple-Ökosystem folgende Trends mit Relevanz für Content-Anbieter zu erwarten: – Die vorhandenen Geräte-Plattformen iPod, iPhone und iPad werden stetig weiterentwickelt. Hier ist pro Jahr mit 1–2 neuen Generationen von Hardware und Software zu rechnen, die mit höherer Rechenleistung, verbesserter Ausstattung von Komponenten wie Displays, Kameras etc. sowie erhöhtem Miniaturisierungsgrad die Produktpalette aufwerten. Daneben sind mit einem Fernseher (iTV) und einer Armbanduhr (iWatch) neue Gerätetypen in der Entwicklung und werden das Angebot in Zukunft erweitern. – Bereits jetzt werden iOS als Mobilbetriebssystem und Mac OS als Desktop-Betriebssystem mit jeder Generation weiter aneinander angeglichen. Für die Zukunft ist eine noch stärkere Integration zu erwarten, ggf. bis hin zu einer einheitlichen Plattform für beide Gerätetypen. Für Content-Anbieter ist dies im Sinne einer Verbreiterung des möglichen Kundenkreises sicherlich zu begrüßen. – Die strategische Pendelbewegung zwischen Öffnung und Abgrenzungspolitik gegenüber anderen Anbietern von Anwendungen und Services dürfte noch zu einigen Unsicherheiten für die Entwicklung von Content-Angeboten führen. Je mehr Investitionen hier getätigt werden, umso mehr muss ein Angebotsmodell ggf. darauf geprüft werden, ob es mit den Apple-Richtlinien konform geht.

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Die Ökosysteme der global player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen? 

Das Google-Ökosystem Google als einer der weltweit wichtigsten Software-Unternehmen im Web-Bereich ist zunächst einmal bekannt geworden als Anbieter der zentralen Suchmaschine des Internet. Möglich wurde dies durch die einmalige Marktstellung im Bereich OnlineWerbung, die bis heute den wesentlichen Teil der Unternehmensumsätze ausmacht. Daneben ist Google erst im zweiten Schritt durch die Entwicklung des Mobilbetriebssystems Android auch zum relevanten Faktor für den Markt der Smartphones und Tablets geworden. Mit dem Content- und App-Marktplatz Google Play wurde 2012 das Ökosystem komplettiert und ebenso konsequent wie alle anderen Bereiche auf eine reine Online-Nutzung hin optimiert.

“We should be building great things that don’t exist.” Larry Page

Abb. 2.17: Die Komponenten des Google-Ökosystems

Google selbst ist erst relativ spät zum Hardware-Anbieter geworden: Die Mobilbetriebssystem-Plattform Android wurde zunächst hauptsächlich an andere Hersteller von mobilen Endgeräten lizensiert, was mittlerweile zu einer nahezu unüberschaubaren Anzahl an Anbietern von Android-Smartphones und Tablets geführt hat. In den letzten zwei Jahren hat Google durch die Integration von Motorola Mobile zunehmend begonnen, auch unter der eigenen Marke Smartphones und Tablets anzubieten. Zwar kommt das Unternehmen lange nicht an die Dominanz von Samsung im Markt der Android-Geräte heran, konnte aber mit seiner Nexus-Reihe bereits Erfolge durch ungewohnt schnellen Abverkauf erzielen. Durch die Entwicklung von anderer Hardware wie TV-Settop-Boxen, dem Chromecast zum Medienstreaming von CloudSpeicher auf andere Endgeräte sowie dem Google Glass-Projekt für eine Androidbetriebene Augmented Reality-Brille stößt Google zusätzlich in Bereiche neben dem klassischen Mobile-Markt vor. Das Software-Angebot ist naturgemäß eine weitere Domäne von Google. Angefangen von Mail-Anwendung über eine komplette Office-Suite (Google Docs), Werkzeugen für Blog-Erstellung (Blogger), Online-Kollaboration und Entwicklertools bis hin zu Android und Chrome OS als Betriebssystem-Plattformen bietet das Unternehmen eine Vielzahl von Applikationen für alle möglichen denkbaren Anwendung. Google nimmt dabei eine besondere Stellung unter den Software-Anbietern ein:

Hardware-Angebot

Software-Angebot

36 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt –– A lle Software-Tools sind für den Endkunden kostenlos oder werden komplett unter Open Source-Lizenz angeboten. Nur im B2B-Einsatz der Business Tools verdient Google an den Lizenzen. –– Alle Anwendungen sind konsequent als reine Webanwendungen ausgelegt, die ihre Daten in Cloud-Plattformen halten. Als Umgebung genügt für den Nutzer ein Web-Browser, d.h. Google macht sich damit von Hardware- und BetriebssystemUmgebung unabhängig und kann mit seinen Angeboten in allen anderen Ökosystemen präsent sein. –– Die Anwendungen sind untereinander hochgradig vernetzt. So wird z.B. in der Office Suite Google Docs bzw. im Dateispeicher-Dienst Google Drive der Content des Nutzers automatisch über die Google-Suchmaschine indexiert und ist mit derselben Funktionalität suchbar. In der eReader-Anwendung ist der Übersetzungsdienst Google Translate als Funktion integriert, und durch Google+ können alle anderen Tools von direkter Social-Media-Integration profitieren. App-Markt

Artikel: Google Play – ein Ökosystem der nächsten Generation?

http://bit.ly/Zl7HDE

Service-Angebot

Infografik: How Google Makes Money from Mobile

http://bit.ly/176Dyv2

In den letzten zwei Jahren wurde der ehemalige Android App-Store zusammen mit einem umfangreichen Content-Angebot zur Online-Plattform Google Play integriert und steht seit Sommer 2012 auch in Deutschland zur Verfügung. Über Play werden analog zu den Marktplätzen von Amazon und Apple alle relevanten Content-Bereiche angeboten: Durch Rechtevereinbarungen mit Musik-Anbietern wie Universal, EMI, Sony sowie der Rechteverwertungsagentur Merlin kann Google Music mit einem Start-Sortiment von geschätzten 13 Millionen Stücken an den Start gehen. Zum kompletten Content-Pool von youtube.com als Plattform für User-Generated-Video kommen Filme und Serien kommerzieller Anbieter als kostenpflichtiger Download hinzu. Neben dem Kauf ist eine Verleih-Funktion/Online-Videothek integriert. Zusätzlich zum kostenpflichtigen Angebot der Verlage als Content-Lieferanten stellt Google die kompletten Ergebnisse seiner Bibliotheks-Digitalisierungs-Initiative als Pool ein. Die Preview-Funktion, die in Deutschland als Google Book Search bekannt und direkt in die Suchmaschine integriert ist, führt hier nahtlos zum Content, falls dieser für Verkauf/Download zur Verfügung steht. Eine weitere Besonderheit von Google Play ist, dass nicht nur der Shop, sondern auch die Medienverwaltung und alle Anwendungen zur Anzeige und zum Abspielen von Audio, Video und eBooks reine Webanwendungen sind. Auch hier benötigt der Nutzer neben einem Browser keine weiteren Applikationen und ist von der Geräteplattform und der Betriebssystemumgebung unabhängig. Auch im Bereich der Services ist Google wohl der Ökosystemanbieter mit dem breitesten Portfolio: Neben der Suchmaschine und dem sozialen Netzwerk Google+ werden mit Geodiensten wie Google Maps und Google Earth, dem Übersetzungsdienst Google Translate sowie spezialisierten Suchdiensten für verschiedenste Medientypen stetig mehr Webdienste entwickelt und in google.com als zentrale WebOberfläche integriert.

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Die Ökosysteme der global player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen? 

Abb. 2.18: Das Google-Ökosystem aus Sicht des Kunden – viele kostenlose und nutzbringende Dienste, denn Hauptsache, die Werbeerlöse bleiben bei Google.

Unter den großen Anbietern ist Google sicherlich das offenste Ökosystem. Zwar werden auch hier Content und Apps an das Nutzerkonto des Kunden gebunden und z.T. mit DRM-Mechanismen geschützt. Aber durch die konsequente Orientierung auf die Entwicklung von Online-Anwendungen kann der Kunde den Content zumindest auf jeder Geräteplattform nutzen, auf der ein Web-Browser lauffähig ist. Gleichzeitig stellt Google seine Betriebssystem-Plattform Android auch vielen anderen Herstellern als Basistechnologie zur Verfügung. Die potenzielle Kundengruppe ist dadurch erheblich breiter als die von Apple und Amazon, da Google die Möglichkeit hat, in allen anderen Ökosystemen (und selbst im Desktop-Bereich) gleichermaßen präsent zu sein. Für den Vertrieb von eBooks in Google Play sind die Hindernisse für Anbieter gering – Google setzt konsequent auf den EPUB-Standard und bietet durch die Verknüpfung mit bereits digitalisierten Daten und der Indexierung durch die Google-Suche interessante Alleinstellungsmerkmale gegenüber den anderen eBook-Anbietern. Für enhanced eBooks eignet sich die Plattform noch nicht ausreichend, da in der eReader-Anwendung von Play der EPUB3-Standard bisher nur rudimentär unterstützt wird. Mittelfristig ist dies jedoch durch Googles zentrale Rolle im Readium-Projekt des IDPF als sicher anzunehmen. Für das App-Angebot stellt das Google-Ökosystem durch die vielen verschiedenen Hersteller, die die Android-Plattform nutzen, die wohl breiteste, aber auch heterogenste Kundengruppe im Smartphone-Bereich dar. Allerdings erschweren die Vielfalt der Geräte und der im Markt befindlichen Versionen von Android zusammen mit der weitgehenden Anpassbarkeit des Systems die Entwicklung und die Tests von AndroidAnwendungen. Der Projektaufwand erhöht sich somit deutlich. Dazu kommt, dass im App-Store aufgrund des anfangs fast ausschließlich kostenlosen Angebots das Preisniveau niedriger ist als im Apple-Store und es Bezahlangebote generell schwerer haben als in anderen Ökosystemen. Auch zielen die Hardware-Anbieter von AndroidGeräten eher auf das niedrigpreisige Segment und damit auf wenig zahlungskräftige bzw. zahlungsbereite Kundengruppen. Im App-Bereich lässt sich dies noch bis zu einem gewissen Grad durch Masse ausgleichen. Inwieweit es Google gelingt, gerade in Europa neben seinem Kerngeschäft auch mit seinem Content-Angebot relevante Marktanteile zu gewinnen, muss jedoch noch als fraglich angesehen werden.

Offenes Ökosystem

eBook-Vertrieb

App-Markt und Zielgruppen

38 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt Zukunfts-Perspektiven des Google-Ökosystems Für die Zukunft sind im Google-Ökosystem folgende Trends zu erwarten: – Google wird aufgrund seiner Integration von Motorola Mobile wohl noch stärker versuchen, auch als Hardware-Anbieter aufzutreten. – Neben einem stetigen Ausbau des Software- und Service-Angebots ist es anzunehmen, dass der Integrationsgrad der Dienste untereinander noch deutlich erhöht wird. Ankündigungen wie die auf der Google I/O-Konferenz 2013 über die Verknüpfung von Spracherkennung, Suchmaschine, Google Now und den Kartendiensten zeigen bereits deutlich in diese Richtung. – Bei den jüngsten Geräten anderer Android-Anbieter ist zu beobachten, dass Google offenbar versucht, Google Play dort zunehmend als die Standard-Anwendung für die Mediennutzung zu etablieren und so seine Zielgruppe für den Content-Verkauf zu verbreitern.

Microsoft: Auf dem Sprung zum Ökosystemanbieter? Mit Windows 8 als der neuen Betriebssystem-Generation des Jahres 2012 hat erstmals ein Anbieter den Versuch unternommen, eine einheitliche System-Plattform für Desktop- und Mobilgeräte auf den Markt zu bringen. Gleichzeitig wagt Microsoft mit den Surface Tablets parallel dazu den Einstieg in ein eigenes Hardware-Angebot und hat mit Nokia als Partner eine strategische Kooperation für den Einsatz von Windows 8 im Smartphone-Bereich geschlossen. Entsteht hier im Ansatz ein weiteres Ökosystems? Bisher sieht es wenig danach aus. Zwar bietet das verzahnte Angebot von Software, Betriebssystem und Hardware durchaus neue Chancen für Microsoft als bislang reines Systemhaus. Aber weder hat das Unternehmen bisher nennenswerte Assets im Service-Bereich zu bieten, noch sind Ansätze für ein Content-Angebot zu erkennen. Damit fehlen zwei zentrale Faktoren zur Entstehung eines großen und einflussreichen Ökosystems, insbesondere für Content-Produkte. Zwar kann die Windows 8-Plattform in Zukunft auch für Mobile-App-Entwickler durchaus attraktiv werden, wenn es möglich ist, mit geringen Zusatzaufwänden Projekte parallel für Desktop und Mobile umzusetzen oder mit geringem Aufwand zu migrieren. Auch sind die hier erreichbaren Kundengruppen durch die starke Verankerung von Windows in den Unternehmen ein starkes Argument, Microsoft als Anbieter nicht aus den Augen zu verlieren. Aber bislang gibt es wenige Anzeichen dafür, dass Windows 8 als Plattform für Content-Produkte eine besondere Rolle spielen wird. Als Empfehlung kann hier vor allem gelten, diesen Marktbereich mittelfristig zu beobachten, und bei der Entwicklung neuer Angebotsformen mit im Blick zu haben, dass Migrationspfade und Kompatibilität für Windows 8 nicht ausgeschlossen werden – d.h. für eBooks, dass sie auch unter den Windows-Anwendungen wie Adobe Digital Editions sauber lauffähig sein sollten oder für Web-Anwendungen, dass sie unter Internet Explorer funktionieren sollten. Von eigenständigen App-Projekten für Windows 8 muss im Content-Bereich dagegen momentan eher abgeraten werden. Content-Angebot für eReader: Ein „virtuelles Ökosystem“? Gerade im eBook-Bereich existieren für Nutzer neben den Plattformen von Amazon, Apple und Google durchaus sinnvolle Alternativen: Zahlreiche Hersteller haben in den letzten Jahren auf Basis der eInk-Technologie eine Vielzahl von z.T. durchaus guten und preisgünstigen eReadern auf den Markt gebracht. Gerade weil einige davon, z.B. die Geräte, die über Weltbild vertrieben werden, auf das Lowcost-Segment zielen, erreichen sie z.T. durchaus ernst zu nehmende Verkaufszahlen. Käufer dieser Endgeräte beziehen ihre eBooks entweder wie im Fall eines eReaders mit Online-Anbindung aus den dort häufig integrierten eBook-Stores einzelner Anbieter (z.B. bei den Geräten von Sony oder Weltbild) oder müssen den Kauf über die

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Die Ökosysteme der global player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen? 

Online-Shops wie Libri, Libreka, Ciando etc. vornehmen und die Inhalte dann über ihren PC mit dem Reader synchronisieren. Für den Nutzer entsteht so eine Art „virtuelles“ Ökosystem: die Hardware liefert ein Hersteller, den Content andere Anbieter, für die Medienverwaltung auf dem PC und die Befüllung des eReaders mit den eBook-Dateien sind in der Regel weitere Anwendungen wie Adobe Digital Editions, Calibre oder Software-Tools der HardwareHersteller notwendig. Den deutlich günstigeren Preis der Geräte bezahlt der Endkunde indirekt durch einen wesentlich niedrigeren Integrationsgrad und Bedienkomfort, verglichen mit den großen Ökosystemen. Zudem erschweren intransparente DRMMechanismen und fehlendes Wissen über Kompatibilität zwischen Content und Readern hier die Benutzung. Dennoch kann aufgrund der Art und Breite der Zielgruppen dieser Bereich für Content-Anbieter nicht vollständig außer Acht gelassen werden – je nach Segment kann für einen Verlagsanbieter beispielsweise der Vertrieb über Weltbild 10–20% des eBook-Vertriebs ausmachen. Wichtig ist für dieses Marktsegment jedoch folgendes: –– Die eReader als Hardware bzw. die darauf laufende Software eignet sich in der Regel nur für textorientierte eBooks im EPUB-Format. Anspruchsvolles Layout oder enhanced eBook-Angebote sind in den allermeisten Fällen nicht realisierbar. –– Ein App-Angebot oder die Integration von Services wie in den großen Ökosystemen scheidet zumeist aufgrund der Orientierung auf ein reines Lesegerät ebenfalls aus. –– Da sich das Angebot zumeist auf EPUB-eBooks beschränkt, sind Produkte verhältnismäßig einfach zu entwickeln, jedoch funktional begrenzt. Der Schwerpunkt bei der Bedienung dieses Marktsegments liegt eher in der geschickten Auswahl der richtigen Vertriebspartner, einer effektiven Distribution der digitalen Medien und dem Aufsetzen schlanker Abrechnungsprozesse. Das „Tolino-Ökosystem“ Im März 2012 wurde von den partnerschaftlich beteiligten Firmen Telekom, Thalia, Weltbild, Hugendubel und Bertelsmann die Tolino-Plattform vorgestellt. Diese neu geschaffene Plattform beinhaltet im Kern drei Komponenten, die im Zusammenspiel neue Möglichkeiten für den deutschen eBook-Markt schaffen sollen: –– Tolino shine als neuer eReader, gemeinsam angeboten von allen Partnern –– Gemeinsames Backend für die eBook-Shops von Thalia, Weltbild, Hugendubel und Bertelsmann –– Cloud-Speicher für die Kundendaten, gehostet von der Telekom. Mit dem Tolino shine stellen die Partner den neuen eInk-Reader als “Frontend” ihres Angebots vor. Das Gerät beinhaltet ein 6-Zoll-HD-eInk-Display der neuesten Generation mit 1024×758 Pixel Auflösung und 16 Graustufen. Wie beim Kindle Paperwhite oder dem Kobo Glow sind Hintergrund-Beleuchtung und Touchscreen-Funktionalität integriert. Positiv zu bewerten ist die Verwendung von Android als Betriebssystem sowie die Erweiterbarkeit des Geräte-Speichers von 4 GB durch Speicherkarten. Ansonsten ist das Gerät von seiner Hardware-Spezifikation her als solide Alternative zu anderen Readern anzusehen und entspricht insgesamt dem jüngsten Stand der Technik, ohne jedoch neben einem attraktiven Preis spektakuläre Neuerungen mitzubringen. Die Content-Anbieter Thalia, Weltbild, Hugendubel und Bertelsmann nutzen für ihre eBook-Stores und den Verkauf von Inhalten für den Tolino zwar eine gemeinsame Backend-Infrastruktur, behalten aber jeweils ihre eigenen Shop-Frontends. Auf dem Gerät ist jeweils der Shop des Partners als Standard eingerichtet, bei dem der Tolino erworben wurde. An dieser Stelle wurde also der Weg einer “lose integrierten” Platt-

40 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt form gewählt, die aber durch gemeinsame Technik-Standards und durchgehend verwendetes Adobe DRM zumindest erwarten lässt, dass die Probleme bei Einrichtung und Handling solcher Systeme auf anderen Plattformen nicht auftreten. Mit einem eBook-Angebot von etwa 300.000 Titeln in den jeweiligen Stores ist ein solides StartSortiment vorhanden – auch wenn fraglich ist, ob diesen Content-Angebot für einen Medienbereich alleine ausreichend ist, um 2013 noch gegen Apple und Amazon aufzuholen und ausreichend Neukunden zu gewinnen. Ein wirklich praktisches Alleinstellungsmerkmal dagegen ist die automatische Synchronisation aller gekauften und selbst importierten eBooks mit einem Nutzerkonto in der Telekom-Cloud. Neben einer Nutzungsmöglichkeit über im Prinzip beliebige Endgeräte hinweg (solange sie das Adobe DRM unterstützen) kann dieser Speicher auch aus verschiedenen Quellen für eBooks befüllt werden – sofern die eBooks DRM-frei oder mit Adobe DRM gesichert sind. Die Gestaltung der Shop-Umgebung und die zentrale Cloud-Speicherung realisieren die Content-Verwendung insgesamt flexibler und offener als bei den Konkurrenten Apple oder Amazon. Zentral für die Akzeptanz beim Kunden wird daneben aber sein, ob die Integration von Hardware, Software und Content im System so gelungen ist, dass diese Vorteile auch vom unversierten Nutzer verstanden und angewandt werden können und dass die Bedienung so nahtlos und intuitiv erfolgen kann wie in den Ökosystemen der Konkurrenz. Gerade im Bereich der Integration der Mobile Apps mit den Bibliotheken von Bestandskunden hatte die Plattform hier wohl deutliche Schwierigkeiten. Ein Zusammenschluss der großen deutschen Anbieter mit insgesamt 30–40% Marktanteil auf Basis gemeinsamer Technik-Standards und mit einer integrierten Infrastruktur ist aber insgesamt sicher zu begrüßen – genauso wie die Möglichkeit für den Kunden, eine offenere Systemumgebung zu nutzen als in den KonkurrenzÖkosystemen. Für jeden Verlag sollte also die Tolino-Plattform zu denen gehören, in die eBook-Angebote unbedingt eingespeist werden sollten – alleine zur Verbreiterung der Marktbasis.

Kobo

Auf Verlierer-Straße: RIM/Nokia

Weitere Player im Markt Im eBook-Markt ist seit 2009 mit der kanadischen Firma Kobo ein neuer Anbieter hinzugekommen, der sowohl mit eigenen Readern als Hardware-Hersteller auftritt, als auch ein eigenes Content-Angebot über einen eBook-Store forciert. Kobo hat durch konsequente Orientierung auf den internationalen Markt sowie die mittlerweile erfolgte Integration in den Konzern des japanischen Online-Händlers Rakuten nennenswerte Marktanteile gewonnen, spielt jedoch im deutschen Markt noch keine relevante Rolle. Ein weiterer, im angloamerikanischen Markt wesentlicher Anbieter ist Barnes & Noble, bei dem jedoch aufgrund der fehlenden Präsenz der Ladenkette im deutschsprachigen Raum auch mittelfristig nicht von einem Markteintritt auszugehen ist. Im Bereich der großen App-Stores sind zwei ehemals dominante Anbieter mittlerweile an den Rand des Marktes gedrängt worden: Research in Motion, die in der ersten Generation der Mobilgeräte mit dem Blackberry Furore gemacht haben, ist es nicht gelungen, mit Ihrer App-Plattform genug Entwickler und Kunden anzuziehen, um zum großen Ökosystem zu werden und positionieren sich mittlerweile nahezu ausschließlich auf die Nische des B2B-Geschäfts für Großkunden, die auf eine international verfügbare Hochsicherheits-Infrastruktur für die Unternehmenskommunikation angewiesen sind. Nokia als ehemalige Nummer 1 unter den Smartphone-Anbietern hat wesentliche Trends im App- und Ökosystem-Markt verpasst und steht durch existenzielle Probleme in seinen Kernmärkten am Scheideweg. Die Entwicklung einer eigenen Betriebssystem-Plattform und der Betrieb eines zugehörigen App-Stores sind

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Die Ökosysteme der global player: Wie spielen die Ökosysteme von Apple, Amazon, Google und anderen zusammen? 

komplett eingestellt worden. Die Kooperation mit Microsoft und die Übernahme von Windows 8 als Systemplattform für die Nokia-Smartphones zeigen deutlich den Konzentrationsprozess in diesen Märkten. Mit Sony und Samsung versuchen zwei weitere, erfolgreiche Hardware-Hersteller neben den Geräten auch Content-Angebote zu entwickeln: Sony über den Betrieb eines eBook-Marktplatzes, Samsung über einen Media Hub für Filme und Fernsehsendungen. Beiden Anbietern ist es jedoch bisher nicht gelungen, ihr Content-Angebot strategisch sinnvoll mit ihrem Kerngeschäft zu verzahnen und so relevante Umsätze im Medienbereich zu erzielen. Vergleicht man also den angloamerikanischen Markt mit seinen „seven sisters“ Amazon, Apple, Barnes & Noble, Google, Kobo, Samsung und Sony mit Europa, so sind hierzulande neben den „großen Drei“ Amazon, Apple und Google keine weiteren „Komplett-Ökosysteme“ erkennbar, die als Marktplätze für contentbasierte Produktformen wie eBooks, enhanced eBooks und Content-Apps eine wirklich relevante Rolle spielen. Aus den oben aufgeführten Gründen betrachten wir Facebook (noch) nicht als Ökosystem, da die Hardware fehlt und es kein erkennbares Contentangebot gibt außer den dort schon erstellten Inhalten. Die Bedeutung der sozialen Netzwerke ist unbestritten, aber Facebook tritt hier (noch) nicht so vehement als Konkurrent der Medienunternehmen auf wie die anderen Marktteilnehmer. Strategische Empfehlungen zum Umgang mit den Ökosystemen Die Ökosysteme setzen also weitgehend die Rahmenbedingungen für ein Angebot von Content und Apps in ihren jeweiligen Umgebungen. Welche strategischen Fragestellungen spielen dabei für Content-Anbieter bei der Produktentwicklung eine Rolle, die für den Markterfolg ausschlaggebend sind? Der Preis des Marktzugangs: Die Ökosysteme bieten die Möglichkeit zur Nutzung fertiger Vertriebskanäle zu großen Zielgruppen. Die dafür vorgegebene Umsatzbeteiligung muss in die Produktkalkulation eingerechnet werden. Wer diesen Faktor vermeiden will, hat durch rein webbasierte Angebotsformen (z.B. die HTML5-basierte App des Spiegel) einen technischen Ausweg, muss aber dabei immer abwägen, ob der Aufbau einer eigenen Kundenverwaltung und Abrechnungsinfrastruktur wirklich lohnend ist. Eigenheiten der Märkte: Gleiches gilt bei solchen Angeboten für Faktoren wie vorhandenes Marktgefüge und gelerntes Marktverhalten. Auch wenn die App-Stores und Content-Marktplätze ungewohnte und neue Mechanismen mit sich bringen: sie beginnen wieder Konventionen herauszubilden, die sich bei rein webbasierten Produktformen einzelner Anbieter nicht nutzen lassen. Abhängigkeit vom Anbieter: Bis zu einem gewissen Grad macht sich ein ContentAnbieter in bisher ungeahnter Art vom Ökosystem-Anbieter abhängig – im Kundenkontakt, bei den Marktbedingungen wie auch in der technischen Umsetzung. Wo immer es möglich ist, sollten idealerweise bei der Auswahl von Produktionstechniken, Content Management-Systemen und Produktformen die Umsetzungen gewählt werden, die dem Anbieter zumindest auf dieser Ebene im Sinne einer „Zwischenschicht“ zwischen Content und Ökosystem eine gewisse Unabhängigkeit geben. One content for all? Optimal für Content-Angebote ist natürlich, auf so vielen Plattformen wie möglich präsent zu sein, um die potenzielle Kundenbasis so groß wie möglich zu halten. Andererseits kann oft nicht genau dasselbe Angebot für alle Ökosysteme verwendet werden, gerade je anspruchsvoller die Umsetzung gestaltet ist. Bei der Umsetzung von Ökosystem-spezifischen Varianten ist immer darauf zu achten, ob die dabei entstehenden Mehrkosten in sinnvoller Relation zu den erwartenden Umsätzen stehen.

Sony und Samsung

Artikel: Digital Publishing in 2013 — Meet the New Seven Sisters

http://bit.ly/11lWWBe

42 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt Idealerweise werden dabei Mechanismen wie Automatisierung der Produktion, Nutzung von standardisierten und serialisierbaren Modellen bei der Entwicklung genutzt – etwa Standard-Software oder Konverter zur eBook-Erzeugung, Verwendung von App-Frameworks in der Anwendungsentwicklung oder offene Standards wie HTML5 für funktionale Komponenten von Angeboten. Wird ein Produktportfolio mit solchen Mechanismen aufgebaut, entsteht im Idealfall folgendes Bild:

Abb. 2.19: Ein Schichten-Modell für ein digitales Produkt-Portfolio

Strategische Bedingungsfaktoren für eine erfolgreiche Content-Infrastruktur – Der Content wird einheitlich und medienneutral in einem modernen Content-Management-System gehalten. – Die Erzeugung der Inhalte für die verschiedenen Produkttypen und Ökosysteme erfolgt soweit automatisiert und optimiert, dass die Produkte aus technischer Sicht lediglich verschiedene Channels zum Kunden darstellen. – Die dabei erzielte Flexibilität sollte idealweise so hoch sein, dass das Angebot für die Ökosysteme gestaltet werden kann, die die optimale Zielgruppenansprache bieten.

2.5 Andere Anbieter von Inhalten: Jeder ist ein Verleger

Die Aufklärung in marxistischer Vollendung: Jeder Leser ist zugleich Autor.

Das Thema Mobile Publishing wird man nicht verstehen, wenn man nicht einen entscheidenden Faktor betrachtet, der die gesamte Verlagsszene prägt: Jeder Leser ist zugleich Autor. Die Produktionsmittel für die Erstellung von Publikationen jeder Art sind heute zu relativ geringen Preisen für eine große Masse erschwinglich und auch leicht zu bedienen. Wenn man es so will, war dies ein letzter Schritt der Aufklärung, nicht nur jedem auch jede Information zur Verfügung zu stellen, sondern auch noch die Produktionsmittel für die Erstellung jeglicher Information. Nie waren die Produktionsmittel für Publikationen so günstig und einfach zu bedienen. Nie war die Verbreitung von Informationen so einfach. Spätestens seit Wikipedia ist der Medienbranche klar, dass die Kraft der Masse kaum zu schlagen ist. Das Betriebssystem Linux stellte ein paar Jahre davor in der Softwarebranche einen ähnlichen Versuch auf. Der Gegenspieler hieß Microsoft und es entstand ein Betriebssystem, das nur durch die freiwillige Mitwirkung von

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Andere Anbieter von Inhalten: Jeder ist ein Verleger 

Programmierern weltweit entstand. Das Thema ist also wunderbar geeignet, das Zusammenspiel einer kontrollierten, zentralen Schalt- und Machtstelle mit der unkontrollierbaren Masse zu beobachten. Durch das Mobile Web erhält es im Zusammenspiel mit Social Media zudem eine erhöhte Relevanz, denn die Aktivierung vieler Teilnehmer ist noch leichter geworden. Und es wird auch in der Wirtschaft zu einer entscheidenden Kraft. Crowdsourcing – die „Levée en Masse“ kann beunruhigen Crowdsourcing lässt sich gut durch die Übersetzung erklären: crowd = die Masse und source = die Quelle meint die Erstellung einer Leistung durch Vernetzung und viele Mitwirkende. Zumeist erfolgt dies unentgeltlich, um dann im Gegenzug das Ergebnis wieder allen kostenlos zukommen zu lassen. Eine schöne Idee und eigentlich nur gut, oder? Wenn der Masse nicht auch ein unkontrollierbarer Geist innewohnen würde, eine für manche beängstigende, revolutionäre Kraft. Die Levée en masse, ein in Frankreich durchs Volk zusammengestelltes Revolutionsheer, schlug 1792 in der Schlacht bei Valmy ein professionelles Heer. Es war der Auftakt für ein bis heute andauerndes Kraftspiel zwischen einer Berufsarmee und dem freiwilligen Militärdienst. Goethe wurde als Beobachter zu einer seiner berühmten Aussagen inspiriert: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ Crowdsourcing kann ein bedeutendes Machtinstrument sein und eine Gefahr für die Mächtigen. Es ist der Verlust an Kontrolle, der es einer starken Institution und den durch sie starken Individuen schwer macht, sich ganz auf Crowdsourcing zu verlassen. Denn Crowdsourcing funktioniert nur dann gut, wenn das Zusammenspiel von Kontrolle und Loslassen funktioniert. Wikipedia braucht ein Raster, eine Prüfung. Die Levée en masse benötigte auch erfahrene Soldaten und einen Heerführer. Und leider ist unsere Geschichte reich an Beispielen, an denen die Führung der Massen zwar gut funktionierte, aber die Richtung falsch war. Dieses Zusammenspiel muss also jeweils neu austariert werden. Denn einiges spricht dafür, dass Crowdsourcing immer wichtiger wird. Vor allem auf dem heutigen Kriegsschauplatz, dem Kampf um Marktanteile. Das Ende des Universalgelehrten und der Standardlehrbücher Das exponentiell ansteigende Wissen macht es faktisch unmöglich für eine Redaktion, so groß sie auch sein mag, das vorhandene Wissen zu bündeln. Sah man in Leibniz noch einen der letzten Universalgelehrten, so beginnt mit dem Zeitalter der Aufklärung auch schon die wissenschaftliche Sammlung des Wissens durch die Enzyklopädisten. Der systematisierte, standardisierte Informationsaustausch in den Wissenschaften hielt Einzug. Und wir profitieren von dieser gemeinsamen Forschung vieler Menschen. Wer freut sich nicht bei jedem Zahnarztbesuch über die medizinischen Errungenschaften, die Schmerzmittel, und wieder zu Hause über eine Waschmaschine oder die Entdeckung der Welt durch Auto, Zug und Flugzeug.Es liegt auf der Hand: Nur durch die Mitwirkung vieler lassen sich gute Ergebnisse erzielen. Durch Social Media und die exponentiell zunehmende Vernetzung der Bevölkerung wachsen die Möglichkeiten von Crowdsourcing. Nicht nur in der Generierung von Wissen, sondern auch im Vertrieb, in der Vermarktung. Das Mobile Web verleitet zum Mitmachen Und jetzt das Mobile Web. Nielsen weist schon 2006 nach, dass die wenigsten Teilnehmer im Netz mitmachen. 1% ist wirklich aktiv, 9% sind es manchmal und 90%

Studien: Crowdsourcing oder wer macht mit im Web? Studien von Nielsen und neurowissenschaftliche Untersuchungen

http://bit.ly/15myv6D

http://bit.ly/129QQmU

44 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt sind es nie. Diese Daten scheinen für das Web im Allgemeinen auch zu stimmen. Lediglich beim Mobile Web findet sich eine deutlich höhere Teilnahme. Dort scheinen bis zu 20% der Kunden bereit zu sein, mitzuwirken, so die Einschätzung von Ronny Matthies. Scheinbar aktiviert das Smartphone den Nutzer eher zur Mitwirkung als der PC. Das bestätigt auch der Harvard Professor Jonathan Zittrain bei seiner Betrachtung des Crowdsourcing im Mobilen Web. Wenn man dem Nutzer eine kleine Belohnung verspricht, macht er gerne mit. Zum selben Ergebnis kommen auch neurologische Untersuchungen, nach denen die Aussicht auf Belohnung der größte Antrieb ist für den Menschen. Das Resultat kann dann nebensächlich sein und zu Weihnachten wird es jedem deutlich: Die Vorfreude auf das Fest ist höher als die Enttäuschung beim Auspacken der Geschenke. Warum also nicht gleich zugeben, dass es die Lust an der Belohnung selbst ist, die uns antreibt. Es geht um das Spiel. Und das Gefühl, etwas freiwillig, aus eigenen Stücken zu tun. Man muss deshalb Anreize schaffen und den Spieltrieb fördern. Dann funktioniert Crowdsourcing im Mobile Web. Noch unklar ist, warum das Smartphone hierfür geeigneter erscheint als der PC. Vermutungen deuten in die Richtung, dass es als lean-forward-Gerät für die Aktion eher geeignet ist als ein lean-back-Gerät. Aber das ändert nichts an der Wirkung, die zu beobachten ist. Artikelsammlung: mobile zeitgeist Special ‘Mobile und Social Media’

http://bit.ly/12UVSCx Durch die Verknüpfung im Netz ist die Masse intelligenter und schneller als jede Redaktion.

Beispielhafte Anwendungen Sehr gut sichtbar wird das an drei Anwendungen, die den World Summit Award for mobile content gewonnen haben. Anna Gauto hat im mobilen zeitgeist Special „Mobile und Social Media“ ein Englischlernprogramm in Bangladesh, einen Staumelder für staugeplagte Fahrer in Sao Paulo und eine App zur Information für Rollstuhlfahrer vorgestellt. Alle Apps erreichen durch Crowdsourcing eine deutlich höhere Qualität. Eine neue Epoche? Zumindest können wir mit Goethe sagen, wir seien dabei gewesen. Mit der Digitalisierung wird die Produktion von Büchern als Wertschöpfung von Verlagen und ihrer Struktur weitgehend überflüssig. Jeder kann heute mit geringem Aufwand sein Word-Dokument als eBook veröffentlichen und dann auf ganz anders ausgerichtete Dienstleister zurückgreifen. Die Distribution übernehmen die neue Plattformen und Shops wie Amazon, Apple, Google. Neudeutsch spricht man vom Verschwinden des „middleman“, der sich zwischen Produzent und Kunde als Vermittler, Distributor oder was auch immer etabliert hat. Wo liegt also noch die Wertschöpfung der Verlage? Bleibt also die klassische Auswahl der Autoren und Inhalte, die Frage nach Qualität und die Unterscheidung von Gut und Schlecht und dem damit verbundenen Markenaufbau. Jeder Verlag mag Qualität anders definieren und dem folgend steht Suhrkamp für eine bestimmte Autorenschaft und entsprechende Inhalte, Taschen für eine andere und GU bietet wiederum ein anderes Markenprofil. Der Verlag schärft das Profil des Werkes und damit auch das Profil des eigenen Verlages und sorgt sich um die Vermarktung. Braucht es dafür aber noch einen Verlag? Ein gutes Lektorat und die Schärfung eines Profils könnte von einer Agentur oder einem Freelancer genauso gemacht werden wie von einem Verlagsmitarbeiter, vielleicht sogar besser. Denn letzterer ist stärker in den Zwängen seines Unternehmens gefangen: „wir brauchen unbedingt einen massentauglichen Bestseller zum Herbst“ – „der Titel erhält im Vergleich zum gleichzeitig erscheinenden Werk xy nur wenig Aufmerksamkeit und Budget“ – „das Thema haben wir noch nie gut verkauft“...

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Andere Anbieter von Inhalten: Jeder ist ein Verleger 

Der Zwang zur Mischkalkulation verwässert zwangsläufig ein Programm und die finanziellen Schwierigkeiten in einigen Verlagen führen zu einer Verknappung der Lektorats-Ressourcen. Wem es um die Verbesserung eines Textes geht, um die Arbeit am Manuskript, der muss nicht unbedingt zu einem Verlag gehen. Es gibt verschiedene Plattformen, die diese Dienstleistungen anbieten. Wer erreicht am meisten Kunden? Der Autor Sam Harris brachte schon früh die Ambivalenz des modernen Schriftstellers auf den Punkt: Da er sich selber eine so große Fangemeinde aufgebaut hat, benötigt er weder Zeitschriften noch Verlage, um seine Bücher zu vermarkten. Er veröffentlicht trotzdem noch bei Free Press in der Währung, die Verlage anzubieten haben: Bücher über 200 Seiten zu einem Preis über 10$. Alles andere veröffentlicht er auf seinem Blog oder bei Amazon. Und er weiß selbst keinen Ausweg aus dem Dilemma, wie guter Content auch künftig honoriert werden soll. Sprich: Selfpublishing ist im digitalen Zeitalter deshalb etwas anderes als ein Print-on-Demand-Druck, der vor Jahren zu Weihnachten der Verwandtschaft unter den Baum gelegt wurde, weil heute jeder über Social Media mit ein wenig Fleiß und Glück eine ganz große Verwandtschaft und viele Freunde erreichen kann. Amazon bietet dem Autor, je nach Pricing und Absatzmarkt, immerhin bis zu 70% der Erlöse. Und wirbt mit erfolgreichen Prominenten als Beweisen für den Erfolg. Wem es nur um Distribution geht, der ist dort gut aufgehoben. Denn wenn er selbst über Social Media kräftig die Werbetrommel rührt, ist das Marketing auch schon zu Teilen erfolgt. Warum investieren so viele Verlage in eigene Selfpublishing-Plattformen? Die Bindung von Autoren und Leser an das eigene Selfpublishing-Portal ist immer richtig. Und sei es, weil die eigenen Leser hier auch ein wenig bewerten und schreiben können. Es ist allemal sinnvoller, seinen treuen Lesern – und das sind alle, die einem Verlag ihr Manuskript zur Veröffentlichung anbieten – keine Standardabsagebriefe zu senden, sondern sie auf die eigene Selfpublishing-Plattform zu verweisen. Denn sie sind aktiv und aktive Leser sind immer bessere Leser (und Kunden). Vielleicht findet sich auch der ein oder andere Autor darunter. Zugleich wächst eine (digitale) Leserschaft heran, die auch mit neuen Titeln beworben werden können. Und jedem neuen Autor kann durch diese Aktivitäten erläutert werden, dass man auch die Klaviatur der digitalen Vermarktung zu spielen weiß. Der Effekt ist für Verlage noch schwer zu kalkulieren. Sie sehen sich einer Heerschar von Publizisten gegenüber, die zu Dumpingpreisen den Markt überschwemmen. Und dabei gilt nicht immer, dass die Qualität minderwertig sei. Nicht nur bei Wikipedia ist es gelungen, mit der richtigen Technologie die Energie vieler Autoren so zu bündeln, dass das Ergebnis keinen Vergleich mit einer Gruppe professioneller Redakteure und vielen bezahlten Autoren zu scheuen braucht. Mit „Fifty shades of grey“ wurde 2012 der Beweis erbracht, dass ein im Crowdsourcing-Verfahren entwickeltes Buch über Selfpublishing dann zum Bestseller in der gedruckten Fassung wurde und Random House die Bilanz rettete. Von der Rebellion wissenschaftlicher Autoren gegen den Verlag Elsevier im Sommer 2012 bis zur Gründung zahlreicher Selfpublishing-Plattformen durch US-Verlage ist es nur ein kleiner Schritt.

Artikel: Der Autor Sam Harris über Selfpublishing und Verlage

http://bit.ly/12iS2zI

46 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt

Carina Press (seit 2010 aktiv, ca. 380 Titel, Verlagshaus Harlequin)

Impulse (2011, 75, Harper Collins)

Loveswept

(2011, 32, Random House)

Crimson (2012, 25, F+W Media)

Dutton Guilt Edged Mysteries (2012, 2, Penguin Group)

eKensington

(2012, 6, Kensington Publishing)

Forever Yours

(2012, 20, Hachette Book Group)

InterMix (2012, 125, Penguin Group)

Pocket Star

(2012, 16, Simon & Schuster)

Prologue Books (2012, 300, F+W Media)

Abb. 2.20: Die Gründung von digitalen Imprints durch Verlage in den USA: US-Verlage ziehen nach und gründen selber Plattformen für Selbstverleger.

Viele Verlage haben erkannt, dass sie zwar noch eine Marke haben, diese aber nur noch begrenzt relevant ist. Denn die Autoren fragen zunehmend, wozu sie einen Verlag benötigen. An dem Webauftritt der Selfpublishing-Plattformen kann man erkennen, dass sie sich als Dienstleister am Kunden verstehen. Sie umwerben den Autor und erklären ihm genau, was sie ihm zu bieten haben. Damit erobern Sie sich einen Platz im Markt – gegen die etablierten Verlage. Selfpublishing-Plattformen: Der Verlag ist ein Dienstleister

Abb. 2.21: Selfpublishing-Plattformen treten als Dienstleister auf. aerbook ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, dass sie die Autoren bei ihrer Tätigkeit unterstützen wollen, dass sie sich als Dienstleister verstehen.

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Andere Anbieter von Inhalten: Jeder ist ein Verleger 

Digitale Produkte werden nur dann gut, wenn man sie nicht als Zweitverwertung aus dem Print entwickelt. Diese Einsicht ist für Softwareagenturen selbstverständlich, für Fachverlage mit digitalen Angeboten einsichtig – und jetzt hat sie in den USA auch bei klassischen Buchverlagen Fuß gefasst. Ein Zeichen dafür sind die zahlreichen eBook-Imprints, die zuerst das eBook anbieten und dann auch das gedruckte Werk. Dadurch können neue Autoren gewonnen und gebunden werden, die Reichweite im Netz wird aufgebaut und die Produktentwicklung folgt dem Markt für eBooks. Denn andere Produktformen bieten sich an, die bisher eher aufgrund der Begrenzungen des Mediums oder der Beschränkungen des Handels wenig zum Zug kamen: So werden Fortsetzungsromane oder Serien als eBook sehr gut angenommen. Das bietet die Möglichkeit, längst vergessene Backlistserien wieder auszugraben und auch neue Formate zu testen. Und wenn dotbooks, eine Neugründung in Deutschland, gleich selbst ohne den Umweg über das gedruckte Buch ein Programm realisiert, dann ist das genau die Konkurrenz zu den Etablierten. Durch die Technologieplattform von GRIN wurde der Workflow von Beginn an auf das Publizieren von digitalen Produkten ausgerichtet. Das gedruckte Buch ist dann eine Folge. Das erspart nicht nur lange Diskussionen über den Sinn und Unsinn der einzelnen Produktformen, die Ängste im eigenen Haus vor den digitalen Kannibalen und das Festhalten am einmal Erlernten, sondern ermöglicht vor allem eine konsequente Entwicklung neuer Produkte. Zwar ist ein gutes Buch immer noch ein gutes Buch, weil Inhalt und Text stimmig sind, aber es gibt doch ein paar Besonderheiten, die selbst in der Belletristik wichtig sind. Nicht jede Formatierung passt, nicht jeder Umfang ist geeignet, die Dramaturgie des Erzählens will oft neu gedacht werden. Nicht zu reden von all den Möglichkeiten der enhanced eBooks und Apps, die viel schneller und einfacher erschlossen werden können. Interessant ist, dass die Selfpublishing-Plattformen vor denselben Herausforderungen stehen wie die klassischen Verlage auch.

1.Zusammenarbeit

2.Auffindbarkeit

3.Vertrieb

4.Austausch

Wie biete ich meinen Autoren das beste Team?

Wie garantiere ich, dass das Werk an möglichst allen Stellen wahrgenommen wird?

Wie kann ich an möglichst viele Kunden liefern?

Wie kann der Autor direkt mit den Kunden in Kontakt treten?

• Was kann ich besonders

• Metadaten, Metadaten,

• Präsenz auf allen

• Big Data • Social Media Marketing

gut? Was soll ich stärken? Wo muss ich kooperieren?

Metadaten

Plattformen • Partnerprogramme

Abb. 2.22: Warum sich Selfpublishing so dynamisch entwickelt: Das Geschäft ist für Verleger wie für die Betreiber von Selfpublishing-Plattformen nicht einfacher geworden. Beide müssen eine schlüssige Antwort finden auf die zentralen Fragen wie Zusammenarbeit, Metadaten, Distribution über verschiedene Plattformen und Social Media Marketing.

Die Plattform Smashwords ist ein gutes Beispiel. Sie verdient ihr Geld mit dem Verkauf von Büchern, die im Selbstverlag oder von unbekannteren Verlagen geliefert werden. Man kann dort ohne großen Aufwand seinen Titel einstellen und verkaufen. Das Angebot besteht immerhin schon im vierten Jahr. Ihr Gründer Mark Coker hält Ratschläge für seine Autoren bereit, wie man ein gutes Buch macht und erfolgreich ist, auch ohne einen etablierten Verlag.

48 – Mobile Publishing – So entwickelt sich der Markt Nicht nur auf Slideshare werden zahlreiche Präsentationen angeboten, auch ein kostenloses eBook zum Thema Selfpublishing wird vertrieben und bietet allen möglichen Kunden die relevanten Informationen zum Schreiben und Vermarkten der eigenen Titel. Dass dabei die Kindle-Ausgabe 1,11 $ kostet und dieselbe Ausgabe bei nook kostenlos ist, gehört zu den vielen Holprigkeiten dieses Marktes. Auch für Coker ist der Weg zum Erfolgsautor steinig, mühsam und selten erfolgreich. Produktion und Distribution ermöglichen es zwar jedem, ein Buch zu schreiben und zu vertreiben und der Übergang zum Lesen am Bildschirm tut sein Übriges. Aber jetzt beginnt im Grunde dieselbe Arbeit, die jeder Verlag vor sich hat. Die Ratschläge für Selfpublisher von Coker lesen sich wie die klassischen Ratschläge für Verlage: – Qualität zählt. Je mehr Titel auf dem Markt sind, desto wichtiger wird sie. Lektorieren, überprüfen, schärfen – all diese Aufgaben, die ein guter Lektor übernimmt, sie sind gefragter denn je. Ein stimmiges Cover ist ebenso wichtig wie der richtige Titel, die gute Beschreibung des Inhalts, der richtige Preis, etc. etc. – Verlegen ist ein Geschäft. Nur wer es gut betreibt, hat Erfolg. Der kaufmännische Blick ist nötig, weil sonst der Einsatz der Mittel nicht stimmt, das Geld nicht fließen kann, um in weitere Bücher und die Vermarktung zu investieren, den Kreislauf am Leben zu erhalten. Es ist ein Beruf. – Spezialisten können es besser. Es gibt Fachleute für das Lektorat, die Covergestaltung, die Vermarktung im Internet. Sie sind in guten Verlagen zu finden. Oder sie bieten ihre Dienste frei an. – Alle verfügbaren Verkaufsstellen müssen genutzt werden. Nichts Neues also, aber eine Menge Arbeit für jemanden, der es selber machen muss. Und die Anzahl der Verkaufsstellen hat zugenommen durch die eBooks und Apps. Der Organisation und Pflege der Metadaten kommt bei digitalen Produkten noch eine besondere Bedeutung zu. Und erhöht die Komplexität. – Die Vermarktung beginnt mit der eigenen Website und hört im weiten Land der Social MediaPlattformen nie auf. Virales Marketing ist wichtig, aber umsonst, wenn die oben erwähnten Punkte nicht greifen. – Es ist ein langer Weg. Und ein Buch macht noch keinen Sommer. Ein Name will entwickelt werden, eine Lesergemeinschaft entsteht nicht sofort. Das siebte Buch verkauft sich besser als das erste. Und ein Werk ist in der digitalen Welt nie fertig. Das hat Vor- und Nachteile. Es bedeutet aber auch, dass die Arbeit nie ausgeht.

Diese Ratschläge zeigen, dass die Arbeit an den Werken prinzipiell keine andere geworden ist. Der Botschaft eines Autors Gehör zu verschaffen ist nach wie vor aufwändig. Und genau deshalb gibt es ja Verlage und Autoren. Weil letztere lieber schreiben als verkaufen und den Freiraum brauchen, um sich auf die Inhalte zu konzentrieren. Sie wollen nicht auch noch Manager ihrer Werke sein. Aber Achtung: Die Botschaft lautet natürlich nicht, dass alles beim alten bleiben kann. Verlage bekommen Konkurrenz von anderen Dienstleistern, die günstiger, wendiger oder „digitaler“ aufgestellt sind als sie selbst. Die die elektronischen Produkte besser bearbeiten und vermarkten können. Da Verlage in der Regel das Gedruckte und das Digitale gleichzeitig bewältigen müssen, sind die Aufgaben doppelt umfangreicher geworden. Das richtig zu organisieren, darin liegt die Herausforderung. Das zeigt auch ein Blick auf weitere Anbieter im Markt. Es sind nicht nur die Selfpublisher allein, die hier für Aufmerksamkeit und Aufbruch sorgen. Firmen, Aus- und Weiterbildungsinstitutionen, Zeitschriftenverlage und viele andere – sie alle können von den einfacher gewordenen Möglichkeiten des Publizierens Gebrauch machen.

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Andere Anbieter von Inhalten: Jeder ist ein Verleger 

Abb. 2.23: Bibliotheken, Universitäten, Firmen – jeder ist ein Verleger.

Universitäten wie Harvard oder Stanford bieten Onlineweiterbildung für alle an, Beratungsgesellschaften wie die KPMG unterhalten eine eigene, kostenlose Bibliothek an Fachliteratur für ihre Kunden, Kongressanbieter wie TED entwickeln eigene Buchreihen oder die Bayerische Staatsbibliothek bietet Apps zu Ludwig II an.

3 Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung – Wie sind die Produkttypen

So entwickelt sich der Markt: Die Technologien So wird es umgesetzt.

Das sind Ihre Zielgruppen – und das wollen sie

So rechnet sich das für Sie

So müssen Ihre Informationen aufbereitet sein So erreichen Sie Ihre Kunden

eBook, App, enhanced eBook technisch aufgebaut? – Wie werden die Produkte erstellt und welche Werkzeuge gibt es dafür? – Welche Möglichkeiten und Grenzen haben die Produkttypen und welche Umsetzung eignet sich für welche Inhalte? – Vergleich der verschiedenen Ansätze, Kombinationsmöglichkeiten – Trends in Markt und Technik und strategische Empfehlungen

Mit den Produktformen eBook, enhanced eBook und App haben sich in den letzten Jahren drei Medien für Verlagsinhalte entwickelt, die zwar auf der einen Seite für die Content-Darstellung auf sehr ähnlichen Basis-Technologien aufsetzen, aber in ihrer jeweiligen technischen Ausprägung sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen setzen. Je nachdem, welcher „Container“ um den Content herum verwendet wird, um die Inhalte zum Kunden zu bringen, unterscheiden sich Möglichkeiten und Flexibilität, aber auch Aufwände und Limitierungen bei der Realisierung von anspruchsvollen, marktgerechten Produkten. Mit dem Überblick über die zur Verfügung stehenden Produkttypen und Technologien soll hier insbesondere eine übersichtliche Entscheidungshilfe für die Wahl des optimalen Produkttyps gegeben werden.

3.1 eBooks Marktstandards: EPUB vs. Mobipocket Seit der Einführung des Amazon Kindle im Jahr 2007 hat das eBook nach mehreren Versuchen anderer Hersteller auf diesem Gebiet einen sensationellen Siegeszug im Markt angetreten und diesen durchgreifend verändert. War zu Beginn des eBookBooms noch unklar, welche technologische Basis sich hier durchsetzen würde, haben sich mittlerweile zwei Dateiformate etabliert, die als Marktstandards gelten können: –– EPUB: 2010 vom International Digital Publishing Forum (IDPF) standardisiert, bildet EPUB in der Version 2.0.1 die technische Basis für nahezu alle eBook-Plattformen außer dem Kindle-Ökosystem. Die jüngste Version EPUB 3 bietet viele neue Möglichkeiten zur Content-Gestaltung, wird jedoch Stand Anfang 2013 nur von wenigen Plattformen unterstützt. –– Mobipocket/KF8: Ursprünglich von der gleichnamigen Firma zusammen mit einem eReader für Mobiltelefone entwickelt, bildet Mobipocket seit dem Kauf durch Amazon die technische Basis des Kindle-Reader. Die ursprünglich deutlichen Limitierungen des Formates in Bezug auf Layout und Darstellung sind seit der Aktualisierung der Kindle-Plattform auf die neue Format-Variante KF8 teilweise aus-

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geglichen worden. KF8 ist jedoch nur auf den jüngeren Kindle-Readern sowie dem Kindle Fire und den Kindle-Apps mit abgestufter Funktionalität verfügbar. Beide Dateiformate sind sich im technischen Aufbau wie in den Möglichkeiten und Grenzen verhältnismäßig ähnlich. Sie bauen im Kern auf HTML-Dokumenten auf, die zusammen mit den notwendigen Dateien für Navigation, Layout und Produktmetadaten in einen ZIP-Container verpackt werden. EPUB und Mobipocket bauen dazu auf unterschiedlichen Konventionen über die interne Ordnerstruktur und Dateibenennung auf und werden mit einem anderen Dateityp versehen ausgeliefert (.epub oder .mobi). Mobipocket kann automatisiert über das kostenlos von Amazon erhältliche KonverterWerkzeug Kindlegen auf Basis von EPUB-Daten erstellt werden und kann aus produktionstechnischer Sicht somit als Format-Variante von EPUB angesehen werden. Zusammengefasst kann man beide Dateiformate als eine Art „gezippte Website“ bezeichnen. Aufbau und Inhalte einer EPUB-Datei Eine EPUB-Datei nach IDPF-Spezifikation umfasst typischerweise: – Die Produktmetadaten und eine Auflistung aller im ZIP-Container enthaltenen Dateien (die sog. OPF-Datei) – Produktcover als Bilddatei für die Anzeige in Medienbibliotheken – Eine Inhaltsübersicht für den Aufbau von hierarchischen Kapitel-Navigationen (die sog. NCX-Datei) – Eine XHTML-Datei pro Dokument/Kapitel in der NCX-Datei für den Inhalt des Produktes – Ein CSS-Stylesheet für das Layout der Dokumente – Alle eingebetteten Medienobjekte wie Bilder, Schriftarten etc. (optional) – Notwendige Dateien für die Verschlüsselung durch DRM-Systeme (optional)

In der Content-Darstellung auf den Readern für den Kunden haben diese einzelnen Komponenten folgende Funktion:

XXX Cover Metadaten

Texte: als HTML-Dokumente integriert

Dazu kommen:  Stilbeschreibung in CSS für Layout

 Bilder  Fonts  Übersicht aller enthaltenen Dokumente

Inhaltsübersicht = Table of Contents (TOC) Abb. 3.1: Bestandteile einer EPUB-Datei und ihre Funktion für den Kunden, am Beispiel der Darstellung eines eBook in Adobe Digital Editions

Gemeinsamkeiten und Unterschiede von EPUB und Mobipocket Die Unterschiede zwischen dem offenen Standard-Format EPUB und dem proprietären Mobipocket-Format liegen im Detail, müssen jedoch beim Aufsetzen eines Produktionsworkflows für mehrere Ökosysteme bedacht werden:

eBooks sind im Grunde nichts anderes als einfach aufgebaute, in Dateien verpackte Websites.

52 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung –– I m Mobipocket-Format wird neben dem strukturellen Inhaltsverzeichnis (der NCX-Datei) auch eine Inhaltsübersicht als Content-Dokument gefordert. –– Mobipocket unterstützt deutlich weniger Gestaltungseigenschaften von CSS, manche Merkmale müssen über sog. „Inline-Styles“ übergeben werden, um dargestellt zu werden. –– Mobipocket weist deutliche Schwächen im Bereich Tabellendarstellung auf, sowohl in Bezug auf Größe der Tabellen, als auch bei komplexeren Tabellen mit Zell-Überspannungen oder nicht durchgängig auslinierten Tabellen. –– Diverse technische Details wie die Angabe der Coverdatei, der Datei für das Inhaltsverzeichnis u.a. folgen anderen Konventionen. Diese Details werden jedoch in der Regel von den Konverter-Tools abgefangen. Wie sehr in der Praxis die Unterschiede zwischen EPUB und Mobipocket für einzelne Produkte eine Rolle spielen, hängt im Detail sehr von den gestalterischen Anforderungen ab. Für Content, der im Wesentlichen aus Kapitelstruktur, Überschriften und Fließtext aufgebaut ist, spielen die unterschiedlichen Möglichkeiten kaum eine Rolle. Ist jedoch eine differenzierte Darstellung gefordert, etwa bei Verwendung von Textkästen, Marginalien, mehrspaltigen Layouts oder vielen Objekten wie Tabellen/ Abbildungen, können die Beschränkungen von Mobipocket bis hin zur Notwendigkeit führen, für die Kindle-Plattform eigene Produktionsworkflows aufzusetzen, wenn eine akzeptable Darstellung erreicht werden soll. Eigenheiten und Philosophie von EPUB Bei Design und Implementierung von EPUB durch die Hardware- und Software-Anbieter hat sich bereits recht früh der Gedanke durchgesetzt, dass das eBook-Format auf einer Vielzahl verschiedener Geräte mit unterschiedlichen Display-Größen und auf unterschiedlichen Betriebssystem- und Software-Plattformen nutzbar sein soll. Dies bedingt einige Eigenheiten, die bei der Gestaltung und Produktion von Content zu beachten sind: –– Aufgrund der verschiedenen Gerätegrößen wird im eBook-Design für das Layout zumeist das Reflow-Prinzip verwendet. Dabei werden für alle zentralen LayoutEigenschaften wie Schriftgrößen, Positionen, Textabstände oder Ränder relative Maßangaben (Angabe in Prozent oder em) verwendet, so dass das Layout zusammen mit dynamischem Textumbruch flexibel skalierbar ist. Dazu bieten die meisten Reader-Anwendungen den Nutzern umfangreiche Einstellmöglichkeiten für die Anzeige, etwa für Schriftarten, Schriftgrößen und -farben, bis hin zu Seitenrändern und Zeilenhöhen. Dies führt zu dem für die Verlagswelt ungewohnten Effekt, dass die endgültige Darstellung beim Kunden nur noch sehr bedingt bestimmbar und vorhersehbar ist. –– Für die Umsetzung von Content wie z.B. Kinderbüchern sind neben die Reflow Layout-EPUBs die sogenannten Fixed Layout-EPUB-Dateien. Beim Fixed Layout-Prinzip wird zwar auch CSS als Webdesign-Sprache für die Gestaltung verwendet, aber die Gestaltung erfolgt hier auf pixelgenau festgelegten Seitenrahmen und mit fester Positionierung und Größe für jedes einzelne Element einer Seite. Dieses Prinzip hat den Vorteil der seitengenauen Abbildbarkeit eines Print-Layouts. Und den Nachteil, dass durch die fixe Bindung an einen in Pixeln beschriebenen Seitenkontext das Layout für jeden Displaytyp mit verschiedenen Größen, Auflösungen und Proportionen eigens und spezifisch erstellt werden muss. Zudem gibt es am Markt momentan keine Fixed Layout-Lösung, die übergreifend für alle Ökosysteme verwendbar ist. –– Farbdarstellung in Abbildungen wie in der Textgestaltung ist in EPUB prinzipiell möglich, aufgrund der nach wie vor hohen Zahl von eInk-Geräten im Markt sollte jedoch darauf geachtet werden, dass Produkte auch auf Graustufen-Displays

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noch sinnvoll lesbar sind. Für Integration von Multimedia-Inhalten in EPUB 2.0.1 existieren lediglich Anbieter-spezifische Implementierungen. –– Die ersten eInk-Reader besaßen aufgrund ihrer Hardware harte Beschränkungen der möglichen Textgrößen in einer EPUB-Datei, die nach wie vor zu beachten sind. Dazu sind die meisten eReader-Anwendungen in Ihrer Funktionalität im Wesentlichen auf sequentielles Text-Lesen ausgelegt und optimiert. EPUB-Dateien müssen daher auf diese Beschränkungen hin gestaltet werden. Dabei sind Produkte ab einer bestimmten Größe auf eReadern kaum noch sinnvoll nutzbar. –– Erweiterte Funktionen zur Content-Erschließung wie Suche, hinterlegte Wörterbücher, Glossare oder Übersetzungsfunktionen werden der Reader-Software überlassen. Der mitgelieferte Funktionsumfang der jeweiligen Umgebung ist dabei in der Regel weder erweiterbar noch beeinflussbar. Für Print-Produkte wie z.B. Wörterbücher bedeutet dies in der Konsequenz, dass sie in der Regel mit sinnvollem Funktionsumfang nur als App umsetzbar sind. Die genannten Eigenheiten und Einschränkungen korrespondieren dabei jedoch direkt mit der weitgehend universellen Verwendbarkeit von eBook-Dateien über die verschiedenen Ökosysteme, Geräte und Reader-Anwendungen hinweg. Analog zu HTML als lingua franca der Online-Welt hat sich hier das Duo EPUB/Mobipocket soweit als Basis der eBook-Systeme durchgesetzt, dass dieser Faktor praktisch gesehen kaum zu umgehen ist. Auch wenn nach momentaner Marktentwicklung die Tablets gegenüber den reinen eReadern in den Verkaufszahlen deutlich zulegen, wird jeder ContentAnbieter für sich die Frage beantworten müssen, wie er mit den Besitzern der eInkGeräte im Markt umgeht. Erstellungsprozesse und Werkzeuge für EPUB-Dateien Für die Erstellung von EPUB-Dateien gibt es mittlerweile sehr viele verschiedene Möglichkeiten, die je nach Produktionsprozess der Basisdaten unterschiedlich eingesetzt werden können. Soll die eBook-Produktion auf der Basis von wie bisher erzeugten Print-Titeln erfolgen, können für einfache Produkte etwa EPUB-Konverter auf Basis von strukturierten Word-Daten verwendet werden. Beispiele dafür sind etwa EPUB Maker oder auch Calibre. Allerdings geraten diese Werkzeuge von der Qualität ihres Outputs her schnell an ihrer Grenze. Bessere Resultate lassen sich mit Werkzeugen wie Jutoh oder Sigil erzielen, die spezifisch auf EPUB-Erzeugung ausgelegt sind. Bei diesen Tools sind allerdings HTML- bzw. EPUB-Kenntnisse auf technischer Ebene Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz. Als professionellstes Werkzeug für einen Print-First-Workflow ist momentan Adobe InDesign anzusehen. Als Standard-Tool für den Buch-Satz bietet es alle notwendigen Optionen für die Gestaltung der Inhalte und seit der InDesign-Version in der Creative Suite 6 gilt der EPUB-Export als sehr verlässlich und stabil. Wo die Standard-Funktionen des Exports nicht ausreichen, kann mit Skripten flexibel erweitert werden und soll eine Erweiterung des Produkt-Portfolios Richtung enhanced eBook/App erfolgen, steht mit der Adobe Digital Publishing Suite ein dafür optimiertes und in die CS6 integriertes Werkzeug zur Verfügung. Auch eignet sich Adobe InDesign verhältnismäßig gut dazu, sich in halbautomatisierte oder CMS-basierte Workflows integrieren zu lassen. Einen neuen Typus an Produktionstools stellen dagegen Online-Werkzeuge wie PressBooks oder BookType dar: Hier werden die Inhalte zunächst in webbasierten Editoren zusammengestellt, die nach dem Modell eines Web-CMS wie etwa Wordpress aufgebaut sind. Die Zusammenstellung der Inhalte zur Publikation erfolgt zunächst medienneutral, die Ausspielung per Export kann dann parallel in eBook-Formate, Web-Content und Print-PDF oder auch IDML-Daten zur Weiterverarbeitung in InDesign erfolgen. Ebenso sind Funktionen für kollaboratives Schreiben bereits inte-

Einfache, kostenlose Werkzeuge zur Generierung von EPUB-Dateien

Adobe InDesign

Online-Editoren

54 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung

Enterprise-CMS-Umgebungen

Backlist-Verwertung

Apple

Amazon

griert. PressBooks und BookType sind erst relativ kurze Zeit am Markt bzw. sind erst in den letzten Monaten aus der Beta-Phase in den produktiven Betrieb übergegangen. Als Open Source-Tools sind sie kostenlos nutzbar. Allerdings sollte für den professionellen Einsatz gründlich evaluiert werden, ob die integrierten Features zum angestrebten Ergebnis und Produktionsprozess passen. Gerade für mittelgroße und kleine Verlage kann ein Einsatz dieser Systeme aber durchaus eine sinnvolle Option sein, um mit wenig Kapitaleinsatz schnell eine funktionale eBook-Produktion aufzusetzen. Soll dagegen die eBook-Produktion in großen Mengen erfolgen oder mit einem bereits existierenden Content Management System verzahnt werden, bietet es sich an, entweder eine Export-Konvertierung auf ein bestehendes System implementieren zu lassen, oder für die Produktion ein Enterprise CMS einzuführen. Web- und Electronic Publishing-CMS-Umgebungen wie etwa Site Fusion von nbsp oder auch die XaverUmgebung von doctronic bringen derartige Integrationen bereits mit oder lassen sich einfach darauf hin anpassen. Ist der Einstieg in die großvolumige eBook-Produktion ohne bestehende Systemumgebung geplant, sollten dafür dedizierte eBook-Produktionssysteme evaluiert werden – Beispiele dafür sind etwa PXE von Aptara oder auch der IGP:Digital Publisher des asiatischen Anbieters Infogrid Pacific. Eine besondere Herausforderung stellt in der Regel die Digitalisierung großer Backlist-Datenbestände dar. Zumeist ist es dabei nicht lohnend, alle Daten mit denselben Strukturierungs- und Qualitätsstandards aufzubereiten wie die Frontlist. Für dieses Vorgehen hat sich die Zusammenarbeit mit spezialisierten KonvertierungsDienstleistern aus Osteuropa oder Asien bewährt, die bei entsprechender Beauftragung auch große Datenmengen zu attraktiven Konditionen digitalisieren können. Wichtig ist dabei vor allem ein deutschsprachiger Ansprechpartner, präzise vereinbarte Konditionen und Qualitätsstandards sowie eine Datenlieferung, die sich auch in später eingesetzte Produktionsprozesse integrieren lässt. EPUB in den verschiedenen Content-Ökosystemen eBooks im EPUB-Format haben zunächst den großen Vorteil, dass alle nennenswerten Vertriebsplattformen und Ökosysteme auf dieser Basis beliefert werden können. Die Bindung der Dateien an den jeweiligen Anbieter durch das spezifisch eingesetzte DRM-System erfolgt erst innerhalb der Vertriebsumgebung auf Basis der Verlagsdaten. Unterschiede zwischen den Plattformen bestehen jedoch im Grad der Unterstützung bestimmter EPUB-Features und -Gestaltungsmöglichkeiten durch die jeweilige Reader-Software. Grob lassen sich dabei drei Gruppen von Umgebungen mit unterschiedlichem Verhalten clustern: Das Apple-Ökosystem, das Amazon-Ökosystem und die eInk-Reader mit Adobe-Firmware. Beim Angebot von EPUB-Dateien im Apple iTunes Store stehen dem Content-Anbieter die größten Möglichkeiten zur Verfügung: Die Reader-Software ist nach wie vor als die fortschrittlichste in Bezug auf die Interpretation von EPUB-Features anzusehen: Die Reader-Hardware ist durchgängig farbig, die Software unterstützt bereits für ePub 2.0.1 Merkmale wie Audio/Video, eingebettete Fonts oder auch Javascript sowie Fixed Layouts. Umgekehrt sind in diesem Ökosystem auch die Kundenerwartungen an eine hochwertige Gestaltung am höchsten. Auch Amazon bietet trotz seines intern eingesetzten, proprietären eBook-Formates eine Anlieferungs- bzw. Import-Möglichkeit für EPUB-Dateien an. Dennoch implementieren verschiedene Anbieter in ihrer Software spezifische Konverter für Mobipocket/KF8, um den internen Besonderheiten des Formates gerecht zu werden. Für Amazon-Daten gilt, dass hier besonderer Wert auf die Prüfung der Darstellung unter den alten Mobipocket-Readern gelegt werden muss: Hier werden viele Gestaltungsmerkmale noch nicht unterstützt, die in anderen Bereichen bereits selbstverständlich sind. Insbesondere anspruchsvollere Layouts müssen für den Kindle in Teilen

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eBooks 

sorgfältig „zurückgebaut“ werden. Dafür ist der Kindle-Reader, insbesondere im Bereich der Kindle-Apps, mit umfangreichen Zusatzfunktionen ausgestattet, die wesentliche Mehrwerte für den Kunden bringen (automatisiertes Glossar über Kindle XRay, Sync über verschiedene Lesegeräte hinweg, automatische Vorlesefunktion etc.). Für die eInk-Reader gilt als Besonderheit im Wesentlichen, dass die Darstellung natürlich immer in Graustufen erfolgt, d.h. der Einsatz von Rasterfarben im Layout sollte stets an diese Gegebenheiten angepasst werden. Die allermeisten der marktgängigen Reader dieser Art verwenden als Software das Adobe Reader Software Development Kit (Adobe RMSDK, funktionsgleich mit Adobe Digital Editions, aber als Software-Bibliothek mit entsprechenden APIs eingesetzt). Der Vorteil an dieser Situation ist, dass für die meisten Plattformen kein separater Test der Daten erfolgen muss. Nachteilig ist jedoch, dass Adobe mit seiner Reader-Plattform mittlerweile an vielen Stellen hinter der technischen Entwicklung bei Amazon und Apple hinterher hinkt. Einzelne andere Anbieter bieten jeweils spezifische eigene Rahmenbedingungen für Erwerb und Anzeige von EPUB-Dateien: Im Google-Ökosystem gibt es wenige Besonderheiten bei der Content-Darstellung. Dafür erfolgt die Anzeige immer in einer Browser-basierten Anwendung und auch für Features wie Suche, Übersetzung, Glossar etc. werden jeweils die dazugehörigen Google-Online-Anwendungen eingebunden. In der Tolino-Plattform wird zwar eine gemeinsame Hardware verwendet, der Content-Erwerb kann jedoch bei verschiedenen eBook-Distributoren erfolgen; für die Speicherung der Bibliothek wiederum wird ein gemeinsames Cloud-Backend der Telekom verwendet. Bereitet man sich auf den Vertrieb eines eBook-Portfolios über verschiedene Anbieter und Ökosysteme hinweg vor, so ist dabei vor allem das Thema der Produkt-Optimierung je nach Content und belieferten Anbietern zu beachten. Dabei stellt sich vor allem die Frage „Ein EPUB für alle, oder Erzeugung von verschiedenen Dateien für verschiedene Anbieter?“. Als Grundregel kann hier gelten: Je einfacher die Produktinhalte in ihrem Layout sind, d.h. je mehr reiner Fließtext ohne Elemente wie Grafiken, Textauszeichnungen, Textmarkierungen/Kästen, fixe Layouts oder ähnliches verwendet wird, umso besser wird man mit einer gemeinsamen EPUB-Datenbasis auskommen. Wird das Layout anspruchsvoller und ist insbesondere Amazon einer der belieferten Vertriebspartner, ist gut zu testen und zu entscheiden, ob eine optimale Darstellung noch innerhalb einer einheitlichen EPUB-Datei erfolgen kann. Vor allem wenn auch unter den Mobipocket-Readern ein sauberes Layout erzeugt werden soll, ist bei komplexeren Layouts eine Erzeugung mehrerer, unterschiedlicher EPUB-Basisdaten oft unumgänglich. Für alle belieferten Plattformen sollte auf Basis der Vertriebsstrukturen in der Herstellung ein adäquates Test- und Abnahmeverfahren der Dateien aufgesetzt werden. Dabei sollte das Ziel vor allem sein, eine Art internes Service Level Agreement über die verschiedenen für den Test zu verwendenden Hardware- und Software-Plattformen sowie ein effizient organisiertes Testschema zu erarbeiten. Jeder der oben erwähnten Cluster von Vertriebsplattformen sollte (wenn beliefert) zumindest mit einer Hardware- oder Software-Plattform abgedeckt werden. Als sinnvolle Testsysteme haben sich dabei erwiesen: –– Für Apple/iOS: Test unter iBooks auf dem iPad –– Für Amazon: Test mittels der Kindle Previewer-Anwendung mit den Einstellungen für die Mobipocket- und die KF8-Reader –– Für eBook-Distribution Richtung eInk-Reader: Test mit Adobe Digital Editions –– Zudem wird empfohlen, als Referenz für Layout, Look & Feel sowie Features/ Funktionen mindestens einen aktuellen eInk-Reader im Haus zu haben, etwa einen Sony Reader, einen Tolino oder auch einen der Kobo-Reader. Für einen effizienten Test ist es daneben sinnvoll, zwischen den Bereichen für Lektorat/Produktmanagement und Herstellung/Elektronische Produktion gemeinsame

eInk-Reader

Besonderheiten einzelner Anbieter

Plattform-übergreifendes Angebot

56 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung Standards und Test-Checklisten zu vereinbaren, um ein klares Bild des Qualitätsstandards zu haben. Zusammenfassung EPUB bzw. Mobipocket haben sich in den letzten Jahren zum Standard für die „erste Generation“ von eBook-Produktion entwickelt, deren Erzeugnisse als Massenprodukt in den eBook-Marktplätzen vertrieben werden. Diesem Erfolg auf der Distributionsseite stehen jedoch die gestalterischen und funktionalen Beschränkungen der Dateiformate und Reader entgegen. eBooks eignen sich insofern am besten für folgende Produkttypen: – Belletristik, Kinder- und Jugend-Bücher und andere Inhalte, die hauptsächlich aus Fließtexten bestehen – Sachbuch und Fachbuch, sofern für das Layout der Inhalte hauptsächlich Tabellen und Abbildungen verwendet werden, oder die Print-Gestaltung im Detail nicht für das Textverständnis notwendig ist – Kurzgeschichten, Fortsetzungsromane und andere Produkte, die auf Kombination von kurzen Texten und serieller Produktion ausgelegt sind – Inhalte, die schnell veralten und unabhängig von der Produktion eines Print-Produktes aktualisiert werden müssen – Produkte, die aus Mehrfachverwertung von Online-Content oder Inhalten aus Periodika entstehen Der Produkttyp eBook ist dagegen schlecht geeignet für: – Sachbücher und Fachbücher mit anspruchsvollen Layouts, die zum Verständnis der Inhalte notwendig sind – Bildbände, Kinderbücher und andere Produkte, die auf bildlastiger Gestaltung oder dem Doppelseiten-Prinzip aufbauen – Lexika, Loseblattwerke und andere Produkte mit großem Datenvolumen – Wörterbücher, Nachschlagewerke und andere Produkte mit der Notwendigkeit für differenzierte Suche und andere Funktionen zur Content-Erschließung

Als Übersicht und Entscheidungshilfe kann daneben folgende Zusammenfassung der Vorteile und Nachteile dienen: Vorteile des eBooks

Nachteile des eBooks

– Einfach und kostengünstig produzierbar – Viele Standard-Tools für Produktion verfügbar – Breite Marktbasis vorhanden – Auf vielen verschiedenen Plattformen lauffähig

– Limitierungen bei anspruchsvollen Layouts – Keine multimedialen Elemente und interaktiven Funktionen integrierbar – Heterogene Darstellung auf verschiedenen Readern

3.2 Apps Apps als neuer Anwendungstypus in den mobilen Ökosystemen Der von Apple im Rahmen der Entwicklung der iPhone-Umgebung geprägte Begriff App bezeichnet zunächst einmal nichts technisch grundsätzlich Neues. Im Gegenteil, dahinter steckt nichts anderes als eine lauffähige Anwendung für ein mobiles Betriebssystem, genauso wie eine Desktop-Software eine lauffähige Anwendung für ein Betriebssystem wie etwa Windows darstellt. Mit dem Begriff verbindet sich eher ein Paradigmen-Wechsel im Design der Anwendungen:

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Apps 

–– F unktionale Reduzierung auf einen spezifischen Use Case, im Gegensatz zur im Desktop-Bereich üblichen Funktionsvielfalt –– Verwendung von Gerätesensoren wie GPS, Lagesensor, Kamera, Mikrophon, Accelerometer zur Optimierung auf mobile Bedienung –– Nutzung der Kommunikationsfähigkeit der Geräte über mobiles Internet zur Ermöglichung von Diensten für mobile Use Cases –– Fokus des Anwendungsdesigns auf intuitive Bedienbarkeit und einfache Handhabung –– Formale Reduzierung der Bedienoberflächen und Optimierung auf Bedienung per Touch-Oberfläche, oft im Zusammenhang mit Design-Trends wie dem Skeuomorphismus Mit diesem Paradigmen-Wechsel verbindet sich inzwischen auch eine deutlich gestiegene Erwartung der Nutzer an die angebotenen Apps. Intuitive Bedienung und Optimierung auf mobile Benutzung unter perfekter Ausnutzung der Rahmenbedingungen des jeweiligen Ökosystems wird schlicht vorausgesetzt. In der Masse des App-StoreAngebots lassen sich Alleinstellungsmerkmale nur noch durch besondere Anwendungsfunktionen, exzellente und relevante Content-Zusammenstellung und optimale Verzahnung mit anderen Online-Diensten realisieren. Die drei zentralen Systemplattformen der großen Anbieter Genauso wie im Bereich der Desktop-Entwicklung Anwendungen für jedes Betriebssystem in verschiedenen Versionen erzeugt werden müssen, die sich z.T. erheblich voneinander unterschieden, gilt dies ebenso für die Mobilbetriebssysteme. Mit iOS (Apple), Android (Google, Amazon, viele weitere Hardware-Anbieter) und Windows 8 (Microsoft) sind momentan drei relevante Systemplattformen auf dem Markt, die nicht nur eine grundlegend verschiedene technische Basis in Bezug auf ihre Programmiersprachen für die Systemprogrammierung haben, sondern auch unterschiedliche Paradigmen in der System-Architektur und im Oberflächen-Design sowie den damit verbundenen Bedienkonventionen mitbringen. Selbst funktionsgleiche Anwendungen müssen insofern bei Übertragung zwischen den verschiedenen Plattformen z.T. grundsätzlich überdacht oder zumindest stark angepasst werden, um den Besonderheiten der Systeme gerecht zu werden. Apple

Amazon

Google

Microsoft

iOS

Android (customized)

Android

Windows Phone 7 / 8

Objective C

Java

Java

.NET

Abb. 3.2: Betriebssysteme und System-Sprachen der vier zentralen Mobil-Ökosysteme

Artikel: Skeuomorphic vs. Digital interfaces and what will 2013 bring us

http://bit.ly/14NsGOB

58 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung iOS

Android

Windows 8

Content-App

Productivity-App

Apple verwendet in seiner iOS-Umgebung mit Objective C eine bis vor einigen Jahren relativ exotische Systemsprache, mit der Folge, dass in der ersten Zeit Entwickler dafür rar und entsprechend teuer waren. Dafür wird mit X-Code eine hochklassige Entwicklungsumgebung für die Systemprogrammierung von Apple kostenlos abgegeben. Anwendungen für Android werden in Java entwickelt, als Werkzeug dazu wird üblicherweise die mittlerweile zum De-Facto-Standard gewordene Open-SourcePlattform Eclipse verwendet. Dies könnte sich jedoch ändern, nachdem Google auf seiner Entwicklerkonferenz Google I/O 2013 angekündigt hat, eine eigenständige Entwicklungsumgebung für Android zur Verfügung zu stellen, in der unter anderen Funktionen für den visuellen Test von Anwendungen auf verschiedenen Gerätetypen, zur Unterstützung von Lokalisierung und Übersetzung von Apps sowie für den Entwicklungszyklus selbst (Alpha/Beta-Tests, Testkunden-Release, Rollout) realisiert sind. Dafür stehen mit Java als Systemsprache in ausreichendem Maße qualifizierte Entwickler für diese Umgebung zur Verfügung. Microsoft verwendet für seine Windows 8-Plattform dieselben Sprachen und dieselbe Entwicklungsumgebung wie im Desktop-Bereich auch: Solange sie als Sprachen vollwertig in der .NET-Plattform integriert sind, hat der Entwickler prinzipiell die Wahl der Programmiersprache, wobei für Neuprojekte in der Regel C# verwendet wird. Die Entwicklung kann auch für Mobilanwendungen unter Visual Studio erfolgen, das mittlerweile als hochprofessionelle Umgebung gilt. Neben den hier genannten Plattformen entstehen auf dem Markt mit OpenSource-Systemen wie Firefox OS oder Ubuntu Mobile weitere konkurrierende Alternativen, die jedoch nicht im Detail betrachtet werden, da sie mindestens in Deutschland noch weit von der Marktreife entfernt sind. Content-App versus Productivity-App, verschiedene App-Typen Jede Mobile-App beinhaltet zumindest bis zu einem gewissen Grad ein Mindestmaß an funktionalen Komponenten. Die Mehrzahl der Apps, die von Verlagen und Medienhäusern angeboten wird, ist jedoch als Content-App anzusehen. Dieser App-Typ hat nur einen relativ geringen funktionalen Anteil und dient hauptsächlich dazu, als eine Art „Transport-Container“ Content in verschiedenen Medientypen auf das Gerät des Nutzers zu übertragen und über die App-Stores zugreifbar zu machen. Die App-Funktionen beschränken sich dabei im Wesentlichen auf folgende Bereiche: –– Content-Zugängen, Content-Erschließung, Navigation, Suche –– Abruf von neuem Content für Produkte mit dynamisch aktualisierten Inhalten –– Exportfunktionen für Content, Funktionen zum Verteilen in sozialen Netzwerken und Aggregatoren-Anwendungen –– Funktionen zur Bewertung von Content und zur Interaktion zwischen Kunde und Content-Anbieter –– Steuerung von dynamischen und interaktiven Content-Anteilen Content-Apps sind von ihrer Entwicklung her leichter zu realisieren als Productivity-Apps, da die funktionalen Anteile in der Regel eine einfachere Logik haben und besser standardisierbar sind. Auf der anderen Seite haben Content-Apps stets zwei Schichten, die bei Design und Realisierung zu bedenken sind: Funktionen und Inhalte. Als Entwurfswerkzeuge können hier beispielsweise Storyboards hilfreich sein, der Entwurfsprozess folgt in der Regel eher dem Muster der Medienentwicklung ähnlich eines Multimedia-Produktes. Dagegen bestehen Productivity-Apps letztlich ausschließlich aus Funktionalitäten und/oder Business-Logik, die in der jeweiligen Programmiersprache des Ökosystems

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Apps 

implementiert werden muss. Content spielt hier – wenn überhaupt – nur am Rande eine Rolle, Zentrum des Entwurfs sind die Funktionen, die für den Nutzer zur Verfügung stehen sollen, ihre möglichst optimale Implementierung sowie eine flüssige und intuitive Bedienung auf dem mobilen Endgerät des Nutzers. Als Entwurfswerkzeuge werden oft Mockups/Screen-Entwürfe in Verbindung mit Flussdiagrammen zur Skizzierung der Anwendungslogik verwendet. Die Formulierung der Funktionalität wird entweder in Form eines Lastenheftes/Pflichtenheftes oder auch bei Verwendung agiler Methoden in Form eines Kataloges von User Stories und Use Cases niedergelegt. Der Entwurfs- und Entwicklungsprozess ist letztlich analog eines Software-Produktes aus dem Desktop-Bereich zu projektieren, allerdings mit besonderem Fokus auf User Experience und Design der Bedienungsschnittstellen. Anwendungsfälle für Productivity-Apps sind beispielsweise: – Werkzeuge/Tools wie Taschenrechner, Berechnungsanwendungen – Spiele jeder Art – Editoren für Inhalte wie Office-Anwendungen, Notiztools, Content-Werkzeuge, Blogging-Tools – Anwendungen zum Aufnehmen, Editieren und Weitergeben von Medien wie Audio, Video, Foto – Anwendungen auf Basis von Geodaten, Karten- und Navigations-Apps – Kommunikations-Apps wie Mail-Clients, Messenger-Dienste, Soziale Netzwerke – Anwendungen zum mobilen Zugriff auf Online-Datenbanken wie Wetterdienste oder Verkehrsverbünde

Productivity-Apps sind in der Regel aufwändiger in der Entwicklung, da die AppFunktionen meist individuell implementiert werden müssen und wenig standardisierbar sind. Die Qual der Wahl: Native App, Hybrid-App, Web-App, Interpreter-App Bei der Implementierung einer Mobile-App stehen vier verschiedene, technische Modelle zur Auswahl: Native App, Hybrid-App, Web-App, Interpreter-App – alle jeweils mit spezifischen Vor- und Nachteilen. Native Apps zeichnen sich dadurch aus, dass die gesamte Programm-Logik, Funktionalität und Oberflächengestaltung der App komplett in der jeweiligen Systemsprache des Ökosystems implementiert ist. Hohe Flexibilität bei der Entwicklung und prinzipiell nahezu uneingeschränkte Möglichkeiten korrespondieren hier mit relativ hohen Entwicklungsaufwänden, insbesondere wenn die App in mehrere Ökosystemen parallel angeboten werden soll. In diesem Fall muss eine native App buchstäblich mehrfach entwickelt werden. Native Apps eignen sich naturgemäß für Anwendungen mit einem hohen Anteil an Funktionalität und wenig Content, wie bei den meisten Productivity-Apps; auch Spiele sind fast immer als native Apps realisiert. Native App-Entwicklung ist quasi unabdingbar, falls Performance-kritische Funktionen Teil der Anwendung sind, komplexe Business-Logik realisiert werden muss, oder auch, wenn Hardware-nah programmiert werden muss, da die App oft auf die Gerätesensoren zugreifen muss. Bei der Hybrid-App dagegen wird eine Zwei-Schichten-Architektur gewählt: Nur die wichtigsten Anwendungsfunktionen werden in nativem Code realisiert. Für möglichst hohe Anteile der Anwendungen werden Oberflächen und Inhalte in HTML5-Dateien ausgeliefert, die in einem integrierten Browser-Fenster angezeigt werden. Im Extremfall besteht der Code einer Hybrid-App z.B. tatsächlich nur aus dem Aufruf und der Anzeige eines vollflächigen HTML-Fensters und liefert nur noch Inhalte in Web-Formaten aus. Hybrid-Apps eigenen sich besonders für Anwendungen mit hohem Content-Anteil und wenig Funktionalität, sind aber bei weitem nicht darauf beschränkt. Da in Javascript als der Programmiersprache von HTML5 auch

Artikel: Native App oder Web-App?

http://bit.ly/Z8kJ5k

Hybrid-Apps

60 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung

Web-Apps

Interpreter-Apps

durchaus anspruchsvolle Anwendungen realisierbar sind, können auch einfachere Productivity-Apps so implementiert werden. Einschränkungen bestehen beim Zugriff auf Gerätesensoren über HTML-Schnittstellen und auch bei der Simulation der nativen Bedienelemente des jeweiligen Betriebssystems mittels HTML und CSS. Daneben sind Hybrid-Apps aber immer eine Weg, der dann in die Entscheidung einbezogen werden sollte, wenn ein Plattform-übergreifendes Angebot von Apps geplant ist: Durch den verhältnismäßig geringen Anteil an nativem Code des jeweiligen Betriebssystems lassen sich die Entwicklungsaufwände drastisch reduzieren. Hybrid-Apps sind auch dann oft der Weg der Wahl, wenn mitgelieferter Content oft aktualisiert werden muss, oder zur Laufzeit aus Online-Anwendungen übertragen werden soll. Web-Apps sind im strengen Sinne eigentlich gar keine Apps, sondern mobil optimierte Webseiten. Durch die Möglichkeit, auch Bookmarks auf den Desktops der Mobilgeräte abzulegen und sie so wie Apps aufzurufen (auch unter Ausblenden der Browser-Statuszeile und –Bedienelemente), können Webseiten „so tun, als ob sie Apps wären“. Bei dieser Art der App-Programmierung werden alle Komponenten, d.h. Oberfläche, Funktionsablauf/Business-Logik und Content komplett in HTML5 entwickelt, d.h. im Wesentlichen in Javascript programmiert. Web-Apps eignen sich besonders für Applikationen, die ausschließlich der Content-Erschließung von Web-Inhalten dienen und von ihrem ganzen Interaktionsmodell her auch als Web-Site realisierbar waren. Einschränkungen bestehen insbesondere für performancekritische Anwendungen, beim Zugriff auf Geräte-Sensoren oder auch wenn die Notwendigkeit besteht, das Dateisystem des Betriebssystems zu verwenden. Web-Apps sind gar nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzbar, wenn das Gerät des Nutzers keine Online-Verbindung hat. Eine weitere große Einschränkung besitzen Web-Apps: Bei diesem Modell ist kein Verkauf über die App-Stores der Ökosysteme möglich, d.h. entweder muss die App kostenlos angeboten werden oder die Monetarisierung erfolgt über einen selbst aufgesetzten Kanal (Web-Shop, Abo-Modell etc.). Bei rein Content-getriebenen Anwendungen jedoch kann die Web-App eine attraktive Alternative zur echten App-Entwicklung sein, die es ermöglicht, mit verhältnismäßig geringen Entwicklungsaufwänden in ein mobiles Content-Angebot einzusteigen – beispielsweise als Variante zu eventuell ohnehin existierenden Web-Angeboten. Der Typus der Interpreter-App stellt eine Art Sonderfall der nativen App dar: Ähnlich wie beispielsweise bei der Java-Entwicklung im Desktop-Bereich wird hier ebenfalls die komplette Anwendung durchprogrammiert, allerdings nur zu Teilen im nativen Code für die jeweilige Entwicklungsumgebung. Für den wesentlichen Teil der Funktionalität werden Frameworks spezieller Anbieter und deren interne Programmiersprachen bzw. Bibliotheken verwendet. Auf das Endgerät des Nutzers wird dann innerhalb der nativen App zusätzlich eine Laufzeit-Umgebung für den zu interpretierenden Code mitgeliefert. Beispiele für Frameworks dieser Art sind etwa Adobe RIA (das dieselbe interne Sprache verwendet wie Flash, z.T. auch dieselben Bibliotheken) oder auch Rhodes, das auf dem Web-Entwicklungs-Framework Ruby on Rails aufsetzt. Interpreter-Apps sind als technischer Spezialfall anzusehen und haben in der Regel für die Nutzung wenige Unterschiede zu nativen Apps. Sie sollten dann in die Entscheidung einbezogen werden, wenn Funktionen etwa bereits zu großen Teilen durch Bibliotheken der Interpreter-Frameworks abgedeckt sind, oder wenn bereits Anwendungsteile in der Sprache/dem Standard der Frameworks vorliegen, die verwendet werden können. Als Entscheidungshilfe kann dazu folgende Übersicht über die App-Modelle und ihre besonderen Vorteile dienen:

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Apps 

Nativ

Web

Hybrid

Interpreter

Aufwändiges Bedienkonzept oder komplexe UI

Bedienkonzept einfach, Funktionen ähnlich Portal

Bedienkonzept einfach, Funktionen ähnlich Portal

Bedienkonzept durch Framework abgedeckt

Nutzung von Geräte spezifischer Hardware

Wenig Nutzung Geräte spezifischer Hardware

Interaktionsorientierte Funktionalität

Content liegt in Frameworkfähiger Form vor

Performancekritische Funktionen

Wenig BusinessLogik, viel Content

Business-Logik mit WebSchwerpunkt

Performance unkritisch, Logik durch Framework abgedeckt

Abb. 3.3: Welcher App-Typ eignet sich für welche Anwendung?

Tools und Frameworks Die wichtigsten Tools für die App-Erstellung sind zunächst einmal die Entwicklungsumgebungen der Plattformen selbst: Für iOS stellt Apple die XCode-Umgebung selbst zur Verfügung. Die Android-Entwicklung erfolgt momentan in der Regel unter Eclipse als IDE, Google hat jedoch auf der I/O-Konferenz im Mai 2013 eine dedizierte IDE zum Entwickeln für Android angekündigt. Für die Entwicklung unter Windows 8 wird sinnvollerweise Visual Studio als Standard-Umgebung für die .NET-Programmierung verwendet. Ist das Ziel eine Plattform-übergreifende Entwicklung auf Basis von Hybrid-Apps, können darauf spezialisierte Entwicklungsframeworks die Arbeit drastisch vereinfachen. Das Entwicklungsmodell basiert hier auf der Idee, in einer Programmiersprache zu programmieren und die resultierende App dann mittels sog. Cross-Compiler in den nativen Code der einzelnen Betriebssystem-Plattformen zu übersetzen. Beispiele für solche Frameworks sind unter anderem: The M-Projekt (Panacoda), Sencha Touch (Sencha), PhoneGap, oder Appcelerator Titanium. Auch Intel hat im Frühjahr 2013 die erste Plattform für übergreifende Entwicklung auf Basis von HTML5-Technologien veröffentlicht. Für die Zukunft ist in diesem Bereich noch viel Bewegung zu erwarten, denn eine Reduzierung von Entwicklungsaufwänden liegt hier stets im Interesse aller Beteiligten. In der Projektierung ist hier jedoch zu beachten, dass trotz aller Vorteile mit dem jeweiligen Entwickler im Detail geklärt werden muss, welche Einschränkungen und Rahmenbedingungen sich aus der Verwendung bestimmter Frameworks ergeben. Auch für das Design der Content- und Oberflächen-Schicht einer Hybrid- oder Content-orientierten Anwendung gibt es eigene Frameworks: Hier wird in der Regel in Javascript programmiert und die Anwendungslogik in geeigneter Form mit HTML5-Content verknüpft. Eines der bekanntesten Frameworks in diesem Bereich ist das auch in der Webentwicklung oft verwendete jQuery bzw. dessen Variante jQuery mobile. Für spezielle App-Typen und Anwendungsszenarien kann ggf. auf Systeme zurückgegriffen werden, die als Ergebnis vorgefertigte Standard-Apps zum Transport von Content in die Ökosysteme verwenden. Bekanntestes Beispiel ist sicherlich die Adobe Digital Publishing Suite, die ihren Schwerpunkt auf Content-Ausspielung auf

Entwicklungs-Umgebungen

Entwicklungs-Frameworks

UI-Frameworks

Standardisierte Container-Apps

62 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung

App-Baukästen

Artikel: Marktübersicht App-Builder

http://bit.ly/18bROje

Fallbeispiel: Ebook App Creation Demystified: A Case Study

http://bit.ly/136tLz9 Fallbeispiel: Tale Of A Top-10 App

http://bit.ly/129cJ2a

Basis von InDesign-Daten unter Erzeugung von anspruchsvollen Layouts legt. Auch das Inkling-System (siehe im Detail unter „enhanced eBook“) ist in diesem Bereich anzusiedeln. Besonders verbreitet sind solche Systeme für die Erstellung von Apps für Zeitschriften und andere Periodika. Hier sind mit Anbietern wie Woodwing, Aquafadas, Mag+, PadMan oder dem Twixl Publisher eine ganze Reihe an Alternativen zur Adobe DPS mit unterschiedlichsten Funktionstiefen und Preismodellen am Markt. Da Zeitschriften-Lösungen jedoch in der Regel sehr spezifische Anforderungen an die Umsetzung auf Tablets und Smartphones stellen, ist hier eine intensive Evaluierung der Systemumgebungen anzuraten. Daneben hat sich in den letzten 1–2 Jahren mit den sogenannten App-Baukästen noch ein weiteres Genre an Framework etabliert. Für Apps mit einfachem, standardisierbarem Satz an Funktionen ist eine inzwischen breite Palette an Werkzeugen verfügbar, die auf Basis von stark vorkonfigurierten App-Modellen die Erstellung von Apps nach dem Baukasten-System ohne Notwendigkeit für eigene Systemprogrammierung ermöglicht. Das Design der Apps erfolgt dabei zumeist in Browser-basierten Werkzeugen, die direkt mit der Anwendungsumgebung des Anbieters integriert sind. In der Regel übernehmen die Anbieter dabei auch gleich den Transfer in die App-Store-Umgebungen und das Handling der erstellten Apps. Beispiele für derartige App-Baukästen sind u.a. Mobile Roadie, Shouthem, Apps Builder oder AppMachine. Für einfache Apps mit wenigen funktionalen Anforderungen können derartige AppBuilder-Dienste eine echte, da kostengünstige Alternative zur Eigenentwicklung darstellen. Aufgrund des in der Regel eingeschränkten Funktionsumfangs muss dabei aber natürlich intensiv geprüft werden, ob dieser auch mittelfristig zu den Verlagsanforderungen passt. Erstellungsprozesse Der Erstellungsprozess einer App gleicht letztlich stark einem Entwicklungsprojekt wie in der klassischen Software-Entwicklung. Nach der Spezifikation der Anforderungen über Pflichtenheft/Lastenheft oder analoge Entwurfswerkzeuge wie User Stories/ Product Backlog folgt die Entwicklung, die je nach gewähltem Projektmodell mehr oder weniger iterativ gestaltet wird. Auf Basis von Alpha/Beta-Versionen wird der Test der lauffähigen Anwendung realisiert bis Abnahme bzw. Freigabe erfolgen. Von der Organisation und den notwendigen Qualifikationen in der Projektsteuerung her ist es also sinnvoll, sich an dem Modell eines klassischen Software-Projektes zu orientieren. Besonderheiten bestehen demgegenüber aber vor allem in folgenden Bereichen: –– Das Design der Bedienungsoberfläche und der Nutzerinteraktion spielt eine besondere Rolle für den Erfolg und sollte besonders im Fokus des Entwurfs liegen. –– Für die Umsetzung hat es sich bewährt, ein iteratives Vorgehen und agile Methoden zu verwenden. Analog zur Web-Entwicklung ist Projektsteuerung nach dem Wasserfall-Modell in der Regel nicht zweckdienlich. –– Bei entsprechendem Angebot müssen Test bzw. Abnahme in der Regel auf mehreren Plattformen parallel vorgenommen werden. In der Steuerung stellt dies eine besondere organisatorische Herausforderung dar. –– Nach der internen Freigabe der App muss stets noch eine Phase mit Review und Freigabe durch den Ökosystem-Anbieter eingeplant werden. Auch hier können nochmals Iterationsschleifen entstehen. –– Im Lebenszyklus der App ist zu beachten, dass aufgrund der Betriebssystem-Updates der Ökosysteme die Notwendigkeit zur laufenden Weiterentwicklung der App entsteht. Zeitpläne und Aufwände dafür sind in der Regel schwer kalkulierbar und müssen auch organisatorisch bedacht werden.

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Apps 

Apps in den verschiedenen Ökosystemen Die verschiedenen Ökosysteme setzen in Bezug auf Produktrealisierung, MarktplatzCharakter und Produktlebenszyklus im Detail sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen: Apple hat mit iOS als Systemplattform und den dazugehörigen Geräten sicherlich das im Vergleich „reifste“ Ökosystem geschaffen: Sowohl im Content-Bereich wie im App-Store hat sich mittlerweile ein stabiles und relativ verlässliches Preisgefüge herausgebildet. Durch den hohen Preis der Endgeräte zieht Apple eine Zielgruppe an, die auch bereit ist, für Content und Apps Geld auszugeben. Durch den Charakter als stark geschlossenes Ökosystem ist das Umfeld der Anwendungen relativ gut kontrollierbar. Auch wird entgegen der Android-Welt der Versionszyklus des Betriebssystems durch zentrale Verteilung stark reglementiert. Für Entwickler von Apps bedeutet dies zwar turnusmäßige Updates aufgrund neuer iOS-Versionen, aber ein ansonsten gegenüber Android sehr homogenes und verlässliches Systemumfeld. Dem steht jedoch auf der praktischen Seite der rigide, oft intransparente und volatile Prozess von App-Review und Freigabe entgegen, bei dem auch erfahrene Entwickler immer wieder Überraschungen erleben. In Bezug auf Entwicklungsumgebung und Programmier-Paradigmen verwendet Apple sehr spezifische Modelle, so dass sich Erfahrungen aus anderen Systemumgebungen wenig auf die iOS-Entwicklung übertragen lassen. Für die Zukunft ist auf der Systemebene vor allem eine weitere Konvergenz zwischen iOS und Mac OS als Desktop-Betriebssystem zu erwarten. Demgegenüber hat Google mit Android eine Umgebung geschaffen, die inzwischen von vielen anderen Hardware-Anbietern übernommen wurde und so einen Massenmarkt für Geräte eröffnet hat. Der Charakter als offenes Ökosystem bedingt dabei eine extreme Vielfalt von Geräte-Typen und Hardware-Merkmalen – eine Tendenz, die in der Zukunft eher noch zunehmen wird. Da die Hardware-Hersteller die Möglichkeit haben, Android für ihre Bedürfnisse auch noch anzupassen, ist hier eine ausgesprochen fragmentierte Landschaft von parallel kursierenden System-Updates und Hersteller-spezifischen Versionen und damit eine für Entwickler wenig stabile und verlässliche Systemumgebung entstanden. Durch die im Durchschnitt deutlich billigere Hardware und den hohen Anteil an Gratis-Apps sind in den Android-App-Stores deutlich niedrigere Erlöse erzielbar als unter iOS. Demgegenüber ist ein Angebot hier einfacher zu platzieren als im Apple App Store: Die Review-Prinzipien sind zwar ähnlich intransparent wie die von Apple, jedoch deutlich liberaler, so dass nur in Extremfällen mit Ablehnungen von Apps zu rechnen ist. Auf der Positivseite ist außerdem die gegenüber iOS vielfach höhere Zahl von Android-Installationen zu erwähnen. Entwicklungsumgebung und ProgrammierParadigmen bauen auf der weit verbreiteten Programmiersprache Java auf. Für die Zukunft sind auf Systemebene eine weitere Öffnung der Umgebung sowie eine stärkere Integration von System und Browser und damit die Verwendbarkeit von Elementen der Web-Entwicklung zu erwarten. Amazon hat mit den mittlerweile auch in Deutschland verfügbaren Kindle FireTablets seine eigene Android-Plattform für Apps geschaffen. Technisch unterscheidet sich die Fire-Umgebung bis auf den eigenen App-Store und den Amazon-Browser Silk kaum von anderen Hersteller-angepassten Android-Versionen. Bei der App-Entwicklung sind insofern bis auf die spezifischen Geräte-Sensoren und das Display kaum Besonderheiten zu beachten. Auch ist der Kindle Fire ein extrem geschlossenes Ökosystem – das Umfeld von Anwendungen ist damit quasi 100%ig kontrollierbar. Als Vorteil für das App-Angebot in diesem Rahmen kann sich herausstellen, dass die Apps quasi zusammen mit allen anderen Amazon-Angeboten im momentan führenden Marktplatz für digitalen Content platziert werden. Auch sind die

Apple

Google

Amazon

64 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung

Microsoft

Marketing-Mechanismen von Amazon für das App-Angebot nutzbar. Ob dies jedoch für Reichweite und Erlöse mittelfristig nennenswerte Unterschiede gegenüber den anderen Android-App-Stores bedeutet, darüber kann momentan nur spekuliert werden. Microsoft hat mit seiner Windows 8-Generation das jüngste der Betriebssysteme veröffentlicht, das (auch) als Mobilbetriebssystem anzusehen ist. Obwohl das System im Desktop-Bereich nach bisherigen Marktzahlen als Flop anzusehen ist, hat die Kooperation mit Nokia als Systempartner im Smartphone-Bereich dort für einen nennenswerten Aufschwung gesorgt. Im Tablet-Bereich sind nur die Microsoft-eigenen Surface-Tablets zu erwähnen, die momentan noch als absolute Exoten im Markt anzusehen sind. Aufgrund der weitgehenden Vorgaben von Microsoft für die Übernahme von Windows 8 durch andere Hersteller ist die Plattform als relativ stark reglementierte und verlässliche Systemumgebung zu bewerten. Entwicklungsumgebung und Programmier-Paradigmen sind quasi identisch mit denen der .NET-Programmierung für den Desktop; insofern ist von einer breiten Entwickler-Basis auszugehen. Dagegen gibt es noch keinerlei Erfahrungen oder begründete Prognosen darüber, wie sich der Markt für Geräte, Content und Anwendungen im Bereich Windows 8 in Deutschland entwickeln wird. Es ist jedoch anzuraten, diesen Bereich zu beobachten und nicht komplett außer Acht zu lassen, da durch die Überlagerung mit dem Desktop-Markt hier ggf. Konvergenzeffekte entstehen können, die ein Content- oder App-Angebot lohnend machen. Zusammenfassung Mit den Apps ist in den letzten Jahren ein neuer Medientyp auch für Verlagsinhalte entstanden, der einen komplett neuen Vertriebskanal zu großen Kundengruppen eröffnet. Für viele Produkte bedeutet die hier notwendige Kombination aus relativ hohen Entwicklungs-Aufwänden und niedrigen Maximalpreisen jedoch, dass sich ein Angebot im Markt nur bei hohen Stückzahlen und damit nur selten rentabel platzieren lässt. Auch Effekte wie die notwendige Parallel-Entwicklung für verschiedene Systemplattformen, der enge Versionszyklus und damit die Notwendigkeit zur laufenden Produktpflege, aber auch die ungewohnten Marketing-Mechanismen für Apps machen ein erfolgreiches Angebot für viele Verlags- und Medienhäuser zu einer großen Herausforderung. Dem stehen jedoch nahezu unbegrenzte Möglichkeiten zur Realisierung moderner Informations- und Unterhaltungs-Medien entgegen. Apps eignen sich am besten für folgende Produkttypen: – Zusammenstellungen von komplexen Content-Strukturen, die viel mit interaktiven und dynamischen Inhalten arbeiten oder in besonderem Maße spezielle Expertenfunktionen zur ContentErschließung benötigen. – Produkte, bei denen Content und Productivity-Funktionen auf sinnvolle Weise verzahnt werden können oder so direkt Anwendungsfälle oder Fachprozesse des Nutzers unterstützen. – Produkte, bei denen eine laufende Content-Aktualisierung notwendig ist: Für derartige Produkte ist der Realisierung als Hybrid-App oder Web-App mit einer starken Online-Komponente der sinnvollste Weg der Implementierung. – Produkte mit kleinteiligen Strukturen oder Updates, bei denen Monetarisierung über niedrigpreise In-App-Käufe der beste Vertriebsweg ist, insbesondere wenn dabei Preisschwellen unterschritten werden, die bei anderen Produkttypen nicht mehr rentabel wären. – Produkte, für die aus Gründen der Markenführung, der Portfolio-Komplettierung oder aus Prestige-Gründen eine Präsenz in den App-Stores erforderlich erscheint. Der Produkttyp App ist dagegen schlecht geeignet für: – Produkte, die vor allem aus einfach strukturiertem und statischem Content bestehen – hier sollte schon aus Gründen der Erstellungskosten eher eBook als Produktform gewählt werden.

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Enhanced eBooks  –







Produkte, die zwar dynamische/interaktive Elemente oder Multimedia-Daten beinhalten, aber eine Realisierung als enhanced eBook möglich ist. Auch hier legen Effizienzgründe die Nutzung von enhanced eBook als Produktform nahe. Reines Marketing-Material: Wenn kein werthaltiger Content oder Mehrwertfunktionen vorliegen, ist mittlerweile von App-Erstellung generell abzuraten. Reine Marketing-Apps werden von Kunden inzwischen schnell erkannt und eher abgestraft als gewürdigt. Produkte, bei denen die Kundendaten beim Herausgeber liegen sollen, oder eine direkte Monetarisierung erfolgen soll: Hier verhindern die Rahmenbedingungen der Ökosysteme eine Realisierung des Produktmodells. Stattdessen sollte hier eine mobil optimierte Web-Anwendung realisiert werden. Komplexe Anwendungen, die eine Funktionstiefe wie eine Desktop-Anwendung beinhalten: Solche Produkte dürften in der Regel auf Mobilgeräten nicht mehr effizient bedienbar sein. Als Alternative kommen hier allenfalls Online-Implementierungen in Betracht.

Als Übersicht und Entscheidungshilfe kann daneben folgende Zusammenfassung der Vorteile und Nachteile dienen:

Vorteile von Apps

Nachteile von Apps

– Nahezu beliebige Vielfalt von Funktionen und Anwendungen möglich – Mischformen von Content-Anwendung und Produktivitäts-Funktionen realisierbar – Bei neuen Produkttypen kann durch HypeFaktor ein Marketing-Vorteil erzielt werden – Punktgenaues Angebot für mobiles Informationsbedürfnis realisierbar – Bei kleinteiligen Produkten und In-App-Kauf sind auch niedrigpreisige Angebote möglich

– Entwicklung von Anwendungen ist gegenüber reinem Content deutlich aufwändiger – Apps müssen zur Erzielung einer breiten Marktbasis für mehrere Betriebssysteme parallel entwickelt werden – Hoher Prozess-Overhead für Betreuung von App-Store-Account – Eigene Marketing-Strategie notwendig – Preisgefüge in den App-Stores liegt deutlich unter denen in eBook-Stores

3.3 Enhanced eBooks Definition und technische Ausprägungen von enhanced eBooks Enhanced eBooks sind der Typ von Digitalmedium, der noch am wenigstens technisch klar definiert und spezifiziert ist. Der Begriff kennzeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch Produkte, die zwar noch auf Buchinhalten basieren und/oder von ihrem Content-Aufbau her am Prinzip des abgeschlossenen Buchs angelehnt sind, aber zusätzlich um Medien und Funktionen angereichert sind, die über die üblichen Möglichkeiten von Buch/eBook hinausgehen. Die Anreicherungen des Content bestehen üblicherweise in einer Mischung aus folgenden Elementen: –– Anspruchsvolle Gestaltung und aufwändige Layouts –– Einbindung von Multimedia-Elementen, d.h. Audio und Video, oder auch Text/ Audio-Synchronisation (Vorlesefunktionen, „Buch-Soundtracks“) –– Dynamische und interaktive Elemente wie etwa Animationen, bedingter Text, dynamische Visualisierungen –– Funktionale Erweiterung durch Einbindung von Javascript-Modulen im Content, z.B. Quizzes, Frage/Antwort-Spiele, Berechnungsfunktionen, Puzzles etc. –– Erweiterte Funktionen zur Content-Erschließung durch Elemente wie zusätzliche themenbezogene Navigation, intelligente und kontextsensitive Glossare, Lernkarten-Anwendungen, u.ä.

66 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung –– Ö ffnung des Produktes durch Einbindung von sozialen Netzwerken, geolokalisierten Daten, Web-Datenbanken, Foren Für den Produkttyp enhanced eBook hat sich im Markt noch kein allgemein gängiger Technik-Standard durchgesetzt. Es existieren verschiedenste Ausprägungen von technischen Implementierungen, die miteinander konkurrieren und z.T. sehr unterschiedliche Möglichkeiten und Grenzen haben. Einige davon sind als abgeschlossene und standardisierte Dateiformate anzusehen, d.h. haben eher den Charakter eines eBooks, andere wiederum sind nur im Kontext mit spezialisierten Content-Apps verwendbar bzw. werden in Form einer ausführbaren Anwendung an den Kunden distribuiert. Für eine sinnvolle Verwendung von enhanced eBooks ist in der Regel moderne Hardware, d.h. Smartphones/Tablets, erforderlich. Die Verwendung von Farbdarstellung, Multimedia-Elementen und Bewegtbild ist in den allermeisten Fällen auf eInkReadern nicht in dieser Form realisierbar. Der Markt für enhanced eBooks ist insofern auf die Besitzer von High-End-Geräten eingeschränkt. Aufgrund der heterogenen Technik-Landschaft im Bereich enhanced eBooks erscheint es am sinnvollsten, die konkreten Ausprägungen des Produkttyps anhand von Beispielen für die momentan verbreitetsten und bekanntesten Plattformen zur charakterisieren.

Artikel: Von HTML5 zu EPUB3 – das eBookUpgrade

http://bit.ly/17aN806

EPUB 3 im Markt

Marktübersicht: EPUB 3-Reader

http://bit.ly/1amC8Ja

EPUB 3 Eine Möglichkeit zur Gestaltung von enhanced eBooks ist das EPUB 3-Format. Mit EPUB 3 wurde vom IDPF der Nachfolge-Standard von ePub 2.0.1 definiert, der in Zukunft für die Erstellung von eBooks verwendet werden und die alte ePub-Version langfristig ablösen soll. EPUB 3 basiert genauso wie die Vorgänger-Version auf einem ZIP-Container mit integrierten HTML-Dokumenten und einigen XML-Beschreibungsdateien. Allerdings wurden alle Bestandteile auf die neuesten Versionen der momentan gängigen Webtechnologien aktualisiert. EPUB 3-Dateien bleiben damit auch abgeschlossene Content-Dateien, die mit einer eBook-Reader-Software angezeigt werden können. Dadurch entstehen folgende neue Möglichkeiten: EPUB 3-Features – Durch die Verwendung von HTML5 als Dokumentsprache und CSS 2.1 für die Layout-Beschreibungen entstehen deutliche verbesserte Gestaltungsmöglichkeiten für die Textinhalte. – Font-Einbindung ermöglicht eine weitgehende Übernahme einer vorhandenen Verlags-CI. Mit den neu eingeführten Media Queries können Inhalte je nach Eigenschaften eines Endgerätes differenziert dargestellt und an die jeweilige Umgebung angepasst werden. – Im Multimedia-Bereich können nun Audio- und Video-Dateien mit in die EPUB-Datei eingebettet werden. Durch Media Overlays ist Synchronisation von Audio mit dem Textfluss möglich, etwa für Vorlese-Funktionen. – Mit den Fixed Layouts sind nun auch Darstellungen für vorgegebene Seiten-Rahmen möglich, die anhand von fixer CSS-Positionierung über Pixel-Koordinaten eine layoutgetreue Umsetzung von Print-Seiten und ihrer Inhalte erlauben. – Mit der Einbindung der XML-Standards SVG für skalierbare Vektorgrafiken und MathML für mathematische Formeln können deutlich bessere Darstellungen für diese Content-Typen realisiert werden. – Innerhalb der HTML-Dokumente dürfen nun Javascript-Funktionen verwendet werden, um dynamische und interaktive Komponenten zu realisieren.

Obwohl EPUB 3 bereits im November 2011 veröffentlicht wurde, hat sich der Standard bisher noch nicht flächendeckend im Markt durchgesetzt. Zwar existiert mit iBooks eine sehr weitgehende Unterstützung für das Format im Apple-Ökosystem und auch

– 67

Enhanced eBooks 

für Android sind mehrere eReader-Apps verfügbar, die EPUB 3-Dateien anzeigen können. Mit Samsung und Sony als Hardware/Software-Anbieter sowie Hachette bzw. O’Reilly als Content-Anbieter sind im zweiten Halbjahr 2012 zumindest einige namhafte Unternehmen auf EPUB 3-Kurs gegangen, und auch z.B. Kobo hat angekündigt, in seinem Ökosystem bis Ende 2013 EPUB 3 komplett zu unterstützten. Jedoch hat sich mit Amazon einer der großen Marktplätze bisher gegen eine Übernahme von EPUB 3 entschieden, und in der Google Play-Umgebung ist die Verwendung von EPUB 3-Dateien erst seit Juli 2013 möglich. Auf der Ebene der Erstellungswerkzeuge ist inzwischen ein EPUB 3-Export in Adobe InDesign möglich. Mit XML-Werkzeugen wie XML Spy oder Oxygen können EPUB 3-Dateien bearbeitet werden, mit Blue Griffon EPUB-Edition ist mittlerweile auch ein dedizierter EPUB 3-Editor auf dem Markt. Auch zwei der großen dedizierten eBookProduktionssysteme, PXE von Aptara und der IGP:Digital Publisher von Infogrid Pacific, beinhalten inzwischen einen EPUB 3-Export. Insgesamt ist EPUB 3 als einer der zukunftsweisendsten Wege für enhanced eBooks anzusehen, da hier ein offener Standard auf Basis gängiger Web-Technologien geschaffen wurde. Werkzeuge und Know-how aus dem Webdesign können deswegen für die EPUB 3-Erzeugung mit geringen Modifikationen eingesetzt werden. Dennoch ist der Durchdringungsgrad von EPUB 3 bisher relativ niedrig, vor allem weil nach wie vor eine sehr heterogene Unterstützung in den verschiedenen Hardware- und Software-Umgebungen gegeben ist. KF8 Das von Amazon im Frühjahr 2012 eingeführte, jüngste Datei-Format KF8 ist quasi als das Gegenstück von EPUB 3 im Amazon-Ökosystem anzusehen. Amazon bleibt damit bei seiner Politik des proprietären und nur dort lesbaren Formates innerhalb seiner Kindle Reader-Umgebung. KF8 unterscheidet sich vom Vorgänger-Format Mobipocket in folgenden Punkten: –– Ähnlich wie in EPUB 3 sind durch die Unterstützung einer großen Zahl von CSSEigenschaften sehr viel mehr Formatierungsmöglichkeiten für Inhalte gegeben. –– Audio- und Video-Dateien können ebenfalls in KF8 verwendet werden. Jedoch ist es momentan noch von der Hardware bzw. Software des jeweiligen Kindle abhängig, ob diese auch abgespielt werden können. –– KF8 beinhaltet wie EPUB 3 eine Spezifikation für Fixed Layouts, allerdings entspricht diese weder der im EPUB 3-Standard, noch der von Apple verwendeten. Für die Darstellung von Comics wurde hier mit den Panel Views eine spezielle Funktion für Navigation und Vergrößerung integriert. –– In KF8 ist momentan kein dynamischer Content in Javascript zugelassen und mittelfristig auch nicht geplant. Die Erstellung von KF8-Dateien erfolgt analog zur Erzeugung von Mobipocket in der Regel über das Kindlegen-Werkzeug auf Basis von EPUB-Dateien. Hier wurde ein Import von EPUB 3-Dateien integriert. Alternativ können die Dokumente über das InDesign-Plugin für Kindle-Dateien erzeugt, bzw. auch EPUB-Dateien direkt an Amazon zur Konvertierung geliefert werden. Mit der Einführung von KF8 wurde die Kindle-Reader-Umgebung zumindest in den wesentlichen Merkmalen an den aktuellen Stand der Technik angepasst. Allerdings erschwert die individuelle Behandlung der einzelnen Generationen und Typen von Kindle-Readern, -Apps und Tablets eine Erstellung von Produkten, deren Nutzen und neue Features auch allen potenziellen Kunden zu Gute kommen. Gerade die sehr heterogene Unterstützung von Audio/Video auf den verschiedenen

Werkzeuge zur EPUB 3-Erstellung

Artikel: E-Book – The Next Generation: amazons neues Kindle-Format KF8

http://bit.ly/10rKVsz

68 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung Kindle-Plattformen ist ein echtes Hindernis für die Umsetzung anspruchsvoller Produkte. Die Konvertierungsmöglichkeit von EPUB 3-Dateien nach KF8 ist prinzipiell vorteilhaft und sehr zu begrüßen. Jedoch sind mit den Fixed Layouts und der JavascriptUnterstützung bereits zwei zentrale Features für enhanced eBooks nicht zwischen EPUB 3 und KF8 kompatibel. Eine komplett integrierte Produktion von EPUB 3 und KF8 auf Basis identischer Daten dürfte deswegen nur bei sehr einfachen Produktformen möglich sein. Für alle anderen Produkte müssen in der Praxis in der Regel zumindest Ökosystem-spezifische Varianten konzipiert und produziert werden. KF8 ist innerhalb des Amazon-Ökosystems sicher als Schritt in die richtige Richtung anzusehen, für den Content-Anbieter bleibt jedoch in letzter Konsequenz der Eindruck des „halben“ enhanced-Formates bestehen.

Features und Funktionen

iBooks Author Anfang 2012 hat Apple mit seiner neuen Plattform iBooks Author Furore gemacht, da mit diesem Werkzeug die erste professionelle Autoren-Software eines namhaften Herstellers auf den Markt gekommen ist. iBooks Author steht als kostenlose Software für Mac OS X zur Verfügung und erlaubt mit einer relativ intuitiven, Drag & Drop-basierten Oberfläche, Inhalte aus den verschiedensten Medientypen zu anspruchsvoll gestalteten enhanced eBooks zusammen zu stellen. iBooks Author ist von seiner Anwendungslogik her als eine Art Mashup-Tool anzusehen, d.h. es erlaubt die Vermischung und Zusammenstellung verschiedenster vorliegender Elemente in ein neues Medienformat. Allerdings beinhaltet der Editor kaum Funktionen zur Bearbeitung der einzelnen Medientypen – diese müssen jeweils in medienspezifischen Anwendungen vorbereitet werden. Im Einzelnen bietet iBooks Author folgende Funktionen: Features von iBooks Author – Weitgehende Möglichkeiten zur Erstellung anspruchsvoll gestalteter, graphischer Layouts, Mehrspalten-Layouts, typographische Feinheiten, oder auch Textumfluss um nicht-rechteckige Bildelemente – im Grunde eine Art DTP fürs iPad. – Integration von Audio- und Video-Elementen und Anzeige innerhalb des Seitenkontextes mit standardisierten Bedienelementen. – Bild-Elemente: Einbindung von Grafiken aus Bilddateien, Zusammenstellung zu Bildergalerien und Slideshows, Integration von 3D-Grafiken (skalierbar und dreidimensional per Mehrfingergeste drehbar). – HTML5-Widgets: Für bestimmte, typische Darstellungen mit didaktischer Funktion, z.B. graphische Darstellungen mit Veränderungen über einen Zeitstrahl, Mehr-Ebenen-Darstellungen, Diagramme mit dynamischen Legenden, drehbare/zoombare Kartendarstellungen etc. stehen sogenannte HTML5-Widgets zur Verfügung. Dabei handelt es sich um kleine Applikationen mit vorgegebener Darstellungsfunktionalität, die nur noch mit entsprechendem Content befüllt werden müssen. – Lernkontrolle und Content-Erschließung: Als spezieller Typ von HTML5-Widgets werden Bedienelemente für Frage/Antwort-Blöcke, Multiple-Choice-Tests u.ä. zur Verfügung gestellt. Neben den Kapitelinhalten sind Glossar-Einträge hinterlegbar, die auf sinnvolle Weise dynamisch mit dem Content verknüpft werden. In die Anwendung integriert ist dazu ein System zur Zusammenstellung von Lernkarten durch den Leser, das sich aus Glossareinträgen, Textmarkierungen und eigenen Notizen befüllen lässt und den Nutzer mit standardisierter Funktion beim Lernen unterstützt.

iBooks Author hat unter den enhanced eBook-Systemen insofern eine besondere Bedeutung, als es letztlich das erste wirklich produktiv nutzbare Profi-Werkzeug in diesem Bereich war. Gleichzeitig mit der Software hat Apple mit dem Titel Life on earth einen aufwändig produzierten Showcase veröffentlicht, der alle Möglichkeiten der Software

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Enhanced eBooks 

ausnutzt und auf überzeugende Weise deutlich macht, welche Mehrwerte für didaktische Aufbereitung von Inhalten durch die hier realisierten Funktionen bestehen. Diese beeindruckenden Merkmale dürfen jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die Verwendung von iBooks Author für Content-Anbieter auch mit erheblichen Nachteilen verbunden ist. Die Software ist zwar kostenlos nutzbar, aber die Lizenzbedingungen erlauben ein kostenpflichtiges Angebot von Inhalten ausschließlich für die iTunes-Store-Plattform. Auf technischer Ebene verwendet iBooks Author ein spezifisches Dateiformat, das an EPUB 2.0.1 angelehnt ist, jedoch erhebliche proprietäre Erweiterungen beinhaltet. Insbesondere die Display-Proportionen des iPad und die spezifischen Funktionen von iBooks sind darin an so vielen Stellen im Code verankert, dass es faktisch zu aufwändig wäre, die Inhalte einer iBooks Author-Datei auch auf anderen Plattformen zu verwenden. Zudem ist das Tool durch seine Drag & Drop-orientierte Arbeitsweise schlecht in bestehende Workflows integrierbar, die auf anderen Medien basieren oder die automatisiert werden sollen. Die in iBooks Author gestalteten Inhalte sind auch nicht in Formate exportierbar, die sinnvoll für andere Tablet- oder eReader-Plattformen nutzbar sind. Eine Verwendung der einmal investierten Gestaltungsarbeit für ein Angebot etwa auf dem Kindle Fire ist damit ausgeschlossen. Für Verlagsanbieter kann die Verwendung von iBooks Author deswegen nur für bestimmte Nischen-Szenarios wirklich sinnvoll empfohlen werden, etwa bei Inhalten oder Zielgruppen, bei denen vorausgesetzt werden kann, dass der Käuferkreis zu wesentlichen Teilen mit iOS-Geräten ausgestattet ist. Sinnvoll ist die Verwendung auch bei der Erstellung von kostenlosen Inhalten für die Universitätsplattform iTunes U, oder auch, wenn etwa Referenztitel als reine Marketing-Massnahme ohne direktes Monetarisierungsziel erstellt werden sollen. Soll jedoch ein breites und rentables Angebot realisiert werden, spricht schon die Plattform-Bindung an iOS gegen die Verwendung von iBooks Author als Authoring-Tool. Adobe DPS Die Digital Publishing Suite (kurz Adobe DPS) wird von Adobe als Zusatzmodul zu den Werkzeugen der Creative Suite (d.h. InDesign, Dreamweaver, etc.) vertrieben und basiert auf dem Gedanken, einmal in InDesign gestaltete Inhalte durch Paketierung in eine standardisierte Container-App für Mobilbetriebssysteme zur Verfügung zu stellen. Aufgrund dieses Prinzips liegt der Schwerpunkt der über Adobe DPS erzeugten Apps vor allem in den filigranen Gestaltungsmöglichkeiten, die so auch in Digitalmedien verwendet werden können. Bei der Erzeugung von Inhalten für DPS-Apps werden die notwendigen zusätzlichen Layouts und Gestaltungen zunächst innerhalb von Indesign angelegt. Als Arbeitsunterstützung dient dabei die mit Creative Suite 6 neue eingeführte Möglichkeit, auf Basis von identischem Content mehrere Layout-Ausprägungen innerhalb derselben InDesign-Datei verwalten und bearbeiten zu können. Sind für HTML5-basierte Funktionalitäten Web-Dokumente erforderlich, können diese mit Dreamweaver angelegt und in das DPS-Projekt integriert werden. Liegen alle notwendigen Inhalte und Varianten für das Digitalmedium vor, erfolgt zunächst eine Konvertierung in das DPSintern verwendete Folio-Format. Auf Basis der Folio-Dateien werden dann über die Builder-Werkzeuge in Adobe DPS die Betriebssystem-spezifischen Apps zur Verteilung des Content in den jeweiligen App-Stores erstellt. Die Container-Apps für DPS-Inhalte stehen für iOS, Android und in einer speziellen Variante für den Kindle Fire von Amazon zur Verfügung. Die DPS-Apps beinhalten ein Standard-Set zur Content-Erschließung, Navigation in den Daten, Suchfunktionen etc. und sind in begrenztem Maße auch für spezifisches Bran-

Limitierungen

Verwendung für Verlagsinhalte

Erzeugung von Apps mit Adobe DPS

70 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung

Lizenzmodelle

Verwendung für Verlags-Content

ding in ihrer CI anpassbar. Gegenüber anderen Anbietern fällt hier auf, dass keine Variante für eine reine Webanwendung vorgesehen ist – möglicherweise wird sich dies aber in zukünftigen Versionen auch noch ändern. Die Adobe DPS wird mit recht vielen verschiedenen Lizenzmodellen vertrieben, die jeweils mit verschiedenen Funktionstiefen der Anwendung (v.a. im Bereich der Team-Bearbeitungsfunktionen) und mit den vertriebenen Content-Mengen gekoppelt sind. Bei Evaluierung von Adobe DPS sollte dieser Faktor unbedingt für das individuelle Nutzungsszenario durchkalkuliert werden, denn die Lizenzgebühren können bei größeren Titel- und Ausgabenmengen erheblichen Umfang annehmen. Adobe DPS wird im europäischen Raum bisher vor allem für die Produktion von Apps aus Zeitschriften- und Magazin-Content verwendet. In diesem Bereich liegt die Benutzung aufgrund der Möglichkeiten zur Feinsteuerung im Layout auch besonders nahe. Nachdem Adobe DPS aber jegliche InDesign-Inhalte weiter verarbeiten kann, spricht grundsätzlich nichts dagegen, das Werkzeug auch zur Produktion von enhanced eBooks zu verwenden. Ein besonderer Vorteil kann dabei die Integration der Prozesse in eine gewohnte Arbeitsumgebung sein, wenn Verlagscontent ohnehin bereits in InDesign verarbeitet wird. Wird Know-how oder Content aus dem Webdesign-Bereich zur Produktion benötigt, stehen innerhalb der Creative Suite auch alle dafür notwendigen Werkzeuge zur Verfügung. Für alle relevanten Content-Ökosysteme stehen Exportmöglichkeiten in Container-Apps zur Verfügung. Durch die Schnittstellen und die Möglichkeiten zur Automatisierung von InDesign ist auch eine Einbindung in eine größere Prozess- und Systemumgebung einfacher als bei anderen Produktionstools mit ähnlicher Mächtigkeit. Als Nachteil für den Einsatz können sich allerdings die z.T. erheblichen Lizenzkosten erweisen. Auch der systemische Zwang zur Verwendung von Container-Apps mit Display-spezifischen Layouts kann sich bei einem breiteren Portfolio als Skalierungsproblem im Produktionsprozess erweisen, je nach Menge der zu erzeugenden Varianten. Dennoch hat Adobe DPS sicher zu Recht den Ruf einer hoch professionellen und stabilen Produktionsumgebung für Digitalmedien.

Abb. 3.4: Schematischer Workflow der Produkterstellung unter Adobe DPS

Inkling Mit Inkling versucht sich seit 2011 ein weiterer amerikanischer Anbieter mit einem integrierten System zur Produktion und Distribution von enhanced eBooks auf dem

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Enhanced eBooks 

Markt zu profilieren. Jedoch erst mit dem Ende 2012 erschienenen Autorenwerkzeug Inkling Habitat macht das Angebot einen überzeugenden und relevanten Eindruck. Besonderheit am Ansatz von Inkling ist der konsequente Online-Ansatz: Bereits das Autorenwerkzeug ist eine reine Browser-Anwendung, die als HTML5-Client unter dem Chrome-Browser implementiert ist. Neben den Funktionen zur Zusammenstellung und Gestaltung der eBook-Inhalte sind hier auch kollaborative Funktionen, Aufgabenverwaltung und Workflow-Steuerung für die Bearbeiter von Dokumenten integriert. Das gesamte System ist für seine interne Datenhaltung komplett auf HTML5Datenstrukturen ausgelegt und verwendet lediglich für interaktive Komponenten eine eigene, deklarative XML-Spezifikation. Für die Verteilung der Inhalte aus Habitat heraus stehen zwei Wege zur Verfügung: Für iOS-Geräte wird der Content über eine native App verteilt, für alle anderen Plattformen wird ein browserbasierter Reader-Client verwendet. In beiden sind jedoch identische Funktionen zur Content-Erschließung und Navigation implementiert. Neben den basalen Funktionen für den Content-Zugang bringt die Inkling-App dabei auch speziell auf enhanced-Elemente zugeschnittene Features mit, etwa ein dynamisches Glossar, intelligent verknüpfte Fußnoten, Widgets für Multimedia-Dateien und dynamische Elemente. Der Funktionsumfang ist dabei etwa mit iBooks Author zu vergleichen, allerdings ist die Anmutung im Produkt deutlich anders, da hier eine generische Implementierung mit Web-Komponenten gewählt wurde. Besonderheit im Modell von Inkling ist dabei, dass die Produkte immer über einen Inkling-spezifischen Shop verkauft werden, d.h. das Unternehmen übernimmt den gesamten Kaufprozess und das Handling der Kunden- und Produktdaten. Aus Sicht des Nutzers stellt sich der Titelkauf entweder als In-App-Kauf innerhalb einer zunächst kostenlosen Inkling-Reader-App, oder als Einkauf im Online-Shop von Inkling dar. Die Verwendung des Autorenwerkzeugs Inkling Habitat ist dabei stets kostenlos, erst bei der Distribution von Inhalten durch Inkling fallen 30% Umsatzbeteiligung an. Für einige Vertriebsszenarien kann dies ein K.O.-Kriterium bedeuten, denn auf diesem Wege ist es nicht möglich, eigenständige Apps zu erzeugen, die unter Namen und Marke eines Verlages im App-Store vertrieben werden. Dagegen stehen jedoch die erheblichen Einsparungseffekte, die einfach dadurch realisiert werden können, dass das gesamte Handling der kaufmännischen Prozesse ausgelagert ist. Ein besonderes Feature ist daneben in den Lizenzbedingungen enthalten: Da die Datenhaltung des Content komplett in HTML5 erfolgt, liefert Inkling standardmäßig eine ExportSchnittstelle nach EPUB 3 und KF8 mit, die keine separaten Lizenzkosten hat. D.h. ein Vertrieb in den genannten Formaten über die eBook-Shops von Apple oder Amazon kann erfolgen, ohne dass dafür weitere Kosten anfallen! Von den Erstellungs-, Export- und Distributionsprozessen her ist Inkling als eine der innovativsten und zukunftsweisendsten Plattformen anzusehen, die momentan auf dem Markt sind. Insbesondere die durchgängige Verwendung von offenen WebFormaten für den gesamten Content lässt auf eine flexible Anpassungsmöglichkeit auch an zukünftige Entwicklungen im App- und Content-Bereich hoffen. Für Verlagsanbieter sollte jedoch in diesem Modell gründlich durchdacht werden, ob der Faktor der stets zwischengeschalteten Inkling-App für das Content-Angebot in die digitale Vertriebsstrategie integrierbar ist. Vook Mit Vook ist bereits 2009 ein auf enhanced eBook-Angebote spezialisierter Produzent auf den US-Markt gekommen, der gegenüber den bereits skizzierten Ansätzen noch

Browser-Orientierung

Zugriff über Apps und Web-Clients

Vertriebsmodell

Verwendung für Verlags-Content

72 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung einmal ein etwas anderes Modell verfolgt: Vook konzentriert sich hauptsächlich auf multimediale Erweiterung von Text, d.h. auf die Einbindung von Audio und Video. Das Unternehmen stellt seinen Kunden keinen eigenen Editor für die Inhalte zur Verfügung, sondern bietet die Erstellung des Content aus den einzelnen Medien als Dienstleistung an. Standardisiert ist lediglich der Distributionsprozess auf die Verkaufsplattformen sowie die Reader-Technologie. Für den Kunden steht der Content mit zwei möglichen Zugängen zur Verfügung, als mobile App für iOS-Geräte, den Kindle Fire von Amazon, oder den Barnes & NobleNook oder über einen HTML5-basierten Reader für den Online-Zugriff über das Internet. Vook konzentriert sich damit auf die Angebotsformen, die von den Marktplattformen her das beste Monetarisierungspotenzial haben. Für die Distribution von Vook auf diese Plattformen gibt es vorgegebene Preismodelle, die jeweils auf spezifisch berechneter Umsatzbeteiligung basieren. Vook realisiert also die wesentlichen Teile seines Angebots in einem Service-Modell – Prozess. Preismodell und Technologie für die Erstellung der enhanced eBooks sind wenig transparent. Dafür liegt der Schwerpunkt auf Distribution und Monetarisierung – insofern kann Vook gerade für mittelgroße und kleine Content-Anbieter, die etwa mit wenig Kapitaleinsatz und Risiko in die Digitalmarktplätze einsteigen wollen, durchaus ein interessantes Modell sein. Für breite und nachhaltige ins Verlagsportfolio integrierbare Angebote dürfte das Modell von Vook dagegen schlicht zu intransparent und zu unflexibel sein.

Atavist

SmartBooks

Andere Beispiele für enhanced eBook-Anwendungen Mit Atavist hat ein amerikanisches Startup mit Hilfe einiger Großinvestoren aus der US-Medienindustrie eine Standard-Software zur Erstellung von enhanced Content erstellt, die unter anderem erfolgreich von den TED-Konferenzen für ihre eBookReihe eingesetzt wird. Das Prinzip von Atavist besteht darin, zunächst immer vom textbasierten Zugang zu Information und Erzählfluss auszugehen. Zusatzmedien wie Bilder, Audio, Video, aber auch Statistiken, Diagramme, umfangreiche Hintergrund-Dokumente oder ganze Web-Datenbanken werden über logische Verlinkung an Textabsätze angebunden, ohne dass dabei bereits die konkrete Darstellung vorgegeben wird. Die große Stärke von Atavist als Content Management System besteht darin, diese Datenstrukturen je nach gewünschtem Endmedium flexibel in verschiedene Produkttypen umsetzen zu können: Bei Ausspielung als Kindle-eBook werden die Zusatzmedien als Hyperlinks umgesetzt, für iOS/iBooks eine entsprechend verbesserte Darstellung gewählt. Bei Export in der Atavist eigenen Kiosk-App (mit In-App-Kauf der einzelnen Titel) für die verschiedenen Mobil-Ökosysteme wird eine standardisierte Darstellung mit HTML-Layern erzeugt, die den Zusatzcontent „über“ dem eigentlichen Text anzeigen. Für Web-Anwendungen kann eine ähnliche Darstellung erzeugt werden. Neben TED Books verwendet u.a. das Wall Street Journal Atavist für seine auf Basis von Zeitungs- und Portalcontent erstellten eBooks. Einen besonderen fachbezogenen Ansatz verfolgen die SmartBooks-Anwendungen der US-amerikanischen Lehrbuchsparte des Verlags McGraw-Hill. Neben der Möglichkeit zur Einbindung von nahezu jeder Art von multimedialem, dynamischem und interaktiven Content ist die große Stärke der Anwendung die Verzahnung mit spezialisierten Funktionen zum Planen, Kontrollieren und Unterstützen des Lernens für Prüfungsvorbereitungen. Prüfungs-Stoff kann dabei fachlich, kalendarisch und formal in Lernpakete unterteilt werden. Je nach mitprotokolliertem Lernfortschritt passt sich der Content dabei dynamisch dem Studenten an und zeigt etwa bei Bedarf entweder Einführungstexte oder vertiefende Inhalte zum jeweiligen Thema an.

– 73

Enhanced eBooks 

Daneben ist die Anwendung konsequent auf Plattform-übergreifenden Einsatz mit Mobilgeräten ausgelegt: Der Lernstoff kann entweder über einen reinen Webclient im Browser (mit responsiver Darstellung der Inhalte) oder über native Anwendungen für iOS und Android (mit Web-Backend) zugegriffen werden. Insbesondere für universitäre und wissenschaftliche Anwendung bei lernintensiven Fächern wie etwa Medizin oder anderen Naturwissenschaften dürfte diese Art der Vermittlung didaktisch überzeugen. Einen ähnlichen Ansatz wie SmartBooks verfolgt die Inquire-Plattform. Auch hier steht universitärer Content für Wissenschaft und Lehre im Vordergrund der Anwendung. Die Besonderheit von Inquire ist jedoch eine ausgefeilte semantische Indexierung der über eine reine Webanwendung ausgelieferten Inhalte. Entsprechende Vorarbeit bei der Content-Aufbereitung vorausgesetzt, ist die zugrundeliegende KIEngine in der Lage, auch Anfragen oder Interaktion in natürlicher Sprache zu verarbeiten und Antworten aus dem Content zu extrahieren bzw. dem Nutzer die richtigen Textstellen zum Kontext seiner Fragestellung zu präsentieren. Zielsetzung ist hier eine Art digitaler Assistent nach dem Modell von Apple’s Siri-Anwendung oder Google Now – übertragen eben auf wissenschaftliche Fachinhalte. Insbesondere für große Content-Mengen mit komplexer semantischer Struktur kann dieser Ansatz sehr vielversprechend sein. Noch in der Projektphase befindet sich People’s eBook: Per Crowdfunding über Kickstarter finanziert, hat das Projekt zum Ziel, einen webbasierten Editor für enhanced eBooks zu entwickeln, der in der Endausbau-Stufe ähnlich mächtig wie iBooks Author sein soll, ohne jedoch dessen Limitierungen für den erzeugten Content bzw. die Vertriebsplattform-Bindung zu beinhalten. Die erste Beta-Phase ist für Herbst 2013 geplant. Alle Beispiele in diesem Abschnitt sind jedoch als experimentelle, neuartige Plattformen anzusehen, die ihre Stärken in bestimmten Nischenanwendungen haben und deren Marktfähigkeit sich in der Breite noch herausstellen muss. Für spezielle Anforderungen bestimmter Verlage können diese Systeme durchaus geeignet sein, vor Umsetzung konkreter Projekte sollten diese Plattformen jedoch im Detail auf Eignung für die jeweiligen Produktanforderungen und ihre Kosten/Nutzen-Relation hin evaluiert werden. Erstellungsprozesse von enhanced eBooks Aufgrund der vielen verschiedenen Content-Typen und Produktausprägungen im Bereich enhanced eBook ist es relativ schwer, Erstellungsprozesse von enhanced eBooks zu verallgemeinern. Zudem entstehen momentan noch in vielen Fällen die Produkte auf der Basis von fertigen Print-Produkten – ein Weg, der sich in Zukunft optimalerweise sicherlich anders gestalten sollte. Setzt man auf bereits vorliegenden Print-Produkten auf und ergänzt diese lediglich um weiteren Content, wird es sinnvoll sein, folgende Vorgehensweise zu wählen: 1. Texte systematisch durchgehen und prüfen auf passende Anschluss-Stellen für Multimedia-Elemente und dynamischen Content. Hilfsmittel wie Storyboards und Skizzen können dabei eine gute Arbeitsunterstützung sein. 2. Multimedia-Dateien und interaktive Elemente passend zum Text entwerfen und gestalten lassen. 3. Mashup von enhanced content und Texten mit erstem Layout-Entwurf im jeweiligen Produktionssystem. Je nach verwendeter Technologie muss dies z.T. unter sehr unterschiedlichen Maßgaben erfolgen. 4. Vergleich des Produktionsergebnisses mit den Storyboards, Test, Qualitätssicherung. In der Regel werden dann ein oder mehrere Iterationen erfolgen.

Inquire

Artikel: smart content – wenn die Inhalte sprechen lernen

http://bit.ly/11oofLe

People’s eBook

Erstellung auf Basis von PrintContent

74 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung Genuine Digital-Produkte

Infografik: Behind the scenes of an interactive eBook

Für die Erstellung von enhanced eBooks ohne Print-Entsprechung hat die Firma Aptara einen musterhaften Prozess entwickelt, dessen Adaptierung für fortgeschrittene Projekte nur empfohlen werden kann:

1. Content Architektur und Erstellung der Arbeitsanweisungen

• Definition der Content-Strukturen und der Produktstruktur • Design geeigneter interaktiver Komponenten mit Fachleuten für Thema • Storyboards und Entwürfe für Funktionsprinzipien interaktiver Elemente • Erstellung des Corporate Design für das Digitalprodukt

2. Design von Interaktion und Layout

• Design und Entwicklung interaktiver eBook-Vorlagen • Definition und Implementierung der interaktiven Elemente • Erstellung von Styleguides für die digitalen Layouts • Implementierung des responsiven Design für die Gestaltungselemente

3. Entwicklung und Zusammenstellung des Produktes

• Programmierung aller interaktiven Komponenten • Integration der interaktiven Komponenten in die eBook-Vorlagen

4. Test und Qualitätssicherung

• Korrekturlesen des digitalen Produktes gegen die Vorlagen • Funktionstest aller Links und der dynamischen/interaktiven Komponenten • Test des Produktes über verschiedene Plattformen hinweg • Audit von Probekapiteln zur Qualitätssicherung

http://bit.ly/10FGJ7Y

Abb. 3.5: Optimale Prozess-Organisation zur Erstellung von enhanced eBooks Artikel: A more flexible workflow

http://bit.ly/13zbWaA

Distribution und Nutzung von enhanced eBooks

Die Erstellung von Content und Layouts ist es sinnvoll, nach Prinzipien der agilen Entwicklung, wie etwa im SCRUM-Modell, vorzugehen. Aber auch Mischformen von Entwicklungsmodellen zwischen Wasserfall-Modell und agilen Methoden können für bestimmte Produkttypen oder in technologischen Übergangsphasen notwendig sein. enhanced eBooks in den verschiedenen Ökosystemen Zu den Distributionswegen und der Kundenperspektive auf enhanced eBooks in den verschiedenen Ökosystemen muss man aufgrund des geringen Standardisierungsgrades in diesem Bereich noch ein sehr differenziertes Bild zeichnen. Analog dem „normalen“ eBook steht zwar mit den Formaten EPUB3 und KF8 ein Modell zur Verfügung, dass eine Distribution über einen eBook-Shop und die Verwendung in einer StandardeBook-Software ermöglicht – dieser Weg funktioniert aber zum momentanen Stand in Markt und Technik nur in einzelnen Ökosystemen, bei Apple für EPUB3 und bei Amazon für KF8. Alle anderen skizzierten Modelle machen momentan noch Distributions- und Nutzungswege notwendig, die vom gewohnten Nutzerverhalten „Download im Shop, Nutzung in der eReader-App“ abweichen: –– Standard-Formate wie EPUB 3 sind mittlerweile auch auf Android- und Win8Geräten nutzbar, erfordern vom Kunden aber immer zusätzlich die Installation eigener Apps. –– Anwendungen wie Inkling ermöglichen anspruchsvolle Umsetzungen, machen aber immer eine Distribution über einen eigenen Shop und eine eigene App notwendig. –– Produktionswerkzeuge wie Adobe DPS ermöglichen ebenfalls hochfunktionale enhanced eBooks, das Ergebnis ist aber jeweils nur als App distribuierbar.

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Enhanced eBooks 

Insgesamt ist der Zusammenhang Ökosystem -> Marktplatz -> Verwendung in ReaderSoftware in den meisten Fällen noch nicht so stringent und intuitiv gelöst, dass Kauf und Benutzung für die Mehrzahl der Kunden transparent sind. Aus der Kundensicht sind aufgrund der vorhandenen Rahmenbedingungen folgende Produktformen als die optimalen für enhanced Content in den jeweiligen Ökosystemen anzusehen: –– Für Amazon-Kunden: Einfache Produktformen (Audio und Video als Enhancement) in KF8 - alles anderes ist nur sinnvoll als Android-App oder Web-Anwendung umsetzbar. Volle Nutzbarkeit nur mit den Fire-Tablets möglich –– Für Apple-Kunden: EPUB3-Umsetzung möglich, anspruchsvollere Anwendungen müssen ggf. als iOS-App oder Web-Anwendung umgesetzt werden. –– Für Android-Nutzer: EPUB3-Nutzung über separate Apps möglich, sinnvollster Weg für die meisten Szenarien zur Zeit: Android-App oder Web-Anwendung Trifft man als Content-Anbieter die Entscheidung über den Umsetzungsweg dagegen aufgrund der Optimierungsmöglichkeiten und erzielbaren Mehrwerte durch enhanced content, so kann folgendes Entscheidungsraster helfen: –– Einfache Multimedia-Ergänzungen für Textcontent: Hier genügen die Möglichkeiten von EPUB3 und KF8 in der Regel. Vertriebshemmnisse bestehen (noch) auf den meisten Android-Geräten außer dem Kindle Fire. –– Produkte mit Multimedia-Inhalten und einfachen dynamischen/interaktiven Elementen: Hier bietet sich ein Parallel-Angebot von EPUB3 und generischen HybridApps/Web-Apps an. –– Produkte mit Multimedia-Inhalten, dynamischem Content und besonderen Ansprüchen an Lernunterstützung oder Navigation/Nutzerführung: Verwendung von EPUB3 und generischen Hybrid-Apps, sollte immer zunächst geprüft werden, oft wird jedoch eine Eigenentwicklung von App-Komponenten oder eine Lizensierung von Frameworks wie etwa Inkling sinnvoll/notwendig sein. –– Produkte mit hohem Anspruch an fachspezifische Funktionen, komplexe Interaktion, personalisiertem Content u.ä.: In der Regel müssen für solche Produkte native Apps oder Web-Anwendungen entwickelt werden. Da ein Parallel-Angebot der beiden Produktformen (wie bei den SmartBooks) oft sinnvoll für den Endkunden ist, hat dies auch vertriebliche Implikationen Zusammenfassung Insgesamt entsteht mit den enhanced eBooks momentan eine Produktform mit erheblichen Potenzialen für die Umsetzung von innovativen Produkten. Durch die sich hier entwickelnden Mischformen aus eBook und App ist es möglich, gerade im Bereich von fachbezogenen oder didaktischen Inhalten Produkte zu erstellen, die gegenüben den bisherigen Medienformen eine völlig andere Qualität der Vermittlung von Content haben. Dem steht jedoch entgegen, dass es sich dabei um einen Produkttyp mit wenig Standardisierung in Markt- und Technik-Plattformen handelt, bei dem in beiden Bereichen für die nächsten Jahre noch eine höchst dynamische Entwicklung zu erwarten ist. Auch sind Distributionsmodelle für enhanced eBooks schwerer plattformübergreifend entwickelbar, da die technischen Implementierungen in der Regel eine direkte Bindung des Produktes an bestimmte Ökosysteme bzw. eine spezifische Kombination von Hardware und Software erzwingen. Die gesteigerten Möglichkeiten für Produktdesign und funktionale Erweiterung von Produkten korrespondieren daneben auch mit entsprechenden Aufwänden für die Produkterstellung.

Optimale Umsetzungsformen für enhanced eBooks

Produkt-Sicht

76 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung Die Produktform enhanced eBook eignet sich besonders für die Umsetzung folgender Inhalte: – Alle Produkte mit aufwändigen Layouts und grafischen Gestaltungen, vor allem wenn diese darstellungsgetreu aus Printmedien übernommen werden sollen, z.B. Foto- und Kunstbücher, Kochbücher, Bildbände, Kinderbücher etc. – Jede Art von didaktischen Inhalten, d.h. Schulbuch und Lehrbuch, Sachbuch und Fachbuch, bei denen die Integration von dynamischen und interaktiven Elementen für die Wissensvermittlung genutzt werden kann – Produkte, die in hohem Maße von der Integration von Audio- oder Video-Content profitieren können, z.B. künstlerische Umsetzungen, Kinderbücher, Sachbuch/Fachbuch, Sprachlern-Inhalte – Produkte, die sich für Integration von Funktionen und einfachen Programmen eignen, etwa Fachinhalte mit Berechnungsfunktionen oder interaktiven Visualisierungen Weniger geeignet sind enhanced eBooks dagegen für folgenden Content: – Alle Produkte, bei denen die rein textuelle Darstellung der Inhalte im Vordergrund steht. Für diesen Content dürfte der Aufwand für die Produktion in der Regel nicht im Verhältnis zum Ergebnis stehen. – Produkte mit hohen Anforderungen an Darstellung, Inhalte oder Funktionen, die aber gleichzeitig in dichtem Rhythmus aktualisiert werden müssen oder ein hohes Maß an Interaktion zwischen Kunde und Herausgeber erfordern. Für solche Inhalte sind Apps mit Web-Zugriff oder reine Web-Anwendungen in der Regel besser geeignet. – Produkte mit hohen funktionalen Anforderungen oder einer echten „Business-Logik“ hinter den Inhalten, oder performance-kritischen Funktionen. Für solche Produkte ist in der Regel die Implementierung einer nativen App erforderlich. – Produkte, bei denen die Präsenz in eBook- oder App-Marktplätzen nicht erforderlich für das Geschäftsmodell ist oder auch Produkte, bei denen die Kundendaten beim Verlag liegen sollen. Hier wird in der Regel eine Web-Anwendung bzw. in Einzelfällen auch eine Hybrid-App mit Webzugriff der beste Weg zur Umsetzung sein.

Als Übersicht und Entscheidungshilfe kann daneben folgende Zusammenfassung der Vor- und Nachteile dienen: Vorteile enhanced eBooks

Nachteile enhanced eBooks

– Erhebliche funktionale, didaktische und gestalterische Möglichkeiten für das Produktdesign gegenüber eBooks – Geringere Gestehungskosten gegenüber Applikationen – Möglichkeit zur Positionierung als innovativer Marke – Gegenüber Apps und eBooks in der Regel höheres Preisniveau erzielbar

– Zur Zeit (noch) Bindung des Produktes an bestimmte Ökosysteme und/oder Software-Plattformen – Geringer Standardisierungs-Grad in Markt und Technik, unklare Entwicklungsperspektiven – Höhere Produktionskosten gegenüber eBooks – Prozess-Aufwände für Produktdesign und Content bei multimedialen und interaktiven Inhalten

3.4 Einsatz-Szenarien für Verlagsprodukte 1:1-Umsetzungen von Print-Produkten Dieser Umsetzungsweg dürfte sicherlich als der einfachste anzusehen sein, zumindest wenn der Print-Content nicht zu anspruchsvolle Darstellungselemente aufweist. Als Produktform sollte hier in der Regel das eBook in den Formaten EPUB oder Mobipocket gewählt werden – Umsetzungen als Buch-App bieten sich aus Kostengründen nur in den wenigsten Fällen an. Interessant kann dieses Szenario höchstens sein,

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Einsatz-Szenarien für Verlagsprodukte 

wenn Reihen soweit als eigenständige Marke anzusehen sind, dass hier eine AppStore-Präsenz sinnvolle Mehrwerte erzielen kann. Ein Beispiel dafür wäre etwa die Umsetzung der Perry Rhodan-Reihe als Container-App für den Vertrieb von Fortsetzungs-Romanen. Auch eine Ergänzung von reinem Text-Content mit Funktionalitäten einer App, etwa im Bereich Geolokalisierung, kann für den Kunden sinnvoll sein, wie etwa bei der Gimbal-App, die unter dem Motto „Explore a city through it’s stories“ literarische Texte mit Geodaten verbindet. Enhanced-Umsetzungen Für die Umsetzung von Text-Content in Ergänzung mit multimedialen und interaktiven Elementen sind momentan zwei Ansätze zu beobachten: Auf der einen Seite das schlichte additive Hinzufügen von enhanced-Inhalten und der Vertrieb in geeigneten „Transport-Containern“, also entweder als EPUB 3-Datei oder mit Container-Apps für den Content. Eines der überzeugendsten Beispiele auf dem Markt hierzu ist die eBookReihe des amerikanischen Konferenz-Anbieters TED. Die technische Umsetzung ist hervorragend gemacht und mit der Verwendung von In-App-Käufen über eine KioskApp und der Kalkulation der Kosten auf eine breite Produktreihe hin verspricht das Modell mittelfristig Rentabilität. Ein anderer Ansatz empfiehlt sich, wenn eine Produktumsetzung mit nur einem enhanced-Medium zu große Limitierungen in Bezug auf die Produktform oder Kundengruppe bedingt: die Kombination von verschiedenen Medien für dasselbe Angebot, etwa Buch, eBook und begleitende Website. Der O’Reilly-Verlag testet dazu etwa mit seiner O’Reilly Atlas-Plattform den Ansatz, Inhalte parallel zum Angebot als statisches eBook noch zum kostenlosen Zugriff auf den interaktiven Content über eine Web-Oberfläche zur Verfügung zu stellen. eMagazines, Zeitschriften und Periodika Genauso wie eBooks stark geprägt sind durch ihre gedruckten Vorfahren, so sind eMagazines geprägt von den gedruckten Zeitungen und Zeitschriften. Hier zeigen sich die verschiedensten Spielformen und auch die Abhängigkeiten von den Ökosystemen. Wirtschaftlich sinnvoll sind momentan meist die einfach gemachten Varianten auf Basis der PDF-Quellen, die ohne zu viel Schnickschnack den Lesern die Möglichkeit bieten, ihre Zeitschrift auf dem Tablet einfach, in schönem Layout und mit ein paar Zusatzfunktionen zu lesen. Die meisten dieser Umsetzungen werden momentan auf Basis von Adobe DPS oder entsprechenden InDesign-Plugins erstellt und ermöglichen einen verhältnismäßig kostengünstigen Einstieg in das Tablet Publishing für Zeitschriften-Content. Die kostspieligen Varianten konnten sich noch nicht durchsetzen, auch weil die Marktdurchdringung von Tablets natürlich noch bei weitem nicht so hoch ist. Ein Referenz-Projekt wie beispielsweise die Katachi-App hat zwar für einiges Aufsehen gesorgt, dürfte aber in der Breite kaum jemals rentabel produzierbar sein. Besonderheit der eMagazines für die technische Umsetzung ist dabei, dass bei Magazin-Layouts in der Regel ein enger Zusammenhang von Content und Darstellung besteht und ein hohes Maß an Layout-Treue erforderlich ist (und das auf jedem denkbaren Display eines Endgerätes). Eine sinnvolle Umsetzung setzt deswegen zumeist auf Fixed Layout-Formate, was die Wahl der Technologie stark einschränkt. Informationsdatenbanken als Apps Große Chancen für kundengerechte Apps bestehen in Bereichen, wo für klar fassbare Fachzielgruppen relevante Datenbestände bereits in digitaler Form und in ei-

Fallbeispiel: Gimbal

http://bit.ly/16XNkin

Fallbeispiel: TED Books

http://bit.ly/1amAuar

Fallbeispiel: O’Reilly Atlas, „Interactive Data Visualizations for the Web“

http://bit.ly/1amKMaG

Fallbeispiel: Katachi Magazine

http://bit.ly/11osR3Z Fallbeispiel: Pschyrembel-App

http://bit.ly/157rtkz

78 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung ner geeigneten CMS-Umgebung vorliegen. Eine Umsetzung als Mobile App bei entsprechender mediengerechter Aufbereitung und unter sinnvoller Ergänzung durch Gerätefunktionen ist unter diesen Voraussetzungen oft mit geringen Zusatzaufwänden realisierbar. Zudem gilt: je präziser die Zielgruppe fassbar ist, umso besser kann das Nutzungsszenario definiert werden und umso klarer ermöglicht das Mengengerüst eine belastbare Produktkalkulation. Ein gutes Beispiel für diesen Produkttyp stellt etwa die Umsetzung des medizinischen Wörterbuchs Pschyrembel als Mobile App dar.

Fallbeispiel: Brutto/Netto-Gehaltsrechner

http://bit.ly/10VyeSl

Artikel: Innovative enhanced eBooks – Dynamisches Storytelling

http://bit.ly/10yK2ec

Productivity-Tools in Verbindung mit Content Ideale Voraussetzungen für die Entwicklung eines App-Angebotes haben Fachanbieter, die bereits aus der Desktop- oder Web-Entwicklung Angebote für Tool, Rechner oder kleine Fachanwendungen zur Verfügung haben. Liegen diese Tools womöglich bereits in Form von Javascript-Anwendungen oder anderen Web-Angeboten vor, dürften diese in der Regel mit relativ geringen Entwicklungsaufwänden in App-Angebote umsetzbar sein. Umso besser ist es, wenn neben dem Tool an sich noch kleinteilige, kurze Content-Teile integrierbar sind, die das Anwendungsszenario in geeigneter Weise ergänzen. Ein Tool wie beispielsweise der online verfügbare Brutto/Netto-Gehaltsrechner der Süddeutschen Zeitung wäre zusammen mit den auf der Seite parallel angebotenen Informationen zur Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch ideal zur Gestaltung eines „Job-Suche-Toolsets“ geeignet. Experimentelle Produktformen Insbesondere im US-Markt nutzen immer mehr Verlage die Möglichkeit, mit den dynamischen und interaktiven Gestaltungen zu experimentieren, die über Apps gegeben sind, und versuchen daraus neue Produktformen zu entwickeln, die in dieser Form als Print-Produkt undenkbar wären. Romane und Novellen mit dynamischen Erzählstrukturen, Verteilung von narrativen Strukturen über mehrere verschiedene Medienformen wie im Transmedia Storytelling oder auch Mischformen zwischen eBook und Gaming-Bereich werden hier ausgetestet. So spannend die resultierenden Produkte jedoch sind, in der Erstellung sind sie in der Regel extrem aufwändig – und inwieweit dafür eine Zielgruppe existiert, ist höchst unklar.

3.5 Vergleich der verschiedenen Ansätze, Kombinationsmöglichkeiten Eignung für statische/dynamische Inhalte bzw. Produktformen Die Vor- und Nachteile der Produktformen eBook, enhanced eBook und App für bestimmte Produktinhalte wurden ja bereits in den entsprechenden Abschnitten charakterisiert. Im Überblick lassen sich die verschiedenen Ansätze folgendermaßen vergleichen:

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Vergleich der verschiedenen Ansätze, Kombinationsmöglichkeiten 

eBooks

Enhanced eBooks

Apps

Content

Statisch

Statisch und Dynamisch

Dynamisch

Dateityp

Datei für eBook-Reader

Datei für spezialisierte Anwendungen

Selbständig ausführbare Anwendung

DistributionsMerkmale

Keine Bindung an Reader oder Ökosysteme

Bindung an Reader-Plattform

Bindung an das jeweilige MobilÖkosystem

Abb. 3.6: Vergleich von eBook, enhanced eBook und App in Bezug auf mögliche Inhalte, Dateiformat und Eigenschaften für die Distribution

Wie im Vergleich recht deutlich zu sehen ist, korrespondiert die stärkere Eignung des eBooks für statischen, verhältnismäßig einfachen Content mit geringerer Bindung an eine bestimmte Reader-Software oder ein spezifisches Ökosystem. Je anspruchsvoller und dynamischer der Content dagegen wird, umso mehr sind Zusammenhänge zur Hardware-, Betriebssystem- oder Software-Umgebung zu beachten, die eine einheitliche Produktumsetzung erschweren bzw. ein Parallel-Angebot in verschiedenen Produktformen notwendig machen. Dynamische Content-Typen und ihre Umsetzung Die Vielfalt der möglichen Inhalte für Umsetzungen von dynamischem und interaktivem Content erschwert oft die Diskussion über ein geeignetes Modell zur ProduktRealisierung: interaktiv ist eben nicht gleich interaktiv. Um eine bessere Übersicht über die verschiedenen Modelle für dynamische Inhalte zu bieten, soll an dieser Stelle über eine Content-Typologie eine Entscheidungshilfe für die Wahl eines bestimmten Produkttyps gegeben werden. In der Konzeption eines Produktes folgt nach dieser Übersicht zunächst die zentrale Frage, welche der möglichen interaktiven Inhalte integriert werden sollen. Aufgrund der technischen Basis und ihrer Eignung für die Endmedien wäre dann im zweiten Schritt zu entscheiden, welcher Produkttyp der geeignete für die Inhalte ist.

80 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung Content-Typ

Technische Basis für Umsetzung:

Einsetzbar in den Produkttypen:

Interaktive Bilder, HTML5 und Javascript Tabellen und Diagramme

enhanced eBook, App

Bilder-Galerien, Slideshows

HTML5 und Javascript

enhanced eBook, App

Audio und Video

Audio- und Video-Formate, Einbettung durch HTML5-Elemente

eBook (nur unter iBooks), enhanced eBook, App

Animationen

HTML5, CSS3, Javascript, ggf. Verwendung von Canvas/SVG

enhanced eBook (bedingt), App

Dynamisches SVG, Canvas unter HTML5 HTML5 und Javascript

iBooks Author, App

Links und SeitenVerknüpfungen

HTML-Verlinkung

eBook, enhanced eBook, App

Glossar-Verlinkung

HTML-Verlinkung

eBook, enhanced eBook, App

Quiz-Anwendungen, Multiple Choice-Tests

HTML5und Javascript

enhanced eBook, App

3D-Modelle Popup-Texte, bedingte Textdarstellung

enhanced eBook, App

Einbindung von sozialen Einbindung über Javascript-basierte App Netzwerken und Foren Widgets Abb. 3.7: Übersicht über verschiedene dynamische und interaktive Inhalte, ihre technische Umsetzung und Verwendungsmöglichkeit nach Produkttyp

Artikel: The Synergy between HTML5 and EPUB 3

http://bit.ly/11lP1E0

Kombination von verschiedenen Ansätzen Obwohl sich die Produktformen eBook, enhanced eBook, App und Web-Anwendung im Detail technisch stark unterscheiden, haben sie doch für Content-Anbieter einen großen Vorteil: Alle Typen basieren zumindest für die Content-Schicht auf denselben Basis-Technologien, nämlich HTML5, CSS3 und Javascript. Besitzt man einmal eine CMS-Umgebung, die in der Lage ist, Content und dynamische Komponenten in diesen Formaten zu erzeugen, können die genannten Produkttypen im Portfolio auch kombiniert und parallel angeboten werden. Notwendig ist dazu jeweils ein effizienter Export- bzw. Konvertierungs-Weg in das jeweilige Endmedium, der strategisch geplant und aufgesetzt werden muss.

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Marktentwicklung und Trends in der technischen Entwicklung 

Content-Basis: HTML5 + CSS3 + Javascript Konvertierung

Web-CMS

App-Framework

EPUB 3, KF8

Web-Anwendung „Web-App“

Hybrid-App mit HTML5-Content

eBook-Reader

Web-Browser

Mobil-Betriebssysteme

Abb. 3.8: Produktformen auf Basis von HTML5 im Vergleich

Stehen diese Produktions-Mechanismen jedoch einmal zur Verfügung, können auf der Basis von demselben Content unterschiedlichste Produktformen, Märkte und Zielgruppen bedient werden.

3.6 Marktentwicklung und Trends in der technischen Entwicklung Die Vielfalt der Hardware- und Software-Plattformen nimmt stetig zu Waren in den letzten Jahren noch Desktop-PCs, Tablets, Smartphones und dedizierte eReader im Fokus der Produktentwicklung, so fächert sich die Palette möglicher Endgeräte deutlich auf: Zwischen PC, Notebook und Tablet entwickeln sich HybridGeräte, bei Tablets und Smartphones bilden sich jeweils zwei unterschiedliche Größen-Klassen heraus und mit den Phablets entstehen Tablets, die auch zum Telefonieren geeignet sind. Dazu kommen neue Gerätetypen wie die in Planung befindlichen Smartwatches, oder auch Augmented-Reality-Brillen wie das Google Glass-Projekt. Bestehende Plattformen wie der Fernseher und das Navigations-Display des Autos werden durch Online-Anbindung und Verwendung von Mobilbetriebssystemen zu Geräten, auf denen Content und Applikationen sinnvoll genutzt werden können. Parallel dazu findet eine Auffächerung der Technik- und Betriebssystem-Plattformen statt: Zu iOS und Android gesellt sich Windows 8 als mobiles Betriebssystem hinzu, und mit Systemen wie Firefox-OS oder Ubuntu Mobile versuchen sich auch neue Player auf diesem Markt. Für das Design neuer Produkte hat diese Entwicklung zweierlei Konsequenzen: Auf technischer Ebene werden Produkte in verschiedensten Systemumgebungen und auf unterschiedlichsten Display-Typen und –Größen verwendet. Damit dies mit hoher gestalterischer Qualität möglich ist, müssen bei der Erstellung adaptive und responsive Techniken aus dem modernen Webdesign eingesetzt werden, damit sich der Content auf sinnvolle Weise den Plattformen anpasst. Gleichzeitig wachsen der Entwicklungs- und Testaufwand bei der Produkterstellung. Auf der anderen Seite wächst mit der Geräte-Vielfalt und der situativen Nutzung durch die Zielgruppen auch die Kundenerwartung, stets auch Informationen und Pro-

Artikel: Responsive Web Design - An Advanced Guide to HTML & CSS

http://bit.ly/ZkMYjq

82 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung dukte zu erhalten, die im jeweiligen Kontext sinnvoll, situationsorientiert und werthaltig sind. Content und darauf aufbauende Produkte müssen insofern stets darauf hin überprüft werden, ob sie im Anwendungskontext für den Kunden „funktionieren“ – sowohl in formaler, als auch in inhaltlicher Sicht. Anspruchsvollere Prozesse bei Konzeption, Test und Produkterstellung für alle beteiligten Abteilungen sind die Folge – und dazu die Notwendigkeit für Medienanbieter aus traditionellen Branchen, sich mit Mechanismen und Konventionen des modernen Webdesigns zu beschäftigen.

„A publisher’s job is to provide a good API for books.“ Hugh McGuire

Generierte Produkte ergänzen und ersetzen edierte Produkte Neuerungen der letzten 1–2 Jahre wie etwa die eBook-Generierungs-Funktionen von Wikipedia, oder auch die Web-Plattform Readlists, mit der Linklisten über einen Online-Dienst in EPUB-Produkte konvertiert werden, zeigen einen Trend: Auf der einen Seite stehen die technischen Möglichkeiten zur Verfügung, eBook-Produkte nicht mehr als statische Dateien anzubieten, sondern zu Laufzeit zu generieren. Auf der anderen Seite nimmt die Zahl der Anwender zu, die solche Funktionen nicht nur souverän benutzen, sondern von ihrem Anspruch an eine hochqualitative ContentPlattform auch erwarten. Für moderne Webanwendungen und Informationsdatenbanken ist insofern abzusehen, dass sowohl auf der Ebene der CMS-Funktionalitäten, als auch auf der Ebene der Nutzerfunktionen ein EPUB-Export in der Zukunft schlicht zum üblichen Standard werden wird. Auch die Erwartung an Konvertierungsmöglichkeiten und Wege zum Transfer von Content in andere Anwendungen und Plattformen wird sich erhöhen und Anbieter dazu nötigen, ihren Kunden an dieser Stelle sehr viel mehr Funktionalität zu bieten als bisher. Verkäufe von reinen eReadern nehmen ab, der Markt für Tablets nimmt zu Die Verkaufszahlen von 2012/2013 zeigen einen deutlichen Trend: Der Markt für Tablets wächst, der eReader-Markt schrumpft bereits wieder. Es scheint so, als ob hier bereits der Peak in der Marktentwicklung erreicht ist, denn mit dem Zuwachs an Funktionen bei gleichzeitigem Preisverfall greifen deutlich mehr Kunden zum Tablet der jüngsten Generation und wenden sich vom eReader als Single-Use-Device ab.

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Marktentwicklung und Trends in der technischen Entwicklung 

Abb. 3.9: How the Tablet Killed the eReader (Quelle/Copryright: The Content Lab).

Je mehr sich Tablets am Markt durchsetzen, umso größere Chancen bestehen für anspruchsvolle Inhalte wie enhanced eBooks und Content-Apps, einfach weil die Geräteverbreitung die Zahl potentieller Kunden erhöht. Parallel zu dieser Entwicklung im Markt verbreiten sich anspruchsvolle Technikstandards. Damit können diese Angebotsformen auch besser plattformübergreifend erstellt und genutzt werden. Subkompakt, seriell, datenbasiert: neue Publikationsformen Insbesondere bei reinen Digital-Medien ohne gedrucktes Gegenstück entwickeln sich neue Publikationsformen und Veröffentlichungsmodelle, die weit über die 1:1-Abbildung von Print-Produkten hinausgehen. Craig Mod hat mit seinem Modell des subkompakten Publizierens beschrieben, wie eine digitale Zeitschrift aussehen könnte, die die Vorteile der neuen Medien wirklich ausnutzt: Befreit man sich vom Korsett der Konventionen, die auf formaler Ebene lediglich aus den Notwendigkeiten der Print-Produktion resultieren, werden Produkte möglich, die sich mit Eigenschaften wie deutlich kleinerem Umfang, kleineren Datei­ größen und einem fluiden Veröffentlichungsplan an den Bedürfnissen des Nutzers orientieren. Niedrigere Abo-Preise werden so möglich, die Aktualität wird gesteigert und der Trend zur situativen Informationsaufnahme in kleineren Portionen wird aufgenommen. Konsequent muss dabei aber ein plattformübergreifender Ansatz verwendet werden, um der Kundenerwartung eines Angebots in der Umgebung seiner Wahl entgegen zu kommen. Für den Fachbuch-Bereich hat O’Reilly mit der Neuauflage seines Referenz-Werkes zu CSS vorgemacht, wie serielles Publizieren der Zukunft aussehen kann: Das Produkt wurde bereits vor der Neuauflage kapitelweise in verschiedenen digitalen Medien angeboten, der Redaktionsprozess des Produktes dabei mit dem so eingehenden UserFeedback verzahnt. Bei einem Thema, das über den üblichen Produktionszeitraum von 1–2 Jahren auch noch erheblichen Veränderungen unterliegt, bietet sich ein sol-

Artikel: Subkompaktes Publizieren

http://bit.ly/Z71FV3

84 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung

Artikel: Building an ebook business around analytics

http://oreil.ly/13S7Vl2

ches serielles, iteratives Vorgehen an, soll das Produkt nicht zum Erscheinen schon wieder veraltet sein. Gleichzeitig kann dem Informationsbedürfnis der Zielgruppe mit einem jeweils aktuellen Angebot für kleinere Themengebiete entsprochen werden. Der Redaktionsprozess wird auf diese Weise zwar deutlich aufwändiger und muss anders organisiert werden – der Produktnutzen und die verwertbaren Produkttypen werden aber deutlich gesteigert. Aus dem Bereich der News-Medien kommt dagegen ein anderer Trend: Die Verwendung von aggregierten Nutzerdaten und Big Data-Auswertung zu Erstellung von Bedürfnis-getriebenen Produkten nach Kundenwunsch. Bei diesen Verfahren werden vom Kunden signalisierte Daten, etwa Suchanfragen oder die Art und Menge an Artikel-Klicks über bestimmte Themen-Gebiete zu Trends verdichtet, in denen offenbar ein Informationsbedürfnis besteht. Aus bestehendem News-Content und situativ zusätzlich erstellten Artikeln wird dann, ebenfalls mit maximal optimiertem Produktionszyklus, ein Neu-Produkt erstellt, das passgenau auf das Informationsbedürfnis zugeschnitten ist. Die Online-Plattform AskMen hat auf diesem Ansatz bereits ein komplettes, neues eBook-Programm aufgebaut, und auch die vielen neu entstandenen eBook-Reihen in Deutschland, wie etwa bei der ZEIT, dem Spiegel oder der FAZ, zeigen das Potenzial in diesem Bereich. Neue Typen von Produktionsumgebungen entstehen Die Notwendigkeit eines parallelen Content-Angebots auf verschiedenen eBookPlattformen, in Content-Apps für die verschiedenen Mobilbetriebssysteme und in Web-Anwendungen stellt Verlage durch die notwendigen Produktionsprozesse vor neue und komplexe Herausforderungen. Eine Möglichkeit zur Unterstützung beim Aufsetzen dieser Prozesse kann ein neuer Typ Produktionssystem sein. In „MetaProduktionssystemen“, wie in Ansätzen bereits heute mit Inkling Habitat realisiert, treten neben klassische Web-oder XML-CMS-Umgebungen drei zusätzliche Funktionen auf: –– Realisierung von Workflow-Unterstützung und Kollaborationsfunktionen in webbasierten Editoren, –– vorgefertigte Konverter in die verschiedenen HTML-basierten eBook-Formate, die direkt aus dem System heraus angestoßen werden können, –– mitgelieferte, standardisierte Apps für die verschiedenen Mobilbetriebssysteme und damit die Möglichkeit zum kosteneffizienten Realisieren von Content-Apps. Noch existieren nur wenige Ansätze für diesen neuen Typ von Produktionssystemen, aber die Notwendigkeit ist klar erkennbar: Nur bei einer guten Systemunterstützung ist es langfristig möglich, die vielen neuen Produktformen auch mit effizienten Workflows zu bedienen und in nachhaltiger Weise ein breites Portfolio zu bewirtschaften.

3.7 Strategische Empfehlungen Know-how für Web-Technologien aufbauen Wie in der Beschreibung der Produktformen eBook, enhanced eBook und App deutlich geworden ist, bauen letztlich alle modernen Digital-Medien auf denselben Basistechnologien auf, nämlich HTML5 für den Content, CSS für die Gestaltung und Javascript für die Funktionalität. Neben dem Aufbau einer geeigneten Werkzeug- und Produktionsumgebung bedeutet dies aber noch eine weitere strategische Konsequenz: Alle am Produkterstellung-Prozess beteiligten Unternehmensbereiche, in erster Linie natürlich Herstellung/Electronic Publishing, aber auch Produktmanagement

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Strategische Empfehlungen 

und Lektorate müssen das Know-how erwerben, die technischen Möglichkeiten dieser Medientypen auch optimal und kundengerecht einzusetzen. Zuerst und am direktesten werden dabei die Mediengestalter gefragt sein, aber das gelernte Know-how und das dazugehörige Prozess-Wissen in ähnlicher Weise wie in den Print-Medien auch für die Digitalmedien zu erwerben, wird als Aufgabe genauso auf die anderen Unternehmensbereiche zukommen. Dafür das notwendige Maß an Fordern und Fördern von Know-how-Erwerb und Fortbildung zu zeigen, wird eine zentrale Führungsaufgabe für die nächsten Jahre sein. Produkte konsequent auf Kundennutzen ausrichten Je mehr die technischen Limitierungen der Digitalmedien zurückgehen, umso mehr Möglichkeiten gibt es für die Gestaltung anspruchsvoller Produkte. Und desto mehr ist es aber auch zentral, beim Produktdesign die richtigen Entscheidungen zu treffen und aus der Vielzahl der Möglichkeiten diejenigen zu priorisieren, die den größten Kundennutzen bringen. Denn die Entwicklungskosten von enhanced eBooks und Apps werden es auch mittel- und langfristig nicht zulassen, alles auszunutzen, was schön oder wünschenswert ist. Zentrales Entscheidungskriterium für die Priorisierung muss dabei der Kundennutzen sein – insbesondere für Verlags- und Medienhäuser, die bisher vor allem über den Zwischenhandel vertrieben haben, ein ungewohnter Faktor. Dennoch wird es die wichtigste Aufgabe in der Produktentwicklung sein, konsequent die Kundenperspektive einzunehmen und die Bedürfnisse seiner Zielgruppen punktgenau zu adressieren, denn anders werden Digitalprodukte nicht rentabel am Markt zu platzieren sein. Ständige Marktbeobachtung ist geschäftskritisch Der Markt für mobile Publishing-Produkte ist so volatil und dynamisch wie kaum ein anderer in den letzten Jahrzehnten, sowohl was die Rahmenbedingungen der Ökosysteme angeht, als auch auf der Content- und Angebotsseite. Um erfolgreich an diesem Markt zu sein, ist die ständige Beobachtung der laufenden Entwicklungen ein kritischer Faktor – denn bei der Geschwindigkeit, in der neue Technologien Marktreife erhalten und neue Angebotsmodelle für den Kunden entstehen, kann es schnell passieren, dass ein frisch entwickeltes Produkt bereits in einem normalen Entwicklungszyklus von 6–12 Monaten schon wieder überholt ist. Diese ständige Marktbeobachtung erfordert Zeit, Recherche und Lernbereitschaft von den beteiligten Mitarbeitern, aber auch die Bereitschaft in der strategischen Führung, auch innerhalb von laufenden Projekten im Zweifelsfall schnelle und konsequente Entscheidungen zu treffen, falls sich zentrale Rahmenbedingungen vom Markt her ändern. Die Übernahme von agilen Entwicklungsmethoden kann dabei zum zentralen Werkzeug für die erfolgreiche Produktentwicklung werden. Normieren, serialisieren, skalieren! Auf der Handlungsebene gibt es für die effiziente Produkterstellung drei zentrale Maßgaben: Ist das zielgruppengerechte Produktdesign klar, sollte auf der Ebene von Content-Strukturen und Styleguides soweit wie möglich normiert werden. Ein ContentKatalog, der für alle Beteiligten klar und gut dokumentiert ist, ist das A und O für effiziente Content-Erstellung und Verarbeitung auf CMS- und Produktebene. Auf der Ebene der Produktstrukturen gilt dasselbe: Erfolgversprechende Produkte sollten von vorneherein auf Serien und Reihen ausgelegt werden, die Produktkonzepte und technischen Entwicklungen auf weitere Produkte übertragbar sein. Denn Individual-Entwicklungen für einzelne Produkte, egal auf welcher technischen Ebene, werden nur in den wenigsten Fällen zu rentablen Produkten führen. Passt die gewählte

Video: „This is broken“ Eine Reihe von Negativ-Beispielen dazu findet sich im mittlerweile zum Klassiker gewordenen TED-Talk des US-Marketing-Experten Seth Godin:

http://bit.ly/16ijZQr

86 – Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung Technologie jedoch mit den Content-Styleguides und den Produktserien zusammen, so lassen sich erhebliche Skaleneffekte erzielen, die ein digitales Portfolio langfristig zum Erfolg führen können.

„Publishing companies are technology companies. Now it’s time for them to act like this.” Eli Horowitz

Content- und Technologie-Strategie auf das digitale Portfolio ausrichten Noch eine Ebene höher greifen im Idealfall drei Strategien in optimaler Weise ineinander: Die Portfolio-Strategie nimmt die Markt- und Kundenbedürfnisse punktgenau auf. Die Content-Strategie macht allen Beteiligten transparent, wie Inhalte für marktgerechte Medien aufbereitet werden müssen. Und die Technologie-Strategie unterstützt Content und Portfolio durch effiziente Werkzeuge und Prozesse zur Erstellung moderner Produktformen. Dieses strategische Dreieck erfolgreich zu entwickeln und zu implementieren, wird für die nächsten Jahre erfolgskritisch sein, wenn ein digitales Portfolio nachhaltig aufgebaut und im Markt positioniert werden soll.

4 Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe So entwickelt sich der Markt So wird es umgesetzt.

Das sind Ihre Zielgruppen – und das wollen sie

So rechnet sich das für Sie

So müssen Ihre Informationen aufbereitet sein So erreichen Sie Ihre Kunden

– Wer ist meine Zielgruppe? – Was macht meine Zielgruppe? – Was will meine Zielgruppe?

Wir empfehlen, bei jeder Produktentwicklung den Kunden zum Ausgangspunkt der Überlegungen zu machen. Alles andere folgt dem. Hat man ein klares Bild von den Bedürfnissen seiner Kunden, lassen sich leichter die richtigen Entscheidungen treffen für die passende Technologie, die Produktform, die Vermarktung und Distribution und die zentralen Aufgaben im eigenen Haus. Warum digitale Produkte vom Kunden her entwickelt werden sollten: drei Gründe: 1. Man braucht in unsicheren Zeiten einen Anker, von dem man ausgeht. Einen Fixpunkt, der für Orientierung sorgt. Und vor allem einen, den man kennt. Die Marktentwicklung kann man als Verlagshaus heute kaum selber beeinflussen. Die Technologien hängen auch nicht von den eigenen Entscheidungen ab. Aber den eigenen Kunden, den muss man kennen. Zumindest so gut wie möglich. Schließlich hat man schon eine Beziehung aufgebaut mit den bisherigen Produkten und weiß somit schon einiges. 2. Es ist nichts Neues und es gibt Untersuchungen, Studien und Analysen zu Hauf zu diesem Thema: In einem Markt mit Überangebot muss man mehr bieten als die Konkurrenz – und den Kunden überraschen können. Dazu braucht es ein klares Bild von dessen Bedürfnissen und Wünschen. 3. Die Verlagsbranche war Jahrzehnte lang in der privilegierten Situation, dass die Kunden eine gewohnte, etablierte und anerkannte Produktform wollten – und sich nur die Inhalte geändert haben. Jetzt muss diese Branche umlernen, weil sie neue Produktformen entwickeln und gestalten muss. Das erfordert ein genaues Hinsehen und Überprüfen der Kundenbedürfnisse. Was für ein Produkt will der Kunde denn wirklich? Vor allem jetzt, wo sich der Markt dauernd ändert und es keine Gewohnheiten gibt. Wer weiß, ob enhanced eBooks wirklich gewollt werden, wo multimediale Inhalte gewünscht und wie viele Links erwartet werden in Zukunft? Da hilft nur: genau hinsehen.

Nun ist der Kunde ein Mensch aus Fleisch und Blut und deshalb ein sich dauernd wandelndes Wesen, das man nie richtig zu fassen bekommt. Er ist überall und nirgends und auch nie richtig dort, wo man ihn vermutet. Das wissen alle Philosophen, Psychologen, Soziologen, Mediziner, Biologen und andere Wissenschaftler dieser Welt zu Genüge. Zu komplex ist der Mensch selbst, sein Zusammenspiel mit der Umwelt und den anderen. Wer also glaubt, seinen Kunden ein für alle Mal erfasst und erkannt zu haben, begeht den ersten Fehler. Die Arbeit ist nämlich nie abgeschlossen. Was nicht heißt, dass sie umsonst wäre. Im Gegenteil. Auch hier gilt, dass man Annahmen machen muss, mit diesen arbeitet

„Der Mensch ist das noch nicht festgestellte Tier.“ Friedrich Nietzsche Wer glaubt, seine Zielgruppe abschließend erkannt und erfasst zu haben, wird sich immer irren.

88 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe und sie solange nutzt, bis man eines besseren belehrt wird. Das ist noch keine Wissenschaft, aber pragmatisches Handeln. Es ist deshalb sinnvoll, einen Steckbrief anzulegen für jede Zielgruppe, die man beglücken will. Dieser Steckbrief sollte die wichtigsten Angaben enthalten, die man braucht. Ein Steckbrief pro Zielgruppe mit den wichtigsten Angaben – Definition der Zielgruppe, hierzu gehören Berufsbezeichnung, Tätigkeiten, Alter etc. – Statistische Angaben zur Zielgruppe wie Größe, Wohnorte, Kaufkraft etc. – Qualitative Merkmale der Zielgruppe wie Werte, Zugehörigkeitsgefühl zu bestimmten Schichten, Bedürfnisstruktur etc. – Darstellung des eigenen Portfolios für die Zielgruppe inklusive der relevanten Kennzahlen (Wer hat was wann zu welchem Preis erworben? Wie ist die Entwicklung? Welche Folgerungen lassen sich daraus ableiten?) – Thesen zur Entwicklung dieser Zielgruppe aufgrund der vorliegenden Daten – Folgerungen für die Entwicklung des eigenen Portfolios

Um zu ausführliche Analysen und viel Aufwand zu vermeiden, muss man immer prüfen, ob diese Information relevant ist für die Entwicklung des eigenen Produktes.

Das spart vor allem doppelte Arbeit. Denn viele der Informationen braucht man immer wieder. Und für ein gemeinsames Verständnis für die anstehenden Produktentwicklungen braucht man wiederum auch das gleiche Bild von der Zielgruppe und ihren Bedürfnissen. Auch hier lassen sich Doktorarbeiten erstellen und ausführliche Analysen, die hinterher von niemandem mehr gelesen werden. Der Zug zum Tor entscheidet, denn es gewinnt nur der, der Tore schießt. Es ist immer nur die Information relevant, die Schlussfolgerungen für die Produktentwicklung zulässt. Größe und Kaufkraft einer Zielgruppe sind entscheidende Kriterien für die Preisgestaltung. Die Tätigkeitsbeschreibung lässt Schlüsse zu über die Funktionalitäten und die Werteanalyse lässt erkennen, wie die Anmutung des Produktes sein soll. Schnell kann man sich jedoch auch in Mutmaßungen über die Zugehörigkeiten zu einer bestimmten Zielgruppe und möglichen Verhaltensweisen verlieren, die später nie mehr berücksichtigt werden bei der weiteren Ausgestaltung des Programms. Oft einfach nur deshalb, weil sie zu komplex formuliert und für die meisten Mitarbeiter zu weit entfernt sind von ihren Aufgaben. Um es klar zu stellen: Jede Beschäftigung mit der Zielgruppe ist sinnvoll. Denn dieses Wissen prägt die Gestaltung des Angebots. Aber die Folgerungen aus der Kundenanalyse müssen auf den Punkt kommen und dürfen nicht zu ausführlich sein. Die Darstellung des eigenen Portfolios und der eigenen Kennzahlen dürfte den meisten vertraut sein (diese Angaben sind für einen Steckbrief zur eigenen Zielgruppe wichtig und meist auch die Basis). Deshalb gehen wir im Folgenden vor allem auf die Darstellung der Zielgruppe ein.

4.1 Die Definition der Zielgruppe Zielgruppen lassen sich prinzipiell durch drei Merkmale klassifizieren, die hier von Relevanz sind: 1. die Zugehörigkeit zu einer Gruppe von anderen Menschen 2. die Tätigkeit 3. die Bedürfnisse und Wünsche

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Daten, Daten, Daten 

Wie sieht das Umfeld des Kunden aus?

Was macht der Kunde?

Was wünscht sich der Kunde wirklich?

Abb. 4.1: Drei zentrale Fragen sind zu beantworten, will man das Kundenbedürfnis richtig einschätzen.

Irgendwo muss man anfangen, weshalb es sich empfiehlt, die bisherigen Kunden zu nehmen und zu beschreiben. Am besten man geht von denen aus, die man als Käufer der bestverkäuflichen Produkte annimmt. Zu Beginn sollte eine möglichst einfache und kurze Beschreibung genügen in der Art von: –– ist Käufer unserer Bücher zur Fotografie –– ist Facharzt für Innere Medizin –– ist Student nach dem Vordiplom für Maschinenbau –– ist Käufer von Krimis –– … Das Bild vom eigenen Kunden kann jetzt durch immer genauere Beschreibungen Konturen annehmen. Und es kann sein, dass man am Ende des gesamten Prozesses erkennt, dass die Vorstellungen von der eigenen Zielgruppe völlig andere waren, dass man in der gesamten Anmutung der Produkte falsch lag oder dass man sich andere Zielgruppen vornehmen muss, weil mit den Gedachten kein Staat mehr zu machen ist. Mit Sicherheit wird das Bild aber Aufschluss darüber geben, wie künftige Produkte geschärft und entwickelt werden müssen, um dem Kunden zu gefallen.

4.2 Daten, Daten, Daten Jetzt können erst einmal Daten gesammelt werden. Und das sind in der Regel mehr, als man vermutet. Nicht nur das Statistische Bundesamt bietet Informationen. Jeder Adressbroker verfügt über gut sortierte Kataloge, die einen Zugang zu den verschiedensten Zielgruppen bieten. Wer sich also noch unsicher ist, wie er seine Kunden benennen will, kann hier Anleitungen erhalten. Denn im Direktmarketing liegen jahrzehntelange Erfahrungen in der Klassifizierung vor, die online jederzeit abgerufen werden können.

Quelle: Das Statistische Bundesamt bietet sich als erste Anlaufstelle zum Sammeln von Daten an.

http://bit.ly/1amiahI

90 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe >> Hier wählen Sie Ihre Kriterien aus: Firmenadressen Deutschland Branche

?

Betriebsgröße und Merkmale

Region

Stichwortsuche

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Führungskräfte/Entscheider

Adressbroker bieten oft schon eine gute Vorselektierung und Kategorien zur Klassifizierung der Kunden an.

Suche nach Orten, Bundesländern...

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Suche nach weiteren Kriterien...

Abb. 4.2: Beispiel für die Klassifizierung der Zielgruppe im Bereich b2b. Jeder Adressbroker bietet einen Einstieg in die Klassifizierung von Zielgruppen. Diese Zugänge lassen sich nutzen, um die eigenen Kunden besser zu klassifizieren. Hier ein Beispiel unter vielen der Firma Schober: http:// shop.schober.com/

Durch diese Klassifizierung ergibt sich schon eine erste Quantifizierung, die Aufschluss geben kann über die Größe. Dies ist naturgegeben für Firmen und Berufe leichter als für Privatpersonen. Aber auch hier lassen sich zumindest Orientierungswerte erkennen.

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Daten, Daten, Daten 

>> Hier wählen Sie Ihre Kriterien aus: Firmenadressen Deutschland Soziodemografie

Wohnsituation

Region

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Suche nach Geschlecht, Kaufkraft...

Man kann die Merkmale der Zielgruppe genau eingrenzen und erfährt dann, wie viele Adressen zur Verfügung stehen.

Suche nach Orten, Bundesländern...

Zahlung starten Interessen:

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>>

Suche nach Interessensgebieten...

Abb. 4.3: Durch die Zählung erhält man genaue Angaben, wie viele Adressen vorliegen und genutzt werden können. Und egal ob man damit auch Direktmarketingaktionen durchführt oder nicht – man erhält eine Auskunft über die ungefähre Größe der Zielgruppe. Hier wieder das Beispiel des Adressanbieters Schober.

Neben diesen und anderen „klassischen“ Anbietern von Daten müssen gerade für digitale Produkte natürlich die im Netz gesammelten Informationen eine zentrale Quelle sein. Da die Kundendaten die wesentliche Währung für Anbieter wie Google, Amazon oder Facebook sind, sind diese Unternehmen auch wichtige Ansprechpartner zur Identifizierung der eigenen Kunden. Auch hier lässt sich über eine Abfrage nach dem Umfang der Daten zu bestimmten Kundengruppen auf deren Größe und vor allem Erreichbarkeit schließen. Daneben geben aber natürlich auch andere Fachportale, Facebook-Seiten mit ihren Fanangaben oder Verkaufsstatistiken im Online- wie Offlinebereich Auskunft über den Markt. Ebenso wichtig sind die selbst generierten Daten. Sie sind in der Regel ja auch der Ausgangspunkt, weil sie genau aussagen, wie viele Kunden wie viel für welches Produkt ausgegeben haben. Auf der Basis der Verkäufe über die verschiedenen Vertriebswege zum Kunden können noch viel mehr Daten generiert werden. Das Internet macht es möglich, Big Data heißt hier das Schlagwort. Allein das Nutzerverhalten auf den Social Media-Plattformen, im eigenen Shop oder auf den eigenen Portalen ist eine sprudelnde Quelle an Informationen. Hier liegt die Herausforderung meist weniger in der Gewinnung der Daten über den eigenen Provider, Google Analytics oder andere Tools, sondern in der sinnvollen Zusammenführung. Nicht jede Öffnungsrate eines Newsletters ist wirklich hilfreich, nicht jede Kundenbewegung auf dem Portal gibt Aufschluss über sein Verhalten. Denn der Teufel steckt im Detail. Wenn die erhobenen Daten nicht in den zeitlichen Kontext (Was passierte auf dem Portal oder an anderer Stelle zur selben Zeit?) und mögliche ungewöhnliche Faktoren (War die Performance der Seite gut oder gab es Störungen?) gestellt werden, können sie schnell zu falschen Rückschlüssen führen. An dieser Stelle wird auch deutlich, welche Herausforderung unbedingt angegangen werden muss: Jedes Unternehmen muss beginnen, seine Daten über seine Kunden zu systematisieren und in eine aussagefähige Form zu bringen. Traditionell ist das die Aufgabe des Controllings und des Vertriebs: Alle Kundenbewegungen werden gesichert, mit-

Big Data – die große Herausforderung für Unternehmen. Denn in der Masse der Informationen müssen die relevanten Daten gefiltert und richtig interpretiert werden.

http://bit.ly/1570ENu

92 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe einander verknüpft und analysiert. In den letzten Jahren sind jedoch ungleich mehr Informationen aus dem Bereich des Onlinemarketings hinzugekommen, die oft nicht mit den „traditionellen“ Datensammlern in Unternehmen verknüpft wurden. Da jeder Bereich in der Regel auch nur das analysiert, was ihn konkret weiterbringt, ist es eine Führungsaufgabe, die Verknüpfung einzufordern. Denn die Schlussfolgerungen obliegen in der Regel ja auch den Führungskräften. Im ersten Schritt liegen den Ausführungen hier folgend also eine kurze Beschreibung der Zielgruppe und viele Daten vor, die man messen, wiegen, überprüfen und mit Zahlen belegen kann.

4.3 Die soziologische Betrachtung – Sag mir, mit wem du gehst, und ich sage dir, wer du bist

Quellen: Das Sinus Institut ist einer von mehreren Anbietern von Milieustudien, die ausführliche Analysen zu verschiedensten Gesellschaftsgruppen und -schichten bieten:

http://bit.ly/18rOlND Auch die GFK und TNS Infratest bieten umfangreiches Datenmaterial zum Konsumentenverhalten:

http://bit.ly/10VfVg1

http://bit.ly/18iQJbY

Die vorliegenden Daten können jetzt so geclustert werden, dass man daraus Gruppen bilden kann, die in der Gesellschaft vorkommen. Zahlreiche Marktforschungsinstitute bieten Studien an, die das Konsumentenverhalten über längere Zeiträume analysieren und die entsprechenden Rückschlüsse ziehen. Die drei gängigsten Modelle im deutschsprachigen Raum sind dabei die Sinus Milieus des Sinus Instituts, die GfK Roper Consumer Styles sowie das SemiometrieModell von tnt Infratest. Der Vorteil dieser Betrachtung liegt vor allem darin, dass hier über Jahrzehnte Erfahrungen zur Entwicklung in der Gesellschaft vorliegen. Dabei geht man nicht nur von einfach messbaren Daten aus, sondern auch von der Einstellung zum Leben. Der von dem Philosophen Husserl geprägte Begriff der „Lebenswelten“ ist hier der Ausgangspunkt der Überlegungen: Der Mensch erfährt Sinn durch und aus seiner Lebenswelt. Verkürzt ausgedrückt: Die Umgebung prägt entscheidend und der Mensch erfährt durch sie und in ihr Sinn. Deshalb ist diese Form der Betrachtung des Kunden aus der Sicht der Anhänger dieser Richtung auch umfänglich und erschöpfend. Durch die Berücksichtigung der Werte können offensichtliche Fehlinterpretationen vermieden werden. Ein männlicher, 40 jähriger Sportwagenfahrer aus einer Großstadt kann Fußballprofi, Sänger oder Manager sein. Diese drei Personen werden wahrscheinlich sehr unterschiedliche Wertvorstellungen haben. Erst im Verhalten zur Umwelt, in der Zugehörigkeit zu bestimmten, für sie sinnstiftenden Gruppen, wird auch deutlich, wie sich diese Personen verhalten und was ihnen wichtig ist. Und daraus lässt sich dann auch erst ableiten, was für Produkte sie brauchen. Das umfangreiche Material lässt vor allem Schlüsse auf die Größe der Zielgruppe zu. Das ist zum Beispiel für das Pricing von Relevanz. So gibt es natürlich zahlreiche Fußballfans. Aber die Zeitschrift „kicker“ erreicht eine ganz andere Auflage als „11 Freunde“, weil die jeweiligen Wertevorstellungen der Leser ganz andere sind. Die jeweiligen Zielgruppen sind in unterschiedlichen Milieus zu Hause. Ist der „kicker“ vor allem in den von Tradition geprägten Milieus mit geringer Kaufkraft zu Hause, bedienen die „11 Freunde“ auch intellektuell anspruchsvollere Zielgruppen. Dem folgend müssen neben den Inhalten auch der Auftritt und das Preisgefüge anders sein.



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Die soziologische Betrachtung 

Abb. 4.4: Die Sinus-Milieus erfassen die Gesellschaft durch eine Zuordnung zu bestimmten Gruppen. Diese Milieus definieren sich durch gemeinsame Verhaltensweisen ihrer Mitglieder. Die ökonomischen Möglichkeiten (die y-Achse weist das Einkommen und Vermögen aus) und die Aufgeschlossenheit für Neuerungen (die x-Achse weist die Haltung zu Tradition und Neuorientierung auf) werden als wichtigste Kriterien für die Einteilung herangezogen.

Oft werden bei den Untersuchungen auch beispielhafte Wohnräume gezeigt, um das Umfeld der Personen zu skizzieren. Auch das hilft, um sich vorzustellen, ob das eigene Produkt in dieses Umfeld passt. In der Regel werden Koordinaten festgelegt, innerhalb derer sich die Zielgruppe bewegt. Sind es bei den Sinus-Milieus Einkommen und Neuorientierung, so verwendet TNS die Begriffspaare „Sozialität“ versus „Individualität“ sowie „Lebensfreude“ versus „Pflicht“ und GfK „Haben“ versus „Sein“ und „Sicherheit“ versus „Leidenschaften verwirklichen“. Daraus ergibt sich dann jeweils eine Matrix, in der die Zielgruppen ihren Platz erhalten.

94 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe

Abb. 4.5: Die GfK Roper Consumer Styles nehmen die beiden Begriffspaare „Haben“ versus „Sein“ sowie „Leidenschaften leben“ versus „Frieden und Sicherheit“ als Koordinaten, um die Werte der Zielgruppen zu erkennen und zu erforschen. Auf der Basis dieser Matrix werden Zuordnungen getroffen zum Werteprofil der jeweiligen Zielgruppen (Quelle GfK).

Abb. 4.6: In dem Koordinatensystem werden Typologien angelegt, so dass die Zielgruppen durch Vereinfachung und Zuordnung von gemeinsamen Kriterien besser erfasst werden können (Quelle GfK).

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Die soziologische Betrachtung 

Abb. 4.7: Das Semiometrie-Modell von TNS-Infratest: Dieses Modell nutzt die beiden Begriffspaare „Sozialität“ versus „Individualität“ sowie „Lebensfreude“ versus „Pflicht“ als Koordinaten, um die Werte der Zielgruppen zu erkennen und zu erforschen (Quelle: TNS Infrastest).

Abb. 4.8: Das Semiometrie-Modell von TNS-Infratest: Auf der Basis der Matrix auf Basis von Gegensatz-Paaren werden Zuordnungen getroffen zum Werteprofil der jeweiligen Zielgruppen (Quelle: TNS Infratest).

Mit dem Modell von TNS-Infratest kann aufgrund einer Segmentierung der Zielgruppen dann erkannt werden, mit welchen Medien die passende Ansprache erfolgen kann. Dies ist auch mit anderen Modellen möglich – hier wird dies am Beispiel der Segmentierung der Zielgruppen von IKEA gezeigt.

96 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe –– I m ersten Schritt werden die Begriffe identifiziert, die für die Personen besonders wichtig sind und von denen unterschieden, die in der Wertewelt weniger bedeutend sind. –– Im zweiten Schritt wird ein Werteprofil erstellt. Dabei wird die Zielgruppe näher beschrieben und die Werte werden priorisiert. –– Im dritten Schritt können für die Vermarktung dann die Medien bestimmt werden, die die Zielgruppen mit diesem Profil besonders gut ansprechen.

Abb. 4.9: Das Semiometrie-Modell von TNS-Infratest – Das Beispiel IKEA: Im ersten Schritt werden die Begriffe identifiziert, die für die Personen besonders wichtig sind und von denen unterschieden, die in der Wertewelt weniger bedeutend sind (Quelle: TNS Infratest).

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Die soziologische Betrachtung 

Abb. 4.10: Das Semiometrie-Modell von TNS-Infratest: Im zweiten Schritt wird ein Werteprofil erstellt. Dabei wird die Zielgruppe näher beschrieben und die Werte werden priorisiert (Quelle: TNS Infrastest).

An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass eine generelle Zuordnung einer so heterogenen Zielgruppe wie der Kunden von IKEA ihre Grenzen hat. So sind ja zum Beispiel gerade familiäre und soziale Aspekte für einen Teil der Zielgruppe von besonderer Bedeutung. IKEA unterstützt diese mit einer eigenen family card, eigenen Produkten für Kinder und den Möglichkeiten, den Eltern mit Kindern mit den Spielparadiesen ein geruhsames Einkaufen zu ermöglichen. Wer kennt sie nicht, die Durchsagen, dass „der kleine Max jetzt bitte von seinen Eltern abgeholt werden möge“. Für andere steht das Preis-Leistungs-Verhältnis im Vordergrund und wieder andere sehen darin die Möglichkeit, Produkte zu kaufen, die wie Designermöbel aussehen können, aber deutlich billiger sind. Und all diese Zielgruppen werden in der Werbung auch gesondert angesprochen.

98 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe

Abb. 4.11: Das Semiometrie-Modell von TNS-Infratest: Im dritten Schritt können für die Vermarktung dann die Medien bestimmt werden, die die Zielgruppen mit diesem Profil besonders gut ansprechen. Hier ist es von anderer Seite für die Medienunternehmen wiederum interessant, für die eigenen Medien mit der richtigen Positionierung auch gefunden zu werden.

Da eine detaillierte und fundierte Untersuchung sehr aufwändig ist, werden die Untersuchungen vor allem von Herstellern von teuren Markenartikeln und Gütern für große Zielgruppen genutzt. Für ein einzelnes Buch, eine App, ein enhanced eBook allein ist diese Betrachtung zu aufwändig. Wohl aber lohnt es sich, dies für ganze Produktserien, für Reihen, für Programme und das Gesamtportfolio zu machen. An dieser Stelle sei auch auf die Grenzen hingewiesen. In einigen Unternehmen schlummern aufwändig erstellte Untersuchungen. Es macht allen Spaß, sich die eigene Zielgruppe vorzustellen und Vermutungen über deren Wohnungseinrichtung anzustellen. Das ist gut. Wenn die Diskussionen um die richtige Zuordnung nicht ausufern. Da die Typologien natürlich immer auch Klischees entsprechen, macht allen eine willkürliche Zuordnung aufgrund der eigenen Erfahrung Spaß. Das ist ein wichtiger erster Schritt, damit die Vorstellung von der eigenen Zielgruppe überhaupt erst einmal beginnt. Aber sie muss auch zügig zum Abschluss gebracht werden, um auf den Punkt zu kommen. Die Lust an der Diskussion um die eigenen Vorurteile hat ihre Grenzen. Oft passiert es auch, dass die Produktentwicklung die Einschätzung der Zielgruppe zwar kennt, aber im konkreten Fall nicht nutzt. Es gibt eine irgendwie geartete Vorstellung von der eigenen Zielgruppe, aber die anstehenden Produkte werden nach wie vor so gemacht, wie man es kann, kennt und aus anderen Gründen für sinnvoll erachtet. Denn der Weg vom Wohnzimmer der Kunden bis zu den Schlussfolgerungen, was das denn eigentlich für Konsequenzen hat für die Produktgestaltung, ist für viele zu weit. Dies liegt vor allem darin, dass konkrete Schlussfolgerungen aus dieser soziodemographischen Analyse oft fehlen bzw. nicht einfach zu treffen sind. Es erfordert ein hohes Maß an Theorieverständnis und praktischem Antrieb, um die Analysen in Handlungen zu führen. Denn wie das Produkt wirklich auszusehen hat, das ist meist zu ungenau.

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Die soziologische Betrachtung 

Unter dem „Persona“-Ansatz ist eine Umsetzung aus der Softwarebranche bekannt. Weil die Usability zentral ist für den Erfolg einer Software, hat es sich bewährt, bei der Entwicklung schon immer möglichst konkret die Kunden vor Augen zu haben, die man ansprechen will. Dies ermöglicht eine bessere Vorstellung der Funktionalitäten, die man entwickeln muss. Die Grundlage dieses Vorgehens sind wie hier geschildert Annahmen über ein Verhalten von Kunden. Beim „Persona“-Modell wird zudem noch stark auf die möglichen Verhaltensweisen im Umgang mit der Software eingegangen. Dies ist eine sinnvolle Erweiterung einer nur auf soziodemographischen Merkmalen basierenden Kundenanalyse. Es empfiehlt sich deshalb, diese immer durch die beiden in den folgenden Kapiteln beschriebenen Methoden zu ergänzen und zu erweitern. Vor allem bietet das „Persona“-Modell die Möglichkeit, zwei Dinge gut miteinander zu verknüpfen: eine Beschreibung der Person in ihrem Umfeld und die konkreten Anforderungen an das Produkt. Und damit sind wir schon beim nächsten Schritt in der Zielgruppenanalyse. Aufbau von Distanz: Entwickler fragen sich nicht: „Wie würde ich selbst die Aufgabe lösen?“, sondern: „Wie würde Paul Planer die Aufgabe lösen?“ Benutzer im Fokus: Die Ziele der Nutzer und deren Bedürfnisse werden zum Zentrum der Aufmerksamkeit für das Projektteam. Reale Personen statt anonymer Masse: Das Projektteam kann sich auf einige wenige „reale“ Charaktere konzentrieren und deren Anforderungen erfüllen, statt sich über die Bedürfnisse einer anonymen Masse von Anwendern Gedanken machen zu müssen. Bessere Priorisierung: Entwicklungsarbeiten könnten auf die die Personas bezogen und besser priorisiert werden. Mehr Identifikation mit den Kunden: Personas erhöhen das Einfühlungsvermögen und die Empathie der Entwickler gegenüber den späteren Nutzern. Universelle Anwendbarkeit: Personas versteht jeder Beteiligte. Sie sind für Projektmanager, Konzeptioner, Designer, Programmierer und selbst für das Top-Management gut anwendbar und vereinen das Verständnis der Applikationsziele im gesamten Projektteam.

Abb. 4.12: Die Vorteile des Persona-Modells im Überblick. Der Einsatz von Personas beim Entwicklungsprozess geht von soziodemographischen Daten aus, kommt dann aber schnell zum konkreten Nutzerverhalten.

Das „Persona“-Modell: ein allgemeiner Einstieg und Beispiele aus dem Bereich Mobile

http://bit.ly/11oN6hQ

http://bit.ly/129SNlB

100 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe

Die Methode

Soziodemographische Merkmale bestimmen die Zielgruppe

• Man sammelt das statistische Material zu den Kunden und kategorisiert sie. Die Merkmale müssen auf genügend viele zutreffen, so dass ausreichend große Gruppen gebildet werden können. Die Merkmale umfassen leicht quantifizierbare Größen wie Alter, Geschlecht, Einkommen, Wohnort etc. und schwerer fassbare Größen wie Verhalten, Bedürfnisse und Werte.

Was erhält man?

ein gutes Bild von der Position des Kunden in der Gesellschaft

• Man weiß, wie viele Kunden mit ähnlichen Wertvorstellungen und Verhaltensmustern existieren. • Man kann erkennen, mit welchen Dingen sich dieses Zielgruppe umgibt. • Man erhält eine Vorstellung vom Kunden. Dieser wird konkret an einem Beispiel. Das hilft bei der Produktentwicklung, weil man sich vorstellen kann, für wen man das Produkt macht.

Die Grenzen

der Kunde existiert als Spielball seiner Umgebung

• Eine detaillierte Untersuchung lohnt sich in der Regel nur für hochpreisige Produkte. • Der individuelle Antrieb wird immer als Drang zur Zugehörigkeit zu einer Gruppe verstanden, nicht aus einer eigenen Bedürfnisstruktur. Dadurch ist der Blick vorwiegend auf das Jetzt gerichtet, nicht auf das, was sein könnte, was sich der Kunde wünscht. • Die konkreten Tätigkeiten werden kaum behandelt.

Abb. 4.13: Die Kundenanalyse aufgrund soziodemographischer Merkmale. Methode, Ergebnisse und Grenzen.

4.4 Die Tätigkeitsbeschreibung: Ich bin, was ich tue Jede Zielgruppenanalyse sollte eine ausführliche Beschreibung der Tätigkeiten der Zielgruppe enthalten, eine einfache und klare Beobachtung dessen, was die Zielgruppe macht. An diesem Punkt kann man die Vorstellung vom Umfeld des Kunden noch weiter erden und somit Schlussfolgerungen zur Produktgestaltung erleichtern. Besonders zentral ist diese Betrachtung für die Entwicklung von Produkten, die sich direkt in die Handlungswelt des Kunden integrieren sollen – zum Beispiel Fachanwendungen, die im beruflichen Kontext verwendet werden. Aber auch bei der alltäglichen Nutzung von Apps ist die präzise Kenntnis des Nutzerverhaltens für das Design von Benutzer-Interface und intuitiver Bedienung essentiell. Das klingt einfacher als es ist, denn meistens sieht man über die vor einem liegenden Dinge hinweg. Sie erscheinen ja offensichtlich und sind jedem zugänglich. Man sollte sich gut auf das konzentrieren, was man wahrnimmt. Und alles Vorwissen ausblenden. Je genauer die Beschreibung ist, desto besser kann man daraus Folgerungen für das eigene Produkt ableiten.

– 101



Die Tätigkeitsbeschreibung 

Beispiel für eine Zielgruppenanalyse Tätigkeitsbeschreibung der Zielgruppe Immobilienbesitzer / Vermieter Finanzieren

Kaufen

Bauen

• Konditionen • Verhandlung

• Vertrag • Verhandlung

• Vorbereitung • Umsetzung

Hausbesitzer / Vermieter Vermieten

Bewohnen • Renovieren / Instandhalten • Einrichten • Garten

• Mietrecht kennen • Kommunikation mit Mieter • Mietverwaltung

Vererben

Modernisieren

• Recht • Steuern

• Planung • Umsetzung • technisches Know how • rechtliches Know how

Abb. 4.14: Ein einfaches Schaubild reicht oft aus, um die verschiedenen Tätigkeiten und Aufgaben der Zielgruppe zu erfassen.

Hat man einmal die wesentlichen Tätigkeiten erfasst, erkennt man schnell, wofür man mit seinen Produkten Antworten und Lösungen bietet und wo es noch Lücken gibt. Wichtig ist jetzt im zweiten Schritt eine möglichst genaue Beschreibung der Tätigkeit. Tätigkeitsbeschreibung der Zielgruppe Immobilienbesitzer / Vermieter Beispiel für eine konkrete Beschreibung, die Schlussfolgerungen für die eigene Produktkonzeption zulässt

Finanzieren • Konditionen • Verhandlung

Bauen

Kaufen

Hausbesitzer / Vermieter Vermieter

Vermieten

• Recht • Steuern

Bewohnen • • • •

• Mietrecht kennen • Kommunikation • Mietverwaltung Vererben

• Vorbereitung • Umsetzung

• Vertrag • Verhandlung

Renovieren Instandhalten Einrichten Garten

Bei der Vermietung seines Objektes steht immer zu Beginn und am Ende eine Übergabe an.

Diese Übergabe erfolgt bisher meist mit vorgefertigten Formularen. Diese sind kostenlos im Internet und bei verschiedenen Verbänden erhältlich.

Modernisieren • Planung • Umsetzung • technisches Know how • rechtliches Know how

Bei der Übergabe müssen die persönlichen Daten erfasst werden. Die Mängel müssen schriftlich und möglichst auch mit Bild dokumentiert werden. Mieter und Vermieter müssen das Übergabeprotokoll unterschreiben.

Abb. 4.15: Vom Allgemeinen zum Besonderen: Durch eine genaue Schilderung einzelner Tätigkeiten kann man erkennen, zu welchen Aufgaben man dem Kunden Lösungen anbieten kann.

Durch den jahrzehntelang gepflegten, stabilen Verkauf von Büchern und Zeitschriften hat sich in Verlagshäusern die Gewohnheit eingeschlichen, dass dies die beste Produktform für den Kunden sei. Bei dem gezeigten Beispiel wird deutlich, dass bisher entwi-

102 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe ckelte Angebote nicht unbedingt die beste Lösung darstellen. Hat man lange Ratgeber zum Thema Wohnungsübergabe und Mietverträge verkaufen können, hat sich im Internet bald eine Vielzahl an Anbietern etabliert, die den Verlagen Konkurrenz machen.

Fallbeispiel: Übergabeprotokoll, das inklusive der üblichen Ratschläge und Tipps von einer Plattform für Wohnungsangebote (Immobilienscout24) zur Verfügung gestellt wird

http://bit.ly/129iWAY Abb. 4.16: Die kostenlose Konkurrenz: Im Internet finden sich viele Angebote kostenlos, mit denen früher Verlage noch kostenpflichtige Ratgeber verkaufen konnten. Eine App kann im Vergleich zu einem Buch oft die bessere Lösung sein für den Kunden. Welche das sein kann, erkennt man oft durch eine genaue Beschreibung der Tätigkeiten. Einfache, aber treffende Beispiele dafür finden sich im folgenden Artikel: A few years ago, these apps would have been books

http://bit.ly/18fTlHB

Durch die genaue Beschreibung der Übergabe wird jetzt aber noch deutlich, dass Fotos sowie die Unterschrift beider Parteien ebenfalls sinnvoll bzw. unbedingt nötig sind. Das reine Protokoll reicht also nicht aus. Ein Fotoapparat wird ebenfalls benötigt. Und eine Unterschrift muss auch auf den kopierten Seiten erfolgen. Will man diese dann elektronisch ablegen, so muss man die kopierten Seiten wieder einscannen. Aus dieser Beschreibung kann man folgern, dass die Übergabe durch ein Smartphone sinnvoll sein kann. Was also liegt näher, als eine App zu entwickeln, so dass mit dem Smartphone die Fotos gemacht werden können, die nötigen Eingaben zum Zustand der Wohnung und den Zählerständen darüber erfolgen und die Unterschriften direkt im Gerät geleistet werden. Das wäre eine Erleichterung, weil der Kunde dann über nur ein Gerät, das Smartphone, alles erledigen kann. Dazu reicht es aber nicht aus, zu sagen: „Der Kunde hält in einem Übergabeprotokoll alles Wichtige fest.“ Denn das suggeriert ja, dass er damit schon das richtige Werkzeug zur Verfügung hat.

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Die Tätigkeitsbeschreibung  Es ist wichtig genau zu beschreiben, was der Kunde macht, hier am Beispiel der Wohnungsübergabe. – Der Kunde bezieht das Protokoll online kostenlos von einem Portal seines Vertrauens (Mieterbund, Makler, Verlag…). – Der Kunde kopiert das Protokoll vorher, damit er mindestens zwei Exemplare hat. – Der Kunde trägt vor Ort die aktuellen Zählerstände ein. – Der Kunde hält mit einer Kamera die Wohnmängel fest. Diese Bilder druckt er später aus oder fügt sie meist einer eingescannten Fassung des Übergabeprotokolls bei, wenn er über eine Digitalkamera verfügt. – Der Kunde trägt die persönlichen Daten von Mietern und Vermietern ein. – Beide Parteien unterschreiben das Protokoll vor Ort.

Erst durch die exakte Schilderung wird deutlich, welche Arbeitsschritte anstehen und welche durch die Möglichkeiten einer Anwendung verbessert, unterstützt und optimiert werden können. Diese Vorgehensweise korrespondiert mit dem Werkzeug der „User Stories“ aus agilen Entwicklungsmodellen wie SCRUM. Wird das Produkt nach diesem Modell entwickelt, lässt sich die konzeptionelle Vorarbeit direkt im Design und der Implementierung einer Mobil-Anwendung nutzen. Das oben genannte „Persona“-Modell versteht sich auch als Methode, um diese nötige Klarheit bei der Entwicklung zu erhalten.

Abb. 4.17: Eine App kann mehr als ein Formular – hier das Beispiel Wohnungsübergabe. Der Kunde kann mit dieser App das Übergabeprotokoll erstellen, die Foto gleich machen und integrieren, die Zählerstände und alle relevanten Daten eingeben und die Unterschrift beider Parteien direkt am Gerät eingeben. Das Protokoll kann dann als PDF-Datei noch vor Ort versandt werden. Hier Screenshots einer Applikation im iTunes-Store von Haufe Lexware.

Dies ist ein Beispiel, wie durch mobile Geräte vorher voneinander getrennte Prozesse verbunden und anders gelöst werden können als bisher. Zudem wird deutlich, wie man die (häufig kostenlosen) Angebote von „reinem Content“ durch eine Applikation verbessern und erweitern kann. In diesem Zusammenhang sei vor allem auf einen wichtigen Punkt hingewiesen. Mobile Publishing heißt nicht, dass die Publikationsformen der Vergangenheit 1:1 übertragen werden können. In Bezug auf Apps heißt es vor allem, dass Tätigkeiten durch eine Software anders erfolgen können. Oft kann die Software für den Kunden Schritte erledigen, bei denen dieser vorher selber tätig werden musste. Denn in einem Buch, in einer Zeitschrift hat er „nur“ den Ratschlag erhalten, wie er etwas zu tun hat. Jetzt wird dem Kunden durch eine App oft das Denken abgenommen.

104 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe Ob das zu einer wie von Professor Spitzer vermuteten Verdummung der Menschheit führen wird oder ein Segen ist, das sei hier nicht erörtert. Fakt ist, dass es diese Angebote gibt. An dem Beispiel der Kartografie haben alle Beteiligten schnell gemerkt, was es bedeutet, auf seinem Smartphone eine Adresse einzugeben, auf „Route berechnen“ zu drücken und sich über das GPS leiten zu lassen. Kartografen und Anbieter von Stadt- und Straßenkarten wissen ein Lied davon zu singen, dass kulturpolitische und gesellschaftskritische Überlegungen („Unsere Karten sind besser, weil die Farbe der Autobahnen…, weil genauer in Bezug auf…!“ „Wir werden die Karten einen global agierenden Konzerns nie…!“ etc.) den Markt nicht beeinflussen. Wenn der Kunde kostenlos einen sofort erfassbaren Mehrwert erhält, der ihm das Leben leichter macht, dann greift er zu. Und dabei ist es auch nicht entscheidend, dass die Qualität der bisherigen, gedruckten Karten denen von Google, Nokia oder Apple überlegen ist. Solange sie ausreicht, von A nach B zu kommen, ist das Gesamtpaket besser. Natürlich empfiehlt es sich, dieses Wissen um das Kundenverhalten kontinuierlich zu pflegen und auszubauen. Die Klassiker, die Befragung der eigenen Kunden, können genauso genutzt werden wie die Einladung von Fokusgruppen. Die Erfahrung zeigt, dass dabei jedoch immer mindestens genauso viel Zeit für die Vor- und Nachbereitung eingerechnet werden soll wie für die Befragung selbst. Zu oft passiert es, dass für die Auswertung dann Zeit oder Geld oder Interesse fehlen. Bei Befragungen ist auf folgendes zu achten: – Bei allen Befragungen (online, gedruckte Fragebogen, persönlich) ist das Ziel entscheidend: Was will ich wirklich wissen? – Davon müssen die Fragen abgeleitet werden. Immer im Bewusstsein, dass die Kunden selten die ganze Wahrheit über sich preisgeben können. Erstens, weil sich niemand ganz kennt. Und zweitens, weil eine Befragung die reale Situation nur vortäuscht, in der Regel aber kein Opfer (den Griff in den Geldbeutel, zeitlicher Aufwand etc.) bedeutet. Es bleibt ja alles schön theoretisch. – Und auch längere Gespräche mit den „Fokusgruppen“ bieten keine Sicherheit, dass man jetzt weiß, was die Menschen wollen. Durch die Nähe und das längere Zusammensein wächst zwar das Vertrauen und man erfährt immer mehr als durch anonyme Befragungen. Aber auch hier manipuliert die Nähe die Aussagen. – Die Fragen müssen dann die richtige Mischung zwischen offenen und geschlossenen Fragen aufweisen und der Umfang muss je nach Belohnung auch richtig austariert werden. Sprich: Es empfiehlt sich hier, fachkundigen Rat einzuholen, will man wirklich gute Ergebnisse erzielen. – Die Auswertung sollte von neutraler Stelle aus erfolgen. Vor allem bei persönlichen Befragungen, in denen der Fragesteller seine Absichten nicht verbergen kann, ist ein Moderator Pflicht.

Ein digitales Produkt ist nie abgeschlossen. Die Kundenbeobachtung demzufolge auch nicht.

Wie wichtig der Blick auf den Kunden im Mobile Publishing ist, zeigt ein Blick in die Softwarebranche. Jede wichtige Software wird regelmäßig einem Usability-Test unterzogen, der dem Kunden genau zusieht, wie er bestimmte Aufgaben löst. Dies erfolgt heutzutage meist online, ohne dass es der Kunde merkt. Und die Spieleindustrie ist einmal mehr ein gutes Beispiel: Wenn man weiß, wie viele Kunden ein bestimmtes Level erreicht haben, wer an welcher Stelle abspringt und nicht mehr zum Spiel zurückkehrt, der weiß auch, was er verbessern muss. Deshalb werden Produkte schon vor dem Start oft in einem A-B-Test von ersten Kunden geprüft und es ist jedem klar, dass ein Produkt in der Version 1.0 fehlerhaft ist. Es gehört zum Wesen von Softwareprodukten, dass sie sich entwickeln. Ganz anders als einmal erstellte und abgeschlossene Romane. Und deshalb muss die kontinuierliche Beobachtung der Kunden ein fester Bestandteil der Produktentwicklung sein. Schnell erkennt man durch diese Methode, was vom Kunden als selbstverständlich vorausgesetzt wird („gute Trefferliste“, „störungsfreies Lesen“, „automatische



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Das Nutzungsverhalten 

Übersetzungsfunktion“…) und wo es Schwierigkeiten bei der Nutzung gibt. Die einfache Bedienbarkeit ist eines der zentralen Kriterien bei digitalen Produkten und gehört zu den Basisanforderungen. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt hier vor allem darin, dass die Beobachtung nicht eingetrübt wird durch die schon vorher gefasste Meinung des Betrachters. Und auch hier gilt: Sicher ist man erst, wenn der Kunde das Produkt gekauft hat.

4.5 Das Nutzungsverhalten: Zeig mir, wie du surfst und ich sage dir, wer du bist Komplementär zur Betrachtung der Tätigkeiten, aber für die Gestaltung moderner Digitalprodukte ebenso essentiell ist die Perspektive auf das Nutzungsverhalten der Kunden in bestimmten Medien und Produkttypen. Für die Produktgestaltung sind valide Daten insofern von besonderer Bedeutung, als sich Nutzergruppen und ihr Verhalten hier extrem auffächern und oft die Gefahr besteht, das eigene Nutzungsverhalten mit dem der Zielgruppe zu verwechseln. Ob die Kunden unter den Digital Natives zu suchen sind, oder eher skeptische bis zurückhaltende Nutzer digitaler Medien sind, macht für die Konzeption einen entscheidenden Unterschied. Um sich ein klares Bild vom Verhalten der Zielgruppen zu machen, sind aus unserer Erfahrung folgende Perspektiven hilfreich: –– Clusterung nach generellem Nutzerverhalten in Bezug auf Internet, digitale Medien und soziale Netzwerke: Je nachdem, wie technik- oder netzaffin die eigene Zielgruppe einzuschätzen ist, muss die potenzielle Kundenmenge für ein neues Angebot darauf angepasst werden. Auch für die Vermarktung des Produktes und die dafür optimalen Kanäle spielt dieser Faktor eine zentrale Rolle. –– Nutzungshäufigkeit von bestimmten Gerätetypen und Zuwendung zu bestimmten Ökosystemen: „Welche Geräte nutzt der Kunde wie intensiv? Und zu was?“, „Sind meine Kunden eher Nutzer von hochpreisigen Apple-Geräten oder eher im Massenmarkt Android zu finden?“ – Fragen wie diese schlüssig beantworten zu können, ist essentiell für die Konzeption des Portfolios über verschiedene Plattformen und Zugangswege hinweg. Erfolgt eine Produktoptimierung auf Tablet, Smartphone oder PC? Oder müssen gleichberechtigte Varianten für alle Zugangswege geschaffen werden? Hier aus der Betrachtung der Zielgruppen die richtigen Antworten zu finden, ist essentiell für die Wahl der optimalen ImplementierungsStrategie –– Das Nutzungsverhalten innerhalb bestimmter Typen von Digital-Medien: „Wie unterscheidet sich der eBook-Leser vom Buchleser?“, „Auf welche Weise nutzen eBook-Leser das Medium anders? Und welche Erwartungen haben sie an das Produkt?“, Wie werden Mobile Apps vom Kunden wirklich verwendet?“ – insbesondere bei Medientypen, mit denen die Produktmanager wenig eigene Erfahrungen haben, oder bei denen sich der Markt erst entwickelt, sind diese Fragen schwer zu beantworten. Marktstudien von großen, global agierenden Unternehmen wie Adobe, Random House oder Bookboon, können hier helfen, „das unbekannte Wesen“ Digital-Kunde fassbar und einschätzbar zu machen. Selbstverständlich zeigen Marktforschungen und Studien dieser Art immer nur das „Big Picture“, mit allen notwendigen Verallgemeinerungen und Abstraktionen. Aber gerade in einem so neuen Markt, in dem es wenige verlässliche Erfahrungswerte gibt, ist jede Orientierung hilfreich, die in der Produktkonzeption ein klares Bild vom Kunden geben kann, für den ein Angebot gestaltet wird.

Quellen: d21 Digital-Index Studie: Die 6 Typen der Internetnutzer

http://bit.ly/112rCWc Social Media And Behavior Study

http://bit.ly/11iZiLf

Quellen: Infografik: Who reads eBooks?

http://bit.ly/10GyFje Studie: Bookboon Global eBook Survey 2013

http://bit.ly/10FUF1D Studie: Mobile shopping and app usage (Adobe)

http://adobe.ly/16igglN

106 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe Die Methode

Das Handeln bestimmt das Sein

• Man beobachte empirisch, was der Kunde macht und richtet sein Produkt dem folgend aus. • Die exakte Beschreibung und die möglichst neutrale Haltung sind wichtige Voraussetzungen für den Erfolg.

Was erhält man?

ein gutes Bild von den Aufgaben und Tätigkeiten des Kunden

• Man weiß, was der Kunde wirklich macht. Man weiß, wie viele Kunden wann welche Tätigkeiten ausführen. • Man kann sein Produkt verbessern und erkennen, wo man dem Kunden eine bessere Lösung anbieten kann als bisher. • Man erhält viele (kleine) Ideen für weitere Produkte oder Verbesserungen, weil man in die Handlungen eintaucht.

Die Grenzen

der Kunde ist nur sichtbar in dem was er tut

• Man weiß nur, was jetzt passiert und betrachtet nur die Tätigkeit, isoliert, wie eine naturwissenschaftliche Tatsache. • Man weiß nicht, was die Kunden unbewusst bewegt und wie sie sich ihrem sozialen Umfeld bewegen. Abb. 4.18: Die Kundenanalyse aufgrund einer ausführlichen Tätigkeitsbeschreibung. Methode, Ergebnisse und Grenzen.

4.6 Der bewusste, unbewusste Wunsch – oder was treibt den Kunden wirklich um? Die Frage nach dem, was der Mensch wirklich wünscht und sucht ist so alt wie die Menschheit. Es ist hier nicht der Ort, auf die geistesgeschichtlichen Traditionen und die verschiedenen Diskurse der abendländischen Kultur hinzuweisen, die sich alle an dem Thema versucht haben. Gesucht wird in diesem Zusammenhang eher ein pragmatisches Vorgehen, das es ermöglicht, die Wünsche des Kunden besser zu erfassen. Denn die Grenzen der beiden oben vorgestellten Betrachtungen (soziodemographische Daten und die empirische Beobachtung des Kundenverhaltens) liegen vor allem in zwei Punkten: Sie beziehen sich weitestgehend auf das Vorhandene und die Ist-Situation. Und sie sind nicht so gut geeignet, um das zu erkennen, was sich der Kunde wohl wünscht, ohne dass er es selber schon sagen könnte. Denn um innovative Produkte zu erstellen, die den Kunden überraschen, muss man auch eine Vorstellung davon haben, was den Kunden positiv stimmt. Eine in der Praxis sehr eingängige Methode hat Dr. Hans-Georg Häusel entwickelt mit der limbic map. Dabei hat er Erkenntnisse der modernen Hirnforschung mit seinen Erfahrungen als Marktforscher verknüpft, so dass eine Vorgehensweise entstanden ist, die sich für die Praxis in Unternehmen eignet. Und man spart sich dabei den Umweg über die metatheoretischen Schriften Freuds inklusive der Analyse durch die Postmoderne, die philosophischen Betrachtungen eines Nietzsche oder die neurowissenschaftlichen Forschungen. Die Prämissen dieser Methode sind verkürzt die Folgenden: Der Mensch ist wesentlich von seinem Unbewussten geprägt. Seine Bedürfnisstruktur ist eine je eigene Mischung. Er strebt nach Belohnung und wandert dabei von einem Wunsch zum nächsten, weil nichts eine vollständige Befriedigung gewährt. Die Aussicht auf Belohnung ist der stärkste Antrieb. Der Ansatz basiert auf der Erkenntnis, dass alle Wahrnehmungen durch das limbische System ins Großhirn gelangen. Dabei werden alle Botschaften schon codiert, sprich mit einer Prägung versehen, und verortet. Die wesentlichen Prägungen lassen sich in drei Kategorien einteilen: Dominanz, Stimulanz und Balance. Bei jedem Men-

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Der bewusste, unbewusste Wunsch – oder was treibt den Kunden wirklich um? 

schen sind diese drei Prägungen in unterschiedlichen Konstellationen wirksam, was neben der genetischen Disposition und soziologischen Erfahrung auch mit dem Alter und Geschlecht zu tun hat. So wird eine Mutter mit zwei kleinen Kindern an der Hand beispielsweise das Geräusch eines vorbeifahrenden Porsches als bedrohenden Lärm empfinden, der sie dazu zwingt, ihre Kinder noch fester an die Hand zu nehmen, damit sie nicht auf die Straße laufen. Einem jungen Mann könnte der „Sound“ der Motoren wie ein Fanfarensignal erscheinen, das Stärke und Dominanz verspricht. Ein und dasselbe erfährt eine unterschiedliche Verortung im Gehirn und löst unterschiedliche Reaktionen aus – je nach Situation und Prägung der Person.

Abb. 4.19: Die Limbic® Map – der Emotions-, Motiv- und Werteraum im menschlichen Gehirn. Dominanz, Balance und Stimulanz prägen den Menschen wesentlich. Die entsprechenden Werte lassen sich in diesem Bild sehr gut zuordnen. Menschen, die stärker von Dominanz geprägt sind, werden Kampf, Sieg, Ehre und Leistung als Werte wichtiger nehmen als Nostalgie oder Spaß (Quelle: Gruppe Nymphenburg).

Um zu erkennen, was eine Person stärker prägt, wurde die limbic map entwickelt, auf der Motive und Werte verortet sind. Mit dieser Landkarte der menschlichen Werte und Prägungen lässt sich auf einen Blick erkennen, welche Eigenschaften und Aussagen zum eigenen Produkt im Vordergrund stehen sollten. Im Vergleich zu der Zuordnung von Werten in den oben geschilderten Modellen soziologischer Prägung werden die Werte hier nicht aus einer Zugehörigkeit zu einer Gesellschaftsschicht und aufgrund von Befragungen gewonnen. Die drei Emotionssysteme „Balance“, „Dominanz“ und „Stimulanz“ wurden aus wissenschaftlichen Untersuchungen verschiedenster Disziplinen entwickelt und sie kommen dort in leicht anderen Formen auch vor. Dabei spielen neurowissenschaftliche Erkenntnisse über die Botenstoffe im Gehirn eine ebenso große Rolle wie Beobachtungen aus der Sozialpsychologie und Molekularbiologie und Genetik. Dieses breite, theoretische Fundament bewirkt, dass die Zuordnung der Werte in diesem System nicht so abhängig ist von gegenwärtigen Vorstellungen der Gesellschaft wie bei den rein soziologisch erarbeiteten Modellen. Sprich: Die drei Emotionssysteme Balance, Dominanz und Stimulanz sind einfacher und universeller einsetzbar, unabhängig von dem Datenmaterial, das eine soziologische Studie

Die limbic map

http://bit.ly/19eWoi9

108 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe gerade zur Verfügung hatte. Sie sind griffig formuliert und basieren zugleich auf aktuellen Forschungsergebnissen. Und sie treffen das unbewusste Bedürfnis des Menschen genauer als die Begriffspaare „Tradition und Neuorientierung“ oder „Sozialität/Individualität“ sowie „Lebensfreude/Pflicht“ aus den oben genannten soziologischen Modellen. Besonders deutlich wird dies bei Produkten, deren Produkteigenschaften in austauschbar sind, d.h. in der Regel bei Markenprodukte. Auch Bier oder Zigaretten eignen sich zur Veranschaulichung: In Blindtests können in der Regel die meisten Testpersonen entgegen ihrer eigenen Meinung die Produkte selten voneinander unterscheiden. Umso wichtiger ist hier die Werbebotschaft, mit der die jeweiligen Anbieter ihre Produkte im Markt positionieren. Am Beispiel zweier Biermarken wird das gut deutlich. Eine Botschaft wie „sail away“ spricht junge Menschen an, die sich in glücklicher Partylaune und in Gesellschaft anderer, schöner Jugendlicher wohl fühlen, im Segelschiff den Eltern entfliehen und auf sonnigen Südseeinseln das Leben genießen. Wird das Bier immer mit der Semper-Oper in Verbindung gebracht, so möchte man den ansprechen, der ein „gepflegtes Pils“ in kulturell etablierter und angesehener Umgebung genießen möchte. Bier trinken ist eine kulturell mindestens ebenso große Leistung wie das Stillsitzen und Zuhören von klassischer Musik. Verständlich, dass hier eine ganz andere Altersgruppe angesprochen wird.

Abb. 4.20: Die Limbic® Map: Die Positionierung zweier Marken auf der Limbic® Map. Spricht die Werbung von Beck’s eindeutig junge Menschen an, die testosterongeschwängert lieber heute als morgen aus dem Elternhaus und der Enge der Gesellschaft ausbrechen wollen, richtet sich Radeberger mit seiner Werbung an die gesetzten Bürger, die heimatverbunden nach der Geborgenheit im Alkohol suchen.

In Kombination mit soziodemographischen Untersuchungen kann man mit Hilfe der limbic map auch prozentual die Größe bestimmter Zielgruppen erkennen.

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Der bewusste, unbewusste Wunsch – oder was treibt den Kunden wirklich um? 

Abb. 4.21: Limbic® Types (m+w) (gemeinsam erhoben mit Burda TDWI 2006). Repräsentativ wurden in Deutschland 20.000 Konsumenten gemessen. Man erkennt hier sofort, dass man mit einem Produkt, das die Balance anspricht, von vorne herein eine deutlich größere Zielgruppe anspricht als beispielsweise mit einem Produkt für Abenteurer.

Überträgt man diese Erkenntnisse auf das oben gezeigte Beispiel mit den zwei Biermarken, kann man eine stärkere Bereitschaft der jeweils angesprochenen Zielgruppen erkennen.

Abb. 4.22: Die Limbic® Map: Die indizierten Verteilungen der Limbic® Types (m+w) von Radeberger und Beck’s sind völlig unterschiedlich.

110 – Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe Mit Hilfe der limbic map kann man für die Gestaltung digitaler Produkte wichtige Folgerungen ziehen: – Ein Produkt verspricht dem Kunden dann eine Belohnung, wenn es neben seinen funktionalen Vorteilen auch die unbewussten Bedürfnisse treffend anspricht. – Liegen zwei vergleichbare Produkte vor, so wird das eher genommen, das die passende Botschaft vermittelt. – Eine App mit Kochrezepten kann sich beispielsweise an die verschiedensten Zielgruppen richten. Eine genaue Positionierung zum Beispiel für Performer funktioniert dann gut, wenn die Gerichte dahingehend ausgewählt werden, dass sie nur von Sterneköchen gekocht und den berühmtesten Persönlichkeiten des Landes verspeist werden, wenn für die Zubereitung auch erlesene, teure Zutaten und besondere Pfannen von Nöten sind etc.. – Ganz anders sind die beliebtesten Rezepte der Oma zu vermarkten: warme Farben, das Gefühl der Sicherheit und Bewahrung von Traditionen sind hier von Relevanz.

Hat man ein klares Bild der Bedürfnisse und Wünsche des Kunden vor Augen, können alle Produktmerkmale darauf überprüft werden, ob sie dazu passen. Erst wenn alle Glieder in der Kette zueinander passen, ist auch das Gesamtprodukt stimmig. Ein enhanced eBook zum Englischlernen für Performer setzt auf Leistung und Qualität und versetzt den Kunden in die Lage, schnell und effizient zu lernen und vor anderen zu brillieren. Hier darf für ein straffes Programm auch mehr Geld verlangt werden. Aber Botschaften wie „so fühlen Sie sich im fremden Land sofort zu Hause“ sollten dann ebenso ersetzt werden durch „so beeindrucken Sie mit dem ersten Satz“ wie Pastellfarben und Fotos von blühenden Wiesen. Letztere gehören dann aber zur Vorbereitungslektüre für den Sommersprachkurs mit Familienanschluss. Wichtig ist es, bei den schnellen Umbrüchen im Markt genau einzuschätzen, an welcher Stelle die digitalen Medien und ihre Nutzung in der Gesellschaft angekommen sind. Beim erstmaligen Lesen eines Romans auf einem soeben erworbenen Tablet oder eReader schwingt immer auch der Reiz den Neuen mit und überträgt sich auf das Produkt. Auch Omas Kochbuch wirkt dann modern und extravagant. Ist das Lesen auf einem eReader nach wenigen Monaten schon zur Gewohnheit geworden, dann entscheiden wieder viel stärker die Inhalte über das Nutzenversprechen und die Belohnung für den Kunden.

Die Methode

Der unbewusste Wunsch bestimmt die Kaufentscheidung

• Man untersucht den Menschen nach seinen Bedürfnissen und bildet dann Gruppen. • Empirische Untersuchungen, oft experimenteller Art, neurologische Untersuchungen und umfangreiches statistisches Material zur Quantifizierung der Zielgruppe sind die Grundlage. • Mit der limbic map kann man die Werte des Kunden und seine Bedürfnisstruktur verorten und relativ genau bestimmen.

Was erhält man?

ein pragmatisches Bild von den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden

• Man weiß, welche Bedürfnisse besonders prägend sind. • Man kann erkennen, wonach der Kunde strebt und seine Produkte dem entsprechend anpassen. • Man erhält eine Leitlinie für die Positionierung und Vermarktung des Produktes.

Die Grenzen

der Kunde lebt nicht nur von seinen Wünschen allein

• Das Verhalten aus der Gruppendynamik und dem Bedürfnis der Zugehörigkeit zu einer Gruppe wird nicht ausreichend erfasst. • Man weiß nicht, was die Kunden unbewusst bewegt und wie sie sich ihrem sozialen Umfeld bewegen. Abb. 4.23: Die Kundenanalyse aufgrund der (unbewussten) Bedürfnisse mit Hilfe der limbic map. Methode, Ergebnisse und Grenzen.

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Zusammenfassung 

4.7 Zusammenfassung In der Vielfalt der Möglichkeiten, die digitale Produkte bieten, muss man sich entscheiden. Es gibt im Vergleich zu früher viel mehr Darstellungsformen. Aber jede bedeutet auch eine Investition in eine bestimmte Technologie und den Aufbau von Know-how. Und dies nicht nur einmalig, sondern für einen längeren Zeitraum. Da es mehr Möglichkeiten der Darstellung gibt, da der Markt neu ist, da noch keine Erfahrungen vorliegen zur Nutzung dieser neuen Produkte, muss man das Bedürfnis des Kunden einmal mehr in den Mittelpunkt stellen. Vor allem auch deshalb, weil im Kampf um die Aufmerksamkeit des Kunden die Entwicklung der eigenen Marke an Bedeutung zunimmt. Im Netz vertraut der Kunde den starken Anbietern. Er vertraut denen, die er kennt. Er vertraut denen, die ihn schon einmal zufrieden gestellt haben. Vor allem aber denen, die ihn positiv überraschen. Und das schafft man nur, wenn die eigene Marke klar auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet ist. Um sich nicht zu verlieren in endlosen oder auch vagen Vermutungen über den Kunden, empfiehlt sich die Zusammenstellung eines Steckbriefs über die eigenen Zielgruppen. Dieser sollte so lang sein, dass er die hier vorgestellten Methoden Angaben enthält, und so kurz, dass er auch noch in kurzer Zeit von jedem Mitarbeiter gelesen werden kann. Dabei gilt: Die Charakterisierung muss klar und sofort verständlich sein. Sie muss überprüfbar sein. Und sie darf nie als abgeschlossen gelten. Der Vorteil eines solchen Vorgehens liegt neben der Systematisierung in zwei Dingen: –– Alle Mitarbeiter finden die nötigen Informationen an einer Stelle und müssen nicht an verschiedenen Orten unterschiedliche Daten pflegen. Das spart Zeit und ist effizient. –– Durch die gemeinsame Erstellung und dann auch Vorstellung des Steckbriefs werden unterschiedliche Vorstellungen von der Zielgruppe sichtbar und können diskutiert werden. Denn meistens hat jeder eine andere, oft nur ihm bekannte, eigene Vorstellung von seinem Kunden.

Ein Steckbrief über die eigene Zielgruppe fasst alle wichtigen Angaben zusammen.

5 Das richtige Produkt entwickeln – Dieses Produkt will der Kunde So entwickelt sich der Markt So wird es umgesetzt.

Das sind Ihre Zielgruppen – und das wollen sie

So rechnet sich das für Sie

So müssen Ihre Informationen aufbereitet sein So erreichen Sie Ihre Kunden

– Welche Produktformen und Trägermedien sind für welche Kunden geeignet? – Welche Aufbereitung passt zu welchem Inhalt?

Vom Kunden ausgehend lassen sich jetzt die Schlussfolgerungen ziehen für die eigenen Produkte. Je nach Größe der Zielgruppe, ihren Vorlieben und Wünschen kann eingeschätzt werden, welche Angebotsformen besser geeignet sind und welche weniger. Die Antwort hierauf ist einfach und schwer zugleich. Einfach, weil es zahlreiche Studien und Untersuchungen gibt, weil eigene Daten vorliegen und weil es ein pragmatisches Vorgehen ist, bei dem Reichweite, Kundenverhalten und Angebotsformen zusammen betrachtet werden müssen. Schwer in dem Sinne, dass einmal gewonnene Daten nicht lange Bestand haben. Die Nutzungsgewohnheiten ändern sich zur Zeit schnell. Das Schlagwort „disruptive change“ besagt genau das. So werden beispielsweise mit der Zunahme von Smartphones und dem Gebrauch der darin integrierten Navigation herkömmliche Straßenkarten ersetzt. Zu Beginn sind es nur die „early adopters“, die ersten Nutzer von neuen Technologien, die diese Funktionalitäten nutzen. Hat sich eine Innovation jedoch einmal etabliert, wandert sie schnell in andere Gesellschaftsschichten. Und dieser Wandel scheint schneller zu sein als bisher. Er ist nicht auf die Medienwelt beschränkt und führt dazu, dass digitale Lösungen von allen Kunden viel schneller angenommen und genutzt werden. Jared Diamond beschreibt in seinem Werk „Vermächtnis“ diese Beschleunigung: Wir können nicht davon ausgehen, dass wir den Einsatz neuer Technologien einfach der nächsten Generation überlassen. Bis dahin haben die Kunden schon mehrfach ihre Gewohnheiten geändert. Innerhalb eines Jahres gesellten sich beispielsweise den vorwiegend männlichen iPhone-Käufern so viele Frauen hinzu, dass das Geschlechterverhältnis hier mehr oder minder ausgeglichen ist. Das Tablet hat den Markt innerhalb eines Jahres verändert. Zugleich werden eReader von Viellesern und älteren Menschen stark genutzt, seit der Zugang zu den eBooks durch Amazon so einfach ist. Und dies gilt für sehr viele technologische Änderungen.

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Auf welchen Geräten erreiche ich meine Kunden? – Die Kennzahlen aus dem Markt 

5.1 Auf welchen Geräten erreiche ich meine Kunden? – Die Kennzahlen aus dem Markt Zunächst bieten die im vorangegangenen Kapitel aufgeführten Analysen des Kunden schon die Stichworte, die man jetzt für die Auswahl der richtigen Geräte und Aufbereitungsformen braucht. Ein erster Schritt ist die einfache Beobachtung der Zielgruppe. Was macht mein Kunde eigentlich mit den mobilen Geräten? Hier können die Erkenntnisse aus Befragungen und Fokus-Gruppen dienen, aber auch ganz einfach die Verkäufe. (Siehe hierzu auch die Hinweise auf Studien im vorangegangenen Kapitel.) Wenn man erkennt, dass Schüler zwar alle ein Smartphone besitzen wollen, aber sich dort im Wesentlichen über WhatsApp untereinander austauschen, so ist das eine wichtige Beobachtung für die Einschätzung der Verkaufbarkeit von Lernhilfen auf dem Smartphone. Dazu reicht eine erste Befragung aus. Damit diese Beobachtungen nicht gleich zu möglichen, falschen Schlussfolgerungen führen, müssen sie jedoch durch Zahlen überprüft werden. Jeder hat irgendeinen Freund, der auch schon mal und überhaupt… Bei den Befragungen im Bekanntenkreis oder näheren Umfeld schleichen sich schnell unbewusst die eigenen Vorstellungen und Wünsche ein und verstellen den Blick auf den Markt. Im nächsten Schritt müssen deshalb die Verkaufszahlen und Erfolge von anderen Angeboten geprüft werden. Dazu dienen die Hitlisten in den Stores, der Austausch mit Kollegen und die eigenen Erfahrungen, um die Heldenberichte der Plattformen und Wettbewerber richtig interpretieren zu können. Die folgende Checkliste kann helfen, den richtigen Zugang zu den eigenen Kunden zu definieren: Auf welchen Geräten erreiche ich meine Kunden? – Die Marktzahlen eReader

Smartphone

Tablet

andere

Reichweite insgesamt Aufgeschlüsselt nach Betriebssystem: IOS Android KF8 Microsoft Andere Aufgeschlüsselt nach Verkaufsplattform: iTunes Store Amazon Google Play Andere Welche Produkte werden vor allem gekauft? Nach Gerät Nach Plattform Wie ist das Preisgefüge? Von wem werden die Geräte vorwiegend genutzt? Abb. 5.1: Checkliste zum Vorhalten von Marktzahlen für die eigenen Zielgruppen.

Im ersten Kapitel haben wir im Rahmen der Ökosysteme die Marktentwicklung skizziert und konkrete Zahlen zu den Verkäufen und Plattformen genannt. Deshalb sei hier nur darauf verwiesen. Der Begriff des Ökosystems ist dabei für eine Beurteilung

Der Gebrauch der mobilen Geräte ändert sich rasch. Die einmal getroffenen Annahmen zum Kundenverhalten müssen deshalb regelmäßig angepasst werden.

114 – Das richtige Produkt entwickeln – Dieses Produkt will der Kunde des Marktes wichtig. Dadurch werden die Abhängigkeiten zwischen der Technologie, den Verkaufsstellen und den Angebotsformen deutlich. Denn es gibt keinen einheitlichen, transparenten Markt und die prägenden Veränderungen kommen durch die großen Unternehmen. Auf unserem Blog www.smart-digits.com gehen wir regelmäßig auf die Veränderungen im Markt ein und verweisen auf Studien und Kennzahlen zum Markt. Aber auch die Verbände und deren Arbeitskreise sowie zahlreiche andere Institutionen bieten Informationen und Austausch zum Thema an. Fassen Sie Ihre Einschätzung des Marktes an einer Stelle zusammen. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, ein gemeinsames Verständnis in ihrem Haus zu entwickeln. Denn mit Sicherheit wird jeder von Ihnen die Situation anders sehen. Der Steckbrief zur eigenen Zielgruppe (siehe Kapitel 4) kann dafür genutzt werden. Die Formulierungen könnten wie folgt lauten: Das sagt der Markt Mustertext für Ihren Steckbrief

Die Apple-Produkte richten sich vorwiegend an eine Zielgruppe, die technologische Neuerungen befürwortet. Die Produkte sollen den hohen ästhetischen Ansprüchen von Apple genügen und in dieses Umfeld passen. Deshalb gibt es in Apples Ökosystem eine Kontrolle der Formate, Funktionalitäten und Inhalte. Das passt gut zu meiner Zielgruppe, die sich als Manager auch gerne in diesem Umfeld bewegen. Konkrete Zahlen bei uns sind... Die Kaufkraft der Apple-Kunden ist in der Regel höher und auch die Bereitschaft, für digitale Produkte zu zahlen. Wir wollen eine zahlungsbereite Kundschaft ansprechen. Deshalb passt das gut zu den geplanten Produkten xyz. Durch sein Ökosystem (Hardware mit iPhone/iPad), Verkaufsstelle (iTunesStore) und Service (zahlreiche, sehr günstige Dienstleistungen wie Navigation, Weiterbildung etc.) ist es Apple gelungen, einen Markt neu zu definieren und mittlerweile eine viel breitere Masse an Kunden zu bedienen als zuvor. Das Betriebssystem Android ist stärker verbreitet als IOS. Google verfolgt im Gegensatz zu Apple das Ziel, möglichst vielen Kunden über seine Seite einen Zugang zu allem zu verschaffen. "Lizenznehmer" von Android wie Samsung haben im letzten Jahr sehr stark zugelegt und verkaufen mittlerweile mehr Geräte als Apple. Die eReader wurden schon mehrmals für tot erklärt, verkaufen sich jedoch immer noch in hohen Stückzahlen. Die Kunden sind Vielleser. Zunehmend finden sich auch ältere Personen darunter. Das zeigen vor allem die Marktzahlen von Weltbild, das eine eher konservative Kundengruppe anspricht und „trotzdem“ hohe Zuwächse mit digitalen Produkten und Geräten verzeichnet. Mit dem Tolino versucht sich eine Allianz mehrerer Unternehmen in Deutschland als Kokurrent zu Amazon zu positionieren. Tablets gelten als die PCs der Zukunft. Ihnen wird der größte Marktzuwachs zugetraut. Vor allem weil sie technologisch gesehen die größten Möglichkeiten für Kunden bieten. Smartphones haben in 2012 die klassischen feature phones abgelöst. Sie werden künftig den Markt bestimmen. Auch hier wird der Zugang zum Netz stark genutzt. Die wichtigsten Apps kommen aus dem Spielebereich oder unterstützen soziale Netzwerke. Gelesen werden weniger klassische Bücher, als vielmehr Kurzformen. Hier spielen vor allem die Kombination und Verknüpfung zu anderen Angebotsformen eine große Rolle.

Abb. 5.2: Muster für die Formulierung zur Einschätzung des Marktes.

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Auf welchen Geräten erreiche ich meine Kunden? – Die Kennzahlen aus dem Markt 

Diese erste Prüfung stellt sicher, dass man technologische Sackgassen möglichst vermeidet und eine erste Eingrenzung vornimmt. Hat man seine Zielgruppe als kaufkräftige Performer definiert, die eher ein höheres soziales Ansehen genießen und sich durch ihre Entschlossenheit und Durchsetzungskraft auszeichnen wollen, dann bieten sich eben die höherpreisigen Geräte und Plattformen von Apple eher an als die von Samsung oder Microsoft, während man RIM und seinen Blackberry – jahrelang das Spielzeug der Manager – aufgrund des mageren Ökosystems meiden sollte. Will man hingegen eine breite Zielgruppe mit kostengünstigen Angeboten erreichen, die sich durch Anzeigenerlöse oder Sponsoring rechnen, dann sollten AndroidGeräte ins Visier genommen werden. Viel schwieriger ist eine Bewertung der grundsätzlichen Akzeptanz der Geräte und ihrer Plattformen. Lesen ist eine Tätigkeit, die unterschiedliche Interessen befriedigt. Es gibt den Strafverteidiger, der hier die Quelle für die Durchsetzung seines Anspruchs findet und der im Gelesenen schnell auf den Punkt kommen will. Es gibt den Künstler, der mehr über das Leben erfahren will und nach Neuem sucht. Es gibt den Eskapisten, der sich in seine Traumwelt flüchten kann, in der er alles so interpretiert und vielleicht sogar gestaltet, wie er es sich auch wünscht und viele, weitere Nutzertypen mit ihren ganz eigenen Bedürfnissen. Und dasselbe gilt für den Film. Für jeden Geschmack ist etwas dabei.

Abb. 5.3: Jede Kundentypologie hat ihre wahren und falschen Seiten (Quelle: http://www.zazzle. com/iphone_vs_android_vs_blackberry_posters-228935259359726835).

116 – Das richtige Produkt entwickeln – Dieses Produkt will der Kunde Auf der limbic map lässt sich das Lesen deshalb nicht eindeutig verorten. Es ist Mittel zum Zweck. Zwar setzt diese Kulturtechnik Wissen, Intelligenz und Erfahrung voraus und die Wahrscheinlichkeit, auf kauf- und lesefreudige Kunden zu treffen, wächst mit dem Bildungsgrad – aber sie ist kein Garant. Im Gegenteil: Gerade durch den leichten Zugang zu allen möglichen Aufbereitungsformen über Smartphones und Tablets hat das Lesen nicht ab-, sondern zugenommen. Zugleich überlagert jetzt die Form auch den Inhalt. Hatte man jahrelang die Produktformen Buch, Zeitschrift, Kino, Fernsehen etc. als gegeben und erlernt hingenommen, so spielt jetzt die Verpackung wieder eine größere Rolle. Ein gedrucktes Buch wirkt „alt“ neben einem eReader oder Tablet. Und spricht damit auch stärker die an, die an traditionellen Werten hängen, einem Retro-Trend folgen wollen oder einen Gegenpol zum schicken, digitalen Mainstream formulieren. Denn der Umgang mit den neuen Geräten will noch gelernt sein, er hat sich noch nicht verfestigt. Und so lange die Nutzung neu ist, spricht sie eher die an Neuem Interessierten an. Ein Smartphone ist, kommt es von Apple, relativ teuer, in der neuesten Version ein Statussymbol und zeigt die Verfügbarkeit der Welt. Hier sind die aktuellen Aktienkurse besser aufgehoben als ein Heimatroman (außer der ist Kult). Denn der Gebrauch des Geräts prägt auch die Haltung des Nutzers. Er wird bei einem Smartphone eher auf den nächsten Anruf reagieren oder die nächste Mail und aktuelle Nachrichten gerne gleich lesen. Bei einem eReader ist die Botschaft eine andere: Ich habe Zugang zu allen Fantasy-Romanen der Welt, aber ich habe auch ein ungestörteres Leseerlebnis. Mancher Nutzer möchte vielleicht einfach nur ganz pragmatisch ein Gerät besitzen, das in allen Lebenslagen „funktioniert“, etwa auch am Strand oder unter der Bettdecke. Dabei wandelt sich zur Zeit wie bei allen Technologien mit der Breitenwirkung auch der Gebrauch in den Zielgruppen. Waren zu Beginn immer die „early adopters“ dabei, so findet sich das Smartphone mittlerweile in (fast) allen Gesellschaftsschichten. Dem Fernseher ähnlich werden mittlerweile auch Laptops und oft Smartphones auf der Liste der nicht gepfändeten Gegenstände gesichtet. Sie sind nötig, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Auf jedem Schulhof und an jeder Universität lösen die Smartphones das Auto als Statussymbol ab. Konnten Bücher, Nachrichten, Filme und andere Angebote auf dem Smartphone oder Tablet zu Beginn wesentlich von einer bestimmten Zielgruppe genutzt werden, so war klar, dass auch das Angebot für diese Zielgruppe bestimmt sein sollte. Ganz deutlich zeigt sich dies bei den eReadern. Über zehn Jahre tummelten sich eBooks auf dem PC und zahlreichen Readern. Gelesen wurden vor allem Fachtexte – und zwar von denen, die eh am Computer arbeiten und die auch die nötige Affinität mitbrachten, sich diese runterzuladen. Erst mit der Vereinfachung des Bestellprozesses bei Amazon und Apple wurden auch die Frauen angesprochen, die traditionell mehr lesen als Männer und die in einem Lesegerät eher einen einfachen Zugang zu dem sehen, was sie interessiert, als ein technisches Spielzeug. Und jetzt ist es verständlich, dass der Zuwachs an eBooks vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die eReader und Tablets immer mehr zu gewohnten und genutzten Geräten werden. So wie der Computer irgendwann auch die Schreibmaschine völlig abgelöst hat als Werkzeug zur Verfassung von Texten. Dasselbe zeigt sich am Beispiel Weltbild. Eine traditionell konservative, eher ältere Zielgruppe kauft eReader und Tablets und beschert dem Unternehmen die höchsten Zuwachsraten im digitalen Business. Hier spielen dann zwei Faktoren eine große Rolle: Der Kunde hat schon positive Erfahrungen mit Weltbild und seinen Produkten gemacht und erhält auch digitale Produkte auf einfachem Wege. Und für ältere Kunden bieten die Reader durch die schnelle Anpassung der Schriftgröße

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Auf welchen Geräten erreiche ich meine Kunden? – Die Kennzahlen aus dem Markt 

deutliche Vorteile beim Lesen. Noch ist es für viele Kunden ein neuartiges Erlebnis, einen Roman auf einem Reader zu lesen, die Nachrichten über die Tagesschau-App zu erhalten oder Filme unterwegs auf dem Laptop zu sehen. Diese Spannung am Neuen spricht deshalb auch eher nur die an, die das Neue suchen. Aber wie lange noch? Das heißt aber auch für die bisher verwendeten Medien, dass sie einen nostalgischen Wert erhalten. Eine Schreibmaschine erinnert, abgesehen davon, dass sie unpraktisch ist, an vergangene Zeiten, spricht also das Bedürfnis nach Tradition und alte Werte an. Auf der limbic map dürfte sie schwer mit Abenteuer und Dominanz verknüpfbar sein. Sie kann aber, im Rahmen von Abhörskandalen, plötzlich wieder als Instrument zum Verfassen von Geheimbotschaften einen unerwarteten Frühling genießen – und wird dann bei einer kleinen Zielgruppe wieder neu verortet. Dasselbe passiert mit dem Markt für Bücher und Filme. Auch hier werden die traditionellen, gedruckten und auch linear erzählten Produktformen eine stärkere Assoziation zu alten, tradierten Werten hervorrufen. Sie vermitteln zudem eine größere Ruhe, weil sie bekannt, einschätzbar und mit Erfahrungen belegt sind. Der Nutzer steht im Augenblick der Lektüre im wahrsten Sinne des Wortes nicht „unter Strom“. Ein gedrucktes Buch steht stärker für eine Auszeit, ein Besinnen, einen Rückzug aus der Hektik und Umgebung. Sucht man mit seinen Produkten jedoch die anzusprechen, die an Veränderung und Neuem interessiert sind, so sollte man zur Zeit auch die neuen Medien suchen. Bis sich eben die neuen Technologien so etabliert haben, dass sie zur Gewohnheit geworden sind und dadurch die Form den Inhalt nicht mehr so stark überlagert. Gut sichtbar wird das bei den Apps im Zeitschriftenmarkt. Hier hat man zu Beginn gedacht, die Apps müssten alle Möglichkeiten auch ausschöpfen, um den Kunden anzusprechen. Die Form (= die Möglichkeiten digitaler Produkte auf dem Tablet) hat den Inhalt (= die Nachricht, das Wissen, die Informationen, die auch bisher in einer Zeitschrift zu finden waren) überlagert. Man glaubte sowohl auf Kunden- wie auf Anbieterseite, dass eine App nur dann gut sei, wenn sie auch alle Möglichkeiten der Trägermedien nutzt. Einige Verlage haben mit viel Aufwand hochwertige Apps produziert und fast durchweg keine Renditen erzielt. Denn die Kunden, die sie im ersten Schritt ansprechen konnten, waren eher an dem Neuigkeitswert interessiert und haben die Produkte entsprechend daran gemessen, was sie technologisch so alles „drauf haben“. Dabei wurden die Kunden vergessen, die wie bisher auch primär an den Inhalten interessiert waren. Verlage haben zunehmend erkannt, dass die erste Botschaft die folgende ist: Ich muss sein, wo der Kunde ist. Nicht mehr, und nicht weniger. Die Art der App hängt vom Inhalt und der Funktion für den Kunden ab. Manche brauchen nur einen Zugang zu einer mobilen Website, manche ein schickes Magazin und wieder andere eine „richtige“ Applikation. Drei Beispiele verdeutlichen das: Die einfache App für crossmediales Publizieren The Awl  ist ein literarisch angehauchter Webauftritt mit wenig Geld für Extras. Die technisch relativ einfach realisierte App ist letztlich eine Art Lesebuch, das die wichtigsten Artikel zusammenfasst und dem Leser für eine geringe Gebühr zur Verfügung stellt. Das kleine Buch für nebenbei, wenn das Suchen auf der Seite zu viel wird und man längere Artikel in Ruhe lesen will. Die App präsentiert dem Kunden ein anderes Leseerlebnis als die Seite, passt sich deranderen Umgebung an und bietet durch die kuratierten Artikel auch einen Mehrwert. Sie ist ein Musterbeispiel für crossmediales Publizieren für den kleinen Geldbeutel.

In dem Augenblick, in dem eine Technologie zur Gewohnheit für viele wird, entfaltet sich der Markt meist exponentiell und verzeichnet sehr hohe Zuwachsraten.

Eine App muss nicht immer ein Schweizer Taschenmesser sein. Manche Kunden wollen einfach nur gute Inhalte lesen.

Fallbeispiel: The Awl

http://bit.ly/16XTfUN 

118 – Das richtige Produkt entwickeln – Dieses Produkt will der Kunde

Fallbeispiel: Forbes-Magazin für iPad

http://bit.ly/12GsrCy

Fallbeispiel: Die Web-App der Financial Times

http://on.ft.com/16XU6op Fallstudie: Building The New Financial Times Web App

http://bit.ly/Zeii14

Das Content Management System für hochwertige Inhalte MAZ bietet vor allen den Magazinverlegern wie Inc und Bust die Möglichkeit, ihre Hochglanzwerke zu einem relative geringen Preis (299$/Monat + 20 cent/Exemplar) auch als App anzubieten. Ein einfach zu bedienendes System macht aus der PDFVorlage eine App, die zum Teilen und Chatten einlädt. Interaktion ist vor allem bezogen auf das, was der Kunde daraus macht, nicht die aufwändig gestalteten Inhalte. Interaktion ist die Nutzung von Social Media   und der Austausch mit anderen über die gelesenen Inhalte. Die Kunden können Bildchen oder Texte gleich in ihren Netzwerken mit anderen teilen, kommentieren und belächeln. Und wer will, kann die aufgeführten Produkte auch noch gleich kaufen. Der Vorteil liegt darin, dass die Entwicklung und Anpassung ganz in den Händen der Agentur liegen und die Konzentration auf den Kernkompetenzen, den guten Inhalten, bleibt. Der Nachteil ist natürlich die Abhängigkeit vom Anbieter bezüglich des Content Management Systems. Es ist klar, dass hier zunächst einmal nur in Serie produzierter Inhalt für den App-Store vorliegt. Auch Forbes hat mit MAZ seine App neu auf den Markt gebracht, dabei aber zuvor noch den eigenen Webauftritt den digitalen Bedürfnissen angepasst und multimedialen Content aufgebaut. Auch hier ist die Kombination von PDF-Vorlagen, neuen, multimedialen Inhalten und die Nutzung der vorliegenden Inhalte in den sozialen Netzwerken der Vorteil. Die Web-App – oder der Weg zum Geld führt nicht über Apple Die Financial Times wollte nicht einsehen, dass man auch für über Apple gewonnene Abos nochmal 30% zahlen soll – und hat sich für eine Web-App entschieden. Diese wird über den Browser geladen und die Abrechnung erfolgt direkt über die FT. Und Kunden von Apple können dies über eine eigens für das iPad und iPhone optimierte App ebenfalls machen, indem sie nicht über den iTunes-Store, sondern über Safari auf die FT zugreifen. Nach eigenen Angaben sind die Besucher über Apple sogar gestiegen in den letzten Monaten. Leisten kann sich ein derartiges Angebot der, der schon über eine große Kundengruppe verfügt und mit den eigenen Kundendaten auch etwas anzufangen weiß. Der Spiegel hat dies in Deutschland vorgemacht. Gleichzeitig ist das App-Projekt der Financial Times ein hervorragendes Beispiel dafür, wie mit Techniken des responsiven Web-Design eine moderne Web-Anwendung effizient entwickelt werden kann. Wie stark der Kunde die Inhalte sucht und die Form vernachlässigt, das ist jeweils neu auszutarieren. Diese Tatsache nicht im Blick zu haben, wäre jedenfalls fahrlässig. Zusammenfassung – Das Verhalten der Kunden wandelt sich stetig, denn die neuen Technologien werden schnell von vielen Zielgruppen adaptiert. – Digitale Produkte werden deshalb nicht mehr nur von Nerds genutzt, sondern in einem sehr viel differenzierten Markt von verschiedensten Kundengruppen angenommen. – Die Erfahrungen und Kennzahlen zum Nutzerverhalten müssen deshalb regelmäßig überprüft werden. Das gilt für einzelne Produktformen wie eBooks, Apps oder enhanced eBooks genauso wie für die Ökosysteme im Gesamten.



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Mit welchen Produkten erreiche ich meine Kunden? 

5.2 Mit welchen Produkten erreiche ich meine Kunden? Die tausend Möglichkeiten, die bisherigen Produkte besser zu machen Oft finden sich noch unsägliche Diskussionen um den Nutzen und Unsinn digitaler Produkte, die vom zweiten Untergang des Abendlandes, der Verdummung der Menschheit, dem Verbot der Meinungsfreiheit oder dem freien Zugang zum Weltwissen für alle handeln. Dann werden sachlich richtige und wichtige Themen wie der Datenschutz oder die Honorierung von Leistungen sowie der mögliche Missbrauch überlagert von Ängsten und Ideologien. Wir stellen hier nur fest, dass die Digitalisierung nicht aufzuhalten ist. Und dass ein Wissen um das Funktionieren wichtig ist, um die neuen Technologien richtig einzusetzen. Sie verändern die Art der Wissensvermittlung. Und es ist für jeden an der Entwicklung des menschlichen Geistes Interessierten sinnvoll, sich damit auseinanderzusetzen. Gutes wird dabei machbar, Schattenseiten werden wie bei allen Änderungen nicht ausbleiben. Eines ist mit Sicherheit festzuhalten: Es gibt digitale Produkte, die einfach gut sind. Und die deshalb von Kunden genutzt und gebraucht werden. Und die sicher über kurz oder lang auch bisherige Produkte und Gewohnheiten ablösen. Damit das Produkt gelingt, ist auch hier die Wahl des Geräts von großer Bedeutung, auf dem es der Kunde nutzt. Eine 1:1-Übertragung gedruckter Bücher in Apps ist heute kaum noch der Mühe wert. Das leuchtet jedem ein. Die Frage lautet deshalb: Mit welchem Produkt kann auf welchem Gerät der größte Kundennutzen gestiftet werden, weil man dort das Kundenbedürfnis am besten befriedigen kann? (Siehe hierzu auch Kapitel 4)

Das Bessere ist der Feind des Guten: Viele digitale Produkte haben einfach das Zeug dazu, ihre analogen Vorgänger abzulösen.

Kundennutzen, Produktform und Gerät müssen zusammen gedacht werden. Wir empfehlen die folgenden Schritte. 1. Definieren Sie den Kundennutzen, den Sie bieten wollen (aktuell informieren, Hintergrundinformationen bieten…). 2. Listen Sie daneben die Bedeutung dessen für ihre Zielgruppen (aktuell informiert sein will er besonders, für Hintergrundinformationen fehlt ihm die Lust, mit Checklisten kann er sich hervortun…). 3. Schildern Sie, wo und wie der Kunde das Produkt nutzt (liest und löscht, liest und will bewahren, liest und will Teile in eigener Arbeit nutzen...). 4. Legen Sie die Aufbereitungsformen fest (Newsletter, Checkliste, lexikalischer Beitrag, langer Text mit nicht teilbaren Kapiteln…). 5. Listen Sie die Merkmale auf, wie die Informationen aufbereitet sein müssen, damit sie genau passen (knapper Stil, Text mit Fachinformationen, unterhaltender Stil…). 6. Bewerten Sie die dafür geeigneten Trägermedien (z.B. Smartphone eignet sich für aktuelle Botschaften, eReader für ein längeres Lesevergnügen…). 7. Bewerten Sie die aktuellen technologischen Beschränkungen und Möglichkeiten, vor allem im Hinblick auf die Ökosysteme (Amazon unterstützt/unterstützt nicht enhanced eBooks auf der Basis von EPUB 3.0…).

Aus diesem Check ergibt sich eine Matrix, aus der Sie die Gewichtung ablesen können. Je nach Kundenbedürfnis eignen sich andere Aufbereitungsformen, je nach Aufbereitungsform eignen sich andere Trägermedien, je nach Marktsituation eignen sich andere Zugänge zum Kunden. Man kann eine erste Einschätzung durch ein Punktesystem vornehmen, indem man für jedes Merkmal Punkte vergibt und dann im Gesamten gewichtet. Und im Grunde ist dies die Basisarbeit, um ein CMS aufzubauen. Content Management heißt nichts anderes als die Einordnung aller Informationen in Informati-

Es gibt nicht DAS gute oder DAS schlechte CMS. Sondern ein CMS, das Sie effizient unterstützt, die besten Produkte für Ihren Kunden zu entwickeln.

120 – Das richtige Produkt entwickeln – Dieses Produkt will der Kunde onseinheiten, um diese dann in verschiedenen Zusammenhängen wieder gesondert nutzen zu können. Je besser diese Informationseinheiten die Bedürfnisse der Kunden befriedigen, desto effektiver ist das CMS. Und diese Bewertung ist keine rein technologische, sondern muss zwingend den Kundennutzen, die Trägermedien und die Nutzungssituation mit einbeziehen. Ob man sich dann für ein CMS entscheidet oder erst einmal durch einfache Ablagesysteme arbeitet, hängt dann von der Strategie und dem Geschäftsmodell ab. Grundsätzlich empfehlen wir immer den Einsatz eines CMS, weil auf die Dauer die Pflege von Inhalten durch automatisierte Prozesse unterstützt werden muss. Auch eine effiziente Bearbeitung und Aufteilung von Verantwortlichkeiten ist nur durch ein CMS möglich. Damit sich die Anfangsinvestitionen bald rechnen, müssen die Geschäftsmodelle Skalierbarkeit und Mehrfachverwertung beinhalten. Beispiele für Checklisten, um die richtige Aufbereitungsform für die jeweiligen Inhalte zur Gestaltung des Produktes zu wählen, finden Sie im Folgenden: Wie lautet der Kundennutzen? Wie wichtig ist er für Ihre Zielgruppen? Leser 1

Leser 2

Leser 3

Leser 4

Leser n

Aktuell informieren Spannung vermitteln Bekanntes wiedererkennen Zusammenhänge vermitteln Bekannte Personen zeigen Neues entdecken Verständlich erfassen Schnell lernen Fundiert informiert werden … Abb. 5.4: Beispiel für eine Checkliste zum Kundennutzen und die Relevanz desselben für den Kunden.

– 121



Mit welchen Produkten erreiche ich meine Kunden? 

Wo nimmt der Kunde die Information auf? Welches Gerät eignet sich hierfür? eReader

Smartphone

Tablet

Zu Hause Auf dem Sofa (will entspannen..) In der Küche (will kurz informiert sein..) Im Bett (will abschalten…) Auf der Toilette (will Zeit nutzen, entspannen…) … In der Freizeit (zur Freude…) Am Wochenende (zur Ablenkung…) Am Abend … Im Auto (möglichst als Audio, …) Auf dem Fahrrad (als Kurzinformation…) Im Flugzeug (zur Vorbereitung…) Auf dem Weg zur Arbeit In öffentlichen Verkehrsmitteln (für kurze Strecken, Onlinezugriff z.T. unterbrochen) Im Zug (auf längeren Reisen, Onlinezugriff z.T. unterbrochen) Im Büro (als Angestellter zur Unterstützung seiner Arbeit)

Abb. 5.5: Beispiel für eine Checkliste zur Wahl des Trägermediums.

PC

Print

weitere

122 – Das richtige Produkt entwickeln – Dieses Produkt will der Kunde Welche Aufbereitungsform eignet sich besonders für den Inhalt und Leser? Leser 1

Leser 1 (Situation 2)

Leser 2 (Situation 1)

Leser 3 (Situation 3)

Leser 4 (Situation 1)

Langtext Serienroman Lyrik Dramatik Aktuelle Informationen Hintergrundinformation Lehrtext (Einstieg in ein Thema) Lehrtext (für Fortgeschrittene) Lehrtext (für Experten) Webinar Wissenschaftlicher Artikel Checkliste Abbildung Fotografie Infografik Animierte Infografik Video Test … Abb. 5.6: Beispiel für eine Checkliste zur Einschätzung der geeigneten Aufbereitungsform. Ein und derselbe Lesertyp kann sich in unterschiedlichen Situationen befinden und dann auch unterschiedliche Aufbereitungsformen benötigen.

Denken Sie daran, dass die Arten der Aufbereitung zahlreich sind und weit über das hinausgehen, was hier aufgelistet ist. Allein die verschiedenen Testformen (multiple choice, Lückentest, selbständige Erfassung…) und Möglichkeiten der Bewertung (eine oder mehrere Antworten richtig, Punktesystem, ausführliche Evaluierung…) und Belohnung führen schon zu einer deutlichen Erweiterung. Vor allem aber sollten digital spezifische Formen berücksichtigt werden wie Widgets, White Papers, Datenbanken und digitale Kataloge, Präsentationen oder Newsfeeds etc. Sie sind manchmal die bessere Lösung für den Kunden im Vergleich zum gedruckten Vorgänger.

– 123

Mit welchen Produkten erreiche ich meine Kunden? 

Wie sollen die Stilelemente aufbereitet werden? Einfache Sprache

Fachjargon erwünscht

Bilder

Grafiken

Video



Langtext Serienroman Lyrik Dramatik Aktuelle Informationen Hintergrundinformation Lehrtext (Einstieg in ein Thema) Lehrtext (für Fortgeschrittene) Lehrtext (für Experten) Webinar Wissenschaftlicher Artikel Checkliste Abbildung Fotografie Infografik Animierte Infografik Video Test … Abb. 5.7: Beispiel für eine Checkliste zur Einschätzung der richtigen Wahl der Stilelemente und der Vorgaben für die Styleguides.

124 – Das richtige Produkt entwickeln – Dieses Produkt will der Kunde

Welches Gerät eignet sich für was? eReader

Smartphone

Tablet

PC

Print

Langtext Serienroman Lyrik Dramatik Aktuelle Informationen Hintergrundinformation Checkliste Wissenschaftlicher Artikel Lehrtext (Einstieg in ein Thema) Lehrtext (für Fortgeschrittene) Lehrtext (für Experten) Webinar Wissenschaftlicher Artikel Checkliste Abbildung Fotografie Infografik Animierte Infografik Video Test … Abb. 5.8: Beispiel für eine Checkliste zur Auswahl des geeigneten Trägermediums.

weitere

6 Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden

So entwickelt sich der Markt So wird es umgesetzt.

Das sind Ihre Zielgruppen – und das wollen sie

So rechnet sich das für Sie

So müssen Ihre Informationen aufbereitet sein So erreichen Sie Ihre Kunden

– Big Data und das Sammeln von Kundendaten – Social Media Marketing und der Zugang zu den Vorlieben – Content Marketing und andere Wege zum Kunden

Die Digitalisierung bringt nicht nur neue Produktformen hervor. Fast noch bedeutender ist der unmittelbare und vielfältige Zugang zum Kunden, der durch die zahlreichen mobilen Geräte möglich wird. Digital commerce, e-commerce, m-commerce – wie man es auch immer nennt: Der Verkauf im Laden vor Ort hat eine mächtige Konkurrenz erfahren, die bei rein digitalen Produkten noch deutlicher vor Augen tritt. Durch die Verbesserung der Kundenführung auf den Plattformen, die Anpassung der Produkte, die einfachen Bezahlmöglichkeiten und den Ausbau des Netzzugangs im öffentlichen Raum haben die Steigerungsraten im digitalen Verkauf rapide zugenommen. Es vergeht kein Monat, in dem auf den einschlägigen Portalen nicht wieder eine neue Erfolgsmeldung über Steigerungen im Vergleich zum Vorjahr erscheinen. Und der Marktführer Amazon hat sich innerhalb weniger Jahre vom belächelten Verlustbringer zum Schrecken aller Branchen entwickelt. Denn wenn einmal der Kontakt zum Kunden hergestellt wurde, lassen sich über Smartphones und Tablets die vielfältigsten Angebote erstellen. Den Kunden erreicht man mobil nicht mehr wie vorher erst beim Kauf, sondern in allen Phasen:

If content is king – who moves him towards the customer? He needs the queen of e-marketing and distribution.

126 – Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden

Suche

Betreuung

mein Produkt mein Kunde

Entscheidung

Transaktion

Abb. 6.1: Den Kunden muss man von der Suche nach einem Produkt über die Entscheidungsfindung, die Transaktion bis zur Betreuung im Nachgang und der Vorbereitung für die nächsten Angebote pflegen und hegen.

Deshalb ist es beim Zugang zum Kunden so bedeutend, dass die Ansprache auf allen Ebenen stimmig ist. Ein Bruch an einer Stelle bedeutet Ärger. „Emotional Boosting“ (siehe hierzu auch das gleichnamige Buch von Dr. Häusel) ist das Schlagwort zur Tatsache, dass alle Kontaktpunkte zum Kunden in derselben „emotionalen Liga“ spielen müssen. Bei Aldi ist eine Schlange nicht so schlimm, wenn die Kassiererin Schnelligkeit zeigt. Denn die vielen anderen Kunden belegen ja nur, dass es hier etwas billig zu holen gibt. Im Feinkostladen kann eine längere Wartezeit das noch so exquisite Produkt versalzen, denn hier wird in allen Punkten eine hohe Qualität erwartet. Demgegenüber zeigt das Service-Modell der Apple Flagship-Stores, bei dem überhaupt keine stationären Kassen mehr existieren, wie das Spielen mit neuen Paradigmen auch auf dieser Ebene konsequent durchgezogen wird. Das heißt, dass all die vier Schritte verbessert werden müssen.

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Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden 

Vor dem Kauf

• Nachfrage erzeugen • Shops suchen und vergleichen

• Empfehlungen Die Entscheidung durch andere • Hilfe anbieten

Transaktion

Nach dem Kauf

• Coupons und Rabatte • Zahlvorgang

• Bewerten und empfehlen • Kundenbindung

Abb. 6.2: Die „customer journey“ im Mobile Publishing. An diesen Nahtstellen im digitalen Markt muss der Kunde zur Marke passend betreut werden. Denn hier werden die Entscheidungen getroffen.

Digital Commerce kann einen einfacheren, besseren Zugang zum Produkt bieten. Aber er kann auch dazu führen, dass der Distributor durch seine Kenntnis des Kundenverhaltens zum Anbieter wird. Nichts anderes macht Amazon, wenn es als Verleger auftritt. Ähnliche Modelle hat es auch früher schon gegeben mit Hugendubels eigenem Verlag oder Weltbild mit seiner Mischung aus Fremdangeboten und selber erstellten Produkten. Jetzt ist die Reichweite für einen digitalen Marktplatz ungleich höher und Skaleneffekte sind möglich.

128 – Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden

Ich muss mich auffindbar machen (Markenführung, Metadaten, Produkte, Social Media, eigener Auftritt…). Ich brauche Informationen über den Kunden und den direkten Austausch mit ihm, denn mein Produkt wird sich anpassen müssen. Ich brauche neue Partner, die den Zugang oder das Wissen über die technologischen Möglichkeiten und/oder den Kunden haben.

Abb. 6.3: Um digitale Produkte vermarkten zu können, sind drei Dinge unerlässlich: Die Erhöhung der Auffindbarkeit im Netz, das Sammeln von eigenen Daten über den Kunden und der kontinuierliche Austausch mit ihm, und die Zusammenarbeit mit (meist neuen) Partnern, die über Reichweite, Technologie und Kundenwissen verfügen.

Für die Vermarktung im digitalen Markt ist prinzipiell festzuhalten, dass Vermarktung und Vertrieb noch enger zusammenwachsen. Da ein digitales Produkt nie fertig ist, lebt es nur im engen Austausch zwischen Kunde und Produzent auch lang genug weiter. Es will am Leben erhalten werden. In der Kür natürlich durch die Rückmeldungen und Beteiligung des Kunden selbst: Co-Creation lautet das Schlagwort. Der Kunde soll so häufig wie möglich sagen können, was ihm gefällt und was nicht. Und da sich die Kunden im Netz ganz schnell über das Produkt austauschen können, die Informationen zum Produkt einen Klick entfernt und über verschiedenste Plattformen erreichbar sind – müssen Auffindbarkeit, Austausch mit dem Kunden und Vertrieb zusammen gedacht werden. Prinzipiell lassen sich direkte Wege (Verkaufsstellen wie der eigene Webauftritt, die großen Plattformen und Ökosysteme, spezialisierte Anbieter mit eine hohen Kundenbindung etc.) und indirekte Wege (social media, crossmediale Verweise etc.) zum Kunden erkennen. Beide müssen beschritten werden.

6.1 Was will mein Kunde und wie binde ich ihn an mich? Der Weg führt über „Big Data“

Der direkte Kontakt zum Kunden und das Wissen über ihn sind die Voraussetzung für die Wertschöpfung im digitalen Markt. Wo erreiche ich den Kunden künftig und welche Produkte will er?

In Kapitel fünf sind wir auf die Analyse des Kundenbedürfnisses eingegangen und haben dargelegt, dass das Sammeln von Informationen über den Kunden wichtig ist. Mit dem Schlagwort Big Data kommen jetzt alle Informationen über das Kaufverhalten des Kunden hinzu. Und das sind viele. Nicht von ungefähr lautet deshalb das Schlagwort in den USA “Big Data”. Es geht darum, alle möglichen Informationen über die eigenen Kunden zu sammeln und daraus Folgerungen zu ziehen für die weitere Produktentwicklung. Ob man darunter auch gleich die Bezeichnung Big Data braucht, oder diese nur für Datenmengen im Terabyte-Bereich, polystrukturierte Daten oder Echtzeit-Auswertungen versteht, sei dahingestellt. Hier wird der Begriff allgemein dafür verwandt, dass man künftig

– 129

Was muss ich wissen? 

sehr viel mehr Daten braucht. Und zwar für zwei Dinge: Um den Kunden direkt beliefern zu können und um zu wissen, wie man seine Produkte den Kundenbedürfnissen anpassen kann. Aber was soll man sammeln? Jeder Verlag hat seine Datenfriedhöfe und jetzt ist die Gefahr groß, dass diese nur erweitert werden. Der Unterschied ist im Wesentlichen, dass die Daten systematisiert werden sollen, die den Kunden und sein Verhalten besser erkennen lassen. Vier Fragen sollten bei der Datensammlung beantwortet werden: 1. Was weiß ich jetzt über meinen Kunden? 2. Was will und muss ich künftig über meinen Kunden wissen? 3. Welche Daten habe ich selber und will sie auch künftig selber haben? 4. Welche Daten beziehe ich über andere (Partner, Distributoren, Plattformen, Konkurrenten…)?

In der Regel übersieht man einige Informationen, die man schon hat oder überschätzt das eigene Wissen. Der in Kapitel 4 vorgestellte Steckbrief zur eigenen Zielgruppe sollte als Ausgangspunkt genommen werden. Von ihm aus kann man die weiteren Angaben und Daten zuordnen. Im nächsten Schritt muss man sich im Groben über das künftige Portfolio klar sein. Will man Spiele im App-Markt forcieren sind andere Daten wichtig als bei eBooks. Sind die eBooks wiederum ein Teil einer Datenbank und die Kunden Großabnehmer, so gelten auch wiederum andere Kennzahlen, um das Kundenverhalten zu messen. Dann muss entschieden werden, welche Daten man selber haben und ausbauen will und welche nicht. Hier sind in der Regel der Grad der Wertschöpfung und die Größe des Unternehmens entscheidend. Natürlich müssen Unternehmen mit einem Schwerpunkt in der Distribution wie Weltbild hier einen Fokus bilden, Zeitschriften und Zeitungsverlage müssen sich neu aufstellen. Vom Buch geprägte Konzerne wie Random House, Holtzbrinck oder die Bonnier Gruppe kommen auf Dauer im Bereich Buch an einem zielgerichteten Vorgehen nicht herum und Fachverlage haben aufgrund ihrer Nähe zu den Kunden immer schon eigene Datenbanken gepflegt. Hier geht es jetzt eher um die Höhe des jährlichen Budgets und um eine zweckdienliche Organisation und dazu passende Systemarchitektur, nicht um die Frage, ob man sich mit dem Thema befasst oder nicht. In anderen Häusern ist es eine Frage der Abhängigkeit von Distributoren und die Kompetenz in der Entwicklung der eigenen Produkte. Ein auf Mainstream spezialisiertes Haus für eBooks wird immer Amazon als Konkurrenten haben, je austauschbarer die Inhalte der Produkte sind. Dem folgend wird der eigene Kontakt in die Zielgruppe gestaltet werden müssen. Es geht darum, was man über die eigene Zielgruppe mehr weiß als die Konkurrenz und ob man in der Lage ist, dieses Wissen schnell genug in entsprechenden Angeboten umzusetzen.

6.2 Was muss ich wissen? Um Datenfriedhöfe zu vermeiden, muss man zu den vier oben aufgeführten Fragen noch eine ergänzen: Welche Information wird auch dazu führen, dass ich etwas ändere?

Natürlich können auch viele Informationen erst später in einem anderen Kontext ihre Relevanz zeigen. Aber angesichts der Fülle der Informationen sind Stringenz und Konzentration auf das Wesentliche wichtiger.

Welche Daten sind relevant? Relevant sind alle Informationen, die zu einer Verbesserung der Wertschöpfung führen (Produkt, Prozess, Service…).

130 – Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden Deshalb empfiehlt es sich, den klassischen A/B-Test als Sparringspartner für die Daten zu holen: Wenn eine Information zu einer Änderung am Produkt, dem Service oder bei den eigenen Prozessen führen soll, dann muss es zwangsläufig ein Vorher und Nachher geben, d.h. zwei unterschiedliche Zustände. Und die kann man messen. In der Softwarebranche sind das die A/B-Tests, die in manchen Firmen fast täglich durchgeführt werden und die immer zu einer Empfehlung führen, das Produkt in der ein oder anderen Form umzusetzen.

6.3 Welche Arten von Daten soll man sammeln? Artikel: Big Data

http://bit.ly/1570ENu

Harte Kennzahlen sind natürlich wie immer die Basis. Hier hat der Kunde mit dem Geldbeutel entschieden. Mehr Klarheit gibt es nicht. Die realen Verkäufe über die eigenen Shops und die Handelspartner müssen immer der Ausgangspunkt der Übersichten sein. Alle weiteren Angaben dienen dazu, die „harten“ Kennzahlen zu belegen, zu bewerten, zu widerlegen: Alle Daten zum Kunden am Point of Sale, im Netz, im direkten Kundenkontakt sind nötig, um die Wiederholbarkeit und mögliche Skalierbarkeit der Verkäufe zu verifizieren. Was macht der Kunde wie, wo und wann? Wie verhält er sich auf der eigenen Plattform? Was macht er in den sozialen Netzwerken? Welche Themen interessieren ihn wo und warum? Um zu entscheiden, welche Informationen man selbst erschließen sollte und welche über Partner, helfen die folgenden Fragen: – Wie schnell könnte man Änderungen umsetzen? – Wie groß ist die Abhängigkeit von dem Partner? – Wie groß ist die eigene Bedeutung für den Partner?

Ergibt sich daraus, dass die Abhängigkeit an einer Stelle zu groß ist, so muss man prüfen, ob die eigene Gewinnung von Daten trotz der nötigen Investitionen sinnvoll wäre. All die Bemühungen um eigene Reader, eigene Shops, eigene Communities etc. kann man problemlos im Keim ersticken mit dem Hinweis auf schon vorhandene Angebote. Der Punkt ist: Wo brauche ich den eigenen Zugang zum Kunden, weil er ein zentraler Teil meiner Wertschöpfung ist? Und wo ist die Hoheit über die Kundendaten für die Entwicklung des eigenen Angebotes geschäftskritisch?

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Program follows data 

Checkliste zum Sammeln der Kundendaten Eigene Daten

Fremde Daten

Relevanz für die Umsetzbarkeit der Produktentwicklung Ergebnisse

Verkaufskennzahlen (z.B. gegliedert nach Kundengruppen, Distributionswegen, Paketangeboten, Einzelverkauf…) Kundenverhalten beim Kauf (z.B. gegliedert nach Ort des Einkaufs, Bestellung über welches Device, Informationsgewinnung im Vorfeld über…) Was hält der Kunde vom Produkt? (z.B. gegliedert nach Empfehlungsbereitschaft, Weiterleitung über social media-Kanäle, direkten Rückmeldungen, Kundentreue…) Interessen und Verhalten des Kunden allgemein (z.B. gegliedert nach Interessen für ähnliche Produkte, Bedürfnisprofil, Umfeld…) Abb. 6.4: Checkliste zum Sammeln von Kundendaten. Man muss wissen, welche Daten man braucht und künftig selber weiter gewinnen will und welche nicht. Besonders relevant sind alle Daten, die dazu dienen, das eigene Angebot schnell zu verbessern. Um das entscheiden zu können, muss man die Relevanz der Daten für die Entwicklung des eigenen Portfolios einschätzen. Denn Daten, die keine Auswirkung auf das Verhalten haben können, sind wertlos. Dafür dienen die beiden letzten Spalten. Wenn man für die Entwicklung entscheidende Informationen nur über Partner bekommt, so muss man diesem vertrauen können. Und er sollte die Wertschöpfung nicht selber übernehmen wollen. Dafür dienen die beiden ersten Spalten.

6.4 Program follows data Die Games-Branche hat es vorgemacht und zeigt, wie man Kundendaten auswertet und daraus bessere Produkte macht. Das wird mit den eBooks auch noch passieren. Die Auswertung ist komplex und die Folgerungen nicht immer so einfach zu ziehen. Deshalb wird es dauern, bis sich die entsprechenden Modelle auch in den Unternehmen durchsetzen werden. Zumal nur Weltbild annähernd viel investiert hat in Kundendaten und Distribution und wie Amazon auch eigene Produkte anbietet. Diese können künftig noch besser entwickelt werden.

132 – Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden In den USA sind es aber auch Kobo, sourcebooks, copia und alle anderen, die sich mit eBooks befassen, die einen Teil des Kuchens begehren und systematisch Kundendaten sammeln. Eine, wenn auch etwas ältere, Übersicht, welche Daten über welche Geräte erhoben werden, bietet die electronic frontier foundation. Das GFK-Tool der Zukunft wird aus den Daten der Cloud gespeist werden, die genau aufzeigen, wie viele Leser bei Seite 5 eingeschlafen sind und die Passage auf Seite 34 ihren Freunden geschickt haben, weil sie gar zu schön war. Bei Ratgebern und Fachbüchern können derartige Informationen zu einer Verbesserung beitragen. Schließlich liegt ihr Anspruch ja auch darin, gelesen und verstanden zu werden. Und hier werden die Verlage das Know-how aufbauen, wie man die richtigen Schlüsse zieht aus der Fülle der Informationen. Heißt jetzt ein häufiges Blättern zwischen Seite 50 und 55, dass die Passage gut war oder einfach nur schwer verständlich? Bei anspruchsvoller Literatur sind Schlussfolgerungen auf das Programm eher marginal, wenn nicht gar kontraproduktiv. Aber je näher man dem Mainstream kommt und schnell auf die Vorlieben vieler Leser oder gesellschaftlich gerade relevante Themen reagieren muss, desto wichtiger sind diese Auswertungen.

6.5 Den Kunden kennen Der digitale Kunde ist überall und kommt jederzeit aus einer Richtung, aus der man ihn nicht erwartet. Diesen Kundenkontakt aufzubauen ist vor allem für Publikumsverlage eine große Herausforderung. Anders als Fachverlage sind sie vom Handel abhängiger und haben es meist nicht gelernt, einen direkten Kontakt zum Kunden aufzubauen. Ihr Geschäftsmodell beruht auf einer Offenheit gegenüber allen Möglichkeiten und Strömungen im Markt, zu dem man dann das entsprechende (Buch-) Programm entwickelt: zehn, hundert, viele Titel werden gleichzeitig ins Rennen geschickt und einer wird schon gewinnen und das Preisgeld für alle anschaffen. Was aber, wenn Amazon den nächsten „Fifty shades of grey“ an Land zieht und nicht mehr Random House? Der Einstieg von Amazon über das Buchgeschäft wird zum gewichtigen Wettbewerbsvorteil im gesamten digitalen Markt: Ein breites Sortiment + relativ günstige Preise + immer wieder neu entstehende Produkte + viele Kunden = Big Data. Amazon hat die letzten Jahre Daten angesammelt, die mit der Zeit einen immer größeren Wert erhalten. Und es geht nicht mal so sehr darum, dass Amazon aus der Sicht der Leser die wichtigste Datenbank für die Recherche von Büchern und andern Medien ist. Natürlich ist es für Verlage ärgerlich, wenn Autoren ihre Bedeutung einzig vom Ranking bei Amazon ablesen wollen und nicht erkannt haben, dass hier ein Konzern im Markt ist, der eine große Bandbreite an Informationen bereithält, aber nie daran interessiert sein wird, ein objektives Bild dieses Marktes zu liefern. Es geht vielmehr darum, dass die Bücher der Einstieg sind in ein noch umfangreicheres Datennetzwerk, das Auskunft geben wird über den Kunden. Über den eigenen Web-Browser Silk wird Amazon noch viel mehr Informationen erhalten über die digitalen Lesegewohnheiten und dem folgend auch das eigene Programm anpassen können. Deshalb darf die Hardware wie die Kindle-Familie Verluste schreiben. Denn der Gewinn über den Verkauf von weiteren digitalen Produkten übertrifft bei weitem die Verluste. Bücher werden wie das Fernsehen oder Zeitschriften zu einem Spiegel für die Werbetreibenden. Dass Amazon hier als Gemischtwarenhändler auftritt, macht die Sache noch attraktiver, weil dann der Werbepartner für das eine Produkt auch noch direkt über Amazon ausliefern kann und Amazon doppelt verdient.

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Distribution ist nur ein Teil des Kundenkontakts – Social Media 

Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass die Frage nach den Partnern wichtig ist. Als Anbieter von Fachinformationen wird mich Amazon wahrscheinlich nicht so stören, außer dass jedes Jahr an den Konditionen geschraubt wird. Denn das Thema verspricht eine Nische. Einem Anbieter von Mainstream mit hohen Absatzzahlen ist die Konkurrenz der Großen gewiss.

6.6 Distribution ist nur ein Teil des Kundenkontakts – Social Media Seit Malcolm Gladwells “Tipping Point” kommt man an den Multiplikatoren nicht mehr vorbei. Und über die Social Communities wird jedem sofort deutlich, wer dort welche Reichweite hat und besonders effektiv Mundpropaganda für ein Produkt machen kann. Denn diese durch soziale Relevanz erhöhte Reichweite ist es, die vor allem für die Verbreitung sorgt: Jeder vertraut am meisten dem, den er kennt und am wenigsten den vermeintlichen Werbebotschaften. Diesen werden sofort eine unlautere Absicht und ein Angriff auf das eigene Portmonnaie unterstellt. Die scheinbar absichtslosen Kommentare anderer Kunden wirken glaubwürdiger. Deshalb hat Amazon Goodreads erworben, weil diesem auf Distribution und Logistik getrimmten Unternehmen das freundliche Miteinander mit den Kunden fehlt. Goodreads dagegen ist eine etablierte Leser-Community mit funktionierender Eigendynamik und den im angelsächsischen Raum meisten Rezensionen zu Büchern.

Abb. 6.5: Dort wo gekauft wird, wird meistens nicht entdeckt. Die Grafik zeigt eindrucksvoll, dass in 2012 die Empfehlungen für einen Buchkauf vor allem über die Seiten der Autoren kommen (neben den persönlichen Ratschlägen von Freunden und Familie). Eine relativ unabhängig agierende Plattform wie Goodreads hat vor dem Erwerb von Amazon auch deutlich mehr Käufer animiert als alle großen Plattformen. Dies kann als Beleg für die Relevanz von Social Media gelesen werden.(Quelle: Bookintelligence)

Der Kontakt zum Kunden erfolgt nicht nur beim Kauf. Es gibt ein Davor und ein Danach, es gibt vor allem Social Media.

134 – Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden Deshalb gilt es, den Kontakt zu denen aufzubauen, die wiederum eine hohe Verbreitung haben. Und den Kunden so viel wie möglich von sich und seinen Produkten zu zeigen, um sie zu Mitwissern und Vertrauten zu machen. Wenn man das, was einem gefällt, auch sofort zeigen kann, wächst das Vertrauen in die Empfehlung. Was kann man sofort zeigen im Internet? Schöne Bilder, 3D-animierte Anzüge und Schuhe – und natürlich andere digitale Produkte. Ein Zitat, ein Ausschnitt aus einem eBook ist für jedermann leichter weiterzuleiten wie zu telefonieren: „Schau mal, was für ein tolles Zitat, was für ein gutes Rezept, welch klarer Gedanke…“ Übers Netz lässt sich damit Reichweite erzielen und potentiell neue Kunden können erreicht werden. Aber wen erreiche ich damit? Im mobilen Netz sind 1% der Nutzer für über 50% des Traffic verantwortlich (siehe Kapitel 2). Ähnlich wie auch sonst im Internet sorgt ein ganz kleiner Teil für viel Wirbel und die meisten lassen sich unterhalten. Ist das ein Grund, nicht mitzumischen? Im Gegenteil. Die Meinung der Blogger und Aktivisten wird ernst genommen. Sie erhalten genauso viel Gehör wie die etablierten Journalisten. Oft noch mehr, weil sie das Vertrauen der Leser durch kostenlose Informationen, eine direkte Ansprache und Offenheit erhalten haben. Sie sind deshalb in diesem Punkt genauso wichtig zu nehmen wie professionelle Journalisten. Das ist die eigentliche Revolution.

90% of postings from 1% of users

10% of postings from 9% of users No postings from 90% of users

Abb. 6.6: Die 90-9-1-Regel von Jakob Nielsen besagt, dass ca. 90% der Nutzer nur zusehen oder konsumieren, 9% nur von Zeit zu Zeit einen Beitrag leisten und 1% der Nutzer für die meisten Inhalte verantwortlich sind. Diese „Regel“ aus der Erfahrung mit dem Internet lässt sich grob auch auf alle anderen Aktivitäten übertragen, auch wenn Social Media-Aktivitäten anders zu bewerten sind (siehe auch Kapitel 2.5). (Quelle: http://www.useit.com/alertbox/participation_inequality.html).

So hat der Internetdienst book2look Verlagen zeigen können, dass beispielsweise relevante Multiplikatoren an ganz anderer Stelle im Netz sitzen können als vermutet. Am Beispiel des Kinderbuchs wird das besonders schön deutlich, wenn mitteilsame Mütter und Väter sowie Buchhändler Empfehlungen abgeben und nachweislich Verkäufe generieren.

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Social Media Marketing 

Abb. 6.7: Das Beispiel book2look: Hier werden durch die Empfehlungen der Leser an andere Leser Daten gesammelt über die Multiplikatoren. Man kann erkennen, wer im Netz was ansieht, Käufe tätigt und dafür sorgt, dass andere Leser geworben werden.

Denn die richtigen Multiplikatoren sind über die Analysetools im Netz keine Unbekannten mehr. Wer unter den vielen Freunden und Followern wirklich etwas für das eigene Produkt bewirkt, ist recht einfach zu ermitteln. Und diese Multiplikatoren sind dann genau so sorgsam zu pflegen wie die Journalisten durch klassische PR. Wobei die Schlagwörter „Relevanz“ und „Reputation“ erstaunlich häufig im Zusammenhang mit Social Media-Strategien fallen: Die Multiplikatoren kämpfen für die Ehre und wollen genauso ernst genommen werden wie ihre häufig (besser) bezahlten Kollegen in den Medienhäusern. Überzeugt werden wollen sie durch Argumente und Offenheit. Und das braucht Zeit. Wie gute PR eben immer schon. Und weil man diese Zeit im Big Business der Verlage so selten hat, empfehlen sich Partnerschaften. Und zwar mit Firmen, Verlagen, Bloggern und anderen Kooperationspartnern, die über eine hohe Reichweite verfügen. Den Spielarten der Kooperation ist dabei keine Grenze gesetzt. Im Gegenteil zeigen Beispiele aus den USA, dass es hilfreich ist, offen für viele Schandtaten zu sein. Das erhöht den Erfolg.

6.7 Social Media Marketing Social Media Marketing ist nicht der Schwerpunkt dieses Buches. Deshalb werden wir nur grob darauf eingehen. Auf das schöne Bild von Wayne S. Roberts zu Social Media wollen wir aber nicht verzichten: Alle plappern in der Schule vom ersten Sex und jeder will´s wissen. Ungewissheit vorher (wie soll ich das nur machen?) und nachher (war´s das schon?). Noch weiß niemand, wo die Reise hingeht und was alles mit Social Media zusammenhängt – und im Vergleich zu den etablierten, bekannten Marketingmaßnahmen bietet Social Media Marketing nicht die klaren, raschen und messbaren Erfolge. Entscheidet man sich für den Schritt in die Digitalisierung, bleibt einem gar keine andere Wahl, als zumindest zu wissen, was denn dort im Netz so alles vor sich geht. Die eigenen Kunden sind dort und die muss man kennen. Und ob man ganz groß oder mit wenig Aufwand einsteigt, es lohnt allemal, sich mit Roberts die wichtigsten Regeln noch einmal vor Augen zu halten.

Book2look: Ein Beispiel für die Vermarktung von Inhalten

http://bit.ly/12a0Fn5

136 – Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden 1. Erfasse zuerst das Ziel und wie du das Ergebnis misst. Wenn man zu Beginn keine messbaren Kriterien definiert, lässt sich der Erfolg oder Misserfolg nicht einschätzen. Die Kriterien können einfach aus der bisherigen Tätigkeit abgeleitet werden: –– Wie viele Neukunden will ich im Zeitraum x erreichen? –– Wie viele der bisherigen Kunden erhalten auch auf dem neuen Weg von mir Informationen? –– Wie viele neue Produkte konnten verkauft werden? –– Wie viele Rückmeldungen von Kunden erhalte ich im Zeitraum y? Erst vom Ziel lassen sich dann die Maßnahmen ableiten. Jedes dieser Ziele ist sinnvoll, aber Reichweite ist etwas anderes als Verkauf, Kundendaten gewinnen etwas anderes als der Austausch zu Inhalten. Und die Maßnahmen, die dazu führen, sind jeweils andere. Da man eh nicht alles gleichzeitig machen kann, sollte man sich bei den ersten Schritten fokussieren. 2. Sag kurz und bündig, wofür dein Unternehmen, deine Marke steht. Wenn man das nicht kann, ist es Zeit für eine Überprüfung der eigenen Markenstrategie. Und das ist nicht nur eine Aufgabe für große Konzerne mit Stabstellen. Denn die Kunden merken unabhängig von der Größe sofort, ob das Angebot auch in den sozialen Netzwerken stimmig erscheint oder nicht. Glaubwürdigkeit und Authentizität sind wichtige Währungen. Man verspielt sie nicht so schnell, wenn man selber weiß, wer man ist, und das auch durchgängig vermittelt. Und hier wird für viele ein Umdenken erfolgen. Denn die Wertschöpfung wurde vielfach als ein Bündel von Dienstleistungen am Kunden (=Autor und Leser) gesehen. Produktverbesserung (=Lektorat), Produktion (=Druck des Buches oder der Zeitschrift) und Distribution (=Lieferung über den Handel) aus der Sicht des Verlages, Beratung und Orientierung und Distribution aus der Sicht der Buchhandlung. Wahrscheinlich wird es das nicht mehr sein, weil hier andere Anbieter auf den Markt gekommen sind. Nutzen Sie deshalb Social Media, um selber noch einmal festzulegen, wofür Ihr Unternehmen steht. Deshalb ist der nächste Schritt meist zwingend: 3. Verstehe, warum deine Kunden deinem Unternehmen treu sind. Und warum sie dich empfehlen sollen. Die Versprechen der eigenen Marke kann man erst richtig verstehen, wenn man auch die Kunden kennt, die diesen Versprechen trauen. Warum tun sie das? Kommen sie genau aus den Gründen, die Sie selber angeben, oder vielleicht aus ganz anderen Gründen? Durch die Digitalisierung ändert sich beim Kunden auch die Wahrnehmung der Verlage und Buchhandlungen. Wenn ich im Selfpublishing mein Buch schneller auf den Markt bringe und mehr verdiene, wozu will ich als Kunde denn noch einen Verlag? Wenn ich bei Amazon sowieso alles und vor allem digitale Produkte nach Hause erhalte, wozu brauche ich dann noch die Buchhandlung um die Ecke? Trotzdem gibt es sie ja noch und deshalb muss man den Kunden fragen, was ihn gerade jetzt an einem interessiert. Ist der lokale Bezug für Buchhandlungen wichtig, der Aufbau einer besonderen Community, wie es die Buchhandlung Glatteis für Krimifans macht, oder die Entwicklung einer Social Reading-Plattform á la Lovelybooks in Kombination mit Präsenzveranstaltungen? Dies gilt es zu erkennen und den eigenen Wert daraus abzuleiten. Die Interaktion mit den Kunden stellt das wichtigste Pfund dar, das Social Media in die Waagschale wirft. Testimonials von treuen Kunden, Rückmeldungen zur Weiterentwicklung von Produkten oder die Hervorhebung besonderer Eigenschaften

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Die Vermarktung von Apps 

können z.B. sofort und einfach genutzt werden. Die Empfehlungen der Kunden sind der Gradmesser für den Erfolg. 4. Bereite Dich auf eine lange Reise vor. Social Media braucht Zeit, wie jede Markenentwicklung. Und sie benötigt Fleiß. Für die Fütterung der informationssüchtigen Kunden. Loyalität ist nicht umsonst. Häufig wird vergessen, dass es mindestens eine Person im Unternehmen geben muss, die sich kümmert. Egal ob man mit Partnern oder Dienstleistern zusammenarbeitet oder nicht: Das Know-how muss aufgebaut werden, möglichst breit, denn sonst kann man auch keinen klaren Auftrag nach außen vergeben. Ob Sie einen Stamm von Newsletter-Kunden aufbauen, viele Follower bei Twitter oder Freunde auf Facebook – es wird dauern. So wie bei jedem Unternehmen, das anfängt. 5. Kümmere Dich um Google. Weil über Google gesucht wird, ist SEO (search engine optimization) nach wie vor eine zentrale Aufgabe. Social Media braucht die Unterstützung durch die eigene Website. Und die muss durch die optimierte Aufbereitung des relevanten Content auch gut auffindbar sein. Und aussagekräftig genug. Überprüfen Sie deshalb nochmal die „key words“, unter denen Sie gefunden werden wollen, definieren Sie sie gegebenenfalls neu und optimieren Sie Ihre Seiten daraufhin. Nicht vergessen: Die Kunden informieren sich heute zumeist zunächst über das Internet über Produkte. Diese Anlaufstelle muss gepflegt werden. Sie ist Fassade und Visitenkarte, Präsentationsfläche und Informationsangebot. Sie muss deshalb mit dem übereinstimmen, was auf Facebook & Co. gemacht wird. 6. Cambia, todo cambia – und es hört nie auf. Gerade durch den engen Kontakt zu den Kunden ist das Branding nicht einmal abgeschlossen. Überprüfungen, leichte Korrekturen, Kursänderungen – das ist Tagesgeschäft und muss eingeplant werden. Es wird langfristig Ressourcen binden. Zu prüfen ist, aus welchem Bereich diese kommen sollen, wer das finanziert. Und das hängt wieder vom oben genannten Ziel ab. Soll der Verkauf angekurbelt werden, muss dieser Bereich auch investieren. Soll der Austausch mit Autoren gepflegt werden, ist die Redaktion gefragt. Sollen Mailinglisten aufgebaut werden, muss das Marketingbudget herhalten. Der große Vorteil ist, dass viel schneller neue Kundenerwartungen und Informationsbedürfnisse erkannt werden. Sie sind am Puls der Zeit. Und das ist allemal besser als abgeschieden darauf zu warten, was kommen möge. Dann ist es möglicherweise nicht so prickelnd wie der erste Sex, aber vielleicht wird es eine lange, glückliche Ehe.

6.8 Die Vermarktung von Apps Bei Apps helfen Erfahrungen aus anderen Produktbereichen wenig weiter, weil der Markt noch zu jung ist, um schon verlässliche Schlüsse ziehen zu können. Marketing beginnt mit der ersten Idee. Entscheidend ist bei der Produktentwicklung, dass das Marketing bei der Prüfung der Idee beginnt. Das ist nicht neu, aber bei der Softwareentwicklung umso wichtiger, weil viele Weichen bei der Planung gestellt werden und eine Rückkehr einer Neuentwicklung gleichkommt. Apple selbst empfiehlt deshalb nicht zu Unrecht den folgenden Merksatz bei der Entwicklung einer App: ”What is the differentiator of your solution for your customer?”

Übersicht: Social Media Monitoring-Tools:

http://bit.ly/16Y1ikm

138 – Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden

”What is the differentiator of your solution for your customer?” (Apple)

Bei der Appentwicklung sind drei zentrale Aufgaben im Produkt-Design zu lösen: 1. Ich muss wissen, worin sich mein Produkt von den anderen im Markt unterscheidet. 2. Ich muss wissen, worin meine Lösung besteht für den Kunden. 3. Ich muss wissen, wer genau meine Kunden sind.

Daraus lassen sich dann nämlich erst die Folgerungen ziehen für die übliche Klaviatur des Marketings. Bei der App-Entwicklung ist also die konzeptionelle Vorarbeit genauso entscheidend für den Erfolg wie die gute Durchführung der einzelnen Maßnahmen. Das zeigt sich schon beim Thema Name und Icon, über das gerne viel und ausgiebig diskutiert wird, meist aufgrund der verschiedenen Geschmäcker: De gustibus non disputandum – aber trotzdem muss man zu einer Lösung kommen. Wie schon bei der Covergestaltung von Büchern sollte man auch bei der Gestaltung und Auswahl des Icons der App ein methodisch und strategisch sinnvolles Vorgehen mit ästhetischen Kriterien verknüpfen können. Denn ein Icon ist nur dann wirklich gut, wenn es eine ästhetisch gute Lösung ist und zugleich in die Strategie passt. Was ist das Ziel? Wenn die App einen Bezug zum Gesamtprogramm aufweisen soll oder ein Teil einer Serie ist, muss das Icon dies auch zeigen. So sind im Vorfeld die Fragen zu klären, ob der Verlagsname, der Name des Autors oder der Titel im Vordergrund stehen sollen. Und für welche Zielgruppe welcher dieser Faktoren relevant ist. Eine App kann ja aus unterschiedlichen Gründen entwickelt worden sein. Sicher ist es nie verkehrt, wenn viel Umsatz generiert wird und das das Hauptziel ist. Dann muss sich das Icon “nur” am App-Markt orientieren und dort bestechen. Manchmal soll aber (auch) die Marke des Verlages oder eines Autors gestärkt werden und Reichweite ist wichtiger. Das könnte dann zu einer ganz anderen Gestaltung des Icons führen. Denn dann spielt die Wiedererkennbarkeit eine Rolle, die Möglichkeit einer Serienentwicklung. Die Benchmarks Alle 90 Sekunden kommt eine neue App in den Appstore. Das macht 1000 am Tag. Damit ist die Aufgabe, für Wahrnehmung zu sorgen, noch schwieriger als im überfüllten Buchmarkt. Ein Grund mehr, sich die Benchmarks näher anzusehen. –– Was wird am meisten genutzt im Appstore? Spiele. –– Mit was lässt sich im Appstore Geld verdienen? Mit Spielen. –– Welcher Markt ist deshalb hart umkämpft? Der Spielemarkt. Die Erfahrungen aus der Spielebranche lassen sich problemlos auf andere Branchen übertragen – und ergänzen unseren vorliegenden Artikel zur Vermarktung von Apps sehr gut. Vor allem deshalb, weil Spiele auf dem Smartphone oder iPad nicht gleich zu setzen sind mit Spielen auf der Konsole. So wie ein eBook kein gedrucktes Buch ist. Für die Vermarktung von Apps bietet sich die folgende Checkliste an: 1. Wie sieht mein Kunde aus und was will er? Stellen Sie sich drei Situationen vor, in denen Ihr möglicher Kunde Ihr Produkt nutzt. Beschreiben Sie die Situation, den Kunden, was er macht, was ihm durch den Kopf geht und was er sich eigentlich wünscht. Und: Spricht der Kunde nur Deutsch oder soll die App auf den internationalen Markt? Das soll gleich festgelegt werden, um Zeit und Kosten zu sparen. 2. Wie lautet das Nutzenversprechen für diesen Kunden? Sie haben jetzt eine Vorstellung von Ihrem Kunden. Womit ködern Sie ihn und warum wird er Ihnen zu Füßen liegen? Jetzt sollten auch schon die Metadaten überlegt werden: Was sucht der Kunde und warum? Wie lautet der Beschreibungstext? Hier werden Weichen gestellt! 3. Wo liegt der Unterschied zur Konkurrenz? Dass Sie gut sind, das wissen wir. Aber sind Sie auch besser? Belegen Sie Ihre Überlegenheit mit konkreten Beispielen.

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Die Vermarktung von Apps  4.

Teste Icon und Name Am besten man baut das Icon in eine Seite mit allen möglichen Konkurrenzprodukten. Und lässt dann Kunden wählen. Welches Icon fällt auf? Welches gefällt mir? Welches gefällt den Testpersonen? Bei der Namensgebung ist es genauso. Nutzen Sie Facebook und andere Social MediaPlattformen als Testumgebung. 5. Lieber Häppchen verteilen als zu viel versprechen. Niemand will auf dem Smartphone einen Schweinsbraten essen. Dazu reicht die Zeit einfach nicht. Sushi, Witze und kurze Gedichte haben die richtige Länge, um die Wartezeit an der Haltestelle zu verkürzen. Alles was länger dauert, soll in gut verdaubare Happen portioniert werden. Prüfen Sie, ob In-App-Purchase der richtige Weg ist, ob kostenlose Light-Versionen passen oder ob Sie gleich was verlangen wollen. 6. Vereinfachen, vereinfachen, vereinfachen In einer Welt der Spezialisten und fehlenden Standards ist nichts offensichtlich. Jeder hat andere Gewohnheiten und einen anderen Blick. Vor allem man selbst. Aber Usability ist Trumpf! Deshalb holt man sich am besten Testpersonen. Das können bei einer spezialisierten Zielgruppe kluge und offene Mitdenker sein und geübte Nutzer, bei einer breiten Zielgruppe aber auch solche, die von den Dingen keine Ahnung haben, um die Bedienbarkeit zu prüfen. Kindermund tut Wahrheit kund. 7. Keine Angst vor Versammlungen der Kunden Mobile Endgeräte sind sehr sozial. Aber nur, wenn ihr Besitzer die Zeithoheit behält. Da das Telefonieren ein kommunikativer Akt ist – wir erinnern uns: das Smartphone war früher mal ein Telephon – , ist der Nutzer eines Smartphones geneigt, vieles auf seinem Gerät zu teilen. Und er spielt auch gerne mit anderen. 8. Wienern, bohnern, polieren Erst nach dem letzten Schliff wird Apple nach seiner Meinung gefragt. Es ist wichtig, alle Hausaufgaben zu machen, alle Teststrecken zu fahren, jede kritische Meinung geprüft zu haben. Apple will Qualität. 9. Weiter verbessern. A oder B? Tut mir leid. Nochmal wienern, bohnern, polieren Einmal beim Kunden bieten digitale Produkte viele Informationen über die Nutzung. Über A/B-Tests lassen sich ganz einfach die Vorlieben der Kunden erkennen. Das soll man nutzen. Das Bessere ist der Feind des Guten. Erst wenn alle Details sitzen, ist das Gesamterlebnis rund. Eine App ist wie ein Film, eine Theatervorführung, eine musikalische Aufführung und erst dann „rund“, wenn die Geschichte zur Dramaturgie zum Bühnenbild zu den Schauspielern zum Aufführungsort und den Zuschauern passt. Der Zuschauer ist anspruchsvoll. Er will positiv überrascht werden. Viele Details. Viel Arbeit. Von der optimierten Dateigröße zum schnellen Download bis zur ersten, entscheidenden Seite. 10. Schau mal, was ich hier habe… Virales Marketing braucht eines: ein Element, das ich gerne anderen zeige. Dann funktioniert die Smartphone-zu-Smartphone-Propaganda und jeder zeigt dem anderen beim Bier, was er tolles entdeckt hat. Denken Sie an eigene Microsites und Crossmarketing, an mögliche Multiplikatoren in Ihren Reihen und Aktionen mit den großen Handelspartnern. 11. Jetzt sollen andere sprechen Stimmt die Qualität, dürfte PR nicht mehr schwer sein. Ist es leider doch. Aber auch wenn man nicht weiß, ob und wenn ja, warum einen Apple empfiehlt – es gibt auch noch andere Stellen, die die App besprechen sollen. Möglichst oft. Hier geht es um social media. 12. There will be change In einem halben Jahr ist die Lage wieder anders. Sie sollten spätestens dann wieder www.smartdigits.com besuchen und die Überarbeitung dieser Checkliste ansehen. Denn der Markt ist schon wieder weitergezogen.

Die App-Entwickler geben weiter Tipps, aber auch die Agenturen wie die AppAgency oder weever, um nur einige zu nennen. Manche Entwickler wie z.B. appsfactory bieten neben der Entwicklung noch die Unterstützung zur Vermarktung an. Nicht zu vergessen ist daneben, dass die besten Strategien zur Vermarktung der App nutzlos sind, wenn sie nicht mit dem Design der App übereinstimmen. An dieser Stelle merken Kunden besonders schnell, dass das Produkt nicht hält, was das Marketing verspricht. Verzahnung von Produktdesign, Implementierung und Vermarktung sind erfolgskritisch für ein gutes App-Angebot.

Artikel: 11 Tips for Developing a Mobile App that Users will Love

http://tnw.co/129xDE3

140 – Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden

6.9 Crossmediales Marketing – Content Marketing – Co-Creation… Das Problem am ganzen Thema Social Media Marketing ist natürlich, dass man es schwer beweisen kann. Es ist, als ob wir seit Ford nicht wirklich weiter gekommen wären: „50% meiner Werbeausgaben sind umsonst. Aber ich weiß nicht welche.“ Und das liegt ganz einfach an der Komplexität menschlichen Verhaltens, das sich nie einfach auf eine Angebots- und Nachfrage-Relation reduzieren lässt. Jedem Bestellvorgang gehen tausende Informationen voraus, die in exponentiell vielen Varianten gespeichert werden. Kein Trost aus der Sicht des Marketing-Verantwortlichen. Vor allem, wenn noch weitere Empfehlungen hinzukommen, die eher in die Kategorie „weiche Faktoren“ zu packen sind. Aber man muss es so sehen: So wie man im klassischen Marketing von mindestens sieben Kontakten zum Produkt ausgegangen ist, so muss man eben bei digitalen Produkten noch ein paar mehr dazu packen. Und drei seien hier noch erwähnt, die Sie im Gesamtpaket berücksichtigen sollten: Crossmediale Angebote, Content Marketing und Co-Creation. Crossmediale Angebote Bei den crossmedialen Angeboten geht es vor allem darum, dass die schon vorhandenen Kontakte zum Kunden genutzt werden. Aus mehreren Gründen drängt sich dies bei digitalen Produkten auf: 1. Das nächste Produkt ist im besten Fall nur einen Klick entfernt. Wenn man den Kunden also schon mal an der Angel hat, sollte man ihn auch umgarnen. 2. Jedes Produkt reichert das Wissen um den Kunden an. Und gibt damit Auskunft über die Weiterentwicklung des eigenen Programms. 3. Die Erstentwicklung digitaler Produkte kostet meist mehr als dass sie einspielt. Deshalb sollte man auch viele Produkte verkaufen können, denn die Masse macht´s. Dies erfordert eine Abstimmung in der Programmentwicklung und eine kluge Informationsarchitektur für alle Werbetexte. Sind die Programmreihen komplementär ausgerichtet, wird dem Kunden sofort ersichtlich, was er erhält. Bei der Vermarktung kann dann konsequent Upselling betrieben werden: „Sie haben sich dafür interessiert – dann könnte Sie aus den und den Gründen auch das interessieren…“ Content Marketing Beim Thema Content Marketing geht es um die Präsenz im Netz zu den Themen, die die eigenen Kunden interessieren. Es geht darum, im Internet unter den Schlagwörtern gefunden zu werden, zu denen man eine besondere Kompetenz weiß und in deren Umfeld man seine Wertschöpfung für den Kunden sieht. Es geht darum, den Kunden und sein Vertrauen durch kostenlosen Content zu gewinnen. Auf den Portalen und der Pflege von Communities wird dies schon länger gemacht. Verlage sehen dies zu Recht als Gratwanderung an: Wie viel Inhalt soll ich kostenlos anbieten, weil es eh schon gemacht wird und ab wann verlange ich Geld dafür? Mit Content Marketing ist jedoch nicht nur gemeint, seine Inhalte kostenlos auf ein Portal zu stellen. Es geht um alle Facetten, von den kostenlosen Webinaren zu bestimmten Themen über Whitepaper zu Studien, den Auftritt mit dem eigenen Content unter anderen, starken Marken bis zu Corporate Publishing-Angeboten. Die Empfehlung lautet: Nutzen Sie auch diese Wege, um viele Informationen über ihre Kunden zu gewinnen und im Upgrade ihre Produkte zu verkaufen.

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Crossmediales Marketing – Content Marketing – Co-Creation… 

Erstellt man eine Liste der Werkzeuge im Content Marketing nach ihrer bisherigen Relevanz im Gebrauch in den USA, so ergibt sich das folgende Bild: Die Liste der Werkzeuge im Content Marketing nach ihrer Relevanz: – Social Media (keine Blogs) – Artikel auf der eigenen Website – Newsletter – Blogs – Fallstudien – Videos – Artikel auf anderen Websites – persönliche Veranstaltungen – White paper – Webinare/Webcasts – Wissenschaftliche Berichte – Microsites – Infografiken – Mit der eigenen Marke versehene Inhalte bzw. Werkzeuge – Inhalt für mobile Geräte – eBooks – gedruckte Zeitschriften – Bücher – virtuelle Konferenzen – Podcasts – lizensierte Inhalte – mobile Apps – eMagazine – gedruckte Newsletter – jährliche Reports – Spiele

Aus diesen Werkzeugen kann sich jeder Marketer die für sein Unternehmen und seinen Marktbereich relevanten Tools aussuchen und verwenden. Um herauszufinden, welche denn für ihn relevant sind, empfiehlt sich der folgende Fragenkatalog. Die Antworten geben Auskunft über Erfolg und Misserfolg einer Maßnahme. Wie viele Kunden haben den Beitrag gelesen? Wo sind diese Kunden? Auf welchen Geräten erreiche ich die Kunden? Wie intensiv befasst sich mein Kunde mit den Inhalten? Was genau an meinem Angebot interessiert den Kunden? Wie viele Seiten liest der Kunde? Wie viele Kunden empfehlen das Produkt weiter? Abb. 6.8: Content Marketing kann eine Erlösquelle sein für Verlage. Bei einem Check kann das Unternehmen wie im klassischen Marketing prüfen, welche Maßnahmen erfolgreich sind.

Co-Creation Co-Creation wird hier deshalb erwähnt, weil es ein Beispiel dafür ist, wie ein guter Kundenkontakt im digitalen Umfeld mehrere Funktionen haben kann. Unter Co-Creation wird gemeinhin verstanden, dass man den Kunden frühzeitig einbindet bei der Produktentwicklung. Je nach Methode erhält der Kunde dabei eine mehr oder weni-

142 – Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden ger aktive und bedeutende Rolle. Die Bandbreite reicht von regelmäßig sich treffenden Expertenpanels über die Beobachtung von sehr aktiven Nutzern der eigenen Produkte bis hin zu einer einfachen Befragung per Telefon, Mail oder über Onlinetools. Allen gemeinsam ist dabei die regelmäßige Pflege dieser Kundenkontakte. Denn sie sind wichtige Multiplikatoren der eigenen Botschaft. Deshalb sollten sie auch nicht nur als Informationslieferanten gesehen werden. Es ist wichtig, ein vordefiniertes Programm zu haben, wie man diese Kunden pflegt. Und zwar nicht nur über die üblichen Weihnachtskarten. Sie sind wie Journalisten zu behandeln: als VIPs, von denen man nicht genau weiß, was sie einem bei der Vermarktung bringen können, deren Meinung aber wichtig sein kann. Oft merkt man den Effekt erst im Negativfall, wenn nämlich die Beschwerden formuliert wurden. Selfpublishing-Plattformen wie neobooks von Droemer-Knaur sind hier Beispiele dafür, wie man versucht, die Kunden zum Beteiligten zu machen und zu Botschaftern der eigenen Marke und Produkte. Statt des Standardbriefes für unaufgeforderte Manuskripteinsendungen mit der frustrierenden Absage, können Autoren jetzt über so ein Portal aufgefangen werden. Sind sie gut, und gut heißt, dass die anderen Leser auf dem Portal darüber entscheiden, so winkt ein Verlagsvertrag. Auf diese Weise werden treue Leser, die sich mehr als andere mit dem Verlag auseinandergesetzt haben, zu Botschaftern. Und die Leser durch die frühe Einbindung zu potenziellen Lesern der künftigen Produkte. Nicht immer gelingt es, den Kunden über derartige Plattformen früh an sich zu binden. Aber im digitalen Markt, in dem jeder Empfänger immer auch ein Sender ist, ist dies die beste Möglichkeit, langfristig selber an die Kunden zu kommen.

6.10 Zusammenfassung Den Kunden erreicht man heute im Netz an verschiedenen Stellen. Diese wollen alle richtig gepflegt werden, um den größtmöglichen Effekt zu erzielen. Die folgende Übersicht zeigt die entscheidenden Punkte, an denen der Kontakt zum Kunden relevant ist:

discoverability Auffindbarkeit im Netz: Wie ist sichergestellt, dass die Produkte schnell gefunden werden?

decision Entscheidung beeinflussen: Wie gelingt es, dass in der Fülle des Angebots das eigene Produkt gewählt wird?

transacon Mobile Payment: Wer behält die Kundendaten und macht es dem Kunden leicht, zu bleiben?

fulfillment Qualität auf allen Stufen: Wie passen die Inhalte, ihre Auereitung und das Angebot für den Kunden zusammen?

follow up Nachhalgkeit: Wie wird sichergestellt, dass der Kunde gehalten und mit Folgeprodukten noch glücklicher wird? Abb. 6.9: Der Kundenkontakt im digitalen Markt. An diesen Nahtstellen fallen die Entscheidungen.

7 Das richtige Produkt entwickeln – So rechnet sich das

So entwickelt sich der Markt So wird es umgesetzt.

Das sind Ihre Zielgruppen – und das wollen sie

So rechnet sich das für Sie

So müssen Ihre Informationen aufbereitet sein So erreichen Sie Ihre Kunden

Wir kommen zum Kern. Denn ein Verlag ist ein Unternehmen und muss Gewinne erwirtschaften, um seine Mitarbeiter bezahlen zu können. Bei rückläufigen Verkaufszahlen für gedruckte Werke bleibt also nur die Nische und mittelfristig heißt das Personalabbau. Wenn wir das Thema Geschäftsmodell erst hier behandeln, heißt es deshalb nicht, dass man nach den vorangegangenen Schritten halt auch noch in der Buchhaltung vorbeischaut und sich den Segen abholt für die tollen Ideen. Im Gegenteil: Wie oben erwähnt müssen alle Bausteine gleichermaßen behandelt werden, weil die schönsten Strategien wertlos sind, wenn nicht alle Teile der Kette gleich stark halten. Und wie bei jedem Unternehmen ist die kaufmännische Betrachtung zentral. Wie soll man im digitalen Markt als Verlag überhaupt Geld verdienen? In der Summe kommen nur mehr Aufgaben für Verlage hinzu und die Erlösquellen sprudeln (noch) nicht so richtig. Für eine einträgliche Rendite können weder eBooks, noch Apps, geschweige denn enhanced eBooks sorgen. Und die Ökosysteme der Großen prägen auch die Geschäftsmodelle. Hier sind zwei Dinge gefordert: 1. Man muss sich von gewohnten Pfaden verabschieden und in die Gestaltung von Geschäftsmodellen genauso viel Kreativität investieren wie in die Entwicklung neuer Produktformen. Produktkranz, Medienvielfalt, Servicekultur etc. sind nur einige der Schlagworte, die in diesem Zusammenhang gerne fallen. 2. Man braucht Zeit für den Übergang und den Aufbau von digitalen Erlösen. Vor allem, wenn man nicht nur von Apple, Amazon und Google abhängig sein will. Je nach Unternehmen und den bisherigen Geschäftsmodellen ergeben sich andere Schwerpunkte. In der Regel können Verlage ihre DNA schwer verleugnen. Sie sind vom bisherigen Erlösmodell geprägt und haben ihre Organisation darauf ausgerichtet, Werbung zu verkaufen, Bestseller zu vermarkten, Fachinformationen an Spezialisten zu verkaufen etc. An diesen Punkten muss man einsetzen, um zu überlegen, wo die bisherigen Kompetenzen weiter genutzt werden können: Fachverlagen bietet sich die direkte Kundenansprache eher an als Publikumsverlagen. Über Zeitschriften lassen sich Reichweite und Kundendaten meist schneller aufbauen als über Bücher. Datenbanken auf der Basis alter Loseblattwerke können andere Inhalte aufnehmen und schneller die Nutzungsgewohnheiten der Kunden spiegeln. Und es gibt Verlage, die

Für Verlage gibt es zur Zeit kein „Killergeschäftsmodell“, auch wenn die Sehnsucht nach einer einfachen Lösung groß ist. Der Markt ist zu instabil und fordert eine flexible Anpassung, auch der Geschäftsmodelle.

144 – Das richtige Produkt entwickeln – So rechnet sich das ihr Geschäft gewandelt haben und mittlerweile durch digitale Angebote schon länger gut verdienen. Die Beispiele reichen von großen Fachverlagen wie Haufe-Lexware, wo man früh begonnen hatte, die Loseblattwerke durch Datenbanken und Applikationen zu ersetzen, über Nischenanbieter wie dem Verlag für Standesamtwesen bis zu Datenbanklösungen wie bei Genios. In den USA ist der Hype um Start-Ups mit digitalen Lösungen ungebrochen und Pinterest, Instagram, demand media oder Craigslist sind nur einige Beispiele für Unternehmen, die mit ihren innovativen Geschäftsmodellen erfolgreich sind. 1 Das Kerngeschäft wird ausgebaut: weitere Bücher, Zeitschriften… 2 Ein analoges Zusatzgeschäft wird angeboten: dem Kunden werden noch weitere Produkte verkauft wie Wein, Reisen, Software… 3 Digitale Diversifikation: Investition in digitale Dienste und Produkte, die zunächst nichts mit dem klassischen Printgeschäft zu tun haben wie Ticketing, Partnersuche, Tauschbörsen… 4 Digital publishing: digitale Produkte werden entwickelt und verkauft wie Apps, eMagazine, eBooks, Software… 5 Content Marketing: man verkauft seine Kompetenz als Produzent von Inhalten; die Dienstleistung kann vom Verkauf einzelner Inhalte über die Produktion (CP) bis zum Verkauf der gesamten Wertschöpfungskette gehen Abb. 7.1: Es gibt zahlreiche Antworten auf die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Man kann sich auf seine Nische zurückziehen, seinen Kunden andere Produkte anbieten, in rein digitale Angebote investieren oder seine bisherige Wertschöpfung an andere Produzenten von Inhalten verkaufen.

Betrachtet man die Geschäftsmodelle der großen Firmen wie Apple, Google und Amazon, so steht dort immer der Kundenkontakt als oberster Wert im Zentrum. Um die Kundendaten herum wird das Ökosystem mit seinen verschiedenen Angeboten an Hardware, Software, Services und Content wie ein Mantel gelegt. Bei der Entwicklung des eigenen Geschäftsmodells empfiehlt sich deshalb immer der Aufbau der Produktkalkulation vom Kunden her. D.h. der Umsatz pro Kunde ist zunächst ausschlaggebend. Um ihn herum werden die Kennzahlen gesammelt, von der Gewinnung der Adresse bis zum Produktverkauf. Das ermöglicht es, die Kalkulation nicht allein auf dem Verkauf eines Produktes aufzubauen. Dadurch geraten andere Erlöse mit dem Kunden besser in den Blick.

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Das richtige Produkt entwickeln – So rechnet sich das 

Kunde

Kundenkontakt Crossmediale Werbung Crossmedialer Produktverkauf Skaleneffekte durch Masse Innovationsprojekt Skalierbare Prototypen… Abb. 7.2: Es ist egal, durch welches Produkt oder welchen Service der Erlös im Detail erwirtschaftet wird. Hauptsache der Kunde ist zufrieden und durch die Vielzahl der Kontakte ergeben sich Synergien. Die zentrale Größe ist der werthaltige Kundenkontakt. Denkt man vom Kunden her, lässt sich ein aufeinander abgestimmtes Portfolio kalkulieren. Crossmediale Effekte können beziffert werden.

Der Hemmschuh für viele Neuentwicklungen im digitalen Bereich sind oft die Messgrößen. Wenn die Mitarbeiter, die Abteilungen, die Führungskräfte an Kennzahlen gemessen werden, die die „alten“ Geschäftsmodelle wiederspiegeln, dann lassen sich digitale Produkte auch nur zögerlich entwickeln. Denn die Investition in die neuen Technologien kostet Geld und gibt im ersten Schritt wenig zurück. Wenn sich der Aufwand bei den Mitarbeitern erhöht, mit mehr Produkten nicht mehr erlöst wird, sondern gleichbleibend viel, wenn der Aufwand steigt, weil neue Kompetenzen erworben werden müssen und die Kosten steigen durch die neuen Technologien, dann helfen nur eine Reduktion des Aufwands bei bestehenden Produkten und eine sinnvolle Fokussierung. Die Frage lautet: Wo kann man den Aufwand reduzieren im Bestandsgeschäft, um im neu zu entwickelnden digitalen Markt Raum zu schaffen? Wo kann der Erlös einigermaßen gehalten werden mit etwas weniger Aufwand, um diese Zeit für neue Projekte zu nutzen? Und: Auf welches der vielen digitalen Pferde setzt man? Denn die Verlockungen sind groß, dass man alles auf einmal machen möchte. Hier muss die Kalkulation daran erinnern, dass zwar andere viel können im Markt, man selber aber nur einen Bruchteil gut umsetzen können wird. Und die zweite Frage lautet: Wie lassen sich die Kosten für digitale Produkte sinnvoll auf die Schultern mehrerer verteilen? Denn aus einer reinen produktbezogenen DB-Rechnung heraus wird man die meisten digitalen Produkte nie machen. Deshalb müssen die anderen, oben genannten Effekte mit hinzugezogen werden. Diese müssen benannt werden, um sie in einer Mischkalkulation fassen zu können. Je genauer dies passiert, desto klarer werden auch die notwendigen Maßnahmen ergriffen. „Wir machen das Projekt zur Stärkung der Marke“ ist zwar ein Ansatz, aber dann muss auch gesagt werden, wie man die Steigerung der Marke messen will. Auch das geht

Digitale Produkte sind nie fertig. Der Aufwand für die Wartung und die Weiterentwicklung beträgt mindestens zwei Drittel der Anfangsinvestition.

146 – Das richtige Produkt entwickeln – So rechnet sich das und kann sinnvoll sein. Man sollte sich aber vor den Projekten hüten, die keine konkreten Messgrößen liefern wollen. Skalierung und Mehrfachverwertung sind unbedingt geboten, denn nur so lassen sich die Aufwände für die Technologie kalkulieren. Und das setzt wiederum voraus, dass eine abgestimmte Strategie nötig ist. Nicht, weil man gerne abstrakte Ideen wälzt, sondern weil sonst keine Prototypen entwickelt werden können, die nach erfolgreicher Einführung auch noch für viel mehr gut sind. Denn das erste Produkt wird das Geld nicht verdienen. Hier ein paar Vorschläge für die Effekte, die ins Spiel gebracht werden können: Effekte digitaler Produkte

Kundendaten: Legen Sie die Einheit für die Gewinnung von Neukunden fest und prüfen Sie, ob digitale Produkte Ihren Kundenstamm erweitern können. CPO, CPS oder NPS sind mögliche Kennzahlen. Mittelfristig muss dann Umsatz/Kunde eine wichtige Größe werden. In diesem Fall wird das Marketingbudget genutzt für die Produktentwicklung. Crossmediale Werbung: Jedes digitale Produkt unterstützt die Vermarktung anderer Produkte. In diesem Fall müssen die Wechselwirkungen gut dokumentiert werden, vom direkten Produktverkauf bis hin zur Stärkung der Marke einer Reihe oder des Unternehmens. Skalierung: - durch Serienproduktion können sich die Anfangsinvestitionen amortisieren - durch Mehrfachverwertung von Inhalten, Services oder Technologien lassen sich die Kosten weiterer Produkte reduzieren - auf günstigen Einstiegsprodukten lassen sich Premiumprodukte oder teure Erweiterungen aufbauen F&E und der Aufbau von Know-how: Die Wandlung vom Printanbieter zum digitalen Unternehmen kostet Zeit. Prototypen helfen Mitarbeitern, die nötigen Kompetenzen zu erwerben und neue Prozesse einzuüben. Diese Investition in die Zukunft sollte jedes Unternehmen auch eigens kalkulieren können.

Abb. 7.3: Die Produktkalkulation sollte nicht nur den klassischen Deckungsbeitrag betrachten. Andere Effekte digitaler Produkte sollten berücksichtigt werden, auch um zu verdeutlichen, dass digitale Produkte einen Wandel im ganzen Unternehmen bewirken werden. Das äußert sich in verschieden Kennzahlen.

An dieser Stelle wird deutlich, dass die Kalkulation ein korrigierendes Element sein muss, jedoch nicht das zukunftsweisende. Der Markt dreht sich ohnehin so schnell, dass die Annahmen über die zu erwartenden Umsätze spekulativ sind. Real sind dagegen die Kosten. Und hier gilt es zu prüfen, welche Risiken man eingehen möchte. Das kann man nur, wenn man einen Blick auf die Customer Value Proposition hat und überzeugt ist von der eingeschlagenen Richtung. Meist wird man von dem „legacy-problem“ erfasst. Damit sind die Altlasten gemeint, die eine Neuausrichtung eher behindern als beflügeln. Gerne ist dann von der „Kannibalisierung“ die Rede, die gespeist wird von der Angst, dass das bestehende Geschäftsmodell unterlaufen wird. Dabei sind es längst die Googles und Amazons der Welt, die für die Veränderungen der Kundenerwartungen sorgen. Dieses Festhalten an den bestehenden Strukturen verhindert dann die konsequente Veränderung. Gegenüber der konventionellen Produktentwicklung lassen sich jedoch im digitalen Markt zwei Effekte ausspielen, die die großen Technologie-Konzerne zur Perfektion entwickelt haben: Zum einen kann durch die Wahl der geeigneten Technologiestrategie ein gewichtiger Hebel für die Erzielung von Kostenreduzierungen und Skalen-Effekten genutzt

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Das richtige Produkt entwickeln – So rechnet sich das 

werden. Dasselbe Produktportfolio, mit einer optimalen oder einer eher kontraproduktiven Systemumgebung erzeugt, kann erheblich unterschiedliche Gestehungskosten besitzen. Vergessen Sie in der Kalkulation deswegen niemals, welche gewichtigen Effekte schlanke Prozesse und effiziente Workflows haben. Und das nicht nur in Bezug auf direkt zurechenbaren Personalkosten, sondern auch darüber, wo und wie dasselbe Personal wertschöpfend tätig sein kann (oder auch nicht). Zum anderen ergibt sich oft aus den Möglichkeiten von ausreichend mächtigen Basistechnologien überhaupt erst die Basis für neue Geschäftsmodelle. TechnologieKonzerne wie Google, die ihre Geschäftsfelder konsequent aus ihren Technologien entwickeln, beseitigen erst durch Neuentwicklungen Markthindernisse, die lange für sicher gehalten wurden und schaffen dann auf dieser Basis neue Produkte und Dienstleistungen, die neue Wertschöpfung möglich machen. Um beide Effekte ausnutzen zu können, ist eine zentrale Voraussetzung nötig: Technologien müssen als strategischer Faktor ernstgenommen werden und zentraler Teil der Business-Sicht werden. Und an dieser Stelle werben wir aus Erfahrung für unsere Methode. Sie bietet einen Blick auf das eigene Unternehmen und den Markt und zeigt auf, wo man am Geschäftsmodell drehen und schrauben muss, damit es aufgeht. Erst durch diese Zusammenführung der zentralen Punkte lässt sich eine geeignete Strategie ableiten.

8 Epilog – die Umsetzung So entwickelt sich der Markt So wird es umgesetzt.

Das sind Ihre Zielgruppen – und das wollen sie

So rechnet sich das für Sie

So müssen Ihre Informationen aufbereitet sein So erreichen Sie Ihre Kunden

Und jetzt kommt die Gretchenfrage: Kann ich denn das alles? Zur Umsetzung ließen sich leicht noch ein paar Bücher schreiben. Die Facetten reichen von der Analyse des eigenen Markenkerns über die Bereitschaft der Mitarbeiter bis zu arbeitsrechtlichen Fragen. Eines ist aber durchgängig: Wenn man auf den Markt der digitalen Angebote geht, ist ein umfassender Wandel nötig. Drei Punkte müssen geklärt werden:

8.1 Was muss ich machen, um überlebensfähig zu sein? Unsere Methode soll Ihnen als Handwerkszeug dienen, um diese Frage zu beantworten. Danach können Sie klarer sagen, was Sie brauchen und was nicht, und auf welches Ziel Sie zusteuern, wenn Sie nichts machen oder wenn Sie bestimmte Schritte unternehmen. Das heißt, den ersten Schritt haben Sie schon gemacht. Vorausgesetzt, Sie haben dieses Buch nicht wie fast alle Leser heute kursorisch gelesen, sondern Schritt für Schritt all das schon umgesetzt, wovon wir geschrieben haben. Zusammenfassung: Entwicklung des digitalen Portfolios: – Analysieren Sie Ihr Portfolio, rechnen Sie die Umsätze und Rendite in den nächsten Jahren hoch, suchen Sie nach dem BCG-Schema nach ihren fetten Kühen und armen Hunden und erstellen Sie eine SWOT-Analyse, um dann zu entscheiden, auf welche Produkte Sie künftig setzen können. – Teilen Sie Ihre Kunden nach Umsatz auf und prüfen Sie, wo Ihre A-Kunden stehen und wie die Entwicklung mit diesen in den letzten Jahren war. – Schätzen Sie die Konkurrenz richtig ein und beurteilen Sie, wo digitale Produkte anderer Ihren Platz einnehmen, vor allem bei den A und B-Kunden. – Von Ihren A-Kunden und A-Produkten ausgehend legen Sie Ihre Schwerpunkte fest: Wie müssen diese in drei Jahren aussehen, um erfolgreich zu sein? – Schätzen Sie die benötigte Technologie ein, den Aufwand und die Kosten, die eine Einführung mit sich bringen.

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Welche Werkzeuge brauche ich dafür? 

8.2 Was passt zu meinem Unternehmen, meinen Fähigkeiten und meiner DNA? Jedes Unternehmen hat die Kunden, die es verdient, die Marktposition, die es sich erarbeitet hat, die sich aus dem Zusammenspiel aller Mitarbeiter und der Angebote ergeben hat. Punkt. Dies zu verändern, bedeutet Aufwand. Und ob man das verändern will, muss man vorher gründlich überlegen. Denn Veränderung bedeutet, dass einige Mitarbeiter nicht mehr mitmachen werden, neue hinzukommen, die Marke des Unternehmens beim Kunden womöglich eine andere Bedeutung bekommt und und und. Wie immer bei Change-Prozessen gibt es mehrere Wege. Ob Sie Top-Down verfahren wollen oder Bottom-Up oder einen Mittelweg wählen – er sollte zu Ihnen passen – und vor allem zur Situation Ihres Unternehmens. Je dramatischer Sie die Situation einschätzen, desto wichtiger ist Geschwindigkeit. Und die zentrale Frage ist dann, wie Sie schnell in die Umsetzung kommen. Und dazu brauchen Sie die richtige Einschätzung Ihrer Mitarbeiter. Auch hier kann die limbic map helfen. Veränderungen behagen nicht jedem: manche erkennen hier Vorteile, andere fühlen sich zurückgedrängt. Je nach Einschätzung sind andere Maßnahmen nötig. Die häufigste Falle bei Change-Prozessen ist die falsche Einschätzung der eigenen Entscheidungswege und verdeckten Strukturen. Wofür werden die Mitarbeiter im Unternehmen wirklich belohnt? Auf welcher Basis werden Entscheidungen getroffen und kommuniziert. Hier liegt der Schlüssel zur Einschätzung, ob das Unternehmen eher von oben nach unten, von der Sache her oder von einzelnen, starken Persönlichkeiten getrieben wird. Und hier muss man ansetzen, um den richtigen Weg zu wählen zur raschen Umsetzung. Ist also der geschlossene Auftritt der Führungsriege zentral, die Diskussion um die Inhalte mit allen Mitarbeitern oder die Rückendeckung von ein paar Schlüsselfiguren? Machen Sie die nächsten Schritte von dieser Einschätzung abhängig.

8.3 Welche Werkzeuge brauche ich dafür? Ein paar der Werkzeuge haben wir schon vorgestellt. Steckbriefe für die Produkte und Kunden sind relevant, auch Anforderungsprofile für die technologischen Lösungen, die Sie anstreben. Viele weitere benötigen Sie wahrscheinlich, vom agilen Projektmanagement über Entscheidungsgremien und –prozesse bis hin zum Aufbau von Knowhow im digitalen Markt. Weil es keine Musterlösung gibt, weil es vielmehr immer mehr Wege zum Kunden und Produkte für ihn gibt, helfen hier auch keine Standards. Wir wünschen an dieser Stelle viel Erfolg bei der Umsetzung. Die für dieses Produkt vorgesehene Seitenzahl ist schon überschritten. Macht nichts. Es gibt ja noch eine Website (www.smart-digits.com) und zahlreiche Quellen. Dort führen wir die Diskussion um das Thema weiter. Und dort freuen wir uns auch über Rückmeldungen und den Austausch mit Ihnen. Und wir sind selber gespannt, wie dieses Produkt in drei Jahren aussehen wird.

Literaturverzeichnis Bücher/eBooks Allgayer et. Al.: Der Kunde im Fokus. 2007. Allgayer et. Al.: Zielgruppen – wie sie leben, was sie kaufen, woran sie glauben. 2007, 2. Auflage. Amberg, Michael und Lang, Michael (Hrsg.): Innovation durch Smartphone & Co: Die neuen Geschäftspotenziale mobiler Endgeräte. Düsseldorf 2011. Brjezovski, Alex; Regier, Stefanie und Schwab, Christian: Web Publishing der nächsten Generation: Eine empirische Untersuchung der Zukunftstrends des Content Managements im Web 2.0. Lohmar 2012. Buschow, Sabrina und Olavarria, Marco: Mobile Research Guide 2010. Berlin 2010. Dueck, Gunter: Das Neue und seine Feinde: Wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen. Frankfurt a.M./New York 2013. Gargenta, Marko: Einführung in die Android-Entwicklung. Köln 2011. Garrish, Matt: Accessible EPUB3. Sebastopol 2012. Garrish, Matt: What is EPUB 3? Sebastopol 2011. Garrish, Matt und Gylling, Markus: EPUB 3 Best Practises. Sebastopol 2013. Godin, Seth: The Icarus Deception: How High Will You Fly? Portfolio Penguin 2012. Gray, Dave und Vander Wal. Thomas: The Connected Company. Sebastopol 2013. Greenfield, Jeremy (Hrg.): Finding the Future of Digital Book Publishing – Interviews With 19 Innovative EBook Business Leaders. 2013. (Selfpublished) Haderlein, Andreas: Die digitale Zukunft des stationären Handels: Auf allen Kanälen zum Kunden. München 2012. Häusel, Hans-Georg: Brain View. Freiburg/München 2012 Häusel, Hans-Georg: Emotional Boosting. Freiburg/München 2012 Häusel, Hans-Georg: Think limbic. Freiburg/München 2010 Häusel, Hans-Georg: Warum Kunden kaufen. Freiburg/München 2012 Heck, Sascha und Apel, Yes: ePub für (In)Designer. Heidelberg 2012. Heinemann, Gerrit: No-Line-Handel: Höchste Evolutionsstufe im Multi-Channeling. Wiesbaden 2013. Hoogendoorn, Sander: Das kleine Agile-Buch. München 2012. Jennings, Chris: eBook Typography. Oxford 2012. (Selfpublished) Kämmerle, Andreas: EPUB3 und KF8 verstehen. Tübingen 2012. Kawasaki, Guy und Welch, Shawn: APE: Author, Publisher, Entrepreneur-How to Publish a Book. 2012 (Selfpublished unter Nononina Press). Kissane, Erin: The Elements of Content Strategy. New York 2011. Kleinfeld, Sanders: HTML5 for Publishers. Sebastopol 2011. Koller, Dirk: iPhone-Apps entwickeln. Poing 2011. Köpnick, Hannes: Digital Publishing. Bremen 2012. Kress (Herausgeber): Erlösmodelle im E-Publishing: Wie sich Medien auf Tablets und Smartphones neu erfinden können. Hamburg 2011. Krisch, Jochen und R. Rowold, Sascha: E-Commerce für Fortgeschrittene: 50 Denkanstöße für den Online-Handel von morgen. Berlin 2011. Lehr, Michaela und Brammer, Richard: Digitales Publizieren für Tablets: Magazin-Apps mit InDesign für iPad, Android & Co… Heidelberg 2012. Levy, Steven: Google Inside. Heidelberg 2012. Lüdemann, Lucas: eBooks. Grundwissen für Verlage. Bonn 2012. (Selfpublished) Matrisch, Uwe und Welsch, Ursula: E-Books konzipieren und produzieren. Taching am See 2011. McGuire, Hugh und O’Leary, Brian (Hrg.): Book: A Futurist’s Manifesto. New York 2012. Merkoski, Jason: Burning the Page. Naperville 2013. Meyers, Peter: Breaking the Page. Sebastopol 2011. Mikitani, Hiroshi: Marketplace 3.0. Rewriting the rules of borderless business. New York 2013. Petras, André und Bazil, Vazrik: Wie die Marke zur Zielgruppe kommt. Optimale Kundenansprache mit Semiometrie. Wiesbaden 2007. Pilgrim, Mark: Durchstarten mit HTML5. Köln 2011.

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Online-Quellen Beim Thema Mobile Publishing liegt es in der Natur der Sache, dass neben gedruckter Literatur der Hauptteil der relevanten Informationen online veröffentlicht wird und sich entsprechend schnell ändert. Wir haben deswegen auf die Integration größerer Link-Listen verzichtet – neben den im Haupttext abgedruckten Links und QR-Codes aber möchten wir Ihnen dazu zweierlei Service bieten:

Produktbegleitende Online-Seite Um die laufenden Änderungen im Thema zu adressieren, bieten wir Ihnen über die produktbegleitende Website die Möglichkeit, sich schnell über Neues und Aktuelles zum mobilen Publizieren zu informieren. Wir halten dort neben unserem Blog relevante News vor und kommentieren sie entsprechend. Sie finden die Website zu Mobile Publishing unter folgender URL: http://www.smart-digits.com/mobile-publishing/

Links Den umfangreichen Katalog von Web-Quellen, die wir beim Schreiben verwendet und ausgewertet haben, haben wir daneben für Sie mit dem Link-Verwaltungstool bit.ly in Form von Kapitel-bezogenen Link-Listen angelegt, die Sie online zugreifen können. Die dort gesammelten Links werden laufend aktualisiert und ergänzt. Sie finden die Links zu den Kapiteln unter folgenden URLs: 1. Das richtige Produkt entwickeln im digitalen Markt – Strategie und Methode

http://bitly.com/bundles/o_3099ph1qni/2

2. Mobil Publishing – So entwickelt sich der Markt

http://bitly.com/bundles/o_3099ph1qni/3 http://bitly.com/bundles/o_3099ph1qni/f

3. Mobile Publishing – Die Technologien zur Umsetzung

http://bitly.com/bundles/o_3099ph1qni/4 http://bitly.com/bundles/o_3099ph1qni/g

4. Das richtige Produkt entwickeln – Das ist die Zielgruppe

http://bitly.com/bundles/o_3099ph1qni/5

5. Das richtige Produkt entwickeln – Dieses Produkt will der Kunde

http://bitly.com/bundles/o_3099ph1qni/6

6. Das richtige Produkt entwickeln – So erreiche ich den Kunden

http://bitly.com/bundles/o_3099ph1qni/7

152 – Literaturverzeichnis 7. Das richtige Produkt entwickeln – So rechnet sich das

http://bitly.com/bundles/o_3099ph1qni/8

8. Epilog – die Umsetzung

http://bitly.com/bundles/o_3099ph1qni/9

Über die Autoren Dr. Harald Henzler studierte Literatur und Philosophie in München, Berlin und Madrid. Als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer bei Carl Hanser und Haufe-Lexware hat er über fünfzehn Jahre Erfahrungen bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle. Er ist Gründer und Geschäftsführer der smart digits GmbH, die Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung zielgruppenspezifischer Buchreihen, Portale, Datenbanken, Anwendersoftware, eBooks und Apps berät. Er ist Mitgründer der Firma flipintu, einem Dienst zum Auffinden von Büchern im Internet. Harald Henzler ist zudem Dozent an der Akademie des Deutschen Buchhandels und der LMU München. Fabian Kern studierte Geschichte und Politikwissenschaft in München. Als Projektleiter in verschiedenen Medienunternehmen, bei der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm, bei frevel & fey und zuletzt bei der Haufe Gruppe, war er für digitale Workflows und Produktion elektronischer Medienformate zuständig. Seit 2012 ist er selbständiger Berater und Trainer für digitales Publizieren und daneben ebenfalls für die smart digits GmbH tätig. Fabian Kern ist zudem Dozent an der Akademie des Deutschen Buchhandels.