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German Pages 304 Year 2010
Mittendrin. Eine Universität macht Geschichte. Katalog
DAS MODERNE ORIGINAL
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Im August 1807 besuchten Hallenser Professoren Friedrich Wilhelm III. Sie baten ihn, eine Lehranstalt in Berlin zu eröffnen. Kurz darauf verfügte er, dass eine „allgemeine Lehranstalt in angemeßener Verbindung mit der Academie der Wissenschaften" einzurichten sei. Im August 1809 bewilligte er die Gründung der Berliner Universität.
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Carl Friedrich Beyme (1765-1838) Lithografie von E. Krafft nach einer Vorlage von
Friedrich Schleiermacher:
F. Krüger | © Humboldt-Universität,
Gelegentliche Gedanken über Universitäten
Universitätsbibliothek, Porträtsammlung
im deutschen Sinn, nebst einem Anhang über
Im Herbst 1807 forderte Carl Friedrich
eine neu zu errichtende, Berlin, 1808
Beyme mehrere Gelehrte dazu auf,
Humboldt-Universität, Universitätsbibliothek,
sich zu der Frage zu äußern, wie eine
Historische Sammlungen
in Berlin zu errichtende „Lehranstalt"
1807/08 arbeiteten mehrere Gelehrte Entwür-
aussehen solle. Beyme, der kurz darauf
fe für eine Lehranstalt in Berlin aus. Es waren
von seinem Posten abgesetzt wurde,
neben dem Theologen Schleiermacher und
galt der Universität lange Zeit neben
den Philosophen Fichte, Engel und Steffens
Wilhelm von Humboldt als einer ihrer
auch die Mediziner Hufeland und Reil, die
Gründer. Beiden verlieh die Universität
ihre durchaus kontroversen Vorstellungen
1830 die Ehrendoktorwürde.
einbrachten. Friedrich Schleiermacher hat letztlich den größten Einfluss auf Humboldt und die spätere Gestalt der Berliner Universität gehabt.
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EINE UNIVERSITÄT
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An der Vorstudienanstalt der Humboldt-Universität erworbenes
1946-1961
Abschlusszeugnis, 1949 © Hanna Behrend, Berlin
Zwischen 1946 und 1961 bot die Universität Verfolgten des NS-Regimes und Angehörigen bildungsferner Schichten die Möglichkeit, die Hochschulreife zu erwerben, um danach zu studieren. Zu diesem Zweck entstand 1946 die Vorstudienanstalt, die drei Jahre später als Arbeiter- und Bauernfakultät in die universitäre Fakultätsstruktur eingegliedert wurde. IO9
1951 1951 erfolgte nach einem langen Prozess des Zusammenwachsens schließlich auch die offizielle Vereinigung von Universitätsklinikum und Charité zur Medizinischen Fakultät (Charité) der Humboldt-Universität.
Späte i95oer-Jahre Um die internationale Isolierung zu überwinden, knüpfte die Universität gezielt wissenschaftliche Kontakte mit den Universitäten Osteuropas. Daraus resultierende Kooperationsverträge schloss sie in den späten 1950erJahren mit den Universitäten in Moskau, Prag und Warschau.
2. Januar 1964 Am 2. Januar 1964 entstand am II. Mathematischen Institut das Rechenzentrum der Universität. Im Jahr darauf erhielt es den ersten industriell hergestellten Rechner der D D R - d e n ZRAi. Ab 1973 agierte es unter dem Namen „Organisations- und Rechenzentrum" als eigenständige Institution.
Ab 1951 Die zweite Hochschulreform brachte den Studierenden ab 1951 neben dem zehnmonatigen Studienjahr auch manche Pflichtveranstaltung ein. Dazu zählten der Unterricht in den Grundlagen des Marxismus-Leninismus, der Sportunterricht sowie Russisch als erste Fremdsprache.
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Lesesaal der Sektion MarxismusLeninismus, 1970 © Bundesarchiv, Bild 183-J0305-0301-001/ Fotograf: Horst Sturm
Ab 1967
Medizinische Fakultä Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultä
1967 begann mit der dritten Hochschulreform die weitgehende Auflösung der Fakultäten-Struktur und die Bildung einer Vielzahl von Sektionen. Diese sollten in Forschung und Lehre eng mit den regionalen Betrieben kooperieren, um die Effizienz der Hochschule zu steigern und wirtschaftliche Prozesse planbarer zu machen. Neue Studienpläne orientierten die Ausbildung der Studierenden stärker am gesellschaftlichen Bedarf, der Marxismus-Leninismus-Unterricht blieb als Pflichtinhalt bestehen. III
Agrarwissenschaftliche Fakultä Gesellschaftswissenschaftliche Fakultä Sektion Marxismus-Leninismu Sektion Marxistisch-Leninistische Philosophii Sektion Wirtschaftswissenschafter Sektion Wissenschaftstheorie und Wissen schaftsorganisatioi
ZEITLÄUFTE
Sektion Geschichte
ig8oer-Jahre
Sektion Asienwissenschaften Sektion Ästhetik / Kunstwissenschaften Sektion Rechtswissenschaft Sektion Kriminalistik Sektion Psychologie Sektion Pädagogik
Die Universität hatte ihre internationale wissenschaftliche Vernetzung zu Beginn deri98oer-Jahre stark ausgebaut. Kooperationsverträge existierten mit über 50 ausländischen Hochschuleinrichtungen, auch in den westlichen Ländern. Die Anzahl der Studierenden aus dem Ausland - insbesondere aus Asien, Afrika und Südamerika - stieg ebenfalls stetig an.
Sektion Rehabilitationspädagogik und Kommunikationswissenschaft Sektion Germanistik
Um 1985
Sektion Anglistik / Amerikanistik Sektion Slawistik Sektion Romanistik Sektion Fremdsprachen Sektion Sportwissenschaft Sektion Mathematik Sektion Physik Sektion Elektronik
Seit Mitte der ig8oer-Jahre wird in der Universität der Ruf nach Erneuerung vernehmbar. Es ist der Versuch einer Erneuerung von innen, mit der Durchsetzung wissenschaftlicher Standards und einer wirklich akademischen, freien Lehre - im Geiste eines „demokratischen Sozialismus" und zugleich in der Tradition Humboldts. Der Versuch scheitert-an seinen inneren Problemen, am politischen Kontext, aber auch an der fehlenden Basis in der Universität.
Sektion Chemie Sektion Biologie Sektion Nahrungsgüterwirtschaft / Lebensmit-
Ab 1989
teltechnologie Sektion Gartenbau Sektion Pflanzenproduktion Sektion Tierproduktion / Veterinärmedizin Sektion Geografie Sektion Theologie Sektion Stomatologie
Die Wende katapultierte die Humboldt-Universität ab 1989 in einen turbulenten, hin und wieder schmerzhaften Umbruchprozess. Neben internen personellen und strukturellen Veränderungen galt es, das Studienangebot mit den drei weiteren Hauptstadt-Universitäten zu koordinieren. Fächer, Institute oder ganze Fakultäten gingen verloren, andere dagegen entstanden neu. Aus einer 1990 gebildeten Fachbereichsstruktur ging drei Jahre später das heutige System mit elf Fakultäten hervor.
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Theologische Fakultät Juristische Fakultät
Die Informatiker machten 1996 den Anfang. Bis 2003 zogen auch die anderen naturwissenschaftlichen Institute - mit Ausnahme der Biologie - a u f den Campus Adlershof im Süden Berlins. Hier bilden sie - inmitten von elf außeruniversitären Forschungseinrichtungen und etwa 4 0 0 wissenschaftsnahen Unternehmen - das pulsierende Zentrum der „Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien".
Charité-Universitätsmedizin Berlin (seit 2003 gemeinsame Medizinische Fakultät von Humboldt-Universität und Freier Universität) Philosophische Fakultät I Philosophische Fakultät II Philosophische Fakultät III Philosophische Fakultät IV Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät I Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät II Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
11nstitut für Chemie 2 Lehrraumgebäude Chemie/Physik 3 Institut für Physik 4 Geografisches Institut 5 Institut für Psychologie 6 Erwin-Schrödinger-Zentrum (Bibliothek)
Luftbild Adlershof, 2009 (modifiziert)
7 Institute für Informatik und Mathematik
© Adlershof Projekt-GmbH
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Ab 2005 An der 2005 von Bund und Ländern ins Leben gerufenen Exzellenzinitiative hat die Humboldt-Universität mit sichtbarem Erfolg teilgenommen. Vier Graduiertenschulen (die Promovierenden eine Promotion innerhalb strukturierter Programme ermöglichen) und drei Exzellenzcluster (in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interdisziplinär zusammenarbeiten), die teilweise gemeinsam mit der Freien und der Technischen Universität eingereicht wurden, sind erfolgreich daraus hervorgegangen.
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200g 2009 öffnete das Jacob-und-WilhelmCrimm-Zentrum - die neue zentrale Universitätsbibliothek-für Lehrende, Studierende und interessierte Besucher seine Pforten.
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Berlin-Brandenburg School for Regenerative Therapies
Exzellenzcluster und Graduiertenschulen an der Humboldt-Universität zu Berlin (Stand 2010)
114.
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Eindrucksvolle Entdeckungen und willensstarke Wegbereiter In 200 Jahren wurde an der ersten Berliner Universität in vielen Disziplinen Bemerkenswertes geleistet. Manches erfuhr die Wertschätzung des eigenen Fachgebietes, anderes erregte Aufsehen über die disziplinären oder gar akademischen Grenzen hinaus. Meist waren es einzelne Forscherpersönlichkeiten, die durch die Zeiten hindurch ins Licht der Öffentlichkeit traten, sei es, dass ihre Erkenntnisse das Fach revolutionierten oder überhaupt erst etablieren halfen. Herausragende Leistungen finden sich gleichermaßen in den Geisteswie in den Naturwissenschaften. Sie begründeten und begründen noch heute den guten Ruf der ältesten Alma Mater Berolinensis.
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EINDRUCKSVOLLE
ENTDECKUNGEN
U N D W I L L E N S S T Ä R K E W E G B E R E I TER
Die Geschichtsschreibung auf neue Füße stellen Was heute allgemeine Gültigkeit besitzt, nämlich die historiografische Forschung auf die Analyse von Quellen zu gründen, nahm vor 200 Jahren an der Berliner Universität mit Barthold Georg Niebuhr seinen Anfang. „Die freye und immer rege Prüfung die allen Wissenschaften allein das Leben erhalten kann, darf der Geschichte nicht fehlen", formulierte der Begründer der „quellenkritischen Methode" 1812, nachdem er an der Zuverlässigkeit der antiken Schriftsteller zu zweifeln begann. Niebuhr wandte seine Methode auf die ältere römische Geschichte an. Einschlägige Vorlesungen hielt er an der Universität nicht als berufener Ordinarius, sondern als „lesendes Mitglied" der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschafien. Hieraus entstanden die ersten beiden Bände seiner berühmten Römischen Geschichte. Auch wenn ihn sein Quellenstudium nicht selten zu Fehlschlüssen verleitete, die nachfolgende Historiker zu berichtigen wussten, ist es ihm zweifellos gelungen, die Geschichtsschreibung zu revolutionieren und in der Geschichtswissenschaft Schule zu machen.
Barthold Georg Niebuhr (1776-1831) Stich von L. Sichling nach einer Vorlage von C. Schnorr | © Humboldt-Universität, Universitätsbibliothek, Porträtsammlung
Niebuhr wechselte zwischen akademi-
„Italien nach den Staaten um das Jahr
schen und politischen Funktionen, er
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war Gelehrter und Staatsmann zugleich.
Aus: B. C. Niebuhr: Römische Geschichte, Teil 2, Berlin
1816 verließ er Berlin und ging als preu-
1812. © Humboldt-Universität, Universitätsbibliothek,
ßischer Gesandter nach Rom.
Zweigbibliothek Klassische Archäologie
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Β. C. Niebuhr: Römische Geschichte,
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Teil ι und 2, Realschulbuchhandlung, Berlin 1811-1812 Humboldt-Universität, Universitätsbibliothek, Zweigbibliothek Klassische Archäologie
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„Dieser Theil einer römischen Geschichte, und ein zweyter welcher
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