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German Pages [393] Year 2019
Friedrich Kirchner. Am Steuerrad der Kaiserin Elisabeth, Mai 1914.
Friedrich Kirchner
Mit der S. M. S. Kaiserin Elisabeth in Ostasien Das Tagebuch eines Unteroffiziers der k. u. k. Kriegsmarine (1913–1920) Bearbeitet und herausgegeben von Peter Pantzer und Nana Miyata
Böhl au Ver l ag Wien . Köln . Weimar
150 Jahre Beziehungen zwischen Japan und Österreich Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von Dipl.-Ing. Werner Hochegger (1940–2018), dem Gründer des Japaneum auf Burg Rabenstein in der Steiermark.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Kölblgasse 8–10, A-1030 Wien Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung : S.M.S. Elisabeth auf hoher Fahrt, Ölgemälde von Alexander Kircher (© Heeresgeschichtliches Museum, Wien) Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Satz : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-23258-2
Inhalt Peter Pantzer Japan und Österreich-Ungarn im Weltkrieg. Zum Tagebuch des Marineunteroffiziers Friedrich Kirchner und den politischen Verhältnissen, die zur Entzweiung von Japan und Österreich-Ungarn im Jahr 1914 führten . . . . . . . Maschinenquartiermeister Friedrich Kirchner (1890–1964).. . . Politische Wetterwolken ziehen auf . . . . . . . . . . . . . . . . . Die k. u. k. Botschaft in Tokyo. Diplomatie und Militär. . . . . . . »[…] wenn Russland durch Japan in Schach gehalten würde« . . Krieg in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krieg mit Japan – Ja oder Nein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abrüsten! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einmal Hü, einmal Hott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie sah die Situation für die Besatzung, wie für Friedrich Kirchner aus ?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . In den Krieg mit Japan.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Friedrich Kirchner Kriegs-Tage-Buch. Erinnerungen an den Aufenthalt und Reisen in China und Japan 1913 bis 1920 auf S.M.S. Kaiserin Elisabeth I Mit der Liesl auf See. Fahrt nach Fernost. . . . . . . . . . . . . . . August 1913.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1914 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II Mit der Liesl in Tsingtau. Japan und Österreich-Ungarn im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelheiten über die japanische Belagerungsarmee . . . . . . . . . Aus der Geschichte der japanischen Flotte. . . . . . . . . . . . . . .
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III Kriegsgefangenschaft in Japan. Himeji und Aonogahara. . . . . In japanischer Kriegsgefangenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289 299 Weihnachten 1914 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
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Inhalt
Nana Miyata Japan und Österreich – Was nachher geschah. Kriegsgefangenschaft in Japan 1914–1919 und die 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schriftliche Zeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schicksal.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abreise! Heimreise? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Heimkehr
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. . . . Das Ende eines Schiffes – die Heimat blieb in Übersee . . Abschied von Unsern Landsleuten in Ostasien . . . . . .
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Liste der Offiziere der Kaiserin Elisabeth, die in Tsingtau mitkämpften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zeitplan und Aufenthaltsorte des Kreuzers Kaiserin Elisabeth . 1913/1914.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefangenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückkehr in die Heimat Österreich.. . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . .
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Chinesische und Japanische Ortsnamen . . . . . . . . . . . . . . . . China. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Japan.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang
Ungedruckte Quellen und Japan.. . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . .
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Peter Pantzer
Japan und Österreich-Ungarn im Weltkrieg Zum Tagebuch des Marineunteroffiziers Friedrich Kirchner und den politischen Verhältnissen, die zur Entzweiung von Japan und Österreich-Ungarn im Jahr 1914 führten
In der japanischen, in englischer Sprache herausgegebenen Wochenschrift, »The Japan Weekly Mail« vom 4. Juli 1914 stand auf der ersten (!) Seite eine kurze, aber überaus erfreuliche Nachricht : Das Hauptgebäude der österreichisch-ungarischen Botschaft in Tokyo wird renoviert. Bereits Anfang des kommenden Herbstes wird es neu erstrahlen. Das Botschaftsgebäude ist eines der schönsten aller ausländischen Vertretungen der Stadt, so heißt es, und wird für immer den Charme der Metropolis bereichern. Eine wesentlich bedeutsamere Meldung aus Österreich-Ungarn – sie war in der Redaktion kurz vor Redaktionsschluss eingelangt – findet sich auf Seite 12 dieser Ausgabe der »Japan Weekly Mail« : Unter dem Titel »The Austrian Tragedy« wird vom Attentat auf den Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, am 28. Juni 2019 berichtet. A cowardly murder of the Archduke Francis Ferdinand, […] not at all an unpremeditated act of savagery by a solidary lunatic, but a deliberate plot, carried out with every precaution to ensure its ghastly success. Had it been the act of a madman, the tragedy would have been a thought less terrible, the consequences assuredly less disastrous. In the whole range of human endeavour there is nothing more pitiable than the spectacle of men striving for liberty by means which prove them wanting in the first essential of liberty, mastery over their own passions […].
Die Tatsache, dass es sich nicht um die Wahnsinnstat eines Einzelnen handelte, sondern dass es sich um ein von der serbischen Geheimgesellschaft »Schwarze Hand« minutiös geplantes Attentat handelte, das die Julikrise auslöste und schließlich zum Ersten Weltkrieg führte, ist längst in die Geschichtsbücher eingegangen. Die Nachricht von der Ermordung des Erzherzog-Thronfolgers erreichte Wien und alle Hauptstädte der Welt in Windeseile, auch Tokyo und den Kreuzer Kaiserin Elisabeth der k. u. k. Kriegsmarine, der sich in jenen Tagen auf See in ostasiatischen Gewässern befand. Das Attentat ereignete sich in Sarajevo am
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Abb. 1: Botschaftsgebäude der Österr.-Ungarischen Monarchie in Tokyo (Adresse: Kōji machi-ku, Kioichō 7), 1899 erbaut von dem englischen Architekten Josiah Condor. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebäude mit dem Grundstück als Kriegsreparation an Italien abgetreten.
28. Juni um 11.00 Uhr vormittags. In Fernost rückten die Zeiger der Uhr zu diesem Zeitpunkt schon auf den Abend hin. Anderntags, am 29. Juni – in der österreichisch-ungarischen Monarchie war noch früher Morgen –, traf die telegraphische Depesche zur Tagesmitte auf dem Kreuzer ein. »Um 12h Mittag«, so notiert der Maschinenunteroffizier Friedrich Kirchner in sein Tagebuch, bläst der Hornist »alle Mann antreten«. Binnen kurzem sammelt sich die gesamte Bemannung – Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften – auf dem durch Sonnenzelte überdecktem Deck. Ich war im Dienste in der Dampfbarke und weil ich den Dienst nicht verlassen darf, so konnte ich natürlich nicht hinauf, aber ich erfuhr bald, was die Veranlassung zu der Versammlung war. Nachdem »Habt Acht« kommandiert war und Kappe ab ist, teilt der Kommandant in bewegten Worten den Versammelten mit, dass S. kaiserliche Hoheit, der Herr Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Gemahlin in Sarajewo erschossen worden sind.
Der k. u. k. Stationär in Ostasien, S.M.S. Kaiserin Elisabeth, befand sich an diesem schicksalhaften Tag vor dem chinesischen Hafen von Zhifu (heute Yantai), im Nordosten der Provinz Shandong.
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Die Stimmung an Bord war natürlich nach dieser Mitteilung eine sehr gedrückte, war doch der Erzherzog unser oberster Admiral.
Am 6. Juli fand in Beisein des k. u. k. Konsuls in Zhifu, Maximilian Freiherr von Babo, an Bord die Seelenmesse statt. Die Musik, die während der Messe traurige Weisen gespielt hatte, setzte nun mit der
Volkshymne ein, und wohl jeder hegte mehr denn je den Wunsch : »Gott erhalte unsern Kaiser«. Dem Konsul, ein Mann von ungefähr 45 Jahren, und seiner Frau traten die Tränen in die Augen, als sie die Volkshymne unter so traurigen Umständen, wohl das erste Mal nach langen Jahren wieder hörten. Jeder war gerührt, als die Hymne hier am Gestade Ost-Asiens den Schluss der Trauerfeier gebildet hatte.
Maschinenquartiermeister Friedrich Kirchner (1890–1964)
Die Kaiserin Elisabeth war am 19. August 1913 aus Pola mit dem Ziel eines längeren Aufenthaltes in China und Japan ausgelaufen. Die Fahrt ging über Suez, Colombo und Hongkong zunächst nach Zhifu und Qinhuangdao. Sie legte an zwei Häfen an, die insofern wichtig waren, weil beide Häfen der Stadt Tientsin [Tianjin] nahelagen, in der die k. u. k. Monarchie seit dem Jahr 1900 eine staatsrechtlich unabhängige Enklave besaß. Dort gab es eine eigene Handelsniederlassung sowie ein Marine-Detachement von über 200 Soldaten der österr.-ungar. Kriegsmarine, die seit dem Boxeraufstand für den Schutz des k. u. k. Konsulates sowie der k. u. k. Legation in Peking sorgte. In diesen Häfen hielt sich das Schiff über einen Monat lang auf, bevor es in Richtung Nagasaki den Anker lichtete. Kommandant des Kreuzers Kaiserin Elisabeth auf seiner sechsten und letzten Reise nach Fernost war Linienschiffskapitän Richard Makoviz. Als General detailoffizier fungierte Korvettenkapitän Georg Pauspertl Wladyk von Drachenthal. Dem Marine-Almanach des Jahres 1913 zufolge hatte das Schiff 4000 Tonnen Verdrängung1 und einen Bemannungsstand von 424 Personen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Marineangehörige Tagebücher schreiben. Die Marineverwaltung hatte den jungen Seekadetten sogar ans Herz gelegt, ihre persönlichen Erfahrungen aufzuzeichnen und für ihre Zukunft als berufliches Dokument zu nutzen. So auch der schreib- und formulierfreudige junge Marineunteroffizier Friedrich Kirchner, der als Maschinenquartiermeister auf der Kaiserin Elisabeth seinen Dienst versah. 1 Dabei handelt es sich um eine Angabe zur Schiffsgröße.
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Abb. 2: Nach dem Requiem am 6. Juli 1914 in der katholischen Kirche in Tsukiji/Tokyo zu Ehren des in einem Attentat in Sarajewo erschossenen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gattin. In der Mitte Marschall Ō ya m a Iwao, dahinter der amerikanische Botschafter George W. Guthrie, ihm zur Seite der Hofmarschall H ata n o Yoshinao; rechts in ungar. Uniform k. u. k. Botschaftsrat Maurice [Móric] Szent-Ivány de Liptó-Szent-Iván.
Friedrich Kirchner wurde am 5. August 1890 als Sohn eines Notars im Markt Oberzeiring, Kreis Judenburg, in der Steiermark geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters hatte die Mutter Maria geb. Höbarth Edle von Schwarzthal, fünf Kinder großzuziehen. Friedrich hatte nach der Pflichtschule eine höhere Lehranstalt besucht, den Ingenieurstitel erworben und war dann in die Marine eingetreten. Es war auch für ihn die erste große Reise nach Übersee. Der Dienst auf der S.M.S. Kaiserin Elisabeth war für Kirchner die erste Fahrt nach Fernost. Politische Wetterwolken ziehen auf
Seit Oktober 1869 gab es zwischen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und dem Kaiserreich Japan einen Freundschafts-, Schifffahrts- und Handelsver-
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Abb. 3: Letzter Mitarbeiterstab der Österr.-Ungar. Botschaft vor dem Ersten Weltkrieg; v.l.n.r.: Botschafter Ladislaus Baron Müller von Szentgyörgy, Oberstleutnant d. G. Franz Putz u. Botschaftsrat Móric Baron Szent-Ivány de Liptó-Szent-Iván.
trag. Beide Länder tauschten Diplomaten aus. Infolge dieses Vertrages entsandte Österreich-Ungarn in regelmäßigen Abständen Stationsschiffe der k. u. k. Marine nach Ostasien. Zum einen, um Flagge zu zeigen gegenüber anderen Mächten, also politisch präsent zu sein, zum anderen, um alle in den verschiedensten asiatischen Häfen lebenden Bürgern der Monarchie (zumeist Kaufleute) des Schutzes ihrer Heimat zu versichern ; drittens, um die jährlich ausgemusterten Seekadetten der Marineakademie in Pola auf ihre erste große Fahrt zu schicken, die erlernten Kenntnisse in ihrer zukünftigen Laufbahn als Seeoffiziere nun in der Praxis umzusetzen. Zu diesen Zielen wurde auch die Kaiserin Elisabeth nach Fernost geschickt. Eine solche Fahrt nahm den Aufgaben entsprechend ein oder zwei Jahre in Anspruch, je nachdem wie viele Häfen auf dem Reiseplan standen. Primär waren die längsten Aufenthalte für China und für Japan vorgesehen. Das traf auch für die Kaiserin Elisabeth zu, die im Sommer 1914 in den Gewässern zwischen China und Japan kreuzte. Der letzte Hafen, den die Kaiserin Elisabeth vor dem Eintreffen der Nachricht vom Attentat in Sarajevo in Japan angelaufen hatte, war Kagoshima auf Kyushu gewesen, wo die Bordmusik des Kreuzers der Öffentlichkeit noch ein
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Platzkonzert gegeben hatte. In diesen Tagen sollte die Kaiserin Elisabeth wieder eine Kreuzung in den japanischen Gewässern vornehmen und erneut Yokohama besuchen. Die geplante Sommerkreuzung musste aufgegeben werden. In Japan brachten alle Blätter in Leitartikeln ihr aufrichtiges Mitgefühl und ihre Trauer zum Ausdruck. Sie erinnerten an den Besuch Franz Ferdinands in Japan während des Sommers 1893 anlässlich seiner Weltreise und sie alle betonten die Freundschaft, die Österreich-Ungarn mit Japan verbinde. In Tokyo fand im Beisein hoher japanischer Würdenträger und den diplomatischen Vertretern verschiedener Gesandtschaften ein feierliches Requiem zu Ehren des ermordeten Thronfolger-Ehepaars statt. Es war ein Tag, an dem niemand voraussah, dass dieser Schicksalsschlag und die daraus entstandenen Verwicklungen einen tiefen Einschnitt in die Geschichte Österreichs darstellte. Und dass auch Österreich-Ungarn und Japan infolge der politischen Lage in eine militärische Auseinandersetzung geraten würden. Dass die beiden Länder, die bis zum letzten Tag vor Ausbruch von Kampfhandlungen nur freundschaftliche diplomatische Beziehungen unterhielten, sich plötzlich als Feinde gegenüberstanden, bleibt genau betrachtet in den Geschichtsbüchern eine Tragikomödie. Allerdings mehr tragisch als komödienhaft. Denn wo geschossen wird, ist auch der Tod nahe. Dieses Schicksal wurde dem Kreuzer Kaiserin Elisabeth zuteil. Zu diesem Zeitpunkt war freilich noch nicht abzusehen, dass Japan am 8. August aufseiten Großbritanniens in den Ersten Weltkrieg eintreten, am 23. August dem Deutschen Reich und am 25. August Österreich-Ungarn den Krieg erklären würde. Von Tsingtau [Qingdao] einlangende Telegramme stellten die Wahrscheinlichkeit kommender politischer Verwicklungen fest. Am Morgen des 20. Juli 1914 traf auf der Kaiserin Elisabeth eine Depesche der Marinesektion aus Wien ein. Unauffällig mit ökonomischer Geschwindigkeit nach Tsingtau abgehen, dort weitere Befehle abwarten.
Die k. u. k. Botschaft in Tokyo. Diplomatie und Militär
Es existieren einige recht aufschlussreiche Dokumente, die sich zunächst auf die primär betroffene österr.-ungarische Marine beziehen, wie jene des Kommandanten des Schiffes, Richard Makoviz, oder das hier vorliegende Tagebuch von Friedrich Kirchner, die direkt an den Kampfhandlungen beteiligt waren und
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Abb. 4: Militärattaché Oberstleutnant d. G. Franz Putz, Aufnahme Tokyo um 1913, sign. »9. Nov. 1914 Putz Oberstlt.«
die Überlegungen der handelnden Personen an der k. u. k. Botschaft in Tokyo enthalten. Der Botschafter hieß Ladislaus Baron Müller von Szentgyörgy, ein aus der ungarischen Reichshälfte stammender Diplomat. Im Auswärtigen Amt besaß er großen Einfluss. Ersichtlich daran, dass er sowohl vor seiner Berufung nach Tokyo und unmittelbar nach seiner Ausweisung aus Tokyo im Sommer 1914 als Erster Sektionschef neben dem Außenminister die wichtigste Führungsposition im Ministerium des Äußeren in Wien innehatte. Ihm zur Seite stand der Botschaftsrat Móric Szent-Ivány de Liptó-Szent-Iván, ebenfalls aus der ungarischen Reichshälfte. Und welche handelnde Person gab es an der Botschaft noch ? Den Militärattaché ! Den Generalstabs-Major Franz Putz, der in Tokyo noch zum Oberstleutnant aufrückte. Ein bemerkenswerter Mann, der handverlesen auf den Posten nach Fernost geschickt wurde und neben Japan auch noch für China zuständig war. Handverlesen von wem ? Von niemand geringerem als dem Generalstabschef Franz Graf Conrad von Hötzendorf. »In Tokio ! Du Glücklicher, wie beneide ich Dich«, beginnt der erste Brief, den der Generalstabschef am 16. November 1910 an den neu ernannten Militärattaché schrieb.
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Ich freue mich, dass es mir vergönnt war, Dir diese schönen Lebenserfahrungen verschafft haben zu können – es wird wohl ohnehin der letzte Freundschaftsdienst gewesen sein, mit dem ich Dir für alles erkenntlich sein konnte […].
Putz war einer jener jungen Offiziere, die Conrad als Lehrer und Vorgesetzter schätzen gelernt hatten. Und umgekehrt wohl auch, weil Conrad trotz des großen Altersunterschiedes sehr viele Privates an Putz schrieb, über seine Familie, seine Privatverhältnisse, über seine Generalstabskollegen, auch über den Spion Redl, der wichtige militärische Daten an Russland verraten hatte. »[…] wenn Russland durch Japan in Schach gehalten würde«
Mit dem Stichwort Russland ist der Punkt getroffen, der deutlich macht, dass Putz nicht auf einen Ferienposten nach Fernost abgeschoben wurde, sondern dem Land Japan aus der Sicht des österreichischen Generalstabschefs eine geopolitische Rolle im Spiel der Großmächte zukam. Deinen Bericht habe ich mit großem Interesse gelesen. Er deckt sich im Wesentlichen mit der Ansicht, die ich von den Dingen hatte. Hoffentlich sind auch Deine folgenden Berichte so präcise und inhaltsreich und lässt Du Dich nicht zum Diplomatenstyl verleiten. – […] Mir kommt es hauptsächlich darauf an orientiert zu sein, in wieweit Rußland durch Japan militärisch gebunden wird und welche Rolle in dieser Hinsicht auch China übernimmt ; also auch wie es mit den 36 chinesischen Divisionen und ihrem Kriegswert steht. (Brief 15. April 1911).
Ein Schreiben von Conrad an Putz (»Lieber Putz«) vom 1. Jänner 1913 zielt in die gleiche Richtung : Du wirst wohl ermessen, von welch weitgehendem Wert es für uns wäre, wenn Rußland jetzt durch Japan oder China in Schach gehalten würde : – Du kannst Dir da Lorbeeren sammeln.2
2 Diese privaten Briefe stammen aus dem Nachlass Putz, die nach seinem Tod dem Kriegsarchiv übergeben wurden. Die Beziehung von Conrad zu Putz war eine sehr persönliche, wie auch aus dem Schlusssatz des Briefes vom Neujahrstag 1913 hervorgeht : »Und nun leb wohl. Lass doch wenigstens ab und zu mit einer Ansichtskarte hören wie es Dir geht. Denn Du weißt, wie innig für Dein Wohlergehen denkt und fühlt Dein alter treuer Freund Conrad.«
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Abb. 5: Oberstleutnant d. G. Franz Putz vor seinem Haus in Tokyo.
Abb. 6: Samurai-Rüstung im Eingangsbereich des Wohnhauses von k. u. k. Militärattaché Franz Putz.
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Es wird sofort klar, welche Logik dahintersteckte. Ist Russland in Fernost an den chinesischen und japanischen Grenzen gebunden, kann die Monarchie sowohl in Galizien wie am Balkan aufatmen. Bewahrheitet hat sich dies nicht. China war zu dem Zeitpunkt militärisch schwach und noch weit weg von imperialen Attitüden. Und Japan ? Ein Feind hätte Russland sehr wohl sein können. Aber da von Russland durch die Niederlage im russ.-japanischen Krieg 1905 das Ausgreifen in Fernost mehr oder weniger zurückgestellt wurde, trat diese für Österreich erhoffte günstige Situation nicht wirklich ein. Das seit 1902 bestehende Bündnis zwischen Japan und Großbritannien, das 1910 nochmals erneuert wurde, tat überdies das Ihre. Zwischen März und April 1913 unternahm Putz eine Inspektionsreise nach China (Taku, Tientsin, Peking, Treffen mit dem k. u. k. Gesandten v. Rosthorn). Zwischen Juni und Oktober 1913 durfte er über die USA einen Urlaub nach Europa antreten ; die Rückkehr erfolgte, nun wieder dienstlich, über Russland (Irkutsk) und Peking. In Wien traf Putz seinen Förderer, Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf. Die Weltlage änderte sich nicht. Oberstleutnant Putz kam nur rechtzeitig zum Chrysanthemen-Fest im Herbst 1913 nach Japan zurück, zu dem vom Hofamt auch Botschafter Müller-Szentgyörgy geladen war. Das letzte Fest dieser Art für die beiden Österreicher. Krieg in Europa
Nach den Schüssen auf den Thronfolger im Juli 1914 begann die Bündnismaschinerie zu laufen. Nun kommt die Stunde, in der sich in Japan der Botschafter und der Militärattaché zwar nicht entzweiten, denn dienstlich sprachen sie bis zum bitteren Ende weiter, aber ihre Ansichten, wie zu handeln sei, waren völlig konträr. Es gab hektisches Hin- und Her zwischen Tokyo, Berlin und Wien sowie ein Gewirr an Weisungen mit Bezug auf den Kreuzer Kaiserin Elisabeth, der inzwischen in den Hafen von Tsingtau eingelaufen war. Die Nachrichten überschlugen sich nun. Am 28. Juli traf aus Wien die Mitteilung an der k. u. k. Botschaft in Tokyo von der teilweisen Mobilisierung ein. Putz antwortet telegraphisch an Conrad : »wenn grossernst bitte rufen«. Am 2. August war dies bereits schon wieder Makulatur. Jetzt hieß es : Generalmobilmachung. Oberstleutnant Putz wollte zum Einrücken sofort abreisen. Eine telegraphische Genehmigung erhielt er dafür nicht. Er wandte sich schriftlich und per-
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sönlich an den Botschafter, der sich scharf gegen diese Bitte um Einrückung aussprach und mit dem Weggehen absolut nicht einverstanden war. Am 29. Juli hatte die Nachricht von der Kriegserklärung der Monarchie an Serbien den bereits vor Tsingtau liegenden Kreuzer erreicht. Wenig später dektretierte ein Telegramm der Marinesektion, in Tsingtau zu verbleiben. Als die österreichisch-ungarische Gesandtschaft in Peking telegraphierte, dass die Beziehungen zwischen der Donaumonarchie und Russland abgebrochen worden seien, konsultierte der Schiffskommandant die an Bord befindliche, für den Kriegsfall bestimmte geheime Order. Von deren Anweisungen hinsichtlich des Marineübereinkommens des Dreibundes schien nur ein einziger verwendbar : »Im Interesse des Dreibundes handeln.« Krieg mit Japan – Ja oder Nein?
S.M.S. Kaiserin Elisabeth begab sich unter die Befehlsgewalt des Gouverneurs von Kiautschou [ Jiaozhou]. Da die unmittelbare Verbindung zwischen Öster reich-Ungarns Vertretung in Tokyo und der Monarchie unterbrochen war und auch keine direkten Weisungen mehr eintrafen, trug Botschafter Müller-Szentgyörgy die Verantwortung. Er stand nun vor der Frage : Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Japan, oder nicht ? Militärattaché Putz in Tokyo, merklich über die Frage der Heimkehr und das Verhalten zu Japan mit seinem Botschafter in Konflikt geratend, hielt die sich entwickelnde Lage in Tokyo protokollhaft fest : 11. August : Vielleicht Verhandlungen mit Japan nötig, wenn sich der Kommandant
des Kreuzers nicht gleich auf deutsche Seite stellt ; 13. August : Ich bin fast ganz sicher, dass sich der Kommandant S.M.S. Kaiserin Elisabeth schon aus rein militärischen Gründen auf Seite der Deutschen stellen wird. Antrag an den Botschafter, er möge dem Kommandanten die Ansicht telegraphieren, dass sich S.M.S. Kaiserin Elisabeth, trotzdem die Monarchie anscheinend noch nicht im Kriege mit England steht, dezidiert auf die deutsche Seite stellen sollte.
In seinen Überlegungen notiert Putz, dass sowohl Botschaft wie Schiff von der Heimat abgeschnitten seien, ohne Instruktionen zu erlangen. Die Botschaft in Tokyo sei durch den Entschluss des Kommandanten direkt betroffen. Der Botschafter in Ostasien sei der höchste Vertreter des Kaisers, daher zur Abgabe seiner Ansicht auch gegenüber dem selbständigen Schiffskommandanten berechtigt und würde dadurch dem Kommandanten in seinem schweren Entschluss
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entweder moralisch stützen oder aber verhindern, dass dieser eine halbe oder unangemessene Maßregel ergreife. Das Verhalten Deutschlands Österreich gegenüber zwinge, so Putz, zur sofortigen und unbedingten Parteinahme Österreichs für Deutschland. Eine Neutralitätserklärung oder zögerliches Verhalten zöge einen Image-Verlust nach sich, günstigenfalls wäre in einem neutralen Hafen abzurüsten. Am 15. August traf die Nachricht von dem auf eine Woche terminierte Ultimatum Japans an Deutschland ein, welches die Forderung enthielt, Kiautschau bedingungslos zu übergeben. Was tun mit dem österreichischen Kreuzer ? Von der k. u. k. Gesandtschaft in Peking war zu hören, dass sich das Schiff entweder an der Verteidigung Tsingtaus beteiligen oder nach Desarmierung und Rettung der Mannschaft versenkt werde. Das war ein Grund für den Militärattaché, dass die Botschaft in Tokyo schließen muss. Bei einem Besuch in der deutschen Botschaft erfuhr Putz am 21. August abends, dass Tsingtau »bis zum Äußersten« zu halten sei. Am 23. August lief das Ultimatum ab. Von deutscher Seite keine Antwort. Krieg ! Durch den Entschluss Deutschlands, Tsingtau zu verteidigen, sei die Strategie für das Schiff sehr einfach und klar geworden : Das auf offener See nur minder verwendbare Schiff und dessen Bemannung habe pflichtgemäß loyal mit den Verbündeten an der Verteidigung des Platzes mitzuwirken und bedeute für die Deutschen einen wesentlichen Kraftzuwachs. In Tsingtau hatte sich der Kommandant des Schiffes, Linienschiffskapitän Richard Makoviz, bereits entschlossen, mit Deutschland vereint gegen die Japaner zu kämpfen (falls keine anderen Weisungen aus der Heimat eintreffen sollten). Die Kaiserin Elisabeth wurde in die geplanten Verteidigungsmaßnahmen eingewiesen. Die Geschützbesatzungen bereiteten sich vor, und der Kreuzer unternahm Erkundigungsfahrten entlang der Küste. Im Falle eines Angriffes auf Tsingtau würde nun also Japan zum Feind, obwohl es sich mit Österreich-Ungarn (noch) nicht im Kriegszustand befand. Einige japanische Zeitungen hatten schon seit Tagen erklärt, wie bedauerlich es wäre, wenn es zufolge der zufälligen Anwesenheit eines k. u. k. Kriegsschiffes in Tsingtau zwischen Österreich-Ungarn und Japan zu Schwierigkeiten oder gar zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen käme, wo doch zwischen beiden nur Freundschaft und keinerlei Grund einer Feindschaft bestehe.
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Abrüsten!
Am 24. August – einen Tag, nachdem das japanische Ultimatum an Deutschland abgelaufen war – hatte sich der Botschafter entschlossen, um seine Pässe zu bitten, und ging zu Außenminister Katō. Doch kam ihm Katō zuvor und überreichte ein über Rom gekommenes Telegramm vom 22. August, wonach die Kaiserin Elisabeth unter japanischer Garantie nach Shanghai fahren und dort desarmieren solle. Während Müller-Szentgyörgy positiv darauf reagierte, hielt der Militär-Attaché dies militärisch für unmöglich.3 In Tsingtau war der Abrüstungsbefehl für die Kaiserin Elisabeth am 23. August eingetroffen – und zwar durch ein Telegramm des österr.-ungar. MarineAttachés in Berlin, Hieronymus Graf Colloredo-Mannsfeld : »Abrüsten, Mannschaft Tientsin.« Colloredo-Mannsfeld hatte vor seiner Berliner Zeit zwischen 1904 und 1907 im Rang eines Linienschiffsleutnants als Marine-Attaché in Tokyo gedient und hatte somit Japan-Erfahrungen. Auch die deutsche Diplomatie hatte darauf gedrängt, Österreich-Ungarn möge Japan gegenüber neutral bleiben. Somit war entschieden, den Kreuzer abzurüsten. Siebzehn Mann Besatzung unter dem Kommandanten Richard Makoviz wurden zurückgelassen, alle anderen Mannschaftsmitglieder fuhren am 24. August mit der Bahn nach Tientsin (s. die Abbildungen 24 u. 25). Damit schien diese Frage im Sinne der Vermeidung eines Konfliktes zwischen Österreich-Ungarn und Japan entschieden, umso mehr, als Botschafter Müller-Szentgyörgy von seinem deutschen Kollegen, Graf Arthur Alexander Kaspar von Rex, verständigt wurde, dass er aus Berlin beauftragt worden sei, die Vertretung deutscher Interessen Müller-Szentgyörgy zu übertragen. Der Militär-Attaché in Tokyo notierte für sich am 25. August : Durch den Befehl für Kaiserin Elisabeth sehr niedergeschlagen. Schriftliche Meldung an den Botschafter, dass ich am 29. abreisen möchte.
Der Botschafter bewilligte, dass Putz auf eigene Verantwortung abreisen könne. Aber es kam wieder anders. Extrablätter in Tokyo brachten die Nachricht, dass Österreich-Ungarn Krieg an Japan erklärt habe.
3 Franz Putz, Nachlass-Sammlung, Kriegsarchiv ÖStA, Wien.
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Die Diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Österreich »Österreich erklärte Japan den Abbruch der diplomatischen Beziehungen und ersuchte um die Pässe zur Ausreise für den in Tokyo akkreditierten Botschafter. Angesichts der bisher bestehenden freundschaftlichen Beziehungen beider Länder ist dies mit größtem Bedauern zur Kenntnis zu nehmen. Denn trotz unserer Kriegserklärung gegen Deutschland empfanden wir Österreich gegenüber keinerlei feindliche Gefühle und umgekehrt fehlt auch auf österreichischer Seite eine ebensolche Haltung. Es ist nur der gegenwärtigen Lage geschuldet, dass ein österreichisches Kriegsschiff durch ein unglückliches Zusammentreffen der Ereignisse in Tsingtau zwischen die Kriegsfront von Japan und Deutschland geriet und uns so diese folgenschwere Situation bescherte. Der österreichische Vertreter im Fernen Osten wollte trotz dieser Situation unsere wertvolle beiderseitige Freundschaft nicht gefährden und suchte nach verschiedenen Möglichkeiten, einen Waffengang zu vermeiden und mit dem Schiff in einen neutralen Hafen auszuweichen. Zur Aufrechterhaltung unserer bisherigen guten Beziehungen galt dem unsere volle Unterstützung. Bevor dieser Schritt aber in die Tat umgesetzt werden konnte, erreichte uns die entscheidende Anweisung seitens der österreichischen Regierung, die zum plötzlichen Abbruch der bilateralen Beziehungen führte. Für Japan war dies eine unerwartete Entwicklung, die wir mit schwerer Empfindung erfahren mussten. Sicherlich ist nachzuvollziehen, dass Österreich loyal zum Österreichisch-Deutschen Bündnis steht wie ebenso unser Land dem Britisch-Japanischen Bündnis getreu folgen wird. Dennoch ist nicht leicht zu verstehen, dass nun der Kampf gegen uns aufgenommen wird. Nicht zu verschweigen ist natürlich, dass dieser Krieg ursprünglich aus dem österreichisch-serbischen Zerwürfnis hervorgegangen ist. In dieser Hinsicht trägt Österreich eine große Verantwortung. Eine Teilnahme am Japanisch-Deutschen Krieg wäre schwerlich abzulehnen gewesen, sofern Deutschland dies verlangt hätte. Obwohl uns nicht bekannt ist, ob Deutschland dieses Verlangen gestellt oder ob Österreich sich freiwillig dafür entschieden hat, ist die Entscheidung Österreichs bis zu einem gewissen Grad nachzuvollziehen. Somit erklärte uns Österreich den Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Obwohl wir bei der Niederschrift dieses Artikels nicht in Erfahrung bringen konnten, wie die japanische Regierung darauf reagierte, ist es offensichtlich, dass uns nichts Anders übrigbleiben wird, dies zu akzeptieren. So befinden wir uns nun beide wider besseren Willen im Kriegszustand. Da aber anzunehmen ist, dass Österreich keine weiteren Streitkräfte senden beziehungsweise keine anderen Kriegsschiffe in der Gegend hier eingreifen lassen wird, liegt der Konfliktfall schließlich nur um bei diesem einen Kreuzer. Ursprünglich hatte das Schiff vorgehabt, im nächsten Frühling Japan erneut einen offiziellen Besuch zum Ausdruck der freundschaftlichen Beziehungen abzustatten und bei dieser Gelegenheit zu Ehren unseres Kaisers dem Kirschblütenfest beizuwohnen. Nun ist plötzlich ein Wandel in unserer Lage eingetreten und die diplomatischen Beziehungen sind beendet. Es ist in der Tat erstaunlich, wie sich Dinge entwickeln können, ohne dies vorauszuahnen. Lebewohl Österreich, für kurze Zeit sind unsere Länder zum Feind geworden. Wenn das Feuer der Kanonen einmal eröffnet ist, kennen wir, trotz fehlenden Hassgefühls, keine Schonung mehr.« Hōchi shinbun 報知新聞, Tokyo 28. August 1914, Titelseite (Leitartikel u. Abb. des Kaisers und Königs Franz Joseph; siehe Abb. 7)
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Abb. 7: »Der leidgedrückte betagte Kaiser von Österreich« (「お氣の毒な墺國老帝」 o-kinodoku-na ōkoku rōtei). Hōchi shinbun, Tokyo 28. August 1914 (Titelseite).
Einmal Hü, einmal Hott
Im deutschen Hauptquartier hatte inzwischen gelegentlich eines Besuches des k. u. k. Militär-Attachés, General Josef Graf Stürgkh, der deutsche Kaiser ihm gegenüber die Überzeugung geäußert, Kaiserin Elisabeth werde in Tsingtau »tapfer mitkämpfen«.4 Wien hatte sich daraufhin schleunigst beeilt, den Missgriff deutscher nicht-militärischer Stellen wiedergutzumachen. Kaiser Franz Joseph nahm zu guter Letzt die Bündnisverpflichtung wahr. Nun ging ein neues Telegramm ab, welches das Bleiben anordnete, »zur Wahrung Prestige der Flagge und Manifestation der Waffenbrüderlichkeit«. Mit der Schlagzeile »Die offizielle Meldung über die Bundestreue« stand sodann am 24. August in Berlins Presse zu lesen : 4 G.d.I. Graf Josef Stürgkh, »Gespräch mit Kaiser Wilhelm II. über ›Kaiserin Elisabeth‹. Aus meinen Erinnerungen«, in : Neues Wiener Journal, 17. Dez. 1933, S. 13/14 ; Josef von Stürgkh : Politische und militärische Erinnerungen. Leipzig : P. List, 1922.
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Das Wolffsche Büro meldet : Die österreichisch-ungarische Botschaft hat heute dem Auswärtigen Amt folgende Mitteilung gemacht : Im Allerhöchsten Auftrage ergeht an das Kommando Sr. Majestät Schiff Kaiserin Elisabeth in Tsingtau sowie an den österreichisch-ungarischen Botschafter in Tokyo der telegraphische Befehl, dass Sr. Majestät Schiff Kaiserin Elisabeth in Tsingtau mitzukämpfen habe.5
Nun bestand das Problem, wie die rund 400 Mann Besatzung, kaum in Tientsin angekommen, wieder nach Tsingtau zurückzubringen seien. Etwa 300 Mann schafften es, ehe die Japaner das Pachtgebiet abriegelten. Vor dem deutschen Schutzgebiet wuchs auch die japanische Blockadeflotte. Am 27. August teilte der kommandierende japanische Admiral radiotelegraphisch dem deutschen Gouverneur die Blockadeerklärung mit. War bisher der Militär-Attaché in Tokyo entsetzt gewesen über die Nichtteilnahme der Kaiserin Elisabeth am Kampf um Tsingtau, so war es der Botschafter jetzt vom Gegenteil. Zuerst, als er am 26. August durch die Presse erfuhr, dass Österreich-Ungarn an Japan den Krieg erklärt habe – da eben noch Verhandlungen über das Schiff im Gange waren. Und dann – als am Vormittag des 27. das Telegramm aus Wien eintraf (Aufgabedatum 24. August), das den Auftrag enthielt, die Pässe zu fordern und nach Amerika abzureisen. Müller-Szentgyörgy teilte dies dem japanischen Außenminister zunächst persönlich mit. Katō verbarg dabei nicht seine Überraschung über die ihm durch das Telegramm Berchtolds bereits bekannte Nachricht und bedauerte lebhaft diese Wendung in den sonst doch so freundschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Japan, für die kein Grund der Feindschaft vorliege. Wie sah die Situation für die Besatzung, wie für Friedrich Kirchner aus?
Nachdem am 20. Juli ein Telegramm von Wien eingetroffen war, dass sich das Schiff »gefechtsklar« nach Tsingtau zu begeben habe, und dass somit die beabsichtigte Route über Korea mit einem vorgesehenen dreimonatigen Aufenthalt wieder in Japan aufgegeben worden war, schrieb Kirchner am 21. Juli in sein Tagebuch : Obwohl uns dadurch viel Schönes entging, trösteten wir uns damit, dass wir ja nicht ins Ausland gekommen sind, um Schönes zu sehen, sondern um die Interessen und Angehörige Österreichs zu schützen. […] 5 Gesammelte Kriegserklärungen zur Erinnerung an den Weltkrieg, Wien 1915.
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Die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien traf am 29. Juli auf dem Kreuzer ein. Die Mobilmachung trat nun voll in Kraft und wurde am 3. August beendet, sodass alle nicht niet- und nagelfeste Gegenstände von den Aufbauten entfernt wurden. Am 7. August wurde die Besatzung von der Kriegserklärung an Russland in Kenntnis gesetzt, was – laut Kirchners Überlieferung – von den Männern mit »Hurra« quittiert wurde. Ab 10. August wussten sie, dass ein japanischer Angriff auf Tsingtau zu erwarten stand. Weil inzwischen japanische Truppen an verschiedenen Teilen der chinesischen Küste gelandet sind, ohne eine strikte Neutralitätserklärung bzgl. China an Deutschland abzugeben. Die Kriegsgefahr rückte immer näher, als am 19. August die »entscheidende, auf alle Gemüter tief einwirkende Nachricht« eintraf, dass Japan seinen Bündnisvertrag mit England erfüllt und Deutschland am 15. August ein Ultimatum gestellt hat. »Wir mit der Elisabeth befinden uns indes jetzt in einer eigentümlichen Lage«, notiert Kirchner in sein Tagebuch : Japan hat an Österreich kein Ultimatum gestellt, wir können aber unseren Bundesgenossen hier in seiner bedrängten Lage nicht verlassen. Da kommt im Lauf des Tages von der japanischen Regierung an unseren Kommandanten die Aufforderung, den Hafen zu verlassen und uns nach Chefoo [Zhifu], Schanghai oder nach Japan zu begeben, wo wir vollkommene Freiheit mit den Waffen haben. Der Herr Kommandant, der noch keine Weisung aus Wien erhalten hat, ist sehr empört über dieses Ansinnen und sagte : eher mit Mann und Maus untergehen als nach Japan gehen und den Bundesgenossen in seiner schwierigen Lage hier in Ostasien verlassen. Wir bleiben also in Tsingtau und freuen uns sehr darauf, den Japanern auch eins aufs Haupt zu schlagen.
»Insgesamt dreimal kommt diese Aufforderung an den Kommandanten Makoviz, die er stets ablehnte, um den verbündeten Deutschen seine Hand zu geben« (Eintrag Kirchner am 24. August). Auch in der Nacht auf den 25. August kamen aus Wien, aus Washington und Tokyo drei Telegramme mit dem Befehl, ebenso vom deutschen Admiralstab, dass die Kaiserin Elisabeth abgerüstet werden soll. »Große Entrüstung«, schreibt nun Kirchner, herrschte an Bord und niemand konnte es fassen, dass wir im Kampf um Tsingtau, der nun bald entbrennen musste, da die japanischen Forderungen abgelehnt waren, nicht teilnehmen konnten und sollten. Mir stieg besonders heiß das Blut in den Kopf, wenn ich dachte, dass ich in dem Weltkrieg nicht mitwirken kann, während sich andere in der Heimat Lorbeeren holen können. Um 2h Nachmittag war die ganze Munition ausgeschifft und nun kam der Befehl alles reisefertig machen.
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Reisefertig heißt, sich nach Tientsin [Tianjin] in die österreichisch-ungarische Niederlassung auf dem neutralen Boden Chinas zu begeben. Am Abend versammelte der Kommandant die abreisende Mannschaft an Bord und begann mit tränenfeuchten Augen eine ergreifende Ansprache, worin er zum Schlusse die Hoffnung ausdrückt, dass wir uns alle bald wieder auf der Elisabeth treffen möchten, dass er hofft das Schiff nicht sprengen zu müssen, allerdings müsste er das alte Schiff,
das schon durch so viele schwere Stürme sicher viele Menschenleben getragen hatte, sprengen, ehe er auch nur ein Stückchen davon dem Feind übergebe.
Dann ging es zum Bahnhof. Eine Nacht- und Tagesfahrt, über Tsinanfu [ Jinan]. Zurück blieben lediglich der Kommandant, Fregattenleutnant Fröhlich und 15 Mann. Als die Mannschaft in Tientsin angekommen war, wurde sie durch ein Telegramm nach Tsingtau zurückbeordert. Ein einziger Freudenruf darüber durchdringt alle und mit der festen Zuversicht, bald wieder unser Schiff zu sehen und mit ihm kämpfen zu können.
In der Nacht vom 28. auf den 29. August fuhren im Geheimen, nämlich in Zivil, die ersten 26 Mann nach Tsingtau ab. »Natürlich musste dies geheim gehalten werden«, schrieb Kirchner in sein Tagebuch, damit nicht die japanischen Behörden aufmerksam werden. Es wurde deshalb bekannt gegeben, dass die Leute nach Peking und ein Teil nach Schanghai gefahren waren.
Peu á peu wurden in den nächsten Tagen kleinere Gruppen, stets mit Zivilkleidern, auf die Fahrt nach Tsingtau geschickt. Es gab mehrere Schwierigkeiten. China konnte aus diplomatischen Gründen nicht Österreicher in das Kriegsgebiet fahren lassen. Zunehmend schlechtes Wetter mit Überschwemmungen verursachte jede Menge Hindernisse. Ebenso, weil japanische Truppen bereits gelandet waren und davorstanden, Tsingtau abzuriegeln. Am Vormittag des 13. Septembers erhielt in Tientsin Kirchner die Weisung, sich in Zivil nach Tsingtau zu begeben und der Mannschaft der Kaiserin Elisabeth anzuschließen. Wir sind die letzten, die noch abgehen, da ein weiterer Transport sicher nicht mehr durchkommen würde. Falls wir gefangen werden sollten, sollen wir uns als Soldaten
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tapfer benehmen und eingedenk unseres Schwures bei Eintritt in die Marine danach handeln. Trotzdem wir mit Leib und Seele Österreicher sind, müssen wir in den kommenden Stunden unsere Nationalität verleugnen, und falls wir gefragt werden, müssen wir sagen : Deutsche. Warum das ? Die chinesische Regierung hat nicht erlauben können, dass wir als Österreicher die Strecke fahren. So wurde also vorgeschlagen, dass wir uns als deutsche Reservisten ausgeben müssen.
Die Fahrt war überaus beschwerlich. Hochwasser. Extreme Hitze. Am Abend des 14. September kam Kirchner erschöpft an Bord seines Schiffes in Tsingtau an. Ich betrat als erster unsere Elisabeth und als wir 20 Mann alle auf Deck standen, brachten wir ein 3-maliges »Hipp-Hipp-Hurra« aus und schwenkten unsere Zivilhüte in der Luft. Nun begrüßten uns der Kommandant und die Offiziere und wir mussten unsere Erlebnisse erzählen.
Laut Kirchner trug die Besatzung an Bord zwei Tage lang Zivilkleidung, ehe sie deutsche Marineuniform anlegte, da die österreichisch-ungarischen Uniformen in Tientsin zurückgelassen wurden. In den Krieg mit Japan
Wenn man die Meinungsäußerungen in der k. u. k. Botschaft in Tokyo vergleicht, nämlich zwischen dem Botschafter Baron Müller-Szentgyörgy und dem Militär-Attaché Oberstleutnant Franz Putz einerseits und die Sicht der Besatzung der Kaiserin Elisabeth, für die der Kommandant Richard Makoviz die Verantwortung trug, waren der Militär-Attaché und die Marineure sinnesgleich. Sie waren keine Diplomaten. Und waren für andere Aufgaben geschult. Auf einer Internetseite steht unter den vielen, vielen Bemerkungen (»Die letzten Friedenstage von Tsingtau«) über den Kampf um den deutschen Hafen der Satz : »Wollten sich die Österreicher verdrücken ?«. Denn, so heißt es weiter, kurz nach Ablauf des japanischen Ultimatums drohte der Festung Tsingtau ein schwerer Verlust. Vom Admiralstab (aus Wien) lief am 24. August 1914 für S.M.S. Kaiserin Elisabeth der unfassbare Befehl ein, sofort »abzurüsten und die Mannschaft auf dem Landweg nach Tientsin und Peking (in Sicherheit) zu befördern« […].6 6 Golf Dornseif : https://www.yumpu.com/de/document/view/21413952/die-letzten-friedenstagevon-tsingtau-golf-dornseif (abgerufen am 31.01.2019).
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Wie man aus dem Tagebuch von Friedrich Kirchner gesehen hat, wollte sich die Besatzung nicht verdrücken, schon gar nicht Friedrich Kirchner. Nur, die Diplo maten wollten einen Krieg verhindern, weil es zwischen Österreich-Ungarn und Japan keinerlei Feindschaft gab. Auch das war ein löbliches Argument. Außer der Bündnistreue zu Deutschland. Das wog natürlich schwer. Offensichtlich entschied der deutsche Kaiser Wilhelm II. sehr emotional nach seinem Treffen mit dem k. u. k. Militärattaché Josef Graf Stürgkh. Und der Kaiser von Österreich und König von Ungarn schloss sich aus Kameradschaftsgründen an. Aus einem Schreiben von Putz am 9. August an den Botschafter in Tokyo war primär eigentlich etwas Anderes das Hauptanliegen des Militär-Attachés. Obwohl im Kriegsfalle der Militär-Attaché auf seinem Posten in Tokyo zu verbleiben habe, schreibt Putz, dass er jetzt entbehrlich sei und zur Dienstleistung in die Monarchie einrücken müsse. Das war schon vor der Kriegsentscheidung gegen Japan. Er musste aber weiter bleiben. Und diverse Meinungen mit dem Botschafter austauschen. Erst nachdem die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Japan abgebrochen wurden, mussten beide – Diplomat und Militär – aus Japan ausreisen. Am 28. August 1914 schrieb der Militär-Attaché Putz vor seiner Abreise nach Wien über das damals noch neutrale Amerika in sein Notizbuch : Alle meine Kisten (25) und die gesamte Hauseinrichtung sind heute auf die Botschaft gebracht worden, füllen den roten Salon bis zur Decke.7
Diese Gegenstände sah der Militär-Attaché nicht wieder. Auch seine SamuraiRüstung nicht. Nach dem Krieg kehrte niemand aus Österreich in die Botschaft nach Tokyo zurück. Das Gebäude wurde 1920 aus Kostengründen an Italien übergeben, um die Kriegsschulden an die Sieger abzudecken. Putz wurde im Laufe des Krieges zum Oberst befördert, kämpfte an der Tiroler Front in der Heeresgruppe Conrad und war zugleich Flügeladjutant des Feldmarschalls Franz Conrad von Hötzendorf, seinem Mentor. Das Haus, das er während seiner Militärattaché-Zeit in Tokyo bewohnte, war durch und durch japanisch – mit einer nicht unwichtigen Ausnahme : die Bettdecke war ärarisch, da blieb er auch hinter den japanischen Kulissen treu dem heimischen Militär. Friedrich Kirchner hatte weniger Mitbringsel auf seinem Schiff Kaiserin Elisabeth auf der Fahrt nach Ostasien mit sich geführt. Diese konnte er aber nach
7 ÖStA, Kriegsarchiv, Nachlass Putz (Schreiben an den Botschafter, 9. Aug. 1914, Nr. 57, Konzept ; Notizbuch Nr. 4).
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Abb. 8: Liegestatt im japanischen Wohnhaus des k. u. k. Militärattachés Franz Putz, mit der ärarischen Wolldecke.
fünf Jahren Kriegsgefangenschaft in Japan sehr wohl nach Hause bringen : Erinnerungen. Und – Sein Tagebuch.
Friedrich Kirchner
Kriegs-Tage-Buch Erinnerungen an den Aufenthalt und Reisen in China und Japan 1913 bis 1920 auf S.M.S. Kaiserin Elisabeth I Mit der Liesl auf See Fahrt nach Fernost Seite 31 II Mit der Liesl in Tsingtau Japan und Österreich-Ungarn im Krieg Seite 135 III Kriegsgefangenschaft in Japan Himeji und Aonogahara Seite 289
Abb. 9: Tagebuch, Erster Band: Und wenn einst Dein Auge trüb wird und bricht, Hast Du nur einen Trost: »Erfüllte Pflicht«.
I
Mit der Liesl auf See Fahrt nach Fernost
August 1913 19. August, Dienstag. 2h Nachmittag werden die notwendigen Kessel für die
große Reise angeheizt. Noch ist einiges einzuschiffen und fortwährend kommen und gehen die Boote an Land. Auch einige Herren und Damen kommen noch, um Abschied von Angehörigen zu nehmen. Der Abend verläuft ruhig. Jedermann ist sich der Augenblicke bewusst, in denen man die Heimat auf lange, ja vielleicht auf immer verlässt. Endlich um 9.45h bläst der Hornist : wasserdichte Türen schließen. Um 10h Ankerstation. Kurz darauf beginnen die Maschinen langsam zu arbeiten. Still geht es auf dem spiegelglatten Wasser im Hafen dahin. Plötzlich erschallte von einem Molo, der eben in unmittelbarer Nähe passiert wird, eine zarte Mädchenstimme : Adieu Peperl ! Wem der Ruf gegolten hatte, konnte man allerdings nur mutmaßen. – Bald war die Hafensperre passiert und wir waren im freien Meer. Mit 10 Meilen Fahrgeschwindigkeit bewegte sich die Elisabeth dem Fernen Osten zu. Ob, und wie werden wir zurückkommen ? Diese Frage lag wohl vielen in dieser schönen Nacht am Herzen, aber niemand kann sie beantworten. 20. August, Mittwoch. Bei schönem Wetter setzen wir die Fahrt an der dalmatinischen Küste entlang fort. Um 10h nachts verlassen wir bei Spizza1 österreichisches Wasser und sind somit in der Fremde. 21. August, Donnerstag. Bei prachtvollem Wetter, aber bewegter See wird Kap Matapan2 passiert. Es ist bereits das 3te mal, dass ich diese Spitze umfahre, und somit jetzt für 2 Jahre europäische Erde das letzte mal sehe. 22. August, Freitag. Starker Seegang. 1h nachts Kreta passiert. 23. August, Samstag. Noch immer stark bewegte See. Nachmittag verfolgen 3 Haifische unser Schiff. 24. August, [Sonntag]. Nach langer Zeit begegnen wir wieder einigen Dampfern. Das Wetter ist wieder schön und die See ruhig. 10h abends kommen die 1 Heute Špic (kroatisch), kurz danach bildete das Flüsschen Zeljeznica die Grenze zu Albanien. 2 Auch als Kap Tenaro geläufig, die Südspitze der zur Peloponnes gehörenden Halbinsel Mani ; der südlichste Punkt des griechischen Festlandes.
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Mit der Liesl auf See
Leuchtfeuer von Port-Said in Sicht. Nachdem einige Raketen abgefeuert worden waren, ohne dass »verstanden« vom Lande kam, fuhren wir noch 5 Meilen näher. Das Leuchtfeuer sandte nun schon ganz deutlich seine kegelförmigen Lichtstrahlen in kurzen Unterbrechungen zu uns. Nun wurden wieder 8–10 Leuchtkugeln und Sternraketen hochgelassen, die sich im Meere prachtvoll wiederspiegelten. Jetzt wurden auch vom Lande 3 Raketen abgefeuert, die das Land in schwachen Umrissen erkennen ließen. Der Lotse musste gleichzeitig mit dem Abfeuern der Raketen die Station verlassen. Um 11h nachts kam auch schon ein kleiner, aber sehr flinker Tender in Sicht, und bald darauf kam der Lotse an Bord, der nun das Kommando unseres Schiffes übernahm. Mit sicherer Hand geleitete er uns durch den engen Kanal, welcher die Stadt teilweise durchquert. Die allgemeine Aufmerksamkeit erregte die Kanaleinfahrt. Der westliche Damm ist über 2200 m, und der östliche über 1600 m lang, der Kanal selbst gegen 60 m breit. Die beiden Dämme, die also weit ins Meer hinausreichen, schützen den Eingang vor Versandung und Verschlammung. – Sehr schön nehmen sich die an den hohen Molen erbauten Häuser aus, die alle in orientalischer Pracht erleuchtet sind. Noch dazu der Mondenschein, der friedlich auf das stille Wasser im Kanal leuchtet. Wir haben also unsere erste Station Port-Said erreicht, und zwar bei Nacht und Mondenschein. – Wir müssen in 4-kant Vertäuung gehen. Endlich nach einer Unmenge Manöver, um 3h a.m. war diese Ankerstation beendet. Erst jetzt legten wir uns zur Ruhe. Ich konnte aus Begierde, etwas Neues zu sehen, keinen Schlaf finden. Um 7h a.m. wurde ich schon durch wildes Geschrei und Gemurmel geweckt. Es waren dies die zum Kohleneinschiffen bestimmten Araber, welche ihre harte Arbeit mit einem eintönigen Gesang begleiteten. Es sind ungefähr 100 schwarze, sehnige Gestalten, sowie auch zahlreiche Kinder von 10 bis 17 Jahren. Alle sind der großen Hitze wegen sehr notdürftig gekleidet. Sogar junge Mädchen sieht man, wie sie auf ihren starken Schultern die schweren Kohlenkörbe zu je 100 kg an Bord schleppen und sich so mühsam einiges Geld verdienen. Aber trotz der harten Arbeit vergessen sie nicht aufs singen, während immer neue Körbe herangeschleppt werden. Aber auch wir können nicht lange müßig zuschauen. Durch die lange Fahrt sind einige kleine Reparaturen an den Maschinen zu machen. Bald war es aber Zeit zum Mittagessen und nachdem dieses hastig eingenommen und wir manchen Brocken den herandrängenden arabischen Knaben und Mädchen gaben, betrachteten wir eine zeitlang wieder die Arbeit der Araber. Auch mehrere Gaukler waren gekommen. Besonders zeichnete sich ein ungefähr 12jähriger Junge durch unglaubliche Zauberstücke aus, wofür er natürlich zahlreiche »Bakschisch« (Trinkgelder) von uns bekam. Abends um 6h verließen sämtliche Araber das Schiff. Sie hatten 350 Tonnen Kohle eingeschifft.
Fahrt nach Fernost
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26. August, Dienstag. 12h nachts wurden wieder zwei Kessel angeheizt. Um
8h a.m. Ankerstation. Nachdem der Lotse an Bord gekommen war, wurde die Vertäung gelöst. An einem englischen Kriegsschiff, den englischen, amerikanischen und deutschen Konsulaten vorbei nahmen wir gleich den Kurs nach dem Kanal. Er ist hier noch 50 m breit. Bald lassen wir die Stadt mit ihren blendend weißen Häusern hinter uns, und schon beginnt der Charakter der Wüste. Zu beiden Seiten dehnt sich eine große Sandebene, nur teilweise noch durch grüne Flecken unterbrochen, aus. Hie und da bietet sich das interessante Schauspiel einer riesigen Sandhose, sonst wird es immer öder. Die Luft fiebriert vor Hitze [sic]. Gleich neben der Steineinfassung, die den hier nur ungefähr 30 m breiten Kanal auf der rechten Seite begrenzt, ist eine Bahn gebaut und ein Reitweg angelegt. Bald passieren wir auch eine Station inmitten einer schönen Palmenanlage. Sie ist von Europäern bewohnt. Ein Mann, eine Frau und drei hübsche Mädchen begrüßen uns freundlich. – Die Fahrt geht indessen langsam weiter. Rechts sprengt uns auf dem schönen Wege ein Araber mit zwei Kamelen vor, was uns in Anbetracht der Wüste sehr gefällt. Auch einige Araber kommen uns mit Lasten auf dem Rücken entgegen. Welche Hitze müssen diese armen Leute ausstehen ! Nun nähern wir uns einem großen weißen Dampfer. Dieser ist mit dem Lande durch starke Taue verbunden und steht. Wir fahren unter dem üblichen Flaggensalute 1 m entfernt vorbei. Aber gar bald müssen wir halt machen und in Vertäuung gehen, denn es kommen uns zwei Dampfer entgegen. Da wir mehr Leute an Bord haben, sagt unser Kommandant, werden wir halten und die Dampfer passieren lassen. Damit beim Ausweichen nicht eines der Schiffe Gefahr läuft, am Strande anzufahren, muss es an einer bezeichneten Stelle »Halt« machen, während das andere Schiff passiert. Bald ist diese Störung vorbei und nun arbeiten die Maschinen ganze Kraft. Plötzlich wird unsere Aufmerksamkeit durch eine rechts hinter uns erscheinende Stadt erregt. Früher war dieselbe nicht sichtbar. Wir glaubten allgemein es sei dies Kairo, aber es war kein Kairo, keine Stadt, sondern eine Fata Morgana. Nun hatte ich auch das gesehen, wovon ich schon oft gelesen. – Die Eisenbahnstationen haben schon aufgehört, dafür sah man jetzt zahlreiche Kamelreiter. Gebaut wird hier auch an der Bahn, in der ärgsten Sonnenglut arbeiten die Araber samt ihren ganzen Familien hier in der Wüste. So verging der Tag sehr rasch mit der fortwährenden Beobachtung der Naturschönheiten, die ja auch die Wüste zu bieten im Stande ist. An einer erweiterten Stelle des Kanals wollten wir einem schon lange vor uns herfahrenden Dampfer vorkommen, und es begann nun ein kleines Wettrennen bei herrlichem Sonnenuntergang. In einer halben Stunde war der Dampfer überholt und nun hatte man freie Fahrt. Leider brach gar bald und plötzlich die Nacht herein. Um 2h nachts wurde Suez passiert und wir waren im gefürchteten Roten Meer.
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Mit der Liesl auf See
27. August, Mittwoch. Von 8h a.m. kommen wir in den Golf von Suez. Um 1h
sichtet man in weiter Ferne den heiligen Berg Sinai als mächtigen Kegel aufsteigen. Die Hitze wird fühlbar. 28. August, Donnerstag. Wegen der fürchterlichen Hitze ist fast den ganzen Tag auf Heck Tauchen. Untertags sinkt die Temperatur nicht unter 40°, Mittags 38° C. In den Maschinen- und Kesselräumen ist es gräßlich warm. Zwei Heizer fallen zusammen und kommen, nachdem sie eine Injektion durch den Arzt erhalten haben, wieder zu sich. 29. August, Freitag. Es bewahrheitet sich, dass das Rote Meer seiner Hitze wegen gefürchtet ist. Es wird wieder zwei Maschinen-Unteroffizieren so schlecht, dass sie das Bewusstsein verlieren. Um 3h Nachmittag sind im Kesselraum 60° C, in der Maschine 95° C. Wir bekommen wegen des so anstrengenden Dienstes vom Kommandanten vormittag ein gutes Reisfleisch und Wein. Tausende von Delphinen schwimmen mit dem Schiff, springen über dem Bug aus dem Wasser, verschwinden wieder pfleilschnell, neue folgen und so geht das stundenlang fort. 30. August, Samstag. Heute ist der heißeste Tag. Nicht ein Lufthauch. Das Meer ist glatt wie ein Spiegel. Mehreren Heizern und Matrosen, die auch zum Kesseldienst herangezogen worden waren, wird es unwohl, und Nachmittag liegen laut ärztlicher Verordnung vier Mann in nasse Tücher gewickelt auf Deck an einem schattigen Platze. Um 3h kommt ein Heizer in rasender Eile in Schweiß gebadet aus dem Kesselraum herauf in’s Waschlokal gelaufen, wo er sich an dessen Eingang wie rasend gebärdete ; er wurde von uns zufällig anwesenden Unteroffizieren ergriffen und trotz seiner heftigen Gegenwehr zu Boden geworfen und unter die Seewassertauche gelegt. Der arme Mann hatte in seinem Wahn vorher nicht gedacht, dass ihm das Wasser eine Erleichterung schaffen werde, und sich deshalb so gewehrt. Er tobte auch jetzt im Wasser liegend, während wir ihn auszogen, mit allen zu Gebote stehenden Kräften. Als er sich etwas beruhigt hatte, trug man ihn auf Deck, wo er eine Injektion des Arztes bekam. Dieser Mann wurde später wegen seiner krankhaften Veranlagung nach Pola zurückbefördert. – Dadurch, dass sich keine Luft bemerkbar machte, bei den Schiffskesseln aber mit natürlichem Zuge die Kohlen zur Verbrennung gelangen, ging diese ungenügend schnell von statten, sodass bald von den Maschinen mehr Dampf verbraucht wurde, als die beiden Kessel erzeugten. Die Dampfspannung ging von 9 atü auf 4 und 3 Atmosphären herab, was natürlich die Folge hatte, dass wir langsamer fahren mussten. Erst gegen Abend erholte sich der Dampf und es ging wieder flott weiter. 31. August, Sonntag. Es ist nicht mehr so rasend heiß. Nachmittag erkennt man, dass man in der Nähe des Landes fährt, da sehr viel Holz, Laub, Meeres-
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schlamm von der Brandung losgerissen etc. am Wasser treiben sieht. Die weißen Seemöven werden häufiger, die Delphine seltener. 1. September, Montag. Um 8h a.m. kommt links Land in Sicht. Bald sieht man Häuser. Um 10h kommt der Lotse von Aden an Bord. Dann Salut von 21 Schüssen für die englische Kriegsflagge ; der Salut wird auch von einer Strandbatterie erwiedert. Um ½ 11h vormittag rasseln die Anker vor Aden in den Grund. Von der Stadt selbst sieht man nicht viel, da diese größtenteils hinter einem Berg liegt. Dafür sieht man starke Festungsbauten, und riesige Reservoirs für Wasser. Auf drei der umliegenden Berge sind Terrassen gebaut und in diese eingebaut die großen Wasserbehälter. Die Stadt muss alle Schiffe, die diese Reise durchs Rote Meer antreten, mit Wasser versorgen. In der Regenzeit wird hier das Wasser gesammelt, und muss dann das ganze Jahr ausreichen. – Um 11h waren schon wieder die Araber an Bord um Kohle einzuschiffen. Dies geht so wie in Port Said vonstatten, nur dass hier die Männer und Frauen anstatt Körben Säcke mit Kohle auf ihren nackten Schultern tragen. Es werden 500 Tonnen Kohle eingeschifft. Bis 11h abend arbeiten die Leute. Diese schwitzen so, besonders die in den Kohlendepots, dass das Wasser direkt wie aus einem Schwamm floss. Dazu der fingerdicke Kohlenstaub auf den nackten Körpern. Obwohl sie sich alle 4–5 Minuten der Hitze in den Depots wegen, ablösten, kamen sie doch immer ganz erschöpft heraus. Wirklich Jammergestalten, diese sonst so starken Männer. Sie werden für das Kohlenarbeiten sehr gut bezahlt, nach unserem Gelde ungefähr 8 Kr. im Tage, was bei den billigen Lebensgewohnheiten dieser Leute aber den 3–5fachen Wert hat. So sparen sich die Familien in einem Sommer Geld zusammen, mit dem sie dann zwei bis drei Jahre sorgenlos in irgend einer Gegend des großen Arabiens leben können. Würde ein Mann 5 Jahre täglich so arbeiten, so müßte er sterben. Das wissen die Araber aber sehr gut, dass es für ihre Gesundheit schädlich ist, Kohlen einzuschiffen, und darum lassen sie sich von den meist europäischen Kohlenunternehmen gut bezahlen. 2. September, Dienstag. Den ganzen Vormittag umlagern zahlreiche Hausboote mit Fruchthändlern und verschiedenen inländischen Erzeugnissen unser Schiff. Mittags werden sie noch an Bord gelassen, um ihre Waren zu verkaufen. Bananen, welche ausgezeichnet schmecken, sind enorm billig zu haben. Um ½ 2 Uhr nachmittag hätten wir auslaufen sollen, aber ein Händler hatte sich in den unteren Räumen des Schiffes verspätet und bis ein Boot kam und den kreischenden Araber wegbrachte, verging noch ½ Stunde. Um 2h Nachmittag verließen wir den Hafen, um 9 Tage in See zu bleiben. 3. September, Mittwoch. Bei ziemlich warmen und schönem Wetter fahren wir ostwärts. Untertags kann man viele Schwärme von fliegenden Fischen beobachten, die von uns aufgeschreckt werden.
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Mit der Liesl auf See
4. September, Donnerstag. Vormittag erscheinen Anzeichen eines kommen-
den Sturmes. Um Mittag haben sich die Anzeichen des Sturmes so vermehrt, dass Befehl erging, schleunigst alle Boote und sonst Bewegliches an Bord seefest zu machen. Um 3h Nachmittag setzt wirklich ein heftiger Sturm ein, wobei die Elisabeth anfängt ordentlich zu tanzen. Nach 2 Stunden herrscht wieder fast vollständige Windstille. – Um 2h nachts den Golf von Aden verlassen. 5. September, Feitag. Während gestern bewegte See uns leicht störte, hindert uns heute eine gewaltige »Tote See« stark am vorwärts kommen, und gar häufig wird das Schiff bei seiner stampfenden Bewegung von einer anständigen Wassermenge überschüttet. Nachmittags hat sich die See wieder beruhigt und die Sonne brennt heiß hernieder. Während Vormittag das Wasser durch die Natur über Bord ging, wird Nachmittag wieder die Tauche eingeschaltet und jedermann sucht im kühlen Sprühregen der Tauche Kühlung von den Sonnenstrahlen. 6. September, Samstag. Die großen Mengen fliegender Fische und die lustigen Delphine bieten viel Interessantes während der eintönigen Fahrt zwischen Himmel und Wasser. Um 10h abends passiert knapp neben uns der österreichische Lloyddampfer Triest.3 Er fährt heimwärts und in drei Wochen betreten seine Insassen österreichischen Boden. Wann wird uns diese glückliche Stunde schlagen ? 7. September, Sonntag. Vormittag heilige Messe mit Predigt, woran Kommandant, Offiziere, überhaupt die ganze Bemannung teilnimmt. Es ist ein schöner Anblick, die mit entblößtem Haupte der Messe zuhörenden Männer, der Altar, der aus Flaggen, in der Mitte das Reichswappen, zusammengestellt ist, und das alles auf offenem Meere links und rechts hochgehende Wogen, und über einem der schöne blaue Himmel. 10. September, Mittwoch. Der 8. und 9. September waren bei ruhiger See schön vergangen, immer ohne Land zu sichten. Heute um 8h a.m. erschien am Horizont ein schwarzer Punkt. Als man näher kam, stellte es sich heraus, dass es eine Insel ist. Um 10h a.m. fuhren wir knapp an dieser schönen kleinen Insel, die im herrlichsten Grün prangte, vorbei. An einer kleinen baumfreien Stelle erhob sich ein Leuchtturm, dessen Bewohner uns freundlich zuwinkten. Nur gar zu schnell zogen wir an diesem schönen Stückchen grüner Erde, inmitten des gewaltigen Ozeans, vorbei. 11. September, Donnerstag. Um 9h abends kommen zwei Leuchtfeuer in Sicht, und somit sind wir nicht mehr weit von Colombo. Der durch Radiotelegraphie aufgerufene Lotse kommt erst um 3h a.m. an Bord. Um ½ 4h a.m.
3 = Trieste, 5095 t ; Stapellauf in Triest 1897.
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sind wir zwischen zwei Molen vertäut. Von 5–7h a.m. konnte ich schlafen, denn untertags gab es wieder in der Maschine zu tun. 12. September, Freitag. Die Schiffskessel haben ihre vorgeschriebene Anzahl Dampfstunden gemacht und müssen gereinigt werden. Diese Arbeit beginnt heute und und ist auf 4 Tage anberaumt. – Nachmittag fahre ich an Land und betrete um 1h Nachmittag den Boden von Ceylon. Als Molo ist hier eine Halle erbaut, die weit ins Wasser reicht, und zahlreiche breite Stiegen führen zum Wasser hinab, um das Aussteigen aus den Booten zu erleichtern. Die Halle selbst gleicht einer großen Wartehalle eines Bahnhofes. Zahlreiche Bänke sind zur Bequemlichkeit der wartenden Tenderpassagiere aufgestellt. Die Halle ist schnell verlassen und eine breite asphaltierte Straße mit zwei Alleen liegt vor uns. Eine Menge Indier laufen mit ihren zweirädrigen Karren diese Straße auf und ab. Zahlreiche Europäer wandeln auf den schönen Trottois. Geschäfte jeder Art, alles in schönster Ausführung, sind in den unteren Räumen der Riesengebäude untergebracht. Sämtliche Straßen dieses Teiles der europäischen Stadt sind schön angelegt und werden hauptsächlich von Europäern begangen. Bald aber verlässt man die Stadt und kommt man zu einem Bahnhof. Hier kommt gerade eine Indische Hochzeitsgesellschaft mit dem Zuge an. Die Braut war eine schon ältere braune »Dame«, aber das tief ausgeschnittene Brautkleid sowie die Kleider der anderen weiblichen Festgäste waren wie bei uns aus weißer Seide, mit weißen Blumen geschmückt. Die braunen männlichen Begleiter waren in schwarzem Frack, mit Blumen in den Knopflöchern. – Ein deutscher Hotelbesitzer führte uns in sein Hotel, wo wir eine Jause einnahmen. Dann machte ich mit noch drei Kollegen einen Gang in das mohammedanische Viertel der Stadt, welches die eigentliche Handels- und Geschäftswelt der Stadt Colombo enthält. Hier herrschte ein sehr reges Leben, sodass man oft nicht weitergehen konnte. Eine Menge zweirädrige Wägen von starken »Bisons« [Büffel], eine Art Ochsen, gezogen versperren die Straßenübergänge. Dazwischen Fahrräder, Autos etc. etc. War froh, als ich endlich aus diesem Wirrwarr kam und in eine wenig lebhaftere Straße ging. Hier konnte man mit Muße das Leben der Inder verfolgen : Besonders auffallend sind die 3 Sekten der Indier : die armen und kleinen Handelsleute sind nackt, nur mit einer weißen Schürze bekleidet, Männer wie Frauen. Die besseren, etwa unserem Mittelstand entsprechenden, sind europäisch gekleidet, nur dass die Männer lange Röcke tragen, am Oberkörper aber Jakets, Frack etc. Diese zwei Klassen der Bevölkerung sind barhäuptig. Die Männer, die langes Haar tragen, haben große Steckkämme im Haare, oft mit Perlen und Steinen besetzt. Als dritte Sekte sind die Juden zu betrachten. Es sind fast durchwegs reiche Geschäftsleute. Sie sind mit langen Kitteln bekleidet, tragen am Kopfe den Fez, rot oder braun.
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Nach all diesen Beobachtungen wendeten wir uns wieder dem Europäischen Stadtteil zu, wo man sich doch bedeutend sicherer fühlte. Wir besichtigten das österreichisch-ungarische Konsulat, die Post, und die verschiedenen Bankhäuser. Dann gingen wir in ein Französisches Restaurant, das sehr elegant ausgestattet war, essen. Das Menü bestand aus 6 Gängen und 2 Obstsorten und einer Flasche Bordeaux Weines. Nachdem unser Magen befriedigt war, besichtigten wir noch einige Geschäfte und um 9h begaben wir uns an Bord. Der Eindruck der Stadt mit den riesigen Hotels, den mächtigen öffentlichen und privaten Gebäuden, Straßen, Fahrwegen, breiten Boulevards und das in Inden, in den Tropen, hatte einen sehr guten Eindruck auf uns gemacht. Was auch sehr interessant war, waren die Menschenrassen, die wir in dieser einen Stadt zu sehen Gelegenheit hatten, wie Singhalesen, Tamilen, Araber, Afghanen, Hindus, Persern, Chinesen, Birmanen, Tartaren, Griechen etc. etc. etc. 13. September, Samstag. Vormittag wird uns eine große Freude zuteil. Es kommt die erste Post aus der Heimat. Auch ich bekomme zwei Briefe. Untertags sind viele Inder an Bord, um ihre Waren, meist aus Elfenbein oder Zedernholz, zu verkaufen. Bananen und Kokosnüsse sind vortrefflich und billig zu haben. Es werden auch 400 Tonnen Kohle eingeschifft. 15. September, Montag. Nachdem die Arbeiten an Kesseln und Maschinen beendet sind, wird um 5h abend angeheizt. Abends bis 10h sind fünf Konsuln der verschiedenen in Colombo vertretenen Mächte zum Diner geladen. Um ½ 12h nachts verlassen wir den Hafen. Gleich beim Verlassen des Hafens bekommen wir starken Seegang, der schon untertags bewirkte, dass hohe Wellen über die den Hafen einschließenden Molen überschüttet wurden. 16. September, Dienstag. Bei schwerer See passieren wir um 10h a.m. die südlichste Spitze der Insel Ceylon, und bald darauf verlieren wir das Land ganz aus den Augen. 17. September, Mittwoch. Die schwere See hält weiter an und gegen 6h Abend konnte man die größte bis jetzt beobachtete Krängung des Schiffes sehen und spüren, nämlich nach Backbord neigte sich das Schiff 23° und nach Steuerbord 25°. Auf der Seite, nach der das Schiff sich neigte, stieg eine riesige Wasserwand empor. Hatte das Schiff das momentane Gleichgewicht wieder erlangt, sah man den Horizont und während der Schiffskörper auf die andere Seite krängte, sank die Wassermasse und der Horizont lief hinunter, während auf der Krängungsseite wieder die ungeheure Wasserwand emporstieg. Es wiederholten sich diese interessanten Bewegungen den ganzen Tag fort. Auf Deck mussten der Sicherheit halber Taue gezogen werden, weil man ohne Halt unmöglich pasieren konnte. Ging jemand über Deck, so wurde immer ein allgemeines Gelächter angestimmt, durch die eigentümlich komischen Bewegungen der betreffenden Person hervorgerufen.
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18. September, Donnerstag. Während Vormittag die seitlich auf uns andrin-
gende »tote See« weiter anhält, vermindert sich deren Gewalt gegen 4h Nachmittag. Die Schwankungen des Schiffes gehen bis 12°. Gegen 6h abend passieren wir einen großen österreichischen Lloyddampfer. 19. September, Freitag. Gegen 12h nachts setzte ein heftiger Regen ein, der manchen Schläfer auf Deck aus seiner Ruhe unsanft weckte und in die unteren Räume flüchten ließ. Auf den wohltuenden Regen folgte ein prachtvoller Morgen und auch der Tag zeigte eine merkliche Abkühlung. – Unser Herr Kommandant [Makoviz] feiert seinen Namenstag4 wozu ihm von MannschaftsAbordnungen gratuliert wird. Abends ein Festessen. 20. September, [Samstag]. Um 2h a.m. erreichen wir das Gebiet der Insel Sumatra und fahren den ganzen Tag in ruhigem Wasser der Küste dieser großen Halbinsel, mit sehr gebirgigen Terrain, entlang. Zahlreiche kleine Dampfer, die die Verbindung mit verschiedenen Küstenplätzen herstellen, passieren uns. 21. September, Sonntag. Bei herrlichem Wetter passieren wir die Straße von Malakka. Die Halbinsel selbst kommt um 11h a.m. in Sicht. Um 2h fahren wir zwischen herrlichen Palminseln hindurch. Rechts Sumatra und links die berühmte Halbinsel Malakka, ein Ausläufer des zu Indien gehörigen Landes Birma, dessen Bewohner wir ja schon in Colombo gesehen haben. Um 6h abend die Stadt Malakka passiert. 22. September, Montag. Um 11h a.m. wurde bekannt, dass wir um 2h Nachmittag nach Singapore kommen. Kurz vor 1h umfuhren wir die südlichste Spitze der Halbinsel Malakka und waren somit an diesem Tage dem Äquator am nächsten. In 3–4 Stunden Fahrt hätten wir den Äquator erreicht, wir müssen aber von Singapore an wieder nordwärts fahren. Um ½ 2h wurde Singapore gesichtet. Eine herrliche Einfahrt bot sich unseren Augen. Die Einfahrt ist von unzähligen kleinen Inseln umgeben, auf denen man zahlreiche Plantagen sieht mit den malerischen kleinen Häusern inmitten der grünen Anlagen. Rechts sind zwei große Inseln vorgelagert, auf denen sich eine amerikanische Niederlassung befindet, die hier zahlreiche Öl- und Petroleumtanks erbaut haben. Ein kleiner Leuchtturm auf einem kleinen Inselchen. Singapore lag seiner ganzen Größe nach vor uns. Um ½ 3h wurde für den Gouverneur der Stadt, die englische Besitzung ist, der vorgeschriebene Gruß von 21 Schüssen, mit der englischen Kriegsflagge am Maste, abgegeben. Der Salut wurde von einer Festung 4 Es gibt mehrere Heilige mit dem Namen Richard. Von keinem ist der 19. Sept. als Gedenktag überliefert. Am nächsten kommt der am 10. Sept. eingetragene Gedenktag des belgischen Franziskanerpaters Richardus von St. Anna, der als Kaufmann verkleidet nach Japan ging und dort im Jahr 1622 zu Nagasaki den Märtyrertod erlitt ( Johann Stadler, Vollständiges Heiligen-Lexikon, 1882, S. 91).
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aus erwiedert. Noch wenige Minuten Fahrt und der Anker wurde in die Tiefe gelassen. Singapore war glücklich erreicht. Da der Hafen noch nicht genügend tief ausgebaggert ist, mussten wir weit von der Stadt ankern. Kleine Dampfer, Tender etc. lagen unzählige im Hafen. Sehr starker Verkehr herrscht in diesem Ausfuhrhafen für den malaischen Archipel. 23. September, Dienstag. Nachmittag ½ 2h an Land gefahren. Wie in Colombo verteilt auch hier eine große Halle den Molo für den Personenverkehr. Das erste, was mich mit Bewunderung erfüllte, waren die schönen Gartenanlagen außerhalb der Halle, die breite Straße und die mächtige Anderson-Brücke.5 Über der Brücke beginnen erst die Häuser und zwar das Europäer- und Hotel-Viertel. Man sieht wirklich prachtvolle architektonische Baulichkeiten, so z.B. die Deutsch-Chinesische Bank. Ich trat in dieselbe ein. Riesige Räume, mit unzähligen Schaltern für das Publikum. Nach einigem Suchen finde ich den Schalter für Geldwechseln. Ein europäisch gekleideter Chinese wechselt mir meine englischen Pfundstücke, die ich von Colombo her habe, in chinesisches Geld um. – Beim weiteren Durchwandern der Stadt betrachte ich nur die Eingeborenen. Es sind dies hier die Malayen, eine Übergangsrasse von der schwarzen zu der gelben Rasse, den Chinesen. Sehe hier auch das erste Mal Männer mit langen Zöpfen, die obwohl sehr dünn, doch sehr kunstvoll geflochten sind. Mit ihren geschlitzten Augen blinzeln sie jeden Europäer neugierig oder bittend an. Im europäischen Viertel versehen diese halbnackten Gestalten nur Kulidienste oder arbeiten als »Rikschamänner«. Um 4 Uhr kam ich an die Grenze der europäischen Stadt. Bevor ich den chinesischen Teil betrat, ging ich in eine französische Bar eine Erfrischung trinken. Zwei kleine Malayinnen traten auch ein und vollführten Zauberkunststücke. Dann machte ich mich daran, meinen Gang in das Eingeborenen-Viertel anzutreten. Sofort befand ich mich in einem Wirrwarr von Menschen und Fahrzeugen jeder Art. Zuerst widerte mich dieses schmutzige Sehen der nackten Gestalten an, aber ich überwand den Ekel und dachte mir : wenn du schon die Gelegenheit hast, fremde Gebiete zu sehen, so lasse diese Gelegenheit nicht vorübergehen. Und ich ging mit neuem Mute vorwärts. Ich kam auch bald in eine schönere Gegend, wo sich auf schönen breiten asphaltierten Straßen der Verkehr nur in den von den Malayen gezogenen »Rickshaws«, oder auf den zahlreich verkehrenden Tramways, abwickelte. Etwas abgelegen von der Hauptstraße bemerkte ich eine große Kirche. Ich versäumte nicht, mir diesen Bau, die evangelische Stadtkirche, anzusehen. Von hier aus ging ich in ein vom Schiff aus anrekommandiertes österreichisches 5 Die Brücke über den Singapore-Fluss ist nach dem englischen Gouverneur Sir John Anderson benannt, unter dessen Amtszeit das Stahlbauwerk im März 1910 eröffnet wurde.
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Hotel, wo ich auch einige Kameraden traf. Der Besitzer ist ein freundlicher junger Mann mit einer hübschen Frau. Wir bekommen in einer rückwärts gelegenen Glasveranda, die mit prachtvollen Gewächsen ausgestattet ist, einen kräftigen Imbiss. Zwei junge 18jährige Mädchen spielen Klavier und nach dem Essen tanzen wir auch einige Runden in einem dazu eingerichteten Saale. Dann verabschiedeten wir uns und auf der Straße kamen wir auf den Gedanken, uns von den Malayen in ihren zweirädrigen Wagen spazieren fahren zu lassen. Acht Wagen wurden gemietet und einer nach dem andern ging im scharfen Trabe zum Botanischen Garten. Diese ½ stündige Fahrt auf stillen breiten Straßen inmitten von Palmenhainen werde ich nie vergessen. Hier konnte man die herrliche Flora der Tropen beobachten. Die Palmen und riesigen Bananen- und Kokosnuss-Bäume wachsen hier frei, und ihre köstlichen Früchte beachtet niemand der vorübergehenden Eingeborenen. Plötzlich machten unsere »Rickshaws« vor drei großen eisernen Toren halt. Einige große Tafeln in englischer Sprache belehrten uns, dass wir den Botanischen Garten erreicht hatten. Leider war derselbe abgesperrt. Nur durch die Gitter konnte man einen Blick in diesen berühmten englischen Garten werfen. Da man aber nicht hineinkonnte, entschlossen wir uns, wieder in die Stadt zu fahren. In ebenso herrlicher Gegend wie die Hinfahrt verlief auch die Rückfahrt in die Stadt und von dort zum Molo, wo ich mir noch einige Früchte kaufte, um auch an Bord einen Genuss zu haben. 24. September, Mittwoch. Um ½ 8h a.m. werden die Anker gehisst und langsam fahren wir durch den tief ausgebaggerten Weg in die Stadt zum Kohlenmolo. Um 9h a.m. kommen die Malayen mit großen Kohlenkörben an Bord. Je zwei und zwei tragen auf einem Träger einen Korb mit Kohle von einem weiter entfernten Platze her. Trotz des eintretenden strömenden Regens ging das Einschiffen schnell von statten. Haufenweise lag die Kohle auf Deck. Die Malayen brachten so schnell die Kohle, dass die Leute in den Depots nicht nachkamen. Um 2h waren 400 Tonnen an Bord. Um ½ 4h nachmittags verließen wir wieder den Molo und eine halbe Stunde später wieder standen wir an der Boje. Um 7h abends wurden die Anker gelichtet und Singapore verlassen. 25. September, Donnerstag. Da schon in Singapore Nachrichten über einen starken Taifun eingelaufen waren, wurde alles seefest gemacht. Aber wir hatten prachtvolles Wetter Gegen 3h nachmittags stiegen südlich gewaltige Wolkenmassen auf und wir dachten wir würden einen tüchtigen Sturm mitmachen, aber das Meer blieb ruhig, nur um 4h brach ein Wolkenbruch nieder. Um 5h schien wieder die Sonne. 26. September, Freitag. Wir haben glückliche Zeit zu unserer Fahrt. Wir passieren nämlich heute die Gegend, in der alljährlich etliche Dampfer zu Grunde
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gehen. Wie der Navigationsoffizier [Gayer]6 sagt, ist hier die gefährlichste Stelle der Welt bezüglich der Taifune. – Nachmittag strichweise Regen bei blauem Himmel. 27. September, Samstag. Um ½ 10 a.m. passieren wir wieder einen österreichischen Handelsdampfer. Man kann daraus einen kleinen Überblick über unseren Handel mit dem Osten erkennen. 29. September, Sonntag. Vormittag 10h hl. Messe. Nachmittag kommt Land in Sicht. Abend 8h kleiner Maschinendefekt, es erfolgt plötzlich ein Krach und die achtere Maschine füllt sich mit Dampf. Aus der Hochdruck-Stopfbüchse war die Packung herausgeflogen. 30. September. Montag. Zwischen vielen prachtvollen Inseln hindurch kommen wir um ½ 4h a.m. zur chinesischen Signalhafenstation. Um 11h a.m. werden die ersten Häuser der Stadt Hongkong sichtbar. Zuerst die Chinesen Stadt und nach kurzer Fahrt im Kanal kommt die europäische Stadt. Wohl 20 Minuten fahren wir diese entlang und haben dabei Gelegenheit, die herrlich gelegene Stadt in einer Entfernung von ca. 200 Schritt zu betrachten. Fast alle Gebäude sowie Schiffe und Dschunken waren beflaggt. Um 12h gingen wir an die Boje. Gleichzeitig 21 Schüsse Salut für den englischen Konsul.7 Die Stadt ist am Fuße zweier hoher Berge, die getrennt vom chinesischen Festlande sind, erbaut. Also auf einer Insel. Die Verbindung mit dem Festlande erfolgt durch große Tender. Der Anblick Hongkongs vom Schiffe aus ist ein sehr schöner. Vor einem steigen steil grün bewachsene Berge auf. Zu Füßen derselben breitet sich der größte Teil der Stadt aus. Aber auch auf den Abhängen und hoch oben am Bergesrand sind wahre Paläste erbaut und lassen jeden einzeln in ihrer Pracht hinunter aufs Wasser leuchten. Hauptsächlich die englische Aristokratie hat sich hier niedergelassen. Zu den Palästen führt eine malerisch angelegte Zahnradbahn, ähnlich wie am Grazer Schlossberg, nur ungefähr dreimal so lang. In der Mitte der Hügeln führt eine Eisenbahn, welche den Verkehr auf der Insel besorgt. Von dieser Bahn sieht man sehr viel Viadukte und Tunnels, ähnlich unserem Semmering. – 6 Linienschiffsleutnant Oskar Gayer (geb. 12.12.1878 in Volosca, Istrien) ; ein Mann mit exzellenten Dienstbeschreibungen (»außerordentlich gewissenhaft«, »sehr gediegener Charakter«, »vorzüglicher Navigationsoffizier«, so die letzte erhaltene, von Kapitän Makoviz unterzeichnete Qualifikationsliste auf der Elisabeth für das Jahr 1913) (Österr. Staatsarchiv, KA, Marine, Q.L. 1530). Neben dem Marinekommissär Skušek war Gayer der einzige Offizier der Elisabeth, der im September 1914 beim Marinedetachement in Tientsin zurückgeblieben war und nicht mehr in Tsingtau einrücken konnte ; nach der Kriegserklärung Chinas an Österreich-Ungarn wurden sie 1917 in China interniert. 7 Es muss der englische Gouverneur von Hongkong gemeint sein, Sir Francis Henry May (im Amt von Juli 1912 bis Sept. 1918) ; nach der Zahl der Schüsse der übliche Territorialsalut.
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In dem zwischen der Insel und dem Festlande gelegenen Teil, der als Hafen ausgestattet wurde und durch die vorgelagerten Inseln sehr geschützt liegt, herrscht sehr reger Verkehr. Wohl gegen 30 Handelsdampfer liegen hier mit ihren kostbaren Frachten. Und immer kommen wieder neue Dampfer aus Süd und Nord. Andere wieder verlassen den Hafen an einer der beiden Ausfahrten. Viele der chinesischen Fahrzeuge, »Dschunken« genannt und meistens von Weibern geführt, tummeln sich hier, um ihrem Gewerbe nachzugehen. Die Frauen sind hier die Arbeitskräfte. Während diese und auch die jungen Mädchen in ihren gräßlich schmutzigen und zerfetzten Kleidern rudern, sitzen die Männer in irgend einem Winkel des großen Bootes, ihres Heimes, und rauchen ihre kleinen Pfeifen. Die Dschunke ist die Heimat dieser Leute. Die Männer kümmern sich nur um den Verkauf der Frachten, während alle anderen Arbeiten die weiblichen Wesen machen müssen. Auf vielen Fahrzeugen sieht man überhaupt keine Männer, nur Frauen die sich abplagen, das Boot in den schweren Wellen vorwärts zu bewegen. Diese Chinesen, die sich durch die Produkte des Meeres ihren schmalen Unterhalt verdienen, und die gesammelten Fische auf fremde Schiffe abgeben, verlassen ihr ganzes Leben ihre Fahrzeuge nicht, ausgenommen bei Eintritt eines Taifuns. Dann aber panikartig. Denn die Leute wissen, dass sobald diese schweren Stürme kommen, die Boote zerschellen und die noch darauf befindlichen Menschen ertrinken müssen. Der letzte Taifun, der Hongkong schwer heimgesucht hatte, wütete im Sommer 1910. Binnen wenigen Minuten kamen damals gegen 3000 Chinesen in ihren Booten ums Leben. Aber auch in der Stadt hatte der Taifun große Verheerung angerichtet. Von vielen Häusern wurden die Dachstühle fortgetragen, ja manche Häuser vollständig zusammengerissen, wobei auch viele Europäer um Leben, Hab und Gut kamen. Hongkong ist außer einem großen Handelshafen auch zugleich englischer Kriegshafen für Ostasien, und englische Garnison. Auch Handelsdampfer werden in diese Docks aufgenommen. Es liegen hier 4 englische Kreuzer, 2 Schlachtschiffe, 2 Kanonenboote, 8 Torpedoboote und Zerstörer sowie auch 2 Unterseeboote.8 Wir waren über diese Anzahl englischer Kriegsschiffe hier in Asien sehr erstaunt. Ein amerikanisches Kanonenboot liegt auch hier, U.S.S. Wilmington.9 1. Oktober, Mittwoch. Vormittag wird Kohle eingeschifft, wobei man den Fleiß der Chinesen sieht. Auch einer Mahlzeit sahen wir zu. Hier essen die Leute nicht mehr wie in Aden und Colombo mit den Fingern von den Palmblättern die Gerichte weg, sondern bedienen sich zweier Stäbchen, die sie zier8 Auf dem Stationsschiff Tamar wehte die Flagge von Commodore Robert Hamilton Anstruther. 9 Fälschlich Washington eingetragen ; dieser war ein Panzerkreuzer.
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lich und gewandt handhaben. In Schalen bekommen sie ihren Reis und Tee, die ihre Hauptnahrung bilden. Um 6h Abend war Kohle klar. 2. Oktober, Donnerstag. Um 7h a.m. sollten wir Hongkong verlassen, aber es lief von einem deutschen Dampfer ein Radio-Telegramm ein, welches mitteilte, dass er für uns Post brächte, aber erst um 9h a.m. ankommen würde. Also wurde gewartet. Nachdem die Post vom Dampfer an Land zur Kontrolle gebracht wurde und erst von den englischen Behörden übernommen war, wurde sie uns ausgefolgt. Um 11h kamen zwei Postsäcke an Bord, und kurz darauf verließen wir Hongkong. Zwischen Festland und schönen kleineren und größeren Inseln hindurch kamen wir um 1h ins offene Meer. Während der Ausfahrt sahen wir mehrere befestigte Berge und auch einen englischen Dampfer der von dem 1910 stattgehabten Taifun ans Land gehoben wurde und so liegen blieb. Zwischen zwei Felsen stark nach Backbord geneigt, wird das einst stolze Schiff liegen bleiben bis es zerfällt. 3. Oktober, Freitag. Bei starkem Seegang, wobei das Schiff sehr stark stampft, fahren wir dem Festlande entlang. Einige Handelsdampfer werden passiert. 4. Oktober, Samstag. Gegen 3h a.m. wurde der Seegang so stark, dass ganz langsam gefahren werden musste, da wir in ziemlich seichtem Wasser fuhren und Gefahr des Auffahrens bestand. Der Kommandant ist fast die ganze Nacht auf der Brücke und führt das Schiff sicher. Trotz des auch untertags anhaltenden Seeganges wird um 9h a.s. eine hl. Messe für unseren Kaiser, der heute Namensfest feiert, gelesen.10 Nachdem wir noch 3 Tage bei ruhiger See und günstigem Wetter das Gelbe Meer durchfahren, kommen wir am 8. Oktober, Mittwoch. Nachmittag in Sicht der Vorinseln von Chefoo [Zhifu].11 Um 11h nachts war Ankerstation. Ein herrlicher Empfang wurde uns von den Leuten unseres Kreuzers Kaiser Franz Josef, der 3 Jahre in China war, bereitet. Man hatte uns bereits um 9h erwartet. Wir hatten aber wegen des Seegangs einige Stunden Verspätung. Umso hellere Freude befiel alle, als wir in Sicht kamen. Zuerst nur die Topp-Laternen und dann langsam die übrigen erleuchteten Teile des Schiffes. Als die Anker in die Tiefe gerasselt waren, erschallte vom Franz Josef ein 3faches kräftiges »Hurra«, das von uns erwidert wurde. Sechs mit Lampions erleuchtete Boote mit Matrosen und Unteroffizieren erwarteten uns und kamen zu uns an Bord. Auch ein von Offizieren selbst gerudertes Boot kam, in dem sich der Kommandant des Franz Josef befand. In einem anderen hell beleuchteten Boot befand sich die Musik und spielte heimatliche Weisen. Unser 10 Gedenktag des hl. Franz v. Assissi. 11 Chefoo [Zhifu 芝罘], die heutige Hafenstadt Yantai 烟台 im Nordosten der Shandong Provinz.
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Kommandant und der nun abgelöste [Linienschiffskapitän Heinrich Ritter von Nauta]12 umarmten sich und zwischen uns und den Leuten des Kreuzers fand eine herzliche Begrüßung statt. Man kann sich ja vorstellen, was die Leute für eine Freude empfinden, wenn sie nach 3 Jahren wieder Leute aus der Heimat treffen und ihre Gedanken austauschen können. Inzwischen spielte die Musik stramm weiter. Endlich um 3h a.m. gingen alle unter oftmaligem »Hurra« von Bord. Das Boot mit der Musik ruderte 2mal um unser Schiff herum, spielte noch einige Stücke und dann setzten sich alle erleuchteten Boote in Bewegung, fuhren zum Franz Josef und endlich um ½ 4h kamen wir zur Ruhe. 9. Oktober, Donnerstag. Um 8h a.m. wurde für die zwei anwesenden chinesischen Schiffe und für den amerikanischen Kreuzer Galveston13 Salut gegeben. Nachmittag kamen wieder die Leute vom Franz Josef zu uns. 10. Oktober, Freitag. Um 9h a.m. kommt in Dschunken Kohle unter Bord. Die Chinesen sind im Vergleiche zu Hongkong ein faules Gesindel. Für 230 Tonnen brauchen sie bis 12h nachts und da musste noch die Deckmannschaft mithelfen. In Hongkong kommen viele Schiffe Kohle einnehmen, daher sind die Chinesen immer beschäftigt und eilen sich. Hier aber kommen nur selten Schiffe, daher lassen sich diese Leute in ihrer Arbeit Zeit. Um ½ 1h a.m. werden die Anker gelichtet. 11. Oktober, Samstag. Um ½ 8h a.m. durchfahren wir die Straße von Petschili [Bei-Zhili],14 in der 1905 die Seekämpfe zwischen Russen und Japanern stattgefunden haben. Etwas später passieren wir die Spitze von Port Arthur.15 Um 6h Abend war Ankerstation in Tsing-wang-tau [Qinhuangdao].16
12 Heinrich von Nauta (Vera Cruz, Mexiko 1866–1921 Budapest) hatte den Kreuzer Kaiser Franz Joseph I. im Februar 1912 von Fregattenkapitän Alfred Cicoli übernommen ; Nautas letztes Kommando im Ersten Weltkrieg war die Führung des Linienschiffs Tegetthoff (Flaggenschiff des I. Geschwaders), ab Mai 1918 Konteradmiral. 13 Der geschützte Kreuzer USS Galveston (CL-19), seit 1905 im Einsatz, bis in den Ersten Weltkrieg zumeist in asiatischen bzw. westpazifischen Gewässern ; 1930 außer Dienst gestellt. 14 Bei-Zhili 北直隸 = Nord-Zhili, alter Name der nordöstlichsten Provinz des eigentlichen China mit der Hauptstand Peking (Beijing), heute Provinz Heibei. Dieser Teil des Ostchinesischen Meeres wird heute nicht mehr Golf von [Bei-]Zhili, sondern Golf von Bohai genannt. Die Straße in den Golf flankieren vom Norden die Halbinsel Liaodong 遼東 und vom Süden die Halbinsel Shandong 山東. 15 Der vom Zarenreich dem russischen Kriegshafen gegebene Name an der Südspitze der Liaodong-Halbinsel ; heute Lüshunkou 旅順口 als ein Teil der großen Hafenstadt Dalian. Zur Zeit der Vorbeifahrt der Kaiserin Elisabeth in japanischen Händen. 16 Die Hafenstadt Qinhuangdao 秦皇島市 nordöstlich von Peking am Golf von Bohai 渤海 (Provinz Hebei) ; 1900 waren hier die ausländischen Truppen zur Niederschlagung des Boxeraufstandes an Land gegangen.
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12. Oktober, Sonntag. Wir sind hier her gefahren, um das Landungs-De-
tachement auszusetzen. Es sind dies die Leute, die nach Peking und Tientsin kommen zum Schutze der österreichischen Gesandtschaft und des österreichischen Gebietes in Tientsin. Im Ganzen 100 Mann. 13. Oktober, Montag. Tsing-wang-tau [Qinhuangdao] ist eine französische Niederlassung, in der 600 Mann Franzosen liegen. Es sind nur wenige Gebäude hier. Wichtig ist es deshalb, weil Peking von hier aus am bequemsten zu erreichen ist. 15. Oktober, Mittwoch. Um 10h a.m. kommt die Ablösungstruppe vom Franz Josef zurück und wird auf das Schiff gebracht. Der Kaiser Franz Josef hat heute seinen Heimatswimpel gehisst. Es ist dies ein rot-weiß-rotes Band, das von dem achteren Maste des Schiffes weht und im Auslande oft eine beträchtliche Länge erreicht. Beim Franz Josef, der 3 Jahre in China und Japan gefahren war, reichte der Wimpel in einem großen Bogen ins Meer und war gegen 120 Meter lang.17 Wenn ein stärkerer Windstoß kam, flog er frei und war wirklich schön anzusehen. Um 8h Abend tritt der Kreuzer Franz Josef seine Rückreise nach Pola an. Unter den Klängen des Liedes »Muß i’ denn zum Städtele hinaus« setzt sich das Schiff langsam in Bewegung. Dann werden einige Lieder gesungen, während an verschiedenen Stellen des langsam dahingleitenden Schiffes Feuerwerke abgebrannt und Raketen hochgelassen werden. Als der Schiffskörper langsam im Dunkel verschwand, erklang nochmals ein kräftiges 3maliges »Hurra« aus 450 Männerkehlen, das von uns in etwas gedrückter Stimmung erwidert wurde. Wann wird für uns diese schöne Stunde schlagen ? (nie) ! ! ! 18 16. Oktober, Donnerstag. Um 8h Abend verlassen auch wir Tsing-wang-tau [Qinhuangdao]. Nachts haben wir sehr schwere See. Alles was nicht niet- und nagelfest ist, verliert seinen Halt und fällt zu Boden, oder rollt daselbst herum. Ein Unteroffizier wurde durch einen umstürzenden schweren Tisch sehr erheblich an der Brust verletzt und muss vier Tage das Bett hüten. Mehrere Matrosen werden noch verletzt und einer bekommt durch einen im Schlafe auf ihn fallenden Eisenhammer eine große Risswunde am Kopfe. Das Schiff selbst wird vom Wasser fortwährend überschwemmt, sodass auch in den unteren Räumen das Wasser 10 cm hoch steht. Es ist dies der größte Seegang seit unserer Ausreise aus Pola. 17. Oktober, Freitag. Um 2h Nachmittag laufen wir in Chefoo [Zhifu] ein. 17 Die Maße eines solchen Wimpels richten sich nach der Länge der zur Heimat zurückzulegenden Strecke. 18 Das Wort »(nie)« und die Rufzeichen wurden offensichtlich später nachgetragen.
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Abb. 10: S.M.S. Kaiserin Elisabeth in einem chinesischen Hafen, 1913.
18. Oktober, Samstag. Da Gefahr vorhanden ist, durch die schwere See abgetrie-
ben zu werden, müssen Kesseln und Maschinen klar gemacht werden. Um ½ 8h a.m. wechseln wir den Ankerplatz und ankern ¼ Stunde später näher der Stadt. 20. [= 19.] Oktober, Sonntag. Um 6h a.m. fällt mir die Bestimmung zu, mit anderen Unteroffizieren ans Land zu fahren und die Kohlenabnahme von einem Europäer zu überwachen und zu kontrollieren. Die bestellte Kohle wird von Chinesen, je 2 einen Korb vom dem Kohlenlager eine Strecke Wegs zu Pontons getragen. Jeder Korb muss abgewogen werden. Die Chinesen bekommen einen Stab mit, der zur Kontrolle der getragenen Körbe dient. Im Schweiße tragen diese Leute für 1 Cent = 3 Kr[euzer] österr. W. den 100 kg schweren Korb die ziemlich lange Strecke hin und zurück. Unterwegs werfen diese Kerle aber häufig Kohlenstücke aus den Körben heraus ins Wasser, von wo sie die Kohle bei Eintritt der Ebbe holen. Hunderte armselige männliche sowie weibliche Wesen mit vielen kleinen nackten Kindern passen hier auf eine Gelegenheit, ein Stück Kohle zu erhaschen. Trotzdem es nur arbeitsloses Gesindel ist, muss man mit den noch dazu meist kranken Gestalten Mitleid haben. Gibt man einem der braunen kleinen Knaben oder Mädchen einige Cents, so fallen sie unzählige Male vor einem auf den Boden und bedecken denselben mit der Stirne. Aber nach einigen Minuten kommt schon ein ganzer Schwarm dieser zum Betteln
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erzogenen Kinder mit den grässlichsten Grimassen. Jetzt ist es Zeit energisch drein zu fahren und die Kinder einzuschüchtern, sonst wird man sie nicht mehr los. Hebt man nur die Hand oder gar einen Stock, so laufen die in allen Richtungen davon, um sich aber alsbald wieder zu sammeln. Bis man nicht einem der zudringlichen Bengel einen Hieb gibt, hat man keine Ruhe. – Vom Unternehmer bekamen wir zu Mittag eine Kiste Bier und belegte Brötchen, was uns sehr gut mundete. Nachdem bis 1h 160 Tonnen Kohle auf die Pontons gebracht worden waren, traten wir einen Rundgang durch die Stadt an. In einem österreichischen Restaurant, wo uns das Töchterlein bewirtete, nahmen wir einen Tee ein. Durch enge schmutzige Gassen hindurch kommen wir zum Spital. Dort ist ein Maschinen-Unteroffizier, der an Cholera erkrankte, untergebracht. Der arme Bursche schaut erschreckend bleich aus. Er wird von französischen Nonnen gepflegt. Als wir das Spital, das sehr schön eingerichtet war, verließen, begegneten uns noch zwei französische Marineure, mit denen ich einige Zeit konversierte. Am österreichisch-ungarischen Konsulat vorbei begaben wir uns in ein Hotel, wo wir ein ausgiebiges Souper bestellten und sehr gut bedient wurden. Unser Konsul19 ist Glasfabrikant und bewohnt eine schöne Villa. Um 9h fuhren wir an Bord. 21. Oktober, Dienstag. Um ½ 7h a.m. sind Maschinen und Kessel wieder klar zum Auslaufen. Man sollte Scheibenschießen haben. Da aber zu sehr bewegte See war, musste von dieser Fahrt Abstand genommen werden. Dafür wurde die Kohle eingeschifft. 22. Oktober, Mittwoch. Um 7h a.m. verlassen wir den Hafen, um tagsüber Schießübungen vorzunehmen, die bei schönem Wetter einen guten Verlauf nahmen. Mittags ist Pause und auch die Maschinen ruhen. Da vollständige Windstille herrscht, werden keine Anker geworfen, sodass das Schiff langsam unmerklich treibt. Erst um 1h wird die Fahrt wieder aufgenommen, und die Übung nimmt ihren Fortgang. 6h Abend kehren wir nach Chefoo zurück. Die nächsten Tage verlaufen alle ähnlich mit Schießübungen der verschiedenen Geschütze. 19 Maximilian Freiherr von Babo (1862–1933) war seit Jahresbeginn 1902 Honorar-Vizekonsul in Zhifu. Er hatte sich in seiner Heimatstadt Klosterneuburg, wo sein Vater die Weinbauschule leitete, mit Weinbaukunde und Kellereiwirtschaft befasst ; nach China war er 1896 gekommen, um auf Initiative des wohlhabenden chinesischen Politikers und Unternehmers Zhang Bishi 張弼士 (1840–1916) in der Region Yantai (Shangdong) Weinbau zu betreiben. Dieses älteste Weingut Chinas mit dem Namen Zhangyu Kasi Tejiuzhuang 張裕卡斯特酒庄 existiert noch heute. Möglich, dass Babo auch für (Wein-)gläser zuständig war […]. Seine konsularischen Aufgaben in Zhifu nahm Baron Babo bis zum Kriegseintritt Chinas im August 1917 wahr (G. Lehner 1995, S. 343ff.).
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27. [= 26.]20 Oktober, Sonntag. Heute unterbleibt das Auslaufen wegen des
Feiertages. Es wird Vormittag die hl. Messe gelesen. Nachmittag kommt unser Ehrenkonsul [Babo] an Bord, aus welchem Anlasse ein Konzert stattfindet. 28. [= 27.] Oktober, Montag. Da die vorgeschriebenen Übungen der Geschütze bei Tag beendet sind, beginnen nun die Übungen bei Nacht, und diese müssen umso genauer durchgeführt werden, da in einem zukünftigen Kriege viele Angriffe im Schutze der Dunkelheit ausgeführt werden dürften. Wir verlassen also abends um 6h den Hafen. Um 7h werden die Scheiben ausgesetzt und bald leuchten die Projektoren durch die finstere Nacht und beleuchten das Ziel. Bald erdröhnen die Schüsse und surrend fliegen sie dem Ziele entgegen. Fast alle Schüsse treffen, entweder die kleine Scheibe selbst oder fliegen knapp vor oder nach derselben zischend ins Wasser. Da sehr gut geschossen wurde, konnte um 12h nachts das Feuer eingestellt werden. Um 1h nachts standen wir wieder im Hafen vor Anker. Auch die folgenden Tage wurden nachts Schießübungen vorgenommen, die durchwegs gute Resultate zeitigten. 2. November, Samstag. 2h nachts verlassen wir endlich für längere Zeit das schön gelegene, aber langweilige Chefoo [Zhifu = Yantai]. 3. November, Sonntag. Bei herrlichem Wetter verlieren wir die Küste aus den Augen und verlassen chinesisches Gewässer, in dem wir seit 26. September kreuzten. 4. November, Montag. ½ 10h a.m. wird eine kleine Scheibe ins Wasser gelassen. Wir fahren um dieselbe in einem Umkreise von 6–8 km herum und beschießen dieselbe. Um Mittag geht die Fahrt in der Richtung gegen Japan weiter. 5. November, Dienstag. Um 3h Nachmittag kommt das ersehnte Japan in Sicht. Eine nach Norden langgestreckte Küste kann man mit den Augen verfolgen. Nach Süden hat die Küste nur eine kurze Ausdehnung. Während dieser Betrachtungen kommen wir der Küste immer näher. Man sieht zahlreiche Inseln, die dem Festlande vorgelagert sind. Um 4h kommen wir in den Kanal von Nagasaki. Zwischen Inselchen hindurch und nach einer Biegung werden die ersten Häuser sichtbar. Zuerst links große Kohlenlager einer amerikanischen Firma. Weiter ein kleiner Dschunkenhafen, in dem zahlreiche Boote liegen. Die Stadt liegt sehr geschützt, da sie am Ende eines Kanals liegt, der als günstiger Hafenplatz ausgebaut ist. Schwere See kommt hier sehr schwerlich herein. Wenn draußen das Meer wütet, verspürt man in der Bucht nur ganz leichte Wellenbewegung. Die Stadt besteht aus größtenteils japanischen Holzhäuschen, die sich 20 Bis 16. November stimmen die Datumsangaben und Wochentage nicht überein, erst wieder ab 17. November, einem Montag.
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am Abhange einiger kleiner Hügel bis an das Ufer erstrecken. Die Gebäude am Meeresrande sind fast ausschließlich europäischer Art, da hier die verschiedenen Konsuln wohnen. – Der Anker rasselt in die Tiefe. – Auf der rechten Seite der Bucht ist die Stadt angelegt. Links sind Fabriken und ein sehr großes Arsenal mit zwei großen und zwei kleinen Stapeln. Auf dem einen der großen Stapel wird ein japanischer Panzerkreuzer von riesiger Dimension gebaut.21 Der hiesige Stapel ist einer der größten, auf dem Kriegsschiffe gebaut werden können. Inzwischen hatte sich das Wetter sehr verschlechtert und ein dichter Nebel legte sich über die Stadt. Gleich nachdem wir geankert waren, kamen Hunderte von kleinen Booten mit Geschäftsleuten. Nachdem die Hafen- und Polizeibehörde erledigt war und die Schiffspapiere durchgesehen waren, wurde die Erlaubnis erteilt, dass die unten harrenden japanischen Leute heraufkommen dürfen. Nun ergoss sich ein Strom dieser kleinen flinken Menschen über Deck. Eine Unmenge Kisten und Schachteln wurde heraufgeschafft und auf Deck ausgebreitet. Da es schon dunkel war, zündeten die Japsen zahlreiche Lampions und Kerzen an. Von uns wurden einige große elektrische Blendlaternen beigestellt. Das Schiff bot so einen sehr schönen Eindruck. Die vielen Gegenstände erregten unsere Aufmerksamkeit, ebenso auch die japanischen Frauen und Mädchen, die gekommen waren, um ihre Männer beim Verkaufe zu unterstützen. Bevor man noch alles besichtigt hatte, war es 8h geworden, und die Japaner mussten das Schiff verlassen. 6. [= 5.] November, Mittwoch. Früh am Morgen kamen zahlreiche Waschmänner an Bord, um Wäsche zu holen. Zu Mittag nach 12h kamen wieder die Geschäftsleute, nur noch bedeutend mehr als gestern. Zwei Stunden vergingen mit dem Bewundern der vielen schönen Gegenstände wie Porzellan, Lack, Seide, Holz- und Steinsachen, die allerdings alle zu sehr hohen Preisen angeboten wurden, für die die Leute aber dann nur den dritten Teil der zuerst verlangten Preise hergaben. Das Wetter hat sich ausgeheitert und man kann den schönen Hafen mit seiner Umgebung bewundern. Besonders schön und freundlich wirkt auf das Gemüt das frische Grün der umliegenden Hügel mit ihren kleinen Häuschen und den fast flachen Dächern. Der Teil der Stadt, in dem die große Werft liegt, ist allerdings immer in etwas Rauch gehüllt und macht einen düsteren Eindruck, dafür ist aber der eigentliche Stadtteil um so freundlicher und die Sonne leuchtet um so schöner darauf. 7. [= 6.] November, Donnerstag. Um 2h Nachmittag fahre ich an Land und betrete mit einem eigentümlichen Gefühl das erste Mal im Leben japanische Erde, nachdem ich ja vorher schon chinesischen, indischen, türkischen und eng21 Das Schlachtschiff Kirishima「霧島」 ; s. Kirchners Eintrag am 1. Dezember 1913.
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lischen Erdboden betreten hatte, aber noch nie hatte mich ein so eigentümlich frohes und zufriedenes Gefühl benommen wie in dieser Stunde. Ich war in Japan, dem vielgepriesenen Lande der Sonne, angekommen. Vom Molo weg führte eine schöne wohlgepflegte Straße einen kleinen Kanal entlang, in dem unzählige Boote vertäut waren. Zuerst ging ich mit einigen Kollegen in ein deutsches Restaurant (Cohn), um ein Abendessen zu bestellen. Dann setzten wir uns auf »Rickshaws« und fuhren in der Stadt herum. Auch eine kleine Strecke außerhalb der Stadt fuhren wir auf schönen reinen Straßen, wo alsbald wieder Häuser standen. Nach ½ stündigem Aufenthalte in diesem am Meere gelegenen Vororte fuhren wir wieder zwischen Bergabhängen und einzelnen Häuschen in die Stadt zurück. Überall wurden wir vom Volke begrüßt, und besonders die jungen Mädchen winkten uns häufig zu, mit ihren niedlichen Gesten. Auf unserer weiteren Fußwanderung gingen wir in ein japanisches Teehaus, in dem uns vier lustige Geishas bewirteten. Um 6 Uhr kehrten wir in das vorerwähnte Restaurant zurück, wo bereits in einem kleinen Zimmer für uns ankommende Unteroffiziere sehr schön gedeckt war. Nachdem wir es uns bequem gemacht hatten, kam auch schon die Frau des Besitzers und trug das Essen unter Beihilfe von zwei japanischen Mädchen auf. Nach langer Zeit wieder ein anständiges Wiener Schnitzel mit Ei und Salat. Sodann noch auf allgemeinen Wunsch einen Apfelstrudel, der sehr an vergangene Tage zu Hause erinnerte. Nach beendigter Mahlzeit wurde fröhlich gesungen, und nachdem die Stimmung durch einen guten Tropfen deutschen Bieres noch gehoben war, tanzten wir zusammen. Um ½ 8h brachen wir auf und wollten noch eine Rundfahrt machen. Als wir beim Hotel »Cosmopolitan« vorbeifuhren, hörten wir Männerstimmen. Es wurde sofort abgesessen und zwei zu zwei traten wir in das Lokal. Sofort wurden wir von drei Mädchen im Alter von zirka 20–25 Jahren empfangen und im Triumphzuge gingen wir durch den Saal, in dem eine große Zahl deutscher Unteroffiziere vom deutschen Kanonenboot Iltis versammelt war.22 Bei einem Klavier spielten abwechselnd die drei feschen Schwestern flotte Lieder und bald wurde auch hier getanzt, dann wieder zusammen gesungen und mit mancher Flasche Bier die Freundschaft unter uns Bundesgenossen hier im fernen Japan begossen. Unter Tanz, Musik und Gesang verging die Zeit nur leider allzu schnell und es musste an den Aufbruch gedacht werden. Nach langem Zögern erhob man sich zum endlichen Weggehen. Ein deutscher Obermaschinist hielt eine zündende Ansprache über unser Bundesverhältnis zu Hause, durch das die 22 Dem Kanonenboot Iltis (im Einsatz seit 1898, 726 t, 9 Offiziere und 121 Mann Besatzung) werden wir bei den Kämpfen um Tsingtau wieder begegen. Kommandant war Korvettenkapitän Fritz Sachße.
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beiden Völker Deutschlands und Österreichs verbunden sind zum Wohle beider Reiche, und dass dieses Verhältnis hier im Auslande um so eifriger gepflegt werden muss, wo wir hier im Osten im Falle eines Krieges aufeinander noch mehr angewiesen sind als zu Hause, unter einem dreimaligen »Hurra« auf den greisen Kaiser Franz Josef I. und auf den großen Beherrscher Deutschlands, Kaiser Wilhelm II., schloss die Rede, die stürmischen Beifall fand. Beim Abmarsch wurde unter Klavierbegleitung »Hollarie jetzt geht’s zur Heimat« gesungen, und da es stark regnete, mussten wir uns wieder von den japanischen Kulis zum Molo fahren lassen. 8. [= 7.] November, Freitag. Wegen des schlechten Wetters kamen heute nur wenige Kaufleute (Quadreier genannt)23 an Bord. Besuch des englischen und amerikanischen Konsuls, wofür je 7 Schuss Ehrensalut abgegeben werden.24 10. [= 9.] November, Sonntag. Um 2h wieder an Land gefahren und Spaziergang durch die Stadt unternommen. Um 5h war ich mit drei Kollegen im japanischen Teehaus, wo wir uns mit drei Geishas, von denen eine besonders schön war, sehr gut unterhielten. Das ganze japanische Volk ist immer gut aufgelegt und das Lachen ist ihnen angeboren. Sorgen kennen die Leute wenig und sie sind durch die vernünftige einfache Lebensweise sehr anspruchslos und das Land selbst bereichert durch die Bodenerträgnisse die Bevölkerung. Sie haben also auch allen Grund, immer zu lächeln, was auf den Fremden einen sehr guten Eindruck macht. Besonders das silberhelle Lachen und das fröhliche Wesen aller japanischen Mädchen erheitert einen jeden. Auszeichnen tun sich alle Menschen hier und hauptsächlich der weibliche Teil durch seine ungeheure Reinlichkeit. Jede Hausfrau, und was immer für welche Beschäftigung, trägt ihren schönen Kimono und den seidenen Obi (eine Art Gürtel aus breiter Seide, der rückwärts zweimal übereinandergeschlagen wird und eine Art Nationalzierde bildet). Ebenso wird auch auf die Frisur sehr viel gehalten. Je nach dem Alter wird die Frisur getragen. In der einen Hand in ein Tuch eingewickelt die Schulbücher und in der anderen stets einen Schirm, ob für Sonne oder Regen ist gleich. Diese meist in Gruppen gehenden Mädchen schauen sehr unschuldig aus, lächeln versteckt und kichern nach Backfischart, wenn sie einen jungen Europäer sehen. Sind dann die Mädchen aus der Schule, steigen sie gewissermaßen in ihrer Stellung nach außen hin. Sie bekommen den bis zu den 23 Begriff aus der Bordsprache : von quadro – ital. Bild ; die »Quadreier« stellten die beliebten Stickbilder her zur Erinnerung an die große Fahrt mit Bild und Namen des Schiffes, Name und Porträt des Auftraggebers und die Fahnen der besuchten Länder, zuvorderst stets die Fahnen von Japan und China. 24 Großbritannien wurde in Nagasaki von Konsul A. M. Chalmers (seit April 1910) und die USA von Konsul Carl F. Deichman (seit Aug. 1909) vertreten.
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Fußknöcheln reichenden seidenen Kimono, der aus stark geblümtem Stoffe ist. […]25 Die Füße sind bedeckt mit einer Art Socken, die aber die große Zehe wie ein Handschuh extra bekleiden und bis zu den Knöcheln reichen. Die Fußbekleidung besteht entweder aus Strohgeflecht, das durch zwei Querbänder aus Stoff über den Zehen festgehalten wird, oder aus Holzpantoffeln. Ein Brettchen in der Form der Ferse und Sohle wird auch durch zwei Riemen festgehalten, um aber auch im Kote gehen zu können, sind zwei kleine Holzleisten an der Unterseite befestigt. Wenn viele Leute auf einer gepflasterten Straße gehen, so machen diese Holzpantoffeln einen großen Lärm. Der Gang wird durch diese leichte Fußbekleidung, bei der man immer bedacht sein muss, sie nicht zu verlieren, ein schleppender und sehr knieweicher, was bei dem weiblichen Geschlecht einen sehr gutherzigen weichen Eindruck macht, den Männern aber nicht gut ansteht. Eine Amerikanerin, mit der ich in Matsuyama sprach, sagte unter anderem : »Die Japaner sind keine Männer und als Gatten nicht zu gebrauchen.« Sie hat vielleicht recht und muss als Weib das beurteilen können. In Städten sieht man ja heutzutage schon sehr viele europäisch gekleidete Männer, besonders solche Japaner, die geschäftehalber mit Europäern zu tun haben. In kleineren Orten ist das aber nicht der Fall. Alle tragen den Kimono, aber nicht wie die Mädchen und Frauen aus bunten Stoffen, sondern meist dunkelbraun oder schwarz. Also am 10. November waren wir bei den drei Geishas. Von dort fuhren wir in der Stadt herum, wobei wir noch in ein japanisches Teehaus kamen, wo vier Mädchen von 14 Jahren aufwärts uns unterhielten. Abends gingen wir wieder ins International Haus, wo uns ein vorzüglicher Schweinsbraten mit Sauerkraut und Knödel erwartete. Von hier wieder ins »Cosmopolitan«, wo wir uns wieder mit deutschen Unteroffizieren und den drei deutschen Fräuleins bei Klavier und Gesang sehr gut amüsierten. 16. November, Dienstag [= Sonntag]. 2h an Land, unternahm mit zwei Kollegen einen herrlichen Spaziergang in die Umgebung der Stadt. Um 4h besuchten wir ein japanisches Hotel, um zu jausnen. Hier bedienten uns wieder drei Geishas. Im 2. Stockwerke waren zwei Zimmer in europäischem Stile ausgestattet und wir fühlten uns bald wohl. Nach einem kräftigen Imbiss verließen wir diese nette Familie und setzten unseren Rundgang fort. Um 5h wurde wieder in einem Teehaus haltgemacht. So wie überall bedienten uns auch hier zwei hübsche Mädchen. Von Knapp26 wurde eine kleine photographische Aufnahme 25 Hier folgen einige Bemerkungen zu Kleidung und Frisuren von japanischen Frauen. 26 Vermutlich Franz Knapp (aus Budweis in Böhmen), Quartiermeister auf der Kaiserin Elisabeth ; auf der Elisabeth gab es noch einen Karl Knapp (aus Holitz [Holice], ebenfalls Böhmen), Mat-
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gemacht. Dann kehrten wir wieder ins Internationale Hotel zurück, wo wir wie immer sehr gut aßen. Da wir schon sehr gut aufgelegt waren, besuchten wir noch ein deutsches Hotel, in dem wir noch nicht waren. Bei einer Flasche guten Weins unterhielten wir uns sehr trefflich. Von hier wurde noch ein Sprung in ein Teehaus unternommen, in dem wir nachmittags drei reizende Geishas gesehen hatten. Eine namens »Mitsuko« gefiel mir besonders […]. 17. November, Montag. Der Maschinengast Marikio27 wird wegen oftmaliger Bestrafung und Subordinationsverletzung degradiert zum Matrosen 4. Klasse und vier Monate strengen Arrest. 18. November, Dienstag. Marsquartiermeister Sakatsch [ ?] wird wegen mangelhafter Dienstversehung degradiert und mit zwei Monaten strengem Arrest bestraft. 19. November, Mittwoch. 3–4h mit einem Kollegen bei Mitsuko, wo uns ein Japaner photographierte. Auf Abend gegessen bei Cohn. Um 6h gingen wir in ein japanisches Hotel, in dem ein Mädchen ist, das ein Mischling zwischen einem Engländer und einer Japanerin ist. Ein sehr lustiges Ding, das aber wegen seines burschikosen Wesens mir sehr unsympathisch ist. Margarethe ist ihr Name, und ist stets europäisch gekleidet und zwar meistens Matrosengewand. 22. November, Samstag. Um 1h fahre ich in Begleitung von zwei Kollegen von Bord. Unternehmen wieder einen Rundgang durch die Stadt, denn das ist immer interessant, und man hat immer Gelegenheit, Neues zu sehen. So bot sich auch uns heute die Gelegenheit, einem Leichenbegängnis beizuwohnen, und zwar folgendermaßen : Zahlreiche Frauen in weißen Kimonos erregen in den Straßen unsere Aufmerksamkeit. Wir folgten ihnen, da wir ahnten, etwas Besonderes zu sehen. Nach ½ stündiger Wanderung durch die Straßen der Stadt beginnt der Aufstieg auf einen Berg, auf dessen Westabhange ein Friedhof angelegt ist. Auch zahlreiche Männer in schwarzen Kimonos schließen sich an. Nach längerem Steigen zwischen zahlreichen Grabsteinen, älterer sowie neuerer, gelangen wir zu einer größeren Menschengruppe, inmitten derselben sind einige Männer damit beschäftigt, eine Urne einzugraben, in der die Asche eines verbrannten Leichnams ist. Die Toten werden in Japan alle der Feuerbestattung rose II. Klasse ; beide waren nach der Kapitulation im Gefangenenlager Himeji bzw. Aonogahara untergebracht. 27 Franz Marikio (1891–1977) aus Kratow, Bezirk Triest ; nach der japanischen Kriegsgefangenenliste Okt. 1915 im Gefangenenlager Kurume (zuvor Kumamoto ; im August 1918 nach Narashino verlegt). Dem im Internet zugänglichen »Tsingtau Projekt« zufolge optierte er unter dem Namen Francesco Maricchio bei Kriegsende für Italien, im Nov. 1919 entlassen zur italienischen Gesandtschaft in Peking ; 15.11.–15.12. zur italienischen Militärmission in Sibirien ; Heimreise Febr./April 1920 mit Texas Maru von Wladiwostok nach Triest.
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Abb. 11: Stapellauf des Schlachtschiffes Kirishima (戦艦「霧島」の進水), Nagasaki 1. Dez. 1913, aufgenommen von Linienschiffsleutnant Johann Kainer.
zugeführt, was wieder ein Zeugnis der Intelligenz des Volkes ist. Nur ausnahmslos wenige Leichen kommen nicht zur Verbrennung. – Die Urne wird eingegraben. Darauf wird ein künstliches kleines Holzhäuschen gestellt, beiläufig 1 m hoch und 1 m im Quadrat. Wir waren sehr gespannt, was nun folgen würde. Die Männer stellten nun in dieses Häuschen ein sänftenartiges Gestell. Nun kommt noch ein ziemlich hoher künstlicher Blumenstrauß im Tongefäß sowie ein Topf mit Weihrauch hinein. An den vier Dachecken des Häuschens werden weiße Papiergirlanden aufgehängt. Dann werden einige Kerzen angezündet und gegen 100 Strohhalm ähnliche Hölzlein, die am oberen Ende rot. sind. Ein angenehmer Geruch verbreitet sich dadurch. Zwei Männer halten die glimmenden Hölzchen, und nun kommen die leidtragenden Männer vorbei, nehmen einen Stab, stecken ihn in ein hohes Gefäß vor dem Holzhäuschen, verrichten kniend oder hockend ein kurzes Gebet und verlassen den Platz nach oftmaligen Verbeugungen. Sobald die Männer passiert haben, kommen die Frauen mit ihren prachtvollen Kleidern. Auch sie bekommen einen glimmenden Stab, stecken ihn aber in ein anderes Gefäß als die Männer. Ein kurzes Gebet wird verrichtet, wobei sich manche bis auf den Boden verneigen. Bald haben auch die Mädchen ihre Pflicht getan und die Feier ist beendet. Die näheren Angehörigen des Verstorbenen ersehen dann an den Stäbchen, wieviel Männer und Frauen dem Dahingeschiedenen das letzte Geleite gegeben haben. Was das Holzhäuschen für eine Bedeutung hat, weiß ich nicht, wahrscheinlich soll das die verlassene Heimat vorstellen und der Weihrauch eine Art Wegzehrung.
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Nach dieser Feier begaben wir uns wieder den Hügel hinab und zur »Mamasan«, wo es wieder sehr lustig zuging. Um 7h bei Cohn gegessen und dann zu Mitsuko gegangen. 26. November, Mittwoch. 8h a.m. läuft der deutsche Kreuzer Emden ein. Ein stattliches Schiff mit drei Kaminen. Nachmittag der große Kreuzer Scharnhorst, das Admiralschiff des deutschen Ostsee-Geschwaders mit Admiral von Spee.28 Weiters folgt der Kreuzer Gneisenau und ein Torpedoboot [S 90]. Für den Admiral werden 21 [= 13] Salutschüsse abgegeben. Während die Schiffe passieren, spielen deren Kapellen die österreichische Volkshymne. Abends nimmt sich der Hafen mit den großen beleuchteten Schiffen sehr schön aus. 27. November, Donnerstag. Um 8h a.m. werden nochmals 21 [= 15] Schuss abgegeben, da der gestrige Salut nicht gültig war, weil die Sonne bereits gesunken war, der Ehrensalut aber zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang gegeben werden muss.29 Heute wurden unsere Schüsse auch von der Emden erwidert, die auf dem Großmaste die österreichische Flagge hisste. 10h a.m. kommt der deutsche Kreuzer Leipzig. 30. November, Sonntag. 5h Nachmittag läuft der japanische Panzerkreuzer Hizen ein. Ein mächtiges Schiff, das 1905 den Russen bei Wladiwostok abgenommen wurde und Retwisan hieß.30 Vier Torpedoboote begleiten das Schiff, und ankern in unserer Nähe. Um 6h kommt noch ein großes graues Schiff, ein Unterseeboot-Begleitschiff31 sowie drei japanische Unterseeboote, die zum Unterschiede der übrigen japanischen Schiffe, die alle dunkelgrau sind, weiß gestrichen sind. Ich gehe an diesem Tag an Angina ins Spital. Abend 39,9° Fieber. 9h Abend kommen die Landgänger an Bord. Plötzlich erschallt der Ruf »Mann über Bord«. Das kommt selten vor, umso größere Verwirrung bewirkt der durch die Dunkelheit dringende Schreckensruf. Der Heizer Gerger war von 28 Vizeadmiral Reichsgraf Maximilian von Spee (gefallen am 8. Dezember 1914 in der Seeschlacht vor den Falkland-Inseln im Südatlantik), Kommandant des deutschen Pazifik-Geschwaders. Nochmaliges Zusammentreffen der Elisabeth mit dem Admiral in Amoy [Xiamen] (Tagebucheintrag vom 27. Februar 1914). 29 Die zuvor abgegebenen 13 Salutschüsse galten dem Flottenchef Spee als Konteradmiral. Da erst durch den Bekomplimentierungsoffizier bekannt wurde, dass der Geschwaderkommandant wenige Tage zuvor zum Vizeadmiral befördert worden war, wurde ein nochmaliger Geschützsalut von 15 Schuss geleistet (Makoviz an die Marinesektion, Nagasaki 15.11.1913 ; Kriegsarchiv Wien, M.S./O.K. 1913, K 339/IV 2–4). 30 Die Retwisan [Ретвизан] war an Kämpfen vor Wladiwostok beteiligt (Seeschlacht im Gelben Meer), wurde aber im Dezember 1904 vor Port Arthur zum Sinken gebracht. Da dies in seichtem Wasser geschah, wurde das Schiff im September 1905 gehoben, repariert und als Hizen「肥 前」in die japanische Kriegsflotte eingereiht. 31 Karasaki, Mutterschiff der zweiten japanischen Unterseebootflottille.
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der Dampfbarke aus ins Wasser gefallen und anscheinend sofort gesunken.32 Während die Boote rasch anlegten und die Leute an Bord kamen, wurde ein kleines Rettungsboot zu Wasser gelassen und die Suche nach dem Verunglückten begann. Unsere Schiffsprojektore leuchteten das Wasser ringsum ab, ebenso sechs deutsche Scheinwerfer und drei japanische Riesenprojektore, aber ohne Erfolg. Laut Vorschrift muss zwei Stunden nach dem Verunglückten gesucht werden. Wenn ein Ertrinkender nicht gleich gefischt wird, so ist keine Hoffnung mehr vorhanden, ihn zu finden, bis der Leichnam angeschwemmt wird. Ich hatte ohnehin hohes Fieber und dieser Vorfall hatte eine Verschlimmerung meines Zustandes zur Folge. Die Nacht verlief sehr schlecht und ich musste jede Stunde Eisumschläge am Halse bekommen. Am Morgen waren die Halsschmerzen etwas besser. 1. Dezember, Montag. Habe nur 38,6° Fieber und bekomme eine ordentliche innere Jodpinselung in den Rachen, die ein erstickendes Gefühl auslöst. Um 10h a.m. wird auf sämtlichen im Hafen liegenden Kriegs- und Handelsschiffen Flaggengala gehisst. 21 Salutschüsse für den eintreffenden japanischen Kronprinzen.33 Während derselbe mit einem Tender unser Schiff passiert, spielt die Musik die japanische Hymne und die am ganzen Schiff Mann an Mann aufgestellte Mannschaft bringt ein dreifaches »Hurra«. Um ½ 11h a.m. geben alle Kriegsschiffe 21 Salutschüsse ab. Gleichzeitig gleitet der mächtige Koloss des japanischen Schlachtschiffes Kirishima, der zwei Jahre am Stapel gelegen war, vom prachtvoll geschmückten Stapel ins nasse Element.34 Glocken läuten, Musikkapellen spielen, und die Sirenen sämtlicher Handelsschiffe und Tender beginnen zu heulen. Mit einer mächtigen Bugwelle war 32 Der Heizer Johann Gerger stammte aus der Obersteiermark. An der vergeblichen Suche hatten sich auch Boote des japanischen Kreuzers Hizen beteiligt. Nach dem Bericht des Kommandanten Makoviz an die Marinesektion war der Mann in volltrunkenem Zustand ca. 100 m von Schiff entfernt über Bord der Dampfbarkasse gefallen. (Vorfallenheitsbericht, Nagasaki 30.11.1913 ; Kriegsarchiv Wien, M.S./O.K. 1913, K 339/IV 2–4). 33 Prinz Kan’in Kotohito 閑院宮載仁親王 (1865–1945) aus der Fushimi-Seitenlinie des kaiserlichen Hauses mit Thronfolgeberechtigung. Zu der Zeit war Prinz Kan’in bereits im Rang eines Generals zum Kommandanten der Kaiserlichen Garde aufgestiegen und Mitglied des Obersten Kriegsrates. 34 Der von der Mitsubishi-Werft in Nagasaki erbaute Schlachtkreuzer ist nach dem Berg Kirishima 霧島 auf Kyūshū benannt. Baubeginn war März 1912 gewesen, die Kaiserin Elisabeth war Zeuge des Stapellaufs ; in Dienst gestellt wurde das ca. 216 m lange und mit fast 27.000 t Verdrängung eindrucksvolle Schiff der Kongō-Klasse im April 1915. In den Unterlagen des Vorfallenheitsberichtes befinden sich 5 Photographien des Stapellaufes, aufgenommen von Linienschiffsleutnant Kainer von Bord der Elisabeth – allerdings aus relativ großer Ferne, weil direkt am Festplatz Photographieren verboten war (in See 15.12.1913 ; Kriegsarchiv Wien, M.S./O.K. 1914, K 362/V 2–3).
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dieser erste »Dreadnought« Japans ins Wasser gefahren, und lag bald darauf still vor dem Stapel, nun für lange dem Wasser übergeben, bis zu seinem Untergange. 12h Mittag wird Flaggengala eingezogen und die Heck- und Bugflagge sind zum Zeichen der Trauer halbtopp d.h. auf halbem Flaggenstock. 2. Dezember, Dienstag. Trotz des Regierungsjubiläums unseres Kaisers findet keine Flaggengala statt. Das Andenken an den Ertrunkenen muss durch drei Tage zum Ausdrucke gebracht werden und das geschieht durch »Flagge halbtopp«. 3. Dezember, Mittwoch. Durch die häufigen Jodpinselungen haben meine Schmerzen nachgelassen und die Angina ist im Rückgange begriffen. 4. Dezember, Donnerstag. Die deutschen Kreuzer Scharnhorst, Gneisenau und Emden verlassen den Hafen. Ebenso die japanischen Unterseeboote. 5. Dezember, Freitag. 8h a.m. werde ich als geheilt aus dem Spital entlassen. Da ich mich aber von dem langen Liegen schwach fühle und schwindlig werde, muss ich mich um 11h wieder niederlegen und bekomme abends wieder Fieber. 7. Dezember, Sonntag. Werde, da ich nun vollkommen gesund bin, aus dem Spital entlassen. 9. Dezember, Dienstag. Das deutsche Kriegsschiff Leipzig macht Kohle von einem deutschen Regierungsdampfer,35 dessen Kommandant ein gewesener Marine-Offizier ist und daher berechtigt ist, den goldenen Anker samt Krone in der schwarz-weiß-roten Flagge eingestickt zu tragen. Dieser Kohlendampfer führt für die Ostsee-Flotte36 die Kohle mit, so dass die Schiffe jederzeit Kohle machen können. Um ½ 9h a.m. kommt die japanische Hafenpolizei an Bord und meldet, dass die Leiche des am 30. November ertrunkenen Matrosen [Gerger] in einer Bucht an der Hafeneinfahrt nach Nagasaki am Lande angeschwemmt gefunden wurde. Die Leiche wird in ein Boot gebunden und ans Land gebracht, wo die Aufbahrung erfolgt. 1. Dezember, Donnerstag. Vormittag findet eine Visitierung des ganzen Schiffes durch unseren Kommandanten statt, die zur vollsten Zufriedenheit desselben endet. Nachmittag wird eine Geschützlafette sowie ein großer Teil der Besatzung mit Musik an Land geschafft, um am Leichenbegängnisse des am 30. November ertrunkenen Heizers teilzunehmen. Auch ein Zug von 20 Mann mit Rüstung und Gewehr wurde von der japanischen Behörde bewilligt, so dass dem Verstorbenen der Totensalut geleistet werden konnte. Das Tragen von Waffen ist nämlich im Auslande für fremde Nationen verboten. Da ich im Dienste
35 Die Titania, ein von der deutschen Marine gecharterter Kohlendampfer. 36 Gemeint ist die Ostchinesische See.
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war, konnte ich an dem Leichenbegängnisse unseres ersten Toten auf der Auslandsreise nicht teilnehmen.37 Nachts bricht ein furchtbarer Sturm an, der trotz der äußerst geschützten Lage des Hafens sehr stark fühlbar war und das Schiff in Gefahr brachte abzutreiben. Um ½ 2h a.m. am 12. Dezember kommt Befehl anzuheizen und Kessel und Maschinen fahrbereit zu machen, was auch bald geschehen war, unter normalen Verhältnissen aber 3–4 Stunden dauern soll. Binnen ½ Stunde wurden 150 kg Öl verbraucht. Um 3h a.m. hatte der Sturm nachgelassen, und es wurde wieder abgebrannt. Um 4h a.m. kam ich wieder bis 8h a.m. in Dienst. Dann erhielt ich bis Mittag frei. Nachmittag fuhr ich um 3h an Land und ging zu »Mamasan« Tee trinken, wo es wie immer sehr lustig war. Alle möglichen Witze wurden gemacht, trotzdem man die Sprache nicht verstehen kann. Es wird in den Zimmern herumgeritten, Kleider werden gewechselt etc. etc. Es sollte ja Abschied genommen werden, da wir in einigen Tagen abfahren sollen. Wir nutzen natürlich die letzten Stunden noch so gut und lustig als möglich bei diesen naiven Mädchen aus, bei denen wir so viele lustige Stunden verlebt hatten. Abends besuchten wir ein neues deutsches Hotel »Berliner Haus«, das von einem Deutschen, dessen Frau und zwei hübschen Töchtern geleitet wird. Eine gute Fisch-Speise und eine gute Flasche Madeira begnügten unseren Magen. Nachher wurde bei Klavierbegleitung getanzt. Um 9h abends an Bord gefahren. 15. Dezember, Montag. 2h a.m. anheizen. 11h a.m. Ankerstation, nachdem der Anker 40 Tage in japanischer Erde gelegen hatte. Langsam fahren wir an der Stadt vorbei. Von vielen Häusern sah man Tücher schwenken, aus denen, die von Europäern bewohnt waren und welche sich bei uns an Bord oder sonst wo gut unterhalten hatten. An einem Hause war gerade das Bettzeug gelüftet und ein Fräulein erschien am Balkon, nahm ein Leintuch und schwenkte es, soviel in ihren Kräften stand. Bei einem anderen Haus wurde die österreichische Flagge, wo sonst eine holländische Handelsflagge wehte, oftmals gehißt und gestrichen, was durch unsere große Schiffsflagge erwidert wurde. Am Heck spielte unsere Musik flotte Weisen, Offiziere und wir schwenkten unsere Taschentücher den am Lande stehenden zu. Wohl jeder von uns hatte hier lustige Stunden verlebt, so dass uns Nagasaki lieb geworden war. Von einer prachtvollen Villa am Bergesabhange wurde wohl aus zehn Fenstern gewunken mit allen denkbaren Dingen, sogar Frauenröcke flatterten in der Luft. Unser Kommandant [Makoviz] erkannte durch sein Glas eine Dame und sagte in lautem lachenden Tone : 37 Teilgenommen an der Beerdigung hatte der gesamte dienstfreie Stab, ein Großteil der sich freiwillig gemeldeten Mannschaft, der britische Konsul, der gleichzetig die österr.-ungar. Interessen vertrat, der deutsche Konsul und ein Vertreter des Gouverneurs von Nagasaki.
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»Servus Alte, hast a Freud« und winkte mit der Hand, worauf ein allgemeines Gelächter unsererseits ausbrach. Nun war genug des Abschiedes und das Schiff setzte sich ganze Kraft in Bewegung unter dem Musikstücke »Muß i’ denn zum Städtele hinaus«. Noch ein letzter Blick wurde auf das entschwindende Nagasaki geworfen, das wir alle liebgewonnen hatten. Eine ¼ Stunde fuhren wir noch im herrlichen Kanal, und dann waren wir im offenen Meer. 16. Dezember, Dienstag. Als ich um ½ 4h a.m. aufstand, um auf Wache zu gehen, verspürte ich sogleich, dass wir schweren Seegang haben mussten. Ich ging auf Deck und hatte mich nicht getäuscht. Hohe Wellen schlugen über das Schiff, sodass ich sofort das Oberdeck verlassen und auf Wache gehen musste. Dort wurde uns wegen der außerordentlich starken Bewegungen allen gar bald übel zu Mute. Einer rief den hl. Ulrich an und wir anderen mussten darüber lachen, obwohl es uns auch nicht besonders gut ging.38 Da man nichts im Magen hatte und wegen der Hitze wurde mir auch immer schlechter, so kam um 5h der Moment. Ich stecke den Finger in den Mund und es geschah. Es war dies das erste Mal, seit ich bei der Marine bin, und hatte die Seekrankheit kennen gelernt. Aber nachdem ich mich entleert hatte, war es mir vollkommen wohl und ich musste schon wieder über einen anderen lachen. Man war auch seiner Glieder nicht sicher. Alles was nicht niet- und nagelfest war, geriet in lärmende Bewegung. Zwei Ölboxen mit je 10 kg Öl stürzten um und ergossen ihren Inhalt in die Maschine. Dazu kam öfter von oben herab eine Douche Wasser bis in die Maschine hinabgesaust. Die Situation war zum Lachen, dabei den Dienst versehen, während man kaum gehen kann und das Gefühl hat, einen Berg zu besteigen. Um 6h a.m. trank ich Kaffee und ich war nun wieder ganz munter. Endlich um 8h kam Ablösung. Um an die wohltuende frische Luft zu kommen, eilte ich auf Deck. Was ich hier sah, war noch lächerlicher als unten in der Maschine. Fast die gesamte Bemannung lag in den verschiedensten Stellungen auf Deck und ließ sich durch das daraufspritzende Wasser erfrischen. Das Bordübel hatte bei dem fürchterlichen Sturm alle befallen. Auch mir wurde wieder übel und durch das fortwährende achtgeben, dass man nicht umfällt, war ich auf den Beinen sehr matt. Am erstbesten Platz haute ich mich hin und machte nun liegend die Bewegungen des Schiffes mit, und schlief bis ½ 4h Nachmittag. Dann trank ich meinen Tee, aß etwas Käs und Brot und begab mich in Dienst. Aber hier musste ich bald wieder auf Deck, um Luft zu schnappen. In der Hitze und dumpfen 38 Der hl. Ulrich (890–973), Bischof von Augsburg, ist zum Schutz gegen Unwetter »zuständig«, er wird auch von Reisenden und Fischern angerufen ; dargestellt ist er immer mit Bischofsstab und einem Fisch in der Hand. Verbreitet ist seine Verehrung vor allem in Bayern und Österreich.
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Luft ist die Seekrankheit viel mehr fühlbar als auf der Luft. Aber immer da kann man während der Wache auch nicht sein, und unten ereilte mich wieder der hl. Ulrich. Das ging wieder so fort bis 8h Abend. Das endlich zur Ruhe gehen, tat sehr wohl und bei den schwankenden Bewegungen schlief man bald wie ein Kind in der Wiege. 17. Dezember, Mittwoch. Die hohe See hält noch weiter an. Die Magen stürzen unaufhaltsam über Bord und die Kamine sind bis hinauf weiß vom Salz. Das darauf spritzende Seewasser verdunstet sofort auf den heißen Kaminen und das Salz bleibt in Form von Salzkrusten zurück. Die Seekrankheit hat indessen schon nachgelassen, nur hie und da wird noch einer vom Bordübel befallen. Wir haben auch alle wieder Appetit. Wegen des ungemein schweren Seeganges können wir anstatt mit 10 Meilen nur mit 6 oder 8 Meilen fahren. Das Schiff stampft so stark, dass bei jedem Untertauchen des Buges der Propeller an die Oberfläche kommt, und dadurch die Maschine droht durchzugehen, was natürlich für Maschinen und auch dem allgemeinen Schiffsbau sehr schlecht ist, wenn die Maschinen von 60 Touren plötzlich 100 Touren [= Umdrehungen] machen und umgekehrt. Fährt das Schiff langsamer so sind die Tourenunterschiede nicht so groß und nicht in so rascher Aufeinanderfolge. Um 12h Mittag ändert sich fast plötzlich die Farbe des Wassers. Schmutzig braune Wogen umspülen unser Schiff. Wir sind im Delta des Jang-tse-kiang [Yangzi jiang].39 Dieser Fluss, der seinen Ursprung in Tibet hat, bringt ungeheure Massen Schlamm und Sand aus dem Inneren Chinas mit und wie gesagt weit vom Festlande entfernt sieht man schon das lehmige Wasser. Daher kommt auch der Name, den die hier liegenden Gewässer führen. Anstatt die chinesische Ost-See nennt man das Wasser wegen seiner gelben Farbe das Gelbe Meer. Auch im Golf von Petschili mündet ein Fluss, der Huang-ho, der auch den Golf gelb färbt. Nun fahren wir in dem schmutzigen Wasser weiter. Um ½ 1h nähert sich uns ein kleiner weißer Tender. Ein Boot wird von demselben ausgesetzt und zwei Herren in Civil kommen mit vieler Mühe an Bord und übernehmen die Führung des Schiffes. Die hohe See hat etwas nachgelassen und nun geht’s flott weiter. Zuerst mit 10 Meilen und von 2h an mit 12 Meilen ; von ½ 3h an fahren wir mit 14 Meilen, um noch rechtzeitig in den Fluss zu kommen. Die schmutzigen Wellen spritzen wegen der schnellen Fahrt auf Deck und hinterlassen braune Flecken. Langsam wird links und rechts vorne Land sichtbar. Langsam mehr und mehr, bis man nun schon seitwärts die Ufer in einiger Entfernung erkennen kann. Immer deutlicher werden die Ufer erkennbar. Man ist also im 39 Vom Ursprung bis zur Mündung heißt der längste Fluss Chinas Chang jiang (長江), nur der Unterlauf trägt die Bezeichnung Yangzi jiang (揚子江).
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Jang-tse-kiang, nachdem wir 3 ½ Stunden in dessen Delta gefahren waren. Nun werden die ersten Häuser sichtbar. Dann kommt eine scharfe Biegung von beinahe 60° und das Ufer geht ganz nahe zusammen. Hier liegt die Vorstadt von Schanghai, Wusung [Wusong]. Lauter chines[ische] Hütten. Die Stadt war schnell passiert, ebenso einige europäische Fabriksgebäude. Dann wieder eine lange Strecke kein Haus, sondern nur endlose Wiesenflächen mit Stroh- und Heuhaufen. Im Hintergrunde rechts bemerkt man starken Rauch. Dort liegt unser Ziel. Nach einigen Biegungen zwischen den Wiesen kommen wir wieder zu Häusern und zahlreichen Lade-Häusern. Schanghai, die Metropole OstAsiens war erreicht und damit auch einer unserer allgemeinen Reisewünsche. Um 5h wurde wegen Dunkelheit geankert. 18. Dezember, Donnerstag. Um 8h a.m. wurde der Anker wieder eingewunden und flussaufwärts gefahren, zwischen Tendern, Dampfern und Kriegsschiffen hindurch. Ein Fahrweg führt rechts für die aufwärts fahrenden Schiffe, in der Mitte des Flusses liegen Handelsdampfer und einige Kriegsschiffe an der Boje. Links ist der Weg für die abwärts fahrenden Schiffe. So wickelt sich der sehr rege Verkehr auf dieser Lebensader Chinas sehr gut ab. Trotz der großen Kälte, die bei schönem blauben Himmel herrscht, sind wir fast alle auf Deck, um uns diese interessante Einfahrt anzusehen. Am Lande fast durchwegs große Lager von Geschäftsbauten und Stapelplätzen für Frachten von Dampfern. Nun sehen wir auch schon zahlreiche größerere europäische Häuser, während wir langsam an zwei japanischen Kriegsschiffen, zwei deutschen Kanonenbooten Otter und Vaterland, zwei dänischen Kabeldampfern, zwei amerikanischen Kreuzern vorbeifahren. Nun kommt die Biegung von 45° und der »Bund«, der Anlegeplatz für Tender liegt vor uns. Wir fahren vorbei, ein englisches Kanonenboot liegt links und nun fahren wir bei dem deutschen Kreuzer Emden vorbei, einem stattlichen Schiffe. Noch weiter stromaufwärts liegt ein amerikanisches Kanonenboot. Die Wache tritt unters Gewehr und die Musik spielt unsere Volkshymne. Nach ungefähr 50 m aufwärts wird Anker geworfen gegenüber dem französischen Stadtviertel. Wegen des starken Stromes müssen 2 Anker geworfen werden, was eine lange Arbeit ergibt. Endlich um ½ 11h a.m. sind wir sicher verankert. Zahlreiche Boote mit chinesischen Kaufleuten, Wäscher etc. umlagern das Schiff. Um 12h dürfen sie an Bord und breiten ihre Waren aus, die auch sehr interessant sind, aber nicht so schön wie in Japan. Es wird auch nicht viel gekauft. Nachmittag kann man sich den sehr regen Verkehr auf dem Flusse anschauen. Dampfer kommen und gehen. Die Handelsflaggen der verschiedenen Staaten kann man hier im fernen Ost-Asien sehen, den Handel und das Gewerbe aller Staaten. – Sehr schön zu betrachten ist der Stromwechsel, der durch Ebbe und Flut hervorgerufen wird. Das Schiff dreht sich zweimal im Tag um seine eigene
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Abb. 12: Weihnacht 1913 der Maschinen-Unteroffiziere auf der Kaiserin Elisabeth, Shanghai.
Achse und ebenso alle anderen inmitten des Flusses stehenden Kriegsschiffe. Wenn alle der Breite nach im Fluss stehen, sieht man die ganzen Kriegsflaggen, was einen imponierenden Eindruck macht. An der Landseite links liegt das französische Viertel und daran die chinesische Stadt. Flussabwärts sieht man zahlreiche Konsulatsflaggen vieler Staaten. Es sind hier die Kanzleien der Konsulate, um gleich von den ankommenden Schiffen gesehen zu werden. 19. Dezember, Freitag. Es herrscht große Kälte. Das Wasser gefriert auf Deck. Nachmittag läuft das italienische Kriegsschiff Marco Polo ein.40 Es ist dies ein unserem Schiff ähnlicher Kasten, nur noch älter. Um 4h kommt der englische Kreuzer Yarmouth, unserem Admiral Spaun ähnlich.41 21. Dezember, Sonntag. 11h a.m. kommt unser Generalkonsul42 an Bord. 2h Nachmittag fahre ich an Land. Gleich von der Anlegehalle hinaus kommt 40 Panzerkreuzer, Stapellauf 1892, im Dienst seit 1894 (4.583 t, 305 Mann Besatzung) ; weitere Begegnungen mit dem italienischen Schiff u.a. am 7. Jänner und 16. Mai 1914. 41 Der leichte Kreuzer Yarmouth war so gut wie nagelneu, erst im April 1912 in Dienst gestellt und nach China kommandiert ; nach Kriegsausbruch an der Jagd auf den deutschen Kreuzer Emden beteiligt. Der schnelle Kreuzer Admiral Spaun war nur unwesentlich älter (Indienststellung Nov. 1910) und somit technisch auf dem neuesten Stand ; sein Einsatzort war bis zum Kriegsende das Mittelmeer. 42 Dr. Karl Bernauer, Generalkonsul in Shanghai von November 1908 bis zum Kriegsausbruch mit China im August 1917 ; von 1902 bis 1908 Konsul in Tientsin [Tianjin].
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man auf eine große breite Straße, mit doppelgeleisiger Tramway und breiten Wegen für Fußgänger mit schönen Bäumen. Dieser Teil heißt »The Bund«. Ich gehe zuerst der Elektrischen entlang und dann in die »Nanking Road«, eine schöne breite Straße, in der ein sehr reger Verkehr herrscht. Sowohl europäische als auch zahlreiche chinesische Geschäftsläden sind hier, daher auch das Publikum sehr gemischt. Alles in schnellem Schritt. Besonders schön sind einige chinesische Läden, die bis ans Dach ganz mit Metall, Messingblech etc. in schönsten Zierarten beschlagen sind. Der Drachen ist dabei vorherrschend. Nachdem ich diese Hauptstraße durchwandert hatte, bog ich in eine kleine Seitengasse ein. Aber hier war es nicht mehr schön und rein wie in der Nanking Road. Nur chinesische Häuser und Volk. Noch weiter hinein sind unzählige kleine Gässchen, wo es immer unfreundlicher wird. Schmutz und überall Schmutz. Vor den Häusern, in deren Inneren es gräßlich aussieht, lungern Weiber, Männer und Kinder, alles in Fetzen bekleidet, bejammernswert. Unwillkürlich kommt einem der Gedanke an Seuchen, die ja im Sommer hier auch wüten. Zahlreiche Kinder und Frauen mit den Säuglingen an der Brust laufen einem nach und betteln um Geld. Die Kinder werfen sich am Boden. Wenn man etwas gibt, wird man die Schar überhaupt nicht mehr los, sondern es werden immer mehr. Endlich kam ich, nachdem es mir schon ungemütlich geworden war, aus diesem Gassengewirr heraus und in die schöne »Broadway Road«, die von lauter Europäern besiedelt ist. Ich wandere so noch eine zeitlang herum und abends gehe ich in ein deutsches Restaurant »Zum Deutschen Haag«, wo ich mit Kollegen zusammentreffe und wo wir uns mit 3 deutschen Mädchen sehr gut unterhalten. Von hier aus in das »Konkordia«-Hotel,43 wo ein Riesen-Chinese und ein Zwerg Vorstellungen geben. 24. Dezember, Mittwoch. Nach einem aus der Schiffskasse zusammengestellten guten Mittagmahl gingen wir Maschinen-Unteroffiziere daran, für unser Weihnachtsfest zu rüsten. In 2 Stunden war das Waschlokal mit Flaggen prachtvoll ausgeschmückt und in einen Speisesaal mit zwei langen Tafeln verwandelt. Um 3h begann die allgemeine Schiffstombola, die einige Uhren, Ketten, Handschuhe etc. etc. enthielt. Die Musik spielte einige flotte Stücke. Die Nummern wurden ausgerufen und jedermann bekam etwas. Ich bekam 12 St. chinesische Grußkarten, andere wieder einen Gänsefuß, oder einen einzelnen Schuh, was natürlich Anlass zu allgemeiner Heiterkeit gab. Kommandant und Offiziere 43 Der an einer noblen Stelle am Bund im Jahre 1865 gegründete Concordia Club war ein beliebter Treffpunkt der ausländischen Kommunität, besonders der deutschen ; das auch am 17. Mai 1914 von den Leuten der Elisabeth besuchte Gebäude im Stil der Neo-Renaissance stammte aus dem Jahr 1904. Nach dem Ersten Weltkrieg beherbergte es die Bank of China.
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nahmen auch daran teil. Um ½ 6h wurde der Christbaum im vorderen Teil des Schiffes angezündet. Wir versammelten uns alle dort. Als der Kommandant kam, begann die Musik in sanften Tönen »Stille Nacht, Heilige Nacht« zu spielen. Diese Töne, die bei einer tiefen Ruhe der Anwesenden gespielt wurden, wirkten rührend. Der Kommandant [Makoviz] sprach dann einige Worte zu uns und mit einem 3fachen »Hipp, hipp, hurrah« auf den guten Kommandanten, der für unser aller Leben auf der Reise sorgt und verantwortlich ist, schloss diese erhabene Feier. Wir Unteroffiziere gingen nun an unsere eigene Feier. Der Herr Kommandant besuchte uns, und war sehr erstaunt über das so schön ausgestattete Waschlokal, das er nicht zu erkennen glaubte. Er sprach sich sehr lobend aus und wünschte eine gute Unterhaltung. Auch der Maschinenvorstand [Robert Hinner]44 kam und hielt eine Ansprache und schickte uns dann einige Flaschen Lissa-Wein. Um 7h begann unser Souper, das wir beim Speisemeister bestellt hatten und für das jeder 5 Kr. zahlte. Fisch, Braten und Zubehör, Mehlspeisen, Obst etc. etc. hielt uns lange bei Tisch. Ein Kollege hielt eine ergreifende Ansprache und schloss mit einem 3maligen »Hoch« auf die Heimat und unsere Angehörigen und alles was einem in der fernen Heimat lieb ist, in das von uns begeistert eingestimmt wurde. Wir waren 20 Mann, und gar bald ging es lustig zu. Der Wein trug zur Heiterkeit bei. Es kamen noch einige Offiziere uns besuchen, sowie auch andere Unteroffiziere, die auch eine Extrafeier veranstalteten. Um ½ 4h a.m. des 25. Dezember verließen die letzten diese erste Weihnachtsfeier in Ost-Asien. Noch eine soll folgen. 25. Dezember, Donnerstag. Vormittag findet eine hl. Messe statt. Nachmittag um 1h an Land gefahren. Ging mit einigen Kollegen auf den Sportplatz in Schanghai, um einem Fußballwettspiel zweier englischer Mannschaften zuzuschauen. Eine sehr große Reitbahn, ungefähr doppelt so groß als in Graz, bildet die äußere Umfassung der Sportplätze für Tennis und Fußball. Wegen der Kälte und dem einsetzenden Regen verließen wir vor Schluss des Spieles den Platz, betrachteten uns dann bis ½ 6h die Stadtteile, um dann im »Deutschen Haag« abend zu essen. Hier waren außer uns zahlreiche Engländer, Franzosen, Italiener, Amerikaner anwesend, um den Christabend lustig zu verbringen. Es wurde getanzt, gesungen, und Klavier gespielt. In allen Sprachen wurde sich gegenseitig fröhliche Weihnachten gewünscht. Mit den deutschen anwesenden Unteroffizieren unterhielten wir uns sehr gut und Trinksprüche wurden ausgebracht, und man konnte die Bündnistreue erkennen.
44 Der aus Wien stammende Robert Hinner (1882–1964) gehörte als Maschinenbetriebsleiter 2. Klasse zur Offiziersriege der Kaiserin Elisabeth.
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28. Dezember, Sonntag. Mache mittags Probefahrten in der Dampfbarke, wohin ich zur Ablösung eines anderen Maschinen-Unteroffíziers bestimmt wurde. Abend 5h an Land gegangen und zum Konzert in der Ton-Halle in der Nanking-Road. Es ist dies ein riesiger Konzertsaal, wohl doppelt so groß wie der Grazer Stephanien-Saal.45 Jeden Sonntag findet abends ein großes Konzert statt. 50 Violinen, Bassgeigen etc. etc, teils Europäer, teils indische Künstler sind hier im Monster-Konzert vereint. Der Saal ist bis auf den letzten Platz von ausschließlich Europäern Schanghai’s besetzt und man bekommt darin einen kleinen Überblick über die Anzahl der in Schanghai lebenden kunstliebenden Europäer. Nach dem sehr schön verlaufenen Konzert strömt alles den Ausgängen zu und da ist es interessant, das Sprachengewirr zu vernehmen. Vorherrschend Deutsch und Englisch, aber auch Französisch, Spanisch, Ungarisch und einige undefinierbare Sprachen kann man erlauschen. Automobile und Wagen entführen diese Menge Nationen, die gemeinsam die Kunst der Musik bewundern. Ich begab mich nach dem Konzert wieder an Bord, nachdem ich noch ein Abendmahl im Deutschen Haag eingenommen hatte. 29. Dezember, Montag. Fahre 9h a.m. auf den flussabwärtsliegenden österreichischen Handelsdampfer Erzherzog Franz Ferdinand.46 Um 10h läuft der deutsche Kreuzer Emden aus und Nachmittag kommt das deutsche Kanonenboot Iltis. Auch passiert ein chinesischer kleiner Kreuzer unser Schiff. 31. Dezember, Mittwoch. Den Nachmittag verbringe ich mit drei Kollegen an Land. Der Abend vereint uns Maschinen Unteroffiziere im Universal-Hotel zu einem vorzüglichen Nachtmahl, das uns der liebenswürdige Wirt in 6 Gängen servierte. Es wird gesungen und das alte Jahr in lustiger Weise am Lande gefeiert. 8–9h machen wir noch eine lustige Rundfahrt durch die Stadt in »Rickshaws«. Um 9h fuhren wir an Bord, wo noch weiter gefeiert wurde. Um 12h Mitternacht blies der Hornist und es wurde Musik gemacht und Umzug am ganzen Schiff gehalten. »Glückliches Neujahr« wurde gegenseitig gewunschen. Um 1h dauerte der Lärm und die frohe Stimmung bei uns Maschinisten noch an. Herr Linienschiffsleutnant Kuhn machte eine Runde und traf uns noch auf. Er legte uns an Herz schlafen zu gehen. Wir versprachen es ihm, vorher aber wurde auf diesen feschen Offizier das Lied ausgebracht »Hoch soll er leben«, worüber er natürlich sehr große Freude hatte. Nun wurde es langsam ruhiger. Aber in meiner Ecke rollte noch ein volles Fass Bier und musste geleert werden. Ich legte 45 Der Stefaniensaal ist noch heute der schönste und seiner Akkustik wegen gesuchteste Konzertsaal in Graz ; den Namen erhielt er von Prinzessin Stephanie, die gemeinsam mit ihrem Gatten Kronprinz Rudolf am 4. Nov. 1885 den Saal eröffnet hatte (Adresse : Sparkassenplatz 1). 46 Der Dampfer gehörte dem Österreichischen Lloyd ; s. Tagebucheintrag vom 7. Juni 1914.
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mich dreimal nieder, wurde aber immer wieder durch einen Humpen Bier oder einen Cognac geweckt. Von 4–7h ruhig geschlafen. 1914 1. Jänner, Donnerstag. Nachmittag hatte unsere Fußballmannschaft ein Wett-
spiel mit der Mannschaft des englischen Kreuzers Yarmouth 2 :5. Fuhren dann in der Elektrischen in die Stadt zurück und im Universal Hotel gegessen. Auf der Heimfahrt erfuhr man, dass sich der Diener unseres Herrn Kommandanten während dessen Aufenthalts am Sportplatz in seiner Kabine erschossen hat. Der Grund hiefür ist nirgends zu finden. 2. Jänner, Freitag. Vormittag um 10h findet Paradeaufstellung statt und der Leichnam des armen Matrosen, den jeder bedauerte, wird von Bord getragen und mittels Barke an Land gefahren. Unser Kommandant ist ganz weg von dem Verluste seines äußerst braven und treuen Dieners, dessen Tod man nur auf Sinnesverwirrung zurückführen kann. 3. Jänner, Samstag. Um 8h a.m. begibt sich beinahe die ganze Schiffsbesatzung an Land, um an dem Leichenbegängnis des Verstorbenen [ Josef Zemann] teilzunehmen. Auch Japaner, Engländer, Amerikaner, Italiener, Deutsche, nahmen am Geleite teil. In langem Zuge gingen wir durch die ganze Stadt zu dem sehr entfernt gelegenen Friedhofe. Während die Musik Trauermärsche spielte, wurde der Sarg aus der Kirche zum Grabe getragen, während Offiziere, Consuln und wir dem blumenbedeckten Sarge folgten. Am Grabe gab unsere ausgerückte Ehrenkompanie die Ehrensalve, und die Volkshymne wurde gespielt, während der Sarg in die Tiefe gelassen wurde. Der Kommandant stand noch lange am offenen Grabe und sagte : »Na, das neue Jahr hat gut angefangen.« Er hatte schlechte Vorahnungen. 5. Jänner, Montag. Nachmittag findet ein Ausflug nach Ick-hai-wei [sic]47 statt. Abends kommt die chinesische Polizei an Bord und teilt mit, dass der Matrose [Franz] Kutschera in einen Sack eingenäht am Fluss angetrieben aufgefunden wurde. Dieser Mann war seit 26. [= 28.] Dezember abgängig. Alle Nachforschungen waren damals vergeblich. Man nahm an, der Mann sei deser47 Es kann hier nur das unter dem Schutz der französischen Niederlassung stehende Jesuitenkloster gemeint sein (in der zeitgenössischen Literatur Sikawei oder Zikawei, hochchinesisch Xujiahui 徐家匯 genannt). Es lag etwa 8 km südwestlich des Stadtkerns von Shanghai, heute inmitten eines modernen Hochhausviertels. Der Maschinengast Josef Winkler berichtet ausführlich von einem Ausflug zu dem Kloster, allerdings am 9. Jänner (Tagebuch-Manuskript S. 13 ; Österr. Staatsarchiv, Marinearchiv).
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tiert. Jedenfalls war er einmal am 26. Dezember in das enge chinesische Viertel gekommen ; hatte sich dort verirrt, war von Chinesen hineingelegt, beraubt und dann ins Wasser geworfen worden, nachdem ihn die chinesischen Räuber in einen Sack gegeben hatten. So endete der dritte Mann seit unserer Ausreise aus Pola. 6. Jänner, Dienstag. Flagge zum Zeichen der Trauer auf halbtopp, ebenso alle anderen anwesenden Kriegsschiffe. Nachmittag findet ärztliche Kommission bei der Leiche des Ermordeten statt.48 7. Jänner, Mittwoch. 10h a.m. Leichenbegängnis des ertrunkenen Matrosen, woran wieder Abordnungen aller anwesenden Kriegsschiffe teilnehmen. 10. Jänner, Samstag. Nachmittag verlässt der italienische Kreuzer Marco Polo den Platz, um flussaufwärts sich zu verankern. 14. Jänner, Mittwoch. 10h a.m. ankert vor uns der amerikanische Kreuzer St. Helena.49 16. Jänner, Freitag. Um 11h a.m. kommt die amerikanische Jacht Rainbow mit dem kommandierenden Admiral von Ost-Asien an Bord an.50 Englischer Kreuzer Yarmouth verlässt den Hafen. Zwei Tage später kommt der englische Kreuzer Newcastle und ein Kanonenboot. […]51 21. Jänner, Donnerstag. 6h a.m. werden die Anker gehisst. Mit 3 Kesseln fahren wir der Stadt entlang flussabwärts. Der dritte Kessel ist nur vorsichtshalber 48 Der Version der Ermordung steht ein Bericht in einem anderen Tagebuch, verfasst von dem Maschinengast Josef Winkler aus Mürzzuschlag, deutlich entgegen : demnach war die von chinesischen Fischern aufgefundene Leiche des abgängigen Franz Kutschera durch seine Zivilkleidung und den darin vorhandenen Personalausweis der österreichischen Nationalität zuzuordnen. Die Kommission hätte daraufhin festgestellt, dass der Tod durch Ertrinken eingetreten war. Die Annahme lautete nun, dass den Deserteur kein Schiff aufnahm, der Mann aus Furcht vor Strafe ins Wasser sprang und der Leichnam durch die Strömung an Land getrieben wurde (Tagebuch Winkler im Österr. Staatsarchiv, KA, Nachlass-Sammlung). 49 Das Kanonenboot USS Helena (PG-9), benannt nach der Stadt Helena im Bundesstaat Montana, sah durch seine Größe (1410 t, 76,5 m Länge, Bemannungsstand : 187) wie ein leichter Kreuzer aus ; auch im Almanach für die k. und k. Kriegsmarine 1913 als Kanonenboot geführt. Hauptaufgabe des Schiffes war der Schutz amerikanischer Interessen am Yangtse (»Yangtze River Patrol«). 50 Rear Admiral Reginald Fairfax Nicholson (1852–1939) ; das Kommando (Commander-inChief ) über die Asiatische Flotte (U.S. Asiatic Fleet) führte er von Juli 1912 bis Mai 1914. Die Rainbow (4360 engl. t) wird im Almanach für die k. u. k. Kriegsmarine 1913 als Auxiliarschiff geführt. 51 Auf den Tagebuchseiten 49 bis 52 gibt es anstelle von kalendarischen Einträgen einen mit »Einige Worte über Schanghai« betitelten Einschub, in dem Kirchner allgemein auf die historische und stadtpolitische Entwicklung des Hafens eingeht, dass z.B. die Stadtmauer von Shanghai 1913 bereits vollständig abgebrochen war.
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geheizt, falls das Schiff in eine der starken Strömungen kommt und mit größerer Kraft gearbeitet werden kann. Die gefährlichen Stellen werden aber alle passiert und in Ruhe fahren wir den Fluss hinunter, zwischen grünen Wiesen, und wir sehen wieder all das, was bei unserer Einfahrt am 17. Dezember 1913 betrachtet wurde, damals bei Sonnenuntergang, heute bei aufgehender Sonne. Um 8h sind wir im großen Delta. Hier begegnen uns zwei japanische Kriegsschiffe. Auf dem einen ist ein japanischer Admiral [Vizeadmiral Nawa], und wir geben 21 Schuss Salut, der von den Japanern erwidert wird. Von 9h an kein Land mehr sichtbar. Bei schönem Wetter geht die 16 Meilen Fahrt von statten. 23. Jänner, Freitag. Um 7h a.m. kommt Land in Sicht. Um 8h a.m. kommt der Lotse in einem schmucken kleinen Tender gefahren. Wir treten eine längere Fahrt in einem engen Kanal an. An der Einfahrt ein japanisches Admiralschiff, wofür Salut gegeben wird. ¼ Stunde weiter steht ein chinesisches Schlachtschiff, auf dessen Großmast auch die Admiralsflagge weht. Auch dafür müssen 21 Schüsse abgegeben werden. Die Kanalfahrt war herrlich. Trotz der Jahreszeit alles in saftigem Grün. Zahlreiche starke Festungswerke krönen die umliegenden Berge und Hügeln. Um 11h Vormittag sinken die Anker vor Pagoda u. Mamoi in den Grund.52 Am Ende des durchfahrenen Kanals kam eine große Bucht, in der wir nun ankerten. Rechte Seite der Bucht liegen die beiden Orte. Links steigen Berge an, und am Fuße des einen liegt ein amerikanisches Petroleum Reservoir. Die Gegend ist im allgemeinen sehr schön. Zum Mittag kommen zahlreiche Chinesen mit chinesischen Hausbooten, die hier auffallend rein und durchwegs neu sind. Gelbes Holz, innen blau bemalen. In den anderen Städten und Orten Chinas sind diese Boote meistens ein Schmutzhaufen. Der Grund, warum die Boote hier so schön und die Bewohner so rein sind, liegt darin dass die zwei Orte hier eine fortlaufende Unterstützung bekommen, weil hier ein Flottenstützpunkt der Chinesen ist und fast immer hohe Marineoffiziere hier weilen. Auch jetzt liegen zwei chinesische neue Kreuzer und zwei ältere Schiffe hier. Für den Admiral wird Salut gegeben. Auch noch ein kleiner japanischer Kreuzer ist hier. – Die Haupterzeugnisse des Volkes hier sind Lacksachen, gepresste Seidenfäden und Papiermaché. 24. Jänner, Samstag. Vormittag mit Herrn Kommandanten in Dampfbarke in Mamoi gewesen, wo unser Konsul ist. Eigentlich der englische Konsul, der aber auch unsere geringen Handelsinteressen in diesen Orten vertritt und dafür 52 Pagoda war seinerzeit der europäische Name für den chinesischen Hafen Mamoi (馬尾 / 馬江, mandarin Mawei). Mawei ist heute ein Stadtbezirk der Großstadt Fuzhou (福州市), Hauptstadt der Provinz Fujian (福建省). Zwischen dem Ankerplatz (Pagoda Anchorage 塔錨地) und Mamoi/ Mawei liegt der Fluss Min (闽江/閩江).
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ein kleines Gehalt bekommt. In diesem Orte kann man die hier übliche Reinlichkeit sehr schön beobachten. Die Männer und Frauen, Mädchen und Knaben sind alle schön gekleidet und frisiert mit zahlreichen Blumen in den Haaren, die von Fett glänzen. Meine besondere Aufmerksamkeit erregte im Orte Pagoda, wohin ich auch fuhr, das auf einem Hügel über dem Ort ragende Bethaus. Es besteht aus 5 Stockwerken, an jedem Stockwerke zahlreiche Zacken u. Spitzen. Es nimmt sich das ganze aus wie ein turm-ähnlicher Bau, wie eine Pagode. Deshalb heißt auch der kleine Ort Pagoda.53 Der Ort besteht aus ungefähr 25 kleinen Häusern, von denen das Post- und Polizei-Gebäude am stattlichsten ist. Etwas abseits auf einem Hügel liegt hinter Palmen die Villa des Konsuls. 26. Jänner, Montag. In der Früh wird mir mitgeteilt, dass ich um 7 ½h a.m. mit der Dampfbarke nach Foo-chow [Fuzhou] fahren muss. Meine Freude darüber war groß, denn es interessierte mich schon lange, ins Innere des Landes zu kommen. Nachdem man uns mit Konserven, Brot und Wein versorgt hatte, wurde vom Schiffe abgestoßen zur einstündigen Fahrt. Bald kam die Ortschaft Mamoi, und wurde in rascher Fahrt passiert. Der Ort ist sehr ausgedehnt und liegt am Abhange eines niederen Berges verstreut. Die am Meere liegenden Häuser sind alle Pfahlbauten wegen der oft sehr hohen Flut. Auch ein kleines Arsenal für Ausbesserung der chinesischen Kriegsschiffe ist hier angelegt. Indessen geht die Fahrt weiter. Meine 35 PS Maschine geht sehr gut. Wegen der vielen Sandbänke, die im Fluss sind, wurde für die Zeit unseres hiesigen Aufenthaltes ein Pilot genommen, der die Fahrten nach Foo-chew zu leiten hat. Es ist dies ein sehr sympathischer junger Chinese in europäischer Kleidung und spricht sehr gut englisch. Er übernimmt jetzt das Steuer und bald sind wir im Fluss. Zu beiden Seiten Land. Der Fluss ist etwa 50 m breit. Im Zick-zack fahren wir flussaufwärts. Die vielen Sandbänke lassen eine gerade Fahrt nicht zu und plötzlich geht auch ein Ruck durch die Barke. Muss mit der Maschine ganz langsam arbeiten. Wir überrutschen eine solche Sandbank. Bald ist man darüber weg und in 8 Meilen Fahrt geht es zwischen Wiesen und Hügeln weiter. Die Fahrt verlief ohne Störung in dem schönen ruhigen Wasser, an vielen interessanten Steinbauten vorüber. Nach 1 ½ Stunden Fahrt werden die ersten Häuser europäischen Stiles sichtbar. Nach einer Biegung erscheint eine weit ausgedehnte Stadt, die auf den ersten Anblick wie 3 verschiedene Ortschaften aussieht. Aber in Wirklichkeit ist es eine Stadt Foo-chow, die nur durch Wassergräben und einen kleinen Hügel in drei Teile geteilt ist. Die 3 Millionen Einwohner lassen 53 Luoxing-Pagode 羅星塔 aus der Song-Zeit, siebenstöckig ; Kirchner hat noch eine andere Pagode in Erinnerung, die fünfstöckige Weiße Pagode (Bai Ta 白塔) auf dem Yu-Berg.
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auf die dichte Bevölkerung auf diesem Stück Erde schließen. Hier sieht man auch sehr viele europäische Häuser, meistens von Missionären, die im Inneren Chinas viele Monate im Jahre weilen und nur 2–3 Monate hier wohnen. Um 9h erreichen wir eine Landungsbrücke und waren am Ziel. Hunderte von Booten umgaben uns. Ich habe die Gelegenheit, die Chinesen genauer zu beobachten. Vor allem sind sie viel netter und reiner als anderswo, z.B. in Schanghai. Dort ist alles verkommen. Hier aber sind in den Booten, wo nur Weiber und Mädchen sind, alle außerordentlich rein gekleidet und die Boote, in denen sie wohnen, sind glänzend. Die Männer sind auf den Feldern der Umgebung tätig oder in einer Fabrik. Die Frauen kochen das Essen und zu Mittag kommen die Männer und die ganze Familie hält Mahlzeit, Reis, eine Suppe, gebackene große Heuschrecken und kleine Schnecken, sowie eine Art Salat. Alles aus kleinen Porzellanschalen mit den zwei Stäbchen. Nach dem Mahle nimmt der Mann seine Pfeife und die Frau nimmt das Jüngste an die Brust. Die jüngeren Kinder tun Geschirr im Flusswasser waschen, oder spielen. Auch sieht man in vielen Booten Kartenspielen mit ganz kleinen Karten mit chinesischen Figuren. Aus der Art des Spielens konnte ich aber keinen Sinn erkennen. Manche Familien kochen und wohnen in einem Boote. Manche aber haben ein älteres Boot als Küche und zum Essen, dann aber gehen sie wieder in das neuere Boot. Viele Frauen sieht man auch für die in jeder Familie zahlreichen Kinder Wäsche waschen, das Jüngste dabei am Rücken getragen, und das arme Wesen muss die Bewegungen der Mutter während des Waschens mitmachen, schlafen aber dabei meistens ein. – Ich gab einem Chinesen eine Flasche Wein, er machte einen Schluck und schon kamen ihm die Tränen in die Augen. Nach ½ Stunde, als ich nachschaute, lag der Mann in einem Boote, die Flasche halb geleert, und schlief. Alkohol kam ihm also nicht gut. Auch einem Mädchen gab ich zu trinken, der schmeckte der Wein sehr gut und sie vertrug ihn auch sehr gut. So verging der Tag unter allerlei interessanten Beobachtungen und um 4h verließen wir die Stadt. Um 5 ½h waren wir an Bord. 28. Jänner, Mittwoch. ½ 10h a.m. nach Foo-chow gefahren. Fuhren diesmal weiter flussaufwärts durch die Stadt zu einer alten Steinbrücke, die 500 Jahre vor Christi erbaut wurde. Die aus Steinklötzen gebaute Brücke ist ungefähr […] lang und wird von 12 Steinpfeilern, die teilweise schon eingestürzt sind, getragen. Von einem Pfeiler zum anderen liegen 8–10 m lange Steine von ½ m Breite.54 An vielen Stellen ist die Brücke durch Holz gestützt. – Ein reger Verkehr herrscht hier, aber Wagen dürfen keine verkehren.
54 Längenangabe unleserlich ; Anping-Brücke (安平橋), erbaut während der Regierungszeit der
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Komme in der Stadt mit zwei französischen Missionarinnen und einem Missionär zusammen, die schon 20–30 Jahre ihre Pflicht in China erfüllen. Die eine der Damen war auch in Wien gewesen und sprach ein wenig deutsch. 29. Jänner, Donnerstag. ½ 12h Mittag Ankerstation. Am Ort Mamoi [Mawei] vorbei. Der Lotse, der uns immer nach Foo-chow geführt hatte, bekam 25 Dollar und vom Kommandanten zahlreiche Kleidungsstücke. Der brave Chinese schoß zahlreiche Raketen u. Frösche ab, u. seine Frau und Kinder winkten uns noch lange nach. Japanischer Kreuzer wird passiert. Zwischen Bergen hindurch und zahlreichen Windungen geht’s den Fluss hinaus. Drei Ortschaften werden passiert. Zahlreiche Festungswerke fliegen vorbei. Um 3h sind wir im offenen Meer. 1. Februar, Samstag. Um 7h a.m. taucht die Küste auf. Vor uns liegt um ½ 8 a.m. die Einfahrt von Hongkong. Wo wir am 2. Oktober 1913 den Hafen verlassen hatten, diesen Weg kommen wir jetzt herein. Hügel mit Geschützen sind deutlich durch den Morgennebel erkennbar. Um ½ 9h a.m. rasselt der Anker zum zweiten Mal in dieser Stadt zu Boden. Es sind ein französisches Schlachtschiff Montcalm 55 und 2 Kanonenboote, 2 amerikanische Schiffe und einige englische Kreuzer da. Für den englischen Admiral werden 21 Schuß Salut abgegeben. Mittag kommen die Quadreier [Kaufleute]56 an Bord und zahlreiche Wäscherinnen. In allen anderen bis jetzt besuchten Städten, sowohl in China als in Japan, waren Männer zum Wäsche waschen gekommen. Hier in Hongkong aber kamen Chinesinnen und bewarben sich um dieses Geschäft. Es sind einige sehr hübsche Kerle darunter, die außer dem »Wäsche waschen« auch noch andere Geschäfte betreiben und auch Umsatz finden. 2. Februar, Sonntag. Nachdem am Samstag für den englischen Admiral [ Jerram], den französischen Admiral [Huguet],57 unseren Konsul [Milkowski]58 und den englischen Konsul59 Salut gegeben worden war, kamen diese Herren alle in großer Gala an Bord. Ebenso erwiderte unser Kommandant die BesuSüdlichen Song-Dynastie im 12. Jhdt. Über 2000 m lang, umspannte die Brücke Lauf und Bett des Shijing Flusses (石井江) und war somit die längste Brücke des antiken China. 55 Panzerkreuzer (lt. Almanach für die k. u. k. Kriegsmarine 1913 ; 588 Mann Besatzung). 56 S. Anm. 27. 57 Seine Flagge führte Konteradmiral Albert Huguet auf dem Panzerkreuzer Montcalm. 58 Stanislaus Ritter von Milkowski ; nach Kriegsausbruch musste das Konsulat, dessen vorgesetzte Dienststelle die k. u. k. Botschaft in London war, in der britischen Kronkolonie Hongkong am 13. Aug. 1914 geschlossen werden. 59 Gouverneur von Hongkong (Sir Francis Henry May), der den Höflichkeitsbesuch an Bord durch seinen Militäradjutanten abstatten ließ ; vielleicht auch meint der Tagebuchschreiber den kommandierenden General von Hongkong bzw. Südchina Francis Kelly, der das Schiff persönlich besuchte.
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che. Es sind da das französische Schlachtschiff, dann der englische Kreuzer Yarmouth, das Schlachtschiff Minotaur und der kleine Kreuzer Triumph,60 weiters das deutsche Kanonenboot Tsingtau, 2 englische Unterseeboote und 6 Torpedoboote. Nachmittag an Land gegangen, wo ich mich sehr gut unterhielt und abends in chinesischem Restaurant gut aß. 5. Februar, Mittwoch. Um 2h an Land gefahren. Rundgang durch die Stadt, durch den europäischen Teil. Schöne breite Straßen, große Gebäude, sowohl öffentliche als private, Tramway etc. etc. Man hatte nicht den Eindruck in einer Stadt in China zu sein. Um 3h begebe ich mich zur Zahnradbahn, die auf den Viktoria Berg (1830 Fuß) fährt und vom Meer aus sehr schön zu sehen ist. Ein großer Wagon, die Sitze darin, der Fahrt entsprechend im Winkel gebaut, nehmen die Passagiere auf. Nach 5 Minuten beginnt die Fahrt. Steil geht’s bergauf und sieht man nach rückwärts, so liegt das Meer mit all den Schiffen schon tief unter einem. Auch die Stadt sinkt tiefer und tiefer. Links teils hohe Wände von Fels, die die Aussicht versperren. Dafür ist rechts ein prachtvoller Ausblick. Zahlreiche Gärten der vielen Villen, die auf Terrassen erbaut sind, kleine Teiche inmitten von Palmenhainen, schöne Wege für Promenade ; all das geht vorbei und schaut man nun wieder zurück, so liegt das Meer und die Stadt tief unten. Nun ist Halt. Ein anderer Wagon kommt uns entgegen und weicht aus. Wir fahren wieder weiter. Das Panorama ist prachtvoll. Es kommt mir vor, ich sei in einem Luftschiff und schwebe über dem Erdboden, aber gar zu bald werde ich in die Wirklichkeit zurückgerufen. Denn es steht plötzlich der Wagon in einer Halle und die Fahrt ist beendet. Vor uns liegt das mächtige Maschinenhaus, von wo aus ein Beamter an einem Rade die verantwortungsvollen Fahrten leitet. Die Maschinen stehen momentan und ich verlasse mit meinen Kollegen das Gebäude. Außerhalb der Halle stehen zahlreiche »Rickshaws« und Sänften. Wir ziehen es vor zu Fuß zu gehen und gehen die breite Straße aufwärts. In sanften Steigungen führt die Straße an Palast ähnlichen Gebäuden, alle einzeln stehend, vorbei. Nun sind wir am Plateau des Berges angelangt. Hier sind wieder zwei Villen angelegt. Von hier aus gehen wir auf einem schmalen Wege weiter, bis vor uns ein steiler Hügel aufsteigt. Oben ist ein Kreuz u. da hinauf wollen wir, um einen noch schöneren Rundblick zu bekommen. In ¼ Stunde sind wir oben angelangt. Ein herrlicher Rundblick
60 Triumph wird als Schlachtschiff geführt (700 Mann Besatzung) und Minotaur als Panzerkreuzer (750 Mann Besatzung) (Almanach für die k. u. k. Kriegsmarine 1913). Vizeadmiral Jerram führte seine Flagge auf HMS Minotaur. HMS Triumph wird sich später an der Blockade von Tsingtau beteiligen (s. Anm. 236).
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bietet sich uns. Vor uns unten die Stadt und das Meer. Die Schiffe schauen aus wie kleine Boote und die Häuser wie Punkte. Da Hongkong bekanntlich auf einer Insel gebaut ist, so sieht man sich hier eben ganz von Wasser umgeben. Wir stehen am höchsten Punkt der Insel und betrachten also die Umgebung. An der anderen Seite des Kanals, in dem die Schiffe stehen, ist chinesisches Festland, das aber von England gepachtet ist. Dort stehen die Eisenbahnzüge, die ins Innere Chinas führen. Fast nur Steingebiete und wenig Vegetation. Umso mehr ist auf der Insel. Wo man hinblickt Palmen, Blumen und alle möglichen Arten von Pflanzen. Im Osten sieht man das offene Meer, nachdem sich die Insel noch mit einigen Hügelchen vom Hausberge hin fortzieht. Dazwischen einzelne fruchtbare Täler mit einigen kleinen Orten. Am spiegelglatten Meere sieht man hunderte von Dschunken, die ihrem Gewerbe, der Fischerei, nachgehen. Vom Süden kommt ein englischer Kreuzer, zwei Zerstörer und ein Unterseeboot und lassen einen langen Streifen weißen Wasser im dunklen Blau zurück. Wir warten, bis die Boote unter uns vorbei fahren, winken hinunter, und nachdem wir noch einen Blick auf das schöne Panorama aus der Vogelperspektive geworfen, denken wir an den Abstieg, der rasch vonstatten geht. Wir ziehen es vor, ganz hinunter zu Fuß zu gehen und die Bahn nicht zu benutzen, um noch etwas näher die herrlichen Anlagen am Bergeshange zu besichtigen. In Serpentinen geht’s vom Maschinenhaus abwärts immer zwischen prachtvollen Gärten und Palmenhainen hindurch. Zahlreiche Chinesen tragen große Körbe auf den Schultern den Berg hinauf in die Häuser der Europäer. Ganz wunde Schultern sieht man und der Tragstock, an deren Enden die Lasten hängen, ruht noch immer darauf. Trotz der starken Steigung, die hier ist, gehen die Kuli sehr schnell, um viel zu verdienen. Endlich nach ½ stündigem abwärts gehen kommen wir wieder in die Stadt, und der Lärm hier tut einem wirklich weh nach der Ruhe, die oben einen umgab. Trotzdem beschlossen wir, nicht an Bord zurückzukehren, sondern noch ein wenig herumzugehen und die Zeit zu nutzen. Da wir auch durch die Höhenluft Appetit bekommen hatten, gingen wir in ein englisches Restaurant, wo wir zu Abend aßen. 7. Februar, Freitag. Der französische Kreuzer Montcalm tritt seine Reise nach Amerika an und verlässt um 12h den Hafen. 8. Februar, Samstag. Englischer Kreuzer Yarmouth läuft aus und der Kreuzer Newcastle kommt aus Schanghai um 7h abends. 10. Februar, Montag. Waren für diesen Tag zur Abschiedsvorstellung S.M.S. Tsingtau eingeladen. Die Bemannung dieses deutschen Kanonenbootes sollte in drei Tagen abgelöst werden, um nach Deutschland zurückzukehren. Um ½ 10 Abend wurde vor einem sehr zahlreichen eleganten europäischen Publikum im Hongkong Theater der Vorhang hochgezogen. Zuerst hielt ein deut-
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scher Unteroffizier einen Prolog, der auf den Geist der deutschen Marine anspielte, und dessen Schlussvers lautete : Und was besonders schön ist und nett, das ist die Kapelle der Kaiserin Elisabeth
Unsere Bordmusik besorgte nämlich den musikalischen Teil des Programmes. Dann kamen die »Glühwürmchen«. Auf dunkler Bühne schwangen nach den Takten der Musik 6 Mann bengalisch beleuchtete Keulen, die mit dem Tempo der Musik immer schneller wurden, dabei aber untereinander die gleichen Figuren beschrieben, und endlich als die Musik einen flotten Marsch spielte, ganz wunderlich aussah. Nachdem diese Schaustellung nach gutem Applaus geendet hatte, kam eine Turnerriege mit Eisenstäben, Reckturnen und Pyramiden, die alle sehr flott und schön durchgeführt wurden. Dann kam die Tsingtau-Kapelle : 6 Mandolinen und 2 Zittern. Es wurden mit großem Geschick flotte Stücke zum Vortrag gebracht. Die Instrumente waren alle mit Blumen geschmückt und mit schwarz-weiß-roten Bändern geziert, sodass sich die Kapelle, die im Halbkreis dasaß, schön ausnahm. Nicht enden wollender Applaus belohnte die Braven, die dann noch einige Stücke spielten. Dann begann das Hauptstück : Der Westflusstraum ! Eine Abhandlung über den Aufenthalt des kleinen Schiffes in Canton, Hongkong und der Heimat. Sämtliche Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften spielten mit. Die Bühne war in ein Schiff verwandelt und darauf spielte sich die Szene ab. Der Kommandant61 der Tsingtau spielte eine Fee und nahm sich in dem langen Feengewande tadellos aus. Nachdem das Stück beendet, kam noch einmal die vorerwähnte Kapelle und spielte einige Heimatmärsche wie »Muß i’ denn zum Städtele hinaus« und unter den Klängen des Liedes »Jetzt geht’s zur Heimat« schloss sich der Vorhang. Um 1h nachts war diese Unterhaltung zu Ende und wir fuhren vergnügt zu unserer Elisabeth zurück. 11. Februar, Dienstag. Um 3h Nachmittag entschloss ich mich wegen des prachtvollen Frühjahrswetters an Land zu gehen und die Gärten am ViktoriaBerg wieder zu besuchen. Bei einem schön gelegenen Brunnen machen wir einige photographische Aufnahmen. Auf schönen Promenadewegen steigen wir mal höher und kommen zu Käfigen, in denen einige sehr schöne Vögel sind und einige andere kleine Tiere. Dann gingen wir an einem anderen Wege abwärts, 61 Oberleutnant zur See (seit März 1914 Kapitänleutnant) Erwin von Möller (1884–1915). Das Kanonenboot Tsingtau wurde bei Kriegsausbruch in China außer Dienst gestellt. Ein Teil der Besatzung unter ihrem Kommandanten versuchte, sich über Manila nach Europa durchzuschlagen, wurde aber im Mai 1915 bei der Querung Arabiens von einheimischen Plünderern überfallen und getötet.
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kommen schließlich zu den großen Wasserfiltern der Stadt. Es sind dies auf verschiedenen hoch liegenden Terrassen gebaute Zementreservoire. Im obersten läuft das Wasser vom Berge zusammen. Durch Sandlager gelangt das Wasser in tiefer gelegene und von hier noch tiefer, wo es kristallklar ist und in die Wasserleitungen kommt. Die ganze Anlage ist neu und im englischen einfachen Stile erbaut inmitten grüner Anlagen. – In der Stadt unternahm ich mit meinen Kollegen wieder einen Rundgang und kamen auch ins chinesische Geschäftsviertel, wo eine Unmenge Kaufläden sind. Jede Branche hat eine Gasse für sich. Besonders zahlreich sind die filigranen Arbeiten. Zum Unterschiede der europäischen Straßen und der dortigen Geschäfte sind hier die Gassen sehr schmal und die Geschäfte sehr klein. Nachdem wir zwei Stunden herumgewandert waren, kehrten wir mit der Tramway zum Europäischen Viertel zurück, um ein Abendmahl einzunehmen, was uns sehr gut mundete. 23. Februar, Montag. 6h a.m. Ankerstation. Bei ziemlich hoher See und heftigem Stampfen kommen wir nach 5stündiger Fahrt neben dem Lande ins offene Meer und verlieren die Küste aus den Augen. Obwohl wir mit 10 Meilen fahren, machen wir in Wirklichkeit wegen der schweren See nur 8 Meilen. Endlich am 24. Februar, Dienstag. kommt Mittag wieder Land in Sicht und um 5h Abend laufen wir zwischen Inseln an Amoy [Xiamen]62 vorbei in einen Kanal, der die Insel auf der Amoy liegt und vom Festlande trennt, ein und lassen die Anker zu Boden. Zwei chinesische Kreuzer liegen an der Einfahrt. Für den darauf eingeschifften Admiral 21 Schuß Salut.63 Außerdem sind der deutsche Kreuzer Leipzig und die Kanonenboote Jaguar und Tiger hier. 26. Februar, Donnerstag. 8h a.m. wurde ich mit der Barke ausgesetzt und nachdem die Probefahrt gut verlaufen ist, fuhr ich nach Amoy. Die Umgebung ist Gebirge und die Berge sind alle mit großen Steinblöcken übersät, die oft recht sonderbare Formen haben. 27. Februar, Freitag. 10h a.m. laufen die deutschen großen Kreuzer Scharnhorst und Gneisenau ein. Kurz darauf S.M.S. Leipzig und Iltis, sodass das ganze deutsche Geschwader für Ost-Asien versammelt ist. Auf S.M.S. Scharnhorst ist die Flagge des Admirals v. der Spee [sic] gehisst und wir geben den gebührenden Salut von 21 Schuss. 28. Februar, Samstag. ½ 9h a.m. läuft ein japanisches Kriegsschiff mit Admiral an Bord ein. Die Japaner haben anscheinend auf jedem Schiff im Auslande 62 Xiamen (廈門市), in der Aussprache der einheimischen Bevölkerung Amoy, bedeutender Handelshafen in der Provinz Fujian (福建省). 63 Gemäß dem Vorfallenheitsbericht von Kapitän Makoviz (Amoy, 28. Feb. 1914) waren auf beiden Kriegsschiffen Admiräle eingeschifft, auf dem Kreuzer Chao-Ho [Zhao He] 肇和 Konteradmiral Yeo, auf dem Kreuzer Hai-Chi [Haiqi] 海圻 Konteradmiral Lin Baoyi 林葆怿.
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einen Admiral. Nachmittag an Land gefahren und zwar auf die Insel Kulangsu [Gulangyu]64, auf der die Europäer wohnen. Die nördliche Hälfte der Insel ist unbewohnt, nur einige Erdhöhlen zeugen von armen Chinesenwohnungen. Nach Überschreitung eines Hügelzuges kommt man in ein Tal. Hier sind die ersten Chinesenansiedlungen und starker Ackerbau wird hier betrieben. Einige kleine Tempeln sind hier sehenswürdig. Nach Überschreiten eines weiteren Höhenzuges kommt man auf die südliche Hälfte der Insel und von hier aus sieht man auch schon den Kanal, der die Insel vom Festland trennt.65 Auch hier stehen einige englische Torpedoboote und der Jaguar und einige Handelsdampfer. Auf schönen Wegen geht’s abwärts und bald beginnen auch die schönen Villen der Konsulate. In einem großen chinesischen Hause findet ein Fest statt mit großer Musik. Die Villen liegen fast durchwegs inmitten schöner Baumanlagen und in einem Garten ist sogar ein Käfig, in dem einige Äffchen und zwei exotische Vögel sind. Nachdem wir uns dieses Fleckchen Erde beschaut hatten, machten wir uns daran, nach Amoy überzufahren. In zwei Booten, geführt von einem Chinesen, fuhren wir von der Insel auf die andere Seite des Festlandes. An einer Stiege wurden wir ans Land gesetzt und waren gleich in einem Gewirr von Gassen. Die Häuser sind hier an dem steil aufsteigenden Ufer erbaut und bald sind wir auf der Spitze angelangt. Hier sind überall Gräber und sogar bloße Knochen und Schädel liegen im Sande, über den wir gehen müssen. Bald ist der Hügel überschritten und am Fuße desselben breitet sich die Stadt Amoy [Xiamen] aus. Wir befinden uns im Urbild einer chinesischen Stadt, die noch nichts von europäischer Kultur empfunden hat wie die meisten anderen am Meer gelegenen Städte. Gleich von Anfang ist ein entsetzlicher Geruch bemerkbar, der immer ärger wird, je weiter man ins Innere der Stadt kommt. Unzählige Gassen sind hier, zwei Häuser eine Gasse, wieder 2 oder 3 Häuser und wieder eine Seitengasse, alles so eng dass höchstens 3–5 Personen nebeneinander bequem gehen können. Dabei ein Kot und Schmutz, der einem bis an die Fußknöcheln geht. Geschäftsläden links und rechts wo man hinschaut, meistenteils Hülsenfrüchte und Fischläden mit teils frischen, teils getrockneten Lebensmitteln. Diese verursachen den entsetzlichen Geruch, der in einer Gasse so stark ist, dass mir ordentlich schlecht wird und mich zwingt, trotzdem ich noch mehr gesehen hätte, umzukehren und diese elende Atmosphäre zu verlassen. Mir kommen dabei wieder Gedanken über die in China häufig auftretende Pest, Cholera und über64 Die etwa 2 km2 große Insel Gulangyu (鼓浪嶼), vom Festland mit der Fähre in 10 Minuten zu erreichen ; hier befand sich das Ausländerviertel des Vertragshafens von Amoy. 65 An der Stelle ist im Tagebuch eine winzige Zeichnung eingefügt mit der Position der Kriegsschiffe.
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haupt Epidemien. Das umherlungernde Volk und auch das arbeitende sind alle in Lumpen trotz des Winters gehüllt und man sieht oft wahrhaft jammervolle Gestalten, die einen Mitleid einflößen. Nur höchst selten sieht man einen anständig gekleideten Chinesen. An Weibern sieht man überhaupt nur Bettelvolk und diese mit ihren kleinen Füßen, die wie Stelzen aussehen, kommen einem zum Glück nicht nach, dafür lungern sie aber zu Hunderten vor jedem Hause unter einem Haufen wimmernden Kindern herum. Nach einem ½ 1 stündigen Aufenthalt in dieser Stadt, den ich nie vergessen werde, fuhren wir wieder auf die schöne Insel Kulangsu [Gulangyu] hinüber und nahmen im Viktoria-Hotel einen kräftigen Imbiß ein, der trotz des vorhergehenden Elends sehr gut schmeckte. Nachdem wir uns noch eine Reihe Ansichtskarten gekauft hatten, traten wir den Rückweg an. Als wir aber am Strande angekommen waren, war das Meer weit zurückgetreten, sodass die Boote wegen der vielen Steine, die den Grund bildeten, nicht heran konnten. Wir mussten also über die schlüpfrigen moos- und schlammbedeckten Steine ein Stück ins Meer gehen und dann mit einem gewagten Sprung ins Boot, und zwar ein kleines ; mit diesem fuhren wir erst zu den großen Booten und an Bord. 3. März, Dienstag. S.M.S. Scharnhorst und Gneisenau laufen zu einer Inspizierungsfahrt aus, kommen aber am Abend wieder. 5. März, Donnerstag. 6 ½h a.m. Ankerstation. Bei Dämmerung verlassen wir den Kanal, und schwere See macht sich bemerkbar. Ein Gewitter geht nieder. Mittag wird schönes Wetter. Wir fahren in nord-östlichem Kurs. 8. März, Sonntag. Schon am Morgen tritt wieder schwere See auf. Der Himmel ist mit schweren Wolken behangen und kündet nichts Gutes an. Indessen die Elisabeth arbeitet sich durch die schwerste See gut durch. Um 11 nachts wurde auf der Brücke bemerkt, dass man den Kurs verfehlt hatte. Es soll nämlich ein mitten im Meer aufragender 6 m hoher Fels passiert werden. Da er uns aber nicht im Kurs kam, konnte man erkennen, dass wir durch den starken Seegang abgetrieben worden waren. Wir machten deshalb eine Wendung von 90° nach Norden und fuhren 55 Meilen zurück. Um 5h a.m. des 9. März, Montag, hatte der Navigationsoffizier den richtigen Kurs gefunden und nun ging’s wieder flott weiter, da man bis um diese Zeit wegen der Gefahr des Auffahrens langsam fahren musste. Trotz der stürmischen See, die das Schiff fortwährend überschwemmte, fuhren wir mit 12 Meilen, alle in großer Freude, da wir bald in das liebe Japan kommen würden, um das Versäumte nachzuholen. Das Schiff wurde aber so herumgeschleudert und zwischen Wogen gedrückt, dass die Fahrt gefährlich wurde, und sich der Kommandant zum 10 Meilen-Tempo entschließen musste. Ein kleiner japanischer Fischerdampfer kreuzte unseren Bug in unmittelbarer Nähe von ungefähr 20 m, und trotzdem sah man ihn Momente nicht,
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wenn der kleine Dampfer in den Wogen verschwand, oder wir untertauchten. Es war schauerlich und doch schön anzusehen, dieses Ringen mit dem Elemente. Der Dampfer blieb bald hinter uns zurück, und immer mehr schien er in den Wogen zu verschwinden. Um ½ 5h abends kam Land in Sicht und wir fuhren nun mit 13 Meilen weiter, um noch in den Hafen eingelassen zu werden. Nach Sonnenuntergang ist das nicht mehr zulässig. Aber das Land kam uns immer näher oder wir dem Lande und um 6 ½h wurden wir ausnahmsweise noch eingelassen in den schönen Hafen unseres liebgewonnenen Nagasaki. Sobald die Anker Grund gefasst hatten, füllte sich schon das Deck wieder mit den kleinen Japanern und Geishas, die die Waren brachten, und auch Bekannte kamen uns begrüßen. 10. März, Dienstag. Achter vor uns liegt ein russischer Kreuzer mit fünf Kaminen, und überhaupt verrückt gebaut, der Askold.66 Das Schiff war aus Manila gekommen, und während der Fahrt war auf dem Schiff unter der Bemannung eine Meuterei ausgebrochen, wobei ein Offizier und neun Geschützverschlüsse über Bord geworfen worden waren. Die übrigen Verschlüsse mussten in Nagasaki abgegeben werden, und das Schiff nach 48 Stunden den Hafen verlassen. 11. März, Mittwoch. Vormittag kommt der Kommandant des russischen Kreuzers zu unserem Kommandanten. Er ist ein alter kleiner Mann, mit langem Vollbart und im Gesichte aschfahl, wohl wegen der ständigen Todesgefahr, in der er steht, an Bord seines eigenen Schiffes. Jedenfalls hat er sich bei uns bei einem Gläschen Cognac sehr wohlgefühlt. Um 12h verlässt der Askold den Hafen. – Ich gehe um 1h an Land. Lasse mir von einem bekannten Japaner, der ein wenig deutsch spricht, Korrespondenzkarten schreiben und verweile lange Zeit bei ihm. Suchte dann auch das Hotel auf, wo wir uns bei unserem letzten Aufenthalte so gut unterhalten hatten, bei »Mamasan«. Auch heute war es sehr lustig und die Freude des Wiedersehens war groß. Vor dem Abendmahl unternahm ich noch einen kleinen Streifzug in die mir bekannten Gegenden. 12. März, Donnerstag. Bei herrlichem Sommerwetter wurden um 4h nachmittags die Anker gelichtet. Von vielen Häusern wurde wieder gewunken und mit Flaggen gegrüßt. Aber nur zu schnell entführt uns das Schiff wieder aus dem Hafen und wir fahren nun nördlich neben der Küste fort. Hunderte von Fischerbooten mit deren fleißigen Insassen folgen ihrem Berufe nach. Die Japsen winken alle uns zu. 66 Der auf der Germaniawerft in Kiel gebaute geschützte Kreuzer Askold (Аскольд) war 1900 von Stapel gelaufen und 1902 in Dienst gestellt worden (5905 t, 576 Mann Besatzung) ; seit 1903 in Wladiwostok stationiert, befand sich der Kreuzer zwischen Nov. 1913 und März 1914 auf einer Ausbildungsfahrt mit den Stationen Hongkong, Saigon, Padang, Batavia, Surabaya und Manila. Kommandant war Dmitrij Alexandrovitch Svechnikov (Дмитрий Александрович Свешников).
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13. März, Freitag. Um 6h a.m. kommen wir wieder in unmittelbare Nähe des
Landes, das wir nachtsüber weiter rechts hatten liegen lassen. Um 7h a.m. fahren wir bei Shimonoseki vorbei in den Kanal ein, zwischen schönen grünen Inseln hindurch und haben somit die Inland-See-Reise begonnen. Das zwischen Honshu, Shikoku und Kyushu liegende Gewässer ist unter dem Namen Seto naikai (Inlandsee) bekannt. Ein Blick auf die Karte von Japan und das darin eingezeichnete Gewässer wird genügen, um den Namen Inlandsee zu verstehen. Um so mehr aber findet dieser Name seine Rechtfertigung, wenn man Gelegenheit hat, die Inlandsee zu befahren, da einem immer zu beiden Seiten Land begleitet und so man gewissermaßen das Innere Japans in der Richtung Süd-West nach Nord-Ost durchführt. Am Eingange zu dem engen Kanal stehen 14 englische oder japanische Handelsdampfer, die auf die Erlaubnis zur Einfahrt warten, da nachts im Kanal nicht gefahren werden darf. Wir konnten ohne Aufenthalt einfahren und zwar mit Hilfe unseres Piloten, der für 1 Monat aufgenommen worden war, und der das Schiff sicher führen soll. Er bezieht dafür 750 Yen (ungefähr 1850 Kronen österreichischer Währung). Er ist ein kleiner, wettergebräunter Japaner mit sehr intelligenten Gesichtszügen und in eleganter europäischer Kleidung. Die Fahrt setzt sich zwischen reizenden Hügeln und denen vorgelagerten Inselchen bis zu einer Weiterung eine Stunde lang fort. Links und rechts zahlreiche Ortschaften, und wo immer ein kleiner Teil Flachland vorhanden ist, wird dieser ausgenutzt, um zwei oder drei Hütten zu bauen. Eine schön angelegte Straße führt an der linken Seite des Festlandes die Hügel hinan und hinab. Rechts dehnt sich die Stadt Moji längs des Ufers aus und die Eisenbahn rollt hier durch die saftgrüne Gegend. Auf der rechten Seite der Weiterung, in der wir nun angelangt sind, liegt wieder eine größere Stadt, die sich auch auf die umliegenden Hügel ausdehnt und zahlreiche Fabriken hat. Durch die Stadt sieht man die Eisenbahn fahren und etwas höher auf halber Bergeshöhe verkehrt die elektrische Straßenbahn. Die Stadt macht wegen des starken Rauches aus den zahlreichen Schornsteinen einen ungünstigen Eindruck. Zahlreiche Dampfer sind hier vor Anker. Wir fahren langsam hindurch. Nachdem das Stadtgebiet verlassen und ein schmaler Kanal passiert war, erweiterte sich die Wasserfläche zu ziemlich großer Fläche, und auch wir fuhren in diesem Wasser mit 12 Meilen Fahrgeschwindigkeit. Links war noch längere Zeit Land sichtbar, und auch den regen Zugverkehr konnte man beobachten. Nach und nach entschwand, dem Auge auch der Landstrich, und nur ein Nebelstreifen verriet, dass dort Menschen in den Kohlebergwerken, den wenigen Japans, ihrem Erwerbe nachgehen. Als man kein Land mehr sah, wähnte man sich aufs große Meer versetzt, wo man auch tagelang nur Himmel und Wasser
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Abb. 13: Japanischer Knabe an Bord der Kaiserin Elisabeth (Ostasienreise 1908).
sieht. Wenn man aber hier das Wasser betrachtete, so sah man doch wieder, dass man nicht in einem Ozean fährt, sondern in Nähe des Landes. Das Wasser hat nicht jene blaue Frische, die das Wasser der Ozeane auszeichnet und das Auge erfreut, sondern ist etwas grünlich und außerdem treiben zahlreiche Hölzer, Gräser etc. herum, die immer auf die Nähe von Land schließen lassen. Erst um 4h Nachmittag wurde zuerst rechts, dann vor uns, und endlich auch links Land sichtbar. Es schien, als wären wir in einer Bai und nicht nur zwischen Inseln. Als wir näher dem Lande kamen, erkannte man am linken Landstriche, der Festland war, zahlreiche Häuser. Richtig steuerten wir auch bald darauf zu, und um 5h lag in prachtvoller grüner Umgebung der japanische Badeort Beppu vor uns und der Anker wurde in die Tiefe gelassen. Bald brach die Dunkelheit herein, die einen Ausblick weiterhin verhinderte. Dafür aber bot sich uns um 7h abends ein anderer schöner Anblick. Einige Häuser und ein hoher tempelartiger Bau waren festlich illuminiert und ragten aus der Dunkelheit empor und verbreiteten einen feenhaften Lichtschimmer auch auf die umliegenden zierlichen japanischen Häuser, der nur hie und da durch eine Baumgruppe gebrochen wurde. Um 10h nachts wurde die Beleuchtung, die teils aus Lampions, größtenteils aber aus elektrischen Birnen bestand, gelöscht. 14. März, Samstag. Beppu ist eines jener Schwefelbäder, an denen Japan reich ist durch seine vulkanische Erdgestaltung. Man sieht am Lande ungefähr 15– 20 Dampfsäulen aufsteigen, die von den Schwefelquellen herrühren. Es gibt
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zwei Arten von Schwefelquellen. Nämlich solche, wo wirklich schwefelhaltiges Wasser entspringt, und solche, wo aus einem kleinen Erdhaufen eine hohe Dampfsäule emporsteigt. Letztere sind hauptsächlich außerhalb der Stadt. Die flüssigen Schwefelquellen werden fast durchwegs gleich zu Bädern verwendet, indem die Häuser um so eine Quelle herumgebaut sind, das Wasser in ein Bassin gelassen wird und von dort gleich weiter abfließt. Vielfach kann man auch für ein einzelnes Haus ein Bad sehen, das nur für die Familie ist. Es gibt aber auch Badehäuser für den allgemeinen Gebrauch der Bevölkerung, die jedermann unentgeltlich zugänglich sind. Inmitten der Stadt erhebt sich ein großer etwa 50 m langer Bretterverschlag mit Schiebetüren. Innerhalb ist das große Badebassin in der Mitte durch eine Bretterwand getrennt, die aber nur im Wasser gebaut ist. Der herumführende Weg ist gemeinsam für Männer- und Frauenabteil. Der japanischen Badesitte gemäß baden Männer und Frauen, Jünglinge und Mädchen ohne das bei uns übliche Badekleid und eine Scham im Bade gibt’s nicht, sogar als wir Europäer eintraten, blieb alles, sowohl in der Männer- als auch Frauenabteilung ungeniert sitzen. Das Baden ist eben eine Naturnotwendigkeit und »die Natur der Natur«. Das Wasser hat eine Wärme von 40–45° C. Außer diesen Schwefel-Wasserbädern gibt es auch Schwefel-Moorbäder. Es gibt Flecken, an denen die Erde schwefelgetränkt und lehmartig ist. In diesen Boden graben sich die Leute natürlich in Evas Kostüm bis zum Kopfe ein, verweilen ¼ Stunde darin, gehen ganz mit Lehm bedeckt ins daneben befindliche Schwefelwasser oder, wenn am Strande, ins Meer sich waschen, nach einer Weile graben sie sich wieder ein, waschen sich wieder und so fort, solange es den Leuten behagt oder solange es ihre anderen täglichen Pflichten erlauben, aber keiner der Stadtbevölkerung der die Reinlichkeit liebenden Japaner versäumt es, am Tage wenigstens ein Bad zu nehmen. Alle Japaner lieben es, sich oft zu baden. Diesem allgemeinen Naturbedürfnisse des Volkes entsprechen auch die Naturbäder, deren das Land eine große Anzahl besitzt, und zwar handelt es sich hier durchwegs um heiße Quellen, von denen viele Heilkräfte besitzen. Es ist daher bei den meisten Krankheiten der Besuch eines Bades angezeigt, und auch mit bedeutend geringeren Kosten verbunden als bei uns. Aber auch Gesunde besuchen die Quellen gerne, schon wegen der schönen Gebirgsgegenden, in denen diese meist anzutreffen sind. Die Reise in die Quellbäder hat für den Japaner denselben Zweck der Erholung wie für den Europäer die Reise in ein Seebad. Umso glücklicher sind diese Leute zu nennen, die in den Orten der Quellen leben und ihr Dasein mit Hilfe der Natur verbessern können. Vor- und Nachmittag kommen sehr viele Japaner und Japanerinnen an Bord, um das erste fremde, im Hafen ankommende Kriegsschiff zu besichtigen. Um
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8h a.m. war schon der Bürgermeister mit seinem Stabe gekommen, um die Erlaubnis zu erbitten, dass die Stadtbevölkerung das Schiff besuchen darf, was vom Kommandanten auch bereitwilligst zugesagt wurde. Kurze Zeit darauf kam auch schon alles in den verschiedenartigsten Booten angefahren und bald konnte man sich kaum mehr bewegen, so voll war das Schiff. Man hatte so gut Gelegenheit, das Volk zu beobachten und wir kamen alle zu der Ansicht, dass alle Bewohner des Badeortes sehr gut aussehen und besonders 14- bis 16jährige Burschen auffallend stark entwickelt sind und voll im Gesicht sind sowie auch eine gesunde frische Farbe auf den Wangen haben. Der gewöhnliche Typus der japanischen Männer ist mager im Gesicht und hat eine gelbe Gesichtsfarbe ohne Spur von rot. Die japanischen Mädchen sind das gerade Gegenteil, dicke wie aufgeblasene Wangen und sehr stark rot im Gesichte. Hier in Beppu fallen die Mädchen durch ihre durchwegs wahrzunehmende Schönheit auf. Sie sind immer frohen Mutes und immer wieder hört man das silberhelle freie Lachen der »Musumes«. Auch die Männer, sowohl jung wie alt, haben beim Sprechen immer ein Lächeln um die Lippen. Man fasst dieses Lächeln zuerst vielleicht als höhnisch auf, aber bald wird man erkennen, dass der Japaner nicht aus Hohn lacht, sondern dass es ihm angeboren ist. Der Japaner hat auch allen Grund, frohen Mutes zu sein, da er durch seine einfache Lebensweise vieler Sorgen, wie sie der Europäer hat, enthoben ist, und wenn einmal etwas in den Weg kommt, was uns nicht angenehm wäre, so lächelt er auch, da alles dem Menschen bestimmt ist und dem Schicksal soll man nicht zürnen. 15. März, Sonntag. Um 8h a.m. begann schon wieder der Zuzug der Besucher, wovon manche schon gestern an Bord waren, und die Neuen führten. Auch zahlreiche Offiziere der Garnison kamen, von denen die meisten gut deutsch sprachen, und die hauptsächlich unsere schweren Schiffsgeschütze bewunderten. Nachmittag kamen sehr viele Schulkinder an Bord, die großes Interesse zeigten und vieles notierten, jedenfalls werden sie morgen einen Schulaufsatz zu schreiben haben über den Besuch auf dem österreichischen Kreuzer Kaiserin Elisabeth. 17. März, Dienstag. 4h a.m. verlassen wir Beppu, von dem alle den besten Eindruck gewonnen hatten. Zwischen unzählig vielen kleinen Inselchen, die alle in saftiges Frühlingsgrün gekleidet sind, geht unsere Fahrt auf spiegelglattem Wasser, in dem sich die langsam höher steigende Morgensonne widerspiegelt und nach allen Richtungen ihre leuchtenden Strahlen wirft. Der Bug des Schiffes zerschneidet aber unbarmherzig diesen Spiegel, wodurch man erst wieder daran erinnert wird, dass man sich auf oder in dem nassen Element befindet, das einem schon oft unangenehme, ja manchmal Stunden oder Minuten bereitete. Zu beiden Seiten des Schiffes kräuseln sich leichte Wellen und blickt man nach rückwärts, so sieht man keine Welle mehr, sondern nur einen schwachen weißen
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Streifen, der durch die Arbeit der Propeller erzeugt wird, und an dem man bei so ruhiger See noch nach 2–3 Stunden die Fahrstrecke eines Schiffes erkennen kann. Während all dieser Betrachtungen fahren wir noch immer, dank der guten Führung unseres Lotsen, zwischen den Inselchen in den verschiedensten Windungen hindurch bis um 9 ½h sich die Hügel zu zwei Ketten ordnen und links und rechts sich nach und nach mit dem Festlande verbinden und dem Wasser mehr Platz einräumen. Das Land bleibt aber noch weiter in Sicht und man kann auch zahlreiche Ansiedlungen unterscheiden. Gegen 10h a.m. wird vor uns starker Rauch sichtbar und bald darauf die Masten und Kamine und auch der Rumpf eines Kriegsschiffes, das sich mit großer Geschwindigkeit uns nähert. Mit mindestens 26 Meilen (50 km), also fast dreimal so schnell als wir, fuhr der große japanische Rapidkreuzer, denn ein solcher war es, an uns vorbei, wir gaben 21 Salutschüsse für den auf dem Kreuzer befindlichen [Konter-]Admiral ab, und nachdem der Kreuzer schon weit weg war, löste er erst 13 Schüsse für unsere Flagge. Jedenfalls hatten die Japaner unsere Flagge nicht erkannt, oder keine österreichische Flagge an Bord, denn es wurde scheinbar dann die spanische Kriegsflagge gehisst. Nach ½ stündiger Fahrt in diesem seeartigen Wasser näherten sich die beiden Küsten wieder einander und wieder fuhren wir durch enge Kanäle, so dass man fast auf die mit Knieholz bewachsenen Inseln springen konnte. Um 11h konnte man schon unser heutiges Reiseziel sehen und um ½ 12 Mittag langten wir vor Mitsugahama, einem kleinen offenen Hafen, der auch Bahnverbindung mit der in der Nähe befindlichen Stadt Matsuyama hat, an.67 Es kam auch hier gleich der Bürgermeister an Bord, um die Erlaubnis zum Besuche des Schiffes für seine Gemeinde zu erbitten. Er war aus Beppu schon davon telegraphisch verständigt worden, und Nachmittag kam auch eine japanische Zeitung an Bord, in der aus Beppu ein Brief abgeschrieben war, in dem das Schiff ausführlich beschrieben war und auch die liebenswürdige gastliche Aufnahme hervorgehoben wurde, mit der die Bevölkerung von Beppu am Schiffe aufgenommen wurde. Für unseren weiteren Aufenthalt war das natürlich von großem Nutzen und dass wir bei den Japanern von Mitsugahama und Matsuyama schon beliebt waren, obwohl sie uns noch nicht kannten, ging daraus hervor, dass um 2h Nachmittag der Bürgermeister eine Unmenge Postkarten sandte zum Andenken an die Städte. Die Karten wurden unter uns verteilt. Während ich mich mit einigen Kameraden um 1h Nachmittag anschickte, an Land zu fahren, kamen schon große Flotten angefahren, in denen sämtliche Schulkin67 Mitsu(ga)hama 三津浜町 (Präfektur Ehime auf Shikoku) war der Hafen von Matsuyama 松山 ; Bürgermeister der Stadt Matsuyama war Nagai Masamitsu 長井政光 (Amtszeit 1908–1922).
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der der zwei oben genannten Städte waren und deren Zahl wohl im Laufe des Nachmittags auf 1000 stieg. Es herrschte bald wieder ein Gedränge an Bord, so dass wir das Schiff verließen und unsererseits die Städte zu besuchen, deren Jugend unser Schiff besichtigte. Um ½ 2h kamen wir an Land. Die Landungsstelle ist von drei Seiten durch hohe Steinwälle, durch die eine schmale Einfahrt führt, vom Meere abgeschlossen, damit die Boote, falls Seegang ist, in einem ruhigen Hafenwasser liegen. Hunderte von Menschen standen hier wieder und betrachteten uns mit neugierigen Augen. Man hatte Mühe, sich durch die neugierige Menge hindurchzuarbeiten. Endlich kam man in eine breite Straße, in der nur kleine Geschäftsläden waren. Es war dies die einzige bessere Straße dieser kleinen Hafenstadt. Bald kamen kleine schmutzige Gäßchen, die zum Unterschiede von Beppu, das ein Muster der Reinlichkeit war, eher an ein chinesisches Fischerdorf erinnerte, als an einen japanischen Ort. Die Häuser waren aus Lehm und Stroh gebaut, und hatten nicht dieses niedliche anheimelnde Aussehen der japanischen Häuschen, wie wir sie sonst zu sehen gewöhnt waren. Wir trachteten daher, sobald als möglich diesen Ort zu verlassen, durchquerten ihn und bestiegen die an der Peripherie vorbeiführende Straßenbahn. Über ½ Stunde fuhren wir zwischen einer Menge Hügelchen und dazwischenliegenden Reisfeldern hindurch und das umliegende Grün erfreute einem, so dass ich bald den weniger schönen Eindruck von Mitsugahama verloren hatte. – Plötzlich hörten die Hügel auf und wir kamen in eine große Ebene, in deren Mitte man eine große Anzahl Häuser sah. Noch 10 Minuten Fahrt und wir waren in der Stadt Matsuyama, durch deren schöne breite und reine Straßen wir nun fuhren, bis zum Fuße eines in der Mitte der Stadt aufsteigenden Berges, der etwa die Höhe des Grazer Schlossberges hat. Wir traten sofort den Aufstieg an. In vielen Serpentinen führte der Weg aufwärts. Viele Japanerinnen waren bemüht, den Weg zu reinigen und das noch vom Herbste an den Abhängen liegende Laub zusammenzuraffen. Nach ¾ stündigem Bergsteigen unter eigentümlich geformten Baumarten erreichten wir ein großes Plateau, von dem man schon eine schöne Aussicht hatte. Hier waren auch zwei Buffets und einige kleinere Hütten mit den verschiedensten Gegenständen. Wir hielten uns hier nicht lange auf, sondern traten den Weg zu dem noch etwas höher liegenden »Matsuyama castle« an. Nachdem wir über unsere Schuhe von einer Japanerin Kautschuk-Schuhe bekommen hatten, da man mit den Straßenschuhen nicht ins Schloss eintreten darf, wurden wir eingelassen und befanden uns in einer großen, aus Holz erbauten Halle. Überhaupt ist das ganze riesige Schloss aus starken Holzpflöcken erbaut, nur das Fundament und ein Teil der Außenverbindung der Holzbalken besteht aus großen Steinen. In der untersten Halle ist ein großes Museum untergebracht, in dem sich Waffen, Geschütze, Rüstungen,
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durchschossene Uniformen hervorragender Offiziere, Schriftstücke, Geschoße etc. etc. aus dem chinesisch-japanischen Krieg 1894 und dem russisch-japanischen Krieg 1904–05 befinden. Man sah da auch sehr viele Waffen, hauptsächlich Gewehre und Bajonette aus der österreichischen Waffenfabrik Steyr sowohl auch Revolver und Säbel aus Europa, im Gegensatz zu den oft altertümlich gearteten Waffen der Chinesen. Die Zimmer im 1. Stockwerke waren vollkommen leer und harren der Kriegstrophäen kommender Jahre. Wir stiegen den riesigen Holzbau weiter hinauf und kamen in noch einen leeren Raum. Was uns besonders auffiel, waren die zahlreichen Schießscharten, die in die Holzbalken eingelassen waren und an denen man den einstigen Zweck des Schlosses erkannte. Als wir endlich den obersten schon kleinen Raum erreicht hatten, bot sich uns ein herrlicher Ausblick über die rings um den Berg erbaute Stadt. Die Straßen gehen nach allen Richtungen sternartig vom Berg aus, was eine sehr schöne regelmäßige Anlage der großen Stadt zur Folge hat. Zahlreiche elektrische Straßenbahnen durchziehen ringförmig die Stadt und auch zwei Eisenbahnlinien sieht man. Die Ebene vor der Stadt ist in viele Äcker geteilt, wo überall fleißig gearbeitet wird. Im Hintergrunde ist die Stadt an drei Seiten durch Gebirge eingeschlossen, nach Südwest aber kann man über niedere Hügel hinweg das Meer sehen und auch die zwei Masten unseres Schiffes. Einer der umliegenden Berge raucht am Abhange an 10–12 Stellen. Es ist ein Vulkan, der aber schon 170 Jahre nicht tätig war, und nur zeitweise aus seinen zerklüfteten Abhängen weiße Dämpfe speit. – Direkt am Bergesfuße liegen Nord und Süd große Exerzierplätze, Ost und West die großen zweistöckigen Kasernen einer japanischen Infanteriedivision. Überall wurde in kleineren oder größeren Abteilungen exerziert, und besonders auf den großen Wiesenflächen übten die Japaner kompanieweise mit Eifer und weithin hörbarem Lärm und den »Bansai« (Sieg)68 Schwarmlinien, Sturm, Bajonettangriffe etc. etc., was uns einen kleinen Einblick in die überall gelobte militärische Tüchtigkeit der Japaner gewährte. Um 5h verließen wir das Schloss und besuchten die Kaserne, die nach außen durch einen breiten Wassergraben sowie durch einen hohen Erdwall abgeschlossen ist und den Einblick verwehrte. Da aber japanische Offiziere unser Schiff besichtigten, durften wir auch in die Kaserne und ein Oberleutnant, der deutsch sprach, führte uns herum. Alles blendend weiß, keine Spur von Staub oder Unreinlichkeit. Nach ½ stündigem Aufenthalte verließen wir dieses
68 ein gängiger Hochruf, um Ansporn und Erfolg auszudrücken ; der Ruf banzai 万歳 – wörtlich »zehntausend Jahre« – galt ursprünglich dem Herrscher, der lange leben möge (vgl. auch den nochmaligen Hinweis auf den Ruf »banzai« im Eintrag vom 7. November in Tsingtau).
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Muster einer Kaserne.69 Nun gingen wir durch eine schöne breite Straße, die um den Berg außerhalb der Kasernen und dem dazugehörigen Wassergraben herumführte. Es ist ein eigener Weg für Radfahrer, für Wagen, für Tramway und für Passanten. Überall eine auffallende Reinlichkeit, und auch die Geschäfte mit den leuchtenden roten, gelben und grünen Früchten sehen sehr appetitlich aus. Leider fing es zu regnen an, so dass wir uns auf die Straßenbahn setzen mussten, um nach Mitsugahama zu kommen. Als wir das Meer erblickten, erfreute es jeden, so wie der Anblick des Meeres jeden Seemann, der es kennen, lieben und hassen gelernt hat, immer wieder erfreut. 18. März, Mittwoch. Vor- und Nachmittag kommen wie in Beppu wieder viele Bewohner hauptsächlich aus Matsuyama an Bord. Man zählt wieder ungefähr 1000 Personen, Schulen, Vereine, Jung und Alt interessieren sich für das Schiff.70 Man kann hier sehr gut die Bekleidung des japanischen Volkes beobachten. Der Kimono ist ein schlafrockartiges, vorne offenes Gewand, das mit einem Gürtel zusammengehalten wird. Als Unterkleider dienen den Männern jetzt häufig europäische Hemden, in den meisten Fällen aber, wie bereits erwähnt, werden keine Unterkleider getragen. Die rockartigen Ärmel sind bei den Frauen länger als bei den Männern, besonders lang sind die Ärmel bei festlich gekleideten jungen Japanerinnen. Diese Ärmel dienen auch häufig als Aufbewahrungsort für allerlei Sachen, wie Puderquasten, Schminkbüchsen, etc. etc. Die meisten jungen Mädchen sind nämlich sehr stark gepudert und häufig weißlich geschminkt. Das üppige Rot der Wangen, wie man es in Beppu sah, gilt als unschön. Bei kalter Witterung wird ein Kleiderüberwurf oder Mantel (haori) getragen, der fast vom gleichen Schnitte wie der Kimono ist, mit dem Unterschiede, dass er kürzer ist, und vorne mit zwei Schnüren (haori-himo) genannt, geschlossen wird. Bei feierlichen Anlässen tragen sowohl Männer wie Frauen schwarze Oberwürfe, die mit dem Familienwappen, das in die Seide eingewebt ist, und diesen überwürfen einen sehr hohen Wert verleiht, geschmückt [sind]. Frauen, besonders junge, tragen manchmal auch zart gemusterte Mäntel (montsuki) mit den eingeprägten Wappen an den Ärmeln, meistens aber am Rücken. Die Trauerkleidung ist immer weiß. Lehrerinnen und Schülerinnen tragen über dem Kimono weite ge69 Die Kaserne war der Sitz des in Matsuyama stationierten 22. Infanterieregiments (歩兵第22連 隊) 70 Im Vorfallenheitsbericht des Kommandanten Makoviz heißt es ebenso : »Während des 2 ½ tägigen Aufenthaltes wurde das Schiff von mehreren tausend Personen aus der Hafenstadt und aus dem nahen Matsuyama besichtigt« (ÖStA, KA, Marine, M.S./O.K. 1914, K 362/V 2/3, 31.3.1914). Auch in der japanischen Tageszeitung Kainan shinbun 海南新聞 ist zu lesen, dass das Schiff während seines Aufenthltes von etwa 2000 Personen besucht wurde (21. März 1914, S 3).
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Abb. 14: Kaiserin Elisabeth vor der Insel Miyajima in der japanischen Inlandsee, 20./22. März 1914.
faltete rote oder blaue Röcke aus Mull- oder Kaschmirstoff. Man erkennt so in jeder Stadt die Mädchen, die noch die Schule besuchen. – Ein weiterer Bestandteil der Kleidung sind die aus Stoff gemachten Strümpfe, bei denen die große Zehe extra, ähnlich wie bei einem Handschuh der Daumen, bekleidet wird. Die Strümpfe bei den Männern sind entweder schwarz oder weiß, bei Frauen immer weiß. Was die japanische Fußbekleidung anbelangt, so unterscheidet man komageta, Holzschuhe, die unter der Sohle zwei niedrige Holzpflöcke aufweisen, takageta, solche, bei denen die Holzpflöcke oft 1 dm hoch sind ; zori, Sandalen, und sekida, solche Sandalen, deren Sohlen nicht aus Strohgeflecht, sondern aus Leder bestehen.71 Durch eine hanao genannte Schnur wird der Fuß in der Sandale oder im Holzschuh gehalten. Die Holzschuhe sind bei der schlechten Beschaffenheit der Straßen und den kräftigen Regengüssen eine Notwendigkeit, allerdings machen sie den Gang der Frauen unbehilflich und watschelnd. Bei den Gürteln der Männer unterscheidet man weiße oder schwarze Baumwollgürtel. Die von den Frauen getragenen Gürtel sind sehr breit und lang und 71 Über das Schuhwerk hat sich der Autor nachträglich kundig gemacht : komageta 駒下駄 (die verbreitetste Fußbekleidung), takageta 高下駄 (für den Fall, dass die Straßen aufgeweicht sind), zōri 草履, sekida = setta 雪駄 (nur von Männern getragene Sandalen).
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werden über einem schmalen Gürtel getragen. Bei jungen Mädchen sind die Gürtel (obi) hinten in eine kunstvolle Schleife zusammengefaltet, die oft bis an den Nacken reichen. Nur mit Hilfe von zwei Spiegeln und mit vieler Mühe, nachdem die Schleife, wie ich beobachten konnte, zehnmal mißlang, bringen die Mädchen den Polster, der als Einlage dient, in die richtige Lage und die Schleife bekommt eine sehr schöne Form. Wenn auch das Auge des Laien nichts mehr auszusetzen hat, dem zähen Mädchen erscheint diese Zierde noch nicht richtig und immer wieder wird das fast vollendete Kunstwerk wieder zu Boden gelassen, bis es endlich gelingt und die stolze Trägerin zufrieden ist. Über die Mitte des Frauengürtels wird noch eine weiße oder rote, fein gewirkte Seidenschnur gelegt, die durch einen manchmal goldenen Druckknopf geschlossen wird. Die Luxus gürtel, die aus den schweren herrlich geblümten Seiden bestehen, haben oft einen sehr hohen Wert. – Männer tragen auch, hauptsächlich in Hafenstädten, ganz europäische Kleider und Schuhe, manche den Kimono und gewöhnliche Schuhe, andere wieder Kimono und nur eine Sportmütze. Eine Kopfbekleidung für Frauen gibt es überhaupt nicht und ist auch gar nicht denkbar, wie die schönen kunstvollen Frisuren, die die Japanerin so schön erscheinen lassen, durch europäische Zivilisation entstellt werden sollten. Außerdem kann man sich auch ein japanisches Mädchen nicht in eines der Modellkleider gezwängt denken, die unsere Mädchen tragen. Der ganze Körperbau ist anders. Als ich in Schanghai einmal einige Japanerinnen in schönen gelbseidenen Gesellschaftskleidern und in Mieder gezwungen einhergehen sah, war ich über diese Verunglimpfung der schönen japanischen Mode sehr entsetzt. In Japan selbst sieht man das auch nicht. In fremden Großstädten wird der Wechsel in der Kleidung durch die vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen hervorgerufen und bedingt. 20. März, Freitag. 6h a.m. verlassen wir wieder den Hafen und wieder geht es zwischen vielen Inselchen, die alle kegelförmig aus dem Wasser hervorragen. Um ½ 10 a.m. passierten wir zwei japanische Kriegsschiffe und um 10h kreuzte vor uns das größte und neueste Schlachtschiff Typ Kirishima,72 welches kriegsmäßige Schießübungen abhielt und auf dem sich der japanische Kronprinz [Tōgu]73 befand. 24 Salutschüsse wurden ihm zu Ehren abgegeben. Im spiegelglatten Wasser fuhren wir zwischen den sich immer enger aneinander anschließenden Inseln hindurch, bis wir die Insel Miyajima erreichten. Schöne Ahornwälder, zwischen denen einzelne Häuschen hervorleuchten. Wir umfahren die Insel im Halbkreise, nun hatten wir rechts Festland und links die Insel. In einer 72 Es war der Schlachtkreuzer Kongō 金剛, in Dienst gestellt im August 1913. 73 東宮, der spätere Kaiser Hirohito (Shōwa Tennō) (神戸新聞 Kōbe shinbun, 20. März 1914, Titelseite).
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kleinen Schlucht, die zwischen zwei steil aufsteigenden Bergen ins Innere der Insel führt, liegen die niedlichen Häuschen, alle aber zwischen zahlreichen Bäumen, die dem Orte den Charakter eines großen Gartens geben. Um ½ 11h wird der Anker vor diesem lieblichen Platze ins Wasser gelassen. Itsukushima oder die heilige Insel, eine der drei schönsten Stellen von ganz Japan, war erreicht. Am Festlande führt längs dem Ufer die Eisenbahn und auch die Station für die Insel liegt dort. Der Verkehr zwischen Insel und Festland wird durch einen regelmäßig fahrenden Tender besorgt. Ich war sehr erstaunt über die schönen Zugsgarnituren, die, wie ich mir gestehen musste, bedeutend schöner und sicherer gebaut waren als unsere Schnellzugsgarnituren. Die Insel selbst, die ein einziges Grün bildet, das dem Auge sehr wohl tut, ist bedeutend größer als alle bis jetzt passierten Inseln und hat auch auf zwei Bergesspitzen starke Festungswerke. 21. März, Samstag. Wir konnten Vor- und Nachmittag an Land gehen und schon um 7h waren viele von uns am Lande, um in der frischen reinen Morgenluft in den schönen Ahornwäldern herumzustreifen. Ich fuhr erst um ½ 1h Mittag an Land. Von der Landungsbrücke aus führt eine schöne breite Straße mit vielen Geschäften der hiesigen Industriezweige wie Sachen aus Zedern- und Ahornholz sowie auch Elfenbein-Gegenstände. Die Geschäfte sind alle ganz offen und haben keine Glasläden, sondern alles steht frei und man sieht das Innere eines jeden Ladens. Nachts werden Schiebetüren vorgegeben. Wir wendeten uns zuerst dem berühmten heiligen Tempel, dem Itsukushimajinja, der den Göttinnen Ichikishima-hime, Tagori-hime und Tagitsu-hime geweiht ist.74 Das Baujahr ist unbekannt, jedenfalls wurde der Tempel im 12. Jahrhundert von Taira-no-Kiyomori renoviert. 888 Fuß lange und 14 Fuß breite Galerien befinden sich zu beiden Seiten des Tempels und sind zum Teil ins Meer hinausgebaut. Bei Flut steht der ganze Tempel bis zu den Galerien im Wasser und die Fluten umspülen das Heiligtum. 528 Fuß vom Tempel entfernt steht im Wasser ein großes aus Stein erbautes Tor, das im Jahre 1875 erbaut wurde. Im Tempel finden jährlich zweimal große religiöse Festlichkeiten statt, zu denen Tausende Japaner aus dem ganzen Lande kommen. Zwei große Säle sind das glanzvollste am ganzen Bau. In diesen Sälen stehen allerhand prachtvolle Geräte, die, zu den heiligen Handlungen notwendig sind. Der Boden und die Wände sind mit roten Teppichen belegt und behangen. Von der Decke hängen schön verzierte goldene Gefäße herab, die zur Beleuchtung des Tempels dienen. 74 Diese drei weiblichen Gottheiten repräsentieren ihren himmlischen Vater Susano-o no Mikoto, Gott des Meeres und der Stürme. Der anschließend erwähnte Taira-no-Kiyomori (1118–1181) war ein Kriegerfürst, dessen Familie das Patronat über das Heiligtum ausübte.
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Mehrere große bronzene Figuren schmücken die Ausgänge. Auf zwei Sockeln vor dem südlichen Ausgange steht ein Reh und ein Hund aus Bronze, aus deren Mäulern Wasser rinnt, das zum Waschen der Galerien verwendet wird. An einem der nördlichen Ausgänge steht an einem Abhange ein übernaturgroßes springendes Pferd, ebenfalls aus Bronze hergestellt. Neben diesem künstlichen Pferde ist eine Hütte, in der ein lebendes Pferd steht. Es ist dies ein heiliges Pferd. Furchtbar mager von weiß-rötlicher Farbe steht das arme Tier Tag und Nacht in diesem kleinen Raum und wird nur einmal jährlich gebraucht, um bei einer religiösen Zeremonie mitzuwirken. Mit traurigem Blick sieht uns das Tier an und senkt den Kopf in den vor ihm stehenden Steintrog. Wir kaufen beim Wächter ein Futter aus Hirse und einige Zutaten und wollen es dem hungrigen Tier geben. Der Wächter aber nimmt das Futter in die Hand, tritt vor das Pferd, spricht es an, worauf sich das Pferd mit großer Mühe in dem kleinen Raume umdreht und wenn es wieder beim Steintrog ist, bekommt es erst das Futter. Wir setzen nun unseren Weg auf einer schönen Straße, links aufsteigend ein Berg, rechts das Meer, fort. Zahlreiche mächtige Steintore und viele kleine Steinpfeiler sind auf dieser Straße erbaut, die zu den zahmen Rehen und Kranichen führt. Die Rehe leben ganz frei auf einem Platze am Meere, durch den ein kleiner Bach murmelnd fließt. Die Tiere fressen einem das Futter, kleine Knödeln aus Mehl, aus der Hand und zeigen keinerlei Furcht. Auch einige Kraniche sieht man herumsteigen und auch Schildkröten sind hier, die wir aber nicht sehen. Kraniche und Schildkröten sind Sinnbilder des Glückes. Auch sollen sie ein langes Leben bedeuten. Man sagt, der Kranich lebt 1000 Jahre, die Schildkröte 10.000 Jahre. Diese Tiere erreichen auch unter dem Schutze der Priester oft ein sehr hohes Alter. Der Karpfen ist das Sinnbild der Energie. Man sagt, dass er gegen den Strom schwimme. Die Energie des Fisches soll den Kindern als Symbol der Energie dienen, und man sieht auch in vielen Wohnungen auf Papier nachgemalte Fischformen. – Als wir die Tiere alle betrachtet hatten, begaben wir uns in den Omoto-Park.75 Auf dem Wege dahin kamen wir an einem russischen Festungsgeschütz vorbei, dem das Rohr beinahe in der Mitte gerade abgeschossen wurde. Daneben ein von elf schweren Geschoßen durchschlagener Mast eines Kriegsschiffes. Nun kamen wir in den Park. Er ist angelegt, aber nicht künstlich, sondern von Natur, an einem Bergesabhange und dem Tale eines zwei Meter breiten Baches. 75 大元公園, eine sehr naturbelassene Stelle der Insel. Vom Meer aus geht es durch ein kleines Tal in Richtung Gipfel des Misen-Berges (535 m) steil bergauf. Das anschließend erwähnte MomijiTal mit seinem abwechslungsreichen Ahornbestand bildet einen anderen Bergzugang, der vom Itsukushima-Schrein wegführt.
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An den Abhängen ist alles schon in voller Frühlingspracht. Wir befinden uns in dem berühmten Ahorntal oder Momijidani, das im Frühjahr durch seine Blütenpracht der Kirschbäume und im Herbste durch die Farbe des Ahornlaubes entzückt. Es gibt hier in diesem Tale 18 verschiedene Ahornarten, während es in Europa überhaupt nur sechs gibt. Wir steigen langsam den mit Sand bestreuten schönen Weg hinan, bis wir auf eine kleine Fläche kommen. Hier stehen drei kleine zierliche Holzhäuschen, die aber unbewohnt sind. Ein Häuschen steht halb am Lande und auf vier Pfählen im Wasser. In diesem Häuschen sind wertvolle Seidenkleider, Stickereien etc. aufbewahrt, zu welchem Zwecke weiß ich nicht. Die zarten Zweige eines Kirschbaumes mit den weißen Blüten überdecken die Hütte, und ins Innere wachsen einige Blütenzweige eines niedrigen Bäumchens. Das Haus macht nicht den Eindruck, als ob es aus Holz wäre, sondern, als nun gar die Sonne durchschien und sich alles in dem spiegelklaren Wasser des hier ruhig stehenden Baches spiegelte, wie aus Glas, oder wie man sich die Wohnung einer Märchenprinzessin vorstellt. Lange blieben wir bei diesem reizenden Punkte stehen, ehe wir uns entschlossen, über eine schmale gebogene Brücke über den Bach wegzugehen und das Häuschen aus den Augen verloren. Etwas weiter oben war inmitten des Baches ein großer grün bemooster Stein, auf dem ein Anker cirka 1 ½ m groß in schräger Richtung lag. Wir steigen noch etwas höher hinan und kommen an eine Stelle, wo die aufsteigenden Berge sich auf etwa 100 Schritte von einander entfernen und durch die Ebene, einen Kessel bilden. 200 Schritte lang, dann kommen die zwei Berge wieder ganz zusammen, und lassen nur einen schmalen Durchgang. Im Walde, der die Wiesenfläche begrenzt, sahen wir eine Gruppe von 15 Personen hocken. Wir kamen näher, und die ganze, Gesellschaft fing an zu lächeln, wir natürlich auch. Da ein Kollege einen photographischen Apparat mit hatte, überlegten wir, ob es nicht schön wäre, eine Gruppenaufnahme der Japaner zu machen. Da es aber in Japan verboten ist zu photographieren und man es nur im Geheimen tun kann, so nahmen wir Abstand davon. Als wir uns einige Schritte entfernt hatten und ich mich noch einmal umblickte, sah ich, dass man uns winkte. Wir erwiderten den Gruß, worauf einer der Herren uns nachkam, auf den Apparat deutete und uns zu verstehen gab, wir sollten alle abnehmen. Unter vielem Gelächter der anwesenden sehr hübschen in Seide gekleideten Mädchen wurde die Gruppe in günstigem Lichte aufgestellt und abgeknipst. Eine andere Aufnahme, wo wir alle an einem Bergesabhang saßen, und den ich mit einem der niedlichen Mädchen Arm in Arm erkletterte, erregte noch größere Heiterkeit. Wir blieben noch eine Zeitlang im lustigen Kreise und erfuhren, dass die Gesellschaft aus Tokyo zum Sommeraufenthalte hierher gekommen war. Die Mädchen gaben uns ihre kleinen Visitkarten, und ebenso die Herren, die auf einer Seite ganz
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Abb. 15: Friedrich Kirchner in Ausgehuniform, 1914.
weißen, auf der Kehrseite roten Karten. Dann trennte man sich und noch lange wurde uns nachgewinkt. Wir wanderten nun zum Löffeltempel. Er befindet sich auf einem Hügel in der Nähe des schon früher beschriebenen heiligen Tempels. Um hin zu gelangen, muss man in den Ort hinunter. Dort hielten wir uns einige Zeit bei Geschäften auf und auf einmal erblickten wir auch wieder die japanische Kurgesellschaft. Wir ließen sie passieren, als man aber am Fuße des zu ersteigenden Hügels ankam, winkten uns wieder die Herren, die uns den Löffeltempel zeigen wollten. Wir schlossen uns an und da wir sahen, wie schwer die Mädchen mit ihren Pantoffeln den Berg und die vielen Stiegen hinaufstiegen, nahmen mein Freund und ich je eine der zuerst zwar etwas erstaunten Mädchen unter den Arm und führten sie sicher. Trotz der weißen Schminke und des bis an die Schultern reichenden Puders konnte man doch das Erröten der jungen 18–20jährigen »Musumes« (Mädchen) erkennen, die eine solche Art mit einem Manne zu gehen, scheinbar nicht kannten, und sich jedenfalls wohl und sicher fühlten. Endlich erhob sich vor uns das Gebäude des Senjokaku oder Halle der Tausend Matten, das im Jahre 1582 erbaut wurde, bei der siegreichen Rückkehr aus der koreanischen Expedition.76 Nachdem noch eine Aufnahme der Gruppe gemacht war, betrachteten wir den aus riesigen Holzpfosten erbauten Tempel. Zwei große 76 Gemeint ist der Eroberungsversuch durch Toyotomi Hideyoshi (1537–1598) ; die Kampagne
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Stufen führen zuerst auf einen Gang, der rund um die Halle führt. Dann tritt man in diese selbst. An den Pfosten, Türen, Wänden, der Decke, überhaupt an jedem Fleckchen stecken Holzlöffel, die man zu kaufen bekommt in allen Größen bis zu 2 m. Auf diese schreibt man seinen Namen, Wohnort und Datum, wann man diesen Ort besucht hat, und so findet man hier Tausende Löffel mit verschiedensten Sprachzeichen, vorherrschend natürlich japanisch. Auch Namen der früheren österreichischen Besucher findet man, z.B. einen großen Löffel mit dem Namen des jetzt pensionierten Marinekommandanten von Montecuccoli, der als Fregattenleutnant hier war.77 An den Wandteilen, die der Decke zunächst sind, hängen große Schlachtenbilder, einige Waffen und natürlich auch unzählig viele Löffel. Es sollen schon über 1 ½ Millionen dieser Urkunden hier hängen und stecken. Wir steckten auch unsere Löffel in einen der großen Pfeiler und so trägt jeder dazu bei, diese erst mit dem Weltuntergange aufhörende riesige Sammlung zu vergrößern. Wir verließen nun endgültig die Japaner und gingen in den Ort zurück, auf dem Wege dahin sahen wir sehr schön die auf einem anderen Hügel stehende fünfstöckige Pagode ; da sie aber gerade renoviert wird und ganz mit einem Holzgerüste umgeben ist, besuchten wir die Pagode nicht. Der Ort selbst ist sehr schön länglich angeordnet und sehr rein. Überall grüne kleine Anlagen und kleine Bäumchen. Abends fuhren wir an Bord und jeder nahm die schönsten Eindrücke der heiligen Insel mit. Eine eigentümliche Sitte ist hier auch eingeführt. Es darf nämlich niemand sterben und niemand – gebären. Ist jemand schwer krank, so wird er an das gegenüberliegende Land und von dort in eine nahegelegene Stadt überführt. Bei bevorstehender Ankunft des »Storches« muss die Betreffende auch weggeschafft werden. Stirbt jemand plötzlich, so muss die Leiche so schnell als möglich wegkommen. Als ich mit dem einen der oben erwähnten japanischen Fräulein ging, hatte ich sehr gut Gelegenheit, die Frisur zu beobachten, und konnte auch einige Namen in Erfahrung bringen. Es gibt verschiedene Arten japanischer Damenfrisuren. Die von verheirateten Frauen getragene Haartracht heißt marumage, die von unverheirateten getragene ichōgaeshi ; die Frisur der unverheirateten Mädchen shimada[mage]. Die Kinderhaartracht heißt momoware und ist ringförmig, ähnlich unseren Kindern.78 Die bei den Haarfrisuren zur Verwendung gelangenden Schmucknadeln heißen kanzashi. Das Aussehen der Frisuren ist schon schön. musste jedoch abgebrochen werden, da die japanische Marine eine schwere Niederlage erlitten hatte. 77 Namensverwechslung ? Admiral Rudolf Graf Montecuccoli (1843–1922) war im Zusammenhang mit der Boxer-Rebellion als Eskadre-Kommandant auf der Kaiserin Elisabeth zwischen Sept. 1900 und Mai 1901 dreimal in Japan gewesen. 78 Aus einem Reiseführer ? : marumage 丸髷 ; ichōgaeshi 銀杏返し (»à la Gingko«, zumeist von Gei-
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Itsukushima war bis jetzt das schönste, was ich auf der Reise gesehen, während der Suez-Kanal der interessanteste Teil war. 22. März, Samstag. 6h a.m. verließen [wir] das reizend gelegene Itsukushima, während die aufgehende Sonne in den schönsten Farben die grüne Insel beschien und es allen leid tat, als wir bald die Insel nicht mehr sahen. Aber schon erregte wieder anderes unsere Aufmerksamkeit. Auf der stillen Wasserfläche sahen wir gegen 8h a.m. drei weiße Punkte vor den Inseln liegen. Als wir näherkamen, erkannte man, dass es drei japanische Unterseeboote waren. Ein viertes tauchte gerade langsam auf, zuerst der Bug und langsam auch der übrige Rumpf des Bootes. Die japanische Flagge wehte uns kühn entgegen, und sowohl wir als auch die Besatzung der Unterseeboote nahmen »Habt Acht«-Stellung ein. Als wir vorbei waren, tauchten alle Boote und nur die faustgroßen Periskope sah man über Wasser. Um 9h a.m. war heilige Messe. Um 10h a.m. kamen uns sieben große japanische Schlachtschiffe und einige Torpedoboote entgegen, die eine kriegsmäßige Übung abhielten. Kaum 5 m von den Japanern entfernt, fuhren wir aneinander vorbei und die Salutschüsse von beiden Schiffen krachten.79 Zirka 10 km östlich kamen aus einer Inselgruppe acht japanische Kriegsschiffe, Kreuzer und Torpedoboote hervor, die parallel zu den an uns vorbeifahrenden fuhren. Kaum hatte das letzte der sieben Schiffe uns passiert, als schon wieder die gegenseitige Kanonade aus 30,5 und 24 cm Geschützen der japanischen Flotten begann. Während wir durchfuhren, war das Feuern der beiden Parteien natürlich eingestellt worden, und die weiter entfernte Gruppe hatte diese Gelegenheit benutzt, um eine Wendung zu ihren Gunsten durchzuführen. Das Getöse der Geschütze war so stark, dass man sich gegenseitig nicht verstand. Erst als man weiter weg war, hörte man noch dumpfe Töne und verspürte aber sehr stark den Luftdruck. Sehr schön war es anzusehen, wie diese Schiffskolosse zwischen den Inseln manövrierten, einander näherkamen und die weißen Rauchwolken aus den Rohren heraussprangen, um sich in der Luft mit dem braunen Rauch der Kohlen zu vermengen. Bald shas und Unterhaltungskünstlerinnen getragen), shimada-mage 島田髷 (eine Frisierart mit vielen Varianten, aber stets mit deutlich betontem Haarknoten) ; momoware 桃割れ war für Töchter in Kaufmannskreisen beliebt (gelegentlich heute noch bei jenen shichi-go-san-Festtagen zu sehen, an denen drei- oder siebenjährige Mädchen ihr rundes Geburtsjahr feiern). 79 Makoviz berichtet in gleicher Weise von zwei japanischen Schiffsdivisionen, die sich zu Übungen in Klarschiffszustand befanden und nennt in seinem Vorfallenheitsbericht (Bericht Nr. 44) die Namen von drei Kriegsschiffen – Satsuma, Settsu und Iwami – wovon das erste die Flagge des Vizeadmirals Katō Tomosaburō führte. Weiters : »Auf der Brücke des Flaggenschiffes bemerkte man zahlreiche Personen in Khakiuniform und Zivilkleidung, anscheinend Seine kaiserliche Hoheit und das Gefolge.« Mit kaiserlicher Hoheit war der 13-jährige Kronprinz Hirohito (Tōgu) gemeint (ÖStA, KA, Marine, M.S./O.K. 1914, K 362/V 2/3, Kobe 31.3.1914).
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waren die Schiffe ganz in Rauch gehüllt, und wir wurden so daran verhindert, dem interessanten »Krieg im Frieden« der japanischen Schlachtflotte weiter zu beobachten. Obwohl man das schon auf den eigenen Kriegsschiffen mehrmals mitgemacht hatte, so sah man das Schauspiel doch gerne wieder an, noch dazu von einer fremden Nation, die vor neun Jahren große Seeschlachten gewonnen hatte. Nun kamen zehn große Segelschiffe, in denen Munition, Proviant und Kohlen der Eskadre nachgeführt wurden. Die weitere Fahrt verlief sehr schön, immer noch zwischen Inseln hindurch, hie und da ein kleiner Ort oder auf einer Anhöhe ein Tempel oder eine Pagode. Die Sonne brannte heiß wie im Sommer, und man dachte an die Heimat, wo um diese Zeit noch nicht so schönes Wetter ist. Um 6h fuhr ein amerikanischer Luxusdampfer, ganz weiß, in 14 Meilen Fahrt an uns vorüber, und die zahlreichen Passagiere winkten mit Hüten, Taschentüchern etc. Um 7 Uhr abends wurden vor der Insel Shodo Shima80 die Anker auf Grund gelassen, da man nachts nicht durch die Inland-See fahren darf, um nicht unangenehme nähere Bekanntschaft mit den bei Tag so schönen Inseln zu machen. 23. März, [Montag]. Um 7h a.m. wird bei heftigem Regen der Anker gelichtet. So schön die Fahrt durch die See bei Sonnenschein ist, um so unangenehmer und unschön bei Regen ; von den Inselhügeln fließen lehmfarbige Bäche, die das sonst so schöne Blau des Wassers braun färben. Um 1h Nachmittag passieren wir die Stadt Izaii [Aioi ?].81 Um 2h tritt rechts das Land weit zurück und links liegt in einer Bucht, die im Jahre 1863 dem auswärtigen Handel geöffnete Hafenstadt Kobe. Dichter Nebel, der sich erst gegen 4h löst, macht, dass die Stadt einen ungünstigen Eindruck macht. Die Stadt ist im Hintergrunde durch einen Berg begrenzt, auf dem am Abhange ein Anker sichtbar ist. Es sind dort die Bäume so gepflanzt, dass die gesamte Fläche einem riesigen liegenden grünen Anker gleicht. Nach links und rechts dehnt sich Flachland aus, wo überall Fabrikanlagen sind. 24. März, Dienstag. 1h Mittag fuhr ich an Land. Die Einwohnerzahl beträgt 400.000. Genau gesagt, besteht Kobe aus zwei Stadtteilen, nämlich aus Hyogo, das vor Eröffnung des Hafens der Hauptpunkt für den Handel war, und aus dem gleichnamigen Stadtteil Kobe, damals ein kleiner Vorort. Beide Teile werden durch den Minato-Fluss getrennt. Der östliche Teil der Stadt zeichnet sich 80 Shōdoshima 小豆島, Präfektur Kagawa (Vorfallenheitsbericht Makoviz) ; der Tagebuchschreiber nennt die Insel irrtümlich Himeji, verwechselt sie aber mit der nahen Stadt Himeji, die durch einen Fährverkehr mit Shōdoshima verbunden ist. 81 Fraglich : Akashi 明石 war, die Fahrzeit gemessen, die einzige größere Stadt an der Küste kurz vor Kobe ; vielleicht aber ist Aioi 相生 gemeint, bis 1931 eine eigenständige große Gemeinde, danach zum Stadtteil des sich rasant entwickelnden Kobe geworden.
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Abb. 16: Die drei kaiserlichen Prinzen, Söhne von TaishōTennō: Kronprinz Tōgu (später Kaiser Hirohito), Chichibu no miya (rechts) und Takamatsu no miya (links). Die Prinzen waren auf dem vom Vizeadmiral Katō Tomosaburō geführten Schlachtschiff Satsuma 薩摩 eingeschifft.
durch große Sauberkeit aus, und bildet das Beispiel eines modernen japanischen Stadtbildes. Kobe hat Banken, Kirchen, Dampfschiffahrtsagenturen, Geschäfte, in denen Erzeugnisse der japanischen und europäischen Industrie käuflich sind. Sehenswürdigkeiten sind die Tempel Nankosha, Kogenji etc. und eine große Buddha-Statue, die 1891 auf dem Grundstücke des Tempels Nofukuji aufgestellt wurde. Der zuerst genannte Tempel ist einem berühmten japanischen Helden des 14. Jahrhunderts geweiht.82 In dem Hofe eines großen Bettempels ist ein großes russisches Festungsgeschütz aufgestellt. In dem Tempel sieht man die Leute, hauptsächlich alte Weiber, die Gebetszeremonien verrichten. Die vorerwähnte Buddha-Statue ist 48 Fuß hoch, 60 Fuß Umfang und 73 nach Christi erbaut.83 – Wir gingen in die Ausstellung. Zuerst kommt man in den Prater der Ausstellung, wo zahlreiche Zirkusse, Kinos und andere Unterhaltungslokale sind. Der Eingang zur Ausstellung wird durch ein großes aus Beton erbautes schönes Tor 82 Minatogawa-Schrein (湊川神社) bzw. Nankōsha (楠公社), ein 1871/72 errichtetes patriotisches Heiligtum zu Ehren des kaisertreuen Kriegers Kusunoki Masashige (1294–1336), der nach aussichtsloser Lage bei der Schlacht am Minato-Fluss Seppuku begangen hatte. 83 Die große Buddha-Skulptur (Hyōgo daibutsu 兵庫大仏), damals die drittgrößte Japans, existierte nur kurze Zeit : 1891 gegossen und 1945 zu militärischen Zwecken eingeschmolzen. Bei der Datierung ist dem Tagebuchschreiber ein Fehler unterlaufen. Der Nōfuku-Tempel (能福寺) soll der Legende nach 805 gegründet worden sein ; auch das wäre deutlich nach dem Jahr 73.
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gebildet, vor dem die Kassen, wo die Eintrittsgelder von schönen japanischen Mädchen eingehoben werden, errichtet sind. Die Ausstellungsgegenstände sind in großen Hallen sehr geschmackvoll aufgestellt und für die verschiedenen Erzeugnisse auch getrennte Räume sind. Die erste Abteilung zeigt die technischen Erzeugnisse, wie Schiffsmaschinen, Turbinen, Motoren, elektrische Anlagen, Dynamos etc. etc. und die dazugehörigen Materialien, Eisen, Kupfer, Messing, Dichtungen und Vieles mehr. Alles in Japan erzeugt. Ein anderer Saal ist der Schiffahrt gewidmet. Es sind verschiedene Schiffskabinen samt Einrichtungen aufgestellt, die die Bequemlichkeit der Passagierdampfer versinnbildlichen sollen. In einer Ecke ist aus Pappe eine riesige Kommandobrücke aufgestellt. In einem anderen großen Saal werden feinste Porzellanerzeugnisse gezeigt. In vielen Abteilungen sieht man hier die verschiedenen Gattungen. Das bessere Porzellan ist meist mit der Hand bemalt ; dieses ist natürlich sehr teuer. Ich sah zum Beispiel ein Service, von dem nur eine Schale 180 Yen (196 Kronen) kostete. Man hat verschiedene Arten von Porzellan, die je nach den Orten, wo sie hergestellt wurden, besondere Eigenschaften haben. Die bekanntesten drei Porzellanarten sind Kutani-yaki (Bemalung meistens rot auf weißer Grundlage. Fabrikationsorte sind Kanazawa, Daishoji84 und Kaga), Satsuma-yaki (Fabriksort Satsuma auf Kyushu ; die Bemalung ähnelt der des Kutani-yaki, nur weist Satsuma als besondere Eigentümlichkeit zahlreiche kleine Sprünge in der Glasur auf ) und Shippo-yaki (in Tokyo, Kyoto und Nagoya). Es ist eine Art Email, das mit Messingfäden durchsetzt ist. Außerdem gibt es noch 10 verschiedene Porzellanarten, die nach ihren Fabrikstädten benannt werden. Nun kommt man durch ein Tor in einen langen, schmalen Saal, in dem in Schaukästen die verschiedensten Sachen ausgestellt sind : Lackwaren, Muschelarbeiten, Bronzewaren, Baumbuswaren, Strohgeflechte, Konserven, Tee, Antiquitäten, überhaupt alles, was man nur in eine Ausstellung schicken kann. Ein eigenes Gebäude steht für Wasserleitungen und Installationsarbeiten zur Verfügung. Vor demselben ist ein Teich, in dem Goldfische leben und eine Mädchenfigur einen Fisch hält, der Wasser speit. Weiters sind zahlreiche Kunstbäckereien und Restaurants hier, in einem davon, das als bayerisches Restaurant eingerichtet ist, bedienen acht Mädchen, natürlich Japanerinnen, aber in bayerischem Dirndl-Gewand mit kurzem Rock. Den Schluss der in Quadratform angelegten Ausstellung bildet ein zwei Stock hohes, großes Gebäude, in dem unten die herrlichsten Stickereien bis zu 10.000 Kronen ausgestellt sind. Im ersten Stock europäische und japanische Frauenkleider 84 Daishōji 大聖寺 war nicht ein Fabrikationsort, sondern eine Burg der namensgleichen Fürstenfamilie Daishōji, die hier residierte und in deren Fürstentum ( Jahreseinkommen 70.000 koku) das Dorf Kutani lag.
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aus Seide, und im 2. Stock die dazu notwendigen Utensilien wie Nadeln, Seide, etc. etc. aufliegen. Die Ausstellung, die ganz wie bei uns angelegt ist, dauert bereits sieben Jahre und wird immer durch neue Waren ergänzt, da die ausgestellten Waren verkauft werden können und auch starken Absatz finden. Abends ist das Hauptportal in einen Lichtkranz elektrischer Birnen gekleidet und eine Festbeleuchtung darstellt. Auch auf anderen kleinen Gebäuden sind hunderte Birnen angebracht, die dem Unwissenden die Ausstellungsobjekte zeigen und den Weg weisen. 25. März, Mittwoch. 10h a.m. kommen drei japanische Kriegsschiffe, auf einem derselben befand sich der japanische Kronprinz [Hirohito], der mit großem Gepränge in Kobe am Lande empfangen wurde. Die tausenden anwesenden Menschen, die Spalier bildeten, verblieben, als der Kronprinz ans Land kam, in lautloser Stille und verbeugten sich alle mit entblößtem Haupte fast bis auf die Erde. In Rickshaws fuhren er und sein riesiges Gefolge durch die mit Flaggen geschmückten Straßen. Um 5h abend laufen die Schiffe [unter Admiral Katō Tomosaburō] wieder aus.85 29. März, Sonntag. Um 12h Mittag entschloss ich mich, wieder an Land zu fahren. Um 1h fuhr ich wieder in die Ausstellung, da es dort sehr interessant ist und man vieles sieht, so dass mir der Nachmittag des 24. März nicht genügte, alle Abteilungen einer genauen Einsicht zu unterziehen. Um 5h ließ ich mich in ein Theehaus fahren, wo ich mich sehr gut unterhielt. Abends promenierte ich am Corso, der sehr schön beleuchtet ist, und wo sowohl Europäer als auch Japaner verkehren. 4. April, Samstag. Nachmittag fuhr ich durch die ganze Stadt und kam um 3h zum Aufstieg zu dem berühmten Nunobiki-Wasserfall. Er liegt in einer der Schluchten der hinter Kobe liegenden Berge. Zuerst bezahlte ich den schweißtriefenden Japaner, der mich 3/4 Stunden im Laufschritt mit großer Sicherheit durch den starken Verkehr in Kobe hierher geführt und der jetzt mein Mitleid erregte. Ich gab ihm mehr als er verlangte, wofür der Arme, der vielleicht noch 85 Kapitän Makoviz datiert das Ereignis einen Tag später. »Am 26. p.m. ankerte vor Kobe die Schiffsdivision des Vizeadmirals Kato mit drei kaiserlichen Prinzen, darunter dem Kronprinzen an Bord. […] Die kaiserlichen Prinzen fuhren bald nach dem Ankern an Land und um 3h mit der Bahn nach Kyoto.« Makoviz hatte sich auf Einladung des Gouverneurs von Kobe, Hattori Ichizō 服部一三 (1851–1929) ebenfalls zur Ehrerweisung am Bahnhof von Kobe eingefunden und die Gelegenheit benutzt, sich nach Abfahrt des Hofzuges dem Vizeadmiral Katō vorzustellen (a.a.O., Anm. 83). Da die Vizeadmiralsflagge auf dem Schlachtschiff Satsuma「薩摩」 wehte und dieses zur 1. Schiffsdivison gehörte, war der Kommandant Katō Tomosaburō 加藤友 三郎 (1861–1923). Die drei kaiserlichen Prinzen waren alle Söhne von Taishō Tennō, nämlich Kronprinz Tōgu bzw. Hirohito (東宮 裕仁, geb. 1901), Chichibu no miya (秩父宮, geb. 1902) und Takamatsu no miya (高松宮, geb. 1905).
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nie soviel auf einmal in die Hände bekam, sich unzählige Male fast bis zur Erde niederbeugte und so seinen Dank bezeugte. Man tut gerne einem Menschen, noch dazu einer fremden Nation, eine Wohltat, wenn es einem selbst gut geht. Durch so etwas fördert man das Ansehen des eigenen Vaterlandes dem fremden Volke gegenüber, und das ist ja auch unsere Pflicht hier im Auslande, und wir haben schon öfter gesehen, dass die österreichische Flagge gerne und mit Achtung angesehen wird. Der Japaner zeigte mir noch den Weg bis zu den drei Stufen. Von dort begann ein Serpentinenweg, neben dem rechts ein tiefer Abgrund zuweilen war. Der Aufstieg war prachtvoll. Man hörte schon das Rauschen des Wassers und kam auch bald zu einem Bache, der talwärts floss. Hier waren einige Hütten, in denen Ansichtskarten des Wasserfalles zu haben waren. Nach abermaliger ½ stündiger Wanderung auf schmalem Serpentinenwege, der oft eine beträchtliche Steigung aufwies, kam ich zu einem Restaurant, vor dem das Wasser in die Tiefe stürzte. Man glaubt, das Wasser kommt von der anderen Seite des Berges, da man den vorhergehenden Lauf des Wassers nicht beobachten kann, und es plötzlich in mehreren Absätzen über die steilen Granitfelsen herabstürzt. Es ist dies an und für sich kein großartiges Schauspiel, da man ja Wasserfälle in unseren Bergen auch häufig findet, aber infolge der Umrahmung durch Pinien und üppiges Grün und Buschwerk ist hier ein besonders liebes Bild, das mich an den Wasserfall erinnert, den Walter Scott in dem Roman »Das Kloster« schildert und wo eine Fee erscheint. Eine Reihe von Teehäusern liegt hier. Eine gedeckte Brücke führt den Beschauer von einer Seite auf die andere des Baches und unten durch stürzt das wilde Wasser in weißem Schaum und ist das Wasser an der untersten Stufe, wo es nicht mehr tiefer stürzen kann, angekommen, so bildet es durch die Wucht des Aufschlages einen weißen feinen Schleier, und die Wasserteilchen werden weit herumgetragen, so dass die umliegenden Pflanzen immer betaut werden. Das schöne Naturschauspiel sowie die angenehme Kühle, die daselbst herrscht, lockt viele Ausflügler aus der Stadt an, welche sich nebenbei dem Vergnügen eines Bades hingeben. Ich widmete dem Anblick dieses Naturwerkes eine halbe Stunde, dann trat ich wieder den Abstieg an. An einigen Stellen hat man einen schönen Ausblick auf die tief unten liegende Stadt und das Meer mit den vielen Schiffen. Ich begegnete auch zahlreichen japanischen Besuchern und staunte, wie schwer ihnen das Bergsteigen mit den Holzpantoffeln kommt, besonders die weiblichen Wesen gingen sehr vorsichtig, um nicht über die Holzstöckchen nach vorne zu fallen. Außerdem können sie den einen Fuß nicht zu hoch setzen, da dann der Kimono zu weit auseinandergeht und man tieferen Einblick bekommen könnte. Der falsche Glaube, der sich auf Badesitten des japanischen Volkes und andere Kleinigkeiten stützt, dass den Japanern die Keuschheit unbe-
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kannt sei, wird widerlegt durch folgendes : erstens durch den stets bescheidenen kleinen Schritt und noch etwas. Begeht ein Mädchen aus irgend einem Grunde Selbstmord, so muss das Mädchen wissen, wie sie sich mit ihrem Gürtel die Füße zu binden hat, damit auch bei dem furchtbarsten Todeskämpfe ihr Körper und ihre Glieder in vollständiger Sittsamkeit gefunden werden. In der Stadt kam ich an vielen Porzellangeschäften vorbei und ging auch in eines, wo ich sehr liebenswürdig empfangen wurde und man, mir eine große Menge Waren zeigte. Hauptsächlich Alpaka-Arbeiten wie Zigarettendosen, Uhren, Medaillons, Kettchen, etc. etc. wurden mir angeboten. Ich kaufte einiges. Unter vielerlei Höflichkeitsformen seitens des Besitzers und seiner kleinen japanischen Frau ging ich fort, um etliche Kronen leichter. Mein Weg führte mich nun quer durch die Stadt und an vielen Villen der in Kobe wohnenden Europäer vorbei. Alles reizende Gebäude inmitten von Gärten. Auch komme ich an einem großen Buddha-Tempel vorbei, der aber gleich anderen in Japan gesehenen ähnelte. Besorgte dann in der inneren Stadt einige Einkäufe, wie Karten, ein Buch, Marken und ging dann auf die Post, meine Ansichtskarten vom Wasserfall und von Kobe stempeln zu lassen. Es waren wohl an die 100 Karten. Aber mit lächelnder Miene stempelte der Beamte alle ab und half mir sogar, die vielen Marken aufkleben. Um 7h setzte ich mich in eine Rickshaw, dessen Fahrer mir bereits zwei Stunden auf den Fersen folgte und ließ mich in ein Teehaus führen, wo ich im Beisein dreier junger Mädchen, ein tadelloses Abendmahl einnahm und bei einigen Gläsern Likör mich mit den hübschen Mädchen bis 9h unterhielt. Die in den Teehäusern beschäftigten Mädchen, die oft noch Kinder von 14 Jahren sind, sind entweder die Kinder der Besitzer der Lokale, meistens aber gekaufte Kinder. Arme Leute verkaufen ihre Töchter um durchschnittlich 300 Yen (700 Kronen) für das Jahr an die Besitzer der Teehäuser, und diese haben sie dann zu verpflegen und für sie zu sorgen. Natürlich locken die Mädchen nur durch ihre unschuldige Heiterkeit Besucher an, und der Wirt bringt seine jährlichen 300 Yen wieder herein. Als ich ihn fragte, um wieviel er eine derselben hergeben würde, sagte er mit fröhlichem Schmunzeln, indem er auf die Älteste, ein auffallend schönes 18jähriges Mädl, zeigte : »1000 Yen« (2460 Kronen). Ich war ganz erstaunt darüber und empfahl mich bald. Kam in bester Laune an Bord und erzählte noch lange meinen übrigen Kameraden meine Erlebnisse. Um 12h erst schlief ich ein. 5. April, Sonntag. Es herrscht heute sehr kaltes Wetter, so dass man sich wie im Winter fühlt. Trotzdem befindet sich am Lande in den Gärten und öffentlichen Anlagen schon alles in vollster Blüte, besonders schön sind die roten Apfelblüten und die weißlichen Kirschblüten, die man überall sieht. Die Kirschblüte oder die »Sakura« ist seit Jahrhunderten der Liebling des japanischen Volkes und das Wahrzeichen des japanischen Charakters. Der Japaner sagt :
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Die Feinheit und Anmut der Blüte und ihre Schönheit spricht zu unseren ästhetischen Gefühlen mehr als jede andere Blume es jemals könnte. Wir können die Bewunderung der Europäer für ihre Rosen nicht teilen ; ihnen fehlt die Einfachheit unserer Blume. Und dann die Dornen, die unter der Schönheit der Rosen verborgen sind, die Zähigkeit, mit der sie am Leben hängt, als ob sie unwillig oder angstvoll stürbe und lieber auf ihrem Stengel verdorren als vorschnell abzufallen, ihre glänzenden Farben und Düfte, dies alles sind Züge, die so gar nicht unserer Blume gleichen, die keinen Dolch und kein Gift unter ihrer Schönheit verbirgt, die willig beim Rufen der Natur schnell aus dem Leben scheidet, deren Farben niemals prächtig sind, und deren Duft niemals betäubt. Die Schönheit der Farben, die Gestalt ist beschränkt in ihrem Wesen, sie ist eine feste Eigenschaft, während der Duft flüchtig, ätherisch wie der Lebenshauch ist. Es liegt etwas Geistiges in ihrem Geruche. Wenn der herrliche Duft der Sakura die Morgenluft durchzieht, wenn die aufgehende Sonne zuerst die Inseln des Fernen Ostens erleuchtet, dann gibt es wenige Gefühle, die mehr reine Freude verursachen, als sozusagen den Odem des schönen Tages einzuatmen.
Die süß duftende Zeit der Kirschblüte lockt die ganze japanische Nation aus ihren kleinen Wohnungen heraus. Eine Zeitlang vergessen ihre Glieder Arbeit und Mühe und ihre Herzen Kummer und Sorge. Ist ihr kurzes Vergnügen vorbei, so kehren sie zu ihren täglichen Aufgaben mit neuer Kraft und neuem Ernst zurück. – So ist die Sakura in mehr als einer Beziehung die Blume der Nation. 7. April, Dienstag. Mittag kommt unser Konsul86 mit mehreren Damen an Bord. Japanisches Schlachtschiff läuft ein. Um 6h abends verlassen wir den Hafen. 8. April, Mittwoch. Herrlicher Frühlingstag. Bis 10h a.m. ist Land sichtbar. Dann verlieren wir dieses. 9. April, Donnerstag. Sobald Tageslicht war, sah man, dass wir ganz knapp beim Lande fuhren, und links bot sich uns ein Anblick, den ich nie vergessen werde. Der berühmte Fuji oder heilige Berg leuchtete uns mit seiner schneebedeckten, von der aufgehenden Sonne beschienenen Kuppe, prachtvoll entgegen. Schon in China bekam man überall Photographien und Ansichtskarten mit dem weißen Berge, und ich wünschte mir immer, dieses Wahrzeichen Japans zu sehen. Nun lag der Berg vor uns. Kaum war man 1 Meile weiter, so änderte sich auch das Bild. Wir fuhren nämlich im Halbkreise um den Berg und so bekam man die schneebedeckte Kuppe in den verschiedensten Stellungen zu sehen. Nachdem die Fahrt 1 ½ Stunden um den Berg herum gedauert hatte, 86 Egon Crevatin (*1875 in Triest), k. u. k. Honorarkonsul in Kobe 1911/1914 ; Leiter der deutschen Firma Reimers & Co ; das Büro befand sich im Gebäude der Firma am Bund (HHStA, Adm. Reg. 8 Konsularsitze 1880–1918/K 150).
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Abb. 17: Friedrich Kirchner, rücks. beschrieben »Zur Erinnerung an meine Reisen China – Japan 1913–1915, gewidmet von Deinem treuen Bruder Fritz. Japan, Yokohama, April 1914«; Foto: Ya m a m oto Renpei, Yokohama.
passierten wir einen japanischen Kreuzer, für dessen Flagge 13 Salutschüsse abgegeben wurden. Um 9h a.m. liefen wir in den Vorhafen von Yokohama ein. Nachdem uns die Hafenbehörden den Ankerplatz angewiesen, liefen um 9 ½ a.m. die Anker zu Grunde. Yokohama besteht aus dem Vorhafen, der vom offenen Meere ungeschützt ist, und dem durch einen großen Wellenbrecher geschützten eigentlichen Hafen, in den alle Handelsdampfer fahren und an Bojen anlegen. Die großen Passagierdampfer legen an den schönen Molen an, damit die Fremden jederzeit an Land gehen und zurückkehren können. Wir ankerten im Vorhafen, da eine Boje sehr teuer kommt und Kriegsschiffe wegen des Platzes immer auf der Reede ankern. Yokohama stellt sich dem von der See kommenden Beschauer recht günstig dar. Links fällt eine mit Villen und schönen Gärten bedeckte Hügelkette steil in das Meer ab. Es ist das der »Bluff«, woselbst ein Teil der europäischen Bewohner von Yokohama wohnt.87 Daran schließen sich auf dem niederen Terrain die Geschäfte der Europäer und die Hotels an, welche längs des Ufers eine schöne Front, den Stolz Yokohamas, den »Bund« bilden. Rechts davon bis zu den Hügeln von Kanagawa zieht sich die Eingeborenenstadt hin, ein Meer von Holzhäusern. In japanischen Städten gibt es keine Mietskasernen wie in Europa. Jede 87 Bluff – engl. Übersetzung von Yamate 山手 = Bergseite.
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Familie bewohnt ein Haus, das meist nur ein Stockwerk aufweist und dem stets ein Gärtchen angegliedert ist. Die japanischen Gärten überraschen den Ausländer durch die Besonderheit ihrer Anlage. Was die japanischen von den europäischen Gärten unterscheidet, ist der Umstand, dass bei jenen mehr der Charakter einer Landschaft als der eines Gartens vorneigt. Der japanische Gärtner gefällt sich darin, merkwürdig geformte Zwergbäume und Steine, sowie kleine Felsen zu Miniaturlandschaften, die oft berühmten Gegenden nachgebildet sind, zu vereinigen. Seinen größten Reiz erhält ein solches Landschaftsgärtchen durch die kleinen Weiher, die darin angelegt sind und über die schön gebogene kleine Brücken führen. Es gibt im Lande einige öffentliche Gärten. Die Naturliebe des Japaners macht es erklärlich, dass fast immer das kleine Grundstück, das zu einem Hause gehört, benutzt wird, einen Garten anzulegen, um stets das freundliche Gepräge der Natur um sich zu haben. Der Japaner braucht dann nicht erst lange zu gehen, um in einen Garten zu gelangen. Im Frühjahr hauptsächlich werden auch die Öffentlichen Gärten stark besucht. Im Jahre 1858 wurde Yokohama dem ausländischen Handel geöffnet. Es war damals noch ein unbedeutendes Fischerdorf. Jetzt ist es der Hauptvertragshafen des Landes und hat 400.000 Einwohner. 10. April, Freitag. Vormittag kommt unser Konsul [Szentirmay]88 an Bord. Zu Mittag setzt ein heftiger Sturm ein, und die Maschinen müssen dampfklar gemacht werden. Das Schiff wird herumgeworfen und droht abzutreiben. Ein links von uns verankerter amerikanischer Handelsdampfer beginnt stark zu treiben, da sein Anker den Grund verloren hatte. – Nachmittag kam unser Botschafter am japanischen Hofe [Müller von Szentgyörgy]89 mit dessen Gattin und Töchtern, sowie unserem Militärattaché [Putz], einem jungen schlanken Generalstabsoffizier,90 zur Jause an Bord. 21. April, [Dienstag]. 7h a.m. fliegt ein japanischer Hydroplan über unser Schiff und wir winkten mit Taschentüchern hinauf. 26. April, Sonntag. 2h fuhr ich an Land. Ließ mich zuerst zu einem großen photographischen Atelier führen, um mich in japanischem Nationalkostüm abnehmen zu lassen. Ich machte meinen Wunsch dem Japaner klar und er brachte
88 Béla Szentirmay von Darvastó, k. u. k. Generalkonsul in Yokohama seit 1912. 89 Ladislaus Freiherr Müller von Szentgyörgy (1855–1941), Botschafter seit März 1912 ; Kapitän Makoviz und die Offiziere des Stabes wurden umgekehrt auch in die k. u. k. Botschaft eingeladen. 90 Oberstleutnant d. G. Franz Putz (Agram/Zagreb 1873–1922 Waidhofen a. d. Ybbs), Militärattaché in Tokyo und Peking 1910/1914 (1.2.1910 Major, 1.11.1913 Oberstleutnant, 1.9.1915 Oberst) (ÖStA, KA, Q.L. Karton 2645).
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auch bald den Kimono, Schirm, Pantoffeln und führte mich in das Atelier, wo er mich in günstige Stellung brachte und bald darauf abknipste.91 Ich ging dann durch die schönen Straßen der großen Stadt, und auf einmal sprach mich ein Zivilist an, der aber nicht Deutsch sprach und mit dem ich in Italienisch und Französisch radebrechte. Allerdings verwechselten wir beide häufig die Sprachen untereinander, und es kam manchmal ein komisches Kauderwelsch heraus, aber wir verstanden uns ganz gut. Er lud mich ein, in sein Haus zu kommen, wozu ich nach einigem Zögern zustimmte. Nach 20 Minuten kamen wir vor ein kleines Holzhäuschen mit einem reizenden kleinen Garten, wo uns alsbald eine sehr nette Japanerin entgegentrat, die mir der Herr als seine Frau vorstellte, mit der er 6 Jahre verheiratet ist. Sie brachte mir Bier und Butterbrot und bald war die Unterhaltung in vollem Gange. Um 5h empfahl ich mich und der Schiffsbesitzer bedauerte sehr, dass ich sobald fortging, ebenso auch seine junge, etwa 24jährige Frau. Ich fuhr nun per Tramway ins Europäer-Viertel. Dort, wo der »Bluff« aufsteigt, führt durch den Berg ein Tunnel, und ich stieg auf der anderen Seite aus und ging den Berg hinauf. Eine schöne breite Straße führt hinauf, links und rechts inmitten herrlicher Gartenanlagen die schönen Villen der Europäer. Automobile rasen bergauf und -ab, wodurch allerdings die reine Luft hier oben verunreinigt wird. Ein chinesischer Tempel aus roten Steinen mit 20 kleinen Löwen aus Stein steht inmitten eines schönen Blumengartens und wirkt sehr eigentümlich gegen die Umgebung, die durchwegs europäisch ist.92 Nicht ein japanisches Gesicht sieht man hier. Eine katholische Missionskirche ist auch hier erbaut,93 ich trete in dieselbe ein und es ist gerade ein Gottesdienst für Pensionsmädchen, die in großer Anzahl in den Bänken saßen.94 Ich wohnte der hl. Messe bei und sah mir dann die 14–20jährigen Fräuleins an, die so fromm dem Gottesdienste zugehört hatten, jetzt aber mit verhaltenem Lächeln an mir vorbeigingen. Es waren alles, nach den Gesichtstypen zu schließen, Amerikanerinnen und Französinnen. Ich verließ auch die Kirche, 91 Yamamoto Renpei 山本廉平, Yokohama Aioi-chō 1-chōme (横浜相生町1丁目) ; das zunächst in Tokyo etablierte, von 1898 bis 1915 in Yokohama geführte Atelier wurde gerne von ausländischen Kunden besucht (frdl. Mitteilung von Tani Akiyoshi, Tokyo Univ.). 92 Nach der Ortsangabe ist es der zum Nichiren-Buddhismus gehörende Myōkō-Tempel (妙香寺) ; Adresse : Yokohama, Naka-ku, Myōkōji-dai 8 (横浜市中区妙香寺台8番地). 93 Die Kirche (Katorikku Yamate Kyōkai カトリック山手教会) wurde 1862 von der Société des Missions étrangères de Paris gegründet und steht an diesem Platz seit 1906. Der heutige Bau stammt aus dem Jahr 1933, da die Kirche 1923 durch das große Kanto-Erdbeben zerstört wurde. 94 Kloster und Pensionat war ebenso eine französ. Gründung durch die Schwestern vom Kinde Jesu (Sœurs de l’Enfant-Jésus) aus Paris. Es ist die älteste (seit 1872) im Raum Tokyo noch bestehende internationale Schule (Saint Maur International School). Vor dem Ersten Weltkrieg wirkten hier etwa zehn Nonnen. Adresse damals und heute : Yamate 83.
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überholte das Pensionat und ging am österreichischen, deutschen, französischen, amerikanischen und endlich am großen weit ausgedehnten englischen Konsulat vorbei hinab in die Eingeborenenstadt. Da ich allein war, konnte ich mir mit Muße alles anschauen und gewann wie stets in den Orten Japans den Eindruck der großen Reinlichkeit in jedem Punkte des japanischen Lebens. – Will noch einige Worte über die japanischen Wohnungen sagen. Das japanische Haus ist das größte und wichtigste Gerät, hat aber ein anderes Aussehen und ist aus anderen Materialien hergestellt als das europäische Haus. Die eigenartige Bauart bedingt auch eine eigene Gerätekunst. Die wichtigsten Eigenschaften sind die Abwesenheit fester Wände, seine Feuergefährlichkeit und seine Ausstattung mit Matten. Die dicken, weichen, graugrünen Binsenmatten, mit denen der Japaner den rohen Bretterfußboden seiner Zimmer belegt, sind ihm zugleich Stuhl, Tisch und Bett, erniedrigen seine ganze häusliche Existenz um halbe Manneshöhe und ersparen ihm die meisten und umfangreichen Geräte des Europäers. Da er des Stuhles nicht bedarf, der wieder einen hohen Tisch nötig macht, sondern unmittelbar auf den Matten, höchstens auf einem Kissen hockt, genügen zu Schreib- und Lesezwecken, wie auch zum Essen kleine niedrige Tischchen, denn die Matten versehen den Dienst des Tisches mit. Das Bettgestell ersetzt ihm ebenfalls der Mattenboden, auf dem er die Schlafmatratzen erst ausbreitet, wenn er zur Ruhe gehen will. Am Tage verschwinden sie hinter den Schiebetüren der geräumigen Wandschränke, die ihm die europäischen Schrankgebirge fast völlig ersparen. Aber auch diese Schränke nehmen nur das täglich und augenblicklich Nötige auf. Denn neben jedem wohlhabenderen Hause steht als der Riesenschrein der Familie der feuerfeste Speicher, in dem der Herr des Hauses, der leichten Brennbarkeit seines Hauses und der Häufigkeit der Feuersbrünste eingedenk, alles einschließt, was er an wertvollem Hausrat besitzt. In den Zimmern steht aber nur, was das Bedürfnis des Augenblickes fordert ; mehr kann nicht aufgestellt werden, weil die nötigen festen Wände fehlen. Auf drei Seiten schließen bewegliche, leicht entfernbare Schiebetüren das Zimmer ab – nach außen mit durchscheinendem Papier bespannte (Shoji), gegen die Nachbarräume die Fusuma mit undurchsichtigem Papierbezuge. Die vierte Wand ist, freilich fest, wenn Bambus- oder Holzgeflecht mit Lehmbewurf diese Bezeichnung verdient. Aber diese Seite nehmen die Wandschränke, oder das Tokonoma, der Ehrenplatz des Hauses, die etwa 1 m tiefe, leicht erhöhte Bildnische ein, in der bei passender Gelegenheit eins der Rollbilder des Familienschatzes aufgehängt wird. Nur der Teil der Wand, den das Tokonoma freilässt, bietet Raum für schmale Regale und dergleichen. Das japanische Zimmer ist also so gut wie leer : keines unserer notwendigen Möbel – Stühle, Tische, Betten, Schränke, Sofas etc. – verstellt den kostbaren
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Raum, keine Ölgemälde in Goldrahmen tapezieren die Wände, kein dekoratives Ziergerät drängt sich zwecklos auf überflüssigen Regalen. In der Bildnische in seinem wundervollen Brokatrahmen vielleicht ein feinfarbiges Aquarellbild oder eine Tuschskizze, zu der das milde Braun, Teegrün oder Stahlgrau der Tokonomawand, die edle Naturfarbe des Holzes, die Töne der Matten und der Schiebetüren den schönsten Fond bilden, davor etwa eine Blumenvase mit frischen Zweigen, ein Rauchergefäß aus Ton oder Bronze, auf dem Rande daneben höchstens ein eben weggelegtes Buch oder ein Schreibkasten, das ist alles, was das niedere japanische Zimmer birgt. Was sonst an Gerät gebraucht wird, erscheint erst, wenn es gebraucht wird und verschwindet, sobald es überflüssig geworden ist. Das japanische Gerät ist also nur für den Gebrauch gedacht und gemacht, und erst der Gebrauch entfaltet seine eigentümliche Schönheit, die im wesentlichen Zweckmäßigkeit und ihr natürlicher Ausdruck in Stoff und Form ist. Zweckloses Ziergerät hat der Japaner für den eigenen Bedarf nie geschaffen, und einer dekorativen Wirkung ist sein Werk auch nur selten fähig. Und doch wirkt die Einfachheit, die aus den bescheidenen Geräten einem entgegenstrahlt, ganz außerordentlich sympathisch auf den Fremden, der ein japanisches Zimmer betritt : »Der Gebrauch gibt Leben.« 28. April, Dienstag. Abends kommt der österreichische Marine-Attaché, ein Fregattenkapitän, zum Souper an Bord.95 Die Musikkapelle spielte bis ½ 11h. Um diese Zeit legte sich alles nieder. Um ½ 12h erwachten wir plötzlich durch eine donnerähnliche Detonation und den Ruf »Feuer«. Die Feuerglocke wurde stürmisch geläutet, um alle Mann zu wecken, und der Hornist blies auch schon Feueralarm. Alles rannte auf seine Alarmstationen. Es stellte sich bald heraus, dass in der Dampfbäckerei der Backofen durch Überhitzung der Heizbündel explodiert war. Ein Bäcker erhielt dabei schwere Brandwunden an beiden Füßen, ein weiterer wurde durch die herumfliegenden Ziegelsteine am Kopfe verletzt. Das Feuer war bald durch zwei Extinkteure gelöscht. Der Ofen war auf einer Seite ganz in Stücke zerrissen, und es war ein Wunder, dass den Bäckern nicht mehr geschehen war. Das aufgestapelte fertige Brot sowie das gerade zur Erzeugung bereitete Mehl waren ganz mit Eisenteilen, Steinen, Asche etc. be-
95 Diese Angabe ist nicht zu verifizieren. Kapitän Makoviz erwähnt den Besuch in s einem Vorfallenheitsbericht nicht, und das Bordtagebuch hatte vor der Versenkung des Schiffes in Tsingtau vernichtet werden müssen. Da an der k. u. k. Botschaft kein eigener Marineattaché amtierte und die Marineaufgaben gleichzeitig vom k. u. k. Militärattaché Putz wahrgenommen wurden, wäre ein Besuch des deutschen Marineattachés Wolfram von Knorr denkbar ; dieser trug damals den Rang eines Korvettenkapitäns (Hans H. Hildebrand, Die organisatorische Entwicklung der Marine nebst Stellenbesetzung 1848 bis 1945, Band 1, Osnabrück 2000, S. 38).
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deckt, und sowohl der Ofen als auch das Brot waren unbrauchbar geworden. Um ½ 1h nachts kam man wieder zur Ruhe. 29. April, Mittwoch. Wegen dem Tode der Kaiserin-Witwe wurde die Flagge »halbtopp« geführt.96 Nachmittag läuft der englische Kreuzer Yarmouth ein, um an den Trauerfeierlichkeiten teilzunehmen. 1. Mai, Freitag. Die Seefähnriche v. Montecuccoli, Reichenberg, Baierle und Baron Kuhn werden zu Fregattenleutnants befördert.97 Um 11h a.m. ist für uns Antreten, und die Beförderung der Unteroffiziere und Mannschaften wird verlautbart. Ich werde als dritter zum effektiven Maschinenquartiermeister befördert und bin darüber natürlich sehr froh. Noch elf meiner Kameraden werden befördert, und abends findet ein großes Bankett statt, wohin die neu Beförderten die übrigen Unteroffiziere einladen. Neun Fass Bier wurden beschafft und drei davon geleert. Da wir am Nachmittag Yokohama verlassen hatten und somit nachts Dienst zu tun hatten, wurde nicht zuviel getrunken, um den Dienst ordentlich zu erfüllen. Es ging auch alles gut auf der Wache von 12h nachts bis 4h a.m. des 2. Mai. 2. Mai, Samstag. In der Nähe des Landes verlief die Fahrt wegen des schlechten Wetters sehr ungemütlich. Um ½ 12h mittags Ankerstation in Yokkaichi.98 Da das Wasser sehr seicht ist, müssen wir ½ Stunde vom Lande entfernt ankern. 3. Mai, Sonntag. 2h Nachmittag fuhr ich ans Land. Durch eine wohlgepflegte reine Straße gelangte ich mit meinen Kollegen, nachdem noch eine Brücke passiert war, in die eigentliche Stadt. Da in der kleinen Stadt gar nichts Bemerkenswertes war, sondern nur das japanische Leben mich zum Besuche am Lande veranlasst hatte, so war ich mit dem Vorsatz an Land gekommen, einmal in echt japanischer Art zu essen. Um 4h schon erreichten wir ein kleines japanisches Hotel. Nachdem wir am Fuße der aufsteigenden Stiege unsere Schuhe abgelegt hatten, denn das muss man tun, sobald man einen japanischen Raum betritt, wurden wir von einer älteren Japanerin in das zweite Stockwerk geführt. Hier lagen sechs Zimmer, wie ich sie ja schon früher beschrieben habe. In eines wies uns die Wirtin, aber es war nichts zum Setzen da. In der Mitte stand ein 96 Kaiserin Haruko, posthum Kaiserin Shōken (1849–1914), war am 9. April verstorben. 97 Alfons Graf Montecuccoli (1893–1952), Georg Reichenberg (1892–1957), Ivo Maria Baierle (1893–1964) und Adalbert Freiherr Kuhn von Kuhnenfeld (1892–1933) ; Montecuccoli und Reichenberg hatten nach Kriegsausbruch den Befehl zur Heimkehr nach Österreich erhalten (s. Eintrag Kirchners vom 3. August), sie waren daher nicht in Tsingtau eingesetzt und entgingen der japanischen Kriegsgefangenschaft (Anm. 150). 98 Yokkaichi 四日市市 (Mie Präfektur), im Inneren der Ise-Bucht, unweit von Nagoya. Der Bürgermeister und der Polizeichef der Stadt statteten dem Schiff einen Besuch ab, den Kapitän Makoviz erwiderte.
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10 cm hohes Tischchen, wenn man es so nennen kann, und bald brachte uns die Frau sieben seidene Kissen, auf die wir uns mit verschränkten Beinen niederließen. Tadelloses japanisches »Asahi«-Bier erfrischte uns, und da wir auch schon Hunger hatten, wollten wir was zu essen haben, aber wie es dem japanischen Wirt verständlich machen ? Durch Gesten, ein paar japanische Worte etc. wollte es nicht gelingen und so machten sich drei von uns auf und gingen in die Küche. Die Bediensteten waren sehr erstaunt, als sie uns da wirtschaften sahen. Eier waren zur Stelle, ebenso Butter und Schinken. Für jeden eine Eierspeise von 6 Eiern wurde hergestellt und die Japaner kamen aus dem Staunen nicht heraus, dass alles so schnell ging und dass wir so viel essen konnten um diese Stunde. Wir ließen es uns am Boden hockend sehr gut schmecken und auch dem guten Biere wurde ordentlich zugesprochen. Als wir zu Ende waren, waren wir sehr befriedigt über das nach japanischer Art eingenommene Mahl und konnten feststellen, dass es gar nicht so unbequem ist, am Boden ruhend an einem niedrigen Tisch zu essen. Nun verlangten wir die Rechnung. Natürlich konnte keiner die Schrift lesen und so wurde unter großem Gelächter daran gegangen, die Sache richtigzustellen. Mittels Kugeln und Zündhölzchen sowie der auf der ganzen Welt verstandenen Gesten-Sprache mit den Fingern konnten wir endlich herausbringen, wieviel wir zu zahlen hatten. Wir gaben 10 Yen (24 Kronen) der Frau, und diese verschwand damit. Wir waren aber sehr erstaunt, als sie uns wieder 4 Yen zurückbrachte ; wir hatten also doch nicht richtig gehabt mit unserer vorherigen Rechnung. Wir waren sehr erfreut über diese Ehrlichkeit, und da wir Marineure gewöhnt sind, uns nobel zu zeigen, ließen wir das Geld am Tischchen liegen. Unter vielen Dankesbezeugungen des gesamten Wirtschaftspersonals, das am Ausgange des Hotels aufgestellt war, verließen wir dieses Haus. Wohlgestärkt wanderten wir noch lange herum, und besonders die vielen schönen Mädchen, die überall an den Eingängen der niedlichen Häuschen standen, betrachteten wir uns mit Freude, und gar mancher Gruß wurde mit den »Schönen« von Yokkaichi getauscht. Ich führte früher an, dass die Japaner erstaunt waren, uns so viel essen zu sehen, zu so ungewöhnlicher Stelle und füge hier meine Beobachtungen über die japanischen Mahlzeiten ein. – Der Japaner hat drei Mahlzeiten. Frühstück (asagohan), Mittagessen (hirugohan) und Abendessen (yuhan). Im Sommer Frühstück um 7h a.m., Mittag 12h, Abend 6–7h. Die Hauptnahrung des Japaners ist Reis, dazu wird meist eine salatähnliche Speise gegessen, die aus eingemachtem Gemüse und dergleichen besteht. Der Reis wird nicht so weich gekocht wie in Europa, der Deckel des Reistopfes wird während des Kochens nicht abgenommen, so dass ein Dampfen bewirkt wird. Beim Frühstück, der einfachsten Mahlzeit, isst man Reis und Suppe. Zu Mittag fehlen nicht selten Fisch und
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Fleischgerichte. Die Hauptmahlzeit bildet das Abendessen, an dem meistens »Sake« (Reiswein) getrunken wird, während man zu anderen Mahlzeiten nur Tee (cha) trinkt. Fremde müssen sich an »Sake« erst gewöhnen. Bei japanischen Diners pflegen die Speisen nicht nacheinander aufgetragen zu werden, vielmehr hat jeder Gast eine ziemlich große Anzahl Speisen vor sich stehen, die nicht nach einer besonderen Reihenfolge verzehrt werden. Man sucht nur die dem eigenen Geschmacke zusagenden Speisen heraus, und verzehrt von ihnen so viel einem beliebt.99 4. Mai, Montag. 7h a.m. Ankerstation. Bei herrlichem Frühlingswetter fahren wir dem Lande entlang, bis wir um 10h in eine Inselgruppe hineinsteuern und ganz knapp zwischen niedrigen Hügeln in eine Bucht gelangen, die wieder ganz eingeschlossen von grünen Bergen ist. Auf der Festlandseite liegt malerisch zwischen zwei Bergen der kleine Ort Toba. Um ½ 11h a.m. ging der Anker in das klare Wasser, welches so seicht war, dass man den Grund sehen konnte. Einige wenige Häuser und ein Bahnhof bilden den ganzen Ort, der aber wegen seiner herrlichen grünen Umgebung von unserem Kommandanten aufgesucht wurde. Nur durch eine schmale Wasserstraße ist der Ankerplatz mit dem Meere verbunden, sonst sind alles kleine Berge. Von Toba fährt man in die große Stadt Yamada, die ganz aus Tempeln erbaut ist. Ich konnte leider hier nicht an Land kommen, da ich wichtige Arbeiten am Kessel der Dampfbarke zu machen hatte, und dies meine unbedingte Anwesenheit erforderte.100 5. Mai, Dienstag. Infolge heftigen Regenwetters, das den ganzen Tag über mit unverminderter Heftigkeit anhält, ist der Verkehr mit dem Lande abgebrochen, und ich komme auch heute nicht an Land. 6. Mai, Mittwoch. 7h a.m. verlassen wir bei Sonnenschein, der eben am Horizont rotgolden aufsteigenden Sonne, diese schöne Gegend, und es wurde allgemein bedauert, dass man nicht länger hierbleiben konnte. An der herrlichen Ausfahrt weideten wir zum letzten Male unsere, Augen an dem frischen Grün. An einigen Dörfern vorbei, die alle sehr schön lagen, ging die Fahrt bis ½ 10h a.m. zwischen Inseln hindurch fort. Wir hatten einen anderen Weg zur Ausfahrt genommen als bei unserer Ankunft und waren wieder von neuem entzückt über die Naturschönheiten Japans. Um ½ 10h erreichten wir das offene Meer, und mit 99 Diese Information unterliegt einem Missverständnis ! Dies trifft sehr wohl für Korea zu, in Japan wird jedoch jeder Gang in einer bestimmten Reihenfolge nur nacheinander aufgetragen. 100 Schade für den Autor und die Leser ; denn mit den »Tempeln« waren die beiden nahegelegenen Ise-Schreine gemeint, wo die Ahngottheit des Kaiserhauses verehrt wird ; sie zählen zu den bedeutendsten und ältesten Heiligtümern Japans (6. Jhdt.). Die Bucht von Toba 鳥羽 mit dem schönen Hafen ist bekannt für die Perlmuschelzucht ; Yamada 山田, heute zur Stadt Ise 伊勢 gehörig, beherbergt einen der beiden wichtigen Ise-Schreine.
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10 Meilen nahmen wir südlichen Kurs. Außer etwas toter See verlief die Fahrt bei hellem Sonnenschein immer in Sicht des Landes sehr schön. 7. Mai, Donnerstag. Auch heute hält die tote See weiter an. Um 3h nachmittags steigen links und rechts unserer Fahrrichtung drohende Gewitterwolken auf. Um 6h erreicht uns eines. Zuerst ein rasender Sturm, wie sie an dieser Seite Japans gefürchtet sind, und dann plötzlich prasseln Regen, Hagel und Schnee auf das Schiff nieder. Um ½ 7h tritt das Schlimmste für die Schiffahrt ein, ein dichter Nebel. Ganz langsam wird weitergefahren, und unser Schiff fängt wieder einmal anständig zu tanzen an. Unsere Sirene lässt alle 5 Minuten ihre Töne hören, um eventuell entgegenkommende Schiffe zu warnen. Lange dauerte diese gefahrvolle Fahrt in der felsigen Nähe des Landes nicht. Um 10h ließ das Wetter nach, bald hörte es ganz auf, und um ½ 11 nachts war wieder Sternenhimmel, und es war herrlich, auf dem vom Vollmonde beschienenen ruhigen Meere dahinzufahren. 8. Mai, Freitag. Um 6h a.m. passierten wir die südlichste Spitze des japanischen Festlandes. Von da ging die Fahrt in einer Art breitem Kanal, zu beiden Seiten Landzungen, fort. Es sind diese aus hohen Gebirgen gebildet und fast unbewachsen. Die Berge fallen steil zur Küste ab, bilden also Steilküsten und sind zur Ansiedlung nicht geeignet. Links steigt ein riesiger regelmäßiger Berg auf in Form eines Kegels, und man muss staunen über diesen natürlichen Bau, Höhe 1200 m. Herrlich heben sich die grauen Felsen gegen den blauen Himmel ab, und Adler zogen ihre Kreise. Um 10h a.m. kam rechts vorne der mächtige Sakurashima (Kirschbauminsel) in Sicht. Als wir näher kamen, hörten wir das donnerähnliche Grollen, und kurz darauf sahen wir eine mächtige weiße Rauchwolke vom Berge heraus gegen Himmel steigen. Die Krater des feuerspeienden Berges waren also noch immer in Tätigkeit, worüber wir uns sehr freuten, da man doch gerne dieses Naturschauspiel in großem Maßstabe anschauen will. Je näher man kam, desto deutlicher sah und hörte man die Ausbrüche der verschiedenen Krater. Das Eigentümliche war, dass alle 5 Minuten ein Krater spie, 6 waren es im ganzen, so dass alle 30 Minuten wieder der gleiche daran kam. Um 11h ankerten wir vor Kagoshima, das gegenüber des Vulkanes lag. Da aber der Grund 2–3 m tief mit Asche belegt war, hielt der Anker nicht, und wir mussten weit zurückfahren, bis ordentlicher Grund gefunden wurde, so dass die Stadt Kagoshima fast aus der Sichtweite kam. Im Jänner 1914 war der Vulkan mit verheerender Kraft ausgebrochen und hatte zwei Ortschaften, die zu Füßen des Berges lagen, vollständig verschüttet und auch in der Stadt Kagoshima kamen einige Leute ums Leben. – Kagoshima ist wegen des dort fabrizierten Satsuma-Porzellans bekannt. Im Jahre 1863 wurde die Stadt von einem englischen Geschwader bombardiert. Der Grund hierfür war das Verhalten des Fürs-
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ten Shimazu, der es abgelehnt hatte, sich zur Entschädigung eines von Japanern ermordeten englischen Untertanen zu bequemen.101 9. Mai, Samstag. Auch heute halten die Ausbrüche der Krater an, die aber an der entgegengesetzten Seite des ursprünglich so verheerenden Ausbruchsortes liegen. An den Abhängen und am Fuße des riesigen Berges liegen ungeheure Massen Lava, die sich wie Hügelzüge, allerdings wild zerklüftet, ausnehmen. Aus denselben steigen fortwährend gelbe und weiße Dämpfe auf. Man könnte stundenlang diesen Vorgängen, die uns das Erdinnere so augenscheinlich mitteilen, zuschauen. Immer wieder ein dumpfes fernes Rollen, dann ein Krach, und an irgendeiner Stelle fliegen zuerst Erde und Steine, sodann eine graue Aschenwolke, die häufig mit Schwefelgelb vermischt ist, und als dritter Teil eine ganz weiße Wolke in die Luft.102 Nachmittag um 1h fahre ich in die Stadt. Karten, Photographien, Marken, etc. wurden gekauft ; in einer Straße sprachen mich drei junge Japaner an, die uns in gebrochenem Deutsch fragten, ob sie uns führen und die Stadt zeigen dürften. Wir waren sehr erfreut über dieses Anerbieten, und bald war ein Gespräch im Gange. Es waren Studenten von der Universität in Tokyo. Unterm Arm hatte jeder ein dickes japanisch-deutsches Wörterbuch. Je länger wir zusammen sprachen, umso geläufiger konnten auch die drei Männer sprechen. War ein Ausdruck nicht in ihrem Gedächtnis, so suchten sie schnell nach im Wörterbuch und gebrauchten oft Worte, über die man staunen musste, dass sie diese kannten. Zuerst führten sie uns ins Gewerbe-Museum, dieses ist in einem großen langen Saal untergebracht und enthält die verschiedensten Warenproben der Stadt, sowie auch Getreideproben aus der Umgebung.103 Im Garten vor der kleinen Ausstellung war ein kleiner Teich, über den eine niedliche gebogene Brücke aus kleinen Baumästchen führte. Außerdem war ein kleiner Wald angelegt, aus cirka ¾ m hohem Zwergkieferwerk. Es war ein reizender Anblick und gab ein beredtes Zeugnis von der gärtnerischen Kunst der japanischen Gärtner ab. Von hier führten uns unsere Führer zu einem Tempel, den der Herzog Seihnio Shimazu vor 200 Jahren gebaut hatte. Sehr interessant war auch die Bauart der Begräb-
101 Hinweis auf den sog. Namamugi-Zwischenfall, bei dem ein englischer Reisender durch unangemessenes Betragen, also aus eigener Schuld, im September 1862 von einem Samurai aus Satsuma getötet wurde. Im Jahr darauf erfolgte als Gegenaktion der Beschuss der Hafenstadt Kagoshima. 102 An dem Tag machte ein Teil der Manschaft einen Ausflug zu dem 1.117 m hohen, noch tätigen Vulkan Sakurajima (s. Abb. ###). 103 Das Gebäude war seit 1865 eine Fabrik und als Museum 1923 in Shōkoshū seikan 尚古集成館 umbenannt.
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Abb. 18: Ausflug der Mannschaft S.M.S. Kaiserin Elisabeth zum Vulkan Sakurajima (1117 m), Kagoshima, 9. Mai 1914.
nisstätte eines japanischen Königs vom Jahre 1876, der dort öffentlich bestattet ist, für Fremde aber ist der Zutritt verboten.104 Nachdem wir dies alles gesehen hatten, baten wir unsere Führer, uns in ein gutes Restaurant zu führen, worauf sie antworteten, das können sie schon tun, aber selbst dürfen sie nicht hinein, da es sämtlichen Schülern verboten ist zu trinken, und dieses von der Religion ausgehende Verbot wird auch von der Jugend, zu ihrem eigenen gesundheitlichen Vorteil, befolgt. Bald standen wir vor einem zwei Stock hohen ganz neuen Steingebäude, das uns das Restaurant vorstellte. Die drei Studenten wollten absolut nicht mit, aber wir nahmen sie zwischen uns, und so mussten sie unserer Einladung folgen. Im Hausflur bekamen wir über unsere Schuhe Kautschuküberzüge und gingen über reine Holzstiegen ins erste Stockwerk, wo ein Speisezimmer lag, in dessen großem Saal schön gedeckte Tische standen. Hier tranken wir das erste Mal in Japan Fassbier, welches sehr 104 Sicherlich meint der Tagebuchschreiber den buddhistischen Tempel Fukushō-ji 福昌寺, der unter dem 7. Shimazu-Oberhaupt 1394 gegründet wurde und seither als Grabstätte der Fürsten von Satsuma diente (der Tempel gehört zur Sōtō-shū, einer Richtung des Zen-Buddhismus). Welchen Shimazu-Fürsten Kirchner meinte, ist unklar ; in den 1870er Jahren hieß das 29. Oberhaupt – und bis 1868 12. Fürst der Familie – Shimazu Tadayoshi 島津忠義 (1840– 1897).
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gut war. Die Studenten tranken aber so bescheiden, dass man erkennen konnte, dass sie noch nie Bier getrunken hatten ; als ich sie danach fragte, verneinten sie auch. Wir hatten bereits die 3te Runde, während die noch nicht einmal die Hälfte getrunken hatten, so oft wir ihnen auch zutranken. Sie nippten immer nur wie die Spatzen, und nicht einmal ein Mädchen bei uns trinkt so bescheiden. Einige Lieder von einem großen Grammophon trugen zur allgemeinen Stimmung bei, während wir auch die Korrespondenz nach der Heimat erledigten. Um 4h brachen wir wieder auf und wurden auf eine kleine Anhöhe geführt, von wo man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt und den gegenüberliegenden Sakurashima hatte. Dann wurde die Stadt in raschen Schritten durchquert, und wir sahen noch das Post- und Telegraphengebäude, welches beim Ausbruch des Vulkans zerstört wurde. Jetzt ist die Post in einer Holzbaracke untergebracht. Wir verabschiedeten uns nun von unseren freundlichen Führern, kamen am Molo an, wo bereits eine nach Hunderten zählende Menge versammelt war. Wir stiegen in die Boote ein, die schon von anderen Landgängern besetzt waren und fuhren um 6h vom Lande ab, von der am Ufer stehenden Menschenmasse begafft. Um 7h kamen wir aufs Schiff zurück. Man zählt in Japan ungefähr 180 Vulkane. Ein Fünftel des Gesamtgebietes ist vulkanische Erde. Ein Charakteristikum der japanischen Vulkane besteht darin, dass sie meist bewaldet sind, eine Erscheinung, deren Ursache der Häufigkeit des Regenfalles und der ständigen Feuchtigkeit des schwefeligen Bodens zuzuschreiben ist. In diesen Bergwäldern sind die verschiedensten Baumarten, ebenso verschiedene Blumenarten anzutreffen, die in der Ebene nicht zu finden sind. Die Schönheit der japanischen Natur, der Landschaften und des Küstengebietes sind vornehmlich durch die Eigenart der vulkanischen Gebilde hervorgerufen. Ebenso ist das Vorhandensein heißer Quellen in so großer Anzahl dem vulkanischen Charakter des Landes zuzuschreiben. 10. Mai, Sonntag. ½ 4h a.m. wurden die Anker gehisst und der Stadt der Rücken gekehrt. Da es noch dunkel war, konnte man sehr schön den feurigen Ausbruch der Krater sehen. Die sonst weißen Rauchmassen sind jetzt rot und steigen mächtig gegen den dunklen Himmel an. Wie sich eine Feuersbrunst am nächtlichen Himmel rötlich dem entfernten Auge darstellt, so sah auch der tätige Vulkan aus, nur dass das Feuer einige Kilometer entfernt war. Langsam fuhren wir die Bucht hinaus, der Feuerschein verschwand allmählich, dafür begann es langsam zu dämmern, und bald stieg auch der goldene Sonnenball auf. Noch ein letztes Mal sahen wir die Gestade des schönen Japan, und jedem von uns tat es leid, dass wir das Land und die freundlichen Bewohner auf lange Zeit verlassen mussten. Die Fahrt geht bei trübem Wetter, aber ruhiger See recht angenehm vonstatten.
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11. Mai, Montag. Das Wetter bleibt gleich, nur wird es bedeutend schwüler,
und man merkt, dass es um einige Grade südlich geht. 12. Mai, Dienstag. Die ganze Nacht waren wir wegen starken Nebel nur ganz langsam gefahren. Wie es die Seefahrordnung erfordert, alle 6 Minuten mit der Schiffsglocke läutend oder mit der Sirene Alarmtöne abzugeben. Um 3h a.m. wurde halt gemacht, da von entgegengesetzter Richtung auch Sirenentöne hörbar waren. Um nicht mit einem Dampfer zusammen zu stoßen, wurde der Projektor in Aktion gebracht und backbord von uns passierte ein großer Handelsdampfer. Um 6h a.m. kamen wir in das 100 km breite Delta des Jangtse, das sich durch das schmutzige Wasser bemerkbar macht. Da aber der Nebel noch immer sehr dicht über dem Wasser lag, sodass man keine 50 m weit sah, wurde noch langsamer gefahren, erstens wegen der Nähe des Landes, da die Orientierung sehr schlecht war, und zweitens herrscht hier ein sehr reger Verkehr von Handelsschiffen. Wir hätten bereits um 10h in Schanghai sein können, wegen des Nebels aber mussten wir im Delta auf und ab kreuzen und eine Klärung des Wetters abwarten, bevor wir die Einfahrt wagen konnten. Immer noch tönte unsere Alarmglocke und zeitweise hörte man auch andere Glocken und Sirenen. Dann blieben wir immer stehen bis die Töne verschwanden. Nebel ist der gefährlichste Feind des Seefahrers. Das Eigentümliche war, dass der Nebel nur etwa 20 m hoch lag und wenn man aufwärts blickte, konnte man das Blau des Himmels sehen, während vor uns eine mit dem Augen undurchdringliche Mauer lag. Bald drangen auch die Sonnenstrahlen durch. Die Nebelschwaden wurden also auch dünner, was höchste Zeit war. Um ½ 12 mittag verzog sich der Nebel fast plötzlich und vor uns lag die Einfahrt nach Wusung [Wusong].105 Der Lotse war in der Nähe und mit drahtloser Telegraphie wurde ihm unser Standort genau angegeben. Bald sah man auch das weiße Schiff herankommen und um 12h bestiegen zwei englische Lotsen das Schiff über das See-Fallrepp. Nun fahren wir aber bei herrlichem Wetter mit 14 Meilen durch die hochaufspritzenden schmutzigen Fluten dem Jang-tse-kiang [Yangzi jiang] entgegen. Das Land kam zu beiden Seiten in Sicht und um 3h waren wir in Wusung [Wusong]. Unter starker Gegenströmung, wodurch die Maschinenkraft auf 8 Meilen herabgemindert wurde, fuhren wir die öde Gegend bis Schanghai hinauf wie bereits am 17. Dezember 1913. Nach den schönen Eindrücken der japanischen Landschaft war ich sehr böse, nun wieder die nur Grasebenen und schmutzige Hütten zu sehen. An einer Biegung musste sehr langsam und vorsichtig gefahren werden. Es lag nämlich hier am Grunde ein gerammter Damp105 Wusong (呉淞), Hafen ca. 15 km am unteren Flusslauf vor Shanghai, nahe der Mündung des Huangpu 黄浦江 in den Yangzi-Fluss.
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fer, der vor einem Monat gesunken war und von dem nur der Kamin und zwei Masten warnend aus dem Wasser ragen. Es ist dies ein arges Verkehrshindernis, aber die Entfernung des Wracks ist sehr schwer, da Taucher wegen der starken Strömung nicht hinunter können, um das Schiff eventuell auszupumpen. Um ½ 5h kamen wieder die ersten Häuser von Schanghai in Sicht und um ½ 6h wurden beide Anker zu Boden gelassen. 13. Mai, Mittwoch. Der österreichische Dampfer Bohemia 106, der uns gestern bei Wusung [Wusong] begegnet war, hatte für uns aus Pola Nachfuhr gebracht an Proviant, Konserven, Zwieback, Uniformen, Schiffsartikel, einige Reservestücke für Maschinen etc. etc. Diese wurden am Morgen und tagsüber eingeschifft, und zwar in größter Eile. In 4 Tagen wollen wir Schanghai wieder verlassen, um die Reise den Fluss aufwärts nach Hankau [Hankou]107, 360 Meilen landeinwärts, anzutreten. Aber es sollte anders kommen. 14. Mai, Donnerstag. Heute wird Wein, Schiffsmaschinenöl, Putzwolle etc., alles in Schanghai bestellt, eingeschifft. Nachmittag Kohle messen bei Melchers u. Co.,108 wo ich mit 3 anderen Unteroffizieren die Kohle, die an Bord kommen soll und vom Lager von Chinesen in einen großen Ponton geladen wird, gemessen wird. In Körben zu 100 kg wird die Kohle zur Waage gebracht, und wenn zu wenig ist, muss ein dazu bestimmter Kuli Kohle zugeben bis der Korb das volle Gewicht hat. Die Richtigkeit dieser Handlung muss durch uns überwacht werden, da den Chinesen nicht zu trauen ist und gerne Kohle für sich auf die Seite geben. Um 6h fuhren wir mit einem Tender der Gesellschaft an Bord zurück. Hier wurde uns eine unangenehme Mitteilung gemacht. Wir müssen noch drei Wochen in Schanghai bleiben ! Warum ? Die Kesseln 1, 2 und 3 sind unklar. Die Flammrohre haben starke Einbuchtungen bekommen und mit denen kann nicht mehr mit Sicherheit gefahren werden, da Gefahr besteht, dass sie bersten. Zivilarbeiter einer deutschen Dockgesellschaft müssen die schwierige Arbeit übernehmen. Über die Ursache dieser Havarie werden verschiedene Meinungen laut. Die Hauptursache ist in der japanischen Kohle zu suchen. Diese brennt mit sehr hohen Flammen und braucht viel Zug, was für die Kessel von Schaden war. Natürlich sprechen andere Umstände auch noch mit. 15. Mai, Freitag. Vormittag findet eine Kesselkommission statt, an der alle Betriebsleiter, der Vorstand, und in Vertretung des Kommandanten zwei Offiziere 106 Die Bohemia (Stapellauf Triest 1896, 4.318 t) konnte wegen des Kriegsausbruches nicht mehr nach Triest zurückkehren ; der Dampfer wurde später in Shanghai von China beschlagnahmt und ging in chinesischen Besitz über. 107 Die Stadt Hankou 漢口 wurde inzwischen ein Teil der Metropole Wuhan 武漢. 108 Die Firma besteht immer noch (C. Melchers GmbH & Co. KG Shanghai) als Teil eines großen internationalen Konzerns.
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teilnehmen, die die Kessel in- und auswendig untersuchen und die Schäden feststellen, worauf Protokoll aufgenommen wird, das ans Marine-Ministerium geschickt werden muss. Während dem haben auch die Chinesen begonnen Kohle einzuschiffen. 420 Tonnen zum hohen Preise von 24.000 Kronen. Es ist dies die beste Kohle, die es gibt und um die Kessel zu schonen gebraucht werden muss. Um 11h a.m. mache ich mit meiner Dampfbarke IX Probefahrt nach erfolgter Instandsetzung und Reparatur, die sehr gut verläuft. Von nun ab bleibt diese Barke im Wasser zum Verkehr zwischen Schiff und Land. Ich mache nun 24 Stunden Dienst und dann 24 Stunden vollkommen frei, was natürlich sehr angenehm ist. Ich fahre nun viel herum und auch auf die fremden Kriegsschiffe, die im Flusse liegen. Japaner, Schwede, wieder Japaner, 2 Amerikaner, 2 Engländer, Iltis (deutsch), Dupleix (französisch), Marco Polo (italienisch) sind verankert. 16. Mai, Samstag. 12 Chinesen beginnen die Kesselarbeiten. Vormittag kommt der japanische Kommandant [Kawakami] des kleinen Kreuzers [Yodo]109 und bald darauf der Kapitän des Marco Polo110 an Bord. 17. Mai, Sonntag. Um 2h fahre ich an Land, um wieder dem hier schon gut bekannten Schanghai einen Besuch abzustatten. Mein erster Gang war mit zwei Kollegen in die Wiener Bäckerei, stillten hier in heimischer Weise unseren Appetit mit den lang entbehrten Mehlspeisen, wie Schaumrollen, Krapfen, etc. etc. Kaffee, und dann noch Gefrorenes, was alles sehr gut schmeckte. Ebenso einige Stamperl Marasquino.111 Sodann gingen wir in den Honkou-Park,112 den wir nach ¼ Stunde Wanderung durch sehr belebte Straßen erreichten. Herrliche Blumenanlagen, kleine Teiche von Bänken umgeben, sorgen zur Verschönerung des Parkes, der schon fast außerhalb der Stadt liegt und auch zu Sportzwecken dient. Zwei japanische Jugendmannschaften hatten gerade ein Schlagballturnier, dem wir kurze Zeit zusahen. Wir streiften zwischen den einzelnen Wiesenanlagen umher, betrachteten die reiche Natur und kamen auf mancherlei Irrwegen an einen Drahtzaun, durch den wir aber durchwollten. Eine günstige Stelle wurde gesucht und hindurchgekrochen ohne Rücksicht auf unsere weißen Anzüge. Aber die Musiktöne, die wir hörten, zogen uns fort. Das Hindernis war bald überwunden und vor uns lag ein großer Schießstand, auf dem 109 Kawakami Chikayuki 川上親幸 hatte 1899/1900 zu Studienzwecken ein Jahr in Deutschland verbracht (Stettin u. Swinemünde) ; Der Kreuzer Yodo「淀」gehörte 1914 zur Blockadeflotte vor Tsingtau. 110 Italienischer Panzerkreuzer, 4583 t (im Einsatz 1894–1922). 111 Hochprozentiger, klarer Fruchtlikör aus Maraska-Kirschen mit Bittermandelaroma. Hersteller war seit 1821 die Brennerei Luxardo in der dalmatinischen Hafenstadt Zara (kroat. Zadar). 112 Hongkou-Park 虹口公園, anglisiert Hongkew Garden, nördlich des Stadtzentrums ; heute als Lu Xun Park 魯迅公園 geläufig.
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die Scheiben aufgestellt waren. Der deutsche freiwillige Schützenverein hatte gerade ein Gründungsfest und es waren 2–300 Herren und Damen am Platze anwesend. Es wurden Preise verteilt. Auch Damen bekamen solche. Mitglieder der deutschen freiwilligen Verteidigungstruppen, die in allen Kolonien vertreten sind, machten in ihren gelben Tropenanzügen einen sehr guten Eindruck. Das Orchester des deutschen Kanonenbootes Iltis besorgte die Musik. Um 5h war die Versammlung beendet und alles strömte den Ausgängen des prachtvoll angelegten Schießstandes zu, wo Wagen und Automobile warteten. Auch wir fuhren per »Rickshaws« in die innere Stadt, um uns noch ein wenig zu unterhalten. Zuerst zur Konkordia,113 wo ein wenig getanzt wurde und dann zum »Deutschen Haag«, wo wir zwei Deutsch-Amerikaner trafen und bei Klavier und Gesang eine lustige Stunde verbrachten ; auch einige Runden wurden mit den dort anwesenden Mädchen getanzt. Später kamen noch zwei Franzosen und einige Italiener. Um 9h gings an Bord. 18. Mai, Montag. 9h a.m. findet das Leichenbegängnis eines italienischen Matrosen vom Marco Polo statt, der beim Fußballspiel verunglückt war. Um 11h a.m. starb auf dem amerikanischen Kreuzer Galveston ein junger Mann, der in einem Streite von einem Italiener erstochen worden war. 19. Mai, Dienstag. 6h a.m. läuft ein amerikanischer Kreuzer namens Saratoga ein.114 21. Mai, Donnerstag. 1h an Land gefahren. Um ½ 5h begann im Public Garden in der Musikhalle ein Orchesterkonzert, in dem teils europäische Herren, teils Amerikaner mitspielten und 70 Mann stark ist. Der Pavillon steht in der Mitte des schönen Public Garden auf einer kleinen Anhöhe. Rund herum auf den Wiesenflächen stehen Klappsessel und Bänke, die alle besetzt sind. Mindestens 250–300 Zuhörer, durchwegs Europäer. Herren, Damen und Kinder weihen einen Nachmittag in der Woche, um die gute Musik in Gottes freier Natur anzuhören. Ich setze mich mit einem Kollegen auf eine Bank, und lassen die Leute an uns vorbeiziehen und das erinnert einen sehr an die Nachmittagspromenaden im schönen Grazer Stadtpark, den ich nun schon seit 1912 nicht mehr besucht habe und mir vergangene schöne Stunden, die ich dort verbrachte, ins Gedächtnis zurückruft. Bis ½ 7 Uhr hörten wir dem Konzert zu und waren sehr zufrieden und mein Gemüt war sehr aufgeheitert durch den Genuss der Musik. Dann suchten wir wieder die Wiener Bäckerei auf und von 8–9h flanierten wir in 113 Siehe den Eintrag Kirchners vom 21. Dezember 1913, als er ebenfalls mit Kollegen der Elisabeth den Concordia Club besuchte. 114 Kreuzer I. Klasse (8150 t, 516 Mann Besatzung) mit der Flagge des Konteradmirals Walter Cleveland Cowles (1853–1917), Kdt. der U.S. Pacific Fleet 1913/1914 und der U.S. Asiatic Fleet 1914/1915.
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der hell erleuchteten Nanking Road mit der übrigen Menschenmenge auf und ab. Hier mischt sich alles zusammen, Europäer, reiche Chinesen, mit den weißen Blusen, blauen weiten Beinkleidern, weiße hohe Strümpfe, galloschenartige Schuhe, barhaupt, und den langen Zopf mit feinen Seidenschnüren gebunden, die oft bis an den Boden herabhängen, niedere arme Chinesen, mehr oder minder entbößte Männer und Frauen, diese fast immer mit Säuglingen in der Hand. Kuli laufen eilig herum, mit ihren Strohhüten in Form eines konischen Schildes. Inder mit ihrem roten oder weißen Turban und den riesigen Bärten, kleine Japaner, kurz, es ist sehr interessant in dieser Hauptstraße der Schanghaier Geschäftswelt zu promenieren und dabei selbst keine Sorgen zu haben, und alles mit Ruhe zu beobachten. Um 9h arbeitete ich mich aus der Straße heraus und ließ mich zum Molo fahren und von da an Bord. 23. Mai, Samstag. Um 10h a.m. läuft ein japanischer kleiner Kreuzer ein, und kaum hat derselbe geankert, als der hinter uns stehende russische Kreuzer den Hafen schleunigst verlässt. Allgemein wurde dieser Wechsel als Nationalhass der Russen und Japaner aufgefasst. Die Kommandanten von Kriegsschiffen müssen sich nämlich gegenseitig Besuche abstatten, und sich gewissermaßen vorstellen als Vertreter ihres Reiches. Der Russe wollte das jedenfalls vermeiden, mit dem Japaner zusammenzukommen und fuhr nach Wusung, welches an der Einfahrt nach Schanghai liegt. 24. Mai, Sonntag. Um 8h a.m. wird große Flaggengala für England gehisst. Alle Kriegs- und Handelsschiffe prangen in Flaggenschmuck bis 6h Abend.115 25. Mai, Montag. Der japanische Kreuzer verlässt den Hafen und komischerweise kommt eine Stunde später wieder der russische Kreuzer zurück.116 Unser Kommandant fährt hin und während dieser Fahrt mache ich eine Regatta mit einer anderen fremden Dampfbarke, wobei ich dieselbe bedeutend überhole. Der Herr Kommandant beobachtete das Wettrennen und sprach mir sein Lob aus über die gute Führung der Maschine, die nur 35 Pferdekräfte hat, während das andere Boot mindestens 50/P hatte. Als wir am russischen Kreuzer anlegten, stand alles »habt acht« und der russische Kommandant sprach deutsch zu den Unseren. Auch hörte ich zwei andere Offiziere deutsch sprechen, was mich sehr verwunderte. 115 Die Datierung widerspricht dem Vorfallenheitsbericht von Kommandant Makoviz : am 24. Mai wurden die Flaggen halbtopp geführt aus Anlass der in Tokyo stattfindenden Leichenfeierlichkeiten für die japanische Kaiserin Witwe (der Kdt. des Schiffes Yodo bedankte sich dafür) ; die große Flaggengala für das Geburtsfest der englischen Königin fand am 26. Mai statt (Dank des Kommandanten des Kanonenbootes Britomart). 116 Die Bewegungen der beiden Schiffe Yodo「淀」und des russischen Kreuzers žemčuk werden im Vorfallenheitsbericht des Kommandanten Makoviz etwas anders dargestellt.
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27. Mai, Dienstag. Nachmittags findet eine Ausscheidungsregatta von Ru-
derbooten aller anwesenden Nationen in einem still fließenden Seitenarm des Jang-tse statt.117 Es nehmen daran teil : I. Gruppe Amerikaner, Engländer, Franzosen und Japaner. II. Gruppe Österreich, Italiener, Deutschland, Chinesen. In der ersten Gruppe sind die ersten Amerikaner und Franzosen. In der zweiten Gruppe siegen Italiener und unser Boot. Zwischen diesen findet am 31. Mai die Internationale Regatta statt. 31. Mai, Sonntag. Nachdem ich die ganze Nacht mit der Barke gefahren war und um ½ 5h a.m. mit unserer Musik im Schlepp an Bord kam, musste gleich daran gegangen werden, die Maschine und den Kessel für die Übergabe um 6h klar zu machen. An Schlaf war natürlich nicht zu denken und nachdem ich abgelöst war nach 24stündigem Dienste, war ich zwar sehr müde, aber ich ließ mich nicht abhalten, zur Regatta zu fahren. Nahm schnell ein Bad, das mich sehr erfrischte, zog mich an und um 7h a.m. fuhr ich mit einem chinesischen Boot an Land. Von hier aus fuhr ich mit drei Kollegen in der Tramway durch endlose Gassen und Straßen. Bald wussten wir, dass wir nicht auf der richtigen Linie fuhren, und obwohl wir nicht wussten wo der Bahnhof lag, folgten wir unserem Instinkt, stiegen aus und setzten uns auf einen anderen Wagen. Aber zu unserem Entsetzen fuhr der bald auf der gleichen Strecke, die wir gekommen, nur in entgegengesetzter Richtung, sodass wir auf unseren Ausgangspunkt zurückkamen, und fortfuhren bis zur Endstation dieser Strecke ; aber da war auch kein Bahnhof. Sofort also wieder zurück, und wieder durch einen Teil der Stadt. Mit den Kondukteuren konnten wir uns nicht verständigen, obwohl wir das Wort »Regatta« in englisch, französisch, italienisch übersetzten. Wir wären auch diesmal wieder falsch gefahren, wenn uns nicht ein Amerikaner nach unserem Weg fragte und uns die richtige Linie angab. Bald kam auch der richtige Wagen und nun gings wieder durch einen großen Teil der Stadt. Zweimal musste man noch umsteigen und um 10h waren wir endlich vor dem großen Bahnhof angelangt. Wir dachten, dass der Zug der um 9.45 gehen sollte, schon weg sei, aber er fuhr erst um 10.30 ab. Der Bahnhof [im Norden von Shanghai] ist sehr schön und modern angelegt und liegt inmitten von Blumenanlagen und Wiesen. Eine Menge Europäer 117 Veranstalter war der 1848 gegründete Shanghai Regatta Club. Urspünglich fanden die Rennen am Huangpu-Fluss 黄浦江 in Stadtnähe statt, wegen des hohen Verkehrsaufkommens wurden die Veranstaltungen ab 1906 weiter stromaufwärts ins Landesinnere verlegt. Der Austragungsort befand sich am Qingyang-Hafen 青陽港 (青阳港) im Kreis Kunshan昆山 in einem Seitenarm zwischen dem Liu- und dem Wusong-Fluss, erreichbar mit der Bahn von Shanghai nach Suzhou 蘇州 (frdl. Mitteilung von Mag. Maja Fuchs, Univ. Wien, Fachbereichsbibliothek Ostasienwissenschaften, Sinologie).
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harren der Abfahrt des Zuges. Um 10.30 setzt er sich langsam in Bewegung und bald sind wir von Schanghai weg dem Inneren des Landes entgegen. Die Wagons sind sehr elegant eingerichtet, zu je zwei gepolsterten Bänken gehört ein kleiner Tisch, und bald kommen auch die Boys mit Bier, Limonade und Delikatessen. Da die Sonne heiß hernieder brannte und es sehr schwül war, tranken wir auch Bier und auch der Magen forderte seine Rechte. Natürlich versäumen wir dabei nicht, uns auch die Gegend, durch die wir rasen, zu betrachten. Es ist aber sehr uninteressant. Wiesen, Wiesen und überall so weit man sieht Wiesen und hier und da ein gelber Ackerstreifen. Endlich ein kleines chinesisches Dorf, ganz aus Lehmhäusern erbaut, aus denen die Armut herausschaut. Greise und Kinder lagern vor den Hütten, während arbeitsfähige Männer und Frauen in den Wiesen arbeiten oder den Acker bestellen. An einer Stelle werden Reisähren ausgedroschen. Männer und Frauen – fast unbekleidet, nur mit Fetzen bedeckt und den großen Strohhüten. Die Weiber, von denen viele nach der alten Sitte gemäß nur 10 cm große Füße haben und wie auf Stelzen gehen, arbeiten sehr schwer, da sie nicht volle Bewegungsfreiheit der Füße haben. Langsam ändert sich auch die eintönige Wiesenlandschaft und es treten an ihrer statt Korn- und Reisfelder, die Haupterwerbszweige der Landbevölkerung. Kleine Niederlassungen links und rechts der Bahnlinie. Die Reisfelder sind alle mit Wassergräben durchzogen, um in der trockenen Sommerzeit die Felder von den Flussarmen des Jangtse zu tränken. Diese Wassergräben bilden ein sehr kompliziertes Netz, sodass auch die entfernten Felder nicht ohne Wasser bleiben. Eine weitere Eigentümlichkeit, die den Anblick nicht besonders verschönert, sind die vielen Särge, die auf den Feldern stehen. Der chinesischen Sitte gemäß werden die Särge der verstorbenen Landleute von der Familie auf die nächsten Äcker gestellt, in der Meinung, dass die Seele des Toten den Boden fruchtbar machen würde. Weiters denkt der Chinese bestimmt an die Wiederkehr der Seele, aber in anderer Gestalt, als irgend ein Erdentier. So sieht man auf den Äckern oft 5 bis 8, ja manchmal auch bis zu 20 Särge stehen, nicht etwa geordnet, sondern ganz durcheinander, einer da, einer dort. Hier harren diese Hüllen menschlicher Überreste ihrer Verwesung, was allerdings Jahrzehnte dauern mag, da das Holz wohl 12–14 cm stark ist und so gebeizt wird, dass es gegen Natureinflüsse widerstandsfähig wird. Reiche Chinesen lassen sich verbrennen und ihre Urne wird in unterirdischen Grüften beigesetzt, sodass man an der Oberfläche kleine Steinbauten sieht. Nun kommt eine kleine Station und nach 1 Minute Aufenthalt geht die Fahrt weiter. Im Hintergrund wurden Bäume sichtbar und nachdem noch eine große Ebene durchfahren war, gewahrte ich eine Menge Flaggen wehen. Es sind dies die Flaggen, die auf den der Regatta zusehenden Besitzer der Boote
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gehisst sind. Noch über eine große Brücke, unter der der Flussarm durchgeht. Halt ! Alles aussteigen.118 Über die Böschung hinunter und man ist am Wasser, in dem viele Boote liegen. Am linken Ufer sind Tribünen aufgestellt und auch die Kapelle des amerikanischen Kreuzers Saratoga spielt flotte Weisen. Wohl gegen 300 Herren und Damen sind hier und auch in den vielen Hausbooten ist reges Leben. Flaggenschmuck überall. Zuerst findet eine Regatta von Civilisten in 5–8sitzigen Gleitbooten statt, in der jedes Boot allein fährt und nur die Ruderschläge gezählt werden bis zum Ziel. Welches Boot am wenigsten Schläge oder Tempo macht, ist der Sieger. Ich schau eine zeitlang zu, da aber bis zur großen Regatta noch 1 Stunde Zeit ist, gehe ich in das in einer großen Baracke errichtete amerikanische Restaurant und bestelle ein Mittagsmahl. Suppe, Braten, Huhn mit Gemüse, Torte und Erdbeeren mit Obersschaum, alles um circa 3 Kr., sättigte mich vollauf und bei einer Flasche Bier wartete ich in dem gemütlichen Saale auf das Glockenzeichen. Endlich nach 1h ertönte dieses und ich eilte an den Fluss, mir einen günstigen Platz zu suchen, um den Endspurt gut zu sehen. Von der Tribüne auf die andere Seite des Wassers führt in 5 m Höhe eine Schnur. Dort steht ein Tender mit den Kommissionsmitgliedern, die aus Offizieren der vertretenen Mächten bestehen. Nun fährt der Tender ab, um zum Start flussaufwärts zu kommen und die Strecke von Zivilbooten frei zu machen. Der Tender kam bald zurück und nun wurde ein Schuss abgegeben. Der wurde am Starte durch Schalltrichter gehört und die Boote wurden abgelassen. Die Internationale Regatta 1914 hatte begonnen. Da die Strecke ein Knie macht, kann man den Verlauf des Rennens nicht verfolgen, erst ca 500 Schritt vor dem Ziele wird die Strecke gerade und alles blickt dorthin, bis die erste Flagge erschiene und welche es sei. Man fühlte und sah die Spannung, die sich des Publikums bemächtigt hatte, und die mehr stieg, als man weit oben die Leute laufen sah. Also, die Boote mussten dort kommen. Endlich gegen ½ 2 kam das erste Boot und die amerikanische Freiheitsflagge, das Sternenbanner, wehte lustig im Winde. In rasender Eile durchfuhr das Boot mit 16 Mann die Schnur und am Tender wurde im selben Moment ein Schuss abgegeben. Eine Bootlänge rechts rückwärts kam das italienische Boot, das einem wirklichen Rennboote glich, und wieder ½ Länge zurück ganz bei den Hausbooten vorbei unser Boot. Zuletzt weit zurück kam der Franzose. Als die Amerikaner angekommen waren, fuhr ein Motorboot hin, und ein 3faches »Hipp, hipp, 118 Makoviz nennt den Ort im Vorfallenheitsbericht Hen[g]li, sinisiert 亨利 oder 恒力. Es handelt sich aber nicht um einen bodenständigen Ortsnamen, sondern um den an der Themse liegenden englischen Ort Henley. Nach Henley-on-Thames (bekannt für Bootsrennen) wurde die Veranstaltung bei Shanghai auch Henli Regatta genannt (frdl. Mitteilung von Mag. Maja Fuchs, s. Anm. 121).
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hurra !« erschallte über den ganzen Festplatz. Leider fiel einer der sehnigen Ruderer in Ohnmacht durch die übergroße Anstrengung. Wir waren natürlich sehr enttäuscht, dass nicht unser Boot gewann, wie allgemein vorausgesetzt wurde, aber unser Boot, das sich in die Nähe des Landes hielt, kam bei einer Kurve auf Sand und wurde dabei von dem Amerikaner überholt. Der Italiener wurde nur durch sein Boot Zweiter. Es war nämlich festgesetzt, es dürfen nur gewöhnliche Schiffskutter verwendet werden, der Italiener aber gebrauchte ein Rennboot, das um die Hälfte leichter war als unseres und die anderen Boote. Außerdem hatten unsere Leute es versäumt, seit der Ausscheidungsregatta das Boot an Land zu ziehen und trocknen zu lassen. Dadurch wurde das Boot natürlich bedeutend beschwert. Trotzdem wir nur den 3ten Preis erlangten, wurde doch von den anderen Nationalitäten uns gratuliert und der 2te Preis zuerkannt.119 Die 16 Mann waren natürlich in Schweiß gebadet und ganz ermattet. Die Sonne brannte heiß hernieder, sodass wenn man stand, einem der Schweiß aus den Poren trat, aber erst wenn man sich vorausbewegt. – Die Regatta war zu Ende, und der silberne Pokal, den 2 Jahre nacheinander Österreich gewann, ging in den Besitz der Amerikaner für 1 Jahr über.120 Aber »aufgeschoben ist nicht aufgehoben«. Wir mussten nun eine lange Wanderung antreten und fast alle Zuschauer strömten der Bahnstrecke entlang 1 ½ Stunden lang ins Innere Chinas bis zur nächsten Bahnstation, da dort der Zug hielt, bei dem Regatta-Platz aber nicht. In Schweiß gebadet langten wir endlich in dem kleinen Nest an, und mussten hier noch 1 ½ Stunden warten bis der Zug einlief. Alles war froh als man sich wieder in den Wagons setzen konnte und Schanghai entgegenfuhr, das wir um 5h erreichten. Der erste Weg war natürlich zu Rickshaws, uns in die Wiener Bäckerei fahren zu lassen, und dort ein erfrischendes Gefrorenes einnahmen. Um 7h gingen wir zum Deutschen Haag, wo wir das Abendmahl einnahmen, und uns wie gewöhnlich sehr gut unterhielten. 3. Juni, Mittwoch. Flaggengala für England. 5. Juni, Freitag. Flaggengala für Italien. 7. Juni, Samstag. Nachdem nun die Arbeiten nach Tag- und Nachtschichten von den Chinesen zufriedenstellend beendet worden waren, hätte heute um ½ 10h a.m. Ankerstation sein sollen. Kurz bevor aber der Lotse an Bord 119 Das Siegerboot war vom amerikanischen Kreuzer Galveston, gefolgt vom Boot des Italieners Marco Polo. Einen offiziellen Preis gab es nicht, »nur« die Ehre. Die Bemannung des österreichischen Kutters wurde jedoch auf der Kaiserin Elisabeth mit Geldpreisen bedacht. 120 Beide Male – 1912 und 1913 – wurde das Siegerboot von den Matrosen des Kreuzers Kaiser Franz Joseph gerudert, jenem Schiff, das die Elisabeth am 15. Oktober 1913 in Zhifu abgelöst hatte. Veranstaltet wurde das jährliche Wettrudern der Kriegsboote vom Shanghai Rowing Club. Die Strecke war zwei englische Meilen (3219 m) lang.
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kam, erfolgte eine heftige Detonation und das ganze Deck hüllte sich in eine Rauchwolke. Ich war in der Dampfbarke, die gerade gehisst worden war, und ich dachte einen Moment, ich würde in die Luft geschleudert. Aber es war mir nichts geschehen, nur ganz von Rauch umgeben. Ich stieg eiligst unter Deck und da Alarm geläutet und geblasen wurde, musste ich auf Brandalarmstation eilen. Als ich die Detonation und den Luftdruck vernahm, hatte ich den Eindruck, dass ein Sicherheitsventil der Kessel, welche neu eingestellt worden waren, in die Luft gegangen sei und in den unteren Räumen eine Katastrophe stattgefunden habe. Aber es war nicht so schlimm, ich erfuhr gleich, dass im Backofen, der in Jokohama repariert worden war, wieder 3 Rohre geborsten waren, wieder 3 alte und die Explosion hervorgerufen hatten. In wenigen Minuten war das Feuer gelöscht, nachdem allerdings die Mehl- und Brotvorräte für einige Tage vernichtet waren. Ein Mann war verletzt worden, der Ofen gänzlich auseinander gerissen, und eine Türe eingehaut. Nun musste erst Brot aus Schanghai beschafft werden, da aber nicht so viel zu bekommen war, fuhren wir um ½ 11h a.m. ab. Der Lotse war gekommen. Wir mussten uns erst um unsere eigene Achse drehen, bevor wir die Flussrichtung hatten, was aber sehr lang dauerte, da immer wieder Dampfer knapp vorbeifuhren und in dem schmalen Flusse wenig Platz ist. Der letzte Dampfer, der in 5 m Entfernung bei uns ankerte, war der österreichische Handelsdampfer Erzherzog Franz Ferdinand.121 Tücher wurden hier und dort geschwenkt und der Kommandant rief hinüber : »Grüße von uns, an ganz Österreich.« Majestätisch fuhr der große Dampfer vorbei und in einem Jahr werden ja wir auch diesen Kurs nehmen. Nun vollendeten auch wir unsere Wendung und mit 12–13 Meilen ging es den Jang-tse-kiang abwärts. Man sagt immer Jang-tse, obwohl man nur in einem Nebenfluss dieses großen Flusses fährt, nämlich dem Wangpu [Huangpu]122 in dem 12 Meilen stromaufwärts Schanghai liegt. Während dieser Fahrt durch die eintönigen Ebenen muss ich wieder an Japan denken. Die beiden Länder sind, obwohl sie in Europa in einem genannt werden, doch grund verschieden. Trotz des zum Teile gemeinsamen Blutes und trotz der ähnlichen religiösen Verhältnisse, haben sie große Unterschiede. Der Japaner 121 Der Lloyd-Dampfer Erzherzog Franz Ferdinand (Stapellauf Triest 1899, 6046 t) gehörte zu den größten Schiffen der Triestiner Reederei und war eigens für den Waren- und Passagiertransport nach und von Ostasien bestimmt (Bürger 1901, S. 16–20) ; nach Kriegsausbruch fiel das Schiff in die Hände der Engländer. 122 Der 97 km lange Huangpu-Fluss (黄浦江, wörtlich Fluss »mit gelbem Ufer«) ist die wichtigste Wasserader zwischen der Stadt Shanghai und der Mündung in den Jangtsekiang, der dann ins offene Meer führt. Am linken Ufer liegt der sogen. Bund, an dem seinerzeit die Ausländer siedelten.
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impulsiv, tapfer, eigentlich mehr lebhaft als begabt, von großer Vaterlandsliebe erfüllt, in fortschrittlichen Bestrebungen radikal, fast revolutionär, und politisch sehr unternehmend, Fremden gegenüber zuvorkommend und bescheiden. Die Chinesen, soweit man das überhaupt bei 400 Millionen feststellen kann, kalt berechnend, sehr intelligent, aber ohne Vaterlandsliebe, gegen den Fremden dünkelhaft und ablehnend. Auch die Länder selbst sind, soweit ich sah, gründlich voneinder verschieden. Das meerumgebene Japan mit seiner stets verschiedenen, aber doch schönen Landschaft, klein aber anziehend. Das ungeheure Chinesenreich mit seinen meist eintönigen Ebenen, kahlen Bergen, Riesenflüssen und Kanälen großartig, aber nicht anziehend, sondern eher abstoßend. Ganz besonders zeigt sich dieser Gegensatz, wenn man Japan und China kurz nacheinander besucht. Nach Nagasaki, wo man ringsum von grünen Bergen umgeben und unmittelbar auf die hohe See gelangt, berührt es doppelt unangenehm, meilenweit die schlammigen Fluten des Jang-tse hinaufzudampfen und kaum mehr als eine flache Uferlinie in weiter Ferne sieht. Erst an der Einfahrt in den Wangpu [Huangpu] bekommt die Gegend ein wenig Leben. Hier liegt der Ort Wusung [Wusong] am Zusammenfluss der beiden Flüsse. Es liegen hier ausgedehnte Forts, zum Teil modern gebaut und viele Handelsdschunken. – Um 12h fahren wir bei Wusung vorbei und kommen ins Delta, in dem wir bis 4h fahren, was man an dem schmutzigen Wasser erkennt. Um diese Zeit verließ der Lotse das Schiff. Wir steuerten nun nordwärts und kurz darauf gerieten wir in ein riesiges Fischernetz, und die herumfahrenden Chinesen in ihren Booten fingen an zu schreien. Aber es nützte nichts, wir waren schon darin und ein Stück hatte der Propeller erfasst. Langsam wurde zurückgearbeitet, Wendungen gemacht, und nach ½ Stunde waren wir wieder frei und es ging mit 10 Meilen bei sehr trübem Wetter gegen Ching-wang-tao [Qinhuangdao]. 8. Juni, Montag. Bei herrlichem Wetter und spiegelklarer See geht die Fahrt ohne erwähnenswerten Vorfall von sich. 9. Juni, [Dienstag]. Um 7h a.m. wird links Land sichtbar. Es ist ist dies jene Gegend, die wir bereits [am] 6. Oktober 1913 passiert haben. In zirka 15 Meilen Entfernung fahren wir vorbei. Erst um 6h Abend kommen wir der Küste näher und um 7h wird der englische Kriegshafen Weih-hai-wei passiert.123 Um 12h Nacht fahren wir durch die Straße von Pe-tschi[li], umfahren die Südspitze von Korea [= Mandschurei] (Port Arthur). 10. Juni, Mittwoch. Bei noch immer prachtvollem Wetter und in unmittelbarer Nähe des Landes wird die Fahrt fortgesetzt. Um 10h a.m. fahren an uns drei 123 Weihaiwei 威海衛, heute Weihai 威海, Hafenstadt im Nordosten der Provinz Shandong ; britisches Pachtgebiet von 1898 bis 1930.
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chinesische kleine Kreuzer vorbei und um ½ 11h kommt Ching-wang-tao [Qinhuangdao] in Sicht.124 Hier ist auch der französische Kreuzer Dupleix vor Anker.125 Um 11h Ankerstation. Nachmittag kommt noch ein chinesischer Kreuzer [Haiqi 海圻] und am Abend ein kleiner japanischer Kreuzer [Akashi].126 14. Juni, Sonntag. Ritt zur chinesischen Mauer. […]127 22. Juni, [Montag]. 6h a.m. verlassen wir wieder den elenden Hafen. Bei herrlichem Wetter und ruhiger See, die allerdings in der Nacht zum 23. etwas bewegter wird, setzen wir die Fahrt fort. 23. Juni, [Dienstag]. In unmittelbarer Nähe der felsigen Küste Chinas fahren wir südwärts. Um 5h Abend laufen wir zwischen den Vorinseln hindurch in Chefoo [Zhifu] ein, wo drei amerikanische und ein chinesisches Kriegsschiff [Kreuzer Haiqi] stehen. 27. Juni, [Samstag]. 6h a.m. verlassen wir den Hafen, um die vorgeschriebenen kalibermäßigen scharfen Schießübungen der 15 cm Geschütze vorzunehmen. Die großen Scheiben werden ausgesetzt und nun fahren wir in 5–6 km Entfernung vor den zwei Scheiben auf und ab, während der Schall der Geschütze über das Meer hinausrollt. Ich denke mir, wie schön müsste es in einer wirklichen Seeschlacht sein, wo viel mehr Schüsse auf einmal abgegeben werden. Es wird bald eine Scheibe zertrümmert und überhaupt sehr gute Trefferresultate erzielt, was bei den alten Geschützen, die schon 1900 im Boxeraufstand gesprochen hatten, viel zu sagen hat. 75 % Treffer. Der Kommandant und Offiziere waren sehr zufrieden und natürlich auch die Geschützführer selbst, da von dem Resultate der Übungen die Beförderung und große Zulagen an Geld abhängig sind. 29. Juni, [Montag]. Um 12h Mittag bläst der Hornist »alle Mann antreten«. Binnen kurzem sammelt sich die gesamte Bemannung, Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften auf dem durch Sonnenzelte überdecktem Decke. Ich war im Dienste in der Dampfbarke und weil ich den Dienst nicht verlassen darf, so konnte ich natürlich nicht hinauf, aber ich erfuhr bald, was die Veranlassung zu 124 Qinhuangdao 秦皇島市 ; in dieser Stadt, seinerzeit ausländischer Vertragshafen am Golf von Bohai, hatte sich der Kreuzer schon zwischen 11. und 16. Oktober 1913 aufgehalten. 125 Panzerkreuzer, 7710 t, 506 Mann Besatzung. 126 Der geschützte Kreuzer Akashi「明石」 (2800 t, 275 Mann) hatte den Aufrag, den Leichnam des am 28. Mai in Peking verstorbenen japanischen Gesandten Yamaza Enjirō 山座円次郎 nach Japan zu bringen. Der chinesische Kreuzer Haiqi「海圻」 gab das Trauergeleit. 127 Die Tagebuchseiten 131 bis 134 blieben frei, vermutlich um die Ereignisse zwischen 15. und 21. Juni nachzutragen, was offensichtlich nicht geschah. Einige Leute der Schiffsbesatzung (u.a. Maschinenbetriebsleiter Johann Nekamm, Marinekurat Rudolf Hudecz und Marinekommissär 1. Klasse Johann Skušek) waren in diesen Tagen beim Marinedetachement in Peking und Tienstin).
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Abb. 19a: Eine von sechs 15 cm-Krupp-Kanonen (L/35) an Bord von S.M.S. Kaiserin Elisabeth, 1914. Abb. 19b: Geschützexerzieren an einer 15 cm-Krupp-Kanone an Bord von S.M.S. Kaiserin Elisabeth, 1914.
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der Versammlung war. Nachdem »Habt Acht« kommandiert war und Kappe ab ist, teilt der Kommandant in bewegten Worten den Versammelten mit, dass S. kaiserliche Hoheit, der Herr Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Gemahlin in Sarajewo erschossen worden sind. Die Stimmung an Bord war natürlich nach dieser Mitteilung eine sehr gedrückte, war doch der Erzherzog unser oberster Admiral und hatte schon oftmals die Flotte in Manövern geführt und ein Schöpfer unserer Marine, die Dank seiner Bestrebungen den Aufschwung, den die Flotte genommen hat, herbeigeführt hatte.128 1. Juli, [Mittwoch]. 2h an Land gegangen. Am Molo ist reger Verkehr zu und von den Handelsdampfern. In der europäischen Niederlassung, soweit man von einer solchen sprechen kann, obwohl dort auch viele Chinesen wohnen, herrscht eine große Ordnung. Je mehr man aber in das Innere der Stadt kommt, wird es bunter und schmutziger. Fast nackte Kulis schleppen auf Bambusstäben unter fortwährenden gleichmäßigen Rufen mächtige Warenballen, Esswarenverkäufer preisen ihre äußerst unappetitlichen chinesischen Leckerbissen an, und Schuhflicker, Wechsler, Barbiere und Schmiede, von Hunden umringt. Den Wohlstand sieht man durch tadellos weißgekleidete Kaufleute vertreten oder auch durch einen Mandarin im Seidenrock mit gelbgestickten Drachen. Armut und Elend sind aber viel mehr vertreten und Bettler mit Gebrechen aller Art belästigen vor allem den Fremden, dem sie mehr Mildtätigkeit zumuten als den eigenen Landsleuten. Der Kadaver eines Hundes mit aufgeschlitztem Bauche liegt mitten auf der Straße. Wir suchten bald aus diesem Elend herauszukommen. In dem reichen Kaufmannsviertel sieht es ganz hübsch aus. Die senkrecht herunter hängenden Schilder, die kunstvollen reich vergoldeten Holzschnitzereien der Häuserfronten, Läden mit allerlei buntem chinesischem Trödel sowie auch die Reinheit des Pflasters wirken sehr angenehm nach dem Schmutz in dem früher begangenen Viertel. Wir begegen nun auch einem Leichenzug. Gongschläge und eine ohrenzerreißende Musik verkünden denselben schon von weitem. Leute mit weißen Lampions führten ihn an. An die schlossen sich die Musikanten und die Träger von Tafeln mit Lobsprüchen über die Dienste des Verstorbenen an. Hierauf folgt der Sarg, von vier Männern getragen, und am Schlusse die Leidtragenden, nach dem Geschlechte geordnet, alle in den landesüblichen Trauerkostümen 128 Unter den an diesem Tag auf der Elisabeth eingegangenen Beileidstelegrammen war neben jenem von Meyer-Waldeck, dem Gouverneur von Tsingtau, sowie dem Kommandanten der Emden, auch eine telegraphische Beileidskundgebung des britischen Vize-Admirals Sir Martyn Jerram (1858–1933), Commander-in-Chief, China Station 1913–1915.
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aus weißer Leinwand. Während des Zuges durch die Straßen werden Kracher abgebrannt und Gold- und Silberpapier. Letzteres stellt ein Geldopfer für die Geisterwelt dar. Auch frisch gekochte Lebensmittel werden dem Verstorbenen nachgetragen, die, nachdem der Verstorbene zur letzten Ruhestätte gebracht ist, ihm nicht in das Grab mitgegeben werden, sondern von den Sargträgern und Musikanten verzehrt werden. Die Toten einer Stadt werden begraben wie bei uns am Friedhof, nur am Land bleiben die Särge auf den Äckern stehen, wie ich schon früher schrieb. – In einem japanischen Restaurant nahmen wir das Abendessen ein. 2. Juli, [Donnerstag]. Die amerikanischen Kreuzer Galveston und Cincinnati laufen ein.129 3. Juli, [Freitag]. Amerikanischer Kreuzer Saratoga kommt an.130 Abends das deutsche Kanonenboot Tiger. 5. Juli, Sonntag. Um 8h a.m. wird wieder an allen Schiffen große Flaggengala gehisst, da die Amerikaner ihr Freiheitsfest feiern.131 12h Mittag geben alle Schiffe einen Ehrensalut von 21 Schuss ab. 7. [= 6.] Juli, [Montag]. Montag. 9h a.m. Paradeaufstellung. 10h kommt unser Konsul132 samt Gemahlin an Bord. Hierauf beginnt im schwarz ausgeschmückten, auf Deck errichteten Altarzelt die hl. Seelenmesse für Erzherzog Franz Ferdinand.133 Die große Schiffsehrenflagge ist mit einer 2 m langen Trauerschleife behängt und »halbtopp«. Bei Beginn der Messe ein Schuss aus einer 7,8 cm Kanone, dem 3 Schüsse der anwesenden drei amerikanischen Kreuzer, und ein Schuss des chinesischen Schiffes, folgen. Diese Schiffe führen auch die Flagge »halbtopp« und am vorderen Maste die österreichische Kriegsflagge. Nach einer Minute wird bei uns wieder ein Schuß abgegeben, dem wieder 4 andere folgen und so fort, während die Messe ihren Lauf nimmt. Als der 21. Schuss abgegeben 129 Der geschützte Kreuzer USS Galveston (CL-19 ; Einsatzzeit 1905–1930, benannt nach einer Stadt in Texas) war vor dem I.WK zumeist in asiatischen Gewässern stationiert ; ebenso die USS Cincinnati (C-7), die entsprechend ihrer Dienstzeit von 1894 bis 1919 nur unwesentlich jünger war als die Kaiserin Elisabeth. 130 Es war das Flaggenschiff von Konteradmiral Walter Cleveland Cowles, der im Zuge eines Gegenbesuches an Bord der Kaiserin Elisabeth sein Beileid zum Tod des österreichischen Erzherzogs ausdrückte (Vorfallenheitsbericht von Kdt. Makoviz, ÖStA, KA, Marine, K 362/V 2/3, Tsingtau 31.7.1914, Nr. 132). 131 In den USA ist es entsprechend der 4. Juli. 132 Maximilian Freiherr von Babo ; erwähnt auch beim Besuch der Elisabeth in Zhifu am 20. und 27. Oktober (s. Anm. 23). 133 Auf Anweisung der Marinesektion des k. u. k. Kriegsministeriums hätte die Trauerfeier am 4. Juli abgehalten werden sollen, wurde aber wegen des Festes der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der großen Anzahl amerikanischer Schiffe im Hafen auf den 6. Juli verschoben.
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war, war auch die Messe zu Ende. Die Musik, die während der Messe traurige Weisen gespielt hatte, setzte nun mit der Volkshymne ein, und wohl jeder hegte mehr denn je den Wunsch : »Gott erhalte unsern Kaiser«. Dem Konsul, ein Mann von ungefähr 45 Jahren und seiner Frau traten die Tränen in die Augen, als sie die Volkshymne unter so traurigen Umständen, wohl das erste Mal nach langen Jahren wieder hörten. Jeder war gerührt, als die Hymne hier am Gestade Ost-Asiens den Schluss der Trauerfeier gebildet hatte. Als die Musik fertig war, wurden wieder von uns und den anderen Schiffen je 21 Schüsse abgegeben, also 105 Schuss in einer Folge. 8. [= 7.] Juli, Dienstag. 6h a.m. ausgelaufen. Es werden vor Chefoo TorpedoLancierungen vorgenommen, die sämtlich treffen. Die Torpedos sausen durchs Wasser, einen kleinen Tauchstreifen hinterlassend, und wenn die Maschinerie ausgearbeitet hat, kommt es an die Oberfläche und eine kleine Charbidflamme zeigt an, wo der Torpedo liegt. Nun muss derselbe gefischt werden, was Sache der Dampfbarke ist. Mit ganzer Kraft muss ich in der Richtung des abgefeuerten Torpedos fahren, bis derselbe gefunden ist. Dann wird der Torpedo an Bord geführt und gehisst. Da um 10h die vorgeschriebene Übung beendet war, wurden 150 Mann in die Boote geschickt. Auf die zwei Dampfbarken und die drei Boote wurde je ein 7,8 cm Geschütz gestellt und die Bemannung mit Gewehren versehen. Zwei Scheiben wurden ausgesetzt. Die Elisabeth fuhr zurück nach Chefoo. Wir aber fuhren mit den Leuten zum Schießen von Booten aus. Die drei Boote wurden zwischen die beiden Dampfbarken genommen und geschleppt bis auf 3000 m Distanz von den Scheiben. Dann begann das Schießen von den Booten mit den Geschützen. Scharfe Ladung, Schrapnellfeuer. Bei jedem Schuss sprangen die leichten Boote 2 bis 3 m zurück und mit unseren Maschinen mussten wir die Boote wieder vorziehen. Aber erst als die Kanonen, die auf der Dampfbarke am Bug aufgestellt sind, zu feuern begannen, glaubte ich der Kessel müsse springen und musste alle möglichen Sichheitsmaßregeln treffen. Den Heizer schickte ich in ein Boot und die Offiziere forderte ich auf, sich zu ducken und nicht über den Kessel hinweg nach vorne zu sehen. Ich musste natürlich dabei bleiben und fühlte mich während der 14 Schüsse bereits als verbrüht am Meeresgrunde. Aber es geschah an Kessel und Maschine nichts, außer dass sich einige Schrauben lösten und ein wenig Dampf durchließen, sodass es an einigen Stellen pfauchte. Aber das Deck der Barke war vorne aufgerissen und die Planken hatten Fugen bekommen, sodass Gefahr war, dass Wasser in die Barke eindringen würde. Ich musste daher alle 5 Minuten alles untersuchen, aber es fand sich nichts. Das Boot, das bereits 24 Jahre alt ist, hatte diesmal noch gehalten. Nun ging es mit ganzer Maschinenkraft, die Boote im Schlepp, nach Chefoo, wo wir um 2h Nachmittag unter den sengenden Sonnenstrahlen anka-
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men, wo ich an Bord gleich ein kaltes Bad nahm, da ich von der Sonnenhitze, der Aufregung des Dienstes und der Maschinenhitze sehr matt geworden war. – Gleichzeitig mit uns fuhren 6 amerikanische Zerstörer und ein Proviantschiff in Chefoo ein. Die amerikanischen Boote waren von den Philippinen gekommen, um an dem Freiheitsfest teilzunehmen, waren unterwegs aber von schwerem Wetter überrascht worden und deshalb zu spät gekommen. 9. [= 8.] Juli, Donnerstag. Von 7h a.m. angefangen kreuzen wir wieder vor Chefoo, um Schießübungen mit Schrapnells vorzunehmen, welche wieder mit gutem Erfolge absolviert wurden. Es ist schön anzusehen, wenn die Geschoße in zirka 20 m Höhe explodieren, eine kleine Rauchwolke hinterlassend, und die Eisenteile in ungefähr 9 m2 breiter Front ins Wasser sausen, die Scheiben durchlöchern und die unzähligen kleinen Wassergarben emporfahren. Um 5h ist die Übung beendet und wir kehren in den Hafen zurück. – Das amerikanische Transportschiff Pompey,134 das Proviant für die amerikanische Flotte bringt, läuft ein. 10. Juli, Freitag. Früh morgens verlassen wir wieder den Hafen bei herrlichem Wetter zu Schießübungen. Mittag von 12–1h ist Rast und das Schiff steht völlig still, da gar keine Strömung ist. Um ½ 2h Uhr nimmt die Übung ihren weiteren Verlauf. Aber um 4h kommt fast plötzlich ein dichter Nebel. Da die Dampfbarke die Scheibe zieht und bald nicht mehr sichtbar ist, muss sehr vorsichtig gefahren werden, um ein Unglück zu verhüten. Weiters sind wir auch in unmittelbarer Nähe des Landes. Um die Dampfbarke zu finden, wird oftmals mit der Sirene gepfiffen, bis man auch den Ton der Pfeife der Barke hört. Endlich taucht aus dem sich wieder langsam verziehenden Nebel die Barke rechts vorne auf und nun bleiben wir stehen, bis sich der Nebel wieder verzogen hatte. Ebenso schnell als er gekommen, verschwand er auch wieder. Nun fuhren wir wieder in den Hafen zurück. 11. Juli, Samstag. Um 8h Abend fahren wir wieder aus Chefoo [Zhifu] hinaus und nehmen bei Projektorenschein die Schießübungen wieder auf. In dunkler Nacht schießen die Feuersäulen aus den Kanonenrohren hinaus, und nach Sekunden sieht man das Geschoß bei der beleuchteten Scheibe ins Wasser schlagen, und ein weißer Wasserstrahl steigt für Momente über die Wasserfläche, um alsbald zurückzufallen. Anstatt schlafen zu gehen, was man trotz des Geschützdonners ganz gut kann, zog ich es vor bis 2h a.m. auf Deck zu bleiben und zuzusehen. Um ½ 3h a.m. ankerten wir wieder in Chefoo. 134 Das Auxiliarschiff Pompey (AF-5 ; 3085 engl. t) wird im Almanach für die k. u. k. Kriegsmarine 1913 als Mutterschiff für Unterseeboote geführt (S. 495) ; das seit 1898 im Einsatz stehende Schiff diente nach amerikanischen Quellen seit 1911 als Tender einer aus fünf Zerstörern bestehenden Torpedoflotte zum Schutz der amerikanischen Interessen in Asien.
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12. Juli, Sonntag. Der degradierte Maschinengast [Franz] Marikio ist vom
Landgange nicht mehr eingerückt und höchstwahrscheinlich mit einem amerikanischen Handelsdampfer nach Amerika gefahren. Es ist Desertion und darf sein Leben lang nicht nach Österreich zurückkommen.135 14. [= 13.] Juli, Montag. Nachmittag findet wieder eine Lancierfahrt statt, wonach sich wieder eine interessante Nachtübung anschließt, wobei mit 7,8 cm Kanonen geschossen wird, bis um 12h nachts wieder Chefoo erreicht ist. 15. [= 14.] Juli, Dienstag. Vormittag um 9h fahre ich mit einigen Kollegen an Land, wo wir in den warmen Fluten am Strande von Chefoo bis 11h Vormittag baden. Nachmittag fahre ich wieder in einem Ruderboot an den Strand, wo ich bis 6h abends, teils im Wasser, teils am Strande im heißen Sand liegend, bleibe, was einem ordentlich wohl tut, nach den heißen Tagen, die bis jetzt gewesen sind. Abends gehe ich in die Stadt und nehme in einem deutschen Restaurant mein Abendmahl ein. 15. Juli, Mittwoch. Bin heute wieder zu 24stündigem Dienste in der Dampfbarke, und nach den gestrigen kühlen Bädern empfinde ich heute umso stärker die Hitze, aber ich vertröste mich auf morgen, wenn ich wieder 24 Stunden frei bin. Nachmittag setzt kräftiger Seegang ein, wie das in Chefoo [Zhifu] so häufig ist, und ich habe natürlich die ganze Nacht keine ruhige Minute, sondern die Barke fliegt von einer Seite zur andern, hinauf und hinunter, sodass einem ganz anders zumute wird. Aber endlich ist der Morgen da, der andere Unteroffizier kommt und löst mich um 7h a.m. ab, und ich bin natürlich froh, dass ich erlöst bin. Ein Bad wird genommen, dann lege ich mich schlafen.136
135 Die Degradierung erwähnt Kirchner am 17. Nov. 1913 ; Marikio muss allerdings später doch zurückgekommen sein, weil er als Kriegsgefangener in Japan gelistet ist. Ein noch niedrigerer Rang als Matrose 4. Klasse war für ihn nicht mehr zu befürchten, nur noch Bordarrest. Möglicherweise ist dem Tagebuchschreiber jedoch ein Irrtum passiert. Denn Linienschiffskapitän Makoviz erwähnt in seinem Vorfallenheitsbericht vom 15. Juli 1914 aus Zhifu (Nr. 108, 1.–15. Juli), dass der Maschinenmatrose Meřička vom bewilligten Landgange am 12. Juli nicht eingerückt ist ; »das k. u. k. Konsulat ist hievon verständigt«. Dieser Name findet sich nicht in der Kriegsgefangenenliste. 136 Die Tage zwischen 16. und 19. Juli werden im Tagebuch offensichtlich übersprungen. Es sind die Tage der Unsicherheit, welche Aufgabe die Kaiserin Elisabeth nach der Ermordnung des Thronfolgers in Fernost übernehmen wird.
Abb. 20: Tagebuch, Band 2.
Erinnerungen an die Teilnahme an den Kämpfen um den deutschen Flottenstützpunkt in Ost-Asien,
Tsingtau, mit S.M.S. Kaiserin Elisabeth und die darauffolgende Kriegsgefangenschaft in Japan. Vom 20. Juli 1914.
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Abb. 21: Tagebuch, Band 2 (»Kriegs-Tage-Buch«). »Mit vereinten Kräften, Ward das Schwerste oft vollbracht.«
II
Mit der Liesl in Tsingtau Japan und Österreich-Ungarn im Krieg
20. Juli, Montag. Während wir Maschinen-Unteroffiziere uns nach dem Mit-
tagessen auf Deck begeben hatten, um vorne am Freideck unter den Sonnenzelten ein Stündchen zu schlafen, und ich meine Zeitung eben beginne zu lesen, die mir jeden Tag die Nachrichten aus Graz bringt, kommt um ½ 1h Mittag das Telegramm aus Wien, dass sich das Schiff sofort in beschleunigter und gesicherter Fahrt nach dem deutschen Ostsee-Kriegshafen Tsingtau zu begeben habe. Nun war natürlich keine Ruhe mehr am Schiff. Die Maschinen mussten dampfklar gemacht werden und die Deckmannschaften das Schiff seeklar machen. Da ich erst um 4h in Dienst gehen musste, verblieb ich noch auf Deck und unterhielt mich mit Kollegen über die Lage. Unser aller Wunsch, dass es endlich einmal losgehen würde, wurde eifrig besprochen, und die wenigen, die daran zweifelten, wurden bald ruhig. Als zur allgemeinen Freude um 2h das Telegramm eintraf, welches die Mobilisierung in Österreich-Ungarn anzeigte. Nun wurde auch das Schiff »gefechtsklar« gemacht, d. h. Zelte, Zeltstangen, Reeling, Brückenverkleidungen etc. etc. wurden abmontiert und versorgt, Geschütze hergerichtet, und bei den kleinen Kanonen, die bis jetzt ohne Schutzschilde waren, wurden solche angebracht. Unser Herr Kommandant, Linienschiffskapitän Richard v. Markovez [= Makoviz], fuhr indessen an Land zum Konsul [Baron Babo], sodann auf das amerikanische Admiralsschiff Cincinnati,1 das noch im Hafen mit den amerikanischen Torpedobootzerstörern anwesend war, um sich zu verabschieden. Der amerikanische Admiral,2 welcher auf sehr gutem Fuße mit unserem Kommandanten war, bot ihm eine Menge Fleisch von seinem Transportschiffe an, sowie auch zwei Zerstörer zu unserer Begleitung, um vor russischen oder englischen Angriffen sicher zu sein, da man nicht wusste, ob nicht diese Staaten auch schon etwas gegen uns unternahmen. Unser Kommandant dankte aber für alles und antwortete, wie später bekannt wurde : »Wir werden zu kämpfen und zu sterben wissen.« 1 USS Cincinnati (C-7), ein seit 1894 im Einsatz stehender geschützter Kreuzer (3183 t, 307 Mann Besatzung), ähnlich alt wie S.M.S. Kaiserin Elisabeth ; in Fernost (Asiatic Station) 1903/1907 und 1911/1917. 2 Rear Admiral Walter C. Cowles (1853–1917) kommandierte die United States Asiatic Fleet vom 3. Mai 1914 bis 9. Juli 1915.
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Mit der Liesl in Tsingtau
Abb. 22: Turnen an Bord S.M.S. Kaiserin Elisabeth in Chefoo [Zhifu 芝罘, heute Yantai 烟台], als die Nachricht vom Konflikt zwischen der Monarchie und Serbien eintraf.
Um 9h abends verließen wir den Hafen Chefoo [Zhifu] und mit 12 Meilen Fahrt gings hinaus in die schwarze See. Ein fürchterliches Gewitter geht nieder, der Wind peitscht die See auf und das Schiff kämpft sich seinen Weg durch die Wogen. Es war, als wollte uns Gott vor Augen halten, dass wir auch mit menschlichen und technischen Elementen noch einen schweren Kampf durchzumachen haben werden. Aber trotz diesen Gedanken, und eben wegen denselben, waren wir alle guter Laune und jeder tat seine Pflicht eifriger denn je. 21. Juli, Dienstag. Durch diese Abberufung von Chefoo war natürlich unser ganzes Reiseprogramm, das bis November schon festgesetzt war und uns nach Korea und dann 3 Monate nach Japan bringen sollte, ins Wasser gefallen. Aber obwohl uns dadurch viel Schönes entging, trösteten wir uns damit, dass wir ja nicht ins Ausland gekommen sind, um Schönes zu sehen, sondern um die Interessen und Angehörige Österreichs zu schützen, wenn not mit bewaffneter Hand. Und wirklich gibt es ja nichts Schöneres und Erhabeneres als den Kampf mit Kanonen, natürlich hauptsächlich für junge Leute, meine Meinung war wenigstens immer so, und leider ging es 1912 nicht los, wo ich damals noch am ersten Schlachtschiffe, dem Platze des kommandierenden Admirals war.3 Damals 3 Konteradmiral Eugen Ritter von Chmelarž (1856–1945), Sept. 1912 Kdt. der Eskader Levante,
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mussten wir drei Monate tatenlos zusehen und nur die Küste Montenegros und Albaniens blockieren. Aber diesmal wird’s hoffentlich ernst. Die Fahrt verläuft bei herrlichem Wetter und tropenähnlicher Hitze, immer in Sichtweite des Landes. Um 11h Mittag wird begonnen mit 14 Meilen (28 km) zu fahren, und mit dieser ungewohnten Geschwindigkeit, auf die wir Maschinisten natürlich stolz sind, machte das Schiff dem Namen Torpedokreuzer alle Ehre. Das ganze Schiff bebte durch das schnelle Arbeiten der alten Maschinen, aber es ging alles über Erwarten gut und am ganzen Schiff wurde über die Leistungen der Maschine gesprochen ; um eine Havarie in der Maschine durch Heißlaufen zu vermeiden, wurden allerdings in 4 Stunden 135 kg Öl gebraucht. Obwohl nur etwas »tote« See war, spritzte der weiße Schaum des durch die schnelle Fahrt aufgepeitschten Wassers bis auf Deck. Ich lag Nachmittag vorne am Freideck, die Sonne brannte heiß hernieder, aber zur Abkühlung kam häufig ein Spritzer Seewasser herauf, was sehr angenehn war. – Um 3h wurden hinter uns 2 kleine Rauchsäulen sichtbar. Man war allgemein der Meinung, dass es der russische Kreuzer Askold sei,4 der in diesen Gewässern kreuzte und uns jedenfalls nicht gut gesinnt war. Die Rauchwolken kamen immer näher und bald erkannte man auch, dass es sich um Torpedoboote handeln müsse. Durch Radiotelegraphie meldeten sich aber nun die 2 Boote selbst als Amerikaner, die der amerikanische Admiral trotz der Ablehnung von Seiten unseres Kommandanten nachgesandt hatte. Die 2 Boote blieben nun in der gleichen Entfernung (sicher 10 km) hinter uns, bis wir um 4h in die Bucht von Tsingtau kamen. Dort erst kehrten sie um und waren bald unseren Augen entschwunden. Wild zerklüftete Gebirge ziehen rechts hin und erinnern an die dalmatinische Küste. Bald gehen aber diese Gebirge, die Prinz Heinrich Berge, in grüne Hügel über.5 Es ist hier der Beginn des deutschen Schutzgebietes in Ostasien, Kiautschou. Nach und nach werden Schornsteine sichtbar und an den Hügeln blendend weiße Villen mit roten Dächern. Auf den ersten Blick sieht man, dass es eine Niederlassung einer zivilisierten Nation ist. Ich kann fast nicht glauben, dass ich in Asien bin, als immer mehr Villen auf den näherkommenden Hügeln erstanden. Um 5h langten wir vor Tsingtau ein. Die deutsche Kriegsflagge weht auf einem Masten auf einem Hügel, fast inmitten der Sadt. Im Angesicht derselben wird langsam gefahren und 21 Salutschüsse für Deutschland abgegeben. Ein wahres Gefühl der Freude bemächtigte sich aller nach dem hässlichen schmutDez. 1912 Kdt. des I. Geschwaders mit der I. Division. Das Flaggenschiff war die Erzherzog Franz Ferdinand (14.500 t, in Dienst gestellt Juni 1910). 4 Geschützter Kreuzer Askold (Аскольд) ; s. Anm. 70. 5 Benannt nach Admiral Prinz Heinrich von Preußen (1862–1929), dem jüngeren Bruder von Kaiser Wilhelm II.; chines. 浮山 Fushan-Berg(e).
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zigen Chefoo [Zhifu] die ganze europäische Villenstadt zu sehen. Rings gegen Norden und Osten ist sie von kleinen grünen Hügeln eingeschlossen, auf denen schöne Gartenanlagen zu sehen sind, aber auch zahlreiche kleinere und größere Geschütze sieht man auf den Abhängen gegen See zu aufgestellt. Von einem dieser Geschütze wird auch unser Salut erwidert, während am Signalmasten die österreichische Flagge geführt wird. Neben dem Signalberg steht noch ein Hügel, auf dem das Schloss des Gouverneurs des Schutzgebietes liegt. Weit ins Meer hinaus blickt dieser schöne Bau, der mit einem Kostenaufwand von 600.000 Mark erbaut wurde. Am Strande entlang sieht man eine herrlich angelegte Riva [Uferpromenade], ein Denkmal und auch zahlreiche Badehäuschen. Während dem kommen in einem schmucken Boot der Lotse und zwei deutsche Marineoffiziere an Bord. Die Stadt ist nun passiert, danach umrunden wir den südlichsten Ausläufer unseres Zieles. Ein Leuchtturm steht an der äußersten Spitze der Halbinsel, vier kleine Geschütze sind zur Verteidigung der knappen Einfahrt bestimmt. Um die Spitze herum kommen wir auf die andere Seite der Stadt, die auf einer Halbinsel erbaut ist und dieselbe der ganzen Breite nach einnimmt in ungefähr 4 km Ausdehnung. S.M.S. Emden liegt hier verankert. Während wir vorbeifahren und die Schiffsbesatzung in »Habt Acht« auf Deck aufgestellt ist, spielt die deutsche Schiffskapelle auf der Emden die österreichische Volkshymne. Um 6h ankern wir ungefähr 100 m vom Lande, sodass wir eine sehr schöne Aussicht haben und beinahe in die Fenster der gegenüberliegenden Häuser sehen können. Im Hintergrunde die freundlichen kleinen Hügel mit den im Giebelstile erbauten Häusern und noch weiter hinten die grauen Gebirge. Sobald die Anker am Grunde sind, werden noch 21 Schuss Salut für den Gouverneur, Sr. Exzellenz Kapitän zur See Meyer von Waldeck, abgegeben. Kurz darauf kommen der Adjutant des Gouverneurs [Mjr. von Kayser] sowie die Kommandanten der im Hafen liegenden deutschen Schiffe Emden, Tiger, Cormoran und Torpedoboot S 90 an Bord. […]6 25. Juli, Samstag. Mittag wird vom Signalberg mittels Projektor signalisiert, dass Telegramm zu holen ist. Als dieses an Bord kam und dechiffriert worden ist, ergeht vom Kommando der Befehl, das Schiff kriegsmäßig gefechtsklar zu machen. Vom Arsenal kommen zwei große Pontons, in die nun alles was an Bord nicht gebraucht wird wie Fallreeps, Reelingen, Seile, Decken, kurzum alles Überflüssige hineingeworfen wird und dann im Arsenal in Waggons verstaut wird. Weiters wird scharfe Munition auf Deck gehisst und zu den Geschützen gebracht. 6 Unter der Überschrift »Vorgeschichte Tsingtau’s« sind hier auf drei Tagebuchseiten einige allgemeine Mitteilungen zum Erwerb des chinesischen Pachtgebietes durch Deutschland eingeschoben.
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28. Juli, Dienstag. Da täglich 10–15 Telegramme für das Kommando aus Wien und Pola einlangen, werden 2 Ordonanzen mit Fahrrädern Tag und Nacht auf die Signalstation beordert, die die Telegramme sofort zum Molo zu bringen haben, und dann mittels Dampfbarke an Bord kommen, wo natürlich große Spannung herrscht und stündlich die Kriegserklärung erwartet wird. Auch die deutsche Verwaltung hat schon Verhaltungsmaßregel aus Deutschland erhalten und zufolge derer werden die Seefrontwerke kriegsmäßig besetzt. Telefon- und Lichtanlagen in den Befestigungen werden vervollständigt. 29. Juli, Mittwoch. Vormittag bringe ich mit der Dampfbarke zehn deutsche Artillerieunteroffiziere und einen Oberleutnant an Bord. Während wir hinfahren, höre ich das Signal »Alle Mann antreten«. Wir warten nun unter Bord am Fallreep, da man auf Deck schon die Stimme unseres Kommandanten hört. Ich denke mir sofort : »Die Kriegserklärung an Serbien ist da«. Und während mich ein freudiges Gefühl durchströmt, erschallt auch schon ein 3faches »Hurra« auf Kaiser und Armee, in das ich natürlich auch sofort begeistert einstimme. Nun erst gehen die deutschen Unteroffiziere an Bord, um unsere Geschütze zu studieren dass, falls wir in einem Gefecht Verluste erleiden, diese durch Deutsche ersetzt werden können. Fregattenleutnant Baierle kam herunter und sagte uns gleich, dass soeben die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien eingelangt sei. Es wurde nun ein Gefechtsalarm im Beisein der deutschen Unteroffiziere abgehalten, damit diese den Vorgang in einem Gefecht kennen lernen. Bis 2 Uhr Mittag dauerte die Übung. Während des Nachmittags laufen noch 7 Telegramme ein, die alle in chiffrierter Schrift eingeschickt werden, und deren Entzifferung oft eine Stunde dauert. 31. Juli, Freitag. Der Belagerungszustand wird über Tsingtau verhängt. Der deutsche Kreuzer Emden und das Kanonenboot Luchs halten von heute an kleine Feuer und verlassen um 6h Abend kriegsmäßig ausgerüstet den Hafen, um vor Tsingtau zu kreuzen. Man sieht auch die ganze Nacht die Projektoren leuchten. Wir bekommen um 12h nachts aus Wien den Befehl, unter Dampf zu gehen, und es werden 2 Kessel angeheizt. Um 6h a.m. dampfklar. Nachts traf das Ost-Asiatische-Marinedetachement (O.A.M.) aus Tientsin ein, bestehend aus zwei Kompanien, einem Maschinengewehrzug und einer Reiterabteilung.7 Es wird im Barackenlager in Syfang [Sifang]8 untergebracht.
7 Das Ostasiatische Marine-Detachement war 1900 zur Niederschlagung des Boxeraufstandes aufgestellt worden war. Es verblieb in geringerer Mannstärke (3 Kompanien) weiter zum Schutz deutscher Interessen in Peking und Tienstin ; 1914, nach Beginn der kriegerischen Feindseligkeiten, wurde das gesamte Detachement nach Tsingtau zu dessen Verteidigung verlegt. 8 Sifang 四方, ein an der Bucht-Innenseite gelegener Ortsteil von Tsingtau ; über Sifang führte
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1. August, Samstag. ½ 7h a.m. verlassen wir den Hafen. Nachdem Tsingtau
passiert ist, beginnt eine vorgeschriebene Schießübung. Um 10h kommt von der Signalstation mittels Projektor Signal, sofort in den Hafen zurückzukehren und an den Molo zu gehen, um weitere Befehle abzuwarten. In einer ¾ Stunde kommen wir im großen Hafen an, gehen an einen Molo und hier steht schon die Ordonanz mit 3 Depeschen. Eine davon enthält Befehl, alles Feuergefährliche auszuschiffen. Es wird nun alles was Holz ist auseinandergerissen, so alle Kabinentüren, Seidendecken, Monturen, Kisten, Fenster, Holzstiegen, Schläuche, überflüssige Werkzeuge, die unnötigen Boote, Zeltständer, kurzum alles, was das Schiff erleichtern könnte und die Feuersgefahr bei einschlagenden Geschoßen vermindern kann, wird ausgeschifft und in Waggons verladen. Das Schiff sieht aus wie rasiert. Wo Holzstiegen waren, führen nun Strickleitern, die Kabinen sind mit Gardinen verhängt, auf allen Gängen und Wänden des Schiffes werden Pfeile mit roten Kreuzen gemalt, die den Weg zum Lazarett zeigen, das nach einem unteren Teil des Schiffes verlegt wurde, wo mehr Schutz vor Geschoßen ist. Deutschland erklärt Russland den Krieg. Die Infanteriewerke werden vorläufig mit je einem Offizier und 50 Mann besetzt. Die fünfte Kompanie des III. Seebataillons entsendet die ersten vorgeschobenen Patrouillen. 2. August, Samstag. Die vollständige Mobilmachung Tsingtaus wird ausgesprochen und damit die Reserve eingezogen. Der Haipo-Wald wird abgeholzt und die chinesischen Dörfer Kang-tschia-tschuang [Kangjiazhuang] und Hsiwutschiatsun [Xiwujiacun] werden niedergelegt, um das Vorgelände Tsingtaus freizuhalten.9 S.M.S. Emden, Luchs und Jaguar laufen ein. Letzterer war bei Kriegsausbruch in Schanghai und war vor einigen Tagen von einem chinesischen Flussdampfer gerammt worden und hatte am Bug ein 2 m hohes und 1 ½ m breites Loch. Vor dem Schiffe und hinter demselben standen in Schanghai ein russischer Kreuzer und ein französischer. Sie konnten dem kleinen Kanonenboot nichts anhaben, da ja Schanghai eine internationale Niederlassung ist und hier keinerlei feindliche Übergriffe erlaubt sind. Trotz des Leckes schlich sich das kleine Schiff nachts an den Schiffen vorbei, fuhr den seichten Fluss aufwärts, und dann durch einen nur dem Steuermann bekannten Flussarm wieder zurück, dem Meere zu und dann nach Tsingtau, wo die Bemannung mit Jubel empfangen wurde. 3. August, Montag. Unsere vollständige Mobilmachung ist beendet. Das Schiff sieht ohne die Aufbauten ganz fremd aus, aber es ist eine unbedingt notwendige die von den Deutschen gebaute und 1904 eröffnete Bahn zur Hauptstrecke zwischen Kiautschou [ Jiaozhou] und Tsinanfu [ Jinan]. 9 Kangjiazhuang 亢家庄 liegt östlich des Dorfes Taidongzhen 臺東鎮 ; Xiwujiacun 西呉家村 jenseits des Haibo-Flusses.
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Maßregel für die Sicherheit der Besatzung gewesen. Geht z.B. in einem Gefecht eine Kugel über den Schiffskörper hin, ohne denselben zu treffen, so trifft das Geschoß sicher etwas der vielen Aufbauten und die herunterfallenden Splitter gefährden dann besonders die Geschützbemannungen. Sind die Aufbauten, wie z.B. die großen Bootsbrücken aber abmontiert, so gehen die Geschoße einfach über das Schiff hinweg und fallen erst weit hinter dem Schiff ins Wasser. Um 6h a.m. fahren wir auf einen gegenüberliegenden Molo, wo von Chinesen 150 t Kohle eingeschifft werden. In den Kesselräumen und auf den Maschinenkorridoren wird Kohle gestaut, um einen möglichst großen Vorrat an diesem wichtigen Material zu haben. Als das beendet ist, fahren wir wieder auf den früheren Molo, und da trifft ein Telegramm ein, das uns einen großen Verlust in der jetzigen Zeit bringt. Es werden nämlich 5 Offiziere, 2 Betriebsleiter und ein Arzt [= zwei Ärzte] nach Pola zurückberufen.10 Es bleiben dann nur mehr der Kommandant und 4 Offiziere, 1 Maschinenoffizier und 1 Arzt an Bord, was für die Größe unseres Schiffes sehr sehr wenig ist, und die Offiziere nun Tag und Nacht Dienst zu machen haben. Um 12h Mitternacht fahren die 6 abberufenen Offiziere auf den Bahnhof. Um 1h Mittag wird bekannt, dass Deutschland auch Frankreich den Krieg erklärte. Extrablätter bringen nähere Einzelheiten über die Vorgänge in Deutschland und Russland. Eine Verstärkung der Garnison trifft ein, nämlich die 3te Kompanie des Ostasiatischen Marine Detachements. Sie wird auch in Syfang [Sifang] einquartiert. Nachmittag wird S.M. Kanonenboot Iltis außer Dienst gestellt. Die Bemannung wird auf die Forts verteilt. Wir bleiben Tag und Nacht unter kleinem Feuer und machen 4 Stunden Dienst und 8 Stunden frei, was natürlich sehr angenehm ist. Nachts werden von unserer Besatzung die Molen und Kohlenlager militärisch bewacht und schon um 11h fallen 4 Schüsse, worauf auch ein chinesischer Spion verhaftet wird, obwohl er fliehen wollte, dabei aber in die Postenkette lief und abgeführt wurde. Der Mann war jedenfalls von irgend jemand feindlich Gesinnten bestochen worden und wollte das große Kohlenlager in Brand setzen. Unsere Posten werden nun bei Nacht verdoppelt. 10 Es waren dies die beiden Linienschiffsleutnants Johann Kainer und Franz Pierotić, die drei Fregattenleutnants Adolf Ihan, Alfons Graf Montecuccoli und Georg Reichenberg sowie die beiden Linienschiffsärzte Dr. Leo Arbesser v. Rastburg und Dr. Albert Moser ; dazu gesellten sich noch die beiden Maschinenbetriebsleiter Johann Nekamm und August Rothenpieler. Ihre Rückreise erfolgte abenteuerlich über die USA (Oliver Trulei : »Sieben Mann und ein Befehl : Heimkommen«, in : Österreich maritim. Zeitschrift der Freunde Historischer Schiffe. Wien, Nr. 13 ( Juni 2004), S. 36–38 ; nochmals abgedruckt in Marine-Nachrichtenblatt. Das Veröffentlichungsblatt des Arbeitskreises Krieg zur See 1914–1918, Oldenburg, Nr. 1, März 2010, S. 19–26). Anm.: Dr. Moser war zwar auf der Elisabeth nach Fernost gekommen, gehörte aber nicht zur Schiffsbesatzung, sondern war dem österr. Detachement in Peking bzw. Tientsin zugeteilt.
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4. August. Mittwoch. 5h a.m. fahren wir wieder auf einen anderen Molo, von
wo aus wir die ganze Hafeneinfahrt bestreichen können, da wir nun das einzige mit schweren Geschützen armierte Schiff sind. Die beiden Kanonenboote Luchs und Tiger sind desarmiert und die Geschütze kommen auf den Norddeutschen Lloydampfer Prinz Eitel Friedrich, der vor einigen Tagen in Tsingtau angekommen war und nun zum Hilfskreuzer hergerichtet wird unter Verwendung der Geschütze der deutschen Kanonenboote. Die vielen Passagiere des Dampfers bleiben entweder in Tsingtau oder reisen ins Innere Chinas. Die Bemannung der Kanonenboote kommt auf den Hilfskreuzer und versieht dort ihren Dienst, während die Geschütze der Boote mit Kränen auf das hohe Schiff gehoben werden und dort durch zahlreiche Arsenalarbeiter aufmontiert werden. – Nachmittag treffen die ersten Reservisten aus Ostasien ein, und werden am Bahnhofe festlich empfangen. 5. August, Mittwoch. Der Lloyddampfer [Prinz Eitel Friedrich] ist nun als Hilfskreuzer ausgerüstet und führt von 8h a.m. an die deutsche Kriegsflagge und Kommandowimpel zum Zeichen, dass ein aktiver Offizier der Führer des Schiffes ist.11 Das Torpedofahrzeug Cormoran, das bei Ausbruch des Krieges noch im Dock war, wurde in aller Eile fertiggestellt und absolviert heute eine Probefahrt, die gut verlaufen ist. Abends verlässt der deutsche Dampfer Mongol als Japaner verwandelt den Hafen, um in die Heimat zu gelangen.12 Da uns gesagt wurde, dass heute mit diesem Dampfer die letzte Post abgeht, so schrieb jedermann noch in größter Eile einige letzte Zeilen nach Hause. Vormittag hatte ich die letzte Post von daheim, wahrscheinlich auf lange Zeit hinaus, erhalten und konnte dieselbe also gleich beantworten. 6. August, Donnerstag. 6h a.m. wird beim Leuchtturm der Kreuzer Emden sichtbar. 50 m hinter ihm ein großer Handelskasten, und hinter diesem wieder 11 Der im Sept. 1904 in Dienst gestellte Reichspostdampfer des Norddeutschen Lloyd war für den Ostasien-Dienst bestimmt. Auf der Rückreise von Japan wurde das Schiff am 1. August 1914 in Shanghai nach Tsingtau beordert und in die Mobilmachung eingezogen. Mit vier 10,5 cm Schnellladekanonen sowie sechs 8,8-cm-Geschützen ausgerüstet begab sich Prinz Eitel Friedrich unter Korvettenkapitän Max Thierichens (zuvor Kdt. des Kanonenbootes Luchs) in den Pazifik. 12 Nicht verifizierbare Angabe. Zu dem Zeitpunkt war wohl nur mehr ein chinesischer Hafen anzulaufen. Es gab einen amerikanischen Zivildampfer der Pacific Mail Steamship Co. namens Mongolia, der am 19. Sept. 1914 auch mit deutschen Passagieren von Shanghai nach San Francisco fuhr. Bei der nächsten Fahrt des Schiffes, nach dem Fall von Tsingtau, nutzte Plüschow inkognito als Mr. McGarvin im Dezember die gleiche Route von Shanghai aus, um nach Amerika zu entkommen (Gunther Plüschow, Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau. Meine Erlebnisse in 3 Erdteilen, Berlin, Ullstein, 1916, S. 116ff.).
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Kanonenboot Jaguar, die den Dampfer, der der russische Hilfskreuzer Reysan [Рязан/Rjäsan] ist, am 5. August auf hoher See abgefangen hatten und ihn nun hereinbrachten. Der russische Dampfer gehört in Kriegszeiten zur russischen Freiwilligenflotte [Dobrovolny Flot]. In Friedenszeiten diente der Dampfer, einer der schnellsten Russlands, dem Passagier-Eildiest zwischen China und Japan. Des Öfteren erwarteten wir das Schiff in Nagasaki oder sonst wo in Japan, da er uns immer die Heimatpost brachte, die bis Schanghai mit dem Zuge über Sibirien kommt, dann aber per Schiff nach Japan. Nun aber wehte nicht mehr die russische Handelsflagge am Flaggenstock, sondern eine große deutsche Kriegsflagge. Langsam fährt der Dampfer, der schon von deutschen Offizieren kommandiert wird, an uns vorbei. Die deutsche Mannschaft trägt in der Hand den Revolver, während die russische Besatzung herumlungert und die zahlreichen Passagiere, meist Frauen und Kinder, neugierig alles betrachten, was der Hafen von Tsingtau Interessantes bietet. Ein junges Mädchen winkt uns sogar mit dem Taschentuch, während das Schiff ungefähr 5 Schritte von uns vertäut wird. Die Emden hatte einen guten Fang gemacht. Der Dampfer hatte nämlich eine Bank von 7 Millionen Kronen bei sich, die nun dem deutschen Kriegsschatze zufallen ; weiters hat er auch 50 kleine Maschinengewehre an Bord samt Munition, was natürlich eine willkommene Bereicherung der ohnehin schwachen Artillerie Tsingtaus ist. Eigentlich sollte die Besatzung kriegsgefangen werden, aber man ließ sie unter ehrenwörtlicher Verpflichtung, sich nicht mehr am Kriege zu beteiligen frei, worauf alle wieder munter wurden. Abends verlassen die Emden und der Hilfskreuzer Prinz Eitel Friedrich den Hafen, nachdem sie vorher 1500 Tonnen Kohle eingenommen haben. Die Bordkapellen spielen Lieder bis die Schiffe außer Hörweite sind.13 7. August, Freitag. Nachmittag muss wieder alles antreten und unser Herr Kommandant teilt uns mit, dass Österreich auch den Russen den Krieg erklärt hat und nachdem er noch einige Worte über unsere Lage sprach, brachen wir 300 Mann in ein kräftiges »Hurra« aus. 8. August, Samstag. 6h a.m. auslaufen, wobei wir durch das große Minenfeld vor Tsingtau durch einen Lotsen geführt werden. Knapp davor halten wir eine kurze Schießübung ab, und kehrten um 12h Mittag nach Tsingtau zurück. Heutige japanische Zeitungen berichten und versichern, dass Japan gegen Deutschland keine feindlichen Absichten hege. Ein Einschreiten Japans zufolge 13 Nach erfolgreichem Kreuzerkrieg lief das Schiff im März 1915 mangels weiterer Kampfkraft einen neutralen amerikanischen Hafen an, wo die Mannschaft den Krieg über interniert wurde. Das Schicksal des Kreuzers Emden unter ihrem Kommandanten Karl von Müller ist hinlänglich bekannt.
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des Bündnisses mit England könne nur dann erfolgen, wenn Deutschland englischen Besitz in Ostasien angreift, und Japan hoffe, dass dies nicht der Fall sein werde. Abends treffen Mannschaften vom Flusskanonenboot Tsingtau aus Kanton ein. Weiters werden heute das erstemal sämtliche Lichter im Hafen gelöscht und es erfolgt das Verbot, Fenster gegen See zu offen leuchten zu lassen. 9. August, Sonntag. Die deutsche Landwehr des ersten und zweiten Aufgebotes wird einberufen. Das Hotel »Prinz Heinrich« wird als Hilfslazarett eingerichtet. – Das erste und zweite japanische Geschwader geht unter versiegelter Order in See. 10. August, Montag. Nach einer Meldung der Tokyoter deutschen Botschaft kann stündlich ein japanischer Angriff auf Tsingtau erwartet werden, trotz der gegenteiligen Versicherungen Japans gegenüber dem Botschafter [von Rex].14 Die Nachricht wird allerdings im Laufe des Tages widerrufen, dafür kommt aber abends schon die bestimmte Nachricht, dass 30.000 Japaner in China gelandet seien, die erste japanische Schlachtschiffdivision vor Chefoo [Zhifu] und die zweite vor Schanghai angekommen sei. Die Lage wird also für uns langsam kritisch. Wir hatten um 6h a.m. vom Gouvernement den Befehl bekommen anzuheizen und sollten Mittag hinaus fahren auf Patrouille und wegen der feindlichen Handelsdampfer. Unser Herr Kommandant hat die Absicht, mit dem russischen Kreuzer Askold, der uns sowohl an Geschwindigkeit und Bestückung weit überlegen ist, ein Gefecht zu liefern. Alles freut sich darauf, trotz der großen Überlegenheit des aufzuspürenden Feindes. Aber unser Kommandant baut auf unseren Geist und auf die Aufopferungswilligkeit, mit der ihm alle folgen. Aber man darf sich auf nichts freuen. Um 11h kommt vom Gouverneur die Eildepesche nicht auszulaufen, da soeben aus Schanghai von einem Offizier des Jaguar, der bei der Abfahrt dieses Schiffes zu Nachrichtendiensten dort geblieben war, die Meldung kam, dass eine vereinigte englisch-französisch-russische Flotte Schanghai in der Richtung gegen Tsingtau passiert hat. Wir wären also direkt dem Feinde in den Rachen gelaufen. Unsere Abfahrt wird also verschoben und bis 6h Abend werden kleine Feuer gehalten, sodann die ganze Nacht dampfklar und verschärfter Wachdienst. Die Geschütze bleiben über Nacht bemannt, Munition ist bereit. Alle Lichter, die von außen sichtbar sind, werden entweder gelöscht oder bei den Kabinen kommen Blechdeckeln auf die Fenster. Kommandant macht diesbezüglich Runde mit der Dampfbarke und auf 50 Schritte erkannte ich nicht mehr, dass da ein Schiff steht. Auch die sonst 14 Arthur Alexander von Rex, Botschafter in Tokyo 1911/1914, zuvor in Peking.
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Abb. 23: »Japan greift nach Kiautschou«, Tagebuch Friedrich Kirchner (2. Bd.).
mit Bogenlampen erleuchteten Molen und Kohleanlagen sind ganz in Dunkel gehüllt und der Hafen macht einen schauerlich ruhigen Eindruck. Ebenso sind auch die Strandgebäude schwer erkenntlich, da alle Bewohner den Rat des Gouverneurs die Fenster zu verdecken, im eigenen Interesse befolgen. 11. August, Dienstag. Da weitere Meldungen, die nur Tsingtau gelten können, über Truppenverschiebungen von Japanern an der chinesischen Küste eintreffen, werden die 5 Infanteriewerke vor Tsingtau von aktiven Kompanien besetzt. Die Besatzung von S.M.S. Otter trifft aus Nanking ein. Die erste Kompanie des Ost-Asiatischen Marinedetachements und der zweite Zug der Marine Feld
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Batterie sichert die Schatsykou-Bucht,15 wo durch den Minentender auch Minen geworfen werden. Die zweite und dritte Kompanie des Ost-Asiatischen Marinedetachements besetzt Litsun [Licun]16 und Tschaiko [Zhaike].17 Um 6h abends fahren wir vom Molo weg und ankern im kleinen Hafen, um einen eventuellen Torpedoboot-Angriff auf die im großen Hafen liegenden Schiffe abzuwehren, bevor es zu spät ist. Die Maschinen müssen natürlich die ganze Nacht klar bleiben, um sofort damit arbeiten zu können. Der Ernst der Lage wird durch folgende Maßnahme gekennzeichnet : Bei der Ankerkette hat ein Posten zu stehen. Die Kette wird so gelegt, dass ein Hammerschlag auf einen Keil, der die Kettenglieder verbindet, genügt, dass der Anker samt einen Teil der Kette ins Wasser fällt und natürlich verloren ist. Dann muss das Schiff mit beiden Maschinen mit allergrößter letzter Kraft ans Land auffahren. Diese Verordnungen sind getroffen für den Fall, dass wir von einem feindlichen Torpedoboot lanciert werden und bevor das Schiff sinkt, ein Teil der Besatzung sich wenigstens noch ans Festland retten kann. Für einen Angriff großer Schiffe ist durch Minen der Hafen gesichert, aber Torpedobooten machen dieselben nichts, da die Minen 4 m tief liegen, die Boote aber nicht soviel Tiefgang haben. – Die Nacht vorläufig ruhig. 12. August, Mittwoch. 8h a.m. verlassen wir bei schlechtem Wetter den Hafen, um Runde zu machen. Bald heitert sich das Wetter aber vollständig aus und wir haben schöne Rundsicht. Im langsamen Tempo fahren wir 10 Meilen vor Tsingtau auf und ab, wobei vom Mastkorb scharf Auslug gehalten wird, um einen Dampfer oder ein Kriegsschiff zu entdecken. Leider lässt sich den ganzen Tag nichts Verdächtiges blicken, um 5h Abend kehren wir wieder nach Tsingtau zurück und gehen am Molo in Vertäuung. In der Stadt sind wieder einige Änderungen eingetreten. Das schöne Strandhotel stellt seinen Betrieb ein und das Seemannshaus wird zum Hilfslazarett eingerichtet. Auch eine Menge Reservisten treffen täglich ein, die immer mit Musik vom Bahnhof durch die Stadt geleitet werden. Dadurch hat man Gelegenheit Musik zu hören, da alle Veranstaltungen aufgehört haben. 13. August, Donnerstag. Das deutsche Kabel auf der Insel Yap wird zerstört. S.M.S Torpedoboot S 90 kommt von einer langen Erkundungsfahrt in den Hafen zurück und bringt wichtige Meldungen, denen zufolge in den nächsten Tagen eine zweite Minensperre vor Tsingtau gelegt wird und auch die Schatsy15 Die Verteidigung der Shazikou-Bucht (沙子口湾) am offenen Meer mit dem gleichnamigen kleinen Fischereihafen sollte japanische Landungsversuche vereiteln. 16 Licun 李村 = Li-Dorf ; am Licun-Fluss. 17 Licun war ein wichtiger Straßenknoten an der Verteidigungslinie nach Norden, Tschaiko [Zhaike] 宅科 sollte den Zugang aus Osten von der Shazikou-Bucht her kontrollierten.
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kou-Bucht 20 km von Tsingtau entfernt mit Minen belegt wird, da dort die Japaner die schönste Gelegenheit hätten, nach Überwältigung eines kleinen Forts ihre Truppen in Kiautschau zu landen. So müssen sie aber unter dem Feuer des Forts erst die Minen suchen. Dadurch wird die Landung auf einige Zeit unmöglich, und es müssen weiter entfernt die Truppen gelandet werden, wodurch diese beim Anmarsch auf Tsingtau größere Anstrengungen machen müssen und dadurch deprimiert werden. Japan hat sich außerdem noch nicht dazu bereit gezeigt, eine strikte Neutralitätserklärung an Deutschland abzugeben, und es werden auch fast stündlich Truppenlandungen in verschiedenen Teilen an der chinesischen Küste gemeldet. Dass das Gebiet neutrales Land ist, hindert den Japaner nicht, seine Truppen zu landen. China kann ihm ja nichts anhaben, und tut alles um mit dem mächtigen Nachbarn in guten Beziehungen zu bleiben, da ihm ja die europäischen Staaten jetzt nicht helfen können. Nachmittags treffen die Gesandtschaftswachen aus Tientsin und Peking ein und wir haben nun um 100 Mann mehr Besatzung an Bord. – Ein amerikanischer Dampfer, der einen großen Viehtransport führt, wird angehalten, und nach der Ausschiffung der 500 Ochsen wird der Dampfer wieder freigegeben. Bei uns an Bord fällt nichts Besonderes vor, nur dass etliche unserer Artilleristen an Land kommandiert werden, wohin ein Teil unserer Schnellfeuerkanonen kommt. Die Stellungen werden dort hergerichtet. Abends fahren wir in den kleinen Hafen, um wieder unsere Wachstellung einzunehmen, und die ganze Nacht ist verschärfter Wachdienst. 14. August, [Freitag]. Um ½ 8h a.m. verlassen wir wieder den Hafen, um auf Runde zu gehen. Unsere Offiziere fahren nun ganz langsam ohne Lotse durch das Minenfeld und nach vielen Windungen, die die minenfreie Straße zeichnen, kommen wir endlich aus dieser gefahrvollen Zone, wo 300 Minen liegen. Schon um 9h wird in südlicher Richtung ein Mast und Kohlenrauch gemeldet. Mit 12 km Fahrt geht’s dem Punkt entgegen. Bald erkennt man, dass es ein Handelsdampfer sein muss. Die Geschütze werden entladen, nur die kleinen 5,7 cm Kanonen bleiben bemannt. Das kleine Schiff, das ganz an der Küste fuhr, wurde nun aufgefordert sich zu legitimieren, und durch Flaggensignale wurde festgestellt, dass es ein chinesischer Finanzdampfer war.18 Bei herrlichem Wetter fahren wir nun wieder langsam an der Küste auf und ab, ohne aber etwas zu sehen. Erst beim Einlaufen sehen wir nördlich zwei Punkte auftauchen. Wir wollen entgegenfahren, aber da kommt schon das Tor18 Das Schiff stand im Dienst der chinesischen Seezollbehörde (海關總税務司 Chinese Maritime Customs Service), einer Unterorganisation des Finanzministeriums ; die Behörde hatte Niederlassungen in allen wichtigen Häfen Chinas.
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pedoboot S 90 um uns abzulösen, und wir fahren nach Tsingtau zurück. Während des Einlaufens kommt von der Signalstation mittels Projektor das Signal, das uns mitteilt, dass England und Österreich sich im Kriegszustand befinden. Nachdem wir wieder vertäut sind und alles ruhig ist, kommt von der Stadt wieder das Gerücht, dass eine eventuelle Kriegserklärung Japans zu erwarten sei. – Die Bahnlinien bis zur chinesischen Grenze werden scharf bewacht. Auf der Tsingtau Werft ist man eifrig damit beschäftigt, das Torpedoboot Taku,19 das 1900 bei den Boxeraufständen von den Deutschen erobert wurde, instand zu setzen, da es bei einem Taifun vor drei Monaten schwere Havarien erlitten hatte, jetzt aber gute Dienste leisten könnte. Der englische Konsul Clifford, dem Spionage nachgewiesen wurde, wird ausgewiesen, während andere Engländer ihren Geschäften noch nachgehen können. – Der gekaperte russische Hilfskreuzer Reysan [Rjäsan] wird als deutscher Hilfskreuzer ausgerüstet und mit den Geschützen von dem außer Dienst gestellten Boot Cormoran bestückt. Auf Rat des Gouverneurs verlassen zahlreiche Frauen und Kinder Tsingtau und fahren nach dem Inneren Chinas ab. Die alten Männer, obwohl nicht wehrpflichtig, verlassen nicht die Stadt, trotz der drohenden Gefahren, aber sie wollen sich von ihrer Heimatscholle nicht trennen und diese nur vom Feinde selbst gezwungen verlassen. Es wird in Tsingtau, was den Verkehr anbelangt, immer öder. Jeden Tag schließen einige Geschäfte ihre Läden, da kein Handel mehr ist und die letzten 8 eingelaufenen Dampfer abgefertigt sind. Auf den Straßen sieht man nur mehr Militär in allen möglichen färbigen Uniformen. Die weißen Anzüge wurden wegen des Terrains grün, gelb, grau oder anders gefärbt und die Garnison sieht ganz eigentümlich aus. 15. August, Samstag. Mit Hilfe von Kulis werden 200 Tonnen Kohle eingeschifft sowie Wasser und Proviant. Das Torpedoboot Taku läuft nach misslungener Probefahrt wieder im Hafen ein. Wir bekommen vom Gouverneur heute die Stadtverteidigung übertragen und sollen keine größere Fahrt mehr unternehmen, da das Schiff, das in Tsingtau noch wichtige Dienste leisten kann, dabei nur riskiert wird. Würden wir z.B. am offenen Meer von mehreren Schiffen angegriffen, so müssten wir das Schiff unnütz opfern, und mit unserer geringen Fahrgeschwindigkeit könnten wir nicht mehr entkommen. Der Herr Kommandant hat die bisherigen Fahrten auf eigene Verantwortung durchgeführt und 19 Ursprünglich in einer deutschen Werft für die chinesische Marine gebaut und unter dem Namen Hai Jing 1898 in Dienst gestellt. Das aus politischen Gründen im Jahr 1902 beschlagnahmte Schiff war durch eine Havarie (Auflaufen auf Grund) bei Kriegsausbruch mit Japan nicht mehr einsatzbereit.
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noch keine Weisungen über unsere Tätigkeit in Tsingtau erhalten. Er wollte der Emden auf ihren mutigen Fahrten folgen, was aber der Gouverneur nicht zuließ. 16. August, Sonntag. Um ½ 7h a.m. verlassen wir wieder den Hafen, um eine kleine Erkundungsfahrt zu machen. Wir fahren eine große Strecke südwärts und schon hoffen wir, dass wir nicht mehr nach Tsingtau, wo wir uns vermeintlich keine Lorbeeren holen können, zurückkehren. Es wusste ja niemand, dass uns in Tsingtau noch Lorbeeren wachsen würden, und wir glaubten, unseren Unternehmergeist in offener Seeschlacht kühlen zu können. Allein um 11h kehrten wir wieder um, ohne etwas Feindliches bemerkt zu haben. Um 10h hatte die heilige Messe an Bord unter der heiß hernieder brennenden Sonne begonnen. Nach derselben sammelte uns der Herr Kommandant um sich und teilte uns mit, dass soeben aus Tokyo mittels Radiotelegraphie die Meldung von der Gesandtschaft einlief, dass Österreich sowohl mit Russland als mit Frankreich, England, Belgien, Serbien, Montenegro im Kriege sei. Unsere Chancen seien trotz der numerischen Übermacht sehr günstig, was die zahlreich einlaufenden Siegesmeldungen aus Österreich und Deutschland beweisen, und dass der Krieg auch ein günstiges Ende nähme. Besonders unsere Flotte hat einen schweren Stand, da sie gegen die vereinigte englisch-französische Mittelmehrflotte zu kämpfen habe. Nachdem noch einige Worte über den Einmarsch von 120.000 Mann in Frankreich gesprochen waren, wurde ein 3faches kräftiges »Hurra« ausgebracht, das von den lustig springenden blauen Wellen wohl weit getragen wurde, aber unsere Begeisterung doch nicht in die Heimat tragen konnten, so wie es aller Wunsch war. Um 5h Abend kamen wir wieder nach Tsingtau, blieben im kleinen Hafen dampfklar liegen und besorgten den verschärften Wachdienst. Abends geht der Hilfskreuzer Reysan [Rjäsan], der nun Cormoran heißt, mit einem Kohlendampfer in See, um sich dem Geschwader Scharnhorst anzuschließen. Der Aufenthalt der Schiffe Scharnhorst, Gneisenau, Nürnberg, Karlsruhe ist natürlich hier unbekannt, es kommen nur Nachrichten aus verschiedenen Gegenden über versenkte fremde Handelsdampfer, die von deutschen Schiffen aufgebracht wurden. 17. August, Montag. Um ½ 10h a.m. fahren wir wieder auf Runde, ohne aber einen Dampfer zu sichten, der es wagen würde, in die Nähe Tsingtaus zu kommen. 6h Abend langen wir am Kopfmolo an. Um 7h findet Flaggenschuss mit Musik statt und die Flagge wird gleichzeitig mit der sinkenden Sonne niedergezogen. Sie weht seit ersten August nicht mehr am Flaggenstock, sondern hoch oben am achteren Mast, da der Flaggenstock als unnützer Holzteil entfernt wurde. In der Stadt und dem militärischen Betriebe tritt eine Neuerung ein, dass die ausgebildeten Reservisten und einige Landsturmleute in die Infanteriewerke gehen. Dort herrscht reges Leben, und Arbeiten gibt’s sehr viele : Hindernisse werden in Form von Stacheldrähten hergerichtet, Schützengräben aufgeworfen,
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Rückzugslinien in zick-zack den Hügeln hinauf und hinunter werden angelegt, auf beiden Seiten mit Erdwällen geschützt, sowie neue Stände für Maschinengewehre und Revolverkanonen müssen gebaut werden. Obwohl auch Chinesen helfen, die jetzt sehr hohe Löhne fordern und täglich ausbezahlt werden, müssen doch auch die Soldaten Tag und Nacht an der Vervollständigung der schwachen Festung teilnehmen. 18. August, Dienstag. Heute, an unseres alten Kaisers Geburtstag, wird um 8h a.m. unter den Klängen der Volkshymne und des deutschen Nationalliedes »Heil Dir im Siegeskranz« die kleine Flaggengala bei uns und allen im Hafen liegenden Handelsschiffen gehisst. Die 4 Handelsdampfer legen große Flaggengala an. Um 9h a.m. findet eine Messe an Bord statt. Um 1h kommt Befehl, die Kohlenvorräte wieder bis auf den letzten verfügbaren Platz aufzufüllen. Sofort müssen alle Heizer in die Kohlendepots, um die Kohle von den oberen Depots in die unteren zu werfen und von dort auf den 4 Heizplätzen zu stauen. Trotz des Feiertages und wegen der Kriegsnotwendigkeit, die keinen Feiertag kennt, geht alles mit größtem Eifer an die harte Arbeit und gar mancher muss an die frische Luft, um nicht in der Hitze über den Kesseln zu verschmachten. Aber das was verschwitzt wurde, wurde durch Bier und Wein wieder hinein geschafft. Um ½ 9h Abend war das Kohlenstauen beendet ; bei manchen waren aber die Sinne nicht mehr ganz klar. Abends wurde dann noch eifrig die Lage besprochen, da die Kriegsgefahr durch Japan immer näher rückt. Zahlreiche Familien verlassen wieder die Stadt und bekommen bei Tsinanfu [ Jinan] freie Fahrt. – Um 12h nachts wurde alarmiert. Am gegenüberliegenden Kohlenmolo, wo unsere Posten standen, wurde jemand gesehen ; auf 3maliges Anrufen des Postens »Halt, wer da«, worauf keine Antwort erfolgte, gab der Posten auf die nun kriechende Gestalt Feuer ab, welches die fremde Person durch 3 Revolverschüsse erwiderte, ohne aber zu treffen. Daraufhin bildeten die dadurch alarmierten übrigen Posten einen Kreis und gaben Schnellfeuer auf die entfliehende Gestalt. Es war sicherlich ein Japaner. Der Mann musste sich bis zum nächsten Morgen in dem Kohlenlager aufgehalten haben und war jedenfalls verwundet, da man Blutspuren fand und an einer Stelle ein große Blutlache. Während des Vorfalls wurde auch bei uns an Bord die Mannschaft alarmiert, die Scheinwerfer leuchteten den Molo ab. Um 4h a.m. wurden abermals 2 Revolverschüsse auf einen Posten abgegeben, ohne aber zu treffen. 19. August, Mittwoch. 2h nachts wurde angeheizt und um 5 ½h a.m. fahren wir auf den Kohlenmolo, wo 110 Tonnen Kohle eingeschifft werden. – Vormittag trifft die entscheidende, auf alle Gemüter tief einwirkende Nachricht ein : Japan erfüllt seinen Bündnisvertrag mit England und stellt Deutschland das Ultimatum. Die Forderung hat folgenden Wortlaut
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Wir erachten es unter den heutigen Verhältnissen für sehr wichtig und nötig, Maßregeln zu ergreifen, die Ursache aller Friedensstörungen im fernen Osten zu entfernen und das allgemeine Interesse sicherzustellen, das vom japanisch-britischen Bündnisvertrag ins Auge gefasst ist, um einen festen und dauernden Frieden in Ost-Asien sicherzustellen, dessen Erhaltung der Hauptzweck dieses Bündnisses ist. Die kaiserlich japanische Regierung hält es aufrichtig für ihre Pflicht, der kaiserlich deutschen Regierung den Rat zu erteilen, folgende beiden Vorschläge auszuführen : 1.) sofort alle deutschen Kriegsschiffe und Hilfskreuzer aller Art aus den japanischen und chinesischen Gewässern zurückzuziehen und sofort die Schiffe, die nicht zurückgezogen werden können, abzurüsten. 2.) bis zum 15. September bedingungslos und ohne Entschädigung das gesamte Pachtgebiet Kiautschau den kaiserlich japanischen Behörden auszuliefern, die es gegebenenfalls China zurückgeben werden. Die kaiserlich japanische Regierung teilt gleichzeitig mit, dass, wenn sie die Antwort der kaiserlich deutschen Regierung, in der die bedingungslose Annahme des Rates der kaiserlich japanischen Regierung ausgesprochen ist, bis Mittag des 23. August 1914 nicht erhält, sie sich zu den Schritten gezwungen sieht, die sie angesichts der Lage für notwendig erachtet.
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England, welches sich vor der Handvoll deutscher Streiter fürchtet und seinen weltumfassenden Ruhm, vor ½ Dutzend deutscher Schiffe hier draußen zerschellen sieht, überredet seine gelben Bundesgenossen, die verhassten Deutschen hier im Osten zu verdrängen, und Japan in seiner Räuberpolitik erachtet den richtigen Zeitpunkt für gekommen, sein Land durch Einheimsen des Kiautschau-Gebietes zu vergrößern. Ein Schrei der Entrüstung ging durch die Stadt, aber bald herrschte wieder die gleiche Stimmung : »Lasst sie nur kommen und sich das Tsingtau holen. Die werden sich schon die Finger verbrennen.« Das ist der Gedanke eines jeden Einzelnen, obwohl sich jeder bewusst ist, dass ein Angriff Japans auf Kiautschau für die Besatzung ungeheuer opferreich werden muss. Wie die Antwort auf das unverschämte Ultimatum lauten wird, unterliegt kaum einem Zweifel. Mag indessen kommen was will. Wir mit der Elisabeth befinden uns indes jetzt in einer eigentümlichen Lage. Japan hat an Österreich kein Ultimatum gestellt, wir können aber unseren Bundesgenossen hier in seiner bedrängten Lage nicht verlassen. Da kommt im Lauf des Tages von der japanischen Regierung an unseren Kommandanten die Aufforderung, den Hafen zu verlassen und uns nach Chefoo [Zhifu], Schanghai oder nach Japan zu begeben, wo wir vollkommene Freiheit mit den Waffen ha-
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ben. Der Herr Kommandant [der noch keine Weisung aus Wien erhalten hat,]20 ist sehr empört über dieses Ansinnen und sagte : eher mit Mann und Maus untergehen als nach Japan gehen und den Bundesgenossen in seiner schwierigen Lage hier in Ostasien verlassen. Wir bleiben also in Tsingtau und freuen uns sehr darauf, den Japanern auch eins aufs Haupt zu schlagen. Die Infanteriewerke werden ergänzend besetzt und zwar Infanteriewerk No. I von der ersten Kompanie, Werk No. II und III von der siebenten Kompanie (Landwehr), Werk No. IV von der zweiten Kompanie des III. Seebataillons und das Werk V mit der dritten Kompanie des Seebataillons. 20. August, Donnerstag. Um 8h a.m. fahren wir wieder auf Runde. Nachmittag 3h wird in nordöstlicher Richtung ein Mast gesichtet. Sofort wird Kurs darauf genommen und bald stellte es sich heraus, dass es ein Handelsdampfer ist. Als der Dampfer näher kam, strich er die Flagge, die man noch nicht erkannt hatte. Nun zogen auch wir die Flagge ein und gaben das Signal mittels internationaler Flaggensprache, der Dampfer möge sofort seine Flagge zeigen, was aber nicht geschah. Der kleine Dampfer war indessen ganze Kraft herangekommen und da er noch immer keine Nationalflagge zeigte, wurde von uns ohne weiters die Flaggen gehisst, die nach internationaler Flaggensprache lauten : »Im Kielwasser folgen, widrigenfalls energische Schritte eingeleitet werden.« Der Kapitän sah sich also genötigt, beizudrehen und uns nach Tsingtau zu folgen : Auf der Reede von Tsingtau blieb das Schiff stehen und eine Kommission kam zur Untersuchung der Schiffspapiere. Es stellte sich heraus, dass es ein japanischer Dampfer war, der japanische Flüchtlinge, die die Stadt verlassen mussten, nach Japan bringen wollte. Erst am nächsten Tag durfte der kleine Kasten auslaufen.21 21. August, Freitag. 9h a.m. fahren wir hinter das Arsenal in sehr seichtem Wasser, wo wir um 10h a.m. ankamen. Die Tiefe des Wassers beträgt hier nur 10 m. Die Höhe unseres Schiffes 11 m. Es wird nun von zwei Offizieren eine Messung vorgenommen, wo wir bei einer Beschießung sicher fahren können und wo dies nicht möglich ist. Sollte das Schiff in einem Gefecht schwer getroffen werden und sinken, so wird man trachten auf die Stelle hier zu kommen, wo das Schiff bis an die Schusslinie der schweren Geschütze sinken kann, dann aber nicht weiter untergeht und so die Möglichkeit gegeben wird, mit eventuell 20 Eintrag in der ersten Version dieses Tagebuchabschnittes. 21 Nach dem Abschlussbericht von Kapitän Makoviz an seine vorgesetzte Behörde steuerte der japanische Dampfer gezielt Tsingtau an und bat um einen Lotsen, um durch die Minenlinie eskortiert zu werden. Das Schiff wollte vor Ablauf des Ultimatums die letzten Japaner aus Tsingtau wegbringen, was am 22. August geschah (Bericht über die Beteiligung S.M.S. Kaiserin Elisabeth an der Verteidigung von Tsingtau, S. 12, ÖStA, Kriegsarchiv, Marine Sektion, Karton »S.M.S. Kaiserin Elisabeth in Tsingtau«, o. O. u. D. [1920]).
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noch brauchbaren Geschützen dem Feinde noch Schaden zuzufügen, bevor wir vollständig vernichtet sind. – Die an Bord gebliebenen Offiziere nehmen einstweilen das umliegende Terrain auf, auf dem die Belagerer unbedingt gegen Tsingtau stürmen müssen, und zeichen die Schussdistanzen ein. Alles leicht gewölbtes unbewaldetes Gelände, zirka 8–10 km entfernt. Der Plan des Gouverneurs ist folgender : Die Japaner oder ein sonstiger Angreifer schließen die Festung zu Lande im Halbkreis volständig ein ; die Seeseite wird von der feindlichen Flotte angegriffen. Wir haben hier in der Bucht einen schönen Ausschuss ans Land und können so mit unseren 15 cm Kanonen die Festungsbesatzung wirksam unterstützen, da die Angreifer direkt an unseren Kanonen vorbeilaufen müssen. Auch können wir näher an die feindlichen Stellungen herankommen und ihnen Schaden zufügen. Sollte sich Tsingtau ergeben müssen, was über kurz oder lang der Fall sein wird, so muss natürlich unser Schiff, falls wir nicht von den Angreifern schon vernichtet sind, versenkt werden, und wir würden eventuell an Land noch weiter kämpfen. – Um 4h fahren wir wieder an den Kopfmolo zurück. Hier haben sich gerade erschütternde Abschiedsszenen abgespielt. Mit einem deutschen Dampfer22 verließen 260 Frauen und Kinder Tsingtau, um sich ins Innere Chinas, in eine unbekannte Zukunft zu begeben. Als wir einliefen, fuhr gerade der Dampfer mit weinenden, meist ganz jungen Frauen und Kindern den Hafen hinaus. Mit Taschentüchern wurde noch lange gewunken, während die vielen Männer am Molo fast alle in Uniform mit gesenkten Häuptern ihren Liebsten auf Erden, ihren Frauen, die sie sich gegenseitig auf ihr Leben anvertraut hatten, nachblickten. Nur durch die Notwendigkeit des Krieges wurden die Familien jetzt getrennt, sowie allerdings auch viele Tausende in der Heimat. Als ich am Dampfer, der langsam dahinglitt, die Frauen und am Molo die Männer sah, die beiderseits in diesen Minuten ihr Liebstes aufgaben, überkam mich das erste Mal ein kleiner Schauer über die Greuel des Krieges, der mir ja auch noch Arges vor Augen führen wird, als nur diese Trennung vom Manne, von Frau und Kind. Endlich war der Dampfer entschwunden, mit den besten Segenswünschen der Zurückgebliebenen begleitet. Aber schon in den ersten Nachtstunden hatten die Armen, die auf dem Schiffe Tienstin zu erreichen suchten, ein Abenteuer zu bestehen. Der Dampfer wird von drei englischen 22 In der stichpunktartigen, kurzen, ersten Version des Tagebuches wird der Name des Dampfers mit Paklat angegeben ; er gehörte dem Norddeutschen Lloyd. Die Paklat wurde unterwegs von engl. Kriegsschiffen abgefangen und als Prise beschlagnahmt, die Tsingtau-Flüchtlinge mussten von Weihaiwei mit einem kleineren chinesischen Dampfer weiterfahren (ausf. Bericht in Deutsche Zeitung für China, Shanghai, 3. Sept. 1914, Nr. 8, S. 4 »Zur Fortnahme des Dampfers Paklat«).
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Torpedobootzerstörern angehalten und von diesen nach dem Kriegshafen Weihaiwei23 begleitet. Nach Transferierung der Flüchtlinge auf einen englischen Dampfer erreichen sie erst am 25. August 10h a.m. Tientsin. Das deutsche Torpedoboot S 90, das hinter dem Dampfer einherfuhr, hat ein aufregendes Gefecht mit einem der englischen Zerstörer namens Kennet. S 90 hat nur zwei Stück 7 cm Kanonen, während der Engländer bedeutend größer und stärker armiert ist. Trotzdem gelingt es S 90, obwohl die Geschoße nur so rumsausen, unbeschädigt zu entkommen, und dabei noch dem Gegner Schaden beizubringen. Wie am nächsten Tag aus Weihaiwei telegraphiert wird, sind auf Kennet 3 Tote und 7 Verwundete, dabei dem Kommandanten [Lieutenant Commander F. A. Russel] das rechte Bein weggerissen. S 90 hat also seine Arbeit gut getan.24 Um 11h Vormittag verschied einer unserer Matrosen im Spital zu Tsingtau an Typhus.25 22. August, Samstag. – Gouvernementbefehl vom 22. August 1914. Unsere Vorbereitungen sind dem Abschluss nahe. Großes ist geleistet und viel ist erreicht worden durch die einmütige, zielbewusste Zusammenarbeit der Besatzung und der Bürgerschaft. Wertvolle Unterstützung ist uns geworden durch die zahlreich Herbeigeströmten des Beurlaubtenstandes, sowie die Kriegsfreiwilligen, die alle es sich nicht nehmen lassen wollten, mit Gut und Blut dafür einzutreten, dass unser liebes Tsingtau deutsch bleibt. Für diese einmütige opferfreudige allgemeine Bereitschaft und Willigkeit spreche ich der Besatzung und Bügerschaft meinen warmen Dank und freudige Anerkennung aus. Ich bin stolz darauf, mit solchen Männern dem Feinde entgegentreten zu können. gez. Meyer-Waldeck
Abends Eintreffen der kaiserlichen Depesche : Gott schütze Euch in den bevorstehenden schweren Kämpfen. Ich gedenke Euer. gez. Wilhelm II.
Diese Depesche verursachte natürlich überall die hellste Freude, dass der deutsche Kaiser auch an die Leute denkt, die 20.000 Meilen von der Heimat entfernt sind und ein kleines Stück Deutschland verteidigen. 23 Weihaiwei 威海衛 (heute Weihai 威海) ; bis 1930 unter britischer Verwaltung. 24 An der Steuerbordseite der Kennet war der Zwölfpfünder zerstört worden. Der Schaden entstand nicht durch direkten Beschuss von S 90, sondern durch eine deutsche Landbatterie, weil Kennet im Zuge des Gefechtes mit dem Torpedoboot zu nahe an die Küste gekommen war. Nach der Reparatur wurde das Schiff in das Mittelmeer verlegt. 25 Matrose Neuden ; das Begräbnis fand anderntags feierlich am Garnisonsfriedhof von Tsingtau statt.
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23. August, Sonntag. Um 4h a.m. verlassen wir – S.M.S. Jaguar, S 90 und Eli-
sabeth – Tsingtau um zu schauen, ob nicht feindliche Schiffe in Sicht seien. Da bis 7h a.m. nichts gesichtet wird, kehren wir wieder nach enttäuschter Hoffnung auf einen Kampf nach Tsingtau zurück. Über der Stadt schwebt den ganzen Tag über der Fesselballon und nimmt das Gelände auf. Wir bleiben mit 4 geheizten Kesseln unter kleinem Feuer im Hafen liegen. Um 10h findet eine Messe für den verstorbenen Papst statt.26 Nachmittag folgender Gouvernementbefehl :
An die Festungsbesatzung von Tsingtau Ich erinnere Euch an die glorreichen Verteidigungen von Kolberg, Graudenz und der schlesischen Festungen vor etwas mehr als 100 Jahren.27 Nehmt Euch diese Helden zum Beispiel ! Ich erwarte von Euch, dass ein jeder sein Bestes hergeben wird, um mit den Kameraden in der Heimat an Tapferkeit und jeglicher soldatischer Tugend zu wetteifern. Wohl sind wir zur Verteidigung bestimmt, haltet Euch aber stets vor Augen, dass die Verteidigung nur dann richtig geführt wird, wenn sie im Geiste des Angriffs erfüllt ist ! Am 18. August habe ich seiner Majestät drahtlich versichert, dass ich einstehe für Pflichterfüllung bis aufs Äußerste. Am 19. August habe ich den Allerhöchsten Befehl Seiner Majestät erhalten : Tsingtau bis aufs Äußerste zu verteidigen ! Wir werden Seiner Majestät unseren Allergnädigsten Kriegsherren durch die Tat beweisen, dass wir des in uns gesetzten Allerhöchsten Vertrauens würdig sind. Es lebe Seine Majestät der Kaiser ! Der Festungsgouverneur gez. Meyer-Waldeck
Heute ist Ablauf des japanischen Ultimatums an Deutschland. Das Vorgelände ist nun wie folgt besetzt. Es lagert bei Litsun [Licun] die erste und zweite Kompanie des Ostasiatischen Marinedetachements (O.M.D.), bei Tsangkau [Cangkou]28 die dritte Kompanie, bei den Prinz Heinrich Bergen die 4te Kompanie des III. Seebataillons. Bei Schantung-tu [Shandongtou] steht die Reserve-Feldbatterie und in 26 Pius X., zum Papst gewählt am 4. August 1903, verstorben am 20. August 1914. 27 Hinweis auf die mythenumwobenen preußisch-französischen Kämpfe 1807 um die Festung Kolberg, dem seinerzeit wichtigsten preußischen Ostseehafen ; auch die anderen genannten Örtlichkeiten sind mit den sogen. preußischen Freiheitskriegen verbunden. Einer dieser Helden war General Gneisenau. 28 滄口, Ort an der die Kiautschau-Bucht entlang führenden Verbindungsbahn zwischen Tsingtau und Kiautschau [ Jiaozhou].
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Schatsykou [Shazikou], auf der Walderseehöhe, dem Koutsy [Kouzi] Pass und dem Kuschan [Hushan] befinden sich je 2 Stück 9 cm Geschütze.29 Außerdem sind verschiedene Maschinengewehrabteilungen im Vorgelände verteilt. Diese kleine Truppe verteidigt eine Strecke von über 30 km. Mit großem Eifer werden in den Infanteriewerken die Arbeiten fortgesetzt. Im Vorgelände wird der Forst abgeholzt und die Häuser abgetragen und verbrannt, um ein besseres Schussfeld zu erziehlen. Ferner wird mit dem Legen von Flatter- und Kontakt-Minen begonnen. Hinreichende Arbeitskräfte von chinesischen Kulis sind vorhanden und werden von Militärs beaufsichtigt. 24. August, Montag. Japan hat heute seine passende Antwort auf sein Ultimatum an Deutschland erhalten : Wo der deutsche Aar seine Fänge in ein Land geschlagen hat, das Land ist deutsch und wird deutsch bleiben. Wilhelm.30
Wir stehen im kleinen Hafen und hutschen bei heftigem Seegang sehr stark. Nachmittag bekommen wir wieder eine Depesche aus Japan, in der wir nochmals aufgefordert werden, Tsingtau zu verlassen und nach Japan zu fahren oder in einem chinesischen Hafen abzurüsten. In Japan dürfen wir uns den Hafen wählen und vollständige Bewegungsfreiheit haben. Da auf eine Anfrage, die der Herr Kommandant nach Wien gesandt hatte, noch keine Antwort eingetroffen ist, erwiedert der Kommandant auf die von den Japanern bereits zum dritten Mal gestellte Aufforderung : Gebe mit S.M.S. Kaiserin Elisabeth unserem Verbündeten die Hand, und werde wenn not, bis auf den letzten Mann, in der Verteidigung Tsingtaus beistehen.
Aber es sollte anders kommen. Um 12h nachts kamen kurz hintereinander drei verstümmelte Telegramme an, aus Wien, aus Washington und Tokyo. Der Inhalt der Telegramme war : Kaiserin Elisabeth abrüsten, und die Besatzung nach Tientsin zu schicken. Wir glaubten zuerst, dass es sich um eine List der Japaner handle, dass man wegen eines Schiffes nicht mit Österreich in einen Krieg kom29 Von Tsingtau aus in etlicher Entfernung liegende Anhöhen nach Nordosten ; strategisch wichtig, um den Angriff der japanischen Truppen zu erschweren : Shandongtou 山東頭, Kouzi 口子, Hushan 弧山. 30 Dieser Satz war im Zusammenhang mit der Inbesitznahme von Tsingtau durch Admiral von Diederichs am 14. November 1897 und dem China abgepressten Pachtvertrag gefallen. Abgedruckt im Wochenblatt Deutsch-asiatische Warte. Amtlicher Anzeiger des Kiautschau-Gebietes, Tsingtau 21. Nov. 1898 ( Jg. 1, Nr. 1).
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men wolle. Aber als auch eine Depesche vom großen deutschen Admiralstab mit dem gleichen Befehl eintraf, wurde nicht mehr gezweifelt, dass man uns das in Wien angetan hatte. Um 7h a.m. des 25. August fuhren wir an den großen Molo und wurden dort vertäut. Es kam nun auch vom Gouverneur der Befehl das Schiff abzurüsten. Gleich wurde mit dem Ausschiffen von Munition, Handwaffen, Torpedos begonnen, und alles in Depots am Lande verstaut. Die Sanitätsgeräte wurden an deutsche Ärzte abgegeben. Große Entrüstung herrschte an Bord und niemand konnte es fassen, dass wir im Kampf um Tsingtau, der nun bald entbrennen musste, da die japanischen Forderungen abgelehnt waren, nicht teilnehmen konnten und sollten. Mir stieg besonders heiß das Blut in den Kopf, wenn ich dachte, dass ich in dem Weltkriege nicht mitwirken kann, während sich andere in der Heimat Lorbeeren holen können. Um 2h Nachmittag war die ganze Munition ausgeschifft und nun kam der Befehl »alles reisefertig machen«. Die nötigsten Kleidungsstücke wurden zusammengerafft und verpackt. Vieles musste man natürlich an Bord lassen, da man nicht alles in die Kleidersäcke packen konnte, und an manche Sachen dachte man in der Eile gar nicht sie mitzunehmen. Um 3h war essen und Proviantverteilung für 2 Tage. Um ½ 5h tritt alles auf Deck an und der Herr Kommandant versammelt uns um sich in einem engen Kreis und beginnt mit tränenfeuchten Augen eine ergreifende Ansprache, worin er zum Schlusse die Hoffnung ausdrückt, dass wir uns alle bald wieder auf der Elisabeth treffen möchten, dass er hofft das Schiff nicht sprengen zu müssen, allerdings müsste er das alte Schiff, das schon durch soviele schwere Stürme sicher viele Menschenleben getragen hatte, sprengen, ehe er auch nur ein Stückchen davon dem Feinde übergebe. Dann grüßt er und bittet noch von einem »Hurra« abzusehen. Na, wir waren auch nicht dazu aufgelegt und eher Tränen nahe als dem Lachen. Wir verließen nun am Kommandanten vorbei das Schiff und als er auch unsere Rührung sah, sagte er eben als ich vorbei ging und grüßte : »Schade dass diese Leute das Schiff verlassen müssen, und sich nicht dem Feinde zeigen können.« Das traurig ernste Gesicht und den Blick dieses guten Kommandanten werde ich nie vergessen. Wir marschierten nun in langem Zuge zum Bahnhof, der in ¼ Stunde erreicht war. Mit gesenkten Häuptern gingen wir einher und an den Stellen, wo man das Schiff noch sehen konnte, ward schnell noch ein Blick zurückgeworfen. Von den Deutschen, denen wir noch begegneten, wurden wir natürlich schief angesehen und man musste sich wegen dieses anbefohlenen Rückzuges schämen. Natürlich waren die Deutschen aufgebracht. 380 Mann können allerlei
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ausrichten bei einer so schwachen Besatzung wie Tsingtau hatte, und nun gingen so viele weg.31 Am Bahnhof angekommen standen schon Waggons bereit und alles stieg ein.32 Nur der Kommandant [Makoviz], Fregattenleutnant Fröhlich und 15 Mann blieben zurück. Um ½ 6h fuhren wir langsam ab und nur still wurden Taschentücher und Kappen von uns und dem zurückbleibenden Kommandanten, der das Schiff unter keiner Bedingung verlassen wollte, gewunken. Wohl jeden erfüllte der Gedanke, ob wir jemals noch das schöne Tsingtau und unser Schiff, das unsere Heimat im Fernen Osten war, wiedersehen werden. Langsam fuhren wir aus Tsingtau hinaus. Die Strecke war militärisch besetzt und die Soldaten im vorgeschobenen Gelände, die jedenfalls nicht wussten, warum wir abfuhren, winkten uns noch freundlich an.33 Ein Aeroplan flog rechts von uns und ging langsam unsicher über einem Wald nieder, und wie man noch im letzten Moment vor einer Biegung sah, überschlug sich der Apparat gerade über den Bäumen. Wie wir später erfuhren, war der Führer, ein deutscher Marineoffizier, schwer verletzt worden.34 Langsam wurde es dunkel und bald erkannte man nichts mehr. An einer Station auf chinesischem Boden ereignete sich etwas Komisches. Die Stationen sind alle von chinesischem Militär besetzt, um eventuelle Neutralitätsverletzungen der Japaner zu verhindern. Auf einmal tritt ein Soldat zu unserem Waggon und fragt in fließendem Kroatisch, wohin wir Österreicher fahren. Auf unsere Frage, woher 31 Es gibt eine genaue Namensliste der abkommandierten Mannschaft, verfasst vom k. u. k. Marinekommissär Skušek, Tsingtau, 24. Aug. 1914 (ÖStA, K. A., Akten M.S./O.K. 1914/V 2/4). 32 Es waren Lastenwaggons, wie es sowohl dem Vorfallenheitsbericht des Kapitän Makoviz als auch dem japanischen Foto, das anderntags am Bahnhof von Tsinanfu [ Jinan] aufgenommen wurde, zu entnehmen ist. 33 Die in der Südmandschurei erscheinende Tageszeitung Manshū Nichinichi Shinbun [満州日日 新聞] brachte in ihrer Abendausgabe vom 3. Sept. auf der Titelseite ein Foto von der abreisenden Mannschaft der Kaiserin Elisabeth mit dem Hinweis »391 Matrosen ziehen ab !« 34 Leutnant Friedrich Müllerskowski (1886– ?), Flieger-Abteilung des III. Seebataillons. Der erwähnte Unglücksfall gibt jedoch Rätsel auf. Der Tag der Abfahrt aus Tsingtau ist ein einschneidendes und daher gut in der Erinnerung haftendes Erlebnis. Kapitänleutnant Plüschow jedoch datiert in seinen noch während des Krieges erschienenen Erlebnissen (Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau, Anm. 151, S. 35) den schweren Unfall Müllerskowskis auf den 31. Juli und schreibt, dass sein Kamerad bis kurz vor Ende der Belagerung im Lazarett bleiben musste. Nun gab es noch einen dritten Piloten in Tsingtau, den Zivilisten Franz Oster ; dieser baute auch einen Unfall, in dem das Flugzeug am 27. August unreparierbar zertrümmert wurde. Möglich, dass der Flug am 25. August wie ein Unfall aussah, aber keiner war, oder unabsichtlich um zwei Tage verschoben in die Tagebuchchronik aufgenommen wurde (vgl. Wilhelm Matzat, Der erste Flieger von Tsingtau. Franz Oster (1869–1933). Eine biographische Skizze, 2008, https://www.tsingtau. org/franz-oster-der-erste-flieger-von-tsingtau/ [abgerufen am 31.01.2019]).
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Abb. 24: 「愈々悲劇の仲間入り」(Eine Tragödie, der nicht mehr zu entrinnen ist)
»Es gibt Berichte, dass das in der Kiautschou-Bucht liegende österreichische Kriegsschiff Kaiserin Elisabeth (4060t) sich bereits entwaffnet hat oder entwaffnen wird. Isoliert im Fernen Osten wird das Schiff wegen des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Japan unvermeidlich das Schicksal mit Deutschland teilen, das Krieg gegen Japan führen will. Das Ende des Schiffes ist damit besiegelt. Der Gedanke daran erweckt Bitterkeit.«
er Kroatisch sprechen könne, antwortete er dass er Koch bei einem österreichischen Offizier war, dessen Diener ihm das Kroatische lehrte. Langsam schlief alles ein, als wir plötzlich, wie im Traume holde Mädchenstimmen vernahmen. Aber es war nicht Traum, sondern Wirklichkeit. Der Zug stand still und als ich beim Fenster hinaussah, standen viele Frauen und Mädchen am Bahnhof. Es war ½ 2h nachts. Sofort wurde man mit Fragen bestürmt, was es in Tsingtau Neues gäbe. Es waren dies hier in Fangtse [Fangzi]35 die Frauen, die aus Tsingtau in den ersten Tagen bei Kriegsbeginn Tsingtau verlassen hatten. Wir kamen den freundlichen Damen so weit wir konnten entgegen, und versicherten dass alles noch wohl sei. Nun kam aber die große Überraschung. Kisten mit Bier, gegen 300 Flaschen, weißen und schwarzen Kaffee, einige hundert Stück belegte 35 In Fangtse [Fangzi 坊子] förderte die deutsche Schantung-Bergbau-Gesellschaft Kohle, wodurch der Ort zu einer Art Außenstelle von Tsingtau wurde, mit heute noch relativ vielen in der deutschen Kolonialzeit entstandenen Bauten (u.a. Bahnhof ) ; jetzt Teil der Stadt Anqiu (安丘 市), die wiederum zur Metropolregion der Stadt Weifang (濰坊市) gehört (Mu Qipeng, Deutsche Architektur in Fangtse. Untersuchung der Infrastruktur der Schantung Bergbau Gesellschaft 1899–1914, Ing.-Dissertation, TU Berlin, 2012).
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Brötchen, gebratene Hühner, Schweinsbraten etc. etc. wurden in die Waggons geschafft, und sogar Schüsseln mit dampfendem gekochten Reisfleisch wurden uns gereicht, soviel dass man endlich ablehnen musste. Die schönen blonden Germaninnen brachten noch Blumen und schmückten uns damit. Man konnte gar nicht genügend nach allen Seiten danken, und uns war dieses Beschenktwerden sehr unangenehm, da wir wussten dass wir das nicht verdienten, weil wir Tsingtau verlassen hatten. Ich stieg nun aus, um den unverdienten Liebesbeweisen auszuweichen, und dankte, da die Leute an den Coupéfenstern standen, würde ich ruhig am Perron die kühle Nachtluft genießen können, da es mir im Waggon schon sehr heiß geworden war. Aber kaum war ich hinter die eifrig sprechenden Gruppen an den Fenstern gekommen, so drehte sich zufällig ein Mädchen um, um nach etwas zu holen und schon hatte sie mich mit Beschlag belegt. Sie bat mich doch etwas ausführlich zu erzählen, warum und wieso, wie und wann. Nun kam auch ihre Mama, und ich erzählte halt soviel ich wusste. Erst als schon das Signal zur Abfahrt kam, konnte ich mich von den beiden Damen verabschieden. Das etwa 18jährige hübsche Töchterchen steckte mir noch eine gelbe Rose an und als ich im Waggon war, der Zug sich in Bewegung setzte und unter unseren Dankesbezeichnungen den Tsingtauern entlang fuhr, fühlte ich den dringenden Wunsch, das Gut in Tsingtau von diesen lieben Leuten, die uns Österreicher so liebenswürdig mitten in der Nacht besucht hatten, mit verteidigen zu dürfen. Aber wir fuhren leider immer weiter weg und endlich um 3h schlief ich wieder ein. Nur das von all den Flüchtlingen leise gesagte Abschiedswort »Auf Wiedersehen« klang noch in meinen Ohren nach. Um ¾ 6h a.m. erst erwachte alles wieder, als der Zug in Tsinanfu,36 einer ziemlich großen Stadt, anhielt. Wir wurden hier nicht mehr weiterbefördert. Die englische Bahnverwaltung, über deren Gebiet die Bahn führte, ließ uns überhaupt nicht passieren und drohte, falls wir die Fahrt wagen sollten, von einem Fort aus auf uns zu schießen und uns gefangen zu nehmen. Die chinesische Regierung konnte als neutraler Staat einen Transport weiter nicht durchlassen. Telegramme flogen nach Peking und von dort kam nach mehrmaligem Depeschenwechsel endlich um 11h die Bewilligung zur Durchfahrt chinesischen Gebietes, aber nur in dem Fall, dass wir vollständig unbewaffnet sind, und auch keine Waffen bei uns führen. Ein chinesischer Major in Zivil, der 10 Jahre in Deutschland war, nahm eine oberflächliche Untersuchung des Gepäckes vor und zeigte sich außerordentlich liebenswürdig. 36 Jinan (濟南市) ; Hauptstadt der Provinz Shandong ; hier mussten die Reisenden nach Tientsin [Tianjin 天津] auf die Jinpu-Eisenbahnlinie umsteigen, die Tianjin im Norden mit der Stadt Pukou (heute Teil von Nanjing) im Süden verband. Länge der Bahnstrecke von Tsingtau nach Jinan 395 km.
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Abb. 25: Die Besatzung von S.M.S. Kaiserin Elisabeth auf der Bahnstation Tsinanfu [Jinan]; jap. Text: 「墺國軍艦カ井ゼリンエリザヘット號乗員日獨開戰に際し青島に艦を捨て天津 に逃 亡の途濟南停車場を過ぐ」; auch die Tageszeitung »Manshū Nichinichi Shinbun« [満州日日 新聞] berichtete am 3. Sept. 1914 im Abendblatt auf der Titelseite von der Abreise der Mannschaft S.M.S. Kaiserin Elisabeth aus Tsingtau am 25. August.
Während wir am Bahnhof standen, versuchten einige Japaner in Zivil uns abzuphotographieren. So oft einer aber seine Anstalten dazu traf und uns eben abknipsen wollte, drehten wir uns alle wie auf ein Kommando um und unter unserem Gelächter mussten diese Kerle den Platz verlassen.37 Um 11 ½h endlich fuhr der Zug in südlicher Richtung davon und wir mit. Wir fuhren nun um das englische Gebiet herum, und hatten dadurch um 6 Stunden länger zu fahren. In fliegender Eile gings nun ins Innere Chinas. Die Umgebung waren fast ausschließlich große Wiesen mit wenig Bäumen, nur alles Acker. Viele Dörfer wurden passiert, deren Häuser alle aus Lehm und Stroh erbaut sind und von Schmutz starren. In Städten wurden einige Minuten halt gemacht, so auch am Bahnhof von Techow [Dezhou],38 wo eine chinesische Ehrengarde für einen mit dem Zug ankommenden chinesischen General stand. Gerade vor dem Coupéfenster, an dem ich stand, passierte der General mit seinem Stab die aufgestellte Garde und indem der Hauptmann ein Kommandowort gab, präsentierten die Soldaten. Es war recht komisch, dieses Militär anzusehen, das gar nicht den Eindruck eines staatlichen Militärs machte. – 37 Ein Fotoalbum, das im November 1915 ein japanischer Verleger über die Einnahme von Tsingtau durch japanische Truppen herausbrachte, zeigt eine Aufnahme von österreichischen Matrosen der Kaiserin Elisabeth beim Umsteigen am Bahnhof von Jinan in Richtung Tientsin (Nichi-Doku sen’eki Chintao meisho shashinchō 日独戦役青島名所寫眞帖. Tsingtau : Mifune shashinkan, 1915, S. 116). 38 德州市 Stadt im Nordwesten der Provinz Shandong mit direkter Bahnverbindung nach Tientsin.
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Indessen ging die Fahrt bald wieder weiter und da alle schon Hunger verspürten, so gingen einige zu den Waggons, in dem die Liebesgaben der Tsingtauer Damen waren, und bald kamen sie mit Delikatessen beladen zurück. Erst jetzt erkannten wir, was man uns geschenkt hatte und von Neuem empfand wohl jeder ein Dankgefühl für die guten Frauen und Mädchen, die für uns so gesorgt hatten. Besonders der Kaffee, Tee und Limonade war in der riesigen Hitze sehr gut und wohltuend. Nach eingenommenem Mahl nahm ich meinen treuen Begleiter auf all meinen Reisen, meinen Kopfpolster, aus meinem Rucksack und legte mich wieder hin, damit die Zeit schneller vergeht. Trotz des Gepolters der Wägen war ich bald eingeschlafen, und erst um 6h abends erwachte ich wieder. Nun wurde auch bekannt, dass wir erst um 11h nachts nach Tientsin kämen. Um 10h nachts sah man schon weit vorne einen roten Lichtschimmer am nächtlichen Himmel, der von der großen Stadt herrührte. Um 10 ½h fuhr man an deutschen Häusern vorbei, und plötzlich machte der Zug auf einer großen Brücke halt. Das Einfahrtsignal war auf »Halt« gestellt. Während diesem Aufenthalt wurde mir durch den heftigen Sturm meine Kappe fortgetragen und als dunklen Punkt sah ich sie den Fluss hinunter schwimmen. Das Einfahrtsignal wurde auf »frei« gestellt und ¼ Stunde später standen wir im Hauptbahnhof von Tientsin [Tianjin]. Eine Menge chinesischer Offiziere war anwesend und auch eine Kompanie chinesischer Infanterie. Diese besetzten nun die ganz Strecke, auf der wir zu gehen hatten, da ein Angriff oder eine Demonstration von den in Tientsin stehenden Russen und Franzosen im Bereich des Möglichen war. Da wir aber unter dem Schutze der chinesischen Regierung standen, so musste diese uns Unbewaffneten eine Schutzwache mitgeben. In endlosen Gassen gings durch die Stadt bis wir endlich in eine breite Straße und von hier zu einer schönen Brücke kamen. Hier begann das Österreich in China, jenes Gebiet, das statt einer Kriegsentschädigung nach dem Boxeraufstand an Österreich abgetreten wurde und jetzt auf 99 Jahre gepachtet ist ; ebenso haben Deutschland, Frankreich, England, Amerika, Italien etc. Konzessionen. Unsere Konzession ist die reichste. Sie zählt zur Zeit 44.000 Einwohner, alles Chinesen, die die Steuern an das Österreichische Konsulat zu entrichten haben, und aus denen so viel zusammenkommt als die Ausrüstung für ein Kriegsschiff im Ausland kostet. Deshalb ist es möglich, dass in China ein fixes Stationsschiff erhalten werden kann. – Nach Überschreiten der Brücke, über die auch eine Tramway führt, kommt man in eine schöne breite Straße, die hell erleuchtet ist. Kurz darauf biegen wir in eine enge Gasse ein und etwas weiter vorne sieht man an einem hellerleuchteten Haus die österreichische Flagge wehen und einen Posten stehen. Wir gehen in das Gebäude hinein, an dessen rückwärtiger Front ein großer Hof ist. Unsere
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Schlafquartiere werden uns angewiesen. Und um 2h a.m. gehe ich noch einmal durch ein paar finstere Gassen und komme mit einigen anderen in ein Schulgelände. Aber hier wird nicht mehr lange geschaut, sondern schnell das bereitstehende heiße Essen mit Tee eingenommen und dann so schnell als möglich niedergelegt. Um 9h a.m. des 26. August erhebe ich mich wieder und gehe in das bereits in der Nacht besuchte Lager, das den Namen Yamen39 führt. Dort werden Einteilungen getroffen, während dem aber kommt aus Tsingtau das Telegramm, wir sollen sofort auf das Schiff zurückkommen. Ein einziger Freudenruf darüber durchdringt alle und mit der festen Zuversicht, bald unser Schiff wieder zu sehen und mit ihm kämpfen zu können, verbringen wir den weiteren Tag. Aber das Zurückkehren nach Tsingtau geht nicht mehr so schnell als wir wollen. Die chinesische Regierung will absolut nichts mehr von einem Rücktransport wissen, und will nicht wegen 300 Österreichern in einen Konflikt mit Japan oder England kommen. Telegramme fliegen hin und her ; da aber keine Einigung auf diese Weise mit der chinesischen Regierung in Peking erzielt wird, so fährt am 27. August unser Korvettenkapitän40 nach Peking, um dort direkte Verhandlungen mit dem chinesischen Ministerium zu führen. Während dem sind wir hier zur Untätigkeit verurteilt und ich benütze den Nachmittag dazu, um mir unseren Besitz in China näher zu besichtigen. Da unsere Konzession nur von Chinesen bewohnt ist, sieht es überall danach aus. Allerdings nicht so schmutzig wie etwa in anderen Orten Chinas, wo wir schon waren, aber doch etwas typisches. Eigentlich kann man nur auf der Hauptstraße, wo alle größeren Geschäfte sind, ordentlich gehen, denn in allen anderen Gassen ist es sehr eng und riecht es grässlich nach den chinesischen Speisen, die überall ausgestellt sind. In der Bevökerung sind sehr viele Frauen und Kinder, die alle nett und rein gekleidet sind, aber alle die kleinen Füße haben und wie auf Stelzen gehen. Die Kinder sind besonders zierlich und die Mädchen haben auf ihren schwarzen fettigen Haaren Blumenkränze und schöne Nadeln und Kämme. Abends ging ich in ein chinesisches großes Kaffeehaus, wo eine Kegelbahn und Billard sind, dann in die einzige europäische Bar in unserer Konzession, wo eine Frau mit Tochter und Sohn wirtschaftet. 28. August, Freitag. Da das Ende des Monats naht, finden sich schon viele Chinesen im »Yamen« ein, um ihre Steuern zu erlegen, und gegen 11h a.m. sind 39 Chinesisch für : Amtsgebäude einer Behörde. 40 Georg Pauspertl Wladyk von Drachenthal ; er hatte als Transportkommandant die Namensliste der am 25. Aug. 1914 ausgeschifften und nach Tientsin abgegangenen Stabs- und Mannschaftspersonen angeführt.
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so viele da, dass viele weggeschickt werden müssen ; alte Frauen und Männer, sowie Kinder bringen die Gelder. Jeder kleinste Händler, Wagen- oder Kahnbsitzer muss zahlen. Ein Rickshawmann muss z.B. jährlich 9 Dollar (18 Kronen) zahlen. Geschäftsleute, Angestellte etc. etc. haben natürlich nach ihrem Einkommen höhere Steuern und auch die reichen Chinesen müssen für ihr bloßes Vermögen hohe Steuern zahlen. Es kommt so jährlich 1 ½ Millionen an Österreich ab. – In der Kaserne ist auch die österreichische Polizeiwache für die Konzession untergebracht, die aus uniformierten Chinesen besteht und überall das österreichische Wappen, den Doppeladler tragen. Nachmittag findet im Hofe eine Vorführung von 50 Mann dieser Polizeitruppe statt. Zuerst vollführen sie unter dem deutschen Kommando eines unserer Unteroffiziere einige Gewehrgriffe und Marschübungen. Dann, als diese gut ausgeführt waren, noch einige Exerzitien unter dem Kommando ihres eigenen ältesten Unteroffiziers, ein Chinese, der schon 12 Jahre bei der Abteilung ist. Er spricht die Kommandos in gebrochenem Deutsch aus und die bezopften Polizisten mit ihren großen Strohhüten führen die Kommandos mit den Gewehren ganz gut aus. Man muss staunen wie diese chinesischen Polizisten so schnell und gut die Kommandos und deren Ausführung lernen und dabei noch Wachdienst in den Straßen versehen. Nachmittag bis gegen 5h zerlegen sie ihre Gewehre, altes österreichisches Modell, und reinigen alle Teile. Um die Stelle eines Polizisten reissen sich die Chinesen förmlich. Vor einigen Tagen wurde vom Kommando veröffentlicht, dass 9 Mann aufgenommen werden, und die Bewerber mussten sich im Hofe einfinden. Aber wieviele erschienen ! Es waren über 400 durchwegs bessere Chinesen, viele sogar in Seidenkleid erschienen, davon konnten nur 9 ausgesucht werden, und die Wahl war natürlich schwer, um niemanden Unrecht zu tun. Die passendsten wurden ausgesucht und kamen heute wieder und erhielten ihre Uniformen, die sie mit Stolz anlegten. Das monatliche Gehalt beträgt 8–10 $, zirka 20 Kronen. Im Laufe des Nachmittags kam auch der Korvettenkapitän [Pauspertl] aus Peking zurück und abends fuhren im Geheimen 26 Mann von Tientsin in Zivil verkleidet nach Tsingtau ab. Natürlich musste dies geheim gehalten werden, damit nicht die japanischen Behörden aufmerksam werden. Es wurde deshalb bekannt gegeben, dass die Leute nach Peking und ein Teil nach Schanghai gefahren waren. Aber wir ersahen aus dem Abtransport, dass die Verhandlungen in Peking zu einem günstigen Resultat geführt haben und die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr stieg von Neuem. Am 29. August Nachmittag kam die telegraphische Nachricht aus Tsinanfu [ Jinan], dass der Transport glücklich dort angekommen sei und auf dem Wege nach Tsingtau keine weitere Gefahr mehr bestünde. Sofort wurden wieder Leute,
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hauptsächlich Artilleristen bestimmt ; sie werden im Geheimen in einem Privathaus umgekleidet und erst am nächsten Tag weiß man die Namen der Abgereisten. Auch 3 Offiziere fahren heute Abend ab.41 Nach jedem Transport wird auf die Telegramme aus Tsinanfu gewartet, ob die Leute dort richtig angekommen sind und erst dann kommen wieder 6 oder 8 Mann daran. Wir Zurückbleibenden machen indessen nichts als täglich mit der Mannschaft 2 Stunden Exerzieren und Nachmittag müssen wir Unteroffiziere den Leuten in den Zimmern Dienstreglement vortragen ; dabei nehme ich hauptsächlich kriegerische Kapitel vor, meistens was meine eigene Meinung über Angriffe, Rückzug, Verwundungen etc. etc. und Gesundheitspflege betrifft. Meine Studien und das Interesse, welches ich – als ich noch in Civil war – dafür zeigte, kommt mir jetzt sehr zu statten, und ich kann die Leute über viele irrige Ansichten der Kriegführung und die Ehre des Soldaten aufklären, was mir ganz große Genugtuung bereitet. Dabei halte ich meinen aufmerksamen Matrosen immer vor, dass jede Minute uns auch auf den schweren Posten in Tsingtau berufen kann und dass sie noch einiges von dem was ich sage brauchen werden können. Am gleichen Tage meldete ich mich mit der dringenden Bitte bei unserem Offizier, dass ich sobald als möglich nach Tsingtau möchte und es hier nicht aushalte. Ich bekam die Versicherung, dass ich sobald als möglich, falls Maschinen-Unteroffiziere gebraucht würden, abgehen werde. Vorerst müßten die zum Schießen notwendigen Leute nach Tsingtau kommen. Ich gab mich damit zufrieden und harrte mit nagender Ungeduld auf den Moment, wo ich abfahren würde können. Aber es schien schon, als würde nichts daraus. Am 3. September kam die Nachricht, dass der Transport aufhören müsse, weil die ganze Strecke von Kiautschau bis Tsingtau durch große Überschwemmungen unpassierbar geworden sei und keine Züge mehr fahren können. Aber auch dagegen kamen wir auf. Am 6ten September gingen schon wieder 12 Mann in Civil ab und diese mussten von Kiautschau aus durch Schlamm und Wasser sich einen 12 km langen Weg bahnen, bis sie an einen Fluss kamen und von dort aus mittels chinesischen Ruderbooten nach Tsingtau fuhren. Als die Nachricht von der glücklichen Ankunft durch diese Leute ankam, war in Tientsin [Tianjin] die Freude eine allgemeine und noch am selben Abend gingen wieder eine Menge Leute weg. Ich brachte auf das hin meine Bitte nochmals vor mit der Begründung, dass womöglich die Japaner früher die Bahn besetzen würden, bevor ich daran käme. Indessen ver41 Einer dieser Offiziere war Linienschiffsleutnant v. Klobučar, als Artillerieoffizier der Kaiserin Elisabeth Kommandeur der Artilleristen an Bord. Der einzige Bord-Offizier, der beim Marinedetachement in Tientsin zurückgeblieben war, war Linienschiffsleutnant Oskar Gayer.
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gehen noch einige Tage in denen ich, da wir nichts zu tun hatten, mir fleißig die Konzession ansah und täglich ausging. So gingen täglich einige Männer ab und manche wurden um Mitternacht geweckt und mussten fort. Direkt von den 3 Bahnhöfen Tientsins konnte man nur mehr schwer fortkommen, da diese von französischem oder englischem Militär bewacht wurden. Einer unserer Leute hatte nämlich unvorsichtiger Weise sich in einem Restaurant über den Grund, warum bei uns immer weniger Leute werden, ohne zu denken geäußert. Die feindlichen Behörden, denen etwas zu Ohren kam, ergriffen Maßregeln. Außerdem wimmelte es von japanischen Spionen um unsere Wohnungen und als ich einmal im Dienst war und die Wache kommandierte, kam ein Mann zu mir, der eine Photographie brachte und den Namen eines Mannes angab, der die Photographie in Japan bestellt habe. Der Überbringer war zwar europäisch gekleidet, aber in seiner Gestalt, die typisch für jeden Japaner ist, und an den Augen erkannte ich auf den ersten Blick, nachdem man mir den Mann vorgeführt hatte, dass es ein Japaner war. Schneller als der Kerl hereingekommen, flog er hinaus beim Tor, und der Posten, der ihn hereingelassen hatte, gab ihm noch eins nach, als er um sein Geld für die Photographie jammerte. Da aus Tsinanfu das baldige Eintreffen japanischer Truppen gemeldet wurde, gingen in der Nacht von 12. auf den 13. September noch 60 Mann ab, da ja bisher nichts geschehen war und alle wohlbehalten nach Tsingtau gekommen waren. Ich kam an diesem Tag erst um 2h a.m. zu schlafen, aber bereits am 13ten September um ½ 6h wurde ich geweckt und der diensthabende Unteroffizier sagte mir, während ich sehr erzürnt über das frühzeitige Wecken war, dass ich in 3 Stunden abfahre. Schneller als man denken kann, war ich nach diesen erlösenden Worten munter und mit einem Satz aus meinem Bett und in die Kleider. Schnell gewaschen und einen Schluck Kaffee, und schnell noch die nötigsten Sachen geordnet. Von Müdigkeit war nichts mehr zu spüren. Ich hatte mit einigen Kollegen die zwei vorhergehenden Abende in der Stadt gefeiert, auf dass wir bald auf unser Schiff kämen. Nun war der Wunsch, der mich 2 Wochen in Atem hielt, erfüllt. Noch 30 andere waren bestimmt worden.42 Als wir angetreten waren und vom Dienstführer die Namen der Abgehenden verlesen waren, brachen wir in ein dreimaliges kräftiges »Hipp-Hipp-Hurra« aus. Nun nahmen wir von unseren Kameraden einen ernsten Abschied. Wer weiß, ob wir uns wiedersehen. 42 Von den letzten, am Morgen des 13. September abfahrenden 90 Besatzungsmitgliedern der Kaiserin Elisabeth waren 49 Mann für den Zug um 5 a.m. bestimmt worden ; Friedrich Kirchner gehörte zur zweiten Gruppe von 31 Mann. Der höchstrangige Unteroffizier dieser 90 Mann war Stabs-Torpedomeister Rudolf Skugor.
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Nun gingen wir um 8h durch enge Gassen in ein 10 Minuten entferntes Privathaus eines österreichischen Vertreters verschiedener österreichischer Firmen, und von dort durch 2 Gärten je 1 oder 2 Mann in den Garten des Konsulatsgebäudes. Es ist dies ein schönes villenartiges Gebäude, das mit der Vorderseite auf eine Straße geht, sonst aber von einem Garten umgeben ist. Damit wir nicht auffallen, gehen wir nicht von der Straße hinein, sondern kommen hinten durch den Garten durch ein kleines Tor in das prachtvolle Foyer, wo bereits Linienschiffsleutnant v. Milasević [= von Mariašević]43 wartet. Soeben kommen auch 30 nagelneue Zivilanzüge und Hüte von einer deutschen Firma an. Ebenso Hitzkrägen, Manschetten, Hemden, kurz und gut alles was für eine gentlemanmäßige Ausrüstung notwendig ist, war hier auf dem Teppich belegten Fußboden und Tischen aufgelegt ; als ich meine Marineuniform abgelegt hatte und wieder einmal nach 3 Jahren in Civil mit Stehkragen dastand, fühlte ich mich nicht als Krieger, der es vielleicht schon in wenigen Stunden mit dem Feinde zu tun haben wird. Als wir nun endlich alle in Civil dastanden, gab uns der Schiffsleutnant einige Verhaltensmaßregeln für die wichtige Fahrt, welche wir machen müssen, um der Kaiserin Elisabeth neue notwendige Kräfte zuzuführen, und wir deshalb die größte Vorsicht gegen Fremde üben müssen. Wir müssen diese Fahrt auf allerhöchsten Befehl des Kaisers wagen, obwohl bereits Meldungen einlaufen, dass die Japaner an der Bahn nach Tsingtau sind und Brücken gesprengt werden. Wir sind die letzten, die noch abgehen, da ein weiterer Transport sicher nicht mehr durchkommen würde. Falls wir gefangen werden sollten, sollen wir uns als Soldaten tapfer benehmen und eingedenk unseres Schwures bei Eintritt in die Marine danach handeln. Trotzdem wir mit Leib und Seele Österreicher sind, müssen wir in den kommenden Stunden unsere Nationalität verleugnen, und falls wir gefragt werden, müssen wir sagen : Deutsche. Warum das ? Die chinesische Regierung hat nicht erlauben können, dass wir als Österreicher die Strecke fahren. So wurde also vorgeschlagen, dass wir uns als deutsche Reservisten ausgeben müssen. Nachdem wir noch jeder Reisegeld bekommen hatten,44 verabschiedeten wir uns vom Linienschiffsleutnant [Mariašević] und nun gingen immer rund 2 von uns zum Gartentor hinaus auf die Straße und nach ¼ Stunde kam auch ich hinaus. Mit einem Kollegen ging ich durch unsere Konzession, kaufte mir noch ein Frühstück und nahm mir kalten Aufschnitt mit. Wir be43 Linienschiffsleutnant Vladimir von Mariašević ; Kommandant des österreichisch-ungarischen Marinedetachements in Tientsin. 44 Jedem Mann wurde für die Eisenbahnfahrt, Ricksha- und sonstige Ausgaben ein Betrag vom 9 Dollar und 20 Cent ausgehändigt.
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gegneten auch noch anderen von uns, aber kein Blick wurde gewechselt und niemand konnte feststellen, dass wir noch vor Minuten des Kaisers Rock trugen. Da ich den Weg zum europäischen Bahnhof nicht wusste und höchste Eile war, ließen wir 2 uns von Rickshaws, denen man nur »train« sagen brauchte, hinfahren. Von unserer Konzession heraus kommt man in die italienische, in der aber gar keine Chinesen wohnen, sondern nur Europäer, zumeist Italiener, dann kommt die englische und in dieser liegt der Bahnhof. Wir stiegen aus, lösten Karten nach Tsinanfu und begaben uns in einen Waggon 2ter Klasse, wo bereits 20 von uns sitzen, nebenbei auch einige andere Passagiere. Dass hier unsere Kameraden sind, dürfen wir natürlich nicht verraten und wortlos geht man aneinander vorüber. Gegenüber von 2 unserer Leute, auch Maschinen-Unteroffiziere »in Civil«, setzen wir 2 uns nieder, aber auch weiterhin bleibt man sich dem Gegenüber fremd. Diese Vorsicht war sehr angebracht. Der Bahnhof war von einem französischen Militärposten besetzt, der immer vor unserem Waggon herumging und herumblickte. Um 9h 40 a.m. verließ der Zug Tientsin. Ein höherer uniformierter chinesischer Eisenbahnbeamter kommt herein und macht jeden von uns aufmerksam, dass wir uns auf ihn verlassen können. Er weiß, dass wir Österreicher sind, die nach Tsingtau wollen, und falls etwas vorfallen sollte, sollen wir uns sofort an ihn wenden, da er uns über hat. Bald darauf kommt er eilig zurück und unter dem Vorwande, dass er die Karten abstempelt, flüstert er in gutem Deutsch jedem zu : Achtung, es sind 9 japanische Offiziere in Civil im Zug. Den Moment kommt ein eleganter Herr in Frack durch den Korridor und der Bahnbeamte zeigte, nachdem jener vorbei war, dies ist einer. Der Herr mit dem gelben Gesicht und den Schlitzaugen setzt sich auch richtig mitten unter uns 22 Mann auf einem freien Platz und wir sind dadurch zu noch größerer Vorsicht ermahnt. Er zieht eine Zeitung heraus in der, wie ich deutlich sah, die Kriegsereignisse in Europa ausführlich in deutsch beschrieben waren. Einer von uns, der neben dem Herrn saß, nahm einen Apfel heraus und sofort bot ihm der Japaner in deutscher Sprache ein Taschenmesser an, worauf dieser kühl erwiderte : »Von einem Japaner nehme ich nichts an«, worüber natürlich der entdeckte Spion sehr erstaunt war, kein Wort erwiderte, und ¼ Stunde später unauffällig den Waggon verließ. Dieser war abgefertigt, und die anderen waren gewarnt, denn es ließ sich keiner mehr blicken. Die Fahrt verlief nun ohne Zwischenfall. Um 12h nahm ich im Speisewagen ein Mittagsmahl ein, das von Chinesen serviert wurde und sehr gut mundete. Abends um 8h kam wieder der chinesische Bahnbeamte und sagte uns, dass wir in der nächsten Station aussteigen müssen, da wir in Tsinanfu [ Jinan] angelangt seien. Wirklich hielt der Zug 10 Minuten später auf dem uns schon bekannten Bahnhof. Ein Gefühl der Erleichterung überkam mich, da wir ja
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jetzt fast nichts mehr vor Engländern zu fürchten hatten. Schnell stand ich am Bahnsteig und ein Herr trat auf mich zu und flüsterte mir im Vorbeigehen zu : »Der großen Laterne nachgehen.« Ich konnte nicht sofort den Sinn der Worte verstehen, aber ich ging auf gut Glück zum Bahnhof hinaus, indem ich mich vor den vielen am Bahnhof weilenden Europäern so gut als möglich verbarg. Am Bahnhofsplatz suchte ich nach »der großen Laterne« und richtig sah ich etwas weiter weg am Rücken eines Chinesen eine große rechteckige Glaskiste, die von innen beleuchtet wurde und auf der in roten Buchstaben »Hotel Freudler« stand. Ich setzte mich nun in einen Wagen und der Chinese, der mich zog, wollte nicht so langsam gehen als der Mann mit dem Führungssignal, dem nun auch schon andere von uns in Abständen folgten. Der Chinese wusste offenbar von dem Transport, denn plötzlich fing er an zu laufen und ließ sich nicht mehr halten. Bald darauf hielt er vor einem schönen erleuchteten Haus, an dessen Tor schon eine Frau und ein junges blondes Mädchen warteten. Ich stieg ab und kam durch ein Vorhaus in einen mit Lampions geschmückten Garten und von dort in einen großen Saal, dessen Tische bereits gedeckt waren. Indessen kamen auch schon einige andere Unteroffiziere und der Wirt sowie auch der deutsche und österreichische Konsul samt Frauen in den Saal. Wir machten es uns bequem. Nach und nach waren alle 30 Mann von uns eingelangt und nun wurde Suppe, zweierlei Braten, Gemüse, Huhn, und mehrere Torten nach und nach aufgetischt. Wir hatten alle ordentlich Appetit von der langen Fahrt und der Wirt sagte uns, dass das Essen von der österreichischen Regierung bezahlt wird. Außerdem war gutes braunes bayrisches Bier hier, und unter fröhlichen Liedern rann das kühle Nass durch die Kehle, und alles war lustig, da wir uns ja nun wieder kennen durften und unsere Nationalität nicht mehr zu verleugnen brauchten. Wohlgestärkt verließen wir um 10h [p.m.] das Hotel. Auf dem Weg zum Bahnhof kamen uns die 60 Mann, die in der Nacht vor uns aus Tientsin abgefahren waren und hier auf uns gewartet hatten, aus einem anderen Hotel heraus und zogen ebenso zum Bahnhof. Ich setzte mich in eine Rickshaw und gab dem Chinesen die Richtung nach dem Bahnhof. Bald aber bemerkte ich, dass er einen anderen Weg eingeschlagen hatte. Ich drängte ihn zu einer anderen Strecke. Er aber blieb bei seinem Ziel und lief in der mir unbekannten Straße fort. Weil ich fürchtete, den Zug zu versäumen, bemühte ich mich umzukehren. Aber der Kerl lief weiter und nach einer Biegung sah ich einen großen Platz vor mir und links davon Eisenbahnschienen. Nur fand ich mich da ganz allein, auch war es ein anderer Bahnhof als der, an welchem wir angekommen waren. Der Kuli deutete auf einen leeren finsteren Eisenbahnzug, der auf den Schienen stand und murmelte : »Tsingtau«. Flugs ging ich ins Stationsgebäude, wo ich einen
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Herren und eine Dame in einem Zimmer gewahrte. Ohne zu zögern trete ich ein und frage, ob von hier aus der Zug nach Tsingtau abgehen wird. Der Herr, der sichtlich der Stationsvorstand war, bejahte es, ich soll nur einsteigen. Und kurz nachdem ich mir einen guten Platz gesucht hatte, kamen auch schon die ersten von denen, die zu Fuß hierher gegangen waren. Nach und nach fanden sich alle ein und um ½ 11h nachts verließen wir Tsinanfu. Der Chinese, der mich geführt hatte, hatte also Bescheid gewusst. Wir waren nun 90 Mann im Zug, der 4 Waggons hatte. Ein jeder von uns dachte ans Schlafen, und bald lagen wir, so gut es ging, auf den Bänken und wurden ordentlich herumgebeutelt. Ich fand keinen Schlaf, stand auf und stellte mich auf die rückwärtige Plattform des Zuges und ließ den kühlen Nachtwind auf mich einwirken, was mir sehr wohl tat. Um ¼ 1h nachts kamen wir wieder nach Fangtse [Fangzi], das diesmal aber leer war, da die Tsingtauer Flüchtlinge weggefahren waren, weil die Japaner in wenigen Tagen diesen Ort besetzen werden. Mit wehmütigen Gefühlen waren wir vor 14 Tagen nachts hier gestanden und jetzt fuhren wir frohgemut durch den Ort, um Tsingtau zu erreichen und das Gut der Tsingtauer Bürger, die uns so liebenswürdig bewirtet hatten, zu verteidigen. Um 4h a.m. mussten wir auf offener Strecke den Zug verlassen, da eine Brücke und das daran anschließende Erdreich infolge der großen Überschwemmungen, die hier gewütet hatten, nicht mehr fest waren und an einer Stelle der Bahndamm ein tiefes Loch hatte. Gegen 200 Arbeiter unter Leitung deutscher Ingenieure nahmen hier bei Fackelschein die Ausbesserungsarbeiten vor, und wir mussten auf Baumstämmen über das ausgewaschene Loch kriechen. Langsam wurde dieses Hindernis bewältigt und auf der anderen Seite stand schon ein Zug bereit. Wir bestiegen denselben und die Fahrt ging weiter. Indessen dämmerte es langsam. Aber um ½ 6h a.m. mussten wir abermals den Zug verlassen. Wir waren vor eine große Brücke gekommen, von deren 8 Stützpfeilern waren 2 durch das Hochwasser eingestürzt und hatten einen Teil der Brücke weggerissen. Wir mussten nun durch schlammiges Erdreich waten, wobei ich einmal bis zum Knie versank und mir plötzlich vorschwebte als ob ich versinken würde. Aber ich arbeitete mich bald wieder heraus und folgte den Fußstapfen der Vorangehenden, bis wir zum Fluss kamen, dessen Wogen nun nicht mehr so hoch gingen wie augenscheinlich vor einigen Tagen. Am Ufer stand eine große chinesische Dschunke, in die 20 von uns nun stiegen. Mit Stangen und Haken stießen die Chinesen nun vom Lande ab und brachten uns in schräger Fahrtrichtung auf das andere Ufer. Dort mussten wir nun einen Abhang hinaufklettern und standen am Bahndamm. Nicht weit stand der Zug, der uns die letzte Strecke bis Tsingtau führen sollte. In fliegender Eile mit mehr als Schnellzugsgeschwindigkeit ging es nun nach Kiautschau
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[ Jiaozhou].45 Dort wurde eine neue Maschine vorgespannt und ½ Stunde war Aufenthalt. 3 Missionäre waren hier, von denen 2 mit nach Tsingtau fuhren, um beim Roten Kreuz behilflich zu sein. Plötzlich kam ein deutscher Offizier gelaufen, sprang auf den Kohlentender und blieb dort auf den Kohlen mit geladenem Revolver in der Hand sitzen, während der Zug mit einem Ruck abfuhr. Wir wussten nicht, was das zu bedeuten hatte, aber als ich in der Richtung der Blicke des Offiziers folgte, sah ich auf einer Wiese, ungefähr 3 km entfernt, gegen 15 Reiter einhersprengen. Es waren die ersten japanischen Vorposten, die das Gelände aufzuklären hatten und in 10 Minuten den durch 17 Jahre deutschen Ort Kiautschau militärisch betreten werden. Hätten sie uns noch erreicht, so wären wir, da wir ohne Waffen waren, in Gefangenschaft geraten, ohne etwas fürs Vaterland getan zu haben. – Eine Zeit lang fuhren wir furchtbar schnell auf abschüssigem Terrain, dann aber so langsam, dass man die Steine am Boden hätte zählen können. Die Strecke war durchgehend vom Hochwasser gezeichnet, links und rechts des niedrigen Bahndammes lagen anstatt Felder zwei große ausgedehnte Seen. Der Dampf in der Maschine war abgesperrt und so rollte der Zug durch die Eigengeschwindigkeit ganz langsam vorwärts. Es war dies eine gewagte Fahrt. Die Schienen wirkten gekrümmt, und als ich einmal nach rückwärts blickte, sah ich keine Bahnstrecke mehr, sondern nur eine schwarze Schlangenlinie der Schienen. Die Strecke wurde nach uns nicht mehr befahren. Eine Zeit kroch der Zug, dann wieder, wie ich am Geschwindigkeitsmesser erkennen konnte, gings mit 75 km weiter. Aber die Fahrt sollte bald endgültig abgebrochen werden. Wir kamen nun wieder zu einer großen Eisenbahnbrücke, die aber vor 5 Tagen von deutschen Pionieren gesprengt worden war. Die Japaner müssen bei ihrem Anmarsche sich erst selbst wieder Brücken bauen. Um 9h verließen wir den Zug und ein deutscher Sergeant führte uns durch Gestrüpp zum Fluss, wo 7 kleine Dschunken mit je 2 Chinesen standen, in die wir nun einstiegen und um ½ 10h aufs andere Ufer fuhren. Die Chinesen ruderten fleißig und schwitzten sehr, da die Sonne heiß hernieder brannte. Auch uns war es nicht angenehm in der heißen Sonnenglut in dem Boot unbequem zu sitzen und noch dazu seit gestern Abend 9h keinen Bissen im Mund und keinen Tropfen zum Trinken. Um 12h tranken wir mit der Hand das gelbe Flusswasser, als wir sahen dass das die Chinesen auch taten. Von uns 15 Mann, die im Boote waren, schlief einer nach dem andern ein. Die Hitze war unerträglich. Außerdem waren die meisten Zivilanzüge aus dickem Stoff, weil – als wir von Tientsin abfuhren – einige Tage früher 45 Die Stadt Jiaozhou (膠州市), wichtige, für das deutsche Schutzgebiet Namen gebende Station an der Shandong-Bahn von Tsingtau nach Jinan ; es war neutrales chinesisches Gebiet.
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schon sehr kühles Wetter war. Das Boot glitt langsam durch die Ruderschläge getrieben den Fluss hinab. Um 3h kamen wir an einer deutschen Polizeistation vorbei und bald danach kam uns ein deutsches Motorboot entgegen um zu sehen, ob wir kämen. Mit einem kräftigen Hurra von beiden Seiten begrüßten wir uns. Endlich um 4h [p.m.] wurde Tsingtau am Horizonte sichtbar, natürlich nicht die Stadt selbst, doch die Halbinsel erschien als ein schwarzer Streifen. Aber bis dorthin mussten wir noch lange fahren. Um ½ 5h kam unser Boot aus dem Fluss, der ins Meer mündet, heraus und wir fuhren jetzt im schmutzigen Salzwasser. Ein frischer Wind wehte und ziemlich hohe Wellen hoben den kleinen Kahn hinauf und dann versank er wieder tief im Wellentale. Ich fühlte mich in Anbetracht der Meernähe und der Meerluft viel frischer und war froh, nach 14tägiger Unterbrechung das Meer wieder zu sehen. Das Wasser spritzte ins Boot, aber die Chinesen ruderten fest weiter, da wir gesammelt hatten und den zwei Männern 2 Dollar zukommen ließen, worüber sie sehr erfreut waren, denn das ist außer dem Geld, das sie von der deutschen Gebietsverwaltung noch bekommen, sehr viel und die können damit wohl zwei Monate sorglos leben. Das Land kam immer näher und man konnte allmählich schon genaue Umrisse des Landes erkennen. Man sah auch einen weißen Punkt auf uns zukommen, der aber später still zu stehen schien. Der weiße Punkt stellte sich bald als ein deutsches Kadettenboot heraus, das uns schneller nach Tsingtau bringen sollte. Unser Boot erreichte als erstes das Kadettenboot. Wir stiegen in dasselbe ein, herzlichst begrüßt von der Besatzung. Unsere größte Freude aber war, als wir in die Kabine kamen, eine große Büchse Butter, Marmelade, Brot, und weißer Kaffee, dem allen nun natürlich ordentlich zugesprochen wurde, nachdem wir beinahe 24 Stunden nichts gegessen hatten. Ein anderes Boot folgte nach, davon konnte aber nur mehr einer zu uns genommen werden, der nämlich als Kranker von Tientsin abgefahren war und jetzt sehr litt. Nun fuhr das Boot, das einen sehr guten Motor eingebaut hatte, mit 60 km Geschwindigkeit durch die hochaufgepeitschte See und hinter uns bildete sich ein weißer Strom. Um ½ 6h [p.m.] kamen wir endlich in Tsingtau an und verließen das Boot. Ein großer Tender fuhr hinaus, um die anderen zu holen. Ich begab mich nun mit einigen Kollegen ins Hafen-Hotel, wo wir erst unseren Hunger und Durst ordentlich stillten. Von allen anwesenden Militaristen wurden wir willkommen geheißen und auf das Wohl Tsingtaus manches Glas gelehrt. Um 7h gingen wir an Bord. Ich betrat als erster unsere Elisabeth und als wir 20 Mann alle auf Deck standen, brachten wir ein 3-maliges »Hipp-HippHurra« aus und schwenkten unsere Zivilhüte in der Luft. Nun begrüßten uns der Kommandant und die Offiziere und wir mussten unsere Erlebnisse erzählen.
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Abb. 26: Linienschiffskapitän Richard M a kov iz , Kommandant der Kaiserin Elisabeth; Aufnahme als Fregattenkapitän, Pola 1911.
Abends um 9h ging ich nochmal weg und kam um 12h Nacht wieder an Bord. In ganz Tsingtau, wohin immer wir kamen, hieß man uns willkommen sobald wir sagten, dass wir soeben aus Tientsin angekommen seien, um an der Verteidigung teilzunehmen. Auch am nächsten Vormittag ging ich in die Stadt, wobei ich das letzte Mal die Konditorei besuchte und im Seemannhaus, das bereits als Lazarett eingerichtet ist, ein Gabelfrühstück nahm. Noch 2 Tage blieb ich in Zivil bis am 3ten Tage deutsche Marine-Uniformen kamen, die wir anzogen.
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Während meiner Abwesenheit hatte sich in der Stadt und Umgebung vieles zugetragen, was für den Verlauf der Verteidigung wichtig war. Nachdem wir am 25. August Tsingtau verlassen hatten, war das Telegramm, welches unser Kommandant [Makoviz] nach Schanghai am 25. August 4h a.m. aufgegeben hatte, noch unterwegs. Er hatte darin unserem Generalkonsul für China [Dr. Bernauer] das Eintreffen der drei Depeschen mitgeteilt und obwohl er den Befehl der Desarmierung des Schiffes durchführte, so bat er den Konsul um nähere Mitteilungen über die Ursache, die der Konsul von Wien erfragen musste. Der Konsul telegraphierte also nach Wien, warum das Schiff abrüsten musste. Dort im Ministerium wusste man nichts von einem solchen Befehl. Nun wurde in Berlin angefragt und von dort kam die Antwort, dass ein Telegramm eingetroffen sei, worin der japanische Botschafter [Satō] in Wien anfragte, ob die deutsche Regierung mit der Außerdienststellung der Kaiserin Elisabeth einverstanden sei. Da man dort glaubte, die österreichische Regierung habe natürlich schon eingewilligt, kam die Antwort : »Schiff soll abrüsten«. Gleichfalls ging auch vom deutschen Marine-Ministerium nach Tsingtau das Telegramm ab, wir sollen abrüsten. Der japanische Botschafter in Wien aber hatte das alles ohne Wissen unserer Regierung getan und war nun froh über den Erhalt der zustimmenden Haltung Deutschlands. Er telegraphierte nun nach Schanghai im Namen unserer Regierung, natürlich ohne deren Wissen, an den Generalkonsul und auch an den österreichischen Botschafter [Müller-Szentgyörgy] in Tokyo, dass das Schiff abrüsten solle und die Leute nach Tientsin sollen. Von Schanghai, Tokyo und Washington, wo das Telegramm durchging, kamen also 3 Telegramme. Als aber das Anfrage-Telegramm des Konsuls an das Wiener Ministerium einlangte, wurden sofort Nachforschungen angestellt. Und als alles aufgeklärt war, wurden sofort die diplomatischen Beziehungen zu Japan von den Ministern abgebrochen und nach Tsingtau telegraphiert : […]46 Um 2h a.m. des 27. August traf das Telegramm an Bord ein und nachdem es der Kommandant dechiffriert hatte, wurde sofort nach Tientsin telegraphiert, dass wir auf das Schiff zurückkehren sollen. – Der japanische Botschafter hatte also einen Betrug ausgeführt, wie er nur einer solchen hinterlistigen Nation, dem Japaner, möglich ist, aber er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht.47 46 Eine Zeile freigelassen und nicht nachgetragen. 47 Satō Yoshimaro 佐藤愛麿 (1857–1934). Die Stelle als Vertreter Japans in Österreich-Ungarn hatte er erst wenige Wochen vor Kriegsausbruch angetreten ; anschließend wechselte er als Botschafter in die Schweiz, danach in die USA. Die geschilderte Einflussnahme des japanischen Botschafters ist aus den Akten nicht ersichtlich. Ein Interesse an einem Krieg mit ÖsterreichUngarn hatte Japan nicht. Auf österreichischer Seite lagen im Wesentlichen die Überlegungen
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[Rückblick]48 Am 27. August, Donnerstag, 8.30h a.m. erschienen hinter dem Heuhaufen (2 kleine Inseln vor Tsingtau)49 ein großer und drei kleine japanische Kreuzer, sowie vier Torpedobootszerstörer. Nach kurzem Manövrieren gibt das Flaggenschiff des Geschwaders durch internationale Zeichen bekannt, dass die Blockade über Tsingtau verhängt ist. Fremde werden gleichzeitig aufgefordert, Tsingtau zu verlassen. Nachmittags nähert sich ein Torpedobootzerstörer um Minen zu suchen. Nachdem aber die Huitschenhuk-Batterie [Huiqianjia]50 einen Schuss auf ihn abfeuert, verlässt er eiligst die Feuerzone. 28. August, Freitag. Von Chinesen trifft die Meldung ein, dass Kap Jäschke von den Japanern besetzt ist.51 29. August, Samstag. Die japanische Blockadeflotte wird verstärkt. Deutsche Mannschaften unter dem Kommando von Korvettenkapitän Saxe [= Sachße]52 und einem Oberleutnant setzen nach Kap Jäschke über, um Meldung über die Besetzung durch Japaner zu prüfen und Erkundigungen einzuholen. Sie finden das Gelände frei. 30. August, [Sonntag]. Eine Seemine wird von einen japanischen Torpedobootzerstörer zum Explodieren gebracht. – Der letzte Eisenbahnzug verlässt Tsingtau. Nach demselben sprengte ein Pionierdetachement sämtliche größere Brücken der Eisenbahn bis Kiautschau. Das erste Kulturwerk der Deutschen ist somit vernichtet. zur Vermeidung feindlicher Handlungen zwischen Japan und Österreich-Ungarn beim k. u. k. Botschafter in Tokyo, dem Auswärtigen Amt und der Marine-Sektion in Wien. Der k. u. k. Militärattaché in Tokyo hingegen befürwortete den Kriegseintritt – bis die Sache durch Berlin abrupt ihren Wandel fand […]. 48 Hier erfolgt durch den Tagebuchschreiber ein Rückblick auf die Tage zwischen 27. August und 14. September über Ereignisse, die durch Abwesenheit aus Tsingtau und mangels persönlicher Erlebnisse aus anderen Quellen schöpfen. 49 In der damaligen Umschrift die Insel Taikungtau = Dagongdao 大公島, ca. 15 km von Tsingtau entfernt nach Süden (0,15 km2, höchste Erhebung 120 m) ; in 1,2 km Entfernung lag/liegt eine noch kleinere Insel namens Xiaoyu 小屿 (0,01 km2, 41 m über dem Meeresspiegel). 50 Die Batterie stand auf der Landzunge Huiqian 會前 (Huiqianjia 會前岬) und war vornehmlich zur Verteidigung gegen die See gerichtet ; »Huk« ist ein norddt. Begriff für »Kap« (Haken, engl. hook). 51 Benannt nach Paul Jaeschke (Breslau, 1851–1901, Tsingtau), deutscher Marineoffizier, zuletzt Kapitän z. S. und Gouverneur des deutschen Schutzgebietes Kiautschou. Das Kap Jaeschke (Eshuke-misaki auf der japanischen Generalstabskarte) bildete die Nordspitze der Tsingtau gegenüber liegenden Halbinsel Haixi bandao 海西半島 an der Öffnung der Bucht von Kiautschau [ Jiaozhou]. 52 Fritz Sachße, Dez. 1913/Aug. 1914 Kommandant des Kanonenboots Iltis, danach Kommandeur der Festungsreserve.
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Vom Gouvernement erfährt man nun auch den Wortlaut der Blockadeerklärung, die vom japanischen Admiral durch Funkentelegraphie am 27. August abgegeben wurde. Sie hatte folgenden Wortlaut : Ich erkläre hiermit, dass am 27. Tage des 8. Monats des 3. Jahres Taisho die ganze Küste des Pachtgebietes Kiautschau zwischen 30° 54’ nördlicher Breite, 120° 19’ östlicher Länge, 36° 7’ nördlicher Breite und 120° 36’ östlicher Länge durch ein von mir
befehligtes Geschwader in Blockadezustand versetzt worden ist und dass Schiffen befreundeter und neutraler Staaten 24 Stunden Zeit gegeben ist, das Blockadegebiet zu verlassen, und dass alle Maßregeln, die nach dem Völkerrecht und Verträgen des Kaiserreiches mit neutralen Mächten gestattet sind, im Namen der Regierung des Kaisers von Japan gegen alle Schiffe durchgeführt werden, die die Blockade zu brechen versuchen werden. Gegeben an Bord Seiner japanischen Majestät Schiff Suwo am 27. des 8. Monats des 3. Jahres Taisho. Vize-Admiral Kato.53
Der Admiral drückt sich dann noch weiter aus, dass es ihm eine besondere Ehre wäre, gegen Se. Exz. dem Gouverneur Meyer-Waldeck zu kämpfen. – Wer hätte das noch vor 4 Wochen gedacht, da waren noch 2 japanische Generäle und 2 andere höhere Offiziere in Tsingtau als Gäste herzlich willkommen geheißen.54 Ein komischer Vorfall ereignete sich auch am 27. August. An diesem Tag um 9h a.m. näherten sich die Schiffe der Küste und beschossen die vor Tsingtau liegende Insel Taikungtau [Dagongdao]. Es waren dort Holzkanonen an gut sichtbaren Stellen aufgestellt. Alte Ofenröhren markierten die Geschützrohre. Auf diese unbewohnte Insel mit der Scheinbatterie schossen die Japaner nun wie wild darauf los, dann landeten sie eine Abteilung und stürmten die Insel, und auf der höchsten Stelle pflanzten sie die japanische Kriegsflagge auf. Aber schon nach einer Stunde holten sie dieselbe wieder herunter. Sie wollten doch anscheinend ihre große Blamage nicht zeigen. Aber in Tsingtau war alles beobachtet worden und man freute sich über den Reinfall der Japaner. In ca. 15 Seemeilen kreuzten die großen Schiffe während 9 Torpedobootzerstörer etwas näher heranfahren. 53 Katō Sadakichi (auch Teikichi) 加藤定吉 (1861–1927), Flottenkommandant des 2. Geschwaders. 54 Dieser Besuch hatte am 1. August stattgefunden. Leiter der Delegation war General Fukushima Yasumasa 福島安正陸軍大将 (1852–1919), damals in seiner letzten Dienststellung als Generalgouverneur des japanischen Pachtgebietes Kwantung [Guandong] in der Mandschurei. Fukushima war an der Heeresakademie in Tokyo Schüler des deutschen Generalstabsoffiziers Meckel, später im Rang eines Majors Militärattaché in Berlin.
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Heute am 30. August verlassen wieder viele Frauen und Kinder die Stadt.
31. August, [Montag]. Bis früh morgens herrscht starker Nebel und die Nacht
hatte es stark geregnet. Bei diesem undurchsichtigen Wetter war einer der Zerstörer, die auf und ab patrouillierten, vom Kurs abgekommen und auf einen Felsen der Insel Lientau [Liandao, = Lingshan] aufgelaufen. Gegen 7h a.m. klärte sich das Wetter etwas auf. Die Signalstation gewahrte den aufgefahrenen Zerstörer und meldete, dass sich 3 andere Boote bemühten, das gestrandete Schiff abzuschleppen. Nachdem es ganz hell geworden war, gab Kapitän z. S. v. Saxer55 der Huitschenhuk-Batterie Feuerbefehl. Das Feuer, das auf die große Distanz wenig wirksam war, hatte aber doch den Erfolg, dass die 3 Zerstörer schleunigst das Weite suchten. Dann lief das deutsche Kanonenboot Jaguar aus und gab ca. 40 Schuss auf den Zerstörer ab. Über dem zusammengeschossenen Schiff tobte bald die Brandung hinweg und es war unrettbar verloren. Den Verlust, den die Japaner damit erlitten haben, beträgt etwa 2 Millionen Kronen. Ein empfindsamer Verlust für die nicht allzu starke japanische Flotte. Der Name des Zerstörers ist Schirotayi [Shirotae], er hatte 600 t Deplacement.56 1. September, [Dienstag]. Die aus allen Teilen Chinas eintreffenden Telegramme von deutschen Vereinigungen, die Glückwünsche für die Garnison enthalten, mehren sich mit jeden Tage. Sogar aus Batavia ( Java) kommt folgendes Telegramm : »Deutsche Batavias gedenken der heldenhaften Verteidiger unserer deutschen Werte in China und grüßen Verteidiger herzlichst.« Ein anderes Telegramm heißt : »Deutschland siegt weiter, wir sind heiter, grüßen aufs beste, euch in der Feste«
Zwei Strohwitwen
Man sieht in diesen Telegrammen, welch’ enges und herzliches Band der Vaterlandsliebe die Deutschen im Ausland verbindet. 2. September, [Mittwoch]. Das Wetter wird immer schlechter. Heftige Regengüsse weichen Grund und Boden auf. Überall tritt Hochwasser ein. Durch das gewaltige Hochwasser stürzen einige Brücken im Hinterland ein und wer55 Ludwig Saxer, seit Februar 1913 Chef des Stabes im Gouvernement. 56 Der 1906 auf der Mitsubishi-Werft in Nagasaki gebaute und mit der Nummer 22 versehene Torpedobootzerstörer Shirotae (駆逐艦二十二番艦白妙, 386 t, knapp 60 Mann Besatzung) lief – nach japanischen Angaben (!) – am 31. August bei der Insel Lingshan 霊山島沖 (südlich von Liandao) auf Grund und musste aufgegeben werden ; das Schiff sank am 4. September und wurde am 29. Oktober aus dem Marine-Register gestrichen.
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den fortgeschwemmt. Damit sind die Verbindungen mit Schanghai, Tientsin und Peking unterbrochen. Die Telegraphenleitung ist natürlich auch abgebrochen. Diese wird aber durch einen Telegraphensekretär wieder hergestellt. 4. September, [Freitag]. Der Regen hält wolkenbruchartig an und richtet großen Schaden an. Wege werden zerstört sowie die Eisenbahnverbindung hinter Tschengyang [Chengyang].57 Die ganze Umgebung glich einem See. Von den Forts, Kasematten und Infanterie-Werken kommt die Meldung, dass nirgends mehr ein trockenes Plätzchen vorhanden ist. Im Infanteriewerk 3 steht das Wasser an einer Stelle 3 m hoch. Mit Badehosen bekleidet arbeitet alles daran, des eindringenden Wassers Herr zu werden. Abends erhebt sich das widerliche Summen der Moskitos. Diese Leute in den Werken können an ein Schlafen nicht denken. 5. September, [Samstag]. Der Regen hatte aufgehört. Die Straßenböschungen sind eingestürzt, tiefe Spalten und Risse sind überall auf den Wegen. Gegen 10h a.m. wurde ein Geräusch aus den Lüften gehört. Mit einem Mal kam aus einer Wolkenschicht ein Doppeldecker hervor und gleichzeitig meldete die Signalstation : Japanisches Wasserflugzeug über Tsingtau. Mit diesem Besuch hatte man nicht gerechnet und man glaubte, dass es der deutsche Apparat sei, aber man wurde bald anders belehrt, als man auf einmal einen scharfen Knall hörte. Es war also wirklich ein Japaner und er warf Bomben. Im Ganzen warf er 3 Bomben, die aber keinerlei Schaden anrichteten.58 6. September, [Sonntag]. Gegen Mittag kam der Flieger wieder, aber schon in größerer Höhe. Von allen Ecken wurde auf den Flieger mit Gewehr geschossen. Die abgeschossenen Gewehrkugeln fielen prasselnd wieder auf die Dächer zurück und gefährdeten so alle Bewohner. Es soll eine unheimliche ½ Stunde gewesen sein. Der Flieger warf drei Bomben, aber wieder ohne jeden Erfolg. Überall bespricht man dieses Mittel der modernen Kriegführung und die Deutschen sagen : »Das war aber einmal ein Halloh«, während die Österreicher sagen : »Dös war a Hetz« – Im Vorgelände wurden zwei Mann durch explodierende Minen in Stücke zerrissen, während sie in den Minenfeldern Ordnung nach dem Unwetter schafften. 57 Chengyang 城陽 war die der Stadt Tsimo [ Jimo] 卽墨 nächstliegende Eisenbahnstation. 58 Ein Farman-Doppedecker, der zum Trägerschiff Wakamiya-maru「若宮丸」gehörte ; der Seeflugzeugtender, ein umgebauter Frachter, konnte vier Seeflugzeuge mitführen, die mit einem Kran ins und aus dem Wasser gehievt wurden (vgl. die Ausführungen zum ersten seegestützten Flugzeugeinsatz von Wilhelm M. Donko, Japan im Krieg gegen Österreich-Ungarn 1914–18. Die k. u. k. Kriegsmarine im Kampf gegen Japans Steitkräfte in Ostasien und im Mittelmeer, Berlin : Holtzbrinck 2014, S. 89–111). Unter anderem ist das Auftauchen des ersten japanischen Flugzeuges über Tsingtau auch bei Gunther Plüschow in seinem Buch Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau (Anm. 155), S. 67f., nachzulesen.
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Abb. 27: Übersichtsplan zur »Landung der Japaner« im Juli u. August 1914.
7. September, [Montag]. Vom japanischen Flugzeug werden Bomben in der
Nähe des Flugzeugschuppens auf den Iltisplatz geworfen. Abends kommt die Meldung von japanischen Truppenlandungen bei Lungkau [Longkou],59 wo die Japaner Landungsbrücken gebaut haben. Die telegraphische Verbindung mit Peking ist wieder hergestellt. 8. September, [Dienstag]. Die Japaner haben bei Lungkau [Longkou] 15.000 Mann gelandet. Lungkau liegt in der Provinz Schantung an der Küste des Golfes von Petschili [Beizhili], ungefähr 250 km nördlich von der Grenze des Pachtgebietes. Die Japaner verletzen dadurch die Neutralität Chinas. 9. September, [Mittwoch]. Es geht das Gerücht um, dass die Vereinigten Staaten von Nordamerika über die Verletzung der chinesischen Neutralität ungehalten sind und zu unseren Gunsten eingreifen werden. Amerikas Vorgehen ist schließlich nicht ganz von der Hand zu weisen, denn Amerika und Japan, die beide neidisch um die Vorherrschaft im Stillen Ozean bedacht sind, sind nie gut 59 Die Landungen der Japaner hatten am 2. September begonnen. Der Hafen Longkou 龍口, heute 龙口 geschrieben und zur Metropolis Yantai 煙台 gehörig, lag an der zur Bohai-See gewandten Küste der Shandong-Halbinsel und erlaubte durch die große Entfernung zu Tsingtau eine unbehelligte Landung von Mannschaften und Material. Zunächst hatten Seesoldaten Landungsbrücken errichtet. Danach wurden von 12 Transportschiffen – geschützt von vier Kreuzern und zwei Torpedobooten – die Truppen abgesetzt (ausführlicher Bericht in Deutsche Zeitung für China, Shanghai, 4.9.1914, Nr. 9, S. 2–3 »Die Landung der Japaner«).
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Freund gewesen.60 Amerika hat bereits sein Geschwader in Ost-Asien verstärkt, um seine Interessen in China zu schützen. Man hofft hier natürlich immer, dass sich irgend etwas ereignen wird, um das Vorgehen der Japaner zu Schande zu machen. 10. September, [Donnerstag]. Die Japaner sind von 4 Richtungen im Anmarsche auf Tsingtau. Vor Lungkau [Longkou] liegen 4 Kreuzer und 18 Transportdampfer. Das ohnmächtige China, das keinen Krieg haben will, muss wegen seiner Schwäche die Japaner durch sein Land ziehen lassen und hat langatmige Abmachungen mit Japan getroffen. Zwei Kompanien des Ost-Asiatischen Marinedetachements (O.M.D.) stehen an der chinesischen Grenze und kleine Abteilungen halten die Gebirgspässe im Lauschan [Laoshan] besetzt. Vorgeschobene Artilleriestellungen sind : die schwere Feldhaubitzenbatterie (Peking) (3 Stück 15 cm) auf Höhe 80, Batterie 6 (6 Stück 12 cm Geschütze), 2 davon auf der Walderseehöhe, 2 auf Kuschan [Hushan], und 2 auf Höhe 36’5, die Reserve Feld-Batterie vier Stück 8,7 cm Geschütze in Schatsykou [Shazikou], die Iltisgrundbatterie vier 8,7 cm Kanonen ebenfalls dort. 11. September, [Freitag]. Zwei 4,7 cm Kanonen von der Elisabeth wurden im Artilleriedepot zu Flugzeugabwehrkanonen umgebaut und eine wird auf der Werft aufgestellt, eine am Observatoriumberg. Mit Gewehren soll nur noch auf den Flieger geschossen werden, wenn er besonders niedrig fliegt. – Um 10h a.m. rückt die Gewehrkompanie unter Oberleutnant von Schlick nach der chinesischen Grenze aus. 12. September, [Samstag]. Der Minentender Lauting, der längst schon die letzten Minen gelegt hat, über 300 Stück, wird heute abgerüstet. Ebenso das Vermessungsboot IV. Von den Besatzungen der beiden Schiffe, dem Hafenamt und der Bootsstation u.a.m. hat sich die Marinekompanie gebildet, die fürs erste zu Pionierzwecken gebraucht wird und später in der Front Verwendung finden soll. 13. September, [Sonntag]. Die Blockadeflotte hat gegen Tsingtau noch nichts unternommen. Die Schiffe kreuzen Tag und Nacht in großer Entfernung und außer Schussweite vor der Küste. Zur Blockadeflotte gesellte sich heute 60 Es ging um den handels- wie machtpolitischen Einfluss in China, von Amerika mit dem Begriff der »Politik der Offenen Tür« umschrieben, sowie um die emotional aufgeladene Benachteiligung japanischer Einwanderer in den USA. Sehr bezeichnend dafür ist der fiktionale Roman Bansai ! von Parabellum [= Ferdinand Heinrich Grautoff ] (New York, Baker u. Taylor, 1908) ; sachlicher ist das Thema in der Schrift Der unvermeidliche Krieg zwischen Japan und Amerika. Eine politische Studie von Friedrich Wencker[-Wildberg] aufgearbeitet (Stuttgart u. Leipzig, Neuer Stuttgarter Verlag, [1921]).
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ein scheinbar älteres Linienschiff, das man als es näher kam, als das englische Linienschiff Triumph erkannte. England will den Japanern nicht allein die Ehre überlassen, Tsingtau zu berennen. Es täte besser, seine Schiffe an anderer Stelle zu gebrauchen, wo deutsche Kreuzer den Handel Englands unterbinden. Auch sagt ein Telegramm, dass England 3000 Mann Hilfstruppen für die Operationen gegen Tsingtau in der Lauschan-Bucht [Laoshan-wan] bei Wangkaschuang [Wanggezhuang] gelandet hat.61 Dadurch bricht auch England die Neutralität Chinas. Die 3000 Engländer und das Schiff ärgert die Besatzung von Tsingtau mehr als die Japaner. 14. September, [Montag].62 Die ersten Vorposten sind von den Japanern schon bis an die Grenze des Pachtgebietes vorgeschoben. Eine Kavalleriepatrouille stieß zuerst auf den Feind. Bei dem Gefecht hatten die Japaner drei Tote. Auf deutscher Seite ein Mann verwundet. Heute kam auch der letzte Zug in Kiautschau an, mit dem ja – wie bereits erwähnt – auch ich aus Tientsin ankam. Kurz nach unserer Abfahrt besetzten die Japaner die Stadt, und zwar mit nicht weniger als 3000 Mann. Wir waren also einer großen Macht entwichen, wie wir später erfuhren. Für Tsingtau wurde es jetzt ernst, da Kiautschau nur 50 km entfernt ist. Auch am Lauschan [Laoshan] kamen die deutschen Truppen mit dem Feind in Berührung. Militärflieger Oberleutnant z. See Plüschow unternahm vormittags einen zweistündigen Erkundungsflug.63 Er überflog die im Anmarsch befindlichen Japaner und wurde heftig beschossen. Als er später wieder in Tsingtau landete, wurden an den Tragflächen seiner »Taube« 8 Treffer von Infanteriegeschoßen gezählt. Nachmittags stieg von einem in der Bucht von Schatsykou [Shazikou] liegenden Dampfer [Wakamiya] ein Wasserflugzeug auf und flog über Schatsykou. Dort und an anderen Stellen wurde es von Maschinengewehr beschossen. Das Flugzeug musste große Höhen aufsuchen und abziehen. Sieben Bomben ließ es fallen. Fünf fielen ins Wasser und zwei auf die Molen, ohne viel Schaden anzurichten. Bei Insichtkommen eines feindlichen Flugzeugs hisst die Signalstation einen 61 Wanggezhuang 王哥庄(口) lag bereits wesentlich näher am deutschen Pachtgebiet, aber immer noch weit genug (etwa 50 km die Küste von Tsingtau entlang Richtung Nordosten). 62 Von diesem Abend an ist der Tagebuchschreiber wieder Zeitzeuge der Geschehnisse in Tsingtau ; an diesem Tag ist die letzte Gruppe der am 25. August nach Tientsin abgereisten und nun wieder auf der Elisabeth eingerückten Besatzung nach Tsingtau zurückgekehrt. Der Tagebuchschreiber hat die Chronologie der Ereignisse in Tsingtau während seiner Abwesenheit zwischen 26. August (Abreise nach Tientsin) und 14. September (Rückkehr nach Tsingtau) aus anderen Quellen nachgetragen. Da die Augenzeugenschaft fehlt, sind die Notizen kursorisch. Vermutlich stand ihm das vom »Tageblatt für Nord-China A.-G.« veröffentlichte Kriegstagebuch der Belagerung von Tsingtau 23. Juli bis 29. November (Tientsin, 1915) zur Verfügung. 63 Oberleutnant zur See Gunther Plüschow (1886–1931), »Der Flieger von Tsingtau« (Anm. 155).
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schwarzen Kegel am Signalmasten, der bedeutet : feindlicher Flieger über Tsingtau. Da die Station auf einem etwa 100 m hohen Hügel steht, von wo der ganze Festungsbereich sehr gut zu sehen ist, kann sich jedermann rechtzeitig vor dem Feind in Sicherheit bringen. Die Lage wird ernster. Über den japanischen Anmarsch kommen die folgenden Meldungen von den Kundschaftern : in und südwestlich von Tsimo [ Jimo]64 befinden sich 1000 Mann Infanterie und 40 Kavalleristen. Vor der Bucht von Hsiaotao [Shidao] liegen zwei Kriegsschiffe, vier Handelsdampfer, zwei Torpedoboote und drei kleinere Fahrzeuge. In der Bucht von Wangkoschuang [Wanggezhuang] sind Japaner gelandet. Eine Kavalleriespitze wird zwischen Lantsun [Lancun] u. Kinkiakou [ Jinjiakou] 75 km von Tsingtau (23 km von Kiautschau) gemeldet. Auch zwischen Laitschufu [Laizhou]65 und Pingtutschou [Pingdu- zhou] sollen etwa 3000 Japaner im Anmarsch sein. – Nun, Tsingtau soll bis zum Äußersten verteidigt werden. Aber das ist eine schwere Aufgabe. Wenn Tsingtau wenigstens modern befestigt wäre oder neue Geschütze hier wären, dann wäre dies anders und leichter zu machen. Aber mit den eroberten Geschützen der chinesischen Taku-Forts,66 die 1900 schon nicht mehr der Neuheit entsprachen, lässt sich allerdings nicht mehr viel machen. Außerdem sind noch Geschütze von 1870 hier zur Aufstellung gelangt. Der einzige Verteidigungsgürtel ist eine mannshohe Mauer mit 3–4 m breiten Drahthindernissen mit den dahinter liegenden Infanteriewerken mit offenen Brustwehren und Schützengräben. Eine amerikanische Zeitung findet für Tsingtau den richtigen Ausdruck : »Tsingtau ist keine Festung, sondern ein befestigter Schützengraben.« Auch die Besatzung Tsingtaus steht in keinem Verhältnis zu der Besatzung einer Festung. Die Besatzung besteht aus dem III. See-Bataillon, dem Ost-Asiatischen Marinedetachement und der Matrosen-Artillerie-Abteilung Kiautschau. Alles in allem 2500 aktive und 1500 Mann Reserve, Landwehr und Landsturm. Außerdem uns, der Besatzung der Kaiserin Elisabeth, mit 298 Mann. Eine kleine Schar, aber bestrebt die deutsche Waffenehre und Nibelungentreue hier im fernen Osten gegen eine ungeheure Übermacht zu wahren. Überall wird in den Werken fieberhaft gearbeitet, die chinesischen Kulis bekommen 64 Jimo 卽墨, eine damals rd. 40.000 Einwohner zählende, mit einer Befestigungsmauer umgebene Stadt im gleichnamigen Landkreis ; heute administrativ zu Qingdao gehörig. 65 Stadt am Golf von Bohai, Namen gebend für die Laizhou-Bucht (萊州湾) ; auf manchen Landkarten ist die Stadt auch als Yexian (掖縣) eingetragen. 66 Die aus dem 16. Jhdt. stammenden Taku-Befestigungsanlagen (Dagu Paotai 大沽炮台) am Peiho-Fluss, in der Näge von Tientsin [Tianjin], standen während der Boxerunruhen im Zentrum von Auseinandersetzungen zwischen China und ausländischen Mächten ; der Großteil der Batterien wurde von den Westmächten geschleift.
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den doppelten Lohn. Nur das hält sie noch in Tsingtau, sonst wären sie schon längst über alle Berge. Von den 60.000 Chinesen haben 40.000 die Stadt und Umgebung verlassen. Für die Verpflegung während der Belagerung ist gesorgt. In der letzten Zeit hat das Gouvernement durch ein höheres Preisangebot so viel Ochsen von den chinesischen Bauern aufgekauft wie auf den Weiden ernährt werden konnten. Der tägliche Postdienst über Tapatau [Dabaodao] hat aufgehört.67 Nachrichten von den europäischen Kriegsschauplätzen kommen nur mehr auf funkentelegraphischem Wege von dem deutschen Dampfer Sikiang aus Schanghai oder von der Funkenstation in Peking. Die Nachrichtenübermittlung darf nicht an die Öffentlichkeit kommen, alle Telegramme werden deshalb chiffriert. Man weiß nun nicht, ob die Japaner dahinter kommen werden. Es wäre sehr schmerzlich für uns, während der Belagerungszeit nichts mehr von der Außenwelt zu erfahren. Es sind deshalb heute Funkentelegraphisten mit zwei transportablen Stationen nach chinesischen Städten entsandt, mit denen die Stadt bald in Verbindung stehen wird. 15. September, [Dienstag]. Drei japanische Erdarbeiter, die in chinesischer Kleidung an den Erdarbeiten im Festungsbereich teilnehmen, werden ertappt und standrechtlich erschossen. Ebenso ein japanischer Offizier, der als Rickshaw-Kuli in Tsingtau herumfuhr, wurde entdeckt und erschossen. Nachmittag fand das Leichenbegängnis eines Feldwebels statt, der auf eine Tretmine gestoßen war und dem buchstäblich der Kopf vom Leibe getrennt wurde.68 In Lung-kou [Longkou] haben die Japaner zwei Kompanien Train, ein Bataillon Pioniere und Telegraphen-Abteilungen gelandet. Der Weitermarsch der japanischen Truppen wird überall durch die vom Regen grundlos gewordenen Wege aufgehalten. Größere Abteilungen sind noch nicht in das Schutzgebiet eingedrungen. Doch beunruhigen bereits zahlreiche Vorposten den Weg und die Feldwachen. Es laufen die Meldungen ein, dass die Japaner ihre Gefechtspositionen nach dem Kletterpass verlegen, der von uns mit einem Zuge (50 Mann) besetzt ist. Die Japaner landen in Lungkou [Longkou] und legen von dort Eisenbahnschienen.69 67 Das Geschäftsviertel der Stadt, zwischen Observatoriumsberg und Kleinem Hafen. 68 Paul Karl Klaus aus Eilenburg (Sachsen) ; Marine-Pionierkompanie, III. Seebataillon. 69 Der Großteil der japanischen Truppen ging nunmehr in der malerisch von Bergen umgebenen Bucht von Laoshan jap. Rōzan 勞山 (労山湾) ans Land. Sowohl von hier wie später von der Shazikou-Bucht wurden für die in der Tat höchst effektiven Transporte von Militärgütern in Richtung Tsingtau schmalspurige Schienen verlegt, deren darauf eingesetzte Wägen von angeheuerten Chinesen gezogen werden. Ein zentraler Sammelplatz war Zhangcun 張村, direkt an der Verteidigungslinie von Tsingtau.
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16. September, [Mittwoch]. Japanische Schleichpatrouillen halten die ganze
Nacht hindurch unsere Vorposten in Atem. Aus Schatsykou [Shazikou] kommt die Meldung : »Zwei Kriegsschiffe haben Schatsykou beschossen.« Die Japaner vermuteten in dem Dorfe, welches an mehreren Stellen brannte, ein deutsches Detachement. Die Artillerie, die dort liegt, hat nicht geantwortet. Sie soll erst das Feuer eröffnen, wenn die Japaner dort landen. Mittag um 1h hört man plötzlich das sich nähernde Geräusch eines Propellers. Kurz darauf gewahrte man schon hoch in den Lüften einen Hydroplan (Doppeldecker), der sich von der Flotte kommend, über die Stadt erhob. Es war das erste Mal, dass ich diese modernen Kriegsmittel in Tätigkeit sah. Rasch kam der Apparat näher und bald war er über uns. Plötzlich ein Sausen und ehe man denkt was das ist, ein fürchterlicher Knall und eine ungefähr 10 m hohe Wassersäule steigt bei der Hafensperre zirka 100 m vom Schiff empor. Indessen wurde schon auf den kühnen Flieger, der aber in ungefähr 2000 m Höhe flog, geschossen, sowohl von Kanonen als auch aus Gewehren, von unserer Bemannung wurden allein 1560 Schuss abgegeben. Der Flieger zog aber ungeniert seine Kreise und kam wieder über uns und schon fiel wieder eine Bombe mit heftiger Explosion ins – Wasser. Ich musste während dieser Kanonade ins Arsenal fahren und die herunter fallenden Geschoßstücke der eigenen Kanonen peitschten überall das Wasser auf und man war nicht eine Minute seines Lebens sicher. Am Arsenalmolo konnte man den Flieger sehr gut beobachten. Von vielen weißen Rauchwölkchen der krepierenden Schrapnells umgeben, flog er ruhig seine Kreis weiter und kam wieder über uns. Obwohl ich wusste, dass jeden Moment eine Bombe niedersausen könnte und alles in Deckung ging, blieb ich in meiner Barke, denn ich dachte mir : Geh ich dort hin, kann die Bombe gerade dort treffen, bleib ich hier, wie es meine Pflicht ist, und werde ich getroffen, so bin ich im Dienste fürs Vaterland gefallen, so wie viele Tausend Andere in Europa. Und ich blieb also auf meinem Platze in der Maschine und verfolgte den Apparat in der Luft, der schon wieder näher kam, und jetzt direkt über meinem Standplatz flog. Da der Flieger sich das Ziel gesetzt hatte, die Werft oder eines der dort liegenden Schiffe zu treffen, musste nun jeden Moment die Bombe fallen. Plötzlich sah ich, wie sich unter dem Führersitz des Hydroplans ein prächtig glänzender Gegenstand loslöst, und gleich darauf noch ein zweiter solcher Gegenstand von länglicher Form. Sie fallen zuerst langsam, wobei sie hin- und herschwanken, und schneller als man es schreiben oder sagen kann, sausen die Bomben herunter. Und schon hört man ein lautes Surren und plötzlich erfolgt eine fürchterliche Detonation und kurz darauf die zweite. Ein erlösendes Gefühl überkommt mich und ich denke gar nicht daran, dass die Gefahr schon vorüber ist, sondern glaube noch immer, dass mich jeden Moment eine Bombe
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treffen muss. Ein beängstigendes, aber doch eigentlich fröhliches freies Gefühl beschlich mich, als der Apparat über mir schwebte und der Tod herunter sauste, nun aber, da die Explosion zirka 100 Meter von mir stattgefunden hatte, und die Gefahr eigentlich vorüber war, tat es mir leid, dass das Gefühl von früher, welches sehr angenehm war, nicht mehr auf mich einwirkte. Zwei Bomben hatte der Flieger gleichzeitig abgeworfen und der Krach der doppelten Explosion klang mir noch in den Ohren nach. Die Bomben waren auf ein Eisenbahngeleise gefallen, hatten tiefe Löcher gerissen und herumfliegende Sprengstücke durchschlugen 2 Ölfässer, deren Inahlt sich nun überall ergoss. Das war der ganze Schaden. Auf den Feind wurde aus dem 4,7 cm Geschütz heftig geschossen, aber es schien, als sei der Japaner unter einem besonderen Schutz. Er flog ungeachtet weiter, beschrieb wieder einen Kreis und kam erneut über uns. Noch einmal sauste mit Zischen und Pfeifen eine Bombe herab und fiel kaum 50 m von mir entfernt ins Wasser, im selben Moment, als die Spitze die Wasseroberfläche berührt, explodierend. Da dem Flieger das Geschützfeuer, welches ihm immer mehr in die Nähe kam, nun wohl für gefährlich hielt, verließ er wohlweislich diesen Platz und flog über die Stadt, wo er noch 2 Bomben warf, gegen See zu, wo ihn seine Flotte erwartete. Es war dies also der erste Tag, an dem ich feindliche70 Kugeln hörte, und noch dazu aus einem Hydroplan. – Kaum war der erste Apparat verschwunden, als ein zweites Flugzeug im Osten auftauchte, sich der Stadt näherte, die Infanteriewerke überflog und wieder davonfuhr. 17. September, [Donnerstag]. Major Kleemann71 unternimmt bei Liuting mit 40 Mann (beritten) der 5ten Kompanie des III. Seebataillons und fünfzehn Radfahrern der 2ten Kompanie des Ost-Asiatischen Marinedetachements ein Aufklärungsgefecht gegen japanische Kavallerie.72 Unser Flieger [Plüschow] entdeckte heute bei seinem Erkundungsflug das japanische Gros zwischen Huang-hin [Huangxian] und Laitschufu [Laizhou]. Er wurde wieder heftig beschossen, hatte diesmal aber nur einen Treffer in der Tragfläche.
70 Im handschriftlichen Tagebuch unterstrichen. 71 Eduard Kleemann aus Großenehrich (Schwarzburg-Sondershausen, Thüringen) kam Anfang 1913 als Offizier der Marine-Infanterie nach Tsingtau. 72 Um in das Gebiet von Liuting zu gelangen, musste man den Baisha-Fluss überschreiten. Das Unternehmen gestaltete sich schwierig, der Fluss war vom Regen angeschwollen, auch die Wege schlecht. Mit Einbruch der Dunkelheit zog sich Kleemann mit seinen Leuten wieder zurück. Größere japanische Truppenkontingente waren noch nicht zum Fluss vorgerückt ; deren Vordringen über den Fluss nach Süden erfolgte am 26. September.
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Abb. 28: Japanische Soldaten beschießen die von Olt. z. S. Plüschow geführte RumplerTaube.
Eine Vorposten-Abteilung hatte heute ein kleines Gefecht mit japanischen Vorposten. Fünf Japaner wurden dabei in die ewigen Jagdgründe geschickt. Deutscherseits keine Verluste. 18. September, [Freitag]. Von chinesischer Seite kommt die Meldung, dass die Japaner abermals in der Bucht von Lungkau [Longkou] 30.000 Mann gelandet haben. Vormittags kam es bei Wali und Liuting an der Grenze des Schutzgebietes zum ersten größeren Gefecht, in dessen Verlauf Leutnant d. Reserve Freiherr v. Riedesel zu Eisenbach73 als erster Offizier bei der Verteidigung Tsingtaus als Held fiel, während er gerade mit dem Fernglas den Feind beobachtete. Die Japaner hatten mehrere Tote und gingen in zwei Abteilungen zurück und zählten gegen 700 Mann. Die Deutschen (28 Mann) ziehen sich auf das Mecklenburghaus zurück und zerstören dort das Wohnhaus des Gouverneurs. 19. September, Samstag. Liauting [Liuting] und Wali wurden von den Japanern besetzt,74 hauptsächlich Kavallerie. Weiters hat nach Beobachtung zweier 73 Gottfried Riedesel Freiherr zu Eisenbach (Hofgeismar, Hessen-Nassau 1882–1914 Tsingtau) ; Legationssekretär bei der Deutschen Gesandtschaft in Peking. 74 Liuting 流亭 liegt am Unterlauf des Baisha-Flusses, der in Richtung West in die Kiautschou-
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Unteroffiziere der Gegner sechs Geschütze auf dem Hotung-Pass in Stellung gebracht75 und etwa 20 Schuss auf das Mecklenburger Genesungsheim abgegeben. Der Posten Mecklenburghaus ist am 19. Nachmittag nach lebhaftem Gefecht mit dem Gegner auf Ku-yai [Gouya] zurückgegangen. Die japanischen Verluste betragen mindestens 50 Mann. Das Mecklenburghaus76 wird in Brand gesteckt, die in der Nähe befindliche Cäcilienbrücke wird gesprengt. Auch die nördlichen Postierungen müssen nach heftigen Plänkeleien mit dem Gegner am Nachmittag bis Hengtan [Hengdan] und Kletterpass zurückgenommen werden. Die Stärke der auf dem Anmarsch befindlichen Artillerie ist nach Angaben von Kundschaftern auf 70 kleine und 5 große Feldgeschütze gestiegen. Die Truppenzahl in der Umgebung von Ping-tu [Pingdu] beläuft sich auf 20.000 Mann Infanterie, und 500 bis 600 Reiter. Außerdem wird in Ping-tu [Pingdu] ein japanisches Proviantamt errichtet. Auf dem Marsche von Huang-si [Huangxian] bis Lanti [Landi] haben die Japaner etwa 200 Pferde durch Krankheit verloren und auf dem Wege liegen lassen müssen. An den Landungspunkten in Lung-kou [Longkou], Tsao-fang-tse [ ?], Hai-miao-kou [Haimiaokou] und Hu-tou-yai [Hutouhaiya] ist von den ursprünglich 36 Transportdampfern im Ganzen nur je einer zurückgelassen worden, die anderen sind wieder abgefahren. – Nachmittag wird der gestern gefallene Offizier [Freiherr v. Riedesel zu Eisenbach] mit allen kriegerischen Ehren bestattet. 20. September, Sonntag. Über das Vorgehen der Japaner liegen nachfolgende Meldungen vor : im Gefecht bei Liuting ist auch ein japanischer Offizier gefallen. – Aus der Gegend von Seyang [ ?] rückt eine größere Abteilung Japaner heran, gegen 1000 Mann mit Maschinengewehren, die aber wegen der schlechten Wegverhältnisse kaum 10 oder 12 Li77 vorwärts kamen. Weiters besagen die Meldungen aus verschiedenen auswärtigen Quellen, dass unter den als regulär japanischem Militär auftretenden Truppen, besonders bei der Kavallerie, zahlreiche Hunghutsen und sonstiges Gesindel sich befinden. So soll von 150 in Tsimo [ Jimo] liegenden Reitern nur 1/3 aus Japanern bestehen, den Rest stellen Koreaner und Hunghutsen.78 Der Führer dieser in japanischen Uniformen gekleideBucht mündet. Wali (mit den Schriftzeichen 窪裡 in der japan. Generalstabskarte erfasst) ist ein kleiner Nachbarort von Liuting. 75 Der Hotung-Pass (Hedongka 河東峠) am Quellgebiet des Baisha-Flusses in den Lao-Bergen musste von den Japanern eingenommen werden, um den in der Bucht von Wanggezhuang gelandeten Truppen das Vorrücken nach Tsingtau zu ermöglichen. 76 Das Mecklenburg-Haus war eine Erholungseinrichtung im Lao-Gebirge (Lao Shan 勞山), ca. 30 km von der Hafenstadt Tsingtau entfernt nach Nordosten (4 Stunden Ritt mit dem Pferd). 77 Li 里, jap. Ri ; in Tsingtau mit 500 m berechnet. 78 In der Literatur wird als Herkunft der Hunghutsen (»Rotbärte«, chines. honghuzi 紅胡子) die Mandschurei genannt (Richard Wilhelm, Die Seele Chinas, Berlin 1926, S. 203 ; Eugen Gregory,
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ten Bande soll ein früherer Spieler und Opiumraucher aus der Nähe Tsingtaus sein, der sich früher als »Angehöriger der Revolutionspartei« betätigt hat. Die Meldungen über Räubereien der japanischen Vortruppen in Tsimo [ Jimo] und Umgebung häufen sich. Immer wieder wird berichtet, dass die Japaner Vieh, sonstige Vorräte und Wagen requirieren, ohne jedoch nur einen Cent zu bezahlen. Das Hühnervieh wird auf der Stelle abgeschlachtet. Die verlassenen Häuser werden erbrochen und Frauen vergewaltigt. In der Bucht von Wangkaschuang [Wanggezhuang] haben die Japaner z.B. drei Sampans voll Birnen fortgenommen und die Sampans ließ man treiben. Wegen dieser Räubereien herrscht unter den Chinesen sehr große Erbitterung. Der oben angeführte Führer der Bande wird als Ortskundiger vor allem als Kundschafter und zur Aufklärung verwendet. Mit solchen Leuten führt Japan seinen Krieg gegen eine Nation wie die deutsche, um den Frieden in Ost-Asien sicherzustellen. Einer Kulturnation, die Japan doch immer so gerne sein möchte, ist das gerade nicht würdig. Aber die Schleier fallen eben jetzt, von England sowohl, das zum Schutze der Zivilisation die weiße Rasse verraten hat, wie von seinem gelben Bundesgenossen. Auf einer neuen Seite zeigen sich nun wieder japanische Truppen, zumal die Japaner auch Kap Jäschke besetzt haben. Alle aus Tsingtau gehenden Briefe werden einer Zensur unterworfen. Ich fuhr um 9h a.m. in die Kiautschau Bucht, wo S 90 auf Vorposten steht. Die Dampfbarke bekam die deutsche Kriegsflagge und ein deutscher Offizier fuhr mit. Ich war heute also unter dem Schutze der deutschen Flagge. Es war die Meldung gekommen, dass die Kiautschau-Bahn auch schon von Japanern besetzt sei. Um die Stärke des Gegners auszukundschaften, fuhr S 90 schon um 5h a.m. hinaus. Da es aber nicht nahe ans Land fahren kann, so wurde bei uns um die Barke gebeten. Ich fuhr natürlich gerne hinaus und ich hoffe, dass wir recht bald mit dem Feind in Berührung kämen. Ein Maschinengewehr wurde in die Barke eingebaut und für jeden Mann ein Gewehr mit Patronen mitgeführt. Zuerst fahren wir 1 Stunde lang bis zum Torpedoboot. Dort stieg der Kommandant [Kapitänleutnant Brunner] ein, und ein Boot mit 6 Mann wurde in Schlepp genommen, alle bewaffnet. Wir näherten uns nun vorsichtig dem Land und fuhren die ganze Küste ab, während scharf nach Japanern Auslug gehalten wurde. An einigen Stellen zeigten sich gut gekleidete Chinesen, die aber auch verkleidete Japaner sein konnten. Es war nämlich bereits vorgekommen, dass verkleidete japanische Soldaten eine deutsche Patrouille vorbeigehen ließen, Dreißig Jahre unter Chinesen. Ein Europäer erlebt das Reich der Mitte, Stuttgart 1953, S. 37–41 u. 160/161). Ursprünglich galt der Begriff für bärtige Barbaren, in jenen Tagen waren organisierte Räuberbanden aus der Ostregion Chinas gemeint.
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während die falschen Kerle am Felde arbeiteten. Plötzlich umschlossen sie die kleine Truppe und begannen zu schießen. So musste sich auch eine Abteilung von 10 Mann im Vorgelände von Tsingtau ergeben. Da man aber von der Barke aus nicht genau erkennen konnte, ob es wirkliche Chinesen oder verkleidete Soldaten seien, durfte nicht geschossen werden. Zu Mittag kehrten wir auf das Torpedoboot zurück und ich nahm ein gutes Mittagsmahl in der Unteroffiziersmesse der Bootsunteroffiziere ein. Abends um 6h unternahmen wir wieder bei schwerer See eine große Rundfahrt und leuchteten mit Leuchtraketen das Land ab. Um 8h p.m. kamen wir wieder zum Torpedoboot, wo ich erneut zum Abendessen eingeladen wurde. Es gab kalten Schweinsbraten, Butter, Käse, Kaffee etc. etc. Um 10h begab ich mich wieder in meine Maschine, da aber zu starker Seegang war, ging ich bald wieder aufs Boot und unterhielt mich dort mit dem wachhabenden Unteroffizier, bis wir um 3h a.m. abermals mit abgeblendeten Lichtern durch die hochgehende See, die die Barke wie eine Nussschale herumwarf, eine lange Rundfahrt bis 5h a.m. machten. Am 21. September 9h a.m. kam ich nach Tsingtau zurück, wo ich nach 30stündigem Dienste Ablösung bekam. 21. September, [Montag]. Nach 1h nachmittags kommt wieder unser alter Freund, der japanische Flieger. Bald war er über uns und zog in ziemlicher Höhe seine Kreise wie ein Falke, bevor er auf seine Beute niederstürzt. Hier aber stürzte er nicht selber nieder, sondern er wirft eiserne Bonbönchen, vor denen wir aber keine Angst mehr haben, da er ja so nichts trifft. Ganz offensichtlich will er unser Schiff vernichten, oder zum mindesten für eine Zeitlang kampfunfähig machen. Denn plötzlich saust keine 2 m vom Bug des Schiffes entfernt eine Bombe ins – Wasser. Nur die herumfliegenden Bombensplitter lösen von der Bordwand die Farbe. Kaum hat der Flieger die Bombe geworfen, als er schon eine kleine Wendung macht und einen neuen kleinen Kreis beschreibt, um wieder über uns zu kommen und einen ehernen Gruß fallen zu lassen. Und schon schwebt er wieder über dem Schiffe. Jeden Moment kann das todbringende Geschoß herabsausen. Deshalb stellte man sich immer, sobald der Apparat in die gefährliche Nähe kommt, unter Panzerschutz. Kaum stehe ich und andere hier, als auch schon wieder das Zischen und Schnurren des am Wurfgeschoß befindlichen Propellers hörbar ist. Wo wird das Ding treffen, ist in aller Munde ? Nun schon ist wieder die Explosion vorbei. Die Bombe ist in einen 50 m entfernten Kohlenhaufen gefallen. So wirft der Flieger heute 9 Bomben auf uns, ohne zu treffen, die meisten gehen ins Wasser. Erst die 10te geht wieder ganz knapp neben uns ins Wasser und trifft beinahe einen daherfahrenden Tender. Nach diesem Wurf verlässt der mutige Flieger, trotz dem die ganze Zeit mit Schrapnells auf ihn geschossen
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wurde, das Hafenbassin und fährt über die Stadt, wo er noch auf den Signalberg eine Bombe fallen lässt. 22. September, [Dienstag]. Die Japaner greifen die deutschen Vorposten stets mit großer Übermacht an. So hatte sich ein aus 10 Mann bestehender Vorpostenstand gegen einen starken Gegner die ganze Nacht gehalten. Die Japaner verloren dabei mindestens 40 Mann, während deutscherseits 3 Mann fielen. Auch heute treffen wieder wichtige Kundschaftsnachrichten ein : in Kiautschau befinden sich im Ganzen 3500 Mann Infanterie und Kavallerie mit 6 Maschinengewehren. Mehrere Kavalleriepatrouillen sind gesichtet worden. – In Wang-tai [Wantou] am Nordausgang lagen 100 Mann Infanterie und 200 Reiter. In Machiatai [Majiatai] und Huasin [ ?] sind mehrere Kompanien Infanterie eingetroffen. Kavalleriepatrouillen streiften bis Liu-chia-sung [ ?], Kaschnang [ ?] und Laushau-han [ ?]. – In Taolio [ ?], 15 Li nördlich Liuting, werden beiderseits der Hauptstraße nach Tsimo [ Jimo] Schützengräben angelegt. – In der Südvorstadt Tsimo [ Jimo] befinden sich seit 19. September 500 Mann Kavallerie und Infanterie, aber keine Artillerie. Die innere Stadt Tsimo ist militärisch abgesperrt. Ob und wieviele Truppen dort sind, ist nicht festzustellen. – In Matien [Madian] sind 10 Feldgeschütze angekommen. 50 Feldgeschütze kleineren Kalibers, je von nur 3 Maultieren getragen, haben am 19. Sept. den Hulo-Fluss [Helong-Fluss] auf dem Wege nach Tsimo [ Jimo] passiert, ebenso 5 bis 6000 Mann Infanterie von Ting-tau [ ?] kommend. Weiters trifft folgendes interessante Telegramm ein : Japanische Führer : Generalleutnant Kamio.79 Chef des Stabes : Generalmajor Yamanashi.80 Führer der A-Brigade : Generalmajor Horiuchi,81 der B-Brigade : Generalmajor Yamada.82 In der Früh des heutigen Tages unternahm der deutsche Flieger [Plüschow] einen längeren Erkundungsflug. Er hatte auch Bomben mit, aber es stellte sich heraus, dass die Bauart der Taube es nicht zulässt, dass man Bomben werfen kann. – Nachts wurde der Lauschan [Laoshan] von den Deutschen geräumt. 23. September, Mittwoch. 6h a.m. beehrte uns schon wieder ein Flieger und zwar wieder ein Doppeldecker. Außerdem kam auch von Land aus ein Einde79 K amio Mitsuomi 神尾光臣 (1856–1927), Kdt. der 18. Division (13. Nov. 1912–26. Nov. 1914 ; der Division waren u. a. die 23. u. 24. Infanteriebrigade unterstellt). 80 Yamanashi Hanzō 山梨半造 (1864–1944), 1905/1907 im Range eines Oberstleutnants Militärattaché in Wien, danach in Berlin, 1921/1923 Kriegsminister, 1927/1929 Generalgouverneur von Korea. 81 Horiuchi Bunjirō 堀内文次郎 (1863–1942), Kdt. der 23. Infanteriebrigade ; 1910/1911 als Kdt. des 58. Infanterieregiments in Takada (Niigata) ein Jahr lang direkter Vorgesetzter und Gastgeber des österreichischen Austauschoffiziers Mjr. d. G. Theodor von Lerch, mit dem ihm eine herzliche Kameradschaft verband. 82 Yamada Yoshimi 山田良水 (1862–1928), Kdt. der 24. Infanteriebrigade.
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Abb. 29: Der japanische Stab beim Studium von Unterlagen: sitzend links Kommandant K a m i o 神尾光臣, rechts Stabschef Ya m a n a s h i 山梨半造 (1905/1907 Militärattaché in Österreich-Ungarn).
cker über die Stadt und die Festungswerke. Der Doppeldecker kommt wieder über uns und schon hört man plötzlich erneut das widerliche Surren einer herabfallenden Bombe und den Bruchteil einer Sekunde später auch schon den Krach, noch einen und sogar einen dritten. Drei mächtige Wassergarben stiegen keine 10 m von uns entfernt auf und eine Menge Sprengstücke fallen, allerdings wirkungslos, auf das Heck des Schiffes. Nach einem großen Bogen kommt unser Freund schon wieder, trotzdem er heftig beschossen wird, zurück und wieder fallen zwei Bomben mit starkem Getöse nur etwa 6 bis 7 m vom Schiff ins Wasser. Wenn er noch einmal heute wirft, so muss er uns treffen, und das Schiff wird durchschlagen. Da aber einige Schrapnells der Flugzeugabwehrkanonen gar zu dicht über dem Apparat zur Explosion kommen, zog er es vor abzuziehen. Er flog auf den Signalberg zu und sandte dort 2 eiserne Grüße hinunter, aber so schlecht, dass die Bomben nicht einmal den Berg trafen. Nur die Fassade des Polohauses am Iltis-Platz wurde heruntergerissen. 24. September, Donnerstag. Um 7h a.m. gab der japanische Flieger wieder eine kleine Gastrolle. Schon von weitem bemerkte man, dass unter dem Führersitz zwei große schwarze Humpen hingen. Durch das Fernglas betrachtet sah es aus, als ob 2 Minen in Mannesgröße dort hingen. Als der Flieger, der heute schlechte Absichten mit uns hatte, nahe gekommen war, musste alles un-
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ter Deck, Kommandant, Offiziere, alle unters Panzerdeck. Die Schottentüren wurden geschlossen, damit – falls irgendwo Wasser eindringen sollte – dies auf einen Raum beschränkt bleibe. Der Flieger hatte heute also riesig große Bomben mitgenommen. Dadurch ermutigt, dass er gestern schon so nahe getroffen hatte, wollte er heute also ein stärkeres Vernichtungsmittel gebrauchen um, wenn er schon einmal trifft, gleich ordentlich zu treffen und großen Schaden anzurichten. Kaum war alles unter Panzerschutz, als nach einigen bangen Minuten – ich sah gerade bei einem Fenster hinaus – wieder das bekannte schauerliche Zischen und Surren hörbar wurde, und während ich den Kopf rasch zurückzog und den Panzerdeckel schloss, erfolgte die heftigste Explosion, die ich bis jetzt gehört hatte, und gleich darauf noch eine. Ich hatte zuerst das Gefühl, als ob ich betäubt wäre, und das erste was ich dachte war ein Zorn über diese feindliche Waffe, gegen die man sich nicht wehren konnte. Da nun die Gefahr vorüber war und wir mit knapper Not dem Verderbnis entkommen waren, stürmte ich auf Deck. Keine zwei Meter vom Achterdeck des Schiffes waren die zwei großen Bomben fast zwischen Molo und Schiff ins Wasser gesaust. Nachdem der Flieger nun wieder nichts getroffen hatte, flog er weg und warf noch Bomben bei Hsiauniwa [Xiaoniwa]83, Huitschenhuk [Huiqianjia], der Signalstation,84 Lazarett und vor dem Gouvernement. Um 10h a.m. kam schon wieder ein Flieger, aber von Landseite. Während nun die Aufmerksamkeit der Signalstation und auch von uns auf diesen gerichtet war, schlich sich hoch in den Lüften der bekannte Hydroplan in das Stadtgebiet und wurde erst bemerkt, als er schon über uns war und im Gleitflug niederging, eine Bombe warf, die auch ins Wasser fiel, und dann wieder einige Schleifen machte und noch zwei Bomben warf. Da ihm aber die Kugeln der Ballonabwehrkanone gefährlich wurden und er anscheinend auch einige Risse in die Tragflächen bekam, flog er bald wieder weg. Der wirklich mutige Flieger hatte sich heute wahrlich mit seinen waghalsigen Flügen ein Frühstück verdient, das 83 Der Name Xiaoniwa (Schriftzeichen leider nicht überliefert) geht auf eine kleine Siedlung zurück, die schon kurze Zeit nach der Inbesitznahme von Tsingtau durch die Deutschen aus hygienischen und sozialen Gründen (»Höhle für lichtscheues Gesindel«) abgebrochen wurde. Die Einwohner siedelten ab oder in das neu erbaute Dorf Taixizhen 臺西鎮 um (Torsten Warner, S. 133). Auf den deutschen Stadtplänen blieb der Begriff als Xiaoniwa erhalten, obgleich es sich nur um eine Geschützstellung handelte. Auf den Karten im japanischen Generalstabswerk ist die Verteidigungsanlage nur als Taixizhen-Batterie (臺西鎮砲台) eingetragen, entsprechend dem benachbarten Dorf. 84 Die Signalstation lag auf dem Diederichsberg, auch Signalberg ; nach der Eroberung durch die Japaner erhielt der Berg den Namen Kamio-Berg zu Ehren des kommandierenden japanischen Generals.
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er jedenfalls auch in Form von Reis an Bord seines Kriegsschiffes [Wakamiyamaru] einnehmen wird. Die Japaner wagen es noch nicht, mit ihren vorhandenen Kräften Tsingtau anzugreifen. Sie beabsichtigen deshalb, weitere 20.000 Mann aus der Südmandschurei nach Lungkau [Longkou] zu bringen. Auch heute fanden wieder einige heftige Gefechte statt. Unsere Truppen haben um 9h a.m. die bis zum Kletterpass vorgedrungene feindliche Abteilung in einstündigem Feuergefecht zurückgedrängt. Eigene Verluste : ein Mann leichten Streifschuss. Japanische Verluste nicht festzustellen. Eine Meldung besagt, dass bei den Japanern weitere 5000 Mann und außerdem englische Truppen in China gelandet sind.85 Die Japaner haben sämtliche Bahnlinien besetzt und die Bahnbeamten gefangen genommen. – Von Schatsykou [Shazikou] kommt die Meldung, dass die Reserve-Feldbatterie den Oden-Pass, auf dem sich zahlreiche Japaner zeigten, erfolgreich beschossen hat. Am Kletterpass wurde der Gegner überrascht und musste sich zurückziehen. Es wurden dabei ein Offizierszelt erbeutet, Wasser und viele Ausrüstungsstücke. 25. September, Freitag. Um 7 ½h a.m. kommen zwei feindliche Flieger über die Stadt. Ein heftiges Kreuzfeuer wird auf sie abgegeben und ein Apparat hatte anscheinend etwas abbekommen, da er sich sehr stark auf die Seite neigte und rasch aus den Bereiche der Kanonen flüchtete, indem er langsam niederging. Wie später bekannt wurde, war der Apparat knapp neben der Küste ins Wasser gefahren und wurde dort von einem japanischen Torpedoboot abgeholt. Bomben wurden diesmal keine geworfen. – Bei uns an Bord wird eine eigenartige Schutzmaßregel getroffen. Es wird das ganze Deck mit 6 mm starken Eisenblechplatten belegt und Sandsäcke auf die Munitionskisten gelegt. Wenn nämlich der japanische Hydroplan wieder kommt und sich über uns befindet, wird aus allen Geschützen auf den Festungshügeln eine Lage abgegeben. Man hofft, dass dadurch der Apparat getroffen wird oder durch den Luftdruck das Gleichgewicht verliert und zum Sturze gebracht wird. Da nun die Geschoße abgeschossen werden, wenn der Flieger über dem Schiffe ist, worauf die Distanz schon ausgerechnet ist, so werden unzählige Sprengstücke und Schrapnellkugeln auf das Schiff selbst niederfallen. Damit
85 Etwa 900 Mann der South Wales Borderers/Second Battalion, die in Nord-China stationiert waren, unter dem Kommando von Brigadegeneral Nathaniel W. Barnardiston. Später kamen noch einige Truppen aus Indien hinzu (Sikhs, 36. Bataillon), insgesamt ca. 1400 Mann (Smith, The Siege of Tsingtau, S. 410/411).
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nun diese das Holzdeck nicht beschädigen, werden die Blechplatten darauf gelegt. Heute aber kam der Flieger nicht. Zeitungsmeldungen aus Tokyo berichten, dass Japan dem gemeinsamen Beschluss von England, Frankreich und Russland, nur zusammen Frieden zu schließen, beigetreten ist. Auch wenn Tsingtau vorher genommen werden sollte, wird Japan erst nach Beendigung des europäischen Krieges mit Deutschland und Österreich Frieden schließen. Schatsykou [Shazikou] wurde heute Vormittag von einem Küstenpanzerschiff mit schweren Geschützen und einem Torpedobootzerstörer beschossen. Verluste sind nicht zu beklagen. Nur ein Wirtschaftsgebäude wurde beschädigt. Über den Vormarsch der Japaner wäre in der letzten Zeit seit 20. September noch folgendes zu bemerken : Seit dem 20. September halten die Japaner den Paischa-Fluss [Baishahe] besetzt.86 Unsere vorgeschobenen hochgelegenen Stellungen befinden sich zwischen Paischaho [Baishahe] und Litsun-Fluss [Licunhe]. Der Paischa-Fluss [Baishahe] bildet mit dem größeren Teil seines ostwestlichen Laufes die Nordgrenze des Kiautschaugebietes. Der LitsunFluss fließt im südlichen Drittel des Pachtgebietes gleichfalls in allgemeiner ostwestlicher Richtung. Zwischen den beiden Flüssen liegt das 400 m hohe Tung-liutschui [Dongliushui]-Gebirge. Die Japaner zeigen sich dort in starken Abteilungen. Unsere Vorposten wurden weiter zurückgerufen. Von der chinesischen Landbevölkerung geht uns folgende Nachricht zu : ein höherer japanischer Offizier erklärte den Chinesen, die eigentlichen Kämpfe würden jetzt noch nicht beginnen. Die Japaner wollten warten, bis mehr Soldaten und die schweren Geschütze da seien. Der Regen hätte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die schweren Geschütze seien tief in den Boden eingesunken gewesen, sodass man sich tüchtig plagen musste, um sie frei zu bekommen. Die Arbeit sei kaum fertig gewesen, als wieder starker Regen einsetzte, und das Elend von Neuem anfing. Die japanischen Geschütze trügen weiter als die deutschen Geschütze in Tsingtau. Die deutschen Soldaten seien tüchtig und tapfer, besser als die japanischen. In Tsingtau seien aber zu wenig, während die Japaner in großer Überzahl heranrückten. – Interessant ist das Urteil des japanischen Offiziers über die Deutschen wegen der Tüchtigkeit. Wie wahr er gesprochen, hat sich auch schon hier bei den größeren Vorpostengefechten beim Mecklenburghaus und am Kletterpass gezeigt. Ein wichtiger Vorposten musste heute Nachmittag aufgegeben werden. Schatsykou [Shazikou], das nun schon einige Male beschossen worden war, 86 Der Baisha-Fluss 白沙河 mündet in die Bucht von Kiautschau [ Jiaozhou]. Es war die äußerste Verteidungslinie des Pachtgebietes.
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wurde Nachmittag 3h wieder heftig von See aus bombardiert. Um diese Zeit musste es geräumt werden, da eine japanische Infanteriebrigade im Begriffe stand, dem Detachement den Rückweg abzuschneiden. Die deutschen Truppen zogen sich auf Litsun [Licun] zurück. Die Abteilung schlägt ihr Biwack auf Höhe 64 etwa 500 m nördlich des »Militärpostens« auf, um gegen feindlichen Angriff sofort in Stellung zu sein. Zwei Maschinenkanonen, bisher in Kau-lautau [Kaolaodao], sind jetzt am Straßenkreuz 200 m nördlich des »Militärpostens« in Stellung, sodass gegen Angriff von See vier, von Teng-yau [Dengyao] sechs und von Tschai-ko [Zhaike] ebenfalls vier Maschinenkanonen bereit sind. 26. September, [Samstag]. Vormittag erhält ein japanisches Minenfahrzeug von der Batterie bei Shantungto [Shandongtou] einen Volltreffer.87 Die Brücke bei Tschaiko [Zhaike] wird gesprengt. Gegen Mittag werden größere feindliche Truppenmassen in Hanho [Hanhe] im Anrücken bemerkt. Sie versuchen dort zu schanzen, wurden jedoch durch Artillerie vertrieben. Auch am Paischaho [Baishahe] werden große Truppenmassen gemeldet. Um 2h Nachmittag greifen die Japaner mit sehr überlegenen Kräften (eine verstärkte Brigade-Infanterie und drei Feldbatterien) unsere Stellungen bei den Tsangkauer [Cangkou] Höhen an, die von nur einer Kompanie des Ost-Asiatischen Marinedetachements mit zwei Maschinengewehren und dem 3ten Zug der 5ten Kompanie III. Seebataillons verteidigt werden.88 Um 5h erhält diese schwache Abteilung vom 2ten Zug der Feld-Batterie aus Litsun [Licun] Verstärkung. – Am linken Flügel sind die Höhen 30 und 32 südlich Schwangsu [ ?] durch zwei Kompanien des Gegners besetzt und durch Schanzarbeit verstärkt. Östlich davon ist Liu-tsia-nung [] ? von über zwei Bataillonen Infanterie besetzt, anschließend die Hügel 36 und zwar südlich Hsien-tsia-tsai [Xianjiazhai] durch eine Kompanie Infanterie nebst 12 Artilleriefahrzeugen. Nachmittag um ½ 1h ging ich in die Moltke-Kaserne, um einem unserer Offiziere ein Messinstrument zu bringen. Nach ¼ stündiger Wanderung gelangten wir in die große Kaserne des II. Seebataillons und zwei Batterien. Die Kaserne ist riesig groß und sehr schön gelegen. Nach kurzem Aufenthalte ging ich mit meinem Freunde Schwarz zur 15 cm Batterie. Abseits eines Waldweges (Krähenpass) wird an den zwei Geschützen gearbeitet, die von der Elisabeth an Land geschafft wurden, und so zur Verstärkung der schwachen Landverteidigung Tsingtaus beitragen sollen. Die zwei modernen 15 cm Kanonen stehen auf be87 Diese Batterie an der Nordostseite der Prinz-Heinrich-Berge (Fushan) kontrollierte auch die offene Seeseite zum Gelben Meer zwischen dem Kap Xiaojiang 小江岬 und der Flussmündung Dajiang 大江口. 88 Hinweis auf die Verteidigung dieses Frontabschnittes durch eine Kompanie des OAMD auch am 23. August.
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toniertem Waldboden in 10 m Entfernung, und sind durch einen Graben miteinander verbunden.89 Die Munitions- und Pulverkammern sind unterirdisch angelegt, und auch die Telephonzentrale ist durch Erdwälle geschützt. Zum Schutze, dass die Geschütze von feindlichen Fliegern nicht gesehen werden, wurden sie ganz grün angestrichen und mit Reisig belegt. Etwa 20 m von den Geschützen entfernt ist auf zwei Bäumen ein Beobachtungsposten eingerichtet, auf den wir auch hinaufstiegen und das Vorgelände besahen. Überall wird fleißig an neuen Geschützstellungen gearbeitet, damit die fahrbaren Geschützbatterien die Stellungen wechseln können, sobald sich der Feind darauf eingeschossen hat. Da nur 6 solche fahrbare Geschütze vorhanden sind, werden diese sehr viel zu tun haben und von einem bedrohten Punkt zum anderen fahren müssen auf einer 9 km langen hügeligen Strecke. Etwa 500 m von den Geschützen entfernt (2 Stück 15 cm) ist auf einem flachen Hügel der Kommandoturm des Fregattenleutnant Baierle. Er sieht von dort aus auf einen etwa 6 km entfernten Berg, den Kouschan [Hushan]. Dort ist ein anderer Beobachtungsposten, der die Distanzen und Felder, auf denen die Japaner anrücken, mittels optischer Signale herübergibt, und nach erfolgtem Schuss angibt, ob der Schuss gut war oder um wieviel fehl. Die Geschützbemannung sieht also das Ziel nicht, sondern das Treffen hängt davon ab, wie die Distanzen angegeben werden. Die Geschoße und Patronen werden mittels 2rädrigen kleinen Wagen auf Geleisen durch einen Graben an die Geschütze herangebracht. Heute sind gerade einige Leute dabei, Traversen aus Eisen um die Geschütze herumzulegen, damit durch einschlagende feindliche Geschoße nicht der Zement aufgerissen wird und die Geschütze keinen Halt mehr hätten. Nachdem wir uns nun diese Batterie, die österreichische Geschoße dem Feinde von deutschem Boden aus entgegen senden sollte, betrachtet hatten, wünschten wir unseren dort befindlichen Unteroffizieren einen »guten Schuss« und gingen, immer zwischen Wald und Feld, über den Moltke- und Bismarck-Berg ins Artilleriedepot. Dort ist die Landungskompanie von der Kaiserin Elisabeth. Es sind 50 Mann unter dem Kommando eines österreichischen Ulanenoberleutnants [Riedl von Riedenstein], der bei Kriegsausbruch aus Japan nach Tsingtau kam und bei unserem Kommando bat, da er nicht nach Österreich zurück könne, bei uns seiner Pflicht im Weltkriege nachkommen zu dürfen.90 Unser Herr Komman89 Diese beiden Škoda-Geschütze befanden sich seit 1906 an Bord der Elisabeth ; ausgebaut wurden sie zwischen 28. und 29. August und den deutschen Verteidigern an Land übergeben. Nach der Rückkehr der österr.-ungar. Schiffsartilleristen aus Tientsin übernahmen diese wieder die beiden Kanonen, das Kommando führte Fregattenleutnant Baierle (s. Abb. 25). 90 Führer des österr. Landungszuges war tatsächlich der deutsche Olt. Friedrich von Schlick.
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dant wollte sein Anerbieten nicht annehmen, da er nicht die Verantwortung übernehmen wollte, wenn der Ulanenoffizier in Marinediensten eventuell fiel. Erst auf wiederholte Bitten der Gattin des Oberleutnants willigte unser Kommandant ein und übergab ihm das Kommando über unser Landungsdetachement. Es bestand dies aus 40 Matrosen und 10 Unteroffizieren, davon auch vier Maschinenunteroffiziere. Ich hatte mich auch freiwillig gemeldet, zur Landungskompanie zu kommen, da ich lieber mit dem Feinde direkt in Verbindung kommen würde, anstatt nur indirekt vom Schiff aus – damit ich, falls ich falle, zuerst auch ein paar Japaner in die Ewigkeit senden könnte. In mir hatte nämlich der Gedanke, dass ich Tsingtau nicht lebend verlassen würde, schon festen Fuß gefasst, und ich war damit zufrieden, denn es gibt ja wirklich keinen schöneren Tod als auf dem Felde der Ehre sein Leben zu lassen. Lieber hier als später einmal in womöglich qualvollem Krankenlager im Bette dahinsiechen. Da ich aber in der Dampfbarke nicht abkömmlich war und ein anderer Unteroffizier, der in Tientsin hatte bleiben müssen, fehlte, konnte ich nicht mit zur Landungskompanie. Aber ich wurde vorgemerkt. Die Elisabeth soll, damit sie dem Feinde nicht in die Hände fällt, sobald die Munition verschossen ist, gesprengt werden. Die Besatzung wird dann teils zum Garnisonsdienst eingezogen, teils geht sie an die Front. Also, ich hatte noch Hoffnung, an den Feind zu kommen. […]91 Vor Tsingtau konnte man 13 Torpedoboote, 4 Kriegsschiffe und 2 Minenboote sehen. Die Kriegsschiffe allerdings in größerer Entfernung. Dadurch wurde einem erst vor Augen geführt, dass wir von aller Welt tatsächlich abgeschlossen sind und der Feind da ist. Aber er steht nun schon ein ganzes Monat da und hat noch nichts erreicht. Herbert von Riedlstein = Herbert Riedl von Riedenstein (geb. 1874 in Dészánfalvá, Ungarn ; gest. 1935 in San Francisco, Cal.) wäre als Zivilist resp. Offizier a.D. dafür militärisch nicht genügend vorbereitet gewesen. Der Kriegsausbruch überraschte ihn und seine Frau Maria Elisabeth, mit der er seit 1911 verheiratet war, auf einer Weltreise in Japan. Er hatte in seiner Heimat Temesvár zunächst (1893) im k. u. k. Husarenregiment Nr. 3 »Graf von Hadik«, ab 1900 im k. u. k. Husarenregiment Nr. 13 »Wilhelm Kronprinz des dt. Reiches u. Kronprinz von Preußen« gedient ; 1904 wurde er (zuletzt Zugskdt. im Staatshengsten-Depot in Debreczen, Kecskemét) als Olt. a. D. verabschiedet (ÖStA, KA, Q.L. Karton 2758). In Tsingtau war er der berittenen Abteilung des Ostasiatischen Marine-Detachements zugeteilt ; Frau Riedl von Riedenstein, geb. Garte (geb. 1884 in Leipzig, gest. ?), hatte sich freiwillig als Krankenpflegerin gemeldet. Kriegsgefangenschaft zunächst im Lager Kumamoto, ab Juni 1915 Kurume, zuletzt (Aug. 1918) im Lager Narashino. Im Genealogischen Taschenbuch (Wien 1926) ließ sich Riedl als Kunstmaler eintragen ; weitere Eintragung Genealogisches Handbuch des Adels, Gotha 1972, Bd. 52. 91 Auf den nachfolgenden Tagebuchseiten 73–78 werden die Anlagen an der Hauptverteidigungslinie beschrieben ; da ohne direkten Bezug zur Kaiserin Elisabeth weggelassen.
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In der Nacht war es den Japanern mit sehr überlegenen Kräften gelungen, nämlich mit einer verstärkten Brigade und 3 Feldbatterien, bei den Tsangkau [Cangkou] Höhen durchzustoßen. Um 11h nachts hörte man schon heftigen Kanonendonner und man fühlte sich als ein anderer Mensch in diesen Stunden der ersten hörbaren »Schlacht«. Wir bekamen um 11 ½h nachts Befehl anzuheizen und das Schiff soweit klar zu machen, dass wir uns gegebenenfalls sofort in die Kampflinie begeben könnten. An ein Schlafen war natürlich nicht zu denken, da uns alle der Feuerschein der aufblitzenden Geschütze und der Donner derselben viel zu sehr erregte. 27. September, Montag. Nachdem es also gestern nachts den Japanern gelungen war, die deutsche Linie zu durchstoßen, ist heute der Kampf auf der ganzen Linie am Litsun-Fluss [Licunhe] entbrannt. Das Tsingtauer Hauptwasserwerk, das dort liegt, wird in die Luft gesprengt und das kleinere Haipo-Wasserwerk [am Haibo-Fluss] in Benützung genommen. Schon um 22h nachts, als die Japaner den ersten Angriff machten, lief Jaguar aus und fuhr in die vorgesehene Gefechtsstellung um die Bucht und nahm dort den Feind von der Flanke in Angriff. Wir waren um 5h a.m. dampf- und vollkommen gefechtsklar, mussten aber auf weitere Befehle vom Gouvernement warten. Um 7h a.m. kam wieder der japanische Flieger. Da die deutsche Ballongeschützbemannung nicht beim Geschütz war, fuhr von uns ein Offizier und 12 Mann ins Arsenal, um das Feuer gegen den Flieger aufzunehmen. Er war noch nicht über uns gekommen, als er durch 3 rasch nacheinander abgegebenen Schrapnellschüssen, die ihm jedenfalls Schaden zufügten, schleunigst umkehrte und mit beträchlichen Schwankungen seewärts flog. Um ½ 11h wird wieder Flieger von Signalstation gemeldet und bald darauf sieht man schon einen schwarzen Punkt in den Wolken auf uns zukommen. Sofort fuhr nun die Geschützbemannung mit der Dampfbarke wieder zum Arsenal. Während dem kam S.M.S. Jaguar zurückgefahren und gab uns das Signal »Bitte sofort zur Verstärkung kommen.« Die Geschütze des braven kleinen Holzschiffes rauchten noch von der getanen Arbeit. Nun mussten wir den Flieger lassen und die Leute, die soeben beim Geschütz angekommen waren, wurden sofort zurückberufen. – Für uns alle war die nun folgende Ausfahrt um 11h a.m. eine Freudenfahrt, ging es doch nun endlich dem Feinde entgegen. Ich wäre vor Freude am liebsten hoch aufgesprungen, während die Taue, die das Schiff am Molo hielten, losgeworfen wurden und wir nun mit ganzer Maschinenkraft in die Zankau [Cangkou] Bucht fuhren. Nachdem Jaguar uns das Signal gegeben hatte, war er sofort wieder umgekehrt und als wir ihn jetzt sahen, sausten eben wieder momentane Feuergarben aus 3 Geschützrohren heraus und die Geschoße sausten an ihren Bestimmungsort. Auch das kleine Toropedoboot S 90 schoss fleißig und war
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ganz nahe beim Lande. Wir fuhren die schmale Fahrrinne, die wir schon am 21. August ausgemessen hatten, hinauf und standen etwa 500 m vom Jaguar entfernt. Inzwischen war am Lande auch vieles vorgefallen. Beim Morgengrauen stürmten die Japaner Litsun [Licun]. Der Kampf tobte nun auf der ganzen Linie Litsun- und Tschangtsun-Fluss,92 die Japaner allerdings in fast 40facher Übermacht auf einer 5 km langen Strecke. Die Reserve-Feldbatterie, die aus Litsun flüchten musste, schoss beim Rückzug von den Höhen aus mit vortemperierten Schrapnells mit gutem Erfolge auf die anstürmenden Japaner. Das Dorf Litsun [Licun] wurde teilweise zerschossen. Auch gelang es der Batterie, zwei japanische Geschütze zu demolieren. Die deutschen Maschinengewehre räumten schrecklich unter den Japanern auf. Doch schickten sie immer neue Truppen zum Sturme vor, die immer wieder durch Maschinengewehr niedergemäht wurden. Die Japaner (Infanterie) schoss miserabel, dagegen ihre Artillerie gut. Nach langem vergeblichem Stürmen mussten die Japaner das Nutzlose ihres Vorgehens einsehen und gingen aus dem Bereiche der Schüsse und wiederholten ihren Ansturm nicht mehr. All dies spielte sich von ½ 5 bis ½ 7h a.m. ab. Dann wurde es ruhiger und die 3 Geschütze der Reserve-Feldbatterie verschossen einzeln ihre Schüsse auf besetzte Punkte und gingen dann unter Deckung der Maschinengewehre zurück. 300 Schuss hatten die Kanonen auf die Japaner abgegeben. Die eigenen Truppen mussten in Anbetracht der großen anrückenden Übermacht von 9000 Mann hinter den Tschangtsun [Zhangcun-]Fluss zurück. Wir standen nun von 11 ½h an in der Bucht und beobachteten das Feuer des Jaguar. Vom Feinde ist allerdings nichts sichtbar, denn es wird indirekt gefeuert. Die Japaner bewegen sich zwischen zwei Hügeln und sind dort zusammengedrängt. Wir konnten aus einem Grunde nicht gleich in den Kampf eingreifen, so heiß wir das alle wünschten. Wegen des Tiefganges des Schiffes konnte man nicht weiter in die Bucht hineinfahren, und von dort wo wir jetzt standen, war die Distanz zu groß. Jaguar, der nur ganz geringen Tiefgang hatte, konnte weiter vorfahren und mit Erfolg den Feind flankieren. Endlich um 12.30h Mittag, wir waren gerade beim Mittagessen, kam von Tsingtau der Befehl in den Kampf einzugreifen. Wir mussten indirekt schießen, und zwar auf 11.000 m. Auf einem Hügel in der Umgebung des zu beschießenden Straßenzuges ist ein Unteroffizier der Artillerie, der von dort das Schussfeld sehen kann und mittels Lichtsignal sie zu beschießenden Felder angibt und auch die Schusswirkung unserer geschoße beobachten kann. – 92 Der Tschangtsun-Fluss [Zhangcunhe 張村河] fließt südlich in etwa parallel zum Litsun-Fluss [Licunhe 李村河] und vereinigt sich mit diesem kurz vor der Mündung in die Kiautschau-Bucht.
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Als nun der Befehl ergangen war »Feuer eröffnen« und Gefechtsalarm geblasen wurde, ließen ich und alle anderen unser Essen stehen, stürmten auf Deck, um bei der Abgabe des ersten93 Schusses im Weltkriege von S.M.S. Kaiserin Elisabeth, um deretwillen Österreich an Japan auch den Krieg erklärte, gegenwärtig zu sein. Die Geschütze waren bereits bemannt und nun kam von der Kommandobrücke der Befehl, der die Distanzen angab. »Distanz 11.000, Seitenverschiebung 103, Zündergranaten große Ladung.« »Laden.« Eine allgemeine freudige Aufregung bemächtigte sich meiner, war doch mein Wunsch »ran an den Feind« in Erfüllung gegangen. Nachdem der Artillerieoffizier Linienschiffsleutnant v. Klobučar noch selbst die Geschützrichtungen kontrolliert hatte, begab er sich auf die Brücke und sprach von dort nach 2 Minuten die Worte in vollkommener Ruhe : »Geschütz eins«, worauf der Geschützführer den angegebenen Hügel ins Fadenkreuz nimmt und ruft : »Feuer«. Der an der Abziehschnur stehende Matrose reißt diese zu sich und das erste 15 cm Geschoß hatte das Rohr verlassen und nahm seinen raschen Weg dem Feinde entgegen. Nach Lösung des Schusses ging gleichzeitig mit der Detonation des entzündeten Pulvers (8,25 kg Röhrenpulver), das das Geschoß hinausschleudert, eine Erschütterung durch das ganze Schiff, und die wenigen Scheiben, die noch an einigen Schächten waren, zersprangen durch den Luftdruck und die Erschütterung. Ein Hurra lag auf allen Lippen, aber wegen der Kommandoübermittlung musste dieser Freudenausbruch unterbleiben. Denn schon sah man zwischen den Hügeln, wo der Feind lag, eine Rauchsäule aufsteigen, und ich dachte mir, wer weiß wie viele in diesen Momenten ihr Leben durch eine österreichische Granate werden haben lassen müssen. Gleich darauf blitzte der Projektor auf einem Hügel ganz versteckt als ein kleiner Lichtpunkt auf und gab nach verabredetem Zeichen das Signal »100 m weit«. Also musste bei uns das nächste Geschütz eine 100 m kürzere Distanz nehmen. Und schon kam »Geschütz 2« und der Geschützführer rief »Feuer« und wieder ging die Erschütterung durch das Schiff, die rauchende Patronenhülse fällt bei Öffnen des Schraubverschlusses aus dem Geschütz heraus in die Hände eines dort stehenden Mannes und die heiße Messinghülse wird ins Wasser geworfen, wo sie das Wasser zum Zischen bringt und bald untergeht. Wieder sieht man am Lande eine Rauch-Staubwolke aufsteigen und von der Beobachtungsstation kommt »Treffer«. Also, die vorgehende Infanterie hatte Schaden erlitten All dies ging natürlich schneller vonstatten als man es wiedergeben kann, und schon fiel der Schuss aus dem dritten Geschütz. Diese so wie die folgenden waren durchwegs Treffer. 93 Im Tagebuch doppelt unterstrichen.
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Nach dem 6ten Schuss, nachdem alle Geschützführer sich eingeschossen hatten, kam der Befehl »Lage !« d.h. alle drei Geschütze zur gleichen Zeit. Die Aufregung, die zuerst herrschte, hatte sich gelegt und war einer Ruhe gewichen, in der jeder voll und ganz seine Pflicht erfüllte. Wir Maschinisten, die wir ganz frei waren, konnten allerdings nicht nur zusehen, denn auch an uns trat die Pflicht Tag und Nacht heran während wir 6 Stunden die Maschinen führten, ohne die ja ein Schiff mehr oder weniger kampfunfähig ist. Unter 24 Stunden 12 Stunden Dienst versehen und auf Havarien durch einschlagende Geschoße gefasst zu sein, ist die Kriegspflicht der Maschinisten. Während nun Lage auf Lage erfolgte, geriet das langsam fahrende Schiff in heftige Schwankungen durch das Abfeuern. Das Zielen wurde natürlich dadurch sehr erschwert, aber die Geschützführer feuerten immer zur rechten Zeit, wenn das Schiff am richtigen Punkte anlangte. So wurden im Ganzen 18 Schuss abgegeben, worauf sich die Japaner wie es scheint zurückgezogen hatten. Das erste Gefecht, in dem wir nicht beschossen wurden, war mit sehr gutem Erfolge beendet, hatten wir doch dem Gegner, der die schwachen deutschen Kräfte am Lande hart bedrängte, von der Flanke angegriffen, was für den Angreifer sehr verhängnisvoll werden kann. Als wir aufgehört hatten zu schießen, da unsere Geschoße die Japaner nicht mehr erreichen konnten, griffen einige deutsche Landbatterien in den Kampf ein, und um uns herrschte Ruhe, als wir um 1 Uhr unser Mittagmahl fertig aßen. Nach dem Essen legte ich mich in die Kabine schlafen, die ich mit meinem Freunde teilte und die früher ein Offizier bewohnte. Aber nicht lange dauerte es, als ich durch einen 15 cm Schuss von dem Geschütz, das über der Kabine montiert ist, unsanft geweckt werde und natürlich gleich wieder auf Deck eile, um dem neu begonnenen Gefechte als Augenzeuge beizuwohnen. Nach einigen sehr guten Treffern die, wie der Beobachtungsstand meldete, mitten in dem in geschlossener Formation anstürmenden Feind (etwa 5 Bataillone) einschlug und ganze Reihen niedermähte, zog sich diese Masse vor den paar einschlagenden österreichischen Granaten und Schrapnellen eiligst in gedeckte Stellungen zurück, was sehr traurig für die japanische Waffenehre klingt, uns aber auch leid tut, da wir keine Gelegenheit haben, dem Feinde neuen Schaden zuzufügen, um die österreichische Waffenehre in Ostasien zu erhöhen. Aber was nicht ist, kann noch werden. – Um 7h Abend liefen wir und Jaguar, da sich keine Gelegenheit bot, den Feind zu beschießen, in den Hafen ein. Der Kommandant musste anschließend einer Beratung beim Gouvernement beiwohnen. 28. September, [Dienstag]. Die Nacht war verhältnismäßig ruhig verlaufen. Um 10h erscholl am Molo von einem unserer Sicherheitsposten der Ruf »Halt wer da«. Da sich die Gestalt, die eine Laterne in der Hand trug, nicht meldete, sondern ruhig näher kam, gab der Posten nach dem dritten Anruf einen Schuss
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aus seinem Gewehr ab. Die Gestalt machte einen Sprung auf die Seite und wurde nicht getroffen. Der Wachoffizier kam sofort und es stellte sich heraus, dass die beschossene Gestalt ein Chinese war, der einen Befehl vom Gouvernement brachte. Für den ausgestandenen Schrecken bekam er ein reichliches Essen und wurde dann entlassen. Bei Tagesgrauen wurden die 2 Stück 12 cm-Geschütze auf der Walderseehöhe von feindlicher Artillerie stark und sicher beschossen. Mit 18 Geschützen feuerten die Japaner auf diese zwei Geschütze. Ein Geschütz wurde durch japanische Granaten vernichtet, 2 Mann getötet und 3 schwer verletzt. Das andere Geschütz wurde von der Bedienung selbst gesprengt. – Das Detachement auf dem Adlernest in den Prinz-Heinrich-Bergen wird stark angegriffen und muss sich nach dreistündigem Kampfe zurückziehen, wird zum Teil abgeschnitten und gefangen genommen. Bei Koutsy [Kouzi] und der Walderseehöhe finden heftige Kämpfe statt. Bei diesen fällt Leutnant der Reserve Fries.94 Wir liefen um 5h a.m. aus und mit der Flagge auf der Gaffel sowie dem Rufe »kampfbereit, jederzeit« wurde um 6h a.m. der erste Schuss abgegeben. Die Japaner hatten nachts den Haipo-Fluss [Haibohe] überschritten und waren ein großes Stück vorgerückt. Einige Batterien, welche der Japaner aufgestellt hatte, wurden von uns unter Feuer genommen und zum Schweigen gebracht. Unsere Geschütze sandten Lage für Lage dem Feinde unsere Grüße, als man plötzlich ein Sausen in der Luft vernahm und kurz darauf 50 m vor uns eine mächtige Wassergarbe aufstieg. Also, man schoss auf uns. Das war ja sehr erfreulich. Nun erst hatte der Kampf einen Reiz. Wir wollten umkehren und die Fahrrinne zurückfahren, um den Japanern kein sicheres Ziel zu bieten. Im Zuge des Manövers des Umdrehens verspürte man plötzlich einen Ruck und – wir saßen im Sande fest. Angesichts des feindlichen Feuers war dies allerdings keine angenehme Situation, in der wir uns befanden. Aber nach einem geschickten Manöver mit Maschinen und Steuer kamen wir in der gewünschten Richtung frei. Während wir schossen und die feindlichen Granaten uns immer näher kamen, die Sprengstücke schon an die Bordwand fielen, fuhren wir mit 17 Meilen Geschwindigkeit die Fahrrinne hinunter. Als die Japaner das Nutzlose ihres Feuers auf uns eingesehen hatten, wurde Jaguar und S 90, die viel näher dem Lande fuhren, heftig beschossen, aber nicht getroffen. Wir schießen indessen aus größerer Distanz (10 km) weiter, immer noch indirekt, von unserem Beobachter am Lande über die Treffresultate verständigt. Der Unteroffizier mit dem Projektor hielt sich tapfer an der Front, 94 Wolfgang von Fries (geb. 1885 Köln-Deutz, gefallen am 28.9.1914 Tsingtau) ; diente in der 5. Kompanie des III. Seebataillons.
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obwohl er bis aufs äußerste von den Japanern bedrängt und der Scheinwerfer, von dem die Japaner wussten, dass er uns Signale gab, heftig mit Artillerie beschossen wurde. Alle deutschen Offiziere und Mannschaften hatten sich bereits zurückgezogen, er blieb aber auf seinem Posten, und erst als Infanterie kaum 20 m entfernt war, zog sich der Unteroffizier namens Asböck [= Aspeck] (ein Grazer) zurück.95 Er wird zur Auszeichnung vorgeschlagen werden. Wir feuerten mit geringen Unterbrechungen bis ½ 12h mittags. Die Geschütz rohre waren so heiß, dass man die Hand nicht darauf legen konnte und die Farbe absprang. Das war aber natürlich der Stolz unserer Artilleristen. Da die Japaner in zu großer Übermacht vordrangen, wurden die deutschen schwachen Kräfte im Laufe des Tages hinter das Haupthindernis zurückgenommen, und der Rückzug nur von wenigen Maschinengewehren gedeckt. Man bedenke, dass die im Kampfe befindlichen Japaner bis auf 10.000 Mann angewachsen waren und 7000 Mann Reserven auf den rückwärts gelegenen Straßen liegen hatten. Dem gegenüber beträgt die gesamte militärische Besatzung Tsingtaus nicht ganz 4000 Mann, davon die Hälfte Reservisten. Und von diesen Leuten kommen noch so und so viele für Garnisonsdienst, für die Festungswerke etc. etc. in Betracht. Ein weiteres Aufhalten des vordringenden Gegners im schutzlosen Terrain wäre Wahnsinn gewesen. Die Leute werden bei der nun kommenden Belagerung und den zu erwartenden Stürmen der Japaner viel wichtiger gebraucht werden, um die 7 km lange Verteidigungsfront zu schützen. Die deutschen Verluste betragen bis jetzt 107 Tote, Verwundete und Vermisste. Die Japaner haben dem gegenüber allerdings riesige Verluste zu verzeichnen. Nach einem Telegramm aus Tokyo, das aufgefangen wurde, verloren die Japaner in den letzten Tagen 2000 Tote und 800 Verwundete. Die Hauptarbeit in den Kämpfen im Vorgelände haben die deutschen Maschinengewehre und unsere Schiffsartillerie geleistet, mit der wir dem Feinde, wie genau beobachtet werden konnte, wiederholt sehr schwere Verluste mit z.B. einer Lage (3 Schüsse) beibrachten. Der Rückzug der Deutschen hatte sich in größter Ruhe und Ordnung vollzogen ; da der Gegner auch sehr ermattet war und über vollkommen freies Gelände die Verfolgung hätte aufnehmen müssen, unterließ er diese. Die Japaner kommen nicht dazu, sich auf den Höhen vor den Infan95 Rupert Aspeck (Graz 1893– ?), Artillerie-Marsgast ; als Schussbeobachter eingesetzt, unterstützt von den Steuerleuten Pokorny und Tauchmann als Signalmänner (Makoviz, Bericht über die Beteiligung S.M.S. Kaiserin Elisabeth an der Verteidigung von Tsingtau [1920], S. 12). Nach der Kapitulation zunächst in den Gefangenenlagern Kumamoto und Kurume. Rückkehr nach Graz aus Narashino. Beruf : »Heimkehrer/Berufsunteroffizier«, später amtlich auf dem Meldezettel hinzugefügt »Musiker, Kammermusiker an Berliner Staatsoper« ; Aspeck zog nach dem Tod seines Vaters 1925 nach Berlin (Meldeunterlagen im Grazer Stadtarchiv).
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teriewerken zu befestigen, da sie von der Festungsartillerie und unserem Feuer stark beunruhigt wurden. – Heute um 7.30h a.m. hatte auch die japanische Flotte ihre Tätigkeit g egen die Stadt aufgenommen. Die Linienschiffe Suwo,96 Tango und Iwami mit 30,5 cm Geschützen und das englische Linienschiff Triumph 97 mit 25,4 cm Geschützen befeuern zum ersten Male die Iltisberg-, Bismarckberg- und Huitschenhuk-Batterien. Letztere erwidert das Feuer. Gleich fuhren die Schiffe außer Reichweite dieser 24 cm-Geschütze, die dann indirekt über den 100 bis 150 m hohen Bismarck- und Iltisberg hinweg feuerten. Sie hatten auf den Prinz-Heinrich-Bergen und Kouschan [Hushan] Beobachtungsposten, die mittels drahtloser Telegraphie die Distanzfelder angaben. Obwohl wir am Schiffe sicher vor diesen Ungetümern waren, so lief uns doch ein Schauer über den Rücken, als die ersten 30,5 cm Geschoße durch die Luft sausten und man das hui-i-i-i-i hörte, bis sie mit einer furchtbaren Detonation explodierten und mächtige Erdwolken in die Luft flogen. Wirklich bedeutenden Schaden hat die Beschießung, die etwa 1 Stunde dauerte, nicht angerichtet. Die Batterien selbst wurden nicht getroffen, und auch keine Menschenleben gingen verloren. Dagegen wurden ein Wirtschaftsgebäude der Iltis-Kaserne, ein Schweinestall hinter der Bismarckkaserne und die Schmiede der Maschinengewehr-Kompanie getroffen. Dabei wurden einige Maultiere getötet und ein Chinesen-Kuli schwer verletzt. Die Sprengstücke zertrümmerten auch eine Anzahl Fensterscheiben in der Bismarckkaserne. Sonstige Schüsse gingen in die Rawinen und den Bismarck- und Friedrichs-Berg, in den Forstgarten, dem Friedhof am Ostpass, wo einige Gräber bloßgelegt und Grabsteine fortgeschleudert wurden. Auch einige Blindgänger wurden festgestellt. Die Geschoße, die wegen ihrer zu langen Flugbahn nicht explodiert waren, lagen nun mitten auf der Straße oder sonst wo still ; zur Kennzeichnung wurden rote Fahnen dazu gesteckt. Demnach ist also der Erfolg der Kanonade verhältnismäßig gering gewesen. Wie bereits erwähnt, wurden die deutschen Truppen im Laufe des Tages hinter das Haupthindernis zurückgenommen. Die erdrückende Übermacht, mit der der Gegner angerückt ist, nötigte auch zur Aufgabe der Verteidigungslinie
96 Die Suwo [Suō 周防] (ex Pobieda, 12.674 t) war das Flaggschiff der japanischen Belagerungsflotte ; auch die beiden anderen Kriegsschiffe Iwami 岩見 (ex Orel, 13.516 t) und Tango 丹後 (ex Poltava, 10.960 t) waren Beuteschiffe aus dem Russisch-Japanischen Krieg. 97 Das ursprünglich für Chile bestimmte Linienschiff (11.985 t, 803 Mann Besatzung) wurde per Kauf von Großbritannien übernommen, 1906 in Dienst gestellt und 1913 nach China kommandiert, wo sich die Triumph an der Belagerung von Tsingtau beteiligte. Später im Mittelmeer im Einsatz, wo es vom deutschen Unterseeboot U-21 am 25. Mai 1915 versenkt wurde.
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am Tschang-tsun-Fluss [Zhangcunhe], nachdem dort, so lange es ging, zähester Widerstand geleistet wurde. Nachmittag beschoss ein Linienschiff und ein großer Kreuzer den rechten Flügel der Infanteriestellung Werk I, das ich noch vor zwei Tagen besucht hatte, aber es wurde nicht der geringste Schaden angerichtet. Auch die Signalstation, auf der die deutsche Kriegsflagge wehte, wurde stark beschossen, aber nur in die Felsen schlugen die Granaten ein. Wir waren mit dem Schiff immer gefechtsklar, aber es war keine Gelegenheit für uns wirksam einzugreifen, und so fuhren wir langsam auf und ab, wie ein Löwe, der auf seine Beute lauert. Abends um 6h werden die deutschen Kanonenboote Luchs, Iltis und Cormoran in die Innenreede gebracht. Das Gouvernement hat vom ersten Moment der Kriegserklärung Japans an Deutschland gewusst, dass Tsingtau über kurz oder lang fallen muss, und da wir nun seit zwei Tagen vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten waren, wurden die unnütz gewordenen Kanonenboote, deren Geschütze zur Ausrüstung der Hilfskreuzer verwendet worden waren, um nicht dem Feinde in die Hände zu fallen, gesprengt. Es war ein trauriger Anblick wie ein Boot nach der Explosion, nachdem der Rauch sich vollzogen hatte, geborsten sank. Das berühmte Kanonenboot Iltis,98 das schon im Jahre 1900 zahlreiche Gefechte mit den Chinesen hatte und ein Nachfolger des gestrandeten Schiffes gleichen Namens war,99 dessen Besatzung den Heldentod auf einem Riff in der Nähe der chinesischen Küste gefunden hatte, sank hier auch im chinesischen Wasser, gewissermaßen als ein Symbol, dass auch wir, die wir Tsingtau verteidigen, mit dem Rufe »Für Kaiser und Reich« langsam untergehen werden. Übrigens stand ja unserem Schiff, der alten Liesl, die auch schon viele Male in China Stürmen getrotzt hatte, das gleiche Schicksal der Sprengung bevor, ehe wir das Schiff dem Feinde übergeben würden. Das Artilleriefeuer am Lande hatte gegen 6h Abend vollständig aufgehört, aber es war nur die Ruhe vor dem Sturme. Denn um 9h p.m. begann die Kanonade neuerdings, aber bedeutend stärker. Gegen 2h nachts erreichte es seinen Höhepunkt und neben dem Feuerschein eines brennenden Dorfes, das durch die Deutschen in Brand geschossen worden war, war der Himmel immer rot er-
98 Auf der S.M.S. Iltis (Stapellauf 1898, 900 t) waren während des Boxeraufstandes beim Kampf um die Taku-Forts am 17. Juni 1900 acht Besatzungsmitglieder gefallen. 99 Vorläufer war die 1878 in Danzig gebaute S.M.S. Iltis (412 t), die am 23. Juli 1896 im Taifun an der Insel Moye (模椰島) vor der Shidao-Bucht (石島湾) im Nordosten von Shandong gesunken war ; von den 81 Besatzungsmitgliedern wurden nur 11 Seeleute gerettet. Dort war seinerzeit das Iltis-Denkmal errichtet worden.
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leuchtet, von den aufblitzenden zahlreichen Geschützen. Es war grausig-schön. Bis 6h a.m. des 29. September konnte man vom Molo aus, wohin wir gestern Abend gefahren waren, das Artillerieduell beobachten, das schon ziemlich nahe der Stadt mit dem Feinde ausgefochten wurde (6~8 km). Um ½ 5h a.m. verließen wir wieder den Molo und blieben an der Hafeneinfahrt bis es Tag wurde. Um 9h a.m. kam wieder unser Freund der Flieger und wird mit einem 15 cm-Schrapnell auf 4 km empfangen, das aber leider etwas hinter ihm krepierte. Er kam auch nicht mehr näher, sondern schwenkte über die Stadt und warf 3 Bomben über der Wilhelmstraße, 3 in die Nähe des Gouvernement-Gebäudes und 3 beim Elektrizitätswerk und beim Schlachthof. Menschenleben waren nicht zu beklagen. Nur einiger Materialschaden ist durch die Bombenexplosionen entstanden. Um 9.20h Vormittag eröffneten die Schiffe Suwo [Suō], Tango, Mishima100 und der Engländer Triumph ihr Feuer auf die obere Iltisbatterie, die Pass-Kuppe und die Infanteriewerke. Die Signalstation zählte 190 Schuss von See aus. Kurz nach Beginn der Kanonade von See aus signalisierte Jaguar mittels Projektor, dass feindliche Artillerie naht und Aufstellung nehmen will. Endlich, nach vierstündigem Warten, fährt die Elisabeth maximale Kraft zu dem bedrohten Punkt, und ich mit der Dampfbarke nach, um im Falle einer schweren Beschädigung des Schiffes Leute zu retten. Kaum waren wir auf Schussdistanz nahe gekommen, als unsere Geschütze in das Konzert, welches schon am Lande herrschte, einzustimmen. Ich kam unserem Kreuzer nach und konnte sehen, wie das Schiff in Feuerstellung aussieht. Mächtige graubraune Rauchmengen stießen nach jedem Schuss aus den Geschützen heraus, und während einem Moment sah man auch eine 2 m lange Flamme, das explodierende Pulver (8 kg), aus dem Kanonenrohr herausspringen. Ich fuhr langsam näher, da das feuernde Schiff sehr schön zu beobachten war. Da die Japaner nun aber auch ganz kräftig mit Haubitzen auf das Schiff zu schießen begannen, musste ich schauen, auf die dem Lande abgekehrte Seite des Schiffes zu kommen, da ein Schuss der Japaner, wäre er zu weit links gegangen, die Dampfbarke getroffen hätte. Und wirklich, kaum war ich hinter dem Schiffe, als auch schon eine Granate dahersauste und gerade in das Kielwassser fiel, das die Barke hinterlassen hatte. Zwei Minuten früher dieser Schuss und ich würde diese Zeilen wohl nie mehr geschrieben haben. Indessen, unbekümmert um das feindliche Feuer, wurde von uns vom 100 Mishima「見島」, ex Admiral Seniavin (Адмирал Сенявин) war ein Küstenpanzerschiff (4960 t, 318 Mann Besatzung), das im russ.-japan. Krieg nach der Schlacht von Tsushima 1905 erbeutet wurde ; im Tagebuch noch einmal erwähnt am 29. Oktober.
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fahrenden Schiff Lage auf Lage abgegeben, bis von der Beobachtungsstation das Signal kam, dass die Artilleriestellung geräumt und nur mehr ein demoliertes Geschütz dort liege. Nun fuhren wir wieder zurück vor die Stadt. Um 10h a.m. griff zum ersten Mal die 28 cm Haubitzen-Batterie (Bismarckberg 4 Stück) in den Kampf ein. Beim Aufschlagen im Vorgelände sah man die Steine und das Erdreich fliegen. Vielleicht auch einige Menschen, aber das konnte man mit freiem Auge nicht sehen. Die Geschützführer der Huitschenhuk-Batterie (2 Stück 24 cm), die einzige Batterie, die nach See schießen kann, haben sich verschworen, dem englischen Linienschiff Triumph gehörig eins aufzubrennen, sobald es sich heranwagen sollte. Und tatsächlich sind von dieser Batterie heute 2 Treffer erzielt worden, sodass sich das Schiff schleunigst zurückziehen musste. Über die japanische Belagerungsarmee kommen von den Kundschaftern – einer von diesen ist ein Mischling zwischen einer Chinesin und einem Deutschen, der aber deutscher Unteroffizier ist, aber ganz einem Chinesen ähnlich sieht – die Mitteilung, dass die Armee direkt vor Tsingtau 18.000 Mann zählt. Sie ist aus Abteilungen aus der ganzen japanischen Armee zusammengesetzt und in zwei gemischte Brigaden eingeteilt. Das Hauptquartier befindet sich in der chinesischen Stadt Tsimo [ Jimo]. Die Japaner haben außerdem die chinesische Stadt Weihsi[e]n [Weixian]101 besetzt und sind im Vorrücken auf Tsinanfu [ Jinan]. Offensichtlich haben sie es auf ganz Schantung abgesehen. In Lungkau [Longkou] haben die Japaner die deutschen und chinesischen Zollbeamten ausgewiesen, das Regierungsgebäude und die Polizeistation besetzt. Auch einige 100 Kleinkaufleute wurden von dort ausgeschifft. Die chinesische Regierung hat in einer Besprechung mit dem deutschen Geschäftsträger [Maltzan] 102 in Peking versucht, ihr Verhalten gegenüber dem japanischen Vormarsch über chinesisches Gebiet zu erklären und zu entschuldigen. Deutschland möge von der Aufrichtigkeit der freundschaftlichen Beziehungen und Gefühle Chinas überzeugt sein. Von der chinesischen Bevölkerung wird uns bekannt, dass die Japaner Ochsen ankaufen, die sie vor dem Sturm über die Minenfelder treiben wollen.
101 濰縣, heute Weifang 濰坊市 ; der heutige Stadtteil Fangzi 坊子 war damals eine eigenständige Niederlassung mit dem noch heute existierenden, von Deutschen erbauten Bahnhof, durch den die Besatzung der Elisabeth auf ihrem Weg nach Tientsin am 25. August durchgekommen ist. 102 Adolf Georg Frh. v. Maltzan, ab 1912 Legationssekretär in Peking, bis zum Kriegsausbruch mit China 1917 zeitw. Geschäftsträger. Hintergrund ist der Protest Deutschlands gegen die Neutralitätsverletzung Chinas durch Japan (entnommen aus Deutsche Zeitung für China 華徳 日報 [Hua-De-ribao], Shanghai, 1. Jg., Nr. 19, 16. Sept. 1914, S. 1 (»China und Japan«).
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Im Vorgelände wurde uns Nachmittag eine große Überraschung zuteil. Nachdem von den Festungshügeln den ganzen Vormittag und über Mittag auf die japanischen Stellungen vor dem Kouschan [Hushan] geschossen worden war, sahen die Japaner ein, dass sie sich unter diesem Feuer nicht eingraben können. Es erfolgte eine allgemeine Rückwärtsbewegung hinter die Hügelkette. Wir wurden um 3h Nachmittag wieder ins Gefecht gerufen. Ganz am Strande, nur durch 2 Häuser gedeckt, hatten die Japaner 4 Geschütze und 100 Mann aufgestellt. Wir fuhren langsam in dieser Richtung hin, als ob wir nichts vorhatten, und nachdem gut Ziel auf die beiden niedrigen Häuser genommen war, wurde eine Lage abgegeben, worauf am Lande eine Staubwolke aufstieg. Als sich diese verzogen hatte, waren die zwei Steinbauten fast nicht mehr zu sehen. Noch zwei Lagen, dann waren auch die Geschütze sowie etliche Mann, welche sich und die Geschütze nach den ersten Schüssen nicht rasch genug in Sicherheit bringen konnten, verschwunden. Dank dem schnellen Laden und Schießen war dieser Erfolg für uns zu verzeichen. Um 5h fuhren wir wieder nach Tsingtau hinein. Nachts wurde von den deutschen Batterien planmäßig alle Hügelübergänge unter Feuer gehalten, sodass sich der Gegner nicht im Schutze der Dunkelheit herangraben konnte, oder doch unter starken Verlusten. Noch um 9h Abend bekamen wir eine Abschrift der »China Tribune« vom 20. IX. 14 durch einen Kundschafter, der sich bereits dreimal durch die japanische Belagerungsarmee hindurch gearbeitet hatte, an Bord. Die Überschrift lautete »Der Untergang des japanischen Zerstörers Shiratai«.103 Die japanische Zeitung »Manshu Nichinichi« veröffentlicht darin die folgende aufregende Schilderung, die von einem Mitglied der Besatzung des Zerstörers Shirayuki stammt.104 Der Shirayuki begleitete den unglücklichen Shiratai [Shirotae], der am Morgen des 31. August vor Tsingtau auflief und daraufhin aufgegeben wurde : Am 30. August gegen Mitternacht erhielten die zwei Boote den Befehl zur Aufklärung vor Tsingtau. Der Regen goss in Strömen herunter, und während der Fahrt wurde der Nebel immer dichter, sodass wir keine paar Fuß voraussehen konnten. Ungefähr 4h morgens fuhr der Shiratai [Shirotae], der führte, auf einen Felsen auf. Kaum war der Krach verhallt, den das Auflaufen verursachte, als auch schon Wasser einzuströmen begann, das nach wenigen Minuten schon knietief stand. Gleich darauf wurden die 103 Torpedobootzerstörer Shirotae (白妙) ; s. Anm. 46. 104 Der Torpedobootzerstörer Shirayuki 白雪 (im Einsatz 1906–1924) mit der Ordnungszahl 6 gehörte zur gleichen Zerstörerklasse wie Shirotae. Die folgenden drei Absätze sind eine Zusammenfassung des erwähnten Presseberichtes aus der Manshū Nichinichi Shinbun [満州日日 新聞], der durch die Nähe zum Kriegsschauplatz gut informierten Zeitung in der von Japan besetzten Südmandschurei.
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Feuer durch das einströmende Wasser verlöscht, und die Maschine hörte auf zu arbeiten. Die Hilfsmaschinen arbeiteten indessen noch. Kapitän Beppu105 konnte deshalb das Unglück noch der Flotte funken lassen. Unterdessen wurde ein Scheinwerfer angestellt, um die Position des Bootes anzuzeigen, und gleichzeitig die Mannschaft auf ihre Plätze beordert, um das letzte Kommando abzuwarten. Fuß um Fuß stieg das Wasser, bis es brusttief stand, und damit die Hilfsmaschinen und funkentelegraphischen Einrichtungen außer Betrieb gesetzt wurden. In diesem
Augenblick entdeckte uns der Feind und begann ein lebhaftes Feuer auf uns. Der Shirayuki, das Begleitschiff, gab nachdem er die hoffnungslose Lage seines Begleiters erkannt hatte, die Nachricht an die Flotte. Dann wurden unter dem Kommando von Kapitänleutnant Abe106 drei Boote zur Rettung zu Wasser gelassen. Von diesen wurde eines durch eine feindliche Granate zerstört. Die übrigen, jedes besetzt mit 2 Mann an den Riemen und 2 in Reserve, ruderten gegen einen wütenden Sturm und ungeheure Wellen nach dem gestrandeten Zerstörer. Dort angekommen bemerkten sie, dass sie keineswegs zu früh kamen. Ohne Zeit zu verlieren, wurde begonnen, die Besatzung wie die wichtigsten Dokumente herüberzuschaffen, was trotz des Sturmes und des feindlichen Feuers in 7 Fahrten erreicht wurde. Zuletzt wurde der Kommandant des verlassenen Bootes übergenommen, nachdem noch die Geschütze unbrauchbar gemacht worden waren. Unterdessen dämmerte es, und wir sahen, dass die Strandungsstelle so nahe am Hafen lag, dass man die Stadt mit freiem Auge sehen konnte. Plötzlich kam das deutsche Torpedoboot S 90 aus dem Hafen heraus, drehte aber wieder um, und statt dessen kam der Jaguar heraus. Dieser unternahm aber nichts Ernsthaftes. 30. September, Mittwoch. Der heutige Tag sollte für uns ein Ehrentag in der
Geschichte der Belagerung Tsingtaus werden und wird auch den Japanern in Erinnerung bleiben.107 Um 5h a.m. fuhren wir wieder vor die Stadt und warteten dort auf Befehl zum Eingreifen gegen den Feind. Um 9h kam dieses auch von unserem Beobachtungsposten. 10 Minuten darauf wird das Feuer unsererseits eröffnet. Nach unserem 3ten Schuss hört man schon wieder das verdächtige Surren eines feind-
105 Fregattenkapitän Beppu Yūjirō 別府友次郎 海軍中佐 stammte aus der Präfektur Mie und war Absolvent des 22. Jahrganges der Marineakademie (Ausmusterung 1895). 106 Abe Ken’ichi 阿部謙一 (?–1940). 107 In der Tat. An diesem Tag wird der erfolgreiche Einsatz der Kaiserin Elisabeth im japanischen Generalstabswerk zum ersten Mal erwähnt (Sanbō honbu 参謀本部 (Hg.) : Taishō 3-nen Nichi-Doku senshi『大正三年日独戦史』[Geschichte des Japanisch-Deutschen Krieges des Jahres Taishō 3]. Tokyo : Kaikōsha 偕行社 1916, Bd. 1, Abschnitt 5 (本防禦線ニ対スル攻撃 準備 / Angriffsvorbereitung gegen die [deutsche] Verteidigungslinie), S. 467.
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lichen Geschoßes und schon schlägt 20 m links eine Haubitzengranate ins Wasser ein. Gleich darauf 5 m hinter uns und der 3te Schuss 5 m vor uns. Der nächste Schuss musste treffen, wenn der Japaner das Mittel zog aus den vorhergehenden Schüssen, aber der nächste Schuss traf auch nicht, alle weiteren zu weit links oder rechts. Wir fuhren natürlich in der Fahrrinne hinunter und hinauf und feuerten weiter. Vor den japanischen Geschoßen hatten wir keine Angst mehr. Da die Batterie, die wir beschießen sollten, hinter einem Berg lag, konnte man nicht die Treffer sehen. Bald aber war die richtige Richtung eingeschossen, als Lage auf Lage dorthin abgegeben wurde, bis die Signalstation meldete, dass die Batterie erledigt sei. Die Batterie aber, die uns aus 12–15 cm Haubitzen beschoss, konnte nicht gefunden werden. Und diese konnte daher unbelästigt auf uns feuern. Die Sprengstücke hämmerten unter Wasser an die Bordwand und man dachte, wir hätten schon etliche Treffer, aber es war nicht der Fall, was sehr beschämend für die japanische Artillerie ist. 68 Schuss und nicht einen Treffer. Zwar kamen die Geschoße bis auf 14 m Nähe, aber tatsächlich treffen tat kein Geschoß. Nach ½ Stunde erst wurde die auf uns feuernde Batterie entdeckt und zwar von S.M.S. Jaguar, der weit in die Bucht hineingefahren war und direkt die entdeckte Batterie beschoss und zum Schweigen brachte. Auch wir hatten, trotz des indirekten Feuerns, wie die Signalstation mitteilte, 2 Batterien (8 Geschütze) gefechtsunfähig gemacht. Da ein weiteres Feuern unnütz gewesen wäre und wir uns unsere knappe Munition sparen mussten, fuhren wir wieder aus der Gefechtslinie heraus, und zwar in sehr gehobener Stimmung über die Erfolge, die wir geerntet hatten. Um 5h kam Herr Klimanegg,108 ein junger Botschaftssekreträr von der österreichischen Botschaft [= Generalkonsulat] in Shanghai, der sich, obwohl nie gedient, doch freiwillig bei uns an Bord meldete und zur 15 cm-Batterie am Lande kam, wo unsere zwei modernen Geschütze standen.109 Er brachte eine frohe Botschaft. Eines unserer Geschütze, unter dem Unteroffizier Weiß und dem Kommando des Fregattenleutnants Baierle, hatte einen Schuss mitten in das feindliche Hauptquartier in Litsun [Licun] abgegeben, wo sich der japanische, französische, englische und russische Generalstab befand, und sicherlich die Hälfte der Herren getötet. Ein zweiter Schuss traf einen Munitionstransport und durch einen explodierenden Wagen wurden auch andere mit Munition beladene Wägen zur Explosion gebracht. 108 Paul Harding-Klimanek ; bedauerlicherweise fiel der junge Mann am 30. Oktober 1914 durch einen feindlichen Treffer in der Batterie und wurde in Tsingtau begraben (s. Anm. 288). 109 Zwei 15 cm Škoda-Geschütze, die 1906 an Bug und Heck der Elisabeth eingebaut worden waren ; Erwähnung im Tagebuch auch am 26. Sept. im Zuge der Übertragung dieser beiden schweren Waffen von Bord an die Landfront in Tsingtau.
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Nachmittags um 3h wurde der Minentender Lauting und das alte Torpedoboot Taku in den kleinen Hafen geführt und ein Tender legte am Lauting eine Sprengladung mit einer Zündschnur. Als diese entzündet war, fuhr der Tender schnell weg und 5 Minuten darauf erfolgte die Explosion. Eine hohe schwarze Rauchwolke stieg empor. Das Schiff war in zwei Teile gesprengt. Der achtere Teil sank sofort, während sich der vordere langsam aufstellte, bis der Bug gegen Himmel ragte und dann langsam sank. Nun kam das Torpedoboot an die Reihe, das einst den Chinesen gehört hatte, 1900 aber von den Deutschen erobert wurde. – Hier wirkte die Explosion nur nach oben und durchschlug das Deck, sodass noch kein Wasser eindringen konnte. Der Tender mit zwei Mann fuhr wieder hin, legte eine neue Menge Explosionsstoff und steckte die Zündschnur in Brand. Wir standen 200 m entfernt. Nach 10 Minuten erfolgte nun auch hier eine heftige Explosion, der starke Wasserschlag war auch an unserer Bordwand zu spüren. Die Maschinenteile sah man in die Luft fliegen und schwer ins Wasser fallen. Das Boot sank sehr langsam, nur im letzten Moment verschwand es plötzlich. Auch diesmal dachte ich mir, wie bald unser Schiff das gleiche Schicksal ereilen wird. Man musste mit dem stündlich rechnen und dann waren wir 20.000 Meilen von Österreich entfernt – »heimatlos«. Nachts über war deutscherseits wieder heftiges Artilleriefeuer, sodass die Japaner unter fortwährenden Verlusten sich an das 6 km entfernte Haupthindernis heran arbeiten müssen. Japanische Landbatterien beantworteten das Feuer heute nicht. 1. Oktober, [Donnerstag]. S.M.S. Jaguar, der die Bewegungen der Japaner am rechten Flügel beobachten kann, beschoss am Nachmittag wiederholt ihre Stellungen, wurde dabei selbst heftig beschossen. Die feindliche Artillerie, die sich gegen Tsingtau auffallend still verhält, wird von dem Fesselballon erkundet. Über das Vorgehen der Japaner in Schantung laufen bis 29. IX. folgende Kundschaftsmeldungen ein : Die Verwundeten sind in Litsun [Licun] in Häusern und Tempeln untergebracht. Auf diesen weht die Rote-Kreuz-Flagge. Die Gebäude Bezirksamt Litsun und Polizeiamt darf kein Japaner betreten, da dortselbst Minen vermutet werden. Zahlreiche Tote werden unfern Litsun [Licun] beerdigt. – Von Tsau-yuen [Zaoyuan] werden sechs große Geschütze nach Litsun [Licun] gebracht. Zur Zeit befinden sich diese am nördlichen Flussbett des genannten Dorfes. In Pan-chia-fang [Banqiaofang] wurden über 1000 Mann neuer Infanterie festgestellt und ca. 2000 Reiter. In Koutsy [Kouzi] mussten die Japaner vor einschlagenden Granaten flüchten und befinden sich jetzt in einer Ravine 3 Li nördlich des Dorfes. Auch zahlreiche Engländer und Indier befinden sich zur Zeit auf dem Wege von Wangkaschuang [Wanggezhuang] nach Litsun [Licun]. Bei den Vorpostengefechten haben noch keine Engländer teilgenommen.
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Wir kamen erst um 4h Nachmittag ins Feuer und machten durch 15 Schüsse zwei feindliche Geschütze unbrauchbar ; eines konnte noch von den Japanern unter Verlusten an Menschenleben weggeschleppt werden. 2. Oktober, Freitag. Um 6h a.m. stieg die deutsche Taube auf, um einen Erkundungsflug durchzuführen. Wir fuhren um 10h a.m. wieder gegen die feindlichen Stellungen und beschossen eine von starker Infanterie begleitete Artillerieabteilung. Obwohl alles bis jetzt indirekte Schüsse waren, haben wir doch bis 70 % Treffer erzielt. Um 3h und 6h Nachmittag feuerten wir wieder 20 Schuss gegen den Feind. Auch wurden wir beschossen, was uns aber ganz kühl lässt, obwohl die feindlichen Granaten nur wenige Meter abseits des Schiffes einschlagen. Aber wir fühlen uns sicher und verlassen uns auf unseren Herrn Kommandanten der, sobald wir beschossen werden, selbst ans Steuer tritt und mit Steuer und Maschinentelegraphen das Schiff sicher durch das feindliche Feuer führt. Obwohl man gewarnt wird, unter Panzerdeck zu gehen, gefällt es den Meisten doch auf Deck, um das eigene sowie das feindliche Feuer zu verfolgen. Mit unheimlicher Geschwindigkeit wird geladen und auch gut getroffen, und die Rohre werden so heiß, dass sie sich schon auszudehnen beginnen. Es kann aber jetzt leider nicht mehr so viel geschossen werden wie bisher, da die 220 Schuss pro Geschütz, mit denen wir Pola am 11. August 1913 verlassen hatten, schon auf 100 zusammengeschrumpft sind. Sobald wir keine Munition mehr haben, muss das Schiff versenkt werden. Um 5h Abend kommt der feindliche Hydroplan und warf drei Bomben auf uns, die aber ihr Ziel weit verfehlten. Um 7h p.m. fuhren wir in den großen Hafen. In der Laoshan-Bucht sind zwei japanische Truppentransportdampfer auf Minen gestoßen und gesunken. Zwei Kompanien des Ost-Asiatischen Marinedetachements haben mit Anbruch der Nacht einen Ausfall gemacht. Man hörte um 9h schon heftiges Gewehrfeuer und das Knattern der Maschinengewehre. 3. Oktober, Samstag. Das Ost-Asiatische Marinedetachement griff gestern Abend den vom Gegner besetzten Hügel Schuangshan [Sifangshan] an. Das Detachement stand unter Führung des Oberstleutnant [Paul] Kuhlo. Der 2. Kompanie gelang es, die feindliche Stellung zu durchstoßen und die Wasserwerkstraße zu erreichen. Die erste Kompanie stieß auf eine starke feindliche Front-Infanterie mit Maschinengewehren und kam bei weiterem Vorgehen in ein heftiges Flankenfeuer, sodass sie davor zurückgehen musste. Wie sich am nächsten Tag herausstellte, hatte der Gegner den Platz geräumt und Infanteriewie Artilleriestellungen, die bereits sehr gut angelegt waren, im Stich gelassen. Um 11h Abend schwieg das Feuer auf der ganzen Linie. Die deutschen Verluste
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betrugen : Hauptmann Graf von Hertzberg, drei Unteroffiziere und 24 Mann tot, drei Mann verwundet.110 S.M.S. Jaguar hatte sich gegen Mittag zum Beobachten des Geländes bis auf 4000 m der Küste genähert, als er von zwei Batterien heftig beschossen wurde. Er gab sofort Schnellfeuer und rief uns an, um das Feuer von ihm abzulenken. Wir fuhren mit Maximalkraft dem Feinde entgegen. Aber neue Geschütze setzten ein und beschossen nun auch uns. Auch wir gaben Schnellfeuer, so schnell dies bei großen Geschützen möglich ist, auf die starke feindliche Batterie ab. Jaguar und wir mussten uns durch geschickte Manöver zurückziehen. In nächster Nähe schlugen die Geschoße ein und plötzlich flog vom Jaguar Holz weg. Ein Geschoß hatte den Bug des Schiffes getroffen und ein großes Stück Holz herausgerissen. Ein Glück für das kleine hölzerne Kanonenboot, dass der Treffer nicht ½ m weiter nach innen zu getroffen hatte. Das Schiff wäre in Flammen aufgegangen. So aber war der Schaden in einer Stunde ausgebessert. Wir waren wieder nicht getroffen worden. Eine Freude war es anzusehen, wie die Artilleristen in diesem bis jetzt am ärgsten Gefecht ruhig blieben und sicher zielten. Wenn nicht die fortwährend ins Wasser einschlagenden feindlichen Granaten, die oft allerdings in grausiger Nähe niedergingen, einen daran gemahnt hätten, dass man sich einem wirklichen Feind gegenüber befindet, so hätte man gedacht, dass wir uns beim Übungsschießen in Chefoo [Zhifu] befänden. Die Leute, die die Munition heranzuschaffen hatten, mussten sich mit den 45 kg schweren Geschoßen und 9 kg schweren Hüllen ordentlich abplagen, damit das Schnellfeuer weitergeführt werden konnte. Da mit den Aufzügen (elektrisch) nur die Patronen heraufgeschafft werden konnten, musste die Reservemunition, die in Panzerkisten auf Deck bereit steht, ausgepackt, dann die schweren Geschoße aus der tiefen Kiste herausgehoben werden. Aber es ging alles tadellos, und der Feind musste wieder ordentlich gelitten haben. Das Resultat der feindlichen Beschießung, von der über hundert Schuss abgegeben wurden, war sehr gering, nämlich ein Stück – Holz gebrochen. 4. Oktober, Sonntag. 6h a.m. kam wieder der Flieger und warf 6 Bomben, von denen wieder keine traf. Aber tapfer sind die zwei Insassen, das muss man ihnen lassen. Von Land wird heftig auf den Apparat geschossen, aber dieser zieht ruhig seine Kreise inmitten der krepierenden Schrapnells. So oft es unten von der Ka110 Tragisch genug, aber die Verluste waren etwas geringer : der gefallene Offizier, Hauptmann Klaus Graf von Hertzberg (geb. 1874 in Schwerin), war Chef der 1. Kompanie ; Paul Kuhlo verzeichnet in seinem Tagebuch 18 Gefallene, alle von der 1. Kompanie : den Kommandanten, 2 Unteroffiziere und 15 Mann (frdl. Mitt. von Christian Bormann).
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none blitzt, machen die oben sofort eine Wendung und die Kugeln treffen daher nicht vernichtend. Verletzt wird der Apparat wohl jedesmal, denn er schwankt oft ganz bedenklich, aber immer wieder wirft er auf den beabsichtigten Punkt seine Bomben. Jaguar bekommt Mittag heftiges Feuer. Wir fahren wieder ins Gefecht, 18 Schuss werden abgegeben, worauf das feindliche Feuer aufhörte. Wir fuhren darauf außer Schussweite. Kaum aber hatten das die Japaner gesehen, als von einer neuen Batterie ein mörderisches Feuer auf Jaguar eröffnet wurde. Wir sausten nun mit ganzer Kraft wieder vor. Während neuerliche Gefechtsbefehle erteilt wurden, um dem feindlichen Feuer wirksam begegnen zu können, konnte man das Feuer, das auf Jaguar und S 90 gerichtet war, sehr schön aus geringer Entfernung beobachten. Aus 6 Geschützen wurde auf das Kanonenboot geschossen, das abdrehen musste und gegen uns fuhr. Die ersten 4 Schuss gingen knapp vor dem Schiff ins Wasser, sodass das niedere Schiff mit Wasser überschüttet wurde ; weitere 10 Schuss blieben alle weit hinter ihm, die nächsten etwa noch 20 gingen alle vor oder seitwärts des Schiffes nieder. Auch auf uns wurden jetzt etliche Schüsse abgegeben. Wären es Schüsse aus Flachbahngeschützen gewesen, so wären wir wohl schon lange kampfunfähig gemacht worden, da aber die Japaner offensichtlich nur für die Belagerung Haubitzen (Steilfeuer) mitgenommen haben, so werden diese uns wohl schwerlich treffen. Eine Granate wäre uns heute gefährlich geworden ; sie sauste zwischen den Kaminen schräg durch und 2 m vom Schiff ins Wasser. Die Sprengstücke polterten heftig unter Wasser ans Schiff. Ich wurde durch die aufspritzende Gischt, welche das einschlagende Geschoß verursachte, mit Seewasser bespritzt. Na, es ist doch besser Seewasser als Eisen ! Nachdem Jaguar gesichert war, fuhren auch wir wieder weg und mit Jaguar in den Hafen. Es war bei Eintritt der Dunkelheit. Mittag war der deutsche Fesselballon aufgestiegen, um das Vorgelände aufzuklären. Kaum hatte er aber seine bestimmte Höhe erreicht, als mindestens 12 Geschütze ihr Feuer (Schrapnells) auf ihn eröffneten. Er musste sofort mit größter Geschwindigkeit heruntergeholt werden, was für die unten an den Winden arbeitenden Leuten sehr gefährlich war, da hunderte von Schrapnellkugeln und Sprengstücken von den auf den Ballon abgefeuerten Geschoßen auf die unten Stehenden herabsausten. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt oder getötet. Der Ballon wurde, allerdings schon mit schlaffer Hülle, herabgeholt und zeigte 53 Schusslöcher. Spät abends wurde der Ort Syfang [Sifang] vor Tsingtau von den Japanern unter Feuer genommen und fast vollständig zerstört. Das dortige deutsche Barackenlager geriet in Brand und erleuchtete den Himmel die ganze Nacht hindurch hell.
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5. Oktober, Montag. Zwischen 7 und 8h a.m. kommt wieder der japanische
Flieger. Sobald auf ihn geschossen wurde, steigerte er seine Geschwindigkeit und ermöglichte so ein Einschießen nicht. Er schwebte eine Stunde über der Stadt und warf etliche Bomben. Derweil der eine Apparat beobachtet und beschossen wird, naht von der Landseite ein Aeroplan in nur 5 bis 600 m Höhe. Von uns wird, als er über uns war, mit Gewehren auf ihn geschossen. Als er sich aber entdeckt sah, stieg er rasch und entschwand bald. Da plötzlich, um 10h a.m., saust ein Eindecker mit rasender Geschwindigkeit über uns hinweg. So schnell hatte ich noch nie einen Apparat fliegen sehen, und es war ein wirklich schöner Anblick, wie sich der große Vogel vom blauen Himmel abhob und die Propellerschraube in der Sonne blitzte. Bald entschwand auch dieser unseren Blicken. Der Flieger musste wichtige Meldungen gehabt haben, denn mit 120 km Geschwindigkeit fliegt man nicht wegen nichts und wieder nichts. Man wusste auch bald, was er beiläufig von einem Kommando zum anderen gebracht hatte. Denn um 10h setzte ein noch nie gehörtes Geschützfeuer auf die deutschen Infanteriestellungen ein, sodass bald die ganze Verteidigungslinie, soweit man es vom Schiff aus beobachten konnte, in Rauch und Staub gehüllt war. Sowohl Zündergranaten als auch Schrapnells wurden herübergeschleudert, aber von wo aus sie kamen, konnte man nicht feststellen. Obwohl man der dort stehenden Verteidiger mit mitleidendem Herzen gedachte, konnte ich mir doch nicht verhehlen, dass es schön war, der Kanonade zuzusehen. Unzählige kleine graue Rauchwölkchen standen über der Verteidigungslinie und hoben sich vom Himmel, der blau herunterschaute, deutlich ab. Man könnte so, wer sich die Mühe nahm, die abgegebenen Schüsse zählen. Löste sich ein rundes Wölkchen auf, so traten drei andere an seine Stelle, dazu das Krachen und Sausen der explodierenden Geschoße und der herabfallenden Kugeln. Die deutschen 18, 21, 24 und 28 cm Geschütze konnte man nach den Zündzeiten der herabfallenden Schrapnells ablesen. Sie beschossen die feindlichen Batterien, wie es schien, mit Erfolg, denn um 11h Vormittag hörte das feindliche Feuer auf. Unter dem Schutze des eigenen Artilleriefeuers auf Infanteriewerk 5 und 4 hatte eine größere japanische Infanterieabteilung einen Vorstoß auf die zwei Infanteriewerke unternommen, um die deutschen Geschützstellungen, die für die Sturmabwehr aufgestellt sind, zu erkundigen. Es wurde auf die anstürmende Infanterie aus 6 Stück deutschen und 2 Stück österreichischen Kleinkaliberkanonen geschossen. Unter schweren Verlusten, die durch den Rückzug noch verstärkt wurden, zogen sich die Japaner weit zurück. Wir und Jaguar hatten unsere Beobachtungsposten aufgenommen. Jaguar hält sich in größerer Entfernung und wenn wir auch selbst nicht feuern können, so leisten wir doch wertvolle Dienste, indem wir die japanischen Truppenverschiebungen an die Signalstation
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signalisieren. Diese gibt die Meldungen nach der Hauptzentrale in der Bismarckkaserne, wo sich der Gouverneur mit seinem Stabe aufhält. Die deutschen Batterien nehmen sofort das bezeichnete Quadarat oder Hügel unter Feuer, wir oder Jaguar, die wir nun als seitliche Beobachter fungieren, geben das Signal zur Signalstation wieviel der Schuss zu kurz, zu weit, rechts oder links ist ; die Signalstation steht mit den feuernden Batterien in telephonischer Verbindung, und so mussten die Geschütze, obwohl der Feind von dort aus nicht sichtbar ist, treffen, und durch diese Feuerleitung fügen die Geschoße den Japanern großen Schaden bei. Bei dem Vorgehen der Japaner um 10h konnte man vom Schiff aus sehr schön ihre Sturmart beobachten. Aus einem Graben springen 3, 4, 5 Mann auf und laufen ein Stück vor, dann heben sie dort eine japanische Handelsflagge, und nun folgen 2–300 Mann in dichten Schwärmen. Kaum aber schlagen Kugeln in ihre Reihen, als plötzlich alle verschwinden und die kleinste Deckung benutzen. Nach 2 bis 3 Minuten laufen wieder 3, 4 Mann etwa 100 m vor, heben die Flagge und die anderen stürmen nach mit dem weithin hörbaren Kriegsgebrüll »Bansai« (Sieg). So geht das staffelweise vorwärts, unbekümmert um die einschlagenden Geschoße. Eingraben tun sich diese Kerle mit unglaublicher Geschwindigkeit, was ihnen natürlich sehr zu statten kommt. Sehen die Japaner aber, dass der Widerstand zu stark ist, gehen sie in der gleichen Weise zurück. Das englische Linienschiff Triumph war seit fünf Tagen von der Bildfläche verschwunden. Es erschien heute wieder vor Tsingtau, nachdem es wahrscheinlich seine Schäden der Beschießung vom 29. September ausgebessert hat. Nachmittags kam wieder der japanische Hydroplan und warf auf uns zwei Bomben ohne zu treffen, was auch sehr schwer sein mag. Solange er nicht über uns ist, stehen wir mit dem Schiffe still, kaum aber kommt er nahe, so fahren wir sofort ganze Kraft im Zickzack zurück oder vorwärts, und so müsste der Flieger ein Glück haben, wenn er uns treffen wollte. Er sieht das Scheinbarste auch ein und lässt von uns ab und wirft über der Stadt Bomben. Er verletzt dort durch eine Bombe, die er in der Nähe des Artilleriedepots wirft, einen Maschinisten H. Langer.111 Es bleibt die einzige Verwundung, die die Bomben der japanischen Flieger verursachen. – Nachdem der eine Flieger verschwunden war, kamen noch einer von See und 2 Eindecker von Landseite, die sich aber nur über den Infanteriestellungen bewegten. Einer wurde getroffen und wurde zur Landung gezwungen, die ihm aber außerhalb der deutschen Linien gelang. 111 Heinrich Langer aus Waldenburg in Schlesien ; Seesoldat in der 3. Kp. III. Seebataillon. In der älteren Version wird er als Maschinenschlosser bezeichnet.
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Abb. 30: Taishō Tennō, 1914 (mit Trauerschleife zum Gedenken an die im April verstorbene Kaiserinwitwe Shōken).
Die letzte Ausgabe der »Tsingtauer Neuesten Nachrichten« wird herausgegeben und die Zeitung beschließt damit ihre beinahe zehnjährige Laufbahn.112 Der Mikado von Japan [Yoshihito] feiert morgen seinen Geburtstag.113 Der chinesischen Bevölkerung gegenüber haben sich die Japaner schon lange geäußert, dass sie Tsingtau bis zu diesem Tage in Händen haben wollen. Man erwartet daher für morgen ein größeres Unternehmen, wenn nicht gar einen Sturm auf Tsingtau. 6. Oktober, Dienstag. Die japanischen Schiffe, die es sich nicht nehmen lassen, wenigsstens den Kaisersalut zu feiern, verbanden ihren Patriotismus gleich mit dem Praktischen, und schossen mit Kriegsmunition auf Infanteriewerk I. Wann wird der Sturm erfolgen ? Gleichwie ! Alles ist entschlossen, den Befehl des deutschen Kaisers zu befolgen und Tsingtau aufs äußerste zu verteidigen. Der Feind wird uns alle auf unseren Posten finden. In allem vorbereitet, warten wir den Angriff mit Ruhe ab. In der letzten Zeit ist in Tsingtau noch viel geschaffen worden. So ist das Hauptlazarett seiner ungünstigen Lage wegen verlegt worden und dieses, sowie alle Hilfslazarette haben große roten Kreuze 112 Die erste Nummer war am 1. Nov. 1904 erschienen. Die letzte in einer deutschen Bibliothek aufbewahrte Ausgabe stammt vom 18. August 1914 (Deutsche Nationalbibliothek Leipzig). 113 »demnächst« wäre eine bessere Formulierung gewesen ; geboren wurde Taishō Tenno am 31. August. Wegen der Hitze zur Sommermitte wurde des Kaisers öffentlich begangener Geburtstag ab 1914 um zwei Monate auf den 31. Oktober verlegt.
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auf die Dächer gemalt bekommen, damit die Flieger diese Objekete verschonen mögen. Es sind 6 Lazarette eingerichtet, sowie eine Festungsfeuerwehr ist einberufen. Die alten chinesischen Brunnen sind wieder geöffnet worden und für die Ordnung in der Stadt ist ein Kapitän z. S. als Kommandant der inneren Stadt ernannt. Interessante Nachrichten bringen die Kundschafter. Danach vermuten die Japaner eine sehr starke Besatzung der Festung und davon 8000 Österreicher. Die sonst so schlauen Japaner sind aber sehr schlecht unterrichtet, denn es sind leider nur 300 Österreicher im Festungsbezirk und die sind bis auf 50 am Schiffe. Die Japaner haben deshalb auch soviel Truppen für die Belagerung mitgebracht und bringen noch immer. Die Japaner begründen die große Zahl der Tsingtauer deshalb so groß, weil so »viele« »Reservisten« in Zivil nach Tsingtau gekommen seien. Es waren aber im Ganzen nur 1500 Mann. Aus japanischen Zeitungen, die die Kundschafter bringen, will ich einen kleinen Auszug machen. – War schon das japanische Ultimatum an Deutschland, das eine bedingungslose Übergabe Tsingtaus und Zurückziehung des Kreuzergeschwaders aus den ostasiatischen Gewässern verlangte, eine Beleidigung, die sich die japanische Regierung dem deutschen Reiche gegenüber erlaubte, so hat bald darauf das japanische Volk in seinen Zeitungen begonnen, die Tatsachen zu entstellen und uns in unerhörter Weise herauszufordern.114 Die japanische Zeitung »Kokumin« bringt einen Artikel mit der Überschrift »Der Friedensstörer im Fernen Osten«. Darin heißt es, Deutschland und Österreich teilen nach allen Seiten in Europa Kriegserklärungen aus, es verletzt in schonungsloser Weise die Neutralität anderer Staaten. Es entwurzelt den Weltfrieden von Stund auf. Wir hassen sie bis ins Mark und Bein. Deutschland
mehrt sein Geschwader und bedroht Japan. Deutschland nahm Kiautschau in Besitz und führte dort in einem Stützpunkt für die Bekämpfung des Ostens Forts auf, baut Hafenanlagen, hielt China in Furcht, und eignete sich alle Rechte in Schantung an. Von dort aus wird fortwährend der Frieden des Ostens gestört. Oh Kiautschau, oh Tsingtau, ihr seid die Gedenksteine für den Hass !
Die Tokyoter Zeitung »Yorodzu« wagt es sogar, folgenden Aufsatz aufs Papier zu bringen : 114 Die nachfolgenden Zitate aus den beiden Tageszeitungen Kokumin shinbun 國民新聞 (1890– 1942) und Yorozu chōhō 萬朝報 (1892–1940, eher ein Boulevard-Journal) sowie dem Karikaturenblatt Tōkyō Puck 東京パック stammen aus dem Periodikum Deutsche Zeitung für China 華徳日報 [Hua-De-ribao], Shanghai, 1. Jg., Nr. 16, 12. Sept. 1914, S. 1 (»Zur Stimmung in Japan«).
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Abb. 31: Karikatur auf die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Japan. 墺太利の對日宣戦「 ウフ、 ウフ、ウフ、ウフ此所まで屈さますか………」, Austria declares War! Japan: Hello friend can you reach me?
Die Deutschen behandeln mit barbarischen Bestialitäten die Angehörigen kriegführender Staaten, die in Deutschland leben. Das wird dazu führen, Deutschland zum allgemeinen Feind der Welt zu machen. Offenbar sind die Deutschen auf dem Wege dazu, den Platz der Juden, der meistgehassten Rasse der Welt, einzunehmen.
Aber nicht nur in Zeitungsartikeln, sondern auch in Bildern und Witzblättern werden diese Ausfälle gegen Deutschland und Österreich unternommen. Der »Tokio Puck« hat sogar Zerrbilder der beiden Kaiser gebracht, die umso mehr verletzen müssen, da sie in einem Lande erscheinen, das so außerordentlich empfindlich gegen jede nicht ehrerbietige Erwähnung seines Souveräns ist, und bis vor kurzem nur Bilder des japanischen Kaisers ausstellen durfte, die mit Seide oder Papier schwach durchsichtig verhüllt waren. Diese Entstellungen und Schmähungen sind umso verletzender als sie von einem Lande kommen, das fast alles, was es in Heerwesen, Wissenschaften und Technik leistet, uns verdankt. Den Beleidiger mit Waffen zu züchtigen, und ihn als Feind zu schädigen soweit als irgend möglich, ist jedenfalls Aufgabe von uns, der wir hier verpflichtet
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sind, den Angriff auf unsere gemeinsame Ehre zu rächen. Die endgültige Buße aber für eine Undankbarkeit und Anmaßung wird Japan erst beim Friedensschluss durch unsere Waffenerfolge in Europa zudiktiert erhalten. 7. Oktober, Mittwoch. Heute morgen zeigten sich wieder zwei feindliche Flieger. Sie überflogen die Infanteriewerke, warfen aber keine Bomben. Von dem Hydroplan, der uns am meisten besucht, wissen wir, dass der Pilot Kapitänleutnant Yamada ist.115 Er ist in Amerika ausgebildet und hat sogar den Höhenrekord mit Passagier auf Wasserflugzeug aufgestellt. Er fliegt auch brillant, das kann man ihm nicht absprechen. Die Japaner haben in Tsingtau 5 Flugzeuge zur Verfügung. Dagegen sind in Tsingtau auf deutscher Seite nur drei. Von den 2 Stück Militärtauben ist nur eine intakt. Mit dem dritten Flugzeug (Rumplertaube), einem Privatapparat, ist der Zivilflieger Oster,116 der sich dem Gouverneur zur Verfügung gestellt hat, abgestürzt, sodass also nur ein Apparat gebrauchsfähig ist. Die Werft bemüht sich, aus den demolierten Apparaten ein Wasserflugzeug zu konstruieren. Der deutsche Flieger [Plüschow] berichtete heute, dass sich die Japaner in Zickzack-Linien an Tsingtau herangraben. Das von dem Flieger bezeichnete Quadrat wurde dann unter Feuer genommen. Systematisch wird das ganze Gelände von Tsingtau beschossen. Seit dem 27. September hat das Grollen in der Luft noch nicht aufgehört. Manchmal fallen alle Batterien zugleich ein. Bisweilen wird das Feuer wieder ruhiger. 8. Oktober, Donnerstag. Heute morgen zeigten sich nacheinander fünf feindliche Flugapparate. Sie fliegen eins wie das andere sehr gut. Bei der Beschießung wissen sie sich geschickt zu wenden. Sie gehen sofort höher hinauf, oder seitwärts ab. Beschädigt mag wohl jedes Flugzeug sein, besonders von Infanteriegeschossen. Aber das ist schon an unserem Flugzeug konstatiert, dass die Gewehrkugeln ohne tiefere Einwirkung nur die Flügel durchlöchern. Von ja115 Yamada Chūji 山田忠治, nach österr. Bezeichnung Linienschiffsleutnant, nach japanischer Kaigun-taii 海軍大尉 ; Yamada stieg später (1934) zum Konteradmiral 海軍少将 und Chef der Marine-Fliegertruppe auf. Wer wirklich hinter dem Steuer saß ? Die japanischen Marineakten enthalten noch weitere sechs Pilotennamen, die mit Wasserflugzeugen der Type MauriceFarman von der Wakamiya-maru aus gegen Tsingtau operierten. Chef war Korvettenkapitän K aneko Yōzō 海軍少佐 金子養三 (1882–1941), an dritter Stelle kam Linienschiffs-Leutnant Wada Hideho 和田秀穂 (1886–1972). Mit Wada flog in Tsingtau als Beobachter Inoue Fumio 井上二三雄 (1883–1919), ebenfalls Linienschiffs-Leutnant. 116 Franz Oster (Himberg im Siegkreis/Rheinland 1869–1933 Tsingtau) ; lebte seit 1899 in Tsingtau, den Flugzeugführerschein hatte er 1911 erworben ; während der Verteidigung von Tsingtau in der Fliegerabteilung des III. Seebataillons, nach der japanischen Kriegsgefangenschaft Rückkehr nach Tsingtau, wo seine Familie lebte (vgl. Wilhelm Matzat, Der erste Flieger von Tsingtau. Franz Oster (1869–1933). Eine biographische Skizze, Anm. 177).
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panischen Zeitungsberichten ist uns zu Ohren gekommen, dass ihre Flieger im Erkundungsdienst vorzügliches leisten. Im ersten japanischen Fliegerbericht war gemeldet, dass die Emden weder im Hafen noch in der Bucht liege, dass sich nur die Kaiserin Elisabeth dort aufhalte. In Japan und auf dem Blockadegeschwader wird man darüber sehr verwundert gewesen sein. Denn man hat wohl gehofft, das Kreuzergeschwader einzusperren, und einen guten Fang zu machen. – Die Bomben, die der Flieger wirft, haben nicht die Wirkung, wie sie anfangs dachten. Sie richten keinen großen Schaden an. Wir wissen beim Auffallen nie, welches Ziel sich der Flieger eigentlich gestellt hat. Die Bomben fallen so, dass man im Zweifel ist, ob sie diese oder jene Anlage haben treffen sollen. Nach ihren Berichten gaben die Japaner sehr viel auf die moralische Wirkung ihrer Bomben. Aber diese Annahme wurde nichtig. Jeder von uns, der das Flugzeug kommen sieht, schaut anfangs seinen eleganten Bewegungen mit völliger Ruhe, ja mit gewissem Behagen zu. Man weiß, dass Gefahr nur Zufall sein kann. Die Bomben fallen doch meist dahin, wo sie nicht schaden. Die japanischen Schiffe unternehmen heute nichts. Unser systematisches Artilleriefeuer am Lande dauert fort. – Der amerikanische Konsul wird von seiner Regierung nach Peking abberufen.117 9. Oktober, Freitag. Heute morgen befand sich der deutsche Fliegeroffizier [Plüschow] inmitten dreier feindlicher Flieger.118 Einmal schien es, also ob die Taube mit einem Doppeldecker zusammengestoßen wäre, aber immer wieder wußte der kühne junge Offizier durch geschickte Manöver den Feinden zu entkommen. So schöne Flugvorführungen verbunden mit Schrapnellschießen und Bombenwerfen, wie wir es jetzt jeden Tag sehen, können auf keiner Flugwoche gezeigt werden, und jedenfalls ist es schöner, sein Leben in den Dienst des Vaterlandes zu stellen als wie bloß zur Schaulust des Publikums. Um 11h war Jaguar wieder einmal mit S 90 ganz nahe zum Lande gefahren, und beobachtete die Schanzarbeiten der Japaner am Taschan [Dashan] und am Kuschan [Hushan] vor den Höhen, die den Infanteriewerken gegenüberliegen. Obwohl der Jaguar nicht feuert, kommt den Japsen jedenfalls die nahe Distanz sehr gelegen, und plötzlich ein Krach, und 6 Geschoße schlagen ganz dicht bei den beiden Schiffen ein. Diese drehten natürlich sofort ab und nahmen auch 117 Der Konsul verließ Tsingtau am 15. Oktober. In der kürzeren Version wird noch von der Abberufung des ›amerikanischen Botschafters‹ gesprochen. Vermutlich nach dem vom »Tageblatt für Nordchina A.-G.« gedruckt herausgegebenen Kriegstagebuch der Belagerung von Tsingtau 23. Juli bis 29. November 1914 (Tientsin 1915) verbessert. 118 Von den Wasserflugzeugen stiegen immer nur ein oder zwei Maschinen auf. Waren mehr am Himmel, dann waren das Flugzeuge (zumeist auch Maurice-Farman-Doppeldecker), die von Land aus starteten. Das Flugfeld lag in Goutabu 狗塔埠.
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ihrerseits das Feuer auf. Kaum waren die Schiffe in Bewegung, als die Herren japanischen Artilleristen auch schon nichts mehr trafen. Einige Schüsse fielen 500–600 m vor dem Schiff und eine große Anzahl weit hinter dem Schiff ; unter 200 Schüssen, die die Japaner wie verrückt auf die wegfahrenden Schiff abfeuerten, traf nicht einer und wir mussten über die japanische Artillerie wirklich, trotz dem Ernste der allgemeinen Lage, herzlich lachen. Einige unserer Geschützführer schrieben auf einige Granaten, die zum Abfeuern bereit lagen, folgende Worte : »Nie solche Meisterschützen gesehen. Unser aufrichtigstes Beileid !« oder »Ein angenehmes Jenseits !« und andere Worte mehr. – Dass die Besatzung Tsingtaus trotz der misslichen Lage immer noch guten Muts und voll Humor ist, soll folgende Stegreifdichtung zeigen : Die D.U. (Dienst Untauglichen) Kompagnie (Landsturm) 1) Herr Kesslinger [= Kessinger] sprach : Bei Tschang schan da rechts, da erscheint mir zu groß noch die Lücke. Wen stell’ ich dahin für den Fall des Gefechts dass den Japsen der Durchbruch nicht glücke ? Wer wär’ wohl dafür so passend wie die Kompagnie sechs, die D.U. Kompagnie. 2) Wer stellt der Wachen und Kommando soviel rings um die Tsingtauer Landzung ? Wer stellt selbst die Fahrer zum Automobil und baut doch so fest die Verschanzung ? Wer macht das alles so prompt wie sie : die Kompagnie sechs, die D.U. Kompagnie. 3) Und zog sie hinaus mit Spaten und Hack’ wohl kam gar manchen es spanisch an. Und von Kulis wimmelt es Tag für Tag auf den Feldern und Fluren von Tschang-schan. Da sah man geschäftig in aller Früh schon die Kompagnie sechs, die D.U. Kompagnie. 4) Da plötzlich dröhnt’s in den Menschenschwall : »Bum-bum« – die Riesengranaten ; und zerstoben waren die Kulis all. Wer führt sie nun weiter, die Spaten ? Sei drum ohne Sorge, verlass dich auf sie, auf die Kompagnie sechs, die D.U. Kompagnie.
5) Und die Nacht sank herab auf das Tschang-schan-Gefild,
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da regen sich hunderte Hände, und ehe der Mond seinen Lauf noch erfüllt, da war schon die Arbeit zu Ende. So hatte geschaufelt von spät bis früh die Kompagnie sechs, die D.U. Kompagnie. 6) Und fragt ihr, warum man D.U. sie genannt, so wollen wir die Deutung euch weisen :
Aus »D«eutschlands »U«rkraft nach Asien gesandt, das sollen die Zeichen Euch heißen. Im »D«ienst »U«nermüdlich, so nennt man sie mit Fug und Recht : die D.U. Kompagnie.
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N.B. Die 6. Kompanie III. Seebataillon besteht aus dem Landsturm und Ersatzreservisten. Diese sind fast alle aus Privatstellungen in China und Japan angetreten und haben ihre Pionierarbeit des deutschen Handels in Ostasien mit dem Kriegshandwerk vertauscht. 10. Oktober, [Samstag]. Um 9h a.m. kam wieder der Hydroplan und warf 100 m von uns eine Bombe ins Wasser, obwohl er die schöne Absicht gehegt hatte, uns zu treffen und kampfunfähig zu machen. Denn jedenfalls waren wir den Japanern bei ihren Landoperationen ein großer Stein im Weg und mancher japanische Blutstropfen wird schon durch unser unvermutetes Dasein zur Erde gefallen und dort versiegt sein. Von Land aus hatten uns die Japaner trotz ihrer zahlreichen Artillerie noch keinen Schaden angerichtet, durch die Fliegerbomben auch nicht, und die feindlichen Schiffsgeschoße konnten uns überhaupt nicht erreichen. Allerdings spielte das Glück, das über Tsingtau in diesen schweren Tagen schwebte, den Hauptgrund, dass wir noch existieren. Um 11h Vormittag setzten die 28 cm Haubitzen ein und beschossen eine bei Hohsi [Hexi] gemeldete feindliche Artilleriestellung. Die Luft erdröhnte beim Beschuss so stark, dass alles was am Schiffe locker hing, zu pendeln begann. – Als Gegenleistung machte das japanische Linienschiff Suwo [Suō], das an der Beschießung am 28. September teilgenommen hatte, und der japanische Panzerkreuzer Ikoma119 einen Angriff in ungefähr der selben Richtung wie früher, so dass man sie mit den Festungsgeschützen nicht erreichen konnte. Sie schossen mit 30,5 cm Geschoßen auf die Iltisbatterie.
119 Benannt nach dem Berg Ikoma in der Präfektur Nara ; 15.150 t, 817 Mann Besatzung, unter dem Befehl von Kapitän z. S. Hiraga Tokutarō 平賀徳太郎 (1871–1919).
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Abb. 32: Fünf Marineflieger, die von dem Trägerschiff Wakamiya-maru aus über Tsingtau Einsätze flogen; von rechts nach links: Linienschiffsleutnant Wada 和田秀穂大尉, Fregattenleutnant Takebe 武部鷹雄中尉, Korvettenkapitän Kaneko 金子養三少佐 (Kom mandant), Fregattenleutnant Ōzaki 大崎教信中尉 und Fregattenleutnant Fujise 藤瀬勝中尉; obere Abb.: Bombenabwurf.
Vom Schiff aus konnte man sehr schön das Aufschlagen der Geschoße beobachten, die aber überall aufschlugen, nur nicht dorthin wohin sie bestimmt waren. Mächtige Rauch- und Erdmassen stoben in die Luft und manchmal schlugen die Granaten dröhnend zugleich am Iltisberg ein und man hatte das Gefühl, dass die Batterie jetzt bestimmt getroffen sei. Aber kaum hatte sich der Rauch verzogen, so sah man noch immer die Panzerkuppe der Geschütze. 38 Aufschläge wurden gezählt, aber nur einige Bäume wurden entwurzelt und Steine bloßgelegt. Schaden an den Batterien war keiner entstanden und auch kein Menschenleben verloren. Wenn die Japaner das Resultat ihrer Beschießung, die ihnen mindestens 160.000 Kronen kostete, gewusst hätten, hätte sich der Herr Blockadekommandant, Vizeadmiral Kato, wohl ein wenig geärgert. So aber war auf unserer Seite das Lachen, während die Japaner sich jedenfalls freuten, uns sehr großen Schaden zugefügt zu haben. – Um die Wirkung der Kanonade zu sehen, kam um 7h abends noch einmal der Hydroplan und war sicherlich sehr enttäuscht, als er die so stark beschossene Batterie noch vollkommen unversehrt
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sah und die Kanonenrohre in der sinkenden Sonne ihm entgegenleuchteten. Aus Zorn darüber warf er noch eine Bombe, durch die ein Chinese am Kirchweg getötet wurde. 11. Oktober, Sonntag. Gestern nachmittag ging ein Funkspruch vom Suwo [Suō] ein, dass in dem von den Japanern besetzten Gelände Tote beider kriegführenden Parteien lägen, die wegen des heftigen Artilleriefeuers nicht haben bestattet werden können. Die Waffenruhe, die heute von 12.40h mittags bis 4.20h nachmittags dauerte, wurde zwischen dem Gouverneur und dem japanischen General der Belagerungsarmee vereinbart. Es wurde dadurch die Möglichkeit gegeben, die Gefallenen zu bestatten. Die Toten sind von den Japanern beerdigt worden. Um 4.20h eröffneten die deutschen Batterien wieder das Feuer, das bis nach Mitternacht andauert. Für übermorgen, den 13. Oktober, haben der japanische General der Belagerungsarmee, Generalleutnant Kamio, und der Kommandant der Blockadeflotte, Vizeadmiral Katō, durch folgenden Funkspruch freien Abzug der Nichtkombattanten und Angehörigen neutraler Staaten angeboten : Hauptquartier der Belagerungsarmee vor Tsingtau. Oktober Taisho 3 Seiner Exzellenz dem Gouverneur von Kiautschau Meyer-Waldeck. Exzellenz, in diesem Augenblick Ihrer tapferen Verteidigung von Tsingtau haben wir, die Unterzeichneten, den Befehl, Ihnen folgenden humanen und edelmütigen Entschluss Seiner Majestät des Kaisers von Japan zu überbringen : Seine Majestät wünscht die Schonung der Nichtkombattanten der kriegführenden Staaten wie der Angehörigen neutraler Staaten, die sich jetzt in Tsingtau befinden, und die die Möglichkeit von
Verlust und Beschädigung im Verlauf unserer Belagerungsoperationen vermeiden möchten. Falls Sie beabsichtigen, von dem Angebot Seiner Majestät Gebrauch zu machen, wollen Sie bitte dem Parlamentär der japanischen Armee bei Hsiwutschiatsun [Xiwujiacun] an der Straße von Litsun [Licun] nach Taitungschen [Taidongzhen] am 12. Oktober des dritten Jahres von Taisho (1914) um 10h morgens Antwort überbringen, worauf wir Ihnen eine genaue Mitteilung zugehen lassen werden.120 Mit dem Ausdrucke größter Hochachtung. Generalleutnant Kamio, Chef der Belagerungsarmee vor Tsingtau, Vizeadmiral Kato, Chef der Blockadeflotte vor Tsingtau.
120 Das Dorf Xiwujiacun 西呉家村 lag unmittelbar an der Frontlinie vor dem Infanteriewerk IV, auf der Außenseite des Baisha-Flusses (白沙河).
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Seine Exzellenz der Gouverneur hat daraufhin an die Bürgerschaft von Tsingtau folgenden Aufruf erlassen : Der japanische General der Belagerungsarmee hat auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers von Japan noch einmal freien Abzug für Nichtkombattanten der Festung auf einem noch näher zu vereinbarendem Wege angeboten. – Etwaige Anmeldungen sind noch heute bis spätestens 8h abends beim Zivilkommissär einzubringen, um eine Entscheidung darauf treffen zu können.
12. Oktober, Montag. Vormittags findet um 10h in Hsiwutschiatsun [Xiwu-
jiacun] eine Parlamentärbesprechung statt, in der die näheren Bedingungen festgelegt werden, unter dem ein letzter Transport von Flüchtlingen aus Tsingtau geleitet werden soll. Deutscherseits nahmen an der Besprechung Major von Kayser121 und Dr. Überschaar122 teil ; die japanischen Parlamentäre sind Oberstleutnant Isomura123 und Hauptmann Yamada.124 Nachmittag verließen noch einige Frauen und Kinder die Stadt. – Major Kayser berichtete, dass die japanischen Parlamentäre ihr Bedauern ausgedrückt haben, dass Japan gegen Deutschland kämpfte. Persönlich seien sie selbst und viele Kameraden dagegen. Aber der Mikado hätte es befohlen. Hauptmann Yamada bestellte einen Gruß an den mit ihm befreundeten deutschen Hauptmann Stecher125 und sagte, dass er jeden Tag für dessen Leben bete. Beim Auseinandergehen drückte man sich herzlich die Hände und man konnte nicht glauben, dass wenige Stunden vor- und nachher wieder der Tod sein Handwerk treiben würde. 13. Oktober, Dienstag. Oberleutnant zur See Plüschow unternimmt heute Morgen von 6.25h bis 8.25h einen Erkundungsflug. Während er wegfliegt, kommen drei feindliche Flieger über die Festung und die Infanteriewerke. Als der Fliegerleutnant Plüschow glücklich zurückgekehrt war, wurde er sofort vom Gouverneur empfangen und konnte wichtige Beobachtungen melden. Durch die gebrachten Meldungen, die ohne dieses neuartige Kriegswerkzeug, das auch in Europas Krieg eine große Rolle spielt, wohl nicht möglich wären, wird die 121 Mjr. Georg von Kayser (Neisse, Schlesien 1870–1937 Frankfurt/M), Adjutant des Gouverneurs. 122 Johannes Überschaar (Meißen 1885–1965 Kobe), Studium der ostasiatischen Sprachen in Leipzig (Dr. phil., 1913), Dolmetscher u. Oberleutnant d. Res. beim Stab des Gouvernements. 123 Isomur a Toshi 磯村年 (1872–1961), Artillerieoffizier, im Generalstab der 18. Division ; letzter Rang General (rikugun taishō). 124 Infanteriehauptmann Yamada Kōzō 山田耕三, ebenfalls dem Stab der 18. Division zugeteilt. 125 Walter Stecher (Dresden 1874–1922 Dresden), Kdt. der Marinefeldbatterie ; als Kriegsgefangener im Lager Matsuyama, danach Bando. Stecher war bereits vor dem Krieg in Japan gewesen, wo er Hauptmann Yamada kennenlernte.
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Einnahme Tsingtaus wohl wieder um einige Tage hinausgeschoben werden. […].126 Daraus wird ersichtlich, was der Flieger in zwei Stunden allein geleistet hat. Dabei hatte er noch mit schwerem böigen Wetter zu kämpfen, auch war die Beobachtung oft durch Wolken erschwert. Das Flugzeug erhielt fortwährend Gewehr- und Maschinengewehrfeuer, wurde aber nicht beschädigt. Um 9h a.m. wurden die gemeldeten feindlichen Stellen von den Landbatterien unter Feuer genommen, dieses nahm von Minute zu Minute an Heftigkeit zu. Auch die Japaner setzten ein mörderisches Feuer ein und die Luft war geschwängert mit Pulverrauch. Auch unseren Herrn Kommandanten [Makoviz] hielt es nicht länger diesem Konzerte zuzuhören. Wir machten einen kräftigen Vorstoß und um 10h schossen wir eine Lage nach der anderen nach den feindlichen Batterien ab. Nach 16 Schuss drehten wir um und feuerten nun rückwärts fahrend auf die gut verschanzten feindlichen Stellungen. Nachdem wir bei der ersten Beschießung von Seiten der Japaner beim Versuch umzudrehen aufgefahren waren, fuhren wir jetzt immer mit dem Achter gegen die feindliche Stellung ; am Ende der Fahrrinne angelangt, feuerten wir vorwärts fahrend, damit wir nicht erst umzudrehen brauchten. So kam es, dass also immer mit der linken Batterie geschossen wurde. Um nun die Geschütze nicht zu sehr zu verbrauchen, musste einige Male mit der rechten Batterie geschossen werden ; wir fuhren nun zuerst die Fahrrinne hinauf, und dann als wir beschossen wurden – »Maschinen halbe Kraft zurück«. Auf Distanz 8300 m wurde gefeuert bis die Entfernung 11 km betrug, wodurch wir natürlich nicht mehr schießen konnten. Nachmittag aber machten wir eine unangenehme Entdeckung. Jaguar wurde wieder beschossen, und wir fuhren natürlich so schnell als möglich wieder vor, um die feuernde feindliche Batterie unter Feuer zu nehmen, damit Jaguar sich gesichert zurückziehen und über das Gesehene auf die Signalstation signalisieren könne. Wir fuhren nun wie gewöhnlich mit der linken Batterie feuernd in die Kampflinie. Hinter einer Fabrik standen 4 feindliche Geschütze. Laden, Distanz 10.000 m, fertig, »Feuer«. Drei Schüsse krachten, aber alle 3 gehen wohl 2000 m vor ihrem Ziel ins Wasser. Nun werden die Rohre untersucht. Und da stellt sich heraus, dass die Rohre verbraucht und die Geschoßzüge fehlen. Handgroße Risse sind im Lauf, womit die Geschoße dadurch ihre Fähigkeit verlieren, weit zu fliegen oder das gegebene Ziel überhaupt zu erreichen. Dies festzustellen war für uns sehr enttäuschend, haben wir da126 Der Tagebuchschreiber führt in Auswahl einige Geländebeobachtungen des Piloten an, geordnet nach Quadraten (wegen der Geheimhaltung ohne Nummer) mit Richtungs- und Ortsangaben sowie Truppenbewegungen.
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durch doch die Hälfte des Gefechtswertes des Schiffes verloren. 3 Geschütze unbrauchbar ist in dieser Lage Tsingtaus ein sehr fühlbarer Verlust. Aber man muss bedenken, dass das Schiff bereits 24 Jahre alt ist, schon so und so viele Schießübungen mitgemacht hat, und jetzt in seinen alten Tagen, es hätte die letzte Ausreise des Schiffes sein sollen, noch dem Feinde gegenüber gestellt wird und jedes Geschütz schon über 200 Geschoße dem Feinde entgegen gesandt hat. Die Geschütze haben ihre Arbeit geleistet, und es sind ja noch 3 Stück da. Also, frisch mit diesen dem Japaner entgegen. – Als die Japaner diese Unterbrechung unseres Feuers gewahrten, eröffneten sie aus noch vier Geschützen ein Schnellfeuer auf uns und wir können von Glück reden, dass wir nicht an etlichen Stellen durchlöchert wurden. Acht Geschütze 10–15 cm richteten ihre Schlünde nach uns und sandten uns ihre ehernen Grüße mit »konitschi-wa« (Guten Tag)127 entgegen. Die Geschoße fielen alle hinter uns oder seitlich, manchmal allerdings sehr sehr nahe ins Wasser, krepierten beim Aufschlag und nur die Sprengstücke erreichten den Panzer des Schiffes, der aber gut standhielt. In den unteren Räumen des Schiffes war der Wasserschlag und das Anschlagen der Splitter so stark, dass man glaubte, das Schiff sei bestimmt getroffen. Aber nirgends zeigte sich Wasser im Schiffsinneren ; der Schiffsrumpf war also nicht beschädigt. Ärgern mussten sich die Japaner sicherlich, als sie uns auf 6 km langer Fahrt beschossen, aus 8 Geschützen mindestens 150 Schuss abgaben und die Liesl nicht trafen. So sicherten wir heute den Rückzug des hölzernen Schiffes Jaguar mit unserem Panzer von Eisen und Menschen von Fleisch und Blut. 14. Oktober, Mittwoch. Früh morgens kommt an Bord die Nachricht, dass die Japaner vom Haipo-Fluss [Haibohe] aus in die Bucht Treibminen gelassen haben, zu je 4 und 4 Stück an einer Kette, um das Schiff auf diese Art zu vernichten. Es ist dies jetzt allerdings ein äußerst unangenehmes Gefühl, und man muss bei Tag und Nacht gefasst sein, eines schönen Moments in die Luft zu fliegen und zwar ordentlich. Die Minen sind, wie gesagt, an einer Kette. Treffen wir nun mit der Kette, die 8 m lang sein soll, zwischen 2 Minen mit unserem Schiffsbug zusammen, so schlagen diese Dinger gerade in der Mitte an den Schiffswänden an und durch die Explosionskraft von zwei oder drei Minen würde die Elisabeth in Atome zerstieben. Keine angenehme Voraussicht, in Stücke zerrissen in die Luft zu sausen und dann den Fischen zum Fraße zu dienen. Zufolge dieses Gedankens, dass das Leben nicht mehr lange dauern würde, freute man sich aber doch, dass wir unsere Mission im Auslande mit dem Tode fürs Vaterland beenden könnten und den Leuten in Europa zeigten, dass auch 127 Konnichi wa「今日は」.
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wir hier im Fernen Osten auf dem Felde der Ehre zu fallen wissen. Wir lebten nun alle in engster Gemeinschaft dahin, dem Biere wurde fleißig zugesprochen. Auch ließ man sich von Tsingtau noch manchen guten Bissen bringen. So verzehrte ich in den nun folgenden Tagen ½ kg Leberwurst und Schweinsbraten in je zwei Tagen. Das half auch in den 6 Stunden Wache in der Nacht beim Verkürzen der Zeit. Bei Tag und Nacht sind die Maschinen klar. Wir machen nun schon einen Monat lang 6 Stunden Dienst, 6 Stundern frei und so fort. In der freien Zeit ist natürlich selten Zeit zum Schlafen, da entweder vom Schiff aus geschossen wird oder doch die Vorgänge am Lande unser Interesse regen, auch wenn man ziemlich übernächtig ist. Aber es ist eben Krieg und man muss bedenken, dass die Truppen auf den europäischen Kriegsschauplätzen wohl nicht in schönen warmen Kabinen werden schlafen können und wohl auch nicht diese Kost haben. Noch aus einem Grunde freuten wir uns über die Minen. Die Japaner bekannten damit, dass sie durch ihre Artillerie, obwohl bedeutend überlegen, und durch die Flugzeugbomben uns nichts anhaben konnten. Darum mussten sie zu diesem letzten Mittel greifen, uns unschädlich zu machen, woran ihnen offensichtlich sehr viel lag. Hoffentlich gelingt ihnen diese List nicht, denn schon fahren Tender in der Bucht herum, um nach diesen Minen, es sollen 32 sein, zu fischen. Zur Abwechslung unternimmt die Blockadeflotte heute wieder etwas, nachdem sie gesehen, dass die Geschütze, die am 30. September beschossen wurden, noch inmmer in Tätigkeit sind, die Japaner uns also nicht getroffen haben. Es finden heute zwei Anläufe statt, der erste Anlauf von 9h bis 9.50h, der zweite von 10.25h bis 10.44h Vormittag. Der Angriff richtete sich auf Huitschenhuk [Huiqianjia], auf den Iltisberg und Infanteriewerk 1. Beim ersten Anlauf wurden vom Suwo [Suō] 37 Schuss 30,5 cm auf Huitschenhuk gefeuert, ohne eine Verletzung des Personals oder eine Beschädigung der Geschütze anzurichten. In der Nähe des Werkes wurden 8 Schuss beobachtet, alle anderen viel zu weit oder zu kurz. Deutscherseits wurde auf Tango geschossen. Beim zweiten Anlauf wurden vom Feinde 13 Schuss gefeuert. Huitschenhuk erhielt wieder 7 Treffer, die keinen Schaden anrichteten, aber die Batterie, obwohl sie so heftig aus schweren Kalibern beschossen wurde, erzielte mit Turm 5 (24 cm, Batteriekommandant Oberlt. z. S. Hashagen,128 Geschützführer Artille-
128 Johannes Hashagen (Eisenach 1887–1948 Göttingen).
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rie-Maat Helmes129) auf dem englischen Linienschiff Triumph mittelschiffs einen Decktreffer und einen zweiten Treffer den achteren Mast.130 Tango feuerte auf Iltisberg 18, ebenso Triumph mit 20 gezählten Schuss. Ferner haben Tango 8 und Triumph 4 Schuss auf Infanteriewerk I gefeuert. In den Landfrontbatterien wurde weder Personal noch Materialschaden angerichtet. Triumph und Tango mussten die Blockade wegen Bordschäden verlassen. Nachmittags beobachteten wir auf chinesischem Gebiet bei Kap Jäschke gegen 5–600 Reiter mit Train. Da es chinesisches Gebiet ist, wollen wir nicht darauf schießen und uns nicht wie die Japaner einer Neutralitätsverletzung zu Schulden kommen lassen. Um 11h Abend werden die beiden deutschen Handelsdampfer Durendart und Ellen Rickmers in der Einfahrt zum großen Hafen geführt und dort gesprengt.131 Letzterer fängt beim Sprengen Feuer und brennt gänzlich aus. Der Brand erleuchtete den Hafen die ganze Nacht und langsam sank der Dampfer ; bis 8h a.m. dauerte das Feuer. Die Dampfer waren so weit gesunken, dass nur ein Stück vom Kamin und die Mastenspitzen zu sehen waren. Sie lagen so auf Grund, dass sie die Einfahrt zum großen Hafen und zu den Molen verlegten, und zwar auf Monate hinaus. 15. Oktober, Donnerstag. Infolge starken Nebels kann nichts besonderes unternommen werden. Die Belagerungsarbeiten der Japaner, mit denen sie noch immer beschäftigt sind, gehen sehr langsam von statten und werden wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Links vom Haipo-Fluss [Haibohe] werden Löcher ausgemeißelt, die den deutschen Geschützen gegenüber liegen. Diese Löcher werden mit Dynamit gefüllt werden, und die Wirkung soll noch stärker sein als bei Port Arthur. Auf dem Wege zur Festung werden leichte Bahnen gebaut, auf denen die zur Sprengung und Belagerung notwendigen Materialien herangeschafft werden. In der Schatsykou-Bucht, wo die Minen gefischt wurden und die japanischen Torpedoboote ihre Kunst bewiesen, können japanische Dampfer ankern und bringen nun in diesem nur 28 km von Tsingtau entfernten Hafen das Kriegsmaterial heran. Wie man vernimmt, sind dort gestern auch noch 12 Feldgeschütze ausgeschifft worden. Etliche Geschütze haben wir ja den Japanern schon demoliert. In Japan soll man schon sehr ungeduldig sein, dass 129 Karl Helmes aus Mayen in der Vulkaneifel (Rheinland-Pfalz), gefallen am 5. Nov. 1914 ; auch sein Bruder Johann Helmes, der den Krieg in japanischer Gefangenschaft überlebte, war in Tsingtau Marineartillerist. 130 Nach dem abschließenden Bericht der Marine über ihre Seeaktivitäten vor Tsingtau (Taishō 3/4-nen kaigun senshi, 1919, B. 1, S. 416f.) wurde bei dieser Beschießung auf der Triumph ein Matrose getötet und zwei Unteroffiziere schwer verwundet. 131 Beide Dampfer gehörten dem Norddeutschen Lloyd.
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die Verluste an Menschen und Material schon so groß, der Erfolg aber noch sehr gering sei. Die Japaner beobachten von den Prinz-Heinrich-Bergen aus die Bewegungen der Deutschen in Tsingtau, aber auch diese sind hier nicht faul. Den ganzen Tag und die ganze Nacht sind die Geschütze besetzt, und wo sich die Japaner regen, wird hingeschossen. Dadurch erleiden sie immer wieder sehr beträchtliche Verluste. – Die Japaner sagen, Tsingtau werde, nachdem es am Geburtstag des Mikado nicht gefallen sei, ebenso von den Japanern überrumpelt werden wie Lüttich und Antwerpen von den Deutschen, und in drei Tagen fallen.132 Wenn aber die Deutschen sich vorher ergeben würden, so könne man vermeiden sich gegenseitig zu töten. Die Deutschen aber leisten hartnäckigen Widerstand. Wie man auch in Erfahrung bringt, hat der japanische Oberkommandierende [Kamio] die japanische Regierung um Verstärkung der Truppen vor Tsingtau gebeten, aber darauf überhaupt keine Antwort erhalten. Nachmittags wurde ein Scheinballon hochgelassen. Die Japaner ließen sich aber nicht verblüffen und schossen nicht darauf. Außerdem riss sich der Ballon bei dem böigen Winde los und die starken Luftströmungen trieben ihr frivoles Spiel mit dem Ausreißer, bis er unseren Augen entschwand. 16. Oktober, Freitag. Wegen sehr schlechten Wetters bleiben wir den ganzen Tag im kleinen Hafen vor Anker. – Abwechslung bringen einige Zeitungen aus Shanghai, die durch bloßen Zufall nach Tsingtau hereinkommen. Ein sehr interessanter Aufsatz in der »Deutschen Zeitung für China« charakterisiert die »moderne japanische Armee« vor Tsingtau, mit der wir uns schlagen müssen. Diese Charakteristik, die aus der Feder eines Chinesen stammt, will ich hier wiedergeben. […].133 Abends findet in der Munitionskammer von Infanteriewerk 5 eine Explosion der dort mit der Gewehrmunition gelagerten Leuchtballen statt. Verur132 Die Einnahme der befestigten Stadt Lüttich durch die Mittelmächte erfolgte zw. 4. u. 16. August ; die Belagerung von Antwerpen begann am 27. Sept. und endete mit der Kapitulation der Stadt am 9. Okt. 1914. Bedingt waren die Kampfhandlungen durch die Verletzung der belgischen Neutralität durch die deutschen Truppen, die auf diese Weise rascher auf französischen Boden einzudringen gedachten. Der erwähnte Geburtstag von Taishō-Tenno ist vom Tagebuchautor zu früh angesetzt – der Festtag wurde erst am 31. Oktober begangen. 133 Dieser Einschub mit der Überschrift »Die Japaner in Schantung« (Tagebuchseiten 119/121) entrüstet sich über die »Greueltaten der japanischen Soldateska« und benennt die »japanische Zivilisation als gewaltig überschätzt«, was aus der Sicht eines wohl antijapanisch eingestellten Chinesen, des Fehlens eigener Augenzeugenschaft des Tagebuchschreibers und den feindlichen Kriegshandlungen mit Japan nachvollziehbar, aber hier nicht weiter auszuführen ist. Feinde haben sich noch nie gegenseitig Komplimente gemacht. Die Deutsche Zeitung für China. 華徳 日報 [Hua-De-ribao] war zwischen 1914 und 1917 in Shanghai erschienen.
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sacht wurde der Unfall anscheinend durch das Fallenlassen eines Deckels auf die Leuchtballen, wodurch dieselben in Brand gerieten. Der Unteroffizier Steul [= Neul]134 III. Seebataillon, der sich im Raum befand, wurde dabei getötet. Der Brand der Leuchtballen bewirkte sofort eine Explosion der dort gelagerten Gewehrmunition (gegen 300.000 Patronen) und der Signalraketen. Das Lazarett des Infanteriewerks und der untere Mannschaftsraum sind ausgebrannt. Weitere Beschädigungen am Werke sind nicht vorgekommen. Die Explosion der Gewehrmunition dauerte von 11h bis 2h nachts. – Diese Nacht war auch S 90 ausgelaufen und wollte sich einem feindlichen Kriegsschiff nähern, musste aber umkehren, da sich zu viele Zerstörer in der Nähe aufhielten. 17. Oktober, Freitag. Gestern um 5h abends wurde in großen Pontons Kohle eingeschifft. Da aber der Hafen durch die zwei versenkten Dampfer gesperrt ist, mussten wir auf Reede Kohle machen. Die Deck- und Artilleriemannschaft arbeitete bis 12h nachts. Heute um 6h wurde wieder begonnen, den Rest einzuschiffen. Ich kam von der Wache von 12h–6h a.m. aus der Maschine, ging in meine Kabine und nahm mit meinem Freunde Schwarz gerade das Frühstück ein, das aus Kaffee, Butter und Leberwurst bestand, als knapp neben dem Kabinenfenster eine Explosion wie nie zuvor erfolgte und das Fenster zuschlug. Kurz nacheinander noch 3 Schuss, die mindestens von 21 cm-Kanonen stammten und ganz nahe des Kohlenbootes, also etwa 6 m vom Schiff ins Wasser schlugen. Nun war höchste Eile geboten. Die Anker wurden mit maximaler Maschinenkraft (Ankerwinde) gehisst, das große Kohlenboot, auf dem 20 Mann waren, wurde unter dem feindlichen Feuer losgelassen, nachdem die Leute schnell aufs Schiff geklettert waren. Nach 10 Minuten, die Japaner hatten schon gegen 20 Schuss abgegeben, setzten wir uns ganze Kraft in Bewegung, während die Japaner fest weiterschossen. Zwei Meter vor dem Bug des Schiffes fielen die Kugeln ins Wasser und das Schiff war von Wassergarben der einschlagenden Granaten umgeben. Hunderte von Sprengstücken schlugen an das Schiff und etliche flogen auch auf das Deck, ohne aber den geringsten Schaden anzurichten. Ich blickte beim kleinen Fenster hinaus und sah mit Freude, dass unser Herr Kommandant direkt auf die feuernde feindliche Batterie mit 14 Meilen zufuhr, obwohl die Japaner ihre Morgengrüße noch vermehrten. Auf 8000 m eröffneten unsere Geschütze das Feuer und, das Komische war, bei unserem 12ten Schuss stellten die Japaner durch unsere Granaten gezwungen das mörderische Feuer ein. Jedenfalls hatten sie gesehen, dass wir nicht mehr schliefen und ihre Morgengrüße ebenso herzlichst erwiderten wie sie uns ihre sandten. Nach Er134 Reinhold Neul (Gräfenhain, Thüringen 1888–1914 Tsingtau).
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reichung unseres Zieles, nämlich die feindlichen Geschütze zum Schweigen zu bringen, fuhren wir stolz auf den Erfolg langsam zurück, nachdem wir den Japanern mit ehernen Worten gezeigt hatten, dass trotzdem wir die Belagerten sind und uns in der Defensive verhalten müssen, in der österreichischen Marine auch der Offensivgeist herrscht, und wir auch wenn nötig uns offensiv verhalten können. Als wir zurückkamen, war das Kohlenboot schon ans Land getrieben und die Brandung bespülte das schräg daliegende Wrack, in dem noch 50 Tonnen Kohlen lagen. Um 10h Vormittag, wir fuhren ganz langsam und friedlich herum, plötzlich wieder das verdächtige Surren, ein Krach, und 10 m vom Schiff, ich stand gerade auf Deck, war eine Granate ins Wasser gefahren. Wie schon oft beobachtet, so stieg auch jetzt wieder eine mächtige Fontäne empor und nachdem diese verschwunden, bleibt der kreisrunde Fleck durch schäumendes Wasser noch längere Zeit erkennbar. Aber schneller als dies beobachtet werden konnte, schlug schon wieder ein Geschoß, diesmal noch näher ins Wasser. Unser Kommandant sagte : »Mir scheint, die haben noch nicht genug, so eine Gemeinheit.« Sofort ist Gefechtsalarm und wie eine Löwin stürzt sich die Elisabeth dem Feinde entgegen. Und schon erkennt man am feindlichen Feuer, dass die Kerle schon unsicher schießen und nervös werden, weil sie wahrscheinlich schon wissen, was ihnen jetzt von uns für eine Antwort auf ihre Frage bevorsteht. Die Schüsse fielen schon ganz unregelmäßig, weit vor oder nach dem Schiff. Auf 8 km erkennt man die ganz neu aufgebaute schwere Batterie (4 Geschütze) am Kamm eines Hügels eingegraben. Je 3 und 3 Schuss mit Ruhe abgegeben und schon haben sich unsere Artilleristen eingeschossen. Nun fahren wir langsam zurück, wir feuern, und der Feind feuert, aber nur mit dem Unterschiede, dass wir mitten in die Batterie treffen und die Herren Japsen nichts treffen. Bei der nächsten Lage, die auf 9000 m abgegeben wurde, sind von 3 Schüssen 2 Treffer auf je ein feindliches Geschütz. Nachdem die zwei Batterien also gezwungen sind ruhig zu sein, ziehen es auch die anderen zwei vor, nicht mehr auf uns zu schießen. Von uns werden noch 3 Schuss abgegeben und nachdem wir abermals gewissermaßen die feindliche Artillerie »besiegt« haben, fahren wir wieder aus der Gefechtslinie hinaus, alles frohgemut, dass der hundertfache Tod wieder, allerdings nur durch den über Tsingtau leuchtenden Glücksstern, vorbeigeflogen war. Aber nicht lange sollten wir Ruhe haben. Nach dem eben beschriebenen Gefecht ruhte sich alles aus. Etwas abgespannt sind die Nerven durch diese Feuerüberfälle und durch die zu durchwachenden Nächte, doch die Ruhe tut daher sehr wohl und ist jedermann nötig. Um 12h während des Mittagessens nahmen die Japaner wieder das Feuer auf uns auf, da sie dachten, dass zu Mittag die Leute nicht auf ihren Posten wären.
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Aber da täuschten sie sich sehr. In den Maschinen sind wir nun schon 1½ Monate Tag und Nacht klar, bei den Geschützen sind auch Tag und Nacht ein oder zwei Mann, auch wenn nicht geschossen wird. Auch jetzt fahren wir sofort ganze Kraft in verschiedenen Windungen auf Schussdistanz an den Feind. Wie man bald bemerkte, schoss er diesmal aus einer anderen Batterie auf uns, aber aus 6 Geschützen. 16 Schuss wurden von uns wieder auf die Batterie, die hinter einem Steingebäude ihr Steilfeuer auf uns unterhielt, abgegeben. Als das Steingebäude vom Erdboden durch unsere Panzergranaten beinahe verschwunden und der Batterie dadurch die Deckung genommen war, hörte das Feuer auf. Wir fuhren nun wieder auf unseren alten Platz, da die Japaner nicht mehr feuerten. Offenbar beabsichtigten die Japaner, dass uns die Minen durch das Herumfahren leichter erreichen und feuerten auf uns, damit wir raschere Bewegungen machen müssen und auch die Fahrbahn zu ändern gezwungen werden. Aber bei uns denkt man so : »Ist uns bestimmt, durch Minen in die Luft zu fliegen, so kommt es so und so, also drum ran an den Feind.« Der Nachmittag verlief für uns ruhig. Die Landbatterien beider Parteien schossen dafür aber umso mehr. 18. Oktober, Samstag. Das alte Torpedoboot S 90 hat ruhmvoll seine Geschichte und seine Wasserlaufbahn am Lande beschlossen. Gestern, 17. Oktober, um 12h Mitternacht war das Boot ausgelaufen, um die Blockadeflotte anzugreifen. Was dieser Angriff für ein gewagtes und kühnes Unternehmen ist, kann man sich erst klar machen, wenn man sich die große Zahl der vor Tsingtau liegenden japanischen Flotte vor Augen hält. Wird S 90 rechtzeitig bemerkt, so ist es verloren. Nur die Dunkelheit der Nacht und die gewiss schon eingeschläferte Wachsamkeit auf der japanischen Blockadeflotte kann S 90 zu Erfolg verhelfen. Und es hatte Erfolg. Um 1h nachts kam von S 90 der Funkenspruch, der ansagte, dass S 90 einen japanischen Küstenpanzer135 vernichtet habe, jetzt aber verfolgt werde, und dass der Kommandant [Brunner]136 infolge der feindlichen Übermacht das Fahrzeug auf den Strand setzen werde um es zu sprengen. Heute hielt die Signalstation den ganzen Tag Ausschau nach der Besatzung, und man glaubte sie schließlich auf dem Kap Jäschke zu sehen. Ein Wachboot, das dorthin dampfte, erhielt jedoch starkes Infanteriefeuer und musste sich zurückziehen. Es waren also Japaner, die sich dort ganz frei und offen zeigten. Nach einigen wohlgezielten Schüssen der Batterie Hsiauniwa [Xiaoniwa], die die Steine springen machten, waren die Japaner verschwunden. 135 Den Kreuzer Takachiho ; siehe Tagebucheintragung vom 20. Oktober 1914. 136 Kapitänleutnant Paul Brunner (Bromberg, Westpreußen 1880–1941 Greifswald).
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In Tsingtau macht sich der Wassermagel sehr unliebsam bemerkbar. Nach der Zerstörung des Wasserwerkes in Litsun ist nur noch das Reservewasserwerk am Haipo [Haibo] in Betrieb, das aber die Stadt und die Werke nicht genügend mit Wasser versorgen kann. Überall muss dass Wasser von sehr weit herbeigeschleppt werden. Auch mit der Beköstigung geht es der Besatzung nicht mehr recht gut. Kartoffel gibt es nicht mehr, da große Mengen verfault sind. Bei uns an Bord spürt man noch nichts von all dem, da wir ja schon seit Pola – 19. August 1913 – kein natürliches, sondern nur selbst erzeugtes Wasser trinken, und auch von Pola im Mai 1914 Trockenproviant für ein Jahr bekommen hatten. Der Besatzung Tsingtaus rückt nun langsam der Ernst des Belagerungskrieges vor Augen. 19. Oktober, Sonntag. Bisher sind angeblich insgesamt von den Japanern in Schantung [Shandong] 30.000 Mann gelandet. Vor Tsingtau stehen über 20.000, nach chinesischen Quellen sollen die japanischen Truppen vor Tsingtau erheblich verstärkt werden, um den Fall der Festung zu beschleunigen. Außerdem sind einige hundert Koreaner im Wagenpark der Japaner vertreten und indische sowie englische Truppen 2000 Mann unter General Barnardiston. Für die Zwecke der Belagerungsartillerie haben die Japaner eine doppelgleisige Schmalspurbahn gebaut, auf der etwa 100 kleine von chinesischen Kulis gezogene Wagen verkehren. Die Bahn geht von Wangkaschuang [Wanggezhuang] nach Liuting und von dort weiter nach Tunglitsun [Donglicun].137 Ich will hier auch einige bekannt gewordene Einzelheiten über die japanische Belagerungsarmee
niederschreiben. Der Kommandeur der japanischen Armee ist der Generalleutnant Kamio, Chef des Stabes Generalmajor Yamanashi und die Führer der zwei Brigaden sind Generalmajor Horiuchi und Yamada.138 Die Friedensgliederung und Stärke der vor Tsingtau stehenden 18. Division besteht aus 4 Infanterieregimentern, 1 Kavallerieregiment, 1 Feldartillerieregiment, 2 Batterien schwerer Geschütze, 1 Bataillon Gebirgsartillerie mit 3 Batterien, 1 Pionierbataillon und 1 Trainbataillon. Ob die genannte 18. Division an der Expedition, die also beiläufig eine Friedensstärke von 15.000 Mann (Kriegsstärke 2 ½ mal so viel) teilnimmt, steht 137 Die Strecke führte von der Ostküste der Shandong-Halbinsel ins Landesinnere nach Westen (Liuting am Baisha-Fluss), von dort direkt nach Süden an den Licun-Fluss. 138 Die Namen der Generäle wurden bereits in der Tagebucheintragung am 22. September erwähnt (Anm. 79–82).
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nicht fest. Vermutlich sind auch andere Divisionen hierher gesandt worden, so z.B. die 8. Division. Aller Wahrscheinlichkeit nach besteht die Belagerungsarmee, abgesehen von Engländern und Indiern, aus zwei gemischten verstärkten Brigaden. Auch einzelne Regimenter, die aber in Friedenszeiten zu verschiedenen Divisionen gehören, sind teils bei den Vorpostengefechten, teils durch Kundschafter festgestellt worden, so z.B. Inf. Reg. No. 10, 19, 46, 48, 49 und 56. Der Standort der 18. Division ist Kurume im mittleren Teil des nördlichen Kyushu. Dort sind auch, soweit wir wissen, einige deutsche Gefangene (25 Mann) untergebracht, die die Japaner bei den Vorpostengefechten machten. Was die Bekleidung der japanischen Soldaten betrifft, so wird überwiegend Khaki getragen, nur Offiziere tragen, und auch wohl nur zum geringsten Teile, feldgraue Uniformen. Die Infanterie ist bewaffnet mit Modell 1905. Es hat Kaliber 6,5 mm, eine Länge von 1,29 m und ein Gewicht von 4,06 kg. Das Gewehr hat Dolchbajonett und Paketladung von 5 Patronen. Für Ausrüstung der Infanterie mit Handgranaten ist Sorge getragen, sie enthalten 90g Sprengstoff. Als Gefechtsgrundsatz der Infanterie gilt der Satz : »Der Angriff ist der Weg zum Siege.« Als geeignetster Zeitpunkt für den Angriff wird das Morgengrauen angesehen. Die Feldartillerie führt das Rohrrücklauf-Schnellfeuergeschütz Modell 05 System Krupp, mit Federvorholer, Keilverschluss und 3,6 cm starken Schutzschilden. Die größte Schussweite ist 8500 m. Die Anfangsgeschwindigkeit 520 m/s. Zwei Drittel der Munition sind Schrapnelle. Die Geschütze stammen zum Teil von Krupp, zum Teil von dem Arsenal in Osaka. Das Gebirgsgeschütz ist ein Rohrrücklauf-Geschütz mit Schraubenverschluss. Schussweite 6500 m, Anfangsgeschwindigkeit 440 m/s. Die schwere Artillerie des Feldheeres führt 10, 5 cm Kanonen, 12 und 15 cm Haubitzen. Die Schussweite reicht bis zu 7800, 9400 und 12.000 m. Das 12 cm Geschoß wiegt 20 kg, die Sprengladung 5 kg. Das Schrapnell hat 575 Füllkugeln. Die 15 cm Haubitzen sind den 12 cm Haubitzen ähnlich, stammen auch von Krupp oder dem Arsenal von Osaka. Das Geschoß wiegt 36 kg, die Sprengladung 8,5 kg. Dieses Schrapnell hat 945 Kugeln. Im Belagerungsring befinden sich 9, 10.5, 12, 15, 21 und 24 Schnellladekanonen, sowie Geschütze, die schon vor Port Arthur in Tätigkeit gewesen sind, wie die 28 cm Haubitze, ferner 9, 12, 24 und 28 cm Mörser. Die Maschinengewehre sind Gasdrucklader mit festem Lauf und mit Dreifußunterstützung, die es gestattet, die Waffe um 360° zu drehen. Die Wirksamkeit der Waffe liegt zwischen 200 und 1500 m. Wie bekannt wird, stehen vor Tsingtau 180 Geschütze, davon 75 schwere.
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Abb. 33: Japanische Belagerungsflotte vor Tsingtau mit den drei im Kampf verlorenen Kriegsschiffen; rechts: Kreuzer Takachiho, mitte: Torpedobootzerstörer Shirotae, links: Torpedoboot 33. Das Torpedoboot 33 sank wegen schwerer Beschädigung nach der Einnahme Tsingtaus am 10. Nov. 1914.
20. Oktober, Montag. Nach einer japanischen Meldung ist um Mitternacht
vom 17. zum 18. Oktober der Kreuzer Takatschio [Takachiho] vor Tsingtau durch eine Mine vernichtet worden und mit 280 Mann gesunken. Wissen die Japaner nichts Anderes als dass der Kreuzer durch eine Mine zum Sinken gebracht wurde oder wollen sie ihrem Volke die Wahrheit, dass das Schiff von S 90 torpediert wurde und zwar zweimal, verschweigen, weil es für die japanische Flotte außerordentlich beschämend ist, dass das kleine Boot sich überhaupt unter die feindliche Flotte getraut und ein Schiff vernichtet hat ? Der Kreuzer Takatschio [Takachiho] wurde 1885 erbaut, hat 3700 t Deplacement, 18 Seemeilen Geschwindigkeit, und verfügt über 18 Stück 15,2 cm und 6 Stück 4,7 cm Kanonen.139 139 Der Geschützte Kreuzer Takachiho「高千穂」war in England gebaut worden und nach einem Berg in Süd-Kyūshū benannt. Fast die gesamte Mannschaft mit ihrem Kommandanten Kapitän z. S. Itō Sukeyasu 伊東祐保 (1869–1914) kam in dieser Nacht ums Leben. Die Versenkung des japanischen Kreuzers fand auch umgehend Eingang in die patriotische deutsche Populärliteratur : Aus Tsingtau entkommen. Erzählung für die Jugend von Fritz Reck-Malleczewen (Stuttgart 1916), allerdings heißt das siegreiche deutsche Kanonenboot nicht S 90, sondern Be-
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21. Oktober, Dienstag. Nachdem wir am 17. d. M. gestört wurden, unseren Kohlenvorrat zu ergänzen, nahmen wir Kohle diese Nacht auf. Unter Tags kamen heute wieder zwei feindliche Flieger, während auch der deutsche Flieger aufstieg. Nach chinesischen Meldungen liegt das gesprengte Wrack S 90 in Jitschau [Rizhao], halbwegs Tsingtau – Heitschau [Haizhou].140 Das Wrack wird von chinesischen Soldaten bewacht. Die Besatzung befindet sich in chinesischer Obhut und wird nach Nanking gebracht werden, wo sie die Rechte eines Gastes des chinesischen Hofes haben wird. Von der Besatzung ist niemand tot oder verwundet. Ebenso erfahren wir, dass die Leute mit der tragbaren Funkentelegraphen-Station von den Chinesen angehalten worden sind, da sie einen militärischen Apparat auf chinesischem Gebiet gebrauchen wollten. Aber nicht nur diese Leute sind ihrem Schicksal mutig entgegen gegangen, sondern auch uns naht das Schicksal von Tag zu Tag, eigentlich von Nacht zu Nacht. Von den Infanteriewerken aus wird jeden Morgen beobachtet, dass die Japaner während der Nacht mehrere hundert Meter neue Gräben vortreiben und so eine 6 km lange Strecke bis zum Haupthindernis durchgraben müssen. Dieser Arbeit kann natürlich von uns aus nicht besonders entgegen getreten werden, da ja die Munition in der Festung auch schon knapp wird und die Munition für die zu erwartenden Stürme aufgespart werden muss. Man kann also nicht jeden Graben solange beschießen, bis er wieder verschüttet wäre, und so muss man halt auf die Stunde warten, die bestimmt ist, dass die Stadt Tsingtau in die Hände der Japaner fällt. Bei Morgengrauen machte heute eine Abteilung von 90 Mann aus Infanteriewerk I und Infanteriewerk II einen Ausfall, um die Japaner zu beunruhigen und ihre Arbeiten zu stören. Sie drangen bis Tien-schia-tsun [Tianjiacun] vor, und kehrten dann in die Infanteriewerke zurück ; Lt. d. Res. Hemeling141 und Gfr. Küfer142 ließen dabei ihr Leben. 22. Oktober, Mittwoch. Schon um 5h a.m. wurde heftiges Artilleriefeuer auf beiden Seiten geführt. Denn der Flieger hatte zahlreiche neue feindliche Batterien entdeckte, diese antworteten heftig, als sie beschossen wurden. Um 8h a.m. wirft ein japanischer Eindecker etwa 20 m vom Schiff eine Bombe. Als er sich aber zu owulf und sein Kommandant nicht Brunner, sondern Brandt (Kapitel »Das Ende des Beowulf«, S. 121–144). Dass das Torpedoboot S 90 den Kreuzer zum Sinken brachte, wurde – entgegen der Meinung unseres Tagebuchschreibers – der japanischen Öffentlichkeit nicht verschwiegen. 140 Die Küste nach Süden, etwa 120 km von Tsingtau ; in diese Richtung war auch Gunther Plüschow kurz vor der Kapitulation mit seiner Rumpler-Taube geflogen. 141 Dr. Wilhelm Hemeling (geb. in Hildesheim 1891), Dolmetscher-Aspirant bei der deutschen Gesandschaft in Peking. 142 Max Engelbert Küfer aus Tübingen, Württemberg ; Gefreiter in der 4. Kp. des III. Seebataillons.
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stark beschossen sah, flog er weg. Auch ein Hydroplan, der ganz ungewöhnlich groß war, bewegte sich einige Zeit über uns, ohne aber Bomben zu werfen. Auch hier in Tsingtau erleben wir jetzt wieder Beispiele heldenmütiger Gesinung und bis treu in den Tod erfüllter Soldatenpflicht, obwohl sich hier in der von einer solchen Übermacht belagerten Stadt leider nicht die Gelegenheit bietet, Heldentaten zu vollbringen im Vergleich zum offenen Feldkriege. Im Folgenden sei der Heldentod eines Unteroffiziers überliefert, der es besonders verdient, als leuchtendes Beispiel hervorgehoben zu werden. Heute morgen um 5 Uhr ging vom Infanteriewerk I eine Patrouille, bestehend aus dem Unteroffizier Diehl und 2 Seesoldaten gegen Fou-schan-so [Fushansuo] vor. Sie suchen die 2 km vom Infanteriewerk I entfernt liegende Halbinsel Fou-schan-so-huk [Fushansuojia] ab, und entdecken auf etwa 250 m eine japanische mit Flagge, die als Seezeichen von einem japanischen Torpedoboot ausgelegt war. Kurz entschlossen entkleidete sich der Seesoldat R[iesener] und brachte unter großer Anstrengung schwimmend das Seezeichen an Land. Unteroffizier Diehl und Seesoldat S. hatten hinter Felsen kauernd die Sicherung des mutigen Schwimmers übernommen. Seesoldat S. ging mit der Boje nach Fou-schan-so [Fushansuo] zurück, und Unteroffizier Diehl mit Seesoldat R[iesener] drangen zusammen nach dem Dorfe Hsint-schiat-schuang [Xinjiazhuang] vor.143 Etwa 100 m vor dem Dorfe stießen sie auf einen unbesetzten, von den Japanern aufgebauten Postenstand. Dort ließ Unteroffizier Diehl den Seesoldat R[iesener] zurück und ging allein gegen das Dorf vor. Kaum 50 m weg erhielt Diehl vom Dorfe her heftiges Feuer und wurde durch beide Oberschenkel geschossen. Riesener stürzte dem im feindlichen Feuer zusammenbrechenden Unteroffizier entgegen und schleppte ihn in ein niedriges Gebüsch. Dort wollte R[iesener] dem Verwundeten einen Notverband anlegen, da begannen aber die Japaner wieder lebhafter zu feuern. Diehl erkannte die große Gefahr, in der auch sein Untergebener schwebte und gab ihm den Befehl sich zurückzuziehen. Mit Taschenverbandszeug suchte Diehl allein sein ausströmendes Blut zu stillen. – Nachher wurde unter dem Schutze der Rotenkreuz-Flagge eine Sanitätspatrouille entsandt. Sie fanden den Unteroffizier tot, ein offenes Buch auf der Brust und daneben einen Bleistift. In dieses Buch hatte der Sterbende mit immer schwächer werdender Hand die Worte geschrieben : »Ich hatte einen schweren Tod, o ich sterbe gerne für meinen Kaiser !« – Ein deutscher Mann !
143 Fushansuo 浮山所 war eine direkt vor dem Verteidigungsgürtel (Infanteriewerk I) liegende Ansiedlung ; am anderen Ufer des nahebei ins Meer mündenden Fushansuo-Flusses lag das Dorf Xinjiazhuan 辛家庄.
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Unteroffizier Diehl 144 In schwerer Sonne brütet das Land Und der Schweiß rann uns heiß von den Wangen. Als Patrouille waren wir ausgesandt, Und alles war gut gegangen. Nun hatten wir richtige Meldung vom Feind, Nur das eine Dorf ausgelassen. Da hatte der Unteroffizier gemeint : Das müssen wir auch noch fassen. Die Hand am Gewehr, so gingen wir vor, Geduckt und gebückt und gesprungen. Und das Auge auf und offen das Ohr, Heiß keuchen die fliegenden Lungen. Da sahen wir zehn Schritte vom Dorfesrand Ein gelbes Etwas sich ducken. Und hingekauert im weichen Sand Das Fernglas raus und begucken. Zehn Leute zähl’ ich und unser nur zwei, Nun heißt es zurückgesprungen. Da pfeift und da blitzt schon das heiße Blei, Fast wär uns das Stückchen gelungen. Auf hundert Meter waren wir fort Und dachten die Meldung zu sagen : »Besetzt vom Feinde der nächste Ort !« Da hat’s ihn vor mir erschlagen. Und als er mir in die Arme sank, Da hab ich ihn fest umschlungen. Und stolpert und stürzte und rannte und sprang, So bin ich noch nie gesprungen. 144 Wilhelm Diehl, Unteroffizier in der 1. Komp. des III. Seebataillons ; geb. 1888 Bischofsheim/ Hessen, gefallen am 22. Okt. 1914 und am Friedhof von Tsingtau bestattet.
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Das Bewusstsein schwand, er sah aus wie tot, Da musst’ ich ihn fallen lassen. Nun hilf mir, du guter barmherziger Gott, Und lass die Wunde mich fassen. Wenn er weiter so blutet, dann ist es zu spät, Das Verbandszeug raus und verbunden.
Und rings hat der Feind uns mit Kugeln umsät, Da fand ich drei blutende Wunden. Da wachte er auf und fuhr mich an : »Was brauchst du hier noch zu warten, Mir ist nicht zu helfen, wenn’s Gott nicht kann, Bring Meldung, hier sind die Karten !«
Da biss ich mir auf die Zähne und lief Wie zehnmal gehetzte Hasen. So musst’ ich, als meine Pflicht mich rief, Ihn sterbend liegen lassen. Die Meldung kam und in Rauch und Brand War das feindliche Dorf geschossen. Und als man im Dorfe die Leichen fand, War von Hunderten Blut geflossen. Und hundert Meter vom Dorfesrand,
Da fand man ihn starr und stille, Papier und Bleistift lag neben ihm im Sand. Dies war sein letzter Wille : »Ich hatte im Sterben bittere Not, Verblutet aus dreifachen Wunden, Doch sterb ich gern für den Kaiser den Tod, So hab ich ihn dort gefunden.«
……. * …….
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Seesoldat Riesener wurde wegen seines tapferen Verhaltens zum Gefreiten befördert.145 23. Oktober. Mittwoch. Um 10h a.m. kommt wieder der japanische Hydroplan und wirft drei Bomben auf uns und zwei an Land, ohne aber Schaden anzurichten. Allerdings sind die jetzigen Bomben bedeutend größer und besitzen eine größere Durchschlagskraft und wirken ähnlich wie Panzergranaten. Sie dringen nämlich in das Objekt zuerst ein und explodieren erst im Objekt drinnen, während die früheren Bomben sofort beim Aufschlag explodierten, also weniger Schaden anrichten konnten. Die vor Tsingtau liegende japanische Flotte wird um 7 Zerstörer erhöht. Aus der Geschichte der japanischen Flotte.
Die ersten modernen Kriegsfahrzeuge Japans wurden durch die Holländer beschafft. 1874 bestellte Japan 3 gepanzerte Korvetten in England, das seit dem das Vorbild und der Lehrmeister in allen Marinefragen geworden ist. Die Ausbildung von 8 Seekadetten auf den deutschen Kriegsschiffen Vineta und Leipzig und in den 90er Jahren auf den alten Linienschiffen der Baden-Klasse sind die einzigen nennenswerten Ausnahmen geblieben. Bis zum japanisch-chinesischen Krieg 1894/95 beschränkte man sich aus Geldmangel auf den Bau von kleinen Panzerkreuzern und Torpedobooten. Bei Beginn des Krieges gegen China 1894 verfügte Japan über 32 Kriegsschiffe und 23 Torpedoboote, mit zusammen 62.582 Wasserverdrängung. Das durch den Sieg über China gestärkte Selbstvertrauen, opferbereite Vaterlandsliebe und die um diese Zeit einsetzende Anhäufung russischer Streitkräfte in Ostasien spornten Japan zum schnellen Ausbau seiner Flotte an. An Schlagfertigkeit und Gleichartigkeit gewann es einen Vorsprung vor Russland. Der glückliche Ausgang des Krieges mit Russland 1905 ergab für Japan einen Zuwachs von 5 Linienschiffen, 3 Küstenpanzerschiffen, 10 Panzerkreuzer, 3 geschützte Kreuzer, 5 Zerstörer und 14 Hilfsschiffen. Die eigenen Verluste betrugen nur 2 Linienschiffe, 1 Küstenverteidigungsschiff, 3 geschützte Kreuzer, 3 Kanonenboote, 2 Zerstörer und 7 Torpedoboote. Ein Teil der erbeuteten Schiffe musste allerdings erst gehoben werden oder doch einer gründlichen Reparatur oder einem Umbau unterzogen werden. 145 Wilhelm Riesener aus Meiderich im Kreis Duisburg (Rheinland) ; Gefreiter in der 1. Kompanie des III. Seebataillons ; später in den Lagern Kumamoto und Kurume.
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Das Ausbleiben einer russischen Kriegsentschädigung hat einen noch heute nicht behobenen Geldmangel und eine Verlangsamung des Bautempos zur Folge gehabt. Seit dem Kriege mit Russland sind, abgesehen von kleineren Fahrzeugen, 7 Linienschiffe und 9 Panzerkreuzer gebaut worden, oder noch im Bau. Die schweren Geschützrohre sind nach englischem Verfahren als Drehrohre gebaut, und haben den englischen Schraubenverschluss. Sie verfeuern Stahlvollfeuergeschoße mit oder ohne Klappe, Stahlgranaten mit Schwarzpulverladung und dünnwandige Sprenggranaten aus Gußstahl. Die Pulverladung (Kordit) ist bis zum 15 cm-Kaliber einschließlich in Metallkartuschen untergebracht. Von 15 cm aufwärts wird das Pulver in Seidensäckchen und die »De Bange«-Legierung146 angewandt. Die Munitionsdotierung der schweren Geschütze beträgt für jeden Doppelturm auf Linienschiffen, und aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf den meisten Kreuzern, 200, auf den Panzerkreuzern älteren Typs 100 Schuss. Die Sprenggranaten sind auf Kosten der Stahlgranaten vermehrt worden. Im Frieden befinden sich auf Linienschiffen und Panzerkreuzern für schwere Kaliber 60 Panzergranaten und 40 Sprenggranaten an Bord, für mittlere Kaliber 80 Panzergranaten und 40 Sprenggranaten. Im Kriege werden nur Sprenggranaten hinzugenommen, da alle Panzergranaten im Frieden an Bord sind. An Unterseebooten besitzt Japan 13 fertige und zwei im Bau in Frankreich. = = =
24. Oktober, Samstag. Vormittag kamen 3 Flieger von See- und Landseite.
Nur einer warf Bomben. Interessant ist, dass der Flieger, der immer von der Flotte her zu uns kommt, bis jetzt bereits 72 Bomben auf das Schiff geworfen hat, von denen aber keine traf, und nicht den geringsten Schaden zufügte, außer dass einige Sprengstücke auf Deck fielen. Über Tsingtau (Stadt) haben die feindlichen Flieger 212 Stück Bomben geworfen und nur geringen Materialschaden angerichtet, der jedenfalls, weit hinter den Kosten der Bomben und dem Verbrauch der Flugapparate zurückbleibt. Bis heutigen Tags haben die Japaner von Land aus auf das Schiff 576 Schuss abgegeben und dabei nicht den mindesten Erfolg erzielt, dafür aber durch unser Feuer jedesmal Mannschaften und Geschütze eingebüßt, erstere kann man auf mindestens 3000 Mann schätzen, die allein durch die Treffer unserer 15 cm Geschütze getötet wurden.147 146 Ein nach dem französischen Ingenieur u. Artillerieoberst Charles Valérand Ragon de Bange (1833–1914) benanntes Geschützsystem. 147 In der »Hitze des Gefechtes« um ein Mehrfaches zu viel ! Die Gesamtverluste der japanischen Angreifer im Zuge der Einnahme von Tsingtau lagen unter 500 Mann (s. Anm. 318).
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Abb. 34: Eine japanische Darstellung der Belagerung von Tsingtau. 「帝國海軍飛行機隊敵彈ヲ 冒シ膠洲灣青島港内要所ニ爆弾彈ヲ投下シ敵ノ心膽ヲ寒カラシム」. Ein japanisches Flugzeug der Marine wirft während der Blockade Bomben auf die deutschen Stellungen; im Hafen der Kreuzer Kaiserin Elisabeth.
Von den Engländern, die sich bei der Belagerungsarmee befinden, ist an der Front noch immer nichts zu merken gewesen. Sie halten sich scheinbar weit hinten, außer Schussweite in Sicherheit, und lassen die Japaner für sich arbeiten. Sie bezahlen sie ja auch dafür, und können sich also mit der Beaufsichtigung ihrer Söldlinge begnügen. Würden nur Engländer es wagen, Tsingtau zu belagern oder anzugreifen, sie würden die Stadt wohl nie bekommen, denn nur der Japaner ist ein Künstler im Heranschanzen und kann mit seinen Truppenmassen diese Arbeit so schnell ausführen, dass das Artilleriefeuer aus den Werken diese Arbeit nicht aufhalten, sondern nur verzögern kann. Und daher wird das liebe Tsingtau wohl bald, ja vielleicht in 3 oder 4 Tagen, der Übermacht unterliegen, denn an einigen Stellen haben sich die Japaner schon bis auf 300 Meter herangearbeitet. Fallen von den in der Nacht arbeitenden Soldaten zwei, so graben zehn neue weiter. Die vielen Gräben, die die Japaner gegen das Haupthindernis vortreiben, sind so zahlreich, dass sie überhaupt gar nicht mehr erfolgreich beschossen werden können. Denn die Munition in den Werke wird knapp. Und die Munition, die noch da ist, muss für mindestens den ersten zu erwartenden Sturm der feindlichen Massen aufbewahrt werden, um dem Japaner dann we-
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nigstens zu zeigen, dass die Festung Tsingtau bis zu gänzlichen Erschöpfung nicht eingenommen werden kann und damit dem Feinde in diesen letzten Momenten noch große Verluste beigebracht werden können. Auch deswegen, damit das japanische Volk noch lange den Verlust an Männern seiner Regierung nachsagen wird, da ja der Krieg gegen Deutschland nicht vom Volke gebilligt wurde, sondern nur auf direktem Befehl des japanischen Kaisers, der auch bestimmte, dass 50 Millionen Yen (123 Mill. Kronen) für die Operationen um Tsingtau verausgabt werden sollten. Die Chinesen klagen auch immer über das unglaubliche Benehmen der Japaner. Möglich, dass es nicht eigentlich die japanischen Soldaten sind, die zu diesen Klagen Anlass geben, sondern die Koreaner, Hunghutsen und das andere Gesindel, das sie mitgebracht haben, und die den Train führen und auch bei den englischen Truppen die Wagen führen und auch Pferdewärter sind. Batterie Huitschenhuk [Huiqian-Huk] beschoss am Nachmittag 2 japanische Torpedoboote, die sich der Küste zu weit genähert hatten. Die beiden Boote aber flohen schon nach dem ersten Schuss und entkamen. 25. Oktober, Sonntag. Die Japaner haben heute von See aus den rechten Flügel der deutschen Stellungen beschossen und die 30,5 cm Geschoße rissen mächtige Löcher in die Erde und richteten auch einigen Schaden an, der aber nachts stets wieder ausgebessert wird. Gegen Huitschenhuk und Iltisberg wurden allein 42 Schuss abgegeben, die aber keinen Schaden anrichteten. Um 12h mittags wurden die Wachboote, die bei Kap Jäschke standen, von dort aus mit Schnellfeuerkanonen beschossen. Der Regen in den letzten Tagen hatte, wie der Flieger feststellte, das Erdreich dort so aufgeweicht, dass einige Kanonen dort tief in die Erde sanken. Saure Arbeit mag es gekostet haben, die Geschütze wieder zu heben. Wir fahren zum Kap hin, und auch die Batterie gegenüber von Kap Jäschke feuerte dort hin. Als wir in der Nähe waren, konnte man gegen 50 Japaner sehen, die auf uns mit Infanteriegewehren schossen. Die Schüsse schlugen am Panzer oder am Wasser auf. Wie Bienen kam einem das Surren der einzelnen kleinen Projektile vor. Natürlich war es wirkungslos. Wir schossen nicht dahin, da es Unsinn gewesen wäre, auf 50 Mann, die uns ja nichts machen konnten, die kostbare Munition zu verschwenden. Als wir hier standen, sahen wir weit ins offene Meer hinaus und sahen auch drei große feindliche Schiffe und zahlreiche Torpedoboote. Wie gerne wären wir wohl alle da hinausgestürmt, dem Feind entgegen, um ihm zu zeigen, dass in unserer Flotte ein Angriffsgeist herrscht, aber es wäre ein nutzloses Beginnen gewesen, da wird doch mit der alten Elisabeth und den verbrauchten Geschützen und Maschinen nichts hätten anfangen können, und früher vernichtet gewesen wären, bevor wir mit unseren 15 cm Geschützen gegen die 30,5 cm des
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Feindes hätten schießen können. Wir ballten daher nur die Fäuste den Schiffen entgegen und fuhren dann wieder in die gewöhnliche Fahrrinne zurück. Abends erhielt das Infanteriewerk III plötzlich lebhaftes Infanteriefeuer, was die Nähe des Feindes nur gar zu deutlich kundtat. Die Japaner arbeiten noch immer fleißig am Ausbau der Einschließungslinien und der eherne Ring von Kanonen und Bajonetten schließt sich immer enger um uns. Man bekommt allmählich ein fast unangenehmes Gefühl, dass man ringsum durch den Tod von der Außenwelt vollkommen abgeschlossen ist, und in wenigen Tagen das Erdendasein beendet sein wird. – Die Japaner scheinen einen Angriff doch noch nicht zu wagen, denn sie bringen weitere schwere Geschütze heran, vielleicht überhaupt erst ordentliche schwere Belagerungsartillerie. Ebenso scheinen sie jetzt ihr Munitionslager näher an die Einschließungslinie zu verlegen. Unter unserem Artilleriefeuer – Festungen, Infanteriewerke, Jaguar und Elisabeth – und wohl auch unter Krankheiten haben die Japaner schwer zu leiden und schon große Verluste erlitten. Auch bei den letzten großen Regengüssen haben sie allerhand verloren. Namentlich der Paisha-Fluss [Baishahe] hat ihnen vieles fortgeschwemmt. 26. Oktober, [Montag]. Bei ihrem Vorrücken kommen die Japaner oft auf Minen, doch wirken dieselben wohl nicht so stark, wie wir erwartet hatten, weil die Japaner bald entdeckten, wo Minen lagen. Man muss annehmen, dass Chinesen, denen die Minenfelder bekannt waren, verraten haben, wo Minen lagen. Das war für die Leute auch nicht schwer, da sie teils selbst Löcher aushoben, und auch wussten, dass die Pioniere in die ausgeworfenen Löcher Minen legten, was sie ebenso bei ihrer Feldarbeit beobachten konnten. Auch merkten sie, dass die Soldaten im Vorgelände immer bestimmte Wege einhielten und andere Strecken mieden. Als dann die Japaner kamen und die Dorfbewohner einschüchterten, haben sie wohl Auskunft gegeben, denn man konnte beobachten, wie die Japaner sorgsam um solche Stellungen herumgingen. Doch ist es ihnen nicht immer gelungen, der Minengefahr aus dem Wege zu gehen. Die Minen wurden vielfach in Rawinen gelegt, von denen man, aus der Lage zu schließen, annehmen konnte, dass die feindlichen Truppen Deckung darin suchen würden. Aber auch hier waren sie wohl auch häufig gewarnt und wussten natürlich auch aus eigener Erfahrung, dass nicht alle natürlichen, äußerst passenden Rawinen als Deckung genommen werden dürfen. Zu Beginn des Krieges hat man vielerorts die Gräben und Rawinen im Feld, die für das Gefechtsfeld hinderlich waren, zugeworfen, um das Schussfeld frei zu machen ; es ist in dieser Hinsicht von den deutschen Soldaten außerordentlich viel geleistet worden. Hierbei haben sich, was besondere Anerkennung verdient, auch die älteren Landwehrleute, die alle bessere Tage gesehen und wohl nie so schwere Arbeiten
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haben verrichten müssen, nicht beseite gestellt, sondern sie haben ebenso wie im Kampfe mit der Waffe, auch bei gewöhnlichen schweren Erdarbeiten ihren Mann gestellt. Der soldatische Geist beseelte eben alle und jeder will sein bestes Können zum Schutze des kleinen Stückchen Deutschland hier im fernen Osten hergeben. Und wenn man bedenkt, dass im Zivilstand hochangesehene Herren in ihrem militärischen Rang manchmal ihren Angestellten unterstellt sind, dass Beamte dem Kommando ihrer früheren Untergebenen willig folgen, so erkennt man, welches Gefühl die kleine Schar Krieger in Tsingtau durchdringt. Aber nicht nur die Japaner haben viel an Strapazen durchgemacht auf ihrem Anmarsche, und durch Regen, Überschwemmung und aufgeweichte Straße gelitten, sondern auch die Soldaten in Tsingtau. Am meisten zusammengedrängt waren die Leute in den Forts, in den Kasematten und in den Infanteriewerken, was ja im Sommer sehr unangenehm ist. Am furchtbarsten war es bisher im August und September während der Regenzeit. Bei den Rückzugsgefechten im Vorgelände hatten es die Leute noch schwerer. Die feuchte Schwüle im Freien und die dumpfe stickige Luft in den bombensicheren Kellern aus Eisenbeton war kaum zu ertragen. Von den Wänden lief als feuchter Niederschlag das Wasser herunter, der Fußboden war mancherorts zeitweise fußhoch mit Wasser bedeckt, kein trockenes Plätzchen im ganzen Gewölbe ! Draußen gingen Regenschauer nieder, deren Heftigkeit jeder Beschreibung spottete. Kam der Abend heran, so erhob sich das widerliche Gesumme der Stechmücken, die in solchen Schwärmen die Kasernen durchsummten, und mit solcher Gier auf das warme Blut der Menschen erpicht waren, dass an Schlafen gar nicht zu denken war. Da auch die Luft in den Gemächern kaum auszuhalten war, wurde den Mannschaften meistens erlaubt, im Freien zu schlafen, was natürlich eine große Erleichterung war. Zudem war in der heißen Jahreszeit der Feind noch nicht so nahe an Tsingtau heran, weshalb man etwas freier des Nachts aufatmen konnte. Die militärischen Wachposten taten ihren Dienst gewissenhaft. Trotz des ungewöhnlich nassen und heißen Sommers traten verhältnismäßig sehr wenige Krankheiten auf. Dysenterie ist ja im Sommer mit Recht gefürchtet, unter den hiesigen Truppen trat sie zum Glück während der Belagerung kaum mehr auf als sonst. Die Krankheit ging bei den Meisten bald vorüber, sodass sie wieder dienstfähig wurden. Nur zwei Mann starben daran. Nachmittag geben die japanischen Schiffe insgesamt 46 Schuss ab. Erst feuerte Suwo [Suō] gegen Iltisberg und dann auch Iwami gegen diese Batterie, die die Japaner als die Hauptbatterie und den Schlüssel nach Tsingtau halten. Auch Infanteriewerk I wurde unter Feuer gehalten. Aus rund 15 km Entfernung schossen die schweren Schiffsgeschütze, die Treffresultate waren infolge dieser Entfernung gleich null.
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Gegen 4h Nachmittag erschienen heute 3 Wasserflugzeuge. Bis jetzt waren nur 2 bekannt. Für unseren Flieger wird das Aufsteigen sehr erschwert, da ihn die Japaner schon mit Schrapnellschüssen eindecken, wenn er sich nur wenige Meter vom Flugplatz erhoben hat. Da die Japaner besonders die Flugzeughalle auf dem Iltisplatz mit Bomben zu zerstören suchen, hat Oberleutnant Plüschow, der Fliegeroffizier, einen anderen Schuppen für sein Flugzeug an geschützter Stelle anlegen lassen, und vor dem früheren Schuppen wurde ein aeroplanähnliches Gestell zur Täuschung der feindlichen Flieger aufgestellt. 27. Oktober, Dienstag. S.M. der deutsche Kaiser hat heute an die Besatzung Tsingtaus folgenden Gruß gesandt : Mit mir blickt das gesamte deutsche Vaterland mir Stolz auf die Helden von Tsingtau, die getreu dem Worte des Gouverneurs ihre Pflicht erfüllen. Seien sie alle meines Dankes gewiss. Wilhelm
Mit Jubel und heller Begeisterung sind diese Worte S.M. hier von jedem aufgenommen worden. Auch bei uns am Schiffe war man bei Bekanntwerden des Telegramms sehr erfreut, gehören doch auch wir zu den Verteidigern Tsingtaus und vertreten mit dem Schiffe ganz Österreich-Ungarn in dem Krieg gegen Japan. Der Gruß S.M. des deutschen Kaisers zeigt uns, dass man uns (ich meine alle Verteidiger Tsingtaus) in Deutschland, das wohl sein größtes Interesse an der Ost- und Westgrenze seines Reiches hat, auch hier draußen nicht vergisst, und nie vergessen hat. Die 3 Hurra, die überall nach der Verlesung des Telegrammes hier erklungen sind, waren der Dank für dieses treue Gedenken, und zugleich der erneute Ausdruck dafür, dass sich das Volk in Waffen eins fühlt mit seinem erhabenen Kriegsherrn. Das mögen sich auch die Japaner hier vor unseren schwachen Wällen sagen. Wie habt ihr euch getäuscht, wenn ihr glaubtet, wir würden vor euch in die Knie sinken und womöglich um Gnade bitten. Ich kann als DeutschÖsterreicher ruhig auch den Satz gebrauchen : »Wir Deutschen fürchten Gott, und sonst nichts in der Welt !« In diesem Zeichen werden wir in der Tat auch hier in Tsingtau für Deutschlands Besitztum unsere Pflicht erfüllen. Mit der Bekanntmachung des Telegrammes fügte der Herr Gouverneur folgenden Zusatz hinzu : Wir wollen uns des hohen Vertrauens würdig erweisen, das unser Allerhöchster Kriegsherr in uns setzt. Es lebe S. Majestät der Kaiser ! Meyer-Waldeck
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28. Oktober, Mittwoch. In den letzten Nächten haben sich die Japaner noch
näher an das Haupthindernis herangearbeitet. Die Stärke der direkten Belagerungsarmee vor Tsingtau soll jetzt etwa 23.000 Mann betragen. Es werden jedoch täglich noch mehr Truppen herangezogen. Man erwartet nun jede Nacht einen Sturm, dem aber jedenfalls eine heftige Beschießung der Befestigungen in Tsingtau vorausgehen wird. Unsere Lage wird also jeden Tag ernster. Nachmittag nehmen japanische Batterien vom Kauschan [Hushan] aus die Werft unter Feuer und richten einigen Schaden an. 29. Oktober, Donnerstag. Die zum Schlusse zur Entscheidung führende Beschießung Tsingtaus und insbesondere der Infanteriewerke beginnt heute. Um 7h a.m. geht das eigentliche Bombardement der Schiffe los. Suwo [Suō], Tango, Mishima und Triumph beteiligen sich an der Beschießung. Letzeres beteiligt sich heute das erste Mal wieder an dem Bombardement, nachdem es seine Schäden in Weih-hai-weih [Weihaiwei = Weihai] ausgebessert hat. Die Japaner haben auch auf der ganzen Landfront zahlreiche Geschütze in Stellung und nehmen den Iltisberg, die Passkuppe und Infanteriewerk I und II unter Feuer. Das Feuer der Schiffe richtet sich hauptsächlich gegen die obere Iltisbatterie (zwei 10,5 cm Kanonen) und gegen Infanteriewerk I. Die Schützengräben bei Infanteriewerk I werden vollständig zerstört, sonst wurde aber kein wesentlicher Schaden angerichtet. Es fielen bis 12h Mittag von See aus 160 Schuss (30,5 und 25 cm) in die Befestigungen und natürlich verirrten sich auch manche direkt in die Stadt, und manches schöne Gebäude ging in einer Staubwolke auf. Zeitweise war die Stadt in Staub gehüllt, Ziegel und Steine flogen umher. Getötet wurde in den Straßen niemand, da sich während des Bombardements wohl niemand auf die Straße wagte. Übrigens sind ja die meisten Gebäude unbewohnt, da fast alle weiblichen Einwohner fort sind. Die, die noch geblieben sind, wohnen in den Kellern. Die Männer standen ja durchwegs an der Front, um ihr zwar ohnedies verlorenes Besitztum wenigstens so teuer als möglich zu verkaufen und mit ihrem Blute zu verteidigen. Um 12h Mittag hörte wie auf Kommando das Bombardement auf, aber es war nur die Ruhe vor dem Sturme. Um 2 Uhr setzte das Bombardement von See- und Landseite mit doppelter Kraft ein und das Getöse aus mindestens 200 feindlichen Geschützschlünden war schauerlich anzuhören. Man dachte, die letzten Stunden Tsingtaus hätten geschlagen. Von der feindlichen Flotte wurden allein 90 30,5 cm-Geschoße in die Stadt geschleudert und wenn auch nicht jedes Haus, so war doch die Mehrzahl beschädigt. Vom Schiff aus konnten wir sehr gut die Aufschläge der Geschoße sehen und oft schlugen 3 oder 4 Stück 30,5 cm Granaten nebeneinander ein. Braungraue Rauch- und Erdwolken stoben in die Höhe. Man dachte, dass die beschosse-
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nen Batterien total vernichtet sein müssten, aber wie waren wir erstaunt, als um 5h das feindliche Feuer aufhörte, die deutschen Geschütze wieder eine laut vernehmbare Sprache zu reden anfingen und den Japanern nur zu deutlich zeigten, dass sie, abgesehen von einigen kleinen Havarien, nichts getroffen hatten, was die japanischen Artilleristen sehr geärgert haben musste, uns aber natürlich sehr erfreute, da die Japaner zumindest heute Nacht Tsingtau nicht einnehmen würden. Die Vorarbeit für einen Sturm der japanischen Infanterie hatte also nichts genützt. Würde es die japanische Infanterie wagen, heute einen Angriff zu unternehmen, so würde sie wohl mit sehr blutigen Köpfen zurückgeschickt werden. Allerdings schwindet die Munition bedenklich, sowohl in Tsingtau als auch hier bei uns an Bord. 30. Oktober, Freitag. 6h a.m. kommt schon wieder ein Flieger, der sich über den Werken bewegt. Um ½ 7h flog er gegen die Landarmee zu und bald darauf um 7h a.m. beginnen wieder sowohl die Landbatterien als auch die Schiffsgeschütze die Stadt zu beschießen. Das Bombardement ist noch stärker als gestern und man kann deutlich sehen, dass die Japaner die Werke »sturmreif« machen wollen, was ihnen ja bisher noch nicht gelungen ist. Die Beschießung richtet sich heute hauptsächlich von den Landbattereien aus auf die Infanteriewerke und von See aus auf den Iltisberg und das Artilleriedepot um zu verhindern, vom Hauptmunitionslager in die Batterien die letzte Munition zu schaffen. Aber obwohl das Depot, das in einer Mulde liegt, durch Geschoße eingedeckt wurde, fuhren doch einige beherzte Männer in einem Automobil die Munition zu den verschiedenen Batterien. Um 10h Vormittag kamen 2 feindliche Flieger, die mit ihren Apparaten abwechselnd die Einschläge der japanischen Geschoße beobachteten und sich durch verschiedene Schwenkungen mit den Schiffen und Batterien verständigen, wie die Schüsse treffen. Die Iltisberg-Batterie, die den Japanern gerade letzte Nacht wieder viel zu schaffen machte, wird tagsüber mit 210 gezählten 30,5 cm Geschützen bombardiert. Es sind jedoch nur unbedeutende Treffer erzielt. Der Bebau der Kasematten der oberen Iltisberg-Batterie ist zerrissen, doch sind die Geschütze selbst wie durch ein Wunder nicht getroffen worden. Auch die Batterie Hsiauniwa (4 Stück 21 cm), die auch schon gegen 800 Schuss gegen die japanischen Landbatterien abgegeben hat und jetzt systematisch alle 5 Minuten einen ihrer Kolosse ins japanische Lager sendet, wird von See aus stark beschossen, trotzdem wird aber dort ruhig weitergeschossen, und einmal traf es sich, dass eben als die Feuergarbe mit dem Geschoß aus einem Rohr herausstieß, auch knapp davor eine feindliche große Granate einschlug und sich das Feuer mit dem aufspritzenden Erdreich der einschlagenden Granate eigentümlich vermengte. Wir sind mit dem Schiffe kaum 1 km von dieser Batterie entfernt und können das Bombardement sehr gut beobachten.
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Den Luftdruck der abgegebenen und krepierten Geschoße fühlt man stark am Schiff, und wenn man mit dem Fernglas von der Brücke ausschaut, sieht man über Hsiauniwa [Xiaoniwa] hinaus am Horizont die Kamine und Masten der japanischen Schlachtschiffe. Nachmittag um 2 Uhr, während wir langsam in der Bucht herumfahren, stets bereit, den Japanern eins aufs Fell zu brennen, hört man plötzlich wieder das verdächtige Surren einer heransausenden Granate. Aber sie galt nicht uns, sondern dem etwa 550 m von uns entfernten, zwischen Land und uns verankerten, deutschen Kanonenboot Tiger, das im abgerüsteten Zustande mit seinen Hilfsmaschinen nur mehr dem Zwecke diente, für die Stadt aus Seewasser Trinkwasser zu erzeugen, da es mit diesem sehr schlecht bestellt war. Das Kanonenboot, auf dem sich nur einige Chinesen befanden, war deshalb auch noch nicht, wie die anderen Boote, schon früher versenkt worden. Außerdem rechnete man mit einer Havarie an Bord des Kanonenbootes Jaguar durch feindliches Feuer, und falls die Geschütze intakt blieben, hätten diese bei unbrauchbarem Schiffskörper oder Maschinen auf Tiger aufmontiert werden können. Trotzdem sich die japanischen Landbatterien das Kanonenboot intensiv zum Ziele nahmen, wurde es nie entscheidend getroffen. Um 6h Abend kommen zwei deutsche Offiziere an Bord und bringen ein neu konstruiertes Geschoß für unsere 15 cm Geschütze mit. Dieses soll mehrfach erzeugt werden und sobald unsere Munition verschossen ist, soll mit dieser gefeuert werden. Es ist mit Schießbaumwolle gefüllt und soll eine verheerende Wirkung haben. Ein Schuß wird abgegeben und das Resultat war sehr gut, was Flugweite und Geschwindigkeit anbelangte. Schon gestern waren 60 Granaten und Schrapnells von den Schiffen Scharnhorst und Gneisenau zu uns gekommen, aber sie passten nicht gut. Es müssen erst neue Berechnungen vorgenommen werden, da unsere Pulverladungen 8,5 kg Pulver enthalten, die deutschen Ladungen aber 9,2 kg schwer sind. Um 10h abends wird Tiger von Tendern auf einen Platz gezogen, wo auch die anderen Schiffe Iltis, Luchs u. Cormoran versenkt wurden, und um ½ 11h hatte er das Schicksal seiner früheren Lebensgenossen geteilt und versank langsam in den blauen, mondbeschienenen Fluten. 31. Oktober, Samstag. Der letzte Akt der Tragödie hat begonnen. Seit ½ 7h a.m. beschießen Japaner aus einer Unzahl (allein gegen 80 schwere Geschütze) die Festungswerke und die Stadt. Alles in allem wohl über 200, dazu noch die schweren Schiffsgeschütze. Ein unaufhörliches Sausen, Grollen, Zischen und Donnern ist in der Luft, dazu die fortwährenden Detonationen der explodierenden Geschosse auf der Erde, und der feine Knall der in der Luft krepierenden unzähligen Schrapnelle. Man kann die errschütternde Wirkung
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solcher anhaltender Beschießung auf das Gemüt nicht in voller Stärke beschreiben, und jemand der das nicht mitgemacht, kann sich unmöglich eine Vorstellung davon machen. Ich bin aber sehr froh und mein Herz schlägt schneller, dass ich das mitmachen kann. Wir stehen am Schiff auf unseren Posten und beobachten mit gemischten Gefühlen überall das Einschlagen der Geschoße am Lande. Gleich bei den ersten Schüssen wurde ein Öltank der amerikanischen Standard Öl Kompagnie in der Nähe des Arsenals in Brand geschossen. Bei der Windstille und dem herrlichen Wetter stieg eine dicke Rauchsäule gegen Himmel, und als ob sie dort oben am blauen Firmament irgendwo auf Widerstand stieße, breitete sie sich wie ein schwarzes Dach über Tsingtau aus. Das brennende Öl floss auch noch in der Umgebung umher. Die ausgedehnte Feuer- und Rauchsäule verhüllte teilweise das Gefechtsfeld. Darüber der blaue Himmel, dazwischen die weißen Rauchwölkchen der platzenden Schrapnells. Es war ein schönes, großartiges, aber doch schauriges Schauspiel und dazwischen das Getöse und Donnern hunderter Geschütze. Um ½ 11h vormittags loderte ein zweiter Öltank auf und kurz darauf auch die kaiserliche Werft. Ein widerlicher Brandgeruch von Öl und Holz schwängerte die Luft, und zu allem setzte nun auch ein Wind ein, der den riesigen schwarzen Rauchballen am Himmel langsam zu lösen begann. Die Japaner hatten mit den brennenden Objekten noch nicht genug. Sämtliche See- und Landbatterien wurden von den Japanern unter das ärgste Feuer genommen. Zwischendurch beschießen einige feindliche Landbatterien die schöne villenartige Stadt, vielmehr, sie wollen das Elektrizitätswerk zerstören, das im Weichbilde der Stadt liegt, da sie aber schlechte Schützen sind, so fielen sehr viele Geschosse auf Privathäuser, und Staubwolken stiegen auf. Auch das Chinesendorf Tai-si-scheng [Taixizhen] wird arg beschädigt, und viele Chinesen werden getötet. Das Elektrizitätswerk wurde nicht beschädigt. Die Japaner haben bei den Prinz-Heinrich-Bergen einen Fesselballon aufsteigen lassen. Zwei Flugapparate fliegen auch über die Stadt und beobachten die Aufschläge. Um 11.50h stellten die Japaner das Feuer so ziemlich ein. Um 12h mittags aber machten die noch intakten deutschen Batterien, es waren nur wenige beschädigt, einen heftigen Feuerüberfall. Die 28 cm Batterie verfeuerte allein 130 Granaten und zeigte den Japanern, dass sie wieder wenig Erfolg mit ihrer Beschießung gehabt hatten. Die Japaner waren über die Frechheit, dass man ihnen das Mittagessen verdarb, und den Tod ihnen in ihr Lager sandte, jedenfalls sehr erbost, denn nach kaum 5 Minuten nahmen sie wieder das Feuer mit aller Kraft auf. Der Donner der Geschütze machte sogar das Schiff erzittern, aber uns machte es nichts, und nur der Wunsch in das Konzert miteingreifen zu dürfen, beseelte alle, denn dem grausig schönen Schauspiel tatenlos zuzusehen, ist wirklich nicht angenehm.
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Nachmittags beschossen die Japaner besonders stark den Observatoriumshügel, auf dem das Observatorium steht, sowie zwei Stück 4,7 cm Ballonabwehrkanonen von Elisabeth, und ein Wasserreservoir. Alle Kurz- und Weitschüsse gingen dabei in die Stadt. Eine stattliche Anzahl Wohnhäuser wurde wieder beschädigt, manche von oben bis unten durchschlagen. Zahlreiche Geschosse explodieren allerdings nicht, was noch ein Glück ist, denn sonst wäre sowohl in den Werken als auch in der Stadt schon alles kaputt. Es wurden bis zu 40 % Blindgänger beobachtet und überall lagen die unversehrten Geschosse, darunter auch etliche 30,5 cm, umher. Die Japaner verschießen nämlich Munition, die noch vom russisch-japanischen Krieg stammt. – Die Signalstation ist bisher noch nicht beschossen worden. Ob die Japaner nicht wissen, dass dort der wichtigste Beobachtungsstand für Tsingtau ist. Ein schweres Unglück traf uns heute. Eigentlich die Batterie 15, das sind die zwei Stück 15 cm-Kanonen von der Kaiserin Elisabeth, die vom Schiff abmontiert und am Lande am Krähenpass aufgestellt wurden. Ich habe die Batterie bereits am 26. September besucht und unter diesem Datum auch kurz beschrieben. Dort wurde also damals fleißig gearbeitet, damit die Batterie bald in Aktion treten kann. Die Munitionskammern wurden sehr schön unterirdisch angelegt. Besonders die Patronenkammer konnte man vom Erdboden nicht unterscheiden, da sie sehr gut mit Bäumen maskiert war. Die Geschoßkammern waren etwa 30 m entfernt, aber nicht so gut geschützt. Die Geschütze hatten eine gute Stellung und waren mit Bäumen maskiert, damit sie nicht vorzeitig von den Fliegern entdeckt würden. Von den Geschützen aus, die etwa 60 m von den Munitionskammern entfernt waren, sind zwei kleine Geleise gebaut, auf denen mit kleinen Handwägelchen die Geschoße und Patronenhülsen von den Kammern herantransportiert werden. Vor dem Eingang zur Munitionskammer befand sich auch in geschützter Stellung das Telephon, von wo aus die Batterie mit ganz Tsingtau in Verbindung stand. 800 m vor der Batterie, Höhe 38, war der Kommandostand aus Beton in die Erde eingemauert worden, wo der Batteriekommandant Herr Fregattenleutnant Baierle weilte und mit der ganzen Front telephonisch verbunden ist. Am 28. September wurde die Batterie dem Gouverneur klar gemeldet. Schon am 29. September trat die Batterie wirksam in Aktion und traf gut ins feindliche Hauptquartier. Damals bekam die Batterie schon die erste Belobung vom Kommandierenden der Landfront. Die Japaner mussten wohl sehr erstaunt gewesen sein, dass die Geschütze in Tsingtau so weit landeinwärts schießen können, aber eben zu diesem Zwecke waren die zwei Geschütze von der Elisabeth abmontiert worden, um am Lande einen wichtigen Faktor in der Verteidigung zu bilden.
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Abb. 35: Eine der beiden 15 cm-Škoda-Kanonen (L/40) von Bug und Heck des Kreuzers Kaiserin Elisabeth; ausgebaut am 28. u. 29. August und an der Landfront bei Taitungtschen [Taidongzhen 臺東鎮] zur Verteidigung von Tsingtau eingesetzt.
Am 10. Oktober traf die Batterie wieder ein Generalstabslager, das am Kauschan [Hushan] stand. Schon der erste Schuss saß, und viele folgten diesem Quadrat nach. Danach gab es alle Tage kleinere Gefechte. Von den Japanern wurde die Batterie tatsächlich nicht entdeckt. Als nun heute früh um ½ 7h die Japaner Tsingtau heftig zu beschießen anfingen, meldete dies Artillerie-Unteroffizier W. Kantz, der Wache hatte, sofort dem Batteriekommandanten, der in der MoltkeKaserne, etwa 5 Minuten entfernt wohnte, und ließ gleichzeitig auch die Geschütze bemannen. Bald begannen die zwei Geschütze zu sprechen und trafen sicher ; auf einmal wurde der Feind, der sich nun schon ziemlich nahe befand, auf unser starkes Feuer aufmerksam und konzentrierte, möglicherweise durch Chinesen verraten, sein Feuer auf die Batterie. Schrapnells und Granaten wirkten in der Umgebung ungeheuer und die Erde wurde dort direkt umgeackert. Die Geschützbemannungen waren dadurch gezwungen, sich in Deckung zu begeben. Die 16 Mann Geschützbedienung und auch Herr Fregattenleutnant Baierle gingen in den Gang, der durch die 2 Geschoßkammern führte und wo sich auch das Telephon befand (s. Zeichnung). Die Deckung bestand zu beiden Seiten aus Erdwällen, die durch Holzpfosten verstärkt waren. Nach vorn und rückwärts war der Gang offen. Dort standen die Braven und wohl hat ihnen das
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Herz noch nie so geschlagen wie in dieser Stunde. Granate auf Granate fiel in die Batterie. Schon zählte man 50 Einschläge, als Unteroffizier Kantz zu Fregattenleutnant Baierle sagte : »Was werden wir den Japsen noch für eine Strafe geben, dass sie den Herrn Fregattenleutnant so früh aus dem Bette trieben.« Herr Fregattenleutnant Baierle sagte lakonisch darauf : »Es bleibt uns nichts übrig, als mit gleicher Münze heimzuzahlen.« Keine Minute später sauste eine Granate in die Deckung, durchdrang das Erdreich und brach die Holzverkleidung. Fast im gleichen Moment schlug durch das vorher gerissene Loch eine zweite Granate dem Erdreich entlang in den Gang ein und das Unglück war geschehen. Von 16 Mann waren 6 sofort tot, 4 schwer und 2 leicht verwundet. Unter den Toten waren : ArtillerieInstruktor Quartiermeister Willy Kantz148, ein flotter Wiener Sohn, dann der österreichische Kriegsfreiwillige Klimanek149 vom österreichischen Konsulat in Schanghai, der obwohl noch nie gedient, doch bei Kriegsausbruch nach Tsingtau kam und bat, bei uns aufgenommen zu werden. Er wurde dem Herrn Fregattenleutnant Baierle als Ordonnanz zu Pferde beigegeben. Weiters fielen die Steuermatrosen Übelbacher150, Pokorny151 und Acs152. Matrose Tauchmann153 starb erst im Spital nach furchtbaren Schmerzen. Es war ihm der linke Arm mit einem Teil der Brust fast vollständig weggerissen. Dem Unteroffizier Kantz und Matrosen Übelbacher waren die links- und rechtsseitigen Gesichtsseiten vollständig weggerissen. Das fand man überhaupt erst nach Tagen. Der Kriegsfreiwillige Klimanek hatte überhaupt den ganzen oberen Teil des Kopfes verloren, die anderen waren noch ärger verstümmelt und wurden erst später ausgegraben. Fregattenleutnant Baierle und Artillerie-Instruktor-Quar148 Wilhelm Kantz, Quartiermeister Artillerieinstruktor ; wohnhaft in Wien V, Wiedner Hauptstraße 115 ; beerdigt am Friedhof Tsingtau am 30. Oktober 1914. 149 Paul Harding-Klimanek, Kriegsfreiwilliger ; die Gefallenenliste (zusammengestellt nach Aussagen der Kriegsgefangenen und deutschen Urkunden) gibt als familiäre Bezugsperson Philipp Harding-Klimanek in Shanghai an ; begraben am Friedhof Tsingtau, 30. Oktober 1914 (Kriegsarchiv, Marine-Sektion, Karton »S.M.S. Kaiserin Elisabeth in Tsingtau« ; Bild des Grabes bei Donko, S. 85). Harding-Klimanek war als Dolmetscher am k. u. k. Generalkonsulat in Shanghai tätig gewesen. 150 Robert Übelbacher, Obermatrose ; aus Budweis (Moosgasse 22) in Böhmen. 151 Franz Pokorny, Matrose 1. Kl.; Wien III, Lorbeergasse 10. 152 Jozsef Acs, Matrose 2. Kl.; aus Valos, Salamegye [= Zala megye = Komitat Zala] in WestUngarn. 153 Franz Tauchmann, Steuermatrose aus Trautenau, heute Trutnov (Lindenstraße 2) im nordöstlichen Böhmen ; lt. der von den japanischen Behörden herausgegebenen Liste aller deutschen Kämpfer und Kriegsgefangenen (Okt. 1915) wurde Tauchmann »Hinter der Hochschule« am 3. Nov. 1914 beerdigt.
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tiermeister Weiß154 waren schwer verwundet und nur Weiß konnte sich mit Aufbietung aller Kräfte noch in die Moltke-Kaserne schleppen. Die vier Mann, die wie durch ein Wunder unverletzt, oder nur Schrammen hatten, mussten erst den Herrn Baierle aus dem verschütteten Gang ausgraben und konnten ihn gar nicht erkennen. Blut und Schmutz bedeckten sein Gesicht und den Körper. Am Auge hatte er eine Rissquetschwunde, am Halse eine größere offene Wunde und im rechten Oberschenkel hatte sich ein fast faustgroßes Sprengstück einer Granate eingegraben und eine große stark blutende Wunde gemacht. Verbandzeug konnte keines gefunden werden, da ja alles verschüttet war, und so mussten die Leute den Offizier mit ihren Taschentüchern verbinden. Ein trotz des Feuers in der Nähe harrendes Automobil, das auch von einem unserer Matrosen geführt war, kam nach Verständigung, trotzdem die feindlichen Granaten immer dichter kamen, so nahe heran als die Straße es ermöglichte und unter Lebensgefahr aller Beteiligten wurde der Herr Fregattenleutnant ins Automobil geschleppt, von wo aus es in sausendem Tempo ins Lazarett ging. Zwei der Unverletzten waren gleich in die Moltke-Kaserne gelaufen und meldeten den Fall, da ja auch die Telephonverbindung in der Batterie zerstört war. Die zwei Mann brachten auch gleich Waschbecken mit, um die Schwerverwundeten zu waschen und die Wunden zu reinigen. Die erbetenen deutschen Sanitätssoldaten kamen um ½ 12h mittags auf ausdrücklichen Befehl eines deutschen Majors zur Batterie, da sich früher keiner in das Feuer wagte, und nun endlich die Leidenden ins Lazarett schafften. Obwohl die Batterie nicht mehr schoß, wurde sie doch den ganzen Tag über mit Granaten überschüttet, und trotzdem standen die am Morgen Unverletzten ihren Kameraden tapfer zur Seite und halfen ihnen, ihre Schmerzen zu lindern. Es geschah auch nichts mehr. Die feindlichen Geschoße schlugen zwar wohl überall ein, aber nicht einmal die zwei Geschütze, auf die die Kanonade doch gerichtet war, und die ohne Erd- oder Panzerschutz ganz frei dastanden, wurden beschädigt. Dieses erste Opfer, das uns sechs brave Leute forderte, war also das erste, das Österreich bei der Verteidigung Tsingtaus gegen die Japaner brachte, und es war wahrlich schwer genug. Als zu uns an Bord die Meldung des Unglückes mittels Scheinwerfer von der Signalstation kam, und der Signalgast die fürchterlichen Worte ablas und sie dann dem Kommandanten melden wollte, blieben ihm die Worte im Halse stecken, als er ins Gesicht dieses Mannes blickte, der um jeden Mann so besorgt ist. Der Herr Kommandant befahl uns, dass alle Mann antreten sollten. Das Signal erscholl über das Schiff, und nach wenigen Minuten stand alles bereit. Der wachhabende Offizier
154 Obermaat Adolf Weiß (1893–1962), Kriegsgefangener im Lager Kumamoto, danach Kurume.
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meldete es dem Kommandanten, und nach 1 Minute kam dieser mit tief gesenktem Haupte zwischen uns und sagte : Kappen ab. Ich muss euch die traurige Mitteilung machen, dass soeben ein Telegramm von der Signalstation ankam, das besagt, dass in unserer Batterie 152 japanische Sprenggranaten eingeschlagen haben und dabei fünf unserer Braven den Tod gefunden haben. Zwei davon sind allerdings noch nicht gefunden und nur drei Tote
konnten erkannt werden. Drei Mann, darunter Fregattenleutnant Baierle sind schwer verwundet.155 Es schmerzt mich sehr, dass uns dieser schwere Verlust treffen musste. Ehre dem Andenken der Gefallenen.
Tränenerfüllten Auges wandte sich unser guter Herr Kommandant, dem von jeher das Wohl jedes Einzelnen am Herzen lag, ab und ging in seine Wohnung. Natürlich ging auch uns diese Nachricht tief zu Herzen und die frohe Stimmung, die bis jetzt, trotz der allgemeinen ernsten Lage geherrscht hatte, schwand. – Artillerie-Instruktor Kantz war noch gestern abends bei uns an Bord gewesen und hatte von der Wirksamkeit der Batterie erzählt und auch eine 15 cm Patrone dem Kommandanten gebracht, die nach rückwärts losgegangen war (Hülsenreißer). Wir unterhielten uns noch sehr gut mit unserem Kameraden, der ob seines Wesens von jeher allgemein beliebt war, und obwohl er scheinbarst Todesahnungen hatte, war er doch auch recht lustig. Beim Abschied, um 8h abends, als er sich wieder zur Batterie begeben musste, sagte er noch lachend : »In zwei Stunden werden wir den Japanern wieder Gute-Nacht-Grüße senden«, und dann noch in etwas melancholischem Tone : »Heute rot, morgen tot«. Und richtig, am nächsten Tag um 7h a.m. lebte dieser blutjunge, tüchtige Unteroffizier nicht mehr. Von diesem Tage an surrten auch mir diese Worte immer in den Ohren. Erst am Abend des Unglückstages konnten die grässlich verstümmelten Leichen geborgen werden. Bei Kantz fand man einen blutbefleckten Abschiedsbrief an seine Mutter in Wien, den er offenbar vor einigen Tagen, als die Japaner anrückten, geschrieben haben dürfte. Die Brieftasche, in der der Brief lag, war auch durch ein Stück Eisen zerrissen, dass auch seine Brust aufriss und so auch den Brief noch mit dem Blute des Helden unterschrieb, aber auch teilweise zerriss und unleserlich machte. Dem Steuermatrosen Tauchmann, der eigens beim 155 Fregattenleutnant Ivo Maria Baierle (1893–1964), aus Görkau (heute Jirkov) in Westböhmen, genas von seiner Verwundung ; Mitte Jänner 1915 transportfähig geworden, wurde auch er von Tsingtau nach Japan überstellt. Als Kriegsgefangener (Nr. 4481) war er zunächst im Lager Osaka, danach im Lager Ninoshima inhaftiert.
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Kommandanten war, um zu bitten, an die Front zu dürfen, wurden, wie heute gesagt, der linke Arm und ein Stück Brust bis auf ein Stück Fleisch weggerissen. Nach furchtbaren Schmerzen, von denen der Arme wahnsinnig wurde, starb er am zweiten Tage und wurde von seinen Leiden erlöst. Die anderen Gefallenen will ich nicht beschreiben.156 Weitere Menschenverluste sind bei der heutigen Beschießung nicht zu beklagen. Beschädigt sind allerdings mehrere Batterien, so die obere Iltisberg-Batterie, die 28 cm Haubitzen-Batterie und Batterie 11 (9 cm) hinter den Petroleumtanks. Der Schaden ist jedoch nicht bedeutend, nur ein 10,5 cm-Geschütz ist als außer Gefecht gesetzt zu betrachten. Auf die Infanteriewerke haben die Japaner ganze Batteriesalven abgegeben, und die Werke haben sehr darunter gelitten. Eine ganze Reihe von Traversen und Brustwehren wurden zerstört, und unter dem auch nachts andauerndem Artilleriefeuer der Japaner ist an eine Ausbesserung natürlich nicht mehr zu denken. Am Anfang, als nur die Schiffe die Werke zeitweise bombardierten, konnten nachts die Schäden überall ausgebessert werden, und sogar wurden teilweise neue Hindernisse angelegt ; jetzt ist dies allerdings unmöglich. Um 6h abends hatte sich der Rauch der brennenden Öltanks über die ganze Stadt und auch über das Vorgelände ausgebreitet, und um diese Zeit hörte auch das feindliche Feuer fast vollständig auf. Um 7h abends wurde auf der Werft der große eiserne Hebekran (150 Tonnen) gesprengt und stürzte ins Hafenbassin. Kurz darauf wurde auch das Schwimmdock an vier Stellen gesprengt und sank auch. So waren heute wieder ein paar wertvolle Stücke Tsingtaus und Zeichen deutscher Kulturarbeit im Fernen Osten den Fluten übergeben. Um 8h abends machte Jaguar noch einen Anlauf gegen den japanischen rechten Flügel und feuerte in ein entdecktes feindliches Lager, von dem sicherlich zahlreiche Japaner nicht mehr aufstanden. Um 10h nachts setzte von feindlicher Seite wieder heftiges Schrapnellfeuer ein. Im Vorgelände, wo die japanischen Geschütze stehen, blitzen bei jedem abgegebenen Schuss die Feuerschlangen auf und machen den Eindruck wie fortwährendes starkes Wetterleuchten, aber nur mit dem Unterschiede, dass das wirkliche Wetterleuchten für den entfernten Beobachter nicht gefährlich werden kann, hier aber jeder solcher Blitze bedeutete, dass wenige Sekunden später 156 Außer den von Kirchner genannten österreichischen Gefallenen ließen noch drei weitere Mitglieder der Besatzung der Kaiserin Elisabeth ihr Leben in Tsingtau : der Matrose 1. Klasse Rudolf Eglsäer aus Prag († 5. Nov. 1914), der Matrose 3. Klasse Anton Fellinghauer aus Proßnitz (Vražice) in Südböhmen († 7. Nov. 1914) sowie der Steuermatrose Ladislaus Kopecny aus Zakopane in Galizien († 7. Nov. 1914).
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eine Verderben bringende feindliche Kugel irgendwo in Tsingtau einschlagen wird. Über der Stadt und den Werken blitzten fortwährend die krepierenden Geschoße, und unzählige kleine weiße Rauchwölkchen blieben zurück. Dazwischen der Donner der feindlichen Geschütze und hie und da auch ein Schuss aus einem schweren deutschen Geschütz. Wunderschön nahm sich der nächtliche Himmel mit dem sich auf der Erde abspielenden Feuerwerk aus. Dazu die zwei mächtigen feuerdurchschienenen Rauchwolken der brennenden Tanks, die sich dunkel vom nächtlichen Himmel abhoben. 1. November, Sonntag. Dem Japaner ist es nicht verborgen geblieben, dass in Tsingtau so nach und nach allerhand Wertvolles vernichtet wird. Zuerst waren es die außer Dienst gestellten Kanonenboote. Dann kleine Dampffahrzeuge und die drei großen Transportdampfer, die in der Hafeneinfahrt gesprengt und versenkt wurden, von denen nur mehr die Masten und die Schornsteine aus dem Wasser ragen. Gestern nun auch der Kran, das Schwimmdock und die Maschinenhallen, Gießerei, kurz und gut, das Tsingtauer Arsenal wird zerstört. Nachts kam nun vom Kommandeur der Belagerungsarmee ein Funkentelegramm, worin er sein Missfallen über unser Zerstörungswerk ausdrückt und uns kund zu wissen tut, dass es Gottes Wille entgegenwirkend sei und auch bei Gott nicht gut angeschrieben werde, wenn in Tsingtau, nur um dem Feinde nichts in die Hände fallen zu lassen, alles zerstört würde. Der Empfang des Funkenspruches wurde von Tsingtau aus nicht bestätigt. Heute nach Mitternacht war das Feuer etwas schwächer geworden, doch mit Tagesanbruch wurde es mit aller Gewalt wieder aufgenommen. Es war eine erschütternde Sonntagsmusik, die da gespielt wurde. Die Glocken Tsingtaus läuteten ja schon lange nicht mehr. Von 7h a.m. an wurden nicht nur die Infanteriestellungen, Werke und Batterien wieder beschossen, sondern auch ganz ziellos die Stadt und überhaupt alles, was innerhalb der feindlichen Einschließungslinie lag. Die Japaner fingen sogar an, auf einzelne Personen, wo sich solche zeigten, zu schießen. Auch die Signalstation erhielt heute die ersten Treffer. So musste stundenlang die Beobachtung von dort aus aussetzen. Die Bemannung suchte Schutz in den bombensicheren Räumen der Funkenstation (Radio). Erst mit Anbruch der Nacht konnte die Station wieder besetzt werden. Aber wie sah es dort aus. Das obere Stockwerk war ein Schutthaufen, und unten lag alles in wildem Chaos durcheinander. Dazwischen hopsten munter Kaninchen, als ob nichts geschehen wäre. Der Signalmast stand noch, und auch die Telephone waren noch intakt. Die deutsche Kriegsflagge nur mehr ein Stück Tuch und stark zerrissen. Eine neue wurde aufgezogen. Die Funkenstation hatte keinerlei große Beschädigungen, sondern nur nebensächliche und war in der Hauptsache klar geblieben. Auch die Bis-
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marckkaserne, in welcher sich der Gouverneur nebst Stab, und der Kommandant der Landfront, Oberstleutnant Kessinger157 befanden, war von mehreren Treffern und vielen Sprengstücken getroffen worden. Die Schiffe beteiligten sich ja heute auch wieder ganz außerordentlich am Bombardement. Fortwährend sah man die braunen Erdmassen in die Luft fliegen, und das Sausen der riesigen Granaten hörte man lange noch. Die Japaner wissen durch ihre Flieger nun schon ganz genau, wo die deutschen Batterien stehen. Auch müssen sie schon erfahren haben, dass gestern das Unglück bei Batterie 15 geschah, denn sie schießen heute überhaupt nicht mehr dorthin, oder nur sehr vereinzelt, so dass dort die verschüttete Munition ausgegraben, die Gleise freigelegt und neue Unterstände errichtet werden können. Vom Schiff aus hatten sich freiwillig wieder 12 Mann hin gemeldet und auch zwei Unteroffiziere, die sich schon lange um diesen Ehrenposten für die Artilleristen beworben hatten, gingen freudig dorthin, obwohl ihnen ja das gestrige Blutopfer als warnendes Beispiel vor Augen stand. Wäre ich ArtillerieUnteroffizier, ich hätte mich auch darum gerissen, zur Batterie 15 zu kommen. Wie werden die Japaner schauen, wenn die beiden Geschütze wieder anfangen werden zu schießen, von denen sie doch sicher glauben, dass sie demoliert sind. Da die Japaner nun genau wissen, wo die Batterien liegen, gelingt es ihnen heute, allerdings mit ungeheurem Munitionsverbrauch, ganz beträchtlichen Schaden in den Befestigungen anzurichten. Von 6 Stück unserer am Lande befindlichen 4,7 cm Schnellfeuerkanonen werden vier so demoliert, dass man überhaupt fast nichts mehr davon findet ; manche Stücke dieser getroffenen Geschütze fliegen weit weg und graben sich oft l m tief in die Erde ein. Von Batterie 6 sind zwei 12 cm Kanonen, von Batterie 7 zwei Stück 8,7 Kanonen zerstört. Bei der Batterie 1 (Passkuppe) sind alle 6 Stück 8,7 cm, in der Batterie 7 wurden ebenso 6 Stück 8,7 Kanonen ganz außer Gefecht gesetzt. Außerdem sind eine 28 cm Haubitze unbrauchbar und drei so schwer beschädigt, dass sie in nächster Zeit wohl nicht in Tätigkeit werden treten können. Die 10,5 cm und 8,8 cm Batterien auf Iltis Huk158 und je 2 Geschütze wurden von See aus und auch vom Lande her schwer unter Feuer genommen und stark beschädigt. Bei Batterie 12 links vom Bismarckberg 7 Stück 21 cm Geschütze wurde eines vollständig unbrauchbar gemacht. Batterie 13 beim Artilleriedepot wurde furchtbar beschossen und natürlich vollständig außer Gefecht gesetzt. So wurden also heute von 157 Oberstleutnant Friedrich von Kessinger (Dresden 1866–1946 Weimar), Kommandeur des III. Seebataillons ; Kirchner erwähnt ihn nochmals am 10. November vor dem Abmarsch in die japanische Kriegsgefangenschaft, die Kessinger im Lager Nagoya verbrachte. 158 Die östliche Landzunge der Iltis-Bucht (norddt. für Kap, Haken, engl. hook).
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etwa 110 Geschützen, die die Armierung Tsingtaus bilden, 32 unbrauchbar gemacht und etliche beschädigt, von den demolierten Maschinengewehren gar nicht zu reden. Man spürt in Tsingtau diesen Verlust umso mehr, da diese Geschütze ja nicht mehr ersetzt werden können, und Tsingtau hat also heute einen schweren Schlag erlitten. Noch zwei oder drei solcher Tage und die Stadt wäre, jeder artilleristischen Hilfe entblößt, nicht mehr zu halten. Das starke Bombardement hatte den ganzen Tag schon unter großer Heftigkeit angehalten, aber um 5h nachmittags wurde es plötzlich noch fürchterlicher, und keine Sekunde verging, in der es ruhig gewesen wäre. Eine Kanonade wie nie zuvor ging los. Bei uns wusste man was das bedeutete : einen einzuleitenden Sturm auf die Infanteriewerke, der durch Artillerie unterstützt wurde. Und kurz darauf kam auch von Jaguar schon das erwartete Signal. Ungeheure Infanteriemassen gehen im Sturmschritt auf das Haupthindernis bei Infanteriewerk 5 vor. Für uns bedeutete das, dass wir nach einigen Tagen wieder einmal ins Gefecht, ja in den Kampf kämen, denn es hieß, um jeden Preis das Artilleriefeuer der Japaner, das auf Infanteriewerk 5 gerichtet war, abzulenken, und die anstürmende Infanterie zum Stehen zu bringen. Wir stürmten nun, natürlich mit dem Schiff, dem Feinde so nah, als es das seichte Wasser erlaubte, in die Flanke, und eröffnen, während mit 14 Meilen gefahren wird, ein Schnellfeuer aus unseren 15 cm Geschützen auf die stürmenden Japaner, das ohnegleichen war. Der Feind stutzte wohl einen Moment, aber diese Zeit benutzten wir, in die stillstehende Masse Lage auf Lage zu feuern, und gaben dadurch den Leuten in dem Infanteriewerk 5 Zeit, sich zur Abwehr mit Infanteriegewehren und Maschinengewehren zu sammeln. Aber nun kamen auch schon die ersten feindlichen großen Granaten gegen uns explodierend geflogen, ein Krach erfolgte, und 6 Geschoße schlagen rings um uns, in ganz gefährlicher Nähe, ins Wasser. 40 Schuss haben wir schon abgefeuert, der Zweck wäre erreicht, denn der Infanteriesturm scheint abgeschlagen zu sein, aber wir sind nun im Feuer drinnen, fahren noch näher an die feindlichen Batterien (24 cm) heran und schleudern unsere Geschoße gegen die japanische Artillerie. Bald verstummen zwei feindliche Geschütze, dafür aber setzen fünf neue wieder ein, und fast regelmäßig kommen deren Geschoße gegen uns geflogen. Ein Zischen, Fauchen und Krachen macht einen unwillkürlich erbeben, aber unsere Artilleristen schießen ruhig weiter. Da diese die überall ringsum ins Wasser schlagenden Schüsse sehen und auch einige Wasserspritzer abbekommen, aber doch nicht verletzt werden, ist allen bewusst, dass tatsächlich das Glück mit uns fährt. Die Rohre dampfen vor Hitze und dehnen sich merklich aus. Den Lauf kann man überhaupt gar nicht mehr angreifen vor hoher Temperatur. Leider wird es finster, und in der Dämmerung vom fahrenden Schiff aus aufs dunkel sich abhebende Land schießen, ist sehr schwer und
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verspricht wenig Erfolg. Von feindlichen Geschoßen wütend verfolgt, fahren wir nun langsam nach rückwärts feuernd, mit 10 Meilen außer den Wirkungskreis der feindlichen Geschütze. Gar mancher haute sich nun ermattet hin und blieb bewegungslos liegen. Es war ein heißer, aufregender aber doch schöner Kampf, und durch das Geschick unseres Herrn Kommandanten wurden wir auch sicher durch das Feuer geführt und blieben unversehrt, während die Japaner sehr schwere Verluste gehabt haben müssen. Leider war aber unser Munitionsvorrat beträchtlich zusammengeschrumpft, und noch ein solches Gefecht hätten wir nicht mehr bestehen können. Wir wussten nun, dass die Liesl nicht mehr lange in der Kiautschau Bucht schwimmen würde. Um 7h abends ruhte der Kampf vollständig. Die Japaner hatten gesehen, dass die Werke noch nicht sturmreif seien, und dass neue Artillerievorbereitungen für eine Beschießung getroffen werden mussten. Und wirklich um 9h abends, setzte ein neues Bombardement ein, und die Infanteriewerke I und V wurden unter fürchterliches Feuer genommen. In einer Minute schlugen in Werk V allein 217 Schuss ein, so dass also von einer Verteidigung keine Rede mehr sein konnte. Sturm erfolgte einstweilen noch keiner, aber feindliche Truppenmassen wälzten sich langsam unter dem Schutze der Dunkelheit heran. Es werden neue Truppen gewesen sein, denn die, die früher vorgeschickt wurden, werden sich wohl kaum mehr vorgewagt haben. Unsere Scheinwerfer leuchteten zeitweise das Vorgelände ab, aber die Projektoren wurden dann jedesmal stark beschossen, und sie mussten doch für den stets zu erwartenden Generalsturm aufgespart bleiben. Um ½ 11 nachts, ich war gerade in der Maschine bei Tee und Butterbrot, kam von oben der Befehl »Alle Mann antreten«. Wer in der Maschine entbehrlich war, eilte hinauf, da man wusste, wenn um diese Zeit, wo bereits die halbe Besatzung schlief, Antreten ist, etwas ganz Besonderes vorgefallen sein muss. Ich selbst musste allerdings in der Maschine bleiben, und erst, als die anderen Unteroffiziere wieder herunterkamen, erfuhr ich, was los war. Der Korvettenkapitän [Pauspertl] verlautbarte, dass vom Gouverneur der Befehl gekommen sei, da wir keine Munition mehr haben, und Tsingtau auch bei einem erneuten heftigen Angriff fallen wird, das Schiff, um nicht den Feinden in die Hände zu fallen, zu sprengen. Als ich diese Entscheidung, die man ja eigentlich erwartet hatte, und die auch notwendig war, hörte, wurde mir tatsächlich schlecht, und es ging mir wie ein Stich durchs Herz. Essen konnte ich überhaupt nichts mehr, und auch meinen Kollegen erging es so. Je zwei und zwei verließen wir nun die Maschinen, und ich begab mich in meine Kabine, um meine notwendigsten Effekten zusammenzupacken und kleidete mich um, sodann begab ich mich wieder in die Maschine und zwei andere Unteroffiziere gingen ihre Sachen packen. Um
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11h nachts wurde ich auf Deck gerufen. Was war dort los. Man teilte mir mit, dass ich mit noch einem Unteroffizier ein Zugskommando zu übernehmen habe und zur Landungskompanie eingereiht war. Gewehr, Patronentasche, Bajonette etc. waren bereit. In voller Ausrüstung eilte ich nochmals in die Maschine zurück, um von meinen Kameraden, die nicht bei der Kompanie eingeteilt worden waren, einen, vielleicht letzten Händedruck zu wechseln, und als das geschehen war, warf ich noch einen Blick auf die Maschine, die uns aus Pola bis hierher geführt hatte und mit der wir alle gehofft hatten, auch wieder zurückzukehren. Aber es war anders bestimmt, und in wenigen Stunden, wenn die Sonne des 2. November am Himmel emporsteigen wird, wird sie die alte Elisabeth nicht mehr sehen, denn sie wird nach 24jährigem Dienste ihre Laufbahn ehrenvoll am Grunde des chinesischen Meeres in der Bucht von Kiautschou beschlossen haben. Nun, ich musste mich mit diesen traurigen Gedanken abfinden, machte noch einen Sprung in die Kabine, nahm in größter Eile das Notwendigste am Rücken. Vieles, was man gerne mitgenommen hätte, musste man zurücklassen, da es unmöglich ist, mit einem großen Pack in die Front zu gehen. Außerdem hatte ich ja noch auf der rechten Schulter das Gewehr und links meine Hängematte mit Decke. Auf Deck angekommen, ging ich gleich zu meinem Zuge und harrte des Befehles, das Schiff zu verlassen. Aber es dauerte noch eine Weile. Die Mannschaften mussten noch die Munition der 4,7 cm Schnellfeuerkanonen, die ja nicht geschossen hatten, auf Deck bringen, damit diese Munition bei Sprengung des Schiffes auch sicher vernichtet werde. Das ganze Deck war nun voll solcher kleinkalibriger Geschoße, die in Blechbüchsen steckten. Auch die Geschützverschlüsse der 15 cm Kanonen wurden zerlegt und ins Meer geworfen. Auf Deck war auch eine Menge Proviant an Brot, Konserven, Butter, Käse etc. etc. aufgestapelt, den wir mitnehmen sollten, aber fast niemand hatte Appetit darauf, so dass auch das alles ins Meer versenkt wurde. Endlich um ½ 12 nachts begannen die ersten, das Schiff zu verlassen. Darunter auch Herr Fregattenleutnant Baron Kuhn von Kuhnenfeld,159 der von nun an mein Kompaniekommandant ist. Mit finsterem Ernst verließ einer nach dem anderen das Schiff über das Seefallreep zu den untenstehenden Booten. Ich harrte am Abstieg, bis mein Zug eingeschifft war. Während dem trat unser Schiffskurat160 zu mir und fragte mich : »Ja, was ist denn aus Ihnen geworden, Sie sind doch Maschinenunteroffizier, und nun haben sie das Gewehr in der Hand.« Ich antwortete ihm : »Ich habe mich freiwillig an die Front gemeldet und vertraue auf Gottes Hilfe, und 159 Fregattenleutnant Kuhn von Kuhnenfeld (1892–1933) aus Wien (s. Eintrag im Tagebuch 1. Mai 1914). 160 Marinekurat Rudolf Hudecz (* 1885), Marinegeistlicher seit Okt. 1904.
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gehe mit Freude dem Ungewissen der nächsten Stunden entgegen.« Er klopfte mir noch auf die Schulter, drückte mir die Hand und sagte : »Gott mit Euch«. Diese Minuten vor dem Verlassen des Schiffs werden mir immer in Erinnerung bleiben. Während wir am 25. August das Schiff mit unbefriedigtem Ehrgeiz, ohne etwas vollbracht zu haben, verlassen mussten und es jedermann leid tat, so vom Schiff zu gehen, konnten wir diesmal es doch verlassen mit dem beruhigenden Gewissen erfüllter Pflicht, und indem wir das Schiff verließen, um es dann zu sprengen, erfüllten wir mal wieder eine neue Pflicht, nämlich gewissermaßen unsere zweite Heimat mit etwas Ungewissem zu vertauschen, um dieses Stückchen »Österreich« nicht in die Hände des Feindes fallen zu lassen. – Im Boot angekommen, übernahm ich gleich die Munitionsverteilung an 40 Mann, und Verhaltungsmaßregeln wurden während der Fahrt vom Schiff bis zum Lande gegeben. Kaum am Molo im kleinen Hafen angekommen, sausten schon die feindlichen Kugeln, meistens Brandgeschoße, um uns, und etliche klatschten ins Wasser. Den Molo entlang waren wir schutzlos, bis wir nach etwa 5 Minuten Laufschritt in den Schutz eines Holzschuppens kamen. Dort wurde Halt gemacht, und die 1. Kompanie sammelte sich. Nun kam auch der Kurat [Rudolf Hudecz], der auch mit uns das Schiff verlassen hatte, und nachdem wir alle »Habt Acht« standen, nahmen wir auch die Kappen ab und Gewehr bei Fuß. Der Herr Kurat betete ein Vaterunser. Sodann hielt er eine ergreifende Ansprache, in der er betonte, dass jetzt der ernsteste Augenblick unseres Lebens, im Leben eines Mannes, an uns herantritt und doch damit auch die schönste Pflicht, die ein Mann erfüllen kann. Dem Feinde entgegen, fürs Vaterland, für Ehre und Ruhm : Wir haben zwar unsere Pflicht als Marineure schon am Schiffe getan, und hätten
sie auch weiter getan, aber die hiesigen Umstände verlangen eben, dass das Schiff gesprengt wird und wir Schulter an Schulter mit der deutschen Besatzung Tsingtaus am Lande weiterkämpfen. Die christliche Religion gestattet es nun, dass in einem solchen Falle, in dem eine Truppe gegen den Feind des Vaterlandes zum Morde auszieht, den Kämpfern ihre Sünden verziehen werden. Eure Seele wird nun rein sein, und ihr könnt mit reiner Seele sterben und ins ewige Himmelreich eingehen. Ich erteile Euch hiermit im Namen Jesu Christi die heilige Absolution, auf dass ihr selig werdet und eingehet in das Reich Christi.
Drei Vaterunser beendeten diese hochherzigen Worte, die einen tiefen Eindruck auf jeden von uns ausübten und im Angesichte der vor und seitwärts von uns einschlagenden Geschoße beteten wir laut ein Vaterunser und gingen dann immer unter dem Schutze von Gebäuden in die Kronprinz-Wilhelm-Straße in ein
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Privathaus. Da dort kein Platz mehr für 120 Mann war, ging ich mit einem der Unteroffiziere auf Suche nach einem anderen Quartier. Bald fanden wir auch ein solches, in einer anderen Straße, in einem ganz neuen villenähnlichen Gebäude, wo auch eine Hilfslazarettstation eingerichtet war. Hier legten wir uns um ½ 1h a.m. nieder. Aber nicht lange dauerte es, als wieder der Befehl kam, sofort marschbereit machen. Obwohl wir alle von den Aufregungen der vergangenen Stunden sehr müde waren, standen die Leute doch binnen 5 Minuten bereit, und nun ging’s wieder vollbepackt zu dem Hause, bei dem wir zuerst waren. Dort schlossen wir uns einem deutschen Offizier an und gingen ihm nach. Aber nach kaum 100 m Weges schlugen links von uns die feindlichen Granaten ein, und Häuser stürzten zusammen. Vor diesen Häusern hatte eine fahrende Batterie Stellung genommen und feuerte gegen die Japaner. Diese nahmen natürlich ihrerseits wieder das Feuer auf diese Batterie auf und feuerten dabei natürlich auch auf die dahinterliegenden Häuser. Deshalb mussten wir auch aus unseren Quartieren heraus und mussten umsiedeln. Eine Granate schlug keine 3 m vor mir in die Erde, explodierte aber zum Glücke nicht, sonst hätte ich wohl nicht mehr weiterzugehen brauchen. Durch diese Granate wurde mir und auch vielen anderen der Ernst unserer Lage wohl sehr verständlich vor Augen geführt, und man hatte nun stets das Bestreben, in Deckung sich vorwärts zu begeben. Einzeln und in Abständen von 2 bis 3 Schritt zogen wir so durch die finstere Stadt, und die Dunkelheit wurde nur zeitweise durch das Licht abgefeuerter Raketen an der Front erhellt. Zweimal klopfte der deutsche Offizier an Gebäuden um Unterkunft, aber nirgends war Gelegenheit, um 120 Mann unterzubringen. Endlich kam beim Gouvernementgebäude die Weisung, dass wir uns in die Gouvernementschule begeben sollten. Um ½ 3h a.m. des 2. November langten wir endlich dort ein und legten uns zugsweise in den schönen Klassenzimmern nieder. Angezogen mussten alle bleiben, sogar Schuhe und Sandalen durften nicht abgelegt werden, da wir ja jeden Moment zur Verstärkung an die Front gerufen werden konnten. Dessen ungeachtet schlief alles sofort ein, und ich wachte erst um 10h vormittags wieder auf. Eine gute Suppe bildete das Frühstück. Einen Mann meines Zuges schickte ich fort, um in der Konditorei einige Bäckereien für mich und die Mannschaften, lauter tüchtige Ungarn, zu bringen. Warum soll man sich nicht auch die letzten paar Stunden noch etwas vergönnen ? Kurz nachdem ich aufgestanden war, kam zu uns die Nachricht, dass – die Kaiserin Elisabeth um ½ 4h a.m. gesprengt worden sei. Bei dieser Nachricht erfasste mich unwillkürlich eine tiefe Trauer wie um einen lieben Bekannten, den der Tod von der Erde genommen hat. Ich konnte es gar nicht fassen, dass unsere Liesl nicht mehr sei, und doch wusste ich nur zu genau, dass dem doch so
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ist. Waren wir doch deshalb vom Schiffe weggegangen, da es gesprengt werden musste. Nun, wie wurde das 4000 Tonnen Schiff vernichtet ? Nachdem wir um ½ 12 nachts das Schiff verlassen hatten, blieben noch 30 Mann an Bord. Um 12h Mitternacht wurden die Anker wieder gehisst und das Schiff trat seine letzte Fahrt an. In den beiden Maschinen waren je drei Unteroffiziere verblieben. Vor den Kesseln zwei Unteroffiziere und zwei Heizer. Mit ganzer verfügbarer Maschinenkraft wurde nun etwa 20 Minuten gefahren bis zur tiefsten Stelle in der Bucht (etwa 60 m). Dort wurden die Anker geworfen. Ein Teil des Proviants wurde ausgeschifft, um ans Land gebracht zu werden. Da die Hauptmaschinen nicht mehr gebraucht wurden, wurde Hafenbetrieb eingeschaltet. Die Kessel blieben in Betrieb, und die normale Dampfspannung wurde beibehalten. Flaggen, Signal- und Chiffre-Bücher, Schiffspapiere, Geheimakten, Instrumente, kurz und gut alles, was militärischen Wert besaß, wurde vor die Kessel gebracht und den Flammen übergeben, damit es sicher vernichtet sei und nicht dem Feinde als Siegestrophäe jemals in die Hände fallen sollte. Man konnte ja nicht wissen, wie das Schiff unter der Sprengung leiden würde, und jedenfalls werden die Japaner trachten, Teile des Schiffes später zu bergen. Zur Sprengung selbst wurden in den mittleren Munitionskammern, Backbord und Steuerbord, zwei Torpedozündspitzen mit je 100 kg Schießbaumwolle aufgestellt und Zündschnüre bis auf Deck hinauf gelegt, die die Eigenschaft hatten, auch unter Wasser noch fortzuglimmen, und 15 m lang waren, und etwa nach 15 Minuten nach der Entzündung den Funken zur Torpedospitze bringen und die Schießbaumwolle zur Explosion zu bringen. Um 2h nachts kam vom Kommandanten der Befehl, in der Maschine die Unterwasserteile zu öffnen. Die Leute, die in den Maschinen waren, hatten nun schwere Arbeit. Zuerst wurden die Seewasserein- sowie -ausströmungsventile geschlossen. Sodann wurden die Deckel der großen Drainageventile losgenommen, die Ventile selbst herausgenommen und die Deckel wieder darauf gegeben. Sodann wurden die vorher geschlossenen großen Ein- und Auslaßventile der Kondensatorkühlung wieder geöffnet, und mit gurgelndem Laute drang das Seewasser in das Schiffsinnere ein. Wenn diese Ventile geöffnet sind, so dringen stündlich 500 Tonnen ins Schiff. Außerdem wurden sämtliche Hähne und Ventile, die das Eindringen des Wassers beschleunigen können, geöffnet. Die Torpedolancierrohre (4) und Kohlendepottüren sowie die Schottentüren wurden geöffnet, und im ganzen Schiff hörte man das rasend schnell eindringende Wasser gurgeln und rauschen. Sämtliche Hilfsmaschinen, Kessel sowie auch die Lichtmaschinen blieben in Betrieb. Nun aber war für die Leute am Schiff höchste Eile nötig. Die 30 Mann begaben sich auf einen Tender, der seitwärts des Schiffes anlegte, und so blieb also nur der Herr
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Kommandant, Herr Fregattenleutnant Fröhlich161 und Maschinenvorstand R. Hinner162 an Bord. Der Tender fuhr weg und die Dampfbarke IX, in der auch ich 8 Monate gefahren war, legte am Seefallreep an, um die drei Offiziere aufzunehmen. Als letzter verließ der Herr Maschinenvorstand das Schiff, nachdem er die Zündschnüre angezündet hatte. Nun fuhr auch die Dampfbarke weg, denn es wäre sehr gefährlich gewesen, in der Nähe des sinkenden Schiffes zu bleiben. In einer Entfernung von 400 m blieben der Tender und die Dampfbarke stehen, um das Ende der Elisabeth anzusehen. Langsam sank das Schiff, durch das eindringende Wasser in die Tiefe gezogen. Nach 15 Minuten fragte der Herr Kommandant den Vorstand, ob er sicher sei, dass die Torpedospitzen explodieren werden, worauf dieser antwortete, dass er zwar noch nie so etwas gemacht habe, aber er sei doch des Erfolges sicher. Kurz darauf, nach der 18. Minute, das Schiff war bereits etwa 3 m gesunken, stob ein mächtiger etwa 50 m hoher Funkenregen gegen den nächtlichen Himmel empor, und einige Sekunden später vernahm man erst die fürchterliche Explosion. Kurz darauf die zweite Explosion und wieder flog eine Menge Eisenteile hoch. Darauf neigte sich das Schiff etwas nach links, und plötzlich war es verschwunden. Die Dampfbarke fuhr nun in einem Bogen an den Platz und man konnte nochmals eine Explosion hören. Die Kessel waren jedenfalls auch explodiert. Das Wasser war direkt heiß, und kleine Wasserwirbel waren noch zu sehen. Der Herr Kommandant nahm die Kappe ab und sah in das tiefe, dunkle Wasser. Bald darauf fuhren sie an Land. Also, um ½ 4h a.m. des 2. November 1914 hatte S.M.S. Kaiserin Elisabeth aufgehört zu sein. Was das für uns hier, so weit von der Heimat entfernt, zu bedeuten hat, weiß nur der, der darauf war. Als wir am 19. August 1913 mit dem Schiff Pola verließen, begannen wir, es uns so gemütlich als möglich für zwei Jahre einzurichten, waren wir doch durch den Aufenthalt am Schiffe gewissermaßen »zu Hause«, obwohl wir doch 30.000 km vom wirklichen Zuhause entfernt waren. Nun wird uns dieses Stückchen Heim hier in der Fremde fast unter den Füßen weggenommen, und alles muss man stehen und liegenlassen, und man geht ans Land, einem ungewissen Aufenthalte entgegen, und solange wir nun nicht wirklich wieder nach Hause kommen, solange werden wir kein gemütliches Heim haben. Mit dem Notdürftigsten haben wir das Schiff verlassen und gar viel Wertvolles musste zurückgelassen werden und wurde dem Wasser preisgegeben. Aber es ist eben Krieg, und dabei werden ja in der Heimat viele 161 Oskar Fröhlich (1891–1969), aus Graz in der Steiermark ; Kriegsgefangener in Himeji bzw. Aonogahara. 162 Robert Hinner (1882–1964), aus Wien ; Maschinenbetriebsleiter 2. Klasse, verbrachte die Zeit als Kriegsgefangener ebenfalls in Himeji, anschließend in Aonogahara. Nach der Gefangenschaft nahm er eine Stelle in Niederländisch Indien an.
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Leute schwere Verluste zu ertragen haben. Aber eins ist sicher : S.M.S. Kreuzer Kaiserin Elisabeth ging in Ehren unter. Als wir um ½ 12h nachts das Schiff verließen und an Land fuhren, wütete ein fürchterliches Artilleriefeuer gegen die deutschen Stellungen, das zu beschreiben unmöglich ist. Gegen 12h nachts erfolgte auch ein Infanterieangriff. Drei japanische Abteilungen waren mit Sturmgeräten und je 10 Maschinengewehren bis an das Haupthindernis von der Sturmstellung aus herangekommen. Trotz des anhaltenden Schrapnell- und Granatfeuers, mit dem die feindliche Artillerie die Infanteriewerke, hauptsächlich 4 und 5, eindeckte, gelang es doch den Besatzungen der Infanteriewerke, den Feind mit schwerem Verlust zurückzuwerfen. Aber die Japaner wollten offensichtlich unter allen Umständen heute Nacht Tsingtau nehmen. Denn kaum eine Stunde nach dem vorerwähnten Sturm wurden fast doppelt so viele Truppenmassen gegen Infanteriewerke 4 und 5 geworfen als vorher ; aber auch dieser Sturm wurde mit doppelt schweren Verlusten für den Feind zurückgeschlagen. Die Infanteriewerke wurden unterstützt durch ein mörderisches Feuer der intakten Batterien Tsingtaus, die in den in Massen vordringenden Gegnern ein gutes Ziel fanden und furchtbar aufräumten. Nach diesen Stürmen, samt dem am Abend der ersten unternommenen, waren also von 120–200 Mann drei Stürme von mindestens 6–8000 Mann abgewehrt worden, mit kaum nennenswerten Verlusten der tapferen Verteidiger. Heute am 2. November dröhnt seit aller Früh schon der Kanonendonner über unseren Häuptern. Die Beschießung richtet sich heute hauptsächlich gegen das Infanteriewerk 4. Dort ist alles bereits wie umgepflügt. 250 Treffer aus schweren Kalibern hat das Werk bis jetzt erhalten, dazu unzählige aus leichteren Kalibern. Alle Brustwehren und Traversen sind zerstört. Das Furchtbare ist, dass die Munition überall sehr schwindet, und gestern mussten schon vier 12 cm Geschütze der unteren Iltisbergbatterie gesprengt werden, weil sie ihre sämtliche Munition bereits verschossen haben. Aus demselben Grunde musste ja auch die Elisabeth versenkt werden. Man sieht jetzt ein, dass sich Tsingtau keine Woche mehr halten kann. – Solange die Beschießung dauert, sind auch immer die Flugzeuge des Feindes über der Stadt. Einer der feindlichen Flieger warf heute folgende Bekanntmachung herunter : (Ich gebe alles so wieder, wie es auf den Flugblättern stand).163
163 Auch das vom Tageblatt für Nord-China A.-G. herausgegebene Kriegstagebuch der Belagerung von Tsingtau 23. Juli bis 29. November 1914 (Tientsin 1915) druckte diesen Zettel ab (S. 30/31).
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An wehrte Herren Offiziere und Mannschaften in Festungen ! Es dürfte dem Gotteswille und der Menschlichkeit entgegenwirkend sein, wen man die noch nicht ausgenützten Waffen, Kriegsschiffe, Baulichkeiten ohne taktischen Anspruch zu haben, zu Grunde richten würde und zwar aus der eifersüchtigen Absicht darauf, daß sie in die Hände des Gegners fallen werden. Obwohl wir bei Herrn Offizieren und Mannschaften es gewiß nicht glauben können, so eine Gedankenlosigkeit zu verwirklichen, erlauben wir uns jedoch, die oben erwähnten als unsere Meinung zum Ausdruck zu bringen. Das Belagerungskommando.
Heute Abend wurde daraufhin die ganze kaiserliche Werft eingeäschert. Es wird den gelben Räubern nicht viel in die Hände fallen, und wenn sie uns auch noch so oft ermahnen. Von unserem Quartier, die Gouvernementschule, ein schönes, stattliches Gebäude mit sehr schönen Räumen, sieht man weit hinaus aufs Meer und zeitweise auch die japanische Blockadeflotte. Rechts von der Schule steht die Tsingtau-Batterie, die fast den ganzen Tag ihre 15 cm-Geschosse dem Feinde entgegenschleudert, um seine Batterien zu zerstören und ihm so viel Schaden als möglich zuzufügen. In der Schule selbst ist ein schönes Klavier und Noten, so dass einige unserer Leute Stücke zum Vortrag bringen. Zu Mittag bekommen wir das Essen aus einem Privatgebäude und am Nachmittag legten wir uns fast alle wieder nieder, ich riet dies meinen Leuten ausdrücklich, da wir die ganze Nacht nicht werden schlafen können. Bis 4h schliefen wir trotz des fortwährenden Kanonendonners, an den man sich aber schon vollkommen gewöhnt hat. Um diese Zeit bekam ich vom Kompaniekommandanten den Befehl, an meinen Zug doppelte Munition zu verteilen, so dass jeder Mann 80 Patronen hat, und um 5h abmarschbereit zu sein hat. Um 5h konnten ich und die drei anderen Zugskommandanten unserem Offizier melden, dass wir klar seien. Bald darauf rückten wir aus. Ein fürchterlicher Sturm brauste und man musste sich anstrengen, um vorwärtszukommen. In einer Straße, unter Deckung, machten wir halt und warteten, bis die deutsche Marinekompanie kam. Nun gings weiter gegen die Front zu. Da aber die Japaner systematisch alle Straßenzüge, die an die Front führen, unter Schrapnell und Granatfeuer halten, so ist es unmöglich, dort vorzugehen. Wir müssen daher Fußpfade einschlagen, und einzeln gehts durch kleine Wälder bergauf, bergab bis zum Artilleriedepot. Um 6h abends machen wir halt, und unter Straßenböschungen, Steinen, Bäumen etc. nehmen wir Deckung. Natürlich muss achtgegeben werden, dass die Züge gefechtsklar beisammen bleiben. Da wir hier als Reserve blieben, konnten sich die Leute niederlegen. Decken hatten wir ja alle mit. Aber nicht lange, und es kam vom Kommandanten der Reserveformation der Befehl vorzugehen,
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da wir hier noch zu weit weg von den Infanteriestellungen sind und wir näher heran müssen. Also auf, und durch hügeliges Erdreich, niederes Gestrüpp, über Zäune etc. gehen wir vorwärts, bis wir nach ½ Stunde an die Hsiaupatau-Straße [Xiaobaodao-jie] kamen und dort in langer Linie zwischen Moltke-Berg und Missionshügel in Reservestellung gingen.164 Man musste sich, so gut es das Terrain erlaubte, gegen das feindliche Artilleriefeuer, das auch diese Straße und die beiden Berge, auf denen Artillerie stand und auch zeitweise gegen die Japaner feuerte, so gut als möglich schützen. Nachdem ich meinem Zuge eine günstige Stellung angewiesen hatte, suchte auch ich mir einen Platz, breitete meine Decke aus und legte mich darauf, aber nicht, um zu schlafen, sondern um zu denken, wann es an den Feind gehen würde. Es war eine schaurige Nacht. Um 11h setzte ein Regen und Sturm ein, der einem den Aufenthalt im Freien äußerst unangenehm machte, aber wir mussten auf unseren Posten bleiben, und man wickelte sich halt so gut es ging in seine Decke ein. Um diese Zeit machte ich eine Runde zu meinem Zuge und schärfte den Leuten ein, ja acht zu geben, dass die Patronen nicht nass würden. Erst um 12h wickelte auch ich mich ein und legte mich auf einen Abhang lehmiger Erde. Aber hier hielt ich es wieder nicht lange aus, und ich fing an, auf der Straße, in die Decke gehüllt, auf- und ab zu gehen. Gegen 1h a.m. kam den Berg die fahrbare Feldhaubitzenbatterie heraufgefahren, um von des Berges höchster Stelle auf den Feind zu schießen. Jedenfalls ging an der etwa 2 km entfernten Front etwas Wichtiges vor, und ich wäre gerne mitgerannt, aber das erlaubte meine Pflicht als Schwarmführer nicht. So musste ich leider hier untätig warten, und noch dazu surrten unaufhörlich die Granaten surrend um uns, und man konnte nichts dagegen tun. Gegen 2h fing es in einem am Abhange des Moltke-Berges liegenden Wald durch eine Granate an zu brennen, aber gleich kamen Leute aus dem in der Nähe liegenden Fort und löschten das Feuer. Derweil schlug es immer dicht herum ein und hörte es an einer Stelle auf zu brennen, fing es woanders an. Dazu der furchtbare Sturm. Ich sah mit meinem Fernglas hin und sah, wie die Leute unter dem feindlichen Geschoßhagel das Feuer bekämpften. Gegen 3h wurde das feindliche Feuer noch stärker, aber auch die deutschen Geschütze schwiegen nicht. Vorn bei der Infanterie fing es an zu knattern, bald rollte es längs der ganzen Stellung, und die Artillerie gab die Akkorde dazu. Dann krachte es wieder bei unserer Artillerie aus schwerem und schwerstem Kaliber, und es folgte nun ein Höllenkonzert, das nicht zu beschreiben ist. Unter dem Schutze des Schnellfeuers der japanischen Artillerie, das sich auf 4–6000 m auf die Stellungen konzentrierte und von den 164 Auf dem sog. Missionshügel standen die Einrichtungen der evangelischen Ostasienmission : Pfarrgebäude, Schulen und das Faber-Hospital.
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Tsingtauer Batterien nur schwach beantwortet werden konnte, wälzte sich eine Truppenmasse von 5–6000 Mann gegen einen schmalen Teil unserer Front. Der Himmel war hell erleuchtet von dem Feuer der Hunderte von Geschützen, das Brausen der durch die Luft sausenden, teils meterlangen Geschosse, das heulende Pfeifen der Feldgranaten, das ununterbrochene Tak ! Tak ! der Maschinengewehre, und das rollende Infanteriefeuer waren eine furchtbare Musik ; der Boden erzitterte von der Gewalt der Detonation. An Schlaf dachte jetzt wohl keiner mehr, und einem jeden, der Zeuge dieses Kampfes war, wird dies unvergesslich bleiben. Aber auch ein jeder wird dem Feinde nicht die Bewunderung für diesen Sturm, der jetzt stattfand, versagen können. Wenn auch in Deckung, hatten unsere Leute doch den furchtbaren Hagel der Granaten auszuhalten, der sie am Schusse hindern sollte, und trotzdem schlugen sie den Sturm ab, nachdem der Feind tatsächlich in diesem Höllenfeuer bis auf 10 Schritte vor das Drahthindernis herangekommen war, und der Sturm hier vollständig zusammenbrach. Eine Stunde dauerte dieser Kampf, dann wurde das Feuer auf japanischer Seite schwächer, und unsere Artillerie schoss gewissermaßen als Sieger noch bis früh in den Morgen hinein. Wir kehrten um 5h a.m. auf durchweichten, mit zahlreichen Granatlöchern versehenen Straßen in unser Quartier zurück, wo ein guter Kaffee uns erwartete und unsere halberstarrten Glieder erwärmte. Dann aber legten wir uns alle schleunigst schlafen, allerdings angezogen, in nassen Kleidern und in nassen Decken. 3. November, Dienstag. Vormittag kommt die Nachricht, dass der Steuermatrose Tauchmann seinen Verletzungen vom 31. Oktober erlegen ist. Nachmittag werden die sechs Todesopfer vom 31. Oktober von unseren Leuten, die im Minendepot sind, am europäischen Friedhof beerdigt. Auch heute dauert den ganzen Tag über die Kanonade an. Die Infanteriewerke sind schon mehr Schutthaufen als Befestigungen. Heute haben auch die Japaner endlich das Elektrizitätswerk, das sie schon vier Tage bombardieren, zerstört. Am ärgsten ist die Funkenstation davon betroffen, da sie ohne Strom unbrauchbar ist, und keine Telegramme mehr über unsere Lage nach Schanghai auf den Dampfer Sikiang abgeben kann.165 Die Scheinwerfer haben zum Glück alle selbständige Batterien. Heute mussten wieder einige Geschütze gesprengt werden, weil sie ihre Munition verschossen hatten. Bei der Bismarck-Kaserne wurden heute einige Chinesenhäuser durch die Beschießung zerstört.
165 Die Sikiang war ein Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie (1800 t), die sich damals in Shanghai befand, im Hafen eines – noch – neutralen Landes ; auch am 14. Sept. im Tagebuch erwähnt.
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Da wir in der Gouvernementschule zu weit von der Front weg sind, müssen wir uns in eine näher gelegene Stellung begeben. Zu diesem Zwecke marschieren wir um 5h abends auf abgesonderten Schleichwegen in die Moltke-Kaserne, den letzten Teil Weges bis dorthin mussten wir laufen, damit wir auf der Straße nicht entdeckt würden, und da auf dieser Straße alle 6 Minuten 4 Schuß abgegeben wurden, mussten wir diese Zeit benutzen, in der die feind1iche Artillerie nicht hierher schoss, und 120 Mann etwa 800 m weit laufen. Und wirklich, kaum waren die letzten der Kompanie von der Straße weg, als auch schon kaum 100 m hinter uns drei Geschoße auf der Straße krepierten, während eines ein Blindgänger war. Die Moltke-Kaserne, die keine 20 Minuten von der Front entfernt ist, war vor zwei Tagen so heftig von See und Land aus beschossen worden, dass die noch dort einquartierten Soldaten des III. Seebataillons schleunigst die Kaserne verlassen mussten und an die Infanteriewerke abgingen. Wir wurden in den bombensicheren riesigen Kellergewölben untergebracht, und konnten wir uns das erstemal wieder nach einigen Tagen auf ein weiches Kopfkissen und eine Matratze legen. Die oberen Aufbauten der schönen Kaserne sahen furchtbar aus. Durch das Dach waren die Geschoße eingedrungen und hatten 2–3 Stockwerke durchschlagen. Aber auch hier konnte man viele Blindgänger finden, die die Mauern durchschlagen hatten und dann wirkungslos irgendwo am Boden lagen. In einem Unteroffizierszimmer war das 15 cm Geschoß etwas oberhalb des Fensters eingedrungen, hatte eine große Bresche geschlagen und war dann auf das Bett des Unteroffiziers gefallen. Friedlich lag es jetzt dort, und nur das große Loch in der Mauer, etwa 1 ½ m im Durchmesser, und die im Zimmer umherliegenden Ziegel und der viele Schutt wiesen darauf hin, dass die Granate dazu bestimmt war, mehr Schaden anzurichten. Manche Granaten hatten überhaupt nicht mehr die Durchschlagskraft, um eine Mauer durchzuhauen und blieben in derselben wirkungslos stecken. Wir bilden hier unter dem Kommando des deutschen Korvettenkapitäns von Sachße166 zwei Kompanien der Kampfreserve, und ein Zug deutscher Landsturmmänner ist auch in einem der Gebäude einquartiert. Dadurch, dass wir jetzt so nahe den Hauptstellungen sind, brauchen wir jetzt nicht mehr so wie gestern im Freien zu übernachten, sondern können in der Kaserne bleiben. Um 8h abends bekommen wir noch unser Nachtmahl und dann durfte man sich niederlegen, allerdings mit Schuhen, Gamaschen und Rüstung, was zwar keineswegs angenehm war, aber doch noch besser, als die ganze Nacht in Sturm und 166 Fritz Sachße (Hohenthurm, Sachsen 1875–1954 Göttingen), von Dez. 1913 bis Aug. 1914 Kommandant des Kanonenboots Iltis ; danach dem Gouvernement zugeteilt als Kommandant der Festungsreserve ; Kriegsgefangenschaft in Fukuoka, aus der er im Nov. 1915 geflohen war.
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Regen, so wie gestern, im Freien zu biwakieren. Mit den Infanteriewerken war die Vereinbarung getroffen worden, dass überall dort, wo Gefahr droht und die Linie vom Feinde durchbrochen wird, vier rote Raketen abgefeuert werden sollten, auf das hin wir dann ausrücken würden. Mir ließ es keine Ruhe in meinem Bette, und ich stand auf, machte eine Runde bei sämtlichen Posten um die Kaserne und überzeugte mich von deren Wachsamkeit, was ich zwar nicht zu tun brauchte, aber es interessierte mich sehr, aus unmittelbarer Nähe das Gewehrund Maschinengewehrfeuer zu hören, und beim Mondenschein war es wirklich schön, in die Nacht hinauszuschauen und das fortwährende Wetterleuchten zu beobachten. Auch der Kasernenhof wurde zeitweise stark mit Schrapnell überschüttet um zu verhindern, dass Leute in die Gebäude kämen. Aber wir waren ja schon da, und die Füllkugeln sausten zischend, aber wirkungslos zu Boden. Die Schrapnells der Japaner wurden sehr schön niedergeschossen, und krepierten in kaum 150 m Höhe. Das Krepieren der Schrapnells kann man mit dem Bellen eines Hundes, und zwar eines jungen, vergleichen. Zwischen dieses Bellen hinein hörte man zeitweise den heftigen Knall, den von den zwei Geschützen unserer Batterie 15, die knapp rechts neben der Kaserne (Krähenpass) liegen. Die Batterie, die am 31. Oktober so schwer betroffen wurde, konnte gestern ihr Werk wieder aufnehmen und ihre sechs toten Kameraden rächen. Wie werden die Japaner gestaunt haben, als ihnen wieder die österreichischen Granaten entgegensausten und 10fach die sechs Gefallenen rächten. Die Leute bei der Batterie, deren Kommandant jetzt Herr Linienschiffsleutnant von Klobučar167 ist, der bei uns an Bord unser tüchtiger, unerschrockener Artillerieoffizier war, müssen jetzt sehr vorsichtig sein, und sie geben 3 oder 4 Schuss ab, dann laufen sie in Deckung, die Japaner schießen, setzen dann wieder eine Weile aus, während dem geben die Unseren wieder einige Schuss ab, und sobald die Japaner wieder ihr Feuer auf die zwei Geschütze konzentrieren, müssen die Leute wieder in Deckung gehen. So geht dies die ganze Nacht. Jedenfalls sehr anstrengend und aufregend. Erst um 12h nachts, nachdem mich eine starke Anspannung befiel, entschloss ich mich, schlafen zu gehen und legte mich in voller Ausrüstung nieder. Um 4h a.m. wurde ich von einem deutschen Offizier geweckt und dieser sagte mir, dass Alarm sei. Die Offiziere wurden geweckt. Auch meinen Zug alarmierte ich. Binnen 2 Minuten war der Zug gestellt und unserem Kompaniekommandanten gemeldet. Auch die anderen Abteilungen der zwei Kompanien waren bald 167 Viktor von Klobučar (Susak bei Fiume 1878–1965 Zagreb). Klobučar war am 1. Juli 1896 in die k. u. k. Marine eingetreten. Nach der Auflösung der österreichisch-ungarischen Monarchie votierte er für das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen und diente als Stabsoffizier in der kgl. jugoslawischen Marine.
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gestellt und zum Abmarsch bereit. Aber wir mussten bis ¾ 5h warten, und dann kam anstatt des heißersehnten Kommandos »An die Front« der Befehl, dass wir uns wieder niederlegen könnten, da heute trotz des fortwährenden starken Infanterie- und Artilleriefeuers kein Infanterieangriff stattgefunden hat. Aber keiner legte sich mehr nieder, obwohl wir nun Rüstungen, Schuhe und Gamaschen ablegen und uns ausziehen durften, da ja bei Tag kein Sturm erwartet wurde. Um 6h a.m. bekamen wir Kaffee, Wurst und Butter und Brot. 4. November, [Mittwoch]. Während des ganzen Tages darf kein Mensch aus den Gebäuden hinaus, und wir müssen den Leuten strenge Weisungen geben. Würden die Japaner erfahren, dass hier 150 Mann frischer Truppen stehen, so würden sie die Kaserne in Grund und Boden schießen. Wir müssen also in unseren Gemächern verbleiben, und bald legt sich auch alles wieder schlafen, um für die kommende Nacht, die gewiss einen Sturm feindlicher Massen gegen die Infanteriewerke bringen wird, zu sammeln. Zu Mittag bekommen wir auch wieder nur Kaffe und kalte Konserven, da untertags nichts an Proviant etc. in die Kaserne geschafft werden darf, um unseren Aufenthalt darin nicht zu verraten, da ja doch die Chinesen in großem Maßstabe Spionage für die Japaner treiben, und diese durch Lichtsignale die Bewegungen in der Festung erfahren. Die Beschießung dauert auch heute ununterbrochen fort. Die Japaner haben ihre Laufgräben bereits bis an das Glacis von Tsingtau vorgeschoben. Unter dem Schutze ihrer Artillerie können sie ja auch ungestört arbeiten. Das Feuer ist so verheerend, dass die Besatzungen die Unterstände überhaupt nicht mehr verlassen können ; es sei denn, dass die Japaner stürmen, dann kennen die braven Verteidiger nichts mehr und setzen sich dem furchtbaren Feuer aus, nur um den Feind nicht eindringen zu lassen. Heute werden die Werke noch verstärkt, denn die Matrosenartilleristen, die ihre Geschütze sprengen mussten, kommen in die Front. An Gewehrmunition fehlt es Gott sei Dank nicht. Nachmittags nehmen auch die Schiffe an dem Reigen teil. In das Haupthindernis, die mannshohe Steinmauer, die gegen Tsingtau zu abfällt, haben 28 cm Granaten schon große Breschen gerissen und erleichtern dadurch den Japanern den Angriff sehr. Die Leute in den Infanteriewerken kommen überhaupt nicht mehr aus ihren Kleidern. Auch haben die meisten Werke unter Wassermangel und Proviantzufuhr zu leiden, denn jeder Wagen, ja sogar jede einzelne Person, die sich auf den Zufuhrwegen der Werke sehen lässt, wird mit einem Hagel von Schrapnells überschüttet. Waschen gibt es dort überhaupt nicht mehr, denn das wenige Wasser wird zur Bereitung von Kaffee und Tee verwendet. Durch das Bombardement werden auch heute wieder einige Geschütze außer Gefecht gesetzt. Huitschenhuk [Huiqianjia/Huiqian-Huk] erhielt einen 30,5 cm Volltreffer auf Turm 4. Sechs Mann waren sofort tot, die übrigen der
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Bedienungsmannschaft verletzt. Es schießen jetzt überhaupt fast ausschließlich die großen Haubitzenbatterien der Japaner und beschießen so Tag und Nacht im Verein mit der schweren Schiffsartillerie die Befestigungen und die Stadt. Es ist nur mehr ein ununterbrochenes Getöse und Gekrache, in das sich auch der Donner unserer Geschütze, wenn auch nicht mehr so lebhaft, mischte, denn es musste ja mit der Munition sehr gespart werden. Tsingtau stand eigentlich seit dem 31. Oktober unter einem Hagel von Eisen und Blei. Auch das Hauptlazarett im Prinz-Heinrich-Hotel wurde gefährdet, der große Krankensaal musste geräumt werden, da durch das Dach und die Fenster Geschoße schlugen. Ein Geschoß ging im Maschinenhaus (für Beleuchtung und Heizung), bei dem einer unserer Maschinenunteroffiziere Dienst hat, knapp ober dem Kessel in den Saal herein und auf der anderen Seite wieder hinaus und fiel in den Hof. Auch unser Schiffsarzt Dr. Dub168 ist in diesem Spital und auch 12 Mann von der Elisabeth-Besatzung wurden noch zur Sanität kommandiert, um hier im Verein mit den freiwilligen Krankenpflegerinnen die Doktoren zu unterstützen und die Verwundeten des nachts von der Front hereinzubringen. Die Schwerverwundeten aus dem gefährdeten Prinz-Heinrich-Hotel wurden in das fertiggestellte Hilfslazarett »Technische Hochschule« überführt, welches dem feindlichen Feuer nicht so ausgesetzt ist. Überall am Himmel sieht man die unschuldig anzusehenden, weißen Wölkchen der platzenden Schrapnells. Die Gegend zwischen Stadt und der vordersten Verteidigungslinie wurde durch Artilleriefeuer eingedeckt, um die kämpfenden Truppen und die Festungswerke von der Zufuhr von Nahrung und Munition abzuschneiden. Aber todesmutig im dichtesten Kugelregen und Granathagel sausten die Kraftwagen, etwa 60 Stück hin und her. Während all dieser Betrachtungen wird es 5h Nachmittag und es kommt wieder der Befehl, marschbereit zu machen. In wenigen Minuten sind wir so weit. Um 6h bekommen wir wieder einmal warmes Essen, was dem Magen sehr gut tat. – Die Japaner unternehmen diese Nacht vier kleinere Vorstöße, die es aber nicht notwendig machen, dass wir ausrücken, denn die Angriffe wurden alle leicht abgeschlagen. Jedenfalls haben sich die Japaner von ihren Verlusten am 1. und 2. November noch nicht erholt und machen deshalb jetzt nur Scheinangriffe, um die schwachen Stellen der Verteidigungslinie auszukundschaften. Erst um 4h a.m. des 5. November mussten wir wieder bis 6h in Alarmbereitschaft gehalten werden, da um diese Zeit der Dämmerung sicherlich der Hauptsturm erfolgen wird. Aber auch diesmal blieb er aus.
168 Linienschiffsarzt Dr. Ernst Dub (1873–1935).
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5. November, [Donnerstag]. Untertags darf man auch heute wieder nicht aus
der Kaserne hinaus. Um 3h nachmittags erscheint über uns ein japanischer Flieger, und auch die Posten müssen sofort eingezogen werden. Der Flieger machte nur zwei Schleifen über den Gebäuden und entfernte sich dann wieder. Untertags dauern das Geschützfeuer und auch das Infanteriefeuer fortwährend an. Um 5h machen wir uns wieder klar zum Ausmarsch. Um 8h abends rückte die Kompanie Schlick aus, das sind die 50 Mann von der Elisabeth, die unter dem Kommando des deutschen Oberleutnants von Schlick169 stehen, dessen Urgroßvater österreichischer General war.170 Die Kompanie ging in Zwischenstellung bei Infanteriewerk II und IV. Unser [Korvetten]kapitän von Sachße verabschiedete sich von der Kompanie mit warmen Worten. Um ½ 9h kam auch für uns der Befehl zum Abmarsch. In voller Ausrüstung, jeder Mann 180 Patronen, ich hatte mir noch einen Stoffsack gemacht und konnte 300 mitnehmen, die allerdings ziemlich schwer waren. Je sechs und sechs Mann gingen wir einzeln aus der Kaserne und mussten auch ein Stück auf der fortwährend beschossenen Straße zurücklegen. Damit eine einschlagende Granate nicht zu große Verluste uns beibringe, wurde eben diese Marschformation von sechs und sechs Mann in Abständen von 10 Metern angenommen. Bald bogen wir von der Hauptstraße ab und gingen nun im Gänsemarsch über zahlreiche hügelige Wiesen- und Ackerflächen, die aber alle ganz zerrissen waren von den feindlichen Geschoßen. Nach etwa 20 Minuten Marsch kamen wir in eine große Ravine, von wo aus uns ein deutscher Offizier die Unterstände anwies. Ich kam mit meinem Schwarm in eine unterirdische Erdhöhle, die über ½ m tief mit Wasser gefüllt war. Kein trockenes Plätzchen war hier. Noch dazu war die Höhle so nieder, dass man stark gebückt darin stehen musste, dabei durfte natürlich auch das Gewehr nicht ins Wasser kommen, kurz und gut, der Unterstand war sehr unangenehm. Ich suchte den Leuten natürlich die Zeit so angenehm als möglich zu machen, und damit sie auch nicht einschliefen, schlug ich ihnen vor, es solle jeder eine Geschichte aus seiner Heimat erzählen. Freudig nahmen sie diesen Vorschlag an, und der erste begann. Da es lauter Ungarn waren, die aber auch alle etwas Deutsch konnten, so kamen oft ganz ungemein heitere Ausdrücke vor, so dass alles lachte. Als alle fertig waren, bat mich einer, ich soll aus meiner Heimat etwas erzählen. Da mir aber das 1 ½ stündige Stehen in der gebückten Stellung schon äußerst unangenehm war, sagte ich, wer will, soll herauskommen, wir wollen trotz der feindlichen Artilleriefeuer uns eine bessere Stellung suchen ; damit 169 Oberleutnant Friedrich von Schlick, III. Seebataillon ; Kriegsgefangenschaft in Nagoya. 170 Franz Graf Schli[c]k zu Bassano und Weißkirchen (Prag 1789–1862 Wien), 1844 FML, 1849 Gen. d. Kavallerie ; in Wien sind eine Gasse u. ein Platz nach ihm benannt.
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waren natürlich auch alle einverstanden, und wir krochen aus unserem nassen Loch heraus und stürmten 200 m vor, wo wir geschützte Artilleriestellungen fanden, die mit Laufgräben untereinander verbunden waren. Zwei andere Unteroffiziere und ich fanden einen schönen Unterstand, in dem zwei aus Erde geformte Bänke mit Decken bedeckt standen und wohl für acht Mann Unterstand boten. Hier machten wir es uns ganz bequem. An Schlafen war natürlich nicht zu denken. Das gegenseitige Feuer wütete auch jetzt in rasendem Tempo weiter. Ein furchtbarer Sturm heulte durch die dunkle Nacht, und der Geschützdonner dröhnte von allen Seiten, überall blitzten die Feuerschlangen der Geschütze auf, der ganze Himmel war vom Wetterleuchten der Schlacht erhellt, und das geisterhaft bleiche Licht der Leuchtraketen und Balken überstrahlte für Sekunden mit seinem ruhigen Glanze das unruhige Zucken und Blitzen der feuerspeienden Geschütze. Ich lehnte mich außerhalb des Unterstandes an die aus Sandsäcken gebildete Brustwehr und blickte mit meinem Fernglas umher. Vor unserer Stellung liegt ein kleiner Hügel, den wir besetzen müssen, falls sich die Infanteriewerke 4 oder 5 nicht mehr halten können. Hinter diesem Hügel liegen die Infanteriewerke und das Haupthindernis. Also etwa 800 m von unserer Stellung entfernt tobt der eigentliche Kampf. Rings um mich höre ich fortwährend ein eigentümliches Surren, als ob Bienen oder Stechmücken vorbeifliegen möchten ; ich achte bald genauer darauf, da kann ich auch schon ein mehr metallisches Surren unterscheiden, und gar bald schlagen diese Dinger rings um mich klatschend in den Boden. Es sind Gewehrkugeln. Zwei Stück, die knapp neben mir einschlugen, hob ich auf und betrachtete mir die Dinger. Da aber dieses unheimliche Schwirren immer intensiver wurde, duckte ich mich doch hinter die Sandverdeckung und ging endlich in den Unterstand. Dort fror ich aber bald so in den Füßen, die ja vom früheren Unterstand noch ganz nass waren, dass ich wieder hinaustrat und die Kugeln um mich surren ließ. Ich musste nachdenken, wieso die Kugeln über den Hügel darüber und hier herunter kämen. Bald fand ich auch die Erklärung. Die japanischen Soldaten schießen bekanntlich sehr schlecht, und zwar halten sie, wenn sie vorrücken, das Gewehr in den Hüften, und schräg nach aufwärts und feuern blindlings ab. Dadurch, dass sie das Gewehr so hoch halten, bekommen die Geschoße sehr hohe und weite Flugbahnen, daher die unzähligen Projektile, die hierher kamen. Dadurch erkannte ich auch, dass große feindliche Infanteriemassen einen Sturm unternehmen müssen oder sich sonst irgendwie am Haupthindernis betätigen müssen. Um 12h kam vom Kommandostand auch die Meldung, dass japanische Sturmkolonnen bis nahe ans Haupthindernis heranrücken. Sie benutzen dabei nicht einmal die aufgeworfenen Schützengräben. Unsere hauptsächlich durch Munitionsmangel geschwächte Artillerie kann den Feind nicht mehr wesentlich behindern. Alle Werke befinden sich
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im Alarmzustand, und die Maschinengewehre und Maschinenkanonen richten noch große Verheerung unter den Japanern an. Auch diese Nacht werden sie abgewiesen. Gegen 3h am Morgen wird das Artilleriefeuer noch heftiger. Ringsum pfeifen, schreien, heulen, donnern, tosen, sausen, bellen und schwirren die feindlichen Geschoße. Die Fortifikationen, die hinter unserer Stellung liegen, werden furchtbar beschossen, und immer je 6 und 6 Schrapnells krepieren über den Festungswerken, wenn man überhaupt von solchen reden kann. Das Feuer der platzenden Geschoße erleuchtet für Momente den Berg taghell. Auch wir bekommen jetzt Granat- und Schrapnellfeuer. Ich dachte zuerst, es seien zu früh explodierte Schrapnells, die für die Werke hinter uns bestimmt seien, aber als Lage auf Lage über uns platzte, und sausend die Sprengstücke und Füllkugeln niederfielen, da wusste ich, dass die Japaner diese Schützengräben unter Feuer nahmen, um ein Vorgehen unsererseits zu verhindern. Aber nicht nur unsere Gräben wurden heftig beschossen, sondern auch der ganze Hügel vor uns, den wir besetzen sollten, wurde mit vorkrepierten Geschoßen eingedeckt, so dass es uns unmöglich gewesen wäre, die Schützengräben zu verlassen. Als mir die Geschichte hier im Freien zu bunt wurde, ging ich in Deckung und ließ das feindliche Feuer auf die Sandsäcke niederprasseln. Die Deutschen haben in dieser Nacht starke Verluste. Am 6. Oktober [= November], Freitag um 5h a.m. treten wir 150 Mann den Rückmarsch in unsere Kaserne an, da der Kampf bei Tagesgrauen fast vollständig aufgehört hatte. Im Laufschritt laufen wir über Felder und Wiesen, wo möglich unter Deckung, damit uns die Japaner von den vorgelagerten Bergen, auf denen sie ihre Beobachtungsposten haben, nicht sehen. Unglücklicherweise kommt aber gerade, als die letzten die Stellung verlassen, hoch in den Lüften ein feindlicher Flugapparat über die Stellung, und wir können sicher sein, dass er uns gesehen hat und wir nächste Nacht stark beschossen werden. Ziemlich erschöpft erreichen wir nach 20 Minuten Lauf die Kaserne. Die Lungen keuchen vom Laufe und sind erhitzt, und die kalte frostige Morgenluft wirkt von außen auf die Lungen ungünstig ein. Schon um 7h a.m. ergreifen die feindlichen Geschütze wieder das Bombardement. Die Werke werden buchstäblich zusammengeschossen, die Unterstände zertrümmert. Bei einem Werke wurden in einer Stunde heute morgen allein 140 Aufschläge schwerer Granaten gezählt. Nur schwach erwidern unsere noch intakten Batterien das Feuer. Fort Hsiauniwa [Xiaoniwa], das auch schon etliche Treffer erhalten hat, schießt sogar mit durchlöcherten Geschützrohren. Die Munitionsverschwendung der Japaner grenzt ans Unglaubliche. Auf die einzelnen Personen, die sich auf den höher gelegenen Straßen zeigen, besonders auf Radfahrer, eröffnen die Japaner sofort ein wütendes Schrapnellfeuer. Man braucht
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sich nur zu zeigen, gleich sind die Dinger da, und auch mancher Chinese muss sein Leben lassen. Gestern Abend fanden wir z.B. einen toten Chinesen in einem Graben liegen, dem beide Hände weggerissen waren und auf der Straße stand allein sein Karren. Mittlerweile ist man aber schon ganz apathisch dagegen geworden und wünscht sich beinahe auch schon, dass einem eine Kugel gut treffe. Auch die Schiffe schleudern heute wieder ihre 30,5 cm Granaten in die Stadt, und manches schöne Haus wird zertrümmert. Der Yamen, das alte chinesische Regierungsgebäude, geht in Flammen auf. Von der Arkona See aus schossen japanische Kreuzer auf die Fortifikationen und steckten sie in Brand. Nachmittags wird von den Japanern das Hauptwasserwerk gestürmt. In dem Werk befanden sich 23 Mann der III. Kompanie I. Seebataillon aus Infanteriewerk V. Ob sie niedergemacht oder gefangen sind, ist uns nicht bekannt. Es ist mittlerweile allen klar geworden, dass Tsingtau in kürzester Zeit fallen muss. Der gestrige große Durchbruchsversuch der Japaner im Watt nördlich von Infanteriewerk V wurde allerdings noch unter großen Verlusten für die Japaner abgeschlagen. Jaguar beschoss dabei von der Flanke aus die anstürmenden Feinde. Lange vermögen wir jedoch nicht mehr, unserem übermächtigen Feind zu widerstehen. Vielleicht ist es schon nächste Nacht um das schöne Tsingtau geschehen. Infolge der fürchterlichen Beschießung, die in unverminderter Stärke noch immer andauert, befinden sich ja auch die Infanteriewerke schon in der traurigsten Verfassung. Unsere Batterien verschießen ihre letzte Munition. Auch die oberste Leitung muss den Ernst der Lage erkannt haben, denn heute morgen verließ der Flieger Oberleutnant Plüschow mit einigen wenigen Dokumenten und der Fahne des III. Seebataillons die Stadt mit seiner Taube. Da uns die Japaner schon zu sehr auf den Hals gerückt sind, vermochte er uns in den letzten Tagen doch nichts mehr zu nützen. Der Flieger gedenkt, die chinesische Stadt Heitschau [Haizhou] zu erreichen.171 Dort soll er seinen Apparat vernichten und mittels Boot nach Schanghai fahren. Gleich nach seinem Aufstieg gingen hier der Flugzeugschuppen, die Ballonhalle mit dem Fesselballon und am Hafen das inzwischen fertig gestellte Wasserflugzeug, das aber leider zu keinem Aufstieg mehr gekommen war, in Flammen auf.172 171 Plüschow verließ Tsingtau im Morgengrauen des 6. November und landete auf einem Reisfeld bei der Stadt Haizhou 海州 im Nordosten der Provinz Jiangsu 江蘇. Um die Neutralität Chinas nicht zu verletzen, verbrannte er das Flugzeug, den ausgebauten Mercedes-Motor übergab er dem zuständigen Mandarin zur Aufbewahrung. Haizhou ist heute als Verwaltungsbezirk in die Stadt Lianyungang 連雲港市 einbezogen. 172 Dieses Flugzeug, einen Wasserdoppeldecker, hatte Plüschow gemeinsam mit dem österreichischen Linienschiffsleutnant Viktor von Klobučar gebaut, der zuvor bei der k. u. k. Seeflieger-
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In den abendlichen Gefechtspausen der feindlichen Artillerie, die immer kurz vor Eintritt der Dunkelheit sind, werden die Trümmer der zerschossenen Werke so gut wie möglich fortgeräumt. In diesen Pausen erfolgten auch die Ablösung der Wachen, die Proviantverteilung an die in den Zwischenstreichen untergebrachten Mannschaften und die Überführung von Reserven an die Werke. Gedeckt durch das Artilleriefeuer haben die Japaner heute Abend an verschiedenen Stellen das Haupthindernis eingerissen. Von Infanteriewerk 3 haben die Japaner heute einen 50 m langen und 3 m hohen Wall auf dem Glacis des Haupthindernisses aufgerichtet. Hinter dem Wall tragen die Kerle Sturmgerät herbei. Sie mögen die Werke nun wohl für sturmreif ansehen, und sicherlich erfolgt heute Nacht der Hauptsturm. Auch wir müssen von 5h Abend an marschbereit sein. Um 8h bekommen wir noch Milchreis mit Zimt und Zucker, und dann wurde den Leuten erlaubt, sich mit Rüstung niederzulegen. Ich allerdings finde keine Ruhe und gehe ins Freie. Draußen ist ein Donnern und Getöse, dazwischen rattern die Maschinengewehre und das eigentümliche Bum-Bum der Maschinenkanonen. Dieses schaurige Schauspiel beleuchtet der Mond mit seinem silberhellen Schein, und zeitweise steigen rote oder weiße Raketen gegen den Himmel. Mir kommen unwillkürlich Gedanken an die Heimat, und wie ja das in den jetzigen Zeiten öfter der Fall war, ziehen alle Gesichter von zu Hause, wie ich sie zuletzt gesehen habe, an mir vorüber. Ich will mich nun wieder niederlegen, aber mein Gehirn arbeitet zu stark und ich stehe wieder auf. Mir fällt das schöne Lied ein : »Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen, morgen in das stille Grab.« Ich sehe mich schon als tot, und nicht vor dem Tode graut mir, sondern nur vor dem Massengrab. Wenn man das Getöse draußen hört, so kommt es einem ganz unmöglich vor, dass man dieser Hölle lebend entkommen kann, und ich habe ja überhaupt schon vor einigen Tagen die Gewissheit erlangt, dass ich fallen würde, und füge mich freudig diesem Schicksal, aber nur, wenn ich vorher auch ein paar der gelben Räuber ins Jenseits befördern kann. Um 10h setze ich mich beim Schein einer Taschenlampe schweren Herzens dazu, einen Abschiedsbrief an meine Mama zu schreiben, und falls ich falle, wird derselbe bei mir gefunden werden. Nun erst, nachdem ich diese letzte Pflicht getan hatte, legte ich mich gegen 11h nieder, und meine Gedanken weilten jetzt nur noch beim Kampfe, den ich hoffentlich bald bestehen könnte. Dabei schwebte mir, so unangenehm das auch war, fortwährend vor, dass ich den nächsten Morgen nicht mehr sehen würde. truppe war ; wegen der bevorstehenden Kapitulation wurde der Doppeldecker am 5. November vernichtet. Klobučar war zunächst in Kumamoto und Kurume in Kriegsgefangenschaft, seit Sommer 1918 in Aonogahara.
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Endlich nickte ich leicht ein, hatte ich doch vier Tage schon nicht ordentlich geschlafen, und der Körper und die Nerven forderten ihr Recht. Aber wirklich schlafen konnte ich doch nicht, denn jeden Schuss hörte ich und jede Regung im Gebäude und den Schritt der Posten. Plötzlich hörte ich eilige Schritte durch den Korridor kommen, und obwohl ich eigentlich schlief, blitzte es mir durch den Kopf : »Jetzt gehts los.« Ich sprang auf, riss die Tür, die am Korridor führte, auf, und mir entgegen fiel ein deutscher Offizier. Ich fragte ihn sofort : »Na, dürfen wir endlich ausrücken ?« Worauf er mir antwortete : »Ja, es wird euer letzter Gang sein, denn draußen ist die Hölle los.« Für mich war es eine wahre Freude, und ich schrie, so laut ich konnte, durch den Gang : »Alarm«. Dann stürmte ich in die Zimmer, in dem mein Zug und die Schwärme schliefen und weckte alle. Sofort standen alle bereit, und auch die anderen Züge traten an. Als der deutsche Offizier von dem Zimmer unserer beiden Herrn Kompaniekommandanten herauskam, standen wir bereits alle fertig da, und er war sehr erstaunt und sagte : »Großartig«. Unsere beiden Offiziere gingen noch zum Kommandanten der Reserve, Kapitän Sachße, zu einer kurzen Besprechung, und als sie um etwa ½ 1h nachts zurückkamen, marschierten wir ab. Da natürlich wieder sämtliche Straßen unter Feuer der Japaner standen, mussten wir wieder gruppenweise im Laufschritt vorgehen, und ohne Verluste kamen wir glücklich in unsere gestrige Stellung. Kaum aber waren wir dort angekommen, als die Japaner ein Granatenund Schrapnellfeuer auf unsere Gräben eröffneten. Die Japaner mussten von Chinesen durch Lichtsignale verständigt worden sein, dass wir uns in die Stellung begeben. Es war unglaublich, wie schnell die Japaner sich auf die Gräben eingeschossen hatten. Ich stand nur wenige Minuten außerhalb des Unterstandes, und nachdem neben mir ein Blindgänger keine 2 m eingeschlagen hatte, zog ich mich in den etwas sicheren Erdunterstand zurück, und wir lehnten vor den Eingang eine Bretterwand vor, um nicht durch hereinschlagende Sprengstücke nutzlos gefährdet zu werden. Ein richtiger Bleihagel ging los und polterte auf die Bretter. Das Surren und Sausen der großen Geschoße hörte man aus dem Bleiregen noch deutlich heraus. Plötzlich ein Krach nach dem anderen. Ha ! Ha ! man schoss mit Granaten auf uns, um uns zu zwingen, unsere Erddeckungen zu verlassen. Aber da die Japaner nur mit 10–12 cm Geschützen schossen, so hielt die Erddeckung dem Feuer stand. Es war allerdings so ein Lärm, dass man kaum sein eigenes Wort verstand. Einige Witze wurden allerdings unter uns drei Unteroffizieren noch gemacht, aber mit der Zeit wurde der Spaß der Japaner doch etwas zu stark, denn plötzlich ein Krach, und ich dachte, meine letzte Stunde sei gekommen. Als nach wenigen Sekunden mir und auch den anderen zwei nichts geschehen war, schauten wir uns an und sahen, dass wir alle wohlauf waren. Nun untersuchten wir die Höhle und kamen darauf, dass direkt ober uns eine 8 cm
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Granate ins Erdreich eingeschlagen hatte, bis auf die Bretterbekleidung, die die Decke von 3 cm bildete, durchgedrungen war und erst vom Holze aufgehalten wurde. Wir hatten Glück gehabt, denn wäre die Granate beim Aufschlag explodiert, so wären sowohl das Erdreich, als auch das Brett durchschlagen worden und wir hätten wohl auch aufgehört, zu atmen. Ich wollte nun ein wenig frische Luft schnappen und die Brettertür ein wenig lüften. Aber die Tür ging nicht auf. Ich dachte, wir wären verschüttet, und sagte dies meinen beiden Kameraden. Mit vereinten Kräften rüttelten wir an der Tür, denn wir mussten sie unbedingt freibekommen, damit, falls Befehl kommt, in die Feuerlinie zu gehen, nicht unsere Züge ohne Führer blieben. Aber die Türe ging auch jetzt noch nicht auf, erst als wir mit den Rücken dagegen stemmten, flog sie auf, und was sahen wir ? Etwa 20 Sandsäcke, viel Erdreich und Steine, die durch das feindliche Feuer von den Brustwehren heruntergeworfen worden waren, hatten sich hier aufgetürmt. Wir versuchten die Säcke zu entfernen. Hinaus konnte man nicht, da fortwährend ringsumher die Granaten flogen und einschlugen und auch am Himmel sich die weißen Wölkchen der Schrapnells abhoben. Nachdem wir den Eingang ein wenig freigemacht hatten, wurde die Türe wieder von uns zugelehnt, und wir harrten der weiteren Dinge, die da kommen sollten, und ich blickte durch den Türspalt, so weit ich schauen konnte. Fortwährend war die Umgebung hell durch sowohl deutsche als auch japanische Raketen, die einem Feuerwerk glichen, erleuchtet. Besonders heftig waren auf deutscher Seite heute das Maschinengewehrfeuer und der dumpfe Ton der Maschinenkanonen zu hören. Erst um 3h a.m. ließ das Feuer auf unsere Stellung nach und pflanzte sich nach links fort. Bald hatte es bei uns aufgehört. Es war eine wahre Erleichterung, wieder ruhig zu atmen und aufzustehen und die durch die Kälte steif gewordenen Glieder zu strecken. Trotz der vielen Infanteriegeschoße, die sich, so wie gestern auch heute, in ungeheurer Menge hierher verirrten, ging ich aus der Stellung heraus und lief ein wenig umher, um mich zu erwärmen. Aber nicht lange dauerte das. Fortwährend sausten über mir die feindlichen Geschoße, und viele davon mussten aus schlechten Geschützen stammen, oder aus großer Entfernung abgeschossen worden sein, denn man konnte deutlich sehen und hören, wie sich die Geschoße in der Luft unzählige Male überschlugen und nicht ihre gerade Flugbahn einhielten, und dadurch mindestens 60 % der japanischen Geschoße (Granaten) ohne Wirkung blieben. Es wurde sehr stark auf den Moltke-, Bismarck- und Iltisberg geschossen, und man konnte die Wirkung beobachten. Auch knapp hinter mir, etwa 200 m, krepierte eine Granate und die Erde flog in Form eines auf die Spitze gestellten Kegels empor. Um 4h fingen die Japaner wieder an, mörderisch auf unsere Stellungen zu feuern. Bald darauf nahm aber eine deutsche Batterie, die etwa 400 m auf einer Anhöhe
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Stellung genommen hatte, das Feuer auf die Truppen auf, die den Angriff auf Infanteriewerk 5 unternahmen, und leitete dadurch das Feuer der japanischen Artillerie auf sich ab. Die Batterie feuerte unglaublich. Ein Schuss nach dem anderen. Ein Blitz, weißer Rauch und so weiter in rasender Schnelligkeit. Die Batterie, die ihre letzte Munition verschoss, gab in 14 Minuten aus vier Geschützen 648 Schuss ab. Es ist dies eine unglaubliche Leistung. Dabei hatten sich die Japaner mit Schrapnells sehr schnell auf die Batterie eingeschossen und überschüttete sie mit Kugeln. Man dachte, die Bedienungsmannschaften der Geschütze müßten alle tot sein, aber es wurde fest weitergeschossen. Wurden die Schrapnells zu genau, so wurden die Geschütze gepackt, 50 m weggezogen und weitergefeuert. zweimal konnte ich beobachten, wie die Artilleristen arbeiteten, wenn der Rauch verzogen war. Plötzlich 4 Schuss, und dann hörten diese vier Geschütze auf zu feuern. Inzwischen dämmerte es, und ich schaute mit dem Fernrohr in die Umgebung und sah auf zwei Hügeln die japanische Handelsflagge wehen. Ich dachte, die Besatzungen der dortigen Batterien machten sich einen Spaß, aber bald sah ich noch mehrere solcher Flaggen, und ich verständigte meinen Kompaniekommandanten. Inzwischen kam vom Kommandostand her der Herr Kapitän Sachße, und wir wollten Schwarmlinie machen und vorgehen. Aber da tönten Hornsignale an unser Ohr, und als ich auf die unten vorbeiführende Straße blickte, sah ich vier Reiter, deren vorderster eine weiße Flagge schwenkte, und der Hornist blies »Feuer einstellen«. Kapitän Sachße machte den Befehl zum vorwärts gehen rückgängig, da er auch die weiße Flagge gesehen hatte, und lässt uns zugweise antreten. Dann sagt er mit getrübter Stimme : Tsingtau ist nicht mehr deutsch, die Japaner haben es eingenommen. Wir sind leider nicht mehr zum Infanteriekampfe gekommen. Es ist auch gar nicht notwendig, dass ihr unnütz gemordet werdet. Die österreichische Marine hat sich in diesem Kriege neue Lorbeeren errungen.
Wir waren alle wie vom Schlage gerührt. So schnell war das gegangen. Und in äußerst misslauniger und gedrückter Stimmung ob der enttäuschten Kampfesfreude zogen wir in die Kaserne zurück. Meine Patronen warf ich nach allen Seiten weg. Ebenso nahm ich noch mal den Verschluss des Gewehres auseinander und warf jedes einzelne Stück in die Wiese. Unglaubliche Mengen von Granatsplittern, Bleikugeln und auch etlichen unversehrten Geschoßen lagen hier auf der Straße herum. Über uns kreuzten drei japanische Flugzeuge in ihrem Triumphzuge und landeten in der Nähe. Als wir in die Kaserne kamen, standen bereits viele Deutsche und auch von uns welche, entwaffnet herum. Ich ging
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an der Spitze meines Zuges als Erster in den Kasernenhof hinein und kommandierte angesichts der herumstehenden japanischen Soldaten »Halt«, damit die Kerle sehen, dass noch militärischer Geist in uns lebt und wir uns nicht als die Besiegten meinen. Aber schon kamen nun die Soldaten, die alle furchtbar schmutzig waren, auf uns zu und nahmen uns Gewehre, Patronentaschen und Bajonette weg. Ich warf mein Gewehr und mein Bajonett mit einem nicht gerade freundlichen Worte gegen die Mauern des Hauses und riet das Gleiche meinen Soldaten. Ein großer Haufen von Waffen lag hier herum. Wir waren hier etwa 250 Mann versammelt. Wir waren entwaffnet und kriegsgefangen. 7. November, [Samstag] 6.30h a.m. 1914
Der Fall Tsingtaus Die Parole vom 6. bis 7. November lautete : »Für Kaiser und Reich« Und nur zu schön war die Parole für die Nacht, in der Tsingtau fallen sollte, gewählt. 82 Tage, durch beinahe drei Monate, wurde die Flagge des Deutschen Reiches, nach erfolgter Kriegserklärung Japans an Deutschland über den Forts von Kiau tschou hochgehalten. Tag für Tag sind die japanischen Truppen weiter vorgerückt, hat eine Nation gegen eine schwache Garnison unaufhaltsam Fortschritte gemacht. Nun ist das Schicksal Tsingtaus entschieden, auf den Wällen weht die japanische Flagge. Von vornherein war ja die Verteidigung eine rein mathematisch zu lösende Frage, wie lange sich 4000 Mann, ohne Hoffnung auf Unterstützung oder Ablösung und mit der Gewissheit, dass weder Proviant noch Verstärkung uns erreichen konnten, die Flagge hochzuhalten vermöchten, im Angesicht einer Nation, die größer als Frankreich und kürzlich Siegerin in einem großen Kriege war. Für uns gab es nicht die vorwärtstreibende Macht wie für unsere Truppen auf den westlichen und östlichen Kriegsschauplätzen in Europa. Dort steht hinter diesen mutigen Kämpfern die ganze Macht, die militärische Stärke des ganzen Landes, der Ansporn zum Siege, und die Erwartung des künftig entscheidenden Erfolges. Wie gesagt, für uns gab es keine solche vorwärts treibende Macht. In dem Augenblick, da Japan mit seinen großen Hilfsquellen, mit einer Armee, die Russland besiegt hat, und mit einer Flotte, die ihr die Oberherrschaft im Fernen Osten gegeben, sich auf die Seite der Alliierten schlug, war es vorauszusehen, dass Tsingtau über kurz oder lang fallen musste. Unsere gemeinsame deutsch-österreichische Waffenehre haben wir gezeigt, und teuer genug wird unserem übermütigen Gegner das schöne Tsingtau zu stehen gekommen sein.
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Am 6. November abends gegen 8h wurde der Sturm eingeleitet durch ein außerordentlich heftiges Schießen mit allen Geschützen der japanischen Artillerie. Am heftigsten wurde Infanteriewerk 3 beschossen, aber auch unsere Batterien und selbst die Stadt wurde unter starkem feindlichem Feuer gehalten. Die Maschinengewehre rasselten, die Infanteriegeschoße knatterten Tag und Nacht, und dazu das Einschlagen der Granaten und der Schrapnells. Das Ganze war ein Höllenkonzert. Im Feuer ihrer eigenen Geschütze drangen die Japaner unaufhaltsam gegen die Infanteriewerke vor. Die japanische Streitmacht (es nahmen 26.000 Mann am Sturme teil) wurde auf die ganze Verteidigungslinie vorgeschickt. Der Durchbruch war zwischen Infanteriewerk 4 und Infanteriewerk 5 geplant gewesen, wo auch die Hauptkraft des Feindes eingesetzt wurde, und wo auch wir in Reserve standen. Die Werke und deren Verbindungsstrecke wurden aber so hartnäckig von der Besatzung verteidigt, dass es den Japanern nicht gelang durchzubrechen. Für die Maschinengewehre war hier willkommene Arbeit. In großen ungedeckten Massen drangen die Japaner vor. Aber wo 50 Japaner fielen, kamen 100 neue nachgedrängt, aber Infanteriewerk 4 und 5 wehrten sich tapfer dagegen. Es wäre den Japanern erst um 8h a.m. gelungen, diese Werke zu erobern, da dann die Munition dort verschossen gewesen wäre. Auch bei Infanteriewerk 3 und 4 drangen die Japaner unaufhaltsam vor, so dass sich also Infanteriewerk 4 nach 2 Seiten zu wehren hatte. 3mal drangen die Japaner dort ein. Aber immer wieder warf der wackere Werkskommandant Hauptmann Lancelle173 mit seiner 2. Kompanie III. Seebataillon die Japaner unter schweren Verlusten zurück. Anders in Infanteriewerk 3. Dort war die weiße Mauer an drei Stellen gesprengt worden, und riesige Mengen strömten herein. Während das Werk selbst von japanischen Granaten und Schrapnells zugeschüttet wurde, umstellten die Kerle das ganze Werk und stürmten es schließlich um ½ 2h a.m. Die japanische Artillerie feuerte aber weiter, und die japanische Infanterie musste unter dem Feuer der eigenen Artillerie vorgehen und hat dadurch große unnütze Verluste erlitten. Auch unser Artilleriefeuer muss gerade in der Sturmnacht den vorrückenden Japanern ganz erhebliche Verluste beigebracht haben. Denn als die großen Batterien ihre Munition schon verfeuert hatten, schossen einige Batterien der Zwischenstellungen noch aufs heftigste. Im Infanteriewerk III spielen sich furchtbare Szenen des Einzelkampfes ab, aber endlich erliegt das kleine Häuflein Menschen der gewaltigen Übermacht. Nachdem das Infanteriewerk III gefallen war, drängten die Japaner in Massen durch, besetzten die Berge. Dabei gerieten sie natürlich öfter noch in heftiges Kreuzfeuer 173 Hptm. Waldemar Lancelle (geb. Berlin 1871) ; Nov. 1914 zum Major befördert ; zunächst im Lager Marugame, danach Ōita, zuletzt (Aug. 1918) Narashino.
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und verloren dadurch manchen Mann. Unaufhaltsam und blindlings rannten sie weiter. Die japanische Infanterie schoss dabei unter aller Kritik. Die Gewehre halten sie unter dem Arme, und ohne anzulegen oder zu zielen, drücken sie ab. Das oft rasende Schützenfeuer blieb daher fast wirkungslos. Ebenso die Maschinengewehre. Zwei Mann liefen damit wie die Hasen, und ein dritter feuerte. Bei der Erstürmung der nachfeuernden Geschütze spielten sich noch schreckliche Kämpfe ab. Auf der Punktkuppe fand man die 23 Mann starke Besatzung erschlagen auf.174 In ihrer Wut hatten japanische Pioniere mit Picken und Schaufeln unsere braven Kämpfer erschlagen, als jene bereits ihre Patronen verschossen hatten. Da der Durchbruch nun einmal erfolgt war, konnten die übrigen Stellungen natürlich nicht mehr viel länger gehalten werden. Die Japaner drangen jetzt von allen Seiten gegen die übrigen Stellungen vor und konnten die übrigen Werke zum Teil sogar von rückwärts angreifen. Um 4h a.m. waren die Infanteriewerke II, III und IV gefallen. Nur noch die Infanteriewerke I und V hielten dem übermächtigen Feind stand. Man darf nicht vergessen, dass die Infanteriewerke nicht viel mehr waren als eine befestigte Feldstellung. War diese nun einmal vom Feinde besetzt, so konnte an eine wirkliche Verteidigung von Tsingtau nicht mehr gedacht werden. In den Zwischenstellungen setzten sich die O.M.D. Marine Kompanie175 und der mobile Landsturm heldenhaft zur Wehr. Der Landungszug, der von unserem Schiff schon früher an Land gekommen war, vertrieb unter Führung des deutschen Oberleutnants Freiherr von Schlick zweimal die Japaner mit dem Bajonett von einem besetzten Hügel, und dabei fielen noch zwei unserer Unteroffiziere und einige Mann. So auch der Unteroffizier Dücke176 aus Wien, der mir gestern Abend noch sagte, dass er die Meinung habe, er werde fallen. Und wirklich, kaum war er aus dem Schützengraben, um seinen Zug zu führen, als ihn schon eine Kugel in die Brust traf. Er bekam später noch vier Bajonettstiche, einen davon in den Mund. Erst am nächsten Tag starb der Arme in einem japanischen Feldlazarett. Die kleine 50 Mann zählende Kompanie wurde endlich durch die Übermacht zersprengt und einzeln gefangen genommen. Der Maschinen-Quartiermeister 174 »Die Besatzung der Punktkuppe unter Führung von Oberleutnant z. S. Aye wird bis auf einen Mann und einem Schwerverwundeten niedergemacht« (Tageblatt für Nord-China (h.g.) : Kriegstagebuch der Belagerung von Tsingtau 23. Juli bis 29. November 1914, Tientsin 1915, S. 35). 175 Kommandant des im Tagebuch mehrmals erwähnten Ostasiatischen Marine-Detachements (31. Juli : Einrücken in Tsingtau, sowie nachfolgende Kampfhandlungen : 10. u. 23. Aug., 26. Sept., 2. Okt.) war seit 1912 Oberstleutnant Paul Kuhlo (1866–1943) ; als Kriegsgefangener zunächst im Lager Tokyo-Asakusa, danach in Narashino (Chiba). 176 Johann Dücke, Steuergast ; aus Wien XXI, Schloßhoferstraße 16 ; beerdigt auf der Walderseehöhe am 8. Nov. 1914.
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Abb. 36a: Johann Dücke in Japan 1914
Abb. 36b: Grab von Johann Dücke in
(rückseitig eigenh. beschriftet: »Meine
Tsingtau (rücks. beschriftet: »Steuergast
Wenigkeit in einem japanischen Teehause
J. Dücke L. K. ›K. E.‹, Walderseehöhe
in Yokohama«).
Einzelgrab«, japan. Stempel『俘虜 情報局 Auskunftsbureau über die Kriegsgefangenen Tokyo』.
Schätzinger177 bekam dabei noch einen Schuss durch die linke Hand und die linke Hüfte. Ich sah ihn noch, wie er von der Moltke-Kaserne in ein Spital transportiert wurde und drückte ihm die Hand. Die Japaner besetzten sämtliche Berge und drangen auch bis in die Stadt hinein. Sie konnten nicht mehr aufgehalten werden, der Nachschub war so stark, dass die wenigen Soldaten der Garnison den Ansturm nicht aufhalten konnten. Es wäre ein rohes, zweckloses Hinschlachten von Menschenleben gewesen, den Nahkampf noch weiter fortzusetzen. Die Besatzung war ja auch der Zahl nach viel zu schwach gewesen, dem Feinde auf die Dauer Widerstand leisten zu können. Auf deutscher Seite standen in der Front etwas über 3000 Mann, auf japanischer Seite sollen nach späteren japanischen Aussagen zum Sturm allein 33.000 Mann eingesetzt worden sein. Von den Briten hat man beim Sturme auf Tsingtau auch nicht einen Mann gesehen, man hörte, dass vorher einmal Inder 177 Heinrich Schätzinger, Maschinenquartiermeister ; Heimatort Pola. Nach seiner Genesung interniert im Lager Kumamoto ; Juni 1915 verlegt ins Lager Kurume, ab August 1918 im Lager Narashino.
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in das Infanteriewerk 5 vorgeschickt worden seien, ihr Angriff wurde aber blutig abgewiesen. S.M.S. Jaguar und zwei Wachboote bekamen Befehl, sich zu sprengen. Jaguar verschoß seine letzte Munition an die anstürmenden Japaner und sprengte sich nach dem Verlassen der Besatzung. Auch vom Kap Jäschke wurde Tsingtau heftig mit Artillerie beschossen, und zwar nur die Stadt, nicht etwa die Festungswerke. Die Arkona-Insel178 wurde von einigen japanischen Kompanien der Marine gestürmt, welche die Stadt nun unter Infanteriefeuer nahmen. Um 5h a.m. stürmten die Japaner die Iltisbatterie und die Funkenstation. Eine weitere Verteidigung ist aussichtslos. Um 6h befahl der Gouverneur den Kampf abzubrechen, und auf dem Signalberge wurde die weiße Flagge gehisst. Gleichzeitig ritt ein Parlamentär unter dem Schutze der weißen Flagge zum japanischen Lager hinüber. Der Kanonendonner dauerte jedoch noch fort, und an verschiedenen Stellen wurde noch erbittert gekämpft. Infanteriewerk V verteidigte sich noch weiter. Die Besatzung des schwerbeschädigten Werkes hatte den Feind fünfmal zurückgeschlagen. Auf dem Bismarckberg gingen bei der Sprengung der 28 cm Haubitzen noch 60 Japaner mit in die Luft. Bei unserer Batterie 15 waren die Leute gerade beim Sprengen der Geschütze, als sie von den Japanern überfallen und gefangen genommen wurden. Auf Huitschenhuk [Huiqianjia, Huiqian-Huk] feuerte der Batteriekommandant selbst die mit der Sprengladung gefüllten Geschütze ab. Ein Sprengstück flog ihm an den Kopf, und schwerverwundet sank er nieder. Nach und nach wurde der Kanonendonner schwächer, bis er schließlich um 7h a.m. ganz verstummte. Man traute seinem Gehör nicht, als es so ruhig war, nachdem beinahe zwei Monate die Geschütze gedonnert hatten.
178 Kleine, der Bucht von Tsingtau vorgelagerte Insel mit einem darauf errichteten Leuchtturm ; nach der Einnahme durch die Japaner zu Ehren des Kommandanten der Blockadeflotte in Katō-Insel (Katō-shima 加藤島) umbenannt. Auf heutigen Landkarten chinesisch eingetragen als »Kleines Tsingtao« (Xiao Qingdao 小青島).
III
Kriegsgefangenschaft in Japan Himeji und Aonogahara
Unvergesslich wird mir das Siegesgeschrei der unzähligen japanischen Soldaten bleiben, die scharenweise heranströmten, als sie den Reiter mit der weißen Flagge gewahrten. Ein plötzliches, lang andauerndes »Bansai-ai-ai« (Sieg), das sich von der Stelle aus, an der der Reiter erschien, nach links und rechts wie eine große Welle fortpflanzte und wie ein Donner rollte. Man stelle sich vor, etliche tausend Männerstimmen, die in ein Freudengebrüll einfallen. Mir ging es durch und durch. Aber man kann sich die Freude, die die japanischen Soldaten empfanden über die Nachricht vom Falle der Stadt, der doch ihr Erfolg war, vorstellen. Drei Monate harte Strapazen, Kämpfe mit Wetter und Technik lagen nun hinter ihnen. Um diese Zeit erhoben auch sämtliche Schiffe der Blockadeflotte durch ihre Sirenen ein wahres Freudengeheul. Auch eine Torpedobootflottille lief in langsamer Fahrt in die Kiautschou-Bucht ein. Die Verluste der Japaner sollen im ganzen 17.000 Tote, davon 6000 durch Krankheit, und sicherlich ebenso viel, wenn nicht bedeutend mehr, Verwundete betragen.1 Diese letzte Zahl konnte man unmöglich genau ermitteln, denn alle Japaner, die man darum fragte, sagten andere Zahlen aus betreffs der Verwundeten. Die Angaben über die Toten waren so ziemlich übereinstimmend. Bei uns ist eine erstaunlich kleine Zahl im Verhältnis auf das rasende Artilleriefeuer und die ständigen Kämpfe der letzten Wochen zu beklagen. Die Gesamtverluste betragen 200 Tote und etwas über 500 Verwundete. Von uns Österreichern, die wir 300 Mann betrugen, waren 12 gefallen und etwa 36 verwundet. Die geringen Verluste in der Garnison erklären sich nur aus dem Folgenden : die ungefähr 6 km lange Verteidigungslinie war bei einem Gesamtbestande der Garnison von 4000 Mann naturgemäß in ihren einzelnen Teilen sehr schwach besetzt und die 1 Das sind astronomisch hohe Zahlen, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Teilweise war es vermutlich Wunschdenken auf Seite der Verteidiger, teilweise wurden diese Zahlen von chinesischen Informanten verzerrt weitergegeben und auf deutscher Seite geglaubt. Die japanischen Feldtruppen hatten 200 Tote und ca. 300 Verwundete zu verzeichnen, bei den Engländern sind 13 Mann gefallen. Die englische Marine beklagte drei Gefallene. Den größten Verlust erlitt die japanische Marine durch die Versenkung des Kreuzers Takachiho「高千穂」durch das deutsche Kanonenboot S 90 in der Nacht vom 17. auf 18. Oktober ; nur drei Mann wurden gerettet, 256 Besatzungsmitglieder fanden den Seemannstod.
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Kriegsgefangenschaft in Japan
einschlagenden Geschoße konnten nicht die Massenwirkung erzielen, die sie z.B. in dicht besetzten Schützengräben unbedingt gehabt hätten. Dazu kam, dass die feindliche Artillerie außerordentlich viel Blindgänger hatte, und büßte dadurch gewaltig an Wirkung ein. Ob die Munition schlecht war, oder ob der aufgeweichte Boden die Schlagzündung vereitelte, sei dahingestellt, und wie bereits gesagt, schoss die japanische Infanterie unter aller Kritik. Dass wir bei diesem Feuer, das so lange Tsingtau übersäte, nicht alle tot geblieben sind, ist das reinste Wunder ; es war wirklich, als ob eine schützende Hand über uns gewesen wäre. Die Greuel des Krieges sind für uns mit Gottes Hilfe glücklich vorüber. Tsingtau ist deutsch gewesen. Wir müssen noch so lange hierbleiben, bis die Übergabeverhandlungen vorüber sind.2 Solche wurden überhaupt nur bewilligt, weil Infanteriewerk V nicht gefallen war. Wir holen uns aus den Kellern der Kaserne Vorräte, die dort lagen und leben fürs erste noch nicht schlecht. Doch unsere Stimmung ist nicht so recht, wie es sonst beim Donner der Geschütze gewesen ist. Der Tag in der Moltke-Kaserne verlief sehr interessant.3 Es zogen fortwährend die Streitkräfte der Japaner in die Stadt ein. Besondere Heiterkeit erregten bei uns die vorbeiziehenden Engländer, die wohl sehr wenig kriegsmäßig aussahen und mehr Sportsleuten ähnelten, und die von uns, die wir auf einer Straßenböschung standen, verhöhnt wurden, und manche Deutsche, die Englisch sprechen konnten, riefen diesen Kerlen, die nicht einen Schuss abgegeben hatten, immer wieder wenig schmeichelhafte Worte zu. Ein Engländer wandte sich einmal um und wollte auf uns losspringen, da er aber sah, dass wir alle mit geballten Fäusten wie eine Mauer dastanden, lief er schnell wieder in seine Einteilung zurück und zog ab. Inder, die im Dienste der Engländer standen, und Koreaner, die den Train führten, zogen vorbei. Die japanischen Abteilungen betrachteten wir mit Achtung, aber wenn dann wieder Engländer kamen mit 2 Das an General Kamio gerichtete und von Gouverneur Meyer-Waldeck sowie seinem Stabschef Kapitän z. S. Saxer unterzeichnete Kapitulationsschreiben überbrachte am 7. November morgens um 6 :20 Uhr Major von Kayser. Am selben Tag um 4 :00 Uhr nachmittags setzte sich in der Moltke-Kaserne das Verhandlungskomitee zusammen, dem auf japanischer Seite sieben Personen, auf deutscher Seite vier Personen angehörten : Generalmajor Yamanashi, die beiden Stabsoffiziere Oberst Isomura und Major Kashii Kōhei, weiters Hauptmann Yamada Kōzō und Korvettenkapitän Takahashi Jutarō sowie der Rechtsberater Hyōdō Saburō und als Dolmetsch Yunome Takaseki ; deutscherseits waren Saxer und v. Kayser Gesprächspartner, als Dolmetsch fungierten Dr. Karl Vogt und Dr. Johannes Überschaar. 3 Der Tagebuchschreiber meint das Auftreten der bis dahin feindlichen Truppen ; »interessant« war aber auch die Zusammensetzung des in der Moltke-Kaserne tagenden Übergabe-Komitees : kein britischer oder österr.-ungar. Vertreter (Kaiserin Elisabeth) war mit einbezogen. Damit ist deutlich, dass Japan den Feldzug gegen Tsingtau als Japanisch-Deutschen Krieg (日独戦争) betrachtet hatte.
Himeji und Aonogahara
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Spazierstöcken, kurzen Lederhosen und nackten Knien, kommandierte einer von uns »Kehrt Euch« und nur unsere Rücken bekam diese feige Bande zu sehen. Besonders lächerlich waren die englischen Offiziere. Lang aufgeschossene Gestalten, die auf der einen Seite den Säbel hatten und in der anderen Hand den Spazierstock. Außerdem hatten sie riesig hohe Stehkrägen und Manschetten. Manche sogar Lackschuhe. So ein Heer will gegen Deutschland Krieg führen ? Sie sollten lieber zu Hause in ihren Krämerläden sitzen bleiben. Auch der Stab der Verbündeten ritt vorbei. Drei Engländer, zwei französische Offiziere, und zwei russische, jedenfalls alles solche Kerle, die auf den europäischen Kriegsschauplätzen nichts taugten. Aber auch viele Schwerverletzte wurden vorbeigetragen, und der Anblick dieser Armen, sowohl Deutschen, wie Japaner, war gräßlich. Manche gebärdeten sich auf den Bahren wie wahnsinnig, und die riesigen Wunden, die sie hatten, müssen auch furchtbare Schmerzen verursacht haben. Einem fehlten Beine und ein Arm. Mit dem noch gesunden Arm schlug er in der Luft herum und gab unverständliche japanische Worte von sich. Unzählige Japaner wurden so hier schwerverwundet vorbeigetragen, lauter solche, die einen Wagentransport nicht überlebt hätten. Mindestens 80 japanische Offiziere sah ich, wie sie verwundet in Automobilen vom Roten Kreuz vorbeigefahren wurden. Dies nur auf der einen Straße. Aber wie viele lagen noch draußen, und wie viele wurden auf anderen Straßen in die Stadt transportiert. Um 11h vormittags zogen ganze Kompanien von Japanern und Indern mit Schaufeln und Picken aus der Stadt wieder hinaus an die Front, um die Toten zu begraben. Vor dem Infanteriewerk 4 und 5 lagen auf einem Haufen oft 50 bis 60 Tote, auf einem 1 km langen Streifen bedeckten 2000 Tote das Schlachtfeld. Bald nachdem diese Totengräber hinausgezogen waren, kamen auch schon Wagen mit Tornistern, Waffen und verschiedenen Geräten von den Gefallenen zurück. Wenn die Japaner auch anfangs leugneten, dass sie schwere Verluste erlitten hatten, konnte man das am besten sehen an den großen Mengen Tornistern, die bei uns vorbeigetragen wurden. Es waren jedenfalls bedeutend mehr japanische Soldaten gefallen, als in der ganzen Festung Tsingtau Deutsche waren. Groß war die Erbitterung und die Enttäuschung der Eroberer nach der Einnahme. Zunächst die geringe Besatzung. Sie wollten es einfach nicht glauben, dass sich die einzelnen Werke und Forts so lange mit so wenig Besatzung gehalten hatten. Bei der Übergabe fast jedes einzelnen Werkes fragten die Japaner voll Enttäuschung und Überraschung, wenn die Mannschaften zur Übergabe angetreten waren : »Wo sind denn die anderen Leute, es müssen doch mehr da sein ?« Aber zur Schande der Japaner waren eben nicht mehr da, und 120– 200 Mann hatten so und so oft gegen 5–10.000 Mann erfolgreich gekämpft.
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Kriegsgefangenschaft in Japan
Die zweite große Enttäuschung war die, dass alles Kriegsmaterial vernichtet war, sämtliche Geschütze waren nach dem letzten Schuss gesprengt worden, die riesigen Handelsschiffe lagen am Grund des Meeres, und der Flieger hatte Tsingtau verlassen. – Der reiche Silberschatz der Deutsch-Asiatischen Bank war als Privateigentum unantastbar, die Postkasse war leer, die Briefmarken eben ausverkauft. Die Kasse eines Lazarettes mit 35 Cents wurde ihnen ausgeliefert. Überall Enttäuschung, die Docks und die Werft waren zerstört, der Riesenkran versenkt, die Signalstation gesprengt, die Wasser- und Elektrizitätsanlagen zerstört und die Riesenöltanks verbrannt. Keine einzige Fahne oder Reichskriegsflagge fiel in ihre Hände. 8. November, [Sonntag]. Frühmorgens ziehen die japanischen Truppen wieder aus Tsingtau hinaus, da die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind und weil auch 60 Soldaten geplündert haben. 40 wurden auf der Stelle erschossen. Auch die Engländer, die im Artilleriedepot einquartiert wurden, müssen ihre Waffen abgeben, werden also von ihren Bundesgenossen entwaffnet, weil es sich herausgestellt hat, dass die Engländer beim Sturm von rückwärts auf die Japaner geschossen haben, um ein Umkehren der Japaner zu verhindern. Es wurde auch den Engländern jedes Recht auf Mitbestimmung bei den Übergabeverhandlungen verweigert. Das Urteil der japanischen Offiziere über ihre Waffengefährten war wenig schmeichelhaft. Die Art, wie die Japaner die Engländer behandelten, zeigt folgendes kurzes, aber genügend sagendes Vorkommnis : In einer Kommissionssitzung verlas der japanische General Kamio4 einen Erlass, in dem es hieß, dass durch die Gnade S.M. des Kaisers von Japan den deutschen Offizieren gestattet sei, den Degen zu behalten. Darauf meldete sich der englische Oberkommandierende [Barnardiston]5 zu Wort und bat hinzuzufügen : »und durch die Gnade S.M. des Königs von England.« General Kamio fragte darauf ziemlich schroff, ob er irgendwie von seinem Könige dazu avisiert sei, worauf der Engländer antwortete : »Nein, aber ich bitte auf meine volle Verantwortung hin, den Zusatz zu machen.« General Kamio ließ sich nicht darauf ein und fügte noch mit leiser Ironie hinzu : »Wenn Sie mir bis morgen früh die 4 K amio Mitsuomi 神尾光臣 (1856–1927), Kdt. der 18. Infanteriedivision und Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte bei der Belagerung von Tsingtau ; nach der Einnahme des deutschen Pachtgebietes Gouverneur von Tsingtau. Von wo Kirchner die Information zur Aussage des Generals erfahren haben könnte ? 5 Brigadegeneral Nathaniel Walter Barnardiston (1858–1919) ; etwas rätselhaft ist, woher unser Tagebuchschreiber die nachfolgende Information hat ; ein gut erfundenes Bonmot von deutscher Seite ? Die Episode gelangte offenbar rasch in die patriotische Populärliteratur, denn Otto von Gottberg nahm sie in sein Buch »Die Helden von Tsingtau« (Berlin & Wien, Ullstein 1915) auf. Tatsache ist, dass die Zusammenarbeit zwischen den japanischen und britischen Landtruppen nicht unbedingt mit dem Wort »harmonisch« zu charakterisieren ist.
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Abb. 37: Generalmajor K a m i o Mitsuomi, Kdt. der 18. Infanteriedivision sowie Ober befehlshaber der Landstreitkräfte, und Brigadegeneral Nathaniel Walter B a r n a r d i s to n .
Willensäußerung ihres Königs überbringen können, könnte ich dieselbe berücksichtigen.« Die japanischen Soldaten zeigten sich zuerst etwas landsknechtsmäßig, und einige Plündereien blieben nicht aus. In der Moltke-Kaserne, wo noch große Weinvorräte lagen, waren viele Soldaten bald betrunken und erschlugen in den Kellern drei Chinesen, die mit gespaltenen Schädeln nun den ganzen Tag dort lagen. Wir breiteten nur ein Leintuch darüber aus. Im großen und ganzen aber erweckten die Soldaten einen guten Eindruck. Sie boten einem Zigaretten an, zeigten einem ihre Gewehre und lächelnd, als wenn nichts geschehen wäre, verständigte man sich mit ihnen. Mir war das japanische Volk schon bei meinen früheren Aufenthalten in Japan sehr sympathisch, und dass einige Männer solche Politik führen, und das friedliebende Volk in einen Krieg stürzen, dafür kann ja das Volk selbst nichts. Japanische Offiziere und Ärzte, die fast alle Deutsch sprechen, drückten ihr Bedauern aus, dass sie aus politischen Gründen gegen Deutschland kämpfen mussten. Ob dies Höflichkeit, Ernst oder bloße Form war, kann man bei dem undurchsichtigen Wesen der Japaner nicht beurteilen. Da wir gehört hatten, dass die Leute in der Stadt noch freie Bewegung hätten, so bemühen sich die Offiziere, die auch hierher gebracht wurden, sowohl unsere als auch deutsche, dass wir von der Moltke-Kaserne wegkämen, da hier die Japaner herrschen, und wir in die Stadt durften. Um 5h abends kamen zwei
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höhere japanische Offiziere in einem Automobil vorgefahren, und ein deutscher Reservist, der Japanisch spricht, macht den Dolmetscher. Die Offiziere geben die Erlaubnis, dass wir von hier weg dürfen und in die Stadt hinein können. Um 6h Abend marschieren wir wieder mit unseren wenigen Habseligkeiten in die Stadt hinein, und zwar in die Gouvernementschule. Aber wie schaut es da aus. Knapp vor dem schönen Gebäude ist ein etwa 1 m tiefes und 5 m breites Loch von einem 30,5 cm Geschoß. Alle Fensterscheiben sind eingeschlagen durch die Splitter der Granate und alles ist voll gebrochenem Glas. Einige Steine sind auch ausgebrochen, aber man muss froh sein über dieses sonst schöne Quartier. Warum wurde aber die Schule beschossen ? Jedenfalls hatten die Japaner wieder erfahren, als wir am 2. November das erstemal hier in Quartier gingen und hatten uns vernichten wollen. Auch hinter dem Gebäude waren 3 große Löcher von solchen Geschoßen, und wir hatten wieder Glück gehabt, als wir damals die Schule verließen. Der Marsch von der Moltke-Kaserne bis zur Schule (½ Stunde) war sehr interessant. Überall links und rechts in den Wiesen und Wäldern, alles natürlich außerhalb der Stadtgrenze, waren unzählige Feldlager aufgeschlagen. In jeder Hütte (Zelt) ein Feuer und herum die Japaner. An einer Stelle wurde gerade Post verteilt, und ich blieb einen Augenblick stehen. Von ungefähr 50 Namen, die der eine Soldat verlas, meldeten sich nur 10 oder 11. Wo waren die anderen ? Ich dachte an den Sturmmorgen und wusste, dass viele schon unter der Erde lagen, und nicht mehr die Grüße aus ihrer Heimat empfangen konnten. Ja, auch vielen von uns war es so ergangen, und hätten die Japaner nicht so schlechte Munition verfeuert, ich brauchte wohl auch nicht mehr zu schreiben, und auch meine Post wäre für einen nicht mehr Lebenden. 9. November, Montag. Torpedoboote und Dampfbarkassen beginnen, Minen zu fischen und häufig hört man eine heftige Detonation, so dass das ganze Haus zittert, und eine riesige Wassersäule steigt auf. Über 300 Minen müssen die Japaner fischen, und wohl noch lange Zeit wird verstreichen, bevor der Handel und die Schiffahrt wieder blühen werden. Um 9h a.m. gehe ich einige Einkäufe besorgen, um auf der Reise nach Japan etwas zu haben. Unheimlich kommt einem die Ruhe vor, die hier herrscht. Würde man nicht an fast jedem Gebäude die Spuren der Bombardements erkennen und auch die auf der Straße liegenden Blindgänger sehen, so würde man nicht glauben, dass noch vor wenigen Stunden hier die Hölle los zu sein schien. Auch sind alle Straßen, und das ist das beste Zeugnis für die unerhörte Beschießung der Stadt, vollgesät mit Kugeln und Splittern. Während so vieler Tage der Belagerung kein Mensch sich auf die Straße getraute, herrscht jetzt ein ziemlich reger Verkehr und hauptsächlich dort, wo die Lazarette sind. Eine junge, etwa 30jährige Frau sprach mich vor dem Prinz-Heinrich-Lazarett an und sagte mir :
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Von Euch sollen ja so viele gefallen sein. Ihr wisst gar nicht, wie wir Tsingtauer Euch von der Elisabeth dankbar sind ; habt ihr doch alles für uns hier gegeben und für Deutschland Euer Blut gegeben. Wir sind froh, dass es noch so gut und schnell gegangen ist. 27 Frauen waren wir in den letzten 12 Tagen in einem Keller und nur ein alter Mann war dabei. Nun endlich können wir wieder ans Tageslicht.
Und dabei traten ihr die Tränen in die Augen, und sie sagte dann noch : »Ihr Armen, jetzt habt ihr zwei Monate gekämpft und jetzt müsst ihr noch in Gefangenschaft.« Dann gab sie mir die Hand und ging fort. Ich ging ins Lazarett, wo auch sehr viele Schwestern vom Roten Kreuz waren und ich nach einigen verwundeten Kollegen fragte. Da sie hier nicht waren, ging ich ins Seemannsheim, dort wurde aber einer von uns gerade operiert und konnte nicht besucht werden. Von hier ging ich in die Technische Hochschule, wo Fregattenleutnant Baierle und Instruktor Weiß liegen. Dann ging ich ein großes Geschäft und machte Einkäufe, darunter auch eine große Flasche Himbeersaft, der mir auf der Reise zugute kommen sollte. Zu Mittag ging ich in die Schule zurück, wo wir das Mittagessen bekamen. Hinter der Schule, am Signalberg, weht stolz die japanische Handelsflagge, Kriegsflagge haben die Japaner nicht gehisst, und man hat auch während des Sturmes keine gesehen. Dagegen hatte fast jeder Soldat am Gewehr ein weißes Tuch mit dem großen roten Punkt darin, der wie ich sah, aus Blut darauf gemalt war. Nachmittags ging ich um 2h in die Bismarck-Kaserne, wo der Sammelpunkt der Teilnehmer am Begräbnis der Gefallenen ist. Um 3h begann der Zug der Teilnehmer zum Friedhof. Zwei Massengräber waren hier ausgehoben, darin lagen auf Brettern gebettet und mit Tüchern bedeckt etwa 40 der gefallenen Helden. Es lag nun das vor mir, vor dem mir so gegraut, das Massengrab. Aber dieses Grab war nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte, nicht alle Toten wurden hineingeworfen, sondern auf Wunsch des Gouverneurs bewilligten die Japaner, dass die gefallenen deutschen und österreichischen Soldaten gesammelt und in einem gemeinsamen Ehrengrab bestattet wurden. Mit Reisig waren die Leichen umgeben, und eine Unmenge Blumen füllten nach und nach die Gräber und verdeckten die toten Körper. An der Gedächtnisfeier am offenen Grabe nahmen wohl so ziemlich alle in Tsingtau Anwesenden teil, und auch einige japanische Offiziere nahmen daran teil. Um 4h kam der Gouverneur mit seinem Stabe und die feierliche Zeremonie begann. Zuerst segnet unser Kurat [Rudolf Hudecz] vom Schiffe die Gefallenen nach katholischem Ritus ein. Dann hält ein evangelischer Pfarrer eine lange ergreifende Ansprache, in der er hervorhebt, dass nur durch Gottes Hilfe, die sichtlich über Tsingtau war, nicht bedeutend mehr hier zur ewigen Ruhe bestat-
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tet werden. Weiters sagte er auch, dass wir einer zehnfachen Übermacht gewichen sind, die uns überrannt hat. Dann segnet er die Toten nach evangelischem Ritus ein, und drei Ehrensalven tönen über das Grab hinweg, und die Feierlichkeit war beendet.6 Jeder ging noch zu den Gräbern und warf eine Handvoll Erde hinunter. Mich überkommt nur der Gedanke, auch ich könnte da drinnen liegen und hätte nicht mehr den schönen blauen Himmel über mir. Ich betete noch ein Vaterunser und ging dann weg der Stadt zu. In der Stadt angekommen, und man bekommt den Eindruck, dass sowohl Militär als auch Zivilbevölkerung sich nicht einen Augenblick als besiegt fühlte, ein Gefühl, das auch schwerlich je durchdringen wird, wenn die in Tsingtau Bleibenden, auch schließlich immer mehr werden merken müssen, dass dort nun andere Herren sind. Diese neue Herrschaft erscheint aber eben als etwas völlig Wesensfremdes, als gar nicht nach Tsingtau Gehöriges und mit Tsingtau vereinbar. Das Tsingtau von heute ist ja schon äußerlich nicht mehr das Tsingtau von gestern und vorgestern. Die Spuren der Beschießung mahnen zu deutlich an die schweren Tage, die die Kolonie zuletzt durchzumachen gehabt hat. Die Granatlöcher in den Straßen und Häusern, die herunterhängenden Leitungsdrähte, die Unordnung und mangelnde Sauberkeit überall, das Fehlen der gewohnten Straßenbilder, alles das stimmt so gar nicht zu dem Tsingtau, das man von früher gewohnt ist, dem Tsingtau, das sich durch seine Freundlichkeit und sein schmuckes Äußeres seinen Ruf in Ostasien erworben hatte. Zwar, die Japaner werden bald wieder aufgeräumt haben und alles in Ordnung gebracht haben, so weit es in ihren Kräften steht, in ihrer Absicht liegt und in ihren Bereich gehört. Auch dann aber wird Tsingtau äußerlich die deutsche Stadt bleiben. Man kann im übrigen vorläufig kaum sagen, dass die japanische Herrschaft besonders drückend und unangenehm fühlbar geworden ist. Im Gegenteil, es muss anerkannt werden, dass sich die Japaner vom ersten Augenblick an alle Mühe gegeben haben, und auch noch geben, den Übergang und die Neuordnung der Verhältnisse möglichst schonend in die Wege zu leiten. Es ist ja nicht zu verwundern, dass namentlich die zuerst eingedrungenen japanischen Soldaten stellenweise hier und da plünderten. Die Vorgesetzten aber haben sofort alles getan, um strengste Disziplin aufrecht zu erhalten. Die Japaner zeigen auch insoferne unbestreitbar 6 Das Tagebuch von Richard Wilhelm (Stuttgart 1873–1930 Tübingen), Pastor des Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsvereins in Tsingtau 1899–1920, endet auf der letzten Seite mit einer kurzen Beschreibung dieser Feier : »Nachmittags Beerdigung der bei den letzten Gefechten Gefallenen (etwa 70 Mann). Der evangelische und katholische Pfarrer, sowie der österreichische Militärpfarrer wirken gemeinsam mit.« (Richard Wilhelm, Aus Tsingtaus schweren Tagen im Weltkrieg 1914, Berlin, Hutten-Verlag [1915], S. 93) ; der Militärpfarrer war Rudolf Hudecz, Marinekaplan auf Kaiserin Elisabeth.
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Entgegenkommen, als sie die Besatzung noch drei volle Tage nach dem Falle der Festung mit voller Bewegungsfreiheit in der Stadt belassen. Nur die direkt während des Kampfes gefangen genommenen Truppen führten sie sofort ab. Die Stimmung in Tsingtau ist auch verhältnismäßig gut, trotzdem man sich auf die Trennung vorbereiten muss, und sicher bis zum Abschluss der Verhandlungen doch noch sehr im Unklaren ist. Es herrscht zunächst wohl allgemein, besonders unter der Zivilbevölkerung, eine gewisse Erleichterung nach den letzten schweren Tagen. Wie schon bemerkt, es war nicht das Gefühl, besiegt zu sein, das uns beherrschte, sondern mehr eine Genugtuung, dass das Letzte, was ja doch einmal hätte kommen müssen und womit schließlich alle immer gerechnet hatten, sich so verhältnismäßig glücklich gefügt hatte, ohne dass man unserer Waffenehre auch nur das Geringste zu vergeben, das Schlimmste, nutzloses Blutvergießen, zuletzt hatte auf ein möglichst geringes Maß beschränken können. Es ist verständlich, dass dabei der schmerzliche Gedanke des Verlustes der schönen Kolonie, die freilich knapp 4000 Mann doch niemals auf die Dauer gegen den Angriff eines ganzen Kaiserreiches hätte zu halten vermögen, nie so ganz aufkam. Traurig aber gedachte man immer wieder all der tapferen Kameraden, die namentlich am letzten Tage doch noch hatten ihr Blut lassen müssen. 10. November, Dienstag. Der heutige Vormittag vergeht damit, für den Abmarsch zu packen. Nachmittags ½ 1 Uhr verlassen wir, mit Proviant für 3 Tage ausgerüstet, die Gouvernementschule und marschieren in die Bismarck-Kaserne. 1300 Mann versammeln wir uns dort. Dort wird Generalappell abgenommen, und jeder einzelne Abteilungskommandant gibt dem Kommandanten der Landfront, Oberstleutnant Kessinger Meldung. Nach einem allgemeinen »Habt Acht« hält der Oberstleutnant eine zündende Ansprache, in der er die tapfere Haltung der Truppen betonte, und auch zum Ausdruck brachte, dass wir Tsingtau nicht als die Besiegten verlassen, sondern nur durch die Übermacht des Feindes und den Munitionsmangel gezwungen waren, uns zu ergeben. Wir waren an äußeren Ehren arm, doch innerlich reich im Bewußtsein treu erfüllter Pflicht gegen das Vaterland !
Den Schluss bildete ein dreifaches »Hurra« auf Kaiser Wilhelm. Dann ging Oberstleutnant Kessinger dem Gouverneur melden, dass die Besatzung bereit sei, Tsingtau zu verlassen. Alsdann begann der Abmarsch. Ernst war das Gesicht des Gouverneurs, als wir zum letzten Mal und ohne Waffen an ihm vorbeimarschierten. Beim Artilleriedepot sahen wir wieder die entwaffneten Engländer, und mit verächtlichen Gebärden gaben wir ihnen unsere Missachtung zu verstehen. Ich gebe nochmals den oben erwähnten Satz wieder : Wir waren an äuße-
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ren Ehren arm, doch innerlich reich im Bewußtsein treu erfüllter Pflicht gegen das Vaterland. – Und Englands Truppen, die niemand im Kampfe gesehen ? Mit Pauken und Trompeten zogen sie in rauschendem Triumphzuge in die Hauptstadt des Asiatenfürsten, um an seines Thrones Stufen den gnädig gespendeten Lohn sich zu holen, das gnädig gespendete Lob zu hören für treulosen Verrat an der eigenen Rasse, Sitte und Kultur. An äußeren Ehren reich, an innerer Würde bettelarm. Einem solchen Gegner gegenüber fühlen wir uns, wenn auch besiegt, stolz als Sieger in einem höheren Sinne : Als die siegreichen Verfechter des schönen, sich selbst getreuen Germanentums, hier draußen den Völkern des Ostens gegenüber. Durch Vermittlung der japanischen Gesandtschaft in Peking ist folgende [Nachricht] vom Gouverneur von Tsingtau an Seine Majestät den deutschen Kaiser abgegangen : Tsingtau 9. November. Festung nach Erschöpfung aller Verteidigungsmittel durch Sturm und Durchbrechung in der Mitte gefallen. Befestigungen und Stadt vorher durch ununterbrochenes 9tägiges Bombardement von Land mit schwersten Geschützen bis 28 cm Steilfeuer, verbunden mit starker Beschießung von See aus schwer erschüttert ; artilleristische Feuerkraft zum Schluß völlig gebrochen. Verluste nicht genau übersehbar, aber trotz schwersten anhaltenden Feuers wie durch ein Wunder viel geringer als zu erwarten ; gez. Meyer-Waldeck
Noch ist das letzte Wort über Tsingtau nicht gesprochen. Und wenn es dem übermächtigen Gegner jetzt gelungen ist, dieses Kleinod deutscher Kultur zu bezwingen, wenn über Tsingtaus Trümmern jetzt die deutsche Flagge nicht mehr weht, eines ist gewiss : Aus den Trümmern seiner Befestigungen, Aus seinen zerschossenen Schützengräben, Aus seinen stillen Heldengräbern, Leuchtet in hellem Glanze die deutsch-österreichische Waffenehre für alle Zeit. In japanischer Kriegsgefangenschaft
Als ich im August 1913 mit der Kaiserin Elisabeth fröhlichen Herzens von Pola fort fuhr und im November das erstemal chinesischen Boden betrat, hatten ich und keiner meiner Kameraden auch nur im Traum daran gedacht, dass wir, kaum dass ein Jahr abläuft, in Gefangenschaft sein würden und noch dazu in
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japanischer. Unsere Phantasie hatte sich den Aufenthalt in Ost-Asien schöner ausgemalt, als es die Tatsachen jetzt brachten. Nach vielem Drunter und Drüber sind wir bereits in Japan, und »Über allen Wipfeln ist Ruh« kann es für uns nun heißen. Nachdem am 10. November die Verhandlungen über Kiautschou abgeschlossen waren, verließen wir Tsingtau und passierten wieder das japanische Feldlager. Vor Taitung-tschen [Taidongzhen] waren auf einer großen Wiese eine deutsche und japanische Kommission versammelt und kleine Fähnlein aufgesteckt, wo die einzelnen Abteilungen anzutreten haben. Jeder einzelne Mann wurde verlesen. Auch englische, französische und russische Offiziere betrachteten sich die wenigen Verteidiger. Um 4h kamen wir abteilungsweise in Tai-tung-tschen [Taidongzhen] an, das noch innerhalb des Verteidigungsgürtels liegt, und nahmen in verlassenen chinesischen Wohnhäusern Quartier. Ich kam mit fünf anderen Unteroffizieren in ein kleines Zimmer, in dem wir am Boden schlafen mussten. Allerdings legten wir uns Bretter über den Erdboden, und unsere Decken leisteten gute Dienste. In einem kleinen Steinofen bereiteten wir uns aus den mitgebrachten Vorräten ein gutes Nachtmahl, und bald hatte uns der Schlaf umfangen. 11. November, Mittwoch. Nachdem wir uns um 7h a.m. mit heißen Würstchen, Sauerkraut, Käse, Tee und Brot gestärkt hatten, gingen wir daran, unsere Bude etwas häuslicher einzurichten, da wir gehört hatten, dass wir noch drei oder vier Tage nicht weitergehen werden. Damit wir nicht am Boden liegen mussten, erbauten wir eine Pritsche, Holz war genügend aus den zerschossenen Häusern zu bekommen, und Polster und Decken so günstig als möglich gelegt. Dann gehen mein Freund und ich die anderen Wohnungen besichtigen. Es ist nirgends viel besser als bei uns. Um 11h müssen wir alle unsere Nationale abgeben (Name, Geburtsdatum, Stand etc. etc.). Diese Nationalen werden von den Japanern nach Österreich geschickt. Man sieht, es geht alles sehr ordnungsgemäß. Auch Kohle, Holz, Licht bekommt man. Auf den Straßen ziehen noch immer japanische und englische Truppen vorbei, und man muss lachen, wenn man bedenkt, dass die Japaner so viele Leute aufgeboten haben, samt Verbindung mit dem eigenen Land, dem Train etc. etwa 120.000 Mann, gegen höchstens 4000 Mann in Tsingtau, und noch dazu haben sie dann noch zwei Monate dazu gebraucht, Tsingtau einzunehmen. – Abends wechseln wir Quartier und ich komme in das schönste Gebäude in diesem Chinesennest. Der Besitzer ist Wäscher gewesen und jammert jetzt, dass alle Deutschen weggehen. Wir kaufen von ihm Hühner und essen abends Hühnersuppe und gebackene Hendeln mit Salat. Auch zum Schlafen ist es hier sehr schön und genügend Platz.
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12. November, [Donnerstag]. Morgens kochte uns der Chinese ein kräftiges
Frühstück. Vormittags besichtigte ich den ganzen Ort. Es sah hier furchtbar aus. Kein Haus war unbeschädigt. Sogar die chinesischen Götzen hatten nicht soviel Macht, wenigstens die Granaten von ihrem Tempel abzulenken. Dem bärbeißigen Kriegsgott hatte eine Granate den Säbel entführt und den anderen würdigen Patronen [Schutzheiligen] waren verschiedene Gliedmaßen abgerissen. Die Göttin des Segens der Kinder hatte sogar vor Schreck ihre Knäblein vom Arm fallen lassen. Der Ort liegt gerade hinter den Infanteriewerken auf einer Anhöhe von etwa 60 m und links und rechts des Ortes waren Batterien aufgestellt, auf die die Japaner natürlich heftig schossen und dabei auch die Häuser trafen. Außerdem glaubten die Japaner, dass deutsche Truppen dort einquartiert seien. Es waren aber nur Chinesen dort, und es fielen hier mehr Chinesen (zivil) als deutsche Besatzungsmannschaften in Tsingtau. Man fand zahlreiche Leichname in den Häusern und sogar auf offener Straße. In einem Hause hatten sich die Chinesen ein Loch in den Boden gegraben und dort Unterkunft gefunden ; aber eine Granate schlug gerade dort ein, und 17 furchtbar zerstückelte Leichname wurden gerade geborgen und in einen Wagen gelegt, als wir vorbeigingen. Ein gräßlicher Leichengeruch verpestete die ganze Umgebung, und die Leute vom chinesischen Roten Kreuz aus Schanghai hatten Masken über Gesicht und Ohren, um nicht das Leichengift einatmen zu müssen. Die Leichen lagen schon etwa acht Tage unter dem zertrümmerten Haus, und nur durch den Geruch der verwesenden Leichenteile wurde man darauf aufmerksam und fand den Platz. Die Scheußlichkeiten, die man hier sah, kann man nicht beschreiben. – Das Gelände hinter den Infanteriewerken bis herauf nach Tai-tung-tschen [Taidongzhen] war von lauter Schußlöchern umgeackert, und von den giftigen Pikrin-Granaten,7 mit denen die Japaner schossen, war die Erde ganz gelb gefärbt. Auch fand man hier wieder viele nicht krepierte Geschoße. – Rechts von dem Orte, an dessen höchstgelegener Stelle, sind sechs Geschütze 17 cm in viereckigen Erdaufwürfen in den vorgelagerten Erdwall eingebaut und nur die Rohre schauen darüber hinaus. Die Geschütze sind alle gesprengt oder beschädigt, außerdem ganz alte Geschütze. Auf einer Straße, die hier heraufführt, steht ein etwa 10 cm Geschütz auf hohen Rädern, es stammt aus dem deutschfranzösischen Krieg 1870. Die Japaner haben hier schon Zelte aufgeschlagen und es sich bequem gemacht. Man übersieht von hier aus sehr schön das Infanteriewerk 4 und die weiße Mauer, die aber an einer Stelle hier vollständig weggesprengt ist. Auf den hereinführenden Straßen kommen noch immer Truppen 7 Munition, die durch die Pikrin-Säure, ein hochexplosives chemisches Medium, zur Detonation gebracht wird.
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und auch japanische Handelsleute, die sich in Tsingtau ansiedeln wollen. Aber es sind deren so viele, dass wohl die wenigsten ihr Brot sich verdienen werden. Auch Engländer und Inder ziehen hier durch, und diese geckhaften glattrasierten Kerle machen einen äußerst ungünstigen Eindruck. Wir ließen sie auch deutlich unsere Abneigung spüren. Wo die Engländer vorbeikamen, drehten wir ihnen den Rücken zu. Die japanischen Soldaten verspotten auch ihre Bundesgenossen und verargen es ihnen sehr, dass sie sich beim Sturm weit zurückgehalten haben, und bei den Schanzarbeiten vor dem Feuer unserer Artillerie ausgerissen sind, während die Japaner weiterarbeiteten und biwakierten. An einer anderen Stelle des Dorfes sah man, wie auf einer großen Wiese die japanischen Soldaten schon wieder exerzierten und Übungen jeder Art machten. Die Chinesen suchten in der Umgebung nach Granatsplittern, die sie jedenfalls dann als Eisen an die Japaner verkaufen werden. Den armen Chinesen ist dieser kleine Erwerb wohl zu gönnen, haben sie während der Belagerung doch viel mehr gelitten als wir. Mittag machte uns der Chinese ein gutes Mittagessen. Es ist allerdings alles sehr teuer hier. 25 Eier kosten z.B. jetzt 1 Dollar (2,30 Kronen öst. W.), sonst etwa 0,30 Kronen öst. W. 1 Flasche Bier jetzt 80 Cents (1,6 Kronen), sonst 20 Cents. Nachmittag kommt ein deutscher Unteroffizier zu uns, und es wird ein kleines Konzert veranstaltet aus Zither, Mandoline, Guitarre und Mundharmonika, und dazu tranken wir einen guten Kakao. Also fürs Erste ging’s uns noch nicht schlecht. 13. November, Freitag. Heute ist den ganzen Tag elendes Regenwetter, und so sitzen wir beisammen und erzählen uns unsere verschiedenen Erlebnisse. Nachmittag kam der Befehl, dass wir morgen früh weitermarschieren, und so wurden nachmittag unsere Sachen zur Weiterreise zusammengepackt, damit wir morgen früh rasch fertig sind. Abends bekamen wir von den Japanern Proviant, und zwar ein riesig großes Stück Rindfleisch. Der Chinese kochte es abends, und es gab eine gute Suppe. Das Fleisch ließen wir ihm da, da wir noch genügend Schinken-Konserven, Würstchen etc. etc. hatten und dies sehr schwer zu tragen war. 14. November, Samstag. Heute vor einer Woche war Tsingtau gefallen, und heute verließen wir es für immer. Um 2h a.m. standen wir auf, frühstückten noch und gingen dann zum Sammelplatz. Etwa 1000 Mann verließen wir um 4h a.m. Tai-tung-tschen [Taidongzhen] und passierten leider im Finstern das Vorgelände und somit das Kampfgebiet. Alle Augenblick’ fiel man in tiefe Löcher, die von Geschoßen gerissen waren und sich infolge der letzten Regentage mit Wasser gefüllt hatten. Schützengräben liefen kreuz und quer, und man konnte sich ein kleines Bild machen, wieviel Arbeit sich die Japaner machen mussten, um Tsingtau zu berennen. Eine wahre Maulwurfsarbeit war hier geleistet wor-
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den, und zwar auf einer 6 km breiten und […]8 Fläche. Eine Menge japanischer Geschütze und Pferde stehen hier noch auf offenem Felde, und auch frisch aufgeworfene Gräber sieht man. Um 9h a.m. kommen wir nach Ta-you [Dayao]. Hier ist ein großes japanisches Lager und offensichtlich das Hauptlager für Proviantnachfuhr. Eine japanische Feldbahn ist angelegt, auf der kleine Wägelchen verkehren und hauptsächlich Munitionskisten noch jetzt nach Tsingtau befördern. Auch die Dörfer hier sind vollkommen zerstört und armes chinesisches Bettelvolk sieht man überall. Am meisten erbarmen mich die in Lumpen gehüllten chinesischen Frauen, die ihre Kinder ernähren müssen und dabei nicht einmal mehr ein Heim haben. Die Felder sind natürlich auch alle zerstört, und von den durchweichten Straßen ist gar nicht zu sprechen. Auch Munitionslager sind hier errichtet. Zweirädrige Karren, wie sie der japanische Train hat, und die von einem Pferde auf jeder Straße gezogen werden können, sieht man hier zu Hunderten. Sie sind jedenfalls sehr praktisch, nur erfordern sie ungemein lange Trainkolonnen. Um 10h marschieren wir durch Ta-pa-tau [Dabutou] und auch durch ein großes japanisches Lager. Große Geschütze und Mörser, sowohl neue als auch vollkommen zerschossene, an denen man die Arbeit unserer Granaten sah, standen und lagen hier herum. Große Lastautos, eine Maschinenwerkstätte, Reserveräder, Achsen, Lafetten u.s.w. standen hier herum, und man bekam einen schönen Einblick in das Etappenwesen der Japaner. Schienen für die Feldbahn waren zu Tausenden aufgestapelt. Die Bahn hat auch eine Länge von 20 km. Durch Pässe und über Berge, wo immer wir auch gingen, sah man die zwei Geleise. Um 12h Mittag kamen wir nach Schatsykou [Shazikou]. Hier sollen wir eingeschifft werden. Die Einschiffung konnte in Tsingtau nicht erfolgen, da ja das Fahrwasser noch mit Minen verseucht war. Bei dem Suchen derselben sind bereits zwei japanische Boote in die Luft geflogen. Wir waren sehr froh, nach achtstündigem Marsche endlich am Ziel zu sein, die schlechten Straßen hatten einen sehr müde gemacht, und wir von der Marine sind überhaupt das lange Gehen nicht gewöhnt. Außerdem hatten wir ein jeder unsere Habseligkeiten zu schleppen, da uns die Japaner erlaubt hatten, so viel Gepäck mitzunehmen, wie wir tragen könnten. Ich hatte einen schönen Rucksack, der vollgepfercht war. Einige wenige Kleider, die ich von der Elisabeth gerettet hatte, und hauptsächlich Proviant. Auf halbem Wege engagierte ich mir einen Chinesen zum Tragen und gab ihm in Schatsykou [Shazikou] einen Dollar, was für dieses arme Volk sehr viel ist. Durch die vielen Chinesenkulis mit Rickschas, Eselkarren und Bambustragstangen glich unser Zug dadurch mehr einer Karawane als einem Gefangenentransport. – 8 Offen gelassen und nicht eingefügt.
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In Schatsykou [Shazikou] angelangt, mussten wir noch eine Stunde am Strand stehen und dann noch in Sampans herumschwabbern, ehe wir auf einem der dort liegenden Dampfer eingeschifft wurden. Bei starkem Seegang langten wir am Dampfer Europa-Maru [Yōroppa-maru] an, und nachdem wir dort wieder ½ Stunde herumgeschaukelt hatten, stiegen wir endlich aufs Schiff hinauf und suchten dort nach Platz. Aber da war guter Rat teuer. Der Dampfer, der etwa 4000 t groß ist, reichte lange nicht für so viele Menschen aus, als hier untergebracht werden sollten. In den Laderäumen waren Bretterlager errichtet, doch meistens nicht lang genug, dass man sich hätte ausstrecken können. Überund untereinander waren wir wie Sardinen in einer Büchse zusammengepfercht. Viele mussten auf Eisenplanken oder auf Lukendeckeln schlafen. Ebenso kauerten die Offiziere dicht beieinander auf Strohmatten. Mich kostete es meine volle Überredungskunst, ehe ich ein kleines Plätzchen in einer dunklen Ecke erhielt. So wie man sich hingelegt hatte, musste man auch liegenbleiben. An ein Umdrehen war nicht zu denken. Es schmerzte einem bald alles, aber durch den achtstündigen Marsch war man so ermüdet, dass man doch bald einschlief. Erst am 15. November, [Sonntag] um 9h a.m. verlassen wir bei herrlichem Wetter und ruhiger See, von zwei Torpedobootszerstörern begleitet, an zwei japanischen Kriegsschiffen vorbei, den Hafen, und somit auch China. Mit 9 Meilen Geschwindigkeit ging es dem Reich der aufgehenden Sonne entgegen. Zweimal waren wir früher schon in dieser Richtung fröhlich nach dem schönen Japan gefahren, und jetzt das dritte Mal unter so veränderten Umständen, wer hätte das gedacht, als wir vor einem Jahr in Nagasaki ankamen und von der japanischen Bevölkerung überall, wohin wir kamen, bejubelt wurden, dass wir jetzt als Kriegsgefangene desselben Volkes wieder hierher kommen würden. Aber wir durften mit vollem Recht hoffen, dass es uns hier nicht schlecht gehen würde. Die schlechteste Zeit ist wohl die jetzige am Dampfer. Ungesalzener Reis, Hartbrot und ein Getränk, das sich den Namen vom Tee geborgt hat, erhielt uns den Leib. Aber am zweiten Tag blieb auch der Reis schon aus. Ich kaufte mir nun selbst in der Küche um teures Geld etwas zum Essen und die Konserven und den guten Käs, den ich aus Tsingtau zum Glück in genügendem Maße mitgenommen hatte, halfen mir über diese Tage hinweg. Am 16. November, [Montag] morgens sahen wir die ersten Inseln der KoreaStraße und von da ab wurde die Fahrt recht interessant. Wir waren dann meistens auf Oberdeck, sonnten uns und betrachteten die vielen kleinen und großen Inseln. Auch an der Insel Tsushima, die seit der bekannten Seeschlacht im russisch-japanischen Krieg historische Bedeutung gewonnen hat, kommen wir vorüber. Abends tritt immer eine Musikkapelle auf, an der drei Violinen, zwei Zithern und eine Bassgeige teilnehmen. Auch einige humoristische Vorträge
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Abb. 38: Transportweg der österreichisch-ungarischen und deutschen Kriegsgefangenen nach Japan.
werden gebracht und so vergehen die langen Abendstunden schon angenehmer. Die Nächte selbst sind natürlich sehr unangenehm, und eine Nacht ging ich überhaupt nicht schlafen. Am 17. November, [Dienstag] nachmittags kam das japanische Reich in Sicht, und zwar die Einfahrt von Shimonoseki. Vor 8 Monaten, am 13. März 1914 7h a.m., fuhren wir noch mit Kaiserin Elisabeth diese schöne Strecke in die Inland-See herein, und damals, als wir das erste Mal durchgefahren waren, freuten wir uns schon alle darauf, bis wir wieder die Strecke passieren würden. Na, jetzt war die Zeit da, und mit wehmütigen Gedanken durchfuhren wir als japanische Kriegsgefangene die Straße von Shimonoseki. Nur eine Empfindung war gleich wie damals, nämlich das Entzücken über die Naturschönheit Japans. Leider wurde es bald finster, und hauptsächlich taten mir die Vielen leid, die die Inlandsee noch nicht gesehen hatten, und denen durch die rasch hereinbrechende Nacht die Möglichkeit genommen wurde, die wegen ihrer Naturschönheit berühmte japanische Inlandsee vollständig kennenzulernen. Ordentlich zu sehen waren nur mehr die beiden an der Einfahrt liegenden Städte, Moji und Shimonoseki, die sich gegenüberliegen und noch gerade von der untergehenden Sonne die letzten Strahlen bekamen. Sie sind graziös aufgebaut am Fuße 2–300 m hoher Berge. Der terrassenförmige Bau der Straßen und der stets wiederkehrende eigentümliche Stil der Holzhäuschen geben beiden Orten ein
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reizendes Gepräge, wie ich es ja schon in Japan Gelegenheit hatte zu sehen, was einem aber immer wieder gefällt. An größeren und kleineren, schön bewaldeten und teilweise noch mit grünen Fluren bedeckten Inseln kommen wir noch vorüber. Dann sieht man nichts mehr, und man begibt sich unter Deck, wo auch heute wieder Konzert ist. Am 18. November, Mittwoch, war bereits um 5h alles munter und auf Deck, um sich den Genuss der herrlichen, von der Morgensonne bestrahlten Landschaft nicht entgehen zu lassen. Diese Strecke der Inlandsee sind wir im März nicht gefahren, sondern rechts abgebogen. Auch hier sieht man die See wie mit einer Unmenge fruchtbarer kleiner Inseln besät. Darauf da einige der kleinen japanischen Häuschen, dort ein Tempel. Die vielen Segelboote mit ihren schneeweißen Segeln tragen dazu bei, die Szenerie anmutig zu beleben. Es freut sich das Auge, all diese Anmut, die die Natur hier bildet anzuschauen, und wer einmal diese landschaftlichen Reize gesehen hat, wird sie nicht mehr vergessen. Um 7h a.m. kamen wir an unser Ziel. Im Hafen von Hiroshima ankerten wir.9 Der Hafen ist sehr schön und für Schiffe äußerst günstig gelegen. Um 8h a.m. kommt eine japanische Militärmission an Bord, um uns von dem japanischen Offizier, der den Transport über hatte, zu übernehmen. Ein Major, zwei Hauptleute und drei Leutnants zählten alle Abteilungen ab, und alles wurde aufgeschrieben. Aber deshalb kamen wir erst noch nicht von dem Schiffe weg. Da wir noch in Quarantäne lagen, durften auch keine Händler an Bord und wir mussten weiter hungern, das Essen war horrend teuer und alles ungesalzen. Brot gabs überhaupt keines und zu trinken auch nichts, denn der Tee war ungenießbar, und sonst bekam man nichts. Ich hatte zum Glück noch etwas von meinem Himbeersaft aus Tsingtau und eine Flasche Cognac sowie auch noch einige Konserven. Aber froh waren wir doch, als wir am Donnerstag, den 19. November, erfuhren, dass wir Österreicher und der deutsche mobile Landsturm sowie ein Teil Marineartilleristen, etwa 300 Mann, aus diesem Kasten herauskämen. Nachmittags um 4h verlassen wir das Schiff, und in großen Holzpontons fahren wir zum Molo. Von dort gehen wir zum Bahnhof, und da der Zug erst um Mitternacht abfahren sollte, gingen wir in ein riesig großes Lagerhaus, wo man sich wieder einmal ordentlich ausbreiten konnte. Die Zeit nun war sehr langweilig, und erst um 10h abend war ein Zug hergestellt. Sehr schöne lange Waggons, in denen die Sitze alle gepolstert sind. Allerdings sind die Bänke alle etwas klein, sehr schmal und die Rückenlehne niedrig, so dass das Sitzen bald unbequem wird. Ein kleiner Japaner in Zivil ist uns als Dolmetscher beigegeben, und wir 9 Es war das Hafenareal Ujina 宇品港 an dem großen Delta von fünf Flussarmen, die in Hiroshima ins Meer münden.
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bekommen auch wieder das erste Mal etwas zu essen, nämlich geröstete Erdäpfel, kaltes Fleisch, Brot und Tee. Der Dolmetscher ist ein feiner Kerl und spricht gut deutsch und sagt uns gleich, dass es uns in Japan gut gehen wird, und dass wir in das schönste Lager kommen. Von 10h abends bis […]10 fuhren wir in einem Sonderzug, dann wurde unserem Wagen ein Personenzug angehängt, so dass wir nun auf jeder Station hielten. In herrlicher Fahrt geht es einstweilen noch in der Dämmerung, die aber schon den nahenden schönen Tag in sich birgt, durch das schöne Land. Immer zwischen grünen Hügeln hindurch. Um 7h a.m. kommen wir nach Onomichi.11 Hier sind große Anlagen für Salzgewinnung und zu jedem Teil der Anlage, die verschiedenen Besitzern gehören, gehört auch ein kleines Anwesen. Die Stadt selbst besteht aus fast lauter kleinen Fabriken, bei denen Dampf aus den Dächern steigt und man den Eindruck einer Brandstätte hat, in der die Trümmerhaufen noch rauchen. Um ½ 8h a.m. erreichen wir in unserem tadellosen Pullmannwagen »Matsunaga«.12 Eine ziemlich ausgedehnte Stadt. Zahlreiche große Schornsteine zeigen dem vorbeifahrenden Fremden von der regen Fabrikstätigkeit des Volkes und dass auch im Inneren des Landes reger Handel und Wandel ist, und nicht nur in den japanischen Hafenstädten, wie das so bei uns die Meinung war. Wir dachten immer, und zum Teil ist es ja auch wahr, dass die japanischen Waren nur Handarbeit seien, aber in neuerer Zeit sind eben auch die Fabriken in Tätigkeit getreten, und werden wohl manchen Handarbeiter mit seiner teureren Ware vertreiben. Die Fahrt geht indessen weiter und zu unserer Freude zur Abwechslung wieder einmal knapp an der Inlandsee, und die kleinen grünen Inselchen leuchten von der Morgensonne beschienen, uns freundlich entgegen. Um 9h a.m. kommen wir in Fukuyama13 an. So wie in anderen Orten und auch auf offener Strecke, so waren auch hier eine Unmenge Personen am Bahnhofe versammelt, die uns sehr warm mit einem wahren Tusch von Willkommensgrüßen empfangen, und besonders die Kinder stimmten ein Freudengeheul an, hoben beide Hände hoch und schrieen aus Leibeskräften. Aber auch ältere Leute blieben nicht stumm, winkten und riefen ein japanisches Wort, das, wie uns der Dolmetscher sagte, »Willkommen« hieß. Man sah nur in freundliche Gesichter, wie ja dies überhaupt der Volkscharakter der Japaner ist. Heiterkeit steckt an, und auch wir freuten uns über diesen Empfang, der 10 Nicht eingefügt. 11 Onomichi 尾道市 (Präfektur Hiroshima). 12 松永町 (Präfektur Hiroshima) ; ähnlich Onomichi bis in die Sechzigerjahre ein Ort mit vornehmlich Salzgewinnung aus dem Meer. Die Gemeinde wurde 1966 mit der anschließend erwähnten Stadt Fukuyama zusammengelegt. 13 Fukuyama 福山市 (Präfektur Hiroshima).
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uns überall von Alt und Jung bereitet wurde, und man sah, dass das Volk uns nicht als Feinde betrachtete. Wir erwiderten natürlich die Grüße, wenn wir es auch nicht laut zum Ausdruck brachten, und sandten manch schönem Mädchen Händegrüße nach japanischer Art (die Bewegung entspricht unserem Abwinken), was den Versammelten natürlich große Freude bereitete. Je weiter wir ins Land kamen, desto schöner wurde die Szenerie und die Hügel stiegen knapp links und rechts der Bahn auf. überall die kleinen Häuschen und fleißiges Volk. Auch Ackerbau wird viel betrieben, und auf manchem steilen Feld wird schon wieder geackert, während auf anderen erst geerntet wird. Plötzlich kommt man aus dieser schönen, das Auge erfreuenden Hügellandschaft wieder an den Meeresstrand, plötzlich eine Biegung, und schon wieder ist man von grünen Bergen umgeben. So wechselt die Landschaft in den herrlichsten Formen ab, bis wir um ½ 11h nach Okayama kommen. Es ist dies eine ziemlich große, schön gelegene Stadt, und in der linken Hälfte derselben steigt ein kleiner Berg aus den Häusern heraus, auf dem eine Burg gebaut ist.14 Auch in dieser Station, sowohl am Bahnhof als auch in allen Straßen, die der Zug überquert, stehen dichtgedrängt die Japaner und stoßen uns auch ihre Freudenrufe entgegen. Es kommt einem vor, als ob das Volk gar nicht wüsste, dass wir Kriegsgefangene seien, sondern als ob wir als Vergnügungsreisende das Land durchfahren würden. Aber ich glaube, die Freude wird etwas verblassen, wenn eines Tages herauskommen wird, wieviele Japaner ihr Leben lassen mussten, ehe es ihnen glückte, uns hierher zu bringen. Nach 11h kommen wir in eine größere Ebene, und da man gehört hatte, dass wir bald am Ziel wären, und ich mir wünschte, möglichst nahe der netten kleinen japanischen Hügel zu sein, so freute ich mich nicht, als ich nun hier diese ausgedehnte Ebene sah. Aber als ob mein Wunsch in Erfüllung gehen sollte, bog der Zug links ab, verließ die Ebene, und kurz danach fuhren wir wieder zwischen den Bergen. Das freute mich nun wieder, aber ich dachte mir, dass sich bis 1h noch oftmals das Terrain ändern könnte. Noch einmal wurde eine Ebene durchfahren, und da es schon ¾ 1h war, dachte ich, na also doch in einer Ebene setzt man uns ab. Aber gleich darauf stiegen auch schon wieder Berge links und rechts empor und punkt 1h fuhren wir in einem großen Bahnhof ein. Es war unser Ziel, die Stadt Himeji, in der wir den Ausgang des Krieges in Europa abwarten sollten. Wann würde das sein ? ? ? ? ? 14 Inmitten der Stadt Okayama 岡山 (Präfektur Okayama) steht die Burg, die während der Feudalzeit Herrschersitz der Fürsten Ikeda war. Bekannt ist die Burg wegen ihres schwarzen Äußeren, wird daher auch die Krähenburg genannt – zum Unterschied von Himeji, die weiß ist und als Weiße-Reiher-Burg geläufig ist.
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Wir verließen den Zug, und ich dachte mir, also 16 Stunden gefahren, von Pola bis Graz ist es im Personenzug auch 16 Stunden, also bin ich jetzt in Graz angekommen. Aber ich wurde gleich eines Besseren belehrt, und musste mich erinnern, dass 30.000 km zwischen Graz und hier lagen. Eine Menge hoher japanischer Offiziere und Beamte empfingen uns. Nachdem Appell gegeben, gingen wir in Zweierreihen aus dem Bahnhof hinaus. Eine unübersehbare Menschenmenge bildete hier ein dichtes Spalier. Vorne kleine Kinder, dann Knaben und Mädchen im Alter von etwa 12–18 Jahren und dahinter Frauen, Männer und Greise. Zahlreiche Photographen standen herum, ja sogar auf Bäumen und Laternenpfählen konnte man die Kerle sehen. Das Volk stand so knapp bei uns, dass man den kleinen Kindern mit Leichtigkeit einen kleinen Backenstreich verabfolgen konnte. Reizend, wie die kleinen japanischen Kinder in ihren bunten Kimonos sind, wurde man direkt verleitet, seine Freude darüber zum Ausdruck zu bringen. Und die Leute waren sehr erfreut, dass man ihren Kindern gut entgegenkam, und manch dankbarer Blick aus einem schönen Mädchengesicht folgte einem. Ganz verklärt schauten uns die Leute oft an, als ob wir ein Weltwunder wären. Die hier in Himeji werden wohl gewusst haben, dass wir aus Tsingtau kämen und werden jedenfalls erstaunt gewesen sein, dass wir paar tausend Mann erst jetzt, nachdem bereits seit dem japanischen Ultimatum an Deutschland drei volle Monate vorbei waren, in die Kriegsgefangenschaft kämen und nicht, so wie sich japanische Offiziere geäußert hatten : »Nach 3 bis 4 Tagen Belagerung würde Tsingtau unser sein.« Nach etwa 20 Minuten Marsch kamen wir durch ein großes Steintor in den Vorhof eines Tempels. Dort werden wir wieder gezählt und in zwei Abteilungen geteilt. 150 Mann gingen wir wieder von hier weg und kamen nach 10 Minuten zu einem Tempel ähnlichen Baues, an dessen Eingang zwei japanische Steingötzen von übermenschlicher Gestalt unsere Aufmerksamkeit erregen. Hinter dem Tempelgebäude steigt ein Hügel empor, auf dem ein Urnenfriedhof angelegt ist. Im Hofe stehen einige Bäume, und alles macht einen sehr guten Eindruck.15 Kaum haben wir nach japanischer Sitte unsere Schuhe ausgezogen, um in das Innere des Tempels zu treten, leuchteten uns schon gedeckte Tische mit Tellern, Teekesseln und Brot entgegen. Da jedermann schon großen Hunger verspürte, war uns dieser Anblick sehr willkommen, und bald sitzen wir an den Tischen. Aber keine Gabel und kein Messer ist hier, sondern nur zwei blanke Holzstäbchen. Wir müssen also so wie die Japaner mit den zwei Stäbchen essen. 15 Für die Unterbringung der Kriegsgefangegen waren in Himeji drei Tempeln ausgewählt. Die meisten Österreicher wohnten in dem der Burg von Himeji nahen Keifukuji (景福寺) ; der bewaldete Hügel ist ein öffentlicher Park.
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Bald bringen japanische Soldaten auf weißen Porzellantellern Reis mit Sauce, gedünstetes Fleisch in Zwiebeln, Brot und Tee mit Zucker. Alle waren sehr erstaunt über das gute und reichliche Essen und sehr zufrieden. Das Hantieren mit den Stäbchen hatte man auch bald heraus und schon etwas Praxis. Nachdem wir unseren Hunger gestillt hatten, gingen wir zu den Schlafstellen. Drei Unteroffiziere und ich fanden hinter dem eigentlichen großen Tempel, nur durch einen Gang mit demselben verbunden und ganz am Berg angelehnt, ein reizendes kleines Häuschen und darin zwei kleine Zimmer. Ein schöner kleiner Garten mit Steinsäulen und einem kleinen mit Blumen umgebenen Garten blinkt uns freundlich entgegen, und ich erfreue mich sehr an diesem Anblick und bin froh, keine Mauern zu sehen. Gleich richten wir uns das Zimmer behaglich ein und untersuchen alles. Vier Finger dicke glänzende und reine Strohmatten, wie sie ja die japanischen Häuser überall haben, bilden den Fußboden, und um diesen rein zu erhalten, ist es eine japanische vollkommen richtige Sitte, die Schuhe vor Betreten dieser Räume auszuziehen. Sechs Decken, zwei Leintücher und sogar Kopfpolster bilden nach japanischer Art unser Lager. Zum Unterbringen der Effekten sind zwei große Wandschränke mit verschiebbaren Türen eingebaut. Außerdem sind noch einige mit weißen Schiebetüren versehene Fächer vorhanden. Drei Wände des Zimmers bestehen aus Papier, zwei davon aus den netten japanischen Schiebetüren. In einer Wand ist ein rundes Fenster, durch das man auf den kleinen Garten sieht, und vier kleine zierliche Schiebetüren dienen auch hier, um die Öffnung zu verschließen. Nur eine Wand besteht aus Pappe und das sind auch wieder nur 3 Schiebetüren aus weißer Pappe, die in das anstoßende kleine Gemach und in ein kleines Waschzimmer führen. In den schönen kleinen Garten führt von dem Zimmer aus zuerst eine kleine offene Veranda, die nachts mit Holzschiebetüren geschlossen werden kann, und drei Steinstufen. Hinter uns steigt der schon vorhin erwähnte kleine Berg auf, der noch im schönsten Grün prangt. Ich fühle mich hier sehr zufrieden, und wir können Gott danken, dass wir, da wir ja in Gefangenschaft kommen mussten, den Japanern zukamen. Sie wollen jedenfalls durch gute Behandlung ihrer Kriegsgefangenen halbwegs gutmachen, was sie an dem Überfall auf Tsingtau verbrochen haben. – Abends bringen uns wieder die japanischen Soldaten, ganz wie bei einem Diner, auf blanken Aluminiumtellern Schnitzel mit Reis und Zwiebel. Wenn es so weitergeht, werden wir stets zufrieden sein und uns bald von Tsingtau erholen. 21. November, Samstag. Tageseinteilung : 7h a.m. Wecken, 8h a.m. Kaffee, 12h–12.45h Mittagessen, 5h–5.30h Abendessen, ½ 9h Runde, 9h Licht aus. Alles war erstaunt, dass wir nichts anderes zu tun hätten. – Um 11h vormittags kommt ein japanischer Aufsichtsoffizier, ein Leutnant. Alles tritt im Hofe an. 11.30h
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kommt der Chef des Gefangenenheims, Oberstleutnant Ioji Noguchi 16 und der Dolmetscher. Nachdem »Habt Acht« ist, beginnt der Oberstleutnant Japanisch zu sprechen, und der Dolmetscher, der neben ihm steht, verdeutscht jeden Satz : Ich bin der Chef des Gefangenenheims, Oberstleutnant Noguchi. Sie haben das kleine Tsingtau tapfer gegen ein Kaiserreich verteidigt. Jetzt sind Sie leider unsere Gefangenen. Wir haben Achtung und Mitleid, ja tiefes Mitleid und große Sympathie
für Sie. Sie sind jetzt wie japanische Soldaten ; das Gefangenenheim ist noch nicht fertig, aber es wird noch alles gut werden. Wir halten Ihre Ehre aufrecht. Auch sie müssen Ihre Soldatenehre aufrechterhalten. Es ist alles japanisch eingerichtet, aber das geht nicht anders ; sie werden sich auch daran gewöhnen ; wir werden auch sehr auf ihre Gesundheit achten, Sie müssen als starke, gesunde Männer in ihre Heimat zurückkehren. – Das Gefangenenheim untersteht dem kaiserlich japanischen Kriegsministerium. Wer etwas wünscht, soll es mir sagen.
Nachdem der Oberstleutnant sich noch unser freundlich angenommen hatte und lächelnd mit einigen gesprochen hatte, besichtigte er noch sämtliche Räume und verließ dann den Tempel. Unser Leutnant ( Japaner), der gut Deutsch spricht, sagte uns, dass 1904/05 auch die Russen hier wohnten. Außerdem sagte er, die Meinung des japanischen Volkes sei die, dass sich das kleine Tsingtau ohne Hilfe zwei Monate gegen das große Japan gehalten habe, und dass wir als die Gäste Japans betrachtet werden. Das Essen, das wir heute bekommen, ist auch sehr gut. Der Koch, ein kleiner schmucker Japaner aus einem Hotel im Kobe, versteht es gut, nach europäischem Geschmack zu kochen. 24. November, [Dienstag]. Unsere Kleider, die wir in Tsingtau an hatten, werden abgegeben und desinfiziert. Ärztlich werden wir auch untersucht und am linken Arm geimpft. Übrigens ist ein Fortschritt auf der ganzen Linie zu verzeichnen. Als wir am 20. d. M. in diese heiligen Hallen einmarschierten, da bot die erschöpfte, hungrige Kriegerschar einen traurigen Anblick dar. Verwilderte Bärte, struppiges Haar, beschmutzte Uniformen, so wie man aus den Schützengräben kam, das war die Regel. Nun hielten auch die Verschönerungsräte, die Barbiere, ihren Einzug in den Tempelhof. Bald gingen die einschneidenden Veränderungen vor sich. Ruppige, struppige Bärte fielen dem Messer der Enthaa16 野口猪雄次中佐, Stabsoffizier des in Himeji stationierten 10. Infanterieregiments (歩兵第10 連隊). Lagerkommandant seit 11. Nov. 1914 ; die im nächsten Jahr am 20. Sept. 1915 erfolgte Übersiedlung nach dem neu errichteten Gefangenenlager Aonogahara erfolgte ebenfalls unter Noguchi.
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rungskünstler zum Opfer, desgleich die unmöglichsten Haartrachten. Wer hätte denn auch in Tsingtau Zeit und Gelegenheit gehabt, sich zu pflegen, da galt es immer, auf seinem Platz zu sein. Bald erschienen auch noch andere Wohltäter auf der Bildfläche und boten ihre Waren feil, z.B. Seife, Bürsten, Zahnpulver, Schuhcreme, Briefpapier, Tinte, Feder, Bleistift etc. etc. und alles zu sehr billigen Preisen. Sofort wurde die regste Tätigkeit entfaltet, geflickt, gebürstet, geklopft, geputzt usw. dann wurde geschrieben und auch ich sandte die erste Nachricht seit August nach Hause. Als es schließlich auch noch Obst, Wurst, Zuckerwerk, Limonade und Bier zu kaufen gab, war nun alles da, und auch die Stimmung wurde besser, die sich abends sogar durch Lieder Luft machte. Abends vervollständigen wir unser Zimmer durch einen großer Feuereimer, in dem Holzkohle glimmt und bald durchzieht eine behagliche Wärme das Zimmerchen. Nachts froren wir allerdings fürchterlich, da wir die durch die Papierwände ziehende Luft nicht gewöhnt sind. Aber man gewöhnt sich an alles, und jedenfalls ist die fortwährend wechselnde Luft ganz gesund. 25. November, Mittwoch. Vormittag kommt der Chef der 10. InfanterieTruppendivision [Oberst Takemoto]17 und besichtigt den Tempel. Ein gemütlicher, furchtbar kleiner Herr. Er staunte immer wieder über unsere Größe und erkundigte sich eingehend, ob wir wohl zufrieden seien. Bevor er weggeht, hält er wieder eine kleine Ansprache, worin auch er wieder betont, dass wir tapfer waren, und es uns hier gutgehen würde. Den nächsten Tag um 5h Nachmittag kommt der Bürgermeister von Himeji,18 wie zu einem Pflichtbesuch mit seinen Ratsherren. Alle in Frack, weißer Weste, Halsbinder, den Zylinder in der weißbehandschuhten Rechten, und stellt sich so vor und sagt, dass es ihm eine Ehre sei, dass wir in seine Stadt gekommen sind. Wir konnten kaum mehr das Lachen darüber verhalten, als er endlich wegging. Es war aber auch lächerlich, wie der Dolmetscher die obigen Worte aussprach, als ob wir mit unserem Willen hierher gekommen wären. Nächsten Tag kam ein buddhistischer Bischof, der im Auftrage des Erzbischofs von Osaka kam, und uns Trost spendete und Gesundheit wünschte, und jedem ein Pulver schenkte, welches den Stuhlgang fördern soll. Sehr interessant war seine bunte Tracht mit einer Unmenge Bänder in reichem Gold gestickt. Wieder am nächsten Tag inspizierten uns ein General und einige höhere Offiziere vom Kriegsministerium. Wenn nun in den nächsten Tagen der in mystischer Zurückgezogenheit lebende Mikado (japanischer Kaiser) in höchst 17 Oberst Takemoto Takejirō 竹本竹治郎大佐 = Kommandeur des 10. Infanterieregiments (歩 兵第10連隊長) von Aug. 1914 bis Juli 1918. 18 Hori Onkichi (堀音吉), Bürgermeister der Stadt Himeji von Juni 1909 bis Juni 1915.
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eigener Person hier auf dem Tempelhofe erschiene, würde mich dies gar nicht wundern. – Vom Chef des Gefangenenheimes kommt ein Bogen, auf dem jeder seine Wünsche betreffs Essen, Quartier oder sonstigen Bedürfnissen aufschreiben soll. Wir sagen nun : »Jetzt schreiben wir dem Christkindl unsere Weihnachtswünsche auf.« Am 1. Dezember, [Montag] werden wir alle gewogen, gemessen, Körperlänge, Brustumfang. Weiters eine Kraftprobe mit den Händen. Am 2. Dezember, Dienstag nachmittag, um 1h gehen wir in Begleitung eines japanischen Offiziers das ersten Mal aus. Auch 10 japanische Soldaten gehen mit. Der Leutnant sagte, er wollte ohne militärische Begleitung mit uns gehen. Aber es sind Gesetze, die das nicht gestatten. Kaum waren wir aus dem Tempel draußen, als wir schon auch von einer Menschenmenge umgeben waren. Durch die Straßen ging es keine 10 Minuten. Dann kamen wir an einer großen Infanteriekaserne vorbei und gleich darauf an den Eingang eines großen Gartens. Hier konnten wir uns frei bewegen. Ein schön bewachsener Hügel, teilweise von Mauerwerk durchbrochen, steigt zu unserer Rechten empor. Der Garten ist vom Berge durch einen breiten Wassergraben, auf dessen Wasser Schwäne schwimmen, getrennt. Links des Weges ist eine große langgestreckte Wiese und als Abgrenzung des Ganzen ist ein etwa 5 m hoher Erdwall aufgeworfen. Man erkennt den ehemaligen Zweck des Schlosses, die Festung. Auf dem Erdwall stehen auch einige Geschütze, und aus einem derselben wird jeden Tag um 12h mittag ein Schuss abgegeben. Nun geht der Weg im Himeyama Park an schönen Wasseranlagen entlang bis zu einigen Hütten, in denen Erfrischungen verkauft werden. Nach halbstündiger Promenade auf den schönen Kieswegen, inmitten der zahlreichen Japaner mit deren Frauen und Kindern, sammelten wir uns wieder, und nun begann der Aufstieg zum »Himeji castle«. In Serpentinen, teilweise durch zahlreiche Stufen unterbrochen, geht es steil aufwärts. Nun kam noch ein großes eisenbeschlagenes Tor aus starken Holzpfosten. Nach 5 Minuten weiteren Steigens beginnen die ersten Gebäude, ehemals Stallgebäude, jetzt aber leer. Durch 2 weitere Tore hindurch kommt man in einen ebenen Weg, zu beiden Seiten aus starken Steinmauern begrenzt. Hier herein konnte früher Wasser geleitet werden. Links steigt schon die mächtige Steinmauer aus großen Quadersteinen empor, auf der das eigentliche Schloss steht. Ein in die Mauer eingegrabener großer Eisenkorb »Uraga Ishi« [sic] erregt unsere Aufmerksamkeit.19 Zu demselben kam, so erzählt die Sage, früher 19 Uba-ga-ishi 姥が石 (Kirchner hatte versucht, die Schriftzeichen in seinem Tagebuch abzumalen) bedeutet »Weiblein-Stein« : einer alten Legende zufolge fehlten dem Kriegsherrn Toyotomi Hideyoshi (1537–1598) ausreichend große Steine zum Bau der Burg. Ein altes Mütterchen hatte
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jährlich an einem bestimmten Tage ein Weib, und durch Klopfen an die Steine kam eine kleine Quelle Wasser heraus. Nachdem unser Weg zweimal um die Burg herumgeführt hatte, immer noch im Wassergraben, der durch zahlreiche dicke Eisentüren in viele Teile geteilt ist, kam man endlich nach einer scharfen Biegung zum Eingange des Schlosses. Ein mächtiges, aus starken Holzstämmen bestehendes und mit Eisen beschlagenes Tor führt in einen Hof, und der prächtige Bau des alten Schlosses lag steil vor uns. Riesige Hallen liegen vor uns, und zwei breite Stiegen führen aufwärts. Außer einer aus Wachs dargestellten Szene, die den Mikado mit einigen treuen Anhängern zeigt, die ihn nach dem Ausgang einer unglücklichen Schlacht auf den Schultern über ein überschwemmtes Gebiet tragen, ist im Inneren des Schlosses wenig Interessantes. Einige Waffenstücke und alte Uniformen sind noch ausgestellt. Wir schreiten bald in dem mächtigen Hallenbau weiter ; in stets sich wiederholenden Treppenwindungen, unzähligen Stufen, führt es empor, immer eine Stiege zum Hinaufgehen und daneben eine für Herabkommende. Nach jedem Treppenabsatz glaubt man, nun ist endlich die Spitze des Baues erreicht. Aber 6mal täuscht man sich. Immer wieder führen neue Stiegen nach aufwärts. Nach jedem Treppenabsatz ist ein mächtiger Raum aus riesigen Pfosten gezimmert, die allerdings, je höher man kommt, immer kleiner werden, aber trotzdem durch die Stärke der Holzteile imponieren. Endlich sind wir doch im obersten Stockwerk angelangt. Eine herrliche Fernsicht bietet sich aus dem 4eckigen Raume unseren Augen. Inmitten der Stadt erhebt sich diese Feste aus dem 15. Jahrhundert, und die damaligen Verteidiger konnten auf große Entfernungen den herannahenden Feind entdecken. Die Stadt selbst liegt tief unten, rund um den Berg, und die ganze, kreisrunde Ebene, in der Himeji liegt, ist wieder durch steil aufsteigende Berge eingeschlossen. Nur gegen Süd-Ost ist ein schmaler Streifen ohne Berge, und man sieht die Inland-See herüberleuchten. Es ist also hier alles vereinigt – Ebene, Berge und Meer. Zwei Dampfer und zahlreiche Segler ziehen gerade dort in 3 Meilen Entfernung vorbei, und wenn man sich umdreht, sieht man in das Grün der 3–400 m hohen Berge, und man atmet ordentlich auf, wenn man das alles sieht. Von hier oben kann man auch sehr gut den schönen regelmäßigen Bau, der allen japanischen Städten und Orten eigen ist, beobachten. Vom Fuße des Berges aus ziehen sich die Straßen sternförmig nach allen Richtungen hin und sind unterdavon gehört und ihren eigenen Mühlstein geopfert. Als sich dies herumsprach, stellten sich immer mehr Menschen ein, um mit dem Heranbringen von großen Steinen die Fertigstellung der Festung zu ermöglichen. Das Drahtgestell über dem Stein ist Schutz und eben auch Hinweis auf die gute Tat der betagten Witwe. Bei der im nächsten Satz erwähnten Sage hat der Tagebuchautor offensichtlich großen Durst verspürt […].
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einander wieder durch regelmäßige Quergassen verbunden ; so dass dieses Straßennetz einem schönen großen Spinnwebennetz ähnelt. Auch unseren Tempel, in dem wir wohnen, sieht man sehr gut. Leider müssen wir allzu bald unsere Betrachtungen einstellen, denn es heißt an den Abstieg denken. Der Leutnant führt uns zu einem tiefen Brunnen und zur »Harakiri«-Station. Dort begingen die Japaner den bei ihnen heilig gehaltenen Selbstmord, indem sie sich den Bauch mit einem scharfen Messer der Quere nach aufschlitzten. Auch General Nogi, der Eroberer von Port Arthur, und dessen Gemahlin verübten Selbstmord, als vor drei Jahren sein Mikado starb. Mit so großer Anhänglichkeit war er ihm ergeben, dass er nicht mehr leben wollte, ohne seinem Kaiser dienen zu dürfen. Tausende Japaner brachten sich auf diese Weise früher, und auch in geringerem Maße jetzt noch, ums Leben. Diese Selbstmörder werden als heilig erklärt und leben im Volke weiter. – Nach Betrachtung dieses Platzes ging es zwischen Mauern abwärts ; bald waren wir wieder am Fuße des Berges im Himeyama Park angelangt. Durch die Hauptstraße, am Lazarett, Garnisons-Kasino etc. vorbei, die Hauptverkehrsstraße entlang ging es »heimwärts«. Überall waren natürlich zahlreiche Neugierige anwesend. Um 5h war dieser schöne Ausflug zu Ende,20 und im Tempel erwartete uns ein gutes Nachtmahl : gebratene Leber mit Erdäpfel. Wie gut es uns die Himeji-Bewohner meinen, geht daraus hervor, dass uns am 4. Dezember ein japanischer Schuster zwei Fußbälle spendete, und nun im großen Hof alle möglichen Ballspiele gespielt werden, und so für mehr Bewegung gesorgt ist. Am 5. Dezember bekommen wir das erste Mal eine deutsche Zeitung, und zwar aus Tientsin, wo die Druckerei für uns ein eigenes Blatt herstellt, und wir dadurch laufend die neuesten Nachrichten empfangen können, wie es zu Hause auf den Kriegsschauplätzen zugeht. Am 10. Dezember, Mittwoch, kam um 11h Vormittag ein japanischer Feldmarschallleutnant, Kommandant der gesamten deutsch-österreichischen Kriegsgefangenen in Japan.21 Es sind dies 4276 Mann, und zwar 67 Offiziere, 20 Am Tag vorher hatten die Insassen eines der beiden anderen Lager einen Ausflug zur HimejiBurg unternommen. Darüber hatte die lokale Zeitung u.a. folgendermaßen berichtet : »Sie hielten alles sauber. Im Schlosspark wurde kein einziges Zündhölzchen weggeworfen. Zum Kauf angebotene Mandarinen und Äpfel fanden guten Absatz, es blieben davon keine Schalen übrig. Sie benehmen sich sehr bescheiden und kommen aus einer Kulturnation« (Rojō shinbun 鷺城新 聞, 2. Dez. 1914 ; zitiert nach ōtsuru Atsushi 大津留厚 : Aonogahara furyo shūyōjo »uīn satogaeri« tenrankai 『青野原俘虜収容所「ウイーン里帰り」展覧会』2008, S. 31). 21 Generalmajor K awai Misao 河合操 陸軍少将 (1864–1941), bis 25. Jan. 1915 zuständig für alle Gefangenenlager (全国の俘虜収容所の俘虜情報局長官 / jōhōkyoku chōkan), danach Leiter des Personalbüros im Heeresministerium ; besaß Diensterfahrung in Deutschland : zunächst als Major von Okt. 1902 bis April 1904 (Göttingen und Berlin), erneut von Febr. 1906
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9 Fähnriche, 228 Unteroffiziere und 2132 Gemeine. 400 Verwundete sind noch in Tsingtau. Die Gefangenen sind in folgenden Lagern [Orten] untergebracht : Kurume, Kumamoto, Fukuoka, Kagoshima, Matsuyama, Marugame, Himeji, Osaka, Nagoya und Tokyo.22 Nachmittag kam ein Erzbischof aus Kyoto, um uns Kämpfern aus Tsingtau nach der harten Arbeit des Krieges eine Medizin für unsere Seele zu geben. Der Aufenthalt hier wird immer erträglicher. Der Unterstützungsverein in Kobe hat Zeitschriften, und andere Vereine haben uns Bücher und auch einige Gesellschaftsspiele zur Verfügung gestellt, aber am begehrtesten sind doch noch immer die deutschen Zeitungen, und zu unserer allergrößten Freude kam heute auch eine Sendung aus Chefoo [Zhifu],23 die die Zeitung »Neue Freie Presse« aus Wien enthielt, und darin konnte man vieles Interessante aus Österreich, über die siegreichen Kämpfe etc. etc. lesen. Am 15. Dezember, [Montag] komme ich und die anderen Maschinenunteroffiziere von diesem Tempel weg in den anderen, damit die Maschinisten zusammen sind. Dafür kommen andere herüber. Auch in dem neuen Tempel ist es sehr schön, und es ist ein noch größerer Hof und auch ein großer Garten mit großen Schatten spendenden Bäumen da. In diesem halten sich die Deckoffiziere und wir Unteroffiziere auf, während die Matrosen den Hof benutzen. Hier sind wir 160 Mann, 11 deutsche Deckoffiziere, 5 österreichische Deckoffiziere, 20 deutsche Unteroffiziere und 24 österreichische Unteroffiziere, sowie 20 deutsche Matrosen und 60 österreichische Matrosen und 20 Mann deutscher Landsturm. Auch hier haben wir es uns in unseren Zimmern bald gemütlich eingerichtet, und fühlt sich wohl. Vom östlichen und westlichen Kriegsschauplatz hat einer von uns eine große Karte gezeichnet, und darauf werden täglich nach den einlaufenden Nachrichten unsere und die feindlichen Stellungen abgesteckt. Das Allerneueste erfahren wir immer aus der englischen Zeitung aus Kobe, die sich ein Deckoffizier hier hält, und aus der täglich alles verlesen wird. Ganz schauerliche Sachen stehen da oft geschrieben, denn die Engländer wollen der Welt noch immer glauben machen, Deutschland und besonders Österreich seien nun bald erledigt, sie behaupten sogar, wir seien schon ein Leichnam, der sich nur noch nicht begraben lassen wolle. Niederlage auf Niederlage wird darin berichbis März 1907. Nach dem Krieg Oberkommandierender der Guandong-Armee (1921/1923) u. Generalstabschef des Heeres (1923/1926). 22 Kagoshima war nicht dabei. Drei weitere Orte waren in diesem Monat noch dazugekommen : ōita, Tokushima und Shizuoka. Insgesamt waren es zunächst 32 Lager ; in Himeji waren die Gefangenen in drei Lagern resp. Tempeln untergebracht. 23 Die Sendung kam vermutlich vom österr.-ungar. Honorarkonsul Maximilian Baron Babo in Zhifu (heute Yantai 煙台).
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tet, und eine und dieselbe Armee in den Karpaten ist nach diesen englischen Nachrichten bereits 3mal vollständig vernichtet, aber komischerweise steht sie jedesmal wieder auf. Hungersnot soll überall bei uns herrschen, und die Zeitung erfrecht sich sogar zu sagen, dass in Österreich Revolution ist, oder dass wir in Russland um Frieden flehen. Wenn man gelernt hat, diese Zeitung zu lesen, so muss man sagen, dass das alles in den uns feindlichen Ländern der Fall sein muss. Es werden ganz einfach nur einige Worte verstellt. Auch über Tsingtau bringen sie törichtes Geschwätz. All dieses Geschwätz wird wohl am besten dadurch widerlegt, dass der Kaiser von Japan unseren Offizieren den Säbel belassen hat. Eine große Freude wurde uns am 16ten Dezember, [Dienstag] zuteil. Um ½ 9h a.m. kam unser Korvettenkapitän [Georg Pauspertl von Drachental], der mit einigen unserer Offiziere in einem extra Tempel untergebracht ist,24 während unser Schiffskommandant [Makoviz] sich beim Stab in Fukuoka befindet. Er verlas ein Telegramm, das S.M. Kaiser Wilhelm an den Gouverneur gesandt hat, der in Fukuoka in Gefangenschaft ist. In diesem Schreiben wird dem Gouverneur der Dank für die heldenmütige Verteidigung Tsingtaus ausgesprochen und ihm das Eiserne Kreuz erster und zweiter Klasse verliehen. Auch über das Verhalten der Kaiserin Elisabeth schreibt Seine Majestät und dankt für die gehaltene Nibelungentreue. Korvettenkapitän v. Pauspertl25 gratuliert dem Gouverneur, der dann zurücktelegraphierte, dass diese hohe Auszeichnung für alle gelte, und er sie für alle trage. 17. Dezember, [Mittwoch]. Es laufen jetzt täglich zahlreiche Kisten und Pakete ein, die Liebesgaben für uns enthalten. Wie sich herausstellt, sind diese Sachen von den Siemens-Schuckert-Werken und von zwei japanischen Firmen. Auch deutsche Lokalzeitungen kommen aus Deutschland hier an, die leider schon 8 Wochen und noch älter sind. Wenn man da all die Heldentaten liest, die zu Hause vollbracht werden, so drückt es einen schwer, dass wir diesen weiteren Kämpfen Deutschlands und Österreichs jetzt untätig zuschauen müssen. Über den endgültigen Ausgang des Ringens, des größten aller Zeiten, ist wohl kein Zweifel, sondern nur das Wann. Wir alle sehnen uns nach der Stunde, die uns wieder die Freiheit geben wird. Denn obwohl unsere Behandlung gut ist, und es wohl keinem Kriegsgefangenen so gut gehen wird wie uns, ist es doch furchtbar eintönig hier. Ob Sonntag oder Montag, wird man kaum gewahr. Man vegetiert so richtig dahin. 24 Myōkōji (妙行寺), ebenso unweit der Burg, jedoch östlich von ihr ; hier waren die Offiziere untergebracht. 25 Georg Pauspertl Wladyk von Drachenthal (1875–1964), Gesamtdetailoffizier der Kaiserin Elisabeth, somit der zweithöchste Offizier an Bord des Kreuzers ; gleichzeitig der Sprecher des gesamten Lagers für alle Insassen sowohl in Himeji als auch später in Aonogahara.
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Da hier typhöse Erscheinungen aufgetreten sind, dürfen wir auch nicht mehr über die Grenzen unseres Tempelhofes hinaus. Bücher, Zeitschriften, Zeitungen und Spiele vertreiben nun die Zeit. Diese rückt vor, und schärfer treten die Merkmale des beginnenden Winters in den Vordergrund. Kürzer werden die Tage und länger die Nächte, und so steht mit einem Male das Weihnachtsfest vor der Türe. Wohin immer auch ein Christ und hauptsächlich ein Deutscher kommt, da will er seine Weihnachtsfeier haben. Unter einem oft wunderbar nachgeahmten Weihnachtsbaum sitzt der Seemann in seiner Kajüte, der Farmer im Urwald, der Reisende am Äquator. Aber dass Weihnachten in den geweihten Räumen eines buddhistischen Tempels gefeiert worden ist, ist wohl noch nicht dagewesen. Schwer war es uns wohl am 24. Dezember, [Mittwoch], die richtige Stimmung zum Feiern zu finden. Aber als die zwei großen, schön geschmückten Weihnachtsbäume ihren Lichterglanz erstrahlen ließen und zwei bekannte Weihnachtslieder gesungen wurden mit Harmonium und Violinbegleitung, da kam in unser Herz doch die Festesstimmung. Da gingen die Gedanken von ganz allein wieder in die Heimat. Da waren wir wieder im Kreise unserer Lieben, und unsere Sehnsucht wurde – zum Gebet : »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden«. Als die Weihnachtslieder verklungen waren, hielt Unteroffizier Klinke,26 der Führer der Landsturm-Abteilung ist, und dessen Zivilberuf Advokat ist, eine lange, dem Ernst der Zeit entsprechende, feierliche und tief zu Herzen gehende Ansprache, und wohl manche Träne floss bei diesen Worten eines Mannes zu Männern über die Wangen der Zuhorchenden. Nach der Ansprache wurden die Hymnen »Heil Dir im Siegerkranz« und »Gott erhalte, Gott beschütze« von allen gesungen. Damit war diese erhebende Feier beendet, der auch unsere japanischen Vorgesetzten beiwohnten.27 Dank unserer Landsleute in China und Japan konnte dann an eine Bescherung gedacht werden. Jeder Mann erhielt ein Paket mit nützlicher warmer Unterwäsche, Handschuhe und Hausschuhe. Auch eine kleine Tombola konnte veranstaltet werden, in der recht schöne und praktische Sachen zu bekommen waren, wie Kopfpolster, Hemden, Schokolade, Würste, japanische Lackschachteln, Spiele, Ansichtskarten, Briefpapier und viele Nähzeuge ; ich zog ein Nähzeug. Auf den Tischen, wo bereits zum Nachtmahl gedeckt war, standen auch Pfefferkuchen, Nüsse, Obst etc. etc. Für ein großartiges Festmenü sorgten die Japaner. Der Koch gab ein Abschiedsessen, da vom 1. Jänner an nicht mehr er kocht, sondern wir selbst nach eigenem Geschmack. Um 8h abends kamen auf riesigen Tellern schön verzierte Speisen, die alles mögliche vorstellen sollten. Aber alles war nur aus 26 Georg Klinke, aus Forst/Lausitz in Preußen. 27 Die Lokalpresse berichtete darüber (Rojō shinbun 鷺城新聞, 24. Dez. 1914).
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Reis gemacht und schmeckte echt japanisch. Aber man sah den guten Willen des Hoteliers. Um 9h kam Tee und Kuchen sowie auch belegte Brötchen. – Bis 11h wurde musiziert und auch etwas getanzt. Dann war für uns das Weihnachtsfest beendet, während es zu Hause noch nicht einmal angefangen hat, denn jetzt ist es in Europa erst 3h Nachmittag. Als wir am 25. Dezember aufstanden, es war bereits 8h a.m., dachte ich gleich, dass jetzt zu Hause noch der Christbaum brennt und rief mir vergangene Weihnachtsfeste in der Heimat ins Gedächtnis zurück. Unseren lieben Landsleuten in Japan und China zu Dank, deren Fürsorge es ermöglichte, dass wir überhaupt Weihnachten feiern konnten, ist folgendes Gedicht gewidmet. Weihnachten 1914 Nicht frohen Herzens sehen wir kommen Das Weihnachtsfest in diesem Jahr. Wie mancher schien in diesen Tagen Gar jeder Weihnachtsfreude bar. Gefangen in des Feindes Lande, Fern von der Heimat, fern dem Krieg. In den die Kameraden alle Frohmütig ziehen in Tod und Sieg. Fern auch von unser’n Lieben allen Von Eltern, Freunden, Weib und Kind.
Was Wunder, daß man also denkend Die Weihnachtsstimmung nicht gewinnt. Doch sieh ! Am Weihnachtsabend brannte Auch hier der Christbaum hell und klar. Auch hier ertönt wie sonst zu Hause Die Botschaft froh und wunderbar, Daß Frieden soll auf Erden werden. Ob heut’ der Krieg auch tobt und brüllt Es muß doch einmal Friede werden. Daß diese Botschaft sich erfüllt, Seid still ! Auch uns kommt dieser Tag.
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So hilft das Weihnachtsfest uns hoffen Mit frohem Mut auf bessere Zeit. Und weiter zwingt es uns zu danken Für soviel Lieb und Freundlichkeit. Denn sieh ! Die Fülle von Geschenken Der Weihnachtskerzenglanz bescheint.
Zu deren Gaben alle Deutschen Im fernen Osten sich vereint.
Wir danken herzlich ihnen allen Dafür, daß unsrer sie gedacht. Daß jeder von uns Kriegsgefangenen Durch sie ein Christgeschenk gebracht. Und zu dem Dank gesellen heute Viel Wünsche sich zum neuen Jahr : Es bringe Wiedersehensfreude Und Friede uns, das werde wahr !
— * —
Neujahr ! Wie viele Hoffnungen wird uns das neue Jahr erfüllen ? Eine hoffentlich ganz gewiss ! Wir werden siegen ! Dieser Hoffnung gewiss, blicken wir getrost in die Zukunft. Das Jahr 1915 hat für uns begonnen, still und ohne Feier. Kein Glückwunsch zum neuen Jahr hat uns diesmal um 12h Mitternacht bei der Jahreswende, die uns überdies schon 8 Stunden eher erreichte wie die daheim, die Stille der Nacht unterbrochen und hätten wir untereinander uns am Morgen des 1. Jänner gegenseitig nicht still die Hände gedrückt, man wäre sich gar nicht bewusst geworden, dass das Jahr 1915 begonnen hat. Wenn auch uns hier draußen keine Glückwünsche aus der Heimat erreichen konnten, so sandten doch wir an diesem Tage in Gedanken die heißesten Glückwünsche für das begonnene schwere Jahr nach Hause. Mittlerweile ist es Winter geworden. Natürlich ist die Kälte nicht so streng, wie wir sie vom Winter in Steiermark oder sonstwo im nördlicheren Europa kennen, und sie würde sich in derselben Strenge auch gar nicht ertragen lassen, weil die ganze Wohnungseinrichtung der Japaner nicht darauf bedacht ist. Durch die ungewollt in die Papierwände hineingerissenen Löcher machen sich kalte Winde und böse Zuglüfte unangenehm bemerkbar. Richtige Öfen haben wir nicht. In jedem Raum ein oder zwei große Ziegelkästen, und in diesen glim-
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men den ganzen Tag Holzkohlen und verbreiten eine halbwegs annehmbare Wärme, sind die Türen jedoch 5 Minuten offen, so ist es gleich wieder kalt. Schreiben kann man untertags überhaupt fast gar nicht, da einem die Finger immer steif sind. Abends erwärmt man sich erst ordentlich. Untertags läuft man halt fleißig draußen herum, und erst abends wird geschrieben oder gelesen. Am 3ten Jänner, [Sonntag] kam der Chef des Auskunftsbüros aus Tokyo, um das Lager zu inspizieren. Der Major erkundigte sich eingehend, ob uns das Essen schmeckt, wie wir wohnen, und ob wir zufrieden seien. Einen Mann fragte er, was ihm in Japan besonders gefiele, worauf der Gefragte ganz richtig antwortete : »Die Naturschönheiten des Landes.« Einen anderen Soldaten fragte der Offizier auch, was ihm in Japan am besten gefiele. Der Gefragte antwortete nach kurzem Überlegen : »Die japanischen Mädchen.« Ein allgemeines Gelächter war die Folge dieses Ausspruches. Weiters wollte der Inspizierende auch wissen, ob wir Nachrichten haben, wie es den japanischen Studenten etc. in Deutschland und Österreich, die dort bei Ausbruch des Krieges interniert wurden, ergehe. Darüber konnten wir natürlich keine Auskunft erteilen. Am 4ten Jänner, [Montag] wird ein deutscher Seesoldat unter typhusverdächtigen Erscheinungen ins Garnisonslazarett überführt, und am 6ten Jänner, [Mittwoch] erkrankt auch Herr Unteroffizier Klinke, der am Weihnachtsabend die schöne Rede gehalten hatte, an Typhus und wird auch ins Spital gebracht. Die Zimmer, in denen diese beiden gelegen haben, werden desinfiziert und die Bretterböden aller anderen Zimmer mit Lysolwasser gewaschen. Am 16. Jänner, [Samstag] beginnt unser japanischer Militärarzt mit der Schutzimpfung gegen Typhus. Mittels einer an einer kleinen Glasspritze angebrachten hohlen Nadel bekommen wir in die linke Brustseite die erste Einspritzung. Die Leute, die heute geimpft wurden, mussten sich gleich niederlegen, und abends hatten alle schon Fieber. Am 19ten in der Früh sind die am 16. Jänner Geimpften wieder gesund, und heute kommt die zweite Tour daran, und damit auch ich. Schon um 3h Nachmittag habe ich 38,6° Fieber, das bis zum Abend auf 39° steigt. Nächsten Tag lässt das Fieber wieder nach, und abends kann ich wieder aufstehen, allerdings mit so starken Brustschmerzen, dass man die linke Körperseite und den linken Arm nur schwer und mit Schmerzen bewegen kann. Am 24. Jänner, [Sonntag] am Abend bekam ich wieder Fieber und konnte nichts essen. Am nächsten Tag hatte ich schon 38,4° und ich legte mich in unserem Zimmer zeitweise nieder. Am 27ten Jänner, [Mittwoch] hätte ich das 2te Mal gegen Typhus geimpft werden sollen, und zwar bekam man diesmal eine doppelt so große Menge eingespritzt wie das letzte Mal. Ich ließ mir, da es mir sehr schlecht ging, vom Doktor Fieber messen und hatte so um 11h Vormittag 39,5°. Sofort musste ich mich ins
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Krankenzimmer legen, wo ich dann gründlich untersucht wurde. Essen konnte ich überhaupt nichts mehr, und ich nahm nur etwas Apfelkompott zu mir. In den nächsten Tagen war ich schon so schwach, dass ich nicht mehr allein aufstehen konnte, und endlich am 1. Februar, [Montag] wurde ich ins Garnisonsspital gefahren, wo ich um 11h vormittags eintraf. Am Nachmittag wurde ich dreimal von verschiedenen japanischen Doktoren gründlich untersucht, und es wurde durch Blutprobe festgestellt, dass ich Typhus und Bronchitis habe. Ich lag nun die ganze Zeit wie geistesabwesend in meinem Bett, das ganz allein in einem Gebäude steht. Am 2. Februar, [Dienstag] hatte ich 40,9° und damit auch den Höhepunkt der Krankheit erreicht. Von da an besserte sich mein Zustand. Dreimal wurden mir aus den Adern am Arm je 2 cm3 Blut genommen, um die Heilung und Reinigung des Blutes festzustellen. Ich bekam nur Suppe und Milch zu essen, außerdem natürlich Pulver-Medizinen. Für den Durst bekam ich Wein und Wasser gemischt. Erst am 17. Februar, [Mittwoch] bekam ich das erste Mal wieder Fleisch und Gemüse zu essen, und zwar brachte dies ein japanischer Boy aus einem Restaurant. Mein Appetit besserte sich und ich bekam nun auch täglich vier Eier, ein Liter Milch und Butter. Das Essen war sehr gut und jeden Tag etwas anderes. Am Morgen immer Suppe ; mittag auch Suppe und Gebratenes oder irgendeine Art Fleisch, ebenso am Abend. Die Doktoren waren von ausnehmender Liebenswürdigkeit, und der Chef des Hospitals, ein Oberstabsarzt, der erst im Mai 1914 aus Deutschland und Österreich zurückgekommen war und auch Graz, Salzburg und viele andere Städte gesehen hatte und perfekt Deutsch sprach, besuchte mich täglich eine Stunde und brachte mir immer Neuigkeiten vom europäischen Krieg. Außerdem schickten mir die Kollegen aus dem Tempel Zeitungen. Die Ärzte brachten mir auch Bücher und die langweiligen Tage, während ich genas, wurden dadurch verkürzt. Während ich im Spital war, hatten auch japanische Mädchen einen Kurs für Krankenpflege, die europäisch gekleidet waren und auf den hohen weißen Schwestermützen das Rote Kreuz führten. 26 von diesen freiwilligen Krankenschwestern machten hier Schule und kamen auch mich täglich besuchen. Ich ließ mir vom Arzt einige japanische Worte aufschreiben, und als am nächsten Tag diese Fräuleins wiederkamen, grüßte ich sie mit den Worten : »Ohayo yoros[h]i kangofu« (Guten Morgen, gute Krankenpflegerinnen), worüber zuerst alle sehr erstaunt waren, dann aber ihr silberhelles Lachen erklingen ließen. Als es mir immer besser wurde unter der guten Behandlung, machten diese Schwestern mir sogar Fensterpromenaden. Da ich aber im Bette bleiben musste, konnte ich nur hinauswinken und ihnen zurufen : »arigato« (Danke). Am 20. Februar, [Samstag] durfte ich das erste Mal aufstehen und konnte auf der offenen Veranda eine Promenade machen. Da ich aber nach ½ Stunde
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wieder schwach wurde, zog ich es vor, ins Zimmer zu gehen, wo ich mich niederlegte. Am 22. hätte ich sollen entlassen werden. Da es mir diesen Tag aber wieder schlechter ging und ich schon um 4h a.m. Fieber hatte, was in den letzten Tagen nicht mehr der Fall war, durfte ich noch nicht weg. Erst am 25. Februar, [Donnerstag], also genau einen Monat nach Beginn der Krankheit, kam mich um 9h Vormittag der japanische Oberleutnant mit meinem Freunde Schwarz28 abholen, und ich wurde entlassen, nachdem ich mich bei den Ärzten für die gute Behandlung bedankt hatte. Aber wie sah ich aus. Um 5 Kilo hatte ich abgenommen, weiß wie Kalk im Gesicht, und ein Bart war mir gewachsen. Als ich in den Tempel zurückkam, erkannten mich viele nicht mehr. Ich fühlte mich aber, außer etwas Schwäche, ganz wohl, und das war mir die Hauptsache. Ich begann nun fleißig zu essen und bestellte mir täglich ein Liter Milch. Aus Kobe ließ ich mir Butter schicken und Kakao, und dazu das gute Essen aus der Küche, das, seitdem unsere Leute kochen, viel besser und reichlicher ist. All das wird mich bald wieder in die Höhe bringen. Damit ich auch geistige Nahrung habe, lerne ich fleißig die italienische Sprache und habe mir mit Schwarz zusammen ein Rechenbuch aus Tientsin bestellt. So vergeht die Zeit wieder, und der Frühling wird bald kommen. Am 24. Februar, [Mittwoch] entflohen aus unserem Tempel die beiden Maschinenunteroffiziere Mostler29 und Wolczik30. Sie wurden jedoch schon am nächsten Tag wieder auf der Strecke nach Kobe verhaftet und hierher zurückgebracht, wo die Untersuchung eingeleitet wird. Aus dem zweiten Tempel entflohen am vorhergehenden Tag drei Unteroffiziere, die erst entdeckt wurden, als sie schon auf einem amerikanischen Dampfer in Kobe waren, aber von einigen deutschfeindlich gesinnten Amerikanern dieses Schiffes an die japanischen Behörden verraten wurden. Auch diese drei Mann kamen hierher zurück, und die Verhandlung wurde eingeleitet. Mostler und Wolczik bekamen 8 Monate Gefängnis, die anderen drei Mann 9 Monate. Der 2te März, [Dienstag] wird für mich ein Freudentag. Während ich nachmittags im Garten sitze, werde ich gerufen und empfange den ersten Brief nach 7monatiger Unterbrechung. Welches Gefühl ich hatte, als ich Siegis31 Schrift erkannte, werde ich nicht vergessen. Es war Angst und Freude. Wer weiß, wel28 Maschinenmaat Karl Schwarz (geb. 1892 in Kallich, Böhmen), wie Kirchner zunächst Kriegsgefangener (Nr. 2398) in Himeji, danach Aonogahara. 29 Alois Mostler, Maschinenquartiermeister ; aus Graz/Steiermark (Schulgasse 24). 30 Heinrich Wolczik, Quartiermeister ; aus Witkowitz in Mähren. Der Ort Witkowitz (später Vítkovice) wurde nach dem Ersten Weltkrieg in die Stadt Ostrau (Ostrava) eingemeindet. 31 Siegfried Kirchner, Friedrichs jüngerer Bruder ; gefallen am 4. August 1917 an der serbischen Front.
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Abb. 39a: Postausgabe im Gefangenenlager Aonogahara. Abb. 39b: Wohnraum der Unteroffiziere im Gefangenenlager Aonogahara.
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che Nachrichten der Brief enthielt, was ist mit allen zu Hause und was mit Hermann, der doch seit Kriegsbeginn in Serbien kämpft.32 Na, zum Glück nur gute Nachrichten, und wohl 10mal lese ich den Brief wieder. Auch viele andere bekamen heute das erste Mal aus der teuren Heimat Post, die lang ersehnte erste Nachricht seit Kriegsausbruch. Es war nämlich die erste Postsendung über Italien-Amerika aus Österreich-Ungarn eingelangt, und überall herrschte daher heute bei uns frohe Stimmung, wusste man doch, dass es zu Hause gut ging, und über viele Zweifel war man nun plötzlich hinaus und mancher Stein vom Herzen gerollt. Jetzt konnte man auch von hier wieder fleißiger schreiben, wusste man nun doch, dass die Post überhaupt in die Heimat kommt, und da die Korrespondenz in unbeschränktem Maße erlaubt ist,33 so wurde die folgenden Tage nun sehr viel geschrieben. In den Zimmern ist es nun auch schon ganz angenehm warm und es frieren einem nicht mehr so die Finger wie früher. Am 11. März, [Donnerstag] kommt Vormittag der evangelische Pastor Emil Schröder,34 der evangelischer Missionär in Japan ist, und nachdem einige Messlieder erklungen waren, begann dieser echt deutsche Mann mit dem großen blonden Schnurrbart in ergreifenden Worten zu sprechen und hauptsächlich gab er uns den Trost, dass wir hier nicht verzweifeln sollten, sondern dass auch wir hier in der Gefangenschaft große Pflichten zu erfüllen haben, nämlich die Pflichten hinter der Front, die wir jetzt erfüllen müssen, darunter auch den Japanern zu zeigen, was deutsche und österreichische Disziplin ist und dass dieselbe auch hier festhält. Auch den Dank sämtlicher Deutschen und Österreicher in Japan (Zivil) für die Verteidigung Tsingtaus sprach er uns aus und gab uns viele gute wirklich aufrichtig gemeinte Ratschläge. Nachdem diese Predigt, die unter freiem Himmel gehalten war, zu Ende war, sprach dieser Mann noch lange mit uns, und zwar nicht als Geistlicher, sondern als Freund und deutscher Mann. Er erkundigte sich eingehend nach unserem Wohlergehen und nahm dann end32 Friedrichs älterer Bruder Hermann Kirchner (1890–1953) ; zuletzt k.u.k. Hauptmann ; für seine Tapferkeit bei der Südtirol-Offensive im Mai 1916 wurde ihm das Ritterkreuz des MilitärMaria-Theresien-Ordens verliehen. Von 1928 bis 1940 im Generalstab der albanischen Armee. In Graz wurde eine Bundesheerkaserne in der Kasernstraße 24 nach ihm benannt (Marenglen Kasmi, Hermann Kirchner. Im Dienste der albanischen Armee, Truppendienst, Folge 336, Ausgabe 6/2013 (http://www.bundesheer.at/truppendienst/ausgaben/artikel.php ?id=1640 [abgerufen am 31.01.2019]). 33 Galt nur für Offiziere und Unteroffiziere. 34 Emil Schröder (Wesel am Rhein 1877–1959 Weimar) war von 1909 bis 1920 Pfarrer der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Tokyo und Yokohama (Heyo Hamer »Der rheinische Beitrag zur Ostasien-Mission.« Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes, 1984, S. 403–484 ; frdl. Mitteilung des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland, Düsseldorf ).
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lich mit dem Versprechen, recht bald wiederzukommen, Abschied. Wir waren diesem Mann alle von Herzen dankbar für die aufmunternden Worte, die er treffend zu uns gesprochen und sahen ihn nur ungern scheiden. Das Wetter wird nun immer schöner, und es wird an manchen Tagen schon ordentlich heiß. Es wird fleißig Faustball, Fußball etc. gespielt, um Bewegung zu machen, und man braucht Gott sei Dank nicht mehr soviel in den Zimmern zu sitzen, wie das früher eine Notwendigkeit war. Von 10h a.m. bis 5h nachmittags kann man schon ganz gut auf der Sonne im Garten sitzen, und die Sonnenstrahlen tun einem wirklich ordentlich wohl. Das neu hervorbrechende Grün erfreut überall das Auge und man denkt wohl wieder öfter an die Heimat, wo ja jetzt auch der Frühling seinen Einzug hält und dadurch auch die im Winter erschwerte Kriegführung eine Erleichterung findet, und nun eine große Offensive unsererseits erwartet werden darf, die wohl hoffentlich bald die Niederringung eines unserer Feinde zur Folge haben wird. Am 10. April, [Samstag] unternehmen wir wieder einmal einen Ausflug. Durch die Stadt geht’s hinaus, und bald liegen die Häuser hinter uns und die die Ebene einschließenden Berge vor uns. Ein herrliches frisches Grün prangt einem überall entgegen, und man atmet viel freier diese gute Luft als im Tempel. Durch Felder hindurch, die zwischen der Stadt und den Bergen liegen, geht unsere Wanderung, bis wir zu einem großen Flussbett kommen, das teilweise ausgetrocknet ist, und nur in der Mitte strömt der Fluss aus den Gebirgen dem Meere zu. Rings um das Flussbett sind grüne Anlagen, und dort machen wir halt. 22 Mann beginnen ein Fußballwettspiel und haben sich dazu Fußballkleidung mitgenommen, und bald tummeln sie sich im Sande herum, und mancher harte Kampf entsteht um den Ball. Da aber die Sonne ungemein heiß herniederbrannte, hörten die Leute nach einer Stunde auf zu spielen, und überall sah man nun an schattigen Stellen kleine Gruppen beisammen im Gras sitzen, und man genoß die Waldluft, die von den kaum 500 m entfernt aufsteigenden Hügeln herüberwehte. Kleine japanische Kinder tummelten sich zwischen uns herum und waren glücklich, wenn wir ihnen einige Orangen, die man zu kaufen bekam, schenkten. Um 4h traten wir den Rückmarsch an, und um 5h waren wir wieder in unserem Heim angelangt, wo bereits ein gutes Abendessen bereitet war. Über den Ausflug war man allgemein sehr zufrieden, und man wünschte nur, dass man öfters hinaus käme, was uns von Seiten der japanischen Offiziere auch versprochen wurde. Schon am 22. April, [Donnerstag] wurde unser Wunsch wieder verwirklicht, und um 1h nachmittags brachen wir auf. Zuerst ging es auf eine kleine Anhöhe in der Nähe der Stadt, und von dort aus immer zwischen Feldern oder durch Wald bis außer Sichtweite der Stadt. Es war ein herrlicher Spaziergang.
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Von 3–4h rasteten wir auf einer kleinen, durch Flussläufe gebildeten Insel, auf der schöne Ruheplätzchen waren. Um 4h traten wir wieder den Rückweg an, der noch schöner war als die früher begangenen Wege. Zwischen unzähligen kleinen und großen Hügeln führte unser Weg. Himeji war den ganzen Nachmittag nicht sichtbar. Um 5h passierten wir den letzten Berg, der die Aussicht behinderte, und nun lag Himeji mit dem Schloss wieder vor uns. Auf letzterem Berg ist ein Tempel erbaut, zu dem ein aus lauter Triumphbogen gebildeter Weg hinanführt. Dort sind die Urnen eingegraben, die die Asche gefallener Japaner aus den Kriegen 1904/05 und Tsingtau enthalten. Die Himeji-Bevölkerung hat damit seinen Stadtsöhnen, die in der Fremde als Helden fielen, ein ewiges sinnreiches Denkmal geschaffen.35 – Um 6h kamen wir in unserem Heim an, und da der Abend herrlich war, blieb ich, nachdem ich ein Bad genommen, noch bis 11h im Garten sitzen. Alles arbeitet jetzt am Hängematten flechten, und da man eine solche sehr bequem im Garten zwischen den Bäumen aufhängen kann, so mache auch ich mir eine, die ich nach einem Tage vollendete und nun jeden Tag von 12–2h nachmittag ein Schläfchen machen kann, während ein leiser warmer Wind über einen hinwegstreicht und die Bäume ihre Sprache lispeln. Um 2h wird natürlich wieder angefangen zu lernen, wobei mir das Buch »Ulrich’s Algebra«36, das ich mir mit Schwarz aus Tientsin bestellte, sehr gute Dienste leistet, ebenso wie Dr. A. Mussafia’s Italienische Grammatik37 im italienischen Sprachunterricht. Bis 5h wird gelernt, nachdem um ½ 3h gejausnet wird, und zwar Butterbrot mit Tee oder Kaffee mit Milch, und hie und da leistet man sich auch einen Kakao. Abends um ½ 6h ist Abendessen, und dann gehe ich stets 1 ½–2 Stunden in der angenehmen Abendluft im großen Hof spazieren, entweder allein oder auch in Gesellschaft. Nach ½ 9h sitze ich stets noch mit Schwarz beim Scheine eines Lampions in unserer Laube, und [wir] unterhalten uns bis ½ 10 oder 10h, oder es werden noch ein oder zwei Partien Schach gespielt. So vergeht ein Tag nach 35 Die Beschreibung des Ausflugs am 22. April (und nachfolgend am 7. Mai) ist ungenau ; der Tagebuchschreiber unterscheidet nicht zwischen Tempel (buddhistisch) und Schrein (shintoistisch). Unterlagen im stadtgeschichtlichen Büro der Stadt Himeji über die Ausflüge der Kriegsgefangenen an diesen Tagen gibt es nicht. »Triumphbögen« könnten hintereinander gereihte Shinto-Tore gewesen sein. Auf jeden Fall waren die Ausflüge immer im Norden von Himeji, in Richtung Hiromine-Berg 廣嶺山, von dem man weit sehen konnte. Kirchner und seine Kameraden hatten dort sicherlich den Hiromine-Schrein 廣嶺神社 besucht, der im 8. Jahrhundert gegründet und dessen heutige Gebäude aus der Muromachi-Zeit (14./16. Jh.) stammen. 36 Georg Ulrich, Ausführliches Lehrbuch der Arithmetik und Algebra für den Selbstunterricht mit zahlreichen Übungsaufgaben und dazu gehörigen Auflösungen, Berlin, Schultze Verlag, 190712. 37 Adolf Mussafia, Italienische Sprachlehre in Regeln und Beispielen. Für den ersten Unterricht, Wien, Braumüller, 191229 (1. Aufl. 1860 ; bis zur 26. Aufl. 1900 von Mussafia selbst redigiert).
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dem anderen, hie und da natürlich zwei oder drei Regentage, wobei man im Garten auch unter einem Dache sitzen kann und wenigstens nicht in den Zimmern zu sein braucht. Da sich auch die Moskitos am Abend und in der Nach bereits sehr unliebsam bemerkbar machen, bekommen wir Mitte Mai jeder ein schönes großes Moskitonetz, die die japanische Verwaltung in Tsingtau fand und nun hierher sandte. Es ist sehr angenehm zu schlafen unter dem Schutze dieser Netze, und nur zeitweise hört man außen das wütende Sausen der blutgierigen Stechmücken, welche einen großen Zorn haben müssen, dass sie nun so gar keine Gelegenheit haben, ihren Blutdurst zu stillen. Am 7. Mai, [Freitag] war wieder Spaziergang. Zuerst durch die Stadt hindurch zum Fluss und dann durch die Felder, die von der Morgensonne bestrahlt waren. Wir waren schon um 7h a.m. aufgebrochen in Richtung der Berge, die nördlich Himeji einschließen. Nach kurzem Aufstieg kamen wir zu einem Tempel, bei dem Rast gemacht wurde, und wo eine sehr gute, reine Morgenluft war, die einem ordentlich wohltat. Wir waren schon mitten im Wald, und schöne Wege führten nach vielen Richtungen. Drei übereinander liegende Teiche, die sehr kunstvoll für die Bewässerung der ringsherum etwas tiefer liegenden Felder dienen, erregten meine besondere Aufmerksamkeit. – Beim Tempel, zu welchem etwa 200 Steinstufen hinanführen, war ½ Stunde Rast, und als nach Verlauf dieser Zeit die japanischen Offiziere fragten, wer mitgehen will weiter hinauf, ging natürlich alles freudig weiter. Ein steiler, ziemlich beschwerlicher Aufstieg begann, der aber sehr schön war, da bis knapp an die ausgesprengten Wege heran das grüne Strauchwerk reichte, und man von vielen Stellen aus auch während des Weges in die Ebene hinunterblicken und beobachten konnte, wie man immer höher kam. Fast an der Spitze des Berges angelangt, hörte der Baumwuchs auf, und steile Felsen bildeten nun den weiteren Weg. Auch diese wurden überwunden, und auf der Spitze angelangt, sah man frei in die herrliche Umgebung. Aber wir blieben nicht hier. Von der Spitze aus ging es wieder etwas abwärts, wo wir alsbald wieder auf einen schönen Waldweg kamen. Nun sah man von der Ebene nichts mehr, sondern nur Strauchwerk, und dort, wo sich wirklich ein Ausblick eröffnete, sah man gegenüber nur auch steil aufsteigende grün bewachsene Hügelabhänge, und man freute sich, inmitten der »Alpen in Obersteiermark« zu sein. Etwa eine Viertelstunde ging es durch einen Sattel und dann wieder sachte bergauf. Kleine japanische Hütten waren am Weg gebaut, und man sah, dass man sich einer Niederlassung näherte. Die Häuser, die hier ebenso nett und rein, wenn nicht noch reiner als in Himeji selbst sind, wurden häufiger, und aus dem vor uns liegenden Abhange sah man nun auch ein Tempeldach hervorschauen. Bald waren wir dort. Einige Stufen, unter großen Triumphbögen aus Stein gelegt, führten nach aufwärts, und ein
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ziemlich großer Platz lag vor uns. Von diesem aus noch 10 Stufen, und man war im Tempel, der dem Gott der Saaten und Früchte geweiht ist. Drei Buden mit Erfrischungen waren auch da, und so wurde nun um ½ 10h vormittags die Morgenjause eingenommen. Eine herrliche Fernsicht bot sich auch hier unseren Augen. In etwa 3 Meilen Entfernung sah man das blaue Meer blinken und auch die Inseln, die die Inlandsee so verschönern. Dann sah man natürlich auch die Ebene, die vom Meer aus bis Himeji liegt. Himeji selbst konnte man nicht sehen, da einige kleinere Hügel vor uns lagen und die Stadt zu Füßen derselben liegt. Links und rechts von uns waren die Himeji einschließenden Berge, alle etwa in gleicher Höhe, als wie wir standen (etwa 400 m), und hinter uns konnte man tief ins japanische Hochland hineinsehen, wo ein Berg neben dem anderen steht, und nur ganz geringe Landstreifen für Bebauung frei sind. Je weiter man ins Innere des Landes hineinsieht, desto höher werden die Berge, die, soviel man mit dem Fernrohr feststellen konnte, Hochlandcharakter annehmen. Nachdem wir uns alles angeschaut hatten, setzten wir uns in eine der Erfrischungshallen und tranken Limonade und den in Feldflaschen mitgetragenen kalten Tee. Nach kurzer Rast ging ich wieder in den Tempel, denn, obwohl ich schon viele japanische Tempel (Gotteshäuser) gesehen habe, so interessiert mich doch jeder neue wieder, denn jeder hat seine Eigenheiten. In den meisten Tempeln werden Goldgeräte angebetet und die Tempeleinrichtungen sind dann sehr kostbar, in anderen Bethäusern wieder findet man überhaupt gar keine Einrichtungen. Hier in diesem Tempel ist ein Vorsaal, dessen Wände mit Kriegsbildern behangen sind. Dann kommen fünf enge, kaum zwei Schritt breite Räume, in denen sich der Priester bewegt. Ich habe Glück, denn in einer dieser Buden vollführt gerade ein japanischer Priester seine Zeremonien und zwar wird hier ein etwa ¾ m Durchmesser habender Spiegel angebetet, der auf einer Miniaturstiege, anstelle unseres Altars, steht, und von einigen Holzfigürchen und einigen Blumen umgeben ist. Wohl hundertmal verbeugt sich der Priester, der mit verschränkten Beinen dahockt, mit der Stirne bis am Boden, und man muss die Beweglichkeit, die dieser Mann in seinem Rückgrat hat, bewundern. Allerdings hat er am Kopfe eine scheinbarst schwere ¾ m hohe verzierte Mütze auf, die ihm den Kopf wahrscheinlich an den Boden zieht. Nach einiger Zeit, während dieser stillen Messe, erhebt sich der Pope und beginnt nun stehend mit gefalteten Händen seine Verbeugungen vor dem schönen Spiegel, in dem er sich scheinbarst sehr wohlgefällt. Nach jeder der demütigen Verbeugungen dachte ich, dass nun doch Schluss wäre, aber immer wieder faltete er die Hände, machte kleine Schritte hin und her, soviel als der enge Raum erlaubte, bis er endlich sich plötzlich umdrehte und ohne
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ein Wort gesprochen zu haben, den Raum verließ, die anderen vier Räume passierte und endlich verschwand.38 Auch sein Schicksal kann man hier befragen. In Schachteln sind Holzstäbchen eingeschlossen. Am oberen Deckel ist ein kleines Loch, und aus diesem fällt, wenn man schüttelt, ein Bambusstäbchen, auf dem japanische Schriftzeichen stehen. Weiters sitzt vor einem Kasten ein Tempeldiener, dem man den Orakelstab gibt und natürlich auch zahlt. Sodann sucht er aus etwa 60 kleinen Schubladen, die im Kasten sind, die betreffende Nummer und händigt einem den Glückszettel aus, die uns nun die japanische Offiziere verdolmetschen, was natürlich dem Sinne des Papiers entsprechend sehr unterhaltend ist. Um ¾ 11h traten wir den Rückweg von diesem schönen Ausflug an. Lange ging’s bergab, bis wir wieder in der Ebene von Himeji angelangt waren, und um ½ 1h »zu Hause« ankamen, wo uns das Mittagessen bereits erwartete, und natürlich sehr gut mundete. 17. Mai, [Montag]. An diesem Tage hatten wir nachmittags wieder Ausflug. Schon, als wir zum Ausmarsche bereitstanden, erhoben sich drohende Gewitterwolken über Himeji, und einige Tropfen fielen nieder. Aber wir, die wir uns schon einige Tage auf den Spaziergang gefreut hatten, ließen uns trotzdem nicht abhalten auszugehen, und unter einem frohen Marschlied gingen wir etwa 100 Mann um 1h Nachmittag aus dem Tempel und dann durch die Straßen der Stadt, die wie gewöhnlich bei unserem Erscheinen voll Menschen waren. Als wir aus der Stadt hinaus waren und auf die umliegenden Wiesen kamen, heiterte sich das Wetter über uns auf, aber im Westen ballte sich neuerdings ein gewaltiges Gewitter zusammen. Wir marschierten deshalb stramm weiter, bis wir zum Flussbett kamen, bei dem wir ja schon zweimal waren ; es war aber von den Japanern beabsichtigt, uns anderswo hinzuführen und deshalb ging’s nach 10 Minuten wieder weiter, und zwar den Fluss entlang, dem Meer entgegen. Wir sollten uns aber nicht zu lange des schönen Wetters erfreuen. Mit rasender Geschwindigkeit kamen die schwarzen Wolken näher, und plötzlich begann es furchtbar zu regnen, zu gießen. Wir waren natürlich alle leicht gekleidet, durchwegs weiß, und binnen weniger Minuten war man bis auf die Haut durchnässt. Bäume zum Unterstand waren keine da, und so musste weitermarschiert werden. Da wir größtenteils Seemänner waren, so genierte uns das weiter nicht. Nach einer Wegbiegung wurde in etwa 1 km Entfernung eine Baumgruppe sichtbar, in deren Mitte ein Tempel lag. Dorthin ging’s nun im Laufschritt, bis wir 38 Es muss sich hier um einen Shinto-Schrein handeln, in dem ein Shinto-Priester (kannushi 神主) seine Gebete verrichtete ; die erwähnte hohe Kopfbedeckung (ebōshi 烏帽子) ist seit der HeianZeit in Gebrauch.
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endlich die schützende Stätte erreichten. Leider war der Bau so klein, dass wir nicht alle Unterkunft fanden und einige Leute noch im Freien, durch Bäume geschützt, Schutz vor dem Gewitterregen suchen mussten. Aber nichts dauert ewig. Auch hier folgte auf Regen Sonnenschein, und nach einstündigem Warten brach die Sonne durch. Nun fragte der begleitende japanische Offizier, ob wir umkehren wollen oder weitermarschieren. Einstimmig wurde für den Weitermarsch gestimmt. Bald ging’s wieder flott weiter, und bald trocknete auch die vom blauen Himmel lachende Sonne unsere Kleider. Das einzige, was noch unangenehm war, waren die schlechten lehmigen Wege. Ein Dorf wurde passiert, und wie überall in und um Himeji war auch hier eine Zündhölzchenschachtelfabrik, von dessen Erwerb sämtliche Dorfbewohner leben. Hier sind nicht nur Männer angestellt, sondern hauptsächlich Mädchen und Frauen. So arbeiten alle Familienmitglieder an dem Lebensunterhalt, und oft ist nur eine Person zu Hause und wartet die Kinder, die ja in Japan überall in übernatürlich großer Zahl sind. Das kleine Dorf war bald passiert, und wir kamen wieder neben dem Fluss auf einen Damm, der hier noch die seitwärts des Flusses gelegenen Felder von Überschwemmungen schützen soll. Das Wasser des Flusses bekommt jetzt allmählich eine andere Färbung, da es bereits mit dem Meerwasser vermengt ist. Von einer kleinen Anhöhe, die wir eben passieren, leuchtet uns plötzlich das Meer entgegen, und einige Segelschiffe werden gesichtet. Unsere Freude bei dem Anblick der geliebten See, auf der hier noch vor einem Jahr die Kaiserin Elisabeth vorbeifuhr, als wir nach Kobe fuhren, ist groß. Sechs Monate hatten wir das Meer nicht gesehen, und es tat dem Auge ordentlich wohl, auf die schwach gekräuselte weite Meeresfläche hinauszuschauen, und es wurde mehrfach der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass wir recht bald auf einem Schiffe, das den Bug gegen die Heimat gewandt hat, das Meer wieder befahren möchten. Nach kaum ½ Stunde standen wir an den Ufern der Inlandsee. Ein etwa 8 m hoher, schön gemauerter Damm, der gegen das zu schützende Land hin mäßig in Erde gebaut abfällt, bildet hier ein Zeugnis der Fürsorge, die der Staat dem Volke angedeihen lässt ; oben am Damm, der mindestens 5 km lang ist, führt ein schmaler Weg, auf dem wir eben im Gänsemarsch gehen. Links unten sieht man die schönen blauen Wellen des Meeres und rechts eine größere Ebene, von unzähligen Wasserarmen durchquert, die für die Fruchtbarkeit der Reisfelder unbedingt notwendig sind. In der Anlage dieser Wasserverteilung verrät sich eine große Technik, die man in China, bei den vielen Reisfeldern, vollständig entbehrt, und daher vergebens sucht. Leider konnten wir nur während des Marsches am Damm all das beobachten und als dieser nach einer 2 km langen gegen das Meer gelegenen Front sich nun wieder im rechten Winkel gegen das Land zu einbog, mussten wir das Meer im Rücken lassen. Zunächst ging der Damm
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noch kurze Zeit neben dem Fluss, dann endete er plötzlich und ging in eine Landstraße über, an der wieder ein Dorf lag. Auf dieser Straße gingen wir nun wieder bis Himeji. Knapp vor der Stadt überraschte uns neuerdings ein Platzregen, nachdem man kaum vorher trocken geworden war. Nach 10 Minuten hörte auch dieser Regen wieder auf, und die gleich wieder herniederscheinende Sonne trocknete uns nochmals, bevor wir nach Hause kamen. Die folgenden Tage verlaufen wie gewöhnlich, nur dass es ziemlich heiß wird, was aber in unserem Garten, in dem wir Unteroffiziere und Deckoffiziere sich aufhalten, und in dem hohe Bäume stehen, weniger zu spüren ist. Am Morgen gehe ich 1–1 ½ Stunden im Hofe spazieren, und von 8h an lernt man. Untertags hält man das Gehen nicht lange aus, und deshalb unternimmt man erst abends von 6–½ 9h eine »Promenade«, worauf ein Bad genommen wird, und der Schlaf dann trotz der warmen Temperatur in den Zimmern sehr gut tut. Die einzige Abwechslung sind dann die Spaziergänge. Ein solcher erfolgte wieder am 14. Juni, [Montag]. Ich konnte an demselben aber nicht teilnehmen, da ich mich bereits längere Zeit schon nicht wohl fühle, und da heute ein ganztägiger Marsch geplant ist, so halte ich es nicht für gut, mich anzustrengen. Um 7h a.m. marschierten die Teilnehmer (130) ab, und ich legte mich in einen Liegestuhl und genoss die Ruhe. Vormittag machte ich mir eine gute Eierspeise, und zu Mittag gab’s Suppe und faschierte Schnitzel mit Kartoffel. Die Mannschaft, die ausgegangen war, hatte Konserven, die aus Tsingtau von den dortigen japanischen Behörden beschlagnahmt wurden, und dann an die Lager in Japan verteilt wurden, mit. – Nachmittags schlief ich 2 Stunden in meiner Hängematte, und dann las ich Zeitungen, bis die Ausflügler in äußerst lustiger Stimmung heimkehrten und natürlich auch einen tüchtigen Appetit mitbrachten. Ich kann wegen meines Unwohlseins die folgenden Tage nichts arbeiten und muss daher aufhören zu lernen und muss fast den ganzen Tag liegen. Erst Anfang Juli geht es mir wieder besser. Inzwischen hat sich im anderen Tempel ein Zwischenfall ereignet.39 Man war darauf gekommen, dass unter den Matrosen italienischer Muttersprache hochverräterische Umtriebe gemacht werden. Die kroatischen und deutschen Matrosen überfielen in der Folge die Italiener, es waren deren 12, und hauten sie ganz erbärmlich, darunter auch einen Unteroffizier, der wegen seines Hochverrats am meisten von den anderen Unteroffizieren durchgeprügelt wurde, und dem seine sämtlichen UnteroffiziersAbzeichen heruntergerissen wurden. Endlich schritt die japanische Wache ein 39 Der »andere« Tempel war der Senba-Hontokuji (船場本徳寺), in dem fast nur Soldaten deutscher Nationalität untergebracht waren.
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und sperrte 4 Matrosen ein, natürlich von denen, die die Hochverräter durchgehauen hatten. Aber die nahmen das gerne auf sich. Die italienischen Matrosen konnten sich einige Tage nicht rühren und mussten liegen bleiben. Während dieser Zeit unternahm ein höherer Unteroffizier eine Sachuntersuchung der Betreffenden vor, wobei äußerst gravierendes Material gefunden wurde, dass, wenn wir nach Pola kommen, zur schweren gerichtlichen Bestrafung der italienischen Matrosen führen wird.40 Am 21. Juni, [Montag] fand bei uns eine kleine Lissa-Feier statt, zur Erinnerung an den Seesieg über die Italiener im Jahre 1866. Am 28. Juni, [Montag] wurde eine Trauerfeier zur Erinnerung an den Todestag des Erzherzogs Franz Ferdinand und dessen Gemahlin abgehalten. Ein Katafalk wurde aufgestellt, und der französische katholische Geistliche, der jeden Sonntag bei uns Messe liest, las auch heute in schwarzem Messgewande die Seelenmesse. Nachher weihte er noch den Katafalk. Nach dieser heiligen Handlung hielt unser Rangältester eine dem Tage entsprechende ergreifende Ansprache. Damit war diese ernste Feier in ernster Zeit beendet. 40 Grund der heftigen Rangeleien war der Kriegseintritt Italiens am 23. Mai 1915 aufseiten der Entente. Dies führte zu Spannungen im Lager, die auch an die Öffentlichkeit drangen und in einer Tageszeitung in Kobe besprochen wurden. Es werden dort 8 Mann genannt, die sich angegriffen fühlten. Einer davon, der Matrose III. Klasse Bruno Pinski mit Heimatzugehörigkeit Triest, hätte wegen Verletzungen beim japanischen Lagerkommando Schutz suchen müssen. Die Ereignisse würden untersucht (Kōbe yushin nippō 神戸又新日報, 15. Juni 1915) ; eine gewisse Radikalität des Matrosen Pinski ist aus den Akten des japanischen Kriegsarchivs belegt ; er hätte sich Bomben ausgedacht, da er diese aber auf Seiten der Entente nicht selber einsetzen könne, würde er seine Kenntnisse der japanischen Armee zur Verfügung stellen (zitiert nach Ōtsuru 2007, S. 74ff. und Ōtsuru 2008, S. 31 ; Takahashi 2014, S. 152–157). 13 Gefangene mit Heimatzugehörigkeit Triest, Istrien und Dalmatien wurden nach Marugame auf Shikoku verlegt. Ihr Sprecher war der Musikgast Leone de Bianchi aus Cittanova, heute Novigrad (Kroatien). Nach der von den japanischen Behörden mit Juni 1917 datierten Liste der österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen wurde diese Personengruppe später »gegen Ehrenwort entlassen«, blieb aber (zuletzt in Bando) weiterhin im Lager, jedoch mit einem gewissen Sonderstatus. Da viele Bewohner des Küstenlandes und Dalmatiens zweisprachig verkehrten (italienisch, kroatisch, slowenisch und deutsch), möglicherweise ein Elternteil italienische Muttersprache hatte und für die meisten Heimatorte neben den slowenischen und kroatischen Namen stets auch italienische Bezeichnungen üblich waren, war es nicht schwierig, sich als zur »italienischen« Volksgruppe gehörend zu bezeichnen, zumal Italien dieses Gebiet für sich beanspruchte. Etwa die Hälfte der aufgelisteten Familiennamen irritiert allerdings (Descovik, Frausin, Madalencic, Maracic, Martinovic, Pinski, Pozar oder Rossut), wiewohl natürlich nach dem Kriegseintritt Italiens gegen Österreich der fromme Wunsch nach einer früheren Entlassung aus japanischer Kriegsgefangenschaft sicherlich verständlich ist und dies die Wahl der italienischen Nationalität beflügelte (Extrait d’une liste publiée par l’Empire Japonais concernant les prisonniers de guerre. Tokio Juin 1917. Austro-Hongrois, S. 15 ; ÖStA, Kriegsarchiv, Marine-Sektion, Karton »SMS Kaiserin Elisabeth in Tsingtau«).
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Inzwischen war wieder die Zeit zu einem Ausflug herangekommen. Am 5. Juli, [Montag] um 7h a.m. brachen wir auf. Der Weg führte uns gleich wie am 17. Mai, nur dass wir um 9h a.m. in einem kleinen Walde am Fluss halt machten und Badekostüm anlegten. Das Wasser in dem langsam fließenden Flusse hatte ungefähr 22° C, was sehr angenehm war. Außerdem brannte die Sonne heiß hernieder. Bald war hier am Waldesrand ein reges Leben. Im Walde hatte ein japanischer Kaufmann einen Stand errichtet, an dem Bier, Limonade, Äpfel, Eier etc. etc. verkauft wurden. Mittag aßen wir unter den harzduftenden Tannenbäumen unser Mittagsmahl, und um diese Zeit kam auch ein Zuckerbäcker, der in einer mitgebrachten Maschine Gefrorenes machte, das sich eines äußerst lebhaften Zuspruchs erfreute, und auch ich aß nach langer Zeit wieder einmal ein gutes Vanille- und Kaffeegefrorenes. Nach dieser guten Mahlzeit schlief man eine Stunde, und um 3h brachen wir wieder auf und gingen dem Meer zu. Am Damm wurde wieder »Halt« gemacht, und 1, 2, 3, war alles in die salzige Flut getaucht, die noch ein ganz anderer Genuss war als das Süßwasserbad. Das Meer ist hier auf 1 km Entfernung gerade mannstief und feiner Sand bedeckt den Boden. Man kann also lange schwimmen, ins offene Meer hinaus, und sich immer wieder ausruhen, man braucht sich nur auf die Zehen zu stellen und so die Glieder ausruhen. Nachdem wir eine Stunde dieses erquickende Bad in 25° C genossen hatten, musste an den Rückweg gedacht werden, und rasch kletterte man die schräge Mauer hinan. Um 6h Abend kamen wir von diesem schönen Tagesausflug, der dem Leben in einem Kurorte glich, zurück. Kaum, dass ich mich nun einige Tage wohlfühlte, bekam ich am 8. Juli heftige Ohrenschmerzen (rechts). Am 15. wurde ich vom japanischen Doktor im Ohr zweimal geschnitten und große Mengen Eiter wurden mir aus der Wunde, die noch tiefer gebohrt wurde, genommen. Am schrecklichsten waren aber die Nächte. Vor Schmerzen war an Schlaf gar nicht zu denken, ich stand auf und setzte mich in den Garten, dort war in ruhiger Haltung aber nicht zu sein, da einem die Moskitos zu sehr bearbeiteten. Ich legte mich in die Hängematte und deckte mich vollkommen zu, um gegen die Moskitostiche geschützt zu sein. Aber auch das nützte nichts. Nach ½ Stunde musste ich wieder aufstehen und ging im Garten herum ; das war noch schlechter, den bei jedem Schritt schmerzte mich die Wunde im Ohr ungemein. Endlich blieb mir nichts anderes übrig, als wieder ins Zimmer zu gehen und mich in mein Bett unter das Moskitonetz zu legen, wo ich dann lag, bis der Arzt kam. Täglich wurden die Schnitte neu geöffnet und Eiter genommen. Anstatt, dass die Eiterung aber besser wurde, wurde sie schlechter. Die ganze rechte Seite schwoll groß an, und ich konnte auch beinahe nichts mehr essen. Auch bekam ich hohes Fieber. Der Arzt war sehr erstaunt und sagte, dass ich eine lebensgefährliche Operation
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durchmachen werde müssen, um zu verhüten, dass sich der Eiter einen Weg ins Gehirn bahnt. Am 23. Juli, [Freitag] legte ich mich ins Krankenzimmer, da ich als Hauptsymptom Kopfschmerzen bekam. Am 28. Juli, [Mittwoch] wurde ich um 10h Vormittag mittels Wagen ins Garnisonsspital überführt, wo die Operation vorgenommen werden sollte. Vorerst bekam ich einen Eisbeutel aufs Ohr und einen auf die Stirne. Jede Stunde kam ein Sanitäter und nahm den Verband ab, und Eiter wurde genommen, also 10–12 mal täglich. Am Sonntag hätte ich operiert werden sollen. Durch die fortwährenden Eisumschläge und sonstigen sanitären Maßnahmen ging aber die Geschwulst herunter, und außerdem war sonntags der Doktor verhindert zu kommen. Als er Montag kam, war die Geschwulst so weit geschwunden, dass man sich entschloss, von der Operation abzusehen, worüber natürlich niemand froher war als ich. Von nun an ging der Heilungsprozess rascher, und die Schmerzen ließen nach. Am 5. August, [Donnerstag] (mein Geburtstag)41 wurde ich entlassen. Von den etwa 30 schlaflosen Nächten und dem Blutverlust hatte ich 6 kg abgenommen und fühlte mich natürlich noch nicht wohl und lag fast die ganzen folgenden Tage. Erst am 12. fühlte ich mich wieder so halbwegs wohl. Die folgenden Tage wurden bei uns überall Vorbereitungen für die würdige Begehung des Geburtsfestes unseres Kaisers getroffen. Überall wurde gehämmert, Girlanden geflochten, Bilder und Flaggen gemalt etc. etc. Am 17. August, [Donnerstag] nachmittags war alles fertig. Wir Unteroffiziere hatten unseren Garten ganz besonders schön hergerichtet. Die einzelnen Plätze, wo die verschiedenen Kollegen stets gelernt oder überhaupt es sich schon früher bequem eingerichtet hatten, waren alle in Flaggen gehüllt, mit Reisig geschmückt und, man wusste nicht von wo, waren überall Kaiserbilder aufgestellt. Auch die deutschen Unteroffiziere folgten unserem Beispiele und schmückten ihre Plätze. So waren am 17. Abend im Ganzen 20 verschiedene »Buden« errichtet, und um 8h wurden überall die Lampions angezündet. Auch die Laube, in der ich schon den ganzen Sommer über mit meinem Freund Schwarz gelernt und gearbeitet hatte, hatten wir uns schön hergerichtet. Auf einem 2 m hohen Brett hatten wir mit rotem und weißen Glanzpapier als Grundton die österreichische Landesfarbe rot-weiß-rot geklebt, rundherum einen breiten Kranz aus Lorbeerblättern. In die Mitte des so entstandenen Viereckes kam das Bild unseres erhabenen Kaisers, welches wieder mit einem kleinen Reisigkranz begrenzt war ; überschirmt wurde das Bild mit einem aus Pappe gemachten Doppeladler und zwei rot-weiß-roten Stoffmaschen. Unter dem Bild wurde das Monogramm FJI mit schwarz-gelber 41 Geboren 1894 in dem kleinen steirischen Markt Oberzeiring, Bezirk Judenburg ; der Ort trägt seit 2015 nach einer Gemeindezusammenlegung jetzt den Namen Pölstal. Der Vater war Notar.
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Abb. 40: In der Kaiser-Franz-Joseph-Laube, 18. August 1915. Gefangenenlager Himeji; rechts außen Fritz Kirchner.
Masche angebracht. Außerdem noch ein Transparent mit folgender Inschrift : Viribus Unitis 1830–1915 Hoch Kaiser Franz Josef. Die große Holzplatte wurde an unserem Tische horizontal befestigt, während das Transparent an der rechten Seite des Tisches zwischen Ästen aufgehängt wurde. Um 9h spielte die Musik-
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kapelle, 2 Violinen, 1 Harmonium, 2 Zithern, 1 Mandoline »Retrait«, was wirklich ergreifend und feierlich war. Sodann ging alles von einer beleuchteten Bude zur anderen, und zu meiner und meines Freundes größter Freude wurde unsere Laube als die am schönsten ausgestattete allerseits anerkannt. 21 Lampions beleuchteten freundlich diese gemütlich und doch feierlich erscheinende Laube. Bei einigen Flaschen Bier wurde so der Vorabend des 18. August gefeiert, und die Gedanken weilten mehr denn je an diesem Abend in der fernen Heimat, in der Millionen den heutigen und morgigen Tag feiern werden, und den auch wir noch vor zwei Jahren in Pola begangen hatten. Der 18. August, [Mittwoch] brach an. Herrliches Wetter. Schon um 7h a.m. hatten wir Österreicher, als auch die Deutschen, Festkleider angezogen, und während wir bis 9h promenierten, drehte sich das Gespräch natürlich hauptsächlich um unseren alten guten Kaiser und über seine Schicksalsschläge. Um ½ 10h Vormittag hätte der katholische französische Pfarrer kommen sollen, der uns sonntags immer die Messe las, aber die Japaner hatten dies verboten, ebenso, wie sie auch nicht erlaubten, dass unsere Offiziere zur Festrede kommen durften. Um 10h a.m. traten wir unter freiem Himmel an und unser Rangältester, der Maschinenmeister Oberstabsmaschinenwärter Hozak,42 begann mit der Festrede, worin er einen kurzen überblick über den Lebenslauf unseres obersten Kriegsherrn, verbunden mit der gegenwärtigen Zeit, gab. Die Rede schloss in ein dreifaches »Hoch« auf S. M. Kaiser Franz Josef I., in das 150 Mann begeistert einstimmten. Hierauf wurde mit entblößtem Haupte die österreichische Volkshymne und daran anschließend »Heil Dir im Siegerkranz« gesungen. Da unter den Matrosen aber viele Ungarn und Kroaten sind, so wurde von dem die Sprache beherrschenden Unteroffizier die Rede des Maschinenmeisters zuerst in Ungarisch übersetzt, worauf die Ungarn die ungarische Nationalhymne sangen und dann die Kroaten ein heimisches patriotisches Lied sangen. Als dies beendet war, gingen wir auseinander, und ich ging mit Schwarz und noch zwei Kollegen in unsere geschmückte Laube und aßen etwas später in der Küche selbst zubereitete Beefsteaks, die wir uns zur Feier des Tages geleistet hatten. So kam bald Mittag heran, und zum Mittagessen gab es eine gute Suppe, faschierte Schnitzel mit Kartoffel etc. Der Nachmittag war den Vorbereitungen für den Abend gewidmet. Die kroatischen Matrosen hatten den deutschen Landsturm (22 Mann), alles ältere Ostasiaten, zu einem Festessen eingeladen, das in dem schön geschmückten Badehaus eingenommen wurde und um 4h begann. Zuerst gab’s Schweinsbraten. Die Leute hatten gestern ein Schwein gekauft und selbst 42 Josef Hozak, Oberstabsmaschinenwärter ; aus Ronow an der Doubrawa (Ronov nad Doubravou) bei Časlau (Čáslav) in Böhmen.
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geschlachtet. Geröstete Kartoffel gab’s dazu. Nach ½ stündiger Pause gab’s Kaffee und dann später selbst gemachtes Gefrorenes. Bei dieser Veranstaltung muss in Betracht gezogen werden, dass von den Kroaten (30 Mann) höchstens 8 bis 10 dabei waren, die etwas Deutsch sprachen, während alle anderen die Sprache nicht können. Aber trotzdem ging es sehr lustig zu, wobei natürlich das Bier die Hauptrolle spielte. Deutsche und kroatische Ansprachen wurden gehalten, und während die deutschen Landsturmmänner die »Wacht am Rhein« sangen, sangen abwechselnd auch wieder die Kroaten ihre heimischen, von patriotischem Geist getragenen Lieder. Es war interessant, wie diese beiden grundverschiedenen Sprachstämme und verschiedenen Familien und Berufen entstammenden Leute harmonierten und sich trotz der Unkenntnis der beiderseitigen Sprachen sehr gut unterhielten. Um 6h begann auch unsere Feier in unserem Garten. Wir österreichischen Unteroffiziere hatten die deutschen Deckoffiziere und Unteroffiziere eingeladen. Um ½ 7 setzten wir uns an die Tafelreihen, abwechselnd ein österreichischer und deutscher Unteroffizier. Wir waren insgesamt 61 Unteroffiziere. Nachdem sämtliche Gläser mit frischem Bier gefüllt waren, ergriff Elektromaat Jodl43 das Wort zur Festrede, in der er vorerst den Grund des schönen Beisammenseins anführte und die Bedeutung des Tages in schwungvollen Worten feierte. Hierauf stimmte die Musikkapelle die österreichische Volkshymne an, worin alle Anwesenden kräftig einstimmten. Daran anschließend wurde »Heil Dir im Siegerkranz« gesungen. Es waren schöne, rührende Minuten, verschönert durch den Gedanken, in Gemeinschaft mit unseren Bundesgenossen, 30.000 km von unserem Kaiser, dieses Fest so schön feiern zu können. Kurz nachdem Jodl gesprochen, ergriff der deutsche Artilleriewart Schönau44 das Wort und würdigte in kräftigen Worten die Verdienste unseres greisen Monarchen und daran anschließend die Verdienste unserer Armeen, und hiernach stimmte er mit lauter Stimme die österreichische Volkshymne an, in die wir alle einstimmten, und daran anschließend stimmten wir Österreicher wieder die »Wacht am Rhein« an. Inzwischen dunkelte es, und wir gingen an die Beleuchtung des Gartens. Rings über den Tischen hingen die Lampions, die teilweise auch an überhängenden Ästen befestigt waren. Binnen kurzem waren die Lampions erhellt, und nun nahm das fröhliche Beisammensein seinen weiteren Verlauf. Verschiedene Lieder wurden gesungen, und dann spielte unsere Musikkapelle wieder einige Stücke, Complets wurden vorgetragen und lustige Histörchen gegenseitig erzählt.
43 Franz Jodl ; aus Budweis in Böhmen. 44 Wilhelm Schoenau ; aus Zehlendorf bei Berlin.
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Gegen 11h hielt Herr Obermechaniker Krusevitz45 eine kernige Ansprache, zu deren Schluss wieder die zwei Nationalhymnen angestimmt und abgesungen wurden. – Es war wirklich schön, in der warmen Sommernacht unter dem Scheine der vielfarbigen japanischen Lampions den Geburtstag unseres erhabenen Herrschers in Gemeinschaft mit unseren Bundesbrüdern, den Deutschen, begehen zu können. – Ich begab mich um 12h zu Bett, stand aber um ½ 4h a.m. wieder auf, und fand im Garten noch 20 Herren an, die die Feier noch nicht abgebrochen hatten, darunter auch natürlich der unverwüstliche Schönau, der schon ziemlich schwer geladen war und die komischsten Vorträge und Tänze abhielt. Bier war allerdings keines mehr vorhanden, aber zur Ernüchterung war schwarzer Kaffee sehr gut. Erst um 5h brachte ein […]46 wieder Bier, was von den Anwesenden mit großem Hallo begrüßt wurde. Um ½ 7h war Wecken, und die Kollegen waren sehr erstaunt, als sie den Kreis von gestern noch auf sahen, und sie bekamen den Namen die »Überlebenden«. Erst um 11h Vormittag wurde das Fest abgebrochen, nachdem es von 9–10h in den verschiedenen geschmückten Buden Frühstück gegeben hatte. Schwarz und ich hatten zwei deutsche Unteroffiziere und zwei unserer Kollegen eingeladen und es gab belegte Brötchen und Limonade. Den Nachmittag des 19. August, [Donnerstag] verbrachten wir fast alle, teils in Hängematten, teils in Liegestühlen, schlafend im Garten. Erst um 5h abends, als das Essen kam, wurde wieder alles munter. Sodann sollte wieder gefeiert werden, und zwar die zweijährige Ausreise aus Pola. Die Feier hatte natürlich nur für uns von der Elisabeth gegolten, aber auch heute wurden wieder einige deutsche Unteroffiziere eingeladen. In meiner Laube war ich mit Schwarz und noch einem Kollegen, die wir den Tag festlich begehen wollten, eigentlich nur die Stunde, zu der wir vor zwei Jahren Pola verlassen hatten. Aber wir blieben nicht allein, sondern es gesellte sich in liebenswürdigster Weise auch Herr Krusevitz zu uns, was uns natürlich sehr erfreute, da wir nun nicht ganz allein waren. Leider fing es an zu regnen, und wir mussten auf die Veranda flüchten. Aber bald wurde es wieder schön, und auch wir gingen wieder in den Garten zu unserem Tische und zündeten die Lampions wieder an. Um ½ 10h gedachte ein jeder von uns an den Moment vor zwei Jahren, wo wir den Anker der Kaiserin Elisabeth in Pola gelichtet hatten, der nun in Tsingtau am Meeresgrunde ruhte, und mit ihm auch unser ganzes Schiff. Wir ließen uns aber von der traurigen Stimmung nicht übermannen, sondern waren bald wieder lustig und frohen Mutes. Bald war es Mitternacht, 45 Georg Krusewitz, Oberartillerie-Mechaniker, aus Neuhaus an der Ostsee, heute ein Ortsteil des Ostseebades Dierhagen in Mecklenburg-Vorpommern. 46 Nicht eingefügt.
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und die Zeit, die wir aufzubleiben gedachten, war schon lange vorbei. Die anderen Gruppen hatten sich schon größtenteils zurückgezogen. Um 1h kamen noch 8 Kollegen zu uns, und es wurde ziemlich lustig. Die japanischen Runden ließen uns ungestört und machten noch selbst ein paar kräftige Züge Bier. Als dieses zu Ende war, ging einer in die Küche Feuer machen und Kaffee kochen. Erst um ½ 4h a.m. gingen wir auseinander. Es war ein schöner Abend gewesen. Die folgenden Tage vergingen wieder wie gewöhnlich. Am 23. bekam ich wieder meine Ohrengeschichte, die ich mir mit Hilfe Schwarz’ selbst behandelte. 8 Tage dauerte die Eiterung und ging dann glücklich vorüber. Es war ein neuer Arzt gekommen, dem ich absolut kein Vertrauen schenkte, und ich auch wirklich viel weniger Schmerzen auszustehen hatte, als wenn ich zu diesem »Fleischhacker« gegangen wäre. Zahlreiche Abwechslung und Grund zur Konversation geben die täglich eintreffenden großartigen Nachrichten vom europäischen Kriegsschauplatz und hauptsächlich vom russischen, wo eine Festung nach der anderen dem furchtbaren Ansturme unserer verbündeten Armeen unterliegen muss, darunter auch das starke russische Bollwerk Brest-Litowsk. Beim Vorlesen der englischen Kobe Zeitung werden immer zahlreiche Zwischenrufe und Freudenausbrüche dargebracht. Abend findet dann gewöhnlich ein Konzert im Garten statt, wobei stets Ansprachen gehalten und die Heldentaten unserer Truppen gewürdigt werden, und wir nur leider immer wieder unser Bedauern ausdrücken müssen, dass wir nicht mehr dabei sein können, so sehr auch in jedem der in uns bereits gereizte Kampfesmut und Wut kocht, haben wir doch auch zwei Monate im Kampfe gestanden, und da war erst die Kampfeslust richtig geweckt worden, hatten aber leider keine Gelegenheit, unseren Offensivgeist so zu betätigen, als wir es gewollt und gewünscht hätten, nämlich »ran an den Feind« ! ! ! Leider soll das gemütliche Beisammensein, das wir jetzt führen, nicht mehr lange dauern, denn die Gerüchte, dass wir in ein anderes, geräumigeres Lager kommen sollen, und die bereits im Frühjahr aufgetaucht waren, nehmen bestimmte Formen an, und es wird bekannt, dass wir am 20. September Himeji verlassen sollen. Einesteils ist man froh darüber, aus den engen jetzigen Verhältnissen und dem ziemlich staubigen Mattentempel zu entfliehen und in andere Luft zu kommen, andererseits aber tut es uns um den schönen Garten leid, denn so einen werden wir wohl nicht mehr bekommen. Aber alles in allem, Abwechslung tut äußerst not und ist nur willkommen. Am 7. September, [Dienstag] findet noch ein Ausflug statt, und wir nehmen von der lieben Umgebung Himejis Abschied. Die schönen Tage werden natürlich noch nach Möglichkeit im Garten ausgenutzt. Großes Interesse erwecken bei uns fünf gefangene Schlangen, alle in einer Länge von 1 m 20 cm bis 1,70 m,
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Abb. 41: »Zur Erinnerung an die gemeinsam verbrachte Kriegsgefangenschaft der deutschen und österreichischen Unteroffiziere in Himeji (Japan)«, 20,0 × 26,0 cm. Ο = Friedrich Kirchner
also ganz kolossale Tiere. In Mausefallen werden unter dem Tempel Ratten gefangen und dann in die Kiste, in der die Schlangen sind, gelassen. Drei Seiten sind mit Drahtgitter versehen, und so kann man das Schauspiel beobachten, wie die Schlangen die Mäuse vertilgen. Allerdings beißen die gehetzten Ratten auch die Schlangen und reißen Löcher in die Haut, aber dessen ungeachtet fahren sie trotzdem plötzlich im richtigen Moment auf das Tier los und umwickeln es in weniger als einer Sekunde 3 bis 4 mal mit ihrem Leibe. Ist das Tier tot, dann erst verschlingen sie es, und bleiben dann acht Tage regungslos liegen. Haben die Schlangen aber keinen Hunger, so erwürgen sie die Ratten nur und lassen sie dann unberührt liegen. Da aber die Schlangen gefährliche Bazillenträger sind und speziell, wenn sie sich häuten, die getrockneten Häute sehr gefährlich werden können, so beschlossen wir, die Tiere freizulassen, umso mehr, als sich auch Anzeichen bemerkbar machten, dass sie sich bald vermehren würden. Am 16. September, [Donnerstag] kommt von den Japanern der Befehl, sofort alles zu packen und reisefertig zu machen. Nun packt ein jeder seine Habseligkeiten zusammen, und in Kisten gestaut kommt am 17ten September 11h Vormittag alles ins Wachlokal. Am 18. September, [Samstag] kommen Nachmittag die
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typischen großen zweirädrigen japanischen, von einem Pferd gezogenen Wagen, auf die die Kisten und Säcke geladen werden. Wegen der Hitze fahren die Wagen aber nicht nach Beendigung des Ladens ab, sondern verlassen Himeji erst um 11h nachts. Sie haben 8 Stunden zu fahren und kommen also bei leicht erträglicher Temperatur um 7h a.m. des 19. September, [Sonntag] in Aonogahara an. Um 4h Nachmittag sind sie weiter bei uns, und obwohl schweiß- und staubbedeckt beginnen die Japaner, lauter kleine, aber sehnige Gestalten, gleich wieder mit dem Aufladen der noch stehengebliebenen Sachen. Um 11h nachts verlassen sie abermals das Lager. Hier ist es nun sehr ungemütlich leer, und wir sind froh, dass ein Wechsel eintritt, aber nur um den schönen Garten ist es uns leid. Der 20. September, [Montag] bricht als ein schöner Tag an, und zwar stehen wir schon um ½ 5h a.m. auf. Die letzten Vorbereitungen werden zur Abfahrt getroffen, und von den Plätzen, die einem lieb geworden waren, nehmen wir Abschied. Die Tempelpriester, die immer sehr gut gegen uns waren, hatten schon gestern Abschied genommen, und ebenso auch einige kleine Japanerinnen, die wir bei den Tempelfenstern oftmals sahen. Ein Geistlicher hatte uns gestern Abend noch eine 5 Liter Flasche mit Sake (Reiswein) gebracht, was wirklich sehr schön von ihm war. Wir ersahen aus dieser Gefälligkeit und noch vielen anderen, die uns die Geistlichen schon früher bereitet hatten, dass uns das japanische Volk nicht als Feinde behandelt und betrachtet, sondern dies ausschließlich nur bei den verblendeten england-freundlichen Politikern Japans der Fall ist. Na, einige davon sind ja schon gestürzt, und den anderen wird das Genick bald brechen, sobald die deutschfreundliche Partei die Oberhand erhält. Um ½ 7h a.m. verlassen wir den Tempel und marschieren zum Bahnhof. Auf den Straßen, durch die wir, Marschlieder singend und manchen Schläfer weckend, stehen viele Leute und winken uns zum Abschiede zu. Um 7h kommen wir am Bahnhofe an, und nachdem wir kurze Zeit am Perron gewartet haben, kommt ein Extra-Zug, in den wir steigen. Es sind ebenso schöne Wagen als damals, wo wir von Hiroshima nach Himeji fuhren. Gepolsterte Plüschbänke für uns Gefangene, jedenfalls werden die Kriegsgefangenen bei uns nicht so transportiert. Nachdem wir noch ½ Stunde im Zuge saßen, kam der Oberstleutnant Noguchi,47 unser Chef mit einigen Offizieren, und auch der Spitalchef, der, als ich im Spital war, so liebenswürdig zu mir war [s. Eintrag am 1. Feb. 1915]. Außerdem noch der Polizeichef von Himeji. Auch einige Japanerinnen, Offiziersdamen, mischten sich in den Kreis der anwesenden Offiziere, zogen sich aber nach der Begrüßung gleich wieder zurück. Wir mussten wirklich lachen 47 Oberstleutnant Noguchi wurde in Aonogara zum Oberst befördert, gab am 6. August 1917 das Lagerkommando an Oberstleutnant Miyamoto Hidekazu 宮本秀一 ab.
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über die unzähligen Verbeugungen, die sowohl Frauen als Männer zueinander machten, und die aber andererseits wieder von der hohen Achtung bewiesen, die Frauen und Männer zueinander haben und in dem ehrfürchtigen Benehmen ihren Ausdruck findet. Um ½ 8h fuhren wir aus dem Bahnhof. Nochmals glitt die schöne Umgebung Himejis, in der wir oft spazieren waren, vorbei, und beinahe wehmütig dachten wir an die verflossenen 11 Monate zurück ; auf der ganzen Strecke, die wir noch in der Stadt zu fahren hatten, stand wieder das neugierige Volk und winkte uns Abschied zu, und aus manchem Munde vernahm man das Wort »sayonara« (auf Wiedersehen). Bald war Himeji aus unseren Augen verschwunden, und lange Zeit ging es durch Wiesen, bis endlich wieder Hügel kamen. Um 10h hatten wir in […]48 etwa 20 Minuten Aufenthalt, worauf unser Zug verschoben wurde. Kaum hatten wir die Station verlassen, als das Geleise auch schon zu steigen begann, und mit wenigen Unterbrechungen fast fortwährend stieg, und der Zug langsam fuhr. Die Landschaft wurde, je weiter wir ins Innere des Landes fuhren, immer gebirgiger und auch interessanter. Links neben dem Geleise stieg bald ein felsiger Berg auf, während rechts ein Abhang in ein tiefes Tal führte, durch das ein silberglänzender Fluss rann, in dem sich Berge und Bäume widerspiegelten. Das andere Ufer bildete schon wieder ein steil aufsteigender, dicht bewachsener Berg, dann folgte wieder eine größere Ebene, ringsum mit Hügeln umgeben. Wie gesagt, die Szenerie war sehr schön und dank des herrlichen Wetters auch weit zu überblicken. Nach etwa einstündiger Fahrt, die über Berg und Tal führte, kamen wir endlich um 11h in einer Station an,49 und wir verließen den Zug. Hunderte von Menschen harrten unser. Nachdem wir uns formiert hatten, gingen wir zum Bahnhof hinaus, durch ein dichtes Menschenspalier, das nicht sein Ende erreichte, als wir aus der Ortschaft draußen waren, sondern weit darüber hinaus. Auf Seitenwegen liefen die Leute, an denen wir schon vorbeigekommen waren, uns vor, und stellten sich an günstigen Plätzen neuerlich auf und begafften uns neugierig. Nachdem unser Weg eine Zeitlang durch Felder geführt hatte, kamen wir nun auf einen Berg, der ziemlich dicht bewaldet war und auf dem einige sehr schöne, mitten im Walde angelegte Kavalleriekasernen stehen. Auch hier zeigt sich noch viel neugieriges Volk, alle in besten Kleidern, so wie es an Festtagen in Japan Sitte ist. Wir sahen daraus, dass man uns auch hier so wie in Himeji gut gesinnt ist, wie es ja überhaupt der weitaus größte Teil des Volkes 48 Offen gelassen. Die heutige Stadt Kakogawa (加古川市) an der Sanyō-Strecke zwischen Himeji und Kobe. Von hier führt die Kakogawa-Bahnlinie ins Landesinnere (ōtsuru 2007, S. 69). 49 Die Station hieß Daimonguchi (大門口駅), heute Aonogahara (青野ヶ原駅).
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Abb. 42: Übersiedlung der Kriegsgefangenen von Himeji nach Aonogahara am 20. Sept. 1915. / 大正四年九月廿日独墺捕虜青野ヶ原収容所ヘ向フ大門口付近
in Japan ist. Nachdem wir noch einige steile Abhänge überwältigt hatten, kamen wir auf eine Ebene, die sich nun weit vor unseren Blicken ausbreitete.50 In etwa 4 km Entfernung leuchteten uns eine Menge Blechdächer entgegen, und wir wussten nun, dass da das neue Lager sei. Also, wie gesagt, eine etwa 4 km lange und 1–2 km breite Hochebene lag da. Wir durchschritten dieselbe in glühender Sonnenhitze. Eine Ortschaft namens »Aono« wurde noch passiert und dann kamen wir auf einen breiten Schotterweg, an dessen Ende das große Einfahrtstor zum Lager lag. Nach weiteren 10 Minuten durchschritten wir dieses und wir waren im Lager angekommen. Jede Abteilung bekam ihre Plätze angewiesen. Es sind im ganzen 5 große Holzbaracken zu je 80 Meter. Dieselben sind in 2 Abteilungen geteilt, so dass also eine Abteilung 40 m lang ist. In der Mitte geht ein zementierter Weg durch, in dem die Tische und Bänke stehen. Links und rechts sind ¾ m vom Boden Holzböden erbaut, auf die die Strohsäcke kommen. In unserem Zimmer sind wir 36 Mann (Unteroffiziere) und wir haben sehr viel Platz, jedenfalls dreimal soviel als im engen Tempel in Himeji. Außer diesen Gebäuden sind eine große Küche mit 6 Feuerungen, ein großes Bad, Wachhaus und Kanzleigebäude da. Das ganze Lager hat einen Flächeninhalt von 2.200 m2, und man hat sehr viel Bewegungsmöglichkeit, was man in Himeji nicht gerade behaupten konnte. Das Lager ist mit einem Bretterzaun umgeben, über den man aber hinwegsehen kann, und so einen Ausblick in die 50 Nach japanischen Maßstäben immer noch ein relativ dünn besiedeltes Gebiet. Mit dem Rückgang der Landwirtschaft entstand aus mehreren dörflichen Gemeinden die Stadt Kasai (加西市). Der ursprüngliche Name des Dorfes Tomiai im Verwaltungsbezirk Kasai (加西郡富合村), zu dessen Gemeinde das Lager gehörte, ist heute verschwunden. Mit Aonogahara wurde die Ebene bezeichnet.
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herrliche Umgebung hat. Nach drei Seiten hohe Berge und nach einer Seite die Ebene, die dann eben in ein Tal abfällt. Man fühlt sich hier in der freien Luft ganz anders als früher mitten in der Stadt, wo man nichts sah als die Bretterwände und durch die Astlöcher hindurch hie und da Menschen. Nachdem wir drei Tage hier waren und schon so ziemlich eingelebt waren, kamen 100 Mann vom aufgelösten Lager in Fukuoka, und wir sind jetzt zusammen 402 Mann, was für den verhältnismäßig großen Platz, den wir bewohnen, gar nicht viel ist. Als erste allgemeine Einführung wird Sonntag, den 30. September, ein Konzert bei uns veranstaltet, das durch das Hinzukommen neuer Kräfte verstärkt ist ; so haben wir nun 3 Geigen, 2 Zithern, 2 Mandolinen und 1 Gitarre da. Wahrlich wohl tun einem die Laute, und so oft man bekannte Stücke aus Operetten oder von sonstwo hört, erinnert man sich vergangener Tage und sehnt sich dieselben wieder herbei. Nachdem alles sinngemäß eingeteilt worden war, wurde daran gegangen, Wege und Kanäle anzulegen, welche Arbeiten von den japanischen Arbeitern nur im Rohbau ausgeführt worden waren. Mannschaftsgruppen arbeiteten daran, und bald sah das Lager viel schöner und besser aus, und man kann auf schönen festen Wegen gehen. Stets von neuem gefällt einem die schöne bergige Umgebung, die mich so stark an zu Hause erinnert. – Mitte Oktober wird von Seiten unserer Offiziere (vier österreichische und vier deutsche), die ja jetzt auch mit uns zusammen sind, daran gegangen, einen Tennisplatz anzulegen, welcher auch bald fertig ist, und einen Kostenaufwand von 120 Yen (300 Kronen) erforderte. Kurz nachher wird auch eine kleine Kegelbahn gebaut und sowohl Tennisplatz als auch Kegelbahn sind den ganzen Tag von Sportlern in Gebrauch. Auf der südlichen Seite, die außerhalb des Lagers einen großen Rasenplatz mit anschließendem Wald freilässt, wird 2–3mal wöchentlich Fußball gespielt, und zwar haben sich vier Doppelspiele gebildet, und es geht oft sehr interessant dabei zu. Auch was Bewegung anbelangt, ist es hier in Aono viel besser als in Himeji. Die Temperatur ist noch sehr warm, aber wir hegen doch alle die Befürchtung, dass es im Winter wegen der hohen Lage sehr kalt und windig werden wird. Herrliche Tage folgen, zwei, drei Wochen schöne warme Tage, und dann höchstens ein oder zwei Regentage, und man freut sich des schönen Wetters. Mit Spannung verfolgen wir in den Zeitungen die Kämpfe in der Heimat, und mit Bewunderung hören wir von den Leistungen unserer Heere. Oft denken wir jetzt auch an das vergangene Jahr, als wir im belagerten Tsingtau die Angreifer abwehrten, was uns ja Gott sei Dank auch zwei Monate hindurch gelang. Täglich schaue ich das Tagebuch an, und erinnere mich so genau an das, was vor einem Jahr war, als wäre es gestern gewesen, und als ob noch der Kanonendonner mir um die Ohren sauste. Ja, es waren schöne, erhebende
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Abb. 43: Das Kriegsgefangenen-Lager Aonogahara.
Bildpostkarte nach einer Zeichnung des deutschen Kriegsgefangenen Wilhelm Tegge, Mai 1917; geschrieben von Martin Tomičić (aus Poavinje b. Brod a. d. Save, Steuermannsmaat auf Kaiserin Elisabeth) an Bruno Müller, Vertreter des steirischen Stahlerzeugers Böhler & Co in Tokyo (nach dem Krieg erster Honorarkonsul der Republik Österreich in Japan).
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Abb. 44a–d: Kriegsgefangenenpost der beiden wegen Fluchtversuchs verhafteten Besatzungsmitglieder der Kaiserin Elisabeth: Maschinen-Quartiermeister Alois M o s t l e r , Graz (26.1.1917 Aonogahara nach Graz) u. Quartiermeister Heinrich W o lc zi k , Witkowitz/ Böhmen (21.3.1917 Aonogahara nach Mödling bei Wien).
und festigende Tage, die uns in Tsingtau beschieden waren. Aber es währte nur kurz. Am 1. November, [Montag] vor einem Jahr wurde unser Schiff Kaiserin Elisabeth versenkt, und mit Wehmut gedenken wir der Stunde, die uns unser Heim im fernen Westen nahm, gezwungen durch die Umstände.51 Am 2. November, [Dienstag] ziehen wir uns in Parade an, und um 10h findet im Beisein sämtlicher Offiziere eine Seelenmesse für die in Tsingtau und die in der Heimat gefallenen Helden statt. Korvettenkapitän von Pauspertl hält eine 51 Hier ein Nachtrag zu einem Geschehen, das der Tagebuchschreiber nicht erwähnt, aber die nach Japan ausgerückte Bemannung der Kaiserin Elisabeth betrifft : zwei Besatzungsmitglieder sind im Jahr 1916 verstorben, der Matrose 2. Klasse Janos Vita aus Ungarn am 25. Mai (Lungentuberkulose) und der Matrose 2. Klasse Teofil Gomolk a aus Galizien am 17. Juni (Diabetes). Da die Unterlagen (Liste der österr.-ungar. Kriegsgefangenen, Juni 1917) den Todesort mit Militärlazarett Himeji angeben, wurden die beiden Matrosen offensichtlich wegen ihrer schweren Erkrankung in die dortige militärärztliche Aufsicht verlegt. Die Begräbnisse fanden in Aonogahara statt. Abbildung des Begräbnisses und des Grabes von Teofil Gomolka in Furyo jōhō-kyoku 俘虜情報局 (Hg.) : Taishō 3-4-nen sen’eki furyo shashin-chō 『大正三四年戦役俘虜 写真帖』Tokyo 1918, Nr. 90). Siehe Nachwort.
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kurze, dem Ernste der Stunde entsprechende Ansprache, worauf der Pfarrer, der ein Franzose ist, mit der heiligen Messe beginnt, und der wir entblößten Hauptes beiwohnen. Es folgen nun für die Japaner einige hohe Festtage, nämlich die Krönung ihres Mikado (Kaisers). Vom 6. November bis 15. November prangen bei der Einfahrt zum Lager zwei gekreuzte Handelsflaggen (weißes Feld mit rotem Ball), und einige andere traditionelle Zeichen wie Kornähren etc. etc. sind am Tor angebracht. Die Krönungsfeierlichkeiten finden in Kyoto statt, der alten japanischen Krönungsstadt, in der auch der alte Tempel sich befindet. Der König ist schon ein Jahr am Throne Japans, aber es ist Sitte, dass ein Probejahr der Krönung vorangeht, und außerdem war voriges Jahr die Königin Witwe52 gestorben, so dass ein Jahr Trauer dazu kam, während welcher Zeit die Krönung nicht stattfinden darf. Der Name des Kaisers ist : Yoshihito Taisho. 大正 Das Geschlecht der Kaiser ist nach japanischer Meinung schon 3000 Jahre alt und gilt als das älteste Herrschergeschlecht der Welt.53 – Zur Feier der Krönungstage werden eigene Karten mit den Krönungszeremonien herausgegeben, und auch eigene Marken, 52 Kaiserinwitwe Haruko ; verstorben am 9. April 1914. 53 Der Mythologie nach bestieg der erste Tennō den Thron 660 v. Chr.; Staatswerdung und die
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welche am Krönungstage 10. November 4. Jahr [Taishō] (1914) abgestempelt werden. Auch wir können dieselben kaufen, und der japanische Staat nahm von uns allein gegen 1000 Kronen an Marken und Kartengeldern ein. Aus Anlass der Krönung erließ der Mikado auch einen Gnadenerlass betreffs der Bestraften. Von uns waren 5 Unteroffiziere zu 8 und 9 Monaten Gefängnis wegen Flucht im Februar bestraft worden, und jetzt wird ihnen die Hälfte der Zeit, die sie noch abzusitzen haben, erlassen, im Ganzen sieben Tage. Am 14. November, [Sonntag] kommen nun Mostler und Wolczik um 2h Nachmittag aus Himeji und werden von uns mit Freude empfangen. Beide schauen sehr schlecht aus. Was haben die armen Kerle durchgemacht. Stundenlang erzählen sie. Sie waren bereits in Kobe auf einem Dampfer, als sie dort verraten und verhaftet wurden. Die Behandlung und das Essen im Zivilgefängnis in Himeji soll schauerlich gewesen sein. Aber sie haben sich nichts daraus gemacht und den Japanern bei jeder Gelegenheit gezeigt, dass sie ihr Schicksal als österreichische Soldaten ertragen können, und sich von den Japanern nicht beugen lassen. Am 21. November, [Sonntag] [1915] kommt ein eigentümlicher Besuch ; nämlich ein kleiner dicker Japaner, der bei Kriegsausbruch in Wien war und dann aber freikam. Von Wien sprach er sehr gut, aber als er die Stadt verlassen musste und in Bischofshofen ankam, wurde er von der Gendarmerie verhaftet und in einem Schweinestall eingesperrt, wo er sehr wenig zu essen bekam ; überhaupt das ganze Volk hat nichts zu essen, sagt er, worauf ihm natürlich schallendes Gelächter in die Ohren klingt. Ja, das Kriegsbrot sollt ihr sehen. Kipferln und Kaisersemmeln gibt’s keine mehr, nur Brot und eingebrannte Suppe. Wir glaubten ihm natürlich kein Wort, und als er das einsah, dass wir uns nicht einschüchtern ließen, begann er, Witze zu machen und sagte auch, dass ihm die österreichischen Maderln sehr gut gefallen haben. Ja, aber uns gefallen die japanischen nicht, sondern auch die österreichischen, die wir aber schon über zwei Jahre nicht mehr sahen. – Um sich einzuschmeicheln, hatte er sich ins Knopfloch eine Nadel gesteckt, die des deutschen und österreichischen Kaisers Bildnisse trug. Als er wegging, rief er : »Gott strafe England«. Ob er es ehrlich gemeint hatte oder nicht, sei dahingestellt.
Herausbildung eines Kaiserhauses sind allerdings erst für das 5. nachchristliche Jhdt. mit exakten Zahlen zu belegen.
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Japan und Österreich – Was nachher geschah Kriegsgefangenschaft in Japan 1914–1919 und die Heimkehr 1920 Jährlich kreuzte als Stationär ein österr.-ungar. Kriegs- und Schulschiff in Ostasien. Um politische Präsenz den Ländern zu zeigen, mit denen ein Freundschafts- und Handelsvertrag abgeschlossen wurde, auch um die Schiffsmannschaft auszubilden. Man besuchte Häfen, lud die einheimische Bevölkerung an Bord ein und kehrte mit guten Erfahrungen wieder in die Heimat zurück. Das erwartete wieder die Mannschaft, als sie am 7. Juli 1914 von einem chinesischen Hafen in Richtung Nagasaki fuhr. Im Mai dieses Jahres hatte die Bordkapelle in der japanischen Stadt Kagoshima für die Öffentlichkeit ein Konzert gegeben. In China erreichte das Schiff die Nachricht über das Attentat auf den Thronfolger in Sarajevo. Es folgte der Befehl, den deutschen Marinestützpunkt Tsingtau an der Shantung-Halbinsel anzulaufen. Eine andere Lösung gab es nicht : Da der Suez-Kanal bereits gesperrt war und der Kohlevorrat für eine Ausweichroute ostwärts (über Amerika) nicht ausreichte, konnte man weder über Afrika in die Heimat zurückkommen, noch sich in das neutrale Amerika begeben, noch sich einer deutschen Flotte anschließen, denn die Kaiserin Elisabeth war kein modernes Schiff mehr. Es hieß, in Tsingtau zu warten. Dann überstürzten sich die Ereignisse. Die Lage spitzte sich zu. Die europäischen Mächte erklärten einander gegenseitig den Krieg. Und da Österreich-Ungarn mit dem Deutschen Kaiserreich verbündet war und Japan mit Großbritannien, wurde Japan zum Feind. Wie die Ereignisse für die Kaiserin Elisabeth in Tsingtau verliefen, ist aus dem Tagebuch von Friedrich Kirchner ersichtlich. In einem größeren Zusammenhang ist auf das Buch des österreichischen Diplomaten Wilhelm M. Donko zu verweisen, das unter dem Titel »Japan im Krieg gegen Österreich-Ungarn 1914–18. Die k. u. k. Kriegsmarine im Kampf gegen Japans Streitkräfte in Ostasien und im Mittelmeer. Ein Beitrag zum Gedenkjahr 1914–2014«1 erschienen ist.
1 Berlin 2014, Neuauflage 2018.
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Es hätte auch anders kommen können. Denn nicht nur zwischen ÖsterreichUngarn und Japan, auch zwischen Deutschland und Japan gab es im Grunde genommen keinerlei Feindschaften. Man weist gerne darauf hin, dass der deutsche kaiserliche Gesandte im Jahr 1895 in Shimonoseki nach dem chinesisch-japanischen Friedenschluss durch ein Schreiben Japan provoziert hatte. Aber seither sind fast 15 Jahre vergangen, und die Diplomatie kann Vieles zum Besseren bewegen. Es war auch nicht das Bündnis Japans mit Großbritannien. Auch das hätte weiterhin bestehen können, ohne aufseite der Entente in den Krieg einzutreten und außer dem Angriff auf Tsingtau einige Schiffe der japanischen Marine nach Europa zu schicken. Es war etwas Anderes. Japan wollte weiter seine Macht gegenüber China ausbauen. Das hat der japanische Historiker Hayashima Akira mit seiner Publikation »Die Illusion des Sonderfriedens. Deutsche Verständigungspolitik mit Japan im ersten Weltkrieg«2 ausführlich erklärt. Dem ist vom gleichen Autor ein Beitrag »Die deutsche Japanpolitik im August 1914« vorangegangen, publiziert in den Kwansei Gakuin University Annual Studies 3, der die politische Situation auf den Punkt bringt. Die deutsche Regierung über ihren Botschafter Grafen Rex hat der japanischen Regierung vorgeschlagen bereit zu sein, Ostasien und die ostasiatischen Gewässer zu neutralisieren unter der Voraussetzung, dass die Gegner das Gleiche tun. Das war aber nicht der Fall. Die englische Regierung dachte ursprünglich, die japanische Marine nur als Hilfskraft im eingeschränkten Rahmen in Betracht zu ziehen. Die japanische Regierung fand aber in der englischen Einladung einen guten Vorwand, in die europäische Krise zu intervenieren und ihren eigenen Krieg in und gegen China zu führen. Vor dem Angriff auf Tsingtau hatte die japanische Armee bei ihrer Landung auf der Shantung-Halbinsel, deren Hoheitsrecht China besaß, bereits internationales Recht verletzt. So scheiterten die Friedensverhandlungen zwischen Japan und ÖsterreichUngarn resp. Deutschland. Dem lag zugrunde, dass die Vertreibung irgendeiner europäischen Macht aus Ostasien schließlich für die japanische Festlandspolitik nicht von Schaden sei. Die lange freundschaftliche Beziehung mit Deutschland und mit Österreich-Ungarn wurde aus imperialistischen Interessen hinweggefegt. So der Autor. Und Hayashima schrieb auch, dass Japan, das mit der europäischen Krise im eigentlich Sinn gar nichts zu tun hatte, sich als ein kriegsführender Staat benennen konnte, um seinen eigenen Krieg mit seinen eigenen Kriegszielen in China zu führen.
2 München u. Wien : R. Oldenbourg Verlag, 1982. 3 1978, Vol. 27, S. 107–133.
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Abb. 45a und b: Kriegsgefangenenpost des Tagebuchautors Friedrich Kirchner aus dem Lager Aonogahara (28.10.1915, Poststempel Hyōgo Takino 兵庫瀧野, 7.11.1915) nach Graz.
An den österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen ging das alles vorbei. Zuerst mussten sie patriotisch sein und ihre Pflicht als Soldaten erfüllen. Für ihre Heimat. Das war ihre Aufgabe. Und zuletzt passten sie sich an die Verhältnisse an. Nämlich in Japan. Wie es eben ging, in den jeweiligen Gefangenenlagern.
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Durch fünf Jahre. Mit Turnen, mit Musik, mit Lesen, mit Lernen, auch Wissen unter den Kameraden weiterzugeben. Um die Langeweile zu vertreiben. Auch für die Zeit nach dem Krieg. Wichtig war auch der Postverkehr. Die Offiziere hatten größere Freiheit ; für die Mannschaft und Unteroffiziere war der Postverkehr auf eine bestimmte Zahl begrenzt. Es kamen auch Geschenke aus der Heimat an. Wichtig war für die Absender und Empfänger, dass sie deutlich und kurz schrieben, mehr oder weniger nur Postkarten, weil die Ein- und Ausgänge von japanischen Übersetzern überprüft wurden und dies bei Hunderten von Lagerinsassen jede Menge Zeit in Anspruch nahm. Insgesamt waren in Japan fast 4700 Kriegsgefangene aus Deutschland und Österreich-Ungarn. Japan war darauf nicht vorbereitet und musste diese Soldaten von Tsingtau innerhalb kurzer Zeit unterbringen. Zunächst waren diese an zwölf verschiedenen Orten in 32 Lagern untergebracht (s. Anm. 340 bzw. 343). Kirchner und der größte Teil der Österreicher wurden nach Himeji gebracht. Dort gab es drei Unterkünfte in buddhistischen Tempeln. Diese Tempel waren zwar groß, boten aber wenig Sicherheit und Hygiene, daher mussten entsprechende neue Lager gebaut werden ; 1917 waren es dann elf Lager, 1918 – bei Kriegsende – sechs Lager. Die Mannschaft des k. u. k. Kreuzers Kaiserin Elisabeth war größtenteil zuletzt in Aonogara, ein kleinerer Teil in Kurume. Schriftliche Zeugnisse
Bislang waren von österreichischen Marineoffizieren, die 1914 mit der Kaiserin Elisabeth nach Ostasien gekommen waren und in Tsingtau den Krieg und in Japan die Kriegsgefangenschaft erleben mussten, keine ausführlichen Tage bücher bekannt. Allerdings gibt es bis dato drei Offiziere, die sich zu ihrem Japanaufenthalt während der Kriegszeit schriftlich geäußert haben. Zum einen den Kapitän Richard Makoviz. Er verfasste die damals üblichen 14-tägigen amtlichen Berichte (»Vorfallenheitsberichte«) an die Admiralität, die heute im Kriegsarchiv (ÖStA) aufbewahrt werden. Der letzte Bericht, der nach Wien gelangte, deckt den Zeitraum vom 1. bis 15. Juli 1914 ab, und ist in Chefoo mit 15. Juli 1914 datiert. Gegenstand des Berichts ist die zu Ehren des ermordeten Thronfolgers gewidmete Seelenmesse im chinesischen Hafen.4 Des Weiteren existieren im Kriegsarchiv des Österreichischen Staatsarchives einige weitere Dokumente des Kommandanten, welche zu den Umständen der Rückkehr auf-
4 ÖStA, K.A., Marinesektion/Oberkommando, 1914 V/1–2, Karton 362.
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schlussreich sind.5 Ein von Makoviz möglicherweise privat verfasstes Tagebuch ist nicht überliefert. Bemerkenswert ist, dass neben Kirchners Aufzeichnungen von der Kaiserin Elisabeth auch Dokumente eines weiteren Besatzungsmitglieds überliefert sind. Diese Aufzeichnungen des aus Böhmen gebürtigen jungen Fregattenleutnants Ivo Maria Baierle (1893–1964) sind online zugänglich.6 Der dritte Offizier war der ebenfalls auf der Ostasienreise zum Fregattenleutnant beförderte Adalbert Baron Kuhn von Kuhnenfeld. Er hat aus der Erinnerung in dem im Jahr 1931 in Wien von der Bundesvereinigung der Ehemaligen Österreichischen Kriegsgefangenen herausgegebenen zweibändigen Werk »In Feindeshand. Die Gefangenschaft im Weltkriege in Einzeldarstellungen« einen Beitrag geschrieben mit dem Titel : »Kriegsgefangen in Japan. Ernstes und Heiteres aus meiner Furionenzeit«.7 In diesen Aufzeichnungen finden sich Bemerkungen über die Fehleinschätzung. Er schrieb, dass er sich ärgere, wenn er in den heimischen Zeitungen lese, dass es den Kriegsgefangenen in Japan ›herrlich gegangen sei‹ ; dass man durch die Lektüre von Pierre Loti und Lafcadio Hearn der Ansicht war, dass »wir dort in reizenden kleinen Papierhäuschen wie der Herrgott in Frankreich lebten, umgeben von den schönsten Geisha’s und sonstigen niedlichen Musmé’s« (S.79). Die Tagesausflüge außerhalb des Lagers ein- oder zweimal im Monat waren alle reglementiert, und für jemanden, der als Offizier ein freieres Leben gewohnt war als die Mannschaft, war das Dasein in den Lagern auch nicht berauschend. Wenn wir aber Friedrich Kirchners Tagebuch lesen, dann waren die A usflüge zur Zeit der ersten Gefangenschaft in Himeji 1915 eine willkommene Abwechs lung. Der Ton der Niederschrift war sogar so, dass er und seine Kameraden die Wanderung genossen hatten. Es wird nichts Abschreckendes über den japanischen »Feind« berichtet, weder in den Lagern noch in der Öffentlichkeit. Kirchner notiert am 7. September 1915 : Die Tempelpriester, die immer sehr gut zu uns waren, hatten schon gestern Abschied genommen, und ebenso auch einige kleine Japanerinnen, die wir bei den Tempelfenstern oftmals sahen. Ein Geistlicher hatte uns gestern Abend noch eine 5 Liter Flasche mit Sake (Reiswein) gebracht, was wirklich sehr schön von ihm war. Wir ersahen aus 5 U.a. genaue Liste der Mannschaft : Akten OK/MS 1913 u. 1914 V-2/4 ; Bericht über die Beteiligung S.M.S. Kaiserin Elisabeth an der Verteidigung von Tsingtau, getipptes Manuskript, 51 S. und Bericht über die Kriegsgefangenschaft und die Heimreise der Bemannung S.M.S. Kaiserin Elisabeth, getipptes Manuskript, 11 S.: K.A., M.S., »S.M.S. Kaiserin Elisabeth in Tsingtau«. 6 Http ://www.tsingtau.info/index.html ?biographien/baierle1.htm (abgerufen am 21.01.2019). 7 Bd. 2, S. 76–82.
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dieser Gefälligkeit und noch vielen anderen, die uns die Geistlichen schon früher bereitet hatten, dass uns das japanische Volk nicht als Feinde behandelt und betrachtet, sondern dies ausschließlich nur bei den verblendeten england-freundlichen Politikern Japans der Fall ist.
Bedauerlicherweise fehlen im Tagebuch Kirchners Aufzeichnungen über die Gefangenschaft, wie er und seine Kameraden das Leben in dem Gefangenenlager Aonogahara vom Herbst 1915 bis zum Winter 1919 empfunden hatten. Es war eine lange Zeit. Darüber schreibt er nichts. Das Tagebuch ist sehr lesbar geschrieben, gelegentlich auch illustriert. Vermutlich war es eine zweite Version, die Kirchner für sich und seine Familie bewahren wollte. Und weil in den Jahren in Aonogahara – es war jene Region in der Präfektur Hyōgo, in der die 10. Division der japanischen Armee ihren Truppenübungsplatz besaß (Sitz des Kommandos war Himeji) – nichts mehr Spannendes passierte, übersprang Kirchner diese Zeit. Der Alltag im Lager ist nicht genau überliefert. Bekannt ist, dass Theaterstücke aufgeführt wurden. Fregattenleutnant Kuhn von Kuhnenfeld erwähnt auch Spenden, vor allem Lesestoff, die zivile, also nicht internierte österreichisch-ungarische Staatsangehörige, die noch weiter in Japan lebten, den Lagerinsassen übergeben hatten.8 Allen voran der Vertreter der steirischen Stahlfirma Böhler in Tokyo, Bruno Müller, der nach dem Ersten Weltkrieg als erster Honorarkonsul die Agenden der jungen Republik in Japan vertreten sollte (s. Abb. 40, eine Postkarte an Bruno Müller von Martin Tomičić, ein kroatischer Steuermannsmaat auf Kaiserin Elisabeth). Das Tagebuch von Friedrich Kirchner stellt für die Geschichte der letzten Reise der Kaiserin Elisabeth und ihrer Besatzung eine bemerkenswerte und relevante Quelle zur Rekonstruktion dar. Es gibt darüber hinaus wertvolle Aufschlüsse über das Zusammenleben und die Interaktionen der aus allen Teilen der Monarchie zusammengesetzten, multiethnischen Besatzung. Das Zusammenleben scheint sich harmonisch gestaltet zu haben, bis Italien am 23. Mai 1915 aufseiten der Entente gegen Österreich-Ungarn den Krieg erklärte. Einige Besatzungsmitglieder, insgesamt dreizehn, erklärten sich nun zu italienischen Staatsbürgern, da sie hofften, aus der Gefangenschaft entlassen zu werden und nach »Italien« frühzeitig zurückkehren zu können. Die Hälfte dieser Familiennamen kam aus dem slowenischen und kroatischen Sprachgebrauch. Vielleicht hatte ein Elternteil die italienische Muttersprache, wenngleich in dieser Region an der adriatischen Ostküste viele Bewohner zwei- oder auch dreisprachig aufgewachsen waren. Aus rechtlichen Gründen konnte diese Gruppe während 8 Kwansei Gakuin University Annual Studies 1978, Vol. 27, S. 80.
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Abb. 46a: »Dépôt des prisonniers de guerre à Marugame. Groupe des prisonniers de guerre. No.2«. Bei den Männern in hellen Westen handelt es sich um dreizehn Mitglieder der Kaiserin Elisabeth, die sich nach dem Kriegseintritt Italiens gegen Österreich-Ungarn als Italiener deklarierten. Sie wurden, um Streit zu vermeiden, von der anderen österreichungarischen Besatzung des Kreuzers getrennt und in das Lager Marugame auf Shikoku verlegt, blieben aber bis zum Kriegsende in Japan. Abb. 46b: »Dépôt des prisonniers de guerre à Marugame. Intérieur d’une salle de Sous-officiers e Soldats«. Die Unterkunft für die Italiener war etwas vornehmer als für die anderen Kriegsgefangenen in Aonogahara. Es wurde den Italienern sogar ein Phonograph genehmigt. An der Wand hängt neben der italienischen Flagge auch die japanische Kriegsflagge, da Japan nun Verbündeter Italiens war; dazwischen das Bildnis des bekannten Revolutionärs und Risorgimento-Aktivisten Giuseppe Mazzini (1805–1872). Nach der Schließung des Lagers Marugame wurde diese Gruppe von dreizehn Mann im April 1917 in das Lager Bandō verlegt.
des Krieges nicht zurückgeschickt werden. Sehr wohl aber hatten sie bis zum Kriegsende in Japan einen Sonderstatus, weil Japan aufseiten der Entente stand. Es kam im Lager zu Streitigkeiten. Etwas genauer ist dieser Konflikt mit den anderen österreichisch-ungarischen Kameraden in einem Bericht einer japanischen Zeitung vom 15. Juni 1915 beschrieben, in dem der Name des Matrosen Bruno Pinski genannt wird, der zugunsten Japans Bomben konstruiert habe (s. Anm. 358). Die Namen und militärischen Ränge dieser dreizehn Italiener von der Kaiserin Elisabeth sind bekannt. Unter der Überschrift »Die gegen Ehrenwort Ent-
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lassenen« sind sie mit ihren Heimatorten in dem Verzeichnis »Extrait d’une Liste publiée par L’Empire Japonais concernant les prisonniers de guerre. Tokio, Juin 1917, Autriche-Hongrie« aufgelistet.9 Um körperliche Übergriffe zwischen den plötzlich zu Feinden gewordenen Kameraden zu vermeiden – wie bei Friedrich Kircher nachzulesen – wurde diese italienische Gruppe in das Lager Marugame verlegt, später nach Bandō, wo immer nur Deutsche waren und keine Landsleute aus der k. u. k. Monarchie. Auch erhielten die Italiener von der japanischen Seite neue Kleidung. Auf dem Foto im Album »Vues photographiques concerne les prisonniers de guerre au Japon campagne de 1914–1916« (Tokyo 1918) können die 13 Italiener aufgrund ihrer Jacken identifiziert werden. Die Namen kann man leider nicht zuordnen. Schicksal
Zehn Besatzungsmitglieder der Kaiserin Elisabeth fielen im Zuge der Kämpfe um Tsingtau, die ersten starben am 31. Oktober 1914 unter japanischem Beschuss. Es waren fünf Mann der Mannschaft eines 15 cm Geschützes, das vom Bord der Kaiserin Elisabeth auf das Land verlegt wurde. Ein weiterer starb am 2. November an seiner Verwundung. Die anderen fielen im Nahkampf, als japanische Infanterie in der Nacht auf den 7. November gegen die Werke III und IV10 vorstieß, wo eine österreichische Kompanie lag. Die Namen der Opfer : Jozsef Acs, Johann Dücke, Rudolf Eglsäer, Anton Fellinghauser, Wilhelm Kantz, Ladislaus Kopecny, Franz Pokorny, Franz Tauchmann, Robert Übelbacher und Adolf Weiß (s. S. 255 ff., Anm. 148, 150–153, 156 u. 176). Vier der Gefallenen waren Wiener, vier stammten aus Böhmen, auch ein Ungar gab das Leben für seine Heimat (Matrose Acs aus dem Komitat Zala) und ein Pole (Matrose Kopecny aus Zakopane in Galizien)11. Sie alle wurden in Tsingtau beerdigt. Die anderen gerieten in japanische Kriegsgefangenschaft, in welcher drei Besatzungsmitglieder an Krankheiten starben. Dies waren der Matrose Josef Sanz, gebürtig aus Böhmen, starb im Gefangenenlager Kurume am 21. April 1916. Der ungarische Matrose Janos Vita aus Ungarn, Kriegsgefangener in Aonogahara, verschied im Lazarett Himeji am 25. Mai 1916 an Lungentuberkulose. Schließlich der Matrose Teofil Gomolka aus Galizien, der in Aonogahara sta 9 ÖStA, Kriegsarchiv, Marine-Sektion, Karton »S.M.S. Kaiserin Elisabeth in Tsingtau«. 10 Werke hießen stark befestigte Stellen mit Kanonen. 11 Verlustliste im HHStA. P.A. I 888, b.
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Abb. 47a und b: Begräbnis und Grab des aus Galizien stammenden Teofil Gomolka, Matrose auf Kaiserin Elisabeth, verstorben am 17. Juni 1916 im Lazarett Himeji und beerdigt in Aonogahara: »Hier ruht Theophil Gomolka«.
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tioniert war und wegen Zuckerkrankheit in das Lazarett Himeji verlegt wurde. Nach seinem Tod am 17. Juni 1916 wurden seine sterblichen Überreste nach Aonogahara zurückgebracht und im Beisein seiner Kameraden und eines katholischen Geistlichen bestattet. Die Abbildung dieses Begräbnisses wurde in eine Publikation des für die Kriegsgefangenenlager zuständigen Amtes innerhalb des japanischen Armeekommandos aufgenommen. Ein Exemplar befindet sich im »Deutschen Haus« in Naruto auf Shikoku an der Stelle, wo sich das bekannte Kriegsgefangenenlager Bandō befand. Nach Kriegsende votierten 25 Mannschaftsangehörige der Kaiserin Elisabeth für die polnische Nationalität. Dies geht aus einem Bericht mit einer genauen Liste, die über die spanische Gesandtschaft in Tokyo, die die Republik Österreich vertrat, an das österreichische Außenamt in Wien hervor.12 Abreise! Heimreise?
Das Ende der k. u. k. Monarchie war erschütternd. Obwohl Österreich-Ungarn vom Feind nicht besetzt war, löste sich die Monarchie von innen auf. Am 6. November 1918 gab Kaiser Karl I., als Karl IV., König von Ungarn, den Demobilisierungsbefehl. Am 3. September 1918 wurde die Tschechoslowakei von den USA als kriegsteilnehmende Macht und deren Nationalrat als rechtmäßiger Vertreter anerkannt. Das Gleiche galt auch für den neu gegründeten Staat der Südslawen. Ab 29. Oktober 1918 bestand der Staat der Slowenen, Kroaten und Serben ; ab 1. Dezember 1918 umbenannt in »Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen«, kurz als »Jugoslawien« (Südslawien) bezeichnet. Dies betraf nun auch jene Teile der Besatzung der Kaiserin Elisabeth, deren Geburts- oder Wohnort in diesen Ländern lagen, etwa auch den Linienschiffsleutnant Viktor Klobučar-Rukavina von Bunić (Susak bei Fiume 1878–1965 Zagreb), der später in die jugoslawische Marine übertrat. Von ihm existiert ein ansehnliches Bild einer ländlichen Gegend mit einem japanischen Bauernhaus, das er als Kriegsgefangener in Aonogahara gemalt hatte und das heute im Besitz des Ortsmuseums in Japan ist. Ein besonderes Problem stellte die Rückbringung der Besatzung der Kaiserin Elisabeth nach Europa dar. Für die fast 4700 entlassenen Kriegsgefangenen standen nur wenige Schiffe zur Verfügung. Und wer trug die Verantwortung ? Noch mussten die Gefangenen, die jetzt freieren Zugang zur Bevölkerung hatten, in Japan bleiben. 12 HHStA, Adm.Reg. F 36/432, 8. Sept./13. Nov. 1919.
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»Im Grunde hatte jeder von uns das Gefühl«, schrieb Linienschiffsleutnant a.D., Baron Kuhn von Kuhnenfeld, in seinen Erinnerungen, daß man es in der Heimat mit unserem Heimtransport gar nicht so eilig habe, und so kursierten über dieses Thema die wildesten Gerüchte. Am gemütlichsten war eigentlich der Standpunkt unserer Regierung. Während die anderen Nachfolgestaaten, Tschechen und Kroaten, den Heimtransport der ihren regelten und schleunigst durchführten, einigte man sich scheinbar bei uns auf den Stadtpunkt, daß uns, die wir in Tsingtau für deutsche Interessen gekämpft hätten, auch die Deutschen nach Hause zu bringen hätten.
Das taten die Deutschen. In der Tat wohlmeinend. Es gab aber aus verkehrstechnischen Gründen zu wenig Schiffe, weil auch aus Wladiwostok (Sibirien) Kriegsgefangene nach Europa transportiert werden mussten. Daher dauert es ungefähr ein Jahr nach dem Krieg. Der Frachtdampfer Kifuku Maru verließ den Hafen Kobe am 30. Dezember 1919 um 6 Uhr morgens, mehr als ein Jahr nach Kriegsende (!), sodass die freigesetzten österreichisch-ungarischen Gefangenen ein fünftes Mal Weihnachten in Japan verbringen mussten. So langte die Besatzung – darunter Friedrich Kirchner – am 28. Februar 1920 in Wilhelmshaven ein. »Über die Art des Empfanges in der Heimat« – der ehemalige Marineoffizier Kuhn meint hier die Republik Österreich – »will ich lieber schweigen. Diese Erinnerungen sind so traurig und bitter, daß man sie besser ruhen läßt und allmählich vergißt«.13 Dass sich zunächst die junge Republik als »Deutsch-Österreich« bezeichnet hat, ist nachzuvollziehen. Nicht nur der gemeinsamen Sprache wegen. Auch weil man das »Rest-Österreich« nicht für überlebensfähig hielt. Während das Schiff mit den ehemaligen Kriegsgefangenen aus Japan nach Europa zurückkehrte und immer noch auf See unterwegs war, wurde unter dem Wahlspruch »Preußens tapferen Kämpfern« dem österreichischen (!) Maschinen-Maat Friedrich Kirchner »zur Anerkennung für Pflichttreue im Kriege 1914/18 das Preußische Kriegs-Erinnerungs-Kreuz« verliehen, datiert 18. Januar 1920, ausgestellt von der »Vereinigung Preußischer Kriegsteilnehmer«. Erschütternd liest sich der Abschlussbericht, den Linienschiffskapitän Richard Makoviz nach dem Ende der Gefangenschaft an seine dienstvorgesetzte Behörde in Wien ablieferte, die keine kaiserlich-königliche mehr war, sondern jetzt als republikanische firmierte. Die letzten Passagen betreffen die unmit-
13 In Feindeshand. Die Gefangenschaft im Weltkriege in Einzeldarstellungen, 1931, 2. Bd., S. 82.
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Abb. 48: »[…] zur Anerkennung für Pflichttreue im Kriege 1914/18 […]«: »Preußisches Kriegs-Erinnerungs-Kreuz«, 18. Jänner 1920. Abb. 49: Besitzzeugnis. »Das Erinnerungs-Kreuz in Bronze wird in treuem Gedenken an die Zugehörigkeit zu S.M.S. Kaiserin Elisabeth dem Maschinisten Maat Friedrich Kirchner hiermit als rechtmäßigem Inhaber ausgegeben und dieses beglaubigt«. Berlin, 12. Februar 1931.
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telbare Heimkehr mit den deutschen Kameraden, mit denen die Österreicher gemeinsam in Wilhelmshaven eingetroffen waren : Die Marinebehörde und die Bevölkerung bereiteten den Heimkehrern einen festlichen Empfang, der allen zu Herzen ging. Eine Ehrenkompanie mit Musik und zahlreiches Publikum erwarteten den Dampfer am beflaggten Landungsplatz, der Stationskommandant hielt eine Ansprache, in der der Kaiserin Elisabeth ehrenvoll gedacht wurde
und die ich erwiderte. […] Am folgenden Morgen verließen wir mit Deutschen zusammen mit Militärzug die Stadt. Die Fahrt ging über Bremen, Halle, Leipzig, Regensburg, Passau. In Bremen stieg ein österreichischer Major ein, der die Heimkehrer im Namen des Kriegsfürsorgeamtes begrüßte und eine Liebesgabe an Zigaretten an die Mannschaft verteilte. Auf allen größeren deutschen Bahnhöfen wurde der Transport festlich empfangen, begrüßt und bewirtet. Insbesondere in Oldenburg, Bremen und Leipzig hatte der Empfang einen überaus herzlichen und alle erfreuenden Charakter. Am 3. März kam endlich für die Reste der Schiffsbemannung der langersehnte Moment, an dem wir wieder heimatlichen Boden betreten sollten. In freudiger Stimmung hatten die Mannschaften ihre Wägen bekränzt und mit eigens für diesen Tag schon in Japan angefertigten Nationalflaggen geschmückt. Wir fanden uns aber auf den österreichischen Bahnhöfen nur einem unwissenden, apathischen Publikum gegenüber. Auch die Regierung des neuen Österreich hatte für die heimkehrenden Landsleute, die doch auf ganz besonderem Posten gestanden waren und fünf Jahre der Abgeschiedenheit in steter Sehnsucht an die Heimat mitgemacht hatten, kein Wort übrig. Es war das Bitterste, was wir im letzten Lustrum erleben mussten.14
Es war ein sehr stiller Empfang in der neuen Republik. Auf keinem Bahnsteig gab es Willkommensgrüße. Die Kaiserin Elisabeth war definitiv gesunken. Das Ende eines Schiffes – die Heimat blieb in Übersee
Insgesamt sechsmal landete die Kaiserin Elisabeth auf ihren Ostasienfahrten in Japan. Im Jahre 1893 hatte sie – drei Jahre nach ihrem Stapellauf – den Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand auf seiner Weltreise nach Japan getragen. Bei der Boxer-Rebellion war sie 1900/01 mit einem Schiffsverband in Ostasien, wo ihre Soldaten sogar Seite an Seite mit Japanern gekämpft hatten. 14 Veröffentlicht im Jahresbericht »Viribus Unitis« 2012 des Heeresgeschichtlichen Museums auf S. 71/72 ; P. Pantzer : Mit der k. u. k. Kriegsmarine zu Besuch im Japanischen Kaiserreich. Vom Beginn der Beziehungen 1869 bis zum Untergang der Donaumonarchie, S. 45–72.
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Während des Russisch-Japanischen Krieges kreuzte sie mehrmals vor Japan und lief japanische Häfen an. Auf dieser, ihrer letzten Ostasienfahrt hatte sie sich unter der Flagge Österreich-Ungarns bereits drei volle Monate in Japan aufgehalten, vom 14. November bis zum 15. Dezember 1913 und vom 9. März bis zum 10. Mai 1914. Der letzte Hafen war Kagoshima auf Kyūshū gewesen. Und die Kaiserin Elisabeth das letzte österreichische Schiff in Japans Gewässern. Vor 45 Jahren hatten die Beziehungen zwischen Japan und der k. u. k. Monarchie Erfolg versprechend begonnen. Im Jahr 1869 brachte die Fregatte Donau den ersten österreichischen-ungarischen Botschafter nach Japan, der zwischen den beiden Ländern einen Freundschafts- und Handelsvertrag abgeschlossen hatte. Jetzt waren die Beziehungen zerbrochen. Die Kaiserin Elisabeth sollte ihren Einsatz im Ersten Weltkrieg nicht überstehen. Nachdem die Munition verschossen war, wurde das Schiff in der Nacht auf den 2. November 1914 nach Ausschiffung der Bemannung versenkt. Die Versenkung ist von Friedrich Kirchner sehr genau und emotional beschrieben : Bei dieser Nachricht erfasste mich unwillkürlich eine tiefe Trauer wie um einen lieben Bekannten, den der Tod von der Erde genommen hat. Ich konnte es gar nicht fassen, dass unsere Liesl nicht mehr sei, und doch wusste ich nur zu genau, dass dem doch so ist. Waren wir doch deshalb vom Schiffe weggegangen, da es gesprengt werden musste. […] Die Kessel blieben in Betrieb, und die normale Dampfspannung wurde beibehalten. Flaggen, Signal- und Chiffre-Bücher, Schiffspapiere, Geheimakten, Instrumente, kurz und gut alles, was militärischen Wert besaß, wurde vor die Kessel gebracht und den Flammen übergeben, damit es sicher vernichtet sei und nicht dem Feind als Siegestrophäe jemals in die Hände fallen sollte. Zuletzt blieb nur der Kommandant, Fregattenleutnant Oskar Fröhlich und Ma-
schinenvorstand Robert Hinner an Bord. Der Tender fuhr weg und die Dampfbarke IX, in der auch ich 8 Monate gefahren war, legte am Seefallreep an, um die drei Offiziere aufzunehmen. Als letzter verließ der Herr Maschinenvorstand das Schiff, nachdem er die Zündschnüre angezündet hatte. Nun fuhr auch die Dampfbarke weg, denn es wäre sehr gefährlich gewesen, in der Nähe des sinkenden Schiffes zu bleiben. In einer Entfernung von 400 m blieben der Tender und die Dampfbarke stehen, um das Ende der Elisabeth anzusehen. Langsam sank das Schiff, durch das eindringende Wasser in die Tiefe gezogen. […] Kurz darauf, nach der 18. Minute, das Schiff war bereits etwa 3 m gesunken, stob ein mächtiger etwa 50 m hoher Funkenregen gegen den nächtlichen Himmel empor, und einige Sekunden später vernahm man erst die fürchterliche Explosion. […] Darauf neigte sich das Schiff etwas nach links, und plötzlich war es
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Abb. 50: Japanischer Lageplan der Versenkungsorte der vor der Kapitulation von Tsingtau von deutscher und österreichischer Seite selbst versenkten Schiffe (膠州湾沈船位置圖). S.M.S. Kaiserin Elisabeth (versenkt am 2. Nov. 1914) liegt am Eingang zur Bucht von Kiautschou zwischen den deutschen Kanonenbooten Tiger und Cormoran. = Versenkungsort des Kreuzers Kaiserin Elisabeth
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verschwunden. […] Der Herr Kommandant nahm die Kappe ab und sah in das tiefe, dunkle Wasser. Bald darauf fuhren sie an Land.
Gerüchteweise wird überliefert, dass nach der Besetzung von Tsingtau die Japaner das Schiff gehoben, entsprechend repariert und unter einem anderen Namen weiterverwendet hätten.15 Dies darf als wenig wahrscheinlich gelten. Das Schiff war mehr als 20 Jahre alt, sehr langsam, durch die Explosion weidlich ramponiert. Der Kreuzer wurde an der tiefsten Stelle versenkt, südseitig der Bucht nahe zum offenen Meer, auch schwer zu heben. Die vom Generalstab der japanischen Marine herausgegebene Geschichte des Feldzuges gibt genau den Versenkungsort an.16 Es ist anzunehmen, dass die Informationen, die die japanische Marine sofort nach der Einnahme von Tsingtau von Zeitzeugen eingeholt hatte, verlässlich sind. Um ½ 4h a.m. des 2. November 1914, mitten in der Nacht, sank die S.M.S. Kaiserin Elisabeth. Dem steirischen Marineunteroffizier Friedrich Kirchner dankt sich ein Tagebuch von historischer Bedeutung, welches die Ereignisse um den Kriegsausbruch in Fernost anschaulich erhellt. Was das für uns hier, so weit von der Heimat entfernt, zu bedeuten hat, weiß nur der, der darauf war. Als wir am 19. August 1913 mit dem Schiff Pola verließen, begannen wir, es uns so gemütlich als möglich für zwei Jahre einzurichten, waren wir doch durch den Aufenthalt am Schiffe gewissermaßen »zu Hause«, obwohl wir doch 30.000 km vom wirklichen Zuhause entfernt waren. Nun wird uns dieses Stückchen Heim hier in der Fremde fast unter den Füßen weggenommen, und alles muss man stehen und liegenlassen, und man geht ans Land, einem ungewissen Aufenthalt entgegen. […] Aber eins ist sicher : S.M.S. Kreuzer Kaiserin Elisabeth ging in Ehren unter.
Abschied von Unsern Landsleuten in Ostasien
Unterschrieben hat für die Deutschen der Kommandant von Tsingtau, Kpt. z. S. Alfred Meyer-Waldeck, für die Österreicher bzw. für die ehemaligen Mitglieder der k. u. k. Monarchie Linienschiffskapitän Richard Makoviz. Für Aonogahara der Kommandant des Lagers Georg Pauspertl Wladyk von Drachenthal, Korvettenkapitän auf der Kaiserin Elisabeth. 15 U.a. erwähnt in der auf Quellen basierenden Diplomarbeit »Japanisch-österreichische Beziehungen 1914–1923« von Sabine Nöbauer, Univ. Salzburg 1992, S. 52/53. 16 Kaigun gunreibu 海軍軍令部 (Hg.) : Taishō 3-4-nen sen’eki kaigun keirishi『大正三四年戰役海 軍經理史』 [Geschichte der Marine-Intendantur während des Feldzuges im Jahr Taishō 3 und 4], Tokyo 1921, Bd. 2, Anhang.
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Abb. 51: Unsern Landsleuten in Ostasien […] 1914 Japan 1919.
(Der Entwurf des Erinnerungsblattes stammt von Dr. Wilhelm Steitz, Leutnant d. Res.; gedruckt im Lager Kurume 1919 ; Litho, 28,5 × 20,5 cm ; aus dem Besitz des Lagerinsassen UO d. R. Erich Fischer).
Anhang
Liste der Offiziere der Kaiserin Elisabeth, die in Tsingtau mitkämpften1 Kommandant Linienschiffskapitän Richard Makoviz Gesamtdetailoffizier (GDO) Korvettenkapitän Georg Pauspertl Wladyk von Drachenthal Stab Linienschiffsleutnant Viktor Klobučar-Rukavina von Bunič Fregattenleutnant Ivo Maria Baierle Fregattenleutnant Oskar Fröhlich Fregattenleutnant Adalbert Kuhn von Kuhnenfeldt Linienschiffsarzt Dr. Ernst Dub Maschinenbetriebsleiter 2. Kl. Robert Hinner Marinekaplan Rudolf Hudecz ***
Offiziere, die in Tientsin zurückbleiben mussten und sich nicht an den Kampfhandlungen in Tsingtau beteiligen konnten :2 Linienschiffsleutnant Oskar Gayer Marinekommissär 1. Kl. Johann Skušek Weitere Stabspersonen, die Teil der Besatzung waren, aber am 2. August 1914 in die Heimat abberufen wurden, über die USA zurückkehrten und nicht an den Kämpfen um Tsingtau teilnahmen :3 Linienschiffsleutnant Johann Kainer 1 Dem Kriegsrecht entsprechend wurden nach der Einnahme von Tsingtau Linienschiffsarzt Dr. Dub und Marinekaplan Hudecz nicht von den Japanern gefangengenommen, kamen also nicht nach Japan. 2 Nach der Verlegung nach Tientsin am 25. August 1914 hatten diese beiden Offiziere der Kaiserin Elisabeth nicht mehr die Möglichkeit, nach Tsingtau zurückzukehren ; so gerieten sie nicht in die japanische, sondern nach Chinas Kriegsbeitritt ab 1917 in die chinesische Kriegsgefangenschaft. 3 S. Anm. 150 im Kirchner-Tagebuch. Vgl. Oliver Trulei : »Sieben Mann und ein Befehl : Heimkommen«, in : Marine-Nachrichtenblatt. Das Veröffentlichungsblatt des Arbeitskreises Krieg zur See 1914–1918. Oldenburg, Nr. 1, März 2010, S. 19–26.
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Linienschiffsleutnant Franz Pierotić Fregattenleutnant Adolf Ihan Fregattenleutnant Alfons Graf Montecuccoli Fregattenleutnant Georg Reichenberg Linienschiffsarzt Dr. Leo Arbesser v. Rastburg Maschinenbetriebsleiter Johann Nekamm Maschinenbetriebsleiter August Rothenpieler
Anhang
Zeitplan und Aufenthaltsorte des Kreuzers Kaiserin Elisabeth
1913/1914
(Schreibweise der chines. Ortsnamen aus dem Tagebuch Kirchners) 1913-08-19 1913-08-25 1913-08-26
Pola [Pula], Auslaufen S.M.S. Kaiserin Elisabeth Port Said, Ankerstation Port Said, Auslaufen
1913-09-01
Aden, Ankerstation
1913-09-11
Colombo, Ankerstation
1913-09-02 1913-09-15
Aden, Auslaufen
Colombo, Verlassen des Hafens
1913-09-22
Singapore, Ankerstation
1913-09-30
Hongkong 香港, Ankerstation
1913-10-08
Chefoo [Zhifu 芝罘], Ankerstation
1913-09-24 1913-10-02 1913-10-10
Singapore, Auslaufen
Hongkong 香港, Auslaufen
Chefoo [Zhifu 芝罘], Anker gelichtet
1913-10-11
Tsing-wang-tao [Qinhuangdao 秦皇島], Ankerstation
1913-10-17
Chefoo [Zhifu 芝罘], zweiter Besuch
1913-10-16 1913-11-03
Tsing-wang-tao [Qinhuangdao 秦皇島], Auslaufen Chefoo [Zhifu 芝罘], Auslaufen
1913-11-05
Nagasaki 長崎, Ankerstation
1913-12-18
Shanghai 上海, Ankerstation
1913-12-15 1914-01-21 1914-01-23
Nagasaki 長崎, Auslaufen
Shanghai 上海, Auslaufen
Pagoda und Mamoi 塔錨地/馬尾, Ankerstation
1814-01-26
Foo-chow [Fuzhou 福州], Besuch
1914-02-01
Hongkong 香港, zweiter Besuch
1914-02-25
Amoy [Xiamen 廈門], Ankerstation
1914-03-09
Nagasaki 長崎, zweiter Besuch
1914-01-29 1914-02-23 1914-03-05 1914-03-12
Pagoda und Mamoi 塔錨地/馬尾, Auslaufen
Hongkong 香港, Auslaufen
Amoy [Xiamen 廈門], Auslaufen in Richtung Japan Nagasaki 長崎, Auslaufen
1914-03-13
Beppu 別府, Ankerstation
1914-03-17
Beppu 別府, Auslaufen
372 1914-03-18
Anhang
Mitsugahama 三津浜 / Matsuyama 松山, Ankerstation
1914-03-20
Itsukushima/Miyajima 厳島/宮島, Ankerstation
1914-03-23
Kōbe 神戸, Ankerstation
1914-04-07
Kōbe 神戸, Auslaufen
1914-04-09
Yokohama 横浜, Ankerstation
1914-05-01
Yokohama 横浜, Auslaufen
1914-05-02
Yokkaichi 四日市, Ankerstation
1914-05-04
Yokkaichi 四日市, Auslaufen
1914-05-04
Toba 鳥羽, Ankerstation
1914-05-06
Toba 鳥羽, Auslaufen
1914-05-08
Kagoshima 鹿児島, Ankerstation
1914-05-10
Kagoshima 鹿児島, Auslaufen
1914-05-12
Shanghai 上海, zweiter Besuch
1914-06-07
Shanghai 上海, Auslaufen
1914-06-10
Tsing-wang-Tau [Qinhuangdao 秦皇島], zweiter Besuch
1914-06-22
Tsing-wang-Tau [Qinhuangdao 秦皇島], Auslaufen
1914-06-23
Chefoo [Zhifu 芝罘], dritter Besuch
1914-07-20
Chefoo [Zhifu 芝罘], Auslaufen
1914-07-21
Tsingtau [Qingdao 青島] / 34 Tage
Krieg 1914-08-25
Tsingtau, Übersiedlung nach Tientsin [Tianjin 天津]
1914-08-26
Tientsin [Tianjin 天津] / 19 Tage Aufenthalt von Friedrich Kirchner
1914-09-13
Tientsin [Tianjin 天津] – Rückkehr nach Tsingtau
1914-09-14
Tsingtau [Qingdao 青島] / 56 Tage, um für die Monarchie zu kämpfen
(Kaiserin Elisabeth wird am 2. Nov. 1914 versenkt) Gefangenschaft 1914-11-10
Tsingtau [Qingdao 青島]
1914-11-10
Tai-tung-tschen [Taidongzhen 臺東鎮] / 4 Tage
1914-11-14
Tai-tung-tschen [Taidongzhen 臺東鎮], Verlegung
1914-11-15
Schatsykou [Shazikou 沙子口] / 1 Tag
Zeitplan und Aufenthaltsorte des Kreuzers Kaiserin Elisabeth
Transport nach Japan/Lagerleben 1914-11-18
Hiroshima 広島, Ankunft mit dem Dampfer Europa Maru / 2 Tage
1914-11-20
Hiroshima 広島, Abreise mit der Bahn
1914-11-20
Himeji 姫路, Einzug im ersten Gefangenenlager / 305 Tage
1915-09-20
Himeji 姫路, Auszug
1915-09-20
Aonogahara 青野ヶ原, Übersiedlung in das zweite Gefangenenlager
(Aufenthalt fünf Jahre und ein Monat) Rückkehr in die Heimat Österreich 1919-12-29
Abmarsch aus Aonogahara 青野ヶ原 nach Kōbe
1919-12-30
Kōbe 神戸, Auslaufen auf dem Dampfer Kifuku Maru「喜福丸」
1920-02-28
Wilhelmshaven, Ankunft in Deutschland
1920-03-03
Passieren der deutsch-österreichischen Grenze bei Passau
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Ungedruckte Quellen und Literaturverzeichnis Japan Nichi-Doku kaisen ikken. ō-Botsu-To to no kokkō danzetsu o fukumu. Taishō 3-nen 8-gatsu. 日獨開戦一件、墺・勃・土との國交断絶を含む. [Kriegsausbruch Deutschland/ Japan. Abbruch der Beziehungen mit Österreich, Bulgarien und Türkei, August 1914], Tokyo, Public Record Office (外務省外交史料館), 5-2-1-25 (20.319–20.398) Nichi-Doku senso sai furyo jōhō-kyoku setchi narabi doitsu furyo kankei zassan 日独戦争際 俘虜情報局設置並独國俘虜関係雑纂・第五巻, [ Japanisch-Deutscher Krieg. Er richtung des Auskunftsbüros für Kriegsgefangene und sonstige die Kriegsgefangenen betreffende Angelegenheiten. Fasz. 5], Tokyo, Public Record Office (外務省外交史 料館), 1915 Österreich Makoviz, Richard : Bericht über die Beteiligung S.M.S. Kaiserin Elisabeth an der Verteidigung von Tsingtau. ÖStA, Kriegsarchiv, Marine Sektion, Karton »S.M.S. Kaiserin Elisabeth in Tsingtau«, o.O.u.D. [1920], 51 S. u. 8 Beilagen Makoviz, Richard : Bericht über die Kriegsgefangenschaft und die Heimreise der Bemannung S.M.S. Kaiserin Elisabeth. ÖStA, Kriegsarchiv, Marine Sektion, Karton »S.M.S. Kaiserin Elisabeth in Tsingtau«, o.O.u.D. [1920], 11 S. u. 5 S. Beilagen Putz, Franz : Persönliche Dokumente (u.a. Notizbücher und eigene Aufzeichnungen) ; ÖStA, Kriegsarchiv, Nachlass-Sammlung Teilnahme S.M.S. Kaiserin Elisabeth an der Verteidigung von Tsingtau. Wien, HHStA, Politisches Archiv, I 888 ( Japans Haltung 1914-1918) Literatur Bürger, Hugo (Hg.) : Der Oesterreichische Lloyd und sein Verkehrsgebiet. Officielles Reisehandbuch herausgegeben von der Dampfschiffahrts-Gesellschaft des Oesterr. Lloyd. I. Theil : Istrien, Dalmatien, Herzegowina und Bosnien. Wien – Brünn – Leipzig (Rohrer), 1901 Donko, Wilhelm W.: Österreichs Kriegsmarine in Fernost. Alle Fahrten von Schiffen der k.(u.)k. Kriegsmarine nach Ostasien, Australien und Ozeanien von 1820 bis 1914. Berlin : epubli GmbH – Holtzbrinck, 2013 Donko, Wilhelm W.: Japan im Krieg gegen Österreich-Ungarn 1914–18. Die k. u. k. Kriegsmarine im Kampf gegen Japans Streitkräfte in Ostasien und im Mittelmeer. Berlin : epubli GmbH – Holtzbrinck, 2014 ; 2018 (3. Aufl., überarbeitet u. erweitert)
Ungedruckte Quellen und Literaturverzeichnis
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376
Anhang
リア捕虜兵』[Die Welt des Kriegsgefangenenlagers Aonogahara. Der Erste Weltkrieg und die österreichischen Soldaten in Kriegsgefangenschaft]. Tokyo : Yamakawa shuppan-sha, 2007 (historia, Bd. 27) Ōtsuru Atsushi 大津留厚 : Aonogahara furyo shūyōjo »uīn satogaeri« tenrankai『青野 原俘虜収容所「ウイーン里帰り」展覧会』[Das Kriegsgefangenenlager Aonogahara. Erinnerungsausstellung in Wien]. Ono : Ono shiritsu kōkokan, 2008 (Begleitheft zu einer Ausstellung im Österr. Staatsarchiv in Wien 2008 und in der Österr. Botschaft in Tokyo 2009) Pantzer, Peter : Japan und Österreich-Ungarn. Die diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen von ihrer Aufnahme bis zum Ersten Weltkrieg. Wien : Universität Wien, Inst. f. Japanologie, 1973 (Beiträge zur Japanologie. Bd. 11) Pantzer, Peter : »Deutschland und Japan vom Ersten Weltkrieg bis zum Austritt aus dem Völkerbund (1914–1933)«, in J. Kreiner (Hg.), Deutschland – Japan. Historische Kontakte. Bonn : Bouvier 1984 (Studium Universale. Schriftenreihe der Universität Bonn, Bd. 3), S. 141–160 Pantzer, Peter : »Japan und Österreich zwischen den zwei Kriegen«, in J. Kreiner (Hg.), Japan und die Mittelmächte im Ersten Weltkrieg und in den zwanziger Jahren. Bonn : Bouvier 1986 (Studium Universale. Schriftenreihe der Universität Bonn, Bd. 8), S. 175–234 Par avicini, Friedrich : »Die Kriegsgefangenen in Japan. Aus dem Bericht des Herrn Dr. F. Paravicini in Yokohama über seinen Besuch der Gefangenenlager (30. Juni bis 16. Juli 1918), in : In Feindeshand. Die Gefangenschaft im Weltkriege in Einzeldarstellungen (hg. von Hans Weiland u. Leopold Kern/Bundesvereinigung der Ehemaligen Österreichischen Kriegsgefangenen). Wien : Göth 1931, Bd. 2, S. 82–90 (Aonogahara : S. 84/85) Plüschow, Gunther, Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau. Meine Erlebnisse in 3 Erdteilen. Berlin : Ullstein 1916 Sanbō honbu 参謀本部 (Hg.) : Taishō 3-nen Nichi-Doku senshi『大正三年日独戦史』 上、下、附図 [Geschichte des Japanisch-Deutschen Krieges des Jahres Taishō 3]. Tokyo : Kaikōsha 偕行社 1916, 3 Bde (1, 2 u. Kartenband) Sanbō honbu 参謀本部 (Hg.) : Taishō 3-nen Nichi-Doku senshi shashinchô『大正三年日 独戦史写真帖』[Geschichte des Japanisch-Deutschen Krieges des Jahres Taishō 3, Fotoalbum]. Tokyo : Kaikōsha 偕行社 1916 Seto Takehiko 瀬戸武彦 : Chintao kara kita heishitachi – dai’ichiji taisen to Doitsu-hei furyo no jitsuzō『青島から来た兵士たち・第一次大戦とドイツ兵俘虜の実像』 [Die Soldaten aus Tsingtau. Der Erste Weltkrieg und die deutschen Kriegsgefangenen]. Tokyo : Dōgakusha 2006 Smith, Captain Bernard : »The Siege of Tsingtau« in : The Coast Artillery Journal. Fort Monroe/VA., Vol. 77, Nr. 6, Nov.–Dec. 1934. S. 405–419 Stürgkh, Josef Graf : »Gespräch mit Kaiser Wilhelm II. über ›Kaiserin Elisabeth‹. Aus meinen Erinnerungen«, Wien : Neues Wiener Journal, 17. Dezember 1933, S. 13/14 Tak ahashi Terukazu 高橋輝和 : Marugame Doitsu-hei horyo shūyōjo monogatari『丸 亀ドイツ兵捕虜収容所物語』[Geschichte des deutschen Kriegsgefangenenlagers Marugame]. Tokyo : Enishi shobō, 2014
Ungedruckte Quellen und Literaturverzeichnis
377
Takiguchi Otosaburō 瀧口乙三郎 (Hg.) : Chintao senryō kinen shashin-chō『青島占領 記念写真帖 The Album in Memory of the Occupation of Tsingtao』Tsingtau : Takahashi shashinkan 高橋写真館, 1915 (6. Aufl. 1918) Trulei, Oliver : »Sieben Mann und ein Befehl : Heimkommen«, in : Marine-Nachrichtenblatt. Das Veröffentlichungsblatt des Arbeitskreises Krieg zur See 1914–1918. Oldenburg, Nr. 1, März 2010, S. 19–26 Warner, Torsten : Die Planung und Entwicklung der deutschen Stadtgründung Qingdao (Tsingtau) in China : Der Umgang mit dem Fremden. Hamburg 1996 Yamaguchi Nobuo 山口信雄 (Hg.) : Chintao senki『青島戰記』[Tsingtau Kriegschronik]. Ōsaka : Asahi shinbun gōshi kaisha 朝日新聞合資會社, 1915
Chinesische und Japanische Ortsnamen China Tagebuch Kirchner
Schriftzeichen
Pinyin-Lesung
Arkona Insel (später Katō Insel 加藤島)
小青島
Xiao Qingdao
Chefoo (heute Yantai 烟台)
芝罘
Zhifu
Fangtse
坊子
Fangzi
Flugfeld für die japan. Landflugzeuge
狗塔埠
Goutabu
Foo-chow
福州
Fuzhou
Fou-schan-so
浮山所
Fushansuo
Hai-miao-kou
海廟口
Haimiaokou
Haipo-Fluss
海泊河
Haibohe
Hanho
旱河
Hanhe
Heitschau
海州
Haizhou
Heng-tan (in den Lao-Bergen)
横担
Hengdan
Hohsi (südwestl. des Zhangcun-Flusses)
河西
Hexi
Hotung-Pass (in den Lao-Bergen)
河東峠
Hedongka
Hsiaotao (Bucht)
石島[湾]
Shidao[wan]
Hsiaupatau-Straße
小蚫島街
Xiaobaodao[jie]
Hsien-tsia-tsai
仙家寨
Xianjiazhai
Hsint-schiat-schuang
辛家庄
Xinjiazhuan
Hsiwutschiatsun
西呉家村
Xiwujiacun
Huang-hin, Huang-si (Huang-hsien)
黄縣
Huangxian
Huitschen-huk (Huk – norddt. für Landzunge)
會前岬 (会前岬)
Huiqianjia
Hulo-Fluss (Wulung-Fluss)
河龍[河]
Helong[he]
Hu-tou-hai
虎頭海[崖]
Hutouhai[ya]
Jang-tse-kiang
揚子江
Yangzi jiang
Jitschau ( Jichao)
日照
Rizhao
Kang-tschia-tschuang
亢家庄
Kangjiazhuang
Kap Jaeschke
海西半島
Haixi bandao
Kau-lau-tau
栲栳島
Kaolaodao
Kiautschau
膠州
Jiaozhou
Kinkiakou (Chinchiakou)
金家口
Jinjiakou
379
Chinesische und Japanische Ortsnamen Tagebuch Kirchner
Schriftzeichen
Pinyin-Lesung
Koutsy
口子
Kouzi
Kulangsu
鼓浪嶼
Gulangyu
Kuschan, Kouschan, Kauschan
弧山
Hushan
Ku-yai (in den Lao-Bergen)
溝涯
Gouya
Kwantung
關東 (関山)
Guandong
Laitschufu, Laitschoufu
萊州
Laizhou
Lanti (heute Landizhen兰底镇/蘭底鎮)
蘭底
Landi
Lantsun
藍村
Lancun
Lauschan
勞山 (労山, auch 嶗山) Laoshan
Lauschan-Bucht
勞山湾 (労山湾)
Laoshanwan
Liauting
流亭
Liuting
Lientau
連島
Liandao
Litsun
李村
Licun
Litsun-Fluss
李村河
Licunhe
Lungkou, Lung-kau
龍口 (龙口)
Longkou
Machiatai
馬家台 (马家台)
Majiatai
Matien
馬店
Madian
Paischaho [Baisha-Fluss]
白沙河
Baishahe
Pan-chia-fang (an der Kiautschau-Bucht)
板橋房
Banqiaofang
Petschili, Peitschili
北直隸
Bei-Zhili
Ping-tu, Pingtu-tschou
平度[州]
Pingdu[zhou]
Prinz-Heinrich-Berge
浮山
Fushan
Schanghai
上海
Shanghai
Schantung
山東
Shandong
Schantung-tu
山東頭
Shandongtou
Schatsykou
沙子口
Shazikou
Schatsykou-Bucht
沙子口湾
Shazikou-wan
Schuangshan, Syfang-Berge
四房山
Sifangshan
Sikawei, Zikawei
徐家匯
Xujiahui
Syfang
四方
Sifang
Taikungtau
大公島
Dagongdao
Taimatu
大麥島
Damaidao
Tai-si-tscheng
臺西鎮 (台西鎮)
Taixizhen
Tai-tung-tschen(g)
臺東鎮 (台東鎮)
Taidongzhen
380
Anhang
Tagebuch Kirchner
Schriftzeichen
Pinyin-Lesung
Tapatau
大蚫島
Dabaodao
Ta-pa-tau
大埠頭
Dabutou
Taschan
大山
Dashan
Ta-yau
大窑
Dayao
Techow
德州
Dezhou
Teng-yau
登窑
Dengyao
Tien-schia-tsun
田家村
Tianjiacun
Tientsin
天津
Tianjin
Tsangkau, Tschangkau
滄口 (沧口)
Cangkou
Tsau-yüen
棗園
Zaoyuan
Tschaiko, Tschai-ko
宅科
Zhaike
Tschang-tsun
張村
Zhangcun
Tschang-tsun-Fluss
張村河
Zhangcunhe
Tschengyang
城陽
Chengyang
Tsimo
卽墨
Jimo
Tsinanfu
濟南
Jinan
Tsingtau
青島
Qingdao
Tsing-wang-tau
秦皇島
Qinhuangdao
Tunglitsun
東李村
Donglicun
Tung-liutschui (Gebirge)
東流水
Dongliushui
Wali
窪裡
Wali
Wangkaschuang
王哥庄
Wanggezhuang
Wangkaschuangkou
王哥庄口
Wanggezhuangkou
Wangpu-Fluss
黄浦江
Huangpu
Wangtai
灣頭
Wantou
Weihaiwei
威海衛
heute: Weihai 威海
Weihsien (heute Weifang 濰坊市)
濰縣
Weixian
Wusung
呉淞
Wusong
381
Chinesische und Japanische Ortsnamen
Japan Aioi
相生
Akashi
明石
Aono
青野
Aonogahara
青野ヶ原
Beppu
別府
Daimonguchi
大門口駅
Fukuoka
福岡
Fukuyama
福山
Himeji
姫路
Himeyama Park
姫山公園
Hiroshima
広島
Honshū
本州
Hyōgo
兵庫
Inlandsee (Setonaikai)
瀬戸内海
Itsukushima
厳島
Kagoshima
鹿児島
Kakogawa
加古川市
Kōbe
神戸
Kumamoto
熊本
Kurume
久留米
Kyōto
京都
Kyūshū
九州
Marugame
丸亀
Matsunaga
松永町
Matsuyama
松山
Mitsugahama
三津浜町
Miyajima
宮島
Moji
門司
Nagasaki
長崎
Nagoya
名古屋
ōita
大分
Okayama
岡山
ōmoto Park
大元公園
382
Anhang
Onomichi
尾道市
Ōsaka
大阪
Sakurashima / Sakurajima
桜島
Shikoku Shimonoseki
四国 下関
Shizuoka
静岡
Shōdoshima
小豆島
Toba
鳥羽
Tokushima
徳島
Tōkyō
東京
Tsushima
対馬
Yamada
山田
Yokkaichi
四日市
Yokohama
横浜
Abbildungsverzeichnis Frontispiz : Familienbesitz Kirchner Abb. 1 : Fotoalbum Franz Putz, Tokyo 1911/1914 ; Privatbesitz, Wien Abb. 2 : Jiji shashin 時事写真, Tokyo : Mainichi-Shinbunsha, 1. Sept. 1914 Abb. 3 : Fotoalbum Franz Putz, Tokyo 1911/1914 ; Privatbesitz, Wien Abb. 4 : Österr. Staatsarchiv, Kriegsarchiv, Nachlass-Smlg. Abb. 5 : Fotoalbum Franz Putz, Tokyo 1910/1914 ; Privatbesitz, Wien Abb. 6 : Fotoalbum Franz Putz, Tokyo 1910/1914 ; Privatbesitz, Wien Abb. 7 : Hōchi Shinbun 報知新聞, Tokyo, 28. Aug. 1914, Titelseite Abb. 8 : Fotoalbum Franz Putz, Tokyo 1910/1914 ; Privatbesitz, Wien Abb. 9 : Familienbesitz Kirchner Abb. 10 : Familienbesitz Kirchner Abb. 11 : Österr. Staatsarchiv, KA, MA, Marine-Sektion O.K., K 362, Vorfallenheitsbericht Kaiserin Elisabeth, in See 15. Dez. 1913, V-2/3 Abb. 12 : Familienbesitz Kirchner Abb. 13 : Mit frdl. Erlaubnis von Renate Basch-Ritter. Österreich auf allen Meeren. Graz – Wien – Köln : Styria, 2009, S. 148 Abb. 14 : Fotograf unbekannt Abb. 15 : Familienbesitz Kirchner Abb. 16 : Kōbe shinbun 神戸新聞, 20. März 1914, Titelseite Abb. 17 : Familienbesitz Kirchner Abb. 18 : Familienbesitz Graf, Nachlass Karl Razenberger Abb. 19a : Familienbesitz Kirchner Abb. 19b : Familienbesitz Graf, Nachlass Karl Razenberger Abb. 20 : Familienbesitz Kirchner Abb. 21 : Familienbesitz Kirchner Abb. 22 : Familienbesitz Kirchner Abb. 23 : Einer Zeichnung von Walter Trier (1890–1951, daher sign. W.T.) nachempfunden, die unter dem Titel »Schuft No. 7« als Postkarte und in der Zeitschrift Lustige Blätter (Berlin, 29. Jg., Nr. 35, 4. Kriegsnummer, Aug. 1914) erschienen war Abb. 24 : Hōchi Shinbun 報知新聞, Tokyo, 29. Aug. 1914, Titelseite Abb. 25 : Nichi-Doku sen’eki Chintao meisho shashinchō 日獨戦役青島名所寫眞帖. Tsingtau : Mifune shashinkan, 1915, S. 116 Abb. 26 : ÖStA, Kriegsarchiv, Fotosammlung Abb. 27 : Tagebuch Friedrich Kirchner Abb. 28 : Yamaguchi Nobuo (Hg.) : Chintao senki『青島戰記』Ōsaka 1915 Abb. 29 : Nichi-Doku sen’eki Chintao meisho shashinchō 日獨戦役青島名所寫眞帖. Tsingtau : Mifune shashinkan, 1915, S. 30 Abb. 30 : Yamaguchi Nobuo (Hg.) : Chintao senki『青島戰記』Ōsaka 1915 Abb. 31 : 東京パックTokyo Puck, Tokyo, Vol. 10, Nr. 26, S. 6/7 Abb. 32 : Tōkyō Asahi Shinbun 東京朝日新聞, 7. Sept. 1914, S. 5
384
Anhang
Abb. 33 : Yamaguchi Nobuo (Hg.) : Chintao senki『青島戰記』Ōsaka 1915 Abb. 34 : Sekai taisenso gahō 世界大戦争画報 2, Tokyo, Taishō 3 (= 1914) ; Verlag : Tsunashima Kamekichi 綱嶋亀吉 (Farblithographie, 36.8 × 51.0 cm), Privatbesitz, Wien Abb. 35 : Privatbesitz, Wien Abb. 36a, b : Familienbesitz Graf, Nachlass Karl Razenberger Abb. 37 : Chintao senryō kinen shashin-chō『青島占領記念写真帖 The Album in Memory of the Occupation of Tsingtao』Tsingtau : Takahashi shashinkan 高橋写真館, 1915 Abb. 38 : Tagebuch Friedrich Kirchner Abb. 39a : Furyo jōhō-kyoku 俘虜情報局 (Hg.) : Taishō 3-4-nen sen’eki furyo shashin-chō 『大正三四年戦役俘虜写真帖』Tokyo : Bureau Imperial de renseignement sur les prisonniers de guerre a Tokyo, 1918, Abb. 82 Abb. 39b : Furyo jōhō-kyoku 俘虜情報局 (Hg.) : Taishō 3-4-nen sen’eki furyo shashin-chō 『大正三四年戦役俘虜写真帖』Tokyo : Bureau Imperial de renseignement sur les prisonniers de guerre a Tokyo, 1918, Abb. 80 Abb. 40 : Familienbesitz Kirchner Abb. 41 : Familienbesitz Kirchner Abb. 42 : Privatbesitz ; Stadt Aono, Hyōgo Präfektur Abb. 43 : Privatbesitz, Wien Abb. 44a–d : Privatbesitz, Wien Abb. 45a, b : Privatbesitz, Wien Abb. 46a, b : Furyo jōhō-kyoku 俘虜情報局 (Hg.) : Taishō 3-4-nen sen’eki furyo shashinchō『大正三四年戦役俘虜写真帖 Vues photographiques concerne les prisonniers de guerre au Japon campagne de 1914–1916』Tokyo 1918, Abb. 101 u. 102 Abb. 47a, b : Furyo jōhō-kyoku 俘虜情報局 (Hg.) : Taishō 3-4-nen sen’eki furyo shashinchō『大正三四年戦役俘虜写真帖 Vues photographiques concerne les prisonniers de guerre au Japon campagne de 1914–1916』Tokyo 1918, Abb. 90 Abb. 48 : Familienbesitz Kirchner Abb. 49 : Familienbesitz Kirchner Abb. 50 : Kaigun gunreibu 海軍軍令部 (Hg.) : Taishō 3-4-nen sen’eki kaigun keirishi『大正 三四年戰役海軍經理史』 [Geschichte der Marine-Intendantur während des Feldzuges im Jahr Taishō 3 und 4], Tokyo 1921, Bd. 2, Anhang Abb. 51 : Lithographie, Kurume 1919 aus dem Besitz des Lagerinsassen Erich Fischer, Kurume (Privatbesitz, Wien)
Personenverzeichnis Abe Ken’ichi, Offizier des Torpedobootzerstörers Shirayuki 209 Acs, Josef (?–1914) ; Matrose 255, 356 Anstruther, Robert Hamilton (1862–1938) ; Commodore 44 Arbesser v. Rastburg, Dr. Leo (1887–1966) ; Linienschiffsarzt 141, 370 Aspeck, Rupert (1893–?) ; Artillerie-Marsgast auf Kaiserin Elisabeth 203 Aspöck, Rupert ; s. Aspeck Aye, Julius (1887–1914) ; Oberlt. z. S. 286 Babo, Maximilian Freiherr von (1862–1933) ; Honorar-Vizekonsul 9, 48, 49, 129, 135, 315 Baierle, Ivo Maria (1893–1964) ; Fregattenleutnant auf Kaiserin Elisabeth 108, 139, 196, 210, 253–257, 295, 353, 369 Barnardiston, Nathaniel Walter (1858–1919) ; brit. Brigadegeneral 193, 235, 292, 293 Beppu Yūjirō 別府友次郎, Fregattenkapitän, Kdt. des Zerstörers Shirotae 209 Bernauer, Karl (1867–1929) ; k. u. k. Generalkonsul in Shanghai 63, 174 Bianchi, Leone de ; Musikgast auf Kaiserin Elisabeth 332 Brunner, Paul (1880–1941) ; Kapitänleutnant (Kdt. von S 90) 188, 234, 238 Chichibu no miya Yasuhito 秩父宮雍仁親王 (1902–1953), Bruder von Kaiser Hirohito 97, 99 Chmelarž, Eugen Ritter von (1856–1945), Konter-Admiral 136 Cicoli, Alfred (1866–1935) ; Fregattenkapitän 45 Clifford, britischer Konsul in Kiautschau 148 Cohn ; Inhaber eines deutschen Restaurants in Nagasaki 51, 54, 56 Conrad von Hötzendorf, Franz (1852–1925) ; 1914 Chef des Generalstabs 13, 14, 16, 26 Cowles, Walter Cleveland ; US Rear Admiral 118, 129, 135 Crevatin, Egon (1875–?) ; k. u. k. Honorarkonsul in Kobe 102
De Bianchi s. Bianchi Diehl, Wilhelm (1888–1914) ; Unteroffizier 239, 240 Drachenthal s. Pauspertl Wladyk von Drachenthal Dub, Dr. Ernst (1873–1935) ; Linienschiffsarzt 275, 369 Dücke, Johann (?–1914) ; Steuergast, in Tsingtau gefallen 286, 287, 356 Franz Ferdinand (1863–1914) ; Erzherzog Thronfolger von Österreich 7, 8, 10, 12, 66, 124, 128, 137, 332, 361 Franz Josef I. (1830–1916) ; Kaiser und König (1848–1916) 20, 21, 44–46, 52, 123, 335, 336 Fries, Wolfgang von (1885–1914) ; Leutnant d. R. 202 Fröhlich, Oskar (1891–1969) ; Fregattenleutnant auf Kaiserin Elisabeth 24, 158, 267, 362, 369 Fujise Katsu 藤瀬勝中尉 ; Fregattenleutnant 224 Fukushima Yasumasa 福島安正 (1852–1919) ; General 176 Gayer, Oskar (1878–?) ; Linienschiffsleutnant 42, 165, 369 Gerger, Johann (?–1913) ; Heizer, in Nagasaki ertrunken 56–58 Gomolka, Teofil (?–1916 Himeji) ; Matrose 2. Klasse 346, 356, 357 Guthrie, George Wilkins (1848–1917) ; amerikan. Botschafter in Japan 1913/17 10 Harding-Klimanek, Paul (?–1914) ; Kriegsfreiwilliger 210, 255 Haruko, Kaiserin Witwe s. Shōken-kōgō 108, 347 Hashagen, Johannes (1887–1948) ; Oberleutnant z. S. 229 Hatano Yoshinao 波多野敬直 (1850–1922) ; Hofmarschall 10 Hattori Ichizō 服部一三 (1851–1929) ; Gouverneur von Hyōgo 99
386 Heinrich, Prinz von Preußen (1862–1929) ; Admiral, Bruder Kaiser Wilhelms II. 137, 144, 155, 195, 202, 204, 231, 252, 275, 294, 379 Helmes, Karl (?–1914) ; Artilleristen-Maat 230 Hemeling, Dr. Wilhelm (1891–1914), Lt. d. Res. 238 Hertzberg, Klaus Graf von (1874–1914) ; Hauptmann 213 Hinner, Robert (1882–1964) ; Maschinenbetriebsleiter 2. Klasse 65, 267, 362, 369 Hiraga Tokutarō 平賀徳太郎 (1871–1919) ; Kptn. des Kreuzers Ikoma 223 Hirohito 裕仁, Kronprinz (1901–1989 ; Tennō 1926–1989) 89, 95, 97, 99 Hötzendorf ; s. Conrad von Hötzendorf Horiuchi Bunjirō 堀内文次郎 (1863–1942) ; Generalmajor (陸軍少将) 190, 235 Hozak, Josef ; Oberstabsmaschinenwärter 336 Hudecz, Rudolf (1885–?) ; Marinekaplan auf Kaiserin Elisabeth 126, 263, 264, 295, 296, 369 Huguet, Albert ; frz. Konteradmiral 72 Hyōdō Saburō 兵頭三郎 ; Völkerrechtsexperte 290 Ihan, Adolf (1892–?) ; Fregattenleutnant 141, 370 Isomura Toshi 磯村年 (1872–1961) ; Oberstleutnant 226, 290 Itō Sukeyasu 伊東祐保 (1869–1914), Kapitän z. S. 237 Jaeschke, Paul (1851–1901), Kapitän z.S., Gouverneur von Kiautschou 1899/1901 175, 378 Jerram, Sir Martyn (1858–1933) ; Vizeadmiral 73, 128 Jodl, Franz ; Elektromaat 337 Kainer, Johann (1880–1959) ; Linienschiffsleutnant 55, 57, 141, 369 Kamio Mitsuomi 神尾光臣 (1856–1927) ; Generalleutnant 190–192, 225, 231, 235, 290, 292, 293 Kaneko Yōzō 金子養三少佐 (1882–1941), Korvettenkapitän 220, 224
Anhang
Kan’in Kotohito 閑院宮載仁親王 (1865– 1945) ; kaiserl. Prinz 57 Kantz, Wilhelm (1893–1914) ; Unteroffizier, Artillerie-Instrukteur 254, 255, 257, 356 Kashii Kōhei 香椎浩平 (1881–1954), Major 290 Katō Sadakichi (auch Teikichi) 加藤定吉 (1861–1927) ; Vizeadmiral 176 Katō Takaaki 加藤高明 (1860–1926), Außenminister 19, 22 Katō Tomosaburō 加藤友三郎 (1861–1923) ; Vizeadmiral 95, 97, 99 Kawai Misao 河合操 (1864–1941) ; Generalmajor 314 Kawakami Chikayuki 川上親幸 ; Fregattenkapitän 117 Kayser, Georg von (1870–1937) ; Major der Marineinfanterie 138, 226, 290 Kelly, Francis (1859–1937) ; Generalmajor 72 Kessinger, Friedrich von (1866–1946) ; Oberstleutnant 222, 260, 297 Kirchner, Hermann (1890–1953), Friedrich Kirchners älterer Bruder, Militär-MariaTheresien-Ritterkreuzträger 324 Kirchner, Siegfried (1917 gefallen in Serbien) ; Friedrich Kirchners jüngerer Bruder 322 Klaus, Paul Karl (?–1914) ; Unteroffizier 183 Kleemann, Eduard (1870–?) ; Major 185 Klimanegg s. Harding-Klimanek, Paul Klinke, Georg ; Unteroffizier (Landsturm) 317, 320 Klobučar-Rukavina von Bunić, Viktor (1878– 1965) ; Linienschiffsleutnant 165, 200, 273, 279, 280, 358, 369 Knapp, Franz ; Quartiermeister auf Kaiserin Elisabeth 53 Krusewitz, Georg ; Oberartillerist-Mechaniker (Artillerie-Depot, Tsingtau) 338 Küfer, Max Engelbert (?–1914), Gefreiter 238 Kuhlo, Paul (1866–1943) ; Oberstleutnant 212, 213, 286 Kuhn von Kuhnenfeld, Adalbert [Bela] Freiherr (1892–1933) ; Fregattenleutnant 66, 108, 263, 353, 354, 359, 369, 375 Kutschera [= Kučera], Franz (?–1913) ; Matrose 67, 68
Personenverzeichnis
Lancelle, Waldemar (1871–?) ; Hauptmann, Kdt. des Infanteriewerks 4 285 Langer, H[einrich] ; Seesoldat 216 Lerch, Theodor von (1869–1945) ; Major d. G. 190 Lin Baoyi 林葆怿 (1863–1927), Konteradmiral 76 Makoviz, Richard (1868–1946) ; Linienschiffskapitän, Kdt. Kaiserin Elisabeth 9, 13, 18, 25, 39, 42, 56, 57, 65, 76, 87, 95, 96, 99, 104, 107, 108, 119, 122, 129, 132, 135, 152, 158, 173, 174, 203, 227, 316, 352, 353, 359, 364, 369, 374 Maltzan, Adolf Georg Frh. v. (1877–1927), dt. Geschäftsträger in Peking 207 Mariašević, Vladimir von (1886–1961) ; Linienschiffsleutnant 167 Marikio, Franz (Francesco Maricchio) ; Maschinengast bzw. Matrose 4. Klasse 54, 132 May, Sir Francis Henry (1860–1922) 42, 72 Meřička ; Maschinenmatrose auf Kaiserin Elisabeth 132 Meyer-Waldeck, Alfred (1864–1928) ; Kapitän zur See, Gouverneur des Pachtgebietes Kiautschou 1911–1914 128, 138, 154, 155, 176, 225, 248, 290, 298, 364 Mitsuko, Geisha in Nagasaki 54, 56 Miyamoto Hidekazu 宮本秀一, Oberstleutnant 341 Möller, Erwin von (1884–1915) ; Oberleutnant. z. S. 75 Montecuccoli, Alfons Graf (1893–1952) ; Fregattenleutnant 108, 141, 370 Montecuccoli, Rudolf Graf (1843–1922) ; Admiral 94 Moser, Dr. Albert (1886–?) ; Linienschiffsarzt 141 Mostler, Alois ; Maschinenquartiermeister auf Kaiserin Elisabeth 322, 346, 348 Müller, Bruno (1888–1925) ; Kaufmann (Firma Böhler) u. Honorarkonsul der Republik Österreich 345, 354 Müller, Karl von (1873–1923), Fregattenkapitän 143 Müller von Szentgyörgy, Ladislaus Baron (1855–1941) ; k. u. k. Botschafter in Tokyo 11, 13, 16, 17, 19, 22, 25, 104, 174
387 Müllerskowski, Friedrich (1886–?), Lt. der Flieger-Abt. des III. Seebataillons 158 Mussafia, Adolf (1835–1905) ; Prof. der roman. Philologie an der Univ. Wien 326 Nagai Masamitsu 長井政光, Bürgermeister der Stadt Matsuyama 84 Nauta, Heinrich Ritter von (1866–1921) ; Linienschiffskapitän 45 Nekamm, Johann (1882–1955) ; Maschinen betriebsleiter 126, 141, 370 Neuden (?–1914), Matrose auf der Kaiserin Elisabeth 154 Neul, Reinhold (1888–1914) ; Unteroffizier 232 Nicholson, Reginald Fairfax ; Rear Admiral 68 Nogi Maresuke 乃木希典 (1849–1912) ; Feldmarschall 314 Noguchi Ioji 野口猪雄次 ; Oberstleutnant, Chef des Gefangenenlagers Himeji 310, 341 Oster, Franz (1869–1933), Unternehmer u. Flugzeugführer in Tsingtau 158, 220, 375 Ōyama Iwao 大山巌 (1842–1916) ; Generalfeldmarschall, Oberbefehlshaber im russ.japan. Krieg 10 Ōzaki Kyōshin 大崎教信中尉 ; Fregattenleutnant 224 Pauspertl Wladyk von Drachenthal, Georg (1875–1964) ; Korvettenkapitän 9, 163, 164, 262, 316, 346, 364, 369 Pierotić, Franz/Franjo (1885–1952) ; Linienschiffsleutnant 141, 370 Pinski, Bruno ; Matrose III. Klasse 332, 355 Pius X. (1835–1914), 1903/1914 Papst 155 Plüschow, Gunther (1886–1931) ; Oberleutnant z. S., »Der Flieger von Tsingtau« 142, 158, 178, 181, 185, 186, 190, 220, 221, 226, 248, 279, 376 Pokorny, Franz (?–1914) ; Steuermatrose 203, 255, 356 Putz, Franz (1873–1922), Oberstleutnant d. G. 11, 13–19, 25, 26, 27, 104, 107, 374 Reichenberg, Georg (1892–1957) ; Fregattenleutnant 108, 141, 370 Rex, Arthur Alexander von (1856–1926), dt. Botschafter in Tokyo 19, 144, 350
388 Riedesel, Gottfried Frh. v. Eisenbach (1882– 1914) ; Leutnant d. R. 186, 187 Riedl von Riedenstein, Herbert (1874–1935) ; Oberleutnant a. D. 196, 197, 387 Riedl von Riedenstein, Maria Elisabeth ; geb. Garte (1884-?) 197 Riedlstein s. Riedl von Riedenstein Riesener, Wilhelm ; Gefreiter 1. Kp. III. Seebat. 239, 242 Rothenpieler, August (1882–?) ; Maschinen betriebsleiter 141, 370 Sakatsch [?] ; Marsquartiermeister 54 Sachße, Fritz (1875–1954) ; Korvettenkapitän 51, 175, 272, 276, 281, 283 Satō Yoshimaro 佐藤愛麿 (1857–1934), jap. Botschafter in Wien 174 Saxer, Ludwig (1869–1957), Kapitän z. S. 177, 290 Schlick, Friedrich von (1881–1967) ; Oberleutnant 180, 196, 276, 286 Schoenau, Wilhelm ; Artilleriewart (ArtillerieDepot, Tsingtau) 337 Schröder, Emil (1877–1959) ; Pastor in Tokyo u. Yokohama 324 Schwarz, Karl (1892–?) ; Maschinenmaat 195, 232, 322, 326, 334, 336, 338, 339 Scott, Walter (1771–1832) ; schottischer Dichter u. Schriftsteller 100 Shimazu Seihnio (?), Fürst von Satsuma 112, 113 Shōken-kōgō 昭憲皇后 (1849–1914) ; Gemahlin von Meiji Tennō 108 Skugor, Rudolf ; Stabs-Torpedomeister auf Kaiserin Elisabeth 166 Skušek, Johann ; Marinekommissär auf Kaiserin Elisabeth 42, 126, 158, 369 Spee, Maximilian Graf von (1861–1914) ; Vizeadmiral 56, 76 Stecher, Walter (1874–1922), Hauptmann der sächs. Armee 226 Svechnikov, Dmitrij Alexandrovitch (1864–?), Kdt. des Kreuzers Askold 79 Szentgyörgy ; s. Müller von Szentgyörgy, Ladislaus Baron Szent-Ivány de Liptó-Szent-Iván, Móric (1876–1945) ; Botschaftsrat in Tokyo 1913/1914 10, 11, 13
Anhang
Taishō Tennō 大正天皇 (1879–1926, reg. 1912–1926), 123. Kaiser von Japan 97, 99, 217, 231 Takahashi Jutarō 高橋壽太郎 (1879–1945), Korvettenkapitän 290 Takamatsu no miya Nobuhito 高松宮宣仁親 王 (1905–1987), Bruder von Kaiser Hirohito 97, 99 Takebe Takao 武部鷹雄中尉 (?–1915), Fregattenleutnant 224 Takemoto Takejirō 竹本竹治郎, Oberst 311 Tauchmann, Franz (?–1914) ; Steuermatrose auf Kaiserin Elisabeth 203, 255, 257, 271 Tegge, Wilhelm ; Feuerwerksmaat, Kriegsgefangener in Aonogahara 345 Thierichens, Max (1874–1930) ; Korvettenkapitän 142 Tōgu 東宮 (Shōwa Tennō) s. Hirohito Tomičić, Martin ; Steuermannsmaat 345, 354 Trier, Walter (1890–1951) ; Zeichner und Karikaturist 383 Übelbacher, Robert (?–1914) ; Obermatrose 255, 356 Überschaar, Dr. Johannes (1885–1965), Dolmetscher u. Oberlt. d. Res. 226, 290 Ulrich (Heiliger) 60, 61 Ulrich, Georg Karl Justus (1798–1879) ; Mathematiker (Geometrie) 326 Vita, Janos (?–1916 Himeji) ; Matrose 2. Klasse 346, 356 Vogt, Dr. Karl (1878–1960), Dolmetscher u. Lt. d. Res. 290 Wada Hideho 和田秀穂大尉 (1886–1972), Linienschiffsleutnant 220, 224 Waldersee, Alfred Graf von (1832–1904) ; Generalfeldmarschall, Oberbefehlshaber der europ. Interventionstruppen im Boxeraufstand 1900/01 156, 180, 202, 286, 287 Weiß, Adolf ; Obermaat, Artillerie-Instrukteur 210, 256, 295, 356 Wilhelm II. (1859–1941, reg. 1888–1918) ; deutscher Kaiser 21, 26, 154, 156, 248, 297, 316 Winkler, Josef (1895–?) ; Maschinenquartiermeister 67, 68
Personenverzeichnis
Wolczik, Heinrich (1894–1954) ; Quartiermeister auf Kaiserin Elisabeth 322, 346, 348 Yamada Chūji 山田忠治 (1883–1971), Linienschiffsleutnant 220 Yamada Kōzō 山田耕三 ; Hauptmann 226, 290 Yamada Yoshimi 山田良水 (1862–1928) ; Generalmajor 190, 235 Yamamoto Renpei 山本廉平 ; Photograph in Yokohama 103, 105
389 Yamanashi Hanzō 山梨半造 (1864–1944) ; Generalmajor 190, 191, 235, 290 Yamaza Enjirō 山座円次郎 (1866–1914) ; jap. Gesandter in Peking 126 Yeo ; chines. Konteradmiral 76 Yoshihito 嘉仁 (1879–1926) s. Taishō Tennō Yunome Takaseki 湯目隆績, Deutschdolmetsch 290 Zemann, Josef (?–1914) ; Offiziersbursche von Richard Makoviz 67
DIE KÄMPFE DER K.U.K. KRIEGSMARINE IM ERSTEN WELTKRIEG
Hubertus Schumacher Die k. u. k. Donauflottille im Ersten Weltkrieg Karl Wettstein, Offizier und Schiffsreeder 2018. 261 Seiten, mit 238 s/w-Abb., gebunden ISBN 978-3-205-20788-7 Auch als eBook erhältlich
Diese Geschichte des Artillerieoffiziers Karl Wettstein erzählt von den Kämpfen der k.u.k. Kriegsmarine im Ersten Weltkrieg 1914-1918, von den Kämpfen der Donaumonitore gegen Serbien und ab August 1916 gegen Rumänien. Die wesentlichen Aufgaben der k.u.k. Donauflottille waren die Grenzverteidigung, der Flankenschutz des Landheeres und die Sicherung der Flussübergänge. Zahlreiche Fotos aus der Hinterlassenschaft Wettsteins und aus Archiven illustrieren den Band, der sich dem bislang wenig beachteten Kapitel der österreichischen Kriegsmarine widmet.
GESCHEITERTE HOFFNUNGEN EINER KÜNSTLERGENERATION IM FRÜHEN 20. JAHRHUNDERT
Burcu Dogramaci (Hg.) In der Schlacht Briefe des jüdischen Künstlers Bruno Jacob aus dem Ersten Weltkrieg 2014. 240 Seiten, 21 s/w- und 19 farb. Abb., Paperback ISBN 978-3-412-22407-3
Nur wenige Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich der 21-jährige Kunststudent Bruno Jacob als Freiwilliger. Wie viele andere Künstler seiner Generation wechselte er begeistert Feder und Pinsel gegen Gewehr und Soldatenleben. Von der Front schrieb er regelmäßig an seine Geliebte, die Künstlerin Lieselotte Friedlaender, die wie er bei dem Expressionisten Georg Tappert studierte. Die Briefe und Postkarten sprechen von Enthusiasmus und Siegeshoffnungen, enthalten jedoch zunehmend drastische Schilderungen von Gewalt, Kampf und Tod. Kurz vor Kriegsende fiel Bruno Jacob an der Ostfront. Er gehört damit zu den vielen jung verstorbenen Künstlern, deren Werk unvollendet blieb. Durch glückliche Umstände sind seine Briefe aus den Kriegsjahren 1914 und 1915 fast vollständig erhalten. Die hier erstmals publizierten, bewegenden Schriftstücke vermitteln einen intensiven Eindruck von den gescheiterten Hoffnungen einer im Aufbruch befindlichen Künstlergeneration im frühen 20. Jahrhundert.