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German Pages 298 Year 1993
HEINZ PETER WITZKE
Mikrotheorie in der Agrarsektoranalyse
Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann t
Heft 431
Mikrotheorie in der Agrarsektoranalyse Neoklassischer Standard, Konflikte mit der Realität und Versöhnungsversuche mit Komplikationen
Von
Heinz Peter Witzke
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Witzke, Heinz Peter:
Mikrotheorie in der Agrarsektoranalyse : neoklassischer Standard, Konflikte mit der Realität und Versöhnungsversuche mit Komplikationen / von Heinz Peter Witzke. Berlin: Duncker und Humblot, 1993 (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 431) Zug!.: Bonn, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07810-1 NE:GT
D 98
Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-07810-1
Vorwort Mikrotheoretisch fundierte Modelle wurden in den 80er Jahren zu Standardinstrumenten der angewandten Wirtschafts wissenschaft. Ausgangspunkt dieser Entwicklung waren Fortschritte im Rahmen der sog. Dualitätstheorie, die eine rigorose mikrotheoretische Fundierung vereinbar mit öko no metrischer Handhabbarkeit machten. Sie schlugen sich inzwischen auch im Rahmen der Agrarsektoranalyse in zahlreichen quantitativen Arbeiten zu agrarsektoralen Fragestellungen nieder. Selbst in der Makroökonomie bemüht man sich zunehmend um eine explizite mikroökonomische Fundierung, obwohl die untersuchten volkswirtschaftlichen Größen vom Aggregationsniveau her denkbar weit von den einzelnen Wirtschaftssubjekten entfernt sind. Der Neoklassische Standard der Mikroökonomie resultiert aus der Kombination einer weitgehend unstrittigen Verhaltensannahme, der Nutzenmaximierung der Haushalte, mit einem Weltbild, da~ man durch radikale Abstraktion von den wichtigsten Komplikationen der Realität (Unsicherheit und Marktunvollkommenheiten) befreit hat. Die empirischen Ergebnisse in der Literatur deuten jedoch häufig auf irritierende Konflikte dieser Standardtheorie mit der Realität hin. Diese Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit theoretischen Versuchen, die Mikroökonomie wieder mit der Realität zu versöhnen. Hierzu müssen die aus dem Neoklassischen Standard verbannten Komplikationen jedoch wieder berücksichtigt werden, wobei sich die vorliegende Arbeit durch das Bemühen auszeichnet, gleichzeitig Unsicherheit, Arbeitsmarktunvollkommenheiten und Kapitalmarktunvollkommenheiten im Blickfeld zu behalten. Bei diesem Versuch gelangt man jedoch bald an analytische Grenzen, die gewisse Vereinfachungen in der theoretischen Analyse erzwingen. Weiterhin gibt die Arbeit einen Überblick über die relevanten empirischen Spezialstudien, die i.d.R. ebenfalls mit Komplikationen im Sinne ungelöster Probleme zu kämpfen haben. Der Anstoß zu dieser Arbeit erhielt ich durch die einjährige Mitarbeit in einem von den Professoren Bauer (Gießen) und Scheper (Kiel) konzipierten Forschungsvorhaben, da~ von der DFG dankenswerterweise finanziell ermöglicht wurde. Die entsprechenden Diskussionen, insbesondere mit Prof. Bauer, waren in der Anfangsphase weitaus wichtiger, als es Zitate zum Ausdruck bringen können. Prof. Henrichsmeyer, in dessen Institut die Arbeit dann entstand, gab mir einerseits die größtmögliche Freiheit, die Untersuchung in die gewünschte Richtung zu lenken, andererseits aber an entscheidenden Stellen auch die kritischen Hinweise, die ein Abdriften verhinderten. Wertvolle Hinweise zu einigen Details verdanke ich auch dem Korreferenten, Prof. Piorkowsky. Unter den übrigen Mitarbeitern des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre und Agrarpolitik bin ich insbesondere (aber nicht nur) Dr. Frohberg zu Dank verpflichtet, der die schließlich entstandenen Texte kritisch kommentiert hat und hierdurch, sowie als kompetenter Gesprächspartner zu allen denkbaren Detailfragen, zur Bereinigung vieler
6
Vorwort
Schnitzer und Ungenauigkeiten in früheren Fassungen beigetragen hat. Für die verbleibenden Mängel bin ich natürlich allein verantwortlich. Die technische Umsetzung und Gestaltung erfolgte mit den Programmen Word für Windows und Micrografx Designer. Dabei wurden die Hieroglyphenkenntnisse von Frau Wierz, Frau Paffenholz, Frau Gerhardus und Herrn Dipl.-Ing.agr. R. Heuser auf eine harte Probe gestellt. An den Tücken der Technik wäre ich jedoch häufig ohne die praktischen Ratc;chläge von Herrn Dipl.-Ing.agr. HJ. Greuel gescheitert. Schließlich danke ich Manuela für ihre Ausdauer in einer konfliktträchtigen Zeit, die nicht ohne Komplikationen war. Bonn, September 1992 Heinz Peter Witzke
In haltsverzeich nis 1. MIkrotheorie und Sektoranalyse: Einordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13 1.1 Identifizierung und Eingrenzung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13
1.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17 2. Ausgangspunkt: NutzenmaxImierung In einer Welt ohne Komplikationen. . . . . . . . . . . . .. 20 2.1 Konsumentenhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 20 2.1.1 Konsumentscheidungen bei exogenem Einkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 20 2.1.2 Arbeitsangebotsentscheidungen bei vollkommenem Arbeitsmarkt. . . . . . . . . . . . . . .. 31 2.2 Unternehmerhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 37 2.2.1 Separabilität der Unternehmenssphäre bei exogenen Preisen ... . . . . . . . . . . . . . . .. 37 2.2.2 Elementare Unternehmenstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41 2.2.3 Komparativ-statische EigenschaIten von separabien Unternehmens-Haushalts-Modellen 48 3. Irritierende Beobachtungen aus der realen Welt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 53 3.1 Nachfrage nach Nahrungsmitteln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 53 3.1.1 Empirische Überprüfung der elementaren Nachfragetheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 53 3.1.2 Irreversibilität auf der Nachfrageseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 55 3.2 Agrargüterangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 58 3.2.1 Suboptimaler Faktoreinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.2.1.1 Tests der allokativen Effizienz mit Hilfe der Wengrenzproduktivitätsbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.2.1.2 Überprüfung des technologischen Effizienz mit Frontier-Ansätzen . . . . . . . .. 3.2.1.3 Diskrepanzen zu den Lösungen von Programmierungsmodellen ........... 3.2.1.4 Suboptirnale Betriebsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.2.1.5 Entiohnungsdisparitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
58
3.2.2 Überraschende EigenschaIten von Angebots- und Faktornachfragefunktionen . . . . . .. 3.2.2.1 Ökonometrischer Befund zu Produktions-, Kosten- und Gewinnfunktionen . .. 3.2.2.2 Nichtparametrische Überprüfung der Gewinnmaximierungstheorie . . . . . . . .. 3.2.2.3 Einkommens- und Liquiditätseffekte. . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.2.2.4 Dynamische Verhaltensfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.2.2.5 Irreversibilität..............................................
65 65 71 71 72 74
58 60 61 64 64
4. Komplikationen der MIkrotheorie Im Rahmen statloicher EntscbeldungsmodeUe . . . . . . . .. 78 4.1 Haushaltsproduktion, direkter Nutzen des Faktoreinsatzes und unvollkommene Arbeitsmärkte 78 4.1.1 Konsum- und Arbeitsangebotsentscheidungen in Konsumentenhaushalten mit Haushaltsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 78 4.1.2 LandwinschaItliche Haushaltsmodelle mit Haushaltsproduktion ................. 87
8
Inhaltsverzeichnis 4.1.3 Llmdwirtschaftliche Haushaltsmodelle mit direkten Nutzenwirkungen des Faktoreinsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 99 4.1.4 Llmdwirtschaftliche Haushaltsmodelle mit beschränktem Arbeitsmarktzugang . . . . .. 109 4.1.5 Lmdwirtschaftliche HaushaltsmodeUe bei statischer Optimierung und sicheren Erwartungen: Eine Bestandsaufnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 120 4.1.5.1 Agrarsektorale Implikationenunterschiedlicher Modelltypen . . . . . . . . . . .. 120 4.1.5.2 Empirische Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 124 4.2 Erwartungsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130 4.2.1 Autoregressive Erwartungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . .. 131 4.2.2 Rationale Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 136 4.2.3 Erwartungen in der Agrarsektoranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 141 4.3 Unsicherheit in Haushaltsmodellen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 144 4.3.1 Erwmlungsnutzenmaximierung.... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 144 4.3.2 Unsicherheit in Untemehmensmodellen ................................. 147 4.3.3 Unsicherheit in landwirtschaftlichen Haushaltsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 160 4.3.4 Kritik am Erwartungsnutzenmodell und Altemativen . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . .. 174 4.3.5 Anwendungen in der empirischen Agrarsektoranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 176
5. Hynamlsche EntscheldungsmodeUe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 180 5.1 Einordnung ......................................................... 180 5.1.1 Dynamische Modelle: Allgemeines .................................... 180 5.1.2 Dynmnische Untemehmens-Haushalts-Modelle: Separabilität bei exogenen Preisen.. 184 5.2 Anpassungskosten und Faktoreinsatzentscheidungen in Untemehmen . . . . . . . . . . . . . . .. 191 5.2.1 Anpassungskosten bei stationären Erwartungen. . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . .. 5.2.1.1 Primale Ansätze .............................. • . • .......... 5.2.1.2 Duale Ansätze. . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . • . . . . . . . . .. 5.2.1.3 Empirische Untersuchungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
191 191 210 213
5.2.2 Anpassungskosten und nicht-stationäre Erwartungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5.2.2.1 Duale Ansätze ............................................. 5.2.2.2 Primale Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5.2.2.3 Empirische Umsetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
218 219 220 233
5.2.3 Anpassungskosten: Ein kurzes Resümee . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . .. 237 5.3 Dynamische Entscheidungen in Haushalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 238 5.3.1 Veränderliche Präferenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5.3.1.1 Trendmäßige Veränderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ·5.3.1.2 Gewohnheitsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5.3.1.3 Landwirtschaftliche Haushaltsmodelle mit dynamisierten Nutzenfunktionen .
238 238 239 245
5.3.2 Unvollkommene Finanzmärkte und Sparentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 246 5.3.2.1 Kapitalmarktunvollkommenheiten in agrarsektoralen Untersuchungen ..... 246 5.3.2.2 Ein formales Modell mit Arbeits- und Kapitalmarktunvollkommenheiten . .. 250 6. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 268 6.1 Zusmnmenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 268 6.2 Synthetische Schlußbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 273 LiteraturverzeichnIs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 276
Verzeichnis der Abbildungen und Übersichten Abbildung 2.2-1: Optimaler Arbeitseinsatz eines Unternehmerhaushalts bei exogenem Lohnsatz. . .. 40 Übersicht 3.1-1: Überprüfung theoretischer Restriktionen in Nachfrageschätzungen ............ 53 Abbildung 3.1-2: Unbedingte lrreversibilität der Nachfrage und Preisfluktuationen . . . . . . . . . . . .. 56 Abbildung 3.1-3: Bedingte Irreversibilität der Nachfrage und Preisfluktuationen . . . . . . . . . . . . . .. 57 Übersicht 3.2-1: Tests der Wertgrenzproduktivitätsbedingungen mit aggregierten Produktionsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 59 Übersicht 3.2-2: Schätzungen von Kostenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . .. 66 Übersicht 3.2-3: Schätzungen von Gewinn- und Produktionsfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 69 Abbildung 3.2-4: Einzelbetriebliches Faktormarktgleichgewicht bei quasifixem Kapital .......... 75 Abbildung 3.2-5: Bedingte und unbedingte lrreversibilität auf der Angebotsseite. . . . . . . . . . . . . .. 76 Abbildung 4.1-1: Haushaltsgleichgewicht bei vollkommener Substituierbarkeit von Z-Gütern und direkt nutzenstiftenden Konsumgütern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 85 Übersicht 4.1-2: Komparativ-statische Eigenschaften eines landwirtschaftlichen Haushaltsmodells mit Kuppelproduktion von Z-Gütern im Vergleich zum konventionellen. separabien Modell ...................................................... 96 Abbildung 4.1-3: Graphische Analyse eines landwirtschaftlichen Haushaltsmodells mit Z-Gütern . .. 98 Übersicht 4.1-4: Ausgewählte komparativ-statische Eigenschaften eines landwirtschaftlichen Haushaltsmodells mit direkten. positiven Nutzenwirkungen der landwirtschaftlichen Arbeit und des Vorleistungseinsatzes im Vergleich zum konventionellen. separab1en Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 108 Abbildung 4.1-5: Abschnittsweise lineare Lohneinkommensfunktion für eine Person. . . . . . . . . .. III Abbildung 4.1-6: Lohneinkommensfunktion mit zwei beschrankten Erwerbsalternativen . . . . . . .. 111 Übersicht 4.1-7: Komparativ-statische Eigenschaften eines landwirtschaftlichen Haushaltsmodells mit beschränktem Arbeitsmarktzugang im Vergleich zum konventionellen. separabien Modell ............................................ 119 Übersicht 4.3-1: Komparativ-statische Effekte in Haushaltsmodellen mit Unsicherheit, UNe =O. Abbildung der Landwirtschaft durch eine Kostenfunktion c(Py.AL.Q) und des außerlandwirtschaftlichen Erwerbs durch eine Funktion L(AM ) • • • • . . . • • . • •• 172 Übersicht 4.3-2: Komparativ-statische Effekte für die Angebotsmenge Q in Unternehmensmodellen mit Unsicherheit und Abbildung der Technologie durch eine Kostenfunktion c(Q. p Y ' K). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 175 Abbildung 5.2-1: Modell quasi-fixen Kapitaleinsatzes bei einzelbetrieblicher (a) und sektoraIer (b) Betrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 191 Abbildung 5.2-2: Mögliche Verläufe der Investitionskosten und der externen Anpassungskosten in Abhängigkeit vom Investitionsvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 196 Abbildung 5.2-3: Anpassungskosten (a) und marginale Anpassungskosten (b) bei quasifixem Kapital 197 Übersicht 5.2-4: Ökonometrisch geschätzte Modelle mit Anpassungskosten und stationären Erwartungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 214 Abbildung 5.3-1: Marginaler Zinssatz in Abhängigkeit von der Nettoverschuldung bei KapitaImarktunvollkommenheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 251 Abbildung 5.3-2: Phasendiagramm zur Analyse des langfristigen Haushaltsgewichts bei Kapitalmarktunvollkommenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 257 Abbildung 5.3-3: Auswirkungen einer exogenen Einkommensänderung im Phasendiagramm . . . .. 261 Abbildung 5.3-4: Auswirkungen einer Preissenkung im Phasendiagramm . . . . . . . . . • . . . . . . . .. 264
Verzeichnis der wichtigsten Symbole Allgemeines: X f(.) Fj Fü
Spalten vektor oder Malrix f(X. ,x2... .x.)
oF/oX j • platzsparende Notation für die erste partielle Ableitung von F(X)=F(X •.. .x.) o2FloX? . platzsparende Notation für die zweite partielle Ableitung der Funktion F(X)
o2FloX joXj • zweite partielle Ableitung der Funktion F(X)=F(X ... .x.) OGloX • ers~ partielle Ableitung der Funktion G(X) o2GloX2 • zweite partielle Ableitung der Funktion G(X) o2GloXoy. erste partielle Ableitung der Funktion G(X. Y) dKldt, Ableitung nacb der Zeit Erwartungswen einer Variable stocbastiscbe Größe Folge der X t im Zeitablauf: {X ...... Xt....X t Optimalwen der Variablen X L
}
Lag-Operator. d.b. L X t = X t.•
Variable:
C
CD
Konsumgütennengen Direkt nutzenstiftende Konsumgüter
CI
Zunäcbst als Inputs in der Hausbaltsproduktion dienende Konsumgüter
Z Z
Letzlicb nutzenstiftende Größe bzw. allgemein Zielgröße
Pe
Konsumgüterpreise Vektor der Z-Güter (Z.",Zk"'Zz)'
lCk
Scbattenpreise der Z-Güter
kA.kv
Virtuelle "Konsumwene" (Scbauenpreise) des landwirtscbaftlicben Faktoreinsatzes
Q
Outputmenge
PQ
F V Pv
Preis des Outputs Vektor von Faktoren (allg.) Vorleistungsmengen Vorleistungspreise
A M+
Arbeitsangebot auf dem Arbeitsmarkt
AM'
Lobnarbeit von Fremdarbeitskräften im Unternehmen
AM
Arbeitsangebot auf dem Arbeitsmarkt (> 0) oder Nacbfrage von "Fremdarbeit" « 0)
Gesamter Arbeitseinsatz im Unternehmen Zeitinputs in der Hausbaltsproduktion
Verzeichnis der wichtigsten Symbole N
T L
L
Lj • K PK
N cfix F, Fo W Wo E p Yx Y 7t
El
A. E
Nichterwerbszeit ("Freizeit") Zeitkapazität des Haushalts Exogener Lohnsatz Vektor der von den Haushaltsmitgliedem erzielbaren (Netto-) Lohnsätze (bei disaggregieiter Betrachtung) Reservelohnsatz (für das Haushaltsmitglied j) Vektor fixer Faktoren (je nach Zeithoriwnt z.B. Boden, Kapital, Arbeit) Investitionen Preis der Kapitalgüter Nutzungskosten der Kapitalgüter (Evtl.) Fixkosten Nettoschulden zum Zeitpunkt t « 0, wenn das Vermögen größer als die Schulden ist) Anfangsschulden Vermögen Barwen aller Periodeneinkommen zuzüglich Anfangsvermögen Zinssatz Eigenkapital Zeitpräferenzrate Exogene Einkommen Gesamtes Einkommen (full income) Gewinn des Unternehmens, das dem Haushalt gehön Jährlicher Einnahmenüberschuß (Cash-flow) Lagrangemultiplikator oder Wurzel einer charakteristischen Gleichung Störgröße
Parameter: ~
d d M
Funktionen: U(.) Ucc RA RR PR Ci (.) Si S
Sp. H(.) v(.)
Abschreibungs- oder "Vergeßlichkeitsrate" Diagonalmatrix von Abschreibungs- oder "Vergeßlichkeitsraten" (Subjektiver) Diskontfaktor Anpassungsmatrix des flexiblen Akzelerators
Direkte Nutzenfunktion Hessesche Matrix der zweiten Ableitungen Uij von U(.) Absolute Risikoaversion (- U"IU') Relative Risikoaversion Partielle Risikoaversion Unkompensiene (Marshall-) Nachfragefunktion nach dem Konsumgut i "Kompensiene" oder "Hicks"-Nachfragefunktion Slutzky-Matrix aS(.)/apv, Outputkompensiene Effekte der Änderungen von Vorleistungspreisen Gewohnheiten ("habits") Indirekte Nutzenfunktion
11
Verzeichnis der wichtigsten Symbole
12 t}(.)
Indirekte intertemporale Nutzenfunktion
f(.)
Produktionsfunktion
f vv
Hessesche Matrix der zweiten Ableitungen fij von f(.) nach den
h(.)
Z-Güterproduktionsfunktion (Haushaltsgüterproduktionsfunktion)
variablen Faktoren V(.)
Nachfragefunktionen nach variablen Faktoren
Q(.)
Angebotsfunktion
L(.)
Lohneinkommensfunktion
c(P) c(P,K)
Kostenfunktion
x(P)
Gewinnfunktion
Bedingte Kostenfunktion
x(P,K)
Bedingte (restringierte) Gewinnfunktion
cjl(.)
Erwerbseinkommensfunktion
chaft'>subjekte nicht nur im Agrarsektor charakteristisch sind. Es zeigt sich jedoch, daß sie, ähnlich wie Unsicherheit, auch zu gravierenden Modifikationen der Standardtheorie führen, wenn man letztere nur auf das langfIistige Gleichgewicht bezieht. In Abschnitt 5.2.2 wird eine Modellformulierung zur Beschreibung der Faktoreinsatzentscheidungen im Agrarsektor bei nicht-stationären Erwartungen, Anpassungskosten für den Faktor Kapital und allmählich zu überwindenden Eintrittsbarrieren in den außerlandwirtschaftlichen Arbeitsmarkt für landwirtschaftliche Arbeitskräfte vorgestellt und analysiert. Im Abschnitt 5.2 wurde die Analyse jedoch auf der Basis von Unternehmensmodellen durchgeführt, womit wichtige Interdependenzen zur Haushaltsphäre vernachlässigt sind. Dies wird in Abschnitt 5.3 korrigiert, allerdings um den Preis des Verzichts auf Anpassungskosten und nicht-stationäre Erwartungen, da nur unter diesen Bedingungen noch eine analytische Untersuchung möglich erscheint. Hierbei können allerdings Arbeits- und Kapitalmarktunvollkommenheiten simultan betrachtet werden. Vorweg wird das Problem der Gewohnheitsbildung in Abschnitt 5.3.1 diskutiert. das auch in der Nachfrageanalyse zu dynamischen Entscheidungsmodellen geführt hat. und auch bei der Analyse von landwirtschaftlichen Haushalten weiterverfolgt werden könnte, worauf jedoch in dieser Arbeit verzichtet wird. Zu allen Weiterentwicklungen der Mikrotheorie erfolgt auch eine kritische Bestandsaufnahme der wichtigsten empirischen Arbeiten, um diese empirische Praxis an der Theorie zu messen, aber auch, um die Operationalisierbarkeit der theoretischen Weiterentwicklungen abschätzen zu können. In den Hauptabschnitten 4 und 5 wurde versucht, sich der komplexen Realität von verschiedenen Seiten zu nähern, mal die eine, mal die andere Einschränkung aufgebend, jedoch nie in einer simultanen Betrachtung aller Komplikationen, die die Realität so komplex machen:
1.2 Aufbau der Arbeit
-
19
Arbeitsmarktunvollkommenheiten Erwartungsbildung Unsicherheit Anpassungskosten Kapitalmarktunvollkommenheiten
Eine knappe synthetische Zusammenschau aller Komplikationen erfolgt in Abschnitt 6, wo daneben Schlußfolgerungen gezogen werden und die wichtigsten Teilergebnisse zusammengefaßt werden.
2. Ausgangspunkt: Nutzenmaximierung in einer Welt ohne Komplikationen 2.1 Konsumentenhaushalte 2.1.1 Konsumentscheidungen bei exogenem Einkommen Die mikroökonomischen Grundlagen der Agrarsektoranalyse wie auch jeder anderen ökonomischen Teildisziplinen sind eine Theorie über das individuelle Verhalten von WirtschaJtssllbjekten im Rahmen ihres Entscheidungsspielraums. Der Begriff des WirtschaJtssubjekts signalisiert die Konzentration auf ökonomisches Handeln, d.h. auf ein solches Handeln, das als ein Ent.~cheidungsproblem in einer Knappheitssituation begriffen werden kann (dazu See I 1991, S. 40, Malinvaud 1972, S. 1). Entsprechend den in der Einführung begründeten Vorentscheidungen soll für die Wirtschaftssubjekte unterstellt werden, sie verfolgten ihre Ziele im Rahmen der jeweiligen Restriktionen in optimaler Weise. Die Optimierungshypothse stellt eine Basis der Mikrotheorie dar (Varian 1984, S. I; Samuelson 1974, S. 21ft), auch wenn ihr Nutzen, nicht nur von Agrarökonomen, z.T. angezweifelt wird (z.B. Brandes 1988a,b). Viele mikroökonomische Lehrbücher teilen die Wirtschaftssubjekte dann recht schnell in zwei Kategorien ein, für die unterschiedliche Ziele postuliert werden z.B. Varian 1984, S. I: "We will model the behaviour of economic units as optimizing behaviour. In doing this we need to specify the objectives of the unit and the constraints which it faces. For example, when we model the behaviour of firms, we will want to describe the objective as profit maximization and the constraints as technological constraints and market constraints. When we model the behavior of consumers we will describe the objective as utility maximization and the constraints as budget constraint.~" I.
Agrarökonomen haben diese strikte Einteilung oft kritisiert (Heady 1952, S. 416), erscheint diese Trennung doch bei Familienwirtschaften, wie sie in der Landwirtschaft typisch sind, allzu weit von der (agrarsektoralen) Realität entfernt. Doch auch unter dem Gesichtspunkt der allgemeinökonomischen, "reinen" Theorie, ist die unbegründete Hypothese der Gewinnmaximierung unbefriedigend 2 , da sie im
1
Hervorhebungen im Original
2
So liefert z.B. Varian trotz ausführlicher Berücksichtigung des allgemeinen Gleichgewichts in seinem Buch keine Begründung für diese Hypothese.
21
2.1 Konsumentenhaushalte
Gegensatz zur Nutzenmaximierung der Haushalte (die als Tautologie bei entsprechender Formulierung der Restriktionen stets gilt) angezweifelt werden kann. Wir werden in Abschnitt 2.2 sehen, daß die Gewinnmaximierungshypothese für Unternehmen nicht postuliert werden muß. sondern hergeleitet werden kann aus der grundlegenderen Hypothese der Nutzenmaximierung für die Haushalte in Verbindung mit exogen gegebenen Preisen für alle GUter, die fUr Haushalt und Unternehmen relevant sind (Koopmans 1957, Singh, Squire. Strauss 1986). Auch die Hypothese der Nutzenmaximierung im Sinne der Maximierung einer Nutzenfunktion braucht nicht vorausgesetzt zu werden, sondern folgt aus einer Reihe von grundlegenderen Axiomen Uber die Präferenzen p der Individuen in bezug auf GüterbUndel 3 X, wobei "X p Y" heißt: "X ist mindestens so gut wie Y". Die folgenden Axiome über p sind z.B. hinreichend für die Existenz einer entsprechenden Nutzenfunktion (Debreu 1976, Krelle 1968, Seel 1991, S. 91 f).
I. Reflexivität, d.h. für alle X gilt: X p X. 2. Vollständigkeit, d.h. für zwei X und Y gilt: entweder X p Y oder Y p X oder bei des. 3. Transitivität, d.h. für drei X, Y, Z gilt: X P Y und Y p Z => X P Z. 4. Kontinuität, d.h. für alle Y gilt: {X: X p Y } und {X: Y p X} sind abgeschlossene Mengen. Das letzte Axiom schließt z.B. lexikographische Präferenzen aus, obwohl diese keineswegs als irrational gelten können (vgl. Varian 1984, S. 113f). Wenn die Axiome I bis 4 gelten, können die Präferenzen p äquivalent, aber für viele Zwecke mathematisch geschickter durch eine (ordinale) Nutzenfunktion beschrieben werden, d.h. X P Y U(X) ~ U (Y)
(2.1-1)
Das Individuum verhält sich also, als ob es die Nutzenfunktion U(.) maximiert. Viele empirische Anwendungen der Nutzenmaximierungshypothese sind jedoch nicht auf die Erklärung des Verhaltens von Individuen. sondern auf das von ganzen Haushalten ausgerichtet, weil man viele Daten, wenn überhaupt, nur für ganze Haushalte erfassen kann. Dann benötigt man jedoch eine soziale (aggregierte) Nutzenfunktion, deren theoretische Rechtfertigung weitere Annahmen erfordert (vgl. SamueIsen 1956. G. Becker 1974, Pollak 1985). Die im folgenden skizzierte Nachfragetheorie ist einerseits der wesentliche theoretische Hintergrund für die Analyse der Nachfrageseite des Agrarsektors. Andererseits ist sie auch der Ausgangspunkt für Modelle landwirtschaftlicher Unternehmens-HaushaltsKomplexe. aus denen später das Angebot im Agrarsektor hergeleitet wird.
3
Vektoren und Matrizen werden durch Fettdruck gekennzeichnet. Ein nicht transponiener Vektor X ist ein Spaltenvektor d.h. X = (Xl'" Xn)" entsprechend ist X' = (Xl ... X.) der zugehörige Zeilenvektor.
22
2. Ausgangspunkt: Nutzenmaximierung in einer Welt ohne Komplikationen
Entsprechend der oben zitierten Passage aus Varian 1984 erklärt man die Konsumentscheidungen der Haushalte als Lösungen des folgenden Maximierungsproblems: max V(C) c
(2.1-2)
so daß Pc'C ~ y mit den Symbolen Nutzenfunktion C(P c) Vektor von Konsumgütermengen (-preisen) Y Einkommen (z.B. Lohneinkommen, Gewinne, Renten, Vermögenseinkünfte) abzüglich konsumunabhängiger Ausgaben (z.B. Einkommensteuer, Vnterhaltsleistungen) V(.)
Für das Einkommen wird hier zunächst Exogenität angenommen. Später wird genauer darzulegen sein, wie diese Annahme begründet werden kann. Wenn die partiellen Ableitungen4 von V, d.h. aU/ac j = Vj' nicht negativ und für mindestens ein Argument strikt positiv sind, wird die Budgetrestriktion in (2.1-2) voll ausgeschöpft, d.h. der Konsum soweit gesteigert. daß das Gleichheitszeichen gilt (Deaton, Muellbauer 1980a, S. 28); das gleiche Ergebnis erhält man bei "lokaler Nichtsättigung" (Varian 1984. S. 116). Die Lösung des nichtIinearen Optimierungsproblems (2.1-2) maximiert die Lagrange-Funktion
L(C,A) =V(C) + A (Y-Pc'C)
(2.1-3)
und erfüllt die notwendigen Kuhn-Tucker Bedingungen (vgl. Intriligator 1971): aL/aCj = V j - APCj ~ O. C j ~ 0, Cj aL/aCj = O. Vi
(2.1-4)
Die Nichtnegativitätsbedingungen für die Konsummengen können vernachlässigt werden, wenn man weiß, daß in der Lösung nur strikt positive Konsummengen aller Güter auftreten werden. Dies ist der Fall, wenn man zusätzliche Annahmen über die Nutzenfunktion bzw. über die Präferenzen macht, z.B. strikte Quasikonkavität von V(.) oder daß der Grenznutzen bei Annäherung an Null gegen unendlich strebt:
Iim V j = 00, Vi cj ->0
(2.1-5)
Obwohl diese Annahme bei sehr detailiert spezifizierten Gütern problematisch ist (dazu besonders Deaton, Muellbauer 1980a, S. 29ff) dürfte sie bei höherem Aggregationsniveau i.d.R. erfüllt sein: Nicht alle Menschen essen Äpfel der Sorte Delicius aus Frankreich, aber (praktisch) alle essen Obst. In diesem Fall nimmt (2.1-4) die folgende Form an:
4
Für partielle Ableitungen von Funktionen F(X)=F(X! ...X n) oder G(X.Y) wird hier und im folgenden oft die platzsparende Notation verwendet: ilF/ilX j '" F j, il2F/ilX? '" Fjj • il 2F/ilX j ilXj '" Fjj • ilG/ilX '" G x • il2G/ilx2 ;. G xx , il2Q/ilXilY '" G XY '
2.1 Konsumentenhaushalte
23
(2.1-4)' Die notwendigen Bedingungen 2. Ordnung, h'U cc h.::;; 0, V h mit Pc'h = 0
(2.1-6)
U cc = (Hessesche) Matrix der zweiten Ableitungen Vjj von V(.)
sind stets erfüllt, wenn man eine (nicht unbedingt strikt) quasi-konkave Nutzenfunktion V(.) unterstellt. Die Lösungen der n Gleichungen in (2.1-4)' liefern in Verbindung mit der Budgetrestriktion dann den Lagrangemultiplikator A und die n nutzenmaximierenden Konsummengen Cj in Abhängigkeit von den Preisen und dem Einkommen Y, d.h. die "unkompensierten", "Brutto-" oder "Marshall"-Nachfragefunktionen: (2.1-7) Die elementare Nachfragetheorie bemüht sich im wesentlichen, Aussagen über die Eigenschaften der Nachfragefunktionen zu ermitteln, ohne die Allgemeingültigkeit zu sehr durch restriktive Annahmen einzuschränken (z.B.: Sarnuelson 1974, S. 97). Die erste dieser Eigenschaften ist, daß die Budgetrestriktion eingehalten werden muß, und zwar auch bei Veränderungen von Preisen und Einkommen: J. "Adding-up";
l:jPCjCj=Y l:j PCj l:j PCi
aC/ay = I ac/apCj + Cj = 0, Vj
(2.1-8) (2.1-9) (2.1-10)
Die Stärke dieser Bedingungen ist, daß sie sogar bei nicht nutzenmaximierender Konsumstruktur gelten müssen, solange die Budgetrestriktion voll ausgeschöpft wird. Während (2.1-8) trivial und lediglich der Vollständigkeit halber aufgeführt ist, implizieren die durch Differentiation der Budgetrestriktion gewonnenen Bedingungen (2.1-9), "Engel-Aggregation", und (2.1-10), "Cournot-Aggregation", Restriktionen für empirisch geschätzte Nachfragefunktionen, die nicht immer offensichtlich sind, z.B. daß die Summe der mit den Ausgabenanteilen gewogenen Einkommenselastizitäten I ergeben muß (hierzu: Deaton, Muellbauer 1980a, S. 15ff). 2. Homogenität (vom Grade Null);
(2.1-11) ~
~j
ac p. ac Y aP. C. + aY c = 0, Vi J
I
(2.1-12)
I
Diese Bedingung besagt, daß sich die Nachfragemengen nicht ändern, wenn alle Preise und das Einkommen um den gleichen Prozentsatz steigen.
24
2. Ausgangspunkt: Nutzenmaximierung in einer Welt ohne Komplikationen
Sie folgt aus den Optimalbedingungen (2.1-4) und damit aus der Nutzenmaximierungshypothese (2.1-2), denn die Multiplikation von (2.1-4)' mit Ci und Addition aller n Bedingungen ergibt mit der Budgetrestriktion A = ~i Ui C/Y, so daß (2.1-4)' nach Substitution lautet: (2.1-13) Wenn (2. 1-13) für die Optimalmengen C' gilt. ist die Bedingung offensichtlich weiter elilillt. wenn alle PCi und Y mit einem positiven 11 multipliziert werden. Die weiteren Bedingungen für Nachfragefunktionen beziehen sich auf die Matrix der Substitutionseffekte, die sog. "Slutzky-Matrix":
3. SYlIIlIletrit' S =S'
(2.1-14)
mit' Si; == aC/apcih, 4. NeXl1til'ität
(2.1-15)
X' S X~(), VX
Aus einer negativ semidetiniten Slutzky-Matrix S (2.1-15) folgt z.B., daß der Substitutillnseffekt einer Preisänderung auf die Nachfrage nach dem gleichen Gut negativ sein muJ3 (z.B.: Varian 19t14, S. 4tlt). Zur Ableitung und damit zum Verständnis der letzten beiden Bedingungen führen zwei Wege, die knapp wiedergegeben werden sollen, weil sie zum Kern der Nachfragetheorie gehören und weil auf die entsprechenden Konzepte später wiederholt zurückgegriffen wird. Der erste, traditionelle Weg geht aus von den Bedingungen erster Ordnung (2.1-4)' und der Budgetrestriktion (2.1-8), die die Nachfragefunktionen (2.1-7) als implizite Funktionen definieren. Differenziert man sie total, erhält man die "fundamentale Matrixgleichung der Nachfragetheorie" (Deaton, Brown 1972, S. 1160):
Pe ) (dC)
o
(
A dPc
. - dA = -C' dPc + dY
)
(2.1-16)
Wenn U cc nicht singulär ist, erhält man mit der Regel für die Inversion unterteilter, symmetrischer Matrizen 6 :
5 Ein senkrechter Strich bei einer Ableitung zeigt wie üblich an, daß die rechts davon aufgeführte Variable, hier das Nutzenniveau U , bei der Ableitung konstant gehalten werden. 6
(A B'
B )-1 D
=(
A·I - A·IBEB'A-I EB'A-I
vgl. z.B. Schneeweiss 1978, S. 330.
A-IBE) -E
mit E =(B'A-IB-D)-I ,
2.1 KonsumentenhaushaIte
(
dC ) =E ( E-IU ce -I - Uce-.IPecce P 'U -I Pe'U,,-1
25
Uee-IPe ) ( ) AdPe . (2.1-17) -I -C' dPe + dY
-dA
mit dem Skalar E =(Pe' Uee-I Pe)-I Hieraus folgen durch einfache Matrixmultiplikation mit dPe = 0 oder dY = 0 die Ableitungen der Nachfragefunktionen nach den Preisen und dem Einkommen: Cy
=
Cp =
(2.\-18) Uee-I 10. - E Uee-I Pe Pe'Uee-IA - E Uee-I Pe C' (U ee -I 10. - Cy Cy' E-I 10.) - Cy C'
=
S - Cy C'
= (2.1-19)
Gleichung (2.1-19) ist die Slutzky-Gleichung, die die Reaktion der unkompensierten (MarshaU)-Nachfragefunktionen zerlegt in die Reaktion der "kompensierten", "Netto-" oder "Hicks"-Nachfragefunktionen (s.u.) auf die Preisänderung, die den Slutzky-Termen (U-l ij - C iy Cjy E-I) 10. = Sij entsprechen, und in die Einkommenseffekte (- Ciy Cj)' Die Slutzky-Matrix gibt nach (2.1-17) die Effekte an, wenn die Preisänderung durch eine entsprechende Einkommensänderung (dY = C'dP e ) kompensiert wurde, so daß dU = 0, denn 7 -C'dPe + dY
= Pe'dC = 10.- 1 Ue ' dC = /0.,-1 dU
(2.1-20)
Die Symmetrie von S folgt aus der Symmetrie von Uee und Cy Cy'. Negative Semidefinitheit ist nicht so offensichtlich, kann aber mit Hilfe der Bedingung 2. Ordnung (2.1-6) bewiesen werden (vgl. Malinvaud 1972, S. 37f; Barten 1977, S. 29). Zu den Eigenschaften der Nachfragefunktionen unter der Nutzenmaximierungshypothese führt auch ein "dualer" Weg, der in der empirischen Arbeit zunehmende Bedeutung erlangt hat und von den Lösungen der Optimierungsprobleme des Konsumenten ausgeht: v(Pe.Y) == max {U(C): Pe'C ~ Y} e
(2.1-21 )
Die in (2.1-21) definierte indirekte Nutzenfunktion v(.) gibt den maximalen Nutzen an. der bei gegebenen Preisen Pe und gegebenem Einkommen Y erreichbar ist. Sie hat die folgenden Eigenschaften: 1. Nichtansteigend bei Preissteigerungen (Pe ~ p e o => v(Pe,Y) ~ v(Peo,Y» und nichtfallend bei Einkommenssteigerungen (Y ~ y o => v(P e, Y) ~ v(P e, Va). 2. Homogen vom Grade Null in (Pe'Y)' 3. Quasikonvex in Pe. 4. Stetig, wenn PCi > 0, Y > O.
7
Das erste Gleichheitszeichen in (2.1-20) resultiert aus (2.1-16), das zweite aus der OptimaIbedingung (2.1-4)'.
26
2. Ausgrulgspunkt Nutzenmaximierung in einer Welt ohne Komplikationen
Während die ersten bei den Eigenschaften unmittelbar einsichtig sind, soll für die Quasikonvexität und Stetigkeit auf die Beweise in Varian 1984 oder Diewert 1974 verwiesen werden. Die indirekte Nutzenfunktion v(Pc,Y) ist "dual" zur direkten Nutzenfunktion U(C), d.h. man kann (unter bestimmten Regularitätseigenschaften, vgl. Diewert 1982, S. 553) die direkte Nutzenfunktion allein aus der Kenntnis der indirekten Nutzenfunktion mit Hilfe des folgenden Problems rekonstruieren: (2.1-22)
U(C) = min {v(Pc,Y): Pe' C:o:; Y} I'c· Y
Wenn man die Budgetrestriktion so verändert, daß das alte Konsumbündel C weiterhin tinanzierblli' ist, wird mindestens der alte Nutzen U(C) erreicht, (wahrscheinlich jedoch ein höherer, weil C u.U. nicht mehr optimal ist, vgl. z.B. Varian 1984, S. 140). Unter Nichtsättigungsbedingungen (s.o.) führt das nutzenmaximierende Güterbündel P c'C* gleichzeitig zu den minimalen Ausgaben, um den Nutzen U· = v(p c, Y) zu erreichen. Anderenfalls könnte man einen für einen nutzensteigemden Mehrkonsum verfügblli'en Beu'ag einsparen, indem man zu dem kostenminimalen Bündel übergeht (vgl. Varian 1984. S. 162). Das Einkommen, das bei bestimmten Preisen und Optimalverhalten zu dem Nutzenniveau U führt, entspricht daher den minimalen Konsumausgaben, die in der Kostenfunktion angegeben werden: (2.1-23)
c(PeoU) == min {Pc' C: U(C) ~ U} c Die Eigenschaften der Kostenfunktion sind: I. Nichtfallend bei Preissteigerungen und Nutzensteigerungen (P c c(P c,U) ~ c(P c O,UO». 2. Linear-homogen in Pe (c(IlP c.U) =11 c(pc,U)). 3. Konkav in Pe. 4. Stetig in Pe und U. wenn Pe; > O.
~
P co, U :n;(PQ, P v ' K) ~ :n;(PQo , P vo, K». 2. Linear-homogen in (PQ' P v)' 3. Konvex in (PQ' P v )' 4. Stetig in (PQ' P v)' 5. Nichtfallend in K, wenn gilt: K ~ KO => T(K) :2 T(KO) bzw. wenn f(.) monoton ansteigend in K ist. 6. Konkav in K, wenn zusätzlich die Technologiemenge T ;: {(Q, V, K): (Q, V, K) ist technisch möglich} konvex bzw. wenn f(.) in (V, K) konkav ist (McFadden 1978, S. 102f).
Diese Eigenschaften entsprechen weitgehend denen der im Rahmen der Nachfragetheorie eingeführten Kostenfunktion, wobei lediglich deren Konkavität wegen des Minuszeichens vor den Kosten in Konvexität zu ändern ist. Die bedingte Gewinnfunktion :n; ist dual zur Produktionsfunktion f(.), d.h. man kann letztere rekonstruieren als (2.2-32) Die mit Hilfe der (mit PQ) normalisierten Gewinnfunktion konstruierte Produktionsfunktion f'(.) ist stets konkav und monoton ansteigend in V. Wenn f(.) keine nichtkonkayen und nichtmonotonen Bereiche hat, ist f'(.) identisch mit f(.), d.h. (2.2-32) erlaubt tatsächlich eine Rekonstruktion von f(.), vgl. z.B. Chambers 1988 (S. 145, 282 f). Entscheidender als die Dualität ist zumindest für empirische Anwendungen die zu Shephard's Lemma (2.1-26) analoge Ableitungseigenschaft, die bei einer differenzierbaren Gewinnfunktion gilt und i.d.R. als "Hotelling's Lemma" bezeichnet wird:
=a:n;/aPQ VJP Q, P v ' K) =- a:n;/apyi, Vi
Q(PQ' P v , K)
(2.2-33a) (2.2-33b)
Da die Gewinnfunktion linear-homogen in den Preisen ist, sind die Angebots- und Faktornachfragefunktionen homogen vom Grade Null. Ihre weiteren Eigenschaften folgen hier aus der Differentiation von (2.2-33) nach den Preisen: aQ/ap Yi
=
a 2:n;/aPQap yi , Vi
aQ/aP Q = a 2:n;/aPQ2 ~ 0 av/ap Yj av/aP Q
= - a2:n;/apYiapYj' Vi,j = - a 2:n;/apyi aPQ, Vi
(2.2-34) (2.2-35) (2.2-36) (2.2-37)
Aus (2.2-34) bis (2.2-37) erhält man praktisch die gleichen Eigenschaften der Verhaltensfunktionen wie aus (2.2-25) bis (2.2-29): Die Symmetrie der Ableitungen von Angebol~- und Faktornachfragefunktionen folgt aus der Symmetrie der Hesseschen
46
2. Ausgangspunkt Nutzenrnaximierung in einer Welt ohne Komplikationen
Matrix von n(.). Negative (Semi-)Definitheit von VPv ergibt sich aus der Konvexität von
n(.) ebenso wie die nichtnegative Steigung der Angebotsfunktion QpQ • Diese Eigen-
schaften setzen bei dualität~theoretischer Herleitung nicht (u.V. starke) Konkavität von 1'(.) voraus, sondern lediglich zweifache Differenzierbarkeit von n(.) (Chambers 1988, S. 120ff).
Neben der Gewinnfunktion n(.) spielt auch die schon von der Nachfrageseite her bekannte Kostenfunktion c(.) in Theorie und empirischen Anwendungen eine wichtige Rolle. Ihre Definition und Eigenschaften entsprechen bis auf die verwendeten Symbole weitgehend (2.1-23): c(Pv, Q, K) == min v {Pv' V: f(V, K) ~ Q}
(2.2-38)
Neben den im Nachfragekontext benannten 4 Eigenschaften (Monotonie, Homogenität, Konkavität und Stetigkeit) kann man auf der Angebotsseite zusätzlich für c(P v , Q, K) festhalten: 5. Nichtansteigend in K, wenn f(.) monoton steigend in K ist. 0. Konvex in (Q, K), wenn die Technologiemenge T konvex ist bzw., wenn f(V. K) konkav in (V, K) ist (s.o.). Aus c(.) erhält man über Shephard's Lemma (output-)kompensierte Faktornachfragefunktionen, die die optimalen variablen Faktornachfragen bei gegebenem Outputniveau Q und gegebenen fixen Faktoren angeben (2.2-39) Man kann das Gewinnmaximierungsproblem (2.2-14) in zwei Stufen zerlegen und auf der ersten Stufe die kostenminimalen Faktornachfragen bei gegebem Output und erst auf der zweiten Stufe die optimale Outputmenge bestimmen: n(P Q, P v, K) == max Q {PQQ - c(P v, Q, K)}
(2.2-40)
Diese zweistufige Analyse wird häufig aus didaktischen Gründen gewählt (vgl. Samuelson 1974, S. 57 ff; McFadden 1978, S. 31'1'; Chambers 1988, S. 1200. Die Äquivalenz von (2.2-14) und (2.2-40) erlaubt es, je nach dem Analysezweck von der einen oder anderen Problemformulierung auszugehen und bei Bedarf von kompensierten auf unkompensierte Nachfragefunktionen und umgekehrt zu schließen. da die Identität gilt: (2.2-41 ) Wegen dieser Beziehungen kann man z.B. eine mit der Slutsky-Gleichung auf der Nachfrageseite vergleichbare Zerlegung von VPv in einen outputkompensierten Preiseffekt SPv und einen Outputeffekt erhalten (Sakai 1974), bzw. aus einer geschätzten Gewinnfunktion auf Parameter der Kostenfunktion schließen (z.B. R.E. Lopez 1984b) oder auch umgekehrt aus einer Kostenfunktion unkompensierte Elastizitäten herleiten (in diese Richtung gingen z.B. Guyomard, Vermersch 1989).
2.2 Unternehmerhaushalte
47
Nachdem wir die Eckpfeiler der elementaren Unternehmenstheorie "im Vorbeigehen" betrachtet haben, sollen die auf ihr aufbauenden empirischen Anwendungen wie auf der Nachfrageseite in für diese Arbeit relevante Kategorien aufgeteilt werden: Arbeiten mit pragmatischer Anwendung der Unternehmenstheorie
Die Gewinnmaximierungshypothese bildet hier lediglich den theoretischen Hintergrund, vor dem die Spezifikation der Angebots- oder Faktornachfragefunktionen erfolgt. Dieser mikrotheoretische Hintergrund wird zwar manchmal noch recht ausführlich dargestellt (z.B. bei Nerlove 1958, S. 29 ff), dient aber in der Regel allenfalls dazu, Preise und fixe Faktoren als relevante Einflußgrößen zu identifizieren und z.B. inverse Angebotsreaktionen als "unplausible Ergebnisse" einzuschätzen. Zur Begründung wird z.T. auf die Unzulänglichkeiten der elementaren Unternehmenstheorie verwiesen (CoIman 1983), die Arbeiten z.B. von Nerlove (1958, 1972) haben jedoch in dynamischer Hinsicht auch zu theoretischen Weiterentwicklungen der elementaren Unternehmenstheorie geführt, auf die später noch eingegangen wird. Technologische Beziehungen und Identitäten werden dagegen durchaus berücksichtigt, etwa wenn Angebotsfunktionen aus Produktions- und Faktornachfragefunktionen zweistufig (Q(.) == f(V(.), K) quantifiziert werden wie bei Tangermann 1974, Weiss 1990 oder wenn Flächenanteile geschätzt werden, die sich zu 100% aufaddieren müssen (vgl. Bewley et al. 1987, Wolfgarten 1991). Dieser pragmatische Ansatz wird häufig auch gewählt, wenn lediglich ein Produkt oder wenige eng zusammenhängende Produkte untersucht werden sollen, da sich viele theoretische Aussagen (z.B. Symmetrie) auf das gesamte System von Angebots- und Faktornachfragefunktionen beziehen und bei der Beschränkung auf ein Produkt von geringer Bedeutung erscheinen. Der jeweils als Untersuchungsobjekt herausgegriffene Markt wird dagegen oft simultan für Angebots- und Nachfrageseite mit allen für relevant gehaltenen Details analysiert (z.B. Karg, Lauenstein 1976, Hoff 1982). Arbeiten mit stringenter Anwendung der Unternehmenstheorie
Insbesondere wenn in der Agrarsektoranalyse alle Güterangebots- und Faktornachfragefunktionen berücksichtigt werden sollen, wird die Gewinnmaximierungshypothese konsequenter bei der ModellspezifIkation eingesetzt. Dabei können ein ökonometrischer Ansatz und ein Programmierungsansatz unterschieden werden (vgl. Colman 1983, Bauer 1986). Im Rahmen des ökonometrischen Ansatzes kommt vor23 a) Spezifizierung und Schätzung einer Produktionsfunktion und Ableitung der gewinnmaximalen bzw. kostenminimalen Verhaltensfunktionen (z.B. Niendieker 1991)
23
Andere Varianten, z.B. die Schätzung von indirekten Produktionsfunktionen oder Distanzfunktionen (dazu Diewert 1982) sind in der empirischen Forschung bisher unbedeutend.
411
2. Ausgangspunkt: Nutzenmaximierung in einer Welt ohne Komplikationen
b) Spezifizierung einer Produktionsfunktion und Schätzung der hieraus durch Lösung von (2.2-1) abgeleiteten Angebots- und Faktornachfragefunktionen (z.B. Vincent, Dixon, Powell 1980). c) Direkte Spezifikation der Angebots- und Faktornachfragefunktionen mit anschließender Berücksichtigung der theoretischen Restriktionen wie beim Rotterdam-Modell auf der Nachfrageseite (z.B. Rossi 1984). d) Spezifizierung der Kostenfunktion und Schätzung des durch Shephard's Lemma erzeugten Systems von outputkompensierten Faktornachfragefunktionen (z.B. Binswanger 1974, Michalek 1988). e) Spezifizierung der Gewinnfunktion und Schätzung des durch Hotelling's Lemma erzeugten Systems von Angebots- und Faktornachfragefunktionen (z.B. Grings 1985). Im Rahmen des Programmierungsansatzes (dazu etwa Hazell, Norton 1986) wird die Technologie ohne öko no metrische Schätzung, meist als LP-Matrix, z.B. aufgrund von einzelbetrieblichen Kalkulationsdaten spezifiziert und Angebot und Faktornachfrage als Lösungen von (2.2-1) abgeleitet. Wenn die so abgeleiteten Angebots- und Faktornachfragemengen nicht mit den beobachteten Mengen übereinstimmen, werden die technologischen Parameter z.T. so angepaßt (korrigiert, kalibriert), daß die beobachteten Daten gerade auch optimal sind. Hier können auch die Arbeiten mit neoklassischer Produktionsfunktion eingruppiert werden, die die Produktionselastizitäten ohne Schätzung aus den Entlohnungsanteilen berechnen (z.B. Rosine, Helmberger 1974, Boussard 1981). Diese Kalibrierung entspricht in gewisser Weise der Variante a) des öko nometrischen Ansatzes, so daß hier Übergänge möglich sind (Bauer 1986, S. 141ff, Heckelei, Britz 1991. lust et al. 1990).
Eine alternative Lösung zur Kalibrierung von Programmierungsmodellen besteht in der Einführung zusätzlicher Restriktionen (Day 1976b, De Haen 1971) oder verschiedener Modifikationen der Zielfunktion (vgl. Hazell, Norton 1986, als Beispiel Bauer, Kasnakoglu 1990). Diese Lösung bedeutet jedoch schon ein Abgehen von der "reinen" Gewinnmaximierungshypothese, worauf Ld.R. auch explizit hingewiesen wird. Mit den so kategorisierten, empirischen Ansätzen werden Angebots- und Faktornachfragefunktionen inzwischen vielfach mehr oder weniger erfolgreich quantifiziert. In Abschnitt 3.2 werden wir die empirischen Ergebnisse eingehender betrachten, jedoch weniger im Hinblick auf die Höhe der entsprechenden Parameter24 , sondern vielmehr unter der theoretischen Fragestellung, ob die Ergebnisse konsistent mit der elementaren Unternehmenstheorie sind. 2.2.3 Komparativ-statische Eigenschaften von separablen Unternehmens-Haushalts-Modellen Gemäß den Aussagen zur Separabilität der Unternehmens- von der Haushaltssphäre in Abschnitt 2.2. I kann die Gesamtreaktion eines Unternehmerhaushalts auf Daten24
Als Beispiel für einen derartig ausgerichteten Überblick zum Milchmarkt etwa Commission Of The European Communities 1981.
2.2 Untemehmerhaushalte
49
änderungen bei exogenen Preisen in rekursiver Weise ennittelt werden, was im folgenden lediglich an einigen Beispielen demonstriert werden soll, da vergleichbare Analysen bereits vorliegen (Nakajima 1986, S. 93 ff, Bamum, Squire 1979, Henning 1991, S. 43 ff). Dazu gehen wir aus von der Problemfonnulierung (2.2-11) bzw. von der soeben diskutierten Variante (2.2-14), unterscheiden dabei die Arbeit wegen ihrer besonderen Bedeutung im Haushaltszusammenhang jedoch wieder von den (übrigen) variablen Faktoren: L(C,N,A,Il) = U(C,N) + A(LT + Yx + lt(PQ,Pv,L,K) - PeC - LN) + 11 (T-N) (2.2-1 I)'
Damit wird die Optimierung auf der Nachfrageseite primal (explizit) abgebildet, während für die Angebotsseite die duale (implizite) Repräsentation die Ergebnisse aus Abschnitt 2.2.2 nutzbar macht. Wenn der Lohnsatz L den Reservelohnsatz L* übersteigt, zieht die Restriktion N ~ T nicht (vgl. 2.1.2) und die positiven Optimalmengen von C und N erfüllen (vgl. oben (2.1-4)'): =0
(2.2-42)
=0
(2.2-43)
Entsprechend der traditionelIen Vorgehensweise (s.o.) differenziert man das System der Bedingungen erster Ordnung total:
(2.2.44)
(2.2-44) ist offensichtlich eine Variante von (2.1-16) aus der konventionellen Nachfragetheorie und könnte wie in (2.1-17) mit der unterteilten Inversen zur Ennittlung der komparativ-statischen Eigenschaften umgefonnt werden. Da diese Inverse jedoch nur sehr umständlich zu berechnen ist und hier nur einige Effekte ennittelt werden sollen, kommt man mit der Cramerschen Regel schneller zum Ziel. Änderung der exogenen Einkommen
(2.2-45) mit ~
~NYx
= Pe (UeNL - UNNPe ) - L (UeeL - UNePe) = 2 UeNPeL - UNN Pe2 - UecU > 0 = - (UeeL - UNe Pe) = UNe Pe - UeeL > 0
Quasikonkavität von U(.) impliziert ~ ~ O. Wenn die Detenninante zur Vereinfachung als nichtsingulär angenommen wird und weiterhin von "superiorer" Freizeit ausgegangen werden kann, resultieren die übrigen Vorzeichen. Eine positive Einkom4 Witzke
50
2. Ausgangspunkt Nutzenmaximierung in einer Welt ohne Komplikationen
menselastizität der Freizeit impliziert, daß die Grenzrate der Substitution zwischen Konsumgütern und der Freizeit (-dC/dN) zunimmt, wenn der Konsum zunimmt (a(UN/Uc)/aC > 0), wie man sich leicht z.B. anhand der Abbildung 2.2-1 klarmachen kann. Hieraus folgt ~NYx > 0, denn a(U N IUe)
ac
= UNC Uc - Uec UN >0 U/
(2.2-46)
was mit den Optimalbedingungen (2.2-42) und (2.2-43) das Ergebnis liefert. Für den Konsum kann man entsprechend zeigen: (2.2-47) wenn UCN UN - UNN Uc > 0 ist. Auf hohem Aggregationsniveau erscheint es sehr vernünftig, ein solches "Normalverhalten" anzunehmen. Die entsprechenden Eigenschaften der Nutzenfunktion können als plausible Hypothesen auch in komplexeren Modellen z.B. unten in 5.3.2) zur Vorzeichenbestimmung hilfreich sein (vgl. auch Kleinhückelskoten, Spaetling 1981) und werden im folgenden i.d.R. unterstellt. Der Unternehmensbereich ist durch 1t(.) abgebildet, so daß die Angebot~- und Faktornachfragefunktionen über Hotelling's Lemma (2.2-33) resultieren. Diese "Unternehmensvariablen" sind wegen 1tyx = 1tN = 1tc = 0 weder direkt noch indirekt abhängig von Yx' d.h. "Einkommenseffekte" (vgl. Abschnitt 3.2.2.3) treten nicht auf. Änderung des Produktpreises
Die Auswirkungen im Unternehmensbereich sollen zuerst betrachtet werden, da hierzu lediglich nach (2.2-35) bzw. (2.2-37) zurückzublättern ist. Die oben diskutierten Effekte (a 21t1aPQ 2 > 0, a 21t1apyi aPQ ) sind auch nicht aufgrund irgendwelcher Haushaltseinflüsse zu modifizieren, da 1t(.) unabhängig von C und N ist. Erst wenn man die Haushaltsentscheidungen betrachtet, die über das "full income" Y auch von den Produktpreisen abhängig sind, zeigt sich zum ersten Mal ein innovativer Zug des Unternehmens-Haushalt~modells, der z.T. als der entscheidende angesehen wird, "the distinctive feature of agricultural household models is that they include the profit effect" (Singh, Squire, Strauss 1986, S. 26). Es ergibt sich: aC/aPQ = ~cp/~ > 0
mit
~cPQ
(2.2-48)
= Q (U eN L - UNN Pe) = Q ~CYx > 0
Für den Konsum resultiert aus der Produktpreissteigerung ("normalerweise") ein positiver Einkommenseffekt, der mit der Angebotsmenge Q (1t pQ ) "gewogen" wird. Bemerkenswerter ist es, daß die Wirkung auf die Freizeit vollkommen analog ist: aN/aPQ =~NPQ/~ > 0
mit ~NPQ = Q (UNe Pc - UccL) = Q ~NYx > 0
(2.2-49)
2.2 Untemehmerbaushalte
51
Eine gestiegene (gesunkene) Rentabilität im Unternehmen kann also keineswegs dazu führen, daß der (Unternehmer-)Haushalt insgesamt mehr (weniger) arbeitet. Dies gilt deshalb, weil der für die Arbeitsangebotsentscheidungen relevante Lohnsatz unverändert, da exogen ist, und somit auf der Konsumseite keinerlei Substitutionseffekte auftreten. Da der Arbeitseinsatz im Unternehmen (normalerweise) nach Produktpreissteigerungen ansteigt, sinkt das Arbeitsangebot des Haushalts auf dem Arbeitsmarkt AM bzw. steigt die Nachfrage nach Fremdarbeitskräften: (2.2-50) Der Einkommenseffekt im Haushalt bewirkt, daß die Reaktion deutlicher ausfällt, als in einem reinen Untemehmensmodell. In auf Entwicklungsländer bezogenen Analysen ist diese Tatsache eine wichtige Eigenschaft der landwirtschaftlichen Haushaltsmodelle, da hieraus verstärkte "Spillover"- oder "trickle down"-Effekte von erhöhten landwirtschaftlichen Produktpreisen auf die nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung resultieren, die ansonsten von der Preissteigerung eher negativ betroffen sind (Singh, Squire, Strauss 1986, S. 31ff). Wenn es auf dem ländlichen Arbeitsmarkt dadurch allerdings zu Lohnsteigerungen kommt, erfolgt auch eine Bremsung der Angebotsreaktion (Bamum, Squire 1979). Auch in Industrieländern besteht eine deutliche Abhängigkeit des außerlandwirtschaftlichen (Netto-)Arbeitsangebots von den Produktpreisen bzw. allgemeinen Rahmenbedingungen für die Erzielung landwirtschaftlicher Einkommen. Die entsprechenden empirischen Ergebnisse sollen jedoch erst in Abschnitt 4.1.5 betrachtet werden, da dort auch kompliziertere, z.T. nicht separable Modellformulierungen berücksichtigt werden können. Änderung der fixen Faktorausstattung
Änderungen von K bewirken Änderungen der Angebots- und Faktornachfragemengen in Höhe von aQ/a~ = a21t1aPQa~ bzw. av/a~ = a21t1apVja~. Oben in 2.2.2 wurden diese Wirkungen auf primalern Weg untersucht, wobei auch auf die Bedingungen für die "normale" Reaktion aQ/a~ > 0, av/a~ > 0, nämlich "kooperierende" Inputs (fjj > 0), hingewiesen wurde. Wie bei Produktpreissteigerungen kommt es auch jetzt wieder zu entsprechenden Einkommenseffekten im Haushalt: aC/a~
=!lcK/!l > 0
(2.2-51)
mit !lCKj = 1tKj (UcNL - UNN Pc) = 1tKj !lCYx > 0 aNlaKj = !lNKj /!l > 0 mit !lNKj =1tKj (U CN Pc - UccL)
=1tKj !lNYx > 0
(2.2-52)
Die für die positive Reaktion unter unseren Annahmen notwendige Bedingung ~j > bei Anwendung des "Envelope-Theorems" (1tKj = PQ fKj ) schon aus positiven Grenzerträgen des fixen Faktors.
o folgt
52
2. Ausgangspunkt: Nutzenmaximierung in einer Welt ohne Komplikationen
Änderungen des Lohnsatzes Der Lohnsatz gehört zu den interessantesten Variablen in separabien Haushaltsmodellen. da er auf Haushalts- und Unternehmensbereich wirkt und seine Exogenität die ents 0 gilt. Das Ergebnis, ein Ansteigen des gleichgewichtigen Schatten preises, ist leicht einsehbar: Der Einkommensanstieg steigert "normalerweise" die Nachfrage. Damit das Marktgleichgewicht (4.1-31) wiederhergestellt wird, muß Pz steigen, um das Angebot zu steigern (hPz > 0) und die Nachfrage 9 zurückzudrängen (Z~ < 0). Die Auswirkungen einer exogenen Einkommensänderung auf endogene Modellvariabien ergeben sich nun aus den direkten (konventionellen) und indirekten (durch dPzldY x vermittelten) Effekten z.B. (4.1-33) In (4.1-33) ist der direkte Effekt wie im separabien Modell Null (vgl. Abschnitt 2.2.3). Das in (4.1-33) angegebene, positive Vorzeichen folgt trivialerweise in dem oben eingeführten Spezialfall der Leontief-Kopplung von Q und Z. Sakai zeigt jedoch (1974, S. 272t), das 1tpQPz ~ 0 auch unter allgemeineren Voraussetzungen als der "Normalfall" in Multi-Output-Technologien angesehen werden kann IO • Der "Normalfall" wird allerdings unwahrscheinlicher, sobald bedeutende Inputs fix sind, weil die OutpUl~ (Q und Z) dann U.U. um diese fixen Faktoren konkurrieren, so daß 1tpQPz < 0 möglich ist (Hertel 1987, S. 188 f). Diese Annahme wird z.B. oft gemacht, wenn für Q und Z getrennte Produktionsfunktionen postuliert werden, die Alternativproduktion ausdrücken (Q = f(AL,V L), Z = h(Az'V z))' wo die Inputs entweder zur Produktion von Q oder von Z dienen können (Witzke 1988a, S. 5, Henning 1991, S. 65). Unabhängig von der Frage der Komplementarität oder Substitutivität 11 bleibt jedoch festzuhalten, daß in dem Modell auf eine Unternehmensvariable (Q) ein Einkommenseffekt auftritt, d.h. daß daß das Modell nicht separabel ist. Entsprechend zu Q wird auch AL von Yx beeinflußt: (4.1-34) Bei verbundener Produktion mit normaler, nicht regressiver Arbeit (-1tPzL > 0) nimmt der Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft zu, um die erhöhte Nachfrage nach Z zu befriedigen.
9
10
11
Ein Einkommenseffekt tritt bei Veränderung von Pz nicht auf, denn der Haushalt gewinnt als Produzent von Z den gleichen Betrag (ltz = h), den er als Konsument verliert (h = Z), so daß im Nenner von (4.1-32) nur der kompensierte Preiseffekt wirkt. Diesen Normalfall definiert Sakai durch einen Anstieg der Grenzkosten für einen Output i bei Anstieg der Faktorpreise oder Reduktion anderer Outputs bzw. durch einen Anstieg des Grenzerlöses eines Inputs j bei Anstieg der Produktpreise oder anderer Inputs, was eine Verallgemeinerung der Definition durch kooperierende Inputs (fViVj > 0, s.O., 2.2.2) darstellt, vgl. Sakai 1974, S. 272 f. Vorzeichen, die sich bei Substitutivität ergeben, werden im folgenden wie in (4.1-33) in Klammem angegeben.
92
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
Völlig analog erklärbar ist: (4.1-35)
dV/dY x = - 1tyiPz dPz/dY x = ViPz dPzldY x > 0 Im Konsumbereich lauten die Einkommenseffekte: dC I dYx =C y +(C Pz +C y 1t pz ) dPz I dYx =Cy+(C~z -CyZ+Cyh)dPz/dYx=Cy+C~z dPz/dYx>O
(4.1-36) (4.1-37)
Bei der Vorzeichenbestimmung wurde auch bei C und N von Superiorität und von Nettosubstitutionsbeziehungen der kompensierten Nachfragen CS ,Ns zu Z ausgegangen (C~z > 0, N~z > 0). In diesem Fall werden die "normalen" Einkommenseffekte durch eine Verteuerung von Z noch verstärkt, so daß qualitativ die gleichen Ergebnisse wie in Abschnitt 2.2.3 auftreten. Da der Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft ebenfalls ansteigt (s.o.), wird das außerlandwirtschaftliche Arbeitsangebot stärker als bei Separabilität eingeschränkt. Änderung des Produktpreises
Zunächst ist aus (4.1-31) die Veränderung des Schattenpreises zu bestimmen. (4.1-38) Wenn das Angebot von Z(= h) wegen Komplementarität zu Q (s.o.) stärker steigt als die Nachfrage aufgrund des Einkommenseffekts, kann der Schattenpreis von Z sinken. Bei substitutiven Beziehungen zu Q resultiert dagegen stets ein Anstieg von Pz. Diese Veränderung des Schattenpreises modifiziert nun die komparativ-statischen Effekte des separabien Modells (aus Abschnitt 2.2.3)
1t
dQ/dPQ = PQPQ + '-.r-' >0
(1t p p
zz
-Z~
Z
)-1
1t pQPZ dPz I dP
Q '-.r-' '-v------' ~O«O) $O?(>O)
=
([1t P P 1t p p -1t p P 2]_1t p P Z~ + 1t p p
~'
QQ
zz
>'0
QZ
QQ
z
QZ
Zy Q
'~~
1
>0 (>O?)
(4.1-39)
Bei schwacher Komplementarität von Q und Z (1tpQi'z ~ 0) und einer hohen Einkommenselastizität von Z kann über den Schattenpreisanstieg von Pz eine Verstärkung der Angebotsreaktion resultieren. Der Regelfall dürfte dagegen die Verminderung der Angebol~reaktion sein, die aus der Verbindung von Komplementarität und Schattenpreisrückgang oder Substitutivität und Schattenpreisanstieg hervorgeht. Diese Verminderung kann jedoch nur bei Substitutivität pQi'z < 0) im Extremfall eine inverse Angebol~reaktion hervorrufen, wie die Zerlegung in der zweiten Zeile von (4.1-39)
(1t
4.1 Haushaltsproduktion, direkter Faktomutzen, beschränkte Arbeitsmärkte
93
zeigt, denn die eckige Klammer [1tPQPQ 1tPzPz - 1tpQPz2] ist wegen (starker) Konvexität von positiv.
1t(.)
dAddPQ = -1t LPQ -1t LPz dPz I dPQ = ALPQ + ALPz apzlaPQ ~ ~
>0
= (1t pp -Z~Z Zl
r
l
>0
'---v----'
,,07(>0)
([-1t LP 1t pp Q
zz
+1t LP 1t pp ]+1t LP Z~ -1t LP Z
Q
lQ
Z
Z
Z y 1t pQ »0
(4.1-40)
~~~~~
Die Zunahme des landwirtschaftlichen Arbeitseinsatzes nach einer Agrarpreissteigerung wird gebremst durch den bei Komplementarität möglichen Schattenpreisrückgang. Eine regressive (inverse) Beziehung von AL zum Outputpreis kann zwar nicht unmittelbar mit der Zerlegung in (4.1-40) ausgeschlossen werden. Dennoch dürfte Regressivität auch im Z-Güter-Modell (4.1-30) bei "normaler Technologie" mit 1tLPQ < 0 nicht auftreten. Da die Faktornachfrage um so stärker positiv reagiert, je stärker Einkommens- und Substitutionseffekte auf der Nachfrageseite sind, liegt der "günstigste" Fall für eine negative (regressive) Reaktion bei Z~ = Zy = 0 vor 12 • Wegen negativer Semidefinitheit der Slutsky-Matrix folgt dann aber auch Z~c = =0, d.h .. Z ist unabhängig von allen Preisen und dem Einkommen und damit eine Konstante. Dann ist aber auch 1tPz = h(.) eine Konstante und kann in den Vektor der übrigen fixen Inputs integriert werden, so daß lediglich der direkte Standardeffekt verbleibt, den wir als positiv unterstellt hatten und die regressive Reaktion tritt auch im Extremfall Z~ = Zy = nicht auf (vgl. Witzke 1992).
zt
o
Die gleiche Argumentation gilt für die Reaktion der Vorleistungsnachfrage: dV/dPQ = - 1t pv ;PQ - 1t pv ;Pz dPz I dPQ = ViPQ + ViPz dPz/dP Q '----v----' '-.r---' '---v----' >0 >0 $O'?(>O)
= (1t pZPl -Z~Z r l ([-1t pViQ p 1t p p +1t p p 1t p p ]+1t p P Z~ -1t p p Z y 1t p ) > 0 (4.1-41) II ViZ lQ .... iQ Z "iZ Q '----v-----' >0
~
>0
'---v-' ,,0(>0)
'
• >0
'"--r-----'
>0
Auf der Nachfrageseite lauten die Effekte der Agrarpreissteigerung:
= Cy
(4.1-42)
Q + qz dPz I dPQ > O?
~
~
>0
~o
'---v----'
"O?(>O)
und
dN/dPQ = Ny1tPQ
+
(N pz + Ny Pz) dPz/dPQ = Ny Q + N~z dPz I dPQ > O? ~
>0
'---v----' ~o"o ?(>O)
(4.1-43)
~
Nur wenn die Komplementarität stark genug ist, um einen Schattenpreisrückgang zu induzieren, und gleichzeitig starke Substitutionsbeziehungen auf der Konsumseite
12
Oben hatten wir zwar ~ > 0 angenommen, doch soll ~ = 0 hier als Extremfall berücksichtigt werden.
94
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
bestehen, kann ein Rückgang der Nachfrage von C und N resultieren. Im Regelfall ist dagegen eine Ausdehnung des Konsums C und der Freizeit N wie im separabien Modell erwartbar (vgl. (2.2-48) und (2.2-49). dAM/dPQ=d(T-AL-N)/dP Q = -ALP -NyQ-(A LP +N~ )dPz/dPQ 0 dYx
Z~z
(4.1-45)
Der Anstieg des Schatten preises ergibt sich, wenn ein positives Angebot auf dem Arbeitsmarkt (AM > 0), wovon hier entsprechend dem großen Umfang außerlandwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit in landwirtschaftlichen Haushalten ausgegangen wird (z.B. Gebauer 1988), einen positiven Einkommenseffekt auf die Nachfrage nach Z bewirkt 13 und dadurch den ebenfalls positiven Substitutionseffekt verstärkt, der wiederum durch die kosteninduzierte Angebotsreduktion (7tpg. < 0) und die Nachfragestimulierung durch Nettosubstitutionsbeziehungen (~ > 0) verursacht wird. Auf der Angebotsseite ergeben sich nun die folgenden direkten und indirekten Effekte:
dQ/dL
= 7t: p
L
~ 0
Die bei nichtregressiven Inputs im Standardmodell erfolgende Angebotsreduktion nach einer Lohnsatzsteigerung wird hier bei komplementären Beziehungen zwischen den Outputs Q und Z durch den Schattenpreisanstieg für Z gebremst, woraus u.U. sogar eine Angebotsausdehnung resultiert, die sich hier nicht durch Extremfallbetrachtungen ausschließen läßt, denn die anomale Reaktion wird durch nachfrageseitige Effekte begünstigt, die keine "natürliche" Obergrenze haben. 13
Oe Janvry, Fafchamps und Sadoulet 1991, S. 1407 vernachlässigen dagegen die Slutzky-Zerlegung und erhalten daher als Gewicht für den Einkommenseffekt irrtümlich T-AL statt AM =T-AL-N.
4.1 Haushaltsproduktion, direkter Faktomutzen, beschränkte Arbeitsmärkte
95
Auch die nonnalerweise resultierende Reduktion des landwirtschaftlichen Arbeitseinsatzes wird gebremst. weil der Schattenpreisanstieg die Verminderung der "Rentabilität" des landwirtschaftlichen Arbeitseinsatzes mindestens z.T. kompensiert. Diese Bremswirkung folgt hier schon aus der üblichen Annahme nonnaler, nichtregressiver Inputs (1t u 'z < 0), wobei sich die Möglichkeit einer inversen Reaktion von AL anders als bei dQ/dPQ unabhängig von der Komplementarität oder Substitutivität von Q und Z nicht durch Rückgriff auf die Konvexitätseigenschaften von 1t ausschließen läßt (zweite Zeile). Für die Kreuzeffekte auf die Vorleistungsnachfrage folgt bei Bruttokomplementarität 14 von AL und Vi: dV/dL
= -1t pviL
-1tPViPZ dPz I dL
?o(;oi' '-;()' ~
=
Der von den Nachfragereaktionen abhängige Schattenpreisanstieg kann dazu führen, daß die "nonnalerweise" erfolgende, durch die gesunkene Wertgrenzproduktivität von Vi bedingte Reduktion des Vorleistungseinsatzes aufgrund des Schanenpreisanstiegs nicht zustande kommt und der Vorleistungseinsatz sogar ausgedehnt wird (Bruttosubstitute trotz "nonnaler" Technologie). Auf der Nachfrageseite ergeben sich:
dC/dL = CL +Cy (1tL+T)+(C Pz+Cy 1tPz) dPz/dL
= C~ - N Cy + Cy (T-AL)+(C~-Z Cy+Cy 1tPz) dPzldL = q + C y (T - AL - N) + q ~ >0
'-----..-'
>0
~ >0
dPz I dL > 0
"--.,.--I
(4.1-49)
>0
dN/dL = NL + Ny (1tL+T) N~ dPzldL
= N~ + Ny (T - AL - N) + N~ ~ O? ~~~~~ >0
>0
0
-? (-)
>0 (>O?)
0
-? (+)
>0
0
+
>0
>0
-? (+)
>0
O? (>0)
>0
+
>0
N
>0
+
>0
>0
-? (+)
>O? (>0)
: x PvL ~ 0) einstellt, zeigt die zweite Hälfte in bei den geschweiften Klammern jedoch an, daß diese direkten Wirkungen überkompensiert werden können. Dies ist beim Konsumwert der Vorleistungen z.B. möglich, wenn die Nachfrage nach landwirtschaftlicher Arbeit (als Konsumgut) einkommensbedingt sehr stark steigt, so daß der landwirtschaftliche Arbeit~einsatz deutlich zunimmt. Da hierdurch auch das Wertgrenzprodukt der Vorleistungen ansteigt, kann die "ausgleichende Differenz" kv zwischen diesem Wertgrenzprodukt und dem Faktorpreis u.U. sinken, wenn die einkommensbedingte Nachfragesteigerung bei den Vorleistungen schwächer ist. Im Regelfall dürften die direkten Effekte jedoch überwiegen, so daß in (4.1-74) positive Vorzeichen mit Fragezeichen angegeben sind l8 . Hier sei daran erinnert, daß im Z-Gütermodell die Reaktion des (einzigen) Schattenpreises dagegen eindeutig positiv war, was die zunehmende Komplexität des allgemeinen Modells illustriert, aber auch die Plausibilität von dk/dY x ~ 0 unterstreicht, denn h(V,AL) = Z stellt nichts anderes als den bezüglich der Konsumwirkungen aggregierten Faktoreinsatz dar. Wenn man die positive Reaktion bei der Schattenpreise akzeptiert, folgt die positive Reaktion des Outputs sofort aus der Annahme nicht regressiver Inputs: dQ/dY x = -x PQPv dkv/dY x -x PQL dkA/dYx >O? '-.r---'~~
>0
>07
>0
(4.1-75)
'--v---'
>O?
Zusätzliche Einkommen werden z.T. zur Ausdehnung der Landwirtschaft verwendet, da diese partiell Konsumcharakter besitzt, d.h. auch ein "Hobby" darstellt. Beim Arbeits- oder Vorleistungseinsatz genügt die Annahme komplementärer Inputs für die positive Reaktion, wenn beide "Konsum werte" ansteigen. dAL/dYx=xLPv dkv/dYx ~ ~
;;;:0«0)
>O?
+ X LL dkA/dYx ~
>0
>O?
(4.1-76)
'--v---' >O?
Unter der Annahme ansteigender Schattenpreise ergeben sich auch beim Konsum C und der Freizeit N keine Modifikationen zu 4.1.2, da die direkten Einkommenseffekte und die auf den Schattenpreisanstieg folgenden Substitutionseffekte in die übliche (positive) Richtung weisen, so daß auf die Ableitung verzichtet und zu den Effekten einer Agrarpreissteigerung übergegangen werden soll.
18
Bruttosubstitutionsbeziehungen zwischen V und AL (7tPvL O? ~'----v----' 07
07
.
(4.1-81)
Die Substitutionseffekte in der geschweiften Klammer in den ersten beiden Zeilen sind eindeutig positiv, da sie der Determinante des dritten Hauptminors der stark konvexen Funktion 1t(.) - c(.) entsprechen, wie man unschwer bei Entwicklung nach der ersten Zeile sieht: 1t PQPQ 1t pvPQ 1t!PQ
1t pQpv 1t pvPv - Ckvkv 1t!pv - CkAkv
1t PQL 1t pvL - CkvkA 1t LL - CkAkA
ß3
(4.1-82)
Da die Einkommenseffekte sehr wahrscheinlich ebenfalls positiv sind, verläuft die GüterangebotsJunktion normal, d.h. das Angebot nimmt nach einer Preissteigerung zu. Dies ist ein bemerkenswertes Ergebnis, da in diesem Abschnitt von sehr allgemeinen Voraussetzungen über die Nutzenfunktion der Haushalte ausgegangen wurde. Eine der wichtigsten theoretischen Vorhersagen des separabien oder auch des Z-Güter-Modells behält damit auch für solche Haushalte ihre Gültigkeit, die erheblich vom Standard der "Welt ohne Komplikationen" abweichen. Dagegen scheint es nicht möglich zu sein, alleine mit "vernünftigen" Annahmen zu den Substitutionseffekten und den Konvexitätseigenschaften von 1t(.) - cO Regressivität der Inputs auszuschließen, denn es ergibt sich z.B. für den landwirtschaftlichen Arbeitseinsatz: (4.1-83) =-1t!PQ + 1t!pv ß·l
{1trvPQ (1tu- CkAk) -1tpQL(1trvL - Ckyk)} +1ttpy Q dkv/dYx
+ 1tLL ß·l {1t!pQ (1tPvPv - Ckvk) -1trvPQ (1ttpy - CkAky)} + 1tu Q dkA/dYx
4.1 Haushaltsproduktion, direkter Faktomutzen, beschränkte Arbeitsmärkte
107
Die letzte, nach einigen Umformungen resultierende Formulierung von (4.1-83) erlaubt zwar keine eindeutige Bestimmung des insgesamt resultierenden Vorzeichens, aber durch die Gruppierung der partiellen Effekte nach ihrer Wirkungsrichtung doch eine "begründete Spekulation": In die negative Richtung drängen hauptsächlich zwei Kreuzeffekte. die nur bei einer stark expansiven Tendenz des Vorleistungseinsatzes größere Bedeutung erlangen. während die meisten Substitutions- und (wahrscheinlich) die Einkommenseffekte stimulierend auf den landwirtschaftlichen Arbeitseinsatz wirken, so daß die Ausdehnung des Arbeitseinsatzes auch diesem Modell der Regelfall sein dürfte. Die formale komparativ-statische Analyse des Modells (4.1-68) soll damit abgeschlossen werden, da die weiteren Ergebnisse vorhersehbar erscheinen: Für die Reaktion des Vorleistungseinsatzes auf die Agrarpreissteigerung wird sich, abgesehen von einer Vertauschung der Indizes, der gleiche Ausdruck wie für den Arbeitseinsatz ergeben, da AL und V in Nutzen- und Gewinnfunktion vollkommen symmetrisch abgebildet wurden. Die Reaktion des materiellen Konsums C und der Freizeit N wird, wie schon oben in der Übersicht 4.1-2 angegeben, wahrscheinlich, aber nicht sicher positiv sein, denn die miigliche Reduktion der Konsumwerte k A und k y führt bei Nettosubstitutionsbeziehungen auf der Nachfrageseite zu einer (schwachen) Tendenz zur Einschränkung dieser Variablen. Auf die Analyse der Effekte von Lohnsatzänderungen soll ebenfalls verzichtet werden, weil schon in dem Modell mit Z-Güter-Produktion bzw. mit Separabilität von AL und V in der Nutzenfunktion kaum eindeutige Ergebnisse erzielbar werden, da (außer beim Konsum C) Substitutions- und Einkommenseffekte Ld.R. in unterschiedliche Richtungen weisen. Entsprechend zur Übersicht 4.1-2 sollen die formal abgeleiteten Effekte in der folgenden Übersicht zusammengestellt werden:
lOg
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
Übersicht 4.1-4: Ausgewählte komparativ-statische Eigenschaften! eines landwirtschaftlichen Haushaltsmodells mit direkten, positiven Nutzenwirkungen der landwirtschaftlichen Arbeit und des Vorleistungseinsatzes (D) Im Vergleich (t.)2 zum konventionellen, separablen Modell (S)3 Wirkung
von:
Yx
auf:
S
t.
Q
0
+
?
>0
AL
0
+
?
>0
Po S
t.
D
?
>0
?
>0
?
?
>0
?
>0
?
D
Erläuterungen: I) Die Effekte setzen starke Konvexität von 7t(.) und normale Inputs, die untereinander Bruttokomplement,uität aufweisen, auf der Produktionsseite sowie superiore Nettosubstitute auf der Nachfrageseite voraus, vgl. Text -2) Richtung der zusätzlich auftretenden Effekte. -3) Effekte im separabien Haushaltsmodell aus Abschnitt 2.2.3.
Die wichtigsten Eigenschaften des Haushaltsmodells mit direkten Nutzenwirkungen des Faktoreinsatzes können wie folgt gekennzeichnet werden: I) In bezug auf das Niveau des Faktoreinsatzes verlieren die üblichen Wertgrenzproduktivitätsbedingungen im Regelfall (und nicht nur in Spezialfällen wie im Z-Güter Modell) ihre Gültigkeit (vgl. (4.1-64) und (4.1-65 ». 2) Da der Faktoreinsatz auch Eigenschaften von Konsumgütern besitzt, wird sein Niveau (i.d.R. positiv) von Einkommenseffekten beeinflußt, was ein typisches Indiz für ein nicht separabIes Modell darstellt. 3) Wichtige Vorhersagen des Standardmodells sind nur noch mit zusätzlichen Annahmen gültig. Diese Annahmen sind im Falle der "normal" (positiv) verlaufenden Angebotsfunktion allerdings so plausibel (positive Einkommenseffekte), daß das Standardergebnis nur geringfügig an Allgemeinheit einbüßt. Nicht regressive Inputs dürften zwar weiterhin in der Regel vorliegen, doch können Abweichungen vom "Normalfall" des Standardmodells nach Sakai 1974 eher auftreten. 4) Die oben im Z-Güter-Modell festgestellte, tendenzielle Bremsung der Reaktionen im Unternehmensbereich ist hier zwar weiterhin möglich, doch scheint es kaum möglich zu sein, dies aus den komplexen SChattenpreiseffekten dieses Modells als Regelfall herauszulesen. Bei vielen Parameterkonstellationen (u.U. sogar in ihrer Mehrzahl) können die Reaktionen auch verstärkt werden. Das hier analysierte Modell wird von Kritikern der Nutzenmaximierungshypothese wie Brandes möglicherweise als "rationalisierend" oder "postdiktiv" (Brandes 1988b, S. 9) beurteilt, wenn man allein das Auseinanderfallen der Wertgrenzprodukte von den Faktorpreisen im Auge hat. Dennoch war es allein "aufgrund reiner a prioriÜberlegungen" (Brandes 1988b, S. 6) im Rahmen des hier unterstellten Modells möglich, inverse Angebotsreaktionen (fast) auszuschließen, und zwar trotz der "rationalisierenden" Annahmen zur Nutzenfunktion. Damit ist zwar nicht viel erreicht, aber kaum weniger als mit der konventionellen Gewinnmaximierungstheorie auch möglich wäre. Konkrete Modelle auf der Basis der Nutzenmaximierungshypothese können also durchaus empirisch gehaltvolle Aussagen hervorbringen, während die Nutzenmaximierungshypothese "an sich", d.h. ohne Konkretisierung in einen bestimmten (nicht notwendigerweise qualitativen) Modell in der Tat tautologisch ist.
4.1 Haushaltsproduktion, direkter Faktornutzen, beschränkte Arbeitsmärkte
109
Die "nonnale" Angebotsreaktion ergibt sich im übrigen in diesem Abschnitt gerade wegen der Annahme positiver, direkter Nutzenwirkungen für alle Faktoren, die beobachtete Entlohnungsdisparitäten "erklären" können. Bei negativen direkten Nutzenwirkungen, d.h. bei einer besonderen Abneigung gegen die Arbeit und den Vorleistungseinsatz in der Landwirtschaft, wurde eine Agrarpreissteigerung hingegen negative Einkommenseffekte für den Faktoreinsatz auslösen, die bei genügender Stärke durchaus auch zu inversen Reaktionen führen könnten. Damit hätte man zwar eine Erklärung für inverse Angebotsreaktionen, aber gleichzeitig auch einen Widerspruch zum Vorzeichen der beobachteten Entlohnungsdifferenzen, d.h. diese Rationalisierung würde dem empirischen Befund in anderer Hinsicht widersprechen. Man kann also durchaus nicht alles (gleichzeitig) mit "geschickt manipulierten" Nutzenfunktionen erklären. Hingegen könnte man mit UA > 0 und Uv < 0 erklären, warum der Arbeitseinsatz "zu hoch", der Vorleistungseinsatz "zu niedrig" und (bei Bedarf), warum inverse Angebotsreaktionen auftreten können 21 • Die Relevanz dieser Konstellation ist natürlich eine empirische Frage. Da ihre fonnale "Erklärung" mit negativen Nutzenwirkungen des Vorleistungseinsatzes jedoch kaum eine inhaltliche Grundlage hat, wurde dieser Fall oben nicht betrachtet. Inhaltliche Grundlagen könnten allenfalls Risiko oder Anpassungskosten sein, die jedoch explizit analysiert werden können (Abschnitte 4.3 bzw. 5.2). Klammert man diese aus, wird man eine Erklärung der genannten, theoretisch möglichen Phänomene (deren Vorliegen in der Realität hier durchaus nicht behauptet wird), mit negativen Nutzenwirkungen des Vorleistungseinsatzes in der Tat wie Brandes als "rationalisierend" und unfruchtbar ansehen. Die "Freude an landwirtschaftlicher Arbeit" (U A > 0) oder auch Prestigewirkungen des Faktoreinsatzes (U v » 0) scheinen dagegen weniger weit hergeholt zu sein. Unbefriedigend ist es jedoch, daß diese Erklärung wegen ihrer Lokalisierung in den Präferenzen kaum weiter analysiert und nur schwer quantifiziert werden kann. Eine alternative Erklärungshypothese, die sich in den komparativ-statischen Eigenschaften, aber auch hinsichtlich der wohlfahrtstheoretischen Interpretation deutlich von den Modellen der Abschnitte 4.1.2 und 4.1.3 unterscheidet, stellt auf Beschränkungen des Zugangs zu außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen ab.
4.1.4 Landwirtschaftliche Haushaltsmodelle mit beschränktem Arbeitsmarktzugang Landwirtschaftliche Haushaltsmodelle mit beschränktem Arbeitsmarktzugang besitzen eine lange Tradition. In den frühen graphischen Analysen von Tschajanow (1966), die später von Nakajima weiterentwickelt wurden (1970, zur Genese: 1986, S. 175ff) wurde die Situation eines völlig fehlenden Arbeil~marktes unterstellt, was den Extremfall von Zugangsbeschränkungen repräsentiert. Analytische Behandlungen des Optimierungsproblems basierten zunächst auf dem etwas umständlicheren primalen Vorgehen un~ ließen daher Ld.R. keinen (Nakajima 21
Möglich bei Überwiegen der negativen Einkommenseffekte beim Vorleistungseinsat2 über die Substitutionseffekte und positiven Einkommenseffekte beim Arbeitseinsat2.
110
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
1986, S.2Iff) oder allenfalls einen (Nakajima 1986, S. 85ff, Dawson 1984) zusätzlichen variablen Faktor zu oder unterstellten konstante Skalenerträge (Auster, Silver 1976). Neuere, elegantere Darstellungen auf der Basis der Dualitätstheorie (z.B. Strauss 1986, De Janvry, Fafchamps, Sadoulet 1991, Henning 1992) verwenden Ld.R. eine der möglichen Schattenpreistechniken (s.o., 4.1.2). Ob graphisch oder analytisch, umständlich oder elegant hergeleitet, wichtigstes Ergebnis der Modelle mit fehlendem Arbeitsmarkt dürfte die theoretische Möglichkeit einer inversen Güterangebotsreaktion sein, die darauf beruht, daß eine Agrarpreissteigerung eine negativen Einkommenseffekt auf den Arbeitseinsatz ausübt, der die "normalen", expansiven Tendenzen überkompensieren kann, wenn (vgl. z.B. Strauss 1986, S. 84) - die Einkommenselastizitäten der Freizeit hoch ist die Arbeit ein wichtiger Produktionsfaktor ist bzw. nur wenige andere Faktoren variabel sind und - die Substitutionselastizität der Arbeit zu den anderen Faktoren klein ist. Vor dem Hintergrund der Theorie quasi-fixer Produktionsfaktoren (Johnson 1958) würde das Fehlen des Arbeitsmarktes mit hohen Transaktionskosten erklärt werden, die dazu führen, daß der "Verkaufspreis der Familienarbeit" , d.h. die durch das Arbeitsangebot auf dem Arbeitsmarkt (per Saldo) erzielbaren Opportunitätskosten, wegen der abzuziehenden Such-, Umschulungs- und evtl. Umzugskosten sehr niedrig ist, während der "Zukaufspreis für Fremdarbeit", d.h. die insgesamt entstehenden Kosten, z.B. wegen der auf die Fremdlöhne noch aufzuschlagenden Überwachungskosten, sehr hoch sein kann (vgl. Singh, Squire, Strauss 1986, S. 52ff, De Janvry, Fafchamps, Sadoulet 1991, S. 140f; Henning 1992, S. 101f). Ein "Marktversagen" ergibt sich jedoch nur dann, wenn der Schattenpreis zwischen Zukaufs- und Verkaufspreis fällt, andernfalls ist das Modell separabel. Eine relativierte und gerade dadurch realistische Variante beschränkten Arbeitsmarktzugangs liegt auch vor, wenn der Haushalt aufgrund von institutionell festgelegten Arbeitszeiten 'nur bis zu einer bestimmten Obergrenze oder sogar nur in einem genau bestimmten Umfang Arbeit auf den Arbeitsmarkt anbieten kann. Sobald die Restriktion wirksam ist, ergibt sich hieraus ein geringeres Nutzenniveau, ein höherer landwirtschaftlicher Arbeitseinsatz (bei einer Obergrenze für AM) und insbesondere ein Zusammenbruch der Separabilität von Haushalts- und Unternehmensbereich (Nakajima 1986, S. IOOff, Schmitt 1988b, S. 242f). Die Restriktion kann im Hinblick auf das später zu analysierende Modell als Lohneinkommensfunktion für außerlandwirtschaftlichen Arbeitseinsatz mit einer Unstetigkeit der Ableitung in Höhe der Restriktion interpretiert werden: (4.1-84) Graphisch ergibt sich das in der Abbildung 4.1-5 wiedergegebene Bild:
4.1 Haushaltsproduktion, direkter Faktomutzen, beschränkte Arbeitsmärkte
III
L(AM)
Abbild/mg 4.1-5: Absclmittsweise lineare Lolmeinkommensfunktionfür eine Person
Eingeführt in ein Haushaltsmodell würde bei pOSItivem Grenznutzen der Freizeit natürlich nie ein Punkt jenseits von R realisiert, d.h. es macht keinen Unterschied, ob man AM absolut auf R beschränkt oder den Lohnsatz bei Überschreitung auf Null sinken läßt. Bei zwei Haushalt~mitgliedern oder alternativ bei zwei unterschiedlich entlohnten Arbeit~möglichkeiten, die beide im Umfang beschrankt sind, weist die Lohneinkommensfunktion zwei Knicke auf:
Abbild/mg 4./-6: Lohneinkommensfllnktion mit :.wei beschrankten Erwerbsaltemativen
Analytisch kann die Lohneinkommensfunktion L(A M) aus Abbildung 4.1-6 wie folgt definiert werden: (4.1-85) Bei zunehmender Abwanderung aus der Landwirtschaft werden zunächst die günstigsten Erwerbsmöglichkeiten wahrgenommen bzw. die am besten für außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze qualifizierten Familienmitglieder wandern zunächst ab. Ein Haushaltsmodell mit derartigen Erwerbsmöglichkeiten wurde von Low im afrikanischen Kontext (1982, 1986) verwendet. Hier treten z.T. diskontinuierliche Reaktionen auf, wenn der Haushalt schrittweise ungünstiger werdende Erwerbsalternativen wahrnimmt. Im folgenden soll der Streckenzug der Abbildung 4.1-6 durch eine zweifach differenzierbare, konkave Funktion L(AM ) ersetzt werden, was auf unterschiedliche Weise interpretierbar ist.
I I2
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
I) Wenn das Modell tal~ächlich für einen einzelnen Haushalt gelten soll, ist die zweifach differenzierbare Funktion als Approximation anzusehen. Da die Funktionsform jedoch nicht weiter konkretisiert wird, können die zweiten Ableitungen an den "KnickstelIen" (absolut) sehr groß, allerdings nicht unendlich werden. Die grundsätzlichen Eigenschaften, insbesondere die Wirkungsrichtung von Parameteränderungen, sollten daher auch mit der approximierenden Funktion analysierbar sein. Bei größeren Haushalten und mehreren Erwerbsalternativen, wie sie für die Landwirt~chaft typisch sind, wird der Streckenzug zudem aus mehreren Abschnitten bestehen und sich dadurch einem differenzierbaren Verlauf annähern, wie sich graphisch leicht veranschaulichen ließe (Low 1986, S. 43). Die ungünstiger werdenden Einkommensmöglichkeiten können in einzelnen Haushalten auch auf Steuereffekten beruhen, sei es durch den zunehmenden Verlust landwirtschaftlicher Steuervorteile oder durch die zunehmende Steuerprogression (so z.B. begründet bei Seel 1991, S. 227). 2) Berücksichtigt man die datenschutzrechtlichen Schwierigkeiten, Einkommensdaten für einzelne Haushalte zu gewinnen, so müßten Quantifizierungen des Modells wahrscheinlich mit Durchschnittsdaten für bestimmte Haushalte erfolgen, d.h. es sind Modelle repräsentativer Haushalte zu konstruieren. Für ein Aggregat sind kontinuierliche Reaktionen jedoch weitaus wahrscheinlicher als sprunghafte Veränderungen, d.h. die differenzierbare Spezifikation ist prinzipiell sogar angemessener als abschnittsweise lineare (Programmierungs-)Modelle. Der technische Grund für die differenzierbare Spezifikation ist natürlich, daß sich die komparativ-statische Analyse hierdurch erheblich vereinfacht. Die soeben angeführten Argumente begründen jedoch auch inhaltlich, warum eine Analyse des "intermediären" Falls zwischen den Extremfällen des vollkommenen und des fehlenden Arbeitsmarktes für die agrarsektorale Realität von erheblichem Interesse ist. Im Hinblick auf die Weiterbearbeitung in späteren Abschnitten soll hier auch ein fixer Faktor, "Kapital", explizit betrachtet werden, so daß das Optimierungsproblem des Haushalts mit den außerlandwirtschaftlichen Einkommensmöglichkeiten L(A M) in strukturierter Schreibweise lautet: (4.1-86) mit A 2 Uecl- Pe2 A 4>AA
>0
Die Detenninante ß ist nicht negativ, da die eckige Klammer wegen Quasikonkavität von U(.) und - 4>AA wegen Konkavität von 4>(.) (s.u.) nicht negativ sind. Schließt man Singularität von ß zur Vereinfachung aus, ergibt sich das positive Vorzeichen. Superiorität der Freizeit impliziert ß Nyx > 0, vgl. Abschnitt 2.2.3. Da die Detenninante durch Arbeitsmarktunvollkommenheiten tendenziell größer wird (- ct>AA > 0), vermindert sich die einkommensinduzierte Ausdehnung der Freizeit der Tendenz nach im Vergleich zum separablen Modell mit 4>AA =O. Analog ergibt sich für den Konsum C: dC/dY x
=ß eyx I ß > 0
(4.1-93)
Die Reaktionen auf exogene Einkommensänderungen ähneln im Konsumbereich also weitgehend denen des separabien Modells. Dies gilt nicht für Änderungen des Produktpreises und der fixen Faktorausstattung: (4.1-94)
Wegen 4>Cl > 0 (s.u.) ergibt sich zunächst der übliche positive Einkommenseffekt für die Freizeit (vgl. 2.2-49) und (2.2-52). Wenn der Lohnsatz allerdings nicht exogen gegeben ist, erhöht die Steigerung von Agrarpreisen oder der fixen Faktoraustattung aber auch die Grenzentlohnung der Arbeit in der Einkommenserzielung (4)ACl ~ 0, s.u.). so daß ein negativer Substitutionseffekt wie bei einer Lohnsatzsteigerung im separabien Modell (2.2-54) auftritt. der dazu führt. daß die Freizeit zurückgehen kann und möglicherweise mehr gearbeitet wird. Wegen der gegenläufigen Effekte ist die Reaktion der Freizeit jedoch prinzipiell unbestimmt. woraus sich im Untemehmensbereich die Möglichkeit einer inversen Angebotsreaktion ergeben wird. Beim Konsum C wirken Einkommens- und Substitutionseffekt dagegen in die gleiche Richtung. d.h. die positive Reaktion des separabien Modells (vgl. 2.2-48) bzw. (2.2-51) wird noch verstärkt:
115
4.1 Haushaltsproduktion. direkter Faktomutzen. beschränkte Arbeitsmärkte
(4.1-95)
dC/da = dCa / d > 0. a = PO' K
Analyse der Produktions- und Faktoreinsatzentscheidungen
An dieser Stelle ist die Optimierung auf der zweiten Stufe von (4.1-86) eingehender zu betrachten. die zu der Erwerbseinkommensfunktion «P(.) führt: (4.1-96) Da «P(.) eine indirekte Zielfunktion ist, gilt für sie ebenfalls das Envelope-Theorem (Chambers 1988, S. 314), d.h. die Ableitungen bezüglich der exogenen Größen (Po' P v , A, K) ent 0 stets reduziert, und zwar auch, wenn die Gesamtarbeit aufgrund eines unbedeutenden Einkommenseffekts ausgedehnt wird, wie sich leicht zeigen läßt: dAM/da =dNda- dAdda=dNda-( dAddalA +dAL/dAdNda) =( I-dAddA) dNda-dAddal A
Die letzte Klammer ist positiv, aber kleiner als 1, wenn du > 0 ist. Nach einer Verbesserung der Rentabilität in der Landwirtschaft wird der außeriandwirtschaftliche Arbeitseinsatz also eingeschränkt, und zwar auch, wenn die Gesamtarbeit ausgedehnt werden sollte, aber die Einschränkung ist schwächer als bei exogenem Lohnsatz (LAA =
0).
Für die Reaktion des landwirtschaftlichen Angebots sind neben der unbestimmten Wirkung über die landwirtschaftliche Arbeit weitere Effekte wirksam, die stets in die normale, positive Richtung bei Zunahme der Agrarpreise oder der fixen Faktorbestände drängen: dQ/da = dQ/daiAL + dQ/dAL dAL/da = 1tPQ0 0 >0 >0 O? ? >0 ? 0 >0 >0 >0 O? ? >0 ? 0 ein positiver Einkommenseffekt gegenüber.
4.1 Haushaltsproduktion. direkter Faktomutzen. beschränkte Arbeitsmärkte
123
Übersichten (4.1-2, 4.1-4 und 4.1-7). Vor dem Hintergrund der in direkten Schätzungen tatsächlich oft sehr niedrig quantifizierten Angebots- und Faktornachfrageelastizitäten (z.B. Bauer 1986, S. 202[0 ist dies eine Modelleigenschaft, die gegenüber konventionellen "normativen" Modellen (Gewinnmaximierung bei gegebener Produktionsfunktion) bessere Erklärungsmöglichkeiten für beobachtetes Verhalten bietet und damit einen weiteren Pluspunkt darstellen kann. Arbeitsmarktunvollkommenheiten als theoretisch vielversprechendster Erklärungsansatz
Das bisherige Zwischenresümee hat vor allem die Vorzüge der drei nichtseparablen Modelle gegenüber dem Standardmodell herausgestrichen und einige Unterschiede zwischen den Modellen der Abschnitte 4.1.2 bis 4.1.4 festgestellt. In der Realität kann natürlich auch eine Kombination aller drei Phänomene vorliegen. Hier soll jedoch eine Beschränkung auf einen Ansatz erfolgen, um eine Verzettelung bei der weiteren Analyse zu vermeiden. Das übliche Vorgehen in einer empirischen Wissenschaft, wie es die Ökonomie oder spezieller die wissenschaftliche Agrarpolitik ist, wäre es nun, eine Enl~cheidung mit Hilfe einer empirische Untersuchung herbeizuführen, was z.B. an Hand der unterschiedlichen Vorzeichen der Einkommenseffekte möglich wäre. Dies soll jedoch hier nicht versucht werden, da die bisher vorgestellten Modelle in mancherlei Hinsicht noch zu weit von der Realität entfernt sein dürften. Diese vernachlässigten Aspekte, wie Erwartungsbildung, Risikoaversion, Anpassungskosten und Kapitalmarktunvollkommenheiten. von denen man Einflüsse auf langfristige Entscheidungen erwarten kann, werden weiter unten betrachtet. Vernachlässigt man diese Komplikationen. so fällt die Entscheidung innerhalb der hier beschriebenen Alternativen u.U. zugunsten des falschen Modells aus, da schon die Grundhypothese (maintained hypothesis), nämlich Bedeutungslosigkeit der o.g. Aspekte, falsch war. So sind z.B. positive Einkommenseffekte auf den Einsatz von Vorleistungen nicht mit Arbeitsmarktunvollkommenheiten allein. sehr wohl dagegen mit Risiko plus Arbeitsmarktunvollkommenheiten vereinbar (vgl. Abschnitt 4.3). Für die weitere" Annäherung an die Realität" (Brandes 1985) scheint das Modell mit Arbeitsmarktunvollkommenheiten forschungsstrategisch fruchtbarer als die Alternativen zu sein, weil die Lohneinkommensfunktion L(AM ) einer empirischen Quantifizierung u.U. eher zugänglich ist. Als Treppenfunktion könnte sie auch in konventionellen, linearen Programmierungsmodellen eingesetzt werden und eine ökonometrisch geschätzte Funktion könnte isoliert vom Gesamtmodell auf Plausibilität hin überprüft werden. Die Modelle mit direkten Nutzenwirkungen und (mit Abstrichen) mit Z-GüterProduktion sind dagegen ohne apriori Annahmen zu bestimmten Vorzeichen (wie sie in den komparativ-statischen Analysen oben gemacht wurden) so allgemein, daß in der Tat (fast) alles mit ihnen zu erklären ist und man sich dem Tautologievorwurf aussetzt. Da der Nutzen und die Z-Güter nicht meßbare Variable darstellen, können die entsprechenden Parameter kaum isoliert vom Gesamtmodell auf "Plausibilität" überprüft werden, so daß ökonomische Schätzergebnisse mit "guter Anpassung" in der Schätzperiode u.U. akzeptiert werden, obwohl sie bei veränderten Datenkonstellationen ein unrealistisches Verhalten implizieren.
124
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
Damit wird das Z-Güter-Modell hier ähnlich (zurückhaltend) beurteilt wie das Modell mit direkten Nutzenwirkungen des Faktoreinsatzes. Stigler und Becker haben mit ihren haushaltsproduktionstechnischen Erklärungen von Suchtverhalten, Gewohnheiten und anderen Verhaltenskategorien dafür plädiert, "to apply standard economic logic as extensively as possible" (1977, S. 89). Die kritische Beurteilung dieses Anspruchs durch Brandes 1988a, S. 15ff wird hier geteilt, obwohl das Prinzip, ökonomisches Verhalten möglichst weitgehend durch die Rahmenbedingungen und so wenig wie möglich durch die Präferenzen zu erklären, weitgehend unstrittig sein dürfte. Die Kritik oder die Bedenken richten sich denn auch kaum gegen dieses Prinzip, sondern eher gegen die mangelnde Beobachtbarkeit der Z-Güter: "We certainly sympathize with their methodology of assuming as far as possible that everyone has the same stable underlying preferences and constraints they face. Our only claim is that, when the intervening variables are not observable, there may be little cutting edge to the distinction between preferences and constraints, and the "explanations" offered by the approach can sometimes be complicated ways of making rather simple points." (Deaton, Muellbauer 1980a, S. 244). Letztlich sollte die Entscheidung zugunsten des einen oder anderen Modells natürlich empirisch begründet werden. Dies wird jedoch in dieser Arbeit nicht durch eine eigene empirische Untersuchung geschehen, sondern nur indirekt durch Berücksichtigung der in der Literatur vorzufindenden Ergebnisse. Zuvor soll jedoch vor agrarpolitischen Kurzschlüssen gewarnt werden, die u.U. aus der Erklärung niedriger l 0) bzw. der Inanspruchnahme von Lohnarbeit (AM< 0). Bei einem separabien Modell sollten die enl~prechenden Parameter Null sein, während siginifikante Einflüsse Arbeitsmarktunvollkommenheiten signalisieren würden. Bei Frauen bestätigte sich tatsächlich die Hypothese des beschränkten Arbeil~marktzugangs, während der Arbeitsmarkt für Männer vollkommen erschien (S. 575 f). nicht~parablen
Wie bei zahlreichen Anwendungen des separabien Modells beschränkten sich Pereira und Sumner auf die Schätzung einer reduzierten Gleichung des Gesamunodells. Ein vollständig quantifiziertes, nichtseparabies Haushaltsmodells ist dagegen die Schätzung von Thijssen 1988 auf der Basis der Daten von rd. 230 niederländischen Haushalten mit Milchviehbetrieben aus den Jahren 1970-82, wobei er den Umfang der Fremdarbeit (AM < 0) als fix ansah, so daß der Extremfall eines faktisch fehlenden Arbeitsmarktes unterstellt wurde. Die Produktionsseite wurde primal durch eine quadratische (d.h. nicht linear-homogene) Produktionsfunktion mit Vorleistungen und Familienarbeit als variablen Faktoren und Gebäude, Maschinen, Vieh und Boden als fixen Faktoren abgebildet, d.h. die Grenzentlohnung der Arbeit in der Landwirl~chaft (1tA ) wurde durch explizite (bedingte) Gewinnmaximierung bestimmt. Diese Grenzentlohnung wurde (unter Vernachlässigung der Simultanitätsprobleme) in einem AIDS-System mit zwei Gütern auf der Konsumseite als "Preis der Freizeit" verwendet. so daß ein vollständiges Haushaltsmodell geschätzt wurde, wenn auch in stark aggregierter Form. Die geschätzten Grenzentlohnungen der Arbeit erreichen kaum ein Viertel der Löhne für Fremdarbeitskräfte (Thijssen 1988, S. 75), was die Formulierung eines nichtseparablen Modells angemessen erscheinen läßt. Skepsis dürfte jedoch die nur durch Restriktionen zu erzwingende Konkavität der Produktionsfunktion auslösen, die als Bedingung 2. Ordnung für die Gewinnmaximierung zu fordern ist (vgl. (2.2-22». Auch erscheint die implizierte Angebotselastizität bei konstanter Familienarbeit von 0,415 (S. 77) angesichts der Bedeutung der übrigen fixen Faktoren recht hoch. Die Kostenfunktion für die Konsumsphäre ist konkav bei 65 % der Datenpunkte, d.h. die theoretischen Restriktionen stehen auf der Nachfrageseite in geringerem Widerspruch zu den Daten 29 • 29
Was bei zwei. Gütern und durch Normalisierung erzwungener Homogenität jedoch nicht überbewertet werden sollte. 9 Witzke
130
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
Die geschätzte Arbeitsangebotselastizität ist positiv, jedoch so niedrig (+ 0,17), daß die Angebotselastizität des Güterangebots mit variabler, endogen bestimmter Familienarbeit (= 0,420) nur marginal von der bei konstanter Arbeit (s.o.) abweicht. Für seine Schätzung schreibt Thijssen daher zu recht: Endogenizing labour in a model of the farm familiy does not have very much influence on the adaptation process of farmers when prices change" (1988, S. 78). Ob dieses Ergebnis auch in anderen Schätzungen mit anderen Datengrundlagen und anderen ModellspezifIkationen bestätigt wird, bleibt abzuwarten. Eine Schätzung, die einen gewissen Arbeitsmarktzugang berücksichtigt, ohne jedoch Exogenität des Lohnsatzes zu unterstellen, liegt m.W. im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Haushaltsmodellen noch nicht vor. Da der Ansatz Thijssens insgesamt vergleichsweise vielversprechend erscheint, wäre ein entsprechender Test mit dem Modell des Abschnitts 4.1.4 zur Erklärung der Zeitallokation durchaus wünschenswert. Allerdings ist die Bemessung des Arbeitseinsatzes nur ein Teilproblem im Gesamtkontext der Faktoreinsatz- und Konsumentscheidungen landwirtschaftlicher Haushalte. Der Befund aus Abschnitt 3.2, aber auch die Ergebnisse von R.E. Lopez 1984a und Thijssen 1988 signalisieren, daß auch in bezug auf die übrigen Faktoren kaum von einer "reinen" Gewinnmaximierung (bei gegebenem Arbeitseinsatz) ausgegangen werden kann. In den folgenden Abschnitten dieser Arbeit werden daher andere vernachlässigte Aspekte der agrarsektoralen Realität betrachtet, die auch für die anderen Faktoren relevant sein können. In bezug auf die Zeitallokation soll dabei eines der drei hier analysierten, nichtseparablen Modelle eine Art Referenzmodell sein, das in verschiedener Hinsicht erweitert wird. Der spärliche, hier zusammengetragene, empirische Befund gab kaum eindeutige Hinweise für die Auswahl, so daß hier das Modell mit Arbeitsmarktunvollkommenheiten, entsprechend der in Abschnitt 4.1.5.1 vorgetragenen theoretischen Argumentation, als Referenzmodell gewählt werden soll.
4.2 Erwartungsbildung Bei der Analyse der bisher vorgestellten mikrotheoretischen Modelle für die Angebots- und Nachfrageseite wurde auf Zeitindizes und eine explizite Berücksichtigung der Erwartungsbildung für die Ausprägung zukünftiger exogener Variablen verzichtet. Damit werden jedoch wichtige Aspekte der Realität vernachlässigt: I) Aufgrund von Lieferfristen und der Dauer des Produktionsprozesses verstreicht zwischen den Faktoreinsatzentscheidungen und dem Verkauf der Produkte i.d.R. eine gewisse Zeit, so daß die Produktpreise z.B. im nächsten Jahr unbekannte, zukünftige Größen darstellen, über die jedoch für die aktuellen Faktoreinsatzentscheidungen Erwartungen gebildet werden müssen. 2) Wenn über den Faktoreinsatz von bestimmten (fixen) Faktoren nur in größeren Zeitabständen entschieden werden soll, weil ihre kurzfristige Veränderung Anpassungskosten verursacht (vgl. Abschnitt 5.2), so sind für diese längerfristigen Festlegungen ebenfalls die zukünftigen Rahmenbedingungen relevant, und zwar nicht nur für eine, sondern für mehrere Produktionsperioden.
4.2 Erwartungsbildung
131
Bei kurzfristig wirksamen Entscheidungen über variable Faktoren (z.B. über den Vorleistungseinsatz) sind entsprechend dem Fall I vor allem Erwartungen über die Produktpreise des nächsten Jahres zu bilden. Bei den Entscheidungen über (kurzfristig) fixe Faktoren sind Erwartungen über die Preise und andere entscheidungsrelevante Größen (Kontingente ... ) aus mehreren Perioden zu bilden, und zwar nicht nur für das Produkt, sondern auch für die kurzfristig variablen Faktoren. Wenn sich die Preise in der Vergangenheit verändert haben, wird man im allgemeinen auch für die Zukunft mit veränderlichen, u.U. schwankenden Preisen rechnen. In bestimmten Ansätzen der dynamischen Optimierung (vgl. Abschnitt 5.2) werden für die Zukunft tatsächlich variable Daten unterstellt. Wenn man den Rahmen der einperiodischen, statischen Optimierung noch nicht überschreiten möchte, kann man annehmen. es werden lediglich stationäre Erwartungen über das "durchschnittliche" oder "normale" zukünftige Niveau der interessierenden Variablen gebildet, auf die sich die Entscheidungsträger in statisch optimale Weise einstellen. Da bei kurzfristigen Anpassungen Kosten entstehen, lohnt sich eine im Zeitablauf variierende "Feinabstimmung" des Faktoreinsatzes auf die veränderlichen Daten kaum, so daß sich die Unternehmen u.U. erst gar nicht mit der Vorhersage dieser kurzfristigen Änderungen bzw. des genauen zeitlichen Verlaufs der Datenänderungen "belasten". Da sich eine Reaktion auf sehr große Datenänderungen jedoch wahrscheinlich auch dann lohnt. wenn diese nur temporär sind, wäre die explizite Abbildung des dahinterstehenden Optimierungskalküls theoretisch "sauberer" (Abschnitt 5.2). Die Erwartungen über die zukünftigen Größen sind natürlich unsicher, auch wenn nur ihre durchschnittliche Höhe berücksichtigt wird. Die hieraus resultierenden Komplikationen sollen jedoch zunächst (bis zum Abschnitt 4.3) zurückgestellt werden, da auch eine angemessene Berücksichtigung der Bildung von Erwartungen über die Mittelwerte (auch wenn sie sicher und stationär sind) in agrarsektoralen Modellen keineswegs trivial und für die Angebotsseite von erheblicher Relevanz ist. Für die Nachfrage nach Nahrungsmitteln ist die Erwartungsbildung für zukünftige Daten dagegen weniger bedeutsam, da die Nahrungsmittelpreise zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung bekannt sind und Nahrungsmittel i.d.R. schnell verbraucht werden. In diesem Abschnitt werden daher Modelle der Erwartungsbildung diskutiert, die vor allem auf die Angebotsseite zugeschnitten sind, wobei "autoregressive" und "rationale" Ansätze unterschieden werden können. 4.2.1 Autoregressive Erwartungen Bei dieser Form der Erwartungsbildung wird die vorauszuschätzende Größe 1 als Funktion der in der Vergangenheit beobachteten Werte der gleichen Variable, d.h.
1
Entsprechend den oben gemachten Anmerkungen ist das typische Beispiel für eine vorauszuschätzende Größe der Produktpreis PQ' Alternativ oder zusätzlich können jedoch auch zukünftige Faktorpreise PVi oder Kontingente (Arbeitsmarktunvollkommenheiten) unbekannt sein. Um die Interpretation für den Preis(vektor) im Text nicht einzuengen und die Notation zu vereinfachen, soll auf Indizes oder Fettdruck bei Pt verzichtet werden. 9'
132
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
autoregressiv geschätzt. Wenn z.B. der Preis Pt+ l vorauszuschätzen ist, ergibt sich der erwartete Preis P~.l also nach: (4.2-1) Im folgenden sollen einige, zunehmend komplexere Beispiele von (4.2-1) betrachtet werden, die in der empirischen Forschung Bedeutung erlangt haben. Naive2 Erwartungen
Bei der einfachsten Form von (4.2-1) wird angenommen, alle Koeffizienten von e(.) einschließlich der Konstanten seien Null mit Ausnahme des Koeffizienten (= I) für den letzten, beobachteten Preis Pt: (4.2-2) Wenn der wahre Prozeß, dem der Preis Pt folgt\ ein sog. "randorn walk" darstellt, der keinerlei systematische Veränderungen zeigt (Pindyck, Rubinfeld 1981, S. 49f), (4.2-3)
°
mit EE, = 0, E[E, Es] = für s '" t, ist diese Form der Erwartungsbildung, die auch dem einfachen Cobwerb-Modell zugrundeliegt nicht "naiv", sondern die bestmögliche, d.h. eine Preiserwartung P~ entspricht dem wahren Erwartungswert EP,: (4.2-4) Sobald die Preisentwicklung jedoch gewisse systematische Regelmäßigkeiten aufweist, weicht die naive Preiserwartung P~ vom tatsächlichen Erwartungswert ab und andere Modelle sind plausibler, da sie die Preisentwicklung besser vorausschätzen. In einigen der oben im Abschnitt 3.2 vorgestellten empirischen Angebotsanalysen wurde dennoch gerade dieses einfachste Modell der Erwartungsbildung unterstellt, z.T. jedoch auch nach Überprüfung und in Kombination mit Elementen "rationaler" Erwartungsbildung (Rossi 1984, S. 371 f; Grings 1985, S. 110f; Shumway, Alexander 1988. S. 154: Mclntosh, Shumway 1991, S. 293). Extrapolative Erwartungen
Hier wird der zuletzt beobachtete Preis Pt korrigiert um einen Teil der in der letzten Periode erfolgten Preisänderung, d.h. diese Preisänderung wird teilweise in die Zukunft "extrapoliert" : Andere Bezeichnungen sind "klassische" (Nerlove 1961, S. 45 f) oder auch "statische" (Nerlove, Grether, Carvalho 1979, S. 296) Erwartungen, wobei im letzten Fall Verwechslungsmöglichkeiten mit dem oben definienen Konzept "stationärer" Erwartungen bestehen. ~
Die jeweils betrachteten Zufallsvariablen werden im folgenden durch Kursivdruck gekennzeichnet, außer, schreibtechnisch bedingt, bei griechischen Buchstaben, d.h. in (4.2-3): P, und Er Dagegen ist pt • l zum Zeitpunkt t gegeben.
4.2 Erwartungsbildung P~+I =
Pt + a (Pt - Pt-I)
133
(4.2-5)
Wenn man allerdings annimmt, daß die vergangene Preisentwicklung Informationen für die zukünftigen Preise enthält, erscheint es etwas willkürlich, nur die Preise der Perioden t und t-l zu berücksichtigen (Nerlove 1961, S. 46). Diese Willkür besteht implizit wie bei den naiven Erwartungen darin, eine ganz spezifische Form für den Zufallsprozeß anzunehmen, der die beobachteten Preise hervorbringt, und zwar (4.2-6) mit a < I, ßPt = Pt-Pt-I und, wie üblich EE, = O,E[E, Es] = 0 für s *- t. In diesem Spezialfall ent~pricht die extrapolative Erwartungsbildung wieder dem mathematischen Erwartungswert des wahren Prozesses:
(4.2-7) Die extrapolative Erwartungsbildung kann zu einer destabilisierenden Lagerhaltung führen (Henrichsmeyer, Witzke 1991, S. 319f), spielt jedoch empirisch anscheinend keine große Rolle (Fisher, Tanner 1978, S. 246f). Adaptive Erwartungen
Hierbei wird nicht der aktuelle Preis Pt' sondern der für die aktuelle Periode erwartete Preis P~ korrigiert, um die nächste Preiserwartung zu erzeugen und zwar um einen Teil des letzten Vorhersageirrtums. so daß ein Lernvorgang unterstellt wird: (4.2-8) Bei Auflösung der Differenzengleichung nach P~+I erkennt man, daß hierbei geometrisch abnehmende Gewichte für die vergangenen Preise impliziert sind: P~+I -(l-a)p~ = (l-(l-a)L) P~+I = a Pt P~+I
= (l-(l-a)L)-1 a Pt = ~;:o a(l-a)i Pt-i
(4.2-9)
mit dem Lag-Operator L. Abnehmende Gewichte für weiter zurückliegende Preise ret1ektieren die Überlegung, daß die weiter zurückliegenden Preise stärker von Faktoren beeinflußt waren. die U.U. nicht mehr in der Zukunft wirksam sind, so daß der Informationsgehalt der jüngsten Preise höher einzuschätzen ist. Es gibt Hinweise aus Befragungen, daß zahlreiche Entscheidungsträger ihre Erwartungen adaptiv bilden (Nerlove 1958a, S. 45ff; Fisher, Tanner 1978,S.246f). Muth hat genauer abgeleitet (1981, S. 24), bei welchen stochastischen Prozessen adaptive Erwartungen eine unverzerrte Vorhersage des zukünftigen Preises ermöglichen. Man unterstelltdazu z.B.
134
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
(4.2-10) mit EE r =0, E[Es Er]
= 0, S * t
Der Preis resultiert also aus dem aktuellen Störterrn EI und der summierten Nachwirkung aller vergangenen Störterme, die alle mit dem Bruchteil a (O 0) aus, so folgte auch av/apQ ~ 0, av/ap Vj < 0 (Abschnitt 2.2.2). Bei unsicherem Produktpreis haben Batra und Ullah 1974 die entsprechenden Eigenschaften abgeleitet, indem sie den Einsatz (zweier) Faktoren explizit mit Hilfe einer quasi-konkaven Produktionsfunktion analysierten und ansonsten wie Sandmo 1971 vorgingen (S. 544ff): - av/ap Vi < 0 folgt nicht mehr einfach aus der Bedingung 2. Ordnung, sondern zwingend nur noch bei kooperierenden Inputs. - av/aP Q ~ 0 gilt auch bei Unsicherheit in Verbindung mit kooperierenden Inputs stets, wenn die absolute Risikoaversion abnimmt (RA' < 0). - av/ap Vj < 0 kann auch bei normaler Technologie und abnehmender absoluter Risikoaversion nicht mehr eindeutig hergeleitet werden, d.h. Bruttosubstitute sind auch unter "normalen" Bedingungen möglich. Diese Ergebnisse sind von Ebstein 1978 verallgemeinert worden auf das Problem mit Unsicherheit auch bei den Inputpreisen und "verzögerter" Unsicherheit bezüglich bestimmter Faktoren ("Kapitalgüter") bei gleichzeitiger "unverzögerter" Unsicherheit bezüglich der übrigen Faktoren. Er untersuchte also das Problem:
12 Pope zeigt, daß die in empirischen Analysen oft gebrauchte Form des Erwanungsnutzens EU =Elt + E[lt-Elt]2 + a3 E[lt_Elt]3 +... "normale" Angebotsfunktionen und Einhaltung der üblichen Symmetriebedingungen gewährleistet. Ihre Interpretation ais Tay1or-Approximation für beliebige Nutzenfunktionen (Pope 1978b, S. 83) scheint jedoch Tücken zu haben: Schot\ bei einer quadratischen Nutzenfunktion ergibt sich bekanntlich aufgrund der steigenden Risikoaversion die Möglichkeit inverser Angebotsfunktionen.
az
4.3 Unsicherheit in Haushaltsmodellen
155
(4.3-37)
Wie die Zeitindizes andeuten sollen, muß über den Einsatz der Kapitalgüter entschieden werden, bevor die Produkt- und Vorleistungspreise bekannt sind ("verzögerte" Unsicherheit) während über den Vorleistungseinsatz nach Bekanntwerden aller Preise. d.h. nach Autlösung der Unsicherheit enl~chieden werden kann ("unverzögerte") Unsicherheit. In diesem Fall ist zumindest für den Kapitaleinsatz aRA/alt< 0 (auch bei normaler Technologie) keine hinreichende Bedingung mehr für eine "normale" Reaktion auf Produktpreissteigerungen (aKlaEP Q > 0). Hierfür müßte die absolute Risikoaversion geniigend schnell abnehmen, genauer (Ebstein 1978, S. 254) (4.3-38) Die zweite Ableitung der Gewinnfunktion ist wegen ihrer Konvexität positiv, so daß die Bedingung für einen "normalen" Kapitaleinsatz restriktiver als bei Batra, Ullah ist. In bestimmten Fällen wird es offenbar vorgezogen, auf Preissteigerungen nur mit einer Erhöhung des Vorleistungseinsatzes zu reagieren und den gewonnenen Einkommensspielraum zu einer Reduktion des Kapitaleinsatzes zu nutzen, der mit größerem (verzögertem) Risiko behaftet ist (vgl. auch NickeIl 1978, S. 72ff). Die normale Reaktion auf Steigerungen des eigenen Faktorpreises (aKlaPK < 0) gilt hingegen wie bei Batra und Ullah, wenn RA' < 0 und kooperierende Inputs vorliegen. Zunehmende Unsicherheit Während oben die Optimalbedingungen bei Risikoaversion und Unsicherheit mit der Gewinnmaximierungssituation verglichen wurden und so der "Eintluß der Unsicherheit" indirekt sichtbar gemacht wurde, sollen hier die Ergebnisse direkter komparativ-statischer Untersuchungen wiedergegeben werden. Dabei wird "zunehmende Unsicherheit" (in formellen Details durchaus unterschiedlich) operationalisiert, indem man eine Erhöhung der Streuung der Verteilung simuliert, die den Mittelwert konstant läßt "mittelbewahrende Spreizung", ("mean preserving spread" (mps) vgl. Newbery, Stiglitz 1981, S. 76ff). Hiermit wird der Eintluß der Unsicherheit theoretisch sauberer isoliert, weil er voll in das Erwartungsnutzenmodell integriert ist. Bisher wurden lediglich hinreichende Bedingungen für die vermutete Verminderung des Angebots als Folge vergrößerter Unsicherheit in verschiedenen Modellen erarbeitet. Erste Ergebnisse von Sandmo 1971, Ishii 1977 und von Batra, Ullah 1974 mit der ersten Variante der "mittelbewahrenden Spreizung" erzielt. Hierbei ersetzt man in den Optimalbedingungen PQ durch IlPQ-Cl, wobei der multiplikative Faktor 11 anfangs den Wert 1 und die additive Korrektur Cl anfangs den Wert 0 hat. Anschließend untersucht man, welchen Effekt eine "Aufblähung" der Verteilung von PQ (über 11) in Verbindung mit einer additiven Korrektur (über Cl) hat, bei der EPQ konstant bleibt, d.h.
156
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
dE[IlP Q-al = 0 da/dll = EP Q
(4.3-39)
Den Effekt vergrößerter Unsicherheit analysiert man nun durch implizite Differentiation der Optimalbedingungen nach II unter Beachtung von (4.3-39), Batra und Ullah 1974 ermittelten, daß Faktoreinsatz und Produktion eindeutig zurückgehen, wenn II gesteigert wird (S. 542ff). Diese Ergebnisse wurden von Ebstein 1978 verallgemeinert im Rahmen seines Modells (4.3-37). Er verwendete allerdings die zweite, allgemeinere, formale Interpretation vergrößerter Unsicherheit. Bei dieser Vorgehensweise wird der Preis P Q nicht durch llP Q-a ersetzt, sondern durch PQ*=PQ+llV
(4.3-40)
mit Ev = 0, Ev 2 = I wobei anfangs II = 0 gilt und vergrößerte Unsicherheit nicht durch die erste Ableitung nach II gemessen wird, die nach (4.3-40) Null wird (E[dP Q·'dlll = Ev = 0), sondern durch die zweite Ableitung. Durch (zweimalige) implizite Differenziation der modifizierten Optimalbedingung zu (4.3-37): (4.3-41) an der Stelle II = 0 erhält er, in kompakter Schreibweise (S. 256): (4.3-42) Der resultierende Ausdruck ist ausführlich geschrieben sehr komplex, insbesondere wenn man nicht vereinfachend von Vektoren mit nur einem Element ausgeht. Da EU KK < 0 wegen der Bedingung 2. Ordnung zu (4.3-37), sinkt der Faktoreinsatz bei Vergrößerung der Unsicherheit, wenn EU KPQPQ ebenfalls< 0 ist. Anschaulicher kann man argumentieren: Wenn UK konkav in (P Q , P v) ist, d.h. UKPoPQ < 0, sinkt EU K durch Erhöhung der Streuung von P Q. Eine erneute Erhöhung von EU K auf den Gleichgewichtswert (= O) verlangt, daß der gleichgewichtige Kapitaleinsatz K sinkt. Wegen (4.3-43) hängt das Ergebnis von Eigenschaften 3. Ordnung der Nutzenfunktion U und von der Technologie bzw. der Gewinnfunktion ab. Bei konstanten Skalenerträgen ist 1tK konvex in (PQ.P v), so daß nur bei "genügender" Krümmung von U' die Bedingung UKPoPQ < 0 resultieren kann. Hinsichtlich der unverzögerten Unsicherheit bezüglich des Vorleistungseinsatzes besteht somit eine gewisse Risikoaffinität, so daß der Kapitaleinsatz u.U. sogar steigen kann, wenn die Unsicherheit vergrößert wird. Unterstellt man dagegen, auch über den Vorleistungseinsatz müsse vor Kenntnis der Preise entschieden werden, so sinkt der Kapitaleinsatz bei verzögerter Unsicherheit, wenn:
4.3 Unsicherheit in Haushaltsmodellen
157
(4.3-44) Diese hinreichenden Bedingungen (vgl. auch Newbery, Stiglitz 1981, S. 80ff) sind zwar nicht unplausibel, aber doch deutlich restriktiver als die bei der ersten, weniger allgemeinen Variante zur Operationalisierung vergrößerter Unsicherheit gemachten Annahmen. Dort war lediglich abnehmende Risikoaversion nötig, um zu zeigen, daß die Angebots- und Faktoransatzmengen bei vergrößerter Unsicherheit zurückgehen. Die formal hergeleiteten Bedingungen illustieren, daß sich intuitiv erwartete Ergebnisse manchmal durchaus nicht zwingend einstellen. Unsichere Erträge
Ertragsunsicherheit, die durch eine multiplikative Störgröße E in der Produktion abgebildet werden kann, enl~pricht in ihrer Wirkung weitgehend der Unsicherheit bei den Output-Preisen. Man kann daher die bisher dargestellten Ergebnisse Z.T. auf dieses Problem übertragen, wenn man PQ als stochastischen Stückerlös des aggregierten Faktol'einsatzes uminterpretiert: (4.3-45) Schreibt man z.B. die Optimal bedingungen für den Faktoreinsatz (4.3-32) um, zu (4.3-13), so resultiert:
enl~prechend
E[U'(PQ fj - Py)l ,), 0 fj E[U'P Ql = f; (EU' EP Q + CoV(U',PQ» ~ Pyj EU' fj EPQ,), Pyj - fj CoV(U',PQ)/EU'
(4.3-46)
Aus (4.3-46) ist zunächst in der zweiten Zeile ablesbar, daß auch bei multiplikativ verbundener Ertragsunsicherheit (bzw. bei unsicherem Produktpreis) die Bedingungen für Kostenminimierung (f/tj = Py/Pyj) weiterhin gelten. Da jedoch CoV(U',PQ ) < O. ist das erwartete Wertgrenzprodukt aller Faktoren Vj in dieser Formulierung höher als der Faktorpreis. Bei kooperierenden Inputs fij > 0 folgt hieraus, daß der Einsatz aller Faktoren niedriger ist als ohne Risiko (Hartmann 1975), was "risikol'edllziel'enden Inputs" (zum Folgenden: Pope, lust 1977; Pope. Kramer 1979) offensichtlich nicht gerecht wird. Gerade in der Landwirtschaft dient ein großer Teil des Faktoreinsatzes der Risikoverminderung. Bei Vorleistungen ist etwa an Versicherungen, Impfungen. prophylaktischen Pestizideinsatz und krankheil~resistentes Tier- und Pt1anzenmaterial zu denken, beim Kapitaleinsatz an nur bei Dürre eingesetzte Beregnungsanlagen und generell an "Sicherheil~zuschläge" bei der Maschinenkapazität zum Ausgleich unvorhergesehener Ausfälle. Beim Arbeitsaufwand haben zahlreiche Kontrolltätigkeiten vor allem die Punktion, Ausfälle möglichst rasch zu erkennen und in ihren negativen Auswirkungen begrenzen zu können. Um den gesteigerten Faktoreinsatz bei den risikovermindernden Inputs abbilden zu können, ist statt einer multiplikativen Störgröße bei f(.) z.B. die folgende Konkretisierung des allgemeinen Modells (4.3-10) geeignet:
158
mit
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle max EU(1t) = EU(PQQ - Pv'V) Q.V
(4.3-47)
Q = f(V,K,e) :; g(V,K) + e h(V,K) g,h,gi' -gii > 0 Ee =0 hi > 0 bei risikosteigemden Inputs hi < bei risikoreduzierenden Inputs
°
Multiplikativ verknüpftes Risiko ergibt sich als Spezialfall, wenn g = h, da dann gilt: f = (1 +e)g. Sicherheit ergibt sich (u.U. asymptotisch), wenn h(.) bei hohem Einsatz der risikoreduzierenden Inputs gegen Null tendiert (Fabella 1988, S. 958). Aus den Optimalbedingungen zu (4.3-47), z.B. für die ite Vorleistung:
°
E[U'(PQ(gvi + hVi e)- P v)] = PQ gVi + PQ hVi E[U' . e]IEU' = P Vi PQ gVi + P Q h Vi COV(U',e)/EU'= P Vi (4.3-48)
°
folgt wegen CoV(U',e) < 0, daß der Einsatz des variablen Faktors i gegenüber der Situation mit Sicherheit (e = = konst.) oder Risikoneutralität (U" = CoV(U',e) = 0) reduziert ist bei h vi > (risikosteigemde Inputs) und erhöht ist bei h Vi < (risikoreduzierende Inputs), wenn der Einsatz der übrigen Faktoren konstant gehalten wird 13 •
°
°
Dividiert man (4.3-48) durch die entsprechende Bedingung für den Faktor j, so erkennt man, daß die Relation der erwarteten Grenzprodukte (Efvi = gVi + h Vi Ee = gVi) von der Relation der Faktorpreise abweicht gVi + hviCoV(U' ,e)/ EU' = PVi gVj + hvjCoV(U' ,e)/ EU' PVj
(4.3-49)
Damit gilt die übliche Bedingung für Kostenminimierung (gv/gVj = Pv/PVj) nur bei h Vi = gVi' d.h. in dem Spezialfall multiplikativ verknüpfter Störgrößen. Die vergrößerte Allgemeinheit dieser Beschreibung der Ertragsunsicherheit führt dazu, daß in komparativ-statischen Untersuchungen weitere, oft erwartete Eigenschaften der Faktornachfragen nicht oder nur unter restriktiveren hinreichenden Bedingungen zu beweisen sind. Durch Ableitung der Optimal bedingungen (4.3-48) nach dem Satz über implizite Funktionen fanden Pope und Kramer 1979: - Eine "mittelbewahrende Spreizung" (mps) von e und eine Erhöhung der absoluten Risikoaversion reduzieren (erhöhen) den Faktoreinsatz, wenn alle Faktoren risikosteigernd (risikoreduzierend) und komplementär (fij > 0) sind. Wenn dagegen z.B. risikoreduzierende und risikosteigernde Faktoren nebeneinander vorkommen, ist die Reaktion ohne zusätzliche Bedingungen nicht vorhersehbar (Pope, Kramer 1979, S. 494 f). - Im Gegensatz zur Situation mit multiplikativ verknüpftem Ertragsrisiko genügen RA' < 0, f ü < 0, fij > nicht, um sinkende Faktornachfragefunktionen und positive Reak-
°
13
Weitergehende Aussagen sind hier nicht möglich, ohne die Vorzeichen von gij' hij zu beschränken, vgl. Pope, Kramer 1979, S. 491.
4.3 Unsicherheit in Haushaltsmodellen
159
tionen des Faktoreinsatzes auf Produktpreissteigerungen herzuleiten (Pope, Kramer 1979, S. 495ff empirisch: Love, Buccola 1991). Mit einem einzigen Faktor und RA' < o sinkt die Faktornachfrage zwingend nur, wenn er risikosteigernd ist und die Reaktion auf Produktpreissteigerungen bleibt offen (Leathers, Quiggin 1991, S. 759f). Damit kann die theoretische Möglichkeit einer inversen Angebotsreaktion nicht ausgeschlossen werden. Die Komplikationen technologischer Unsicherheit reichen noch weiter, wenn man für f(V,K,E) nicht die Spezifikation in (4.3-47) wählt, sondern bei der allgemeinen Formulierung bleibt. Da die stochastische Größe im allgemeinen nichtlinear auf die Produktion einwirkt. verhalten sich selbst risikoneutrale Anbieter (mit U' = konst.), als ob sie risikllavers seien (vgl. Just 1975). Bei Risikoneutralität wird zwar das erwartete Wertgrenzprodukt in Übereinstimmung mit dem Faktorpreis gebracht, aber wegen der nichtlinearen Einflußnahme der Störgröße E hängt dieses erwartete Wertgrenzprodukt auch von der Varianz von E ab. wie man leicht durch eine entsprechende TaylorApproximation zeigt: PVi = PQ E[fi(V. E. E)] - PQ E[f;(V,K. EE) + fie(V,K, EE)(E-EE) + 0,5 fiff(V,K. EE)(E-EE)21
= PQ [f;(V.K.EE) + 0,5 fiff(V.K, EE) Var EI
(4.3-50)
Beispiele für derartige Effekte können übe/proportional ansteigende Kosten für Lagerhaltung oder Futterzukauf sein. wenn die "normale" Schwankungsbreite überschritten wird. Zusammenfassung: Unsicherheit und Unternehmensreaktion
Die Berücksichtigung von Unsicherheit erschüttert zahlreiche "Erkenntnisse" der auf der Gewinnmaximierung beruhenden Mikrotheorie: - Angebotsfunktionen können invers verlaufen, wenn die absolute Risikoaversion steigt (RA' > 0), wenn Preisveränderungen nicht nur die erwarteten Mittelwerte, sondern auch deren erwartete Streuung beeinflussen, wenn bei Ertragsunsicherheit risikoreduzierende Faktoren eingesetzt werden. - Outputunkompensierte Faktornachfragefunktionen sind im allgemeinen nicht symmetrisch und homogen vom Grade 0, können bei Ertragsunsicherheit mit risikoreduzierenden Inputs steigenden Verlauf haben, können negative Ableitungen nach dem Produktpreis haben, wenn für andere Faktoren lediglich unverzögerte Unsicherheit bezüglich der Preise bestehen oder wenn Ertragsunsicherheit mit risikoreduzierenden Inputs vorliegt, und zwar auch bei abnehmender absoluter Risikoaversion (RA' > 0) und kooperierenden Inputs (fij > 0).
160
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
Unsichere Produktpreise führen dazu, daß außer bei Risikoneutralität nicht der erwartete Gewinn, sondern der Erwartungsnutzen maximiert wird, so daß Gewinnfunktionen nicht mehr anwendbar sind. Die entsprechenden indirekten (Erwartungs-) Nutzenfunktionen erlauben jedoch keine einfachen Ableitungen der Angebots- und Faktornachfragefunktionen analog zu Hotellings Lemma (Pope 1978b, S. 77). Mißerfolge und theoretische Inkonsistenzen bei der empirischen Anwendung von Gewinnfunktionen können damit auf der Unsicherheit über die Produktpreise beruhen (R.E. Lopez 19!i2, S. 356 f). Solange die Faktorpreise sicher sind und sich Ertragsunsicherheit lediglich in multiplikativ verknüpften Störgrößen manifestiert, können Kostenfunktionen angewendet werden, da Kostenminimierungsverhalten weiterhin vorliegt. In allgemeiner fOImulierten Modellen für Ertragsunsicherheit wird auch das fragwürdig, weil die Inputs unterschiedliche Einflüsse auf die Sicherheit der Erträge ausüben. Da dieser Fall in der Realität vorliegen dürfte, können mit Ertragsunsicherheit auch die Mißerfolge bei der Anwendung von Kostenfunktionen erklärt werden. Diese Komplikationen waren U.U. intuitiv vorhersehbar. Weniger gut vorhersehbar sind sicherlich die hinreichenden Bedingungen, bei denen die normalen Reaktionen auch bei Unsicherheit zwingend erhalten bleiben. Auch in bezug auf die Stärke der Reaktionen sind Überraschungen möglich: Die Reaktionen auf Veränderungen des erwarteten Preises kann schwächer, aber auch stärker ausfallen als bei Sicherheit. Die Intuition, die sicherlich eine eindeutige Dämpfung der Reaktionen erwartet, überträgt hier unzulässigerweise die Effekte in bezug auf das Niveau des Faktoreinsatzes (normalerweise negativ) auf die Veränderungen des Faktoreinsatzes.
4.3.3 Unsicherheit in landwirtschaftlichen Haushaltsmodellen An dieser Stelle soll untersucht werden, wie ein unsicherer Produktpreis im Rahmen eines nichtseparablen, landwirt~chaftlichen Haushaltsmodells auf seine komparativstatischen Eigenschaften wirkt. Da die oben vorgestellten Komplikationen und Mehrdeutigkeiten der Eigenschaften von Unternehmensmodellen hier nicht verschwinden werden. sondern in Wechselwirkung treten mit den bekanntlich auch in einer sicheren Umgebung mehrdeutigen Reaktionen der Haushaltssphäre (Abschnitt 4.1), erscheint vorläufig eine Beschränkung auf dan klassischen und einfachsten Fall als angemessen: Bei sicheren Vorleistungspreisen und nicht stochastischer Technologie muß über den Vorleistungseinsatz entschieden werden, bevor der ex-ante unsichere Produktpreis bekannt ist. wie im Sandmos Modell (4.3-10):
max {EU(C, N): C = Y/Pe,Y == 1t + L(A M) + Yx'
AL·A".Q
1t
== PQQ - c(PV,AL.K, Q), N
=T -AL - AM }
mit PQ = EPQ + E, EE =0 und den üblichen Symbolen, insbesondere:
(4.3-51)
4.3 Unsicherheit in Haushaltsmodellen
L(.) N T C AL AM Z(.) c(.)
161
Konkave Lohneinkommensfunktion mit LA ~ 0, L AA < 0 "Freizeit" bzw. Nichterwerbszeit Gesamtzeit des Haushalts Konsum Arbeit in der Landwirt~chaft Außerbetriebliche Arbeit Zielfunktion nach Substitution aller Variablen Restringierte Kostenfunktion
Im Unternehmensbereich entspricht die Notation den bisherigen Modellen, wobei mindestens der Faktor Boden als fix betrachtet wird, so daß die Technologiemenge als konvex in den variablen Faktoren Arbeit AL und Vorleistungen und die Kostenfunktion c(.) als stark konvex in AL und Q angenommen werden kann und somit cAA' cQQ > 0 und (CAACQQ-CAQ2) > 0 gelten (vgl. McFadden 1978, S. 102ft). Im Haushaltsbereich sind die Sparentscheidungen weiterhin ausgeklammert, da sie eigentlich nur im Rahmen von dynamischen Modellen (mit Kapitalmarktunvollkommenheiten) zu erklären sind. Bei den Arbeitseinsatzentscheidungen erlaubt die konkave Funktion L(.) die Berücksichtigung von Arbeitsmarktunvollkommenheiten, d.h. entsprechend der Beurteilung in Abschnitt 4.1.5.1 wird die für die Modellbildung U.U. fruchtbarste Modifikation separabier Modelle weiterbearbeitet. Eine vergleichbare Analyse wurde kürzlich von Dawson 1988 vorgelegt. Dort wurde allerdings die Arbeit als einziger variabler Produktionsfaktor unterstellt. Außerdem wurden, gemessen an (4.3-51) nur die Extremfälle AM = 0 (keine Vert1echtung mit dem Arbeil~markt) oder L AA = 0 (vollkommener Arbeitsmarkt mit exogenem Lohnsatz) untersucht, die zu vereinfachten Modellen führen (AL als einzige Entscheidungsvariable bei der Zeitallokation oder Separabilität von Untemehmens- und Haushaltsbereich). Eine verwandte Analyse hat 1987 auch Sproule durchgeführt, die jedoch noch stärker als die von Dawson zu wünschen übrig läßt: - Produktionsfunktion und Kostenfunktion wurden als separabel und linear in bezug auf AL angesehen, so daß die sehr restriktiven Annahmen CAA = c AQ = 0 gemacht werden. - Die Produktionsfunktion soll linear-homogen in den Vorleistungen sein. was bei konstant gehaltenem AL und K unwahrscheinlich ist. - Sein entscheidendes, aber unbewiesenes Lemma 2 (S. 132) impliziert bei UD: = O. daß E[Un,·(PQ-c Q )] < 0 ist, was dem bekannten. oben wiedergegebenen Ergebnis von Sandmo 197 I widerspricht. Das Modell (4.3-51) stellt demnach eine Verallgemeinerung dieser beiden Analysen dar. Zur Vereinfachung wird wie bei Dawson 1988 UNC = U NCC = 0 angenommen. Die damit unterstellte additive Nutzenfunktion kann auch als Approximation interpretiert werden, die sich in vielen praktischen Fällen bewährt hat (Anderson, Dillon, Hardaker 1977, S. 87; Keeney, Raiffa 1976, S. 219ff). Da sich die komparativ-statischen Ergebnisse auch ohne die qualitativ vermutlich weniger bedeutsamen Interaktionseffekte in der Nutzenfunktion z.T. nur schwer interpretieren lassen werden, erscheint eine Be11 Witzke
162
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
schränkung auf das Wesentliche ratsam. Die Bedingung UNC = 0 impliziert gleichzeitig die weiteren Voraussetzungen, die Sproule und vor ihm Block, Heinecke 1973 für eine überschaubare Analyse eingeführt haben, nämlich a(-UcdUc)/aN == aRA/aN = 0 und eine positive (normale) Reaktion der Freizeit auf Einkommenssteigerungen (vgl. Abschnitt 2.1.2). Die Bedingungen erster Ordnung zu (4.3-51) lauten: (4.3-52a) (4.3-52b) (4.3-52c) Aus (4.3-52c) resultiert wie im Untemehmenskontext eine durch die Unsicherheit verminderte Produktion, da co< EPQ' d.h. dco < 0 folgt, vgl. oben (4.3-13), zumindest, wenn der Lohnsatz exogen ist. In diesem Fall ergibt sich nämlich aus -CA = LA = L durch implizite Differentiation dNdQ = - cAdcAA und somit (4.3-53) wegen starker Konvexität von c(.) in AL und Q. Bei cAO < 0 (durch erhöhten Arbeitseinsatz sinkende Grenzkosten) ergibt sich hieraus auch ein verminderter Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft, doch werden die Effekte der Unsicherheit später noch eingehender betrachtet. In (4.3-52) sind alle monetären Größen (cj,LA,PQ) "normalisiert" durch Bezug auf den Konsumgüterpreis, d.h. man kann (4.3-52) kompakter schreiben als (4.3-52a)' (4.3-52b)' (4.3-52c)'
Weil der Konsumgüterpreis im folgenden als konstant angesehen wird, kann die Kennzeichnung normalisierter Größen (0) bei den weiteren Ableitungen zur Vereinfachung der Notation unterbleiben, da alle monetären Größen normalisiert sind und ein Wechsel zu nicht normalisierten Größen nicht erforderlich sein wird. Durch totale Differentiation von (4.3-52)' nach den endogenen Größen AL. AM und Q sowie den exogenen Größen Y und PQ erhält man damit die folgende Ausgangsgleichung für die hier durchzuführende komparativ-statische Analyse:
4.3 Unsicherheit in Haushaltsmodellen
E Q9 Q9 E -Q9 R -EU c
1 •
X (dY dP. )
163
(4.3-54)
Q
mit den positiven Hilfsvariablen: 9 == - LA2EU cc ,-EU NN = - CA2EUcc,-EUNN > 0 falls Uee ' UNN < 0 9E == - LAEU cc > 0 9 R == E[Un,(PQ-c Q )] > 0 falls aRA/aC == RA' < 0 Die Hessesche Matrix der Zielfunktion auf der linken Seite von (4.3-54) muß im Optimalpunkt negativ semidefinit sein (notwendige Bedingung). In ihr überlagern sich dreierlei Effekte: - Effekte. die auch bei einer Einkommensmaximierung wirksam wären (LAA • cij ) - zusätzliche Wechselwirkungen durch die Nutzenmaximierung (9 > 0 bzw. Uee, UNN < 0) - Effekte der Unsicherheit. die z.T. nur bei abnehmender absoluter Risiskoaversion (RA' < 0) auftreten (9 R = 0 für RA' = 0). Letztere sind dafür veranwortlich. daß die Determinante d der Hesseschen Matrix nicht unzweideutig negativ ist. so daß man die Erfüllung der Bedingung 2. Ordnung nur annehmen. aber nicht beweisen kann:
mit d QAL == - 9LA 9R -(L AA EU e - 9)(-c AQ EU e + LA 9R)
=LAA cAQ (EU e )2 - LAA EU e LA- 9 R - 9 cAQ EU d QA ., == - (C AA EU e + 9)LA9 R + 9 (-c AQ EU e + LA 9 R) = - cAA EU e LA 9 R - 9 cAQ EU e d QQ == - (C AA EU c + 9) (L AA EU c - 9) - 92 = - cAA LAA (EU c )2 + 9 EUc (c AA - LAA ) > 0
bei starker Konvexität von c(.) in
(AL>
Q).
Es ergibt sich nach Zusammenfassung für d: LAA cQQ (EU c )2 9 + LAA (c AA cQQ - CAQ2)(EUc )J
[a 0 bei RA' 0, d 0, vgl. Arrow 1971, S. 96f). Unter allgemeineren Voraussetzungen scheint es dagegen (nach einigen Versuchen in dieser Richtung) nicht möglich zu sein, SK > 0 zu zeigen, was auch an anderen Stellen zu Mehrdeutigkeiten führen wird.
4.3 Unsicherheit in Haushaltsmodellen
165
Wenn die Risikoaversion bei Konsumsteigerungen abnimmt (SR> 0), wird der Einkommenserwerb in der Landwirtschaft attraktiver, so daß von dieser Seite z.T. stimulierende Wirkungen auf den landwirtschaftlichen Arbeitseinsatz ausgehen [c, d < 0]. Bei exogenem Lohnsatz nimmt der landwirtschaftliche Arbeitseinsatz daher zu (vgl. auch Dawson 1988, S. 371f). Ohne Zugang zum Arbeitsmarkt wird die Optimalbedingung (4.3-52b) und damit die 2. Zeile und Spalte aus der Hesseschen Matrix überflüssig, so daß sich statt (4.3-56) ergibt: (4.3-56)' mit Il' > 0 und SE (- CQQ EU e + E[Ucc(P Q-c Q)2])+ SR (- c AQ EU c - CA SR)
=- SE cQQ EUc - LAS K
-
CAQ SR EU c
[a < 0, b ,C > 0]
= Il'ALY x < 0 ? Der Arbeitseinsatz wird wieder reduziert, wenn die normalen Einkommenseffekte [a< 0] die stimulierenden Effekte abnehmender Risikoaversion [c > 0, evtl. b] überwiegen. Diese Effekte traten dagegen bei Dawson (1988, S. 371) nicht auf, letztlich wegen der Beschränkung auf den einzigen variablen Faktor Arbeit, so daß sein Ergebnis (stets dAddY x < 0 bzw. mit exogenem Lohnsatz d(AL +AM)/dY x < 0) ein Spezialfall ist. Auf den Einsatz der übrigen variablen Faktoren (hier implizit in c(.) abgebildet) treten bei exogenen Einkommenssteigerungen und konstantem Arbeitseinsatz eindeutig stimulierende Effekte auf. Diese Effekte führen bei kooperierenden Inputs tendenziell auch zu einer Ausdehnung des Arbeitseinsatzes und werden vernachlässigt, wenn man nur einen einzigen variablen Faktor (= Arbeit) unterstellt. Die Angebotsreaktion ergibt sich über den landwirtschaftlichen Arbeitseinsatz, so daß beide eine. ähnliche Struktur haben: (4.3-57) mit (-c AQ EU c + LAS R) { - SSE - SE (LAA EU c - S)} -LA SR { (-C AA EU c - S) SE + SSE} -SR { (-C AA EU c - S) (L AA EU c - S) - S2) = L AA (EU c )2 SE CAQ
[a > 0]
+L AA (EU e )2 SR CAA
[d 0], deren Existenz an Arbeitsmarktunvollkommenheiten (L AA < 0) gekoppelt ist, gegen~ber der stimulierenden Wirkung abnehmender Risikoaversion [c, d < 0] überwiegen, sinkt das Angebot bei einer Einkommenserhöhung. Im reinen Unternehmensmodell ergab sich dagegen zwingend eine Angebotsausdehnung (bei RA' < 0, s.o.).
166
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
Die Reaktion des außerbetrieblichen Arbeitseinsatzes weist z.T. schwer erklärbare Effekte auf: (4.3-58) mit (-c AQ EU c + LA eR) leE LA eR - e E (-cAQ EU c + LA eR)}
+ eR {(-cAA EU c - e)LA eR + e (-c AQ EU c + LA eR)} + (-c QQ EUc + E[U cc (P Q-CQ)2)) {(-cAA EUc - e) e E + eoE} = EU e 2 OE (C QQ CAA - CAQ2 )
- CAA
E[Ucc (P Q-CQ)2))
[a> 0] [b> O?]
+ CAA EU c LA e K
[c > 0]
+ CAQ eR EU c EUNN
Eine Reduktion des außerbetrieblichen Arbeitseinsatzes wird tendenziell von den üblichen Einkommenseffekten [a > 0] und der Begünstigung des landwirtschaftlichen Arbeitseinsatzes durch abnehmende Risikoaversion [c > 0] bewirkt, wobei letzterer eindeutig einem Reallokationseffekt entspricht, da der Tenn bei dAddYx mit umgekehrten Vorzeichen vorkam. Der Wirkung des Ausdrucks [b] kommt man u.U. dadurch auf die Spur, daß er (in ähnlicher Fonn) bei AL und AM präsent ist: Hier handelt es sich um eine weitere Beeinflussung des Konsums (relativ zur Freizeit), die allerdings an Risikoeffekte gebunden ist. Deren Richtung hängt jedoch über OK von RA' und von der erwarteten Verteilung der Preise ab. Da dieser Effekt in dem vereinfachten Modell von Dawson nicht auftrat, erhielt er eine eindeutig negative Wirkung auf AM (dAM/dYx < 0). Eine positive Reaktion erscheint denn auch insgesamt eher unwahrscheinlich, denn e K ist vennutlich klein (s.o.).
Änderung des Produktpreises In allen Fällen (AL' Q, AM) hat die Einführung der Unsicherheit in Verbindung mit RA' < 0 dazu geführt, daß traditionell eindeutige, komparativ-statische Ergebnisse mit einem Fragezeichen versehen werden müssen. Derartige Komplikationen ergeben sich auch bei den Reaktionen auf Produktpreissteigerungen: (4.3-59) mit (-Q eR - EU c ) {-eLA eR -(LAAEUc - 0) (-cAQ EUc + LA eR)} -LA OR {Q OE LA eR - QOE (-c AQ EUc + LA eR) }
+ (- cQQ EUc + E[Ucc (PQ-CQ)2] {QOE (LAA EUc - e) + QOE e} = QßALyx + (EU c )2
°
CAQ
+ (EU c )2 L AA (LA eR - CAQ EUc ) =
ßAt.PQ ~ 0 ?
[e > O?] [f 0]
8R
[g < 0]
= ß AMPQ > O?
Die Substitution von AM durch AL im Einkommenserwerb [f > 0, bei (4.3-59) mit umgekehrten Vorzeichen) bewirkt tendenziell eine Reduktion der außerlandwirtschaftlichen Arbeit. Der entgegengerichtete Risikoeffekt [g] ist dagegen nur schwer zu erklären. Es kann sich kaum um einen weiteren Einkommenseffekt handeln, da die produzierte Menge (Q) hierbei keine Rolle spielt. Da dieser Effekt in Dawsons Spezialfall mit Arbeit als einzigem landwirtschaftlichen Produktionsfaktor nicht vorkam, war sein Ergebnis dagegen insgesamt wieder eindeutig (negativ). Die Substitutionseffekte bei der Angebotsreaktion sind dagegen wie beim Arbeitseinsatz eindeutig positiv:
landwirl~chaftlichen
dQ/dP Q = ßQPQ/ß ~ 0 ?
(4.3-61)
mit Q ß Qyx - EU c { (-c AA EU c - 8) (LAA EU c - 8) - 82 ) =
QßQyx - (EU C)2 8 (C AA - LAA )
+ (EU C )3
L AA C AA
[e > O?]
[f< 0] [g < 0]
= ßQPQ~ 0
Dem wahrscheinlich negativen Einkommenseffekt stehen produktionssteigemde Substitutionseffekte gegenüber, die einerseits aus der Substitution von AM durch AL bei der Einkommenserzielung [f < 0] und andererseits aus der Substitution von Freizeit durch Einkommen in der Nutzenfunktion [g < 0] herrühren. Insgesamt werden die Substitutionseffekte von Preissteigerungen, wenn man von der außerlandwirtschaftlichen Arbeit absieht, weit weniger durch Risiko modifiziert als die Einkommenseffekte.
161\
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
Die qualitativen Effekte der Unsicherheit, wie sie sich in zusätzlichen Termen bei komparativstJuischen Analysen manifestieren, geben nur mit Einschränkungen (vgl. Abschnitt 4.1.2) Auskunft über die Höhe der Reaktionen im Vergleich zur Sicherheit oder im Vergleich zur Risikoneutralit.'it. Das theoretisch abgeleitete Ergebnis lautet also nicht: die Reaktionen sind größer oder kleiner, sonden!: sie sind deutlich komplizierter als bei Sicherheit.
Zunehmende Unsicherheit
Im folgenden soll der Einfluß der Unsicherheit durch eine mittelneutrale Spreizung (mps) der Verteilung von PQoperationalisiert und analysiert werden.
Dabei ersetzen wir zunächst PQ durch f..l .pQ- CI (mit da/df..l = EPQ) wie es im Unternehmenskontext von Sandmo 1971, Ishii 1977, Batra und Ullah 1974 (s.o.), Block und Heinecke 1973 in einem Arbeit~angebotsmodell und zuletzt von Sproule 1987 in einem Untemehmens-Haushaltsmodell zur Simulation vergrößerter Unsicherheit praktiziert wurde. Bei der Ableitung der Optimalbedingungen (4.3-52) resultiert (bei UNC = 0) ZAL).l
=aC-cA EUc - EUN)/af..l =-CA Q E[Ucc a(f..lPQ-CI)/af..ll
(4.3-62a)
wegen
bei RA' < O. Die positive Kovarianz wiederum ergibt sich aus: RA'
= a(-UcclUc)/aC = - (Ucc(' Uc - UCC2)/U('2 < 0
- Uccc Uc·\ < -U CC 2/U c2 Uccc ~ U(' RA 2 ~ 0
(4.3-64)
Für den Arbeitseinsatz und das Angebot gelten: (4.3-62b)
wobei das letzte negative Vorzeichen aus der bekannten Argumentation von Ishii 1977 bei RA' < 0 folgt. die hier nicht wiederholt werden soll. Ersetzt man nun die rechte Seite von (4.3-54) durch den Ausdruck - (ZAL).l' ZA\t).l' ZQ).l)' df..l, so erhält man mit der Cramerschen Regel die komparativstatischen Effekte vergrößerter Unsicherheit (wobei ZAL).l = ZAM).l): (4.3-65) mit - ZQ).l {-SLASR - (L AA EU(' - S) (-c AQ EU(' + LAS R)} - LA SR {-ZAL).l LAS R+ ZAM).l (-c AQ EU(' + LA SR)} +( -c QQ EU c + E[U cc ·(PQ-CQ)2]) {-ZAL).l(LAA EUC-S)-ZAMIl S} =
4.3 Unsicherheit in Haushaltsrnodellen
ZQIl EUc(LAA (LA 9 R - cAQ EU c ) + 9 cAQ ) + ZAUL cAQ EU c 9 R LA + ZAUL LAA EU c (C QQ EU c - E[U" ·(PQ-c Q)2])
169
[g, f> 0]
[d 0], die mit den entsprechenden Substitutionseffekten von Preisänderungen korrespondieren, wegen gesunkener Attraktivität der Arbeit in der Landwirt~chaft auf eine Einschränkung des landwirt~chaftlichen Arbeit~einsatzes drängen, wirken Einkommenseffekte vergrößerter Unsicherheit [a,d < 0] in die entgegengesetzte Richtung: Als "Versicherung" gegen Unterschreiten eines "Mindestkonsums" wird tendenziell mehr gearbeitet. Diese Mehrdeutigkeit bleibt sowohl bei LAA = 0, d.h. exogenem Lohnsatz erhalten, wie sich unmittelbar ablesen läßt, als auch bei AM = 0, d.h. fehlendem Zugang zum Arbeitsmarkt, wie sich durch Berechnen der um die zweite Zeile und Spalte reduzierten Determinante SAUL ergibt: (4.3-65)' mit~'
> 0 und
- ZQIl (c AQ EU c + CA 9 R) + ZAUL (c QQ EU c - E[U cc ' (PQ-C Q)2])
[g, f< 0]
[a > 0]
= SAUL ~ O? Während Dawson diese Effekte nicht untersucht hat. erhielt Sproule 1987 eine eindeutig positive Reaktion von Al' Sein Ergebnis beruht jedoch auf einer Fehlinterpretation von d!J, (in seinem Lemma 5, S. 133) als Erhöhung der Streuung exogener Einkommensbestandteile, für die Block und Heinecke 1973 bei RA' < 0 tatsächlich eine positive Reaktion zeigen konnten, da Substitutionseffekte hierbei keine Rolle spielen. Die Angebotsreaktion auf vergrößerte Unsicherheit korrespondiert wieder eng mit der des landwirtschaftlichen Arbeitsangebot~: (4.3-66)
mit (-c AQ EU c + LA 9 R){ -9 (-ZAMIl)+ZALIl (L AA EU c 9») -LA9R {(-C AA EU c -9)(-ZAMIl)-9 ZAUL) -ZQIl {(-CAA EU,-9)(LAA EU c -9) -9 2 ) = -ZAUL c AQ (EU C)2 LAA +ZAUL EU c LA 9 R (LAA - CAA ) +ZQIl EU c (9(L AA - CAA ) + EU c LAA CAA )
=~QIl~O?
[a O? (4.3-67) '-.r----'
>0
ist.
'
•
>0
.
'----v-' ?
ließ sich trotz einiger Versuche nicht allgemeingültig beweisen, da SK u.U. negativ
Ohne Zugang zum Arbeitsmarkt ist das Ergebnis dagegen regelmäßig unbestimmt, denn eine Kompensation der positiven Einkommens- und negativen Substitutionseffekte erfolgt nur zufällig:
dQ/dJl = Il'Q/L'l' ~ 0 ?
(4.3-66)'
mit Il' > 0 und ZQfl (C AA EU e + S)
[f, g < 0]
+ ZALIl (-c AQ EU e - CA SR)
[a, d > 0]
= Il'flQ ~ 0 ? Sproules Ergebnis (1987, S. 134) einer eindeutigen Reduktion des Angebots bei vergrößerter Unsicherheit konnte damit nicht bestätigt werden. Zuletzt sei der außerlandwirtschaftliche Arbeitseinsatz bei vergrößerter Unsicherheit betrachtet: (4.3-68) mit (-c AQ EUe + LA SR){ -ZALIl LA SR + ZAMfl (-cAQ EU e + LA SR)}
+ ZQfl {(-cAA EUcS) LA SR + S (-c AQ EU e + LA SR) + (-c QQ EU e + E[U ee (PQ-CQ)2]) {-cAA EUe -S)(-ZAMfl)-SZALIl} = - ZALIl EUc 0) dieses eindeutige Ergebnis nicht einstellt. Bei konstanter absoluter Risikoaversion (eR = 0) fallen die letzten Ausdrücke [d,g] dagegen weg und der außerlandwirt~chaftliche Arbeitseinsatz wird tatsächlich ausgedehnt. Die oben vorgestellte Bedingung (4.3-07) wäre dagegen nicht hinreichend. Zusätzlich müßte z.B. gelten: ZALIl E[U ee ·(PQ-C Q)2] - eR LA ZQfI = LA Q E[U ee .(pQ-EPQ)] E [U ee ·(PQ-C Q)2] - E[U ee ·(PQ-cQ)]L A{Q E[U ee ·(PQ-EPQ)(PQ-cQ)]+E[U e ·(PQ-EPQ)]} < 0 (4.3-69) Damit sind die Wirkungen vergrößerter Unsicherheit ebenso schwer überschaubar wie die von Preiserhöhungen. Oben wurde angedeutet, daß vergrößerte Unsicherheit auch auf eine andere Art und Weise operationalisielt werden kann, wenn man PQ nicht durch ~PQ- Cl, sondern durch PQ + ~u (Eu = 0, Eu 2 = I) ersetzt und zweimal implizit nach ~ ableitet. Für den Arbeit~einsatz resultiert z.B. ZALIl = aZAJa~ = a(-c A EU e - EUN)/a~ = -CA E[U ee Q a(pQ+~v)/a~] = - CA Q E[U ee v] = - CA Q EU ee Ev = 0 da
~
(4.3-70)
anfangs Null ist. Für die Zweite Ableitung gilt ZALfl 2
= a2ZAJa~2 = a(-cAQ E[Uee v])/a~ = - cAQ E[U eee Q v 2] = - CAQ2 E[U eee v 2] = - CAQ2 EU ece > 0
(4.3-7Ia)
da Ev 2 = I ist. Entsprechend erhält man (4.3-71b) und ZQfl2
=a2zda~2 = Q2 E[Ueee (PQ-cQ)] +2Q EUee < 0
(4.3-7Ic)
wobei die letzte Ungleichung folgt, wenn die aggregierte Produktionselastizität der variablen Faktoren< I ist, der Gewinn n unter den Gesamteinkommen liegt (n < Y), die relative Risikoaversion zunimmt (RR' > 0) und unter I liegt (RR < 1) und die absolute Risikoaversion wie bisher unterstellt abnimmt (RA' < 0), denn nach einigen Umformungen (für (4.3-7Ic) modifiziert nach Ebsteins Appendix B) ergibt sich für ZQfl2: ZQf12 =Q2 E[Ucce (P Q-c Q)] + 2Q EU ee = Q{ -E[U e R R'7tIY +Uce(RR-I)7tlY]+2E[Uce(l-7tlY)] +c(l-cQQ/C)EU cce } Q) jedoch übereinstimmen und die weitere Ableitung der oben dargestellten
172
4. Komplikationen der Mikrotheorie im Rahmen statischer Entscheidungsmodelle
Vorgehensweise entspricht, resultieren qualitativ die gleichen komparativ-statische Ergebnisse wie zuvor, solange man nicht versucht, Zil' bzw. Zil'2 mit anderen Termen zusammenzufassen. Dies ist jedoch mit den zuletzt abgeleiteten Ausdrücken noch weniger möglich als zuvor, so daß es bei den unbestimmten, oben interpretierten Effekten (4.3-65) bis (4.3-68) bleibt. Agrarsektorale Schlußfolgerungen: Unsicherheit in statischen Haushaltsmodellen
Die bisher abgeleiteten bzw. ablesbaren komparativ-statischen Effekte lassen sich zusammenfassend wie in Übersicht 4.3-1 darstellen. Haushaltsmodelle ohne Arbeit~ markt lassen bekanntlich schon bei Sicherheit inverse und normale Reaktionen des Arbeitseinsatzes zu (Abschnitt 4.1.4). Die Übersicht zeigt nochmals, daß die Reaktionen qualitativ gleich ausfallen, wenn es zwar Zugang zum Arbeitsmarkt gibt, dieser aber unvollkommen ist (AM> O. LAA < 0), und zwar auch bei Unsicherheit. Übersicht 4.3-1: Komparativ-statische Effekte in Haushaltsmodellen mit Unsicherheit, UNe Abbildung der Landwirtschaft durch eine Kostenfunktion c(PV,AL,Q) und des außerlandwirtschaftlichen Erwerbs durch eine Funktion L(A M ) dY x
dP)
dl'
dY x
dP o
dl'
Sicherheit
Sicherheit. LAA = 0 dA L
0
+
dA\!
-
-
-
-
dQ
0
+
-
RA' = O. L AA = 0
-
?
?
-
?
RA'=O
RA' = 0, A M= 0
?
-
?
?
-
+
-
-
+
+
-
-
?
?
0
+
dA\!
-
dQ
0
RA' < O. L AA = 0
dP o
dl'
Sicherheit. A M= 0
-
dA L
dY x
=0,
-
-
RA' O. "- ': dY/dX < 0, '. ': DIcht anwendbar. Erlauterung: " 0:
? ?
Die Existenz eines vollkommenen Arbeitsmarktes verändert die komparativstatischen Eigenschaften dagegen in der Weise, daß Haushalts- und Unternehmensbereich separabel werden und der landwirtschaftliche Arbeitseinsatz praktisch nach Prinzipien der (erwarteten) Gewinnmaximierung bemessen werden kann (vgl. Singh, Squire. Strauss 1986). Daher entspricht das Vorzeichenschema der Effekte in der Landwin~chaft bei Unsicherheit praktisch den in der Unternehmenstheorie abgeleiteten Ergebnissen (Sandmo 1971, Ishii 1977), wenn die Bedingung (4.3-67) gilt. Vert'olgt man die Übersicht in vertikaler Richtung, so erkennt man, daß die Einführung der Unsicherheit bei konstanter absoluter Risikoaversion praktisch keine qualitativen Modifikationen der komparativ-statischen Eigenschaften bewirkt. Es kommen lediglich die Effekte vergrößerter Unsicherheit (dll > 0) hinzu,
4.3 Unsicherheit in H,1ushaltsmodellen
173
Läßt man dagegen abnehmende absolute Risikoaversion zu, so bewirken die hiermit verbundenen zusätzlichen Terme (mit eR > 0), daß komparativ-statische Eigenschaften modifiziert werden. Oben wurde im einzelnen interpretiert, wie diese Effekte dazu führen, daß theoretisch die meisten Reaktionen wegen entgegengerichteter Kräfte unbestimmt sind. Mit den 3 Ent~cheidungsvariablen AL' AM und Q ist das Modell offenbar schon so komplex, daß intuitiv erwartete Eigenschaften nur noch unter restriktiven Voraussetzungen als die einzig möglichen nachzuweisen sind. So konnten z.B. Block und Heinecke 1973 noch zeigen, daß für einen Arbeiterhaushalt RA' ~ 0 ausreicht, damit steigende exogene Einkommen zu mehr Freizeit führen. Dies ist für einen landwirtschaftlichen Haushalt nicht mehr möglich. In theoretischer Hinsicht sind diese vorläufigen Ergebnisse ernüchternd: Traditionell erwartete, plausible komparativ-statische Eigenschaften sind nicht allgemeingültig und über die Höhe und das Vorzeichen von Regressionskoeffizienten kann nicht die Theorie, sondern nur der empirische Befund Auskunft geben. Risikoaversion könnte allerdings als Ursache herangezogen werden, um zu erklären, daß das landwirtschaftliche Wertgrenzprodukt im Gleichgewicht unter dem durchschnittlichen außerlandwirtschaftlichen Lohn (Ldl liegen kann, wenn dieser ehenfalls unsicher ist, d.h. hiermit könnte ebenso wie mit einer konkaven Funktion L(AMl erklärt werden, warum EP af/aAL < L(AMl/A M = L d. Man zeigt dies schnell, wenn man das Maximierungsprohlem des Haushalts statt mit einer Kostenfunktion mit der Produktionsfunktion fonnuliert1~:
(4.3-73) mit C = (P Qf(AL,Vl-P;V + L AM) und N = T - AL - AM Die Optimalhedingungen für den Arheitseinsatz.
(4.3-74a)
ErUe PQfA - UNI = 0
(4.3-74b)
ErU e L- UNI = 0
lauten hei UNI' = 0 mit einer Taylor-Approximation von Ue llil der Stelle C = EC llilalOg zu (4.3-17): E[ {V 0 -> 00 bei Ct -> 0). Am Planungsende gilt weiter:
(5.1-7) und (5.1-8) wobei sich wegen Jl = ).. > 0 ergibt, daß das Nettofremdkapital Maximalwert entspricht (F~ = Ftmax)'
F~
genau dem
Aus der Ableitung nach Ft resultiert, daß der Grenznutzen des Einkommens im Gleichgewicht mit der Rate r abnimmt: (5.1-9) In Verbindung mit (5.1-7) folgt, daß sich die Lagrange-Multiplikatoren ~ für die Periodeneinkommen aus dem Schattenpreis für die Verschuldung in 't ()..= Jl) ableiten lassen, ~
= (1 +
r)~·t
Jl
(5.1-10)
so daß die Budgetrestriktionen aus (5.1.-5) zu einer einzigen Vennögensrestriktion kondensiert werden können:
(5.1-11) mit
Wo stellt den Barwert aller Periodeneinkommen abzüglich der Schulden F0 zum Zeitpunkt t=O dar. Die explizite Betrachtung der zwischenzeitlich akkumulierten Schulden oder Finanzvennögen kann unterbleiben, da sie in (5.1-11) implizit durch die Differenz von Periodeneinkommen und Konsumausgaben berücksichtigt und wie alle anderen Beträge zum Planungsende aufgezinst werden. Die Optimalbedingungen für den Konsum lauten in der Fonnulierung (5.1-11) oder (5.1-5)
5.1 Einordnung
afJaCt = au/aCt -11(1 + r)t.t Pa = 0
187
(5.1-12)
so daß die intertemporale Grenzrate des Konsums bei konstanten Konsumgüterpreisen vom Zinssatz determiniert wird: au / aC t+ 1 = 11(1 + r)t-t-l Pe = _l_ au / ac, Il(l + r)t-t Pe 1+ r
(5.1-13)
Dieses Ergebnis hat die wichtige Konsequenz, daß sich Veränderungen der aktuellen Einkommenssituation nur über den Multiplikator für die Verschuldungsrestriktion auf den Konsum auswirken, wobei die intertemporale Aufteilung der Einkommenseffekte auf einzelne Perioden vom Zinssatz gesteuert wird. Konsumfunktionen, die den Konsum vom aktuellen oder um ein Jahr verzögerten Einkommen abhängig machen, können damit allenfalls über die Erwartungsbildung theoretisch fundiert werden (vgL Deaton, Muellbauer 1980a, S. 309 ff und 5.3.1.2). Für das weitere Vorgehen in diesem Abschnitt sind die Optimalbedingungen für den Faktoreinsatz interessant:
afJaALt =- aU/aNt + Il( I +r)t.t PQt af/aALt .$; 0, ALt ~ 0, ALt afJaALt =0
(5.1-15)
afJaAMt = - aU/aNt + 1l(l+r)t.tLt = 0
(5.1-16)
Die Optimalbedingungen für den Vorleismngs- und Arbeitseinsatz stimmen bis auf den Zeitindex mit denen aus Abschnitt 2 überein. Für die landwirtschaftliche Arbeit folgt (solange sie positiv ist), daß das Wertgrenzprodukt dem (hier exogenen) Lohnsatz entsprechen muß (vgL z.B. (2.2-9»: (5.1-17) Modifiziert ist lediglich die Optimalbedingung für den Kapitaleinsatz: afJaKr. =11(1 +r)t.t (PQt af/aKr. - PKt) + Il(l +r)t.t.l (l-8)PKt+l .$; 0, Kr. ~ 0, Kr. afJaKr. = 0
(5.1-18)
woraus man bei Kr. > 0 die Formel zur Berechnung der Nutzungskosten des Kapitals ableiten kann, die in statischen Modellen als "Preis des Kapitaleinsatzes" anzusetzen sind, wenn das Kapital als vollkommen variabler Faktor angesehen wird: (5.1-19) oder:
4
Wertgrenzprodukt4 = Zinskosten - Inflationsgewinn + Abschreibung.
Die auf den ersten Blick unverständliche Aufzinsung des Wertgrenzprodukts OO1t weg, wenn man einen time-Lag in der Produktionsfunktion berücksichtigt
188
5. Dynamiscbe Entscbeidungsmodelle
Diese Fonnel zur Berechnung der Nutzungskosten des Kapitals stellt eine wichtige Erkenntnis aus der intertemporalen, neoklassischen Optimierung (5.1-11) dar (vgl. Nerlove 1972, S. 234). Abgesehen davon unterscheidet sich die bisherige dynamische Fonnulierung im Unternehmensbereich kaum von dem entsprechenden statischen Modell (2.2-11): Statt in einer unbestimmten langen Frist (nach Abschluß aller Anpassungen) sollen die zu (2.2-5) bis (2.2-10) analogen Optimalbedingungen (5.1-14) bis (5.1-18) nun zu jedem Zeitpunkt gelten, d.h. Anpassungsverzögerungen werden nicht erklärt. Da die datierten Ergebnisse (Konsum- und Faktoreinsatzmengen) nun auch keinerlei Raum lassen, derartige Verzögerungen implizit durch entsprechende Interpretation des Zeithorizonts zu berücksichtigen, hat die Plausibilität des Modells eher abgenommen. Die Berücksichtigung und Erklärung derartiger Verzögerungen im Unternehmenskontext steht im Mittelpunkt des Abschnitts 5.2, wo entsprechende Erweiterungen vorgenommen werden. Wie in dem entsprechenden Modell des Abschnitts 2.2.1 besteht weiterhin keine Interdependenz von Haushalt und Unternehmen über die Spar- und Investitionsentscheidungen. Die Investitionsentscheidungen (über ~ - ~_I) sind vielmehr ebenso wie die Entscheidungen über den Arbeits- und Vorleistungseinsatz separabel von der Haushaltssphäre, da die entsprechend umgefonnten Optimal bedingungen keine haushaltsbestimmten Variablen (Lagrange-Multiplikatoren, Konsummengen) mehr enthalten. Man kann die Separabilität noch deutlicher als in (5.1-11) erkennen, wenn man das Gesamtproblem äquivalent als zweistufiges Optimierungsproblem schreibt, wobei auf der oberen Stufe die optimalen Konsum- und Freizeitumfänge bei einer bestimmten Höhe einer intertemporalen Variante des Beckerschen full income" (Wo) bestimmt werden und auf der untergeordneten (Untemehmens-)Ebene eben dieses Einkommen bzw. genauer der Barwert der (landwirtschaftlichen) Gewinne (1) maximiert wird: (5.1-20) mit
Man kann sich durch Substitution leicht überzeugen, daß die Optimal bedingungen mit denen der Originalfonnulierung übereinstimmen. Das intertemporale Nutzenmaximierungsproblem auf der oberen Ebene von (5.1-20) liegt den dynamischen Lebenszyklusmodellen zugrunde, mit denen heute meist die Arbeitsangebots-, Konsum- und damit auch die Sparentscheidungen im Zeitablauf theoretisch und empirisch erklärt werden (vgl. die Übersichten bei Killingsworth 1983, S. 207ff; Pencavel1986, S. 44ff; Blundelll988, S. 38ff).
5.1 Einordnung
189
Die Friedmansche Konsumfunktion (1957) in Abhängigkeit vom permanten Einkommen ergibt sich als Spezialfall dieses Modells unter einschränkenden Annahmen (vgl. z.B. Deaton, Muellbauer 1980a, S. 103ft), die kurz dargestellt werden sollen, da die Friedmansche Konsumfunktion (in abgewandelter Form) oft auch für landwirtschaftliche Haushalte verwendet wurde (vgl. 5.3.1.2). Da das Einkommen nach dieser Hypothese eine exogene Größe darstellt, muß man zunächst annehmen, die Arbeitsangebotsentscheidungen seien exogen bestimmt, z.B. durch institutionell festgelegte Arbeitszeiten. Wenn man weiter schwache Separabilität der Freizeit {Nt} in U(.) von {Ct} unterstellt, führen die Optimalbedingungen zu (5.1-20) zu Nachfragefunktionen für Konsumgüter, die von den diskontierten Konsumgüterpreisen und dem Anfangsvermögen zuzüglich aller (diskontierten) Einkommen abhängen: (5.1-21) mit Wo' - J - F0 + r,:\ (I +r)-t(Y Xt+LtAMt) ;: ~ Yp Po 0
-
(I + r)-t Po' diskontierte Konsumgüterpreise
Yp
-
Permanentes Einkommen
~
[(I + r)'-I]/[r(l + r)'], Annuitätenfaktor
Das permanente Einkommen entspricht dem zeitlich konstanten Einkommensstrom, dessen Barwert Wo' entspricht. Die Konsumgüternachfrage der Periode t kann somit auch als Funktion des permanenten Einkommens betrachtet werden, die unter der zusätzlichen Annahme quasi-homothetischer Präferenzen (Deaton, Muellbauer 1980a, S. 144f) linear in Yp ist: (5.1-22) Im Vergleich zu dem Ausgangsmodell (5.1-20) stellt die Friedman-Funktion natürlich eine deutlich restriktivere Beschreibung des intertemporalen Konsumverhaltens dar, was jedoch erst recht für die entsprechenden Anwendungen gilt, auf die später eingegangen werden soll. Die intertemporalen Gewinnl1UlXimierung, die in (5.1-20) in der Funktion J( {Pt},r,Ko) impliziert ist, liegt der neoklassischen Investitionstheorie von Jorgensen (z.B. 1963) zugrunde, wobei dieser allerdings von einem Modell mit kontinuierlicher Zeitbetrachtung und unendlichem Planungshorizont ('t -> 00) ausgeht und Steuern berücksichtigt. Gegenüber den Vorläufertheorien stellt Jorgensens Ansatz "den wesentlichen Schritt vorwärts" dar (Krelle 1977, S. 284), da die verschiedenen Determinanten der Investitionsentscheidung in theoretisch koherenter Weise in die Optimalbedingung (5.1-18) einfließen, aus der der optimale Kapitaleinsatz und damit die Investitionsnachfrage abgeleitet werden. Vorangehende partielle Erklärungsansätze stellten dagegen im wesentlichen auf einen einzelnen Bestimmu!1gsfaktor der Investitionsentscheidung ab wie den Zinssatz, die (vergangene) Gewinnentwicklung oder das Akzeleratorprinzip (vgl. unten (5.2-49».
5. Dynamische Entscheidungsmodelle
190
Allerdings entspricht Jorgensons Ansatz dank der getroffenen Annahmen (exogene Preise, exogene, geometrische Abschreibung, keine Anpassungskosten) im Kern einem statischen Modell (Nerlove 1972, S. 228; Nickelll978, S. 9), was man besonders leicht erkennt, wenn man die diskontierten Nutzungskosten des Kapitals NtO ; : (l+r)-J Nt in dem folgenden Maximierungsansatz verwendet: (5.1-23) Der Zeitindex hätte auch weggelassen werden können, da keine Verzögerungen vorkommen. (5.1-23) und damit die Modelle der vorangehenden Abschnitte implizieren eine augenblickliche Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen. "Thus a restaurateur from this particular world who had more customers on weekends as opposed to weekdays· would be observed to buy a sm all restaurant for weekdays but would seil it on Friday nights and purchase a large restaurant for the weekend, reselling it on Monday mornings". (Nickell 1978, S. 9). Dieses Verhalten entspricht natürlich nicht der Realität. Um die dort vorzufmdenden Verzögerungen abzubilden, führt Jorgensen nun nachträglich ein rationales Polynom des Lag-Operators ein, das zwischen die optimalen, aus (5.1-23) abgeleiteten und die tatsächlichen Nettoinvestitionen zwischengeschaltet ist: ~
- ~-J = u(L)/v(L) (K"t - K"t_J)
(5.1-24)
mit dem Polynom des Lag-Operators
Für die damit ausgedrückten Anpassungsverzögerungen bietet Jorgensen zur Erklärung vor allem Lieferverzögerungen an. Damit diese Lieferverzögerungen jedoch nicht einfach eingeplant werden können, müssen sie unvorhersehbar sein, was Nerlove 1972 zu dem Urteil veranlaßte: "Thus I think it is fair to say that the distributed lag in Jorgensons published work is grafted on to an essentially static theory of the demand for capital services" (S. 225) und: "Despite their apparent justification, the distributed lags used in Jorgenson's pioniering investment studies are ad hoc" (S. 226). Der Pragmatismus war u.U. gerade einer der Gründe für den großen Erfolg dieses Ansatzes in der empirischen Anwendung (Krelle 1977, S. 276ff), wofür es auch in der deutschen Agrarökonomie Beispiele gibt (Behrens 1981, S. 88-108). Im folgenden Abschnitt 5.2 werden bei der Untersuchung von Anpassungsverzögerungen jedoch theoretisch geschlossene Ansätze beschrieben, allerdings auch hier lediglich für das Subproblem im Unternehmen. Damit ist implizit oder wie hier explizit die Annahme verbunden, der Zinssatz und der Lohnsatz seien exogen. Diese Annahme wird erst in Abschnitt 5.3.2 aufgehoben.
5.2 Anpassungskosten und Faktoreinsatzentscbeidungen in Unternehmen
191
5.2 Anpassungskosten und Faktoreinsatzentscheidungen in Unternehmen 5.2.1 Anpassungskosten bei stationären Erwartungen In diesem Abschnitt sollen Kapitalmarktunvollkommenheiten zunächst unberücksichtigt bleiben und stattdessen Modelle betrachtet werden, in denen die Bruttooder Nettoinvestitionen "Anpassungskosten" verursachen, die bei steigendem Investitionsumfang überproportional zunehmen. Dabei soll zunächst auch von Arbeitsmarktunvollkommenheiten abgesehen werden, so daß sich die Einkommensentstehungsseite des Haushaltsmodells wegen der damit gegebenen Separabilität einfach durch einen intertemporalen Gewinnmaximierungsansatz beschreiben läßt. Darüber hinaus wird in den hier vorzustellenden Analysen vereinfachend angenommen, die Wirtschaftssubjekte gingen von der Konstanz der erwarteten Preise aus (stationäre Erwartungen). Die Problematik dieser Anahme und die Komplikationen, die sich ergeben, wenn für die Zukunft sich verändernde Preise und technischer Fortschritt erwartet werden, sollen bis zum nächsten Abschnitt zurückgestellt werden. 5.2.1.1 Primale Ansätze Externe Anpassungskosten
Externe Anpassungskosten, ergeben sich, wenn der Preis der Investitionsgüter nicht unabhängig von der nachgefragten oder angebotenen Menge ist. Hier ist z.B. das Auseinanderfallen von Zukaufs- und Verkaufs preisen einzuordnen, mit dem Johnson 1958 das bekannte Modell "quasifixen" Kapitals begründet hat. Geht man weiterhin davon aus, daß bei aggregierten Betrachtungen statt der Stufenfunktion eher eine kontinuierliche Funktion zutrifft, so könnte sich das folgende Bild ergeben:
....---~""'"""- (a)
1- Desinvestition
Investition
I+
Abbildung 5.2-1: Modell quasi-jixen Kapitaleinsatzes bei einzelbetrieblicher (a) und sektoraler (b) Betrachtung
5. Dynamiscbe Entscbeidungsmodelle
192
Der loco-Hof Preis von Investitionsgütern (P~) ergibt sich aus dem Anschaffungspreis zuzüglich Transaktionskosten, Transportkosten und Einrichtungskosten. Der Verkaufspreis P~ liegt Ld.R. unter dem Anschaffungspreis, weil für gebrauchte Investitionsgüter, deren Zustand schlecht beurteilt werden kann, von Händlern weniger bezahlt wird als sie für (technisch) gleichwertige Güter, deren Qualität jedoch von ihnen garantiert wird, von ihren Kunden fordern können. Außerdem sind wieder Transportkosten und Abbau- bzw. Abbruchkosten abzuziehen, so daß der Nettoverkaufspreis auf oder sogar unter Null liegen kann. Auf sektoraler Ebene kann ein (gestrichelt eingezeichneter) kontinuierlicher Anstieg des (Netto-)Investitionsgüterpreises aus der Aggregation einzel betrieblicher Stufenfunktionen oder aus einem nicht vollkommen elastischen Investitionsgüterangebot resultieren. Als Approximation an eine sehr langfristige Planung mit endlichem Planungshorizont wird ein unendlicher Planungshorizonts unterstellt. Bei ersterer müssen entweder feste Endwerte für die dynamisierten Zustandsvariablen (F,ma. in 5.1.2) oder Bewertungsvorschriften (Preise) für solche Endwerte vorgegeben werden. Die Bewertungen am Planungsende oder die festzusetzenden Endwerte leiten sich jedoch theoretisch aus dem Nutzen für die Zeit nach 't ab, so daß man ihre Höhe endogen ermitteln kann, wenn man als Planungshorizont wählt (vgl. Arrow, Kurz 1970, S. XVIII; Keyzer I 989a, S. 2f). 't
00
Das bekannte, in der Abbildung 5.2-1 dargestellte Entscheidungskalkül bei quasifixen Investitionsgütern kann dann analytisch wie folgt gekennzeichnet werden: J(K o' P,P~,P~) == max
{I:,I;,K, )
so daß K. mit r 1t(K.,P) P'
max
(I:.I;,K, )
n(Ko,P,P~,P~,{I;,I;,K.}) ==
L:,(I+r)I.t [1t(K., P)-P~ I; + P~
= (I-O)K..I + ( -
1;1
(5.2-1)
- I;
Zinssatz max IP Q f(ALt,K.,V.)-Pv'V. - L ALt} ALt·V[
- (PQ ' P v', L)" erwarteter Preisvektor, bei stationären Erwartungen konstant und daher ohne Zeitindex Investition zum Zeitpunkt t Desinvestition zum Zeitpunkt t
Es handelt sich hier also um eine intertemporale Gewinnmaximierung wie in dem Subproblem in (5.1-20), wobei die Investitionsentscheidungen genauer betrachtet werden sollen und die Entscheidungen über den variablen Faktoreinsatz daher nur implizit über 1t(.) abgebildet werden. In einem stationären Gleichgewicht, das z.B. bei stark konkaver Produktionsfunktion
f(.) existiert, gilt K. = K.-I = K*, so daß aus der Zustandsübergangsgleichung folgt:
K* = (l-o)K' + t
- r => oK' = 1+ und r = 0
(5.2-2)
5.2 Anpassungskosten und Faktoreinsatzentscbeidungen in Unternebmen
193
Im langfristigen Gleichgewicht wird gerade entsprechend der Abschreibung bzw. dem physischen Subsistenzverlust (re-)investiert. Die Zustandsübergangsgleichung erlaubt es weiterhin, ~ aus den vergangenen Investitionen und Desinvestitionen und dem Anfangsbestand Ko zu berechnen: ~ = (1-0) ~_I + J( .1.'1
(-I; (::::)
= l:1~lo (I-O)i «(. - r.) + (1-0)1 K0 1_ t-J t-I
(5.2-3)
Damit erhält man die folgenden Optimalbedingungen für I; und I;:
und
Die beiden Ungleichungen können zusammengefaßt werden zu (5.2-6) mit d == (1-0)/(1 +C) < I (5.2-6) besagt, daß die auf den Zeitpunkt t diskontierten und aufsummierten, zukünftigen Gewinnzuwächse, die aus der Investition einer (marginalen) Einheit des Investitionsguts resultieren (nlt). zwischen dem Zukaufspreis P~ und dem Verkaufspreis P~ des Kapitalguts liegen müssen. Der Diskontierungsfaktor d berücksichtigt nicht nur die Zinsen, sondern auch die Abnutzungsrate O. Die fonnal abgeleiteten Optimalbedingungen bestätigen das Bild der Abbildung 5.2-1: Bei strikt positiver Investition (Desinvestition) wird der Grenzgewinn nlt mit dem Zukaufspreis P~ (Verkaufspreis P~) in Übereinstimmung gebracht. Bei P~ < P~ gibt es einen bestimmten Bereich für nIl' in dem in (5.2-4) und (5.2-5) echte Ungleichungen bestehen und daher weder investiert noch desinvestien wird. Wenn sich die verschiedenen, in der Abbildung 5.2-1 eingezeichneten Nachfragefunktionen für Investitionen (nIl) z.B. durch unterschiedlich "günstige" Produkt- und Faktorpreise unterscheiden, gibt es also einen bestimmten Preisbereich, in dem sich weder die Investition noch die Desinvestition lohnt: Der Faktor K ist (quasi-) fix. Da der Grenzgewinn einer zusätzlichen Investition bei zunehmendem Ausgangskapitalbestand (~ < ~ < ... < ~) zurückgeht, können die Kurven nl1(~") bis nI5(~") auch den Effekt zunehmender Ausgangskapitalbestände veranschaulichen: Bei niedrigem Ausgangsbestand ist die Grenzproduktivität zusätzlichen Kapitals sehr hoch und schon geringe Preissteigerungen können Investitionen auslösen, während absolut gleichhohe Senkungen der Preise noch keine Desinvestition induzieren, d.h. die
13 Witzke
194
5. Dynamische Entscheidungsmodelle
Reaktionen sind asymmetrisch. Bei hohem Ausgangsbestand kommt es dagegen leichter zu Desinvestitionen. Die Modelleigenschaften bei /) = 0 wurden in statischem Zusammenhang von Edwards 1959 herausgearbeitet, als Spezialfall externer Anpassungskosten (s.u.) auch von Rothschild 1971 und Hsu, Chang 1990: Wenn sich (bei stationären Erwartungen) in der ersten Periode eine Investition I 1 (Desinvestition) entsprechend dem Punkt I (bzw. 5) ergibt, wird der Kapitalstock hierdurch auf K 1 = Ko + I 1 erhöht (reduziert). Dieser Kapitalstock besteht wegen /)=0 auch zu Beginn der Periode 2, so daß sich keine weitere Investition oder Desinvestition lohnt und n l der Kurve 112 (bzw. n 14 ) entspricht. Dieses Modell ist in dynamischer Hinsicht sehr einfach: die gesamte Anpassung findet in der ersten Periode statt, danach bleibt ~ konstant (Rothschild 1971, S. 617). Mit /) > 0 wird das Verhalten komplizierter. Wenn in der ersten Periode nl durch eine entsprechende Investition auf P~ gebracht wurde (wie bei Punkt I in Abbildung 5.2-1), so entspricht K1 am Ende der ersten Periode ohne weitere Veränderung genau nl = P~ (Punkt 2). Durch die Abnutzung sinkt der Kapitalstock bei der Übertragung in die zweite Periode jedoch auf (l-/)K 1, so daß zur Aufrechterhaltung von K 1 in der zweiten und allen folgenden Perioden eine positive Erhaltungsinvestition von 1+ = /)K 1 nötig ist (Verschiebung von n l2 nach rechts). Bei der Desinvestition in der ersten Periode (Punkt 5) liegt am Ende dieser Periode ein Kapitalstock vor, der zu nl = P~ korrespondiert. Bei der Übertragung in die die zweite Periode reduziert sich der Kapitalstock auf (1-/)K 1, dem ein Grenzgewinn nl > P~ entspricht. Wenn die Abschreibungsrate /) nicht zu hoch ist wird sich nl somit über mehrere Perioden (n I4 , n13 , n12) steigern, bis P~ erreicht wird und sich positive Erhaltungsinvestitionen lohnen (rechts von Punkt 2). Die Anpassung erfolgt somit bei Reduktion des Kapitalstocks durch eine einmalige Desinvestition und u.U. mehrere Perioden ohne Investition oder Desinvestition, in denen der Kapitalstock allein durch die Abnutzung reduziert wird (vgl. analog NickeIl 1986, S. 490ff). Es ist intuitiv einsichtig, daß dabei um so mehr auf die Abnutzung und um so weniger auf die anfängliche Desinvestition gesetzt wird, je niedriger P~ ist. Bei P~ = 0 geht das Modell der quasi-fixen Produktionsfaktoren in Arrow's Modell (1968) der irreversiblen Invesition mit It = ( ~ 0 über. Wenn 1t(.) homogen vom Grade E in ~ ist, kann man durch Vergleich alternativer Politiken einfach zeigen, daß bei konstanten Preiserwartungen eine Strategie mit einer einmaligen Desinvestition in der ersten Periode entsprechend der ohigen Argumentation einer Strategie mit aufgeteilten Desinvestitionen stets überlegen ist. Angenommen, der maximale Gewinn würde tatsächlich bei auf die erste und zweite Periode aufgeteilten Desinvestitionen erfolgen, d.h. J* (.) = 1t«(I-o) Ko-I~) + P~ I~ + (I+r).l [1t«(I-o) KI-I;)+P~I;] + (l+r)·2 [lt(l-0)K2)] + 1:,:4 (l+r)I.t [1t(Kt)-P~( + P~I;]
(5.2-7)
wobei die Abhängigkeit von lt(.) von P unterdrückt wur~e und alle endogenen Variable ~, (, () die für die Strategie J* optimalen Werte annehmen sollen. Da J*(.) annabmegemäß maximal ist, lohnt es sich nicht, die Desinvestition der zweiten Periode (I;) auf die dritte Periode zu verschieben, hier im Umfang (1-0) I; zu desinvestieren und ab der 4. Periode wie bei 1*(.) fortzusetzen, da hierbei nur f< J* erzielt wird, d.h.
5.2 Anpassungskosten und Faktoreinsatzentscheidungen in Unternehmen
195
J*-i = (I H)·I 11t(Kz) + P~I~-1t«I-O)KI)1 + (lH)·2[1t«(I-0)K2)-1t«I-1i)2 KI-(l-O)I~) -P~(I-o) I~l > 0 1t(K2)- 1t«(I-O)K I) + (l-(lHyl(l-O)) P~ I~ > 0 (5.2-8) Der Mehrgewinn in der zweiten Periode bei Verschiebung der Desinvestition deckt bei Optirnalität von J* nicht den Zins und eingesparte Abnutzung bei früherer Desinvestition. Wenn J*(.) tatsächlich maximiert ist, sollte es auch umgekehrt nicht lohnen, die Desinvestition aus der zweiten Periode in die erste vorzuziehen, hier im Umfang (1-0)·1 I~ zu desinvestieren und danach wie bei J* fortzusetzen, da hierbei JO erzielt wird. Für die Differenz ergibt sich
J* - JO = 1t(K I) - 1t(K I-(l-O)·1 I~)_(l-O)·lp~I~+ (lH)·I[1t«(I-O)KI-I~) +P~I~-1t «(I-O)(KI-(l-O)·I I~))] = 1t(K I)-1t ((1-0)·1 K 2)- (I-O)·I(lH)·1 (r+O)P~I; > 0
bei Homogenität von 1t(.) vorn Grade e < I, so daß es doch lohnt, die Desinvestition in die erste Periode vorzuziehen, da (5.2-9) /licht gelten kann, wenn es /licht lohnte, die Desinvestition in die 3. Periode zu verschieben und (5.2-8) damit korrekt war.
Die oben bemerkte Asymmetrie der Reaktionen in Abhängigkeit von der Position von 01 in Abbildung 5.2-1 gilt auch bei 8 > 0: Bei relativ hohem Ausgangskapitalbestand
können Produktpreissenkungen leicht Desinvestitionen, Produktpreissteigerungen hingegen nur bei Überschreiten bestimmter Schwellen Investitionen auslösen. Bei niedrigem Ausgangskapitalbestand kommt es hingegen leichter zu Investitionen. In Abschnitt 3.2 wurde die übliche Begründung irreversibler Reaktionen durch das Modell quasifixer Produktionsfaktoren wiedergegeben. Diese Begründung ist jedoch bei 8> 0 in dynamischer Hinsicht zu modifizieren: Wenn durch eine Preissteigerung 1 auf 0ll gehoben wurde, so daß investiert wurde und anschließend 01 infolge einer entsprechenden Preissenkung auf 0I~ zurückging, so erfolgt in der unmittelbar folgenden Periode zwar u.U. keine Desinvestition und die unmittelbare Reaktion ist damit irreversibel, doch wird die nachfolgende Abnutzung 1(, reduzieren und damit langfristig durchaus. eine Rückkehr zum alten Gleichgewicht mit positiven Reinvestitionen bewirken. Bei kleinen Preissteigerungen genügt es in der Folgeperiode u.U. schon, die Reinvestition zu unterlassen, um das alte Gleichgewicht wieder zu erreichen, d.h. die Abnutzung erhöht tendenziell die Reversibilität der Reaktionen.
°
Das Model quasifixer Produktionsfaktoren kann als Spezialfall der Modelle mit externen Anpassungskosten aufgefaßt werden. Hier wird das Investitionsgüterangebot nicht explizit abgebildet, sondern es werden stattdessen die Investitionskosten als nichtlineare Funktion des Investitionsumfangs i(l) in einem Gewinnmaximierungsansatz berücksichtigt, so daß der Umfang der Investitionen allein von der Nachfrageseite her analysiert wird (vgl. Brechling 1975, S. 82 ff, Broer 1987, S. 35 ff). Oft ist es hierbei zweckmäßig, die Investitionskosten i(l) aufzuspalten in eine lineare Komponente PKI und zusätzliche Anpassungskosten a(I), die im einfachsten Fall (mit 13'
196
5. Dynamische Entscheidungsmodelle
unterschiedlichen Zu- und Verkaufspreisen) die Zu- oder Abschläge vom Durchschnittspreis PK = 0,5 (P~ + P~) angeben: (5.2-11)
i(I) = PK I + a(l) mit a(l) =0,5 (P~-P~) I für I ~ 0 und a(l) =0,5 (P~-P~) I für I ~ 0
Für die Anpassungskosten gilt allgemeiner nur a(I) ~ 0 und sign al(I) == sign aalaI = sign I, bei I ;e(). Aus den oben in Abbildung 5.2-1 angenommenen Funktionen für die Investitionsgüterpreise resultieren z.B. die folgenden Verläufe der Anpassungskosten:
i(l) a(l)
Abbildung 5.2-2: Mögliche Verläufe der Investitionskosten und der externen Anpassungskosten in Abhängigkeit vom Investitionsvolumen
Die lineare Funktion a(l) mit dem Knick an der Stelle I = 0 resultiert aus dem Modell unterschiedlicher Zu- und Verkaufspreise, während die differenzierbare Funktion der in 5.2-1 gezeigten sektoralen (Netto-)-Angebotsfunktion entspricht. Der Verlauf der Funktion der Anpassungskosten a(l) bestimmt entscheidend die Modelleigenschaften (vgl. Brechling 1975, S. 36ff, Rothschild 1971, S_ 613 ff, NickeIl 1986, S. 490). Wenn die Anpassungskosten überproportional mit I ansteigen, lohnt es sich, ein bestimmtes Investitionsvolumen auf mehrere Perioden zu verteilen, weil dadurch die gesamten Anpassungskosten gesenkt werden können. Wenn die Anpassungskosten dagegen linear oder sogar konkav verlaufen, erfolgt die Anpassung vollständig in einer Periode. Ursächlich für konkave Anpassungskosten können Unteilbarkeiten beim Transport und der Einrichtung der Investitionsgüter sein, die besonders für niedrige Investitionsumfänge als relevant angesehen werden (Rothschild 1971, S. 608f). Insbesondere auf einzelbetrieblicher Ebene erscheinen gerade solche Anpassungen "in einem Zuge" oft realistisch (so Z.B- Heidhues 1966, S.31, kritisch zu den Day'schen Flexibilitätsbeschrankungen).
5.2 Anpassungskosten und Faktoreinsatzentscbeidungen in Unternehmen
197
In den meisten Anwendungen wird das Konzept der Anpassungskosten jedoch verwendet, um verzögerte Anpassungen, insbesondere auf aggregierter Ebene zu begründen, so daß strikt konvexe Anpassungskosten, häufig als quadratische Funktion unterstellt werden (z.B. Gould 1969. S. 48 f). Quadratische externe Anpassungskosten ergeben sich sofort (und verdeutlichen damit ihre Begründung), wenn man die Funktion für den Investitionsgüterpreis linear approximieren kann (hier in der Umgebung von 1=0): PK(I) . 1 - [PK(O) + a PK(O)/a 1 . 1 ] . 1
= PK(O) . 1 + a PK(O)/a I . f2 = PK . 1 + a . f2 = i(l)
(5.2-12)
Neben den Krümmungseigenschaften von a(l) ist die Frage der Differenzierbarkeit an der Stelle 1=0 entscheidend für die ökonomischen Konsequenzen des Modells. Nur bei \im a(n< 0 < lirn a((I+)
r -+0
(5.2-13)
(+ .... 0
mit r = 1 < O. 1+ = 1 > 0 ergibt sich die Möglichkeit. daß ein Faktor (z.B. K) "quasi-fix" ist. weil sein Wertgrenzprodukt gerade so hoch ist. daß sich weder die Investition noch die Desinvestition lohnt (v gl. zuletzt Hsu. Chang 1990. S. 301 ff). lirn a((I-) < O( - P K < lirn a((I+)
(· ....0
o( :; über alle von I.
(5.2-14)
(+ ....0
Perioden abgezinstes Wertgrenzprodukt einer heute investierten Einheit
Mit (5.2-11) reduziert sich (5.2-14) bei quasi-fixen Produktionsfaktoren auf die oben ausführlicher betrachtete Bedingung P~ < O( < P~ (5.2-6). Mit nichtlinearen, nicht differenzierbaren Anpassungskosten könnte sich die in der Abbildung 5.2-3 gezeigte Situation ergeben. (a)
(b)
a,(I+)
Abbildung 5.2-3: Anpassungskosten (a) und marginale Anpassungskosten (b) bei quasifixem Kapital
198
5. Dynamische EnlSCheidungsmodelle
Dort erkennt man wieder die Bedingungen für eine asymmetrische Reaktion von I auf Preisänderungen: Bei niedrigem Ausgangskapitalstock Ko (obere Kurve TIn - PK in (b» führen bestimmte, durch Produktpreissteigerungen induzierte Verschiebungen zu Investitionen, während gleich hohe Verschiebungen nach unten u.U. noch keine Desinvestition auslösen. Wenn der positive Ast von a,(I) anders als in der Abbildung 5.2-3 näher am Nullpunkt beginnen sollte als der negative Ast, d.h. (a,(O+) + a,(0·»/2 < 0, ergibt sich nur scheinbar eher eine asymmetrische Reaktion, d.h. eine leichtere Induzierung von Investitionen als von Desinvestitionen (so etwa Hsu, Chang 1990, S. 303). Der Grund hierfür ist, daß die Höhe der Absolutglieder von a,(.), d.h. a,(o+) und ~(O·), und die Höhe von n, -PK gleichgerichtet durch die Wahl des von I unabhängigen Referenzpreises PK be~influßt wer4en. 'Yählt man ~ Ref~renzpreis für das Modell quasi-fixer Produktionsfaktoren z.B. nicht PK "'0,5· (P K + PK ) sondern PK ",PK , so erhält man stall (5.2-11) nun: iO(I) =P~I + aO(1)
(5.2-15)
mit
K
P - P~ a°(l) = (P~ - P~)I fürl~O a°(l) - Ofürl d- I > d- O,5 > I Null gesetzt werden (Sargent 1987, S. 203). Die allgemeine Lösung kann durch Anwendung von (I - DL) auf den ermittelten Ausdruck für GI überprüft werden 13 • Durch Multiplikation von (5.2-84) mit K I erhält man die Rekursionsfonnel für ~:
A2, ~ , , /\'2 -/\'1
-/\'1
-1)( K,) (I-AlL 0 )-I~AZ -1)( 0 ) (All 1 K ,+1 = 0 l-/\,z ' L /\'2 ' -/\'1 , -/\'1 , 1 d- I b-1x I + 0
0 )(k l ) 0
'Zl /\,
bzw. für die hier interessierende 2. Zeile: 13
(I - D L)(I - D L)-I", + (I - D L)E Nk = '" + E(I - A L)E-IE N k = ~ + E(A' - AN-I) k = '"
5.2 Anpassungskosten und Faktoreinsatzentscheidungen in Unternehmen
225
(~ - Alrl(-A I ~ + ~+I) = (Äz - Alr l (1 - ÄzLrld·lb·\ ~
~+I=AI~+(I-ÄzLrld·lb-\=AI~-~j:I~-jd-lb-\+j=AI~-~j:I(Ald~d-Ib-Ixt+j~
~ = AI~_I - Alb-l~j:O (Ald~~+j
(5.2-86)
wobei der vorletzte Schritt die Vorwärtsentwicklung des Lag-Polynoms (Sargent 1987,S.178fOverwendetund (5.2-87) entsprechend der üblichen Eigenschaft von quadratischen Wurzeln (Chiang 1984, S. 506) für das Absolutglied der quadratischen Gleichung (5.2-83) gilt. Die Lösung (5.2-86) stimmt natürlich mit der von Sargent mit anderer Technik abgeleiteten überein (1987, S. 203 bzw. S. 395). Sie zeigt zunächst, daß erwarteter technischer Fortschritt (hier abgebildet durch - 0 einen steigenden Arbeitseinsatz auch in der Landwirtschaft, wodurch auch der Kapitaleinsatz begünstigt wird (K). > 0). Zur Pinanzierung wird bei konstantem po mehr Eigenkapital benötigt, worin die positive Steigung der p o_ oder DA.=O-Kurve begründet liegt. Die aus (5.3-26) resultierende Steigung der DE=O-Kurve ist dagegen negativ, da
dAI
dE
DE=O
G>AA E + 'l>KK E - PKBK E - RF(PKK E -I) -CE G>AA). +G>KK). -PKBK). -RFPKK). -C). G>AA E - CE + R F = A2PKR FF G>AK (U CN - G>A U CC ) - L\RF < 0 G>AA). -CA L\(G>AAA
(5.3-45)
-cJ
wofür schon G>KK < 0 in Verbindung mit nicht inferioren C und N hinreicht, und ein exogener Lohnsatz keine qualitativen Änderungen bewirkt. In diesem PalI ist die negative Steigung allerdings besonders leicht einzusehen: Ein höherer Eigenkapitalbestand (dE > 0) führt wegen der eingesparten Zinsen tendenziell zu einem "Budgetüberschuß". Wenn kein Eigenkapital gebildet wird, muß dieser Überschuß durch steigenden Konsum und/oder sinkenden Arbeitseinsatz reduziert werden, was mit sinkendem Grenznutzen verbunden ist (dA< 0). Wenn E gegen Null geht, werden die marginalen Zinskosten sehr hoch und der optimale Paktoreinsatz in der Landwirtschaft wird sehr niedrig. Solange jedoch außerIandwirtschaftliche Erwerbsmöglichkeiten offenstehen, ist das (optimale) Einkommen zwar U.U. sehr niedrig, aber dennoch strikt positiv, denn der Kapitaleinsatz kann (in diesem Modell) beliebig klein gewählt werden. Der mit diesen Einkommen korrespondierende Grenznutzen des Konsums (U c = A) wird sehr hoch sein, aber i.d.R. nicht unendlich, so daß die DE=O-Kurve mit einem hohen positiven Wert von A beginnt. Wenn E gegen Unendlich strebt, nähern sich die marginalen Zinskosten RF (asymptotisch) ihrem Minimum, daß jedoch nicht unter Null liegt. Der Kapitaleinsatz in der Landwirtschaft erreicht jetzt ein endliches Maximum, das durch die Annahme sinkender Skalenerträge (bei fixem Boden) garantiert ist. Die Erwerbseinkommen erreichen damit ebenfalls ein endliches Maximum. Die Zinseinkünfte streben nur dann gegen einen festen Wert, wenn der marginale Zins asymptotisch auf Null sinkt und das Integral im negativen Bereich unter RF in Abbildung 5.3-1 konvergiert, ansonsten werden sie unendlich. In der Regel nähert sich A im Phasendiagramm daher asymptotisch der Abszisse, doch ist auch eine positive Asymptote denkbar. Neben den DE=O- und DA.=O-Linien sind mit Richtungspfeilen die Richtungen angezeigt, in die sich das System an jedem Punkt des Diagramms bewegt. Die partielle Ableitung von (5.3-25) nach E ergibt wegen PK KE < 1:
(5.3-46) 17*
260
5. Dynamische Entscheidungsmodelle
d.h. wenn DA = 0 auf der DA = O-Linie, muß DA > 0 sein rechts von der DA=O-Linie und DA< 0 links von der DA = O-Linie. Entsprechend folgt aus (5.3-26): DE > 0 rechts von der DE = O-Linie und DE < 0 links davon, da (vgl. 5.3-28): (5.3-47) Die Demarkationslinien DA = 0 und DE = 0 unterteilen damit das Phasendiagramm in 4 Regionen mit unterschiedlichen Bewegungsrichtungen des Systems. Jeder Punkt liegt auf einer Stromlinie, die seinen Zeitpfad anzeigt. Da es nur eine Stromlinie gibt, auf dem sich das System zum Gleichgewicht bewegen kann, liegt eine Sattelpunktkonfiguration vor (vgl. Chiang 1984, S. 633 ff). Der Haushalt wird daher bei einem gegebenen Ausgangsbestand an Eigenkapital Eo den Schattenpreis der Eigenkapitalbildung 1.0 (und damit die von diesen bei den Größen abhängigen CCA,E,P), A(A,E,P) und K(A,E,P) genau so festsetzen, daß (Ao,Eo) auf der stabilen Stromlinie liegt, die zum Gleichgewicht (1.", E") führt und damit die Transversalitätsbedingung erfüllt. Das Phasendiagramm erlaubt somit eine lllustration des Zeitpfads von I. und E und damit indirekt auch aller übrigen endogenen Variablen, die von diesen Größen bestimmt werden. Steigum hat 1983 im Rahmen seines Modells ohne Berücksichtigung der Arbeitsangebotsentscheidungen gezeigt, daß der optimale Zeitpfad (von K) linear nach Art des flexiblen Akzelerators (vgl. Abschnitt 5.2) approximiert werden kann: (5.2-48)'
DK = M(K" - K),
wobei der Anpassungskoeffizient M von den Parametern der Nutzenfunktion und den Einkommenserzielungsmöglichkeiten abhängt. Abgesehen von dieser Parameterabhängigkeit ist die Aussagekraft des so mit Kapitalmarktunvollkommenheiten begründeten flexiblen Akzelerators eingeschränkt durch den u.V. großen Approximationsfehler, wenn man sich in Wirklichkeit weitab vom langfristigen Gleichgewicht auf einem nichtlinearen Anpasungspfad befindet und durch die vereinfachende Annahme statischer Erwartungen. Noch gravierender ist ein Einwand, der aus der Art der Modellreaktionen auf Parameteränderungen folgt, die nun betrachtet werden sollen. Effekte veränderter Parameter
Die komparativ-statischen Veränderungen des langfristigen Gleichgewichts bei Änderungen exogener Parameter (z.B. PQund Yx) folgen aus den entsprechenden Verschiebungen der DA=O- und der DE=O-Kurve bzw. analytisch aus der totalen Differentiation von (5.3-25) und (5.3-26) bei DA = DE = 0 im langfristigen Gleichgewicht, woraus man bei Beachtung von (5.3-30) erhält:
(5.3-48)
5.3
Dynamische Entscheidungen in Haushalten
261
Aus (5.3-48) ist z.B. abzulesen, daß sich die DA.=O - Kurve (erste Zeile) bei einer Preissteigerung nach rechts verschiebt, da hier aE/aPQh, = - PK Kp/(PK KE -I) > 0 gilt aufgrund der Zwischenergebnisse zu KPQ und KE. Die Akumulation von Eigenkapital wird bei konstantemÄ und gestiegenem Produktpreis nötig, weil die preisinduzierten Investitionen tendenziell die Verschuldung und damit den marginalen Zinssatz über die subjektive Zeitpräferenzrate hinaus steigern (DÄ = Ä(p-RF Eine Zunahme des Eigenkapitals reduziert den marginalen Zinssatz dann wieder auf seinen Gleichgewichtswert p.
».
Dagegen verschiebt sich die DE=O-Kurve (zweite Zeile) bei einer Steigerung der Agrarpreise (und auch der exogenen Einkommen) nach links, da nun aE/aPQh" = -(