Memorix Notfallmedizin [10 ed.] 3131399104, 9783131399106

Schnell zur gewünschten Information gelangen, darauf kommt es an. Und genau dafür ist Memorix Notfallmedizin gemacht. Ko

98 31 11MB

German Pages [699] Year 2017

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Memorix Notfallmedizin [10 ed.]
 3131399104, 9783131399106

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Memorix Notfallmedizin Sönke Müller 10., aktualisierte Auflage 667 Abbildungen

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 1991 VCH Verlagsgesellschaft 2.-3. Auflage 1995 Chapman & Hall, Weinheim 4. Auflage 1999 Hippokrates, Stuttgart 5. Auflage 2002 Hippokrates, Stuttgart 6.-7. Auflage 2005 Thieme, Stuttgart 8. Auflage 2007 Thieme, Stuttgart 9. Auflage 2011 Thieme, Stuttgart 1. tschechische Auflage 1992 1. ungarische Auflage 1993 1. französische Auflage 1994 1. türkische Auflage 1995 2. französische Auflage 1996 1. englische Auflage 1997 2. ungarische Auflage 2000 2. türkische Auflage 2001 3. türkische Auflage 2005 1. russische Auflage 2005 3. ungarische Auflage 2007 2. russische Auflage 2009 4. ungarische Auflage 2013

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.

© 2017 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstr. 14 70469 Stuttgart Deutschland www.thieme.de Printed in Italy Zeichnungen: Heike Hübner, Berlin Christiane und Dr. Michael von Solodkoff, Neckargemünd Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Umschlaggrafik: Martina Berge, Stadtbergen; verwendete Fotos von © Kzenon – Fotolia.com, © hooyah808 – Fotolia.com Satz: Druckhaus Götz GmbH, Ludwigsburg Druck: LEGO S.p.A, Vicenza ISBN 978-3-13-139910-6 123456 Auch erhältlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-157810-5 eISBN (epub) 978-3-13-202910-1

Geschützte Warennamen (Warenzeichen ®) werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen oder die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Vorwort zur 10. Auflage

Vorwort zur 10. Auflage Ständiges Verbessern, kontinuierliches Modernisieren und stets leitliniengerechtes Aufarbeiten der aktuellen deutschen und europäischen Standards der Notfallmedizin haben das Memorix Notfallmedizin zu dem gemacht, was es von Anfang an schon immer war: ein Buch für den Notarzt- und Rettungsalltag, ein Buch aus der Praxis für die Praxis, ein Nachschlagewerk, das auch in Zeiten der elektronischen Medien stets strom- und internetunabhängig einsatzbereit ist und seinen enormen Wissensschatz preisgeben kann. Eine klare Gliederung, ein großes Schwerpunktkapitel „Notfälle A–Z“, Sonderkapitel zu den Notfällen in der Schwangerschaft und zu den Notfällen bei Kindern, pharmakologische Details zu den relevanten Notfallmedikamenten, das alles mit einem entsprechenden Layout klar aufbereitet, lässt das Memorix Notfallmedizin auch und gerade in der 10. Auflage zu einem „treuen“ Begleiter für alle diejenigen werden, die sich einer sehr schweren und risikoreichen, aber auch sehr spannenden und sehr sinnvollen Aufgabe gestellt haben: Leben retten. Ihnen allen, ob Notfallsanitäter, Rettungsassistent oder Rettungssanitäter, ob Hausarzt, Klinikarzt oder Notarzt, soll das Kitteltaschenbuch mit Rat und Tat und klaren Handlungsanweisungen im Zweifel stets den richtigen Tipp geben und im Endeffekt demjenigen helfen und dienen, dem wir möglichst Gesundheit und Leben erhalten wollen: dem Patienten. Bammental im März 2017

Ein großer Teil der Abbildungen und einige Textabschnitte zu den Stichworten Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen und Herzschrittmacher (Seiten 256–267 und 270–312) stammen aus der Broschüre „Grundkurs EKG“ von Ralf Kleindienst, die im Internet unter www.ekg-online.de eingesehen werden kann.

5

Anschriften

Anschriften Dr. med. Sönke Müller Fischersberg 30 69245 Bammental E-Mail: [email protected] Internet: www.memorix-notfallmedizin.de Ralf Kleindienst Schwarzwaldstraße 7d 79423 Heitersheim E-Mail: [email protected] Internet: www.ekg-online.de

6

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis I 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 2 2.1 2.2 2.3

II 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7

Allgemeine Notfallmaßnahmen Retten und Lagern 14 Rautek-Griff 14 Bedeutung des Airbags 15 Abnehmen des Schutzhelms 17 Immobilisierung der Wirbelsäule 18 Stabile Seitenlagerung 24 Spezielle Lagerungsarten 25 Freimachen der Atemwege 28 Überstrecken des Kopfes 28 Esmarch-Handgriff 28 Reinigen des Mund-RachenRaums 29

13

2.4 2.5

Heimlich-Handgriff 29 Pharyngealtuben 30

3 3.1 3.2

Blutstillung 33 Mögliche Maßnahmen 33 Maßnahmen bei arterieller Blutung 33

4 4.1 4.2 4.3 4.4

Venenpunktion 39 Indikation 39 Periphere Venenwege 39 Zentrale Venenwege/Ports 42 Komplikationen 47

Erweiterte Notfallmaßnahmen Beatmung 53 Allgemeines 53 Beatmung ohne Hilfsmittel 56 Beatmung mit Hilfsmitteln 58 Supraglottische Atemwegshilfen 61 Endotracheale Intubation 67 Intubation 70 Chirurgische Atemwegssicherung 70

6 6.1 6.2

Maschinelle Beatmung 83 Invasive Beatmung 86 Nichtinvasive Beatmung 87

7 7.1 7.2 7.3

Herzdruckmassage 91 Allgemeines 91 Klassische Herzdruckmassage Weitere Methoden 93

8 8.1 8.2

EKG-Diagnostik 95 Monitor-EKG 95 Standard-EKG 96

51

9

Pulsoxymetrie

10

Kapnometrie und Kapnografie 101

99

11

Defibrillation und Kardioversion 103 11.1 Manuelle Defibrillation 103 11.2 Automatisierte externe Defibrillatoren (AED-Geräte) 106 11.3 Elektrische Kardioversion 110 12 Elektrische Stimulation 111 12.1 Implantierbare KardioverterDefibrillatoren (ICD) 112

91

13

Applikationswege für Medikamente 114

14

Medikamente bei der Reanimation 129 14.1 Vasopressoren 131 14.2 Antiarrhythmika 133 14.3 Sonstige 134

7

Inhaltsverzeichnis 15

Kardiopulmonale Reanimation 137 15.1 Allgemeines 137 15.2 Basismaßnahmen (BSL) beim Erwachsenen 138 15.3 Einsatz eines automatischen externen Defibrillators (AED) 142 15.4 Erweiterte Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen 143

18

Magenspülung 168

19

Thoraxdrainage 170

20

Perikardpunktion

173

21

Karotissinusdruck

174

22

Valsalva-Pressversuch 175

16

23

Unblutiger Aderlass

ROSC und Postreanimationsbehandlung 150

176

17

Sedierung – Analgesie – Narkose 151 17.1 Sedierung 151 17.2 Analgesie 152 17.3 Narkose 154

III Spezielle Notfälle Übersicht

180

A Akuter arterieller Verschluss 190 Akuter venöser Verschluss 191 Akutes Abdomen 192 Akutes Koronarsyndrom 194 Alkoholentzugsdelir 200 Alkoholvergiftung 202 Amputationsverletzungen 204 Anurie 206 Aortenaneurysmaruptur und Aortenruptur 207 Apoplexie (Hirninsult, Stroke, Schlaganfall) 208 Aspiration 213 Asthma bronchiale 216 Augenverletzungen 220 B Beinahe-Ertrinken/ Ertrinkungsunfall 225 Blitzunfall 227 Bolusgeschehen (Bolusverlegung der oberen Luftwege) 229

8

177 C COPD-Exazerbation

231

D Delirsyndrome 235 Dialyse-Notfälle 237 E Elektrounfall 239 Epileptischer Anfall/Epilepsie (zerebrales Krampfleiden) 241 Erfrierung 247 Erhängen/Erwürgen/Erdrosseln/ Strangulation 248 Erregungszustand 250 G Gallenkolik 252 Glaukomanfall 253 H Herzbeuteltamponade 255 Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI 256 Akute Herzinsuffizienz 267 Herz-Kreislauf-Stillstand 270 Herzrhythmusstörungen 270

Inhaltsverzeichnis Hitzeschäden 312 Höhenkrankheit 318 Hypertonie/hypertensive Krise 320 Hyperventilationstetanie (Hyperventilationssyndrom) 322 K Koma

324

L Lungenembolie 336 Kardiales Lungenödem 338 Toxisches Lungenödem (Reizgasvergiftung) 341 Luxationen 343 M Magen-Darm-Blutung (gastrointestinale Blutung) 347 N Nasenbluten (Epistaxis) 349 Nierensteinkolik 352

P Psychiatrische Notfälle 358 S Schock 363 Schussverletzungen 371 Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts 372 Strahlenunfall 383 Subarachnoidalblutung 387 Synkope 388 T Tauchunfall 390 Traumatologische Notfälle

392

U Unterkühlung 421 V Verbrennung und Verbrühung 424 Vergiftungen 428

O Ösophagusvarizenblutung 354

IV Notfälle während Schwangerschaft und Geburt 42

Geburtshilfliche Daten und Maßnahmen 480 42.1 Schwangerschaft 480 42.2 Normale Geburt 484

V 45 46

43

Erstversorgung des Neugeborenen 490

44

Spezielle Notfälle während der Schwangerschaft 495

Notfallmaßnahmen im Säuglings- und Kindesalter Normwerte und Dosierungen 508

Allgemeine Notfallmaßnahmen 511 46.1 Freimachen/Freihalten der Atemwege 511 46.2 Venöser Zugang 512

479

47 47.1 47.2 47.3 47.4 47.5 47.6

507

Spezielle Notfallmaßnahmen 515 Beatmung 515 Intubation 517 Herzdruckmassage 518 Defibrillation 519 Reanimation 520 Narkose 531

9

Inhaltsverzeichnis

VI Notfälle im Säuglings- und Kindesalter A Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock) 534 Akute Atemnot 538

533

K Krampfanfall (Fieberkrampf, epileptischer Anfall) 553

B Beinahe-Ertrinken 548

P Plötzlicher Kindstod 558 Polytrauma 559

E Exsikkose (Dehydratation) 550

S Schädel-Hirn-Trauma

H Herz-Kreislauf-Stillstand 552

V Verbrennung und Verbrühung 566 Vergiftungen 570

562

VII Notfallmedikamente A Azetylsalizylsäure 579 Adenosin 580 Adrenalin 580 Ajmalin 581 Aktivkohle s. Kohle, medizinische 581 Alteplase 581 Amiodaron 581 Atropin 582 B Beclometason 583 Biperiden 583 Butylscopolaminiumbromid 584 C Cafedrin + Theodrenalin 585 Cimetidin 585 Clemastin 586 Clonazepam 586 Clonidin 587 D Dexamethason 588 Diazepam 588 Digoxin 589 Dihydralazin 590 Dimenhydrinat 590

10

575 Dimeticon 591 Dimetinden 592 4-DMAP (4-Dimethylaminophenol) 592 Dopamin/Dobutamin 592 E Epinephrin-Autoinjektor 596 Epinephrin-Spray 596 Esmolol 597 Etomidat 598 F Fenoterol 599 Fentanyl 600 Flumazenil 601 Furosemid 602 G Glukose 5 %–40 % 603 Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin) 604 H Haloperidol 605 Heparin 605 Hydroxocobalamin 606 I Ipratropiumbromid 608

Inhaltsverzeichnis K Kalziumgluconat 609 Ketamin 609 S-Ketamin (Esketamin) 611 Kohle, medizinische 612 Kortikosteroide 612 L Lidocain 613 Levomepromazin 613 Lorazepam 614 M Magnesiumsulfat 615 Metamizol 615 Methylprednisolon 616 Metoclopramid 616 Metoprolol 617 Midazolam 618 Morphin-HCl 619 N Naloxon 621 Natriumbikarbonat 621 Natriumthiosulfat 621 Nifedipin 621 Nitrendipin 622 Nitroglycerin 622 Noradrenalin (Norepinephrin) 622 O Obidoximchlorid 624 Orciprenalin 625 P Pethidin 626 Phenobarbital 626 Phenytoin 627 Physostigmin 628 Prednisolon 628

Prednison 629 Promethazin 629 Propofol 630 R Reproterol 631 Reteplase 631 Rocuronium 632 S Salbutamol 633 Suxamethoniumchlorid (Succinylcholin) 634 T Tenecteplase 635 Terbutalin 635 Theophyllin 635 Theophyllinderivat 636 Thiopental 636 Tramadol 637 Tranexamsäure 638 U Urapidil

639

V Vecuronium 640 Verapamil 641 Infusionslösungen 642 Elektrolytlösungen 642 Dextrane 642 Gelatine und -derivate 643 Stärkederivate (Hydroxyethylstärke) 643 Humanalbumin 644 Hyperonkotische Infusionslösungen 644

11

Inhaltsverzeichnis

VIII Organisationen und Adressen

645

77

Informations- und Behandlungszentren für Vergiftungen 646

80

Regionale Strahlenschutzzentren 651

78

Rettungshubschrauberstationen 648

81

Druckkammern 653

79

Zentren für Schwerbrandverletzte 650

IX Ergänzungen 82

Kennzeichnung gefährlicher Güter 656

83

Todesfeststellung 660

X

12

655 84

Eigenschutz

663

Anhang

85

Medikamentenregister 668

86

Notfallkarte Kinder 674

667 87

Notfallkarte Kinder Medikamente 675

88

Sachverzeichnis 676

1.1

Rautek-Griff

1

Retten und Lagern

1.1

Rautek-Griff

1 Retten und Lagern

Indikation Rettung von Patienten sowohl aus sitzender als auch aus liegender Position.

Technik Patient: • Sitzender – vom Rücken des Patienten her mit beiden Armen



14

unter den Achselhöhlen hindurchgreifen – einen Arm des Patienten im Ellenbogen rechtwinklig beugen – Unterarm dann von oben her mit beiden Händen umfassen und in Höhe des Oberbauchs gegen den Körper des Patienten drücken – Patient auf diese Weise auf die eigenen Oberschenkel ziehen, wodurch das Gewicht günstig verlagert wird – Patient zum Transport nach rückwärts wegziehen – zweiten Helfer (wenn vorhanden) Beine aufnehmen lassen Liegender Patient: – vom Kopfende des Patienten aus mit beiden Händen flach unter den Hinterkopf und Nacken fassen – Oberkörper vorsichtig anheben und nach vornüber beugen – angehobenen Oberkörper mit eigenem Knie stützen – weiter wie beim sitzenden Patienten angegeben

1 Retten und Lagern

1.2

Bedeutung des Airbags

1.2

Bedeutung des Airbags

Fahrzeuge mit Airbag sind durch Schriftzüge „Airbag, SRS, SIPS, HPS, JC“ oder „RS“ auf dem Modul gekennzeichnet. Moderne Fahrzeuge sind mit bis zu 10 verschiedenen Airbagsystemen ausgerüstet.

Ausgelöster Airbag Bei bereits ausgelöstem Airbag ist ein direkter Kontakt mit dem durch die hohe Aktivierungsenergie erhitzten Airbag-Modul zu vermeiden. Für etwa 20 min besteht für die Rettungskräfte die Gefahr von Verbrennungen bei Berührung.

Nicht ausgelöster Airbag

!

Ein nicht ausgelöster Airbag stellt für die Helfer eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle dar. Insbesondere während technischer Manipulationen am Unfallfahrzeug Wirkbereiche des Airbags unbedingt meiden !

Verhinderung der Auslösung. Das Abklemmen der Batterie bietet keine absolute Sicherheit, da manche Hersteller Spannungserhaltungssysteme verwenden, die selbst nach Unterbrechung der Stromversorgung eine Aktivierung des Airbags noch bis zu 20 min lang ermöglichen. Zudem werden durch die Unterbrechung der Stromversorgung auch elektrische Sitzverstellungen inaktiviert und damit die Rettung des Patienten möglicherweise erschwert. Airbag-Rückhaltesysteme, die über dem Lenkrad fixiert werden und den Fahrer- bzw. Beifahrer-Airbag bei einer sekundären Auslösung an der vollständigen Entfaltung hindern, können einen Schutz für Patienten und Retter bieten. Fehlauslösung des Airbags. Eine Fehlauslösung des Airbags kann theoretisch durch eine Defibrillation des Patienten im Fahrzeug oder durch eine Verwendung von Funkgeräten oder Funktelefonen in der Nähe des Fahrzeuges bedingt werden. Deshalb ist in solchen Situationen bei der Verwendung von mobilen Kommunikationsmitteln ein ausreichender Abstand von mehr als ca. 5 Meter zu wahren. Für Ersthelfer besteht nach heutigen Erkenntnissen keine Gefahr, solange keine technischen Rettungsgeräte eingesetzt werden.

15

1.2

Bedeutung des Airbags

1 Retten und Lagern

Airbag-Regel Bei Verkehrsunfällen empfiehlt es sich, nach der A-I-R-B-A-G-Regel vorzugehen A - Abstand halten (30–60–90-Regel) Von nicht ausgelösten Airbagsystemen Abstände einhalten: 30 cm von Seiten- und Fensterairbags 60 cm von Fahrerairbags 90 cm von Beifahrerairbags Von dieser Regel sollte nur abgewichen werden, wenn die Batterie abgeklemmt ist und keine Arbeiten mit schwerem Rettungsgerät erfolgen. Patient in Absprache mit dem Rettungsdienst so weit wie möglich aus dem Wirkbereich bringen (z. B. Sitz zurückschieben, Lehne zurückdrehen). Keine Gegenstände zwischen unausgelöste Airbags und Patienten bringen.

• • •

I - Innenraum erkunden Airbagsuche durchführen! Mögliche Kennzeichnungen: Einprägungen: RS, SRS, AIRBAG, SIPS, HPS, IC Airbagleuchte im Armaturenbrett

• • R - Rettungskräfte warnen Rettungskräfte sind über nicht ausgelöste SRS-Systeme zu informie• Alle ren. Vollständige Schutzausrüstung tragen (evtl. Gehörschutz). • B - Batterie(n) abklemmen (Feuerwehr) Möglichkeit, die meisten Airbags zu deaktivieren • Einzige Deaktivierungszeit bei Neufahrzeugen beträgt meist nur wenige • Achtung! Sekunden, ist aber im Bestand der älteren Airbags bis zu 45 min nach Abklemmen der Batterien möglich. Manche Airbags lassen sich nicht deaktivieren (Airbags mit Druckgasbehälter). A - Abnehmen der Innenverkleidung (Feuerwehr) G - Gefahr an Airbag-Komponenten Wahrscheinlichkeit einer ungewollten Auslösung ist gering, jedoch können ausgelöste Airbags eine 2. Zündstufe haben im Bereich des Gasgenerators heiß sein, wodurch Verbrennungen möglich sind Reizungen hervorrufen, Verbrennungsrückstände sind jedoch nicht giftig weggedrückt oder abgeschnitten werden, wenn ein ausgelöster Airbag stört

• • • •

16

1 Retten und Lagern

1.3

Abnehmen des Schutzhelms

1.3

Abnehmen des Schutzhelms

Indikation Bei verunfallten Zweiradfahrern Integralhelm grundsätzlich abnehmen !

Technik Immobilisierung statt aktive Extension ! Möglichst immer 2 Helfer: Helfer 1 nimmt den Helm ab, Helfer 2 fixiert den Kopf-Hals-Übergang. Die bisher praktizierte „blinde“, möglichst kräftige Extension der HWS wird nicht mehr empfohlen ! Ausgangsposition und Vorbereitung: – Helfer 1 kniet hinter dem Kopf des Patienten und fixiert den Helm mit beiden Händen – Helfer 2 kniet in Nähe des Oberkörpers des Verunfallten seitlich, öffnet sofort das Visier des Helms, nimmt eine evtl. vorhandene Brille ab und öffnet den Helmverschluss Helm abnehmen: – Helfer 2 stabilisiert jetzt die HWS, indem er den Unterkiefer mit der einen, das Hinterhaupt mit der anderen Hand umfasst, und damit konsequent – ggf. immer wieder auch durch „Nachrutschen“ der Hände während der Helmabnahme – den Hals-KopfÜbergang fixiert – Helfer 1 muss nun den Helm abnehmen, indem er sich durch das „Hineingreifen in den Helm“ und das Zusammendrücken der Wangenpolster etwas Spielraum verschafft, um den Helm etwas auseinander zu ziehen und zu mobilisieren – Der Helm wird von Helfer 1 mit vorsichtigen kleinen Bewegungen unter ständigen Fixationsmaßnahmen des Helfers 2 nach hinten abgenommen, bis schließlich Helfer 2 den Kopf ohne Helm alleine in seinen Händen hält





!

Cave: Die Nase des Patienten kann das Abnehmen des Helms behindern, hier kann der Vorderteil des Integralhelms bei nicht ausreichender Vorsicht „hängen bleiben“. Gegebenenfalls muss der Helm deshalb auch bis zum Überwinden der Nasenpartie kurzfristig nach vorne aufgedehnt werden !

17

1.3 1.4

Abnehmen des Schutzhelms Immobilisierung der Wirbelsäule

1 Retten und Lagern

weiterer Maßnahmen (z. B. Anlegen einer • Vorbereitung Halskrawatte, Durchführung der stabilen Seitenlage) : – Immobilisierung der HWS durch Helfer 1, am sichersten nach der Bobath-Methode, „Inline-Immobilisations-Handgriff“ – mit der einen (rechten) Hand die Schulter/Schlüsselbeinregion des Patienten fest umfassen, sodass der eigene Unterarm eine „Schiene“ bildet die in Ohrhöhe den Kopf des Patienten seitwärts immobilisiert und die sich auf dem Oberschenkel des Helfers abstützt – durch kräftigen Druck mit der anderen Handinnenfläche auf der Gegenseite des Kopfes kann anschließend die gesamte Kopf-HWS-Region im (rechten) Unterarm fixiert werden

1.4

Immobilisierung der Wirbelsäule

Es stehen eine ganze Reihe von Hilfsmitteln für die präklinische Immobilisierung der WS bei Traumapatienten zur Verfügung, die sich durch unterschiedliche Anwendungsbereiche und Indikationen unterscheiden.

Hilfsmittel für die präklinische Immobilisierung der Wirbelsäule.

18

Medizinisches Gerät

Anwendungsbereich, Indikationen

HWS-Schienen, z. B. Stiffneck

Immobilisierung der HWS in liegender oder sitzender Position für jede Indikation; Einsatz in Kombination mit allen anderen Geräten

Rettungskorsett, z. B. KED-System

Immobilisierung der gesamten WS mit Kopf (in Kombination mit z. B. Stiffneck); Patienten in nicht liegender Position unter schwierigen räumlichen Bedingungen, z. B. im Autositz; wertvolle Hilfe bei der seitlichen Rettung aus einem PKW, aus engen Schächten etc.

Schaufeltrage

Umlagerungshilfe für alle traumatisierten Patienten, die auf relativ glattem Untergrund liegen (z. B. Verdacht auf WS-Verletzung, bei Becken- oder Oberschenkeltraumen); das Aufnehmen und Heben des Patienten ist unter völliger Ruhigstellung der WS möglich; auch als Behelfstrage in engen Räumlichkeiten (Treppen, Schächte); Umlagerungshilfe bei Patienten, die in Bauchlage aufgefunden werden

1 Retten und Lagern

Immobilisierung der Wirbelsäule

Medizinisches Gerät

Anwendungsbereich, Indikationen

Vakuummatratze

Standard der Ganzkörperimmobilisation im deutschen Rettungsdienst; neben WS-Immobilisierung auch Methode der Wahl zur Ruhigstellung von Becken- und proximalen Frakturen der unteren Extremitäten (in Kombination mit z. B. Stiffneck) sowie bei jedem polytraumatisierten Notfallpatienten

Spine board

Alternative zur Vakuummatratze vor allem im angelsächsischen Raum; Fixierung des Patienten nach Umlagerung mit Schaufeltrage auf einem Holz- oder Kunststoffbrett

1.4

HWS-Immobilisationskragen (Halskrawatte, Halskrause) Indikation Bei jedem Patienten, bei dem eine Traumatisierung der HWS nicht ausgeschlossen werden kann, sollte zur Stabilisierung der HWS ein Immobilisationskragen (z. B. Stiffneck) angelegt werden.

Technik HWS-Immobilisationskragen immer zu zweit anlegen ! Helfer 1 stabilisiert die HWS des Patienten in Neutralposition ohne Extension, Helfer 2 legt die Halskrawatte an.

• Vorbereitung: – Halskrawattengröße



bestimmen, indem der Abstand zwischen Kinn und Rumpf z. B. mit der Hand abgemessen wird; entsprechende Krawattengröße aus dem Sortiment entnehmen bzw. Halskrawatte auf die entsprechende Größe einstellen – Aufklärung des Patienten, was mit ihm geschehen wird, störende Kleidungsstücke, Schmuck u. a. entfernen, evtl. Halsregion freischneiden Krawatte anlegen (Helfer 2): – zuerst die Kinnstütze der Halskrawatte von brustwärts her fest an den Hals drücken – dann unter Beibehaltung des Drucks den Nackenteil der Halsstütze um den Nacken legen und mit Klettverschluss straff befestigen

19

1.4

Immobilisierung der Wirbelsäule

!

1 Retten und Lagern

Cave: Zu eng anliegende Orthese vermeiden, da sonst die Gefahr besteht, die Halsvenen zu komprimieren. Auch bei korrekt angelegter Orthese verbleibt eine Restbeweglichkeit. Daher beim Umlagern und sonstigen Transportbewegungen für zusätzliche manuelle achsengerechte Immobilisation sorgen.

Rettungskorsett (KED-System) Aufbau und Indikation Ein sog. Rettungskorsett, z. B. das KED-System (Kendrick Extrication Device), ermöglicht eine schonende Rettung unter besonderen räumlichen Bedingungen, bei denen keine Schienen oder Tragen zur Anwendung kommen können. Es handelt sich hierbei um ein rigides Korsett mit eingearbeiteten Längsstäben, das um den Rumpf des Patienten angelegt wird und die WS und den Kopf immobilisiert. Durch Griffe ist eine vergleichsweise schonende Bewegung und Rettung des Patienten gewährleistet. Der Verletzte kann durch ein korrekt angelegtes KED-System mit geringem Gefährdungspotenzial z. B. aus dem Fahrzeug oder einem Schacht geborgen werden.

Technik anlegen • HWS-Schiene vor allem am sitzenden Patienten in geöff• KED-System netem Zustand hinter den Rücken des Patienten schieben

Schließen und Zuziehen der 3 Gurte Patient fixie• durch ren zusätzliche des Patienten mit 2 Beingurten • (sichert das Fixierung Herausrutschen aus dem Korsett)

Schaufeltrage Indikation Ermöglicht es, den Patienten unter größtmöglicher Stabilität vom Boden aufzunehmen und auf die Trage oder die Vakuummatratze umzulagern. Besteht aus dünnem, ungepolstertem Aluminium und kann in der Längsachse halbiert bzw. wieder zusammengesetzt werden, sowie in der Länge verstellt werden.

20

Fu§teil

Kopfteil

1 Retten und Lagern

Immobilisierung der Wirbelsäule

1.4

Technik Die korrekte Anwendung ist nur mit 2 Helfern möglich !

• Vorbereitung: – Schaufeltrage durch Arretierung der Längsverstellung auf die Größe des Patienten •

anpassen – anschließend Verriegelungsknöpfe am Kopf- und am Fußende lösen, Trage halbieren und zu beiden Seiten des Patienten ablegen Aufladen auf die Schaufeltrage: – Helfer 1 hebt die ihm gegenüberliegende Seite des Patienten, z. B. durch Straffen der Kleidung vorsichtig ein wenig so an, dass Helfer 2 die eine Hälfte der Schaufeltrage behutsam unter den Patienten schieben („schaufeln“) kann – Helfer 2 fixiert nun den Patienten auf der einen Schaufeltragenhälfte durch Festhalten bzw. durch seine Knie und hebt nun die andere Patientenseite vorsichtig an, sodass Helfer 1 nun die andere Hälfte der Schaufeltrage unter den Patienten bringen kann – Verriegelungsknöpfe an Kopf- und Fußende arretieren, Patient kann nun mit der Schaufeltrage sicher angehoben/transportiert/umgelagert werden

Vakuummatratze Aufbau und Indikation Dient der Ganzkörperruhigstellung, der Immobilisierung einzelner Körperteile, der Lagerung und dem Transport traumatisierter Patienten. Erhält ihre Stabilität dadurch, dass sich in ihrer luftundurchlässigen Umhüllung kleine Kunststoff-/Schaumstoffperlen befinden, die durch das Erzeugen eines Vakuums mit einer Absaugpumpe über einen Ventilmechanismus fest aneinander gepresst werden und so eine von außen vorgeformte Kontur optimal beibehalten.

Standardtechnik

• Vorbereitung: – Vakuummatratze auf ebenem Untergrund ausbreiten und glatt streichen, sodass •

die Kunststoffkugeln gleichmäßig verteilt sind – Stofftuch auflegen, Matratze mit dem Absaugventil kopfwärts z. B. auf die Trage oder neben den Patienten legen Patienten lagern: – Patienten auf die Matratze lagern – Anmodellieren der Matratze ggf. durch mehrere Helfer – Absaugen der Matratze, Ablassventil schließen – Matratze behält ihre Form bei

21

1.4

Immobilisierung der Wirbelsäule

1 Retten und Lagern

Sandwich-Technik Dient der schonenden Umlagerung von in Bauchlage aufgefundenen Patienten auf die Transporttrage: an der Schaufeltrage zunächst 5 Gurte in Höhe von Kopf, Brustkorb, oberhalb und unterhalb des Beckens und im Bereich der Unterschenkel anbringen; dabei beachten, dass die Verschlüsse seitlich platziert werden Schaufeltrage unter den Patienten platzieren anschließend Vakuummatratze auf den Patienten legen, anmodellieren (besonders gutes Anformen im Kopf-Hals-Bereich, da Halskrawatte in Bauchlage nicht sicher anlegbar !) und absaugen den mit Gurten fixierten Patienten vorsichtig, aber zügig mit 4 Helfern in die Rückenlage drehen Gurte entfernen, Schaufeltrage entfernen Halskrawatte anlegen Vakuummatratze erneut anmodellieren

• • • • • • •

Spine board Aufbau und Indikation Zur Rettung und Lagerung von Verletzten, zur achsengerechten Fixierung der Wirbelsäule. Besteht aus Holz oder Kunststoff und ist erheblich robuster und kostengünstiger als die Vakuummatratze. Die Kunststoffmodelle sind zudem meist mit einem Schaumstoffkern versehen und können daher auch zur Rettung im Wasser oder auf Eisflächen eingesetzt werden. Am Rand des Spine boards befinden sich längliche Aussparungen, die als Tragegriff oder zur Fixierung der Gurte verwendet werden können.

22

1 Retten und Lagern

Immobilisierung der Wirbelsäule

1.4

Technik anlegen • HWS-Schiene Patient mit der Schaufeltrage auf das Spine board legen (oder schonend mittels „log • roll“ auf das Spine board drehen, wenn eine Schaufeltrage fehlt) und HWS durch zusätzliche Fixierungssysteme in Neutralposition ruhig stellen • Kopf • Patienten mit Klettgurten auf dem Brett sichern

!

Der Liegekomfort für den Patienten, die Schmerzlinderung durch Immobilisierung und die Lagerungsstabilität sind aber nach überwiegender Meinung gegenüber der Vakuummatratze schlechter.

23

1.5

Stabile Seitenlagerung

1.5

1 Retten und Lagern

Stabile Seitenlagerung

Indikation Jeder bewusstlose, spontan atmende und nicht intubierte Patient muss in stabiler Seitenlage gelagert werden.

Technik dem Bewusstlosen auf die Seite • neben knien, zu der der Patient gedreht werden soll auf Ihrer Seite befindlichen Arm des • den Patienten angewinkelt nach oben legen (Handfläche nach oben) anderen Arm über den Brustkorb zie• den hen und die Hand des Patienten auf dessen Wange legen. Hand nicht loslassen ! auf der Gegenseite befindliche Bein • das im Kniegelenk beugen und dadurch aufstellen Patienten am Oberschenkel des ange• den winkelten Beins fassen und ihn zu sich herüberziehen Kopf des Patienten überstrecken, er• den neut prüfen, ob Atmung und Puls vorhanden sind !

Das Ziel der Seitenlage ist es, dass Erbrochenes, Blut oder Schleim nach außen abfließen können, ohne dass es zu einer Aspiration kommt. Gleichzeitig werden durch eine ausreichende Überstreckung im Nacken die oberen Atemwege freigehalten. Ist eine stabile Seitenlage, z. B. aus räumlichen Gründen, nicht möglich, muss der Patient von einem Helfer in der entsprechenden Position gehalten werden.

24

1 Retten und Lagern

1.6

Spezielle Lagerungsarten

1.6

Spezielle Lagerungsarten

Lagerung bei Atemstörungen Lagerung bei Atemstörungen. Erkrankung

Lagerungsart

Atemnot (z. B. Asthma bronchiale, Herzinsuffizienz)

Oberkörper hoch

Lungenödem

sitzende Position, herunterhängende Beine

Thoraxtrauma

Oberkörper erhöht, Lagerung möglichst auf die verletzte Seite

Beispiel

Lagerung bei Herz-Kreislauf-Störungen (nicht bewusstloser Patient) Lagerung bei Herz-Kreislauf-Störungen (nur beim nicht bewusstlosen Patienten !). Erkrankung

Lagerungsart

Herzinfarkt

Oberkörper erhöht

kardiogener Schock

Oberkörper leicht erhöht

hypertone Krise

Oberkörper erhöht

Volumenmangelschock, anaphylaktischer Schock

Hochlagerung der Beine, Autotransfusion, ggf. Kopftieflagerung in Rücken- oder Bauchlage

Beispiel

25

1.6

Spezielle Lagerungsarten

1 Retten und Lagern

Erkrankung

Lagerungsart

akuter Beinarterienverschluss

Tieflagerung der betroffenen Extremität – Bein herunterhängen lassen (Verbesserung des arteriellen Zustroms)

akuter Venenverschluss

Hochlagerung der betroffenen Extremität, dadurch Erleichterung des venösen Abflusses

Beispiel

Lagerung bei Traumata (nicht bewusstloser Patient) Lagerung bei Traumata (nur beim nicht bewusstlosen Patienten !). Art der Verletzung

Lagerungsart

Schädel-Hirn-Trauma

Oberkörper leicht erhöht, Kopf in Mittelstellung, Ziel: Herabsetzung des Hirndrucks

Thoraxtrauma

Oberkörper erhöht, ggf. Lagerung auf die verletzte Seite, dadurch bessere Belüftung des unverletzten Lungenflügels

WS-Trauma

zunächst Belassen in der vorgefundenen Lage, Umlagerung möglichst nur mit 4–5 Helfern, evtl. Schaufeltrage Flachlagerung auf vorgeformter Vakuummatratze, Spine board oder harter Unterlage

26

Abdominaltrauma

Rückenlage mit angezogenen Knien (Knierolle) und Kopfpolster zur Entspannung der Bauchdecke

Extremitätentrauma

Ruhigstellung der betroffenen Extremität (Schienung, Vakuummatratze); falls erforderlich Schocklagerung

Beispiel

1 Retten und Lagern

Spezielle Lagerungsarten

1.6

Lagerung bei gynäkologischen Notfällen/Schwangerschaft/Geburt Lagerung bei gynäkologischen Notfällen/Schwangerschaft/Geburt. Erkrankung

Lagerungsart

vaginale Blutung (z. B. Abort, Tumor)

Kopftieflagerung, evtl. kombiniert mit Fritsche-Lagerung: Beine gestreckt übereinanderschlagen → Blut sammelt sich zwischen den Oberschenkeln → Stärke der Blutung kann besser beurteilt werden

V.-cava-Kompressionssyndrom

Lagerung auf die linke Seite

EPH-Gestose

Oberkörper hoch, evtl. linke Seite

bevorstehende Geburt

Flachlagerung oder Lagerung nach Wunsch der Schwangeren, evtl. linke Seite

Nabelschnurvorfall

Kopftieflagerung

Notgeburt

Oberkörper hoch, Beine angezogen

Beispiel

27

2.1 2.2

Überstrecken des Kopfes Esmarch-Handgriff

2 Freimachen der Atemwege

2

Freimachen der Atemwege

2.1

Überstrecken des Kopfes

Die häufigste Ursache für eine Verlegung der oberen Luftwege ist das Zurücksinken des Zungengrunds gegen die Rachenhinterwand. Die einfachste Methode zur Herstellung freier Atemwege ist deshalb oft das Überstrecken des Kopfes in den Nacken.

!

Cave: Bei Verdacht auf HWS-Trauma Kopf nur bei vitaler Indikation (wenn Atemwege auf andere Weise nicht freizubekommen sind) überstrecken.

Technik einer Hand den Kopf des Patienten an der Stirn fassen, • mit mit der anderen unter dem Kinn Kopf nach hinten überstrecken • Unterkiefer nach vorne ziehen (mit dem Esmarch-Hand• griff oder anderen Techniken)

2.2

Esmarch-Handgriff

Indikation Erlaubt das Vorziehen des Unterkiefers und Öffnen des Mundes beim Bewusstlosen, z. B. um den Mund-Rachen-Raum zu inspizieren und Sekrete, Blut oder Erbrochenes zu entfernen (s. u.).

Technik des Patienten von hinten so umfassen, dass mit • Kopf den Fingern die Unterkieferwinkel auf beiden Seiten und mit dem Daumen das Kinn umschlossen werden mit den Fingern – durch Druck auf die Unterkieferkno• chen – den Unterkiefer nach vorne schieben, die Daumen öffnen dabei den Mund

der einen Hand diese Stellung fixieren, mit der ande• mit ren Hand z. B. den Mund-Rachen-Raum reinigen

28

2 Freimachen der Atemwege

2.3

Reinigen des Mund-Rachen-Raums Heimlich-Handgriff

2.3 2.4

Reinigen des Mund-Rachen-Raums

Technik Methode: manuelles Aus• einfachste räumen oder Auswischen flüssiges Sekret ggf. absaugen • künstliche Gebisse, Zahnprothesen • etc. sollten entfernt werden!

2.4

Heimlich-Handgriff

s. a. S. 539

Indikation Dient der Entfernung von Fremdkörpern aus dem Bereich der oberen Luftwege (Bolusgeschehen) und wird angewendet, wenn: der Patient nicht mehr in der Lage ist, den Fremdkörper aus eigener Kraft, z. B. durch kräftiges Husten, herauszubefördern und der Fremdkörper auch durch kräftige Schläge mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter des liegenden oder stehenden Patienten nicht gelöst werden kann !

• •

Kontraindikationen Als relative Kontraindikationen für den HeimlichHandgriff gelten: fortgeschrittene Schwangerschaft extreme Adipositas Säuglingsalter

• • •

Bei diesen Personengruppen sollte zuerst der Versuch der Bolusentfernung durch eine Druckerhöhung im Thoraxraum durch Thoraxkompressionen wie bei der Herzmassage gemacht werden.

29

Heimlich-Handgriff Pharyngealtuben

2.4 2.5

2 Freimachen der Atemwege

Technik Technik bei Säuglingen s. S. 539 Der Heimlich-Handgriff kann sowohl beim stehenden bzw. sitzenden als auch beim liegenden Patienten angewendet werden: stehender oder sitzender Patient: – Patient von hinten umfassen – beide Hände im Bereich des Epigastriums übereinanderlegen – mehrere kräftige Druckstöße in Richtung Zwerchfell durchführen liegender Patient: – mit gespreizten Beinen über dem Betroffenen knien – beide Hände im Bereich des Epigastriums übereinanderlegen – senkrecht mit einem oder mehreren kräftigen Stößen in Richtung Zwerchfell drücken





Komplikationen Der Heimlich-Handgriff ist nicht ungefährlich, er kann zu Verletzungen im Bereich von Magen, Leber, Milz oder Aorta führen und Erbrechen auslösen. Der Patient muss dementsprechend überwacht/kontrolliert werden.

2.5

Pharyngealtuben

Indikation Pharyngealtuben sollen die Atemwege freihalten, indem sie vor allem das Zurückfallen des Zungengrunds verhindern. Verwendung heute in erster Linie: zur Erleichterung einer Maskenbeatmung als Beißschutz nach orotrachealer Intubation

   

• •

Pharyngealtuben werden oral als Oropharyngealtuben, vor allem Guedel-Tuben, oder nasal als Nasopharyngealtuben, vor allem Wendl-Tuben, eingesetzt.

Vor- und Nachteile Vorteile. Die Vorteile der Nasopharyngealtuben liegen in der Vermeidung von Zahnschäden und in der geringeren Auslösung von reflektorischen Würgereizen. Nachteile. s. Komplikationen

30

2 Freimachen der Atemwege

Pharyngealtuben

2.5

Technik Größe des Tubus wählen • richtige • Guedel-Tubus – Tubus in den Mund einführen, wobei die pharyn-



geale Öffnung des Tubus zunächst zum Gaumen zeigt – Tubus in dieser Lage dann rachenwärts schieben und dabei um 180° drehen, Zungengrund dabei durch die Drehbewegung nach vorne drängen; Wendl-Tubus – Tubus wenn möglich anfeuchten – Tubus langsam mit leicht drehenden Bewegungen über ein Nasenloch einführen und unter Kontrolle des Atemgeräuschs vorschieben

Richtwerte für Guedel- und Wendl-Tuben. Altersstufe

Tubusgröße Guedel-Tubus

Tubusgröße Wendl-Tubus

Frühgeborene

000

Säuglinge

00

Kleinkinder

0

Kinder

1

20–24

Jugendliche

2

26

Erwachsene (Frau)

3

28

Erwachsene (Mann)

4

30

Erwachsene (groß)

5

32

Faustregel für Guedel-Tuben: Länge ~ Entfernung Mundwinkel → Ohrläppchen

31

2.5

Pharyngealtuben

2 Freimachen der Atemwege

Komplikationen Die richtige Größenwahl ist Voraussetzung für die exakte Lage des Tubus. Ein zu kurzer Tubus kann dazu führen, dass sich der Zungengrund zwischen Tubusöffnung und Kehlkopf schiebt. Ein zu langer Tubus kann Würgen und Brechreiz hervorrufen.

• •



32



 

3 Blutstillung

Mögliche Maßnahmen Maßnahmen bei arterieller Blutung

3

Blutstillung

3.1

Mögliche Maßnahmen

3.1 3.2

Zur Vermeidung eines Volumenmangelschocks müssen bei entsprechenden Verletzungen baldmöglichst Maßnahmen zur Blutstillung ergriffen werden.

Maßnahmen zur Blutstillung. Art der Verletzung

Maßnahme

oberflächliche, leicht blutende Wunde

einfacher Schutzverband

stärkere venöse Blutung

Hochlagerung der betroffenen Extremität

arterielle Blutung, starke Blutungen jeder Art

Druckverband, Abdrücken, Abbinden, Tourniquets, Beckenschlinge

Grundsätzlich kann versucht werden, jede Blutung durch direkte manuelle Kompression (Dauer mindestens 3–5 min oder besser bis zur definitiven Versorgung, z. B. durch einen 2. Helfer) zu verringern oder zu stoppen.

3.2

Maßnahmen bei arterieller Blutung

Druckverband Technik  

zunächst mit Verbandmaterial (z. B. Kom• Wunde pressen) bedecken ein Druckpolster, z. B. ein nicht abge• darauf wickeltes Verbandspäckchen, legen und mit einer



weiteren Mullbinde unter Druck anwickeln blutet die Wunde weiter, auf den 1. Druckverband einen 2. Druckverband mit stärkerem Zug aufwickeln

    

 

Als effektiver Druckverband lässt sich auch einfach ein Notfallstauer verwenden, vorteilhaft dabei ist die Variationsmöglichkeit der Druckverhältnisse. Ein einmal angelegter Druckverband sollte normalerweise am Unfallort nicht mehr entfernt werden !

33

Maßnahmen bei arterieller Blutung

3.2

3 Blutstillung

Abdrücken Technik

 



 



typische Druckpunkte: digitale Kompression, dadurch lassen sich arterielle Blutungen reduzieren bzw. stoppen arterielle Blutungen anderer Lokalisationen: ggf. Spezialgriffe anwenden (Aorta abdominalis, A. temporalis, A. carotis u. a.), diese Griffe sind jedoch schwer merkbar und technisch schwieriger

    

  ! "

 

Es ist grundsätzlich einfacher, arterielle Blutungen an Rumpf und Kopf durch direkten Druck auf die Blutungsstelle zu stillen als durch Spezialgriffe.

34

3 Blutstillung

Maßnahmen bei arterieller Blutung

3.2

Abbinden

!

Diese Maßnahme nur bei anderweitig nicht stillbaren, insbesondere bei arteriellen Blutungen an den Extremitäten anwenden.

Technik (sicherste Methode): Manschettendruck sollte den gemesse• Blutdruckmanschette nen systolischen Blutdruck um 20–50 mmHg überschreiten • Dreiecktuch: – nicht zu schmal (≥ 4 cm) falten – oberhalb der Blutung in der Mitte von Oberarm oder Oberschenkel um die betroffene Extremität legen, kräftig anziehen und dann verknoten – am Oberschenkel Stab als Knebel in den Knoten des Dreiecktuchs schieben und so lange drehen, bis die Blutung steht – Stab dann (z. B. mit einem weiteren Dreiecktuch) fixieren #$%&'%(

Ein intermittierendes Abbinden ist bei den bei uns gegebenen relativ kurzen Transportzeiten nicht erforderlich.

Komplikationen „zögerliches“ Abbinden: die entstehende Stauung verstärkt die Blutung noch • zu starkes oder zu stark einschneidendes Abbinden: Weichteile und Nerven werden • zu gequetscht

35

3.2

Maßnahmen bei arterieller Blutung

3 Blutstillung

Tourniquets Ein Tourniquet (frz. Drehkreuz, auch Aderpresse) ist ein Abbindesystem, durch das an den Extremitäten der Blutfluss in den Venen und Arterien (abhängig vom Druck) bei kritischen, lebensbedrohlichen Blutungen vollständig unterbrochen werden kann. Die Anlage eines Tourniquets ist eine sichere, effektive und nebenwirkungsarme Maßnahme zur schnellen temporären Blutstillung.

Indikationen zur Anlage eines Tourniquets großer Gliedmaßen • Amputationsverletzung Extremitätenblutung • lebensbedrohliche multiple Blutungen an einer Extremität • Extremitätenblutung bei gleichzeitigem B- oder C-Problem • keine Erreichbarkeit der Verletzung (z. B.A-,eingeklemmte • Unmöglichkeit der Blutstillung durch Druckverbände o.Ä.Person) • Versorgung einer Extremitätenblutung bei Dunkelheit • schwere Extremitätenblutung bei MANV • bei Zeitdruck in Gefahrensituationen (taktische Medizin) •

Anlage des Tourniquets Die Anlage eines Tourniquets erfolgt grundsätzlich so distal wie möglich, jedoch mindestens eine Hand breit (5–10 cm) proximal der Wunde. Es muss dabei beachtet werden, dass v.a. bei stumpfen Amputationsverletzungen (z. B. nach Explosionen) die Blutungsquelle tief im Gewebe und weit proximal des Amputationsstumpfes liegen kann. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, den Ort für die Tourniquet-Anlage entsprechend weiter proximal zu wählen. Weiterhin soll das Tourniquet nicht über Gelenken und nicht über Wundtaschen, Fremdkörpern und offenen Frakturen angelegt werden. Das wesentliche Problem bei der Anwendung von Tourniquets ist die insuffiziente Anlage. Durch eine insuffiziente Knebelung wird die arterielle Blutzufuhr distal des Tourniquets nicht unterbunden, mit konsekutiv verstärkter Blutung.

36

3 Blutstillung

Maßnahmen bei arterieller Blutung

3.2

stark blutende Extremitätenverletzung

Indikation zur Anlage eines Tourniquets

Tourniquets proximal der Wunde (min. 5 cm) anlegen

Festziehen des Tourniquets, bis die Blutung steht, ggf. auf ausreichende Analgesie achten

nein

Anlage eines 2. Tourniquets

Zeitpunkt Tourniquetanlage dokumentieren

Reassessment der Blutung, Behandlung nach ABCDE-Algorithmus

Tourniquetkonversion* möglich/sinnvoll?

ja

Algorithmus Tourniquetkonversion

* Tourniquetkonversion: Ersatz des Tourniquets durch andere Mittel zur Blutstillung

(Quelle: Josse F, Hossfeld B, Lampl L et al. Anwendungen von Tourniquets zum Stoppen kritischer Extremitätenblutungen. Notfallup2date 2014; 9:7-13)

Komplikationen der Tourniquet-Anlage Der Nutzen einer indizierten Tourniquet-Anwendung relativiert die möglichen Komplikationen: Denkbar sind Haut-, Nerven-, Gefäß- und Muskelschädigungen, Thrombembolien, ein Kompartmentsyndrom sowie postischämische Reperfusionsschäden.

37

Maßnahmen bei arterieller Blutung

3.2

3 Blutstillung

Beckenschlinge Beckenringfrakturen treten zwar insgesamt gesehen nur selten auf, besitzen aber aufgrund der großen Blutverluste (meist aus venösen Gefäßen) eine hohe Letalität. Da eine Beckenringfraktur anhand der manuellen Untersuchung präklinisch nur sehr schwierig erkannt werden kann, sollte bereits beim Verdacht auf eine Beckenringfraktur (z. B. aufgrund des Unfallmechanismus) prähospital auch ohne eine vorliegende hämodynamische Instabilität eine nichtinvasive Stabilisierung mit einer Beckenschlinge erfolgen. Die manuelle Überprüfung der klinischen Instabilität des Beckens ist dafür nicht erforderlich Die externe Stabilisierung des Beckenrings hat das Ziel, die anatomischen Verhältnisse annähernd wiederherzustellen, das innere Volumen zu verkleinern und somit die Blutung zu tamponieren. Es sind diverse Beckenschlingen erhältlich: SAM-Sling (SAM Medical Products, Newport, OR, USA) pneumatische Beckenschlinge (VBM, Sulz a.N., Germany) Trauma Pelvic Orthodic Device (T-POD) (Bio Cybernetics International, La Verne, CA, USA) Pelvic Binder (Pelvic Binder Inc., Dallas, TX, USA)

• • • •

Korrekte Positionierung der Beckenschlinge Die Effektivität einer Beckenschlinge hängt entscheidend von der richtigen Positionierung, nämlich über den Trochanteres majores der Oberschenkel (und nicht über den Beckenkämmen!), ab.

(Quelle: Bücking B, Debus F, Ruchholtz S. Präklinische Versorgung von Extremitätenund Wirbelsäulenverletzungen. Notfallup2date 2012; 7: 283-295)

38

Indikation Periphere Venenwege

4 Venenpunktion

4

Venenpunktion

4.1

Indikation

4.1 4.2

Bei praktisch jedem Notfallpatienten ist eine intravenöse Infusion indiziert. Dabei erfolgt der venöse Zugang in erster Linie über Plastikverweilkanülen und erst in zweiter Linie über perkutan eingeführte Gefäßkatheter. Nur in Ausnahmefällen (schlechte Venenverhältnisse, Säuglinge, Kleinkinder) sollten Flügelinfusionsbestecke (z. B. Butterfly, Venofix) zum Einsatz kommen.

4.2

Periphere Venenwege

Der periphere venöse Zugang erfolgt am einfachsten über die Punktion einer Armvene. Dabei stehen zur Verfügung: die Venen der Ellenbeuge, z. B. V. basilica die Venen des Vorderarms die Venen des Handrückens die Venen des Fußes

• • • •

V. cephalica V. basilica V. mediana cubiti

V. saphena magna

Plastikverweilkanülen Die Plastikverweilkanülen bestehen aus einer Metallkanüle, über die eine Plastikhülse gezogen ist (Katheter mit Innenkanüle).

Grundsätze Zugang möglichst weit peripher • venösen (also beginnend mit den Handrücken-



venen) legen, sodass die Kubitalvenen für die Platzierung zentraler Katheter geschont werden größtmögliche Verweilkanüle wählen, wobei es aber gilt, lieber einen sicheren kleinen Zugang zu erhalten, als möglicherweise eine Vene mit zu großer Kanüle zu perforieren

39

4.2

4 Venenpunktion

Periphere Venenwege Arten von Kanülen

Plastikverweilkanülen stehen von verschiedenen Firmen zur Verfügung, die bekanntesten sind die Braunülen und die Vygonülen. Sie unterscheiden sich in Länge und Lumen und dadurch in ihrem maximalen Durchfluss.

Überblick über die verschiedenen Plastikverweilkanülen. Farbe

Größe [Gauge]

Außendurchmesser [mm]

Durchfluss [ml/min] einer wässrigen Lösung

Durchfluss [ml/min] von Blut

blau

22

0,8

31

18

rosa

20

1,0

54

31

grün

18

1,2

80

45

weiß

17

1,4

125

76

grau

16

1,7

180

118

braun

14

2,0

270

172

Technik nur die Spitze der • zunächst in das Gefäß einführen, bei

• •



40

Metallkanüle erfolgreicher Punktion muss Blut im Kanülenkopf sichtbar werden Kanüle nur so weit vorschieben, dass auch der Plastikanteil sicher in der Vene liegt Metallkanüle unter gleichzeitigem Vorschieben der Plastikhülse zurückziehen; die Gefahr der Venenperforation durch die Plastikhülse ist äußerst gering; geringe Widerstände können durch Venenklappen hervorgerufen werden und mit sanftem Druck oder besser durch gleichzeitiges Einspritzen z. B. von Kochsalzlösung überwunden werden Metallkanüle entfernen und Infusionsschlauch anschließen, dabei das unter der Haut tastbare Ende der Plastikkanüle komprimieren, damit kein Blut austritt

4 Venenpunktion

Periphere Venenwege

4.2

sorgfältig fixieren – am • Kanüle besten durch ein Zügelpflaster und ein eingeschnittenes breiteres braunes Pflaster bzw. durch ein spezielles Kanülenpflaster

!

Stärkere Widerstände beim Vorschieben der Kanüle deuten auf eine Fehllage bzw. Perforation hin.

Flügelinfusionsbestecke Arten von Metallverweilkanülen Metallverweilkanülen bestehen aus einer kleinen Metallkanüle, die an 2 Plastikflügeln befestigt ist. Sie unterscheiden sich wie die Plastikverweilkanülen in Größe und Durchfluss).

Arten von Metallverweilkanülen. Farbe

Größe [Gauge]

Außendurchmesser [mm]

Durchfluss [ml/min]

orange

25

0,5

2,5

blau

23

0,65

7

grün

21

0,8

17

creme

19

1,1

50

41

4.2 4.3

Periphere Venenwege Zentrale Venenwege/Ports

4 Venenpunktion

Vor- und Nachteile Vorteile. Es können kleine Venen (Ventralseite des Unterarms, auch im Fußbereich, bei Säuglingen am Kopf) punktiert werden. Die Flügel lassen sich gut an die Haut anlegen. Dadurch ist eine einfache, sichere Fixation möglich. Nachteile. Durch die Metallkanüle besteht eine erhöhte Perforationsgefahr. Die Lumina sind begrenzt, eine rasche Infusion größerer Mengen ist nicht möglich.

4.3

Zentrale Venenwege/Ports

Als zentrale Venenkatheter werden die Katheter bezeichnet, deren Spitze intrathorakal in einer großen, klappenlosen, herznahen Vene liegt. Idealerweise liegt ein derartiger Katheter vorhofnah in der V. cava superior. Angesichts der Möglichkeit intraossärer Zugänge hat der zentrale Venenweg in der präklinischen Versorgung keine Bedeutung mehr.

Zugangsmöglichkeiten Das Legen eines zentralvenösen Wegs kann entweder von peripher oder über die V. subclavia, die V. jugularis externa bzw. die V. jugularis interna erfolgen. Je weiter peripher die Punktion durchgeführt wird, desto weniger ist mit schwerwiegenden Komplikationen, wie z. B. Pneumothorax oder Hämatothorax, zu rechnen. Andererseits wird man sich gerade in den Notfallsituationen für schwierigere Punktionsstellen entscheiden müssen, weil durch entsprechend schlechte periphervenöse Verhältnisse (Volumenmangel, Adipositas) kein anderer Weg möglich ist.



 

  

 

Vor- und Nachteile Grundsätzlich bietet der zentrale Weg folgende Vor- und Nachteile: Vorteile. Schonung der Venenwand durch Lage in einem großlumigen Gefäß, höhere Durchflussrate – schnellere Infusionen, schnellerer Wirkungseintritt von z. B. direkt

42

4 Venenpunktion

Zentrale Venenwege/Ports

4.3

kardial wirksamen Medikamenten, Messung des zentralen Venendrucks möglich (im Notarztwagen nicht von Bedeutung). Nachteile. Insgesamt höhere Komplikationsrate: Verletzungen und Blutungen aus benachbarten Venen und Arterien, Pneumothorax (V. subclavia), schwierigere Punktionstechnik.

V.-subclavia-Katheter Besonders beim Patienten im Schock, bei dem die Punktion einer peripheren Vene oder ein i.o. Zugang nicht möglich ist, bietet sich der Zugang über die V. subclavia an, da diese Vene durch ihre Anheftung am Periost der 1. Rippe und der Klavikula nicht kollabieren kann. In der Regel wird der risikoärmere infraklavikuläre Zugang dem supraklavikulären Weg vorgezogen.

Technik im Bereich • Punktionsstelle: der Klavikulamitte oder

• • •



M. scalenus anterior Klavikula

etwas medial davon Arme an den Körper legen, A. subclavia Trendelenburg-Lagerung (Neigung des Oberkörpers V. subclavia 1. Rippe bzw. der Trage 10–20° nach unten) Punktion in der Regel von rechts, Kopf des Patienten leicht nach links drehen Punktion mit langer Nadel – zunächst mit einer Spritze (20 ml) mit einer langen Nadel punktieren, falls erforderlich, enthält diese Spritze das Lokalanästhetikum (z. B. 10 ml) – Nadel direkt am Unterrand der Klavikula flach in Richtung Oberrand des Sternoklavikulargelenks der Gegenseite vorschieben – nach ca. 2–7 cm müsste die V. subclavia erreicht sein (problemlose Aspiration von Blut möglich) – Stichrichtung merken, in der man erfolgreich punktiert hat, z. B. durch Markierung mit einem Fingernagelabdruck – Entfernung der langen Nadel Punktion mit der Kanüle des Venenkathetersets – es muss auch dabei eine Spritze auf die Punktionsnadel aufgesetzt sein, da sonst die Gefahr einer Luftembolie besteht – gleiche Stelle wie zuvor – in der vorher markierten Richtung – gelingt es auch nach dieser Punktion problemlos, Blut zu aspirieren, kann der Plastikteil der Kanüle geringfügig vorgeschoben und der Metallteil zurückgezogen werden – Katheter einführen (ist bei richtiger Lage der Plastikkanüle einfach möglich)

43

4.3

Zentrale Venenwege/Ports

!

4 Venenpunktion

Zur Vermeidung einer Luftaspiration in das Venensystem muss die Kanüle sofort nach Entfernung des Metallteils bis zum Einführen des Venenkatheters mit dem Daumen zugehalten werden ! Nach jeder Manipulation im Subklaviabereich Auskultation der Lunge zum Ausschluss eines Pneumothorax (S. 412)!

V.-jugularis-externa-Katheter Im Bereich der V. jugularis bietet sich in erster Linie die V. jugularis externa zur Punktion an, u. a. auch, um Plastikverweilkanülen (z. B. Braunülen) zu legen.

Technik M. sternocleidomastoideus

oberhalb der Klavikula • Punktionsstelle: etwa in der Mitte des M. sternocleidomastoideus

am besten in Kopftieflage brin• Patient gen (wo dies nicht möglich ist, muss die

• •

Vene oberhalb der Klavikula komprimiert werden), in jedem Fall sollte die Vene gut sichtbar werden ! Kopf des Patienten leicht zur Gegenseite drehen und am besten durch einen weiteren Helfer fixieren lassen Vene von kranial punktieren

Kompression Klavikula V. jugularis externa

V.-jugularis-interna-Katheter Der Zugang über die V. jugularis interna ist schwieriger und sollte dem Geübten vorbehalten bleiben.

Technik an der Kreuzungsstelle • Punktionsstelle: zwischen V. jugularis externa und

• • • 44

M. sternocleidomastoideus; A. carotis communis muss ca. 0,5–1 cm medial der Einstichstelle tastbar sein A. carotis communis mit den Fingern der freien Hand leicht abdrängen Vene von kranial her und in einem Winkel von ca. 45° zur Vertikalebene in Richtung auf den klavikulären Ansatz des M. sternocleidomastoideus punktieren V. jugularis interna wird in einer Tiefe von ca. 3–5 cm getroffen

V. jugularis interna

4 Venenpunktion

Zentrale Venenwege/Ports

4.3

V.-femoralis-Katheter Die V. femoralis ist auch in schweren Schocksituationen infolge ihrer anatomischen Fixation immer offen, ein Kollabieren ist nicht möglich.

Indikation Die Punktion der V. femoralis stellt eine Alternative dar, wenn andere Venenwege oder ein i.o. Zugang nicht oder nur sehr schwer zugängig sind. Sie ist somit bei schweren Verletzungen im Oberkörperbereich sowie bei Kindern indiziert.

Technik Die Vene befindet sich medial der Arterie! medial der auch im Schockzustand fast immer tastbaren A. femora• Punktionsstelle: lis femoralis mit den Fingern der nicht punktierenden Hand unterhalb des Leisten• A.bands von lateral her tasten mit anderen Hand 1–2 cm medial der A. femoralis die Punktion parallel zu • dieserderdurchführen, die Vene wird in 2–4 cm Tiefe erreicht es möglich ist, venöses Blut zu aspirieren, Nadel der Verlaufsrichtung der • sobald V. femoralis anpassen, indem diese etwas nach medial und nach unten eingeschwenkt wird

Lage durch mühelose Blutaspiration kontrollieren ! • intraluminale Kunststoffkanüle in das Lumen vorschieben und Stahlkanüle entfer• anschließend nen

A. femoralis Leistenband

V. femoralis

45

4.3

Zentrale Venenwege/Ports

4 Venenpunktion

Portsysteme Das Portsystem ist ein zentraler Venenzugang, der operativ in lokaler oder meist Vollnarkose subkutan implantiert wurde. Der Port besteht aus einem Reservoir (Durchmesser 3– 4 cm), das mit einer ca. 1 cm dicken Silikonmembran verschlossen ist. Die Membran kann ca. 5000-mal angestochen werden. Vom Reservoir führt ein Katheter in eine zentrale Vene (meist rechte V. basilica oder rechte auf dem M. pectoralis fixiert.

Huber-Nadel Katheterschlauch

Haut

Membran Reservoir Brustwand

V. subclavia/jugularis). Das Reservoir wird

Indikation parenterale Ernährung • längerfristige von Zytostatika • Applikation dauerhafte Gabe venenreizender Medikamente • längerfristige Schmerztherapie •

Technik Nadeln. Zum Anstechen des Portsystems werden Nadeln mit einem besonderen Schliff benötigt. Nur diese Spezialkanülen (z. B. „Huber-Nadeln“) verhindern ein Durchlöchern und Ausstanzen der Silikonmembran. Diese Spezialkanülen gibt es in verschiedenen Stichlängen und Durchmessern, abhängig z. B. von der Medikamentengabe.

!

Keine Injektionen in das Portsystem mit normalen Kanülen, da diese Stanzdefekte verursachen !

Material. Spezial-Nadeln (s. o.), Desinfektionsmittel, sterile Handschuhe, sterile Kompressen, NaCl 0,9 %, 10-ml-Spritzen, 2500 IE Heparin, evtl. steriles Lochtuch. Vorgehen. Obligat steriles Arbeiten ! Fixieren des Ports unter der Haut und sicheres Lokalisieren der membranösen Seite Nadel senkrecht durch die Haut und Membran stechen (alternativ mit gekrümmter Portnadel), bis Kontakt zum Portboden sicher gespürt wird Injektion von 10 ml NaCl 0,9 % (muss leicht möglich sein), bei Zweifel an Lokalisation der Nadel evtl. Aspiration von Blut Anschließen der Infusionen bzw. Injektion nach jeder Manipulation/Injektion/Infusion obligates Spülen des Portsystems mit sog. Heparin-Block (z. B. 200 IE Heparin auf 2 ml NaCl 0,9 %) Entfernen der Nadel

• • • • • •

46

4 Venenpunktion

4.4

Komplikationen

4.4

Komplikationen

Durchstechen der Vene Häufigstes Missgeschick ist das Durchstechen des punktierten venösen Gefäßes meist infolge falscher Technik. Der Durchstich ist an sich harmlos, sofern man ihn rechtzeitig erkennt und nicht paravenös injiziert.

!

Die gelungene Blutaspiration ist per se noch kein sicherer Beweis für die korrekte intravasale Lage der Kanülenspitze.

Symptomatik eines Hämatoms • Ausbildung eines Injektionsdepots führt zu erheblichen Schmerzen und/oder zu einem • Setzen paravenösen Infiltrat ist nicht (mehr) möglich • Blutaspiration Infiltrat zeigt sich durch bisweilen schmerzhaftes Anschwellen im Be• paravenöses reich der Punktionsstelle

Therapiemaßnahmen sofort abbrechen • Injektion lösen • Staubinde extrahieren • Kanüle Punktionsstelle bei hochgelagerter Extremität 3–5 Minuten großflächig manuell • komprimieren

Arterielle Fehlpunktion Häufigste Lokalisation einer arteriellen Fehlpunktion ist, neben der Leistenbeuge, vor allem die Ellenbeugenregion. Hier wird am ehesten medialseitig statt der Vene die A. brachialis versehentlich angestochen. Bisweilen wird diese Fehlpunktion trotz vermeintlich richtiger Aspirationsprobe nicht erkannt, und es wird irrtümlich intraarteriell injiziert. Dabei ist durch den peripher gerichteten Blutfluss in immer kleinere Blutgefäße ein relativer Konzentrationsanstieg des applizierten Medikaments zu erwarten. Die versehentliche intraarterielle Injektion kann einen massiven Vasospasmus bedingen, der über eine Hypoperfusion bis zur Nekrose und damit Amputation der Extremität gehen kann. Diese Gefahr wächst mit der applizierten Dosis und der Konzentration.

Symptomatik Kanüle vom Spritzenkonus diskonnektieren → entleert sich pulsierend hellrotes • Blut? initialer Punktionsschmerz, der beim Durchtritt durch die Gefäßwand entsteht • evtl. und manchmal von einem reflektorischen Gefäßspasmus begleitet ist

47

4.4

Komplikationen

4 Venenpunktion

Brennen in distalen Extremitätenabschnitten und Blässe bis in die Fin• manchmal gerregion

Therapiemaßnahmen für die nachfolgend genannten weiteren Maßnahmen im Gefäßlumen be• Kanüle lassen Verdünnung mit 20 ml 0,9%iger NaCl-Lösung • initiale fraktioniert Panthesin-Hydergin (200 mg Panthesin mit 0,3 mg Hyder• anschließend gin) injizieren 50–100 mg eines Prednison-Derivats langsam injizieren • dann evtl. noch 10 ml einer 1%igen Lidocain-Lösung (ohne Adrenalinzu• abschließend satz! !) langsam applizieren Entfernung der Kanüle • Unabdingbar ist es, einen periphervenösen Venenzugang zu legen. Gegebenenfalls kann eine Dauertropfinfusion mit Hydergin/Panthesin/Prednison-Derivat eingeleitet werden. Der Patient gehört umgehend in gefäßchirurgische oder angiologische stationäre Behandlung, welche meist notfallmäßig eingeleitet werden muss.

Nervenpunktion Die versehentliche Punktion eines Nervs ist leider keine ganz seltene Komplikation der intravenösen Injektion. Am ehesten gefährdet ist hierbei der N. medianus im medialen (ulnaren) Anteil der Ellenbeuge. Im Bereich der lateralen Ellenbeuge ist auch vereinzelt eine Schädigung des N. radialis mit seinen motorischen und sensiblen Ästen beschrieben. Sie wird seltener durch direkte Punktion erzeugt als vielmehr durch perineuralen Druck, der von paravenösen Infiltraten ausgeht.

Symptomatik Nach irrtümlicher Nervenpunktion sind denkbar: Sofortlähmung ohne Sofortschmerz Sofortlähmung mit Sofortschmerz Spätlähmung ohne Sofortschmerz

• • •

Hierbei ist die Fehlpunktion meist endo- oder paraneural. Auch die Einbeziehung vegetativer Strukturen wurde beschrieben. Als wichtigste Frühzeichen sind neben dem akuten Schmerz: Weißwerden des Handrückens und der Handinnenflächen Zyanose der Finger

• •

Derartige Symptome treten häufig bereits nach der Injektion von 1–2 Milliliter Agens auf. Deshalb: grundsätzlich langsam und fraktioniert injizieren !

48

4 Venenpunktion

Komplikationen

4.4

Verspürt der Patient während der Punktion oder Injektion einen radial ausstrahlenden oder einschießenden Schmerz oder entwickeln sich plötzlich Kribbeloder Taubheitsgefühle (Dysästhesien) in der betroffenen Extremität, Spritzprozedur unverzüglich abbrechen und Kanüle retrahieren.

Therapiemaßnahmen augenblicklich abbrechen ! • Injektion neurologisches/neurochirurgisches Konsil einholen • frühestmöglich Hämatomausräumung oder rechtzeitige Faszienspaltung durch den Chi• frühzeitige rurgen

Prognose Insgesamt ungünstig, abhängig vom intrafaszialen Gewebedruck und der Toxizität des injizierten Agens.

49

II

II

Erweiterte Notfallmaßnahmen 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7

Beatmung 53 Allgemeines 53 Beatmung ohne Hilfsmittel 56 Beatmung mit Hilfsmitteln 58 Supraglottische Atemwegshilfen 61 Endotracheale Intubation 67 Intubation – Durchführung 70 Chirurgische Atemwegssicherung 80

6 Maschinelle Beatmung 83 6.1 Invasive Beatmung 86 6.2 Nichtinvasive Beatmung 87 7 7.1 7.2 7.3

Herzdruckmassage 91 Allgemeines 91 Klassische Herzdruckmassage 91 Weitere Methoden 93

8

EKG-Diagnostik 95

8.1 Monitor-EKG 95 8.2 Standard-EKG 96

9

Pulsoxymetrie 99

10

Kapnometrie und Kapnografie 101

11 Defibrillation und Kardioversion 103 11.1 Manuelle Defibrillation 103 11.2 Automatisierte externe Defibrillation (AED-Geräte) 106 11.3 Elektrische Kardioversion 110 51

II 12

Elektrische Stimulation 111

12.1 Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) 112

13

Applikationswege für Medikamente 114

14 14.1 14.2 14.3

Medikamente bei der Reanimation 129 Vassopressoren 131 Antiarrhythmika 133 Sonstige 134

15

Kardiopulmonale Reanimation 137

15.1 Allgemeines 137 15.2 Basismaßnahmen (BSL) beim Erwachsenen 15.3 Einsatz eines automatischen externen Defibrillators (AED) 142 15.4 Erweiterte Maßnahmen (ALS) beim Erwachsenen 143

52

138

16

ROSC und Postreanimationsbehanlung 150

17 17.1 17.2 17.3

Sedierung – Analgesie – Narkose 151 Sedierung 151 Analgesie 152 Narkose 154

18

Magenspülung 168

19

Thoraxdrainage 170

20

Perikardpunktion 173

21

Karotissinusdruck 174

22

Valsalva-Pressversuch 175

23

Unblutiger Aderlass 176

5 Beatmung

5

Beatmung

5.1

Allgemeines

Allgemeines

5.1

Indikation Die Indikation zur Beatmung eines Notfallpatienten wird heute früh und relativ weit gestellt. Sobald eine suffiziente Atmung durch einfache Maßnahmen (Freimachen und Freihalten der Atemwege) nicht mehr gewährleistet ist, muss beatmet werden. Die Indikationen für eine sofortige Beatmung sind: jede akute respiratorische Störung Herz-Kreislauf-Stillstand mit Zustand nach Reanimation Komata (Stadium III und IV) Schädel-Hirn-Trauma instabiler Thorax Vergiftungen mit Atemgiften Alkylphosphatvergiftungen grundsätzlich nach jeder Intubation (erhöhter Atemwegswiderstand lässt beim spontan über den Tubus atmenden Patienten die Atemarbeit und den O2-Verbrauch stark ansteigen)

• • • • • • • •

Abhängig von der Schwere des Krankheitsbilds ergeben sich weitere Indikationen: akute exogene Vergiftungen Polytrauma Verbrennungen Ertrinkungsunfall Lungenarterienembolie

• • • • •

Als messtechnischer Indikator für die Notwendigkeit einer Beatmung dient in erster Linie auch die mit der Pulsoxymetrie gemessene partielle Sauerstoffsättigung (pSaO2): Werte < 90 % sprechen für eine Hypoxie/Hypoxygenation Werte < 75 % gehen in aller Regel mit einer klinischen Zyanose einher

• •

Somit erfasst die Pulsoxymetrie (unter Berücksichtigung der Fehlermöglichkeiten, s. S. 100) den klinisch oft nur schwer einzuschätzenden Bereich zwischen 75 % und 90 % relativ gut – und zeigt auch, ob eine alleinige Sauerstoffzufuhr bereits eine deutliche Verbesserung erbringt.

Beatmungsformen Die Beatmung ist ohne oder mit Hilfsmittel möglich: ohne Hilfsmittel – Mund zu Mund – Mund zu Nase



53

5.1

Allgemeines

5 Beatmung

Hilfsmittel • mit – Mund zu Hilfsmittel

– Atembeutel zu Mund/Nase – Atembeutel zu Tubus – Beatmungsgerät zu Tubus

Als einfachste Form der Beatmung, die als Laienhilfe ohne jedes Hilfsmittel und in jeder Situation durchführbar ist, bietet sich die Atemspende in Form der Mund-zuNase-Beatmung an. Wenn immer möglich, sollte jedoch eine Sicherung der Atemwege durchgeführt werden, die aber neben dem notwendigen Instrumentarium eine ausreichende Erfahrung voraussetzt.

Erreichbare Oxygenierung Ziel der Beatmung ist die optimale Oxygenierung des Notfallpatienten. Die Beatmungshübe sollten 700–800 ml bei Mund-zu-Nase-/Mund-zu-Mund-Beatmung und 400–600 ml bei Masken-Beutel-Beatmung betragen. Da diese Volumina natürlich im Notfall nicht zu messen sind, sollte auf eine ausreichende Thoraxexkursion bei Beatmung geachtet werden.

O2-Konzentration bei verschiedenen Beatmungstechniken.

54

Beatmungstechnik

inspiratorische O2-Konzentration

Mund-Nase-Beatmung (Ausatemluft)

17 %

Spontan- und Beutel-Masken-Beatmung (Raumluft)

21 %

Beutel-Masken-Beatmung mit 10 l/min Sauerstoffanschluss

bis 40 %

Beutel-Masken-Beatmung unter Verwendung eines Reservoirbeutels, 10–15 l/min O2

bis ca. 95 %

Beutel-Tubus-Beatmung unter Verwendung eines Reservoirbeutels, 10–15 l/min O2 bzw. unter maschineller Beatmung

100 %

Allgemeines

5 Beatmung

5.1

Atemfrequenz und Atemzugvolumen Atemfrequenz und Atemzugvolumen sind alters- und größenabhängig.

Altersabhängigkeit von Atemfrequenz und Atemzugvolumen. Altersstufe

Atemfrequenz/min

Atemzugvolumen [ml]

Neugeborene

40–50

20–35

Säuglinge

30–40

40–100

Kleinkinder

20–30

150–200

Schulkinder

16–20

300–400

Jugendliche

14–16

300–500

Erwachsene

10–14

500–1000

Das Atemzugvolumen ist – orientierend – dann richtig eingestellt, wenn sich der Brustkorb gerade beginnt zu heben (sog. Tidalvolumen). Richtgrößen für das Atemzugvolumen sind:

Richtgrößen für das Atemzugvolumen. Zusätzliche Sauerstoffgabe

Wert

nein

ca. 10 ml/kg KG

ja (> 40 %)

6–7 ml/kg KG

!

Zu großes Atemzugvolumen. Die Wahl eines zu großen Atemzugvolumens lässt einen zu hohen Druck im Nasen-Rachen-Raum des Patienten entstehen. Dadurch gelangt ein Teil des insufflierten Volumens über den Ösophagus in den Magen. Ein luftgefüllter Magen aber erhöht zum einen die Regurgitations- und damit auch die Aspirationsgefahr, zum anderen führt er über einen Zwerchfellhochstand zu einer Behinderung der Lungendehnung. Zu kleines Atemzugvolumen. Ein zu kleines Atemzugvolumen kann den erforderlichen Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid nicht sicherstellen. Zu hohe Beatmungsfrequenz. Eine zu hohe Beatmungsfrequenz kann den Helfer rasch ermüden lassen oder (bei der Beatmung durch Atemspende) ihn selbst in eine Hyperventilationstetanie bringen.

55

5.2

Beatmung ohne Hilfsmittel

5.2

5 Beatmung

Beatmung ohne Hilfsmittel

Mund-zu-Nase-Beatmung Indikation Die Mund-zu-Nase-Beatmung ist die Methode der Wahl bei der Atemspende. Sie ist der Mund-zu-Mund-Beatmung vorzuziehen, da sie folgende Vorteile bietet: Atemwege des Patienten lassen sich bei geschlossenem Mund und angeho• Die benem Unterkiefer sicherer freihalten Der Helfer kann seinen Mund leichter und sicherer über der Nase des Patienten • aufsetzen und abdichten Insufflationsdruck wird durch den Weg durch die Nasenhöhlen reduziert, die • Der Gefahr der Aufblähung des Magens und eine dadurch resultierende Regurgitation ist deutlich verringert

Technik seitlich neben dem Kopf des Patienten • Helferposition: einer Hand den Kopf des Patienten an der Stirn• mit Haar-Grenze fassen, mit der anderen unter dem Kinn des Patienten überstrecken, Unterkiefer vorzie• Kopf hen, Mund durch Druck mit dem Daumen auf den Bereich zwischen Unterlippe und Kinnspitze schließen Mund öffnen und ihn über den Nasenöff• einatmen, nungen des Patienten so aufsetzen, dass die Lippen rund um die Nase des Patienten fest abschließen einblasen (Ziel: 400–500 ml über 1 s), • Ausatemluft als Erfolgskontrolle sollte dabei beobachtet werden, ob sich der Thorax hebt Mund wieder abheben und mit einer • anschließend leichten Seitwärtsdrehung zum Thorax des Patienten hin Luft holen Dem Alter und der Größe des Patienten entsprechend muss versucht werden, Atemfrequenz und Atemzugvolumen den Erfordernissen anzupassen. Wichtige Anhaltspunkte sind dabei das Heben und Senken des Thorax sowie der spürbare Atemwegswiderstand beim Beatmeten.

! 56

Den Atemwegswiderstand insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern in keinem Fall mit Gewalt überwinden ! Stattdessen besser kontrollieren, ob die Atemwege wirklich frei sind und ob der Kopf – der jeweiligen Alterskatergorie entsprechend – kaum (Säuglinge, Kleinkinder), wenig (Kinder) oder maximal (Erwachsene) überstreckt ist !

5 Beatmung

Beatmung ohne Hilfsmittel

5.2

Mund-zu-Mund-Beatmung Indikation Vor allem indiziert, wenn eine Mund-zu-Nase-Beatmung, z. B. infolge von Nasenverletzungen oder einer Verlegung der Nasenwege, nicht möglich ist.

Technik seitlich neben dem Patienten • Helferposition: einer Hand den Kopf des Patienten an der Stirn-Haar-Grenze fassen, mit der • mit anderen unter dem Kinn der einen Hand direkt über die Kinnspitze legen (im Gegensatz zur Mund• Daumen zu-Nase-Technik, wo er zwischen Unterlippe und Kinnspitze liegt) des Patienten reklinieren, Unterkiefer vorziehen und Mund des Patienten etwa • Kopf fingerbreit öffnen Daumen und Zeigefinger der an der Stirn-Haar-Grenze liegenden Hand verschließen • die Nasenöffnungen einatmen, Mund öffnen und über den Mund des Patienten aufsetzen – wiederum • mit dem Ziel, möglichst gut abzudichten • Insufflation entsprechend wie bei der Mund-zu-Nase-Technik

57

Beatmung mit Hilfsmitteln

5.3

5.3

5 Beatmung

Beatmung mit Hilfsmitteln

Mund-zu-Masken-Beatmung Indikation Weitere Variation der Atemspende mit einfachen Hilfsmitteln. In der Notfallmedizin eher unüblich, da sie zum einen technisch schwierig ist und zum anderen sinnvollerweise besser gleich als Beutel-zu-Masken-Beatmung durchgeführt werden kann.  

Eingesetzte Masken

• Beatmungsmaske • Weichkissenmaske Technik

• Beatmungsmaske: – der Helfer kniet hinter dem Patienten



 



– Kinn und Unterkieferäste des Patienten mit beiden Händen umfassen – Kopf reklinieren, Unterkiefer nach vorne schieben – Maske mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger fest auf das Gesicht des Patienten pressen – Luft einblasen, wobei zu kontrollieren ist, ob etwa irgendwo seitlich aus der Maske Luft entweicht Weichkissenmaske: – der Helfer kniet neben dem Patienten – Kopf reklinieren und in der Überstreckung halten, gleichzeitig Maskenöffnung über Mund oder Nase aufsetzen – Maske mit sanftem Druck auf das Gesicht pressen – Luft über das Ventil-Vorsatzstück insufflieren, etwaiges seitliches Entweichen von Luft kann durch sanfte Druckkorrekturen auf die Weichkissenmaske behoben werden

Beutel-zu-Masken-Beatmung Indikation Die Beatmung mit Atembeutel und Maske ist eine im Rettungsdienst häufig angewendete Erstmaßnahme bei Atemstörungen. Vorteile: – kein direkter Helfer-Patient-Kontakt erforderlich, damit Wegfall der „Ekelbarriere“ – keine invasive Maßnahme, damit von jedermann durchführbar

• 58

5 Beatmung



Beatmung mit Hilfsmitteln

5.3

– Hilfsmittel sind in jedem Krankenwagen vorhanden – Beatmung mit zusätzlicher O2-Anreicherung möglich (durch die Verwendung von Sauerstoffreservoirs kann die O2-Konzentration bis auf 100 % erhöht werden) – bevorzugte Beatmungsmethode für Neugeborene und Säuglinge (insbesondere für den ungeübten Helfer) – durch eingebaute Überdrucksicherheitsventile (nicht bei allen Beatmungsbeuteln) Verhinderung gefährlicher Überdrücke – Möglichkeit einer PEEP-Beatmung (spezielle Ventile erforderlich) Nachteile: – Schwierigkeit dieser Beatmungsmethode wird unterschätzt, dadurch Gefahr einer insuffizienten Beatmung! – Atemzugvolumina sind durch die verschiedenen Beutelgrößen vorgegeben, Gefahr zu großer oder zu kleiner Beatmungsvolumina

Eingesetzte Beutel und Masken Abhängig vom Hersteller gibt es verschiedene Beatmungsbeutel, wobei normalerweise alle Hersteller die Modellgrößen Erwachsenenbeutel Kinderbeutel Babybeutel anbieten.

• • •

Alle Beutel funktionieren nach demselben Prinzip, der entscheidende Unterschied liegt in den verschiedenen Volumina. Gesichtsmasken für Erwachsene liegen je nach Typ in 3–4 verschiedenen Ausführungen vor, für Kinder gibt es spezielle Masken, die sich ihrer Gesichtsform anpassen (s. S. 516).

Typen verschiedener Beatmungsbeutel. Größe

Erwachsenenbeutel

Kinderbeutel

Babybeutel

Patientengewicht

über 30 kg KG

7–30 kg KG

weniger als 7 kg KG

Abbildung

59

Beatmung mit Hilfsmitteln

5.3

5 Beatmung

Technik Beatmungsbeutel (Erwachse• richtigen nen-, Kinder- oder Babybeutel) und passende Maske auswählen

vorhanden, vor der Beatmung einen • falls Pharyngealtubus (Guedel-Tubus, Wendl-

• • • •



Tubus) einführen; dadurch wird die Zunge sicher fixiert und der Atemweg bis zum Rachen freigehalten Helferposition: hinter dem Patienten Kopf des Patienten überstrecken ! Maske aufsetzen und halten (normalerweise mit der linken Hand): – Klein-, Ring- und Mittelfinger umfassen das Kinn und ziehen es nach vorne – mit Daumen und Zeigefinger derselben Hand Maske im sog. „C-Griff“ fest über Mund- und Nasenöffnung des Patienten drücken Beatmungsbeutel bedienen (mit der anderen [normalerweise rechten] Hand): – Atemfrequenz ca. 12–15 Hübe pro Minute – Atemstoß zügig (Inspirationszeit ca. 1 s) abgeben – Exspirationszeit ausreichend lang, d. h. ca. 1,5–2 s für die passive Ausatmung zulassen – Thoraxbewegung kontrollieren, Kriterium für ein ausreichendes Tidalvolumen ist das sichtbare Heben des Brustkorbs mit jeder Ventilation falls eine ausreichende Zahl von Helfern zur Verfügung steht, während der Maskenbeatmung einen Krikoiddruck (Sellick-Manöver) durchführen, um eine Überblähung des Magens zu verhindern

Typische Fehler Typische Fehler bei der Maskenbeatmung sind:

Fehler bei der Maskenbeatmung. Fehler

Wirkung

Maske wird nicht von der Nase her aufgesetzt

undichter Sitz

C-Griff wird nicht angewendet Beutel wird zu schnell ausgedrückt: hohe Beatmungsdruckspitzen

Gefahr der Magenüberblähung

nicht ausreichende Überstreckung des Kopfes zu ruckartiges Überstrecken des Kopfes Anheben der HWS durch die Hand

60

Gefahr der HWS-Schädigung

5 Beatmung

5.4

Supraglottische Atemwegshilfen

5.4

Supraglottische Atemwegshilfen

Die supraglottischen Atemwegshilfen, an erster Stelle die Larynxmaske und der Larynxtubus, haben sich aufgrund ihrer schnellen und sicheren Einsatzmöglichkeit als Alternativen, insbesondere bei nicht oder nur schwierig durchführbaren Intubationen, präklinisch etabliert.

Larynxmaske (LM) Die Larynxmaske ist unterdessen präklinisch nicht mehr so weit verbreitet wie der Larynxtubus, stellt jedoch unverändert eine wirkungsvolle und einfache Alternative zur Intubation dar. In der Klinik hat die Larynxmaske, z. B. im Rahmen von Kurznarkosen, einen etablierten Platz.

Indikation bei nicht unverzüglich beherrschbaren Intubationsschwierigkeiten • Maßnahme bis zur definitiven (z. B. später innerklinischen) Intuba• Überbrückungsmaßnahme tion

Einsatz in der Klinik Voraussetzungen für den Einsatz der LM im klinischen Bereich sind: keine erhöhte Aspirationsgefahr, Nüchternheit (die LM schützt nicht sicher vor Aspiration!) ausreichend tiefe Narkose, ausgeschaltete Schutzreflexe keine größeren Verletzungen im Pharynxbereich, keine Verlegungen im Larynxbereich ausreichende Erfahrung des Anwenders

• • • •

Prinzip LM bestehen aus einem ovalen, maskenähnlichen Silikonkörper mit aufblasbarem CuffRand, verbunden mit einem weitlumigen Tubus. Der Silikonkörper soll mit aufgeblasenem Cuff Epiglottis und Kehlkopf gegen Mundhöhle und Ösophagus abdichten und über den Tubus eine direkte „Luftbrücke“ zwischen Beatmungsbeutel und Larynxeingang ermöglichen. Die LM stellt damit ein „Mittelding“ zwischen Maskenbeatmung und endotrachealer Intubation dar.

61

Supraglottische Atemwegshilfen

5.4

5 Beatmung

Maskengrößen LM sind in verschiedenen Größen erhältlich, mit den Standardgrößen 3–5 kann man z. B. den Gewichtsbereich 30–100 kg KG abdecken:

Verfügbare Größen der LM und maximale Füllvolumina. Größe

Patientengröße

Maximales Cuff-Volumen

1

Neugeborene < 5 kg

bis zu 4 ml



Kleinkinder 5–10 kg

bis zu 7 ml

2

Kleinkinder 10–20 kg

bis zu 10 ml



Kinder 20–30 kg

bis zu 14 ml

3

Kinder 30–50 kg

bis zu 20 ml

4

Erwachsene 50–70 kg

bis zu 30 ml

5

Erwachsene 70–100 kg

bis zu 40 ml

Technik Maskengröße auswählen • richtige hinter dem Patienten • Helferposition: des Patienten reklinieren und Reklination • Kopf durch die linke Hand am Hinterkopf in dieser Position sichern

mit der rechten Hand mit zungenwärts gerich• LM teter Maskenöffnung und unter Beobachtung der

• • • • • 62

Maskenspitze (darf nicht nach oben umknicken !) am harten Gaumen entlang peroral bis in den Hypopharynx vorschieben mit der Kuppe des Zeigefingers der rechten Hand die Maske so weit wie möglich abwärts in die richtige Lage drücken LM mit der linken Hand fixieren und Zeigefinger aus dem Rachen ziehen Cuff blocken, ohne dabei die LM festzuhalten, dabei zentriert sich die Maske normalerweise selbstständig manuelle Beatmung bei gleichzeitiger Lagekontrolle durch Auskultation und Inspektion der Thoraxexkursionen Fixierung der LM (wie ein Endotrachealtubus)

5 Beatmung

Supraglottische Atemwegshilfen

5.4

Larynxtubus (LT) Indikation der Atemwege bei unmöglicher endotrachealer Intubation • Sicherstellung • Alternative zur endotrachealen Intubation für den Ungeübten

Kontraindikation vorhandene Schutzreflexe • noch Aspirationsgefahr • erhöhte • größere Verletzungen im Pharynxbereich

Prinzip Die Standard-LT sind Ein-Lumen-Tuben, die am distalen Ende verschlossen und mit einer ventral gelegenen Öffnung versehen sind. Die Atemwege werden über einen ösophagealen und einen pharyngealen Ballon abgedichtet, die über eine gemeinsame Zuleitung mit Luft gefüllt werden. Der ösophageale Cuff verschließt die Speiseröhre, der pharyngeale Cuff den Nasen-Rachen-Raum, sodass die Luft nur noch über die dem Kehlkopfeingang gegenüberliegende Öffnung entweichen kann. Der Larynxtubus wird blind eingeführt und erfordert demnach kein Intubationsinstrumentarium und auch keine Intubationserfahrung.

63

5.4

Supraglottische Atemwegshilfen

5 Beatmung

Tubusgrößen Die verschiedenen Größen der LT sind nachfolgend dargestellt:

Verschiedene Größen von LT. Größe

Altersgruppe

Farbe des Konnektors

Füllvolumen der Cuffs

0

Neugeborene bis 5 kg

transparent

10 ml

1

Babys, 5–12 kg

weiß

20 ml

2

Kinder, 12–25 kg

grün

35 ml

2.5

Kinder 125–150 cm Größe

orange

40 ml

3

Kinder und Erwachsene bis 155 cm Größe

gelb

60 ml

4

Erwachsene von 155–180 cm Größe

rot

80 ml

5

Erwachsene > 180 cm Größe

violett

90 ml

Bei der doppellumigen Variante LTS (= Larynx-Tubus-Suction) wird durch einen 2. Kanal der Magen entlastet und mittels Einführen einer Magensonde der Aspirationsschutz nochmals erhöht.

64

5 Beatmung

Supraglottische Atemwegshilfen

5.4

Verschiedene Größen von LTS Größen

maximale Magensonde

0, 1

10 CH

2, 2,5

16 CH

3, 4, 5

18 CH

(Bildquelle: VBM Medizintechnik, Sulz, mit freundlicher Genehmigung)

65

Supraglottische Atemwegshilfen

5.4

5 Beatmung

Technik Größe des LT auswählen • richtige Cuffs komplett mit Spritze entlüften, damit diese • beide möglichst eng an den Tubus anliegen LT ausreichend mit Gleitmittel versehen • den Kopfes des Patienten überstrecken (wie bei • idealerweise der endotrachealen Intubation) Mund des Patienten und den LT zentral einführen, • dabei die Unterseiteöffnen des LT mit der Spitze gegen den





• •

66

harten Gaumen des Patienten drücken und sanft am Gaumen entlang mittig in den Hypopharynx schieben, bis die mittlere Markierung auf Höhe der Zahnreihe liegt. Tubus nicht mit Gewalt einführen ! beide Cuffs aufpumpen: – mithilfe des Cuffdruckmessgeräts: mehrmalig auf ca. 60 cmH2O aufpumpen (dabei wird automatisch zuerst der pharyngeale und dann der ösophageale Tubus gefüllt, wodurch die korrekte Lage stabilisiert wird); anschließend durch Drücken des roten Ablassventils den Druck auf 60–70 cmH2O einstellen – sollte kein Manometer verfügbar sein, Cuffs mit einer 50-ml-Blockerspritze füllen, dabei Füllvolumen abhängig von der Tubusgröße wählen korrekte Lage des LT durch Auskultation überprüfen: – Beatmung nicht ausreichend: Tubus entweder weiter einschieben oder etwas hinausziehen (jeweils ca. 1 cm) bis auf die jeweilige äußere Markierung – Beatmung immer noch nicht ausreichend: LT entfernen und evtl. andere Größe verwenden Beißblock einsetzen (fixiert und schützt den Tubus) bei LTS: Magensonde über Drainagekanal einführen

5 Beatmung

5.5

Endotracheale Intubation

5.5

Endotracheale Intubation

Definition Mit Intubation ist grundsätzlich das Einführen eines Tubus in die Atemwege, meist jedoch das Einführen eines Tubus in die Luftröhre (endotracheale Intubation) unter Sicht (sonst Blindintubation) gemeint. Die endotracheale Intubation ist entweder durch den Mund (orotracheal) oder durch die Nase (nasotracheal) möglich. Larynxmaske und Larynxtubus sind Alternativen zur endotrachealen Intubation, bei denen der Tubus aber nicht in die Luftröhre eingeführt wird. Für die in der Notfallmedizin erforderliche Notintubation ist die orotracheale Intubation zu bevorzugen.

Indikationen mit fehlenden Schutzreflexen • Bewusstlosigkeit • Atemstillstand Reanimation • kardiopulmonale Insuffizienz, die durch Sauerstoffgabe über Nasensonde oder Maske • respiratorische nicht gebessert werden kann • Polytrauma • Schädel-Hirn-Trauma z. B. durch Gesichtsschädelverletzungen • Aspirationsgefahr, Verbrennungen • großflächige • Inhalationstraumen Zuschwellen der Atemwege bei anaphylaktischer Reaktion • drohendes • nicht zu durchbrechender Status epilepticus und Status asthmaticus Die Indikation zur Intubation ist im Zweifelsfall großzügig zu stellen. Insbesondere beim Polytrauma und beim Schädel-Hirn-Trauma möglichst früh intubieren, weil sich dadurch die Überlebenschancen signifikant erhöhen. Weiterhin sollte bei allen Krankheitsbildern, bei denen eine Beatmung mit Überdruck sinnvoll ist, aber eine nichtinvasive Beatmung (S. 87) nicht möglich/nicht aussichtsreich ist, die Indikation zu einer frühzeitigen Intubation gestellt werden. Dazu gehören z. B.: Lungenödem Ertrinkungsunfall Thoraxtrauma Aspiration O2-Mangel CO-/Reizgasvergiftung

• • • • • •

67

Endotracheale Intubation

5.5

5 Beatmung

Vorteile Die endotracheale Intubation dient der bestmöglichen Sicherung der Atemwege. Sie bietet folgende Vorteile: einziger sicherer Aspirationsschutz erleichterte Ventilation und Oxygenierung Applikationsweg für Notfallmedikamente Möglichkeit der endotrachealen und endobronchialen Absaugung effektivere Herzdruckmassage, weil sie für die Beatmung nicht mehr unterbrochen werden muss

• • • • •

Zubehör Für eine Intubation ist das folgende Zubehör notwendig:

Zubehör für die Intubation. In jedem Fall notwendig

▪ Laryngoskop mit Spatel ▪ Endotrachealtubus ▪ Blockerspritze

68

Zur Erfolgskontrolle, Beatmung und Fixierung notwendig

▪ Stethoskop ▪ Beatmungsbeutel ▪ Fixierpflaster oder ‑bandage ▪ evtl. Guedel-Tubus

Evtl. notwendig (schwierige Intubationsverhältnisse, geplante Intubation)

▪ Führungsstab ▪ Gleitmittel (z. B. Xylocain Gel oder Silikonspray) ▪ Magill-Zange ▪ Absauggerät ▪ Beatmungsgerät

5 Beatmung

Endotracheale Intubation

5.5

Tubusgröße Abhängig von Alter und Geschlecht werden für die orotracheale Intubation Tuben unterschiedlicher Größen benötigt. Übliche Angaben sind in Charrière (Außendurchmesser) und mm (Innendurchmesser). Dabei sind die Umrechnungsformeln: von Charrière in mm: (Charr – 2) : 4 = mm-Größe von mm in Charrière: (mm × 4) + 2 = Charr-Größe

• •

Die folgenden Tabellen sollen Anhaltspunkte für die Wahl des richtigen Tubus geben:

Tuben für Säuglinge, Kleinkinder und Kinder. Alter

Innendurchmesser [mm]

Außendurchmesser [Charr]

Frühgeborene

2,5

12

Neugeborene

3,0

14

6 Monate

3,5

16

12 Monate

4,0

18

2. Lebensjahr

4,5

20

3.–4. Lebensjahr

4,5–5,0

20–22

5.–6. Lebensjahr

5,0–5,5

22–24

7.–8. Lebensjahr

5,5–6,0

24–26

9.–10. Lebensjahr

6,0–6,5

26–28

11.–12. Lebensjahr

6,5–7,0

28–30

13.–14. Lebensjahr

7,0–7,5

30–32

bei Neugeborenen und Säuglingen kann der gerade Laryngoskopspatel (Miller) vorteilhaft sein, bei Kindern < 6 Jahren ungeblockten Tubus verwenden

Anhaltspunkte für die Wahl des Tubus bei Kindern:

[mm] = (Alter des Kindes/4) + 4 • Innendurchmesser [Charr] = 18 + Alter des Kindes (gilt ab 3. Lebensjahr) • Außendurchmesser des Tubus = Stärke des Mittelgliedes des kleinen Fingers des Kindes • Stärke Länge des Tubus bis zur Zahnleiste (cm) = (Alter des Kindes/2) + 12 •

69

5.5 5.6

Endotracheale Intubation Intubation – Durchführung

5 Beatmung

Tuben für Jugendliche und Erwachsene. Geschlecht

Innendurchmesser [mm] 7,0

Frauen

Männer

◀ ◀

Außendurchmesser [Charr] 30

7,5

32

8,0

34

8,5

36

9,0

38

Umrechnungsformel von Charrière in mm und umgekehrt: (Charr – 2) : 4 = mm-Größe: (mm × 4) + 2 = Charr-Größe

5.6

Intubation – Durchführung

Prämedikation Bei der Notintubation wird in der Regel keine Prämedikation durchgeführt. Grundsätzlich wird der Umfang der Prämedikation vom Zustand des Patienten abhängig gemacht. Die Applikation der Medikamente hat über einen sicheren venösen Zugang (z. B. Braunüle mit angeschlossenem 3-Wege-Hahn zu erfolgen. Es empfiehlt sich, eine Infusionslösung (z. B. Ringer-Lactat) im Parallelschluss zu instillieren (die Medikamente können damit rascher in den Kreislauf eingeschwemmt werden, die Braunüle wird zwischenzeitlich „durchgespült“, sodass mögliche Medikamenteninteraktionen vermieden werden).

70

5 Beatmung

Intubation – Durchführung

5.6

Prämedikation in Abhängigkeit vom Bewusstseinszustand. Maßnahme

Medikament

Dosierung

Beispiel

Prämedikation bei bewusstlosen Patienten ohne Schutzreflexe Vagusdämpfung

wird nicht mehr empfohlen

Sedierung

keine

Relaxierung

keine

Prämedikation bei bewusstlosen Patienten mit Schutzreflexen/bei nicht bewusstlosen Patienten Sedierung, Einschlafdosis, Narkoseeinleitung

Thiopental Thiopental

2–5 mg/kg KG i. v.

½–1 Amp. Trapanal (1 Amp. = 20 ml = 500 mg)

2 μg/kg KG

0,2 mg Fentanyl

oder Fentanyl

Alternative: Diazepam oder Midazolam zusammen mit S-Ketamin Diazepam

5–10–20 mg (0,15–0,25 mg/kg KG) i. v.

½–2 Amp. Valium i. v. (2 ml = 10 mg)

5–10 mg (0,1–0,15 mg/kg KG) i. v.

1–2 Amp. Dormicum 5/1

40–80 mg (0,5–1,0 mg/kg KG) i. v.

2–4 Amp. Ketanest S (5 ml) (1 Amp. = 5 ml = 25 mg) oder 1–2 Amp. Ketanest S (2 ml) (1 Amp. = 2 ml = 50 mg)

oder Midazolam

zusammen mit S-Ketamin

71

5.6

Intubation – Durchführung

5 Beatmung

Maßnahme

Medikament

Relaxierung

zunächst Vecuronium (zur Präkurarisierung vor der Gabe von Succinylcholin !), dann Succinylcholin, nach Beendigung der Succinylcholinwirkung (ca. 5 min) Fortführung der Relaxation mit „nichtdepolarisierendem“ Muskelrelaxans

Dosierung

Beispiel

evtl. Vecuronium

i. v.

1 mg Norcuron (1 Amp. = 4 mg Trockensubstanz in 1 ml Lösungsmittel)

anschließend Succinylcholin

1–2 mg/kg KG, unterschiedliche Konzentrationen (1 %, 2 %, 5 %, 10 %) beachten !

1–2 Amp. Lysthenon (2 %) (1 Amp. = 5 ml = 100 mg der 2%igen Lösung)

Vecuronium

0,08–0,1 mg/kg KG

5–8 mg Norcuron i. v. (1 Amp. = 4 mg Trockensubstanz in 1 ml Lösungsmittel)

Narkoseeinleitung: 1,0–1,2 mg/kg KG

Esmeron 70–100 mg

oder Rocuronium

Narkoseführung S. 156.

Klassische Intubationsmethoden Orotracheale Intubation Klassische orotracheale Intubation Indikation Methode der Wahl bei der Notintubation.

Technik auf Vollständigkeit und Funk• Instrumentarium tionsfähigkeit überprüfen ausreichende Oxygenierung (sofern möglich) • Prämedikation (s. S. 70) in Abhängigkeit vom Be• wusstseinszustand des Patienten

72

%

&  ' 

5 Beatmung

Intubation – Durchführung

flach auf den Rü• Patienten cken lagern; Kopf durch Un-





• •

• • • • •

terlegen eines flachen Polsters in die sog. Schnüffelstellung bringen, d. h., Kopf leicht anteflektieren und zugleich im Okzipitalgelenk nach hinten überstrecken (Vorgehen bei HWS-Verletzung s. S. 74) Laryngoskop mit der linken Hand vom rechten Mundwinkel her so einführen, dass die Zunge nach links und vorne weggeschoben und die Epiglottis sichtbar )    wird beim gebogenen Laryngoskopspatel Spitze des Spatels in die epiglottische Falte einführen und nach ventral und kranial anheben (dadurch wird die Epiglottis aufgerichtet und der Kehlkopfeingang dargestellt) beim geraden Laryngoskopspatel hebt der Spatel die Epiglottis hoch, der Kehlkopfeingang stellt sich dar falls nur der dorsale Anteil des Kehlkopfeingangs sichtbar wird, Einblick durch das BURP-Manöver (BackwardUpward-Rightward-Pressure), d. h. durch das Verschieben des Schildknorpels nach dorsal-kranial-rechts durch einen 2. Helfer, verbessern; dadurch gelingt es oft, die Stimmritze besser darzustellen Tubus mit der rechten Hand von lateral her unter Sichtkontrolle in die Trachea einführen Blockierungsmanschette mit der Blockerspritze aufblasen Lage des Tubus kontrollieren (s. S. 78) Tubus mit Klebeband oder Mullbinde fixieren falls erforderlich, Guedel-Tubus einlegen (als Beißschutz)

5.6

&  (

 

!*+ , 

&  -  '

73

5.6

Intubation – Durchführung

5 Beatmung

Intubation und HWS-Immobilisation Indikation Notwendigkeit der Intubation bei gleichzeitigem Verdacht auf eine HWS-Verletzung.

Problematik Beim Verdacht auf eine HWS-Verletzung muss die HWS umgehend schonend immobilisiert werden, um Rückenmarkläsionen mit u. U. bleibender Querschnittsymptomatik zu vermeiden. Gleichzeitig besteht bei vielen dieser Patienten die Indikation zur Intubation, z. B. bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma oder Aspirationsgefahr. Die Intubation bei bereits angelegter mechanischer HWS-Immobilisation ist aber aufgrund der (bewusst) fehlenden Reklinationsmöglichkeit des Halses oft schwierig.

Manuelle axiale Stabilisierung Die HWS wird durch eine Hilfsperson, am besten von kaudal her, mit beiden Händen achsengerecht durch Umfassen der HWS und des Kopfes im Bereich des Hinterhauptes sowie des Unterkiefers stabilisiert (manuelle Inline-Immobilisation) und damit die Bewegung der HWS bei dem Intubationsvorgang minimiert. Eine bereits angelegte HWS-Immobilisationsschiene wird für den Intubationsvorgang vorne soweit gelöst, dass die Mundöffnung nicht behindert wird. Die HWS-Immobilisationsschiene wird nach Beendigung des Vorganges wieder korrekt angelegt.

Technik wie bei der klassi• Vorbereitung schen Intubation bereits angelegte Halskrawat• evtl. te entfernen Helfer die HWS • Technikfixiert der eigentlichen Intubati• on wie beim klassischen Vorgehen stabilisiert kontinuierlich, • Helfer bis die HWS nach Intubation wieder endgültig mechanisch in der Halskrawatte fixiert ist

Inverse Intubation (Eispickelmethode) Definition Die inverse Intubation – stellenweise wegen der Handhabung des Laryngoskops auch als Eispickelmethode bezeichnet – ist eine Intubationstechnik, bei der der Intubateur von vorne an den Patienten herankommt oder über ihm steht. Die Methode wird angesichts der guten Alternativen durch supraglottische Atemwegshilfen eine Ausnahme bleiben.

74

5 Beatmung

Intubation – Durchführung

5.6

Indikation Notwendigkeit der endotrachealen Intubation unter äußerst ungünstigen äußeren Bedingungen, z. B. bei: Eingeklemmten, Bergopfern (Patient ist von Kopfseite her nicht zugänglich) Platzproblemen durch ungünstige Lage des Patienten schwieriger Intubation keine Möglichkeit des Einsatzes von Larynxtubus/Larynxmaske

• • • •

Material bei der klassischen Methode • wie normaler Macintosh-Spatel Größe 3 • Spatel: • Führungsstab sollte obligat sein

Technik

!

Bei Verdacht auf HWS-Trauma inverse Intubation nur durchführen, wenn der Kopf des Patienten durch einen Helfer stabilisiert werden kann !

flach auf den Rücken lagern • Patient Spreizschritt über den am Boden liegenden Patienten stellen, die Füße werden in • im Höhe der Schultern positioniert, die Blickrichtung ist kopfwärts in die rechte Hand nehmen, die Spatelspitze zeigt nach unten (wie ei• Laryngoskop nen Hammer oder Eispickel halten !) weit genug vorbeugen, sodass nach Öffnen des Mundes (mit der linken Hand) der • Spatel unter Sicht über die Zunge eingeführt werden kann, bis die Spatelspitze vor der Epiglottis zu liegen kommt sachte in Griffrichtung des Laryngoskops ziehen, also zum eigenen Körper hin, • jetzt bis der Kehldeckel sich aufgerichtet hat und die Stimmritze sich darstellt räumlicher Gegeben• jeheitnach kann bei diesem Manö-

• • • •

ver der Kopf des Patienten durch einen 2. Helfer stabilisiert und gestützt werden Endotrachealtubus mit der linken Hand einführen Tubus blocken Tubuslage kontrollieren (s. S. 78) Tubus in üblicher Weise fixieren

75

Intubation – Durchführung

5.6

5 Beatmung

Die Technik der inversen Intubation kann auch beim sitzenden Patienten in Erwägung gezogen werden, der Zugang erfolgt dann von vorn oder schräg von der Seite (S. 76).

Orotracheale Blindintubation Indikation Intubation ist unter Sichtkontrolle nicht durchführbar. Keine Möglichkeit des Einsatzes von Larynxtubus/Larynxmaske.

Technik in halb aufgerichteter Stellung lagern • Patienten mit der rechten Hand herausziehen • Zunge durch Einführen des Zeigefingers und • Kehldeckel des Mittelfingers der linken Hand ertasten Kehldeckel mit Mittelfinger nach ventral drücken • Tubus mit der dem Hand einführen, wobei der • linke Zeigefingerrechten als Leitschiene dient blocken • Tubus kontrollieren (s. S. 78) • Tubuslage Tubus fixieren •

Nasotracheale Intubation Allgemeines Indikation und Kontraindikation Die nasotracheale Intubation ist in der Notfallmedizin eher die Ausnahme. Kontraindikationen der nasotrachealen Intubation sind: Verletzungen von Gesichtsschädel, Orbitaboden und Nase Liquorfisteln

• •

Vor- und Nachteile Vorteile. Vorteile der nasotrachealen Intubation liegen bei der prolongierten Intubation: Mundpflege besser möglich fester Sitz (Sicherheit in Bezug auf Verschiebung und Abknickung) einfache Fixierung des Tubus

• • •

76

5 Beatmung

Intubation – Durchführung

5.6

Nachteile. Die Nachteile gegenüber der orotrachealen Intubation sind: technisch schwierigere Intubation engeres Lumen des Tubus schwierigeres Absaugen Infektionsrate durch Passage der keimbesiedelten Nasenwand höher

• • • •

Technik wie bei der orotrachealen Intubation lagern • Patienten am Boden der Nasenhöhle bis in den Oropharynx vorschieben • Tubus wie bei orotrachealer Intubation einführen • Laryngoskop unter Sichtkontrolle in die Trachea vorschieben, evtl. unter Zuhilfenahme der • Tubus Magill-Zange der Blockierungsmanschette • Aufblasen kontrollieren (s. S. 78) • Tubuslage • Fixierung

Nasotracheale Blindintubation Indikation Intubation ist unter Sichtkontrolle nicht durchführbar.

Technik in halb aufgerichteter Stellung lagern • Patienten durch den Nasengang einführen • Tubus unter ständiger Kontrolle des Atemgeräuschs Tubus • langsam vorschieben: Ein deutlich hörbares Atem-

• • •

geräusch zeigt die Lage des Tubus nahe der Stimmritze an ! Tubus während der Inspiration in die Trachea einführen Tubuslage kontrollieren (s. S. 78) Tubus fixieren

77

5.6

Intubation – Durchführung

5 Beatmung

Kontrolle der Tubuslage Immer abhören, egal wie gut man intubieren kann ! Grundsätzlich ist der Intubierende für die richtige Lage des Tubus verantwortlich, Kontrolle deshalb niemals delegieren ! Während der Durchführung der Auskultation zur Kontrolle der Tubuslage soll die beatmende Hilfsperson nach Anweisung des Abhörenden kräftig bebeuteln, damit Atemgeräusche deutlich hörbar werden.

Vorgehen 1. Auskultation zuerst über dem Epigastrium, ein blubberndes oder deutliches Luftgeräusch dort deutet auf eine ösophageale Fehllage hin. 2. Auskultation über beiden Lungen, zunächst oben über den Hauptbronchien, dann über beiden Thoraxseiten unten lateral. Vergleichende Auskultation. 3. Inspektion/Palpation des Thorax (atemsynchrones Heben und Senken?).

. / 

Kapnometrie (s. S. 101) Die endexspiratorisch durchgeführte Kohlendioxid-(CO2-)Messung (Kapnometrie) liefert ein schnelles und zuverlässiges Monitoring der sicheren Tubuslage. Die Anwesenheit von CO2 in der Ausatemluft über mehrere Beatmungshübe schließt eine ösophageale Tubuslage aus.

!

78

Bei stark CO2-gefülltem Magen (z. B. nach Konsum kohlensäurehaltiger Getränke) ist zwar eine kurzzeitige CO2-Abgabe auch bei ösophagealer Tubuslage denkbar („Cola-Komplikation“), diese geringen CO2-Werte sind aber spätestens nach mehreren Beatmungen nicht mehr messbar.

5 Beatmung

Intubation – Durchführung

5.6

Komplikationen Mögliche Komplikationen Fehlintubation in den Ösophagus. Die folgenschwerste Komplikation bei der Intubation ist die Fehlintubation in den Ösophagus. Vermeidung: möglichst nur unter klaren Sichtverhältnissen intubieren (die Stimmritze muss sich deutlich darstellen) sofortiges Abhören am offenen Tubusende zur Registrierung von Atemgeräuschen; bei Atemstillstand leichtes Komprimieren des Thorax – Entweichen von Luft aus dem Tubus beidseitiges Abhören des Thorax während der Beatmung mit dem Beatmungsbeutel; dabei sollten Atemgeräusche eindeutig verifizierbar sein im Zweifelsfall auch über dem epigastrischen Winkel kontrollieren, ob dort etwa Luftinsufflationen hörbar sind Beobachten des Abdomens (zunehmende Blähung?) Beobachten des Patienten – bei Zunahme der respiratorischen Störung trotz Beatmung an Fehlintubation denken !

• • • • • •

Fehllage des Tubus in einem Hauptbronchus. Eine weitere häufigere Komplikation ist die Fehllage des Tubus in einem Hauptbronchus. Vermeidung: Tubus nicht unnötig tief einführen Auskultation der Atemgeräusche über beiden Lungen, bei zweifelhafter Belüftung auf einer Lungenseite (meist der linken Seite) vorsichtiges Zurückziehen des Tubus, dabei Auskultation exakte Fixation des Tubus, wenn möglich auch Markierung der Tubuslage am äußeren Tubusende Lagekontrolle des Tubus nach jeder Manipulation wie Absaugung und Lagerungswechsel

• • • •

Verletzungen im Mund-Rachen-Raum. Zu den Komplikationen gehören ebenfalls Verletzungen und Blutungen im Mund-Rachen-Raum. Vermeidung: zarte Manipulationen Wahl der richtigen Tubusgröße (Tubus sollte so groß sein, dass er eben noch glatt durch die Glottis gleitet) Absaugung bereithalten !

• • •

Reflektorische Störungen. Darüber hinaus ist noch zu achten auf reflektorische Störungen wie Herzrhythmusstörungen, Laryngo- oder Bronchospasmus. Vermeidung: falls möglich, Gabe von Atropin (0,01 mg/kg KG)



79

5.6 5.7

Intubation Chirurgische Atemwegssicherung

5 Beatmung

Was tun bei Fehlintubation? bewahren ! • Ruhe denken: Beatmung und Oxygenierung haben Vorrang vor Intubation, deshalb • daran Zwischenbeatmung mit Beutel und Maske • evtl. 2. Intubationsversuch oder • sofort Einsatz von Alternativen: Larynxmaske? Larynxtubus? Kombitubus? •

5.7

Chirurgische Atemwegssicherung

Die beiden chirurgischen Verfahren, die Koniotomie und Trachealpunktion, sind den seltenen Notsituationen vorbehalten, bei denen eine Beatmung per Maske oder supraglottischen Atemwegshilfsmitteln bzw. eine endotracheale Intubation nicht möglich ist.

Koniotomie Definition Bei der Koniotomie wird das Lig. cricothyroideum (Lig. conicum) zwischen Schildknorpel und Ringknorpel mit einem Querschnitt durchtrennt und dadurch ein offener Zugang zur Trachea geschaffen. Alternativ kann auch ein spezielles Notfallkoniotomiebesteck (z. B. Mini-Trach II, Quicktrach) verwendet werden.

Zungenbein Epiglottis Lig. thyrohyoideum Membrana thyrohyoideum Schildknorpel Lig. cricothyroideum Ringknorpel (Cartilago cricoidea) Luftröhre (Trachea)

Technik des Patienten durch Unterpolsterung der Schultern überstrecken, bei Verdacht • Hals auf HWS-Verletzungen Kopf durch einen Helfer unter leichter Extension ohne Reklination in Mittelstellung fixieren ohne Notkoniotomie-Set: • Vorgehen – Schildknorpel (Adamsapfel) mit einer (z. B. der linken) Hand fixieren, Ertasten des Spalts zwischen Schildknorpelunterrand und Ringknorpeloberrand mit dem Zeigefinger – Kehlkopf durch Vorspannen der Haut mit den Fingern der linken Hand fixieren – 2–3,5 cm lange Längsinzision der Haut von der Mitte des Schildknorpels bis zum Ringknorpel setzen

80

5 Beatmung



Chirurgische Atemwegssicherung

– Wunde spreizen und mit weiterem Schnitt Querdurchtrennung des Lig. conicum im ertasteten Bereich (ca. 1–1,5 cm Schnittbreite), Inzision spreizen, z. B. mit Klemme oder Nasenspekulum – Trachealtubus (z. B. ID 4–7 mm) einführen, Tubus blocken, Tubuslage kontrollieren und Tubus sicher fixieren Vorgehen mit Notkoniotomie-Set: – Kehlkopf mit Daumen und Zeigefinger fixieren – Spalt zwischen Schildknorpelunterrand und Ringknorpeloberrand ertasten – Lig. conicum im 90°-Winkel punktieren (eine vorherige Inzision ist wegen der scharfen Spitze und konischen Form des Sets nicht notwendig) – wenn Luft durch die aufgesetzte Spritze aspiriert werden kann, Notfallset auf etwa 60° absenken und bis zum Stopper in die Trachea vorschieben; kann keine Luft aspiriert werden (z. B. Patienten mit adipösem Hals), Notfallset vorsichtig weiter vorschieben (ggf. auch den Stopper jetzt bereits entfernen), bis die Trachea erreicht ist – Stopper entfernen; danach nur noch die Plastikkanüle vorschieben und die Nadel dabei fixieren (außer bei adipösen Patienten, s. o.) – Nadel und Spritze entfernen – Tubus und Beatmungsbeutel oder ‑gerät anschließen

5.7

Quicktrach Notkoniotomieset

Stopper entfernen 45¡

81

5.7

Chirurgische Atemwegssicherung

5 Beatmung

Trachealpunktion Bei der Trachealpunktion werden mehrere weitlumige Venenverweilkanülen (1,5–2 mm Durchmesser, 17G–14G) durch das Lig. conicum und zwischen den obersten Trachealringen in die Trachea eingestochen. Durch die Kanülen kann Luft ein- und ausgeatmet werden.

!

82

Insgesamt ist der Atemwegsquerschnitt bei der Trachealpunktion niedrig und es gibt keine Möglichkeit zur trachealen Absaugung oder Beatmung.

6 Maschinelle Beatmung

6

6

Maschinelle Beatmung

Beatmung Indikation Eine maschinelle Beatmung hat gegenüber der manuellen (Beutel-)Beatmung primär den Vorteil der Entlastung der Ersthelfer, da der Helfer, der bisher bebeutelt hat, nun für weitere Aufgaben frei ist. Weitere Vorteile sind: vorherige Wahl von Atemfrequenz und Atemzugvolumen Erhöhung der O2-Konzentration bis auf 100 % Möglichkeit der Anwendung eines PEEP (s. S. 86)

• • •

Eingesetzte Geräte Notarzteinsatzfahrzeuge und Rettungswagen sind normalerweise mit einfach bedienbaren Beatmungsgeräten ausgestattet. Die neuen Geräte ermöglichen auch eine präklinische nichtinvasive Beatmung. Die neuen Gerätegenerationen erlauben sowohl volumen- als auch druckkontrollierte Beatmungsformen. Die Beatmung mit allen Geräten ist assistiert (jeder aktive Atemzugsversuch des Patienten löst eine Beatmung aus) oder kontrolliert (das Gerät führt die vorher eingestellte Zahl von Beatmungen durch)

• •

möglich. Die Geräte ermöglichen auch die Beatmung mit positivem endexspiratorischem Druck (PEEP, s. S. 86).

83

6

6 Maschinelle Beatmung Display MEDUMAT Transport Messwertanzeige

Info-Feld

Modusanzeige

Akkuladezustand

Anzeige Akku-/ Netzbetrieb Display Beatmungsverlauf

Numerische Messwertanzeige

Anzeige Alarmstumm

Funktionsanzeige, kontextabhängige Funktionstasten

Funktionsanzeige, kontextabhängige Funktionstasten

Funktionsanzeige, kontextabhängige Stellknöpfe

(Bildquelle: WEINMANN Emergency Medical Technology GmbH + Co. KG, Hamburg, mit freundlicher Genehmigung) Bedienelemente MEDUMAT Transport Funktionstaste, kontextabhängig

Funktionstasten, Notfallbeatmung

Alarm-stumm-Taste mit LED Funktionstaste, kontextabhängig Funktionstaste, Hauptmenü Funktionstaste, kontextabhängig Funktionstaste, 100 % O2 Funktionstaste, inspiratorische O2-Konzentration

Stellknöpfe, kontextabhängig

Navigationsknopf

Ein-/Stand-by-/Aus-Taste

(Bilduelle: WEINMANN Emergency Medical Technology GmbH + Co. KG, Hamburg, mit freundlicher Genehmigung)

84

6 Maschinelle Beatmung

6

(Bildquelle: WEINMANN Emergency Medical Technology GmbH + Co. KG, Hamburg, mit freundlicher Genehmigung)

(Bildquelle: © Drägerwerk AG + Co. KGaA, Lübeck)

85

6.1

Invasive Beatmung

6.1

6 Maschinelle Beatmung

Invasive Beatmung

Durchführung für jede invasive Beatmung ist die Intubation (s. S. 70) • Voraussetzung auskultatorischer Kontrolle der Tubuslage Beatmungsgerät anschließen • nach Gerät einstellen •

Orientierende Grundeinstellungen für die maschinelle Beatmung. Atemfrequenz und Atemzugvolumen sind altersabhängig. Parameter

Erwachsener

Kind

Atemzugvolumen

6–10 ml/kg KG

Säugling: 6–8–10 ml/kg KG

Atemfrequenz

10–12/min

Säugling: 30–40/min

Kinder: 6–8–10 ml/kg KG

Kleinkind: 20–30/min Schulkind: 15–20/min Atemminutenvolumen

60–100 ml/kg KG/min z. B. 6–10 l/min

100–240 ml/kg KG/min z. B. 1,5–2–4–6 l/min

FiO2 (Sauerstoffanteil in der Inspirationsluft)

50–100 %

50–100 %

Verhältnis In- zu Exspirationszeit

1:2

1:2

Inspirationsdruck

15–25 cmH2O, Spitzendruck max. 40 cmH2O

15–25 cmH2O, Spitzendruck max. 30–40 cmH2O

PEEP

5–10 cmH2O

4–6 cmH2O

PEEP Indikation

• Polytrauma Thorax- und Lungentrauma • schweres nach Reanimation • Zustand • Beinahe-Ertrinken • schweres Lungenödem 86

6 Maschinelle Beatmung

Invasive Beatmung Nichtinvasive Beatmung

6.1 6.2

Prinzip Assistierte und kontrollierte Beatmung werden normalerweise auf einem Ausgangsdruckniveau von 0 cmH2O gehalten. Unter besonderen Bedingungen empfiehlt es sich jedoch, am Ende einer Exspiration ein positives Druckniveau (PEEP: positive endexspiratory pressure) in der Lunge zu erhalten. Über eine dadurch vergrößerte funktionelle Residualkapazität der Lunge kann der Atemwegswiderstand gesenkt werden und durch den erhöhten intraalveolären Druck eine Abnahme des intraalveolären Flüssigkeitsgehalts erzielt werden. Die Größe des PEEP wird in cmH2O angegeben. In der Notfallmedizin werden in der Regel nur Drücke von 5 cmH2O angewendet, um die bei höheren Werten zu erwartenden Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System (Reduzierung des venösen Rückflusses) zu vermeiden.

Geräte Die Möglichkeit der PEEP-Anwendung ist sowohl bei den üblicherweise im Notarztdienst verwendeten Beatmungsgeräten als auch bei den meisten Beatmungsbeuteln durch Adaptation eines speziellen PEEP-Ventils gegeben.

6.2

Nichtinvasive Beatmung

Die nichtinvasive Beatmung („non-invasive ventilation“, NIV) ist eine effektive und geeignete Methode, um Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz ohne endotrachealen Zugang mechanisch in ihrer Atmung zu unterstützen. Wie bei der invasiven Beatmung (s. a. Intubation, S. 70) wird bei der NIV mit Überdruck beatmet, jedoch nicht über einen oralen/nasalen Tubus oder eine Endotrachealkanüle, sondern über verschiedene Arten dicht anliegender Gesichtsmasken.

Beatmungsformen Die CPAP-Beatmung (CPAP = „continuous positive airway pressure“) ist die einfachste Form einer NIV (sie wird aber nicht immer unter der Definition NIV geführt). Sie kombiniert die Spontanatmung des Patienten mit einem dauerhaften Überdruck (PEEP) und wird oft von Patienten mit chronischen obstruktiven Lungenerkrankungen oder mit einem Schlafapnoesyndrom zu Hause angewendet. Der dabei generierte positive Druck in den Atemwegen und der Lunge vergrößert die funktionelle Residualkapazität (d. h. die Menge Luft, die nach dem Ausatmen in der Lunge verbleibt) und verhindert den endexpiratorischen Kollaps der Alveolen und der kleinen Atemwege. Atelektasen können somit (teilweise) verhindert oder sogar wieder eröffnet werden („alveolar recruitment“). Die Diffusionsfläche der Alveolen vergrößert sich und Rechts-links-Shunts der Lungengefäßbahn werden reduziert. Bei der CPAP-Beatmung kann der Patient seine Atemtiefe, Atemfrequenz und auch den Flow (Luftdurchfluss) selbst bestimmen. Unter NIV im eigentlichen Sinn wird eine Beatmung mit wechselndem Druckniveau verstanden, d. h. mit einer maschinellen inspiratorischen Druckunterstützung (was die CPAP nicht hat). Durch eine maschinelle Druckunterstützung wird – zusätzlich zu den Vorteilen einer CPAP – die diaphragmale Atemarbeit reduziert, d. h., der Patient kann mit weniger Anstrengung tiefere Atemzüge machen und die Atemmuskulatur hat die Möglichkeit, sich zu erholen.

87

Nichtinvasive Beatmung

6.2

6 Maschinelle Beatmung

Vorteile Mit der präklinischen NIV kann man Patienten, die invasiv beatmet werden müssten, eine potenziell gefährliche präklinische Intubation ersparen. Oft führt die NIV dabei so schnell zu einer klinischen Besserung, dass diese Patienten auch in der Klinik ohne invasive Maßnahmen weiterbehandelt werden können. Potenzielle Vorteile einer präklinischen NIV sind also: Prävention/Verhinderung von Komplikationen durch endotracheale Intubation reduziertes Risiko von Atemwegsinfektionen geringerer Einsatz von Beruhigungsmitteln, damit weniger Risiken für den Patienten Patienten können weiterhin kommunizieren Erleichterung der Atemarbeit physiologischer Schutz der Atemwege (Husten, Schlucken) bleibt vorhanden u.U. Vermeidung einer langwierigen stationären Beatmungstherapie mit schwieriger Entwöhnung

• • • • • • •

Indikation Bei Erkrankungen, die zum Versagen der Atempumpe führen (hyperkapnische akute respiratorische Insuffizienz [ARI]), kann die Atemarbeit durch die NIV effektiv übernommen werden. Dazu gehört z. B. die exazerbierte COPD (S. 231). Bei einer der Formen einer hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz steht das Lungenödem (S. 338) im Indikationskatalog an erster Stelle. akute, dekompensierte, chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (COPD), Asthma bronchiale kardiogenes Lungenödem

• •

Weitere Indikationen können sein:

(S. 454)/Kohlenmonoxidintoxikation (S. 451) • Rauchgas• Präoxygenierung vor Intubation Klinische Indikation:

• Dyspnoe > 25/min • Atemfrequenz • S O < 90% trotz O -Gabe p

2

2

Voraussetzungen für eine NIV spontan atmender, kooperationsfähiger Patient • wacher, Rettungsteam, ausreichender Sauerstoffvorrat • trainiertes Stabilität • hämodynamische ausreichend Beginnen der Behandlung • ÜberwachungZeitdeszum Ansprechens auf die Therapie • Möglichkeit zu intubieren und zu beatmen, falls NIV ohne Erfolg •

Kontraindikation Kontraindikation • absolute – fehlende Spontanatmung, Schnappatmung

88

6 Maschinelle Beatmung



Nichtinvasive Beatmung

6.2

– fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege – gastrointestinale Blutung oder Ileus relative Kontraindikation – Koma – massive Agitation – massiver Sekretverhalt – hämodynamische Instabilität (kardiogener Schock, Myokardinfarkt) – Anomalien oder Verletzungen des Gesichts (z. B. Verbrennungen oder Traumata) – nicht drainierter oder Spannungspneumothorax

Durchführung EKG, RR, Pulsoxymetrie • Monitoring: der Vitalparameter einschließlich Atemfrequenz vor Behandlungs• Dokumentation beginn des Patienten • Information des Patienten in halbsitzender oder sitzender Position • Lagerung möglichst Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Maske) verwenden • Maske langsam auf das Gesicht aufsetzen, ggf. kann der Patient diese initial sogar • selbst halten dann die Maske bei laufendem Beatmungsgerät mit dem Beatmungsschlauch • erst verbinden dem dabei erklären, dass er versuchen soll, die Aktivität des Beatmungs• gerätsPatienten und die eigene Atmung zu synchronisieren • ggf. leichte Sedierung erwägen

Sedierung bei nichtinvasiver Beatmung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Sedierung (vorsichtig!)

Midazolam

1,25–2,5 mg i. v.

¼–½ Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

Morphin

2,5–5–7,5–10 mg i. v.

½–1–1½–2 Amp. Morphin fraktioniert

CPAP.

zunächst manuell ohne Haltebänder an• Maske passen (zur Gewöhnung) einem Druck von etwa 5 mbar für wenige • mit Minuten beginnen, dann steigern auf 6–8 mbar mit zunächst reinem Sauerstoff

Flow-CPAP-Systemen Sauerstoff-Flow so wäh• bei len, dass der gewünschte Druck erreicht wird (da-



bei müssen auf der Druckanzeige geringe in-/exspiratorische Druckschwankungen sichtbar sein) toleriert der Patient das Verfahren, Maske mit den Haltebändern am Kopf fixieren; darauf achten, dass das Kinn nicht nach hinten gezogen wird und damit die Atemwege verlegt werden (S. 89)

89

Nichtinvasive Beatmung

6.2

6 Maschinelle Beatmung

CPAP mit NIV-Respirator (z. B. Oxylog 2000 plus, Medumat Transport). Beginn wie oben, 5 mbar, 100% Sauerstoff, Flow-Trigger 1–3 l pro Minute Druck- und Flow-Kurve des Respirators sorgfältig beobachten, um die korrekte Triggerung und hinreichende Maskendichtigkeit zu prüfen bei klinischen Zeichen einer ventilatorischen Insuffizienz/respiratorischen Erschöpfung mit nur geringen Zugvolumina unter CPAP NIV in Form von PEEP mit Druckunterstützung („pressure support ventilation“, PSV) oder als druckkontrollierte Beatmung BIPAP/BILEVEL fortsetzen

• • •

PEEP mit Druckunterstützung (PSV).

PEEP 5 mbar, Pinsp 10 mbar über PEEP, Flow-Trigger 1–3 l/min, • Geräteeinstellung: inspiratorische Sauerstoffkonzentration 100%, exspiratorischer Trigger initial ca. 50% anpassen • Maske darauf achten, ob die Inspiration des Patienten zur Triggerung des Unter• sorgfältig stützungsdrucks führt toleriert der das Vorgehen, Inspirationsdauer durch Verlängerung des ex• spiratorischenPatient Triggers vorsichtig reduzieren (dadurch Erhöhung der Atemzugvolumina)

ventilatorische Unterstützung als druckkontrollierte Beatmung (BIPAP/ • alternativ BILEVEL)

Erfolgskriterien Erfolgskriterien der nichtinvasiven Beatmung. Kriterium

Veränderung

Dyspnoe

Abnahme

Oxygenierung

Zunahme von SaO2 ≥ 85%

Herzfrequenz

Abnahme

Atemfrequenz

Abnahme

Ventilation

PetCO2-PaCO2-Abnahme

Vigilanz

zunehmende Verbesserung

pH (Bestimmung präklinisch nicht möglich)

Anstieg

Komplikationen oder Blockade der Atemwege • Aspiration Undichtigkeiten der Maske • übermäßige der Gesichtshaut • Verletzungen/Druckstellen des Magens (Drücke > 25 mbar) • Überdehnung • Reizung der Augen (Bindehautentzündung)

90

7 Herzdruckmassage

7

Herzdruckmassage

7.1

Allgemeines

Allgemeines Klassische Herzdruckmassage

7.1 7.2

Die Herzdruckmassage ist nach den heutigen Richtlinien die wichtigste Basismaßnahme bei der kardiopulmonalen Reanimation (CPR). Sie soll als erste Reanimationsmaßnahme unverzüglich und möglichst ohne Unterbrechungen durchgeführt werden, beim nicht trainierten Helfer kann sie ggf. sogar die einzige Reanimationsmaßnahme (d. h. sogar ohne Beatmung) darstellen. Ziel der Herzdruckmassage ist die Aufrechterhaltung eines minimalen Kreislaufs und somit eine Versorgung der lebenswichtigen Organe mit dem noch im Blut vorhandenen Restsauerstoff (bzw. dem später durch die Beatmung zugeführten Sauerstoff).

Indikation Kreislaufstillstand, unabhängig von dessen Genese.

Prinzip Für den bei der Herzmassage erzeugten Blutfluss werden 2 Mechanismen als bedeutend angesehen: Kompression des Herzens zwischen Brustbein und Wirbelsäule Erzeugung intrathorakaler Druckschwankungen, die zu einer Blutzirkulation führen

• •

Möglicherweise sind beide Mechanismen während einer Herzdruckmassage in wechselnder Weise von Bedeutung.

! 7.2

Auch bei einer optimalen Technik beträgt das Herzzeitvolumen nur ca. 20–40 % des normalen Ruhewerts !

Klassische Herzdruckmassage

Indikation Methode der Wahl bei Herzstillstand.

Technik bei Erwachsenen Patient flach auf eine harte Unterlage (am bes• ten auf den Fußboden) legen (liegt der Patient im Bett, Brett unter den Rücken schieben) seitlich neben dem Patienten • Helferposition: Kleidung über dem Brustkorb rasch – am bes• ten mit einer Kleiderschere – öffnen aufsuchen, indem die Hand in der • Druckpunkt Mitte des Brustkorbs platziert wird

91

Klassische Herzdruckmassage

7.2

7 Herzdruckmassage

aufsetzen: • Handballen – Handballen der einen Hand exakt in der Medianlinie





des Sternums am Druckpunkt aufsetzen – 2. Hand parallel oder über Kreuz auf die Hand, die auf dem Druckpunkt platziert ist, legen (Finger können dabei ausgestreckt oder ineinander gekreuzt sein, sodass die Druckübertragung nicht mit den Fingern, sondern mit dem Handballen erfolgt) – Handballen auch in der Entlastungsphase auf dem Druckpunkt belassen Druck ausüben: – Ellenbogen strecken und während der Druckmassage gestreckt lassen – Schultern über den Druckpunkt beugen (damit der Druck direkt senkrecht von oben nach unten ausgeübt wird) – so viel Druck ausüben, dass das Sternum mindestens 6 cm eingedrückt wird; in der Entlastungsphase Druck ganz nachlassen, damit der Brustkorb die Möglichkeit hat, in die Ausgangsstellung zurückzukehren Kontrolle der Wirksamkeit (durch Zweithelfer, nicht verlässlich !): – am besten Femoralispuls palpieren – alternativ Karotispuls palpieren Druck- und Entlastungsphase sollen gleich lang sein. Sternum mindestens 6 cm eindrücken; die Frequenz der Herzmassage sollte bei 100–120/min liegen.

Unterschiede der Herzdruckmassage je nach Lebensalter. Neugeborenes

Säugling

Kleinkind

Druckpunkt

untere Sternumhälfte/Brustkorbmitte

Brustkorbmitte

Technik

2-DaumenTechnik

2-Hand-Technik

Kompressionstiefe

mindestens ein Drittel Thoraxdurchmesser 2–3 cm

Frequenz

100–120/min

Kompression : Beatmung

3:1

2-Finger-/2Daumen-Technik

ca. 4 cm

1-Hand-/2Hand-Technik

ca. 4–5 cm

6 cm

30 : 2 professionelle Teams: 15 : 2

92

Schulkind/ Erwachsener

30 : 2

7 Herzdruckmassage

Klassische Herzdruckmassage Weitere Methoden

7.2 7.3

Komplikationen

• Rippen-Sternum-Frakturen Pneumothorax • Hämatothorax, • Leber-Milz-Ruptur • sonstige innere Verletzungen 7.3

Weitere Methoden

Offene Herzmassage Diese Form der Herzmassage ist nur bei geöffnetem Thorax, z. B. im Rahmen operativer Eingriffe, möglich. Durch den direkten Zugang zum Herzen ist sie hämodynamisch effektiver als die externe Massage, im Notarztdienst kommt sie jedoch praktisch nie zur Anwendung.

Präkordialer Faustschlag

!

Die Wirkung und Indikation eines präkordialen Faustschlags sind umstritten.

Indikation Es soll möglich sein, eine ventrikuläre Tachykardie, selten auch Kammerflimmern in einen günstigeren Herzrhythmus umzuwandeln. Über die Ausschüttung von Catecholaminen ist es evtl. auch möglich, eine Asystolie zu beseitigen. Indiziert wäre der Faustschlag demnach bei: einer akut, z. B. im EKG-Monitor beobachteten bedrohlichen Rhythmusstörung, solange noch keine anderen Maßnahmen bereit sind, oder als „Blindmaßnahme“ sofort nach Auftreten eines Herz-Kreislauf-Stillstands

• •

!

Auf keinen Fall soll der präkordiale Faustschlag zu einer Verzögerung effektiverer Maßnahmen, insbesondere der Defibrillation, führen !

Kontraindikation Kontraindiziert ist der präkordiale Faustschlag bei Säuglingen und Kleinkindern !

Technik Mit der Faust aus ca. 50 cm Höhe senkrechter, kräftiger Schlag auf die Mitte des Sternums.

93

7.3

Weitere Methoden

7 Herzdruckmassage

Automatisierte Herzdruckmassagen (HDM) im Rettungswesen Insbesondere für langandauernde Reanimationsmaßnahmen/Verlegungen unter Reanimationsbedingungen etc. wurden Gerätschaften (z. B. AutoPulse Firma Zoll, Lucas 2 Firma Physio control, Corpuls CPR) entwickelt, um die Kompressionen bei der HDM gemäß der ERC- und AHA-Leitlinien kontinuierlich mit der richtigen Frequenz und Tiefe maschinell durchzuführen. Die Geräte können schnell am Patienten angelegt werden, halten damit die Unterbrechung der HLW sehr gering, übernehmen dann die Druckmassage entweder im 30:2-Algorithmus oder kontinuierlich z. B. mit 100 Massagen/min und ermöglichen es dem Rettungsteam, sich auf die Behandlung des Patienten mit Medikamenten, Defibrillation oder Beatmung zu konzentrieren. Auch während des Patiententransportes können dann die ununterbrochenen Kompressionen fortgeführt werden, ohne dass z. B. der Reanimierende ungesichert im Fahrzeug stehend arbeitet. Dass diese Form der HDM zu einem besseren Outcome führt, ist indes zum jetzigen Zeitpunkt (März 2017) noch nicht belegt.

(Bildquelle: Medi-King Medical Trading GmbH, Oyten, mit freundlicher Genehmigung)

94

8 EKG-Diagnostik

8

EKG-Diagnostik

8.1

Monitor-EKG

Monitor-EKG

8.1

Indikation Rasche Erkennung von Herzrhythmusstörungen, Überwachung des Herzrhythmus und der Herzfrequenz. Im Rahmen der erweiterten Reanimationsmaßnahmen ist ohne die EKG-Diagnostik eine gezielte Therapie, wie z. B. die Defibrillation, kaum möglich.

Prinzip Ableitung der Herzströme und Wiedergabe auf dem Monitor als EKG.

Technik Die schnellste Möglichkeit, ein Monitor-EKG zu erhalten, ist die Ableitung über die Defi-Paddles. Dazu müssen die Paddles auf den üblichen Stellen (Apex und Sternum, s. a. S. 103) aufgesetzt, angepresst und ruhig gehalten werden. Sobald wie möglich sollte dann zur (bildstabileren) Elektrodenableitung gewechselt werden. 3 oder 5 Klebeelektroden so auf dem Thorax des Patienten befestigen, dass eine Herzachse nach Möglichkeit innerhalb der Ableitungen liegt. Für die Langzeitüberwachung ist es zweckmäßig, die Elektroden so zu platzieren, dass die Aktionsspannung mit günstiger Kurvenform (positive R-Zacke) und ausreichender Amplitude störungsfrei abgeleitet werden kann. Der größte Ausschlag wird dargestellt, wenn die Elektroden ober- und unterhalb des Herzens auf der elektrischen Achse angebracht sind.

Probleme

 



 



 

  



Stromkurvenbild entspricht in der Regel • Das keiner der „klassischen“ Ableitungen im Stan-



dard-EKG. Daher sind keine sicheren Aussagen, z. B. über Herzinfarktzeichen, möglich Technische Störungen können Herzrhythmusstörungen vortäuschen, aber auch verbergen. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Patientensituation sollte daher nicht allein das EKG, sondern vor allem der klinische Zustand des Patienten sein

95

Standard-EKG

8.2

8.2

8 EKG-Diagnostik

Standard-EKG

Jedes notarztbesetzte Fahrzeug sollte heute standardmäßig mit einem 12-Kanal-EKGSchreiber ausgestattet sein. Insbesondere zur Differenzialdiagnostik des Thoraxschmerzes bzw. des akuten Koronarsyndroms ist deshalb die Kenntnis der Ableitungstechnik und der EKG-Interpretationen unabdingbar.

Extremitätenableitungen Anschlüsse Arm = rot (oder 1 Ring) • rechter Arm = gelb (oder 2 Ringe) • linker linkes Bein (oder 3 Ringe) • rechtes Bein= =grün schwarz (Erde) •

Ableitungen Extremitätenableitungen nach Einthoven: • bipolare – Ableitung I: linker Arm → rechter Arm



– Ableitung II: linkes Bein → rechter Arm – Ableitung III: linkes Bein → linker Arm unipolare Ableitungen nach Goldberger (aV = augmented voltage): – aVR: Potenzial rechter Arm – aVL: Potenzial linker Arm – aVF: Potenzial linker Fuß



Brustwandableitungen nach Wilson: • unipolar – V : 4. ICR parasternal re 1



96

– V2: 4. ICR parasternal li – V3: zwischen V2 und V4 – V4: 5. ICR in der Medioklavikularlinie li. (normalerweise Herzspitze) – V5: vordere Axillarlinie in Höhe von V4 li – V6: mittlere Axillarlinie in Höhe von V4 li spezielle Brustwandableitungen: – V7: hintere Axillarlinie in Höhe V4 – V8: linke mittlere Skapularlinie in Höhe V4 – V9: linke Paravertebrallinie in Höhe V4

 !

8 EKG-Diagnostik

Standard-EKG

8.2

Schlüsselbein I. Rippe (nicht tastbar) II. Rippe V9

1 2 3

5

4

6

7

V1 – V7

V8 V7

Wirbelsäule

V6 V5 Medioklavikularlinie (links)

vordere Axillarlinie (links)

V1

V2

V3

V4

EKG-Normwerte Die wichtigsten Normwerte des EKG sind nachfolgend dargestellt. PQ-Zeit und QTStrecke sind herzfrequenzabhängig.

0

0,6 s

Sinusknoten Vorhšfe AV-Knoten Kammern

Erregungsablauf R

+1 mV T P 0 Strecke Welle

QS PQ ST P QRS

Intervall

PQ

T QT

97

8.2

Standard-EKG

8 EKG-Diagnostik

Die wichtigsten Normgrößen im EKG. EKG-Anteil

Definition

Dauer in Sek.

Amplitude (Höhe)

P-Welle

Vorhoferregungswelle

0,05–0,10

1–3 mm = 0,1–0,3 mV

PQ-Zeit

Erregungsüberleitungszeit (Herzfrequenz 50–130/min)

0,12–0,20

Q-Zacke

Ventrikelseptumerregung

< 0,04

QRS-Komplex

Ausbreitung der Herzkammererregung

0,06–0,10

ST-Strecke

Strecke, in der die gesamte Muskulatur der Herzkammer depolarisiert (erregt) ist

T-Welle

Erregungsrückbildungswelle

QT-Strecke

totale elektrische Kammeraktion (Herzfrequenz 50–130/min)

< ¼ R-Höhe

⅛ bis ⅔ R (bzw. S, wenn S der Hauptausschlag ist) 0,26–0,40

Maximale Normwerte der PQ- und der QT-Zeit in Abhängigkeit von der Herzfrequenz.

98

Herzfrequenz pro Min.

PQ-Zeit in Sek.

QT-Zeit in Sek.

50

0,21

0,40

60

0,20

0,38

70

0,19

0,36

80

0,18

0,34

90

0,17

0,32

100

0,16

0,30

110

0,15

0,29

120

0,14

0,28

130

0,13

0,26

9 Pulsoxymetrie

9

9

Pulsoxymetrie

Indikation Frühzeitige Erkennung von Störungen der aktuellen peripheren Sauerstoffsättigung (mit einem einfachen, nichtinvasiven Verfahren): alle Formen der Atemstörungen alle Patienten, die beatmet werden als Screening-Maßnahme bei allen Notfallpatienten

• • •

Prinzip Unter Oxymetrie versteht man die spektralphoto()  metrische Messung der partiellen Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes (pSaO2). Das Verfahren *+ ,-. macht sich die unterschiedlichen Absorptions "-+ und Reflexionseigenschaften des Hämoglobins und seiner verschiedenen Derivate – insbesondere seine oxygenierten und seine desoxygenierten Varianten – zunutze. Dazu wird über eine Lichtquelle Licht mit genau definierten Wellenlängen   &  ' (660 nm und 940 nm) durch das Messorgan (z. B. Fingerbeere, Ohrläppchen) gesendet und auf der gegenüberliegenden Seite das ankommende Licht mit einem Fotodetektor gemessen. Beim Pulsoxymeter wird der Sättigungsgrad des Hämoglobins immer nur während der Pulswelle gemessen.

Technik Grundsätzlich soll das Oxymeter auf nackter, sauberer und unbeschädigter Haut angebracht werden: als Clip am Finger (Fingerbeere) oder Zehe bzw. am Ohrläppchen als Klebesensor z. B. am Nasenrücken

• •

99

9

9 Pulsoxymetrie Normalwerte Die arterielle Sauerstoffsättigung liegt normalerweise bei 95–100 %.

Fehlermöglichkeiten

• Bewegungsartefakte RR-Werten unter 60 mmHg systolisch in der Regel keine Messung mehr möglich • bei ausgeprägtem Hb-Abfall (< 8 g/dl) keine korrekte Messung möglich • bei mit abnehmender peripherer Körpertemperatur und zunehmender Zentralisation • oft keine ausreichende Registrierung des Pulssignals möglich pathologisch erhöhter HbCO-Konzentration (z. B. bei Rauchgasvergiftung, • bei Suizidversuche mit Autoabgasen) oder von Met-Hb (Nitritvergiftung) falsch hohe Angaben !

!

Niemals blind auf die Messwerte verlassen ! Entscheidend ist das klinische Bild !

CO-Pulsoxymeter: Nichtinvasive Kohlenmonoxidmessung im Blut – (%SpCO) Eine zuverlässige Messung des Kohlenmonoxidgehaltes, des Methämoglobins und des Gesamthämoglobins ist unterdessen auch präklinisch mit entsprechenden Pulsoxymetern möglich. Diese Geräte analysieren photometrisch über einen Fingersensor bis zu 8 Wellenlängen und ermöglichen es durch die Messungen direkt an der Einsatzstelle, bei Rauchgasvergifteten Behandlungsprioritäten festzulegen und/oder die Entscheidung z. B. für die hyperbare Sauerstofftherapie zu treffen. Zudem kann ein CO-Pulsoxymeter auch „verborgene“ Kohlenstoffmonoxidvergiftungen feststellen sowie eine Kohlenstoffmonoxidbelastung von Einsatzkräften erkennen.

100

10 Kapnometrie und Kapnografie

10

10

Kapnometrie und Kapnografie

Indikation Endotracheale Intubation. Sicherster Nachweis einer korrekten intratrachealen Tubuslage. Da nur über die Lunge nennenswerte CO2-Mengen abgegeben werden können, schließt ein Nachweis normaler PeeCO2-Mengen über 3–5 Atemzüge eine ösophageale Fehllage nahezu 100%ig aus. Anfänglich nennenswerte CO2-Mengen sind allenfalls möglich, z. B.: nach vorheriger fehlerhafter Maskenbeatmung mit Einpressen von Exspirationsluft in den Magen nach vorhergegangener Aufnahme von CO2-haltigen Getränken oder von CO2-produzierenden Medikamenten (z. B. Antazida)

• •

Monitoring beim beatmeten Patienten. Über die Kapnometrie kann die Ventilation gesteuert werden: Normoventilation: PeeCO2 35–40 mmHg Hyperventilation (z. B. bei SHT): PeeCO2 30–35 mmHg Hypoventilation (z. B. chronischer Asthmatiker): PeeCO2 > 45 mmHg

• • •

Evtl. zur Erfolgskontrolle einer kardiopulmonalen Reanimation. Bei Zunahme des HZV und der Lungendurchblutung Anstieg des PeeCO2, bei Verstorbenen dagegen kein Nachweis von CO2 in der Ausatemluft (Sistieren des CO2-Transports, Abnahme des PeeCO2 bis auf null).

Prinzip Die Messung der Kohlendioxidkonzentration in der Atemluft wird als Kapnometrie, ihre grafische Verlaufsdarstellung als Kapnografie bezeichnet. Der Parameter, der gemessen wird, ist der endexspiratorische Kohlendioxidpartialdruck (PeeCO2), auch als endexspiratorische CO2-Konzentration (PetCO2) bezeichnet. Nach der Methode der Infrarotspektrometrie wird Licht mit der Wellenlänge von 426 nm von einer Lichtquelle ausgesandt, das Ausmaß seiner Absorption durch das in der Atemluft vorhandene CO2 wird in einem Detektor erfasst und als Messwert wiedergegeben. Die Messung ist dabei mit zwei verschiedenen Techniken möglich: Hauptstromtechnik: Der Messsensor wird als komplette Einheit direkt im Atemstrom des Patienten (z. B. durch Aufstecken auf den Tubus) befestigt, der Sensor ist dabei relativ schwer und zerstörungsanfällig Nebenstromtechnik: Mit einem Ansaugschlauch (z. B. über einen Adapter am Tubus befestigt) wird kontinuierlich ein Teil der Atemluft zum Messgerät gesaugt und dort gemessen. Bei dieser Methode ist die Verminderung des Atemminutenvolumens um den abgesaugten Betrag (ca. 140 ml/min) zu beachten !

• •

101

10 Kapnometrie und Kapnografie

10

Die meisten für den Notfalleinsatz konzipierten Geräte arbeiten nach dem Nebenstromprinzip.

Physiologische Grundlagen Der CO2-Gehalt in der Umgebungsluft liegt normalerweise bei nur 0,4 %. Der CO2Gehalt in der Inspirationsluft liegt demnach auch praktisch bei null. Der CO2-Gehalt in der Exspirationsluft ist von der jeweiligen Phase der Ausatmung abhängig: zunächst kein Anstieg, da nur Totraumluft ausgeatmet wird dann steiler Anstieg bis zum Erreichen eines endexspiratorischen Plateaus (Ausatmen der Alveolarluft) und dadurch weitgehend Annäherung an den arteriellen Kohlendioxidpartialdruck (PaCO2)

• •

Der endexspiratorisch gemessene Kohlendioxidgehalt liegt bei normalen Ventilationsverhältnissen ca. 2–5 mmHg niedriger als der reelle PaCO2.

Technik Zwischenschalten des Kapnometersensors oder des Ansaugstutzens zwischen Beatmungsgerät und Endotrachealtubus mit entsprechendem Adapter.

Normalwerte PeeCO2: 33–45 mmHg Kapnografie-Wellenformen

Fehlermöglichkeiten Bei Notfallpatienten mit kardiopulmonalen Störungen (Abfall des HZV und der Lungendurchblutung), z. B. auch bei Lungenembolie, ist die Korrelation PeeCO2 : PaCO2 nicht mehr gegeben, der gemessene PeeCO2 kann deutlich unter dem reellen PaCO2 liegen. Metabolische Komponenten (z. B. Abfall des PeeCO2 durch tiefe Hypothermie, Sedativa und Analgetika) können in der Notfallmedizin eher vernachlässigt werden. Es gilt aber auch für die Kapnometrie: niemals alleine auf die technische Messgröße verlassen !

102

11 Defibrillation und Kardioversion

11

Manuelle Defibrillation

11.1

Defibrillation und Kardioversion

11.1 Manuelle Defibrillation Indikation Die Defibrillation ist eine Maßnahme, die erwiesenermaßen das Überleben von VF/VTbedingtem Herz-Kreislauf-Stillstand verbessert. Sie ist als wichtigste und schnellstmögliche Maßnahme indiziert bei: Kammerflimmern/Kammerflattern (VF) pulsloser Kammertachykardie (VT)

• •

Prinzip Bei der elektrischen Defibrillation wird über 2 der Thoraxwand anliegende Elektroden ein Stromstoß durch den Körper des Patienten geleitet. Dieser hat zum Ziel, eine möglichst große Zahl von Myokardzellen gleichzeitig zu depolarisieren, wodurch eine bestehende Herzrhythmusstörung beseitigt werden kann und einem Schrittmacherzentrum des Herzens die Möglichkeit gegeben wird, wieder einen geordneten Erregungsablauf herzustellen.

Zubehör

• Defibrillator mit Klebeelektroden • EKG-Monitor • Elektrodenpaste Technik Monitor-EKG ableiten. Am schnellsten über die Paddles (nahezu bei allen Geräten möglich !), am besten über Klebeelektroden.

60 98

Defibrillatorelektroden. Defibrillatorelektroden so platzieren, dass der Stromfluss durch den Herzmuskel möglichst groß ist, also nicht zu nahe nebeneinander ! Auf die Defibrillatorelektroden ausreichend Elektrodenpaste aufbringen. Anterior-apikal-Position: Beide Elektroden liegen auf der Vorderseite des Thorax, z. B. die eine rechts parasternal unter der Klavikula, die andere links thorakal über der Herzspitze



103

11.1

Manuelle Defibrillation

11 Defibrillation und Kardioversion

• Anterior-posterior-Position: Die eine Elektrode wird unter der linken Skapula, die andere Elektrode links parasternal, ungefähr in Höhe des 4. ICR, aufgesetzt. Diese Methode ist etwas umständlicher (Zeitverlust!), benötigt dafür aber etwas niedrigere Defibrillationsenergien (Wahl der Defibrillationsenergie erfolgt in üblicher Weise)

!

2. Elektrode

Präklinisch ist die Anterior-posterior-Position eigentlich nur beim Schrittmacherpatienten mit rechts parasternal liegendem Schrittmacher indiziert.

Defibrillationsmodus einstellen/kontrollieren. Defibrillationsmodus asynchron muss eingestellt sein (s. a. S. 110). Dies ist normalerweise immer die Grundeinstellung! Defibrillationsenergie einstellen. Ziel ist es, die Energie zu finden, mit der bereits erfolgreich defibrilliert werden kann, ohne dabei das Myokard zu schädigen. Die gegenwärtigen Empfehlungen (ILCOR 2015) lauten: Erwachsene bei biphasischen Defibrillatoren geräteabhängig zwischen 150 und 200 J, bei monophasischen Defibrillatoren die Maximalenergie von 360 J Kinder ca. 4 Joule/kg KG

• •

Übersicht Defibrillationsenergien. Altersstufe Erwachsene

Kinder

104

Biphasische Schockformen Energiewahl geräteabhängig (in der Regel automatisierter Vorschlag) ▪ 1. Schock 120–150 J ▪ weitere Schocks 150–360 Joule (möglichst höhere Energie wählen !) ▪ bei Unsicherheit 200 Joule 4 Joule/kg KG für alle Defibrillationsversuche

Monophasische Schockformen 360 Joule für alle Schocks

4 Joule/kg KG für alle Defibrillationsversuche

11 Defibrillation und Kardioversion

Manuelle Defibrillation

11.1

Durchführung der manuellen Defibrillation. Grundsätze sind: Ziel ist immer eine schnellstmögliche Defibrillation während der Defibrillator geholt, angelegt und geladen wird, sollte immer eine qualitativ hochwertige CPR durchgeführt werden; diese sollte zur Defibrillation für nicht mehr als 5 s unterbrochen werden 1-Schock-Strategie (grundsätzlich Methode der Wahl): nur 1 Schock, dann ohne Kontrolle von Rhythmus oder Puls 2 Minuten (5 Zyklen) CPR (30 : 2) 3-Schock-Strategie (bei Kammerflimmern aufgetreten während Interventionen im Herzkatheterlabor, in der frühen postoperativen Phase nach herzchirurgischen Eingriffen, bei Patienten, die bereits am manuellen Defibrillator angeschlossen sind): 3 Schocks in möglichst rascher Folge, in den Ladephasen ggf. CPR durchführen initiale Schockenergie: – monophasischer Schock: 360 J – biphasischer Schock: 150 J Minimum konsekutive Schockenergie: – monophasischer Schock 360 J – biphasischer Schock: höhere/höchste Energiestufe

• • • • • •

Vorgehen bei der manuellen Defibrillation: entnehmen • Paddle auf Paddle • Gel • Ableitung • Laden • Warnen • Schauen oder bis zu 3 Defibrillationen • eine Weiterführen der Basisreanimation für 2 Minuten • sofortiges • Rhythmuskontrolle

!

Während des Stromstoßes dürfen Patient (und ggf. Bettgestell) nicht berührt werden ! Die Defibrillationselektroden müssen zur Reduzierung des Übergangswiderstands fest an den Thorax gepresst werden (Anpressdruck je Paddle ca. 8 kg !).

Komplikationen Mögliche Ursachen für eine primär erfolglose Defibrillation können sein: fehlerhafte Elektrodenposition keine oder zu wenig Elektrodenpaste verwendet (Hautwiderstand zu hoch) Elektroden nicht fest genug an den Thorax gepresst zu niedrige Defibrillationsenergie mangelhafte Oxygenierung des Herzens biologisch refraktäres Kammerflimmern

• • • • • •

105

11.2

Automatisierte externe Defibrillatoren (AED-Geräte)

11 Defibrillation und Kardioversion

11.2 Automatisierte externe Defibrillatoren (AED-Geräte) Ein automatisierter externer Defibrillator (AED) ist ein batterie- bzw. akkubetriebenes Gerät, das computergestützt ein EKG erstellt, auswertet, bei Kammerflimmern (VF) oder pulsloser ventrikulärer Tachykardie (VT) die Defibrillationsenergie bereitstellt, und dem Benutzer klare akustische und visuelle Anweisungen zum sicheren Defibrillationsversuch gibt. Die meisten Geräte kombinieren die Anleitung zur Defibrillation mit der Anleitung zur optimalen Herzdruckmassage. Wegen der Häufigkeit von Patienten mit VF bzw. VT und der Erkenntnis, dass jede Minute Zeitverzögerung ohne Defibrillation das Überleben um 10–12 % sinken lässt, wird eine möglichst breit gestreute Anwendung der AEDs sowohl durch geschulte Laien als auch durch Klinik- und Rettungsdienstpersonal bzw. durch alle Mitarbeiter im Gesundheitssystem als integrierter Bestandteil des Basic Life Supports empfohlen. Die Möglichkeit zur Frühdefibrillation sollte dementsprechend durch eine Vorhaltung von AEDs in allen medizinischen Einrichtungen sowie an Plätzen mit regelmäßig großen Menschenansammlungen gegeben sein. Jegliches medizinisches Personal, zu dessen Pflichten auch die Durchführung von Wiederbelebungsmaßnahmen gehört, sollte in der Technik der Defibrillation und der Herz-Lungen-Weiderbelebung (HLW) geschult, entsprechend ausgestattet und ermutigt werden, diese Maßnahmen durchzuführen. Projekte mit öffentlich zugänglichen AEDs („public access defibrillation, PAD“) sollten weiter gefördert werden und bringen am ehesten eine Verbesserung der Überlebensraten, wenn sie dort eingerichtet werden, wo sich statistisch gesehen auch mit einer größeren Wahrscheinlichkeit ein Kreislaufstillstand ereignet. Da man aber davon ausgeht, dass sich ca. 80 % aller außerklinischen Kreislaufstillstände im privaten Bereich bzw. im Wohnumfeld ereignen, werden die PAD-Programme immer nur eine begrenzte Effektivität aufweisen können.

Indikation Frühdefibrillation durch Ersthelfer bei Kammerflimmern oder defibrillationspflichtiger Kammertachykardie. Standards-AEDs sind zum Gebrauch für Erwachsene und Kinder > 8 Jahren geeignet. Für Kinder zwischen 1 und 8 Jahren müssen pädiatrische Klebeelektroden oder – falls verfügbar – ein pädiatrischer Modus verwendet werden. Bei Kindern < 1 Jahr wird die Verwendung von AEDs nicht empfohlen.

Kennzeichnung DIN-Rettungszeichen: Automatisierter Externer Defibrillator (AED).

Technik Die Vorgehensweise unter Verwendung eines AED bei einem bewusstlosen Patienten ist nachfolgend im Fließdiagramm und tabellarisch dargestellt.

106

11 Defibrillation und Kardioversion

Automatisierte externe Defibrillatoren (AED-Geräte)

11.2

Basismaßnahmen und die Verwendung automatisierter externer Defibrillatoren (AED) Prüfen Sie ob die Person reagiert

• Schütteln Sie sie leicht an den Schultern • Fragen Sie laut: „Ist alles in Ordnung?“

• Machen Sie den Atemweg frei • Kontrollieren Sie die Atmung

Keine Reaktion

Keine Reaktion Keine normale Atmung

Normale Atmung

• Veranlassen Sie den Notruf 112 • Lassen Sie einen AED holen

Drehen Sie den Patienten in Seitenlage • Rufen Sie den Notruf 112 an • Überprüfen Sie ständig die Atmung • Legen Sie Ihre Handballen mitten auf die Brust • Führen Sie 30 Thoraxkompressionen durch: • – Drücken Sie das Brustbein mindestens 5 cm, • – jedoch nicht mehr als 6 cm nach unten • – Wiederholen Sie das mit einer Frequenz von • – 100, aber nicht mehr als 120/min • Falls Sie trainiert und im Stande sind zu beatmen: • kombinieren Sie Thoraxkompressionen und • Beatmung, sonst nur Herzdruckmassage • – legen Sie die Lippen um den Mund des Patienten • – blasen Sie gleichmäßig, bis die Brust sich hebt • – Beatmen Sie noch einmal, wenn die Brust sich • – senkt • Fahren Sie mit CPR 30:2 fort

Beginnen Sie sofort mit Thoraxkompressionen

Wenn der AED verfügbar ist, einschalten und Elektroden kleben

Wird ein Schock empfohlen

• Folgen Sie den Sprach-/Bildschirmanweisungen • Kleben Sie eine Elektrode unter die linke Achsel • Kleben Sie das andere Pad unter das rechte • Schlüsselbein, neben das Brustbein • Bei mehr als einem Helfer: CPR nicht unterbrechen • Niemand berührt den Patienten, Schock auslösen • CPR sofort fortführen

Folgen Sie den AED-Anweisungen

Fahren Sie mit CPR fort, bis Sie sicher sind, dass der Patient sich bewegt und normal atmet

(Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. www. grc-org.de www.erc.edu publiziert November 2015 durch German Resuscitation Council, c/o Universitätsklinikum Ulm, Sektion Notfallmedizin, 89070 Ulm Copyright: © European Resuscitation Council vzw Referenz: Poster_BLS_Algorithmus_GER_20151130 über GRC)

107

11.2

Automatisierte externe Defibrillatoren (AED-Geräte)

11 Defibrillation und Kardioversion

Reanimationsmaßnahmen bei sofort verfügbarem AED. Auffinden einer regungslosen Person Bewusstsein?

 

▪ lautes Ansprechen ▪ leichtes Rütteln an

der Schulter Atmung ▪ Atemwege frei machen Notruf bereits erfolgt? Notarzt nachgefordert?

AED holen (lassen) Freimachen des Oberkörpers alleinige kontinuierliche Herzdruckmassage oder CPR 30 : 2 bis AED einsatzklar (2 Helfer)

108

 

×

kontinuierliche Herzdruckmassage

×

11 Defibrillation und Kardioversion

Automatisierte externe Defibrillatoren (AED-Geräte)

11.2

Auffinden einer regungslosen Person Gerät einschalten, analysieren lassen Schock empfohlen: ▪ sicherstellen, dass niemand den Patienten berührt ▪ Schock auslösen ▪ Sprachanweisungen folgen: ausschließliche Herzdruckmassage oder CPR 30 : 2 fortführen Kein Schock empfohlen: ▪ ausschließliche Herzdruckmassage oder CPR 30 : 2 fortführen ▪ Sprachanweisungen folgen

        





ausschließliche Herzdruckmassage oder 5 Zyklen CPR 30 : 2 (= ca. 2 Minuten)

×

×

erneute Analyse durch Gerät, ggf. erneuter Schock

        





Maßnahmen fortführen, bis der Patient normal zu atmen beginnt

109

11.3

Elektrische Kardioversion

11 Defibrillation und Kardioversion

11.3 Elektrische Kardioversion Indikation ventrikuläre Tachykardie mit hämodynamischer Instabilität • hochfrequente, (> 150/min), supraventrikuläre Tachykardie (Ausnahme: Sinustachy• hochfrequente kardie!) mit hämodynamischer Instabilität Vor allem, wenn die Rhythmusstörung medikamentös nicht günstig zu beeinflussen ist, sofort, wenn klinische Symptome eines kardiogenen Schocks vorliegen.

Prinzip Synchronisierte (R-Zacken-gesteuerte) Defibrillation als Versuch, eine tachykarde, kreislaufwirksame Herzrhythmusstörung in einen effektiveren Rhythmus zu konvertieren.

Zubehör

• Defibrillator mit Klebeelektroden • EKG-Monitor • Elektrodenpaste Technik beim bewusstseinsklaren Patient: • Voraussetzung – Aufklärung

• • • •

– Sedierung, besser Analgosedierung in Form einer Kurznarkose (z. B. mit Ketamin) – ständige Intubations- und Reanimationsbereitschaft ist selbstverständliche Voraussetzung Ableitung eines Monitor-EKG ausreichend Elektrodengel auf die Paddles aufbringen Defibrillationsmodus synchron wählen ! Energie vorwählen: – supraventrikuläre Tachykardie bzw. schmale Kammerkomplexe (mit Ausnahme Vorhofflimmern): initial 100 J monophasisch oder 70–120 J biphasisch – ventrikuläre Tachykardie bzw. breite Kammerkomplexe und Vorhofflimmern: initial 200 J monophasisch oder 120–150 J biphasisch

Info Defibrillationsmodus Synchroner Modus: Wenn noch geordnete, abgrenzbare Kammerkomplexe zu erkennen sind, wird die Kardioversion synchronisiert durchgeführt, da sonst Kammerflimmern ausgelöst werden kann. Der Stromstoß wird automatisch etwa 20 ms nach einer R-Zacke – außerhalb der vulnerablen Phase – abgegeben. Asynchroner Modus (bei der Defibrillation, s. S. 103): Bei Kammerflimmern sind keine geordneten R-Zacken zu erkennen, eine Synchronisation ist also nicht möglich, die Defibrillation erfolgt asynchron. Auch bei Kammerflattern und pulsloser Kammertachykardie sollte asynchron defibrilliert werden, um keine Zeit mit der R-Zacken-Erkennung zu verlieren.

110

12 Elektrische Stimulation

12

12

Elektrische Stimulation

(passagere Stimulation, passagerer externer Schrittmacher, Pacing)

Indikationen (bei entsprechender Klinik und nach EKG-Diagnostik mit Mehrkanal schreiben) bradykarde Herzrhythmusstörungen, wie z. B. – AV-Block 2. und 3. Grades – bradykardes Vorhofflimmern – Syndrom des kranken Sinusknotens – Syndrom des überempfindlichen Karotissinus tachykarde Herzrhythmusstörungen, wie z. B. – Vorhofflattern – paroxysmale supraventrikuläre Tachykardien einschließlich WPW-Syndrom – sonstige Kammertachykardien Asystolie nur bei vorhandenen P-Wellen

• • •

Prinzip Mithilfe von extern an die Thoraxwand angelegten großflächigen Klebeelektroden (unter stationären Bedingungen auch über transösophageal eingeführte Elektroden) soll der Herzmuskel mit einer adäquaten Frequenz (70–80/min) stimuliert werden. Bei den tachykarden Störungen sollen dabei die vorhandenen Erregungskreisläufe unterbrochen werden, wobei die elektrische Stimulation gegenüber der Defibrillation zwar sanfter, aber auch entschieden weniger effektiv ist. Das Schrittmachermodul für die externe elektrische Stimulation ist in aller Regel als Zusatzmodul im Defibrillator des Notarztes integriert.

Technik des Patienten • Aufklärung (Analgo-)Sedierung, z. B. mit Midazolam • vorsichtige Haut des Patienten mit Wasser reinigen • Klebeelektroden anbringen: • – negative Elektrode anterior an der linken Thoraxseite (entsprechend EKG-Ablei-

• • •

tung V2–V3) anbringen – positive Elektrode posterior an der linken Thoraxseite unter der Skapula anbringen gewünschte Stimulationsfrequenz (z. B. 70) wählen und Stromstärke langsam steigern (0–200 mA), bis die elektrischen Impulse vom Ventrikel übernommen werden und das Herz wieder auswirft. Kontrolle durch Pulstastung an der A. femoralis Reizschwelle bestimmen (normalerweise > 40 mA), danach Impulsamplitude (ca. 10 % höher als die Ð + Reizschwelle) einstellen Erfolgskontrolle über Monitor und periphere     Pulse

111

12.1

Implantierbare KardioverterDefibrillatoren (ICD)

12 Elektrische Stimulation

Nebenwirkungen „Mitkontraktionen“ der Thoraxmuskulatur mit unangenehmen Sensa• Gelegentlich tionen für den Patienten Reizung der Haut • Auslösung von Kammerflimmern möglich •

12.1 Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) Rund 30000 Patienten (Stand 2017) werden jährlich in Deutschland mit   einem implantierbaren Cardioverter Defibrillator (ICD) versorgt, der ähnlich wie ein Schrittmacher subkutan unterhalb des linken Schlüsselbeins    unter dem M. pectoralis implantiert wird. Das Gerät erkennt automatisch einen lebensbedrohlichen defibrillierbaren Herzrhythmus und reagiert darauf mit Stromstößen (30–40 J), die über einen inneren, im rechten Ventrikel liegenden Pacing-Draht sofort abgegeben werden. Wird ein VF/VT registriert, werden die ICD nicht mehr als 8-mal entladen, können aber beim Registrieren einer neuen VF/VT-Periode neu starten. Aktuell erreichen die Detektionsalgorithmen zum Erkennen lebensbedrohlicher defibrillierbarer Rhythmusstörungen eine Sensitivität von nahezu 100 % bei einer Spezifität von bis zu 80–90 %, d. h., tödliches Kammerflimmern wird praktisch immer erkannt. Die hohe Sensitivität führt aber dazu, dass gelegentlich fälschlicherweise Kammerflimmern erkannt wird, obwohl keine Rhythmusstörung vorliegt. Dies kann ebenso wie technische Defekte – in erster Linie gebrochene ICD-Kabel – zu inadäquaten Schockabgaben führen, die für den Patienten sehr unangenehm und schmerzhaft sein können. In Anbetracht der niedrigen Energiestufe, die von ICD entladen werden, ist es unwahrscheinlich, dass der Retter zu Schaden kommt, allerdings wird das Tragen von Handschuhen und das Minimieren des Kontakts zum Patienten während der Entladung empfohlen. Ein über dem ICD platzierter Magnet kann dann die Defibrillatorfunktion ausschalten.

112

12 Elektrische Stimulation

Implantierbare KardioverterDefibrillatoren (ICD)

12.1

Magnetverhalten von ICD Das Verhalten von ICD unter Magnetauflage weicht prinzipiell von dem der Schrittmacher ab. Legt man einen Magneten auf, führt dies nicht zu einer asynchronen Bradykardiestimulation, sondern es werden lediglich die Antitachykardie-Funktionen deaktiviert. Eine Tachykardie wird dann also weder erkannt noch therapiert, ein Effekt, der im Falle von inadäquaten Schockabgaben bei benignen Herzrhythmusstörungen beabsichtigt ist. Der Patient ist während der Magnetauflage demnach vor malignen Herzrhythmusstörungen nicht geschützt, eine kontinuierliche EKG-Überwachung ist somit während der gesamten Dauer der Magnetauflage obligat.

113

13 Applikationswege für Medikamente

13 13

Applikationswege für Medikamente

Periphervenöser Zugang Indikation Zugang der Wahl.

Medikamente Alle i. v. applizierbaren Medikamente.

Vorgehen der Wahl ist eine periphere, möglichst großlumige Vene am Unterarm oder • Zugang in der Ellenbeuge Infusion (Ringer-Lactat, physiologische Kochsalzlösung) anschließen, um • zusätzliche die Medikamente in den Kreislauf einzuspülen (periphere Zirkulation ist beim Kreislaufstillstand minimiert bzw. aufgehoben)

Komplikationen Zugang lässt sich nicht legen → Ausweichen auf die V. jugularis externa • Peripherer (Technik s. S. 44) gelingt auch darüber in kurzer Zeit kein venöser Zugang → intraossärer Zugang → • wenn auch nicht möglich → endobronchiale Gabe

Zentralvenöser Zugang Indikation In der Regel im Rahmen der erweiterten Sofortmaßnahmen keine Indikation. Auch der Zugang über die V. femoralis sollte nur in Ausnahmefällen, d. h. beim Versagen aller anderer venöser Zugangswege, versucht werden.

Vor- und Nachteile Der Vorteil eines derartigen Zugangs besteht in einem rascheren Wirkungseintritt der verabreichten Medikamente sowie in der ständigen Verfügbarkeit der zentralen Wege, z. B. auch bei extremer Zentralisation. Nachteile sind die erforderliche Unterbrechung der CPR und die technischen Schwierigkeiten.

Vorgehen über die V. jugularis interna gegenüber dem Weg über die V. subclavia • Zugang bevorzugen, da eine laufende Reanimation dadurch weit weniger gestört wird • Technik der zentralvenösen Wege s. S. 42

114

13 Applikationswege für Medikamente

13

Intraossärer Zugang Indikation Misslingt oder verzögert sich der intravenöse Zugang bei einem vital bedrohten Patienten, sollte spätestens nach 3 frustranen venösen Punktionsversuchen bzw. nach 90–120 Sekunden ein intraossärer Zugang in Erwägung gezogen bzw. angelegt werden. Für eine Volumentherapie ist ein intraossärer Zugang im Erwachsenenalter wegen des kleinen Lumens unzureichend, eine intraossäre Injektion von Medikamenten erreicht jedoch adäquate Plasmakonzentrationen der applizierten Medikamente in einer vergleichbaren Zeit wie bei einer Injektion über einen zentralvenösen Katheter.

Material Es existieren verschiedene intraossäre Punktionsverfahren, von der „klassischen“ manuellen Punktion mit der Cook-Nadel bis hin zu automatischen Punktionsverfahren mit halb- oder vollautomatischen Systemen. Grundsätzlich benötigt werden:

F.A.S.T.-System Bone Injection Gun System

Punktionsnadel/Bohrsysteme (s. u.) • intraossäre 5 ml und 10 ml, Aufziehkanülen • Spritze, Kompressen • sterile • Dreiwegehahn Lokalanästhetikum • NaCl 0,9 % 10 ml (z. B. Mepivacain 1 % oder Lidocain 1 %) • Fixierbinde, Pflasterrolle •

115

13 Applikationswege für Medikamente

13 Intraossäre Punktionsverfahren (Auswahl) Hersteller

Beschreibung

Größe

Manuelles Punktionsverfahren Cook-Nadel (Cook Critical Care, Bloomington, IN, USA)

Stahlkanüle mit Handknauf, wird in Knochen gedreht/gedrückt, Dickmann-Modifikation mit seitlichen Löchern am distalen Kanülenende

▪ 16 G Kinder ▪ 15,5 G Erwachsene

Halbautomatisches Punktionsverfahren EZ-IO (Vidacare, San Antonio, Texas, USA)

Stahlkanüle, wird über eine batteriebetriebene Bohrmaschine eingebracht

▪ 15 G Kinder (3–39 kg KG), 1,5 cm lang ▪ 15 G Erwachsene (ab 39 kg KG), 2,5 cm lang ▪ 15 G, adipöse Erwachsene, 4,5 cm lang

Automatisches Punktionsverfahren Bone Injection Gun (BIG, Waismed, Caesarea, Israel)

Stahlkanüle, wird über einen Federmechanismus in den Knochen getrieben

▪ 18 G Kinder < 12 Jahre ▪ 15 G Erwachsene

F. A. S. T.-1-System* (Pyng Med Corp., Vancouver, Canada)

Stahlkanüle, wird über einen Federmechanismus in das Sternum getrieben

▪ ab 12 Jahren

* Im Rettungsdienst nicht gebräuchlich

116

13 Applikationswege für Medikamente

13

Punktionsstellen Übersicht

Punktionsorte für den EZ-IO proximaler Humerus

distaler Femur proximale Tibia distale Tibia

Geeignete Punktionsstellen Kinder < 6 Jahre

Kinder > 6 Jahre

1. Wahl

proximale Tibia

2. Wahl

distale Tibia

3. Wahl

distales Femur

distales Femur

Erwachsene

spezielle i.o. Systeme für Erwachsene Sternum (FAST)

proximaler Humerus

proximaler Humerus (EZ-IO)

117

13 Applikationswege für Medikamente

13 Identifikation der Punktionsstellen

Proximale Tibia Erwachsene. Bein stabil lagern, am besten unter dem Knie unterpolstern. Tuberositas tibiae tasten, der korrekte Punktionsort liegt 2 cm medial davon an der anteromedialen Fläche der Tibia oder Unterkante der Patella tasten der korrekte Punktionsort liegt etwa 3-5 cm (2-3 Fingerbreiten) unterhalb der Patella und etwa 2 cm medial davon an der anteromedialen Fläche der Tibia

• •

Proximale Tibia Kinder. Bein stabil lagern, am besten unter dem Knie unterpolstern. Tuberositas tibiae tasten, der korrekte Punktionsort liegt ca. 1 (- 2) cm medial davon an der anteromedialen Fläche der Tibia oder Unterkante der Patella tasten der korrekte Punktionsort liegt etwa 1-2 cm (max. eine Fingerbreite) unterhalb der Patella und etwa 1 cm medial davon an der anteromedialen Fläche der Tibia

• •

Distale Tibia Erwachsene (medialer Malleolus).

Punkt des medialen Malleolus (malleo• höchsten läre Kuppe) tasten Die Punktionsstelle befindet sich etwa 3 cm (2 Fingerbreiten) oberhalb der malleolären Kuppe in der kranialenVerlängerung der Mittellinie des Malleolus Distale Tibia Kinder (medialer Malleolus).

Punkt des medialen Malleolus (malleo• höchsten läre Kuppe) tasten Die Punktionsstelle befindet sich etwa 1-2 cm (1 Fingerbreite) oberhalb der malleolären Kuppe in der kranialenVerlängerung der Mittellinie des Malleolus

118

13 Applikationswege für Medikamente

13

Distales Femur (nur Kinder!). Oberkante der Patella tasten



Die Punktionsstelle liegt am distalen Femur, an der Mittellinie der Vorderfläche des Femurs, 1-2 cm oberhalb der Patella.

Proximaler Humerus Erwachsen. Schritt 1 Legen Sie die Hand des Patienten auf den Nabel. Das führt zu einer medialen Rotation von Ellenbogen und Humerus. Lassen Sie den Patienten den Arm beugen. Dies lässt die Punktionsstelle stärker hervortreten

Schritt 2 Legen Sie Ihre Handfläche von vorne her auf die Schulter des Patienten. Der Bereich, der sich wie ein „Ball“ unter der Handfläche anfühlt, ist das „Zielgebiet“.

Schritt 3 Anschliessend müssen Sie den Oberarmschaft mit Hilfe Ihrer Daumen identifizieren. Gehen Sie dazu vor wie in Schritt 4 und 5 gezeigt.

119

13 Applikationswege für Medikamente

13

Schritt 4 Wenn Sie den Oberarmschaft ertastet haben, tasten Sie sich an diesem in Richtung Humeruskopf entlang nach oben, bis am proximalen Ende ein knöcherner Vorsprung getastet werden kann, das Tuberculum majus.

Schritt 5 Auf diesem Tuberculum majus befindet sich die Punktionsstelle.

Proximaler intraossärer Zugang (proximale Tibiainnenfläche), manuelles Punktionsverfahren stabil lagern, am besten unter dem Knie unter• Bein polstern. Punktionsstelle aufsuchen gut desinfizieren, sterile Handschuhe anzie• Haut hen. Bein zwischen Daumen und Zeigefinger der einen Hand fixieren

in die Faust der anderen Hand neh• Intraossärnadel men. Haut und Knochenkortex mit sanftem Druck

• • •

120

und leicht drehenden Bewegungen durchbohren. Stichrichtung senkrecht zur Hautoberfläche bzw. etwas nach distal (weg von der Wachstumsfuge) Unter Rechts-links-Drehbewegungen und konstant kräftigem Druck Kanüle durch den Knochenkortex bohren,bis nach 1–2 cm ein plötzlicher Widerstandsverlust auftritt Dieser Widerstandsverlust ist der Indikator für das Erreichen des Markraums Kanüle mit der einen Hand festhalten, mit der anderen Trokar aus dem Schaftgewinde herausdrehen. Korrekte Lage der Kanüle durch festen Sitz im Knochen sowie durch die Aspiration von Mark oder Blut bestätigen

13 Applikationswege für Medikamente

13

von Kochsalzlösung, diese müsste sich leicht einspritzen lassen • Probeinjektion • Nadel steril fixieren, Infusion anschließen

!

Beim Aspirationsversuch ist nicht in jedem Fall Knochenmark zu aspirieren. Wichtig ist die nachfolgende Applikation („flush“) von ca. 10 ml einer kristallinen Lösung über einen Dreiwegehahn mit mobiler Leitung, um den Knochenmarkraum freizuspülen (kein Paravasat). In aller Regel kann erst nach Applikation des „flush“ eine tropfende Infusion erreicht werden. Da diese Applikation jedoch sehr schmerzhaft ist, sollte bei wachen Patienten zuvor ein Lokalanästhestikum injiziert werden (z. B. 2,5 ml Mepivacain 1 %).

Distaler intraossärer Zugang (medialer Malleolus) stabil lagern, am besten unter dem Sprunggelenk • Bein unterpolstern. Punktionsstelle aufsuchen Haut desinfizieren, sterile Handschuhe anziehen • Bein gut Daumen und Zeigefinger der einen • Hand zwischen fixieren in die Faust der anderen Hand nehmen • Intraossärnadel und Haut und Knochenkortex mit sanftem Druck und



leicht drehenden Bewegungen durchbohren. Stichrichtung in einem Neigungswinkel von ca. 70° von der Wachstumsfuge weg Übriges Vorgehen wie bei proximaler Punktion

Kortikalis Markraum

Polster Wachstumsfuge

Halbautomatisches Punktionsverfahren („Bohrmaschine“, EZ-IO) Nadel wählen • passende – nur für den Einmalgebrauch – Vergewissern Sie sich, dass die Verpackung nicht beschädigt ist. – Bei der Auswahl der geeigneten Nadel sind Gewicht und Gewebedichte des Patienten zu berücksichtigen (S. 122). – Zur Bestätigung der geeigneten Nadelauswahl muss nach der Insertion durch das Gewebe eine schwarze Linie auf der Nadel sichtbar bleiben.

121

13 Applikationswege für Medikamente

13 Nadelauswahl Nadel

Eigenschaft 15-mm-Nadel-Sets (rosa) können für Patienten von 3–39 kg eingesetzt werden

(Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Teleflex Incorporated, Wayne) 25-mm-Nadel-Sets (blau) können für Patienten ab 40 kg eingesetzt werden

(Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Teleflex Incorporated, Wayne)

(Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Teleflex Incorporated, Wayne)

45-mm-Nadel-Sets (gelb) sollten für den proximalen Humerus bei Patienten ab 40 kg sowie Patienten mit übermäßig viel Weichteilgewebe oberhalb der Insertionsstelle verwendet werden.

Nicht steril! Übungsnadel-Sets (rot) sind nur für Übungszwecke konzipiert.

(Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Teleflex Incorporated, Wayne)

122

13 Applikationswege für Medikamente tibiae tasten, der korrekte Punkti• Tuberositas onsort liegt ca. 1 cm (Kinder) bzw. 2 cm (Er-

13 1

wachsene) medial davon an der Vorderkante der Tibia (1)

ausreichend desinfizieren (2), • Punktionsort Einwirkzeit beachten der Nadel öffnen und Nadel mit dem • Behältnis Magnetaufnehmer des Schraubers aus dem Be-

2

hältnis nehmen

entfernen (Abziehen unter Betäti• Schutzkappe gung des Geräts)

zur Knochenfläche senkrecht und ohne • Nadel Betätigung des Geräts durch die Haut stechen,

• •

• • •

bis Knochenkontakt besteht Sicherstellen, dass die 5-mm-Marke zu sehen ist, sonst längere Nadel verwenden Schalter des Geräts betätigen und ohne Druck bohren, bis spürbar der Widerstand verloren geht (3), jetzt den Schalter sofort loslassen (wichtig: kaum Druck ausüben, die Arbeit wird vom Gerät geleistet, nach Widerstandsverlust das Gerät nicht zurückziehen, sondern nur den Schalter loslassen !) Nadel mit einer Hand fixieren, Gerät senkrecht entfernen Trokar aus der Kanüle schrauben (gegen den Uhrzeigersinn) (4) und entlüftete Verbindungsleitung (enthält Rückschlagventil !) anschließen Drei Wege-Hahn an Verbindungsleitung anschließen

3

4

123

13 Applikationswege für Medikamente

13

von 10 ml kristalloider Lösung (5), • Bolusgabe cave Injektionsschmerz beim wachen Patien-

5

ten. dann ggf. Gabe von Lidocain/Xylocain 20– 40 mg (Kind 0,5 mg/kg)

6

anschließen (6), in aller Regel wird • Infusion eine Druckinfusion erforderlich sein dokumentieren (Nadel muss • Punktionszeit nach spätestens 24 h wieder entfernt werden)

Endobronchiale Applikation Die endobronchiale Applikation von Medikamenten, z. B. Adrenalin, wird nur noch empfohlen, wenn weder ein intravenöser noch ein intraossärer Zugang geschaffen werden können. Grund dafür ist die Tatsache, dass bei der Applikation von Medikamenten über den Endotrachealtubus nicht vorhersehbare Plasmakonzentrationen erreicht werden und somit die optimale Dosis der zu verabreichenden Medikamente als „schlichtweg nicht bekannt“ (ERC 2015) angegeben wird.

Vorgehen Medikament in ca. 10 ml • gewünschtes isotonischer Kochsalzlösung aufziehen Applikation des mög• lichst tief und mit Medikaments Druck in den Endo-

• •

124

trachealtubus direkt nach der Applikation 3–5-mal mit großem Atemzugvolumen beatmen (bebeuteln) Reanimation fortsetzen

Adrenalin Lidocain Atropin Dosieraerosole

13 Applikationswege für Medikamente

13

Inhalative/endobronchiale Gabe über Verneblermaske Indikation Reaktion mit zuschwellenden oberen und unteren Atemwegen • allergische • Pseudokrupp bronchiale • Asthma • COPD

Medikamente Zur Verneblung geeignet sind: Adrenalin, z. B. Suprarenin 1 : 1000 unverdünnt 1 mg/ml 2–5 mg Ipratropiumbromid, z. B. Atrovent Fertiginhalat 250 μg/2 ml Fertiginhalat Salbutamol, z. B. Salbutamol Fertiginhalat 1,25 mg in 2,5 ml Kombination Salbutamol + Ipratropiumbromid

• • • •

  ! "  

Technik aufschrauben, mit dem gewünschten Medikament befüllen und wie• Verneblertopf der zuschrauben Flüssigkeitsmenge in der Verneblerkammer 3–6 ml (je nach Ausfüh• erforderliche rung) Sauerstoffflasche am Druckminderer gewünschten Flow einstellen, üb• licherweise 6–8–10aufdrehen, l/min über Mund und Nase des sitzenden Patienten aufsetzen, Fixier• Verneblermaske gummi über den Kopf ziehen Patienten langsam und tief einatmen lassen • dem Patienten empfehlen, • gen hervorgerufen werden die Augen zu schließen, damit möglichst keine Reizunder Anwendung in Abhängigkeit von der Symptomatik, in aller Regel nicht • Dauer > 15 min

Intranasale Medikamentenapplikation Eine insbesondere bei Kindernotfällen wichtige Alternative zur i. v. und i. o. Applikation von Medikamenten ist die Medikamentengabe über die Nasenschleimhaut (transmukosale Absorption): schneller und einfacher Applikationsweg Wirkungseintritt annähernd so schnell wie bei intravenöser Gabe bei zerebralem Krampfanfall schnellerer Wirkungseintritt als bei rektaler Applikation

• • •

125

13 Applikationswege für Medikamente

13

Nachgewiesen ist die Wirksamkeit für folgende Medikamente: Midazolam Ketamin, S-Ketamin Morphin Fentanyl Flumazenil Naloxon

• • • • • •

Applikationssysteme Eine effektive Methode zur Gabe von flüssigen Substanzen auf die Nasenschleimhaut sind Zerstäubersysteme (z. B. MAD = „mucosal atomization device“). Das MAD wird auf eine Standard-Spritze aufgesetzt und zerstäubt das Medikament beim Spritzen durch die feinen Düsen an der Spitze. Das Medikament legt sich wie ein feiner Nebel auf die Schleimhaut und kann optimal resorbiert werden. Der Luer-Lock-Anschluss ermöglicht eine Kombination mit allen Luer- und Luer-Lock-Spritzen.

Technik Nasenlöcher reinigen • ggf. in höherer Konzentration, d. h. mit weniger Volumen verwenden • Medikamente (z. B. Midazolam 15 mg/3 ml, Morphin 1 mg = 1 ml unverdünnt) 1 ml Gesamtmenge beide Nasenlöcher nutzen, um die Absorptionsfläche zu ver• ab größern, ca. 0,2–0,5 ml pro Nasenloch Wiederholung nach 5–10 min möglich •

Dosierungen Eine intranasale Medikamentenapplikation stellt aktuell (2016) immer noch eine „OffLabel“-Anwendung dar! Es sollten möglichst immer nur 0,5 bis max. 1,0 ml je Nasenloch appliziert werden, ein Totraum des Applikators von 0,1 ml kann hinzugerechnet werden!

126

13 Applikationswege für Medikamente

13

Dosierungstabelle zur nasalen Medikamentenapplikation (z. B. MAD) Medikament/ Körpergewicht (kg) Dosierung 10

15

20

Morphin

(10 mg/ml), 0,1 mg/kg

in mg

1 mg

1,5 mg

in ml

0,1 ml

0,15 ml 02 ml

2 mg

25

30

35

40

50

2,5 mg

3 mg

3,5 mg

4 mg

5 mg

0,25 ml 0,3 ml

0,35 ml 0,4 ml

0,5 ml

Fentanyl

(100µg/2 ml), 1µg/kg

in mg

10µg

15µg

20µg

25µg

30µg

35µg

40µg

50µg

in ml

0,2 ml

0,3 ml

0,4 ml

0,5 ml

0,6 ml

0,7 ml

0,8 ml

1 ml

21µg

25µg

28µg

35µg

Sufentanil

(50µg/ml), 7µg/kg

in mg

Kein Sufentanil empfohlen

14µg

17,5µg

in ml

Kein Sufentanil empfohlen

0,3 ml

0,35 ml 0,4 ml

0,5 ml

0,55 ml 0,7 ml

Ketamin

(50 mg/ml), 2 mg/kg

in mg

20 mg

30 mg

40 mg

50 mg

60 mg

70 mg

80 mg

100 mg

in ml

0,4 ml

0,6 ml

0,8 ml

1 ml

1,2 ml

1,4 ml

1,6 ml

2 ml

S-Ketamin

(25 mg/ml), 1 mg/kg

in mg

10 mg

15 mg

20 mg

25 mg

30 mg

35 mg

40 mg

50 mg

in ml

0,4 ml

0,6 ml

0,8 ml

1 ml

1,2 ml

1,4 ml

1,6 ml

2 ml

Midazolam

(15 mg/3 ml), Krampfanfall: 0,2 mg/kg

in mg

2 mg

3 mg

4 mg

5 mg

6 mg

7 mg

8 mg

10 mg

in ml

0,4 ml

0,6 ml

0,8 ml

1 ml

1,2l

1,4 ml

1,6 ml

2 ml

127

13 Applikationswege für Medikamente

13 Medikament/ Körpergewicht (kg) Dosierung 10

15

20

Lorazepam

(4 mg/ml), 0,1 mg/kg

in mg

1 mg

in ml

0,25 ml 0,35 ml 0,5 ml

Naloxon

(0,4 mg/ml)

1,5 mg

2 mg

25

30

35

2,5 mg

3 mg

3,5 mg

0,65 ml 0,75 ml 0,9 ml

40

50

4 mg

4 mg

1 ml

1 ml

2 mg für alle Gewichtsklassen Flumazenil

(0,1 mg/ml), 40µg/kg

in µg

400

600

800

1000

1200

1400

1600

2000

in ml

0,4 ml

0,6 ml

0,8 ml

1 ml

1,2 ml

1,4 ml

1,6 ml

2 ml

Glukagon

(1 mg/ml) 2 mg für alle Gewichtsklassen

128

14 Medikamente bei der Reanimation

14

14

Medikamente bei der Reanimation

Sauerstoff Indikation In den allermeisten Notfällen ist – unabhängig von der Ursache der Hypoxie – die Indikation zur Anreicherung der Atemluft mit Sauerstoff gegeben. Ziel ist es, das Angebot an Sauerstoff an den Organismus zu erhöhen und eine Hypoxie zu beseitigen bzw. zu verringern.

Dosierung Als Grundsatz kann gelten, dass ein Sauerstoff-Flow von 4 l/min eine inspiratorische O2-Konzentration von ca. 40 % erzielen kann. In der Regel sollte deshalb dieser Mindestflow angestrebt werden. Eine Erhöhung des Sauerstoff-Flows auf > 8 l/min bringt nur noch wenig zusätzlichen Effekt. Eine vorsichtigere Dosierung (2–3 l/min) empfiehlt sich bei Patienten mit Asthma bronchiale chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) ACS ohne Hypoxiezeichen

• • •

Bei den pulmonalen Erkrankungen wird der Atemantrieb möglicherweise primär über die Hypoxie bewirkt, eine Verringerung derselben könnte eine Verschlechterung der Atemsituation hervorrufen. In der Regel genügt es, diese Patienten unter einer vorsichtigen Sauerstoffdosierung gut zu beobachten und, falls erforderlich, weitergehende Maßnahmen (NIV, Intubation, kontrollierte Beatmung) zu ergreifen.

Applikation Abhängig vom Bewusstseinszustand des Patienten, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Sauerstoffzufuhr.

129

14 Medikamente bei der Reanimation

14 Möglichkeiten der Sauerstoffzufuhr. Bewusstseinsklarer Patient

▪ Sauerstoffbrille ▪ Nasensonde ▪ Sauerstoffmaske (mit oder ohne Reservoir)

Bewusstseinseingeschränkter, ausreichend spontan atmender Patient

Bewusstloser, insuffizient atmender Patient

▪ Nasopharyngealkatheter ▪ Atembeutel oder Beatmungsgerät ▪ Sauerstoffmaske ▪ Sauerstoffmaske oder Tubus

Die unterschiedlichen Applikationsformen können die inspiratorische Sauerstoffkonzentration (FiO2) in verschiedenem Ausmaß erhöhen. Nachfolgend sind die wichtigsten Vor- und Nachteile und die maximal zu erzielenden O2-Konzentrationen zusammengestellt:

Formen der Sauerstoffapplikation.

130

Vorrichtung

Vorteile

Nachteile

O2-Konz. [l/min]

FiO2 [%]

Sauerstoffbrille

gut tolerabel

schlecht dosierbar, Flow > 6 l/min, kaum tolerabel

3 6

ca. 30 ca. 40

Nasensonde

gut dosierbar, Anfeuchtung gut



4 6 8

ca. 30 ca. 40 ca. 50

Nasopharyngealkatheter

ausreichend dosierbar

Fehllagen möglich, Würgereiz

4–6

ca. 30–50

Sauerstoffmaske ohne/mit Reservoir

sehr gut dosierbar

unbequem, Sprechen nicht möglich, CO2Rückatmungsgefahr

5 6–7 7–8

ca. 40/ca. 50 ca. 50/ca. 60 ca. 60/ca. 80

Beatmung über Maske/Tubus

sehr gut dosierbar

Erfahrung nötig, ggf. vorher Intubation erforderlich

variabel

bis 100

14 Medikamente bei der Reanimation

Vasopressoren

14.1

14.1 Vasopressoren Adrenalin Catecholamine haben in der Herz-Lungen-Wiederbelebung einen hohen Stellenwert. Adrenalin ist Mittel der ersten Wahl bei der Reanimation.

Charakteristika von Adrenalin. Präparat

Indikationen

Wirkungsweise

Adrenalin, Suprarenin:

▪ 1 Amp. = 1 ml = 1 mg Adrenalin 1 : 1000 ▪ Injektionslösung = 25 ml = 25 mg Adrenalin 1 : 1000 ▪ Adrenalin-Spray s. Epinephrin S. 596 ▪ Asystolie, elektromechanische Dissoziation, Kammerflimmern → jede Form des Herz-Kreislauf-Stillstands ▪ anaphylaktischer Schock ▪ Stimulierung der α-adrenergen Rezeptoren und in geringem

Maße der β1-adrenergen Rezeptoren: – Erhöhung des peripheren Widerstands – Blutdruckanstieg – Zunahme der koronaren und zerebralen Durchblutung ▪ Stimulierung der β1-Rezeptoren: – Zunahme der Kontraktilität des Herzens – Steigerung des Herzzeitvolumens ▪ Überführung eines trägen Kammerflimmerns in ein grobes, großamplitudiges Kammerflimmern, das besser auf eine elektrische Defibrillation anspricht Nebenwirkungen

▪ Tachykardie ▪ Extrasystolie ▪ Kammerflimmern ▪ Interaktion mit Natriumbikarbonat, deshalb möglichst ge-

trennter Zugang oder zeitlicher Abstand der Verabreichung

Dosierung Die unverdünnte Originallösung wird am besten mit 0,9%iger NaCl-Lösung auf 10 ml verdünnt. Dann entsprechen: 10 ml = 1 mg 1 ml = 0,1 mg

• •

Adrenalin kann i. v., i. o. oder im Rahmen der Reanimation in Ausnahmefällen endobronchial appliziert werden.

131

14.1

14 Medikamente bei der Reanimation

Vasopressoren Dosierung und Applikation von Adrenalin. Alter

Reanimation

Erwachsene

i. v.

anaphylaktischer Schock

▪ 1 mg = 1 Amp. Adrenalin

(= 10 ml der verdünnten Lösung) i. v. ▪ falls erforderlich, Wiederholungsdosis alle 3–5 min

Kinder

intraossär

wie i. v. Gabe

endobronchial

2–3 mg = 2–3 Amp. Suprarenin verdünnt auf 10 ml Aqua dest.

i. v. oder intraossär

endobronchial

▪ 0,01 mg/kg KG = 10 μg/kg

KG = 0,1 ml der verdünnten Lösung/kg KG ▪ falls erforderlich, erneute Gabe alle 3–5 min wiederholen

▪ 0,1 mg/kg KG = 1 ml der

verdünnten Lösung/kg KG

132

▪ initial

0,1 mg = 1 ml der verdünnten Lösung i. v. ▪ falls erforderlich, Wiederholungsdosis nach 3 min initial 0,01 mg/ kg KG

14 Medikamente bei der Reanimation

Antiarrhythmika

14.2

14.2 Antiarrhythmika Amiodaron Charakteristika von Amiodaron. Präparat Indikationen

Amiodaron, Cordarex: 1 Amp. = 3 ml = 150 mg

▪ Kammertachykardie oder Kammerflimmern: nach erfolglosem Einsatz von Defibrillator und Adrenalin ▪ tachykarde supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen wie z. B.

Vorhofflimmern/‑flattern, Reentry-Tachykardien, Tachykardien bei WPW-Syndrom insbesondere bei Patienten mit herabgesetzter Linksventrikulärfunktion ▪ schwerwiegende symptomatische ventrikuläre Tachykardien Kontraindikationen

bei vitaler Indikation keine !

Wirkungsweise

Antiarrhythmikum der Klasse III, hemmt vornehmlich den Repolarisationsprozess durch die Blockade von Kalium-Kanälen

Nebenwirkungen

▪ akut: Sinusbradykardie bis hin zum Sinusknotenstillstand (sel-

ten), proarrhythmische Wirkungen (selten), anaphylaktoide Reaktionen, selten Bronchospasmen bis hin zur Apnoe (insbes. bei Asthmatikern), Schweißausbrüche, Hypotension, Flush ▪ langfristig: hohe Nebenwirkungsrate (> 50 % aller Patienten), zahlreiche NW möglich, Näheres s. entsprechende Infos

!

Die Indikationen gelten nur für Patienten, die auf andere Antiarrhythmika nicht ansprechen oder deren Einsatz bei diesen nicht vertretbar ist.

133

14.2 14.3

Antiarrhythmika Sonstige

14 Medikamente bei der Reanimation

Dosierung Dosierung von Amiodaron. Indikation/Alter

Dosierung

persistierendes Kammerflimmern/Kammertachykardie nach 3 Defibrillationsversuchen und nach Adrenalingabe

300 mg als Bolusinjektion i. v. unter EKG-Kontrolle, z. B. 2 Amp. (= 300 mg) gelöst in 20 ml 5 % Glukose oder in einer vorgefüllten Spritze

symptomatische tachykarde Herzrhythmusstörung

5 mg/kg KG über mind. 3 min

Herzrhythmusstörungen mit entsprechender Indikation ohne unmittelbare vitale Bedrohung

einmalige Infusion von 2 Amp. (= 300 mg Wirkstoff) in 250 ml 5%iger Glukoselösung über 20 min bis zu 2 h

Beispiele/Anmerkungen

▪ 2 Amp. (= 300 mg) i. v. ▪ großzügig nachspülen ▪ keine 2. Injektion frü-

her als 15 min nach der 1. Injektion, dabei max. 1 Amp. (= 150 mg)

14.3 Sonstige Lidocain Lidocain ist bei refraktärem VF/refraktärer VT indiziert, wenn Amiodaron nicht zur Verfügung steht. Nach der 3. erfolglosen Defibrillation und der Gabe von Adrenalin kann es in einer initialen Dosierung von 100 mg (1,0 mg/kg KG) verabreicht werden. Ein 2. Bolus von 50 mg ist möglich. Insgesamt sollen nicht mehr als 3 mg/kg KG gegeben werden.

134

14 Medikamente bei der Reanimation

Sonstige

14.3

Charakteristika von Lidocain. Präparat Indikationen

Lidocainlösung, 2%ig, Xylocainlösung, 2%ig: 1 Amp. = 5 ml = 100 mg

▪ ventrikuläre Extrasystolie ▪ Tachykardie (Kammertachykardie) ▪ nach erfolgreicher Defibrillation ▪ nach erfolglosen Defibrillationen und Adrenalingaben bei persistierendem Kammerflimmern und fehlendem Amiodaron

Kontraindikationen Wirkungsweise

Nebenwirkungen

bei entsprechender Indikation keine, falls bekannt, nicht die ersten 3 Monate nach Myokardinfarkt oder bei deutlich eingeschränkter Herzleistung

▪ Antiarrhythmikum der Klasse Ib (Natriumantagonisten) ▪ Unterdrückung der Extrasystoliebildung im Ventrikel, Abnahme der Automatie ventrikulärer Zentren ▪ keine Beeinflussung der normalen AV-Überleitung ▪ ZNS-Nebenwirkungen bis hin zu Krampfanfällen ▪ in zu hoher Dosierung periphere Vasodilatation und Erhöhung der Defibrillationsschwelle

Dosierung Dosierung von Lidocain. Indikation/Alter i. v. Gabe

in der Infusion endobronchial

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

▪ initial 1,0–1,5 mg/kg KG als Bolus, z. B. 100 mg ▪ ggf. Wiederholung der halben Dosis nach ca. 5–10 min als Bolus, z. B. 50 mg 2–5 mg/min

▪ initial 4,5 mg/kg KG, d. h.

3–5 Amp. (2%ig)

300–500 mg tief endobronchial applizieren ▪ 2–3-mal höher dosieren als bei der i. v. Verabreichung

Magnesium Obwohl die routinemäßige Anwendung von Magnesium beim Kreislaufstillstand laut aktueller Studienlage das Überleben nicht steigert, kann Magnesium in einer Dosierung von 2 g (8 mmol = 4 ml 50 % Magnesiumsulfat) über 1–2 min i. v. (ggf. Wiederholung der Dosis nach 10–15 min) bei refraktärem VF/refraktärer VT



135

14 Medikamente bei der Reanimation

Sonstige

14.3

injiziert werden, wenn die Möglichkeit einer Hypomagnesiämie besteht (z. B. Patienten mit Diuretika, die einen Kaliumverlust bewirken). Einzelne Anhaltspunkte lassen es zu, dass Magnesium mit gleicher Dosierung auch gegeben werden kann bei: Torsades-de-pointes-Arrhythmien Digitalisintoxikationen

• •

Dosierung Dosierung von Magnesium. Indikation/Alter

Dosierung

refraktäres VF, refraktäre VT, wenn die Möglichkeit einer Hypomagnesiämie besteht (z. B. Patient mit Diuretika, die einen Kaliumverlust bewirken)

▪ 2 g (8 mmol = 4 ml 50 % Magnesiumsulfat) über 1–2 min i. v. ▪ ggf. Wiederholung der Dosis nach 10–15 min

Torsades-de-pointesArrhythmien Digitalisintoxikationen

Natriumbikarbonat Die Gabe von Natriumbikarbonat wird aktuell weder im Rahmen der CPR (insbesondere beim außerklinischen Kreislaufstillstand) noch nach der Wiederherstellung des Spontankreislaufs empfohlen. Als Indikation wird nur noch genannt: lebensbedrohliche Hyperkaliämie Kreislaufstillstand verbunden mit einer Hyperkaliämie oder einer schweren metabolischen Azidose Überdosierung von trizyklischen Antodepressiva

• • •

Dosierung Dosierung von Natriumbikarbonat.

136

Indikation/Alter

Dosierung

Erwachsene

50 ml einer 8,4%igen Lösung i. v. (möglichst unter Kontrolle von Blutgasen)

15 Kardiopulmonale Reanimation

15

Allgemeines

15.1

Kardiopulmonale Reanimation

# $ %

#

&    

 * " +

   (" " 



 





+

)





" 

      

)

      " .

)

   )  

 

' (  



 

 



Auch die aktuellen ERC-Leitlinien 2015 bestätigen, dass die Überlebensraten nach einem plötzlichen Kreislaufstillstand durch unverzüglich eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen verdoppelt oder verdreifacht werden können. Auch eine auf die Herzdruckmassage beschränkte Wiederbelebung ist besser als keine Wiederbelebung. Die Überlebensraten erhöhen sich durch eine Wiederbelebung plus Defibrillation innerhalb von 3–5 min nach dem Kollaps auf 49–75 %. Die Wahrscheinlichkeit des Überlebens bis zur Entlassung aus der Klinik vermindert sich mit jeder Minute Verzögerung vor der Defibrillation um 10–12 % (ERC 2015). Das folgende Konzept der Überlebenskette fasst die für eine erfolgreiche Wiederbelebung erforderlichen entscheidenden Schritte zusammen (ERC 2015).

& , 



(Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Perkins, G., Handley, A., Koster, R. et al. Notfall Rettungsmed (2015) 18: 748. doi:10.1007/s10049015-0081-1)

15.1 Allgemeines

• sofortige wichtig: •

Wiederbelebungsmaßnahmen (insbesondere Herzdruckmassage) sind

– geringer, aber wichtiger Blutfluss zum Herzen und zum Gehirn – Defibrillation ist dadurch eher erfolgreich schnelle Defibrillation – Schrittmacherzellen nehmen ihre Funktion wieder auf (wenn das Herz noch lebensfähig ist) – zunächst entsteht ein effektiver Herzrhythmus, dann mechanische Kontraktionen In den ersten Minuten nach einer erfolgreichen Beendigung des Kammerflimmerns können der Herzrhythmus verlangsamt und die Kraft der Kontraktionen schwach sein; Herzdruckmassagen müssen daher ggf. fortgesetzt werden, bis wieder eine ausreichende Herzfunktion gegeben ist.

137

Basismaßnahmen (BSL) beim Erwachsenen

15.2

15 Kardiopulmonale Reanimation

15.2 Basismaßnahmen (BSL) beim Erwachsenen Syn.: Basic Life Support, BLS

Kinder Das Vorgehen bei Kindern ist auf S. 520 dargestellt.

Erwachsene beachten • Eigenschutz/‑sicherung der Bewusstseinslage: • Kontrolle – lautes Ansprechen, leichtes( !) Rütteln an der Schulter

– beim Anfassen/Rütteln sichtbare Verletzungen beachten !

der Überprüfung: • Ergebnis – nicht bewusstlos: Hilfeleistung nach Notwendigkeit – bewusstlos: um Hilfe rufen, Kontrolle der Atmung

der Atmung: • Kontrolle – Atemwege frei machen (Kopf überstrecken außer bei Verdacht auf HWS-Verlet-



zung, Esmarch-Handgriff, Fremdkörper aus dem Mund-Rachen-Raum entfernen) – Sehen (Brustkorbbewegungen), Hören (Atemgeräusche), Fühlen (Luftstrom an der eigenen Wange) über etwa 10 s; erst wenn dabei keine Atmung nachgewiesen werden kann, handelt es sich um einen Atemstillstand Ergebnis der Überprüfung: – Atmung normal: stabile Seitenlage, Überwachung der Atmung – keine Atmung bzw. keine normale Atmung (gemeint ist in erster Linie die Schnappatmung, die in bis zu 40 % der Kreislaufstillstände beobachtet werden kann): Notruf 112 (veranlassen)

Weiteres Vorgehen getrennt nach nicht trainiertem bzw. trainiertem Helfer: Nicht trainierter Helfer jetzt sofort: Patienten auf harte Unterlage legen 30 Thoraxkompressionen (Herzdruckmassage) dann 2 Beatmungen im Wechsel mit 30 Thoraxkompressionen, ggf. auch Wiederbelebung ohne Beatmung

• • •

Trainierter Helfer: des Kreislaufs: • Kontrolle – Tasten der A. carotis (max. 10 Sekunden) Ergebnis der Überprüfung: Kreislaufzeichen vorhanden • – 2-mal beatmen, weiter beatmen, Kontrolle des Kreislaufs

– wenn keine Beatmung möglich, nochmalige gründliche Inspektion des MundRachen-Raums, nochmaliges Überstrecken des Kopfes – erneuter Beatmungsversuch – wenn weiter keine Beatmung möglich: Schläge auf den Rücken zur Entfernung von tiefer sitzenden Fremdkörpern (5-mal) oder Heimlich-Handgriff (5-mal)

138

15 Kardiopulmonale Reanimation

Basismaßnahmen (BSL) beim Erwachsenen

15.2

der Überprüfung: keine Kreislaufzeichen vorhanden • Ergebnis – 30 Thoraxkompressionen (Herzdruckmassage)

– dann 2 Beatmungen (bzw. Beatmungsversuche) im Wechsel mit 30 Thoraxkompressionen

Handlungsablauf zur Wiederbelebung Erwachsener keine Reaktion und keine normale Atmung

Notruf 112*

30 Thoraxkompressionen

2 Beatmungen

weiter CPR 30 : 2

sobald ein AED eintrifft – einschalten und den Anweisungen folgen * Österreich und Schweiz 144

(Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Perkins, G., Handley, A., Koster, R. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 748. doi:10.1007/s10049015-0081-1)

139

15.2

Basismaßnahmen (BSL) beim Erwachsenen

15 Kardiopulmonale Reanimation

Innerklinische Reanimation Kollabierter/kranker Patient

Rufen Sie um Hilfe und beurteilen Sie den Patienten

NEIN

Rufen Sie das Reanimationsteam

Lebenszeichen?

JA

Beurteilen Sie nach ABCDE Erkennen und behandeln Sie: Sauerstoff, Monitoring, i.v.-Zugang

CPR 30 : 2 Mit Sauerstoff und Atemwegshilfsmitteln

Legen Sie die Defipads an, schließen Sie den Monitor an, Defibrillieren Sie, wenn indiziert

Erweiterte lebensrettende Maßnahmen nach Eintreffen des Reanimationsteams

Rufen Sie das Reanimationsteam, wenn indiziert

Übergeben Sie an das Reanimationsteam

(Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Soar, J., Nolan, J., Böttiger, B. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 770. doi:10.1007/s10049-0150085-x)

140

Basismaßnahmen (BSL) beim Erwachsenen

15 Kardiopulmonale Reanimation

15.2

Basis-Notfallmaßnahmen bei Erwachsenen. Auffinden einer regungslosen Person Eigenschutz/‑sicherung beachten falls ansprechbar: Hilfeleistung nach Notwendigkeit

(2

Bewusstsein?

▪ lautes Ansprechen ▪ leichtes Rütteln an der Schulter

+/  /01

beim Anfassen/Rüttel sichtbare Verletzungen beachten

wenn bewusstlos: sofortiger Notruf

ist ein zweiter Ersthelfer vor Ort, erfolgen Wiederbelebungsmaßnahmen und Notruf zeitgleich falls Atmung normal: stabile Seitenlage, Überwachung der Atmung

Atmung?

▪ Atemwege frei

3/×

/×

machen; Sehen, Hören, Fühlen ▪ ggf. sichtbaren Fremdkörper aus dem MundRachen-Raum entfernen ▪ wenn keine Atmung: flach auf harte Unterlage legen, Brustkorb frei machen, 30 Thoraxkompressionen im Wechsel mit 2 Beatmungen durchführen

Sehen: Brustkorbhebungen Hören: Atemgeräusche Fühlen: Luftstrom an der Wange des Helfers

▪ ggf. auch

Thoraxkompression als alleinige Maßnahme

141

15.2 15.3

Basismaßnahmen (BSL) beim Erwachsenen Einsatz eines AED

15 Kardiopulmonale Reanimation

Auffinden einer regungslosen Person Auffinden einer regungslosen Person – Kreislauf prüfen (Profiretter) falls Kreislaufzeichen vorhanden: Beatmung beginnen, Kreislaufzeichen alle 60 s überprüfen

Kreislauf?

▪ Suche nach

Kreislaufzeichen

3/×

/×

falls keine Kreislaufzeichen: Thoraxkompressionen beginnen, ggf. auch als alleinige Maßnahme

A. carotis tasten (max. 10 s)

Betroffenen flach auf eine Unterlage legen, Brustkorb frei machen, 30 Thoraxkompressionen im Wechsel mit 2 Beatmungen durchführen

15.3 Einsatz eines automatischen externen Defibrillators (AED) Siehe automatisierte externe Defibrillatoren (AED-Geräte) s. S. 107. Sowohl Laien als auch professionelle Retter können AEDs sicher und effektiv schnellstmöglich zum Einsatz bringen und können durch eine Defibrillation innerhalb von 3–5 Minuten nach dem Kollaps die Überlebensrate auf 50–70% erhöhen. Der Algorithmus der BLS bei Vorhandensein eines AEDs wird in der Abbildung auf S. 107 dargestellt.

142

15 Kardiopulmonale Reanimation

Erweiterte Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen

15.4

15.4 Erweiterte Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen Syn.: Advanced Life Support, ALS Die für das weitere Vorgehen wichtigste erweiterte Sofortmaßnahme ist die EKGDiagnostik des Kreislaufstillstands.

EKG-Diagnostik (Technik der Ableitung s. S. 95) Ursachenerkennung. Häufigste Ursachen für den Kreislaufstillstand sind bei Erwachsenen Kammerflimmern/Kammerflattern, Asystolie und elektromechanische Dissoziation. Selbstverständlich können aber auch andere Formen von Herzrhythmusstörungen aufgrund eines stark herabgesetzten Herzminutenvolumens zum klinischen Bild des Kreislaufstillstands führen.

Häufigste Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstands. Ursache

EKG-Kennzeichen

Maßnahmen

Kammerflimmern

irregulärer, oszillierender Erregungsablauf ohne Kammerkomplexe

Defibrillation, Medikamentengabe

Kammerflattern

entspricht einer Kammertachykardie mit einer Frequenz von ca. 180–250/min → Abfall des Schlagvolumens → funktioneller Kreislaufstillstand

Defibrillation, Medikamentengabe

Asystolie

fehlende Kammeraktionen im EKG, möglicherweise noch Vorhofaktionen nachweisbar, sonst Bild der Nulllinie

Adrenalin, ggf. externe Stimulation

143

15.4

Erweiterte Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen

15 Kardiopulmonale Reanimation

Ursache

EKG-Kennzeichen

Maßnahmen

elektromechanische Dissoziation*

verschiedenste Bilder möglich (elektrische Depolarisierung des Herzens ist von der mechanischen Aktivität entkoppelt): Sinusrhythmus, Blockbilder, typische breit deformierte Kammerkomplexe u. a.

Adrenalin, (Kalzium)

* wichtig ist der Befund: Kreislaufstillstand trotz EKG-Aktionen; Ursache ist in erster Linie eine stärkere myokardiale Schädigung, in zweiter Linie kommen auch extrakardiale Ursachen (z. B. Hypovolämie, Perikardtamponade, Spannungspneumothorax) infrage

Weitere mögliche Ursachen eines Kreislaufstillstands. Ursache Kammertachykardie bis hin zum Kammerflattern

Tachyarrhythmie

Bradykardie

Bradyarrhythmie

hochgradige Extrasystolie

144

EKG-Bild

15 Kardiopulmonale Reanimation

Erweiterte Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen

15.4

Weitere Maßnahmen. (S. 145) Mithilfe des EKG soll (für die weitere Vorgehensweise) nur unterschieden werden, ob es sich um defibrillierbare Rhythmen: Kammerflimmern (VF) und pulslose ventrikuläre Tachykardie (VT) oder um nicht defibrillierbare Rhythmen: Asystolie und pulslose elektrische Aktivität (PEA) handelt. Nur bei Patienten mit VF/VT soll eine EKG schnelle Defibrillation versucht werden. Kann nicht sicher zwischen Asystolie  9  und feinem Kammerflimmern unter-   /4567   schieden werden, soll keine Defibrillati   /. -    /  89/4587 .-/4 :7 on mehr durchgeführt werden. Stattdessen wird mit Thoraxkompressionen und Beatmung fortgefahren. Es ist nicht not/" //" wendig, die Frage „feines VF oder Asystolie“ zu klären (keine Verstärkung des Flimmersignals, kein Cross Check).

• •

Erweiterte Maßnahmen bei VF/VT Standardvorgehen mit Thoraxkompressionen • Reanimation – entweder als alleinige Maßnahme oder

• • • • • • •

– mit einem Kompression-Beatmung-Verhältnis von 30 : 2 bis zum Eintreffen des Defibrillators Thoraxkompressionen fortführen – bis Defibrillatorpaddles angelegt sind und der Defibrillator geladen ist – Präschockpause, d. h. Unterbrechung der Thoraxkompression wenn möglich < 5 s! einmalige Defibrillation (alternative 3-Schock-Therapie s. u.) – mit 360 J monophasisch oder – 150–200 J biphasisch CPR (30 : 2) für 2 min – unmittelbar nach dem elektrischen Schock fortführen – ohne neuerliche Bewertung des Herzrhythmus oder Fühlen des Pulses nach 2 min Reanimation kurzes Pausieren, um den Herzrhythmus zu beurteilen 2. Defibrillation, wenn noch immer VF/VT vorliegt – 360 J monophasisch oder – 150–360 J biphasisch CPR (30 : 2) – unmittelbar nach dem elektrischen Schock fortführen – ohne neuerliche Bewertung des Herzrhythmus oder Fühlen des Pulses nach 2 min Reanimation kurzes Pausieren, um den Herzrhythmus zu beurteilen

145

15.4

Erweiterte Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen

15 Kardiopulmonale Reanimation

wenn noch immer VF/VT vorliegt • 3.– Defibrillation, 360 J monophasisch oder – 150–360 J biphasisch

(30 : 2) • CPR – unmittelbar nach dem elektrischen Schock fortführen – ohne neuerliche Bewertung des Herzrhythmus oder Fühlen des Pulses – ist ein i. v./i. o. Zugang etabliert, Verabreichung von 1 mg Adrenalin und 300 mg Amiodaron sobald wieder mit den Thoraxkompressionen begonnen wurde

Schock indiziert Kammerflimmern bzw. pulslose ventrikuläre Tachykardie (nach ERC-Leitlinien 2015) Thoraxkompressionen bis zum Eintreffen des Defibrillators entweder als alleinige Maßnahme oder als CRP 30 : 2

1. Defibrillation mit 360 J (monophasischer Impuls) bzw. mit 150 J (biphasischer Impuls)

CPR 30 : 2 für 2 min (5 Zyklen) ggf. Intubation, i.v. Zugang 2. Defibrillation mit 360 J (monophasischer Impuls) bzw. mit 150–360 J (geräteabhängiger, biphasischer Impuls)

CPR 30 : 2 für 2 min (5 Zyklen) 3. Defibrillation CPR 30 : 2 für 2 min (5 Zyklen) Adrenalin 1 mg i.v. und Amiodaron 300 mg i.v.

146

15 Kardiopulmonale Reanimation

Erweiterte Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen

15.4

Keine Pulskontrolle nach Defibrillation Selbst wenn die Defibrillation erfolgreich war und ein perfundierender Herzrhythmus erzeugt werden konnte, braucht es Zeit, bis das Herz-Kreislauf-System nach dem Schock wiederhergestellt ist. Sehr selten ist ein Puls unmittelbar nach der Defibrillation tastbar. Die Verzögerung, bedingt durch den Versuch, den Puls zu tasten, würde nur das Myokard weiter gefährden, vor allem wenn sich noch kein perfundierender Herzrhythmus eingestellt hat.

Alternative 3-Schock-Strategie bei Patienten mit einem „überwachten und beobachteten Kreislaufstillstand im • Herzkatheterlabor oder unmittelbar nach Thorakotomie“ oder wenn der Patient bereits an einen manuellen Defibrillator angeschlossen ist

zu 3 Defibrillationen schnellstmöglich hintereinander, in den Ladephasen, wenn • bis möglich, Thoraxkompressionen

Mögliches Vorgehen (erweiterte Maßnahmen) bei Asystolie, pulsloser elektrischer Aktivität (PEA)

//" mit Thorax• Reanimation kompressionen

• • • • •

– entweder als alleinige Maßnahme oder – mit einem Kompression-Beatmung-Verhältnis von 30 : 2 Reanimation fortführen, bis ein i. v. Zugang geschaffen wurde Adrenalin 1 mg i. v. Reanimation für 2 min fortsetzen Erfolgskontrolle z. B. durch Fühlen des Pulses solange kein tastbarer Puls festgestellt werden kann: – CPR fortsetzen – Adrenalin alle 3–5 min

Asystolie/PEA (nach ERC-Leitlinien 2015) Reanimation mit Thoraxkompressionen bis i.v. Zugang vorhanden entweder als alleinige Maßnahme oder als CPR 30 : 2 Adrenalin 1 mg i.v. alle 3–5 min wiederholen CPR 30 : 2 kontinuierlich fortsetzen

147

Erweiterte Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen

15.4

15 Kardiopulmonale Reanimation

Beatmung und Atemwegssicherung mit SGA oder Intubation während der CRP Die endotracheale Intubation ist weiterhin der Goldstandard zur Atemwegssicherung, setzt aber die entsprechenden professionellen Kenntnisse voraus. Bewährt hat sich im präklinischen Alltag der Einsatz von SGA bereits durch Rettungsdienstpersonal. Bei jeder Form der Atemwegesicherung sollten die Thoraxkompressionen idealerweise nicht länger als 5–10 Sekunden unterbrochen werden. Technik der Beatmung s. S. 56 Technik der Intubation s. S. 70

• •

Medikamente während der CPR Zugangswege Der Zugang zum venösen System in Form eines normalen periphervenösen Zugangs wird als Methode der Wahl angesehen: Punktion einer proximalen Vene der oberen Extremität bzw. Punktion der V. jugularis externa

• •

Alternativ eignet sich

• ein intraossärer Zugang Nicht mehr empfohlen wird:

• die endobronchiale Medikamentengabe über den Tubus Medikation Bei der Medikation an erster Stelle steht Adrenalin: indiziert bei jedem Kreislaufstillstand unabhängig vom Rhythmus Dosierung (s. a. S. 131): – 1 mg aufgefüllt mit circa 9 ml 0,9 % NaCl-Lösung – in einer 10er-Spritze und/oder mit 20 ml Elektrolytlösung nachgespült – alle 3–5 min bei jedem Kreislaufstillstand – bei Asystolie bzw. PEA sobald ein Zugang liegt – bei VF/VT nach 3 erfolglosen Defibrillationsversuchen; – bei der nicht mehr empfohlenen endobronchialen Applikation müsste die Adrenalindosis auf 3 mg erhöht werden

• •

Bei Persistieren von Kammerflimmern oder pulsloser Tachykardie: Amiodaron:

nach 3 erfolglosen Defibrillationsversuchen • indiziert (s. a. S. 134) • Dosierung – 300 mg als Bolus

– eine weitere Dosis von 150 mg kann bei wiederauftretendem oder schockrefraktärem Kammerflimmern gegeben werden Wenn Amiodaron nicht verfügbar ist, kann Lidocain (1 mg/kg KG) als Alternative gegeben werden, nicht aber, wenn bereits Amiodaron gegeben wurde. Für weitere Medikamente besteht keine routinemäßige Indikation, da ein sicherer Effekt nicht nachgewiesen werden kann.

148

15 Kardiopulmonale Reanimation

Erweiterte Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen

15.4

Advanced Life Support keine Reaktion keine normale Atmung Reanimationsteam rufen kardiopulmonale Reanimation (CPR) 30 : 2 Defibrillator/EKG-Monitor anschließen Unterbrechungen minimieren

EKG-Rhythmus beurteilen nicht defibrillierbar (PEA/Asystolie)

defibrillierbar (VF/pulslose VT)

1. Schock Unterbrechungen minimieren CPR sofort für 2 Minuten weiterführen Unterbrechungen minimieren

wiedereinsetzender Spontankreislauf sofortige Behandlung • ABCDE-Methode anwenden • Ziel-SpO2: 94–98% • Ziel: Normokapnie • 12-Kanal EKG • Ursache des Kreislauf• stillstands behandeln • Temperaturkontrolle

während CPR • CPR hoher Qualität sichern: Frequenz, • Tiefe, Entlastung • Unterbrechungen der Thoraxkompression • minimieren • Sauerstoff geben • Kapnografie verwenden • Thoraxkompression ohne Unterbrechung, • wenn Atmung gesichert • Gefäßzugang (intravenös oder intraossär) • Adrenalien alle 3–5 Minuten • Amiodaron nach dem 3. Schock

CPR sofort für 2 Minuten weiterführen Unterbrechungen minimieren

reversible Ursachen behandeln Hypoxie Herzbeuteltamponade Hypovolämie Intoxikation Hypo-/Hyperkaliämie/ Thrombose (kardial oder metabolisch pulmonal) Hypo-/Hyperthermie Spannungspneumothorax Erwägen • Ultraschalluntersuchung • Verwendung von mechanischen Reanimations• geräten für Transport oder weitere Behandlung • Koronarangiografie und Perkutane Coronar • Intervention (PCI) • extrakorporale CPR

(Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Soar, J., Nolan, J., Böttiger, B. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 770. doi:10.1007/s10049-0150085-x)

149

16 ROSC und Postreanimationsbehandlung

16 16

ROSC und Postreanimationsbehandlung

ROSC („return of spontaneous circulation“) ist der erste Schritt auf dem Weg zur vollständigen Erholung nach einem Kreislaufstillstand, d. h. in aller Regel nach einer Reanimationsmaßnahme. Die Kapnografie, die sowieso standardmäßig zur Überprüfung der korrekten Tubuslage und zum Monitoring der Beatmung eingesetzt werden sollte, kann dabei helfen, den ROSC zu identifizieren: Ein Anstieg des p CO2-Drucks während der Reanimation spricht für das Vorliegen eines ROSC. Unmittelbar an den ROSC schließt sich die Postreanimationsphase an, in der die Besonderheiten der pathophysiologischen Prozesse, die nach einem Kreislaufstillstand den ganzen Körper betreffen, im Sinne des Postreanimationssyndroms (Post-Cardiac-Arrest-Syndrom) berücksichtigt werden müssen. Eine optimale Behandlung in dieser Postreanimationsphase beeinflusst signifikant das allgemeine Ergebnis und insbesondere die Qualität der neurologischen Erholung. Die wichtigsten Punkte und Änderungen der Empfehlungen der Leitlinien-Aktualisierung 2015 für die Versorgung nach Herzstillstand umfassen Folgendes: Koronarangiografie. „Für alle Patienten mit ST-Strecken-Hebung oder für hämodynamisch oder elektrisch instabile Patienten ohne ST-Strecken-Hebung, bei denen eine kardiovaskuläre Läsion vermutet wird, wird eine Notfall-Koronarangiografie empfohlen.“ Temperatur-Management (TTM). „Alle komatösen erwachsenen Patienten (d. h. keine angemessene Reaktion auf sprachliche Aufforderungen) mit ROSC nach einem Herzstillstand sollten mit TTM versorgt werden, wobei eine Zieltemperatur von 32–36°C ausgewählt, erreicht und mind. 24 Stunden lang gehalten werden sollte.“ Eine routinemäßige präklinische Kühlung von Patienten z. B. durch schnelle Infusion kalter IV-Flüssigkeiten oder externe Kühlmanöver nach Rückkehr eines spontanen Blutkreislaufs wird demnach nicht mehr empfohlen. Hämodynamische Ziele nach einer Reanimation. „Es kann vertretbar sein, eine Hypotonie (systolischer Blutdruck unter 90 mm Hg, mittlerer arterieller Druck unter 65 mm Hg) während der Versorgung nach dem Herzstillstand zu vermeiden und bei Auftreten sofort zu korrigieren.“ Organspende. „Alle Patienten, die nach dem anfänglichen Herzstillstand einen Hirntod oder ein Kreislaufversagen mit Todesfolge erleiden, sollten als potenzielle Organspender betrachtet werden.“

150

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

17

Sedierung

17.1

Sedierung – Analgesie – Narkose

Die früher geübte Zurückhaltung gegenüber Schmerzmitteln und Narkose am Notfallort hat heute nur noch eingeschränkte Gültigkeit. Die positiven Aspekte der Sedierung und der Analgesie im Sinne einer Dämpfung des Sympathikotonus überwiegen die Nachteile (erschwerte Diagnostik in der weiterbehandelnden Klinik) bei weitem. Die adäquate Therapie bei Zuständen, die eine analgesierende Maßnahme verlangen, stellt deshalb eine echte notfallmedizinische Aufgabe dar. Wie bei allen medikamentösen Maßnahmen im Notfalldienst erfolgt die Applikation der Substanzen primär über einen sicheren venösen Zugang, am besten in kleinen fraktionierten Dosen.

17.1 Sedierung Indikation Angstzustände, Schmerzzustände • Unruhe, • akute neurologische Krankheitsbilder wie Psychosen, Vergiftungen

Benzodiazepine Diazepam Ist aufgrund seiner guten Anwendbarkeit in der Praxis weit verbreitet und durch seine zahlreichen Applikationsformen (Tbl., Trpf., Rectiolen, Ampullen) gut handhabbar. Medikamenteninfo s. S. 588.

Midazolam Gut steuerbares Sedativum (wirkt mit 20–30 min deutlich kürzer als Diazepam und hat geringere hämodynamische NW), Mittel der ersten Wahl in der präklinischen Notfallmedizin. Medikamenteninfo s. S. 618.

Neuroleptika Neuroleptika führen zur psychomotorischen Dämpfung und Verminderung der zentralnervösen Erregbarkeit, wobei die Kooperationsfähigkeit des Patienten in der Regel

151

17.1 17.2

Sedierung Analgesie

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

erhalten bleibt. Ein zusätzlicher erwünschter Effekt dieser Substanzgruppe ist die antiemetische Wirkung.

Promethazin Relativ geringer antiemetischer Effekt. Medikamenteninfo s. S. 629.

Haloperidol Haloperidol ist ein hochpotentes Neuroleptikum, auf dessen Einsatz im Notarztdienst in der Regel durch die Anwendung der o. g. Medikamente verzichtet werden kann. Medikamenteninfo s. S. 605.

17.2 Analgesie Indikation Das therapeutische Ziel der Analgesie in der Notfallmedizin besteht darin, den Schmerz als Faktor der Bedrohung der Vitalfunktionen auszuschalten und somit die anderen jeweils erforderlichen Maßnahmen zu ermöglichen und zu unterstützen.

Prinzipien kritikloser Einsatz hochpotenter Analgetika um jeden Preis • kein Analgetikaverabreichung unter besonderer Berücksichtigung und Sicherung • titrierte von Atmung und Kreislauf individuelle • und Dauer Analgesie unter Anpassung an die Schmerzstärke sowie deren Ursache

Spasmolytika Speziell bei kolikartigen Schmerzzuständen müssen sowohl Analgetika als auch Spasmolytika verabreicht werden. Diese Schmerzen treten vor allem im Bereich des Abdomens auf, in erster Linie in Form von Gallenwegs- und Harnwegskoliken.

Butylscopolaminiumbromid Medikamenteninfo s. S. 584.

Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin) Medikamenteninfo s. S. 604.

152

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Analgesie

17.2

Opiatanalgetika Wirkprofile Bei den Opiaten handelt es sich um die natürlichen oder synthetischen Substanzen, die eine Wirkung analog dem Opium bzw. dem Morphin aufweisen. Die unterschiedlichen Wirkprofile sind nachfolgend dargestellt. Im Notarztdienst sollte man sich aufgrund der Ähnlichkeit der Substanzen auf 1–2 sinnvolle Präparate, z. B. Morphin und Fentanyl, beschränken.

Wirkprofile von Opiatanalgetika. Präparat

Substanz

Wirkungseintritt [min]

Wirkungsdauer [h]

Dosierung (i. v. Gabe)

Nebenwirkungen

Morphinum hydrochloricum

Morphin

5–10

3–5

2–10 mg

Übelkeit, Erbrechen, RR-Abfall, Atemdepression

Dipidolor

Piritramid

5–10

5–6

7,5–15 mg

wie Morphin

Fentanyl

Fentanyl

2–3

0,5

0,025– 0,1 mg

wie Morphin

Dolantin

Pethidin

2–5

2–3

50–100 mg

wie Morphin, Tachykardie

Sufenta

Sufentanil

< 2–3

0,2–0,3

0,15–0,7 μg/ wie Morphin kg KG

Tramala)

Tramadol

5–10

2–5

75–100 mg

Übelkeit

a) geringe Potenz

Morphin

!

Bei Morphin muss streng auf eine individuelle Dosierung geachtet werden !

Medikamenteninfo s. S. 619.

153

Analgesie Narkose

17.2 17.3

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Ketamin, S-Ketamin Die besonderen Vorteile von Ketamin liegen zum einen in der geringen Beeinträchtigung der Atem- und Kreislauffunktion, zum anderen in der Möglichkeit, es – in Abhängigkeit von der Dosierung – sowohl als Analgetikum als auch als Narkotikum einzusetzen. Es hat sich insbesondere in der Katastrophenmedizin sowie in der Anwendung beim traumatisierten Notfallpatienten bewährt. Im deutschsprachigen Raum wird im Rettungsdienst praktisch nur noch das „modernere“ S-Ketamin verwendet. Medikamenteninfo Ketamin s. S. 609, S-Ketamin s. S. 611.

17.3 Narkose Abwägung der präklinischen Narkoseeinleitung Vorteile und Indikationen der präklinischen Narkose Der Hauptvorteil einer endotrachealen Intubation und Narkoseeinleitung ist darin zu sehen, dass es die sicherste Methode zur Verhinderung einer Aspiration ist. Zusätzlich kommen die positiven Effekte einer Analgesie in Form der Dämpfung des Sympathikotonus hinzu, wobei die zur Analgesie eingesetzten Medikamente ohne Rücksicht auf ihre atemdepressorische Wirkung ausreichend dosiert werden können. Auch die Forderung nach einer Frühintubation bei Poly- und Schädel-Hirn-Traumatisierten ist ohne eine frühzeitige Narkoseeinleitung in der Regel nicht realisierbar. Vorteile der endotrachealen Intubation und Narkoseeinleitung: Verhinderung einer Aspiration effektive Analgesie Möglichkeit der Frühintubation

• • •

Indikationen sind demnach:

• Polytrauma Schädel-Hirn-, Thorax-, Inhalations-, Abdominal-, Extremitätentrauma • schweres Verbrennungen • großflächige therapieresistenter Status epilepticus bzw. Status asthmaticus • ausgeprägter Schockzustand • Analgesie/Stressabschirmung (auch ohne Beatmung) • Risiken einer präklinischen Narkose Die Nachteile und Risiken der präklinischen Narkoseeinleitung liegen neben der eingeschränkten Beurteilbarkeit des Patienten, z. B. im Hinblick auf abdominelle Verletzungen oder Verletzungen des ZNS, vor allem in den möglichen Problemen, die entweder durch unsachgemäßes Arbeiten des Arztes oder durch Nebenwirkungen der erforderlichen Medikamente hervorgerufen werden können. Risiken sind demnach: passagere Hypoxie im Rahmen der ärztlichen Maßnahmen (verzögerte oder schwierige Intubation, unzureichende Oxygenierung)



154

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Narkose

17.3

von Erbrechen, Aspirationsgefahr • Provokation Fehlintubation • passagere medikamentös Blutdruckabfall • medikamentös induzierter ausgelöste Überempfindlichkeitsreaktion • Grundsätzlich sollte eine medikamentöse Relaxation im Rahmen einer Narkose nur im äußersten Notfall (z. B. schweres Schädel-Hirn-Trauma mit anhaltenden Krämpfen) und möglichst von einem in dieser Technik routinierten Arzt (z. B. Anästhesisten) durchgeführt werden.

!

Der unerfahrene Notarzt kann bei auftretenden Intubationsschwierigkeiten den Patienten durch die Relaxation umbringen !

Aufgrund der raschen Anschlagzeit kommt als Muskelrelaxans präklinisch primär nur das Succinylcholin infrage (s. S. 634). Die in der Klinik übliche Präkurarisierung, d. h. die Vorgabe geringer Dosen nichtdepolarisierender Muskelrelaxanzien (z. B. von Vecuronium) zur Verhinderung schmerzhafter Muskelfaszikulationen u. a., wird in der Notfallmedizin uneinheitlich bewertet.

Narkose (Übersicht) Komponenten einer Narkose (= Tiefschlaf): • Hypnose – Hypnotika, z. B. Etomidat (Hypnomidate, S. 598) oder Propofol (Disoprivan, S. 630)

• •

– Barbiturate, z. B. Thiopental (Trapanal, S. 636) – Benzodiazepine, z. B. Diazepam (Valium, S. 588) oder Midazolam (Dormicum, S. 618) – Morphin (s. S. 619) und Ketamin (z. B. Ketanest. S. 609) wirken in hoher Dosis ebenfalls hypnotisch ! Analgesie (= Schmerzausschaltung): – Opioide (wirken in hoher Dosis auch hypnotisch !), z. B. Morphin (s. S. 619) oder Fentanyl (Fentanyl-Janssen, s. S. 600) – Ketamin (wirkt in hoher Dosis auch hypnotisch), z. B. Ketanest S, S. 609 Muskelrelaxanzien (= „Weichmacher“): Nicht obligat! Nur vom Erfahrenen anzuwenden ! – depolarisierende Muskelrelaxanzien bei Narkoseeinleitung, z. B. Succinylcholin (Lysthenon, S. 634) – nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien bei Narkoseaufrechterhaltung, z. B. Vecuronium (Norcuron), Rocuronium (Esmeron), Vancuronium (Pancuronium)

!

Muskelrelaxanzien verbessern in aller Regel die Intubationsbedingungen (Patient wehrt sich nicht, Stimmritze ist weitgestellt), können aber eine problemlose Intubation nicht garantieren. Was aber garantiert wird, ist ein Atemstillstand !

155

17.3

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Narkose

Medikamente zur Narkoseeinleitung und ‑führung Im Folgenden werden kurz die Wirkprofile der in der Notfallmedizin zur Narkose verwendeten Medikamente dargestellt.

Wirkprofile der in der Notfallmedizin zur Narkose verwendeten Medikamente.

156

Substanz

Wirkung

Nebenwirkung

Wirkungsdauer

Dosierung [i. v.]

S-Ketamin (s. a. S. 611)

dosisabhängig, Analgesie mit Spontanatmung, narkotisch

Halluzinationen, Kreislaufaktivierung, Bronchodilatation, Salivation, ICP-Steigerung

ca. 15 min

Analgesie: 0,125–0,25 mg/ kg KG Narkoseeinleitung: 0,25–0,75– 1,0 mg/kg KG

Morphin (s. a. S. 619)

Analgesie, Vasodilatation

Atemdepression, Sedierung, Übelkeit, Blutdruckabfall, Juckreiz, Histaminfreisetzung

3–5 h

Analgesie: 2–10 mg titrieren

Fentanyl (s. a. S. 600)

zentrale Analgesie (mit Beatmung)

Atemdepression, Sedierung, Übelkeit, Blutdruckabfall, Histaminfreisetzung (geringer als bei Morphin)

20–30 min

Analgesie/Narkoseeinleitung und ‑führung: 0,1–0,6 mg

Midazolam Sedierung, (Dormicum, Unterdrückung s. a. S. 618) von Halluzinationen, Anxiolyse, Aufrechterhaltung der Narkose, antikonvulsiv

Atemdepression, Blutdruckabfall, Amnesie

45–90 min

Sedierung: 0,05–0,1 mg/kg KG i. v.; Narkoseeinleitung: 0,15– 0,2 mg/kg KG i. v.

Thiopental (Trapanal, s. a. S. 636)

Atemdepression, Blutdruckabfall, Tachykardie, ICP-Senkung, stark alkalisch (cave: Nekrosen)

5–15 min, bei Wiederholung wesentlich länger !

Narkoseeinleitung: 3–5 mg/kg KG (70 kg = 350 mg)

Schlaf erzwingend, Narkoseeinleitung, antikonvulsiv

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Narkose

Substanz

Wirkung

Nebenwirkung

Wirkungsdauer

Dosierung [i. v.]

Etomidat* (Hypnomidate, s. a. S. 598)

Schlaf erzwingend, Narkoseeinleitung

Atemdepression, Blutdruckabfall, ICP-Senkung (alle drei schwächer als Thiopental), koronare „Luxus“Perfusion, Injektionsschmerz, Übelkeit, Myoklonien

3–5 min

Narkoseeinleitung: 0,15– 0,3 mg/kg KG (70 kg = 14 mg)

Propofol

Hypnotikum

Atemdepression, Blutdruckabfall

5–10 min

1–2 mg/kg KG i. v.

Succinylcholin (Lysthenon, s. a. S. 634)

Relaxierung (mit Hypnose ! Beatmung erforderlich)

Faszikulationen, Kontraktionen (evtl. Präkurarisierung), Kaliumanstieg, Bradykardie, maligne Hyperthermie, ICP-Anstieg, Histaminfreisetzung

7–11 min

1–1,5 mg/kg KG (75 kg = 100 mg)

Vecuronium (Norcuron, s. a. S. 640)

Relaxierung (mit Hypnose ! Beatmung erforderlich), Präkurarisierung

selten Anaphylaxie

25–40 min

Präkurarisierung: 1–2 mg, Vollrelaxation: 0,1 mg/kg KG (80 kg = 8 mg)

Rocuronium (Esmeron, s. a. S. 632)

Relaxierung (mit Hypnose ! Beatmung erforderlich)

Tachykardie, Allergie

30–60 min

1,0–1,2 mg/kg KG i. v.

17.3

* Einsatz aufgrund potenzieller NW derzeit nicht mehr empfohlen

Narkoseablauf Narkosevorbereitung Instrumentarium bereitstellen und gute Präoxygenierung des Patienten: sämtliche Instrumente, die zu einer Intubation benötigt werden (s. a. S. 68)



157

17.3

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Narkose

venöser Zugang mit angeschlossener Infusion (z. B. Ringer-Lactat) und 3• sicherer Wege-Hahn Beatmungsbeutel/‑maske mit angeschlossener Sauerstoffzufuhr zur ausreichenden • Oxygenierung vor Narkoseeinleitung Medikamente in aufgezogenen und gekennzeichneten Spritzen • erforderliche vorhanden, Beatmungsgerät, das bereits auf die Richtgrößen des Patienten • falls eingestellt und zuvor kurz auf Funktionsfähigkeit getestet wurde

Narkoseeinleitung Prinzipien der Narkoseeinleitung sind: Verabreichung schnell und kurz wirksamer Injektionshypnotika Verabreichung von Analgetika in ausreichend hoher Dosierung ggf. Muskelrelaxans Succinylcholin zur Intubation

• • •

Narkoseeinleitung. Hypnose

+

Analgesie

(+)

Muskelrelaxation

Midazolam

+1

S-Ketamin oder Morphin/Fentanyl

(+)

Succinylcholin

Thiopental

+1

Morphin/Fentanyl

(+)

Succinylcholin

Propofol

+

Fentanyl

(+)

Rocuronium

Intubation

1

das Analgetikum kann bei entsprechender Notwendigkeit auch direkt nach der Intubation gegeben werden

Narkoseaufrechterhaltung Fortsetzung der Gabe von Hypnotika und von Analgetika, ggf. auch von Muskelrelaxanzien.

Narkoseaufrechterhaltung.

158

Hypnose

+

Analgesie

(+)

Muskelrelaxation

1a

Midazolam

+

S-Ketamin

(+)

Vecuronium

1b

Midazolam

+

Morphin oder Fentanyl

(+)

Vecuronium

1c

Propofol

+

Fentanyl

(+)

Rocuronium

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Narkose

17.3

Hinweise für die Wahl der Narkoseart Hinweise für die Wahl der Narkoseart sind im Folgenden gegeben und begründet.

Wahl der Narkoseart. Erkrankung

Narkose

Begründung/ Bemerkung

AS = Analgosedierung; NE = Narkoseeinleitung; NA = Narkoseaufrechterhaltung Polytrauma AS: Midazolam + Esketamin

Hypnose

Analgesie Relaxation

Hypnose Analgesie Relaxation

Keine/geringe Kreislaufdepression

NE:

NE:

Thiopental oder Midazolam oder Propofol + Esketamin + Rocuronium oder Succinylcholin

Thiopental oder Midazolam oder Propofol + Fentanyl + Rocuronium oder Succinylcholin

NA:

NA:

Midazolam + Esketamin + Rocuronium

Midazolam + Fentanyl + Rocuronium

Cave: Hypotonie bei labilem Kreislauf Esketamin vorteilhaft

Bei labilem Kreislauf Esketamin vorteilhaft

159

17.3

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Narkose Erkrankung

Narkose

Begründung/ Bemerkung

AS = Analgosedierung; NE = Narkoseeinleitung; NA = Narkoseaufrechterhaltung SHT/Schlaganfall NE: Hypnose Analgesie Relaxation

Thiopental oder Propofol + Esketamin oder Fentanyl + Rocuronium oder Succinylcholin

NA: Hypnose Analgesie

Midazolam + Fentanyl/Morphin

Herzinsuffizienz, kardiogener Schock NE: Hypnose Analgesie Relaxation

Midazolam + Fentanyl/Morphin + Rocuronium oder Succinylcholin NA:

Hypnose Analgesie

160

Midazolam + Fentanyl/Morphin

Eher hirndrucksenkende Wirkung von Thiopental/ Propofol günstig. Bei labilem Kreislauf/Polytrauma Esketamin vorteilhaft

17 Sedierung – Analgesie – Narkose Erkrankung

Narkose

Narkose

17.3

Begründung/ Bemerkung

AS = Analgosedierung; NE = Narkoseeinleitung; NA = Narkoseaufrechterhaltung respiratorische Insuffizienz Evtl. AS (z. B. bei NIV, bei Lungenödem) Morphin

Hypnose Analgesie Relaxation

Hypnose Analgesie

NE:

NE:

Propofol + Fentanyl/Morphin + Rocuronium oder Succinylcholin

Midazolam + Esketamin + Rocuronium oder Succinylcholin

NA:

NA:

Midazolam + Fentanyl/Morphin

Midazolam + Esketamin

Propofol und Esketamin: bronchodilatatorische Wirkung günstig

Narkoseschemata Narkoseschema Analgesie ohne Beatmung Patientenkollektiv: „einfach“ traumatisierter Patient, z. B. Schenkelhalsfraktur, Sprunggelenksfraktur, WS-Verletzung, Luxationen zur Reposition, Lagerung, Transport.

!

Nicht beim isolierten SHT !

161

17.3

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Narkose Analgesie ohne Beatmung. Maßnahme

Medikament

Dosierung

Beispiel

Hypnose/Sedierung

Midazolam

0,025–0,05 mg/kg KG i. v.

1–3 mg Midazolam i. v.

Analgesie

Esketamin

0,1–0,25 mg/kg KG i. v.

10–25 mg Ketanest S i. v.

Esketamin

0,1–0,25 mg/kg KG i. v.

10–25 mg Ketanest S i. v.

Narkoseeinleitung

Narkosefortführung Analgesie (Repetitionsdosis nach 15 min)

Narkoseschema Analgesie und Stressabschirmung ohne Beatmung Patientenkollektiv: Patienten mit Herzinfarkt, Aortenaneurysma, Lungenödem.

Analgesie und Stressabschirmung ohne Beatmung. Maßnahme

Medikament

Dosierung

Beispiel

Hypnose/Sedierung

Midazolam

0,05–0,1 mg/kg KG i. v.

2–5 mg Midazolam i. v.

Analgesie

Morphin

3–10 mg i. v.

3–10 mg Morphin i. v.

Antiemetikum

Dimenhydrinat

31–62 mg i. v.

½–1 Amp. Vomex A

Midazolam

0,05–0,1 mg/kg KG i. v.

2–5 mg Midazolam i. v.

Narkoseeinleitung

Narkosefortführung Hypnose/Sedierung (Repetitionsdosis nach ca. 15–20 min)

162

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Narkose

17.3

Narkoseschema Intubation und Beatmung bei Traumapatienten Patientenkollektiv: Patient mit instabilem/drohend instabilem Kreislauf, Polytrauma, Verbrennungen.

Narkoseschema Intubation und Beatmung bei Traumapatient. Maßnahme

Wirkstoff

Dosierung

Polytrauma/instabiler Kreislauf – Schema mit Esketamin Analgosedierung

Midazolam

▪ 0,05–0,1 mg/kg KG i. v. ▪ Standarddosis 2,5–5 mg i. v.

+ Esketamin Narkoseeinleitung

Thiopental

▪ 0,25–0,5 mg/kg KG i. v. ▪ 3–5 mg/kg KG i. v.

oder Midazolam

▪ 0,15–0,2 mg/kg KG i. v.

oder Propofol

▪ 1,0–2,5 mg/kg KG i. v.

+ Esketamin

▪ 0,5–1 mg/kg KG i. v.

+ Rocuronium

▪ 1,0–1,2 mg/kg KG i. v. zur RSI ▪ Standarddosis 0,6 mg/kg KG i. v.

oder Succinylcholin Narkoseaufrechterhaltung

Midazolam

▪ 1,0–1,5 mg/kg KG i. v. ▪ 0,03–0,2 mg/kg KG i. v.

+ Esketamin

▪ 0,1–0,25 mg/kg KG i. v.

+ Rocuronium

▪ 0,15 mg/kg KG i. v. 163

17.3

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Narkose Maßnahme

Wirkstoff

Dosierung

Polytrauma/instabiler Kreislauf – Schema mit Fentanyl Analgosedierung

Midazolam

▪ 0,05–0,1 mg/kg KG i. v. ▪ Standarddosis 2,5–5 mg i. v.

+ Esketamin Narkoseeinleitung

Thiopental

▪ 0,25–0,5 mg/kg KG i. v. ▪ 3–5 mg/kg KG i. v.

oder Midazolam

▪ 0,15–0,2 mg/kg KG i. v.

oder Propofol

▪ 1,0–2,5 mg/kg KG i. v.

+ Fentanyl

▪ 2 μg/kg KG i. v.

+ Rocuronium

▪ 1,0–1,2 mg/kg KG i. v. zur RSI ▪ Standarddosis 0,6 mg/kg KG i. v.

oder Succinylcholin Narkoseaufrechterhaltung

Midazolam

▪ 1,0–1,5 mg/kg KG i. v. ▪ 0,03–0,2 mg/kg KG i. v.

+ Fentanyl

▪ 1–3 μg/kg KG i. v.

+ Rocuronium

164

▪ 0,15 mg/kg KG i. v.

17 Sedierung – Analgesie – Narkose Maßnahme

Wirkstoff

Narkose

17.3

Dosierung

SHT/Schlaganfall/Hirnblutung Narkoseeinleitung

Thiopental

▪ 3–5 mg/kg KG i. v.

oder Propofol

▪ 1,0–2,5 mg/kg KG i. v.

+ Fentanyl

▪ 2 μg/kg KG i. v.

oder Esketamin

▪ 0,5–1 mg/kg KG i. v.

+ Rocuronium

▪ 1,0–1,2 mg/kg KG i. v. zur RSI ▪ Standarddosis 0,6 mg/kg KG i. v.

oder Succinylcholin Narkoseaufrechterhaltung

Midazolam

▪ 1,0–1,5 mg/kg KG i. v. ▪ 0,03–0,2 mg/kg KG i. v.

+ Fentanyl

▪ 1–3 μg/kg KG i. v.

oder Morphin

▪ 0,1 mg/kg KG i. v.

Herzinsuffizienz, kardiogener Schock Narkoseeinleitung

Midazolam

▪ 0,15–0,2 mg/kg KG i. v.

+ Fentanyl

▪ 2 μg/kg KG i. v.

oder Morphin

▪ 0,05–0,1 mg/kg KG i. v.

+

165

17.3

17 Sedierung – Analgesie – Narkose

Narkose Maßnahme

Wirkstoff

Narkoseeinleitung

Rocuronium

Dosierung

▪ 1,0–1,2 mg/kg KG i. v. zur RSI ▪ Standarddosis 0,6 mg/kg KG i. v.

oder Succinylcholin Narkoseaufrechterhaltung

Midazolam

▪ 1,0–1,5 mg/kg KG i. v. ▪ 0,03–0,2 mg/kg KG i. v.

+ Fentanyl

▪ 1–3 μg/kg KG i. v.

oder Morphin

▪ 0,05–0,1 mg/kg KG i. v.

Respiratorische Insuffizienz – Schema mit Fentanyl/Morphin Analgosedierung (evtl.. bei NIV, Lungenödem)

Midazolam

Narkoseeinleitung

Propofol

▪ 0,05–0,1 mg/kg KG i. v. zur RSI ▪ Standarddosis 2,5–5 mg/kg KG i. v.

+ Morphin

▪ 0,05–0,1 mg/kg KG i. v. ▪ 1,0–2,5 mg/kg KG i. v.

+ Fentanyl

▪ 2 μg/kg KG i. v.

oder Morphin

▪ 0,05–0,1 mg/kg KG i. v.

+ Rocuronium

▪ 1,0–1,2 mg/kg KG i. v. zur RSI ▪ Standarddosis 0,6 mg/kg KG i. v.

oder Succinylcholin

166

▪ 1,0–1,5 mg/kg KG i. v.

17 Sedierung – Analgesie – Narkose Maßnahme

Wirkstoff

Narkoseaufrechterhaltung

Midazolam

Narkose

17.3

Dosierung

▪ 0,03–0,2 mg/kg KG i. v.

+ Fentanyl

▪ 1–3 μg/kg KG i. v.

oder Morphin

▪ 0,05–0,1 mg/kg KG i. v.

Respiratorische Insuffizienz – Schema mit Esketamin Narkoseeinleitung

Midazolam

▪ 0,15–0,2 mg/kg KG i. v.

+ Esketamin

▪ 0,5–1 mg/kg KG i. v.

+ Rocuronium

▪ 1,0–1,2 mg/kg KG i. v. zur RSI ▪ Standarddosis 0,6 mg/kg KG i. v.

oder Succinylcholin Narkoseaufrechterhaltung

Midazolam

▪ 1,0–1,5 mg/kg KG i. v. ▪ 0,03–0,2 mg/kg KG i. v.

+ Esketamin

▪ 0,1–0,25 mg/kg KG i. v.

167

18

18 Magenspülung

18

Magenspülung

Die Magenspülung gehört nicht mehr zur Elementartherapie bei Vergiftungen. Ihre Anwendung am Notfallort oder im Notarztwagen gehört zu den Ausnahmen und ist auf wenige Vergiftungsbilder bzw. auf zu erwartende Transportzeiten von über 30 min beschränkt. Die Magenspülung beim bewusstseinsgetrübten oder bewusstlosen Patienten darf selbstverständlich nur nach endotrachealer Intubation erfolgen !

Indikationen Eine Magenspülung am Notfallort sollte durchgeführt werden bei: Vergiftung mit Alkylphosphaten (z. B. E 605) Vergiftung mit Paraquat Vergiftung mit Blausäure Vergiftung mit Schwefelwasserstoff Transportzeiten, die erfahrungsgemäß länger als 30 min dauern

• • • • •

Kontraindikationen Säure- oder Laugenverätzung • fortgeschrittene • Verdacht auf Ösophagus- oder Magenperforation

Instrumentarium ca. 80 cm lang • Magenschlauch, – Durchmesser bei Erwachsenen mindestens 1 cm (Regel: fingerdick) – Durchmesser bei Kindern 0,4–0,7–1,1 cm

• Trichter • Klemme Auffangeimer • großer Einfüllgefäß • Messgefäß, 10 und bis zu 100 l körperwarmes Wasser • mindestens Absauggerät in Bereitschaft • lange Gummischürze • Aktivkohle • Vorbereitung venösen Zugang legen, Infusion (Ringer-Lactat) anhängen • sicheren • EKG-Monitoring/Pulsoxymetrie der Atemwege ggf. durch Intubation (im Zweifelsfall immer !) • Sicherung mit Atropin, z. B. 0,5 mg i. v. oder s. c. = 1 ml = 1 Amp. Atropin • Prämedikation bewusstseinsklaren Patienten Anästhesie der Mundhöhle durch Bestreichen • beim des Magenschlauchs mit Xylocain-Gel gut anfeuchten ! • Magenschlauch • Lagerung: Linksseitenlage, leichte Kopftieflagerung (ca. 15–20°)

168

18 Magenspülung

18

Technik Einführen des Magenschlauchs (beim Erwachsenen ca. 50 cm), bewusstseins• orales klaren Patienten auffordern, aktiv zu schlucken Lagekontrolle des Magenschlauchs durch Luftinsufflation mit der Magenspritze, • gleichzeitiges Abhören über dem Epigastrium: Es muss ein deutliches Blubbern zu hören sein ! auf das proximale Schlauchende aufsetzen, unter Patienten-Niveau halten; • Trichter herausfließenden Mageninhalt asservieren ! über Patienten-Niveau anheben und Wasser in den Magen einfließen las• Trichter sen:

• • • • •

– bei Erwachsenen: ca. 200–500 ml – bei Kindern: ca. 4 ml/kg KG – bei Säuglingen und Kleinkindern Spülung mit physiologischer Kochsalzlösung! Trichter wieder absenken und Flüssigkeit in den Auffangeimer laufen lassen Vorgang ca. 20-mal wiederholen bzw. so lange, bis die Spülflüssigkeit klar bleibt genaue Flüssigkeitsbilanz: Ausfuhr muss der Einfuhr entsprechen ! Instillation von Aktivkohle über den Magenschlauch, diesen dann abklemmen oder zuhalten: – bei Erwachsenen: mindestens 30 g – bei Kindern 5–15 g Zurückziehen des abgeklemmten Magenschlauchs

169

19

19 Thoraxdrainage

19

Thoraxdrainage

Thoraxpunktion (bei Pneumothorax) → Teil III, Abschnitt Thoraxtrauma, s. S. 414

Indikationen

• Pneumothorax • Spannungspneumothorax • Hämatothorax • funktionell relevanter Pleuraerguss Thoraxdrainagen sollten in der Regel unter stationären und möglichst sterilen Bedingungen gelegt werden. Bei ausgedehntem Spannungs- oder Hämatothorax kann eine Thoraxdrainage bereits am Unfallort erforderlich werden (besonders wenn die Punktion nur unzureichende Entlastung bringt). Entscheidend für die letztliche Indikationsstellung ist neben der Erfahrung des Notarztes das klinische Bild des Patienten.

Prinzip Drainage zur Absaugung von z. B. Luft (Pneumothorax), Blut (Hämatothorax) oder Eiter aus dem Pleuraraum. Dazu wird der Drainageschlauch luftdicht zwischen den Rippen in die Pleurahöhle eingelegt. Es sind zwei verschiedene Zugangswege zu unterscheiden: anteriorer Zugang im 2.–3. ICR in der Medioklavikularlinie (Monaldi-Drainage) bei Pneumothorax, Lagerung dafür möglichst in sitzender Position posteriorer Zugang im 4.–5. ICR in der hinteren Axillarlinie (Bülau-Drainage) bei Pleuraerguss oder Hämatothorax, Lagerung dafür auf der gesunden Thoraxseite

• •

170

19

19 Thoraxdrainage Material (z. B. Pneumocath) mit: • Einmalkatheterset – Skalpell

• • •

– Nahtmaterial (Seide 2/0) – 2 Klemmen – Einführungsbesteck mit Trokar und Plastikschläuchen, sterilem Lochtuch Thoraxdrainage: – Erwachsene: 28–32 Charr – Kinder: 18–28 Charr Lidocain 1 % Saugpumpe

Technik (falls erforderlich): • Prämedikation – Midazolam 2,5–5 mg i. v. und/oder

• • • • •

– S-Ketamin 10–25 mg i. v. oder – Morphin 5–10 mg i. v. Abduzieren des Arms der betroffenen Seite Hautdesinfektion, steriles Lochtuch Infiltrationsanästhesie: – 1%iges Lidocain – zunächst Haut in einem ICR infiltrieren – dann subkutanes Gewebe in dem darüber liegenden ICR infiltrieren Inzision: – 2–3 cm breite Inzision der Haut und des Subkutangewebes im tiefer liegenden ICR Drainagekanal präparieren: – mit Präparierschere Weichteile und Thoraxwandmuskulatur in Richtung Oberrand der über der Inzision liegenden Rippe tunnelieren, indem man immer mit der geschlossenen Präparierschere in den Stichkanal eingeht, die Schere innen aufspreizt und leicht geöffnet herauszieht – Stichkanal zwischendurch immer wieder mit dem Finger stumpf austasten und aufdehnen, bis man auf diese Weise auf den Oberrand der Rippe angelangt ist; sobald die Interkostalmuskulatur durchstoßen ist, Ablegen der Schere – Verfolgen des Stichkanals mit dem Zeigefinger, stumpfes Perforieren der Pleura parietalis mit dem Finger – Austasten der Pleurahöhle mit dem Zeigefinger, um sicher zu sein, dass z. B. keine ortsfremden Organe (z. B. Leber nach Zwerchfellruptur) sich in diesem Bereich befinden

2

1

171

19

19 Thoraxdrainage platzieren: • Drainage – Drainage nun mit dem Finger

• •

172

als Führungsschiene – allenfalls unter Zuhilfenahme einer stumpfen Klemme, mit der die Drainage vorsichtig an der Spitze gefasst wird – durch den vorpräparierten Stichkanal dirigieren und in die Pleurahöhle einführen – Drainage nach kranial und dorsal vorschieben, bis die letzte seitliche Drainageöffnung ca. 3 cm in der Pleurahöhle verschwunden ist Anschließen der Absaugung bzw. Ableiten des Drains über das Heimlich-Ventil oder über ein behelfsmäßiges Ventilsystem Fixation des Drainageschlauchs durch Naht

20

20 Perikardpunktion

20

Perikardpunktion

Indikationen Dringender Verdacht auf traumatische Herzbeuteltamponade, z. B. im Rahmen eines Thoraxtraumas. Eine Perikardpunktion ist eine komplikationsträchtige invasive Maßnahme (Mortalität 1–2 % !) und wird nur selten durchgeführt. Sie ist, wenn immer möglich, unter intensivmedizinischen Bedingungen vorzunehmen, kann aber beim Verdacht auf eine massive traumatische Herzbeuteltamponade bereits präklinisch die Ultima Ratio zum Überleben des Patienten darstellen.

Material

• Punktionsnadel Venenverweilkanüle (16 oder 18 G) • konventionelle bei adipösen Patienten lange 18-G-Spinal- oder Periduralpunk• ausreichend tionskanüle Dreiwegehahn • sterile Spritze (z. B. 20 ml) • Desinfektionsspray, sterile Handschuhe • Technik Defibrillationsbereitschaft • EKG-Monitoring, im Epigastrium • Hautdesinfektion und Dreiwegehahn auf Spritze auf• Punktionskanüle setzen xyphoidosternokostaler Winkel (Rip• Punktionsort: pen-Sternum-Winkel) links Aspiration Haut und subkutanes Gewebe • unter durchstechen, dann sofort Stichrichtung subkostal

• • • •

Punktionsort fŸr Perikardpunktion

in Richtung linke Schulter, d. h. ca. in einem Winkel von 45° zur Frontalebene Erreichen des Perikards in ca. 3–4 cm Tiefe Aspiration von Blut müsste bei richtiger Diagnose möglich sein Blut so weit wie möglich abziehen, Dreiwegehahn schließen Nadel liegen lassen

Komplikationen

• Myokardverletzungen Herzrhythmusstörungen • lebensbedrohliche • Lungenverletzungen • Oberbauchverletzungen 173

21

21 Karotissinusdruck

21

Karotissinusdruck

Indikationen Tachykarde Herzrhythmusstörungen vom Typ der supraventrikulären paroxysmalen Tachykardie.

Prinzip Oberhalb der Bifurkation der A. carotis communis befindet sich der Karotissinusnerv, über dessen Dehnungs- und Pressorezeptoren eine Beeinflussung der zentralen Kreislaufsteuerung erzielt werden kann. Die Rezeptoren reagieren auf Änderungen von Blutdruck und Pulsfrequenz, indem der N. vagus stimuliert oder gebremst wird. Eine Stimulation des N. vagus bewirkt eine Verzögerung der Reizübertragung im AV-Knoten des Herzens mit einer primär negativ dromotropen Wirkung. Diesen Reflexkreis macht man sich beim Karotissinusdruck zunutze, indem man durch Druck von außen die Pressorezeptoren stimuliert und damit eine Vagusstimulation

Technik Die Karotissinusreizung ist stets einseitig (d. h. niemals auf beiden Seiten gleichzeitig!) und unter ständiger Pulskontrolle durch Auskultation oder EKG-Registrierung durchzuführen. unter den Nacken des Patienten legen, so• Polster dass der Hals gestreckt und der Kopf leicht zur Seite gedreht ist Höhe des Schildknorpels, unmittelbar unter • indemderKieferwinkel, die A. carotis palpieren 2 Fingern für 10–20 s an dieser Stelle Druck • mit erzeugen oder eine Massage ausführen das Manöver primär ohne Erfolg, d. h. ohne • falls eine Verlangsamung der Herzfrequenz bleibt, kann der Druckversuch auf der anderen Halsseite wiederholt werden

Nebenwirkungen Hypersensitiver Karotissinus. Bei Patienten mit einem hypersensitiven Karotissinus kann das Druckmanöver eine bedrohliche Bradykardie, im Extremfall sogar eine kardiale Synkope auslösen. Karotisstenose. Bei Patienten mit einer ein- oder doppelseitigen Karotisstenose kann das Druckmanöver die zerebrale Durchblutung vermindern, also ebenfalls das klinische Bild einer Synkope hervorrufen.

174

22 Valsalva-Pressversuch

22

22

Valsalva-Pressversuch

Indikationen Tachykarde Herzrhythmusstörungen vom Typ der supraventrikulären paroxysmalen Tachykardie.

Prinzip Manöver zur Stimulation des N. vagus.

Technik Patient auffordern, 2–3-mal tief ein- und auszuatmen, um dann nach einer tiefen • Inspiration den Atem anzuhalten und zu pressen kann verstärkt werden, indem der Patient sich die Nase zuhält und – • Wirksamkeit falls möglich – beim Pressen in die Hocke geht

175

23

23 Unblutiger Aderlass

23

Unblutiger Aderlass

Indikationen Die Hauptindikation für den unblutigen Aderlass ist das kardial ausgelöste Lungenödem.

Prinzip Der unblutige Aderlass dient dazu, den venösen Blutrückstrom aus den Extremitäten zum Herzen zu drosseln. Er bewirkt somit in erster Linie eine Senkung der Vorlast des Herzens und damit eine Rechtsherzentlastung.

Technik beiden Oberarmen und an beiden Oberschenkeln • an Blutdruckmanschetten anlegen Extremitäten stauen, indem man mit den Man• 3schetten einen Druck erzeugt, der zwischen diasto-

• •

176

lischem und systolischem Blutdruckwert des Patienten liegt alle 10 min eine Extremität durch Öffnen der Stauung entlasten und nun die jeweils vorher nicht unter Druck stehende Extremität stauen medikamentös kann der unblutige Aderlass durch die Gabe von Glyceroltrinitrat (z. B. 2 Hub Nitrolingual-Spray) unterstützt werden

III

III

Spezielle Notfälle Übersicht 180 A Akuter arterieller Verschluss 190 Akuter venöser Verschluss 191 Akutes Abdomen 192 Akutes Koronarsyndrom 194 Alkoholentzugsdelir 200 Alkoholvergiftung 202 Amputationsverletzungen 204 Anurie 206 Aortenaneurysmaruptur und Aortenruptur 207 Apoplexie (Hirninsult, Stroke, Schlaganfall) 208 Aspiration 213 Asthma bronchiale 216 Augenverletzungen 220 B Beinahe-Ertrinken 225 Blitzunfall 227 Bolusgeschehen (Bolusverlegung der oberen Luftwege) 229 C COPD-Exazerbation 231 D Delirsyndrome 235 Dialyse-Notfälle 237

177

III E Elektrounfall 239 Epileptischer Anfall/Epilepsie (zerebrales Krampfleiden) 241 Erfrierung 247 Erhängen/Erwürgen/Erdrosseln/Strangulation 248 Erregungszustand 250 G Gallenkolik 252 Glaukomanfall 253 H Herzbeuteltamponade 255 Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt) 256 Akute Herzinsuffizienz 267 Herz-Kreislauf-Stillstand 270 Herzrhythmusstörungen 270 Hitzeschäden 312 Höhenkrankheit 318 Hypertonie/hypertensive Krise 320 Hyperventilationstetanie (Hyperventilationssyndrom) 322 K Koma 324 L Lungenembolie 336 Kardiales Lungenödem 339 Toxisches Lungenödem (Reizgasvergiftung) 341 Luxationen 343 M Magen-Darm-Blutung (gastrointestinale Blutung) 347 178

III N Nasenbluten (Epistaxis) 349 Nierensteinkolik 352 O Ösophagusvarizenblutung 354 P Psychiatrische Notfälle 358 S Schock 363 Schussverletzungen 371 Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts 382 Strahlenunfall 383 Subarachnoidalblutung 387 Synkope 388 T Tauchunfall 390 Traumatologische Notfälle 392 U Unterkühlung 421 V Verbrennung und Verbrühung 424 Vergiftungen 428

179

III

Übersicht

24

180

Übersicht

Notfall

Hauptstichwort

Seite

Abdominaltrauma

Traumatologische Notfälle

S. 393

Absolute Arrhythmie

Herzrhythmusstörungen, tachykarde

S. 270

Akuter arterieller Verschluss

idem

S. 190

Akuter venöser Verschluss

idem

S. 144

Akutes Abdomen

idem

S. 192

– gynäkologischer Ursache

Notfälle Schwangerschaft: idem

S. 495

Akutes Koronarsyndrom

idem

S. 194

Alkoholentzugsdelir

idem

S. 200

Alkoholvergiftung

idem

S. 202

Allergie

Schock, anaphylaktischer

S. 365

Amputationsverletzung

idem

S. 204

Anaphylaxie

Schock, anaphylaktischer

S. 365

– bei Kindern

Notfälle Kinder: idem

S. 534

Angina pectoris

Akutes Koronarsyndrom

S. 194

Anurie

idem

S. 206

Aortenaneurysmaruptur

idem

S. 207

Aortenruptur

idem

S. 207

Apoplexie

idem

S. 208

Arterieller Verschluss

Akuter arterieller Verschluss

S. 190

Aspiration

idem

S. 213

Aspiration

Notfälle Kinder: idem

S. 539

Asthma bronchiale

idem

S. 216

– bei Kindern

Notfälle Kinder: idem

S. 541

Übersicht Notfall

Hauptstichwort

Seite

Atemnot, akute bei Kindern

Notfälle Kinder: idem

S. 538

Augenverletzungen

idem

S. 220

AV-Block Grad I–III

Herzrhythmusstörungen, bradykarde

S. 299

AV-Leitungsstörungen

Herzrhythmusstörungen, bradykarde

S. 296

Azidose

Störungen des Säure-Basen-Haushalts

S. 373

Barotrauma

Tauchunfall

S. 390

Beinahe-Ertrinken

idem

S. 225

Blausäurevergiftung

Vergiftungen durch Cyanide

S. 437

Blitzunfall

idem

S. 227

Blutungen

idem

S. 21

–, vaginale

Notfälle Schwangerschaft: vaginale Blutung

S. 504

Bolusgeschehen

idem

S. 229

Bradyarrhythmie

Herzrhythmusstörungen, bradykarde

S. 296

Bradykardes Vorhofflimmern

Herzrhythmusstörungen, bradykarde

S. 304

Bradykardie

Herzrhythmusstörungen, bradykarde

S. 296

Bronchusruptur

Traumatologische Notfälle: Thoraxtrauma

S. 410

Coma diabeticum

Koma, diabetisches

S. 328

Coma hepaticum

Koma, hepatisches

S. 330

Coma hypoglycaemicum

Koma, hypoglykämisches

S. 331

Coma uraemicum

Koma, urämisches

S. 333

Contusio bulbi

Augenverletzungen

S. 220

Cyanidvergiftung

Vergiftungen durch Cyanide

S. 437

Dehydratation

Störungen des Wasser- u. Natriumhaushalts

S. 373, S. 550

III

181

III

Übersicht Notfall

Hauptstichwort

Seite

Delirsyndrome

idem

S. 200

Dialysepatienten, Notfälle bei

idem

S. 237

Drogenvergiftung

Vergiftungen durch Drogen

S. 441

Dyskinesie, akute

Psychiatrische Notfälle

S. 362

Eklampsie

Notfälle Schwangerschaft: EPH-Gestose und Eklampsie

S. 496

Elektrolytstörungen

Störungen des Elektrolythaushalts

S. 373

Elektrounfall

idem

S. 239

– periphere

Akuter arterieller Verschluss

S. 190

– der Lunge

Lungenembolie

S. 336

– des Darmes

Akutes Abdomen

S. 192

EPH-Gestose

Notfälle Schwangerschaft: EPH-Gestose und Eklampsie

S. 496

Embolie

182

Epiglottitis

Kruppsyndrom

S. 545

Epilepsie

idem

S. 241

– bei Kindern

Notfälle Kinder: Krampfanfall

S. 553

Epistaxis

Nasenbluten

S. 349

Erdrosseln

idem

S. 248

Erfrierung

idem

S. 247

Erhängen

idem

S. 248

Erregungszustand

idem

S. 250, S. 358

Ertrinken

Beinahe-Ertrinken

S. 225

– bei Kindern

Notfälle Kinder: Beinahe-Ertrinken

S. 548

Erwürgen

idem

S. 248

Übersicht Notfall

Hauptstichwort

Seite

Exsikkose

Notfälle Kinder: idem

S. 550

Extrasystolen

Herzrhythmusstörungen

S. 271

Extremitätentrauma

Traumatologische Notfälle: idem

S. 394

Fieberkrampf

Notfälle Kinder: Krampfanfall

S. 553

Fremdkörper im Auge

Augenverletzungen

S. 220

Fremdkörperaspiration

Bolusgeschehen

S. 229

Gallenkolik

idem

S. 252

Gastrointestinale Blutung

Magen-Darm-Blutung

S. 347

Glaukomanfall

idem

S. 253

Grand-Mal-Anfall

Epilepsie

S. 241

Hämatothorax

Traumatologische Notfälle: Thoraxtrauma

S. 410

Harnverhalt

Anurie

S. 206

HELLP-Syndrom

Notfälle Schwangerschaft: idem

S. 498

Herzbeuteltamponade

idem

S. 255

Herzinfarkt

idem

S. 256

Herzinsuffizienz

idem

S. 267

Herz-Kreislauf-Stillstand

idem

S. 270

Herzrhythmusstörungen

idem

S. 270

Herzschrittmacherdefekt

Herzrhythmusstörungen, bradykarde

S. 307

Hitzeerschöpfung

Hitzeschäden

S. 314

Hitzekrämpfe

Hitzeschäden

S. 314

Hitzeohnmacht

Hitzeschäden

S. 313

Hitzeschäden

idem

S. 312

Hitzschlag

Hitzeschäden

S. 315

III

183

III

184

Übersicht Notfall

Hauptstichwort

Seite

Höhenkrankheit

idem

S. 318

Hyperglykämie

Koma, diabetisches

S. 328

Hyperhydratation

Störungen des Wasser- u. Natriumhaushalts

S. 374

Hyperkaliämie

Störungen des Elektrolythaushalts

S. 376

Hyperkalzämie

Störungen des Elektrolythaushalts

S. 378

Hypertensive Krise

idem

S. 320

Hypertonie

idem

S. 320

Hyperventilationstetanie

idem

S. 322

Hypervolämie

Störungen des Wasser- u. Natriumhaushalts

S. 374

Hypoglykämie

Koma, hypoglykämisches

S. 331

Hypokaliämie

Störungen des Elektrolythaushalts

S. 376

Hypokalzämie

Störungen des Elektrolythaushalts

S. 378

Hypovolämie

Schock, hypovolämischer, Störungen des Wasser- u. Natriumhaushalts

S. 373

Insektenstich

Schock, anaphylaktischer

S. 365

Kammerflimmern

Herzrhythmusstörungen, tachykarde

S. 295

Kohlendioxidvergiftung

Vergiftungen durch Kohlendioxid

S. 450

Kohlenmonoxidvergiftung

Vergiftungen durch Kohlenmonoxid

S. 451

Koma

idem

S. 324

– diabetisches

idem

S. 328

– hepatisches

idem

S. 330

– hypoglykämisches

idem

S. 331

– urämisches

idem

S. 333

– zerebrales

idem

S. 334

Übersicht Notfall

Hauptstichwort

Seite

Koronarsyndrom, akutes

Akutes Koronarsyndrom

S. 194

Krampfanfall

Epilepsie

S. 241

– bei Kindern

Notfälle Kinder: Krampfanfall

S. 553

Kreislaufstillstand

Herz-Kreislauf-Stillstand

S. 270

Kruppsyndrom

Notfälle Kinder: idem

S. 545

Laugenverätzung

Vergiftungen durch Säuren und Laugen

S. 475

Leberkoma

Koma, hepatisches

S. 330

LGL-Syndrom

Herzrhythmusstörungen, tachykarde

S. 285

Lungenembolie

idem

S. 336

Lungenkontusion

Traumatologische Notfälle: Thoraxtrauma

S. 410

Lungenödem

idem

S. 338

Lungenödem, kardiales

idem

S. 338

Lungenödem, toxisches

idem

S. 341

Luxationen

idem

S. 343

Magen-Darm-Blutung

idem

S. 347

Manie, akute

Erregungszustand, manischer

S. 359

Myokardinfarkt

Herzinfarkt

S. 256

Nabelschnurvorfall

Notfälle Schwangerschaft: idem

S. 500

Nasenbluten

idem

S. 349

Nierensteinkolik

idem

S. 352

Ösophagusvarizenblutung

idem

S. 354

Paroxysmale Tachykardie

Herzrhythmusstörungen, tachykarde

S. 282

Patellaluxation

Luxationen

S. 343

Pilzvergiftungen

Vergiftungen durch Pilze

S. 469

III

185

III

186

Übersicht Notfall

Hauptstichwort

Seite

Placenta praevia

Notfälle Schwangerschaft: idem

S. 501

Plazentalösung, vorzeitige

Notfälle Schwangerschaft: Placenta praevia und vorzeitige Plazentalösung

S. 501

Plötzlicher Kindstod

Notfälle Kinder: idem

S. 558

Pneumomediastinum

Traumatologische Notfälle: Thoraxtrauma

S. 410

Pneumothorax

Traumatologische Notfälle: Thoraxtrauma

S. 410

Polytrauma

Traumatische Notfälle

S. 397

– bei Kindern

Notfälle Kinder: idem

S. 559

Psychiatrische Notfälle

idem

S. 358

R-auf-T-Phänomen

Herzrhythmusstörungen

S. 278

Reizgasvergiftung

Lungenödem, toxisches

S. 341, S. 473

Rippenserienfraktur

Traumatologische Notfälle: Thoraxtrauma

S. 410

Säureverätzung

Vergiftungen durch Säuren und Laugen

S. 475

Schädel-Hirn-Trauma

Traumatologische Notfälle

S. 404

– bei Kindern

Notfälle: idem

S. 562

Schizophrenie, akute

Erregungszustand, schizophrener

S. 358

Schlaganfall

Apoplexie

S. 208

Schock

idem

S. 363

– anaphylaktischer

idem

S. 365

– hypovolämischer

idem

S. 369

– kardiogener

Herzinsuffizienz, akute

S. 267

Schrittmacherdefekt

Herzrhythmusstörungen, bradykarde

S. 296

Schulterluxation

Luxationen

S. 343

Übersicht Notfall

Hauptstichwort

Seite

Schussverletzungen

idem

S. 371

Sick-Sinus-Syndrom

Herzrhythmusstörungen, bradykarde

S. 298

Sinusknotensyndrom

Herzrhythmusstörungen, bradykarde

S. 296

Sinustachykardie

Herzrhythmusstörungen, tachykarde

S. 281

Sonnenstich

Hitzeschäden

S. 316

Spannungspneumothorax

Traumatologische Notfälle: Thoraxtrauma

S. 413

Sprunggelenkluxation

Luxationen

S. 343

Status asthmaticus

Asthma bronchiale

S. 216

Status epilepticus

Epilepsie

S. 241

STEMI

Akutes Koronarsyndrom

S. 194

Strahlenunfall

idem

S. 383

Strangulation

idem

S. 248

Stromunfall

Elektrounfall

S. 239

Stupor

Psychiatrische Notfälle

S. 361

Subarachnoidalblutung

idem

S. 387

Synkope

idem

S. 388

Tachykardie

Herzrhythmusstörungen, tachykarde

S. 280

Taucherkrankheit

Tauchunfall

S. 390

Tauchunfall

idem

S. 390

Thoraxtrauma

Traumatologische Notfälle

S. 410

Torsades de pointes

Herzrhythmusstörungen, tachykarde

S. 292

Traumatologische Notfälle

idem

S. 392

Unterkühlung

idem

S. 421

III

187

III

188

Übersicht Notfall

Hauptstichwort

Seite

Vena-cava-Kompressionssyndrom

Notfälle Schwangerschaft: idem

S. 506

Venenthrombose

Akuter venöser Verschluss

S. 144

Verbrennung

Verbrennung und Verbrühung

S. 424

– bei Kindern

Notfälle Kinder: idem

S. 566

Verbrühung

Verbrennung und Verbrühung

S. 424

– bei Kindern

Notfälle Kinder: idem

S. 566

Vergiftungen

idem

S. 428

– bei Kindern

Notfälle Kinder: idem

S. 570

– durch Alkohol

Alkoholvergiftungen

S. 202

– durch Alkylphosphate

idem

S. 435

– durch Cyanide

idem

S. 437

– durch Drogen

idem

S. 441

– – Halluzinogene

Vergiftungen durch Drogen

S. 442

– – Weckamine

Vergiftungen durch Drogen

S. 444

– – Kokain

Vergiftungen durch Drogen

S. 447

– – Ecstasy

Vergiftungen durch Drogen

S. 445

– – Opiate

Vergiftungen durch Drogen

S. 448

– durch Kohlendioxid

idem

S. 450

– durch Kohlenmonoxid

idem

S. 451

– durch Medikamente

idem

S. 456

– – Antidepressiva

Vergiftungen durch Medikamente

S. 457

– – Atropin

Vergiftungen durch Medikamente

S. 458

– – Barbiturate

Vergiftungen durch Medikamente

S. 460

Übersicht Notfall

Hauptstichwort

Seite

– – Benzodiazepine

Vergiftungen durch Medikamente

S. 460

– – Betablocker

Vergiftungen durch Medikamente

S. 461

– – Digitalis

Vergiftungen durch Medikamente

S. 462

– – Neuroleptika

Vergiftungen durch Medikamente

S. 463

– – Paracetamol

Vergiftungen durch Medikamente

S. 464

– – Salicylate (Azetylsalizylsäure)

Vergiftungen durch Medikamente

S. 465

– durch organische Lösungsmittel

idem

S. 466

– durch Pflanzen

idem

S. 467

– durch Pilze

idem

S. 469

– durch Reinigungsmittel

idem

S. 471

– durch Reizgase

idem

S. 473

– durch Säuren und Laugen

idem

S. 475

Verwirrtheitszustand, akuter

Psychiatrische Notfälle

S. 358

Vorhofflattern

Herzrhythmusstörungen, tachykarde

S. 287

Vorhofflimmern

Herzrhythmusstörungen, tachykarde

S. 288

Wirbelsäulentrauma

Traumatologische Notfälle

S. 417

WPW-Syndrom

Herzrhythmusstörungen, tachykarde

S. 280

Zerebrales Krampfleiden

Epilepsie

S. 241

III

189

A

Akuter arterieller Verschluss

25

A

25.1 Akuter arterieller Verschluss s. a. Apoplexie (S. 208), Lungenembolie (S. 336), Mesenterialinfarkt (S. 192)

Definition und Ursachen Verschluss eines arteriellen Gefäßes, meist durch eine Embolie (90 %), seltener durch eine lokale Thrombose (10 %). Der Embolusherd liegt vorwiegend im linken Herzen, als Risiko gelten vor allem Herzklappenfehler mit Vorhofflimmern sowie Thromben im linken Ventrikel nach Herzinfarkt. Die embolischen Verschlüsse finden sich bevorzugt im Bereich von Gefäßaufzweigungen, die Häufigkeit arterieller Embolien verteilt sich folgendermaßen: intra- und extrakranielle Gefäße des Kopfes ca. 60 % Gefäße der unteren Extremitäten ca. 20 % Gefäße der oberen Extremitäten ca. 6 % Gefäße des Abdomens (Nieren-, Milz-, Mesenterialarterien) ca. 6 %

• • • •

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den akuten Verschluss einer Extremitätenarterie.

Symptome „6-mal P“ Pain = Schmerz (führendes Symptom, plötzlich und sehr stark einsetzend – „wie ein Peitschenschlag“) Paleness = Blässe (etwa 2 Handbreit distal der Verschlussstelle beginnend) Paresthesia = Gefühlsstörung Pulslessness = Pulslosigkeit Paralysis = Bewegungsunfähigkeit Prostration = Erschöpfung, Schock

• • • • • •

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen beim akuten arteriellen Verschluss. Maßnahme Lagerung

Details

▪ betroffene Extremität tieflagern ▪ Oberkörper leicht erhöht (Erhöhung des Perfusionsdrucks) ▪ Ruhigstellung der Extremität auf Wattepolster, kühl halten, keine Wärmeapplikation !

venöser Zugang

190

auf keinen Fall an der betroffenen Extremität !

Therapeutisches Szenario

Akuter arterieller Verschluss Akuter venöser Verschluss

A

Medikamentöse Maßnahmen beim akuten arteriellen Verschluss. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

500 ml

500 ml Ringer-Lactat

Analgesie

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

Antiemetika

Dimenhydrinat

31-62 mg i. v.

½–1 Amp. Vomex A

Antikoagulation

Heparin

i. v.

5000–10.000 IE

Transport ggf. in Klinik mit Möglichkeit zur Angiografie/Lyse/chirurgischen Intervention.

Differenzialdiagnose Akute tiefe Beinvenenthrombose, insbesondere komplette Thrombosierung der Venen einer gesamten Extremität (Phlegmasia coerulea dolens).

25.2 Akuter venöser Verschluss Definition und Ursachen Verschluss tiefer Venen durch Thromben, meist im Bereich der Unterschenkel; am häufigsten postoperativ und durch längere Immobilisierung, seltener im Rahmen eines paraneoplastischen Syndroms. Eine Sonderform der venösen Thrombosen ist die seltene Phlegmasia coerulea dolens. Dabei handelt es sich um den akuten Verschluss der oberflächlichen und tiefen Venen einer gesamten Extremität.

Symptome der Venenthrombose • Symptome – Schmerz in Wade oder Oberschenkel (Druckschmerz, Schmerzen bei Dorsalflexi-



on des Fußes) – zunehmendes Schweregefühl – Ödem (zunehmende Umfangsdifferenz) – livide, evtl. glänzende Verfärbung – Überwärmung – evtl. Venenzeichnung im Leistenbereich bei Phlegmasia coerulea dolens: – rasche Anschwellung der gesamten Extremität – tiefzyanotische Verfärbung – stärkste Schmerzen – arterielle Pulse nicht mehr tastbar (Kompression der Arterien durch das Ödem) – Ausbildung von Nekrosen innerhalb von Stunden

191

A

Akuter venöser Verschluss Akutes Abdomen Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei akutem venösem Verschluss. Maßnahme Lagerung

Details

Therapeutisches Szenario

▪ absolute Bettruhe (Lungenemboliegefahr !) ▪ betroffene Extremität hochlagern ▪ Ruhigstellung der betroffenen Extremität

venöser Zugang

auf keinen Fall an der betroffenen Extremität !

Medikamentöse Maßnahmen bei akutem venösem Verschluss. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

500 ml

500 ml Ringer-Lactat

Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

Analgesie

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

oder

Antikoagulation

Piritramid

7,5–15 mg i. v.

½–1 Amp. Dipidolor

Heparin

i. v.

5000–10.000 IE

25.3 Akutes Abdomen Definition und Ursachen Beim akuten Abdomen handelt es sich um einen klinisch gebräuchlichen Sammelbegriff für alle Schmerzen und Störungen im Bereich der Bauchhöhle, die ein akutes Eingreifen – meist in Form eines operativen Eingriffs – erforderlich machen.

192

Akutes Abdomen

A

Mögliche Ursachen eines akuten Abdomens. Ursache

Beispiele

Entzündung von Organen

Appendizitis, Pankreatitis, Peritonitis, Pyelonephritis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Divertikulitis

Gefäßerkrankung

Mesenterialinfarkt, Aortendissektion, Ruptur eines Aortenaneurysmas, Milzinfarkt

Perforation

Ulkusperforation, Darmperforation

Trauma

stumpfes, penetrierendes, offenes/geschlossenes Trauma

gynäkologische Ursache

Adnexitis, Extrauteringravidität, stielgedrehte Ovarialzyste, septischer Abort

sonstige Ursache

Nierenkolik, Gallenkolik, Ileus, inkarzerierte Hernie, Abszesse

Symptome bis vernichtende Schmerzen im Bereich des Abdomens: • starke – kolikartig (Gallen-, Nierenkolik, mechanischer Ileus)

• • • • • •

– kontinuierlich zunehmend (bei Entzündungen) – messerstichartig mit schlagartigem Beginn (bei Perforation) – diffus, dumpf, schlecht lokalisierbar (bei Darmischämie durch Darminfarkt, Darmschlingenstrangulation) Übelkeit, Erbrechen Blutdruckabfall mit Blässe Schweißausbruch Tachykardie Abwehrspannung mit harter Bauchdecke abdomineller Druckschmerz

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen beim akuten Abdomen. Maßnahme Lagerung

Details

Therapeutisches Szenario

▪ Beine angezogen, falls möglich Knierolle ▪ ggf. bei Schocksymptomatik leichte

Schräglage (Kopf und Oberkörper tief)

Sauerstoff venöser Zugang

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min Ringer-Lactat

193

A

Akutes Abdomen Akutes Koronarsyndrom Medikamentöse Maßnahmen beim akuten Abdomen. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution (bei Zeichen der Hypovolämie)

kristalloide Lösung

500–1000 ml i. v.

500–1000 ml RingerLactat

Analgesie (bei kolikartigen Schmerzen)

Butylscopolaminiumbromid

20 mg i. v.

1 Amp. Buscopan

evtl. Glyceroltrinitrat Cave: RR↓↓, PDE-5Hemmer wie z. B. Sildenafil u. a.

1,2–2,4 mg p. o.

2–4 Hub Nitrolingual Spray

evtl. Metamizol

2,5 mg i. v.

5 ml Novalgin (langsam injizieren !)

Midazolam

1–5 mg i. v.

¼–1 Amp. Midazolam 5 mg/5 ml

Sedierung

Differenzialdiagnosen (EKG-Veränderungen?) • Hinterwandinfarkt Rechtsherzinsuffizienz (Dyspnoe? Aszites? Zyanose?) • akute diabetische Ketoazidose (Blutzucker?) • basale Pleuropneumonie(Pseudoappendizitis) • Wirbelsäulenschmerzen (Pulmo frei?) •

25.4 Akutes Koronarsyndrom s. a. Herzinfarkt (S. 256)

Definition

194

Das akute Koronarsyndrom („acute coronary syndrom“, ACS) ist ein Krankheitsbild, dass durch Angina-pectoris-Beschwerden (typische Thoraxschmerzen in Ruhe > 20 min) mit oder ohne ischämische EKG-Veränderungen gekennzeichnet ist. Das ACS fasst somit die früher gebräuchlichen Bezeichnungen instabile Angina pectoris und akuten Myokardinfarkt zusammen. Innerhalb der mit Infarzierung einhergehenden Ereignisse werden STEMI (ST-elevation myocardial infarction) und NSTEMI (Non-ST-elevation myocardial infarction) unterschieden.

Akutes Koronarsyndrom

 &// ; 8: 0 0,2 mV in mindestens 2 zusammenhängenden Brustwandableitungen Linksschenkelblock mit infarkttypischer Symptomatik

• • •

Von einem NSTEMI ist auszugehen, wenn bei typischer Symptomatik nicht die o. g. STHebungen auftreten, es aber zu einem Anstieg des Troponin-I oder T kommt. Dabei gilt aber: Präklinisch kein Zeitverlust durch Auswertung/Erhebung der biochemischen Herzinfarktmarker !

195

A

Akutes Koronarsyndrom Definitionen beim akuten Koronarsyndrom (ACS) Patienten mit klinischen Zeichen und Symptomen eines ACS

12-Ableitungs EKG

ST-Strecken-Hebung ≥ 0,1 mV in ≥ 2 zusammenhängenden Extremitätenableitungen oder ≥ 0,2 mV in ≥ 2 zusammenhängenden Brustwandableitungen oder (vermutlich) neuer LBBB

STEMI

* hs c-Troponin wird wegen größerer * Sensitivität bevorzugt

andere EKG-Veränderungen (oder normales EKG)

= NSTEMI wenn c-Troponin* positiv

= UAP wenn c-Troponin* negativ bleibt

Non-STEMI ACS hohes Risiko bei • dynamischen EKG-Veränderungen • ST-Senkungen • hämodyn. bzw. Rhythmusinstabilität • Diabetes mellitus • hohem Risiko Score (TIMI, GRACE)

(Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Nikolaou, N., Arntz, H., Bellou, A. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 984. doi:10.1007/s10049-015-0084-y y) EKG = Elektrokardiogramm, LBBB = Linksschenkelblock, STEMI = Myokardialer ST-Strecken-Hebungs-Infarkt, NSTEMI = Myokardinfarkt ohne ST-Strecken-Hebung, c-Troponin = kardiales Troponin, UAP = instabile Angina Pectoris, TIMI = Thrombolysis in Myocardial Infarction, GRACE = Global Registry of Acute Coronary Events

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen beim akuten Koronarsyndrom. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper angehoben

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske nur bei Hypoxämie (Zielwert: pO2 94–98)

weitere Maßnahmen

196

▪ venöser Zugang ▪ beruhigender Zuspruch ▪ Monitoring: RR, pO2, Monitor-EKG

Therapeutisches Szenario

4–6 l O2/min

Akutes Koronarsyndrom

A

Erweiterte Maßnahmen beim akuten Koronarsyndrom. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Gefäßerweiterung

Glyceroltrinitrat

0,8 mg s. l.

2 Hübe NitrolingualSpray

ggf. nach 10 min wiederholen; keine Nitrate:

▪ bis 24 h nach Einnahme von PDE-5-Hemmern wie z. B. Sildenafil (Viagra) ▪ bei Hypotension (RR systolisch < 90 mmHg) Thrombozytenaggregationshemmung/Antikoagulation* Sedierung

1 Stechamp. Aspirin i. v.

Azetylsalizylsäure

500 mg i. v. (ggf. 150–300 mg als Kautabl. p. o.)

Heparin

5000 IE i. v.

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

oder Diazepam

2–5 mg i. v.

¼–½ Amp. Valium

Betablocker (zusätzlich bei erhöhtem Blutdruck [systolisch > 200 mmHg] und/oder Tachykardie)

Metoprolol

2,5–5 mg i. v.

½–1 Amp. Beloc (fraktioniert langsam !)

Analgesie

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

Antiemetika

Dimenhydrinat

31-62 mg i. v.

½–1 Amp. Vomex A

* Thrombozytenaggregationshemmer/Antikoagulation (Stand ERC 2015). Prasugrel, Ticagrelor und in etwas geringerem Ausmaß Clopidogrel führen zu einer zuverlässigen und schnellen Hemmung der Plättchenaggregation. Bei der Frage ob und welche Substanz schon prähospital gegeben werden soll, geben die Leitlinien aber nur die schwammige Vorgabe: „Die Gabe der Substanzen kann prähospital oder in der Notaufnahme bei geplanter PPCI erwogen werden.“ Grundsätzlich eher keine der Substanzen prähospital geben, bzw. in Abstimmung mit den regionalen Vorgaben.

197

A

Akutes Koronarsyndrom Wirkstoff

Handelsname

Loading Dose

Erhaltungsdosis

Beispiel

Prasugrel

Efient

60 mg

10 mg/d (< 75 Jahre) 5 mg/d (> 75 Jahre)

6 Tbl Efient 10

Ticagrelor

Brilique

180 mg

2 × 90 mg/d

2 Tbl Brilique 90

Clopidogrel

Clopidogrel, Plavix

300 mg (< 75 Jahre) > 75 Jahre keine Loading Dose

75 mg/d

1 Tbl Plavix 300 (< 75 Jahre)

Als Alternative zum unfraktionierten Heparin wird als einziges niedermolekulares Heparin der Wirkstoff Enoxaparin (Clexane) in einer Dosierung von 30 mg i. v. benannt (hat sich aber bisher im Rettungsdienst nicht gegenüber dem Heparin etabliert).

Differenzialdiagnosen Herzbeschwerden • funktionelle • Lungenembolie Abdomen • akutes • Aortenaneurysmaruptur kardiale Vitien (z. B. Aortenstenose) • vertebragener Schmerz • (Spontan)Pneumothorax • Hiatushernie •

198

STEMI

Zusatztherapie: • Antithrombine: • Enoxaparin, Heparin • (oder Fondaparinux bei • Streptokinase) • Thrombozytenhemmer: • Clopidogrel

bevorzugt Fibrinolyse, wenn • unangemessene • Verzögerung • zur PCI und keine • Kontraindikation

• •Thrombozytenhemmer: •Ticagrelor oder •Clopidogrel erwägen

Zusatztherapie: •Antithrombine: •Enoxaparin, Heparin •oder Bivalirudin

frühinvasive Strategie#

konservative oder verzögerte invasive Strategie# Zusatztherapie: •Antithrombine: •Enoxaparin oder Heparin •(bei Patienten mit •erhöhtem Blutungsrisiko •Fondaparinux erwägen) •Thrombozytenhemmer: •Ticagrelor oder •Clopidogrel erwägen

Non-STEMI ACS

Antithrombozytäre Therapie: 150–300 mg Acetylsalicylsäure als Kautablette oder i.v.

Schmerzbehandlung: Nitroglycerin bei systol. RR > 90 mmHg + Morphin (wiederholte Dosen von) 3–5 mg bis zur Schmerzfreiheit

EKG

Behandlungspfade beim akuten Koronarsyndrom (ACS)

# je nach Risikostratifizierung

(*erhöhtes intracranielles Blutungsrisiko bei Patienten mit Vorgeschichte von TIA oder Schlaganfall, bei Patienten > 75 Jahren bzw. < 60 kg Körpergewicht)

bevorzugt PCI, wenn • rasch in erfahrenem Zentrum • mit 24/7 Bereitschaft verfügbar • Kontraindikationen zur Fibrinolyse • kardiogener Schock oder • schwere Linksherzinsuffizienz Zusatztherapie: • Antithrombine: • Enoxaparin, Heparin oder • Bivalirudin • Thrombozytenhemmer: • Ticagrelor, Prasugrel* oder • Clopidogrel erwägen

EKG = Elektrokardiogramm, STEMI = myokardialer ST-Strecken-Hebungs-Infarkt, non-STEMI = Myokardinfarkt ohne STStrecken-Hebung, PCI = perkutane Koronarintervention

Akutes Koronarsyndrom

A

(Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Nikolaou, N., Arntz, H., Bellou, A. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 984. doi:10.1007/s10049-015-0084-y)

199

A

Alkoholentzugsdelir

25.5 Alkoholentzugsdelir s. a. Delirsyndrome (S. 235)

Definition und Ursachen Das Alkoholentzugsdelir entsteht nach Unterbrechung oder abrupter Verringerung der Alkoholzufuhr bei chronischem Alkoholismus. Dabei können die Entzugssymptome unterschiedlichste Form und Intensität annehmen. Formal unterscheidet man leichte Entzugssyndrome oder Delir-Prodrome mittelschwere Entzugssyndrome oder Prädelir schwerste Entzugssyndrome oder Delirium tremens

• • •

Symptome Symptome bei Alkoholentzugsdelir. Delir-Prodrome

▪ innere Unruhe ▪ Angst ▪ Schlafstörungen ▪ vegetative Labilität ▪ feinschlägiger Fingertremor

Prädelir

▪ optische Halluzinationen ▪ illusionäre Verkennung ▪ zeitliche Desorientiertheit ▪ Fingertremor ▪ Schwitzen ▪ Tachykardie ▪ Temperaturerhöhung ▪ epileptische Anfälle

Delir

▪ Halluzinationen ▪ Unruhe ▪ Erregung ▪ Agitiertheit ▪ Angst ▪ Wahnbildung ▪ Tachykardie ▪ Hyperhidrosis ▪ Hypotonie ▪ Übelkeit

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Alkoholentzugsdelir. Maßnahme

Details

Lagerung

den Bedürfnissen des Patienten anpassen

Beruhigung

▪ verbale Beruhigung ▪ alles vermeiden, was Unruhe schafft und Halluzinationen provozieren kann

200

venöser Zugang

wenn möglich

Monitoring

Kreislaufüberwachung (cave Hypotonie !)

Alkoholentzugsdelir

A

Medikamentöse Maßnahmen bei Alkoholentzugsdelir. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

500 ml

500 ml Ringer-Lactat

Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

½-1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

5–10 mg i. v.

½-1 Amp. Valium

oder Diazepam

oder Lorazepam

2,5 mg p. o.

1 Tbl. Tavor Expidet 2,5

Antipsychotisch

Haloperidol

5–10 mg i. m.

1-2 Amp. Haldol i. m.

Sonstige

Clomethiazol (nur, wenn orale Aufnahme möglich)

p. o.

2–4 Kps. Distraneurin 0,5 (Wirkungseintritt erst nach 20–30 min, deshalb klinisch nicht sinnvoll)

Differenzialdiagnosen Alkoholvergiftung • akute • Drogenvergiftung Hypoglykämie • Meningitis • SHT • Demenz • zerebrale Blutung, Apoplex • diabetisches Koma • thyreotoxische Krise • akute Leberinsuffizienz •

201

A

Alkoholvergiftung

25.6 Alkoholvergiftung Definition Übermäßige Aufnahme von Ethanol (C2H5OH) mit dadurch ausgelöster toxischer Wirkung auf die Zellen des ZNS. Die Letaldosis von Ethanol liegt beim Erwachsenen zwischen 250 und 750 g, wenn diese Menge in weniger als 30 min oral aufgenommen wird (das entspricht einem Blutalkoholspiegel von 3,5–5 Promille).

!

Die Gefahr der Alkoholvergiftung liegt im zentralen Versagen der Kreislaufund Atemregulation.

Stadien der Alkoholvergiftung. Stadium 1

Stadium 2

Stadium 3

Stadium 4

exzitatorisches Stadium

hypnotisches Stadium

narkotisches Stadium

asphyktisches Stadium

0,5–1,5 Promille

1,5–2,5 Promille

2,5–4 Promille

ab 4 Promille

▪ verwaschene Sprache ▪ Logorrhö ▪ Distanzlosigkeit ▪ leichte Ataxie ▪ Reizbarkeit ▪ Benommenheit

▪ euphorische Glücksstimmung bis aggressive Gereiztheit ▪ schwere Ataxie

▪ Verwirrtheit, Somnolenz bis Koma ▪ Hypalgesie ▪ Adynamie ▪ Hypoglykämie ▪ Hypothermie ▪ schwerste Koordinations- und Gangstörungen

▪ Koma ▪ Areflexie ▪ flache hochfre-

quente Atmung, Cheyne-StokesAtmung, Atemstillstand ▪ Herz-KreislaufVersagen

Symptome Neben den o. g. Symptomen können die folgenden Symptome auf eine Alkoholintoxikation hinweisen: Alkoholgeruch Rötung der Augenbindehaut und des Gesichts psychische Erregung und motorische Unruhe Krämpfe Erbrechen Tachykardie Hypotonie Unterkühlung

• • • • • • • •

202

Alkoholvergiftung

A

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Alkoholvergiftung. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

stabile Seitenlagerung

Atemwege

▪ Atemwege frei machen/freihalten ▪ bei Areflexie/Koma: Intubation

weitere Maßnahmen

▪ venöser Zugang ▪ Schutz gegen Auskühlung ▪ Blutzuckerbestimmung

und Beatmung

Medikamentöse Maßnahmen bei Alkoholvergiftung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

500 ml

500 ml Ringer-Lactat

oder Glukose 5 % oder Glukose 10 %

500 ml i. v.

Glukose (bei niedrigem BZ)

Glukose 40 %

20–50 ml i. v.

Sedierung (beim agitierten Patienten)

Haloperidol

5–10 mg i. m.

1–2 Amp. Haldol i. m.

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Valium

2,5–5 mg i. v.

2,5–5 mg Midazolam i. v.

2,5 mg p.o.

Tavor Expidet 2,5 p.o.

oder Diazepam

oder Midazolam

oder Lorazepam

203

A

Alkoholvergiftung Amputationsverletzungen Differenzialdiagnosen Hirntrauma • zusätzliches Vergiftung (Mischvergiftung) • zusätzliche Alkoholentzugsdelir • jedes Koma anderer Genese •

25.7 Amputationsverletzungen Definition Traumatische (oft nicht ganz vollständige) Abtrennung einer Gliedmaße.

Symptome Weichteilverletzung • schwere • Schockzustand

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Amputationsverletzungen. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

betroffene Gliedmaße, wenn möglich, hochlagern

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

ggf. Intubation und Beatmung

Erweiterte Maßnahmen bei Amputationsverletzungen. Medikamente

204

Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

500 ml

500 ml Ringer-Lactat

Analgesie

Ketanest S

0,125–0,25 mg/kg KG i. v.

10–20 mg Ketanest S i. v.

Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

2,5–5 mg Midazolam i. v.

Amputationsverletzungen

A

Spezifische Maßnahmen. Maßnahme Stumpfversorgung

Amputatversorgung

Transport

Details

▪ Blutstillung am Stumpf durch Druckverband und Hochlagerung

(häufig bei partieller Durchtrennung schwerer als bei vollständiger → evtl. zusätzliche direkte Kompression) ▪ Wunde nicht säubern, Fremdkörper nicht entfernen (Blutungen könnten verstärkt und zusätzliche Läsionen gesetzt werden) ▪ kuppenförmigen Druckverband unter leichtem Zug anlegen (Druckkraft soll von distal und nicht von proximal wirken); Haltepflaster sparsam und in Längsrichtung der Extremität einsetzen, um eine Einschnürung (Tourniquet-Effekt mit Verstärkung der Ischämie) zu verhindern ▪ Extremität schonend lagern (möglichst faltenarm angepasste Vakuummatratze)

▪ Asservierung: mit steriler Kompresse abdecken und in einem

Plastikbeutel (alternativ auch zusätzlich in Alufolie) wasserdicht verpacken (vermeidet Gewebequellung und -mazeration) ▪ Kühlung: Plastikbeutel mit Amputat in einen zweiten Beutel mit Eiswasser (Verhältnis Wasser : Eis = 1 : 1) legen (Kühlung bei ca. 4 C [sog. „kalte Ischämie“] verlängert die Ischämietoleranz des Gewebes deutlich), Amputat darf nicht anfrieren !

▪ rascher Transport in das Replantationszentrum (häufig Indikation für RTH)

Der Zustand des Amputates hat für den Erfolg der Operation die größte Bedeutung, wobei die Kürze der Ischämiedauer ein wichtiges Kriterium darstellt.

!

Gefäßstümpfe sollten bei der Blutstillung möglichst nicht direkt abgebunden werden, da die Reanastomosierung durch den Wegfall der beschädigten Gefäßstrecke erschwert wird. Durchtrennte Gefäß- und Nervenenden des Stumpfes sollten nicht mit Klemmen o. Ä. fixiert werden.

205

A

Anurie

25.8 Anurie Definition Einschränkung der Harnproduktion auf weniger als 100 ml/24 h (< 5 ml/h). Leitsymptom für akutes Nierenversagen, jedoch auch viele andere Erkrankungen als Ursache möglich. Abhängig von der Lokalisation der Störung unterscheidet man: prärenales Nierenversagen, z. B. durch Volumenmangel, Herzinsuffizienz, kardiogenen Schock, Elektrolytstörungen renales Nierenversagen, z. B. durch Nephritis (medikamentös-toxisch, allergisch), Hämolyse, Rhabdomyolyse, Sepsis postrenales Nierenversagen, z. B. durch mechanische Obstruktion im Bereich von Blase oder Urethra, selten auch Obstruktion der Ureteren

• • •

Symptome

• Harnverhalt Obstruktion der Ureteren evtl. Koliken • bei postrenalem Nierenversagen evtl. zunehmende Unterbauchschmerzen durch • bei Harnstau Therapeutische/diagnostische Maßnahmen Diagnostische Maßnahmen bei Anurie. Maßnahme

Details

körperliche Untersuchung

▪ Perkussion der Blase ▪ bei voller Blase und starken Schmerzen evtl. Katheterisierung

Ultraschalluntersuchung

so bald wie möglich

Medikamentöse Maßnahmen bei Anurie.

206

Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Analgesie

Butylscopolaminiumbromid (bei kolikartigen Schmerzen)

20 mg i. v.

1 Amp. Buscopan

evtl. Glyceroltrinitrat

1,2–2,4 mg s. l.

1,2 mg = 3 Hübe Nitrolingual-Spray

evtl. Metamizol

2,5 g i. v.

5 ml Novalgin (langsam injizieren !)

Aortenaneurysmaruptur und Aortenruptur

A

25.9 Aortenaneurysmaruptur und Aortenruptur s. a. Akutes Abdomen (S. 192), Abdominaltrauma (S. 393), Thoraxtrauma (S. 410)

Definition Ein Aortenaneurysma ist die pathologische Wandaussackung der Aorta, meist im Bereich der Aorta abdominalis (ca. 95 %), seltener im Bereich der Aorta thoracica. Die Dissektion des Aneurysmas mit Aufsplitterung der Aortenwand und Einblutung in die Media ist als dramatischer Notfall oder mit diffuser Symptomatik chronisch schleichend möglich. Eine gedeckte oder freie Ruptur eines Aneurysmas führt fast immer zum hypovolämischen Schock und, je nach Lage und Ausbreitung, zu vielen anderen – z. T. auch irreführenden – Symptomen. Bei den traumatischen Aortenrupturen ist die Aorta descendens aufgrund ihrer anatomischen Verhältnisse am häufigsten betroffen.

Symptome Ruptur der Aorta: • thorakale – plötzlich einsetzender massiver Thoraxschmerz (DD: Herzinfarkt)

• •

– massiver bohrender Schmerz mit Vernichtungscharakter, dessen Intensität plötzlich abnehmen kann – Dyspnoe, Schockzeichen abdominale Ruptur der Aorta: – meist plötzlich einsetzende, stechende Bauch- und Rückenschmerzen, z. T. in Flanke und Leiste ausstrahlend (DD: Nierenkolik, akute Ischialgie) – Schockzeichen mögliche weitere Symptome: – Blutdruckdifferenzen zwischen oberen und unteren Extremitäten (Pulse der Beine oft nicht tastbar), periphere Ischämie, evtl. Unfähigkeit, die Beine zu bewegen – Ischämie verschiedener Organe (je nachdem, ob und welche abgehenden Aortenäste durch eine Dissektion oder ein Hämatom verschlossen werden)

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Aortenruptur. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper leicht angehoben

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

venöser Zugang

möglichst mindestens 2 großlumige Zugänge

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

▪ beruhigender Zuspruch ▪ ggf. Intubation und Beatmung

207

Aortenaneurysmaruptur... Apoplexie (Hirninsult, Stroke, Schlaganfall)

A

Medikamentöse Maßnahmen bei Aortenruptur. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

500–1000 ml

500 ml Ringer-Lactat

kolloidale Lösung

500–1000 ml i. v.

500 ml Gelifundol, HAES steril

weitere Volumengabe in Abhängigkeit von der Kreislaufsituation Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

2,5–5 mg Midazolam

Analgesie Antiemetika

Morphin

2,5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

Dimenhydrinat

31–62 mg i. v.

Blutdrucksenkung (bei anhaltender Hypertonie), Zieldruck 80–120 mmHg

½–1 Amp. Vomex A

Glyceroltrinitrat

0,8 mg s. l.

2 Hübe NitrolingualSpray

Urapidil

25–50 mg i. v.

Ebrantil 25 mg

Zügiger Transport in nächstgeeignete Klinik (am besten kardiochirurgisches Zentrum mit Herz-Lungen-Maschine).

25.10 Apoplexie (Hirninsult, Stroke, Schlaganfall) s. a. Subarachnoidalblutung (S. 387)

Definition und Ursachen Akut auftretende neurologische Ausfallerscheinung, die durch eine Zirkulationsstörung des Gehirns ausgelöst wird. Durch Hirninfarkt (> 80 %) oder Hirnblutung bedingt, Differenzierung ist ohne zerebrale Bildgebung (CCT oder MRT) nicht sicher möglich: Hirninfarkt (ischämischer Insult): – meist thromboembolischer Verschluss einer arteriosklerotisch vorgeschädigten Hirnarterie (bei 45 % der Fälle A. carotis interna, bei 25 % A. cerebri media) – relativ häufig auch kardiale Embolien (z. B. bei Vorhofflimmern) Hirnblutung (hämorrhagischer Insult): – am häufigsten Ruptur eines meist angeborenen Hirnarterienaneurysmas – hypertone Massenblutung als Folge einer chronischen Hypertonie

• •

Symptome Die Symptome einer zerebralen Durchblutungsstörung hängen in erster Linie vom betroffenen Gefäßgebiet ab. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Krankheitsbildern sind fließend, eine exakte Diagnose vor Ort ist in der Regel nicht möglich.

208

Apoplexie (Hirninsult, Stroke, Schlaganfall)

A

Ischämie. Neurologische Ausfallerscheinungen, die sich nur flüchtig zeigen, d. h. sich wieder spontan zurückbilden, wurden früher als TIA (transitorische ischämische Attacke, Rückbildung innerhalb von 24h) bezeichnet. Heutzutage wird der Begriff PRIND (prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit) bevorzugt. Ein PRIND kann sich bemerkbar machen durch: kurzfristigen Visusverlust (Amaurosis fugax) flüchtiges sensomotorisches Halbseitensyndrom Aphasie blitzartiges Hinstürzen mit oder ohne Bewusstseinsverlust (drop-attacks)

• • • •

!

Da sich bei einem PRIND in der MRT > 50 % bildmorphologische Korrelate nachweisen lassen, ist das PRIND mit einem ischämischen Schlaganfall gleichzusetzen und hat immer Notfallcharakter.

Ein ischämischer Insult zeigt am häufigsten das Bild einer Hemiplegie und/oder Aphasie. plötzliche Kraftminderung der Extremitäten einer Körperseite, Hemiparese plötzliches sensibles Hemisyndrom plötzliche Gesichtslähmung, Fazialisparese (z. B. hängender Mundwinkel) plötzliche Sprach- oder Sprechstörungen wie – verwaschene Sprache, Dysarthrie (z. B. Nuscheln) – Wortfindungsstörungen – keine Sprachproduktion, Aphasie plötzliche Sehstörungen wie – Doppelbilder – Gesichtsfeldausfall – Hemianopsie Übelkeit und Erbrechen Schwindel, Gleichgewichtsstörungen Kopfschmerzen Vigilanzstörungen bis zum Koma

• • • • • • • • •

F A S T •••

Face Gesicht einseitig gelähmt?

Arms Armbewegung eingeschränkt?

•••

Speech Sprache verwaschen?

Time Keine Zeit verlieren! 112

209

Apoplexie (Hirninsult, Stroke, Schlaganfall)

A

Klinik des ischämischen Schlaganfalls nach Gefäßterritorien (typische Konstellationen). Lokalisation Mediainfarkt

Typische Symptomatik

▪ brachiofazial betonte Hemiparese und Sensibilitätsausfälle kontralateral ▪ bei kortikaler Läsion zusätzlich neuropsychologische Ausfälle: – Infarkt links: Aphasie. Cave: kann als Verwirrtheit fehlgedeutet werden – Infarkt rechts: Anosognosie, Neglekt

Anteriorinfarkt Posteriorinfarkt

▪ beinbetonte Hemiparese ▪ bei bilateraler Läsion neuropsychologische Defizite ▪ kontralaterale Hemianopsie, oft von Patienten unbemerkt ▪ bilaterale Läsion: kortikale Blindheit mit erhaltener Licht- und Konvergenzreaktion. Cave: Basilarisspitzensyndrom

Hirnstamminfarkte

Basilaristhrombose

▪ regelhaft ipsilaterale Hirnnervenausfälle mit kontralateralen Paresen oder Sensibilitätsstörungen ▪ Schwindel kann Leitsymptom sein ▪ klinisch Vielzahl abgrenzbarer Syndrome ▪ Hemi- oder Tetraparese ▪ Bewusstseinsstörung ▪ bilaterale Pyramidenbahnzeichen ▪ Hirnnervenausfälle (oft bilateral) ▪ Schwindel und Nystagmus ▪ Übelkeit und Erbrechen ▪ (bilaterale) kortikale Blindheit ▪ okzipitaler Kopfschmerz

Blutung. Bei einer intrazerebralen Blutung treten die Symptome in der Regel akut und heftig in Erscheinung in Form von meist plötzliche Bewusstseinsstörung ohne Prodrome ausgeprägten Herdsymptomen evtl. Hirndruckzeichen

• • •

!

Andererseits können kleine Einblutungen oft sehr symptomarm verlaufen.

Diagnostische und therapeutische Maßnahmen Eine eindeutige Diagnosesicherung, insbesondere der Ausschluss einer intrazerebralen Blutung oder die Differenzierung zwischen einer TIA und einem Schlaganfall, ist nur durch eine Bildgebung (CT/MRT) sicher möglich. Folglich soll die präklinische Diagnostik nur der raschen Erkennung von Schlaganfallsymptomen dienen und möglichst kurzgehalten werden. Vor allem in den ersten

210

Apoplexie (Hirninsult, Stroke, Schlaganfall)

A

Stunden nach Auftreten der Symptome ist Zeit der wichtigste Faktor in der Behandlung des akuten Schlaganfalls. Eine systemische klinische Lyse wird aktuell in den ersten 4,5 Stunden nach Symptombeginn empfohlen, wobei der Behandlungseffekt zeitabhängig ist und die Lyse mit jeder Minute, mit der sie früher beginnt, effektiver ist. „time is brain“ Verweildauer am Einsatzort möglichst auf 10–15 Minuten beschränken schnelle Stabilisierung der Vitalfunktionen und zügiger Transport (RTH erwägen !) in eine Stroke Unit (sollte keine zertifizierte Stroke Unit mittelbar erreichbar sein, ist ein Krankenhaus mit 24-Stunden-Verfügbarkeit einer Computertomografie anzufahren)

• • •

Basismaßnahmen bei Apoplexie. Maßnahme

Details

Vitalfunktionen sichern

bei unzureichender Spontanatmung Intubation und Beatmung

Lagerung

Therapeutisches Szenario

▪ bewusstloser Patient: stabile Seitenlage ▪ sonst flach oder, wenn RR

> 140 mmHg, Oberkörper erhöht (30°)

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

2–4 l O2/min

venöser Zugang

auf der nicht betroffenen Seite !

Ringer-Lactat

Beruhigung Diagnostik

beruhigender Zuspruch

▪ BZ-Sticks (Ausschluss akute Hypoglykämie als wichtigste DD) ▪ Temperatur messen

211

A

Apoplexie (Hirninsult, Stroke, Schlaganfall) Medikamentöse Maßnahmen bei Apoplexie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution (ab einem RR < 140 mmHg)

kristalloide Lösung

500 ml

500 ml Ringer-Lactat

Antihypertensiva (bei RR systol. > 220 mmHg oder RR diastol. > 120 mmHg)

Urapidil

12,5–25 mg i. v.

Ebrantil 12,5–25 mg (Leitlinie 10-50 mg)

0,8 mg s. l.

1–2 Hübe Nitrolingual-Spray

oder Glyceroltrinitrat

keine forcierte RR-Senkung unter 180/90 mmHg, Blutdruckstabilisierung auf hohem Niveau anstreben ! bei ausgeprägter Hypotonie

50–100 mg (1 Amp. = 2 ml = 200 mg)

¼–½ Amp. Akrinor

Dobutamin

2–20 μg/kg KG/min

Dobutamin Perfusor 250 mg/ 50 ml, 2–12 ml/h

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

Theophyllinderivate: Akrinor

ggf.

Sedierung

oder Diazepam

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Valium

Glukose (bei Blutzucker < 80 mg/dl)

Glukose 10 %

40–100 ml i. v.

Zielwerte: Nichtdiabetiker 120 mg%, Diabetiker 200 mg%

Temperatursenkung (bei Temp. > 37,5 °C)

Wadenwickel, Antipyretika (z. B. Paracetamol)

Zügiger Transport in nächstgeeignete Klinik mit CT/Stroke Unit!

Differenzialdiagnose Wichtigste DD ist die akute Hypoglykämie, die sich sowohl mit Bewusstseinsstörungen als auch mit Krampfanfällen oder fokalen neurologischen Symptomen manifestieren kann, deshalb immer sofort BZ-Bestimmung!

212

Aspiration

A

25.11 Aspiration Aspiration bei Kindern s. S. 539 Bolusgeschehen (s. S. 229)

Definition und Ursachen Eindringen von Fremdmaterial (Fremdkörper oder körpereigene Materialien wie Blut oder Erbrochenes) in den Tracheobronchialtrakt. In der Notfallmedizin in erster Linie durch das Erlöschen der Schutzreflexe, z. B. bei Bewusstseinsstörungen, bedingt. Werden die gesamten oberen Luftwege durch Fremdkörper verlegt, so spricht man von einer Bolusverlegung (s. S. 229). Neben der akuten Bedrohung durch unzureichende Atmungsfähigkeit kann die Aspiration, je nach Art des aspirierten Materials, zu Schädigungen des Lungenparenchyms und zu schweren Lungenentzündungen führen.

Symptome Bei inkompletter Verlegung der Atemwege

▪ Atemnot ▪ evtl. Hustenreiz ▪ evtl. brodelndes, pfeifendes Atemgeräusch ▪ evtl. zunehmende Zyanose ▪ evtl. Atemstillstand

!

Bei kompletter Verlegung der Atemwege

▪ Atmen, Husten, Sprechen nicht möglich, Atemstillstand ▪ rasche Zyanose ▪ evtl. Atemstillstand

Eine Aspiration kann aber auch klinisch stumm verlaufen !

213

A

Aspiration Vorgehen bei inkompletter Verlegung der Atemwege bei Erwachsenen

Husten, Sprechen ist noch möglich inkomplette Verlegung der Atemwege Patient zum Husten auffordern Schläge auf den Rücken

Position einnehmen lassen, in der der Patient am besten atmen kann Sauerstoffgabe Beruhigung (Quelle: Müller S, Kern R. Kleiner Brocken – fatale Wirkung – Bolusgeschehen richtig behandeln. retten! 2012; 1; 54–62)

214

Aspiration

A

Vorgehen bei kompletter Verlegung der Atemwege bei Erwachsenen

Atmen, Husten, Sprechen nicht möglich rasche Zyanose komplette Verlegung der Atemwege Manöver zur Fremdkörperentfernung (plötzliches Erhöhen des intrathorakalen Drucks)

Patient bei Bewusstsein

Schläge auf den Rücken + Heimlich-Manöver

bei Bewusstlosigkeit CPR (Quelle: Müller S, Kern R. Kleiner Brocken – fatale Wirkung – Bolusgeschehen richtig behandeln. retten! 2012; 1; 54–62)

215

A

Aspiration Asthma bronchiale Therapeutische Maßnahmen Therapeutische Maßnahmen bei Aspiration. Maßnahme

Details

Lagerung bei ausreichender Atmung

▪ stabile Seitenlage ▪ beim bewusstseinsklaren Patienten auch

Atemwege

▪ bei vitaler Bedrohung und Verdacht auf

Therapeutisches Szenario

sitzende Position möglich

Fremdkörperaspiration: Heimlich-Handgriff ▪ Atemwege frei machen durch – Überstrecken des Kopfes in stabiler Seitenlage – digitale Ausräumung des MundRachen-Raums – Absaugung unter laryngoskopischer Sicht Sauerstoff weitere Maßnahmen

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

▪ möglichst Intubation (insbesondere bei unzureichender Spontanatmung) und endotracheale Absaugung ! ▪ Magensonde

25.12 Asthma bronchiale Asthma bronchiale bei Kindern s. S. 541

Definition und Ursachen Akuter Anfall von Atemnot, hervorgerufen durch eine ganz oder teilweise reversible Atemwegsobstruktion infolge von bronchialer Übererregbarkeit mit Bronchospasmus, übermäßiger Schleimsekretion und Bronchialwandödem. Diese pathophysiologischen Vorgänge bewirken einen massiven Anstieg des Strömungswiderstands in den Atemwegen, sodass die Lungen- und Thoraxelastizität für eine genügende Exspiration nicht mehr ausreichen.

216

Asthma bronchiale

A

Symptome auftretende Atemnot, evtl. nach bekannten auslösenden Faktoren • anfallsartig Beginn häufig Hustenreiz • zu verlängerte • evtl. Stridor Exspiration • Tachykardie und Hypertonie • Unruhe, Angst, Schwitzen • prall gefüllte Halsvenen als Zeichen der Rechtsherzbelastung • Alarmsymptome für einen lebensbedrohlichen Asthmaanfall sind: rasch zunehmende Atemnot hochgradige Angst Schwächezustand blaugraues Hautkolorit Bradykardie und Pulsus paradoxus (Abfall des systol. RR während der Inspiration um mehr als 10 mmHg) Bewusstseinsverlust Atemgeräusch auskultatorisch fast nicht mehr wahrnehmbar (Silent Lung)

• • • • • • •

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Asthma bronchiale. Maßnahme Lagerung

Details

Therapeutisches Szenario

▪ mit erhöhtem Oberkörper, nach Möglichkeit sitzend ▪ Aufstützen der Arme ermöglichen

(zum Einsatz der Atemhilfsmuskulatur)

Sauerstoff

▪ über Nasensonde/Maske ▪ DD: bei schwerer COPD O2-Gabe

2–4–10 l O2/min Ziel: SaO2 > 92 %

mit Vorsicht (CO2-Atemantrieb !)

weitere Maßnahmen

▪ venöser Zugang ▪ Beruhigung

217

A

Asthma bronchiale Medikamentöse Maßnahmen bei Asthma bronchiale. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Aerosole (sofern noch möglich und nicht bereits zu häufig vom Patienten durchgeführt [Pulsfrequenz < 130/min] bzw. über Verneblermaske) β2-Sympathikomimetika als Aerosol

Anticholinergika als Aerosol

Salbutamol

1 Hub = 0,1 mg

2–4 Hübe Sultanol

Fenoterol

1 Hub = 0,1 mg

2–4 Hübe Berotec N 100 μg

Ipratropium

Ipratropiumbromid 0,5 mg durch Vernebelung bzw. 4 Hübe à 20 μg aus einem Dosier-Aerosol, Wiederholung alle 30–60 min

Atrovent 250 μg/ 2 ml Fertiginhalat bzw. Atrovent 500 μg/ 2 ml Fertiginhalat bzw. Atrovent N DA 20 μg/Hub

Salbutamol

Verneblung einer Lösung mit 2,5 mg Salbutamol

Salbutamol Fertiginhalat (2,5 ml = 1,25 mg Salbutamol) 2 Amp.

Salbutamol + Ipratropium

Vernebelung einer Lösung mit 0,5 mg Ipratropiumbromid + 2,5 mg Salbutamol, Wiederholung alle 30–60 min

Salbutamol Fertiginhalat (2,5 ml = 1,25 mg Salbutamol) + Atrovent 250 μg/2 ml über Verneblermaske

oder

alternativ β2-Sympathikomimetika inhalativ

oder β2-Sympathikomimetika + Anticholinergika

218

Asthma bronchiale Indikation

Medikament

Dosierung

A

Beispiel

Schwerer Asthmaanfall oder Status asthmaticus → parenterale Medikamentenapplikation Kortikoide

Prednisolon

50–250 mg i. v.

Solu-Decortin H 250 mg

80–250 mg i. v.

Urbason solubile forte 250 mg

40–100 mg i. v.

1 Amp. = 5 ml = 40 mg Fortecortin oder 1 Amp. = 10 ml = 100 mg Fortecortin

0,09 mg i. v.

1 Amp. = 1 ml = 0,09 mg Bronchospasmin langsam injizieren

Terbutalin

0,5 mg s. c.

1 Amp. = 1 ml = 0,5 mg Bricanyl

Theophyllin

5 mg/kg KG i. v., wenn nicht vorbehandelt, 3 mg/kg KG, wenn vorbehandelt

1–2 Amp. Euphylong oder 1–2 Amp. Solosin (1 Amp. = 10 ml = 0,2 mg)

Magnesiumsulfat

Magnesiumsulfat 2 g i. v.

1 Amp. Cormagnesin 400 sehr langsam (20 min) i. v.

oder Methylprednisolon

oder Dexamethason

bei unzureichendem Effekt erwägen: β2-Sympathikomimetika

Reproterol

oder

Theophyllin

219

Asthma bronchiale Augenverletzungen

A

Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Sedierung (vorsichtig !), möglichst vermeiden: Atemdepression, vermindertes DyspnoeEmpfinden

Midazolam

1,25–2,5 mg i. v.

1,25–2,5 mg Midazolam

25–50 mg i. v.

½–1 Amp. Atosil

oder Promethazin

Bei Therapieresistenz, z. B. Status asthmaticus, zunehmende Zyanose bzw. Erschöpfung des Patienten Intubation und Beatmung

s. a. Narkoseschema (S. 161)

Ketaminnarkose

S-Ketamin

initial 0,5–1 mg/kg KG i. v., bei Bedarf bis 2,5 mg/kg KG i. v.

50–100 mg Ketanest S

evtl. zusätzlich Midazolam

5–10 mg i. v.

5–10 mg Midazolam

ggf. Muskelrelaxation mit Succinylcholin

1 mg/kg KG i. v.

1 Amp. = 5 ml = 100 mg Lysthenon 2%

25.13 Augenverletzungen s. a. Glaukomanfall (S. 253)

Definition, Ursachen und Symptome Die häufigsten Verletzungsarten im Augenbereich sind: mechanische Verletzungen – Fremdkörper im Auge (ohne Penetration) – penetrierende/perforierende Verletzungen – stumpfe Verletzungen (Contusio bulbi) Verbrennungen/Verätzungen

• •

220

Augenverletzungen

A

Häufigste Verletzungsarten im Augenbereich. Art der Verletzung

Beispiele

Symptomatik

Fremdkörper ohne Penetration

kleine Fremdkörper wie z. B. Staubkörner, Rost, Ruß oder kleine Insekten

▪ Augenreizung

▪ werden meist von

penetrierende Verletzungen (können Hornhaut, Bindehaut und Augenadnexe betreffen)

Glassplitter von Windschutzscheiben oder Brillengläsern, Metallsplitter, Feuerwerkskörper

▪ wie oben, Schmerz

▪ Oberkörper hochlagern ▪ sterile Abdeckung:

stumpfe Verletzungen (Contusio bulbi)

Tennis-/ Squash-Ball, Schlägerei, Autounfall

▪ wie oben, ins-

(starke Reizung möglich bei etwas größeren oder unter einem Augenlid festgesetzten Fremdkörpern) ▪ Tränen ▪ Schmerz ▪ Blepharospasmus (Lidkrampf) ▪ Lichtscheu

kann bei glatter Perforation weitgehend fehlen ! ▪ akute Bedrohung des Sehvermögens möglich (primär durch die Verletzung direkt, sekundär durch Infektion, Sekundärglaukom u. a.)

Vorgehen

selbst durch die Tränenflüssigkeit aus dem Auge herausgespült ▪ Entfernung mittels Augenspülung (s. u.) vor Ort, außer wenn die Art des Fremdkörpers unklar ist oder er aus Metall, Holz oder einem anderen harten Material besteht

beide Augen locker mit sterilen Mullkompressen abdecken (Ruhigstellung der Augen) ▪ ggf. venöser Zugang

besondere Schmerz ▪ einfache Prellung bis hin zur Orbitafraktur und Schädelbasisbruch möglich

221

A

Augenverletzungen Art der Verletzung

Beispiele

Verätzungen

Laugen (z. B. Waschmittel, ungelöschter Kalk, Chemikalien) oder Säuren (z. B. Batteriesäure, Reinigungsmittel)

▪ wie oben, Schmerz oft sehr stark ▪ Sehstörungen bis

Stichflamme, heiße Dämpfe oder Gase, kochendes Wasser, heißes Fett/Öl, glühendes Metall

▪ wie oben, Schmerz oft sehr stark ▪ Sehstörungen bis

Verbrennungen/ Verbrühungen

Symptomatik

hin zum totalen Sehverlust ▪ rotes Auge – leichte Verätzung: Bindehaut teils hyperämisch (rot), teils ischämisch (blass) – schwere Verätzung: partielle oder totale Hornhauttrübung („gekochtes Fischauge“)

Vorgehen

▪ bei Kalkverätzun-

gen: zunächst Entfernung aller sichtbaren Kalkpartikel möglichst trocken (Tupfer, Wattestäbchen) ▪ ausgiebige Augenspülung (s. u.)

sofortige, ausgiebige Augenspülung (s. u.)

hin zum totalen Sehverlust

Therapeutische Maßnahmen Keine unnötigen Manipulationen am Auge, präklinische spezifische Therapie nur bei Verdacht auf nicht penetrierenden Fremdkörper → evtl. Versuch der Entfernung Augenverätzung und Augenverbrennung → sofortige Augenspülung

• •

222

Augenverletzungen

A

Maßnahmen bei Augenverletzungen. Vorgehen

Medikament

Dosierung

Beispiel

Augenspülung ggf. Lokalanästhesie

Vorbereitung

Vorgehen

Oxybuprocain

Conjuncain-EDO 1–2 Trpf. eintropfen

notfalls Lidocain

Xylocain 1–2 Trpf. eintropfen

▪ grobe Partikel mit Kompressenzipfel oder Wattestäbchen entfernen ▪ Kopf zur Seite des erkrankten Auges hin drehen lassen ▪ Auge durch Helfer öffnen und offen halten lassen ▪ Flüssigkeit

– Wasser (z. B. unter laufendem Wasserstrahl am Waschbecken) – Ringer-Lösung (z. B. über Infusionsschlauch) – Isogutt mit Spülflasche/Spülbeutel ö.Ä ▪ Flüssigkeit ausgiebig über Hornund Bindehaut laufen lassen ▪ gezieltes Nachspülen der Bindehautumschlagsfalten mit 10- oder 20-ml-Spritze mit aufgesetzter Plastikverweilkanüle, dazu ggf. Oberlid ektropionieren ▪ Fortführung der Spülung auch während des Transports zur (Augen-)Klinik

223

A

Augenverletzungen Vorgehen

Medikament

Dosierung

Beispiel

Ektropionieren Nicht ektropionieren bei Verdacht auf perforierenden Verletzungen ! ggf. Lokalanästhesie (bei ausgeprägtem Blepharospasmus)

Vorgehen

Oxybuprocain

Conjuncain-EDO 1–2 Trpf. eintropfen

notfalls Lidocain

Xylocain 1–2 Trpf. eintropfen

▪ Patient nach unten blicken lassen ▪ Wimpern des Oberlids mit der

einen Hand nach unten vom Bulbus wegziehen ▪ gleichzeitig mit der anderen Hand mit einem Stäbchen (Streichholz, Wattestäbchen ö. Ä.) das Oberlid oberhalb des Lidknorpels eindrücken und durch Zug an den Wimpern über das Stäbchen nach oben klappen ▪ Stäbchen herausziehen, Patienten Blickbewegungen in alle Richtungen machen lassen

Medikamente ggf. Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

2,5–5 mg Midazolam

ggf. Analgesie

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

alternativ S-Ketamin

224

alternativ 0,125–0,25 mg/ kg KG i. v.

10–20 mg Ketanest S

Beinahe-Ertrinken/Ertrinkungsunfall

26

B

B

26.1 Beinahe-Ertrinken/Ertrinkungsunfall Ertrinkungsunfälle betreffen überwiegend Kinder unter 4 Jahren (Ertrinkungsunfall bei Kindern s. S. 548).

Definition Verlegung der Atemwege nach Untertauchen im Wasser oder in anderen Flüssigkeiten. Führt dieses Ereignis zum Tod, spricht man vom Ertrinken, kommt es zu einer lebensbedrohlichen Notfallsituation vom Beinahe-Ertrinken. Ertrinken und Beinahe-Ertrinken können mit und ohne Flüssigkeitsaspiration einhergehen („trockenes“ und „feuchtes“ Ertrinken). Eine Unterscheidung zwischen Süß- und Salzwasserertrinken ist nicht mehr relevant und klinisch bedeutungslos.

Pathophysiologie ist primär die akute Hypoxämie und nicht die Aspiration ! Auch • Lebensbedrohlich beim „feuchten“ Ertrinken hat die Menge des aspirierten Wassers normalerweise eine Größenordnung, in der sie von den Alveolen problemlos resorbiert werden kann

ohne Aspiration: reflektorischer Atemstillstand beim Eintauchen • Ertrinkungsunfall des Kopfes unter Wasser und reflektorischer Glottisschluss beim Eindringen von Wasser in den Kehlkopfbereich

mit Aspiration: bei mehr als 2 l führt Süßwasser durch seinen nied• Ertrinkungsunfall rigen osmotischen Druck zu Hypervolämie und Hämolyse, Salzwasser durch seinen hohen osmotischen Druck zu Lungenödem, Hypovolämie und Hämokonzentration

und Hypoxie: vor der Abkühlung entwickelt sich beim Erwachsenen • Abkühlung meist der Kreislaufstillstand Beim Ertrinkungsunfall ist besonders zu beachten, dass ein anderes gravierendes Krankheitsbild (z. B. Herzinfarkt, epileptischer Anfall) die Ertrinkungssituation ausgelöst haben kann die Hypoxietoleranz aufgrund der meist einsetzenden Unterkühlung deutlich vergrößert sein kann sich nach Minuten bis Stunden, im Rahmen eines akuten Lungenschädigungssyndroms (ARDS = acute respiratory distress syndrome), ein schweres Lungenödem ausbilden und zum „sekundären Ertrinken“ führen kann

• • •

Symptome Angst, Erregung • panische unregelmäßige Atmung • angestrengte, Apnoe, Zyanose • Bewusstlosigkeit, eines Lungenödems • Zeichen Krämpfe • Kreislaufstillstand • Hypothermie •

225

B

Beinahe-Ertrinken/Ertrinkungsunfall Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Ertrinkungsunfällen. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

▪ konsequente horizontale Lagerung bei Rettung ▪ in Abhängigkeit vom Bewusstseinszustand ▪ Flachlagerung oder stabile Seitenlage

Atemwege

▪ Atemwege freimachen/freihalten ▪ kein Entfernen von Wasser aus der Lunge

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

▪ Entleerung des Magens mit Magensonde ▪ Hypothermie verhindern (nasse Kleidung ausziehen !) ▪ frühzeitige Intubation und PEEP-Beatmung

Medikamentöse Maßnahmen bei Ertrinkungsunfällen. Indikation

Medikament

Reanimation

s. S. 137

Zeichen eines Lungenödems

Furosemid

Dosierung

Beispiel

20–40 mg i. v.

2 Amp. Lasix (à 20 mg) i. v.

Reanimation bei Ertrinkungsunfall (Besonderheiten)

Herzdruckmassage im Wasser, ggf. aber bereits mit der Beatmung be• keine ginnen horizontale Lagerung bei Rettung • konsequente Entfernung von Wasser aus der Lunge • keine frühzeitige Intubation PEEP-Beatmung • Entleerung des Magensund mit Magensonde • Hypothermie beachten und behandeln •

226

Blitzunfall

B

26.2 Blitzunfall s. a. Elektrounfall (S. 239)

Definition Relativ seltener Notfall mit hoher Mortalität (30–50 %); Sonderfall eines Hochspannungsunfalls mit Strömen größter Stromstärke und kürzester Einwirkzeit. Personen sind entweder betroffen durch direkten Einschlag oder durch Überspringen (Schrittspannung) bei Einschlag in nächster Nähe. Neben den direkten Stromeinwirkungen mit vorwiegend thermischen Schäden treten häufig auch zusätzliche Schäden durch die explosionsartigen Druckwellen (Stoß- und Ultraschallwellen) auf.

Charakteristik eines Blitzunfalls ca. 3–200 Millionen Volt Gleichstrom • Spannung: ca. 100.000–200.000 Ampere • Stromstärke: Mikro- bis Millisekundenbereich (0,0001–0,003 s) • Einwirkzeit: Temperatur: mehrere °C • Druck: mehrere 10.00010.000 Kilopascal im Blitzkanal • Durchmesser der Entladung: ca. 1 cm • Stromabfluss: hauptsächlich über die Körperoberfläche (flashover) zum Boden •

Symptome Blitzeinschlag: • direkter – sofortige Bewusstlosigkeit bei Durchströmung des Kopfes



– Herzstillstand, Kammerflimmern bei Herzbeteiligung – Atemstillstand durch Muskelkontraktionen – Sehstörungen, Trommelfellperforationen – schwere Verbrennungen – farnkrautartige Hautveränderungen („Lichtenberg-Blitzfiguren“) – stumpfe Verletzungen an Rumpf und Extremitäten indirekter Blitzeinschlag (Schrittspannung): – Bewusstseinsstörungen (Desorientiertheit, Amnesie, Erregung) – primäre oder sekundäre Bewusstlosigkeit – zerebrale Krampfanfälle – Herzrhythmusstörungen bis hin zum Kammerflimmern – Missempfindungen, Paresen – Hypotension, Schock

Therapeutische Maßnahmen Patient kann gefahrlos berührt werden !

227

B

Blitzunfall Therapeutische Maßnahmen bei Blitzunfall. Maßnahme Lagerung

Details

Therapeutisches Szenario

▪ in Abhängigkeit vom Bewusstseinszustand ▪ stabile Seitenlage oder Schocklage

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–8 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

▪ ständige Überwachung von Puls, RR und EKG, Defibrillationsbereitschaft ▪ ggf. Intubation und Beatmung ▪ steriles Abdecken von Brandwunden ▪ Schutz vor Unterkühlung

Medikamentöse Maßnahmen bei Blitzunfall. Indikation

Medikament

Reanimation

s. Reanimation S. 137, Defibrillation s. S. 103

Dosierung

Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

Beispiel

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

oder

Analgesie (ggf. mit antiemetischer Prophylaxe)

potenziell maligne Herzrhythmusstörungen (z. B. Couplets, Salven, polytope VES, Tachykardien)

228

Diazepam

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Valium

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

S-Ketamin

0,125–0,25 mg/kg KG i. v.

10–20 mg Ketanest S

Amiodaron

150 mg

1 Amp. 3 ml Cordarex langsam (mind. 3 min) i. v.

Metoprolol 5 mg i. v./ Esmolol 40 mg i. v.

Beloc 5 mg i. v./ Brevibloc 40 mg i. v.

oder

oder Metoprolol/ Esmolol

Bolusgeschehen (Bolusverlegung der oberen Luftwege)

B

26.3 Bolusgeschehen (Bolusverlegung der oberen Luftwege) s. a. Aspiration, Kindernotfälle (S. 539) Aspiration (S. 213)

Definition und Ursachen Extremste Form der Fremdkörperaspiration – durch den Fremdkörper werden die oberen Luftwege partiell oder komplett verschlossen. Der Fremdkörper findet sich meist im Oro- oder Hypopharynx. Das Bolusgeschehen tritt am häufigsten während des Essens auf: zu große Fleischbrocken mangelhaftes Kauen Reden während des Essens Herumlaufen mit vollem Mund verminderte Schutzreflexe unter dem Einfluss von Sedativa oder Alkohol

• • • • •

Symptome Atemnot • plötzliche zu sprechen und zu atmen • Unfähigkeit zunehmende Zyanose mit Entwicklung eines hypoxischen Kreislaufstillstands • inverse Atmung • evtl. auch sofortiger Kreislaufstillstand durch vasovagale Reflexe •

Therapeutische Maßnahmen Maßnahmen: • primäre – Kinder: Hochheben an beiden Beinen und Schläge auf den Rücken – bewusstseinsklare Erwachsene: zum kräftigen Husten auffordern, Schläge auf den Rücken im Stehen oder im Sitzen (4 harte, kurz hintereinander ausgeführte Schläge mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter) – Heimlich-Handgriff (s. S. 14)

Die Kombination von Schlägen auf den Rücken und Heimlich-Manöver ist effektiver als eine der beiden Maßnahmen alleine. Erfolglosigkeit: • bei – Kopftieflage

– Versuch der manuellen Fremdkörperentfernung: Austasten von Rachen- und Kehlkopfeingang, ggf. Einstellen des Pharynx und des Kehlkopfs mit dem Laryngoskop, falls Fremdkörper sichtbar, Entfernung mit der Magill-Zange

229

Bolusgeschehen (Bolusverlegung der oberen Luftwege)

B



– Versuch, durch kräftige Beatmung mit dem Beatmungsbeutel Luft an dem Fremdkörper vorbeizuschleusen bei Erfolglosigkeit: – Notkoniotomie (s. S. 80), Trachealpunktion (s. S. 82) – bei Herz-Kreislauf-Stillstand Herzmassage

Differenzialdiagnose Aufgrund des eindeutigen Hergangs werden lediglich bei reflektorischem Bolustod differenzialdiagnostische Schwierigkeiten auftreten, z. B. plötzlicher Herztod, Herzinfarkt. s. a. S. 230 Vorgehen bei kompletter Verlegung der Atemwege bei Erwachsenen

Atmen, Husten, Sprechen nicht möglich rasche Zyanose komplette Verlegung der Atemwege Manöver zur Fremdkörperentfernung (plötzliches Erhöhen des intrathorakalen Drucks)

Patient bei Bewusstsein

Schläge auf den Rücken + Heimlich-Manöver

bei Bewusstlosigkeit CPR (Quelle: Müller S, Kern R. Kleiner Brocken – fatale Wirkung – Bolusgeschehen richtig behandeln. retten! 2012; 1; 54–62)

230

COPD-Exazerbation

27

C

C

27.1 COPD-Exazerbation s. a. Asthma bronchiale (S. 216)

Definition und Ursachen Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist durch eine progrediente, wenig reversible Atemwegsobstruktion charakterisiert. Als eine der Hauptursachen gilt eine chronische Entzündungsreaktion der Lunge, die im Wesentlichen durch Nikotinabusus, aber auch durch die Exposition mit toxischen Partikeln oder Gasen hervorgerufen wird. Exazerbation häufig während der kalten Jahreszeit durch: virale oder bakterielle Infekte Luftverunreinigung (Smog) atemdepressive Medikamente Unfälle mit Thoraxbeteiligung Komorbidität z. B. kardialer Genese

• • • • •

Morbidität und Mortalität der COPD nehmen zu (in Deutschland schätzungsweise 3–5 Millionen Betroffene).

Symptome „AHA“-Symptome: Auswurf, Husten und Atemnot (meist chronisch seit Monaten oder Jahren, meist morgens nach dem Erwachen am stärksten) Zeichen einer Exazerbation/obstruktiven Krise: zunehmende Atemnot, Husten Zunahme von Menge und Viskosität des Sputums und/oder gelb-grüner Verfärbung des Auswurfs Engegefühl im Brustraum starke Ruhedyspnoe, Tachypnoe (> 25/min) exspiratorisches Giemen/Pfeifen/Brummen Zyanose

• • • • • •

Zeichen bei schwerster Obstruktion:

Atemgeräusch über der Lunge („silent lung“) • aufgehobenes Schläfrigkeit, fehlende Atemnot (als Folge der Hyperkapnie) • Desorientiertheit, Zyanose • ausgeprägte • Panik und Todesangst

Therapeutische Maßnahmen Sauerstoffgabe Sauerstoff ist bei exazerbierter COPD unverzichtbar. Patienten mit chronischer respiratorischer Globalinsuffizienz können jedoch durch eine Sauerstoffgabe mit einem akuten Anstieg des PaCO2 reagieren, der bis zur CO2-Narkose oder zum Atemstillstand führen kann.

231

C

COPD-Exazerbation Bei der exazerbierten COPD daher die Sauerstofftherapie vorsichtig beginnen: Sauerstoffzufuhr langsam steigern, bis eine Sauerstoffsättigung von 90% erreicht ist.

Basismaßnahmen bei COPD. Maßnahme Lagerung

Details

Therapeutisches Szenario

▪ mit erhöhtem Oberkörper, nach Möglichkeit sitzend ▪ Aufstützen der Arme ermöglichen (zum Einsatz der Atemhilfsmuskulatur)

Sauerstoff

▪ über Nasensonde/Maske ▪ DD: bei schwerer COPD

2–4–10 l O2/min Ziel: SaO2 > 90%

O2-Gabe mit Vorsicht (CO2-Atemantrieb!)

weitere Maßnahmen

▪ venöser Zugang ▪ Beruhigung

Medikamentöse Maßnahmen bei COPD. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Aerosole (sofern noch möglich und nicht bereits zu häufig vom Patienten durchgeführt, Pulsfrequenz < 130/min) β2-Sympathikomimetika inhalativ

Salbutamol

1 Hub = 0,1 mg

2–4 Hübe Sultanol

1 Hub = 0,5 mg

2–4 Hübe Aerodur

Fenoterol

1 Hub = 0,1 mg

2–4 Hübe Berotec N 100 μg

Ipratropium

Ipratropiumbromid 0,5 mg durch Vernebelung bzw. 4 Hübe à 20 μg aus einem Dosier-Aerosol, Wiederholung alle 30–60 min

Atrovent 250 μg/ 2 ml Fertiginhalat bzw. Atrovent 500 μg/ 2 ml Fertiginhalat bzw. Atrovent N DA 20 μg/Hub

oder Terbutalin oder

Anticholinergika inhalativ

232

COPD-Exazerbation Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

β2-Sympathikomimetika + Anticholinergika inhalativ

Salbutamol + Ipratropium

Vernebelung einer Lösung mit 0,5 mg Ipratropiumbromid + 2,5 mg Salbutamol, Wiederholung alle 30–60 min

Salbutamol Fertiginhalat (2,5 ml = 1,25 mg Salbutamol) + Atrovent 250 μg/ 2 ml über Verneblermaske; mindestens 10 Atemzüge inhalieren lassen, alle 10–15 min.

C

β2-Sympathikomimetika alternativ i. v. bzw. s.c. β2-Sympathikomimetika

Terbutalin

0,5 mg s.c.

1 Amp. = 1 ml = 0,5 mg Bricanyl

Reproterol

0,09 mg i. v.

1 Amp. = 1 ml = 0,09 mg Bronchospasmin langsam injizieren

Dexamethason

40–100 mg i. v.

1 Amp. = 5 ml = 40 mg Fortecortin oder 1 Amp. = 10 ml = 100 mg Fortecortin

50–250 mg i. v.

Solu-Decortin H 250 mg

Methylprednisolon

80–250 mg i. v.

Urbason solubile forte 250 mg

Theophyllin

4–5 mg/kg KG i. v., wenn nicht vorbehandelt, 2–3 mg/kg KG i. v., wenn vorbehandelt

1 Amp. Euphylong oder 1 Amp. Solosin (1 Amp. = 10 ml = 0,2 mg) z. B. als Kurzinfusion in 100 ml NaCl über 15 min i. v.

oder

Weitere Medikamente Kortikoide

oder Prednisolon oder

Theophyllin als „third-line“Medikation

233

C

COPD-Exazerbation Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Sedierung (vorsichtig!), möglichst vermeiden: Atemdepression, vermindertes DyspnoeEmpfinden

Midazolam

1,25–2,5 mg i. v.

1–3 mg Midazolam

25–50 mg i. v.

½–1 Amp. Atosil

oder Promethazin

Bei Therapieresistenz, zunehmender Zyanose bzw. Erschöpfung des Patienten nichtinvasive Beats. u. mung mit positivem Druck (NIPPV) Intubation und Beatmung

s. a. Narkoseschema S. 161

Ketaminnarkose

S-Ketamin

initial 0,5–1 mg/kg KG i. v., bei Bedarf bis 2,5 mg/kg KG i. v.

50–100 mg Ketanest S

evtl. zusätzlich Midazolam

5–10 mg i. v.

5–10 mg Midazolam

ggf. Muskelrelaxation mit Succinylcholin

1 mg/kg KG i. v.

1 Amp. = 5 ml = 100 mg Lysthenon 2%

Nichtinvasive Beatmung bei COPD Die ausgeprägte Dyspnoe bei der exazerbierten COPD führt zu einer stark gesteigerten Eigenatmung. Diese erhöht den Sauerstoffverbrauch durch die Atemmuskulatur, der aber nicht ausreichend gedeckt werden kann. Die Folge ist eine zunehmende Erschöpfung der Eigenatmung, die zu einer akuten Lebensbedrohung wird. Dieser Circulus vitiosus kann bei der akut exazerbierten COPD sehr erfolgreich durch nichtinvasive Atemunterstützungsverfahren durchbrochen werden. Zum einen kommt die Applikation von positivem Ausatemdruck („chronic positive airway pressure“, CPAP) über eine Maske zum Einsatz, noch effektiver ist bei der COPD aber die aktive Druckunterstützung der Eigenatmung über eine nichtinvasive Beatmung mit positivem Druck (NIPPV, NIV, s. a. S. 87). CO2-Narkose Bei Patienten mit chronisch erhöhtem CO2-Partialdruck (z. B. infolge chronischer Lungenerkrankungen) wird der Atemantrieb auch durch den pH-Wert und den Sauerstoffgehalt des Blutes reguliert. Eine Zufuhr von Sauerstoff kann diesen Atemantrieb soweit dämpfen, dass es zu einem weiteren Anstieg des CO2-Partialdrucks mit CO2-Narkose kommt.

234

Delirsyndrome

28

D

D

28.1 Delirsyndrome s. a. Alkoholentzugsdelir (S. 200)

Definition und Ursachen rückbildungsfähige Psychose, ausgelöst durch äußere Einflüsse, wie z. B. • Delir: – durch den Entzug oder die Verabreichung von Alkohol, von Medikamenten oder



Rauschmitteln – durch Veränderungen im Stoffwechsel (z. B. Hypo-/Hyperglykämie, Urämie, hepatische Enzephalopathie) – durch andere Erkrankungen (z. B. hohes Fieber, Meningitis, SHT, Hirntumor, Demenz) Prädelir: Symptome sind insgesamt noch nicht so stark ausgeprägt, vor allem tritt die Bewusstseinsstörung noch nicht in den Vordergrund

Symptome

• Prädelir: – körperlich-vegetative Erscheinungen (Schwitzen, Tachykardie, Temperaturerhö•

hung, Tremor) – Reizbarkeit, Ängstlichkeit, Unruhe – illusionäre Verkennungen, flüchtige Halluzinationen Delir: – Beginn typischerweise plötzlich abends oder in der Nacht, nicht selten Beginn mit einem zerebralen Krampfanfall ! – psychomotorische Unruhe (Nesteln, Umherirren) bis hin zu schweren Erregungszuständen – Halluzinationen (optische, akustische, sensible), Wahnbildung – Bewusstseinsstörung mit zeitlicher und örtlicher Desorientierung – vegetative Erscheinungen (Schwitzen, Tachykardie, Temperaturerhöhung, Hypotonie, Übelkeit) – hypoaktive Formen mit genereller Verlangsamung und Lethargie bis hin zu soporösen oder komatösen Bewusstseinszuständen

235

D

Delirsyndrome Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Delirsyndromen. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

den Bedürfnissen des Patienten anpassen

Infusion

venöser Zugang mit 500 ml Ringer-Lactat, falls möglich

weitere Maßnahmen

Ringer-Lactat

▪ Eigenschutz ▪ alles vermeiden, was Unruhe schafft und Halluzinationen provozieren kann ▪ verbale Beruhigung ▪ Kreislaufüberwachung ▪ Blutzuckerbestimmung

Medikamentöse Maßnahmen bei Delirsyndromen. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Valium

oder Diazepam

236

Antipsychose

Haloperidol

5–10 mg i. m.

1–2 Amp. Haldol i. m.

wenn orale Aufnahme möglich

Lorazepam

p. o.

Tavor Expidet 1 mg/ 2,5 mg

Dialyse-Notfälle

D

28.2 Dialyse-Notfälle Dialyse-Prinzip Dem Körper wird das zu reinigende arterielle Nadel venšse Nadel Blut entnommen. Dieses Blut wird V. cephalica über eine Pumpe durch den Filter (den „Dialysator“) und in einem Kreislauf zum Körper zurückgeführt. Um diese Blutentnahme regelmäßig (alle 2 Tage) zu ermöglichen, wird meist am Unterarm ein Shunt angelegt. Es handelt sich dabei um eine A. radialis End-zu-Seit-Anastomose Verbindung zwischen einer Arterie und einer Vene, dadurch wird ein ausreichend hoher Blutfluss in den Venen des Unterarms erreicht, der eine regelmäßige Blutentnahme und Punktion mit Dialysenadeln möglich macht.

Notfallsituationen Patientenprobleme. Dialysepatienten weisen prinzipiell die gleichen „normalen“ Krankheitsbilder wie jeder „normaler“ Patient auf, gehören insgesamt aufgrund ihrer meist zahlreicheren vorhandenen Grunderkrankungen (fast regelhaft Hypertonie und/ oder Herzinsuffizienz, sehr häufig Diabetes mellitus, sehr häufig Anämie) und den zusätzlichen Belastungen durch die Dialyse (Volumen- und Elektrolytschwankungen, Gefahr der Diätfehler, Shuntprobleme) zu Hochrisikopatienten. Besondere Krankheitsbilder ergeben sich aus Problemen wie Flüssigkeitsverschiebungen während der Dialyse (Übelkeit, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Muskelkrämpfe) Hypotonie im Rahmen der Dialysebehandlung Überwässerung, z. B. Herzinsuffizienz mit Lungenödem Elektrolytentgleisungen, z. B. Hyperkaliämie

• • • •

Shuntprobleme. Mögliche Probleme sind:

länger anhaltende Blutung nach Punktion (Kompressionsminimum • Shuntblutung: nach jeder Punktion: mindestens 5–15 min) Shuntverschluss: bemerkt der Patient, dass das „Sirren“ oder „Rauschen“ im • Shuntbereich nichtmeist mehr vorhanden ist der Shuntvene: lokale Infektion bis hin zur Shuntsepsis, ausgehend von • Infektion einer Punktionsstelle im Shuntbereich

Therapeutische Maßnahmen Infusionslösungen – abgesehen von echten Volumenmangelzuständen – zurückhaltend (nur zum Offenhalten des Venenweges) geben, damit es aufgrund der eingeschränkten Regulationsmechanismen des Dialysepatienten nicht zu einer akuten kardialen Dekompensation kommt. Isotone (kaliumfreie!) 0,9 % NaCl-Lösungen Ringer-Lactat vorziehen !

237

D

Dialyse-Notfälle Therapeutische Maßnahmen bei Dialyse-Notfällen. Maßnahme

Details

Patientenprobleme Verdacht auf Überwässerung/ Herzinsuffizienz/ Lungenödem hypertensive Krise Herzrhythmusstörungen, Verdacht auf Elektrolytstörungen

Shuntblutung Shuntverschluss Shuntinfektion

238

▪ Sauerstoffgabe ▪ bei ausreichendem RR: Nitrospray ▪ Diuretika in aller Regel nicht sinnvoll, da keine Ausscheidung vorhanden ▪ Transport zur sofortigen Dialyse ▪ Glyceroltrinitrat-Spray ▪ Verdachtsdiagnose Hyperkaliämie?

– Muskelschwäche, ‑schmerzen, Parästhesien, EKG-Veränderungen – solange nicht vital bedrohlich: Transport zur sofortigen Dialyse ▪ bei bedrohlichen Herzrhythmusstörungen erwägen: – Ca-Gluconat 10 % 10 ml über 5–10 min i. v., ggf. wiederholen – 250 ml Glukose 20 % + 20 IE Insulin (Wirkeintritt nach 20–30 min) – Salbutamol 10–20 mg über Verneblermaske – Transport zur sofortigen Dialyse

▪ manuelle Kompression ▪ anschließender Druckverband ▪ operative Korrektur notwendig ▪ in aller Regel Antibiose erforderlich ▪ Vorstellung des Patienten im Dialysezentrum

Elektrounfall

29

E

E

29.1 Elektrounfall s. a. Blitzunfall (S. 227)

Definition Direkter Körperschluss zwischen 2 Punkten, zwischen denen eine elektrische Spannung besteht. Da die Stromnetze in der Regel mit einem Leiter geerdet sind, genügt auch die Berührung der nicht geerdeten Phase, um einen Stromdurchfluss durch den menschlichen Körper hervorzurufen. Niederspannungsunfälle: Spannung < 1000 V, 80 % aller Stromunfälle, 3 % davon verlaufen tödlich Hochspannungsunfälle: Spannung > 1000 V, 20 % aller Stromunfälle, zu 30 % tödlich

• •

Die Folgen der Stromeinwirkung auf den menschlichen Körper sind abhängig von:

(Gleich-, Wechselstrom) • Stromart (Nieder-, Hochspannung) • Spannung (die im Haushalt üblichen 50 Hz sind für das Herz besonders gefähr• Stromfrequenz lich !) Widerstand an den Stromübertrittsstellen (z. B. Hautwiderstand an trockener, • dicker Haut ca. 10.000–20.000 Ohm, an dünner, feuchter Haut 110 Ohm) und Stromdichte (diese Werte sind wiederum von Spannung und Wi• Stromstärke derstand abhängig; die Stromstärke wird in Ampere [A] gemessen.Werte < 0,5 mA

• •

sind nicht spürbar, Werte > 15–25 mA rufen Muskelkontraktionen hervor, die ein selbstständiges Lösen aus dem Stromkreis meist unmöglich machen) Stromweg (liegen wichtige Organe, wie z. B. Herz, Gehirn, auf dem Stromweg?) Einwirkungszeit (je länger die Einwirkungszeit, desto größer die Schädigung)

Symptome Die Symptome sind von allen o. g. Faktoren abhängig und entsprechend variabel: Patient „klebt“ evtl. durch Muskelkrämpfe an der Stromquelle Bewusstseinsstörung bis Bewusstlosigkeit Tachykardie, Rhythmusstörungen evtl. Herz-Kreislauf-Stillstand (in ca. 70 % durch Kammerflimmern, in ca. 30 % durch Asystolie bedingt) Atemstillstand Verbrennungen I.–III. Grades (Strommarken)

• • • • • •

239

E

Elektrounfall Therapeutische Maßnahmen Eigensicherung:

einhalten: bis 30.000 V mindestens 1,5 m, bis 110.000 V • Sicherheitsabstände mindestens 2,0 m, bis 220.000 V mindestens 3,0 m, bis 380.000 V mindestens 4,0 m

des Stromkreises und Sicherung gegen Wiedereinschaltung durch • Abschalten Fachleute (Feuerwehr, E-Werk) der Spannungsfreiheit durch Fachleute • Überprüfen • Absicherung gegen unter Spannung stehende benachbarte Teile

Basismaßnahmen bei Elektrounfall. Maßnahme Lagerung

Details

Therapeutisches Szenario

▪ in Abhängigkeit vom Bewusstseinszustand ▪ Oberkörper hoch/stabile Seitenlage

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

▪ ständige Überwachung von Puls, RR und EKG, Defibrillationsbereitschaft ▪ ggf. Intubation und Beatmung ▪ steriles Abdecken von Brandwunden ▪ Schutz vor Unterkühlung

Medikamentöse Maßnahmen bei Elektrounfall. Indikation

Medikament

Reanimation

s. S. 137, Defibrillation s. S. 103

Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

Analgesie (ggf. mit antiemetischer Prophylaxe)

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

Beispiel

0,125–0,25 mg/kg KG i. v.

10–20 mg Ketanest S

oder S-Ketamin

240

Dosierung

Elektrounfall Epileptischer Anfall/Epilepsie (zerebrales Krampfleiden) Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

potenziell maligne Herzrhythmusstörungen (z. B. Couplets, Salven, polytope VES, Tachykardien)

Amiodaron

150 mg

1 Amp. 3 ml Cordarex langsam (mind. 3 min) i. v.

Metoprolol/ Esmolol

Metoprolol 5 mg i. v./Esmolol 40 mg i. v.

Beloc 5 mg i. v./Brevibloc 40 mg i. v.

Metoprolol/ Esmolol

Metoprolol 5 mg i. v./Esmolol 40 mg i. v.

Beloc 5 mg i. v./Brevibloc 40 mg i. v.

supraventrikuläre tachykarde Extrasystolie

E

oder

29.2 Epileptischer Anfall/Epilepsie (zerebrales Krampfleiden) s. a. zerebrales Koma (S. 334), Krampfanfall in der Schwangerschaft (S. 496), Krampfanfall bei Kindern (S. 553)

Definition Unspezifische Reaktion des Gehirns auf Störungen unterschiedlichster Genese in Form von: partiellen (fokale, lokale) Anfällen: nur einzelne Muskeln oder Muskelgruppen werden von den Krämpfen erfasst, sekundäre Generalisierung ist möglich generalisierten Anfällen: Anfälle breiten sich über den ganzen Körper aus

• •

Die Krampfanfälle können tonisch, d. h. mit lang dauernden Muskelkontraktionen, klonisch, d. h. mit schnell aufeinander folgenden Muskelzuckungen oder tonisch-klonisch auftreten. Für den notärztlichen Einsatz ist sicherlich in erster Linie der generalisierte klonisch-tonische Anfall (Grand mal) von Bedeutung, insbesondere wenn dieser droht, in einen anhaltenden Krampfstatus, den Status epilepticus, überzugehen.

Ursachen Die häufigsten Ursachen epileptischer Anfälle in den verschiedenen Altersgruppen sind: im Kindesalter: – Fieberkrämpfe (einfache oder komplizierte) – ZNS-Infektionen – Residualepilepsie (frühkindlicher Hirnschaden)



241

Epileptischer Anfall/Epilepsie (zerebrales Krampfleiden)

E







– idiopathische Epilepsie – angeborene Stoffwechselerkrankungen – neurokutane Malformationen (Phakomatosen) – Traumen 10.–25. Lebensjahr: – idiopathische Epilepsie – Residualepilepsie (frühkindlicher Hirnschaden) – Trauma – ZNS-Infektion – Angiom 25.–60. Lebensjahr (Spätepilepsie): – chronischer Alkoholismus – Drogen, inkl. Entzug – Medikamente, Entzug v.a. – Benzodiazepine – Sedativa – Medikamente, Einnahme von – Antidepressiva – Antibiotika – Kortikosteroide – Schlafmangel – Hirntumoren – Traumen – Residualepilepsie (frühkindlicher Hirnschaden) – Entzündungen (Vaskulitis, Enzephalitis) Jenseits des 60. Lebensjahres: – zerebrovaskuläre Erkrankungen – Hirnmetastasen

Symptome Anfälle: • fokale – Krämpfe einzelner Muskelgruppen, evtl. sich einseitig ausbreitend



• 242

– Sensibilitätsstörungen in begrenzten Körperregionen – Automatismen (z. B. Nesteln der Hände, Schmatzen) – Bewusstsein meist nicht gestört (Ausnahme: Absencen, psychomotorische Anfälle, komplexe partielle Anfälle) – Amnesie für das Anfallsereignis generalisierte Anfälle (Grand mal): – Initialschrei, Hinstürzen – meist weite, lichtstarre Pupillen – ca. 10–30 s tonischer Krampf mit Apnoe, dann klonischer Krampf (1–5 min) mit rhythmischen Zuckungen von Armen und Beinen – Zungenbiss – evtl. Einnässen, evtl. Schaum vor dem Mund nach dem Anfall: – Benommenheit, Desorientiertheit – Terminalschlaf – Amnesie für das Anfallsereignis

Epileptischer Anfall/Epilepsie (zerebrales Krampfleiden)

E

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Epilepsie. Maßnahme Lagerung

Details

Therapeutisches Szenario

▪ Selbstverletzung vermeiden ▪ bei Bewusstseinsstörung: stabile Seitenlage

Atemwege Sauerstoff weitere Maßnahmen

Atemwege frei machen/freihalten über Nasensonde/Maske

4 l O2/min

▪ Blutzuckerbestimmung (Ausschluss Hypoglykämie) ▪ bei Atemstillstand Beatmung, ggf. Intubation ▪ Temperaturmessung (Fieberkrampf?)

Bei fokalen Anfällen und einem einzelnen Grand-mal-Anfall ist keine weitere spezifische Therapie erforderlich !

Medikamentöse Maßnahmen bei Epilepsie. Indikation

Medikament

Dosierung

Verdacht auf Hypoglykämie

Glukose 40 %

50–100 ml Glukose 40 % i. v.

Anfallsbeendigung

Lorazepam buccal (für diese Indikation nicht zugelassen, aber sehr wirksam und oft praktischer als die rektale Applikation von Diazepam) i. v.

▪ Säuglinge: 0,5 mg ▪ Kleinkinder > 15 kg: 1 mg ▪ Schulkinder: 2,5 mg ▪ Erwachsene:

Beispiel

Tavor Expidet 1 mg/ 2,5 mg Plättchen buccal

2,5 mg

0,05–0,1 mg/kg KG i. v.

Tavor 1 Amp. = 2 mg 2–4 mg i. v. (2 mg/ min, ggf. wiederholen, max. 10 mg)

243

E

Epileptischer Anfall/Epilepsie (zerebrales Krampfleiden) Indikation

Medikament

Anfallsbeendigung

oder

Dosierung

Beispiel

5–10 mg langsam i. v.

1–2 Amp. Midazolam 5 mg/5 ml i. v.

Midazolam i. v. nasal (z. B. mit Zerstäubersystem)

▪ 0,4–0,5 mg/kg KG ▪ Maximaldosis

⅓–1 Amp. Midazolam 15 mg/3 ml nasal

15 mg

buccal

2,5–10 mg

Buccolam altersadaptiert 2,5–10 mg

i. m.

10–15 mg i. m.

⅔–1 Amp. Midazolam 15 mg/3 ml i. m.

oder Diazepam rektal (Wirkungseintritt nach ca. 2 min)

▪ Neugeborene: ▪ Rektiolen zu 5 und ½ Rektiole à 5 mg 10 mg Kleinkinder ▪ ▪ 1–2–4 Diazepam

< 15 kg: 1 Rektiole à 5 mg ▪ Kleinkinder > 15 kg: 1 Rektiole à 10 mg ▪ Schulkinder: 10–20 mg i. v. ▪ Erwachsene: 20–40 mg i. v.

244

0,25 mg/kg KG i. v. (5 mg/min, ggf. wiederholen, max. 30 mg)

Desitin rectal tube 10 mg

1–2(–3) Amp. Valium i. v.

Epileptischer Anfall/Epilepsie (zerebrales Krampfleiden) Indikation

Medikament

Anfallsbeendigung

oder

Dosierung

Beispiel

0,01–0,05 mg/kg KG

Rivotril 1 Amp. = 1 mg 1–2 mg i. v. (0,5 mg/ min, ggf. wiederholen, max. 6 mg)

E

Clonazepam i. v.

oder, bei Versagen von Benzodiazepinen (nach ca. 10 min) Phenytoin i. v.

▪ Erwachsene:

250–500 mg i. v.

▪ 1 Amp. Phenhy-

dan = 250 mg Phenytoin ▪ langsam injizieren (max. 25 mg/min !), RR- und EKG-Kontrollen !

Die Wirkung von Phenytoin setzt später ein, hält dafür aber länger an als die von Diazepam. Die Kombination der beiden Medikamente ist deshalb unter besonderer Berücksichtigung der Atem- und Kreislaufverhältnisse möglich. Narkoseeinleitung (anhaltender Status epilepticus und/oder bei längerer Zyanose [SaO2 < 90 % trotz O2-Gabe])

Thiopental

3–5 mg/kg KG i. v.

250 mg Trapanil = ½ Amp. zu 500 mg

1–3 mg/kg KG initial dann 2–10 mg/kg KG/h

150–200 mg Propofol/70 kg initial

oder Propofol

Intubation und Beatmung s. S. 70

Differenzialdiagnose Der Terminalschlaf nach einem abgelaufenen Krampfanfall lässt sich von komatösen Zuständen anderer Genese kaum unterscheiden. Hier gibt oft allein die Fremdanamnese die entscheidenden Hinweise. Immer BZ-Bestimmung!

245

E

Epileptischer Anfall/Epilepsie (zerebrales Krampfleiden) Differenzialdiagnose von Anfällen.

246

Kriterium

Epileptischer Anfall (Grand mal)

Synkope

Psychogener Anfall (dissoziativer Anfall)

Prodromi

Aura

Schwarzwerden vor Augen, Schwindel, Speichelsekretion, Tinnitus

variabel

Auftreten

oft aus dem Schlaf heraus oder morgens

tagsüber

tagsüber

Dauer

3–10 min

10–60 s

variabel, oft Minuten

Haut

zyanotisch

blass

nicht verfärbt, ggf. Gesichtsrötung

Zungenbiss

lateral

extrem selten

keiner oder medial

Urinabgang

oft

sehr selten

kein

Umdämmerung

Minuten

selten, dann für Sekunden (je nach Art des Sturzes)

keine oder demonstrative Bewusstseinsstörung oder Verwirrtheit, evtl. Reaktion auf Umgebung

Verwirrtheit

Minuten

extrem selten

Gliederschmerzen

oft (Muskelkater)

keine

variabel

Amnesie

für den gesamten Anfall

partiell

keine

Sonstiges

oft postiktale Verletzungen

Erfrierung

E

29.3 Erfrierung Definition und Symptome Umschriebene, lokale Schädigung durch ein einmaliges, intensives Kältetrauma.

Einteilung der Erfrierung nach Schweregrad. Schweregrad

Klinik

1. Grad

gestörte Durchblutung der Haut, gräulich weiße Verfärbung, Gefühllosigkeit; später Rötung, Schwellung, brennender Schmerz

2. Grad

Blasenbildung, Rötung, Schmerzen, Schwellung

3. Grad

anfänglich weißes Aussehen der Haut (Totenblässe), Gefühllosigkeit, Hauteinblutungen; später bläulich schwarze Nekrosen der Haut

4. Grad

totale Vereisung von Körperteilen, die deshalb bei geringer Berührung abbrechen können; irreversible Zerstörung des Gewebes, das beim Auftauen zerfällt

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Erfrierungen. Maßnahme Lagerung weitere Maßnahmen

Details

▪ Schutz vor weiterer Auskühlung ▪ in warme Umgebung bringen ▪ langsames Erwärmen der betroffenen Körperteile, z. B. mit eigener Körperwärme oder warmem Wasserbad ▪ keine mechanischen Traumatisierungen durch Ein- und Abreibungen ! ▪ sterile, trockene und lockere Verbände ▪ falls erforderlich, venöser Zugang

247

Erfrierung Erhängen/Erwürgen/Erdrosseln/ Strangulation

E

Medikamentöse Maßnahmen bei Erfrierungen. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

oder Diazepam

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Valium

Analgesie

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

Vasodilatation zur Lösung von Gefäßspasmen

GlyceroltrinitratSpray

1–2 Hübe

1–2 Hübe NitrolingualSpray

Nifedipin

5–10 mg p. o.

Adalat Kps. (10 mg) p. o.

29.4 Erhängen/Erwürgen/Erdrosseln/Strangulation Definition Erhängen: Töten durch Zusammenschnüren des Halses in einer festen oder – meist – • laufenden Schlinge unter Einfluss des Körpergewichts, wobei Bewusstlosigkeit und

• • •

Tod rasch durch Blutleere des Gehirns (Kompression der Aa. carotides und vertebrales) eintreten, evtl. auch durch mechanische Verlegung der Atemwege (Druck des Zungengrunds gegen die Rachenhinterwand), selten durch Fraktur des Dens axis (Genickbruch) Erwürgen: Töten durch ein- oder beidhändiges Zusammendrücken des Halses → Drosselung der Blutzufuhr zum Gehirn und Kompression der Luftwege, evtl. auch Reizung des Glomus caroticum mit Sekundenherztod Erdrosseln: Zusammenschnüren des Halses mit einem horizontal umgelegten Strangulierwerkzeug. Durch unvollständige Kompression der Halsarterien bei weitgehendem Verschluss der Venen treten zunächst Blutstauung im Kopfbereich, später Bewusstseinsverlust und Tod infolge Sauerstoffmangels auf; bei Druckeinwirkung auf den Sinusknoten evtl. Reflextod Strangulation: Abschnürung eines Organs oder Organteils und damit Unterbindung der Blutzufuhr, insbesondere Karotisabschnürung bei Erhängen, Erdrosseln, Erwürgen

Symptome entsprechend der Gewalteinwirkung (z. B. Hämatome, Kratzspu• Verletzungsmuster ren, Würgemale, zirkuläre Striemen, tiefe Einschnürungen) Zyanose • punktförmige Blutungen in den Augenbindehäuten und/oder im Gesicht • Stauungszeichen • Stuhl-/Urinabgang • bei Überleben: Angst, Verwirrtheit, Euphorie, evtl. retrograde Amnesie (durch Hy• poxie!), massive Schluckbeschwerden, geschwollene Zunge, Luftnot, Heiserkeit

248

Erhängen/Erwürgen/Erdrosseln/ Strangulation

E

Therapeutische Maßnahmen Bei sicheren Todeszeichen (cave: Hämatome/Würgemale am Hals nicht mit Totenflecken verwechseln !), vorgefundene Situation nicht ändern, keine Spuren verwischen; falls noch nicht geschehen, Polizei informieren.

Basismaßnahmen bei Erhängen/Erwürgen/Erdrosseln. Maßnahme

Details

Atemwege

Atemwege frei machen/freihalten

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–8 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

▪ HWS-Immobilisierung ▪ ggf. Intubation und Beatmung

Medikamentöse Maßnahmen bei Erhängen/Erwürgen/Erdrosseln. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

ggf. Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

Diazepam

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Valium

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

0,125–0,25 mg/ kg KG i. v.

10–20 mg Ketanest S

oder

ggf. Analgesie

alternativ S-Ketamin

alternativ

249

E

Erregungszustand

29.5 Erregungszustand s. a. Alkoholentzugsdelir (S. 200), Alkoholvergiftung (S. 202), Drogenvergiftung (S. 441), psychiatrische Notfallsituationen (S. 358).

Definition Im Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen, mit Missbrauch von Medikamenten oder Rauschmitteln oder infolge akuter psychischer Belastung auftretender Unruhezustand, wahnhafte Verkennung oder Störung des Antriebs.

Symptome Tobsucht • Unruhe, Verwirrtheit, Desorientiertheit • evtl. evtl. Euphorie • evtl. Wahnvorstellungen, Halluzinationen • evtl. fehlende Kooperationsfähigkeit, Selbst- oder Fremdgefährdung • Tachykardie • Blutdruckanstieg •

Therapeutische Maßnahmen Patienten keinen Augenblick alleine lassen !

Basismaßnahmen bei Erregungszuständen. Maßnahme Beruhigung

Details

▪ Patienten beruhigen, ggf. ablenken ▪ selbst Ruhe bewahren ▪ falls erforderlich, Hilfe anderer Personen (Familienangehörige), bei Selbst- oder Fremdgefährdung auch Hilfe der Polizei in Anspruch nehmen

250

Erregungszustand

E

Medikamentöse Maßnahmen bei Erregungszuständen. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

nur falls ohne Gefährdung realisierbar: venöser Zugang/ Infusion

kristalloide Lösung

500 ml

500 ml Ringer-Lactat

Sedierung beim agitierten Patienten

oder Glukose 5 %

500 ml i. v.

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

oder Diazepam

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Valium

Haloperidol beim verwirrten Patienten

Haloperidol

5–10 mg i. m.

1–2 Amp. Haldol i. m.

falls kein venöser Zugang möglich

Lorazepam

1–2,5 mg p. o.

Tavor Expidet 1 mg/ 2,5 mg

Midazolam

2,5–5–10 mg i. m.

Midazolam 5 mg i. m.

nasal

5–10 mg

10 mg Midazolam (mit MAD-nasal)

oder

251

G

Gallenkolik

30

G

30.1 Gallenkolik Definition Krampfartige Schmerzen im rechten Mittel- oder Oberbauch, in der Regel durch Mobilisierung von Gallensteinen in den Gallenwegen hervorgerufen.

Symptome krampfartige Schmerzen im rechten Mittel- oder Oberbauch, evtl. Aus• stärkste, strahlung in den Rücken oder die rechte Schulter Übelkeit, • Unruhe Erbrechen •

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Gallenkolik. Maßnahme

Details

Beruhigung

Patienten beruhigen

Medikamentöse Maßnahmen bei Gallenkolik. Indikation Spasmolytika

Medikament

Dosierung

Beispiel

Glyceroltrinitrat

1,2–2,4 mg p. o.

3–4 Hub Nitrolingual-Spray

Cave: RR↓, keine Nitrate bis 24 h nach Einnahme von PDE-5-Hemmern wie z. B. Sildenafil (Viagra) u. a.

Analgesie

Butylscopolaminiumbromid

10–20 mg i. v.

½–1 Amp. Buscopan

Metamizol

2,5 g

1 ml Novalgin = 0,5 g, 5 ml Novalgin i. v.

Cave: akuter Schockzustand in seltenen Fällen !

oder Tramadol

50–100 mg i. m./i. v.

½–1 Amp. Tramal 100 i. v.

25–100 mg i. m./i. v.

1 ml Dolantin = 50 mg, 0,5–2 ml Dolantin

oder Pethidin

252

Gallenkolik Glaukomanfall

G

Morphin/Morphinderivate sollten nur bei anders nicht kontrollierbaren Schmerzzuständen und nur in Kombination mit Spasmolytika gegeben werden (eigene spasmogene Wirkung des Morphins, relativ gering ausgeprägt beim Pethidin).

30.2 Glaukomanfall Definition und Pathogenese Eine sich innerhalb von Stunden unter heftigen Schmerzen entwickelnde Augenerkrankung mit Erhöhung des Augeninnendrucks auf das 3- bis 5-Fache der Norm. Das Kammerwasser des Auges fließt aus der Vorderkammer durch das Trabekelwerk in den Schlemm-Kanal. Wenn dieser Abfluss plötzlich verlegt wird, steigt der Augeninnendruck innerhalb weniger Stunden von Normalwerten, die bei 10–20 mmHg liegen, auf sehr hohe Werte (über 60 mmHg) an. Ursache für die Abflussbehinderung ist in der Regel eine flach ausgebildete Augenvorderkammer mit engem Kammerwinkel; wodurch allerdings der akute Glaukomanfall ausgelöst wird, ist häufig nicht feststellbar.

Symptome (Die aufgeführten Symptome sind nicht obligat und gelten in der Regel nur für den ausgeprägten Glaukomanfall mit Augeninnendruckerhöhungen von mehr als 60 mmHg.) starke Schmerzen im Auge oder dessen Umgebung, in aller Regel nur ein Auge betroffen Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen (DD: Hirndrucksteigerung!) Sehverschlechterung (diese wird vom Patienten oft nicht bemerkt, da das andere Auge die Funktionsminderung ausgleicht) entzündlich gerötetes Auge Pupille unregelmäßig erweitert, träge Lichtreaktion „steinharter“ Bulbus (Palpation durch das Oberlid, Patienten nach unten sehen lassen)

• • • • • •

253

G

Glaukomanfall Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Glaukomanfall. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper hoch

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

4–6 l O2/min

▪ Patienten beruhigen ▪ venöser Zugang ▪ orale Verabreichung von geringen Mengen Alkohol, z. B. 20 ml Rum oder Weinbrand (senkt den Augeninnendruck !) ▪ sofortiger Transport in augenfachärztliche Behandlung

Medikamentöse Maßnahmen bei Glaukomanfall. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Pupillenverengung

Pilocarpin

1%ige PilocarpinLösung

im Abstand von 10 min ins Auge eintropfen

Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

Analgesie

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

Mit dem Karboanhydrasehemmer Acetazolamid (Diamox Parenteral Trockensubstanz, 1 Injektionsflasche = 500 mg zur Lösung in 5 ml Aqua bidest.) steht ein Präparat zur Verfügung, mit dem die Bildung des Augenkammerwassers verringert werden kann. Präklinisch wird das Präparat jedoch kaum angewendet (verzögerter Wirkungseintritt).

254

Herzbeuteltamponade

31

H

H

31.1 Herzbeuteltamponade Synonym: Herztamponade

Definition und Ursachen Durch vermehrte Flüssigkeits- bzw. Blutansammlung im Herzbeutel bedingte, konzentrische Herzkompression. Diese führt zu mechanischer Behinderung der Herzerschlaffung in der Diastole, Einflussstauung und Schlagvolumenabnahme. perikardiale Ursachen: – Perikarditis – akute Blutung (Hämoperikard bei penetrierenden Thoraxverletzungen mit Herztrauma, Myokardruptur nach Infarkt mit Herzwandaneurysma) – iatrogenes Trauma – Nachblutung, Erguss nach OP – Myokardperforation bei ZVK-Anlage bei Früh- und Neugeborenen – Perforation bei PTCA oder durch Schrittmachersonde – Postkardiotomiesyndrom extraperikardiale Herztamponade: – Spannungspneumothorax – Mediastinalemphysem





Symptome Druckgefühl • Thoraxschmerz, Blässe, Kaltschweißigkeit • Blutdruckabfall, Einflussstauung (gestaute Halsvenen, evtl. auch akute Oberbauchzeichen) • Tachykardie • Zyanose, Atemnot, Tachypnoe • leise Herztöne • Pulsus paradoxus (deutliche Abnahme der Pulsdruckamplitude bzw. des Blutdrucks • während der Inspiration) Niedervoltage, elektrischer Alternans, ggf. ST-Strecken- und T-Wellen-Ver• EKG: änderungen

255

Herzbeuteltamponade Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI

H

Therapeutische Maßnahmen Therapeutische Maßnahmen bei Herzbeuteltamponade. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

Oberkörper angehoben

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

▪ ständige RR- und Pulsüberwachung ▪ bei drohender oder manifester Ateminsuffizienz frühzeitige Intubation und Beatmung

Medikamentöse Maßnahmen bei Herzbeuteltamponade s. Catecholamine S. 264

!

Bei catecholaminresistentem Schock und als Ultima Ratio bei dringendem Verdacht auf Perikardtamponade Perikardpunktion s. S. 173.

31.2 Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/STEMI Unter Mitarbeit von Ralf Kleindienst s. a. akutes Koronarsyndrom (S. 194), Herz-Kreislauf-Stillstand, Reanimation (S. 137), Herzrhythmusstörungen (S. 270).

Definition und Ursachen Untergang von Herzmuskelgewebe durch Sauerstoffmangel. Ursachen sind: meist stenosierende Koronarsklerose mit akutem Verschluss mindestens eines Koronargefäßes (> 90 % thrombotisches Geschehen) anhaltender Koronarspasmus ohne sklerotische Vorschädigung (deutlich seltener !)

• •

Für das Ausmaß eines Infarkts ist neben der Art des betroffenen Gefäßes (Hauptast, Nebenast) vor allem die Dauer bis zur Einleitung effektiver Maßnahmen entscheidend. Man geht davon aus, dass etwa 4–6 h nach dem Infarkt die Ausdehnung der Herzmuskelnekrose dem Versorgungsgebiet des verschlossenen Gefäßes entspricht. Die Prähospitalphase ist die gefährlichste Phase des Herzinfarkts; von den Patienten, die innerhalb von 24 h am Infarkt sterben, tun dies ca. 50 % innerhalb der ersten 15 min ca. 30 % nach 15–60 min ca. 20 % 1–24 h nach dem Infarkt

• • • 256

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI

H

Für die Komplikationen beim Herzinfarkt sind in erster Linie bedrohliche Herzrhythmusstörungen (insbesondere Kammerflimmern) und hämodynamische Störungen (Herzinsuffizienz) verantwortlich, die zum Bild des kardiogenen Schocks führen können.

Symptome retrosternaler Schmerz mit oder ohne Ausstrahlung in den linken oder • anhaltender rechten Arm, evtl. auch in Abdomen, Hals, Unterkiefer; keine Wirkung von Glyceroltrinitrat

Todesangst • Vernichtungsgefühl, Erbrechen • Übelkeit, Dyspnoe • Unruhe • fahle, blasse, evtl. kaltschweißige Haut • Symptome des kardiogenen Schocks: • – Blutdruckabfall – gestaute Halsvenen – Tachykardie – evtl. Zeichen eines Lungenödems

EKG-Diagnostik Definitionsgemäß wird sich nur ein ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI) im EKG darstellen, folglich kann mit dem 12-Kanal-EKG nur ein ischämisches Ereignis bestätigt, nicht aber ausgeschlossen werden. Bei entsprechender Symptomatik wird im Zweifelsfall präklinisch deshalb immer wie bei einem Infarkt therapiert werden.

Entstehung der EKG-Veränderungen Bei gesundem Herzgewebe ist die EKG-Kurve in der Phase der ST-Strecke isoelektrisch, das bedeutet ohne Ausschlag. Kommt es durch den Infarkt zur transmuralen Muskelschädigung, nimmt das betroffene ischämische Gewebe im Vergleich zum gesunden Herzgewebe eine andere elektrische Ladung an, dies zeigt sich im EKG durch Hebung der ST-Strecke in den Ableitungen über dem betroffenen Gebiet.





257

H

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI Stadien eines Myokardinfarkts im EKG. Normales EKG

(Quelle : Sommer P, Fürnau G, Thiele H. EKG-Diagnostik. Notfallmedizin up2date 2010; 5 : 199) Stadium 0

Erstickungs-T oder „T-en-dome“

nur wenige Minuten nach Beginn des Myokardinfarkts (meist nur zufällig erfasst)

monophasische STHebung bei kleinem oder nicht vorhandenem Q

nach Minuten bis Stunden

rückläufige ST-Hebungen, großes Q, kleines R, terminal negatives T

nach Stunden, eine Persistenz über Wochen oder Monate ist ein Anzeichen für die Ausbildung eines Herzwandaneurysmas

(Quelle : Sommer P, Fürnau G, Thiele H. EKG-Diagnostik. Notfallmedizin up2date 2010; 5 : 199) Stadium I

(Quelle : Sommer P, Fürnau G, Thiele H. EKG-Diagnostik. Notfallmedizin up2date 2010; 5 : 199) Zwischenstadium (Quelle : Sommer P, Fürnau G, Thiele H. EKG-Diagnostik. Notfallmedizin up2date 2010; 5 : 199)

258

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI Stadium II

ST-Hebung verschwunden, großes Q, R wieder größer, negatives T

nach Tagen

keine ST-Hebung, großes Q, normales R, positive T-Welle

nach Wochen bis Monaten

H

(Quelle : Sommer P, Fürnau G, Thiele H. EKG-Diagnostik. Notfallmedizin up2date 2010; 5 : 199) Stadium III

(Quelle : Sommer P, Fürnau G, Thiele H. EKG-Diagnostik. Notfallmedizin up2date 2010; 5 : 199) Quelle: Sommer P, Fürnau G, Thiele H. EKG-Diagnostik. Notfallmedizin up2date 2010; 5: 199

Lokalisation der EKG-Veränderungen Über dem Infarktgebiet lassen sich Zonen mit direkten Infarktzeichen wie pathologische Q-Zacken (Nekrosen), ST-Hebungen (Verletzungen) und negative T-Wellen (Ischämien) abgrenzen. Dem Infarkt gegenüberliegende Muskelabschnitte zeigen das entgegengesetzte EKG-Bild, also eine Senkung der ST-Strecke (Beispiel Hinterwandinfarkt: liegt meist hinten/unten, gegenüber liegen die Ableitungen V1–V3).                 

      

 

259

H

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI Infarktlokalisation in der EKG-Diagnostik. Verschluss

Betroffene Areale

EKG-Ableitungen

Bemerkungen

Rieseninfarkt Hauptstamm der linken Kranzarterie

gesamte Vorderwand, vorderer Abschnitt des Ventrikelseptums, Seitenwand des linken Ventrikels und je nach Versorgungstyp mehr oder weniger große Teile der Hinterwand und des hinteren Septumanteils

% $ &  ( ' * )

!





kann kaum überlebt werden

"  #

Großer Vorderwandinfarkt (VWI) oder Vorderwandspitzeninfarkt im Verlauf des RIA

Vorder- und Seitenwand des linken Ventrikels und vorderer Abschnitt des Ventrikelseptums

% $ &  ( ' * )

!





"  #

Supraapikal- oder Anteroseptalinfarkt (ASI) septale Äste des RIA

Vorderwand des linken Ventrikels und Septumanteile

% $ &  ( ' * )

!

260





"  #

bei Beteiligung des Septums ist ein Rechtsschenkelblock möglich, bei einem bi(RSB + LAH) oder trifaszikulären Block ist die Prognose sehr ungünstig

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI Verschluss

Betroffene Areale

EKG-Ableitungen

H

Bemerkungen

Anterolateralinfarkt (ALI) Seitenast der RIA oder des RCX

Seitenwand des linken Ventrikels

% $ &  ( ' * )

!





"  #

Posterolateralinfarkt (PLI) RCX

hintere Seitenwand des linken Ventrikels bis zur Hinterwand

% $ &  ( ' * )

!





"  #

Hinterwandinfarkt (HWI) Hinterwand ACD oder RCX oder und hinteres deren Endäste (je nach Versorgungstyp) Septum des linken Ventrikels, selten mit Beteiligung der Hinterwand des rechten Ventrikels

!

% $ &  ( ' * )

!





Blockierung der Reizleitung bis hin zum totalen AV-Block sind möglich

"  #

Hinterwandinfarkte projizieren sich nach hinten unten, im Cabrerakreis auf die Ableitungen II, III, aVF. Basale (hohe) Hinterwandinfarkte sind manchmal nur in den Ableitungen V8/V9 oder als indirekte Infarktzeichen in V1, V2 sichtbar oder sind im Standard-EKG gar nicht zu erkennen.

261

H

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Herzinfarkt. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper leicht angehoben

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske (nur bei Hypoxämie, pO2 < 95%)

4–6 l O2/min

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

Infusion weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

▪ Patienten beruhigen ▪ jede Anstrengung des Patienten verhindern ▪ EKG-Monitoring, ständige RRund Pulsüberwachung ▪ Schutz vor Unterkühlung

Medikamentöse Maßnahmen bei Herzinfarkt. Indikation

Medikament

Dosierung

Herzentlastung

Glyceroltrinitrat

GlyceroltrinitratSpray 0,8 mg s. l.

Beispiel

▪ 2 Hübe NitrolingualSpray ▪ bei ausreichendem

Blutdruck: Wiederholung alle 5–10 min

Cave: RR↓, keine Nitrate bis 24 h nach Einnahme von PDE-5-Hemmern wie z. B. Sildenafil u. a. Sedierung

Midazolam

1,25–2,5–5 mg i. v.

¼–½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml

oder

262

Diazepam

2,5–5–10 mg i. v.

¼–½–1 Amp. Valium

Analgesie

Morphin

2,5–5–10 mg i. v.

¼–½–1 Amp. Morphin

Antiemetika

Dimenhydrinat

31–62 mg i. v.

¼–½–1 Amp. Vomex A i. v.

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Plättchenaggregationshemmung

Azetylsalizylsäure

500 mg i. v.

1 Amp. Aspirin i. v.

Blutgerinnungshemmung

Heparin

5000 IE Heparin i. v.

Linksherzinsuffizienz mit Lungenödem

Furosemid

40–80 mg i. v.

Bradykardie

1. Atropin

0,5 mg i. v., ggf. wiederholen bis max. 3 mg

1 Amp. Atropin 0,5 mg bis max. 6 Amp. Atropin 0,5 mg

2. Adrenalin

2–10 μg/min

Suprarenin 1 : 10.000 (1 Amp. auf 10 ml) 0,02–0,1 ml der verdünnten Lösung

H

weitergehende Plättchenaggregationshemmung (Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) ggf. nach lokalen Vorgaben

1–2 Amp. Lasix

Dobutamin erwägen

3. passagerer externer Schrittmacher potenziell maligne Herzrhythmusstörungen (z. B. Couplets, Salven, polytope VES, Tachykardien)

Amiodaron

150 mg

1 Amp. 3 ml Cordarex langsam (mind. 3 min) i. v., ggf. 1× wiederholen

Metoprolol 5 mg i. v./ Esmolol 40 mg i. v.

Beloc 5 mg i. v./Brevibloc 40 mg i. v.

oder Metoprolol/ Esmolol

falls kein Amiodaron vorhanden Lidocain erwägen Lidocain

100 mg i. v.

▪ 1 Amp. Xylocain 2 % ▪ langsam injizieren

falls keine Besserung Magnesium erwägen: polytope ventrikuläre Tachykardien

Magnesiumsulfat

4–8 mmol i. v.

▪ ½–1 Amp. Cormagnesin 200 ▪ langsam (über mind. 5 min) injizieren

bei supraventrikulären Rhythmusstörungen:

263

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI

H

Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

supraventrikuläre tachykarde Extrasystole, absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern mit schneller Überleitung

Metoprolol/ Esmolol

Metoprolol 5 mg i. v./ Esmolol 40 mg i. v.

Beloc 5 mg i. v./Brevibloc 40 mg i. v.

Digoxin 0,25 mg i. v.

Lanicor 0,25 mg i. v.

oder Digitalispräparat

Betablocker Sollen präklinisch in der Infarkttherapie nicht routinemäßig eingesetzt werden. Ihre erwiesene Effektivität, insbesondere durch die Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs, die Begrenzung der Infarktgröße, die Erhöhung der Flimmerschwelle des Herzens, den positiven Einfluss bei Reflextachykardie und tachykarden supraventrikulären Rhythmusstörungen und die Senkung hypertoner Blutdruckwerte

• • • • •

müssen gegen die Kontraindikationen

akute Herzinsuffizienz, • schwere • Hypotension, • Bradykardie, und • AV-Blockierungen • Asthma bronchiale

abgewogen werden. Eingesetzt werden u. a. die Substanzen Metoprolol (s. S. 617) und Esmolol (s. S. 597).

ACE-Hemmer

!

ACE-Hemmer sind nach dem derzeitigen Stand der Studien in der (prähospitalen) Frühphase (< 24 h) des Myokardinfarkts nicht indiziert !

Catecholamine Bei massiver Linksherzinsuffizienz (RR < 70 mmHg) und beginnendem oder bestehendem kardiogenem Schock sollen Catecholamine verabreicht werden: Dobutamin: Catecholamin der Wahl, Dosierung von 2,5–10 μg/kg KG/min Noradrenalin (Arterenol): alternativ bzw. bei dobutaminrefraktärer Hypotonie, Dosis initial 0,05 μg/kg KG/min Adrenalin (Suprarenin): nur als Ultima Ratio bei anderweitig nicht zu steigernder Kontraktilität Dopamin: wird präklinisch nicht mehr empfohlen

• • • •

264

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI

H

Die Dosierung soll so gering und so kurz wie möglich gehalten werden.

Dosierungen von Dobutamin. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Dobutamin allgemein

2,5–10 μg/kg KG pro min i. v.

▪ 200–1000 μg/min ▪ 12–60 mg/h

kardiologische Dosierung über Perfusor

1 Injektionsflasche = 250 mg mit NaCl 0,9 % oder Glukose 5 % auf 50 ml aufgezogen (1 ml enthält dann 5 mg) Gewicht

50 kg

60 kg

70 kg

80 kg

90 kg

100 kg

von

1,5 ml/h

1,8 ml/h

2,1 ml/h

2,4 ml/h

2,7 ml/h

3 ml/h

bis

6 ml/h

7,2 ml/h

8,4 ml/h

9,6 ml/h

10,8 ml/h

12 ml/h

kardiologische Dosierung über Infusionslösung

250 mg Dobutamin in 10 ml NaCl 0,9 % auflösen und dann in 500 ml NaCl 0,9 % geben, Tropfgeschwindigkeit ca. 25–50 Trpf./min

Weitere Infos zu Wirkprofilen s. S. 593.

Lyse Laut ERC-Leitlinien 2015 gilt: „Die Koronarangioplastie mit oder ohne Stenteinlage ist zur bedeutsamsten Sofortbehandlungsstrategie für Infarktpatienten geworden. Eine PPCI in einem erfahrenen Zentrum mit erster Balloninsufflation kurz nach erstem Patientenkontakt von einem erfahrenen Untersucher durchgeführt, bei dem ein hoher Trainingsstatus besteht, ist die bevorzugte Behandlungsform“. Für die Präklinik ergibt sich die folgende Handlungsanweisung: Eine primäre perkutane Koronarintervention ist bei allen Patienten indiziert, bei denen die Verzögerung zwischen dem ersten medizinischen Kontakt und der pimären PCI weniger als 120 Minuten beträgt (first medical contact to balloon), d. h.: Falls der Patient innerhalb von 120 Minuten ein PCI‐fähiges Krankenhaus erreichen kann, ist die PCI der Fibrinolyse vorzuziehen. Gleichzeitig sollten hämodynamisch instabile Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz und kardiogenem Schock einer primären PCI zugeführt werden, sofern der Transfer die zeitlichen Zielvorgaben nicht exzessiv überschreitet.

265

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI

H

In Ländern mit guter Infrastruktur für die Infarktbehandlung, wie in Deutschland, sollte die Fibrinolyse beim STEMI keine Rolle mehr spielen und sollte nur noch Extremsituationen mit sehr langen Transportwegen (> 2 Stunden) vorbehalten bleiben. Eine präklinische Lyse darf nur unter bestimmten personellen und organisatorischen Voraussetzungen und unter konsequenter kritischer Nutzen-Risiko-Analyse durchgeführt werden: Voraussetzungen: – Notarzt: eingehende Kenntnisse der EKG-Diagnostik, Vertrautheit mit den Therapiestrategien und den einzusetzenden Medikamenten, (intensivmedizinische) Erfahrungen im Umgang mit Komplikationen, Abstimmung der Therapieregime mit den potenziellen Aufnahmekliniken – Rettungsassistenten , Notfallsanitäter: Schulung auf dem Gebiet der Lysebehandlung – technische Geräte: 12-Kanal-EKG (mit Ausdruck), evtl. auch Möglichkeit der telemetrischen EKG-Übertragung an kardiologische Abteilung Indikation = Nachweis eines akuten Myokardinfarkts: – typische Infarktsymptomatik mit fehlendem Ansprechen auf Glyceroltrinitrat > 20 min; < 4–6 h – EKG-Veränderungen (ST-Strecken-Hebungen von mindestens 0,1 mV in mindestens 2 Extremitäten- oder Brustwandableitungen) – evtl. positiver Troponin-T-Test (z. B. Tropt-Schnelltest) keine absoluten Kontraindikationen: – hämorrhagischer Schlaganfall oder Schlaganfall unbekannter Genese zu jedem Zeitpunkt – ischämischer Schlaganfall in den vergangenen 6 Monaten – Schädigungen oder Neoplasien des ZNS – kürzlich stattgehabtes bedeutsames Trauma/operativer Eingriff/Kopfverletzung (innerhalb der vorangehenden 3 Wochen) – gastrointestinale Blutungen innerhalb der letzten Monate – bekannte Blutungsneigung – Aortendissektion Berücksichtigung relativer Kontraindikationen: – transiente ischämische Attacke (TIA) in den vorangegangenen 6 Monaten – orale Therapie mit Antikoagulanzien – Schwangerschaft bzw. innerhalb einer Woche post partum – nichtkomprimierbare Blutungen – Wiederbelebung mit Verletzungen – therapierefraktäre Blutdruckerhöhung (systolischer Druck > 180 mmHg) – fortgeschrittene Lebererkrankungen – infektiöse Endokarditis – vorhandenes peptisches Ulkus









! 266

Aufklärung und Einverständniserklärung müssen beim (nicht bewusstseinseingetrübten) Patienten eingeholt werden !

Herzinfarkt (akuter Myokardinfarkt)/ STEMI Akute Herzinsuffizienz

H

Eigenschaften und Dosierung von zur Bolusgabe geeigneten fibrinolytischen Substanzen, die in Deutschland zur Therapie des akuten Herzinfarkts zugelassen sind. Substanz

Alteplase

Reteplase

Tenecteplase

Handelsname

Actilyse

Rapilysin

Metalyse

Halbwertszeit

5 min

11–15 min

11–20 min

Fibrinspezifität



+

++

Antigenität







Dosis

▪ 15 mg als Bolus ▪ 50 mg als Infusion

2-mal Bolus von 10 E im Abstand von 30 min

in den folgenden 30 min ▪ 35 mg als Folgeinfusion über 60 min

▪ < 60 kg KG: 30 mg = 6000 E ▪ 60–69 kg KG: 35 mg = 7000 E ▪ 70–79 kg KG: 40 mg = 8000 E ▪ 80–89 kg KG: 45 mg = 9000 E ▪ ab 90 kg KG:

50 mg = 10.000 E

Als Begleitantikoagulation wird grundsätzlich empfohlen:

Begleitantikoagulation bei Lyse. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Grundsätzlich indiziert

Azetylsalizylsäure

500 mg i. v.

Aspisol 0,5 g i. v.

Heparin

60 IE/kg KG i. v., aber max. 4000 IE

Heparin 4000 IE i. v.

31.3 Akute Herzinsuffizienz s. a. Asthma bronchiale (S. 216), Lungenembolie (S. 336), Lungenödem (S. 338), Herzinfarkt (S. 256), Herzrhythmusstörungen (S. 270)

Definition und Ursachen Akute Leistungseinschränkung des Herzens. Die Organe werden weniger gut durchblutet (Vorwärtsversagen), im Venensystem und der Lungenstrombahn ist dagegen zu viel Blut vorhanden (Rückwärtsversagen). Je nachdem, welcher Teil des Herzens betroffen ist, spricht man von einer Linksherz-, Rechtsherz- oder Globalinsuffizienz.

267

H

Akute Herzinsuffizienz In der Notfallmedizin sind akute Linksherzinsuffizienz und Globalinsuffizienz von großer Relevanz, die isolierte Rechtsherzinsuffizienz tritt außer bei massiver Lungenembolie oder Asthma bronchiale relativ selten auf.

Kardiale und extrakardiale Ursachen der akuten Herzinsuffizienz. Kardiale Ursachen

▪ Herzinfarkt ▪ Herzklappenfehler ▪ Herzrhythmusstörungen ▪ Herzmuskelentzündungen ▪ Kardiomyopathien ▪ koronare Herzkrankheit, ACS

Extrakardiale Ursachen

▪ hypertensive Krise ▪ massive Lungenembolie ▪ Zufuhr großer Flüssigkeitsmengen, Volumenüberladung bei Niereninsuffizienz/Urämie ▪ Pneumonie, Asthma bronchiale ▪ Anämie ▪ Hyperthyreose ▪ Infektionen, Sepsis, Endokarditis ▪ Medikamente

Symptome

• Linksherzinsuffizienz: – Atemnot (Ruhedyspnoe, Orthopnoe)



– Angst, Unruhe – Stauungsbronchitis, Asthma cardiale – Lungenödem – Blässe, Lippenzyanose – Tachykardie – normotone oder hypotone Blutdruckwerte – evtl. kardiogener Schock mit Bewusstseinsverlust Rechtsherzinsuffizienz: – Atemnot – obere Einflussstauung – Ödeme, Aszites – evtl. Oberbauchsymptomatik (Stauungsgastritis) – meist deutliche Zyanose – Tachykardie

Bei einer Globalinsuffizienz findet sich eine Kombination der o. g. Symptome.

268

Akute Herzinsuffizienz

H

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei akuter Herzinsuffizienz. Maßnahme

Details

Lagerung

halbsitzend oder sitzend

Sauerstoff

Therapeutisches Szenario

▪ über Brille/Maske ▪ NIV (CPAP-Beatmung) erwägen ▪ evtl. Intubation und Beatmung

4–15 l O2/min

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

mit PEEP (5 cmH2O) und 100 % O2

Infusion weitere Maßnahmen

▪ Patienten beruhigen ▪ Schutz vor Unterkühlung ▪ ständige Überwachung von RR und Puls

Medikamentöse Maßnahmen bei akuter Herzinsuffizienz. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Vasodilatation

Nitrate

sublingual

2 Hübe NitrolingualSpray

in Abhängigkeit vom Blutdruck höher dosieren bzw. Wiederholung nach ca. 10 min. Cave: RR↓, keine Nitrate bis 24 h nach Einnahme von PDE-5-Hemmern wie z. B. Sildenafil u. a. Diuretika

Furosemid

40–80 mg i. v.

2–4 Amp. Lasix 20 i. v.

Sedierung/ Entlastung des Pulmonalkreislaufs

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin

Antiemetikum

Dimenhydrinat

31–62 mg i. v.

½–1 Amp. Vomex A

bei massiver Hypotonie

Catecholamine: Dobutamin

2,5–10 μg/kg KG/min i. v.

Dobutamin s. S. 265

Noradrenalin

0,05 μg/kg KG/min i. v.

Arterenol s. S. 622

269

Herz-Kreislauf-Stillstand Herzrhythmusstörungen

H

31.4 Herz-Kreislauf-Stillstand s. a. kardiopulmonale Reanimation (S. 137)

31.5 Herzrhythmusstörungen Unter Mitarbeit von Ralf Kleindienst

Grundlagen Definition Alle Störungen der normalen Herzschlagfolge, wobei die Reizbildung, die Erregungsleitung oder die Kombination von beiden betroffen sein können. Herzrhythmusstörungen können primär aufgrund einer kardialen Ursache oder sekundär infolge anderer Erkrankungsbilder auftreten. Eine sichere Diagnose ist in der Regel nur mit einer elektrokardiografischen Registrierung möglich. Inwieweit Rhythmusstörungen im Rahmen eines Notarzteinsatzes therapiert werden, hängt immer von den hämodynamischen Auswirkungen und dem klinischen Gesamtzustand des Patienten ab.

Symptome Die Symptome einer Herzrhythmusstörung sind allein von den direkten oder indirekten hämodynamischen Auswirkungen der Störung bestimmt. Ein einheitliches Bild gibt es dabei nicht, deshalb: immer daran denken und EKG-Monitoring als Screeningmaßnahme bei jedem Notfallpatienten ! Differenzialdiagnostisch erwogen werden müssen Rhythmusstörungen insbesondere bei Synkope Blutdruckabfall Bewusstlosigkeit klinischem Bild des Herz-Kreislauf-Stillstands Dyspnoe Angina pectoris

• • • • • •

270

Herzrhythmusstörungen

H

Diagnostisches Vorgehen

Therapeutische Maßnahmen Maßnahmen: Lagerung, Vitalfunktionen sichern, Sauerstoffgabe • allgemeine Maßnahmen: z. B. Karotissinusdruckmanöver/Vagusreizung • manuelle Maßnahmen: Sedierung, Antiarrhythmika • medikamentöse • elektrische Maßnahmen: Defibrillation, temporäre Stimulation Weitere Abklärung und Überwachung im Krankenhaus! Darüber hinausgehende Maßnahmen sind abhängig von der Art der Rhythmusstörung und werden bei den entsprechenden Krankheitsbildern aufgeführt.

Extrasystolen Ventrikuläre Extrasystolen (VES) können nach der Lown-Klassifikation eingeteilt werden. Die Klassifikation erfolgt in aller Regel aufgrund der Befunde in 24-h-LangzeitEKGs und sagt evtl. etwas über die potenzielle Gefährdung des betreffenden Patienten aus. Die entsprechende Klassifizierung findet sich dann z. B. in den Arzt-/Krankenhausberichten. Die Indikation zur antiarrhythmischen Therapie in der präklinischen Notfallsituation ergibt sich meist erst ab der Klasse IVa–IVb.

271

H

Herzrhythmusstörungen Lown-Klassifikation der ventrikulären Extrasystolen.

272

Klasse

Spezifikation

0

keine VES

I

weniger als 30 VES pro Stunde

II

mehr als 30 VES pro Stunde

IIIa

polytope VES, multifokal

IIIb

Bigeminus

IVa

Couplets

IVb

Salven

V

R-auf-T-Phänomen

EKG-Bild

s. o.

Herzrhythmusstörungen

H

Supraventrikuläre Extrasystolen (SVES) Beschreibung Sinusrhythmus mit normaler Überleitung, schmalen QRS-Komple• Grundrhythmus: xen einfallende Schläge im Beispiel mit P-Welle, aber auch ohne sichtbare P• vorzeitig Welle möglich, jeweils gefolgt von einem normalen schmalen QRS-Komplex

Erklärung/Besonderheiten sind vorzeitig einfallende Erregungen aus dem Sinusknoten (selten), der Vor• SVES höfe, dem AV-Knoten oder dem His-Bündel:



– SVES aus der Nähe des Sinusknotens haben ein kaum unterschiedliches P – SVES aus dem Bereich des AV-Knotens haben bei retrograder Vorhofdepolarisation ein dem QRS-Komplex vorangehendes oder darin untergehendes negatives P – SVES aus dem Bereich des His-Bündels werden in der Regel retrograd blockiert und zeigen daher keine P-Welle, der QRS-Komplex ist schmal und kann leicht deformiert sein Vorhofextrasystolen, besonders wenn sie gehäuft auftreten, können Auslöser von Vorhoftachykardien, Vorhofflattern oder Vorhofflimmern sein

Vorkommen bei Herzgesunden • auch • bei Hyperthyreose, Mitralvitien, KHK, Kardiomyopathie

Therapeutische Maßnahmen SVES bedürfen in der Regel keiner notfallmedizinischen Therapie. Nur bei Auftreten von hohen Kammerfrequenzen mit Zeichen der akuten Herzinsuffizienz, Anginapectoris-Beschwerden etc. ist eine therapeutische Intervention erforderlich. Basistherapie: – Sauerstoffgabe – Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring – periphervenöser Zugang erweiterte Therapie: Betablocker, z. B. Esmolol (Brevibloc) initial 0,5–1 mg/kg KG, entspr. 30–50(–80) mg (Wirkzeit etwa 10 min), Metoprolol 2,5–5 mg i. v.

• •

273

H

Herzrhythmusstörungen Monotope ventrikuläre Extrasystolen (VES) Beschreibung regelmäßig mit kompensatorischer Pause nach Kammerextrasys• Grundrhythmus: tolen einfallende breite deformierte QRS-Komplexe durch ein im Kammermyo• vorzeitige kard sitzendes tertiäres Autonomiezentrum (aufgrund des einheitlichen Ursprungs im Kammermyokard gleiche Form) $(+

%

Erklärung/Besonderheiten Aussehen = gleicher Ursprungsort = monotope VES • gleiches die Reizleitung im Myokard verläuft 2- bis 4-mal langsamer als über das Reiz• Form: leitungssystem, daher sind VES verbreitert, die Erregungswelle nimmt einen andern Weg als normal vom AV-Knoten kommende Erregungen, daher sind VES deformiert

Vorkommen Herzgesunden z. B. nach Genussmittelkonsum (Kaffee, Nikotin), bei zunehmen• bei dem Lebensalter, körperlicher Belastung koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, etc • Thoraxtrauma, Vergiftung, Unterkühlung, Therapie mit Antiarrhythmika u. a. •

Therapeutische Maßnahmen Für vereinzelte monotope VES ist in der Regel keine Basis- oder erweiterte notfallmedizinische Therapie erforderlich. Bei Anhalt für eine akute Herzerkrankung, insbesondere eine myokardiale Ischämie → Erhöhung des Sauerstoffangebots und Verminderung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs (vgl. Therapie bei Herzinfarkt).

Basismaßnahmen bei monotopen VES. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring

Lagerung

Erweiterte Therapie: vgl. Therapie bei ventrikulären Salven S. 278.

274

Herzrhythmusstörungen

H

Polytope ventrikuläre Extrasystolen (VES) Beschreibung Im Gegensatz zu den monotopen VES kommen die vorzeitigen Kammererregungen aus mehr als einem Autonomiezentrum des Ventrikelmyokards. Daher weist der QRSKomplex unterschiedliche Formen auf. $(+

%

Erklärung/Besonderheiten Aussehen = verschiedener Ursprung = polytope VES • verschiedenes Bedeutung: (früh einfallende) Extrasystolen lassen die Kammer • hämodynamische ohne ausreichende Füllung kontrahieren und erzeugen kaum Auswurf, besonders bei eingeschränkter linksventrikulärer Funktion können sie sehr bedeutsam sein

VES sind gefährlicher als monotope, da sie ein Anzeichen größerer elek• polytope trischer Instabilität des Ventrikelmyokards sind → Gefahr des Übergehens in Kammertachykardien bzw. Kammerflimmern

Vorkommen KHK, Infarkt, Kardiomyopathie, Myokarditis, Elektrolytverschiebung.

Therapeutische Maßnahmen Für vereinzelte polytope VES ist in der Regel keine erweiterte notfallmedizinische Therapie erforderlich. Bei Anhalt für eine akute Herzerkrankung, insbesondere eine myokardiale Ischämie → Erhöhung des Sauerstoffangebotes und Verminderung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs (vgl. Therapie bei Herzinfarkt).

Basismaßnahmen bei polytopen VES. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring

Lagerung

Erweiterte Therapie: vgl. Therapie bei ventrikulären Salven S. 278, keine „prophylaktische“ Therapie in der präklinischen Notfallsituation.

275

H

Herzrhythmusstörungen Sonderform der ventrikulären Extrasystolen: Bigeminus Beschreibung Vorzeitige einfallende breite deformierte QRS-Komplexe, nach jedem Normalschlag folgt eine Extrasystole.

Erklärung/Besonderheiten 1 VES, 1 Normalschlag, Trigeminus= 2 VES, 1 Normalschlag • Bigeminus= 1-Extrasystolie= 2 Normalschläge, 1 VES, 3 : 1-Extrasystolie= 3 Normalschläge, • 21 :VES usw

Vorkommen Infarkt, Kardiomyopathie, Myokarditis, Elektrolytverschiebung • KHK, • auch bei gesundem Herz möglich Aufgrund der möglichen peripheren Bradykardie kann es zu einer Kreislaufinsuffizienz und zerebralen Minderdurchblutung mit den dafür typischen Gefahren kommen. Am häufigsten kommt der Bigeminus bei Digitalis-Überdosierung vor, daher Digitalisspiegel und Serum-Kalium überprüfen. Auch hier kann die Rhythmusstörung Vorläufer von Kammertachykardie und Kammerflimmern sein.

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Bigeminus. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring

Erweiterte Therapie: vgl. Therapie bei ventrikulären Salven S. 278.

276

Herzrhythmusstörungen

H

Couplets/ventrikuläre Extrasystolen in Salven Beschreibung Vorzeitige einfallende breite deformierte QRS-Komplexe, mehrere Extrasystolen hintereinander in Ketten. $(+

%

Erklärung/Besonderheiten vereinzelt, in Ketten (2er = Couplet), ab 3 hintereinander spricht man von • Auftreten ventrikulärer Tachykardie • Salven können Vorläufer von Kammertachykardie, ‑flattern bzw. ‑flimmern sein

!

Bei Auftreten von je 2 aufeinander folgenden VES (Couplets) oder salvenartigen, ventrikulären Extrasystolen, d. h., wenn 3 und mehr Extrasystolen aufeinander folgen, muss von einer schwerwiegenden Schädigung des Myokards mit gefährlicher elektrischer Instabilität ausgegangen werden.

Vorkommen schwere koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt • Myokardischämie: Vergiftungen, Elektrolytentgleisung, Therapie mit Antiarrhythmika • Elektrounfall, u. a.

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei ventrikulären Salven. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring

277

H

Herzrhythmusstörungen Erweiterte Maßnahmen bei ventrikulären Salven. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

antiarrhythmische Therapie

Amiodaron

5 mg/kg KG, max. 300 mg i. v.

1–2 Amp. Cordarex über 10–20 min i. v.

Metoprolol 5 mg i. v./ Esmolol 40 mg i. v.

1 Amp. Beloc i. v./ 40 mg Brevibloc i. v.

0,5–1 mg/kg KG i. v., dann Dauerapplikation mit 25–50 mg/h i. v.

1 Amp. Gilurytmal über 5 min

oder Metoprolol/ Esmolol

oder Ajmalin

bedrohliche Kreislaufinsuffizienz

Kardioversion (ggf. nach Sedierung)

R-auf-T-Phänomen Beschreibung unauffällig, meist tachykard • Grundrhythmus: verbreitert, deformiert, direkt auf die T-Welle der vorangehenden Herzaktion • VES einfallende VES

Erklärung/Besonderheiten Früh einfallende ventrikuläre Extrasystolen in die vulnerable Phase der vorangegangenen Herzaktion.

!

Potenzieller Auslöser von Kammerflattern bzw. Kammerflimmern !

Vorkommen Myokardischämie: schwere koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt u. a.

278

Herzrhythmusstörungen

H

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei R-auf-T-Phänomen (präklinisch nur bei hämodynamischer Relevanz !). Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

▪ Kontrolle der Vitalfunktionen, lückenloses Monitoring (EKG) ▪ Reanimationsbereitschaft inkl.

Bereitstellung des Defibrillators

Erweiterte Maßnahmen bei R-auf-T-Phänomen. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

antiarrhythmische Therapie

Amiodaron

5 mg/kg KG, max. 300 mg i. v.

1–2 Amp. Cordarex über 10–20 min i. v.

Ajmalin

0,5–1 mg/kg KG langsam i. v., dann Dauerapplikation mit 25–50 mg/h i. v.

1 Amp. Gilurytmal über 5 min

Magnesiumsulfat

1–2 g langsam i. v.

entspr. Mg2+ 4–8 mmol

oder

bedrohliche Kreislaufinsuffizienz

Kardioversion (ggf. nach Sedierung)

279

H

Herzrhythmusstörungen Tachykarde Herzrhythmusstörungen Tachykarde Herzrhythmusstörungen können je nach Breite des QRS-Komplexes und der Abstände der R-Zacken voneinander weiter unterteilt werden.

Einteilung/Differenzierung einer Tachykardie im EKG. QRS-Komplex

RR-Abstände

schmal

regelmäßig

Formen

▪ Sinustachykardie ▪ atriale Tachykardie ▪ AV-Reentry-Tachykardie ▪ Reentry-Tachykardie bei WPW-Syndrom ▪ Vorhofflattern mit regelmäßiger AV-Überleitung (2 : 1, 3 : 1)

unregelmäßig breit

regelmäßig unregelmäßig

▪ Vorhofflimmern ▪ Vorhofflattern ▪ ventrikuläre Tachykardie ▪ Kammerflimmern ▪ ventrikuläre Tachykardie ▪ supraventrikuläre Tachykardie mit aberrierender Leitung ▪ Vorhofflimmern mit Leitung über eine akzessorische Leitungsbahn (WPW-Syndrom)

280

Herzrhythmusstörungen

H

Sinustachykardie Beschreibung P-Wellen und schmale QRS-Komplexe • normale Abstand zwischen P und QRS • normaler • Frequenz 150/min $(+

%

Erklärung/Besonderheiten Herzrhythmus, aber tachykard, Frequenz bis 220/min • normaler verzögerter Überleitung oder schneller Frequenz können P- und T-Welle ver• bei schmelzen aberranter Leitung im Tawara-Schenkel ist eine Verbreiterung des QRS-Kom• bei plexes möglich, was die Rhythmusanalyse erschweren kann

Vorkommen bei Sympathikotonus (Angst, Anstrengung), Fieber und bei Kindern • physiologisch bei Adrenalin, Atropin, Euphyllin • medikamentös bei Hyperthyreose, Schock, Anämie, Hypoxie, Infarkt, entzündlichen • pathologisch Prozessen, Herzinsuffizienz

Therapeutische Maßnahmen

• Valsalva-Pressversuch • Karotisdruckversuch • medikamentöse Therapie: evtl. Betablocker, z. B. Esmolol, Metoprolol

281

H

Herzrhythmusstörungen Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardien Beschreibung tachykarder Rhythmus mit normalem QRS-Komplex, P-Welle vorhan• gleichmäßig den → Ursprung der Tachykardie: Sinusknoten oder Vorhof $(+

%



gleichmäßig tachykarder Rhythmus mit normalem QRS-Komplex, keine P-Welle zu erkennen → typisch für AV-Knoten-Reentry-Tachykardie $(+

%



gleichmäßig tachykarder Rhythmus mit z. T. verformten und verbreiterten QRSKomplexen, P-Welle zu erkennen, typisch für aberrante Leitung $(+

%

Erklärung/Besonderheiten bis Stunden (selten länger) andauernde Tachykardie aus dem Vorhof oder • Sekunden AV-Knoten Frequenz 100–250/min, besonders bei schnellen Frequenzen aberrante Leitung • möglich, was eine Abgrenzung zur Kammertachykardie erschweren kann ektopischer Herd • selten Reentry-Tachykardie, häufig paroxysmales Auftreten • häufig • Auslösung und Begrenzung durch SVES möglich

Vorkommen Neigung zu Reentry-Tachykardien, Digitalisvergiftung, Myokarditis, Infarkt.

Therapeutische Maßnahmen Valsalva-Manöver, Karotisdruckversuch.

282

Breit

Unregelmäßig

Zu den Möglichkeiten gehören: • Vorhofflimmern mit • Schenkelblock • wie bei schmalem Komplex • behandeln • Tachykardie • (z.B. Torsades de pointes– • Magnesium 2 g über • 10 min verabreichen

!

Regelmäßig

Ja Eventuell Re-entry-PSVT: • bei Sinusrhythmus • 12-Kanal-EKG aufzeichnen • bei Wiederauftreten, erneut Adenosin • verabreichen und die Möglichkeit einer • Prophylaxe mit Antiarrhythmika erwägen

Nein

Eventuell Vorhofflattern • Frequenzkontrolle • (z.B. β-Blocker)

!

Experten zu Rate ziehen

Unregelmäßige SchmalKomplex-Tachykardie vermutlich Vorhofflimmern Frequenzkontrolle mit: • β-Blocker oder Diltiazem • Bei Hinweisen auf Herzinsuffizienz • Digoxin oder Amiodaron erwägen • Antikoagulation, wenn Dauer > 48 h

Unregelmäßig

Normaler Sinusrhythmus wiederhergestellt?

• Vagusmanöver • Adenosin 6 mg Bolus schnell i.v.; • falls erfolglos, 12 mg; • falls erfolglos, weitere 12 mg • kontinuierliche EKG-Überwachung

Bei ventrikulärer Tachykardie (oder unklarem Rhythmus): • Amiodaron 300 mg i.v. über • 20–60 min; dann 900 mg über 24 h • bei zuvor bestätigter • SVT mit Schenkelblock: • Adenosin wie bei regelmäßiger • Schmal-Komplex-Tachykardie • verabreichen

Regelmäßig

Schmal

ABCDE = Airway, Breathing, Circulation, Disability, Exposure; i.v. = intravenös; SpO2 = Monitoring pulsoximetrische O2-Sättigung; RR = Blutdruck; SVT = supraventrikuläre Tachykardie; PSVT = paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie

Schmaler QRS-Komplex regelmäßiger Rhythmus?

Ist der QRS-Komplex schmal (< 0,12 s)?

Stabil

Untersuchung auf Anzeichen bedrohlicher Symptome 1. Schock, 2. Synkope, 3. Myokardischämie, 4. Herzinsuffizienz

Breiter QRS-Komplex regelmäßiger Rhythmus?

Instabil

Tachykardie-Algorithmus (mit Puls) • Untersuchung nach dem ABCDE-Schema • Sauerstoffgabe, wenn erforderlich, i.v. Zugang legen • EKG-, RR-, SpO2-Monitoring, 12-Kanal-EKG • reversible Ursachen erkennen und behandeln • (z.B. Elektrolytstörungen)

Experten zu Rate ziehen

• Amiodaron 300 mg i.v. über • 10–20 min, dann synchronisierte • Kardioversion wiederholen; • gefolgt von • Amiodaron 900 mg über 24 h

Synchronisierte Kardioversion* bis zu 3 Versuche

* der Versuch einer elektrischen * Kardioversion beim wachen * Patienten erfolgt immer * unter Sedierung oder in * Allgemeinanästhesie

Herzrhythmusstörungen

(Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Soar, J., Nolan, J., Böttiger, B. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 770. doi:10.1007/s10049-015-0085-x)

H

283

H

Herzrhythmusstörungen Erweiterte Maßnahmen bei paroxysmalen supraventrikulären Tachykardien. Indikation

Medikament

bei Symptomatik

Adenosin

Dosierung

▪ 6 mg Bolus ▪ ggf. wiederholen nach 1–2 min mit 12 mg, nach weiteren 2 min erneut 12 mg

Beispiel

▪ 1. Bolus: 1 Amp. Adrekar i. v. ▪ 2. Bolus: 2 Amp. Adrekar i. v. ▪ 3. Bolus: 2 Amp. Adrekar i. v.

wenn nicht erfolgreich Betablocker

Esmolol 40 mg bzw. bis zu 1 mg/kg KG über 1 min.

1 Amp. Brevibloc i. v.

oder Metoprolol bis zu 5 mg

1 Amp. Beloc i. v.

5–10 mg i. v. über 5 min

1 Amp. Isoptin i. v.

5 mg/kg KG, max. 300 mg i. v.

2 Amp. Cordarex langsam (minimal 3 min) i. v.

max. 2-mal 0,25 mg über 30 min

1–2 Amp. Lanicor i. v.

oder Kalziumantagonisten, z. B. Verapamil

oder Amiodaron

oder Digoxin bei Zeichen der Instabilität

!

284

Kardioversion: Beginn mit 100 J monophasisch (70–120 J biphasisch), ggf. steigern auf 200 J monophasisch (120–150 J biphasisch)

Cave: Betablocker und Verapamil nicht kombinieren !

Herzrhythmusstörungen

H

WPW-Syndrom, LGL-Syndrom Beschreibung/Erklärung/Besonderheiten Sinusrhythmus mit auffälliger Überleitung; Delta-Welle = zwischen P • Regelmäßiger und Q keine isoelektrische Linie vorhanden, die Kurve steigt nach P direkt zu R auf (kurze PQ-Zeit < 0,12 s). Beim WPW-Syndrom sind neben der normalen Leitungsbahn des AV-Knotens zusätzliche pathologische Bahnen vorhanden, die die Erregung vom Vorhof direkt auf die Kammer weiterleiten. Teile der Ventrikelmuskulatur werden somit früher als normal erregt und erzeugen im EKG die Delta-Welle $(+

%

Reentry-Tachykardie. Zur paroxysmalen Reentry-Tachykardie kommt • Orthodrome es, wenn die Erregung in einem Reentrykreis die normale Leitungsbahn in antegrader Richtung benutzt und dann retrograd über die pathologische Bahn in den Vorhof zurück geleitet wird (orthodrom), es kommt dann zur kreisenden Erregung mit Frequenzen von 180–250/min. Orthodrome WPW-Tachykardien haben einen schlanken QRS-Komplex mit vorangehender Delta-Welle $(+

%

– Antidrome Reentry-Tachykardie. Selten kann die pathologische Bahn in antegrader Richtung und die AV-Leitung in retrograder Richtung leiten (antidrom). Antidrome WPW-Tachykardien haben breite QRS-Komplexe und können im EKG wie Kammertachykardien aussehen. Vorhofflattern und Vorhofflimmern können über die pathologische Bahn 1 : 1 in die Kammer übergeleitet werden, was einen schnellen ventrikulären Rhythmus zur Folge hat $(+

%

285

H

Herzrhythmusstörungen Vorkommen Angeboren.

Therapeutische Maßnahmen Medikamentöse Maßnahmen bei WPW-Syndrom, LGL-Syndrom. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

WPW-Syndrom, LGLSyndrom

Ajmalin

0,5–1 mg/kg KG langsam i. v.

50 mg Gilurytmal (1 Amp.= 10 ml) über 5 min i. v.

Esmolol 40 mg bzw. bis zu 1 mg/kg KG

1 Amp. Brevibloc i. v.

oder Betablocker

oder Metoprolol bis zu 5 mg

1 Amp. Beloc i. v.

5 mg/kg KG, max. 300 mg i. v.

1–2 Amp. Cordarex über 10–20 min i. v.

oder Amiodaron

!

Kontraindiziert sind Verapamil und Digitalis !

Auch Adenosin kann beim WPW-Syndrom in seltenen Fällen Vorhofflimmern mit einer gefährlich schnellen Überleitung auf den Ventrikel hervorrufen und ist deshalb kontraindiziert!

286

Herzrhythmusstörungen

H

Vorhofflattern Beschreibung Regelmäßige, sägezahnartige P-Wellen mit einer Frequenz von 250–400/min, schmale QRS-Komplexe: Blockierung des AV-Knotens und Überleitung im Verhältnis 4 : 1



$(+

%

• Blockierung des AV-Knotens und Überleitung im Verhältnis 2 : 1 $(+

%

Erklärung/Besonderheiten hochfrequente Vorhofaktionen durch Reentrykreis, oft im rechten Vor• regelmäßige, hof (typisches Vorhofflattern) im festen Verhältnis 2 : 1, 3 : 1 oder 4 : 1, selten unregelmäßig • Überleitung Belastung oder Medikamenten Verbesserung der Überleitung möglich, dann • unter besteht die Gefahr einer schnellen ventrikulären Frequenz tritt selten ohne kardiale Grunderkrankung auf und geht oft in Flim• Vorhofflattern mern über der Vorhöfe zwar noch vorhanden, der Blutfluss ist aber behindert, • Kontraktion es entsteht ein erhöhtes Embolierisiko, eine antiembolische Therapie ist somit indiziert

!

Sind unphysiologische Leitungsbahnen zwischen Vorhof und Ventrikel vorhanden, besteht die Gefahr einer schnellen Überleitung, in diesem Fall sofortige Kardioversion des Vorhofflatterns !

Vorkommen ohne kardiale Grunderkrankung • selten und Mitralvitien, entzündliche Prozesse, KHK; Infarkt, Reizung, z. B. nach • AortenHerz-OP, COPD

287

H

Herzrhythmusstörungen Therapeutische Maßnahmen Erweiterte Maßnahmen bei Vorhofflattern. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Antiarrhythmika bei schneller Überleitung mit Tachykardien

Betablocker

Esmolol 40 mg bzw. bis zu 1 mg/kg KG über 1 min

1 Amp. Brevibloc i. v.

oder Metoprolol bis zu 5 mg

1 Amp. Beloc i. v.

Verapamil 5–10 mg über 5 min

1 Amp. Isoptin i. v.

max. 2-mal 0,25 mg über 30 min

Lanicor 1 Amp. = 1 ml = 0,25 mg

5 mg/kg KG, max. 300 mg i. v.

2 Amp. Cordarex langsam (minimal 3 min) i. v.

oder Kalziumantagonisten

oder Digoxin

oder Amiodaron bei Zeichen der Instabilität

Kardioversion: Beginn mit 80–100 J biphasisch (100 J monophasisch), ggf. steigern auf 150 J biphasisch (120–150 J monophasisch)

Vorhofflimmern/Absolute Arrhythmie Beschreibung Auftreten von unregelmäßigen Vorhofflimmerwellen:

AV-Überleitung, hier mit Frequenz 80/min • unregelmäßige • QRS-Komplexe schmal und normal geformt $(+

%

Erklärung/Besonderheiten völlig unregelmäßige Vorhofaktionen mit Frequenzen von 350–600/min • schnelle, • Flimmerwellen am besten in V1 erkennbar

288

Herzrhythmusstörungen

H

Kammerrhythmus, daher absolute Arrhythmie • unregelmäßiger bradykarder Überleitung mit Frequenzen unter 60/min spricht man von Brady• bei arrhythmia absoluta oder Bradyarrhythmien, bei tachykarder Überleitung von Tachyarrhythmia absoluta oder Tachyarrhythmien

oft mit Herzfrequenzen über 100/min • unbehandelt keine Pumpfunktion der Vorhöfe mehr, bei kardialer Vorschädigung ne• praktisch gative Auswirkungen auf das Herzzeitvolumen (25 % weniger), besonders bei Tachyarrhythmien

• hohes Embolierisiko, daher antiembolische Behandlung Vorkommen Langjährige Hypertonie, KHK, Kardiomyopathie, Mitralvitien, Hyperthyreose oder ohne Herzerkrankung.

Therapeutische Maßnahmen Bei normofrequentem Herzrhythmus keine Akuttherapie erforderlich !

Erweiterte Maßnahmen bei Vorhofflimmern. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

bei akuten Tachyarrhythmien Reduktion der Überleitung durch Antiarrhythmika

Betablocker

Esmolol 40 mg bzw. bis zu 1 mg/ kg KG über 1 min

1 Amp. Brevibloc i. v.

oder Metoprolol bis zu 5 mg

1 Amp. Beloc i. v.

Verapamil 5–10 mg über 5 min

1 Amp. Isoptin i. v.

max. 2-mal 0,25 mg über 30 min

Lanicor 1 Amp. = 1 ml = 0,25 mg

5 mg/kg KG, max. 300 mg i. v.

2 Amp. Cordarex langsam (minimal 3 min) i. v.

oder Kalziumantagonisten

oder Digoxin

oder Amiodaron bei Zeichen der Instabilität

▪ Kardioversion: Beginn mit 80–100 J biphasisch (100 J mono-

phasisch), ggf. steigern auf 150 J biphasisch (120–150 J monophasisch) ▪ Bradyarrhythmie kann Schrittmacherindikation (VVI) sein

289

H

Herzrhythmusstörungen Ventrikuläre Tachykardien Beschreibung deformierte QRS-Komplexe, HF 150/min • verbreiterte • P-Wellen nicht zu erkennen $(+

%

Erklärung/Besonderheiten auftretende rhythmische Folge von Kammerextrasystolen, Frequenz • anfallsweise 100–250/min, entstehen durch Reentrykreis im Ventrikel nicht anhaltende (VT) sind selbstlimitierend und dauern bis • 30 s, anhaltende VTKammertachykardien länger als 30 s

!

VT sind gefährlich, Übergang in Kammerflattern, Flimmern möglich, Monitoring und Reanimationsbereitschaft erforderlich !

Vorkommen Schwere organische Herzerkrankungen: Infarkt, KHK, Kardiomyopathien, Digitalisüberdosierung, Antiarrhythmika.

Therapeutische Maßnahmen Therapie auf Klinik und Zustand des Patienten abstimmen !

Erweiterte Maßnahmen bei ventrikulären Tachykardien.

290

Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Antiarrhythmika, wenn Patient ansprechbar und kreislaufstabil

Amiodaron

5 mg/kg KG, max. 300 mg i. v.

2 Amp. Cordarex langsam (minimal 3 min) i. v.

RR systolisch < 80, Patient bewusstlos

ggf. weitere Sedierung und Kardioversion: Beginn mit 100 J monophasisch (70–120 J biphasisch), ggf. steigern auf 200 J monophasisch (120–150 J biphasisch)

Breit

Unregelmäßig

Zu den Möglichkeiten gehören: • Vorhofflimmern mit • Schenkelblock • wie bei schmalem Komplex • behandeln • Tachykardie • (z.B. Torsades de pointes– • Magnesium 2 g über • 10 min verabreichen

!

Regelmäßig

Nein

Eventuell Vorhofflattern • Frequenzkontrolle • (z.B. β-Blocker)

!

Experten zu Rate ziehen

Unregelmäßige SchmalKomplex-Tachykardie vermutlich Vorhofflimmern Frequenzkontrolle mit: • β-Blocker oder Diltiazem • Bei Hinweisen auf Herzinsuffizienz • Digoxin oder Amiodaron erwägen • Antikoagulation, wenn Dauer > 48 h

Eventuell Re-entry-PSVT: • bei Sinusrhythmus • 12-Kanal-EKG aufzeichnen • bei Wiederauftreten, erneut Adenosin • verabreichen und die Möglichkeit einer • Prophylaxe mit Antiarrhythmika erwägen

Ja

ABCDE = Airway, Breathing, Circulation, Disability, Exposure; i.v. intravenös; SpO2 Monitoring = pulsoximetrische O2-Sättigung; RR = Blutdruck; SVT = supraventrikuläre Tachykardie; PSVT = paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie

Unregelmäßig

Normaler Sinusrhythmus wiederhergestellt?

• Vagusmanöver • Adenosin 6 mg Bolus schnell i.v.; • falls erfolglos, 12 mg; • falls erfolglos, weitere 12 mg • kontinuierliche EKG-Überwachung

Bei ventrikulärer Tachykardie (oder unklarem Rhythmus): • Amiodaron 300 mg i.v. über • 20–60 min; dann 900 mg über 24 h • bei zuvor bestätigter • SVT mit Schenkelblock: • Adenosin wie bei regelmäßiger • Schmal-Komplex-Tachykardie • verabreichen

Regelmäßig

Schmal Schmaler QRS-Komplex regelmäßiger Rhythmus?

Ist der QRS-Komplex schmal (< 0,12 s)?

Stabil

Untersuchung auf Anzeichen bedrohlicher Symptome 1. Schock, 2. Synkope, 3. Myokardischämie, 4. Herzinsuffizienz

Breiter QRS-Komplex regelmäßiger Rhythmus?

Instabil

Tachykardie-Algorithmus (mit Puls) • Untersuchung nach dem ABCDE-Schema • Sauerstoffgabe, wenn erforderlich, i.v. Zugang legen • EKG-, RR-, SpO2-Monitoring, 12-Kanal-EKG • reversible Ursachen erkennen und behandeln • (z.B. Elektrolytstörungen)

Experten zu Rate ziehen

• Amiodaron 300 mg i.v. über • 10–20 min, dann synchronisierte • Kardioversion wiederholen; • gefolgt von • Amiodaron 900 mg über 24 h

Synchronisierte Kardioversion* bis zu 3 Versuche

* der Versuch einer elektrischen * Kardioversion beim wachen * Patienten erfolgt immer * unter Sedierung oder in * Allgemeinanästhesie

Herzrhythmusstörungen

(Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Soar, J., Nolan, J., Böttiger, B. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 770. doi:10.1007/s10049-015-0085-x.)

H

291

H

Herzrhythmusstörungen Torsades de pointes Beschreibung verbreiterte Kammerkomplexe mit wellenförmig an- und abschwellen• deformierte, der Amplitude, leicht mit grobem Kammerflimmern zu verwechseln P-Wellen vorhanden • keine • R-Zacken-Frequenz 200–300/min

Erklärung/Besonderheiten Kammertachykardie mit dauernder Änderung von Amplitude und Richtung des elektrischen Vektors (Kammeranarchie). In der Regel besteht eine hochgradige Kreislaufinsuffizienz bis hin zum funktionellen Herz-Kreislauf-Stillstand, häufig selbstlimitierend.

Vorkommen schwere koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Elektrounfall, Ver• Myokardischämie: giftungen, Elektrolytentgleisung u. a. kongenitale Syndrome insbesondere: Überdosierung Pharmaka (Antiarrhythmika, vor allem Klasse Ia • und Klasse III, Antidepressiva,mit Neuroleptika, Antihistaminika, Antibiotika, Chemotherapeutika)

Long-QT-Syndrom (LQTS) Das Long-QT-Syndrom umfasst eine Gruppe von seltenen, genetisch bedingten, funktionellen Störungen verschiedener Ionenkanäle der Zellmembran des Herzens. Diese Störungen gehen mit einem verlängerten QT-Intervall im EKG, einer veränderten elektrischen Repolarisation der Herzkammern sowie dem Auftreten von ventrikulären Tachykardien in Form von Torsade de Pointes einher. Bei einem erworbenen Long-QT-Syndrom werden die o.g. Störungen durch den Einfluss exogener „Noxen“ (in erster Linie bestimmte Medikamente, die die Repolarisationszeit verlängern und Elektrolytstörungen) passager hervorgerufen.

292

Herzrhythmusstörungen

H

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Torsades de pointes. Maßnahme

Details

Vitalfunktionen

bei Pulslosigkeit kardiopulmonale Reanimation

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

Infusion weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

▪ Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring ▪ Reanimationsbereitschaft inkl. Bereitstellung des Defibrillators

Erweiterte Maßnahmen bei Torsades de pointes. Indikation

Medikament

antiarrhythmische Therapie

Magnesiumsulfat

nach erfolglosem AntiarrhythmikaEinsatz

Dosierung

▪ 2 g 2+(entspricht

Mg 8 mmol) langsam i. v. ggf. ▪ nach 10 min wiederholen

Beispiel

▪ Cormagnesin 400

1 Amp. über 10 min i. v. ▪ ggf. einmal wiederholen

▪ Versuch der Defibrillation, initial mit 200 J ▪ u. U. Versuch der Schrittmacher-Therapie („Overdrive-Pacing“)

293

H

Herzrhythmusstörungen Kammerflattern Beschreibung haarnadelförmige Kammerkomplexe mit hoher Amplitude und ohne • gleichmäßige isoelektrisches Intervall • Frequenz 250/min $(+

%

Erklärung/Besonderheiten entsteht durch kreisende Erregung im Ventrikel, oft in Folge von • Kammerflattern VES oder Kammertachykardien Frequenz 250/min und höher (als Abgrenzung zur Kammertachykardie) •

!

Geht unbehandelt in Kammerflimmern über, absoluter Notfall, wenig oder kein Blutauswurf !

Vorkommen Schwere organische Herzerkrankungen, Herzinfarkt, Kardiomyopathie.

Therapeutische Maßnahmen Faustschlag • präkordialer einleiten s. S. 137 • Reanimation Defibrillation • frühestmögliche • evtl. Antiarrhythmika

Medikamentöse Maßnahmen bei Kammerflattern.

294

Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

antiarrhythmische Therapie

Amiodaron

5 mg/kg KG, max. 300 mg i. v.

2 Amp. Cordarex langsam (minimal 3 min) i. v.

Herzrhythmusstörungen

H

Kammerflimmern Beschreibung unregelmäßige verschieden hohe Zacken • völlig • Frequenz ca. 500/min $(+

%

Erklärung/Besonderheiten unkoordinierte Reentrykreise, unterschiedlich hohe unregelmäßige Zacken, • viele die grob oder fein sein können keine Herzarbeit vorhanden, funktioneller Stillstand • Notfallmechanische Kreislaufstillstand, Reanimationssituation • geht oftmit ventrikulärer Tachykardie oder Kammerflattern hervor, kann aber auch • spontan aus auftreten

Vorkommen Akuter Herzinfarkt, schwere organische Herzerkrankungen, KHK, Kardiomyopathien, Vitien, Elektrolytentgleisung, Stromunfall.

Therapeutische Maßnahmen frühestmögliche Defibrillation • Reanimation, • Antiarrhythmika Siehe auch Abbildung „Kammerflimmern bzw. pulslose ventrikuläre Tachykardie“ auf S. 146.

Medikamentöse Maßnahmen bei Kammerflimmern. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Vasokonstriktion

Adrenalin

1 mg i. v. oder i. o.

1 Amp. Suprarenin i. v. oder i. o.

antiarrhythmische Therapie

Amiodaron

5 mg/kg KG, max. 300 mg i. v.

2 Amp. Cordarex langsam (minimal 3 min) i. v.

295

H

Herzrhythmusstörungen Bradykarde Herzrhythmusstörungen Das allgemeine Vorgehen bei einer bradykarden Herzrhythmusstörung ist nachfolgend dargestellt. Bradykardie-Algorithmus • Untersuchung nach dem ABCDE-Schema • Sauerstoffgabe, wenn erforderlich, i.v. Zugang legen • EKG-, RR-, SpO2-Monitoring, 12-Kanal-EKG • Reversible Ursachen erkennen und behandeln • (z.B. Elektrolytstörungen)

Untersuchung auf Anzeichen bedrohlicher Symptome 1. Schock 3. Myokardischämie 2. Synkope 4. Herzinsuffizienz Ja Nein

Atropin 500 µg i.v.

Ausreichende Reaktion?

Ja

Nein

Überbrückungsmaßnahmen: • Atropin 0,5 mg i.v. bis maxi• mal 3 mg wiederholen • Isoprenalin 5 µg/min i.v. • Adrenalin 2–10 µg/min i.v. • Alternative Medikamente* oder • transkutaner Schrittmacher Experten zu Rate ziehen Transvenösen Schrittmacher organisieren ! * Alternativen sind: • Aminophyllin • Dopamin • Glukagon (bei Intoxikation • mit β-Blockern oder • Kalzium-Kanal-Blockern) • Glykopyrrolat kann statt • Atropin verwendet werden

296

Ja

Gefahr einer Asystolie? • Kürzlich Asystolie • AV-Block Typ Mobitz II • Totaler AV-Block mit • breitem QRS-Komplex • Ventrikuläre Pausen > 3 s

Nein

Beobachten

ABCDE = Airway, Breathing, Circulation, Disability, Exposure; i.v. = intravenös; SpO2 Monitoring = pulsoximetrische O2-Sättigung; RR = Blutdruck; AV = Atrioventrikulär (Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Soar, J., Nolan, J., Böttiger, B. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 770. doi:10.1007/s10049-015-0085-x)

Herzrhythmusstörungen

H

Sinusbradykardie Beschreibung P-Wellen und schmale QRS-Komplexe • normale Abstand zwischen P und QRS • normaler • Frequenz < 60/min

Erklärung/Besonderheiten Herzrhythmus, aber bradykard • physiologischer ständiger Frequenz unter 40 spricht man von pathologischer Bradykardie • bei bei Frequenzen unter 40 springt in der Regel der AV-junktionaler Ersatzrhythmus • ein

Vorkommen bei Sportlern, gut Trainierten in Ruhe, im Schlaf durch erhöhten • physiologisch Vagotonus bei Hypothyreose, erhöhtem Hirndruck, KHK, Sinusknotenerkrankung • pathologisch (Sick-Sinus-Syndrom = SSS), nach Infarkt, durch Medikamente bedingt (Betablocker oder andere Arrhythmika)

!

In der Notfallsituation muss bei einer Bradykardie vor allem eine verursachende Hypoxie sicher ausgeschlossen werden (z. B. durch nochmalige Kontrolle der Tubuslage !).

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Sinusbradykardie. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring

297

H

Herzrhythmusstörungen Erweiterte Maßnahmen bei Sinusbradykardie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

bei klinischer Symptomatik

Atropin

0,5–1(–3) mg i. v.

1–2 Amp. Atropin i. v.

Adrenalin

2–10(–100) μg/min i. v.

½–1 ml der 1 : 10 verdünnten Lösung Suprarenin

bzw. bei kritischer Hypotonie Bolusgabe von 0,05–0,1 mg i. v.

oder Schrittmachertherapie

z. B. nichtinvasiver, transthorakaler Schrittmacher

Sick-Sinus-Syndrom Beschreibung Bei einem Sick-Sinus-Syndrom muss mit einer schweren Myokardschädigung des rechten Vorhofes gerechnet werden (z. B. bei verminderter Durchblutung der rechten Koronararterie bzw. bei schweren chronischen Herzerkrankungen). Der physiologische Schrittmacher wandert dann entlang der Vorhofleitungsbündel Richtung AVKnoten vom Sinusknoten weg, die Frequenz wird langsamer. Erholt sich die Vorhofmuskulatur, wird dieser Vorgang rückgängig gemacht, das Herz schlägt wieder schneller. Dadurch kommt das typische EKG-Bild eines Sinusrhythmus mit ständig wechselnder (tachykard)-normofrequent-bradykarder Frequenz zustande.

Erklärung/Besonderheiten Störungen können isoliert oder kombiniert auftreten: Sinusbradykardie, • Folgende Sinusstillstand, sinuatrialer Block, Vorhof- oder AV-Knotenersatzrhythmus, Extra-



systolie mit tachykarden Episoden, paroxysmales Vorhofflimmern, Vorhofflattern, Tachy-Bradykardie-Syndrom keine oder inadäquate Frequenzzunahme bei körperlicher Belastung

Vorkommen Degeneration des Sinusknotens, Sklerose der Sinusknotenarterie, Infarkt, Herzmuskelveränderungen, idiopathisch.

298

Herzrhythmusstörungen

H

Therapeutische Maßnahmen Meist keine notfallmedizinische Relevanz! Eine evtl. Therapie richtet sich auch hier nach der zugrunde liegenden Pathologie und der hämodynamischen Auswirkung. Bei ausgeprägter Symptomatik wie Schwindel, Synkopen Schrittmacherindikation, sonst Verlaufsbeobachtung.

AV-Block Grad I Beschreibung Sinusrhythmus mit schmalen QRS-Komplexen • normaler • PQ-Zeit (Anfang P bis Anfang Q) über 0,2 s und damit verlängert ,

$(+

%

Erklärung/Besonderheiten der Reizleitung im AV-Knoten, d. h. Leitungsverzögerung zwischen Vorhof • Störung und Kammer • auf jede Vorhoferregung folgt eine Kammeraktion !

Vorkommen Vagotonus, Myokarditis, Infarkt, KHK, Digitaliswirkung, Vitien.

Therapeutische Maßnahmen Nicht erforderlich.

AV-Block Grad II, Typ Mobitz 1 (Wenckebach) Beschreibung geht von Sinusknoten aus • Rhythmus länger werdende PQ-Zeit bis zum Ausfall eines QRS-Komplexes • periodisch • QRS-Komplex normal ,

$(+

%

299

H

Herzrhythmusstörungen Erklärung/Besonderheiten Zunehmende Leitungsverzögerung von Vorhoferregung zu Vorhoferregung bis zum Ausfall einer Überleitung.

Vorkommen Schädigung des AV-Knotens vor allem als Folge einer KHK, Herzinfarkt, auch Digitalisvergiftung, entzündliche, infektiöse oder toxische (urämisches Koma) Herzerkrankung.

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei AV-Block Grad II, Typ 1. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring

Erweiterte Maßnahmen bei AV-Block Grad II, Typ 1.

300

Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

bei Anhalt für eine akute Myokardischämie und bei hämodynamischer Instabilität

Atropin

0,5–1(–3) mg i. v.

1–2 Amp. Atropin i. v.

keine ausreichende Reaktion Adrenalin

2–10(–100) μg/min i. v.

½–1 ml der 1 : 10 verdünnten Lösung Suprarenin

Schrittmachertherapie

z. B. nichtinvasiver transthorakaler Schrittmacher

Herzrhythmusstörungen

H

AV-Block Grad II, Typ Mobitz 2 Beschreibung Intermittierender totaler AV-Block (meist in regelmäßigen Abständen z. B. 2 : 1, 3 : 1) bei sonst normaler AV-Überleitungszeit: bei sonst normaler Überleitung fehlende Überleitung einzelner Schläge



,

$(+

%

• fehlende Überleitung jeder zweiten P-Welle ,

$(+

%



mehrere P-Wellen werden nicht übergeleitet ,

$(+

%

Erklärung/Besonderheiten der Überleitung liegt meist im His-Bündel, QRS-Komplexe sind oft ver• Ermüdung breitert oder selten mehrere Schläge werden nicht übergeleitet • einzelne höhergradigem AV-Block 2. Grades wird nur noch jede 2., 3., 4. Vorhoferregung • bei übergeleitet, dann 2 : 1, 3 : 1, 4 : 1-Block

Vorkommen Herzmuskelschädigung, KHK.

301

H

Herzrhythmusstörungen Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei AV-Block Grad II, Typ 2. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring

!

Degeneration zum drittgradigen AV-Block möglich ! Insbesondere bei tiefsitzender Blockierung (mit breiten Kammerkomplexen) häufig Therapie durch Atropin nicht möglich.

Erweiterte Maßnahmen bei AV-Block Grad II, Typ 2. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

AV-Block Grad II, Typ 2

Atropin

0,5–1(–3) mg i. v.

1–2 Amp. Atropin i. v.

frühzeitig Schrittmachertherapie, z. B. nichtinvasiver transthorakaler Schrittmacher wenn Schrittmachertherapie nicht zur Verfügung steht oder erfolglos bleibt: Einsatz von Catecholaminen, z. B. Adrenalin

2–10(–100) μg/min bzw. bei kritischer Hypotonie Bolusgabe von 0,05–0,1 mg i. v.

½–1 ml der 1 : 10 verdünnten Lösung Suprarenin

AV-Block Grad III (totaler AV-Block) Beschreibung Regelmäßige Vorhofaktionen vorhanden, aber totale Blockade der Überleitung. P-Wellen und QRS-Komplexe haben jeweils eigene, unterschiedliche Frequenzen, Vorhöfe und Kammern schlagen unabhängig voneinander ! Ersatzrhythmus mit schmalen QRS-Komplexen, HF ca. 40/min



,

302

%

$(+

Herzrhythmusstörungen

H

• Ersatzrhythmus mit breiten QRS-Komplexen, HF ca. 30/min $(+

,

%



fehlender Ersatzrhythmus, 1 VES $(+

,

%

Erklärung/Besonderheiten der totalen Blockade im AV-Knoten, im His-Bündel oder unterhalb des • Lokalisation His-Bündels Ersatzrhythmus aus dem His-Bündel (HF 40–60) mit schmalen QRS-Komplexen • oder mit breiten, deformierten Komplexen aus der Kammermuskulatur (HF 30) schwerwiegende hämodynamische Auswirkungen mit zerebraler Unterversor• oft gung

Vorkommen Herzmuskelschädigung, KHK, Infarkt, Vitien.

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei AV-Block Grad III. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring

!

In der Regel besteht je nach der Frequenz des Kammerersatzrhythmus eine unterschiedlich stark ausgeprägte Kreislaufinsuffizienz mit Bewusstseinsstörung und damit u. U. eine dramatische Notfallsituation. Ein Ansprechen der Kammerfrequenz auf Atropin ist selten.

303

H

Herzrhythmusstörungen Erweiterte Maßnahmen bei AV-Block Grad III. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Atropin

0,5–1(–3) mg i. v.

1–2 Amp. Atropin i. v.

frühzeitig Schrittmachertherapie, z. B. nichtinvasiver transthorakaler Schrittmacher wenn Schrittmachertherapie nicht zur Verfügung steht oder erfolglos bleibt: Einsatz von Catecholaminen, z. B. Adrenalin

2–10(–100) μg/min bzw. bei kritischer Hypotonie Bolusgabe von 0,05–0,1 mg i. v.

½–1 ml der 1 : 10 verdünnten Lösung Suprarenin

Bradykardes Vorhofflimmern (Bradyarrhythmie) Beschreibung

• Vorhofflimmerwellen insgesamt zu langsame AV-Überleitung (HF < 60/min) • unregelmäßige, • QRS-Komplexe schmal und normal geformt 25 mm/s

1s

Erklärung/Besonderheiten am besten in V1 erkennbar • Flimmerwellen Kammerrhythmus, daher absolute Arrhythmie • unregelmäßiger bradykarder Überleitung mit Frequenzen unter 60/min spricht man von Brady• bei arrhythmia absoluta oder Bradyarrhythmien keine Pumpfunktion der Vorhöfe mehr, bei kardialer Vorschädigung ne• praktisch gative Auswirkungen auf das Herzzeitvolumen (25 % weniger), besonders bei Tachyarrhythmien

Vorkommen Langjährige Hypertonie, KHK, Kardiomyopathie, Mitralvitien, Digitalisüberdosierung, Betablockerüberdosierung.

304

Herzrhythmusstörungen

H

Therapeutische Maßnahmen Nur bei Symptomatik!

Basismaßnahmen bei Bradyarrhythmie. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Kontrolle der Vitalfunktionen, Monitoring

Erweiterte Maßnahmen bei Bradyarrhythmie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

nur beim Anhalt für eine akute Myokardischämie und bei hämodynamischer Instabilität

Atropin

0,5–1(–3) mg i. v.

1–2 Amp. Atropin i. v.

keine ausreichende Reaktion Adrenalin

2–10(–100) μg/min i. v.

½–1 ml der 1 : 10 verdünnten Lösung Suprarenin

Schrittmachertherapie, z. B. nichtinvasiver transthorakaler Schrittmacher

Herzschrittmacher und ICD Unter Mitarbeit von Ralf Kleindienst

Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (ICD) Prinzip Siehe Magnetverhalten von ICD (S. 113).

Erkennen eines ICD-Trägers

• ICD-Ausweis • Anamnese/Fremdanamnese OP-Narbe, Implantationsnarbe unter linkem Schlüsselbein • typische • tastbares Aggregat (kann natürlich auch ein normaler Herzschrittmacher sein) Beurteilung der ICD-Funktion Präklinisch nicht direkt möglich, indirekt ggf. nur über EKG-Monitoring!

305

H

Herzrhythmusstörungen Notfallindikation Erhält ein ICD-Träger einmalig einen Schock (Kardioversion oder Defibrillation), soll er sich umgehend mit seinem betreuenden Kardiologen in Verbindung setzen bzw. sich im Zweifelsfall immer mit dem RTW in ein kardiologisches Zentrum bringen lassen. 25 mm/s

1s

Eine wiederholte Schockabgabe sollte jeden ICD-Träger zur sofortigen Alarmierung des Notarztes veranlassen.

Therapeutische Maßnahmen der Vitalfunktionen • Check • EKG-Monitoring berechtigte ICD-Therapie: tachykarde Rhythmusstörungen → max. 8 ICD-Auslösun• gen:



306

– erfolgreiche ICD-Therapie: Beendigung der Rhythmusstörung durch den ICD – erfolglose Therapie: maligne Rhythmusstörung hält an → Vorgehen wie bei Patient ohne ICD-Gerät, d. h. externe Defibrillation (von Beginn an mit maximaler Energie, Sternumelektrode tiefer als üblich positionieren, d. h. weg von der ICDSonde!, idealerweise Anterior-Posterior-Position der Elektroden), Reanimation, Antiarrhythmika unberechtigte ICD-Therapie: beim EKG-Monitoring sind keine therapiebedürftigen ventrikulären Rhythmusstörungen zu erkennen (Ursachen z. B.: Fehlfunktion, Sinustachykardie, Vorhofflimmern mit schneller Überleitung): – Magnetauflage zur Unterdrückung der antitachykarden Funktion des ICD: temporäre Unterdrückung (nur für die Zeit der Magnetauflage) oder permanente Unterdrückung (dauerhaft nach Magnetauflage) entsprechend Angaben im ICDAusweis! – bei Fehlen eines entsprechenden Magneten: Analgosedierung, EKG-Monitoring

Herzrhythmusstörungen

H

Herzschrittmacherdefekt Definition Fehlfunktion eines Herzschrittmachers, z. B. infolge einer Dislokation der Elektroden, einer Erhöhung der myokardialen Reizschwelle oder eines Elektrodenbruchs. Wichtig ist die Anamnese und ggf. die Frage nach dem Schrittmacherausweis, der die wichtigsten Daten enthält.

Herzschrittmacher-Identifikationscode nach NASPE*/BPEG** (NBG-Code 2002). Code Stelle

1

2

3

4

Bedeutung

Stimulationsort

Registrierungsort

Betriebsart

Frequenzadaptation

Multifokale Stimulation

Inhalt

0 (keiner)

0 (keiner)

0 (keine)

0 (keine)

0 (keine)

R (adaptiv)

A (Atrium)

A (Atrium)

T (getriggert)

V (Ventrikel)

V (Ventrikel)

I (inhibiert)

V (Ventrikel)

A (Atrium)

D (Dual A+V)

D (Dual A+V)

D (Dual T+I)

D (Dual A+V)

S (Single A/V)

S (Single A/V)

* NASPE = North American Society of Pacing and Electrophysiology; ** BPEG = British Pacing and Electrophysiology Group

307

H

Herzrhythmusstörungen Übersicht über verwendete Schrittmachersysteme Verwendete Schrittmachersysteme. Typ

Beschreibung

Vorhofschrittmacher

▪ einfaches System mit einer Sonde ▪ Indikation ist häufig das Sick-Sinus-Syndrom, bei dem der Sinusknoten nicht mehr zuverlässig den Rhythmus vorgibt und symptomale Bradykardien und Pausen auftreten

Kammerschrittmacher

▪ System mit einer Sonde ▪ Indikation: höhergradige AV-Blöcke, wenn

eine 2-Kammer-Stimulation nicht möglich ist; z. B. bei AV-Block III° in Kombination mit chronischem Vorhofflimmern

2-KammerSchrittmacher

▪ System mit 2 Sonden ▪ kann sowohl im Vorhof als auch in der Kammer stimulieren; die Reizabgabe erfolgt synchronisiert, dadurch arbeiten Vorhof und Kammer zusammen, was die Hämodynamik verbessert ▪ der Modus kann genau an die Situation des Patienten angepasst werden

biventrikuläre Stimulation

▪ System mit 2 (oder 3) Sonden ▪ 1. Sonde rechter Ventrikel, 2. Sonde linker

Ventrikel (ermöglicht eine synchrone Stimulation beider Ventrikel = Resynchronisationstherapie) ▪ evtl. zusätzliche Sonde im rechten Vorhof oder zusätzliche Möglichkeit zur internen ventrikulären Defibrillation

308

Beispiel

Herzrhythmusstörungen

H

Funktion häufig gebrauchter Schrittmacher Funktionsschemata häufig gebrauchter Herzschrittmacher. Schrittmachertyp

Funktionsschema

Beschreibung

AAI (AAT)

Vorhofstimulation nach Bedarf. Vorhof inhibiert (triggert)

VVI (VVT)

Kammerstimulation nach Bedarf. Kammer inhibiert (triggert)

VDD

vorhofgesteuerte Kammerstimulation nach Bedarf; Kammer inhibiert

DVI

sequenzielle Vorhof- und Kammerstimulation nach Bedarf; Kammer inhibiert

DDD

nach Bedarf automatischer Funktionswechsel zwischen reiner Vorhofstimulation, Vorhof- und Kammerstimulation, vorhofgesteuerter Kammerstimulation; Vorhof und Kammer inhibiert

309

H

Herzrhythmusstörungen EKG-Beispiele häufig verwendeter Herzschrittmachertypen. Modus AAI-Modus/Einkammersystem im Vorhof Der SM stimuliert den Vorhof, wenn eine eingestellte Frequenz unterschritten wird, bei eigenen P-Wellen über der Schrittmacherfrequenz wird er inhibiert und setzt aus (4 + 5. QRS) VVI-Modus/Einkammersystem im Ventrikel Der SM stimuliert den Ventrikel, wenn eine eingestellte Frequenz unterschritten wird, bei eigenen ventrikulären Aktionen setzt er aus (4 + 5. QRS) DDD-Modus/Zweikammersystem Der SM stimuliert Vorhof und Ventrikel (1 + 2. QRS), bei Eigenaktionen entspr. Frequenz wird die Vorhofsonde und bei vorhandener Überleitung auch die ventrikuläre Sonde inhibiert (3 + 4. QRS) DDD-Modus/Synchronisation von Vorhof und Kammer Schlägt der Vorhof und die Aktion wird nicht übergeleitet, dann wird die Vorhofsonde inhibiert und die Ventrikelsonde stimuliert, der Ventrikel schlägt dann zeitversetzt synchron (3 + 4 + 5. QRS)

310

EKG A

A

1.

A

2.

J

3.

J

4.

5.

V

V

V

J

J

V

1.

2.

3.

4.

5.

6.

AV

AV

J J

A J

A J

1.

2.

3.

5.

6.

J J

4.

AV

AV

JV

JV

JV

AV

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Herzrhythmusstörungen

H

Herzschrittmacherdefekt/Schrittmacherfehlfunktionen Schrittmacherfehlfunktionen im EKG. Modus Spike wird nicht beantwortet Der SM stimuliert, der Impuls wird jedoch nicht beantwortet. ▪ Ursache: zu geringe Impulsstärke oder myokardialer Reizschwellenanstieg ▪ Therapie: Impuls muss stärker eingestellt werden Oversensing Der SM wird durch Störsignale inadäquat inhibiert. ▪ Ursache: körpereigene Muskelpotenziale oder selten elektromagnetische Felder werden als Herzaktion gedeutet ▪ Therapie: Empfindlichkeit verringern

EKG

1s

?

?

?

1s

Undersensing Der SM erkennt die Eigenfrequenz nicht und stimuliert, obwohl er inhibiert sein müsste. ▪ Ursache: zu geringe Empfindlichkeit oder Sondenbruch ▪ Therapie: Empfindlichkeit erhöhen

Schrittmachertherapie Die notfallmäßige Schrittmachertherapie ist angezeigt bei allen hämodynamisch instabilen Bradykardien (z. B. AV-Block II. Grades Typ 2, AV-Block III. Grades, Bradykardien mit ventrikulären Ersatzrhythmus). Insbesondere bei einer Bradykardie im Rahmen von Vorhofflimmern/flattern ist die Schrittmachertherapie jedem medikamentösen Versuch, die Herzfrequenz anzuheben, vorzuziehen.

311

Herzrhythmusstörungen Hitzeschäden

H

Indikationen für Notfall-Schrittmacher: Bradykardie mit hämodynamischer Auswirkung: RR < 80 mmHg, Veränderung des Bewusstseinszustandes, A. p.-Beschwerden, Lungenödem Bradykardie mit Ersatzrhythmus, die nicht auf medikamentöse Behandlung anspricht Overdrive-Pacing bei therapierefraktärer supraventrikulärer oder ventrikulärer Tachykardie nach Behandlungsversuchen mit Medikamenten oder Kardioversion Herzstillstand mit (Brady-)Asystolie; keine Routineempfehlung, nur direkt nach Beginn des Herzstillstandes Erfolg versprechend

• • • •

Technik Die externe Stimulation kann prinzipiell auch beim bewusstseinsklaren Patienten durchgeführt werden. Sollten die Stimulationen als zu unangenehm empfunden werden ggfs. Sedierung durchführen. des Patienten mit Wasser reinigen • Haut anbringen: • Klebeelektroden – negative Elektrode anterior an der linken Tho-



raxseite (entsprechend EKG-Ableitung V2–V3) anbringen – positive Elektrode posterior an der linken Thoraxseite unter der Skapula anbringen gewünschte Stimulationsfrequenz (z. B. 70) wählen und Stromstärke langsam steigern (0–200 mA), bis die elektrischen Impulse vom Ventrikel übernommen werden und das Herz wieder auswirft. Kontrolle durch Pulstastung an der A. femoralis

Ð anterior

+ posterior

31.6 Hitzeschäden Definition Durch abnorme Wärmeexposition (z. B. hohe Umgebungstemperaturen, direkte Sonneneinstrahlung, Behinderung der Wärmeabgabe durch unangemessene Kleidung) hervorgerufene Regulationsstörung in Form von Wärmestau und Dehydratation. Prädisponiert für Hitzeschäden sind vor allem Übergewichtige, Menschen im höheren Lebensalter oder mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Säuglinge und Kleinkinder.

312

Hitzeschäden

H

Formen Hitzeohnmacht. Die Wärmeexposition kann über eine periphere Vasodilatation, insbesondere bei längerem Stehen, zur zerebralen Minderdurchblutung führen und die Hitzeohnmacht hervorrufen. Hitzeerschöpfung. Führt die Wärmeexposition zu einem deutlichen Flüssigkeitsverlust im Extrazellulärraum, kommt es zu zunehmender Abgeschlagenheit und Bewusstseinstrübung, man spricht von Hitzeerschöpfung. Hitzekrämpfe. Hitzekrämpfe treten vor allem bei schwerer körperlicher Anstrengung in hoher Umgebungstemperatur mit starkem Schweißverlust auf. Ein Wärmestau ist bei diesem Krankheitsbild normalerweise nicht vorhanden. Hitzschlag. Die schwerste Form der Hitzeerschöpfung ist der Hitzschlag, der durch die extreme Entgleisung der Wärmeregulierung zu einer lebensbedrohlichen Situation führen kann. Sonnenstich. Der Sonnenstich stellt eine Reizung der Hirnhäute durch direkte Sonneneinstrahlung auf den unbedeckten Kopf dar. Er kann natürlich auch in Kombination mit anderen hitzebedingten Krankheitsbildern auftreten.

Hitzeohnmacht Symptome Übelkeit, Schwindel, Benommenheit, Versagen der Kreislaufregulierung, • Vorboten: Ohnmacht, Hypotonie, Schocksymptomatik feuchtwarme, Haut • möglicherweisegerötete mäßige Steigerung der Körperkerntemperatur •

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Hitzeohnmacht. Maßnahme

Details

Lagerung

Flachlagerung an einem kühlen Ort, evtl. Anheben der Beine

Kleidung

Öffnen bzw. Entfernen beengender Kleidungsstücke

Infusion

venöser Zugang bei anhaltender Schocksymptomatik

Therapeutisches Szenario

500–1000 ml RingerLactat

313

H

Hitzeschäden Hitzeerschöpfung Symptome Abgeschlagenheit, Erschöpfung, Benommenheit, Kopfschmerzen, Durst • Vorboten: warme, später blasse, kaltschweißige Haut • anfangs normal oder erhöht • Körpertemperatur evtl. Hypotonie • Tachykardie, • Erregung, Verwirrtheit, delirante Erscheinungen

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Hitzeerschöpfung. Maßnahme

Details

Lagerung

Flachlagerung an einem kühlen Ort, evtl. Anheben der Beine

Kleidung

Öffnen bzw. Entfernen beengender Kleidungsstücke

Flüssigkeit

▪ falls möglich, orale Zufuhr von Elektrolytlimonade, gesalzene Getränke (1 Teelöffel Salz auf 1 l Flüssigkeit) ▪ venöser Zugang in schweren Fällen

Hitzekrämpfe Symptome Muskelzuckungen und Muskelkrämpfe • schmerzhafte Körpertemperatur • normale • Schwäche, Kopfschmerzen, Übelkeit

314

Therapeutisches Szenario

500–1000 ml RingerLactat

Hitzeschäden

H

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Hitzekrämpfen. Maßnahme

Details

Lagerung

Flachlagerung an einem kühlen Ort, evtl. Anheben der Beine

Kleidung

Öffnen bzw. Entfernen beengender Kleidungsstücke

Flüssigkeit

▪ falls möglich, orale Zufuhr von Elektrolytlimonade, gesalzene Getränke (1 Teelöffel Salz auf 1 l Flüssigkeit) ▪ venöser Zugang in schweren Fällen

Therapeutisches Szenario

1000–2000 ml RingerLactat innerhalb von 1–2 h

Hitzschlag Symptome Schwindel, Erbrechen • Kopfschmerzen, stark beschleunigt (Tachypnoe) • Atmung Tachykardie • Blutdruck anfangs normal, später erniedrigt • Haut zunächst rot, trocken und heiß, später grau, zyanotisch • zerebrale Krämpfe, Reflexe deutlich gesteigert • evtl. Schockzustand, Koma • Körpertemperatur stark erhöht (> 40 °C) •

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen beim Hitzschlag. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

Flachlagerung an einem kühlen Ort, evtl. Anheben der Beine

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

315

H

Hitzeschäden Maßnahme weitere Maßnahmen

Details

Therapeutisches Szenario

▪ Öffnen bzw. Entfernen beengender Kleidungsstücke ▪ äußere Kühlung durch Besprühen mit kal-

tem Wasser, kalte Umschläge, Abreiben mit Eisstücken, falls möglich, gleichzeitiges Abkühlen der Haut z. B. durch Luftzufächeln, Ventilator

Medikamentöse Maßnahmen beim Hitzschlag. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Schocktherapie – in erster Linie durch Flüssigkeitssubstitution

kristalloide Lösung

1000–2000 ml innerhalb von 1–2 h

1000–2000 ml RingerLactat

Diazepam

5–10 mg i. v.

5–10 mg Valium i. v.

2,5–5 mg i.v

2,5–5 mg Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

antikonvulsive Therapie bei zerebralen Krampfanfällen

oder Midazolam

Beim komatösen Patienten und langen Transportwegen kann evtl. eine Hirnödemprophylaxe mit Kortison und/oder Mannit erwogen werden.

Sonnenstich Symptome

!

Die Symptomatik tritt oft mit zeitlicher Verzögerung zur Sonnenexposition, z. B. in der Nacht, auf.

und Kopfhaut heiß und hochrot • GesichtsKopfschmerzen, Schwindel • Abgeschlagenheit, Brechreiz • Unruhe, • Nackensteifigkeit • in schweren Fällen zerebrale Krämpfe, Bewusstlosigkeit

316

Hitzeschäden

H

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen beim Sonnenstich. Maßnahme

Details

Lagerung

Flachlagerung an einem kühlen Ort, Anheben des Kopfes

Sauerstoff

Sauerstoffgabe

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang mit Ringer-Lactat

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

▪ Öffnen bzw. Entfernen beengender Kleidungsstücke ▪ äußere Kühlung des Kopfes durch feuchte, kalte Umschläge, Abreiben mit Eisstücken, falls möglich, gleichzeitiges Abkühlen der Haut z. B. durch Luftzufächeln, Ventilator

Medikamentöse Maßnahmen beim Sonnenstich. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

beim komatösen Patienten evtl. Hirndrucksenkung

Intubation, Normo- bis milde Hyperventilation

Oberkörper um ca. 30° hochlagern antikonvulsive Therapie bei zerebralen Krampfanfällen

Diazepam

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Valium i. v.

2,5–5 mg i.v

2,5–5 mg Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

oder Midazolam

317

H

Höhenkrankheit

31.7 Höhenkrankheit Definition und Ursachen Symptomenkomplex, der durch die mit der Höhe zunehmenden Luftdruckveränderungen bei nicht an diese Höhe adaptierten Personen auftreten kann. Die Ursache ist demnach am häufigsten die Überwindung eines großen Höhenunterschieds bei ungenügender Akklimatisierung (z. B. Fahrt mit der Seilbahn), oft verstärkt durch eine gleichzeitig erhöhte körperliche Belastung. Pathophysiologisch kommt es bei der Höhenkrankheit durch den Abfall des Luftdrucks zu einer Hypoxie, die wiederum einen Anstieg des Pulmonalisdrucks hervorruft.

Formen Die akute hypobare Hypoxie kann zu verschiedenen Formen der Höhenkrankheit führen: milde akute Höhenkrankheit (Acute Mountain Sickness, AMS) Höhenhirnödem (High Altitude Cerebral Edema, HACE) Höhenlungenödem (High Altitude Pulmonary Edema, HAPE)

• • •

Symptome Meist beginnen die Störungen in einer Höhe um 3000–4500 m, wobei je nach Aufstiegsgeschwindigkeit und anderen Umständen bereits ab 2500 m Symptome auftreten können: Kopfschmerzen, Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit Ohrensausen, Schwindel, Schlafbedürfnis Übelkeit, Erbrechen Dyspnoe, Zyanose, graues Hautkolorit Cheyne-Stokes-Atmung evtl. Ausbildung eines Lungenödems

• • • • • •

Therapeutische Maßnahmen Der sofortige und rasche Abtransport in tiefere Höhenlagen ist bei ersten Anzeichen einer schweren Höhenkrankheit (HAPE, HACE) die kausale Therapie der schweren Höhenkrankheit schlechthin und allen anderen Therapiemaßnahmen weit überlegen ! Wenn ein Abstieg/Abtransport vorübergehend unmöglich ist oder zur Vorbereitung auf einen unmittelbar bevorstehenden Abstieg/Abtransport: Überdrucksack (hyperbare Kammer).

318

Höhenkrankheit

H

Basismaßnahmen bei der Höhenkrankheit. Maßnahme Ruhigstellung

Details

▪ keine weitere körperliche Belastung ▪ Patienten beruhigen

Lagerung

Oberkörper hoch

Sauerstoff

Sauerstoffgabe

weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

4–6 l O2/min

▪ Patienten sofort ins Tiefland transportieren ▪ venöser Zugang

Medikamentöse Maßnahmen bei der Höhenkrankheit. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Sedierung

Diazepam

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Valium i. v.

Senkung des Pulmonalisdrucks

Nifedipin

10–20 mg p. o.

1–2 Kps. Adalat 10 mg p. o.

Sildenafil

2 x 50 mg p. o.

out of label use

Furosemid

20–40 mg i. v.

1–2 Amp. Lasix i. v.

Zeichen eines Lungenödems

schwere AMS, beginnende HACE

!

Flüssigkeit (zur Vermeidung thromboembolischer Komplikationen) Dexamethason

500–1000 ml Ringer-Lactat i. v.

initial 8 mg, dann alle 6 h 4 mg als Tablette, bei bewusstlosen Patienten i. m. oder i. v.

Bei HAPE ist Dexamethason unwirksam !

319

H

Hypertonie/hypertensive Krise

31.8 Hypertonie/hypertensive Krise Definition Blutdruckwerte von systolisch > 160 mmHg und diastolisch > 95 mmHg werden als hyperton bezeichnet. Bei ca. 25 % der Bevölkerung finden sich derart erhöhte Werte, die aber – abgesehen von den Langzeitschäden – meist keine Symptome hervorrufen. Treten neben stark erhöhten Blutdruckwerten auch Zeichen einer lebensbedrohlichen Organstörung auf, spricht man von der hypertonen oder hypertensiven Krise (Notfall !).

Symptome Eine unmittelbare Beziehung zwischen der Stärke der Symptome und den Blutdruckwerten besteht nicht, ernste Gefahr für den Betroffenen ist jedoch dann anzunehmen, wenn der systolische Druck um 220 mmHg oder höher liegt. zentrale Symptome: – Kopfschmerzen, Schwindel – Brechreiz, Erbrechen – Flimmern vor den Augen, Sehstörungen – Müdigkeit, Apathie, Bewusstseinstrübung – Paresen, epileptische Anfälle kardiale Symptome: – Angina pectoris, Myokardinfarkt – Ruhedyspnoe, Lungenödem erhöhte Blutdruckwerte



• •

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei hypertensiver Krise. Maßnahme Lagerung

Details

Therapeutisches Szenario

▪ Oberkörper hoch ▪ bei Bewusstseinsstörung stabile Seitenlage

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6–10 l O2/min

Infusion

venöser Zugang

Ringer-Lactat langsam i. v.

weitere Maßnahmen

320

▪ Atemwege frei machen/freihalten ▪ Überwachung von Puls und RR ▪ Beruhigung

Hypertonie/hypertensive Krise

H

Medikamentöse Maßnahmen bei hypertensiver Krise. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Blutdrucksenkung oft p.o. möglich (milde Form)

Glyceroltrinitrat 1. Wahl bei Angina pectoris, Herzinfarkt, Linksherzinsuffizienz

0,8–1,6 mg s. l.

2–4 Hübe Nitrolingual-Spray oder 1–2 Kps. Nitrolingual

cave: keine Nitrate bis 24 h nach Einnahme von Sildenafil (Viagra), Tadalafil, Vardenafil u. a. 1 Kps. Adalat 5 mg/10 mg p. o. oder Aprical/Nifedipinratiopharm Trpf.

Nifedipin

5–10 mg p. o., bei Bedarf nach ca. 15–30 min wiederholen

Nitrendipin

5 mg p. o.

1 Phiole Bayotensin akut p. o.

Urapidil

10–50 mg i. v.

Ebrantil 10–50 mg i. v. titrieren

Clonidin

75–150 μg i. v.

Catapresan ½–1 Amp. langsam i. v.

nicht bei Angina pectoris!

i. v.

Einsatz vor allem bei vorhandener Tachykardie sinnvoll, da Puls als NW gesenkt wird; cave: initialer Blutdruckanstieg möglich ! Blutdrucksenkung und Ausschwemmung evtl. Sedierung

Furosemid (bei Lungenödem)

20–40 mg i. v.

1–2 Amp. Lasix i. v. 1 Amp. Lasix = 20 mg

Midazolam

1,25–2,5 mg i. v.

1,25–2,5 mg Midazolam i. v.

2,5–5 mg i. v.

¼–½ Amp. Valium

1–2 mg p. o.

1–2 Tbl. Tavor Expidet 1,0

oder Diazepam

oder Lorazepam

321

H

Hypertonie/hypertensive Krise Hyperventilationstetanie (Hyperventilationssyndrom)

!

Überschießende Blutdrucksenkung durch hektisches Hantieren vermeiden ! Nach jeder medikamentösen Intervention Abwarten des Effekts über einen genügend langen Zeitraum (10–15 min !)

Differenzialdiagnose Insult • apoplektischer • Hyperthyreose Myokardinfarkt •

31.9 Hyperventilationstetanie (Hyperventilationssyndrom) Definition und Ursachen In der Regel durch seelische Ursachen ausgelöste erhebliche Steigerung der Atemtätigkeit, in erster Linie über eine Erhöhung der Atemfrequenz. Durch die gesteigerte Atemtätigkeit wird vermehrt CO2 abgeatmet. Es kommt zu einer respiratorischen Alkalose, die der Körper auszugleichen versucht, indem er H+-Ionen aus den Zellen ausschleust. Im Gegenzug werden dafür vermehrt Ca2+-Ionen gebunden, es kommt zu einem Mangel an freiem Ca2+. Diese relative Hypokalzämie löst dann die typischen Symptome des Hyperventilationssyndroms aus.

Symptome Bevorzugt betroffen sind jüngere Frauen. trotz schneller Atmung, Erstickungsgefühl • Atemnot Angst • Erregungszustand, in Händen und Füßen • Kribbeln der Hände • „Pfötchenstellung“ • „Karpfenmund“ Blässe, Schwitzen • Tachykardie •

! 322

Keine Zyanose ! Normaler Blutdruck !

Hyperventilationstetanie (Hyperventilationssyndrom)

H

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Hyperventilationstetanie. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper hoch

Atmung

Therapeutisches Szenario

▪ Aufforderung zum langsamen Atmen ▪ Rückatmung mit Plastiktüte

Medikamentöse Maßnahmen bei Hyperventilationstetanie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

evtl. vorsichtige Sedierung

Midazolam

1,25–2,5–5 mg i. v.

¼–½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

2,5–5–10 mg i. v.

¼–½–1 Amp. Valium i. v.

1–2,5 mg p. o.

Tavor Expidet 1 mg/2,5 mg

oder Diazepam

oder Lorazepam

!

Medikamentöse Maßnahmen sind oft nicht erforderlich bei konsequenter Durchführung der Basismaßnahmen.

323

K

Koma

32

K

32.1 Koma s. a. diabetisches Koma (S. 328), hepatisches Koma (S. 330), hypoglykämisches Koma (S. 331), urämisches Koma (S. 333), zerebrales Koma (S. 334)

Definition und Ursachen Teilweiser oder kompletter Funktionsverlust des ZNS aufgrund intra- oder extrazerebraler Störungen. Koma: Als Koma wird dabei der Zustand bezeichnet, bei dem der Patient die Augen geschlossen lässt, sich allenfalls in Form unverständlicher Laute bemerkbar macht und motorisch nur noch mit einer gezielten oder ungezielten Schmerzabwehr reagiert.Die Begriffe „Sopor“ und „Somnolenz“ bezeichnen hingegen geringgradigere Formen der Bewusstseinstrübung Somnolenz: Der Patient muss durch Reize geweckt werden, ist dann aber vollständig orientiert Sopor: Der Patient kann nur durch starke Reize kurzzeitig zu Bewusstsein gebracht werden

• • •

Die Ursachen eines Komas können vielfältig sein. Da eine exakte Beobachtung und eine genaue Beurteilung der Bewusstseinsstörung für die Verlaufsbeurteilung und die therapeutischen Konsequenzen entscheidend sind, verwendet man zur Beschreibung des Komas bestimmte Skalen. Die gebräuchlichste ist dabei die Glasgow-Koma-Skala, die S. 326 abgebildet ist.

Symptome Neben den für jedes Koma typischen Symptomen kommen, abhängig von der Ursache, ggf. spezifische Symptome hinzu. Diese Symptome können die Motorik, die Pupillenreaktion, die Atmung, den Fötor und den Hautbefund betreffen. Motorik: – Halbseitensymptomatik (z. B. Hirninfarkt, fokale zerebrale Läsion) – Tonuserschlaffung (z. B. Hirnstammläsion) – positiver Babinski-Reflex – Muskelfibrillieren (Alkylphosphatvergiftung) – Hyperkinesien – metabolische/toxische Hirnschädigung



324

Koma

• Pupillenreaktion: – Miosis (z. B. Sympatholyti-

• • •





K



ka, Parasympathomimetika, Morphine) – Mydriasis (z. B. Parasympathikolytika, Alkohol, Kokain)      – Anisokorie (Hirnblutung)  !"#""$%" Atmung: – Hypoventilation (z. B. Verlegung der Atemwege) – Cheyne-Stokes-Atmung (z. B. Hirndrucksteigerung, CO-Vergiftung) – Hyperventilation (Thyreotoxikose) – Kußmaul-Atmung (metabolische Azidose) Fötor: – Alkoholfahne – Azeton-Obst-Geruch (diabetisches Koma) – Harngeruch (urämisches Koma) Hautbefund: – Zyanose – Blässe – Ikterus – Exsikkose – Schwitzen – heiße, trockene Haut Fremdanamnese erheben (Vorerkrankungen? Anhalt für exogene Vergiftung?).

Therapeutische Maßnahmen sichern • Vitalfunktionen • venöser Zugang Alle differenzierteren therapeutischen Maßnahmen sind von der Ursache des Komas abhängig und werden daher bei den entsprechenden Komabildern (vgl. S. 328) beschrieben.

325

K

Koma Glasgow-Koma-Skala (Skala zur Quantifizierung von Bewusstseinsveränderungen), maximale Punktzahl 15, minimale Punktzahl 3. Kriterium

Reiz

Reaktion

Erläuterung

Punktzahl

Augenöffnen

Ansprechen des Patienten (laut bei Schwerhörigkeit)

spontan

Augen bleiben nach Ansprechen offen

4

auf Anruf

Augen fallen nach Ansprechen immer wieder zu

3

auf Schmerzreiz

Augen fallen nach Schmerzreiz immer wieder zu

2

keine

keinerlei Reaktion bzw. lediglich Augenkneifen, Grimassieren, kein Augenöffnen

1

orientiert

örtlich, zeitlich und autopsychisch

5

desorientiert

in einer oder mehreren o. g. Qualitäten nicht orientiert

4

ungezielte verbale Reaktion

Wortsalat, Worte noch verständlich, aber ohne inneren Zusammenhang

3

unverständliche Laute

unartikulierte Laute (Stöhnen, Fluchen, Lallen)

2

keine Antwort

kein Laut

1

Bewusstsein

326

Patienten ansprechen, evtl. vorher wecken, wenn notwendig durch Schmerzreiz, gezielte Frage: „Wo befinden Sie sich jetzt?“, Tageszeit – Wochentag – Jahr – Name – Vorname – Geburtsdatum – Adresse – Telefonnummer

Koma Kriterium

Reiz

Reaktion

Erläuterung

Punktzahl

Motorik

Standardbefehle

führt Befehle aus

Arme/Beine heben, Zunge zeigen, Zähne zeigen u. a.

6

Schmerzreize: mit Fingerknöchel fest auf Sternum drücken, Kneifen von Hautfalten Oberarm (Seitenvergleich), Oberschenkel, Druck mit Schreibinstrument auf Finger-/ Fußnagel

wehrt gezielt Schmerz ab

gezieltes Hingreifen zum Schmerzort, Abtasten

5

ungezielte Schmerzabwehr

Wegziehen der gereizten Extremitäten (Abwehrflexion), ungezielte Abwehr mit anderer Extremität

4

beugt auf Schmerz (abnormale Flexion)

pathologische Flexion der gereizten Extremität einseitig oder beidseitig, Hinweis auf Störungen vom Mittelhirn an aufwärts (Dekortikation), teilweise typisches Schulterhochziehen

3

streckt auf Schmerz (Extension)

pathologische Extension auf Reize, oft spontan nach Absaugen, Umlagern, Zeichen für fortgeschrittene Mittelhirnstörung, Hirnstammstörung (Dezerebration)

2

keine Reaktion (auch nicht auf stärksten Schmerz)

Verdacht auf vollständige Hemiplegie bei zerebrovaskulärem Insult, Plexuslähmungen, Paraplegie, Vergiftungen mit Medikamenten (Analgetika, Narkotika, Sedativa, Relaxation)

1

K

327

K

Koma Diabetisches Koma (Coma diabeticum) s. a. Koma (S. 324)

Definition Bedrohliche Stoffwechselentgleisung, die durch Insulinmangel und einen dadurch bedingten erheblichen Blutzuckeranstieg sowie damit einhergehende Wasser- und Elektrolytstörungen hervorgerufen wird. In der Regel ist der zugrunde liegende Diabetes mellitus anamnestisch bekannt, in seltenen Fällen kann jedoch das diabetische Koma auch die Erstmanifestation eines Diabetes mellitus sein. Die Entgleisung des Blutzuckerspiegels wird begünstigt bzw. ausgelöst durch: interkurrente Infekte und andere Erkrankungen Stresssituationen (Operationen, Unfälle, psychische Belastungen) Diätfehler Insulinunterdosierung

• • • •

Beim diabetischen Koma unterscheidet man 2 Hauptformen:

Koma: Hier steht der absolute Insulinmangel im Vordergrund. Die• Ketoazidotisches ser führt durch eine zunehmende Lipolyse mit Ketonkörperproduktion zu einer



ausgeprägten metabolischen Azidose. Der Blutzuckerspiegel erreicht Werte von ca. 400–700 mg/dl. Die Letalität liegt bei 5–20 % Hyperosmolares Koma: Hierbei lösen in erster Linie Wasser- und Elektrolytstörungen das Krankheitsbild aus. Die Hyperglykämie bewirkt eine ausgeprägte Glukosurie, die noch vorhandene Restproduktion von Insulin verhindert gleichzeitig eine Lipolyse. Der Blutzuckerspiegel erreicht meist sehr hohe Werte (600–1200 mg/dl). Die Letalität liegt bei ca. 30 %

Symptome Polyurie, Polydipsie, Pseudoperitonitis, Erbrechen • Prodrome: bis massive Exsikkose • starke Tachykardie • Hypotonie bis zum Schock (Zeichen der Hypovolämie) • Hypo- bis Areflexie • Somnolenz, Koma • Azetongeruch (bei ketoazidotischem Koma); • Kußmaul-Atmung (bei ketoazidotischem Koma) • evtl. generalisierte Krämpfe •

Diagnostische und therapeutische Maßnahmen (bei jedem unklaren Koma !): • Blutzuckerbestimmung – BZ < 700 mg/dl spricht für ketoazidotisches Koma – BZ > 700 mg/dl spricht für hyperosmolares Koma – BZ < 70 mg/dl spricht für hypoglykämisches Koma

328

Koma

K

Basismaßnahmen bei diabetischem Koma. Maßnahme

Details

Lagerung

stabile Seitenlage, ggf. Schocklage

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

4–8 l O2/min

▪ venöser Zugang ▪ falls erforderlich, Intubation und Beatmung

Medikamentöse Maßnahmen bei diabetischem Koma. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumenersatz

kristalloide Lösung

500–1000 ml über 20–30 min

500–1000 ml Ringer-Lactat

Außerhalb der Klinik in der Regel kein Insulin, kein Natriumbikarbonat (Gefahr der Überkorrektur, Gefahr der Hypokaliämie). Sollte man sich aufgrund bestimmter Umstände (z. B. extrem lange Transportzeiten) doch zu einer Insulingabe entschließen, dann: Alt-Insulin

8–12 IE/h über Perfusor

Eine Kaliumsubstitution sollte ebenfalls der Klinik vorbehalten bleiben. Bei vitaler Bedrohung und den typischen Zeichen für eine Hypokaliämie im EKG ggf.: Kalium

!

20–40 mval/h

Da Insulin sich an die Kunststoffschläuche der Infusionssysteme bindet, müssen die ersten 50 ml verworfen werden. Keine zu rasche BZ-Senkung (max. 100–150 mg/dl/h, sonst Gefahr des Hirnödems) !

Differenzialdiagnose erster Linie hypoglykämisches Koma • InApoplex, zerebrales Koma • Vergiftungen (Alkohol) •

329

K

Koma Differenzialdiagnose von diabetischem und hypoglykämischem Koma. Parameter

Diabetisches Koma

Hypoglykämisches Koma

Entwicklung

allmählich (Stunden bis Tage)

rasch (Minuten bis Stunden)

Befund

▪ tiefe, schnelle Atmung (Kußmaul-Atmung) ▪ Exsikkose ▪ Durst

▪ Atmung normal oder flach ▪ Hydratation normal ▪ Heißhunger

Reflexe

meist abgeschwächt

gesteigert, Babinski oft positiv

Blutdruck

meist niedrig

normal bis erhöht

Blutzucker

stark erhöht

niedrig

Wirkung von i. v. Glukosegabe

negativ

prompt (oft aber erst nach hoher Dosierung !)

Hepatisches Koma (Coma hepaticum, Leberkoma) Definition Zustand, der durch Funktionsstörungen der Leber hervorgerufen wird. Dabei kann die Funktionsstörung der Leber exogen oder endogen verursacht sein: Exogenes Leberkoma (Leberausfallskoma, hepatische Enzephalopathie): Diese Komaform tritt vorwiegend in der Endphase einer chronischen Lebererkrankung (in der Regel bei Leberzirrhose) auf. Es handelt sich bei dem Koma um eine stoffwechselbedingte, reversible Schädigung des ZNS. Auslöser für dieses Koma können sein: eiweißreiche Kost, gastrointestinale Blutung, Medikamente, Infektionen u. a. Endogenes Leberkoma (Leberzerfallskoma): Ursache ist akutes Leberversagen, hervorgerufen durch: – fulminante Virushepatitis – Vergiftung (Phosphor, Paracetamol, Halothan, Knollenblätterpilz, Blei, Arsen)

• •

Symptome Abhängig vom Grad der Bewusstseinsstörung werden 4 Stadien unterschieden.

330

Koma

K

Stadien des hepatischen Komas. Stadium

Symptome

I (Prodromalstadium)

undeutliche Sprache, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, Euphorie oder Depression, Schlafstörungen

II (drohendes Koma)

verzögerte Reaktionen, Schläfrigkeit, Hypokinesien (ähnlich wie beim Parkinson-Kranken), Flapping-Tremor (der Patient wird aufgefordert, beide Hände bei gestreckten Armen mit gespreizten Fingern zu hyperextendieren. Man kann nun eine kurzzeitige Erschlaffungen des Tonus im Handgelenk beobachten, die zu flatternden Bewegungen der Hand führen.)

III (Stupor)

Desorientiertheit, Schläfrigkeit, Sprachzerfall, ausgeprägter Flapping-Tremor, Foetor hepaticus

IV (Koma)

tiefe Bewusstlosigkeit, Areflexie, Foetor hepaticus

Therapeutische Maßnahmen sichern, ggf. Intubation und Beatmung • Vitalfunktionen • venöser Zugang Keine medikamentösen Maßnahmen vor Ort!

Hypoglykämisches Koma (Coma hypoglycaemicum, Hypoglykämie, hypoglykämischer Schock) Definition „Unterzuckerung“, d. h. Sinken des Blutzuckerspiegels auf so niedrige Werte, dass der Energiebedarf des Gehirns nicht mehr gedeckt wird. Die klinische Symptomatik tritt in der Regel bei Blutzuckerwerten von < 40 mg/dl auf, diese Werte schwanken jedoch auch je nach Höhe der gewohnten Blutzuckerspiegel (z. B. können bei einem schlecht eingestellten Diabetiker Zeichen einer Hypoglykämie bereits bei Werten von ca. 100 mg/dl auftreten). Die Ursachen für eine Hypoglykämie können sein: Insulinüberdosierung, Überdosierung von oralen Antidiabetika Diätfehler (ausgelassene Mahlzeiten) bei Diabetikern erhöhte körperliche Belastung bei Diabetikern Hyperinsulinismus (selten) akute exogene Vergiftungen (Alkohol, Tetrachlorkohlenstoff, Strychnin, Knollenblätterpilze)

• • • • •

Die Gefahr der Hypoglykämie liegt in der Auslösung von bleibenden hirnorganischen Schädigungen.

331

K

Koma Symptome Schweiß, Blässe • kalter Blutdruck normal oder erhöht • Tachykardie, Unruhe, Bewusstseinsstörungen (Agitiertheit, rauschähnlicher Zustand) • epileptiforme Anfälle, Tremor • Aphasie (Verwechslung • Somnolenz, Koma mit Apoplex!) •

Therapeutische Maßnahmen Beim ansprechbaren Patienten: orale Zufuhr von Kohlenhydraten (z. B. 10–20 g Traubenzucker oder 6–8 Würfelzucker) bei Unruhe und Verwirrtheit: Verhinderung einer Selbstgefährdung

• •

Beim nicht bewusstseinsklaren Patienten:

Basismaßnahmen bei nicht bewusstseinsklaren Patienten im hypoglykämischen Koma. Maßnahme

Details

Lagerung

stabile Seitenlage

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4 l O2/min

Glukose 5 %

500 ml

500 ml Glukose 5 %

500 ml

500 ml Ringer-Lactat

Infusion

Therapeutisches Szenario

oder kristalloide Lösung weitere Maßnahmen

▪ Atemwege freihalten ▪ Diagnosesicherung mit BZ-Sticks,

(in Zweifelsfällen immer von einer Hypoglykämie ausgehen !) ▪ venöser Zugang

332

Koma

K

Medikamentöse Maßnahmen bei nicht bewusstseinsklaren Patienten im hypoglykämischen Koma. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

i. v. Glukosegabe

Glukose 40 % i. v. 10 ml = 4 g

8–16–24 g und mehr, bis zum „Aufklaren“ des Patienten

20–40–60 ml und mehr Glukose 40 %

Glukagon Glukagon ist ein körpereigenes Hormon, das die Glukosereserven aus Muskulatur und Leber mobilisiert und somit den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt. Insulinpflichtige Diabetiker, die zu schweren Hypoglykämien neigen, sind mitunter mit einem Glukagon-Notfall-Set ausgestattet. Im Rettungsdienst ist dessen Einsatz in den (seltenen) Fällen zu erwägen, in denen beim komatösen Patienten ein venöser oder ggf. intraossärer Zugang aufgrund der anatomischen Gegebenheiten nur mit großem Zeitaufwand möglich ist (z. B. extreme Adipositas). Das Glukagon-Notfall-Set besteht aus einem kleinen Fläschchen (Glukagon in Pulverform) und einer Spritze (enthält Wasser als Lösungsmittel). Das Glukagon wird mit dem Lösungsmittel aufgelöst, in die Spritze aufgezogen und subkutan (z. B. in den Oberschenkel, Bauchfalte, Gesäß, Oberarm) injiziert. Dosierung: Kinder unter 6–8 Jahren bzw. unter 25 kg KG: ½ Amp. s. c. alle anderen Patienten: 1 Amp. s. c.

• •

Wirkungseintritt normalerweise nach ca 10 Minuten !

Urämisches Koma (Coma uraemicum) Definition Durch akuten oder chronischen Ausfall der Nierenfunktion hervorgerufene Bewusstseinsstörung. Die Ursachen für das Nierenversagen sind vielfältig und akut oft nicht eruierbar. Entscheidend für die Ausbildung des Krankheitsbilds sind der Anfall stickstoffhaltiger Abbauprodukte mit toxischer Wirkung auf das ZNS sowie die Entgleisung des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts.

Symptome Konzentrations- und Wesensveränderung, Verwirrtheit, Krampfneigung; Be• ZNS: wusstlosigkeit Herz-Kreislauf: Hypertonie, Perikarditis • Lunge: Gefahr des Lungenödems • Haut: Pruritus, Café-au-lait-Flecken • Magen-Darm-Trakt: Erbrechen, Durchfälle • Foetor uraemicus (nach Urin riechende Ausatemluft) •

333

K

Koma Therapeutische Maßnahmen sichern • Vitalfunktionen Zugang • venöser vor Ort in der Regel keine spezifische Therapie möglich •

Medikamentöse Maßnahmen bei urämischem Koma. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

ggf. bei Lungenödem

Furosemid

40 mg i. v.

2 Amp. Lasix i. v.

bei ausgeprägter Hypertonie

Urapidil

12,5–25 mg i. v.

½–1 Amp. Ebrantil i. v.

Zerebrales Koma s. a. Epilepsie (S. 241), Glasgow-Koma-Skala (S. 326), Koma (S. 324), Schlaganfall (S. 208), Schädel-Hirn-Trauma (S. 404), Subarachnoidalblutung (S. 387)

Definition Bewusstseinsverlust infolge zentralnervöser Funktionsstörungen. Die Störungen können dabei primär zerebral oder sekundär extrazerebral ausgelöst worden sein: primär zerebrale Störungen: Schädel-Hirn-Trauma, Hirnblutung, Hirninfarkt, Entzündungen des ZNS, Hirntumoren, Hirnmetastasen, Krampfleiden extrazerebral bedingte Hirnschädigungen: Hypoxie bei respiratorischer Insuffizienz, Herz-Kreislauf-Stillstand, Schock, metabolische Störungen, Vergiftung, Anaphylaxie

• •

Symptome Die jeweiligen Symptome sind abhängig von der auslösenden Ursache. Besonders zu beachten sind: Hirndruckzeichen: – Kopfschmerzen – Unruhe, Verwirrtheit, Bewusstseinstrübung – Störungen der Atmung (Cheyne-Stokes-Atmung, Bradypnoe) – Störungen der Kreislaufregulierung (Tachykardie, Hypertonie, Blutdruckinstabilität, Schock) – Störungen der Thermoregulierung (Hypo- oder Hyperthermie) – Veränderung der Pupillenweite (Miosis, Mydriasis, Anisokorie, Pupillenstarre) – Krämpfe Meningismus: – Nackensteifigkeit (Kopf passiv beugen) &'()* – Kernig-Zeichen (passives Beugen des gestreckten Beins im Hüftgelenk führt zur reflektorischen Beugung im Kniegelenk) – Brudzinski-Nackenzeichen (passive Beugung des Kopfes führt zur reflektorischen Beugung der Beine)





334

Koma

K

Babinski-Re• Pyramidenbahnzeichen: flex, Bestreichen des lateralen Fußsohlenrands von unten nach oben führt zu reflektorischer Dorsalextension der großen Zehe, Spreizen der anderen Zehen) #+ 

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei zerebralem Koma. Maßnahme

Details

Lagerung

stabile Seitenlage und/oder Oberkörper hoch

weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

▪ großzügige Indikation zur Intubation und Beatmung ▪ (Hyperventilation !) ▪ venöser Zugang

Sämtliche weitergehenden (medikamentösen) Maßnahmen richten sich nach den erhobenen Befunden und der jeweiligen Verdachtsdiagnose.

335

L

Lungenembolie

33

L

33.1 Lungenembolie Definition Mehr oder weniger vollständige Unterbrechung des Blutstroms in der arteriellen Lungenstrombahn durch eingeschwemmte Hindernisse, in erster Linie durch Thromben aus den Körpervenen oder dem Herzinneren. Abhängig von der Größe und Lage des Embolus in den Pulmonalgefäßen kann sich durch den Verschluss eine akut lebensbedrohliche Situation entwickeln. Diese ergibt sich einerseits durch die Einschränkung des Gasaustauschs mit der Gefahr der Ausbildung einer Hypoxämie, andererseits durch den Druckanstieg im kleinen Kreislauf, der zu einer akuten Rechtsherzinsuffizienz führt. Deutliche klinische Zeichen einer Lungenembolie treten auf, wenn mehr als 50 % der Lungenstrombahn verlegt sind. Prädisponierende Faktoren für eine Lungenembolie sind: Immobilisierung, Bettlägerigkeit Adipositas Status nach OP, Unfall, Frakturen Herzinsuffizienz, Herzklappenfehler absolute Arrhythmie vorausgegangene Thromboembolie (z. B. tiefe Beinvenenthrombose), oberflächliche Venenthrombose orale Kontrazeptiva (in Kombination mit Nikotin), Diuretika Schwangerschaft, Wochenbett Myokardinfarkt Krebs, Chemotherapie Thrombophilie

• • • • • • • • • • •

Symptome Tachypnoe, Zyanose • Dyspnoe, • Thoraxschmerzen Hämoptoe • Husten, • Tachykardie gestaute Halsvenen • Blutdruckabfall, • Angstgefühl Synkope • Schock, plötzliche Bewusstlosigkeit, akuter Kreislaufstillstand • Zeichen einer TVT (einseitige Schwellung einer Extremität) •

Technische Befunde in ca. 20 % der Fälle: S Q -Typ, (in)kompletter Rechtsschenkelblock • 12-Kanal-EKG: pS O < 90 % (< 80 %: submassive Embolie, < 70 % massive Embolie) • Pulsoxymetrie: PetCO initial (schlagartiger) Abfall (< 30 % submassive/massi• Kapnometrie/-grafie: ve Embolie) I

a

2

2

336

III

Lungenembolie

L

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Lungenembolie. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

▪ Oberkörper hochlagern ▪ bei Schockzustand: stabile Seitenlage

Sauerstoff

hochdosiert über Maske mit Reservoir

Infusion

▪ venöser Zugang ▪ langsam laufen lassen

weitere Maßnahmen

▪ Atemwege frei machen/freihalten ▪ strikte Immobilisierung ! ▪ Patienten beruhigen ▪ evtl. Intubation und Beatmung mit PEEP (5 cmH2O) und 100 % O2 ▪ evtl. kardiopulmonale Reanimation

10–15 l O2/min Ringer-Lactat

Medikamentöse Maßnahmen bei Lungenembolie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Sedierung

Midazolam

2,5–5 mg

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

Diazepam

5–10 mg

½–1 Amp. Valium i. v.

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin i. v.

oder

Analgesie

Morphin bewirkt neben der Sedierung auch eine therapeutisch relevante Entlastung des kleinen Kreislaufs. Antiemetika

Dimenhydrinat

31–62 mg i. v.

½–1 Amp. Vomex A

Blutgerinnungshemmung

Heparin

10.000 IE i. v.

Heparin

337

L

Lungenembolie Kardiales Lungenödem Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Kreislaufstabilisierung

Noradrenalin

0,05 μg/kg KG/min

Arterenol 10–30 μg z. B. 1 mg Arterenol auf 100 ml NaCl verdünnen (1 ml = 10 μg), dann z. B. 1–3 ml initial i. v.

Adrenalin

0,1–0,5 μg/kg KG/min

Suprarenin 1 : 10 verdünnt, initial 0,5–1 ml

Lyse Bei dringendem Verdacht auf Lungenembolie des Stadiums III (ausgeprägte zirkulatorische und respiratorische Beeinträchtigung) oder IV (obstruktiver Schock oder HerzKreislauf-Stillstand) ist – sofern die Methode technisch und organisatorisch beherrscht wird – als Ultima Ratio der Versuch einer prähospitalen Thrombolyse gerechtfertigt.

Medikamentöse Maßnahmen bei akuter Lungenembolie. Indikation

Medikament

akute massive Lungenembolie mit hämodynamischer Instabilität

Alteplase

Dosierung

▪ 10 mg als Bolus ▪ 90 mg als Infu-

Beispiel Actilyse Pulver + Lösungsmittel

sion in den folgenden 2h

Reteplase (Rapilysin) und Tenecteplase (Metalyse) haben sich zuvor in Studien bewährt, besitzen aber keine offizielle Indikation für die Lyse (nur Off-Label-Use!)

Differenzialdiagnose

• Herzinfarkt bronchiale • Asthma • Pneumothorax • Aneurysma dissecans der Aorta 33.2 Kardiales Lungenödem s. a. toxisches Lungenödem (S. 341), akute Herzinsuffizienz (S. 267)

Definition Austritt von Flüssigkeit aus der Lungenstrombahn in das Zwischenzellgewebe bzw. in die Alveolen der Lunge, meist infolge einer Dekompensation einer chronischen Linksherzinsuffizienz.

338

Kardiales Lungenödem

L

Als mögliche Ursachen für die Linksherzinsuffizienz kommen z. B. infrage: hypertensive Krise, Herzinfarkt, Kardiomyopathie, Herzklappenfehler, Überwässerung bei Herzoder Niereninsuffizienz, Herzrhythmusstörungen.

Symptome hochgradige Atemnot • zunehmende, • Orthopnoe Zyanose • Haut: gräulich, schweißnass, kalt • Brodeln, Rasseln (auf Distanz hörbar) • evtl. schaumiges, rotes Sputum • Tachykardie, Blutdruckabfall bis zum Schock • anfänglich oft spastische Atmung (Asthma cardiale) • evtl. zusätzliche Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz •

Prästationäre Diagnostik Pulsoxymetrie • RR-Messung, • 12-Kanal-EKG

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei kardialem Lungenödem. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper hochlagern, Beine tief

Sauerstoff Infusion weitere Maßnahmen

über Brille/Maske

▪ venöser Zugang ▪ langsam laufen lassen ▪ Atemwege frei machen/freihalten ▪ Patienten beruhigen ▪ NIV (CPAP-Beatmung) erwägen ▪ evtl. Intubation und Beatmung mit PEEP (5 cmH2O) ▪ evtl. kardiopulmonale Reanimation

Therapeutisches Szenario

4–6–15 l O2/min Ringer-Lactat

339

L

Kardiales Lungenödem Medikamentöse Maßnahme bei kardialem Lungenödem. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Vasodilatation, RR-Senkung

Glyceroltrinitrat

0,8–1,6 mg sublingual

2 Hübe Nitrolingual-Spray

in Abhängigkeit vom Blutdruck höher dosieren bzw. Wiederholung nach ca. 5–10 min Cave: RR↓, PDE-5-Hemmer wie z. B. Sildenafil u. a. Hypertensive Entgleisung

Urapidil

5–25 mg i. v.

Ebrantil in 5 mg Schritten

Diuretika

Furosemid

40–80 mg i. v.

2–4 Amp. Lasix 20 i. v.

Sedierung/ Entlastung des Pulmonalkreislaufs

Morphin

5–10 mg i. v.

½-1Amp. Morphin

Antiemetika

Deminhydrinat

31–62 mg i. v.

½-1 Amp. Vomex A

bei massiver Hypotonie

Katecholamine: Dobutamin

2,5–10µg/kgKG/ min i. v.

Dobutamin

▪ 200–1000 μg/min ▪ 12–60 mg/h

Dosierung beim Erwachsenen über Perfusor: 1 Injektionsflasche = 250 mg mit NaCl 0,9% oder Glukose 5% auf 50 ml aufgezogen (1 ml enthält dann 5 mg) Gewicht

Bronchodilatation bei massiver Spastik erwägen

340

50 kg

60 kg

70 kg

80 kg

90 kg

von

1,5 ml/h 1,8 ml/h 2,1 ml/h 2,4 ml/h 2,7 ml/h

bis

6 ml/h

100 kg 3 ml/h

7,2 ml/h 8,4 ml/h 9,6 ml/h 10,8 ml/h 12 ml/h

Noradrenalin

0,05µg/kgKG/ min i. v.

Arterenol 10–30 μg z. B. 1 mg Arterenol auf 100 ml NaCl verdünnen (1 ml–10 μg), dann z. B. 1–3 ml initial i. v.

Adrenalin

0,1–0,5 μg/kgKG/ min

Adrenalin 1:10 verdünnt, initial 0,5–1 ml

Salbutamol

0,2–0,3 mg als Aerosol oder über Verneblermaske

2–3 Hübe Sultanol oder über Verneblermaske

Kardiales Lungenödem Toxisches Lungenödem (Reizgasvergiftung)

L

Kann trotz adäquater medikamentöser Therapie keine ausreichende Oxygenierung erzielt werden, muss ggf. eine assistierte oder kontrollierte Beatmung durchgeführt werden. Die nichtinvasive CPAP-Beatmung mit moderatem, positivem, endexspiratorischem Atemwegsdruck (PPEP) ist heute die Methode der 1. Wahl beim kardinalen Lungenödem, sofern die Kontraindikationen vorhanden sind und diese Beatmungsform vom Patienten toleriert wird.

33.3 Toxisches Lungenödem (Reizgasvergiftung) s. a. Cyanidvergiftungen (S. 437), Kohlendioxidvergiftung (S. 450), Kohlenmonoxidvergiftung (S. 451), Rauchgasinhalationsvergiftung (S. 454)

Definition Toxische Schädigung der Alveolarmembranen und der pulmonalen Kapillarwände, die einen Austritt von Flüssigkeit aus der Lungenstrombahn in das Lungenzwischengewebe und die Alveolen bewirkt. Die schädigenden Substanzen werden in der Regel über die Atemwege inhaliert (Reizgasvergiftung). Es handelt sich in erster Linie um chemische Substanzen wie Ammoniak, Chlorwasserstoff, Nitrosegase, Schwefelwasserstoff, Ozon, Tränengas und chemische Kampfstoffe. Das toxische Lungenödem kann sich entweder unter der Einwirkung des Reizgases sofort ausbilden oder sich erst nach einer Latenzzeit von einigen Stunden entwickeln („sekundäres Ertrinken“). Deshalb ist bei jedem Verdacht auf Reizgasvergiftung eine entsprechende (stationäre) Überwachung für 24–36 h erforderlich.

Symptome Würgereiz • Hustenreiz, Schmerzen • retrosternale hochgradige Atemnot • zunehmende, • Orthopnoe Zyanose • Haut gräulich, schweißnass, kalt • Brodeln, Rasseln (auf Distanz hörbar) • evtl. schaumiges, rotes Sputum • Tachykardie, Blutdruckabfall bis hin zum Schock • anfänglich oft spastische Atmung (Asthma cardiale) •

341

L

Toxisches Lungenödem (Reizgasvergiftung) Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei toxischem Lungenödem. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper hochlagern, Beine tief

Sauerstoff Infusion weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

über Brille/Maske

▪ venöser Zugang ▪ langsam laufen lassen ▪ Atemwege frei machen/freihalten ▪ Patienten beruhigen ▪ NIV-Beatmung erwägen ▪ evtl. Intubation und Beatmung mit

4–6–15 l O2/min Ringer-Lactat

PEEP (5 cmH2O)

Medikamentöse Maßnahmen bei toxischem Lungenödem. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Sedierung

Midazolam

1,25–2,5 mg

1,25–2,5 mg Midazolam

Analgesie

Morphin

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin i. v.

Morphin bewirkt neben der Sedierung auch eine therapeutisch relevante Entlastung des kleinen Kreislaufs. Antiemetika

Dimenhydrinat

31–62 mg i. v.

½–1 Amp. Vomex A

β2-Sympathikomimetika p. i. (Verneblermaske)

Salbutamol

Verneblung einer Lösung mit 2,5 mg Salbutamol

Salbutamol Fertiginhalat (2,5 ml = 1,25 mg Salbutamol) 2 Amp.

Bronchodilatation (β2-Sympathikomimetika als Aerosole)

Fenoterol

0,4–0,6 mg

2–3 Hübe BerotecAerosol

0,2–0,3 mg

2–3 Hübe SultanolAerosol

oder

oder Salbutamol

342

Toxisches Lungenödem (Reizgasvergiftung) Luxationen Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Entzündungshemmung

BeclometasonAerosol

400 μg p. i.

initial 4 Hübe Ventolair 100 μg Dosier-Aerosol, alle 2 h weitere 4 Hübe

L

Kortikosteroide per inhalationem werden kontrovers diskutiert. Mit der Kortikosteroidbehandlung muss bereits bei einem Verdacht auf eine Reizgasinhalation begonnen werden, damit die möglicherweise erst nach Stunden auftretende Symptomatik gemildert werden kann. Kortikosteroide systemisch: Die Anwendung von Kortikosteroiden zur Vorbeugung bzw. Reduzierung eines akuten toxischen Lungenödems nach Inhalation von Lungenreizstoffen (Reizgasund Rauchgas-Inhalation) ist ebenfalls umstritten bzw wird aktuell mehrheitlich eher abgelehnt. Kortikosteroide sind daher akut nur dann indiziert, wenn sich ein Bronchospasmus im Rahmen des Inhalationstraumas nicht mit β2-Sympathomimetika durchbrechen lässt. Prednisolon

250 mg i. v.

Solu-Decortin H 250 mg i. v.

33.4 Luxationen Definition Unterschieden werden die traumatische Luxation durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung (Sportverletzung, Unfall) und die habituelle Luxation (Luxation ohne Trauma). am häufigsten sind Schulterluxation, Patellaluxation, Fingerluxation, Sprunggelenkluxation (praktisch immer traumatische Luxationsfraktur) eher selten sind Hüftgelenkluxation (für Reposition vor Ort nicht geeignet!), Kniegelenkluxation, Ellenbogenluxation

• •

Symptome Zeichen: Deformierung der Gelenkstruktur, leere Gelenkpfanne, federnde • sichere Fixation unsichere Zeichen: Schmerz, Schwellung, Hämatom, eingeschränkte oder aufgeho• bene Funktion

343

L

Luxationen Diagnostik und therapeutische Maßnahmen

• Basischeck SpO , RR, EKG • Puls, und Palpation der verletzten Extremität: Fehlstellung? Leere Gelenk• Inspektion pfanne? • Motorik, Durchblutung, Sensibilität peripher der Luxation 2

Basismaßnahmen bei Luxationen. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

in möglichst schmerzarmer Position

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

▪ venöser Zugang ▪ langsam laufen lassen

Ringer-Lactat

Infusion weitere Maßnahmen

Patienten beruhigen

Medikamentöse Maßnahmen bei Luxationen. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Analgesie

Midazolam

0,025–0,05 mg/kg KG i. v.

1–3 mg Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

S-Ketamin

0,1–0,25 mg/kg KG i. v.

10–25 mg Ketanest S i. v.

Indikation der Reposition Eine Reposition ist bei der habituellen Schulterluxation, der Patellaluxation und bei Fingerluxationen meist problemlos. Alle anderen Luxationen sollten zunächst der Röntgendiagnostik zugeführt werden. Ausnahmen hiervon sind Luxationen mit Durchblutungsstörungen, massiven Fehlstellungen (z. B. bei Sprunggelenkluxation) und/oder sehr lange Rettungszeiten. Wichtig ist die Prüfung der Nerven- und Muskelfunktionen sowie der arteriellen Durchblutung nach der Reposition und in der Klinik die röntgenologische Kontrolle des Repositionsergebnisses.

344

Luxationen

L

Reposition bei Schulterluxation Basismaßnahmen mit ausreichender Analgosedierung (wenn schonend vorgegangen wird, kann häufig auf eine Anästhesie verzichtet werden), bei vorderer Luxation (häufig) ist der Arm an den Körper angelegt: kein akuter Kompressionsschaden (periphere Pulse tastbar, keine Parästhesien oder motorische Ausfälle) → keine sofortige Reposition erforderlich → Arm mit Dreieckstüchern an den Oberkörper fixieren akuter Kompressionsschaden vorhanden (fehlende periphere Pulse, Parästhesien oder motorische Ausfälle) → sofortige Reposition erforderlich: – Reposition nach Arlt: Ellenbogen um 90° beugen, Arm im Sitzen hängend über eine gepolsterte Stuhllehne legen, dann mit zunehmender Kraft Längszug am Arm ausüben – Reposition nach Hippokrates: Diese Methode, bei der der Arzt am liegenden Patienten am gestreckten Arm zieht und gleichzeitig seine Ferse als Drehpunkt in die Achsel der betroffenen Schulter stemmt, wird aufgrund der Gefahr von Komplikationen (Gefäß- und Nervenschäden) nicht mehr empfohlen





Nach erfolgreicher Reposition sollte der Arm für 2–3 Wochen mit einer GilchristBandage ruhig gestellt werden.

345

L

Luxationen Reposition bei Patellaluxation Durch Streckung im Knie meist spontane Reposition, sonst leichter seitlicher Druck, evtl. bei 90° gebeugtem Hüftgelenk.

Reposition bei Fingerluxation Reposition durch kräftigen Zug, ggf. in Leitungsanästhesie. Durch eingeschlagene Weichteile kann zur Reposition eine Operation nötig sein. Anschließend muss der Finger in der Regel für einige Tage mit einer Schiene oder einem Tapeverband ruhig gestellt werden.

Reposition bei Sprunggelenkluxation Die Luxationsfraktur im oberen Sprunggelenk muss wegen der Gefahr der Hautnekrose im Innenknöchelbereich bei starker Dislokation reponiert werden. Nach ausreichender Analgosedierung Reposition durch Zug und Gegenzug, durch kurzen, kräftigen Zug an Ferse und Vorfuß.

346

Magen-Darm-Blutung (gastrointestinale Blutung)

34

M

M

34.1 Magen-Darm-Blutung (gastrointestinale Blutung) s. a. Blutung (S. 33), Ösophagusvarizenblutung (S. 354)

Definition Massive Blutungen im Magen-Darm-Trakt sind nicht selten die Ursache für lebensbedrohliche hämorrhagische Schockbilder. Unterschieden werden obere Gastrointestinalblutungen (aus Ösophagus, Magen und Duodenum, insgesamt ca. 90 % aller Blutungen) und untere Intestinalblutungen (1 % aus Jejunum und Ileum, 9 % aus dem kolorektalen Bereich). Am häufigsten sind Ulkus- und Varizenblutungen (zur Ösophagusvarizenblutung s. S. 354). Als weitere Ursachen für eine akute Magen-Darm-Blutung kommen infrage: erosive Gastritis Mallory-Weiss-Syndrom Magen- oder Darmkarzinom Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn Divertikulitis oder Meckel-Divertikel

• • • • •

Symptome Keines der Symptome ist obligat. Intestinale Blutungen können so lange stumm bleiben, bis sich akut eine lebensbedrohliche Schocksituation einstellt. Hämatemesis: Bluterbrechen oder kaffeesatzartiges Erbrechen, evtl. schwallartig Meläna: Teerstuhl (oft erst nach 8 h oder länger, deshalb kein Frühsymptom) Hämatochezie: durchfallartige, blutige Stühle aufgrund massiver Darmblutungen Blässe, Frieren, Kaltschweißigkeit verminderte Venenfüllung Unruhe, im fortgeschrittenen Stadium Bewusstseinsverlust Tachykardie (zunehmend) Blutdruckabfall (zunehmend)

• • • • • • • •

347

M

Magen-Darm-Blutung (gastrointestinale Blutung) Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Magen-Darm-Blutung. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

Oberkörper hochlagern, Seitenlage

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

großlumige venöse Zugänge

Ringer-Lactat, HAES

▪ Atemwege frei machen/freihalten ▪ evtl. Intubation und Beatmung (Verhindern einer Aspiration !) ▪ Magensonde

weitere Maßnahmen

Medikamentöse Maßnahmen bei Magen-Darm-Blutung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumenersatz

(Druck)Infusion mit kristalloider Lösung

Menge abhängig vom klinischen Bild (500–1000–1500 ml)

Ringer-Lactat/ Ringer-Malat

kolloidale Lösung

(s.o.) (500–1000– 1500 ml)

HAES

Diazepam

5–10 mg

½–1 Amp. Valium i. v.

2,5–5 mg

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

und/oder (balanciert)

evtl. Sedierung

oder Midazolam

348

Nasenbluten (Epistaxis)

35

N

N

35.1 Nasenbluten (Epistaxis) Definition Meist (> 80 % der Fälle) harmlose Blutung, hervorgerufen durch lokale Gefäßverletzung an der vorderen Nasenscheidewand. Seltener Blutungen aus dem hinteren Nasenabschnitt, der Schädelbasis oder den Nasennebenhöhlen (z. B. bei Schädeltrauma).

Symptome im Strahl oder tropfenweise, in der Regel einseitig • Blutung Blutungen im hinteren Nasenabschnitt Druckgefühl im Oberbauch, Brechreiz • bei bei Bewusstlosen evtl. Aspirationszeichen •

!

Schwere, anhaltende Blutungen können zum hämorrhagischen Schock führen.

Therapeutische Maßnahmen sitzend, Beine hängend • Lagerung: • Patienten beruhigen Bei Blutung aus dem vorderen Nasenabschnitt: Nasenflügel 10 min fest gegen das Nasen• beide septum drücken (lassen) nasse, kalte Wickel in den Nacken • ggf. vordere Spitztupfer oder • Gazestreifen, Nasentamponade: die mit lokalen Hämostyptika ge-

!",

tränkt sind, in die Nase einführen, z. B. ClaudenNasentamponade

349

N

Nasenbluten (Epistaxis) Bei Blutung aus dem hinteren Nasenabschnitt: zuerst Versuch mit denselben Maßnahmen wie bei der vorderen Blutung falls man mit der Technik vertraut und entsprechendes Material vorhanden ist, Einsatz von aufblasbaren Nasentamponaden, z. B. pneumatischer Nasentubus nach Masing, Fa. Rüsch) oder posteriore Tamponade (Bellocq) sonst symptomatische Behandlung bis zur HNO-ärztlichen Therapie: – Atemwege frei machen/freihalten – venöser Zugang – zur Entlastung evtl. Magensonde

• •



")*-"+" ./0

Medikamentöse Maßnahmen bei Nasenbluten. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumenersatz

kristalloide Lösung

500 ml i. v.

500 ml Ringer-Lactat

bei Hypertonie Blutdrucksenkung

Nifedipin

10 mg p. o.

1 Kps. Adalat 10 mg p. o.

Urapidil

10–50 mg

1 Amp. Ebrantil = 50 mg; 2–10 ml i. v.

Diazepam

2,5–5–10 mg

¼–½–1 Amp. Valium i. v.

2,5–5 mg

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

evtl. Sedierung

oder

oder Midazolam evtl. abschwellende Nasentropfen

350

Otriven, Nasivin-Tropfen

Nasenbluten (Epistaxis)

N

351

N

Nierensteinkolik

35.2 Nierensteinkolik Definition Wellenförmig verlaufender, stärkster Schmerz (wehenartig), der durch die Mobilisierung von Nierensteinen in den ableitenden Harnwegen hervorgerufen wird und der in der Regel akut auftritt. Neben dem krampfartigen, ausstrahlenden Schmerz, der durch die Hyperperistaltik der Muskulatur des gestauten Nierenbeckens verursacht wird, gibt es auch den vorwiegend konstanten Dauerschmerz in der Flanke, der durch eine stauungsbedingte Dehnung der Nierenkapsel ausgelöst wird. Vergleicht man alle spontan auftretenden Schmerzzustände, so hat die Nierensteinkolik mit die höchste Schmerzintensität.

Symptome Schmerzen im Rücken oder seitlichen Unterbauch • kolikartige Ausstrahlung in Hoden bzw. Schamlippen • evtl. Erbrechen • Übelkeit, Harndrang • evtl. Unruhe, Umhergehen, • Hämaturie (bei ca. 30 %Zusammenkrümmen Makrohämaturie) •

Therapeutische Maßnahmen

• Patienten beruhigen

352

Nierensteinkolik

N

Medikamentöse Maßnahmen bei Nierensteinkolik. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Analgesie

Metamizol i. v.

1,25–2,5 g

2,5–5 ml Novalgin i. v.

Cave Metamizol-Nebenwirkung: akuter Schockzustand in seltenen Fällen

oder Tramadol i. m./i. v.

50–100 mg

½–1 Amp. Tramal 100 i. v.

5–7,5 mg

Dipidolor

oder Piritramid

oder Morphin i. v.

5–10 mg

½–1 Amp. Morpin i. v.

Antiemetika

Dimenhydrinat

31–64 mg i. v.

½–1 Amp. Vomex A

Spasmolyse Die Wirksamkeit einer Spasmolyse auf den Kolikschmerz wird kontrovers diskutiert, wenn Gabe, dann nur in Kombination mit Analgetika

Glyceroltrinitrat

1,2–2,4 mg

2–4 Hub NitrolingualSpray

10–20 mg i. v.

½–1 Amp. Buscopan i. v.

oder Butylscopolaminiumbromid

Oral bzw. als Suppositerium sind Diclofenac, Indometacin und Ibuprofen Mittel der 1. Wahl.

353

O

Ösophagusvarizenblutung

36

O

36.1 Ösophagusvarizenblutung s. a. Blutung (S. 33), Magen-Darm-Blutung (S. 347)

Definition Eine Druckerhöhung im Pfortaderkreislauf (am häufigsten infolge einer Leberzirrhose) führt zur Ausbildung eines Kollateralkreislaufs, der an Ösophagus und Magen Varizen hervorrufen kann. Mit steigendem Pfortaderdruck nimmt die Gefahr von Blutungen zu, wobei die Ösophagusvarizenblutung von allen oberen gastrointestinalen Blutungen die höchste Letalität besitzt.

Symptome Bluterbrechen oder kaffeesatzartiges Erbrechen, evtl. schwallartig • Hämatemesis: Teerstuhl (oft erst nach 8 h oder länger, deshalb kein Frühsymptom) • Meläna: Frieren, Kaltschweißigkeit • Blässe, Venenfüllung • verminderte Unruhe, im fortgeschrittenen Stadium Bewusstseinsverlust • Tachykardie (zunehmend) • Blutdruckabfall (zunehmend) •

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Ösophagusvarizenblutung. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper hochlagern, Seitenlage

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

großlumige venöse Zugänge ggf. intraossärer Zugang

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

354

Therapeutisches Szenario

▪ Atemwege frei machen/freihalten ▪ ggf. Intubation und Beatmung (Verhindern einer Aspiration !) ▪ Magensonde

Ösophagusvarizenblutung

O

Medikamentöse Maßnahmen bei Ösophagusvarizenblutung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumenersatz

(Druck)Infusion mit kristalloider Lösung

Menge abhängig vom klinischen Bild (500–1000–1500 ml)

Ringer-Lactat/RingerMalat

und/oder (balanciert)

evtl. Sedierung

kolloidale Lösung

(s.o.) (500–1000–1500 ml)

HAES

Diazepam

5–10 mg

½–1 Amp. Valium i. v.

2,5–5 mg

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

oder Midazolam

Ösophaguskompressionssonden Die Anwendung derartiger Sonden gehört in der Regel sicherlich nicht zu den notärztlichen Primäraufgaben. Ausnahmen ergeben sich lediglich durch sehr lange Transportzeiten, vorausgesetzt der Notarzt ist mit der Technik vertraut. 2 " (""!" 1*"+

!" (""!" 2+

1*"' + 2+

 '# '$

Die Sonden stehen in 2 Ausführungen zur Verfügung: (häufiger verwendet), 2 Ballons und 3 Lumina: • Sengstaken-Blakemore-Sonde – Magenballon



– Ösophagusballon – Lumen zum Magenballon – Lumen zum Ösophagusballon – Lumen zum Magen Linton-Nachlas-Sonde (seltener verwendet), 1 Ballon und 2 Lumina: – Ballon, der am Magen/Ösophagusübergang zu liegen kommt, dadurch ist die Sonde auch für Fundusvarizen geeignet – Lumen zum Ballon – Lumen zum Magen und Ösophagus

355

O

Ösophagusvarizenblutung 3'-)*'$

3)*!"+ $45 3"!" ",+$ # 6$' +

3"!"$ /,," 2+)* 3"!"$ /,," 1*"+)*

Technik. Ballon durch Luftfüllung prüfen, anschließend Luft wieder vollständig entleeren, Öffnungen mit den vorhandenen Pfropfen verschließen (Verhindern der selbstständigen Entfaltung des Ballons) Prämedikation mit Atropin 0,5 mg i. v. Entscheidung, ob der Patient endotracheal intubiert werden muss Lagerung des Patienten in Rückenlage mit Hochlagerung des Oberkörpers Nasenund Rachenraum mit Oberflächenanästhetikum (z. B. Xylocain-Spray 8–10 Hübe) betäuben, Sonde mit Xylocain-Gel 2 % bestreichen Sonde über die Nase bis zur 50-cm-Markierung einführen, falls möglich unter Mithilfe des Patienten (zum Schlucken auffordern !) Lagekontrolle durch Aspiration von Mageninhalt und Luftinsufflation unter gleichzeitiger Auskultation

• • • • • • •

356

Ösophagusvarizenblutung

O

der Sengstaken-Blakemore-Sonde: • bei – Magenballon mit ca. 150–250 ml

– – –

– – –

Luft bzw. einem Druck von 60– 100 mmHg aufblasen Zuleitungsschlauch abklemmen Sonde zurückziehen, bis federnder Widerstand spürbar wird Ösophagusballon mit ca. 100– 150 ml Luft bzw. einem Druck von 40–60 mmHg aufblasen Zuleitungsschlauch abklemmen Sonde unter leichtem Zug fixieren Sonde in Höhe der Nasenöffnung markieren

Zuleitung zum Magenballon 150–200 ml Luft

!" +""

der Linton-Nachlas-Sonde: • bei – Ballon mit ca. 300–450 ml Luft auf-



blasen – der Ballon müsste bei richtiger Einführtiefe von alleine am Magenfundus/unteren Ösophagus sitzen – Sonde unter Zug (500–1000 g Gewicht, z. B. Infusionsflasche) fixieren über das Magenlumen der Sonde absaugen

77777

3'-)*'$

357

P

Psychiatrische Notfälle

37

P

37.1 Psychiatrische Notfälle Erregungszustände mit Eigen- oder Fremdgefährdung Definition. Hauptcharakteristika von Erregungszuständen sind eine ziellose Steigerung von Antrieb und Psychomotorik, affektive Enthemmung und Kontrollverlust. Es kann zu ausgeprägter Gereiztheit, aggressiven Äußerungen bis zu unvermittelten Gewalttätigkeiten kommen. Ursachen. Erregungszustände können im Rahmen der meisten psychischen Störungen, aber auch bei einer Vielzahl organischer Grunderkrankungen auftreten: psychische Ursachen: – demenzielle Syndrome, akute organische Psychosyndrome (z. B. Epilepsie) – Impulskontrollstörungen – schizophrene Psychose – manische, agitiert-depressive Psychose – akute Belastungsreaktionen – Persönlichkeitsstörungen (emotional instabil, explosibel, Minderbegabung) organische Ursachen: – hirnorganische Erkrankungen (Gefäßprozesse, Anfallsleiden) – endokrine Störungen (z. B. Hyperthyreose) – Stoffwechselstörungen (z. B. Hypoglykämie) – Vergiftungen, Entzugssyndrome und Rauschzustände





Allgemeines Vorgehen.

Abstand vom Patienten halten (Waffen? Gefährliche Gegenstände?) • zunächst (Nach-)Alarmierung der Polizei • rechtzeitig nur bei „Übermacht“ (keine Zweiergespräche) • Exploration körperliche und Medikation mehrmals ankündigen • Fixierung nurFixierung (polizeilicher) Helferzahl (pro Extremität 1 Helfer) • bis zum Eintrittmitderausreichender Sedierung weiter festhalten (lassen) •

Schizophrener Erregungszustand Symptome Wahnvorstellungen • häufig Halluzinationen • akustische • Icherlebensstörungen Bedrohungsgefühl • affektiv sehr gespannt, ängstlich und unruhig •

358

Psychiatrische Notfälle

P

Therapeutische Maßnahmen allgemeines Vorgehen s. S. 358.

Medikamentöse Maßnahmen beim schizophrenen Erregungszustand. Indikation

Medikament

Sedierung

Oft ist eine i. v. oder eine Gabe aufgrund des Zustandes des Patienten kaum oder nicht möglich, dann vorrangig Versuch p.o. Lorazepam

Dosierung

Beispiel

2,5 mg p. o.

1 Tbl. Tavor Expidet 2,5 mg

2,5–5 mg buccal/nasal

Buccolam 5 mg, Midazolam über MAD

5–10 mg i. m.

1–2 Amp. Haldol i. m.

oder Midazolam

oder Haloperidol

Wenn eine i. v. Gabe möglich ist: Diazepam

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Valium i. v.

1–2 mg i. v.

½–1 Amp. Tavor i. v.

2,5–5 mg i. v.

2,5–5 mg Midazolam i. v.

5–10 mg i. m.

1–2 Amp. Haldol i. m.

oder Lorazepam

oder Midazolam

oder Haloperidol

Manischer Erregungszustand Symptome gereizte oder grundlos-heitere Stimmung • oft mit einem Übermaß an Initiative und Unternehmungslust • Antriebsüberschuss Steigerung des Selbstwertgefühls • manische Enthemmung •

359

P

Psychiatrische Notfälle Therapeutische Maßnahmen Vorgehen s. S. 358 • allgemeines eines stark antipsychotisch wirksamen und eines sedierenden Neuro• Kombination leptikums Medikamentöse Maßnahmen beim manischen Erregungszustand s. S. 359

Agitiert-depressiver Erregungszustand Symptome Depression • agitierte ängstliche Betriebsamkeit • unruhige, gehetzte • häufig in Unruhe Verbindung mit depressiven Wahnvorstellungen •

Therapeutische Maßnahmen allgemeines Vorgehen s. S. 358. Medikamentöse Maßnahmen beim agitiert-depressiven Erregungszustand s. S. 359.

Psychogener Erregungszustand Definition Tritt in einem eindeutigen zeitlichen und verständlichen Zusammenhang mit einem akuten Konflikt auf. Meist vor dem Hintergrund einer neurotischen Fehlhaltung und bei Persönlichkeitsstörungen.

Therapeutische Maßnahmen allgemeines Vorgehen s. S. 358. Medikamentöse Maßnahmen beim psychogenen Erregungszustand s. S. 359.

Hirnorganischer Verwirrtheitszustand Ursachen Zerebrale Durchblutungsstörungen, senile Demenz, Schädel-Hirn-Traumen und andere zerebrale Krankheitsprozesse, somatische Allgemeinerkrankungen bei Älteren.

Symptome

• Desorientiertheit Denken ist verworren-inkohärent mit einer Neigung zum Haften • das der Umwelt • Verkennung Angst, Ratlosigkeit • ggf. Aggressivität • evtl. Bewusstseinstrübung • 360

Psychiatrische Notfälle

P

Therapeutische Maßnahmen allgemeines Vorgehen s. S. 358. Medikamentöse Maßnahmen beim hirnorganischen Erregungszustand s. S. 359.

Stupor Definition Starrezustand des ganzen Körpers bei wachem Bewusstsein (z. T. in bizarren Körperhaltungen). Bewegungen werden nicht oder nur sehr langsam ausgeführt, der Patient spricht nicht.

Ursachen katatoner Schizophrenie • bei hochgradige Hemmung bedingter Stupor bei der endogenen Depression • durch als psychogener Stupor im Rahmen von Schreck- und Belastungssituationen • bei symptomatischen Psychosen •

Symptome gespannter Reglosigkeit • Zustand hellwache Kranke spricht und bewegt sich nicht • der Aufforderungen kommt er nicht nach, obwohl er sie hört und versteht •

Therapeutische Maßnahmen allgemeines Vorgehen s. S. 358.

Medikamentöse Maßnahmen bei Stupor. Indikation bei starker Unruhe

Medikament

Dosierung

Beispiel

Haloperidol

5–10 mg i. m.

1–2 Amp. Haldol i. m.

2,5 mg p. o.

1 Tbl. Tavor 2,5 mg Expidet p. o.

oder Lorazepam

361

P

Psychiatrische Notfälle Akute Dyskinesie Ursachen Extrapyramidale Nebenwirkung von Neuroleptika.

Symptome Herausstrecken der Zunge • krampfartiges • Blickkrampf Opisthotonus • Hyperkinesen der mimischen Muskulatur •

Therapeutische Maßnahmen allgemeines Vorgehen s. S. 358.

Medikamentöse Maßnahmen bei akuter Dyskinesie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

motorische Dämpfung

Biperiden

5 mg i. v.

1 Amp. Akineton i. v.

2,5–5 mg i. v.

2,5–5 mg Midazolam i. v.

Sedierung

362

und/oder Midazolam

Schock

38

S

S

38.1 Schock Definition Lebensbedrohliche Verminderung der Organdurchblutung (Hypoperfusion) mit nachfolgender hypoxisch-metabolischer Schädigung der Zellfunktion. In Abhängigkeit von der Ursache für das Schockereignis unterscheidet man folgende Schockformen: hypovolämischer Schock (s. S. 369): durch Blutverlust nach außen oder innen, Plasmaverlust (Verbrennung), Volumenverlust (Erbrechen, Diarrhö) kardiogener Schock (s. akute Herzinsuffizienz, S. 267): bei Herzinfarkt (Pumpversagen), Rhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Perikardtamponade, Lungenembolie anaphylaktischer Schock (s. S. 365): durch schwere generalisierte Überempfindlichkeitsreaktion vom Soforttyp, z. B. auf Medikamente oder Fremdeiweiß septischer Schock: durch Endotoxine bei Infektionen mit Bakterien, seltener auch Viren, Parasiten oder Pilzen neurogener Schock (s. S. 417): vasovagale Synkope, Schädel-Hirn-Trauma, Querschnittslähmung

• • • • •

Symptome Verschlechterung des Allgemeinzustands • akute Bewusstseinslage (Unruhe, Angst, Bewusstseinstrübung, Koma) • veränderte Tachypnoe • Dyspnoe, der Makrozirkulation (Zentralisation) • Störungen – kühle, feuchte, blassgraue Haut



– Tachykardie, Abnahme der Blutdruckamplitude (fadenförmiger Puls, Pulsus celer et altus) – systolischer Blutdruckabfall (< 90 mmHg) – Schockindex (Pulsfrequenz/systolischer Blutdruck) > 1,0 – Kreislaufstillstand Störungen der Mikrozirkulation: – stark verminderte Nagelbettdurchblutung – Oligurie (Urinausscheidung < 25 ml/h), Anurie

363

S

Schock Allgemeine therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Schock. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Lagerung

Schocklage, stabile Seitenlage oder Kombination

Sauerstoff

über Brille/Maske

2–4–10 l O2/min

Infusion

venöser Zugang (möglichst großlumig) ggf. i. o. Zugang

Ringer-Lactat

weitere Maßnahmen

▪ Vitalfunktionen sichern ▪ ggf. Intubation und Beatmung ▪ ggf. kardiopulmonale Reanimation ▪ Schutz vor Unterkühlung ▪ ständige Kontrolle von Puls und Blutdruck ▪ ggf. Blutstillung ▪ weitere Maßnahmen in Abhängigkeit von der Schockursache

Medikamentöse Maßnahmen bei Schock. Indikation Volumenersatz

Medikament

Dosierung

Beispiel

kristalloide Lösung

initial 500–1000 ml

500–1000 ml Ringer-Lactat

initial 500–1000 ml

500–1000 ml HAES

und/oder kolloidale Lösung

!

364

Cave: Kein Volumenersatz beim kardiogenen Schock ! Nur Ringer-Lactat langsam laufen lassen.

Schock

S

Anaphylaktischer Schock Ursachen Reaktion auf Medikamente: • allergische – Antibiotika



– Lokalanästhetika – jodhaltige Kontrastmittel – kolloidale Volumenersatzlösungen allergische Reaktion auf Fremdeiweiß und Polysaccharide: – Insekten- und Schlangengifte – Seren, Vakzine – Organextrakte

Stadieneinteilung I: Schwindel, Kopfschmerzen, Tremor, Hautreaktion: z. B. Erythem, Flush, • Stadium Juckreiz, Ödem, Urtikaria II: zusätzlich Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckabfall, Tachykardie, Atemnot • Stadium III: zusätzlich Bronchospasmus, Schock • Stadium Stadium IV: Herz-Kreislauf-Stillstand • Die Anaphylaxie ist die wahrscheinlichste Diagnose, wenn ein Patient nach Exposition mit einem Trigger (Allergen) plötzlich (meist innerhalb von Minuten) erkrankt mit rasch sich entwickelnden, lebensbedrohlichen Störungen der Luftwege, der Atmung und des Kreislaufs, meist verbunden mit Veränderungen der Haut und der Schleimhäute. Die Reaktion ist häufig unerwartet.

Therapeutische Maßnahmen Neben den S. 364 beschriebenen allgemeingültigen Maßnahmen beim Schock stehen beim anaphylaktischen Schock die Unterbindung einer weiteren Allergenzufuhr und eine antiallergische Medikation im Vordergrund. Adrenalin ist das wichtigste Medikament zur Behandlung einer Anaphylaxie und muss deshalb allen Patienten mit lebensbedrohlichen Symptomen gegeben werden. Intramuskuläre Gabe von Adrenalin (ERC 2015). Die intramuskuläre (i. m.) Gabe von Adrenalin ist für die meisten Anwender der sicherste und schnellste Applikationsweg zur Behandlung der Anaphylaxie. Der Patient soll so rasch wie möglich am Monitor überwacht werden (Blutdruck, EKG, Pulsoximetrie), damit die Wirkung der Adrenalingabe festgestellt werden kann. Der i. m. Applikationsweg hat mehrere Vorteile: größere therapeutische Sicherheit, Anwendung auch ohne i. v. Zugang möglich, einfachere Erlernbarkeit der Methode, Patienten mit bekannten Allergien können sich Adrenalin selber i. m. verabreichen.

• • • •

Der beste Applikationsort ist die anterolaterale Seite des mittleren Drittels des Oberschenkels. Die Injektionsnadel soll lang genug gewählt werden, sodass das Adrenalin in den Muskel injiziert werden kann. Wegen der schlechteren Wirksamkeit der subkutanen oder inhalativen Anwendung ist der i. m. Applikationsweg zu bevorzugen.

365

S

Schock Intravenöse Adrenalingabe (ERC 2015). Das Risiko von gefährlichen Nebenwirkungen durch unsachgemäße Dosierung oder Fehldiagnose einer Anaphylaxie ist bei der intravenösen (i. v.) Adrenalingabe viel größer. Adrenalin soll deshalb i. v. nur durch Erfahrene und im Umgang mit Vasopressoren Geübte eingesetzt werden. Bei Patienten mit Spontankreislauf kann i. v. Adrenalin lebensbedrohliche Hypertensionen, Tachykardien, Rhythmusstörungen und Myokardischämien verursachen. Wenn kein i. v. Zugang vorhanden ist oder nicht rasch genug gelegt werden kann, soll der i. m. Applikationsweg gewählt werden. Patienten, die i. v. Adrenalin erhalten, müssen am Monitor überwacht werden.

Medikamentöse Maßnahmen bei anaphylaktischem Schock. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Anaphylaxie Stadium 3–4

Adrenalin i. v.

0,1–1 mg frakt.

1 ml Adrenalin + 9 ml NaCl 0,9% fraktioniert 1–2 ml, wiederholt

alternativ Adrenalin i. m.

366

▪ Erwachsene:

500 μg i. m. (0,5 ml) ▪ Kinder > 12 J.: 500 μg i. m. (0,5 ml) ▪ Kinder 6–12 J.: 300 μg i. m. (0,3 ml) ▪ Kinder < 6 J.: 150 μg i. m. (0,15 ml)

Schock

S

Anwendung eines Adrenalin Fertig-Pens (am Beispiel des Anapens)

Liegen keine lebensbedrohlichen Symptome vor, sondern andere Zeichen einer systemischen Reaktion, muss der Patient sorgfältig überwacht werden und erhält zunächst Medikamente der 2. Reihe (Antihistaminika, Kortkosteroide etc.)

Medikamentöse Maßnahmen bei anderen systemischen Reaktionen. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

möglichst großlumiger venöser Zugang ggf. i.o. Zugang

kristalloide Lösungen

500–1000–1500 ml Kinder 20 ml/kg KG

500–1500 ml RingerLactat

Antihistaminika

Clemastin

2–4 mg i. v.

1–2 Amp. Tavegil i. v.

Dimetinden

4–8 mg i. v.

1–2 Amp. Fenistil i. v.

Cimetidin

200 mg

1 Amp. Tagamet 200 mg i. v.

Volumenersatz

oder

H2-Blocker

367

S

Schock Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Kortikosteroide

Methylprednisolon

250 mg

1 Amp. Urbason solubile forte 250 mg i. v.

100 mg

1 Amp. Fortecortin Inject 100 mg i. v.

250 mg

1 Amp. Solu-Decortin H 250 mg i. v.

oder Dexamethason

oder Prednisolon

Kommt es durch die allergische Reaktion zu Larynx-Ödem, Quincke-Ödem und/oder Bronchospasmus, ist der Einsatz von Katecholaminen per inhalationem (Verneblermaske) indiziert.

Einsatz von Katecholaminen mit Verneblermaske Medikamen

Dosierung

Adrenalin p. i.

2–4 Amp. = 2–4 ml = 0,2–0,4 mg Adrenalin in Verneblermaske, Sauerstoffflow 6–8l/min

Wenn die Bronchospastik im Vordergrund steht, Salbutamol p. i.

Salbutamol Inhalat 1,25 mg(=2,5 ml) als Fertiginhalat

Beispiel

Reanimation bei anaphylaktischem Schock Der Kreislaufstillstand bei anaphylaktischem Schock ist mit massiver Vasodilatation, intravaskulärem Kollaps, Gewebehypoxie und Asystolie verbunden. Beatmung. Ursache kann ein Angioödem oder eine obere und untere Atemwegsobstruktion im Sinne einer primären Hypoxie sein. In diesem Fall ist eine Beutelbeatmung, aber auch eine Intubation erfolglos. Auch eine Koniotomie kann schwierig bis erfolglos sein, stellt aber die Ultima Ratio dar.

368

Schock

S

Catecholamine. Bei der Reanimation ist Adrenalin das Medikament der Wahl, gerade bei Vasodilatation und Hypotension. Hierfür bieten sich verschiedene Applikationswege an. Reanimationsdauer. Bei Kreislaufstillstand bei anaphylaktischem Schock sollte eine Reanimation über längere Zeit durchgeführt werden, da vor allem bei jungen Patienten keine Vorschädigungen von Herz und Kreislauf anzunehmen sind. Volumengabe. Eine rasche Flüssigkeitstherapie muss mit ausreichenden Volumina – in der Regel 2000–4000 ml isotone Elektrolytlösung – begonnen werden. Antiallergika. Systemische Antihistaminika bringen in dieser Situation ebenso wie Steroide keinen therapeutischen Effekt. Sauerstoff. In jedem Fall muss ein hohes O2-Angebot sichergestellt sein.

Hypovolämischer Schock Ursachen nach außen oder innen • Blutungen (Verbrennungen) • Plasmaverlust Dehydratation (Erbrechen, Durchfall, Ileus, Pankreatitis, Diabetes mellitus) •

Stadieneinteilung Stadieneinteilung des hypovolämischen Schocks. Stadium

Volumenverlust in ml und% des Gesamtvolumens

Symptome

I (leichter Schock)

500–1200 ml

10–25 %

Tachykardie, kompensierter RRAbfall, periphere Vasokonstriktion

II (mäßiger Schock)

1200–1800 ml

25–35 %

fadenförmiger Puls, RR-Abfall, Angst, Unruhe, Schwitzen, Oligurie

III (schwerer Schock)

1800–2500 ml

35–50 %

Puls > 120/min, RR < 60 mmHg, Zentralisation, Bewusstseinsstörung, Tachypnoe, Anurie

369

S

Schock Therapeutische Maßnahmen

• allgemeine Maßnahmen s. S. 364 Medikamentöse Maßnahmen beim hypovolämischen Schock. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumenersatz

(Druck-)Infusion mit kristalloider Lösung

Menge abhängig vom klinischen Bild (500–1000–1500 ml)

Ringer-Lactat/ Ringer-Malat

und/oder (balanciert) kolloidale Lösung

(s.o.) (500–1000–1500 ml)

HAES

Volumenersatz möglichst über mehrere venöse Zugänge, evtl. als Druckinfusion. Sedierung

Diazepam

5–10 mg

½–1 Amp. Valium i. v.

Midazolam

2,5–5 mg

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

Morphin

5–10 mg

½–1 Amp. Morphin i. v.

S-Ketamin

0,125–0,25 mg/kg KG

10–20 mg Ketanest S i. v.

Midazolam

2,5–5 mg i.v

1–1½ Amp. Dormicum 5 mg/5 ml i. v.

S-Ketamin

0,5–1,0 mg/kg KG

40–80 mg Ketanest S i. v.

oder

Analgesie

oder

ggf. Narkoseeinleitung (z. B. KetaminMidazolamNarkose)

370

Schussverletzungen

S

38.2 Schussverletzungen Definition Durch (Spreng-)Geschoss hervorgerufene Verletzung. Bei Handfeuerwaffe mit Einschuss und Schusskanal, evtl. auch mit Ausschuss (sonst Steckschuss, Projektil noch im Körper). Nahschusszeichen. Charakteristische Haut- und Weichteilveränderungen bei absolutem und relativem Nahschuss (d. h. Waffe aufgesetzt bzw. 15–25 cm entfernt). Beim absoluten Nahschuss am Einschuss strahlenförmige Platzwunde, evtl. Stanzfigur und taschenartige Schmauchhöhle (aber Hautoberfläche frei), Pulverrückstand nur im Schusskanal. Beim relativen Nahschuss Pulvereinsprengung in der Haut, Metallteile und Brandspuren in der Umgebung. Schusskanal. Evtl. durch Knochen abgelenkt, Verlauf im Knochen sich konusförmig in Schussrichtung verbreiternd, evtl. Fremdkörper, bei Nahschuss auch Pulverrückstände enthaltend. Prellschuss. Subkutanes Hämatom, keine Hautwunde. Prallschuss („Aufschläger“). Meist mit Abschürfung und subkutaner Blutung. Schussfraktur. Meist Trümmerfraktur, z. B. Schmetterlingsfraktur.

Symptome Gründliche Suche nach Einschussöffnung! Insbesondere bei Steckschüssen kann der relativ kleine Einschuss übersehen werden. Abhängig von der betroffenen Körperregion sind alle Zeichen der unterschiedlichen Traumen möglich. Grundsätzlich muss eine Beteiligung innerer Organe angenommen werden ! Zeichen eines Schädel-Hirn-Traumas Schock Zeichen eines Pneumo-/Hämatothorax Einflussstauung (gestaute Halsvenen) und Pulsus paradoxus als Hinweis auf Perikardtamponade Frakturzeichen, z. B. an den Extremitäten

• • • • •

371

Schussverletzungen Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts

S

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Schussverletzung. Maßnahme

Details

Therapeutisches Szenario

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–8 l O2/min

Infusion

venöser Zugang (2 × großlumig)

Ringer-Lactat/Gelifundol

weitere Maßnahmen

▪ Vitalfunktionen sichern ▪ ggf. Intubation und Beatmung ▪ Blutstillung durch Kompressionsverbände

Medikamentöse Maßnahmen bei Schussverletzung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

ggf. Sedierung

Diazepam

5–10 mg

½–1 Amp. Valium i. v.

Midazolam

2,5–5 mg

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

Morphin

5–10 mg

½–1 Amp. Morphin i. v.

0,125–0,25 mg/kg KG

10–20 mg Ketanest S i. v.

ggf. Analgesie

oder

oder S-Ketamin

38.3 Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und SäureBasen-Haushalts Eine exakte Differenzialdiagnose der Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und SäureBasen-Haushalts ist unter notfallmedizinischen Aspekten kaum möglich. Wichtig ist es jedoch, Krankheitsbilder, die sich möglicherweise aus derartigen Störungen ergeben, rechtzeitig zu erkennen, um bereits ohne Kenntnis der Laborparameter lebensrettende Maßnahmen durchführen zu können. Krankheitsbilder, die den Wasser- und Natriumhaushalt betreffen, sind: – Hypovolämie – Hypervolämie – Dehydratation – Hyperhydratation – Hypo- und Hypernatriämie Krankheitsbilder, die den Elektrolythaushalt betreffen, sind: – Hypokaliämie – Hyperkaliämie





372

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts



S

– Hypokalzämie (Tetanie) – Hyperkalzämie Krankheitsbilder, die den Säure-Basen-Haushalt betreffen, sind: – respiratorische Azidose – metabolische Azidose – respiratorische Alkalose – metabolische Alkalose

Wasser- und Natriumhaushalt Hypovolämie (Dehydratation) Definition und Ursachen Verlust von intravasaler Flüssigkeit, in erster Linie durch akute oder chronische Blutungen, durch Flüssigkeitsverluste, z. B. bei Verbrennungen oder Diarrhö, oder durch eine erhöhte Permeabilität der Kapillaren, z. B. beim allergisch-toxischen Geschehen. Auch wenn der primäre Flüssigkeitsverlust vom Intravasalraum ausgeht, ist ein enger Zusammenhang mit dem schnell mitreagierenden Extrazellulärraum im Sinne einer isotonen Dehydratation gegeben.

Symptome Schwindel • Müdigkeit, Frösteln • Durst, zerebrale Störungen • Blutdruckabfall • Tachykardie • blasse, kalte Haut, schlechte Venenfüllung • Schockzeichen, Koma •

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Hypovolämie. Maßnahme

Details

Lagerung

Schocklage

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

Flüssigkeit

▪ bei erhaltenem Bewusstsein orale Flüssigkeitszufuhr ▪ venöser Zugang (großlumig)

Therapeutisches Szenario

4–6–10 l O2/min Ringer-Lactat

373

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts

S

Medikamentöse Maßnahmen bei Hypovolämie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumenersatz

(Druck)Infusion mit kristalloider Lösung

Menge abhängig vom klinischen Bild (500– 1000–1500 ml)

Ringer-Lactat/RingerMalat

und/oder (balanciert)

evtl. Sedierung

kolloidale Lösung

(s.o.) (500–1000– 1500 ml)

HAES

Diazepam

5–10 mg

½–1 Amp. Valium i. v.

2,5–5 mg

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

oder Midazolam

Hypervolämie (Hyperhydratation) Ursachen Normalerweise wird ein erhöhtes intravasales Flüssigkeitsvolumen durch die Nieren rasch ausgeschieden. Störungen im Sinne einer Überwässerung kommen deshalb nur vor bei: beeinträchtigter Nierenfunktion Herzinsuffizienz iatrogen durch zu große Infusionsmengen

• • •

Symptome

• Kopfschmerzen Dyspnoe, Lungenödem • Husten, • Sehstörungen zerebrale • TachykardieStörungen, Krampfneigung, Koma • Blässe • erhöhter Blutdruck •

374

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts

S

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Hypervolämie. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper hoch, Beine tief

Sauerstoff

Therapeutisches Szenario

über Nasensonde/Maske

weitere Maßnahmen

4–6–10 l O2/min

▪ Patienten beruhigen ▪ Atemwege frei machen/freihalten ▪ venöser Zugang ▪ evtl. unblutiger Aderlass ▪ NIV erwägen ▪ evtl. Intubation und Beatmung mit PEEP (5 cmH2O)

Medikamentöse Maßnahmen bei Hypervolämie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Vasodilatation

Glyceroltrinitrat

0,8–1,6 mg sublingual

2 Hübe NitrolingualSpray

in Abhängigkeit vom Blutdruck höher dosieren, evtl. Wiederholung nach ca. 5–10 min. Cave: PDE-5-Hemmer wie z. B. Sildenafil u. a. Diurese Sedierung

Furosemid

20–40 mg i. v.

1–2 Amp. Lasix i. v.

Midazolam

2,5–5 mg i. v.

2,5–5 mg Midazolam i. v.

5–10 mg i. v.

½–1 Amp. Morphin i. v.

und/oder Morphin

Morphin bewirkt neben der Sedierung auch eine therapeutisch relevante Entlastung des kleinen Kreislaufs

375

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts

S

Kaliumhaushalt Sowohl Kaliumüberschuss als auch Kaliummangel führen zu einer Blockierung der Erregungsleitung, die in erster Linie über massive Herzrhythmusstörungen zum Tod führen können.

Hypokaliämie Definition und Ursachen Abfall der extra- und intrazellulären Kaliumkonzentration durch verminderte Kaliumzufuhr oder erhöhten renalen oder extrarenalen Kaliumverlust. Als Ursachen kommen infrage: Erbrechen, Durchfall: Verlust von kaliumhaltigen Sekreten Laxanzienabusus: Verlust von kaliumhaltigen Sekreten Diuretikatherapie, Dialyse: renaler Kaliumverlust Insulinüberdosierung: Insulin fördert den Kaliumeinstrom in die Zellen, dadurch besonders nach einem Coma diabeticum extrazelluläre Hypokaliämie möglich metabolische und respiratorische Alkalose: H+-Ionen werden aus den Zellen ausgeschleust und im Gegenzug K+-Ionen in die Zellen eingeschleust

• • • • •

Symptome und Diagnostik Die Mehrzahl aller Hypokaliämien verläuft asymptomatisch und wird erst durch eine Elektrolytbestimmung erkannt. Symptome bei schwerem Kaliummangel oder raschem Kaliumverlust sind: Muskelschwäche, Adynamie Übelkeit, Erbrechen, Durst Parästhesien Muskelwülste bei Beklopfen der Muskulatur Ileus Verwirrtheit, Koma Tachykardie, Rhythmusstörungen EKG-Veränderungen (S. 376): – Extrasystolen – hohes P – PQ-Verkürzung – ST-Senkung – T evtl. negativiert – TU-Verschmelzungswelle

;6 ;< 



• • • • • • • •

4&.+,)*$ 89 :

376

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts

S

Therapeutische Maßnahmen Störungen des Kaliumhaushalts sind außerhalb der Klinik – wenn überhaupt – nur aufgrund der Anamnese zu vermuten. Eine gezielte Therapie setzt die Kenntnis des Serumkaliumspiegels voraus. Die Notfallmedizin beschränkt sich deshalb primär auf symptomatische Maßnahmen (Vitalfunktionen sichern, venöser Zugang). Bei Verdacht auf einen lebensbedrohlichen Kaliummangel ist die Gabe von 20 mmol Kalium in Form von Kaliumchlorid über mindestens 10 min langsam i. v. gerechtfertigt (1 ml Kaliumchlorid 7,45 % enthält 1 mmol K+). Sonst darf Kalium nur in Form einer Infusionslösung mit einer Maximaldosis von 40 mmol K/h verabreicht werden. s. a. S. 238

Hyperkaliämie Definition und Ursachen Anstieg des Kaliumspiegels auf Werte > 5,5 mmol/l. Ursachen können sein: metabolische und respiratorische Azidose: H+-Ionen werden in die Zellen eingeschleust und im Gegenzug K+-Ionen aus den Zellen ausgeschleust akute und chronische Niereninsuffizienz oligurisches Stadium des Nierenversagens, Anurie Hyperaldosteronismus Einnahme von Spironolacton, Amilorid, Triamteren Kaliumfreisetzung aus dem Gewebe (Trauma, Verbrennung, Zytostatikatherapie) Insulinmangel

• • • • • • •

Symptome Die Mehrzahl aller Hyperkaliämien verläuft asymptomatisch und wird erst durch eine Elektrolytbestimmung erkannt. Symptome bei schwerer Hyperkaliämie sind: Muskelschwäche, Adynamie Übelkeit, Erbrechen Parästhesien Muskelzuckungen Ileus Verwirrtheitszustände, Koma Bradykardie, Rhythmusstörungen, Herzstillstand EKG-Veränderungen (S. 377): – Extrasystolen – flaches P – AV-Block – Kammerkomplexe verbreitert (Schenkelblockbild) – überhöhte T-Welle (Kirchturm-T) – QT-Zeit verlängert

;6 

• • • • • • • •

4&.+,)*$ 89 :

377

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts

S

Therapeutische Maßnahmen Störungen des Kaliumhaushalts sind außerhalb der Klinik – wenn überhaupt – nur aufgrund der Anamnese zu vermuten. Eine gezielte Therapie setzt die Kenntnis des Serumkaliumspiegels voraus. Die Notfallmedizin beschränkt sich deshalb primär auf symptomatische Maßnahmen (Vitalfunktionen sichern, venöser Zugang). Bei Verdacht auf eine lebensbedrohliche Hyperkaliämie ist die Infusion von Calcium unter kontinuierlichem EKG-Monitoring zu erwägen. Notfallbehandlung der Hyperkaliämie S. 379.

Kalziumhaushalt Echte Notfälle durch Störungen des Kalziumhaushalts sind selten. Wichtig ist die Möglichkeit der Beeinflussung des ionisierten Kalziums im Blut durch den SäureBasen-Haushalt: Eine Azidose steigert den Anteil an ionisiertem Kalzium, eine Alkalose senkt ihn.

Hypokalzämie s. a. Hyperventilationstetanie (S. 322)

Definition und Ursachen Verminderung der extrazellulären Kalziumkonzentration bzw. des ionisierten Kalziums. Ursachen für eine Hypokalzämie können sein: Alkalose, z. B. im Rahmen einer Hyperventilationstetanie (s. S. 322) Hypoparathyreoidismus (z. B. nach Strumektomie) Vitamin-D-Stoffwechselstörung akute Pankreatitis akutes Nierenversagen erhöhter Kalziumbedarf während der Schwangerschaft und Stillzeit

• • • • • •

Symptome und Diagnostik Eine mäßige Erniedrigung des Kalziumspiegels bewirkt: Steigerung der Reflexe, besonders deutlich im Bereich des N. facialis zu erkennen (Chvostek-Zeichen: Zusammenzucken der Gesichtsmuskulatur beim Beklopfen des Fazialisstammes vor dem Ohrläppchen)



378

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts

S

Notfallbehandlung der Hyperkaliämie • Untersuchung nach dem ABCDE-Schema • 12-Kanal-EKG und Rhythmusüberwachung bei Serum-Kalium von > 6,5 mmol/l • Pseudohyperkaliämie ausschließen • Empirische Therapie von Arrythmien bei Verdacht auf Hyperkaliämie LEICHT K+ 5,5–5,9 mmol/l

MITTEL K+ 6,0–6,4 mmol/l

SCHWER K+ > 6,5 mmol/l

Ursache und Behandlungsnotwendigkeit bedenken

Behandlung je nach klinischem Bild, EKG und Geschwindigkeit des K+-Anstiegs

Notfallbehandlung angezeigt Expertenhilfe anfordern !!

EKG-Veränderungen? Kardiale Protektion

• Spitze T-Wellen • Flache oder • fehlende P-Welle nein

• Bradykardie • ventrikuläre • Tachykardie

ja

i.v. Calcium 10 ml Calciumchlorid 10% oder 30 ml Calciumglukonat 10% i.v. • Großlumiger i.v.-Zugang, Gabe über 5–10 min • EKG wiederholen • Erwäge erneute Gabe nach 5 min bei • fortbestehenden EKG-Veränderungen

Kaliumverschiebung nach Intrazellulär KaliumKaliumspiegel und elimination Blutzucker aus dem überwachen Körper Vorbeugung

• Breiter QRS-Komplex • Sinuswelle

Insulin-Glucose-Infusion 25 g Glucose mit 10 Einheiten Altinsulin über 15 Minuten i.v. 25 g Glucose = 50 ml Glc 50% oder 125 ml GLC 20% Cave Hypoglykämie

Salbutamol-Vernebelung 10–20 mg

Erwäge Calcium-Resonium B4 x 15 g/d oral oder 2 x 30 g/d PR

Erwäge Dialyse Expertenhilfe

!

Serumkalium und Blutglukose überwachen K+ > 6,5 mmol/l trotz medikamentöser Therapie

Bedenke die Ursachen der Hyperkaliämie und verhindere Wiederauftreten

(Quelle: ® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Truhlář, A., Deakin, C., Soar, J. et al. Notfall Rettungsmed (2015) 18: 833. doi:10.1007/s10049-0150096-7)

379

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts

S

Ein akuter Abfall der Kalziumkonzentration bewirkt: Tetanie Pfötchenstellung der Hände Krämpfe Laryngospasmus (selten) Koma EKG-Veränderungen (S. 380): Verlängerung der QT-Zeit

• • • • • •

4&.+89 !:

Therapeutische Maßnahmen Kalziumstörungen lassen sich außerhalb der Klinik – wenn überhaupt – nur aufgrund der Anamnese und der Symptome vermuten. Bei begründetem Verdacht auf eine Hypokalzämie:

Medikamentöse Maßnahmen bei Hypokalzämie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Kalziumzufuhr

10%ige Kalziumlösung

10–20 ml

1–2 Amp. Calcium 10 % über 10–20 min i.v

1 Amp. Calcium 10 % = 10 ml = 4,5 mmol

!

Cave: Bei digitalisierten Patienten darf Kalzium nie i. v. gegeben werden !

Die übrige Behandlung ist rein symptomatisch (Vitalfunktionen sichern).

Hyperkalzämie Ursachen Anstieg des Serumkalziums meist über einen längeren Zeitraum. Akute Erscheinungen sind deshalb selten und außerklinisch schwierig als Hyperkalzämie zu erkennen. Ursachen für eine Hyperkalzämie können sein: Osteolysen (z. B. durch Knochenmetastasen) Hyperparathyreoidismus, Hyperthyreose iatrogen: Vitamin-D-Vergiftung, Thiazide u. a.

• • •

Symptome Die Symptome der Hyperkalzämie sind relativ unspezifisch. Es gilt vor allem, die Erkrankung differenzialdiagnostisch überhaupt in Erwägung zu ziehen ! schnelle Entwicklung von Polyurie/Polydipsie Exsikkose Übelkeit, Erbrechen

380

• • •

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts

S

• Ileus pectoris • Angina Somnolenz, Koma • Psychose, • Herzstillstand Therapeutische Maßnahmen Die notfallmedizinische Behandlung muss selbst bei begründetem Verdacht auf eine hyperkalzämische Krise rein symptomatisch bleiben, da eine gezielte Therapie nur unter intensivmedizinischen Bedingungen und nach Kenntnis der Laborparameter möglich ist (z. B. forcierte Diurese, Kalzitoningabe): Vitalfunktionen sichern venöser Zugang

• •

Medikamentöse Maßnahmen bei Hyperkalzämie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

bei Exsikkose Volumengabe

kristalloide Lösung

500–1000 ml

500–1000 ml Ringer-Lactat

Kalziumsenkung (in Klinik)

Kalzitonin

200 IE s. c.

2 Amp. Karil s.c

Kalzitonin ist wenig toxisch und senkt den Kalziumspiegel zuverlässig, wenn auch gering und kurz, Wirkung nach 1–2 h

Säure-Basen-Haushalt Die folgenden 3 Regulationsvorgänge halten im Organismus einen pH-Wert von 7,36– 7,44 konstant: Pufferung über HCO3 (Bikarbonat), HPO4 (Phosphatpuffer), Proteine und Hämoglobin renale Elimination von H+-Ionen pulmonale Elimination von CO2

• • •

Je nachdem, welches Regulationssystem gestört ist, versucht der Körper, eine Entgleisung des pH-Werts durch die anderen Regulationssysteme aufzufangen. Gelingt dies nicht mehr, so entwickelt sich eine Azidose oder Alkalose. Eine Entgleisung des Säure-Basen-Haushalts lässt sich nur laborchemisch genauer differenzieren. Dazu müssen pH-Wert, pCO2, Standardbikarbonat und Basenüberschuss (BE) mit Blutgasanalyse bestimmt werden. Diese Bestimmung ist im Rahmen der Notfallmedizin vor Ort nicht möglich, deshalb muss man die klinischen Symptome der Störungen im Säure-Basen-Haushalt und die auslösenden Krankheitsbilder kennen.

381

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts

S

Störungen des Säure-Basen-Haushalts. Status

pH-Wert

pCO2 [mmHg]

Bikarbonat [mmol/l]

BE [mmol/l]

Normalwert

7,36–7,44

36–44

22–26–2

–2 bis +2

respiratorische Azidose

< 7,36

> 45

normal

primär normal

respiratorische Alkalose

> 7,44

< 35

normal

primär normal

metabolische Azidose

< 7,36

normal

< 22

negativ

metabolische Alkalose

> 7,44

normal

> 26

positiv

In der Notfallmedizin ist die Alkalose nicht von Bedeutung. Es gibt praktisch kein Krankheitsbild, das eine akute Alkalose hervorruft, die als solche zu erkennen und sofort therapierbar wäre. Deshalb wird im Folgenden nur die Azidose beschrieben.

Azidose Definition und Ursachen Abfall des Blut-pH-Werts auf < 7,36 mit entsprechenden Kompensationsversuchen des Organismus. Respiratorische Azidose. Jede Beeinträchtigung der Ventilation kann über eine verminderte CO2-Abatmung zu einem Anstieg der H+-Konzentration und damit zu einem pH-Abfall führen: kardiorespiratorische Zwischenfälle (Reanimation) Pneumothorax, instabiler Thorax Schocklunge, Rauchvergiftung Lungenödem, schwere Pneumonie, Asthma bronchiale

• • • •

Metabolische Azidose. Störungen im Säure-Basen-Haushalt, die von einem gewissen Grad an nicht mehr durch Hyperventilation kompensiert werden können, z. B.: Ketoazidose (Diabetes mellitus) Laktazidose (Schock, Herzinsuffizienz, Hypoxie) Bikarbonatverlust (Durchfall) mangelnde Säureausscheidung (Nierenerkrankungen) Hyperkaliämie

• • • • •

382

Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts Strahlenunfall

S

Symptome Insgesamt unspezifisch ! Unruhe, Atemnot Bewusstseinsstörung bis zur Bewusstlosigkeit evtl. beschleunigte und vertiefte Atmung (Kußmaul-Atmung) Tachykardie, Arrhythmien

• • • •

Therapeutische Maßnahmen Basismaßnahmen bei Azidose. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper hoch, bei Bewusstseinsstörung stabile Seitenlage

Sauerstoff

bei respiratorischer Störung: ggf. Behebung der Ursache, je nach Bedarf: Nasensonde, Maske, Beatmung

weitere Maßnahmen

Therapeutisches Szenario

4–10 l O2/min

▪ Vitalfunktionen sichern ▪ venöser Zugang ▪ ggf. Intubation und Beatmung

Medikamentöse Maßnahmen bei Azidose. Ohne eine entsprechende Blutgasanalyse, d. h. außerhalb der Klinik, ist eine gezielte Therapie der Azidose z. B. mit Natriumbikarbonat nicht indiziert. Grundsätzlich sind die Wiederherstellung/Erhaltung einer möglichst optimalen Atemsituation sowie, falls erforderlich, ein adäquater Volumenersatz die sinnvollsten präklinischen Maßnahmen.

38.4 Strahlenunfall Regionale Strahlenschutzzentren S. 651.

Definition und Ursachen Definition. Bei Strahlenunfällen können Personen durch externe Bestrahlung, durch radioaktive Kontamination oder durch Inkorporation radioaktiver Nuklide

• • •

betroffen werden. Während eine externe Bestrahlung nach Entfernung der Strahlenquelle beendet ist, findet bei einer Kontamination oder Inkorporation ein wesentlicher Teil der Bestrahlung erst in der Folgezeit statt, welche durch Hilfsmaßnahmen beeinflusst werden kann.

383

S

Strahlenunfall Ursachen. Als Ursachen für einen Strahlenunfall kommen typischerweise infrage: Betriebsunfälle in medizinischen oder industriellen Einrichtungen Unfälle beim Transport radioaktiver Substanzen Störfälle in kerntechnischen Anlagen (Reaktorunfall)

• • •

Radioaktive Strahlungsarten. Strahlungsart

Merkmale

Absorption

α-Strahlen

sehr kurze Reichweite (cm), geringes Durchdringungsvermögen

einfach, z. B. Papier ausreichend

β-Strahlen

kurze Reichweite (m), mittleres Durchdringungsvermögen

z. B. durch Aluminiumblech

γ- und Röntgenstrahlen

hohes Durchdringungsvermögen

nur durch Bleiplatten, Betonwände

Dosisgrößen und Dosiseinheiten radioaktiver Strahlung. Name

SI-Einheit

Frühere Einheit

Kurzdefinition

Ionendosis

Coulomb/Kilogramm (C/kg)

Röntgen (R) = 2,58 × 10–4 C/kg

Strahlungsmenge, die erzeugt wird

Energiedosis

Gray (Gy)

Rad (rd) = 0,01 Gy

Energie, die auf eine bestimmte Materie übertragen wird

Äquivalenzdosis

Sievert (Sv)

Rem (rem) = 0,01 Sv

Energiedosis, bewertet mit der vorliegenden Strahlenart

effektive Dosis

Sievert (Sv)

Maß für die Bewertung der Gefährdung hinsichtlich der kanzerogenen und mutagenen Wirkung. In die effektive Dosis gehen Wichtungsfaktoren für die unterschiedlichen Strahlungsrisiken der einzelnen Organe ein

Die Strahlenbelastung wird in erster Linie über die Äquivalenzdosis in der Maßeinheit Sievert wiedergegeben.

384

Strahlenunfall

S

Strahlenschäden Art und Ausmaß der Schädigung sind abhängig von: Art der Strahlung Strahlendosis Dauer der Strahlungseinwirkung Ausmaß des bestrahlten Körperareals (Maximum: Ganzkörperbestrahlung)

• • • •

Die klinischen Frühsymptome nach akuter Ganzkörperbestrahlung sind in der untenstehenden Tabelle dargestellt.

Strahlenschäden. Kriterium

Bereiche

Ganzkörperdosis (Sv)

0,1–0,3

0,3–1

1–3

3–6

6–15

> 15



vereinzelt leicht

leicht – mittel

mittelschwer

sehr schwer

lebensbedrohlich

▪ ohne Be-

sehr gut

sehr gut

gut

unsicher

geringe Überlebenschance

keine Überlebenschance

▪ mit opti-

sehr gut

sehr gut

sehr gut

gut

unsicher bzw. infaust

Strahlensyndrom Prognose handlung

maler Behandlung

Frühsymptome

sehr schnell

▪ Abgeschla-



vereinzelt leicht

mäßig

ausgeprägt

stark ausgeprägt

stark ausgeprägt

▪ Übelkeit,



vereinzelt (2–6 h)

ein- bis mehrmals (2–6 h)

mehrmals stark (½–2 h)

häufig stark (ab 10 min)

unstillbar (ab 5 min)

▪ Kopf-





kurzzeitig

ständig

ständig bohrend

quälend

▪ Bewusst-

klar

klar

klar

klar

getrübt

benommen

genheit

Erbrechen (Zeit nach Exposition) schmerz sein

385

S

Strahlenunfall Kriterium

Bereiche

▪ Körpertem-

normal

normal

normal

normal/ subfebril

subfebril

subfebril/ febril

▪ Früh-





leicht (12– 24 h)

deutlich (< 6 h)

ausgeprägt (> 6 h)

stark ausgeprägt (> 6 h)

Lymphozyten/μl (Zeit nach Exposition)

> 1000 (2–72 h)

< 1000 (2–24 h)

< 800 (2–24 h)

< 600 (2–24 h)

< 300 (2–6 h)

ca. 0 (6 h)

Leukozyten/μl (nach 4–7 d)

4000– 8000

< 4000