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Mehrsprachigkeit Vom Alten Orient bis zum Esperanto Herausgegeben von Sebastian Fink, Martin Lang und Manfred Schretter
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Zaphon
05.02.2018 09:59:24
Mehrsprachigkeit Vom Alten Orient bis zum Esperanto
Herausgegeben von Sebastian Fink, Martin Lang und Manfred Schretter
© 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
dubsar Altorientalistische Publikationen Publications on the Ancient Near East Band 2 Herausgegeben von Kristin Kleber und Kai A. Metzler
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Mehrsprachigkeit Vom Alten Orient bis zum Esperanto
Herausgegeben von Sebastian Fink, Martin Lang und Manfred Schretter
Zaphon Münster 2018 © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Illustration auf dem Einband: RS 20.149; J. Nougayrol u.a., Ugaritica V, S. 418, Paris 1968
Mehrsprachigkeit. Vom Alten Orient bis zum Esperanto Herausgegeben von Sebastian Fink, Martin Lang und Manfred Schretter dubsar 2
© 2018 Zaphon, Münster (www.zaphon.de) All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photo-copying, recording, or otherwise, without the prior permission of the publisher. Printed in Germany Printed on acid-free paper ISBN 978-3-96327-004-8 E-Book: ISBN 978-3-96327-005-5
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Inhaltsverzeichnis
Sebastian Fink / Martin Lang Einleitung: Sprachsituation und Sprachpolitik ..................................................... 7 Methodische Überlegungen und Fallstudien Philip Herdina Historical Multilingualism as a Linguistic Challenge......................................... 13 Martin Korenjak Latein und die europäischen Volkssprachen in der frühen Neuzeit .................... 29 Reinhard Haupenthal Interlinguistik und Esperantologie. Zwei neue sprachwissenschaftliche Disziplinen .......................................................................................................... 43 Sonja John Orality Overwritten: Power Relations in Textualization .................................... 73 Rom Lucreţiu Mihailescu-Bîrliba / Roxana-Gabriela Curcă Military Presences in Bilingual Inscriptions from Moesia Inferior .................. 105 Der Alte Orient Gebhard J. Selz Scriptura Franca? Zur Rolle einer ideographisch basierten Schrift in einer mehrsprachigen Gesellschaft ............................................................... 113 Marcos Such-Gutiérrez Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode................... 131 Pavel Čech Mehrsprachigkeit und Mehrschriftlichkeit in Ugarit ........................................ 151 Manfred Schretter Zum Umgang babylonischer Gelehrter mit dem Emesal-Dialekt ..................... 171
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Inhaltsverzeichnis
Daisuke Shibata Die sumerischen exegetischen Epitheta des Marduk ........................................ 195 Johannes Hackl Zur Sprachsituation im Babylonien des ersten Jahrtausends v.Chr. Ein Beitrag zur Sprachgeschichte des jüngeren Akkadischen .......................... 209 Index ................................................................................................................. 239
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Einleitung: Sprachsituation und Sprachpolitik Sebastian Fink Martin Lang
„Die Zweisprachigkeit als ein wesentliches Kennzeichen der geistigen Kultur bestimmter Völker ist m. W. von der Geschichts- und Sprachforschung noch nicht ausreichend gewürdigt worden.“1 Es ist bereits über 50 Jahre her, dass Wolfram von Soden diese Zeilen verfasste und die Forschung zu einer Beschäftigung mit dem Phänomen der Zweisprachigkeit – heute spricht man meist von Bilingualismus – aufforderte. Inzwischen hat sich einiges getan. Die Zwei- und Mehrsprachigkeit sind seit einigen Jahren beliebte Themen in fast allen Philologien. So gibt es etwa eine eigene Zeitschrift, die sich der Bilingualismusforschung verschrieben hat2 und die Forschungsliteratur zu diesem Thema ist inzwischen unüberschaubar. In der Altorientalistik sind seit den 1960er Jahren3 immer wieder Arbeiten zur Zweisprachigkeit erschienen, die auch transdisziplinär angelegt waren,4 und die in den letzten Jahren auch von den Methoden anderer Disziplinen profitieren konnten. Die Idee zu dieser Tagung entstand im Rahmen des FWF-Projekts „Glossary of the Sumerian Canonical Balag Songs“ (P 23323). Im Zentrum dieses Projektes steht die lexikalische Aufarbeitung sumerischer Klagelieder, die während des zweiten und ersten vorchristlichen Jahrtausends – in einem weitgehend akkadischsprachigen Umfeld – als Kultliteratur überliefert wurden. Die im Projekt behandelten Lieder wurden in Emesal (der Terminus ist als „feine Sprache“ zu übersetzen) tradiert und auch gesungen. Das Emesal wurde von der Forschung zunächst als Frauensprache,5 dann als Sakralsprache,6 als Soziolekt oder Register7 1
Von Soden 1960, 3. Das inzwischen in der zwanzigsten Nummer erschienene International Journal of Bilingualism. 3 Die Rencontre Assyriologique 1960 in Genf hat sich dem Thema des Sprachkontaktes zwischen dem Sumerischen und dem Akkadischen verschrieben, siehe Sollberger (ed.) 1960. 4 Briquel-Chatonnet (ed.) 1996. 5 Zur Verwendung des Begriffs „Frauensprache“ in der Altorientalistik und den ethnologischen Parallelen siehe Schretter 1990, besonders 105–123. 6 Siehe zuletzt Löhnert 2014. 7 Siehe den Beitrag von Manfred Schretter in diesem Band. 2
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Sebastian Fink / Martin Lang
des Sumerischen bezeichnet, was zeigt, dass hier nach wie vor noch Klärungsund Forschungsbedarf besteht. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass das Sumerische zum Zeitpunkt der Verschriftlichung der Emesallieder bereits eine tote Sprache war, d.h. aus der Alltagskommunikation weitgehend verschwunden und nur noch in bestimmten Nischen zuhause. Wir finden uns hier also in einem zweisprachigen Kontext wieder, in dem akkadischsprachige Schreiber – für das späte erste Jahrtausend v.Chr. können wir auch damit rechnen, dass die Schreiber auch Aramäisch oder Griechisch sprachen – sumerische Texte kopieren, edieren und rezitieren. Diese Zweisprachigkeit schlug sich in akkadischen Glossen und Interlinearübersetzungen nieder, die ganz offenkundig jenseits einer wörtlichen Übersetzung und über den litteralen Sinn hinaus auch tiefere Bedeutungsebenen des Textes zu erschließen versuchten.8 Diese Befunde liefern einerseits wichtiges Material für die lexikalische Beschäftigung mit diesen Texten, da sie uns über das Textverständnis der damaligen Schreiber informiert, schaffen aber auch Probleme für die moderne Lexikograpie des Sumerischen, da wir gezwungen werden zwischen „wörtlichen“ und „exegetischen“ Übersetzungen zu unterscheiden. Nachdem die Mehrsprachigkeit, bzw. die Sumerisch-Akkadische Zweisprachigkeit für über 2.000 Jahre prägend für die Schreiber von Keilschrifttexten war, bietet sich hier immer noch ein reiches Forschungsfeld. So lassen sich in den überlieferten sumerischen Texten neben Hinweisen auf die Muttersprache der Verfasser von Texten etwa auch Informationen über das Sprach- und Wissenschaftsverständnis, über den Wandel religiöser Vorstellungen und über den Umgang mit lexikalischen Listen finden. Daneben besteht jedoch die grundsätzlichere Frage, was denn die Zwei- oder Mehrsprachigkeit für eine Kultur bedeutet. Auf der einen Seite gibt es positive Effekte, wie etwa – um es mit Humboldt zu sagen – den Erwerb einer neuen Weltanschauung und damit einhergehend eine Erweiterung des geistigen Horizonts, die zu neuen Errungenschaften führen kann. Auf der anderen Seite kann die Mehrsprachigkeit auch Probleme bereiten, vor allem für das Staatswesen, das beim Fehlen einer einheitlichen Sprache dazu gezwungen wird, Lösungen für die Kommunikation zu finden, d.h. eine Sprachpolitik zu betreiben. Die Bandbreite der möglichen Lösungen reicht von der Einführung einer mehrsprachigen Verwaltung, wie etwa in Österreich-Ungarn,9 über die Verwendung einer allgemeinen Verkehrssprache, wie etwa des Reichsaramäischen oder auch des Hochdeutschen, welche oft mit der Einführung einer standardisierten Schrift einhergeht, bis zu einer erzwungenen Aufgabe der Sprache einer Minderheit durch Verdrängung derselben aus dem Alltagsleben. Arbeiten zu diesen Themen fehlen für die Altorientalistik noch weitgehend und wurden für den alten Orient auch in vorliegendem Band nur am Rande behandelt – sie stehen jedoch im Zentrum der Beiträge von Reinhard Haupenthal und Sonja John. 8 9
Maul 1997. Siehe dazu etwa Goebel 1999. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Einleitung: Sprachsituation und Sprachpolitik
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Die Tagung wurde interdisziplinär angelegt, mit dem Ziel die Forschungstrends und Methoden anderer Gebiete innerhalb der Altorientalistik bekannt zu machen und so hoffentlich neue Ideen und Impulse für die Forschung zu liefern. Nachdem von Anfang an klar war, dass ein umfassender Überblick über die Forschungen zur Zweisprachigkeit im Rahmen dieses Bandes nicht möglich sein wird, haben wir einige uns interessant scheinende Forschungsfelder ausgewählt, die durch die Beiträge der Autoren schwerpunktmäßig beleuchtet werden. In einer methodischen Annäherung an die Frage, wie wir den mit historischer Mehrsprachigkeit aus linguistischer Sicht umgehen sollten, zeigt Philip Herdina zentrale Probleme der historischen Linguistik auf. Er verweist auf die Tatsache, dass wir dazu neigen die in modernen Nationalstaaten vorherrschende Situation der vorwiegend einsprachigen Gesellschaften in die Vergangenheit zu projizieren und dabei den Mythos des einsprachigen Sprechers oder Autors fördern. Dabei berührt er auch – vorwiegend am Beispiel des Englischen – die Frage, welche Informationen unsere Quellen zur Sprachsituation liefern und welche, bisher oft vernachlässigten Aspekte es hier zu betrachten gilt, wenn wir uns der komplexen linguistischen Realität der Vergangenheit annähern wollen. Der Beitrag von Martin Korenjak zu „Latein und die europäischen Volkssprachen in der frühen Neuzeit“ zeigt – gewissermaßen anschließend an die Ausführungen von Philip Herdina zum Mythos des einsprachigen Sprechers – auf, wie facettenreich der Sprachgebrauch in der frühen Neuzeit war, wie oft verschiedene Sprachen kontextabhängig und nebeneinander genutzt wurden. Welche bedeutende Rolle Latein bei der Herausbildung der europäischen Volkssprachen spielte, mag bekannt sein, man denke hier an die zahllosen Lehnwörter aus dem Lateinischen. Dass aber die Grammatikalisierung der Volkssprachen in vielen Fällen nach dem Vorbild des Lateinischen erfolgte, ist doch erstaunlich und widerspricht dem Eindruck der „natürlichen“ Volkssprachen. Reinhard Haupenthal stellt in seinem Beitrag die zwei neuen sprachwissenschaftlichen Disziplinen Interlinguistik und Esperantologie vor, die beide aus dem, vor allem im vorletzten Jahrhundert als dringend empfundenen Bedürfnis nach einer neutralen internationalen Verkehrssprache hervorgegangen sind. Damit wird eine mögliche Lösung des Sprachproblems näher beleuchtet, nämlich die Einführung einer planmäßig entwickelten Verkehrssprache, die den Sprechern verschiedener Sprachen die Möglichkeit der Kommunikation bietet und somit die Funktion übernimmt, die das Latein bis weit in die Neuzeit hinein und das Englische heutzutage übernommen hat. Sonja John geht in ihrem Beitrag der Frage nach, wer denn eigentlich die Autorität über eine Sprache besitzt und welche Auswirkungen die angestrebte Einführung eines neuen, von europäischen Sprachwissenschaftlern entwickelten Schriftsystems auf die Sprecher des Dakota / Lakota hat, die in einer vom Englischen dominierten Umgebung leben und deren eigene Sprache durch kolonialen Druck beinahe ausgelöscht wurde. Anhand dieser Untersuchung wird klar, welche
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Sebastian Fink / Martin Lang
Bedeutung die korrekte Beherrschung der Sprache beziehungsweise der Schrift – hier verweist John auf den Vorrang der gesprochenen Sprache im Selbstverständnis der Dakota / Lakota – für das kulturelle Selbstverständnis hat und zu welchen Konflikten und Problemen diese Reform innerhalb der Sprachgemeinschaft führt. In ihrer Untersuchung der zweisprachigen Inschriften aus Moesia inferior versuchen Lucrețiu Mihailescu-Bîrliba und Roxana-Gabriela Curcă die Inschriften in Hinsicht auf die vorherrschende Sprachsituation auszuwerten und gehen der Frage nach, inwiefern wir anhand des Sprachgebrauchs der Texte Rückschlüsse auf Herkunft und linguistische Umgebung der erwähnten Personen ziehen können. Die Bedeutung der Schrift betont Gebhard Selz in seinem Beitrag „Scriptura Franca? Zur Rolle einer ideographisch basierten Schrift in einer mehrsprachigen Gesellschaft.“ Er erweitert hier die Perspektive von der Sprache hin zur Schrift und stellt die Frage nach dem Verhältnis von Schrift und Mehrsprachigkeit in Mesopotamien. Er betont, dass sich die Keilschrift in einem mehrsprachigen Umfeld entwickelte und das Ziel der Schrift nicht primär die Wiedergabe der gesprochenen Sprache war. Er kommt zum Schluss, dass Sumerogramme tatsächlich als eine Art scriptura franca angesehen werden können und die Schrift als ein zentraler Bestandteil der mesopotamischen Weltanschauung dieselbe über Sprachgrenzen hinweg vermittelte. Pavel Čech widmet sich in seinem Beitrag neben der in Ugarit vertretenen Vielsprachigkeit (im Sinne der bezeugten acht Sprachen) der Erscheinung der Digraphie als Ausdruck einer dezidiert politischen Entscheidung, die offenkundig zu einer Sprach- oder hier Schriftsituation mit einem Nebeneinander zweier Schriftsysteme geführt hat, bei der man weniger von Sprach- als von Schriftbund sprechen kann. Das Corpus der dokumentarischen Quellen aus Adab der altakkadischen Zeit hat sich Marcos Such-Gutiérrez ausgewählt, um es auf die sumerisch-akkadische Bilingualität hin zu überprüfen. Entlehnungen werden ebenso diskutiert, wie mögliche Unsicherheiten der Schreiber im Fall grammatikalischer Unschärfen. Manfred Schretter wendet sich in seinem Artikel erneut der Frage nach dem Charakter des Emesal zu, das erst zu einer Zeit breit belegt ist, in der das Sumerische für die Schreiber keine Muttersprache mehr darstellt, sondern bereits zu einer Zweit- oder Bildungssprache geworden ist, was zahlreiche methodische Probleme aufwirft. Obwohl Emesal weithin als die Frauensprache des Sumerischen bezeichnet wird und mit den von den anderen Sprachen bekannten Frauensprachen verglichen wird, zeigt Schretter auf, dass diese Bezeichnung für das Emesal nicht passend ist, sondern dass eher von einem Registerwechsel durch den Gebrauch von Emesal gesprochen werden sollte. Daisuke Shibatas Beitrag „Die sumerischen exegetischen Epitheta des Marduk“ diskutiert den Einfluss der Mehrsprachigkeit auf religiöse Vorstellungen. Dazu skizziert er die Sprachsituation im 2. und 1. Jahrtausend, in dem das Sume-
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Einleitung: Sprachsituation und Sprachpolitik
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rische zwar nicht mehr als Alltagssprache gesprochen, aber als Kult- und Kultursprache weiter überliefert wurde. Die gerade im religiösen Bereich häufige Verwendung des Sumerischen, so Shibata, ermöglichte es den Schreibern sich verschiedener exegetischer Techniken zu bedienen, um das Wesen der Gottheiten zu erforschen. So lässt sich, vom Verfasser exemplarisch anhand der sumerischen Epitheta des Marduk aufgezeigt, das Entstehen von Epitheta besser verstehen, wenn die Arbeitsweise der Schreiber und ihr Umgang mit der Zweisprachigkeit ins Zentrum der Untersuchungen gerückt wird. Johannes Hackl nimmt das mehrsprachige Milieu Babyloniens in den Blick, in welchem das Aramäische eine große Rolle spielt. Dabei zieht er die konventionell beschriebene Sprachsituation Babyloniens des ersten Jt. v.Chr. sowohl in terminologischer als auch in historisch-linguistischer Hinsicht in Zweifel und kann mit einer neuen Sicht des Befundes aufwarten. Babylonien sei lange mehrsprachig gewesen, babylonische Sprachinseln wurden zwar stetig kleiner, konnten aber den Sprachwechsel lange hinauszögern. Die Herausgeber danken dem FWF, dem österreichischen Fonds zu Förderung der wissenschaftlicher Forschung, der das Projekt „A Glossary of Sumerian Canonical Balaĝ Songs (FWF-Projekt P 23323-G19) sowie ein Nachfolgeprojekt „A Glossary of Sumerian Emesal Songs and Prayers“ (FWF-Projekt P 27224G19) genehmigt und gefördert hat, dem Land Vorarlberg, dem Dekanat der Philosophisch-Historischen Fakultät (Universität Innsbruck) sowie dem Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik (Universität Innsbruck) für die großzügige Unterstützung der Tagung. Zudem sei Frau Katharina Reinstadler-Rettenbacher gedankt, die uns bei der Organisation der Tagung zur Seite stand, sowie Lisa Rauchegger und Melanie Waroschitz, die uns bei der Formatierung der Beiträge behilflich waren. Für die verlegerische Betreuung sind wir Herrn Kai Metzler zu großem Dank verpflichtet.
Literatur Briquel-Chatonnet, F. (ed.). 1996. Mosaïques de langues, mosaïque culturelle. Le bilinguisme dans le Proche Orient ancien. Actes de la table ronde du 18 novembre 1995 organisé par l’URA 1062, « Etudes Sémitiques » (Antiquités Sémitiques I). Paris. Goebel, Hans. 1999. Die Sprachensituation in der Donaumonarchie, in: I. Ohnheiser, M. Kienpointner, H. Kalb (Hrsg.): Sprachen in Europa. Sprachsituation und Sprachpolitik in europäischen Ländern (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 30), Innsbruck, 33–58. Löhnert, Anne. 2014. Was Reden Die Da? Sumerisch und Emesal zwischen Alltag und Sakralität. Die Welt des Orients 44/2, 190–212.
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Sebastian Fink / Martin Lang
Maul, Stefan. 1997. Küchensumerisch oder hohe Kunst der Exegese? Überlegungen zur Bewertung akkadischer Interlinearübersetzungen von Emesal-Texten, In: B. Pongratz-Leisten, / H. Kühne (ed.): Ana sadî Labnani lu allik. Beiträge zu altorientalischen und mittelmeerischen Kulturen, Festschrift für Wolfgang Röllig. Kevelaer/Neukirchen-Vluyn, 253–267. Schretter, Manfred, 1990. Emesal-Studien. Sprach- und literaturgeschichtliche Untersuchungen zur sogenannten Frauensprache des Sumerischen (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Sonderheft 69), Innsbruck. Sollberger, Edmond (ed.). 1960. Aspects du contact suméro-akkadien. Genva, N.S. 8, Genf, 241–314. von Soden, Wolfram. 1960. Zweisprachigkeit in der geistigen Kultur Babyloniens (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. Bd. 235, 1. Abh.), Wien.
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Historical Multilingualism as a Linguistic Challenge Philip Herdina “Historical linguists in several traditions work with data preserved in ancient texts of various types (manuscripts, epigraphic records, etc.). Leaving to one side issues arising from historical work on languages which lack such records at any reasonable time depth, is the answer to our current question (what is the object of the historical linguist?) not obvious? The object of study of these historical linguists is the historical record of the languages in question, isn’t it?”1 Introduction Diachronic linguistics is generally set in opposition to synchronic linguistics, as if one were just the extension of another. Historical linguistics is thus generally interpreted as the history of language. I wish to argue here that there are two ways of doing diachronic linguistics: one is the traditional view of doing diachronic linguistics as a history of languages, whilst the other view is doing diachronic linguistics as a history of language use and language users. There is therefore a distinction to be made between the subject as language history and historical linguistics as such. The purpose of this contribution is to argue that the second interpretation of historical linguistics requires the generation of a new linguistic paradigm. The Traditional View Let us first turn to the traditional interpretation of diachronic linguistics as the history of language(s) understood to include the investigation of protolanguages (proto-indo-European) and language contact phenomena. Despite the fact that it is conceded that languages are not monadic (as defined by Leibniz) and that therefore languages do interact, the general perception of the history of languages is a monolingual one. A history of language is by definition monolingual, even if the history is one of language families such as Germanic languages or Romance languages. Thus Present Day English is seen to have derived from Middle and Old English, despite the fact that we could equally claim that it descended from Nor1
M. Hale, Historical Linguistics. Subject and Method, 19. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Philip Herdina
man French or Norse. The history of English is only a history of the national language because we prefer to see it that way. Indeed, we might ask whether it is possible to do diachronic linguistics without effectively doing the history of language as the specification of a language automatically defines the problem of diachronic linguistics in monolingual terms. Yet, if we think of language history as a history of language users rather than a history of languages we are confronted with a whole new set of problems and it is as if we would have to (re)write language history all over again. If we are right in assuming that language as ‘a dialect with an army and navy’ is a nineteenth century invention this raises the question of how to address the problem of a history of language as that of language use (parole) rather than language (langue). We must therefore assume that there is a hidden history of language users and language use that is yet to be written – a history of language users and language use, for which we furthermore have yet to discover the evidence and establish the facts. The history of individual languages available to us now will prove to be of little help. When turning to recent literature promising a cross-linguistic perspective, we realize how far removed the current paradigm is from the project outlined in this contribution. The cross-linguistic perspective still remains committed to the goal of finding the commonalities between languages in the indo-germanic tradition, but not the question how languages interact: “Rather than limiting attention to individual kinds of change (or single mechanisms of change), we establish commonalities in changes across languages and to determine what mechanisms lie behind them and how they fit into the overall explanations of syntactic changes.”2 The Monolingual Tradition Rewriting the history of language as the history of language use generates a host of terminological and methodological problems. Writing the history of language ignores the fact that the individual language users may well have been users of more than one language, and that the language communities to which we attribute a language might not have been monolingual. There is, for instance, ample evidence that the supposedly French-speaking Normans continued to speak Old Norse well into the eleventh century. The closer we look the more multilingualism turns out to be a complex phenomenon. Thus societal multilingualism does not necessarily imply individual multilingualism, and individual multilinguals might similarly have little effect on a monolingual society. So, most of the histories of English ignore the fact that the speakers of English might well have been fluent speakers of Gaelic (Goidelic), Welsh (Brythonic), Norse, Anglo-Norman, French, Latin, or even Dutch. The implications of this historical fact require careful con2
A.C. Harris / L. Campbell, Historical Syntax in Cross-linguistic Perspective, 1. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Historical Multilingualism as a Linguistic Challenge
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sideration and we cannot assume multilingualism, or even bilingualism, just to be a multiplication of monolingual practice. We have to recognize the linguistic fact (Saussure’s fait sociale) that bilingualism is just one possible variety of multilingualism and bilingualism cannot be treated as double monolingualism. From whence does this dominance of monolingualism in language history derive? With the rise of nationalism in the 19th century research into the history of languages based on the paradigm of comparative philology, as still found in the early writings of Saussure, whose investigation of vowel systems in language shows a considerable knowledge of a large variety of European and non-European languages, was replaced by an investigation of national languages. The history of language, such as the history of English, has since then been seen as the history of a national language, just as the history of French is presented as the history of one national language, ignoring the variety of languages that were spoken and used in present-day Britain and France (Norn, for example, having been spoken on the Orkneys in the 18th century and Brythonic still being spoken in Brittany). Language is not only seen as the property of a nation as illustrated by the attempt to split Serbo-Croat into two different languages after the collapse of Yugoslavia but also the tendency to idolize and idealize one’s own language, i.e. the language of one’s nation. So whilst the poet Dante still takes a differentiated view of vulgar Latin, which we now call Italian, the study of national languages tends to be accompanied by an explicit or implicit emphasis of their superiority and uniqueness. A knowledge of the national language is consistently considered proof of cultural superiority, be it French, German or English as the language of culture (cf. Le discourse sur l’universalité de la langue Francaise, Antoine Rivarol). The principle of ‘one nation one language’ is consequently established after the French Revolution: “Selon la circulaire 72 du 28 prairail an II signée par les members du comité de salut public: dans une république une et indivisible , la langue doit etre une. C’est un federalisme que la variete des dialects; il faut briser entierement.”3 The decline of philology and the rise of linguistics, perceived as the more professional discipline, led to a growing loss of understanding of the cultural and literary context in which languages are and were used. Discounting Chomsky’s early thesis and Pinker’s interest in cognitive psychology, monolingual linguists such as Pinker or Chomsky consequently generate a myth of the monolingual speaker or author. In fact, even many well-known English authors either did not publish in their mother tongue or were multilingual and were thus able to draw on a variety of linguistic and cultural backgrounds to produce masterpieces of English literature: Joseph Conrad Korzeniowski was an Ukranian Russian Pole, who emigrated to England and became a recognized Victorian writer; the author of such well3
M. Huchon, Histoire de la language francaise, 205. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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known novels as Lolita, Conclusive Evidence, Despair, Vladimir Nabakov went through a development of publishing in Russian, German, French and finally English, then translating his works back into Russian. Geoffrey Chaucer, generally taken to have defined the language from which present-day English as we know it derives, can be assumed to have spoken and read Latin, Italian, French and early English, a list that does by no means claim to be complete. Chaucer, who supposedly worked for a French speaking court, wrote his notes in Latin but literature in medieval English. The language of preference for literary works therefore cannot have been the language employed on an everyday basis. The code-switching observed in Chaucer and, for example, Leibniz was obviously not determined by the communicative needs of the reader or correspondent but by an internal choice of the author, who could switch from one language to the other with ease. Even a much-cited British writer like T.S. Eliot was American and Beckett a Frenchspeaking Irishman. The challenge for historical linguists therefore lies not in the tracing of national languages, where the domination of the language is due to the dominance of what Gramsci calls a hegemonic stratum of society. We can frequently observe that the dominant classes determine the language to be used, as evidenced by the languages of colonial empire (such as French, English, Portuguese, Spanish and Dutch) as well as dominant varieties of the same language, resulting in the definition of High German or Medieval English. There the language spoken by the dominant powers became the language spoken by the nation. We can consider Mandarin and Anglo-Norman typical examples of the language norm being a result of the norms of empire. But that does not mean that parts of society ceased to speak another language or variety of language. The notion of monolingual society is an invention of the nation state and the demise of multilingualism a result of the rise of nationalism. Tracing Multilingualism The process of tracing multilingualism becomes a challenge in the case when languages that were not adopted as national languages in many instances provide little evidence of societal multilingualism. There are few cases providing proof that societies were bilingual, as documented by the use of glossaries. In some cases we are confronted with the problem of cultures that did not use paper (introduced to Europe via Toledo) or vellum, the traditional parchment used in the earlier Middle Ages. Thus we know of the existence of two varieties of Norse (East Norse and West Norse) but the tendency of the Vikings to use runic script means that there is little proof and insufficient data for a reliable reconstruction of the East and West Norse varieties. We can achieve an impression of a language by phonetic reconstruction but, on the whole, we rely on the survival of written documents. Counter-examples can be found in the Rosetta Stone, which made Champollion famous, and allowed us to decipher the Egyptian hieroglyphs. An © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Historical Multilingualism as a Linguistic Challenge
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analogous instance can be found in the Ruthwell Cross, providing us with a transcription of a runic message into a Latin alphabet. Multilingual messages and mixed place names give some indication of the existence of a multilingual society. These onomastic traces can be found in Normandy, where the place-names represent a calque of Norse and romance terms. The Norse name will be combined with a descriptor that identifies the type of settlement or landmark concerned, so -beque in Hollebeque refers to bec or bach, i.e. a stream, whilst ville, in Tocqueville derives from the Roman term villa. A further problem confronting the historical linguist lies in the fact that the written document cannot be seen as a mirror of the spoken language. We might argue that the onomastic proof we have obtained contradicts the notion that the Normans were French monolinguals. It is plausible to assume that the Viking tradition of using runic script was unsuitable to the creation of more extensive documents to be left to posterity. So the documents we are likely to find are in versions of early French. The language used in writing need not indeed be seen as any proof of the language spoken by the author. One of the problems we are confronted with is that we cannot assume that lack of evidence allows us to conclude that this disproves language use. We know of a number of instances where the choice of writing system and written language does tell us anything about language use. The first written evidence we have of language use after the Norman conquest of England after 1066 is known as William’s writ and is written in Anglo-Saxon. From this writ we might erroneously conclude that William the Conqueror spoke and wrote Old English. To our knowledge this cannot be true. A more plausible hypothesis is that this was the language chosen by a scribe to transfer a message to another scribe, who would then translate the text for the recipient. As the Doomsday Book was held in Latin and written specifically at William’s behest we would otherwise have to assume that William the Conqueror was quadrilingual as speaker of Old Norse, Norman French, Latin and Old English. One resolution of the problem of quadrilingualism is assuming that with a variety of languages of choice we would observe a functional differentiation within the language community. When we reconstruct language communities as monolingual or multilingual, we have to differentiate between use of language as lingua franca, a term we derive from a Frankish variety used for Mediterranean trade, which does not have to mean that the language chosen is indigenous, the language of record, that is the language used to record events in court, parliament and by historians, language used for literary purposes and vulgar speech, that is the language used in everyday situations by the majority of the population. In multilingual societies languages will be chosen for specific purposes and code-switching will be rare, but not unheard of, as in London toll documents. How can we then determine whether individuals or societies are multilingual? And if we decide that the situation is multilingual, how can we determine whether
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the speaker or society is multilingual? If we assume that we are dealing with societal multilingualism how can we tell whether there exists some kind of functional differentiation, such as the distinction between ‘Landsmal or Nynorsk’ and ‘Bokmal’ in Norwegian or the distinction between classical Arabic and vulgar Arabic used for commerce and trade. If a society is diglossic and uses two varieties of the same language, as observed by Dante and as found in the distinction between Francien and Anglo-Norman, then how do we establish which is indeed the language norm? We therefore suggest that language contact will be differentiated. We cannot expect languages in contact to be used interchangeably by the language users in any life-world situation. We can safely assume that if two or more languages are used by individuals or language communities over a longer period of time there will be evidence of language contact. Language Function If speakers or language communities have access to more than one language we are likely to observe a functional differentiation of languages, i.e. language of record, language of literature, language of commerce (e.g. Lingua Franca), language of administration (e.g. Chancery French) originally Anglo-Saxon and prior to that Latin. Functional differentiation of language use has a stabilizing influence on the multilingual system as specification of language function reduces language competition and enables languages to coexist without an excessive degree of interference. Functional differentiation facilitates linguistic coexistence over extensive periods of times. Thus we observe the coexistence of Latin as the language of science as observed in the use of Latin by Thomas Hobbes, René Descartes, Baruch Spinoza, Gottfried Wilhelm Leibniz and Immanuel Kant, where Kant’s use of Latin is restricted to early publications such as his thesis, whilst Descartes publishes in Latin and French and Leibniz has no problems switching from German, to French or Latin as required by the subject being dealt with. The choice of Latin marks the passage or text out as a scientific text meeting its own criteria of precision and explicitness. Language choice, therefore, obviously depends on language purpose. Another function is the use of language as language of record, as found in legal or historical texts. The use of Latin as language of record is illustrated by what in Anglo-Saxon is called the Domesday Book (dome best translated as reckoning (Rechnung), so domesday literally means the day of reckoning). The purpose of the book is to establish the wealth of lands conquered by William of Normandy to form the basis of the imposition of taxation. Interestingly enough, legal texts seem to have been formulated in Anglo-Saxon as the king’s writs, and then have been replaced by Chancery French. The language of record would also encompass the language used by historians © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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and, apart from the Anglo-Saxon chronicle, the tradition of historians seems to have been to write in Latin, as illustrated by the historia normannum, historia brittonum (by Nennius), historia regum britanniae (by Geoffrey of Monmouth), annales cambriae, historia normannorum (by Dudo of St.Quentin etc. (9th century)), chronicon angliae (1328–1388) etc. Language of commerce serves a different purpose from the functional varieties mentioned prior. Commerce serves the function of exchange of goods and is inevitably accompanied by communicative exchange, as suggested by the need to barter. Therefore the language of commerce generates pidgins and creoles as mixed languages, explaining why language of commerce is not necessarily identical to the mother tongue. For commerce to function one has to find a common means of communication as observed by Caxton in his comments on insufficient language standards leading to communicative breakdown: ‘the good wyf answered that she could speke no frenche’.4 So it is not surprising that the language of commerce frequently gives rise to a lingua franca used explicitly for commercial purposes such as Cherokee, Frankish or Swahili. A further functional differentiation to be determined is the languages of literature, illustrated by the fact that literary French, Francien was introduced to England by Marie de France, French as a literary language being marked by the use of romance as a term to identify fictional narrative, such as the roman de la rose, the roman de brute (1155), and roman de rou (1160–70) by Wace etc. Literary language frequently defines a linguistic standard as illustrated by the influence of Dante, Chaucer and Shakespeare on the respective languages, to mention but a few instances. The choice of language is therefore also a question of the language choice made by the author, based on preference and not necessity. It is clear that Chaucer had a choice of languages to write in as illustrated by the Latin texts written by Chaucer or the German texts created by Kafka or the Greek chosen by Marcus Aurelius for his Meditations. This leaves us with a further function, which is language for all purpose use, generally referred to as the vernacular, which in late Roman Britain would have been Brythonic and Anglo-Saxon, rather than Latin for the majority of the native population. Identifying variation in language use should be based on the evidence we can obtain of a society of individuals having been multilingual, bearing in mind that not all language communities or individuals would have shared the same variety or varieties of language. The Myth of Language Transfer Even if we can trace a language phenomenon, erroneously called borrowing or transfer, we actually observe what is better described as adoption, as through the process of item transfer from language (a) to language (b), the item actually un4
D. Crystal, The Stories of English, 207. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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dergoes a process of change or transformation. We can assume that transfer without change is rare. There are many instances of adoption, including complete writing systems, such as the introduction of Chinese script to Japan and its differentiation into Katakana and Hiragana. Lexical instances are provided by Arabic terms in English, for example, generally undergoing a process of reanalysis by which the article al then becomes part of the noun as in alchemy, algebra, algorithm, but also chemist and chemistry. Interesting are instances of re-import resulting in the same word occurring twice in a language (Balken and Balkon in German as reimport from French), guard and ward as Anglo-Norman and Francien, guarantee and warrantee in English. Phonetic change is generally evident as in the case of guerre versus war, jardin versus garden, castra to Chester as in Chester but also caster as in Lancaster. These re-adoptions of loanwords give us vital clues as to the duration of language contact. In order to be able to establish the nature of language use and language contact we have to be able to explain how the specific variety of historical multilingualism developed. Why is South America not Dutch speaking? Why did Dutch not establish itself as a language of administration in Indonesia, whilst Australia is almost exclusively English speaking and South Africa and even India have adopted English as an official language of administration, although the number of British settlers and administrators in India never exceeded 300.000 and therefore constituted an insignificant part of the population compared to the vast majority of the population of non-English speaking natives? How can we explain the persistence of French as a lingua franca even today, whilst Latin, used as language of science and administration for more than a thousand years throughout Western Europe, seems to face an irreversible demise, obliterating its chances of revival. Language Contact Language contact is a complex issue. In relatively few instances are we confronted with what one can call linguistic transfer. Interestingly, lexical transfer occurs most frequently in the case of the transfer of a concept that forms the basis of lexical transfer. Both the term ‘computer’ and ‘chivalry’ are terms that were transferred with the concept. Sometimes we can trace a word to the original inventor such as the Earl of Sandwich or Carel Capek’s introduction of robot, popularized by Asimov in his collection of stories called I Robot. In most instances the adoption of a word implies semantic change as found in dog vs. hound/hund, or bird vs. vogel/fogul > fowl, or punish vs. strafing/strafen etc. Historical linguistics tends to focus excessively on so-called lexical transfer ignoring other no less significant aspects of cross-linguistic interaction (CLI). If we are looking for cross-linguistic interaction, we must assume that there will be evidence of phonetic influence, graphemic influence, grammatical influence and lexical influence and not merely one type. Purely lexical influence, particularly if it only relates to the adoption of a concept, is likely to be minimal. Consider the © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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adoption of terms democracy or television in Russian, which cannot be seen as indicative of a strong influence of English on Russian. So-called lexical borrowing might be accompanied by phonetic change, so that beau lieu becomes ‘bjuli’ in modern English, and it would be erroneous to assume that lexical import indicates foreign language influence as such. If we do observe phonetic change, then obviously we cannot simply speak of transfer as we observe a process of interaction between a lexical system and a phonetic system. To complicate matters we might sometimes even consider lack of change as an indication of language contact. Thus one might argue that the retention of ‘eth’ and ‘thorn’ (representing voiced and voiceless ‘th’) in Anglo-Saxon is due to the influence of Old Brythonic and Norse, both sharing an eth or thorn phoneme with AngloSaxon providing the reason why, in contrast to other Germanic languages, the ‘th’ phoneme has not been dropped in modern English, a feature hardly attributable to French influence. Intra-linguistic Interaction Graphemic influence seems to be largely ignored in language contact, although it is evident that our Arabic algebra would not work without the introduction of the symbol zero originally found in Indian mathematics and inherited from the Arabic culture as suggested by the adoption of the term algebra itself to denote the rules of mathematical calculation. Cross-linguistic interaction suggests that we might observe both the introduction of characters to represent specific phonemic values but also the loss or replacements of characters due to cross-linguistic influence. In Anglo-Saxon we note the adoption of the runic values eth, thorn, wynne, aesh and yogh to represent phonetic values not found in the Latin alphabet and the subsequent replacement by digraphs or monographs such as th, q, u, v, g and a. The use of digraphs to represent an unknown phonetic value is a solution based on convention. If we trace graphemic changes in medieval English we observe how the rune th changes into eth and thorn and is then replaced by th again, how wynne (hw) changes into cw only to be replaced by the French qu to result in the spelling of cwen as queen, how the runic yoch merges with g resulting in the morphological long term loss or reduction of the past participle and adverbial pre- and suffix ge > ye > 0 as observed in Chaucer ycleped > cleped and the suffix ‘like’ (-lich) as found in the Anglo-Saxon freondlice or luflice and being reduced to -ly as in friendly (compare German -lich as in freundlich and lieblich). Cross-linguistic Influence Well-known grammatical influences in the transition from Anglo-Saxon to medieval English are found in the loss of Anglo-Saxon case endings commonly attributed to the influence of Norse. That this is not a case of transfer as illustrated by the fact that both East and West Norse and Anglo-Saxon had an elaborate case © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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system, to provide a complete system of declension in singular and plural. The degree of effect Norse had on Anglo-Saxon is illustrated by its central lexical influence. As the two languages merged, the maintenance of two elaborate and conflicting case systems for singular and plural proved less and less viable and, as neither of the languages was sufficiently dominant, this led to a complete abandonment of the case system and replacement of inflection by prepositional constructions and a functional specification of word order. With the loss of case markers the function of the respective noun phrases was subsequently determined by their position within the sentence. The grammaticalization of the progressive in English (be+ ing) is largely attributed to Brythonic or Latin influence, as confirmed by the suggestions found in the respective glosses of Latin texts. This would suggest that the emergence of the progressive can be attributed to a loan formation to render the semantics of a Latin text (e.g. habere + verb instead of debere) through the generation of a new grammatical form. These examples show that these are not instances of simple transfer but must be attributed to a far more complex process of transformation we call cross-linguistic influence. Cross-linguistic influence identifies a linguistic change attributable to language contact but not reducible to a simple process of transfer, the phenomenon traditional language contact research has tended to focus on. Displaced Evidence (Dating) One issue that is rarely raised is that language change is not synchronic, which generates specific problems for diachronic linguistics. The dating of a written text may give little indication of the date of composition of the text. If the text represents a transcription of an oral narrative then the dated document might reflect use of language that might predate it by centuries. The extant Beowulf text, which is assumed to be the only text to have existed, post-dated the composition of the oral Beowulf narrative by something like three centuries. So the Beowulf text (ca. 1014) will necessarily reflect language use three centuries prior (8th Century a.d.) and would have been considered archaic at the date of its creation first half of the 11th Century a.d. This kind of observation not only applies to the Beowulf text as the retention of an archaic literary use of language can be found in Arabic, Mandarin, Japanese, to mention just a few languages. So the text furthermore does not necessarily reflect current language use. “Put simply, artefacts are not language. They may reflect in some imperfect way the working of a linguistic system, but in order to extract linguistically relevant information from them, they must be subjected to some analysis.”5
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M. Hale, Historical Linguistics. Subject and Method, 21. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Displaced Evidence (Location) In many instances the problem of indeterminacy of dating is confounded by the fact that the scribe/author of the text could not be considered representative of the average language user or member of the language community. Due to the special skills of the scribe (as someone who could both read and write) in an age when the majority of the population would have been illiterate the scribe could well be non-native, i.e. not a native speaker of the language used and not of local origin (e.g. Alcuin, of York, who was employed by Charlemaigne and Abbot of Tours, or King Alfred biographer Asser, or Orm as the author of the Ormulum known for its phonetic spelling). His dialect could therefore not reflect regional use and, furthermore, he would most likely be multilingual, like Chaucer or the Greek slave employed by the Roman household. Consequently we have no reason to assume that Ovid’s epistulae ex ponto reflect the regional variety of Latin spoken in Tomis, his place of exile. Asynchronicity Language change also affects different dimensions of language differently. What we observe most consistently is different speeds of change. So, whilst lexical change is reflected in the introduction of new words to a language, phonetic change is likely to happen within generations as observed by pioneers of sociolinguistics such as Labov (1972). Yet proof of such change is more difficult to find if we do not come across passages where an author actually attempts to recreate a specific variety of the chosen language such as found in Chaucer’s Miller’s Tale or Shakespeare’s King Henry V or Catull commenting disparagingly on specific innovations such as h-dropping (i.e. dropping of the initial h) in Latin, or where we are able to rely on rhymes to suggest a degree of homophony or established morphological stress patterns defining the standard feet (dactyl, trochee etc.) in Latin verse. It is evident that PDE (Present Day English) spelling reflects the pronunciation of English prior to the introduction of the printing press, i.e. a system of sounds that is outdated not by decades but by centuries, if not millennia. Thus the ‘gh’ in thought, tough, taught, bough, cough originally represents a fricative sound similar to the German ‘ch’. Centrality and Entanglement When we observe language change, we shall have to decide how central it is to be able to establish its significance. Thus although we observe that the majority of English vocabulary is of romance origin it is highly significant that the most frequently used terms and the most central ones are of Norse origin and not AngloSaxon, suggesting that modern day English is crucially a northern Germanic language, which may seem to be a strange idea. When we, however, realize that most
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of the words central to the medieval life-world, such as days of the week, close relatives, geographical features and place names, are also Norse rather than Anglo-Saxon, we begin to appreciate the extent of Norse influence on Anglo-Saxon English. So it is no longer ‘heofon’ (heaven) but sky, a small boat is a skip rather than a ship, the long shirt is now a skirt and they, their, them derives from the Norse thei, there, theim for Anglo-Saxon hie, hi(e)ra, him (cf. German ihr) etc. Romance changes in English may be frequent, Norse changes, however, are central. Language Dominance This obviously raises the issue of language dominance, which can be viewed from a dynamic perspective. When two or more languages come into contact, they do not just exchange linguistic DNA, or one language borrow a term off another, but they form a complex (multilingual) system that generates its own rules of behaviour. The superstrat/substrat model used by historical linguistics suggests that, when languages come into contact, one language will turn out to be dominant and the other language will be subordinate. This model also suggests that there is generally a unidirectional process by which the dominant language influences the subordinate language and that there is no return exchange. In some instances this seems to be a valid model that reflects the processes of language exchange taking place during processes of colonization. Thus on the whole the dominant language might influence or even replace the subordinate language, whilst remaining largely unaltered itself. So, one of the issues is obviously why the United States should be English speaking, why Brazil and large parts of South America are Portuguese speaking and the others Spanish speaking? Why is Afrikaans still used in South Africa? Why is Portuguese still used in Angola? Why, on the other hand, is it assumed that the Norman Vikings were French-speaking and not speakers of Old Norse? Complexity It is suggested that we can only answer these questions, when we see languages in contact as part of a complex system. As suggested by Herdina/Jessner (2002) the influence one language has on another depends on the relative position of two language systems. When one system is stable and the other is unstable, then the exchange is likely to be unidirectional. If both language systems are unstable, then there is likely to be a maximum of cross-linguistic interaction as the norms of both languages have become sufficiently malleable to accept change from language contact. This explains why lexical influence is most frequently observed as the addition of terms. Even a large number of new lexical items do not necessitate an adaptive process in the language system. Orthographic and phonetic rules can deal © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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with exceptions such as the voiced Greek final e in epitome in contrast to the mute e found in most monosyllabic English words, such as Dave, love, move, dine etc. Orthographic rules cause loanwords to undergo a process of transposition and transformation with an essential adjustment of the spelling of a particular word. Frequently literal spelling is replaced by phonetic spelling leading to reanalysis or folk etymology as illustrated by phonetic transcription of Crushchev or Gorbachov from Russian, but also the apple pie bed from French nappe plié, or umpire from non pere or so long from Arabic salam aleikum. Here we observe a process of accommodation by which the foreign element is appropriated and adjusted to fit into the existing system. The amount of adjustment required will depend on the degree of difference between the established use in a language and the foreign language item/structure adopted. The grammatical structure of a language is the most resistant or resilient aspect of language and will therefore be least likely to change. So grammatical change, being systemic change is of greatest interest. Can we assume that grammatical entropy is a result of a large amount of language contact? Why do Sanskrit and Arabic survive virtually unchanged? Obviously we cannot explain language change if we ignore user attitude! So language attitude will tell us about the expected outcomes of language contact. One issue is the prestige attributed to a language and the other is the authority of codification. The authority of codification makes texts and varieties of language resistant to change. So the Koran defines the norm of literary Arabic, just as the combination of worldly and religious authority of King James’ bible had a defining influence on English, comparable to the influence of the Lutheran bible, i.e. Luther’s translation of the bible has an influence on present-day German.6 We might assume that religious texts are in many way formative texts that are resistant to change generating a standard as observed in the Vedic texts, Confucian analects, Zoroastrian Avestas, the Kalpa Sutra of Jainism, the Mabinogion, the Quuran, the Tao Te Ching of Taoism and the distinction between Hiragana and Katakana generating a language norm for formal purposes, or ‘acrolect’, and separating that from everyday use identified as ‘basilect’. There are also non-religious formative texts, such as dictionaries (Webster, Duden) that define the linguistic standard or Shakespeare’s plays and grammars, as expressed by the term Sanskrit samskrta vak meaning ‘refined speech’ as specified by Panini in his Eight Chapters. Contact Cross-linguistic interaction will not merely be based on the social position of the respective speakers, i.e. those in power determining the language to be spoken but also by the language attitude of the respective speakers. Language choice is not 6
D. Crystal, The Stories of English, 276. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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merely available to those in power, determining which languages are to be spoken by a specific language community and which languages are to be ostracized such as the use of Kurdish in Turkey, German in fascist South Tirol, Welsh in 19th century Wales, to mention a few examples. The choice of language is also up to the language user such as Marcus Aurelius, who chose to write his meditations in Greek or Alexander Emperor of Russia who preferred to correspond with Edward 5th and the German Emperor Wilhelm in French. There must also be a certain prestige the chosen language can bestow upon the language user. A prestige language is based on the perception of the language community and the status of the speaker reflects the status of the language used. A core issue lies in the establishment of the duration and intensity of language contact. If we are not investigating simple transfer phenomena but complex processes of cross-linguistic interaction we wish to determine the way language dimensions interact from which we might be able to derive whether the interaction took place on the phonetic, lexical, semantic or syntactic level, and whether the mode of interaction was primarily written or spoken. Phonetic change would indicate interaction through spoken language, whilst graphemic change would indicate written influence. In traditional theory functional differentiation is frequently forgotten. Generally the focus seems to lie on lexical influence or perhaps syntactic influence. How does CLI affect the microstructure of language? When does language contact generate the need to introduce new characters to a language? When we look at loanwords, how does the pronunciation change, when a new word is imported? What do the graphemic changes imply in terms of language influence (cw/qu/hw).7 Must we not consider systemic phonetic change a more significant indicator of cross-linguistic influence? In how far does functional differentiation allow for a coexistence of languages with minimal cross-linguistic interaction? How, for example, do the conflicting norms of Anglo-Norman and Francien reduce the influence of Franco-Norman on Anglo-Saxon? Why change the phonetic pattern of words that already exist in the contact language? How does the chancery norm interact with the literary norm in terms of the competition between Anglo-Norman and Francien? How does Latin compete with French as the language of chancery and the language of science? Can we answer these questions without identifying subsets of language use for particular purposes? Competition and Coexistence We can assume that languages will only be in direct competition if they compete for the same functional or semantic space. If the functions are clearly differentiated can we then conclude that languages can coexist for a long period of time without encroachment? Encroachment occurs when one language begins to impinge upon another and expresses directionality of influence. We might be able to 7
D. Crystal, The Stories of English, 299. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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establish a high degree of functional differentiation as observed in the coexistence of languages for different purposes as illustrated by the functional names given to Latin in Anglo-Saxon society (cf. Aelfric’s reference to ‘book Latin’ in his 11th century Anglo-Saxon grammar), indicating that this language is written rather than spoken or the distinction between Booksmal and Landsmal in Norwegian, suggesting that the former represents the written norm, bearing in mind that the former refers to a bilingual situation and the latter to a diglossic situation. In the history of English we observe functional differentiation in the use of Francien as the language of poetry, whilst we assume that Anglo-Norman was the vernacular version of French as observed in Chaucer’s comment on the Prioresse ‘French she spak full faire and fetisly, after the scole of Stratford atte Bowe.’ (Canterbury Tales). Yet we can see what we can call functional competition as illustrated by the termination of the Anglo-Saxon chronicle Peterborough version and the replacement of Anglo-Saxon by Latin as the language of record (this is illustrated by the Historia Britonum etc.). On the other hand there is indication of French being used as the language of administration or government as reflected in the fact that certain Norman French phrases have been retained in the proceedings of the English parliament until this day: ‘la reine le veult’, ‘a ceste bille les seigneurs sont assentus’, ‘ceste bille est remise aux seigneurs avecque des raisons’. If we, however, assume that languages are in direct competition for semantic space, then we would wish to establish directionality or dominance, viewing language like an ecological system and assuming that language choice depends on which language appears to be dominant. We can observe this in colonial languages, where the choice of European language in Africa depends on which language such as French or English is seen as the European language to know. This is not necessarily as clear cut as suggested in the division between Anglophone and Francophone regions. We observe long term changes in the function of the colonial languages. French is gradually being replaced by English as the language of choice or rejected as colonial language as occurred in Algeria, whilst Portuguese and Spanish have largely, if not wholly, replaced the indigenous languages in South America. Language contact is obviously not the same as linguistic encroachment as encroachment suggests a directionality. From a lexical point of view we can observe features like displacement, where the scope of one word is reduced as a new foreign language term is introduced to cover some of the semantic range that was previously covered by the one term alone (cf. boat, ship, skip, shirt, skirt etc.) or replacement such as eyethurl by window or read (raten) by councel (concilium). Directionality is obviously also observed in a loanword undergoing phonetic change as it is imported to a language (such as tea from Hindi chai) suggesting the lexical import does not indicate language influence, whilst the phonetic shift of voiceless Anglo-Saxon to voiced Old Norse pronunciation of the English pronouns as in they, them, there etc and the replacement of the Anglo-Saxon pro-
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nouns (hie, hi- > they etc.) by Norse pronouns must clearly be seen as an expression of directionality of influence, i.e. Norse influencing English and not vice versa. There are indeed very few Anglo-Saxon terms to be found in old and modern Icelandic. Reinterpreting Language In the case of displacement we will observe that language actually changes its identity. So a language might seem to retain its identity despite changing its basic character. Consider the change from inflected to analytical language in English. In many cases we observe a phenomenon that we can only describe as a merger of two languages leading to the emergence of a new language, whose continuity is at best a hypothetical construct. There is as little reason to derive modern English from Old Norse as there is reason to derive it from Old French. Our traditional view of language and languages is highly idealized and incompatible with the linguistic facts of present day and historical multilingualism. Personal and societal multilingualism therefore does not merely challenge our perception of the history of languages but also generates a whole new set of questions requiring a whole new understanding of the phenomenon and a whole new set of tools to be able to determine how the history of language use actually works, and how the results of language use we call languages actually take effect. Bibliography Chaucer, G., 1906. The Canterbury Tales, Oxford. Crystal, D., 2004. The Stories of English, Harmondsworth. Hale, M., 2007. Historical Linguistics. Subject and Method, London. Harris, A.C. / Campbell, L., 1995. Historical Syntax in Cross-linguistic Perspective. Cambridge etc. Herdina, P. / Jessner, U., 2002. A Dynamic Model of Multilingualism, Clevedon etc. Herdina, P. / Larsen Freeman, D., in preparation. Complexity Theory and Language Huchon, M., 2002. Histoire de la language francaise, la fleche. Labov, W., 1972. The Study of Language in its Social Context, in: J. P. Pride and J. Holmes, 180–203. Pride, J.P. / Holmes J. (eds.): Sociolinguistics: Selected Readings, Harmondsworth 1972.
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Latein und die europäischen Volkssprachen in der frühen Neuzeit* Martin Korenjak
Die moderne lingua franca Englisch ist längst zu einem festen Bestandteil unserer sprachlichen Umwelt geworden. Wir haben uns daran gewöhnt, Englisch von Touristen, ausländischen Kollegen, in Radio, Fernsehen und Kino zu hören, es in Zeitschriften, in Büchern und im Internet zu lesen und bei Bedarf selbst in Wort und Schrift zu verwenden. Und wir versuchen, mit dieser Situation zurecht zu kommen, so gut oder schlecht wir es eben vermögen. Diese Lage der Dinge wird nicht selten als beklagenswerte Neuerung empfunden und gibt Anlass zu düsteren Prognosen über den Niedergang der deutschen Sprache. Tatsächlich hat sich Englisch im Lauf der letzten Jahrzehnte im Bildungs-, Informations- und Unterhaltungssektor, in den alten und neuen Medien Bereiche erobert, die davor noch der Volkssprache gehörten. Weitet man allerdings den Blick ein wenig und lässt ihn über andere Länder und Zeiten schweifen, so findet sich ein vergleichbares Nebeneinander von Muttersprache und sekundär erworbener lingua franca in vielen Gesellschaften. Historisch gesehen stellt es vielleicht sogar eher den Regel- als den Ausnahmefall dar. Sumerisch und Akkadisch im Alten Orient, Koine-Griechisch im Hellenismus, Sanskrit in Indien, klassisches Chinesisch im alten China, Arabisch in der islamischen Welt, Spanisch, Portugiesisch und Französisch in den ehemaligen Kolonialstaaten, Quechua im frühneuzeitlichen Südamerika, Swahili im heutigen Ostafrika und die eigentliche lingua franca im Mittelmeerraum des Mittelalters und der frühen Neuzeit – das sind nur einige Beispiele für Idiome, die Sprechern unterschiedlichster Muttersprachen als Gemeinsprachen dienten und dienen.1 Eigentlich muss man aber nicht einmal so weit in die Ferne schweifen: Was ist denn Hochdeutsch anderes als eine künstlich geschaffene Gemeinsprache, die es Sprechern so unterschiedlicher Varietäten wie des Tirolerischen, des Walliserdeutschen und des Nordfriesischen ermöglicht, sich miteinander zu verständigen?
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Mein herzlicher Dank gilt den Veranstaltern und Teilnehmern der Tagung, aus der dieser Sammelband hervorgegangen ist, für die angeregte und erhellende Diskussion meines Vortrags, Florian Schaffenrath für eine kritische Lektüre des Aufsatzmanuskripts. 1 Zu einigen der genannten Sprachen s. J. Leonhardt, Latein, S. 18–45. Vgl. auch den groß angelegten Überblick über die wichtigsten Sprachen der Welt bei N. Ostler, Empires. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Mit der Feststellung, dass man es da mit einer Art anthropologischer Konstante zu tun hat, ist es aber natürlich nicht getan. Sie markiert vielmehr nur einen Ausgangspunkt, von dem aus man den Blick auf die vielen Einzelfälle richten kann und soll. Wenn man das tut, erkennt man schnell, dass das skizzierte Muster im Detail ganz unterschiedliche Ausprägungen erfährt: Die lingua franca kann, wie z.B. das Hocharabische, eine kanonisierte, oft ältere Form der Dialekte sein, die im betreffenden Gebiet in Gebrauch sind (in solchen Fällen spricht man von Diglossie), es kann sich wie bei der eigentlichen lingua franca um eine aus mehreren Sprachen geklitterte Pidginsprache oder wie beim Sumerischen um eine isolierte Sprache, einen erratischen Block in der sonstigen Sprachlandschaft handeln. Soziologisch gesehen kann die Gemeinsprache ebenso das Privileg einer kleinen Minderheit wie Allgemeingut sein. Ihre Verwendung kann sich auf unterschiedliche Bereiche der Lebenswelt von der Religion bis zum Handel, auf Mündlichkeit oder Schriftlichkeit konzentrieren, unter ihren Benutzern können aktive und passive Sprachkompetenzen unterschiedlich ausgeprägt sein und anderes mehr. In diesem Sinne möchte ich im Folgenden einen Blick auf das Europa der frühen Neuzeit werfen, wo die Sprecher von dutzenden Sprachen und hunderten Dialekten miteinander in Latein kommunizierten. Wie gestaltete sich diese Kommunikation konkret? Wie sah das Verhältnis zwischen lingua franca und Einzelsprachen in diesem Falle aus? Welche Spezifika wies die Situation innerhalb des skizzierten Rahmenmodells auf?2 Ich werde diejenigen Charakteristika, die mir als die wichtigsten erscheinen, in vier Punkten zusammenfassen: Als erstes werde ich die Art des frühneuzeitlichen Lateingebrauchs umreißen, die scharf von dem absticht, was wir heute mit dieser Sprache assoziieren. Danach soll kurz erläutert werden, wer damals Latein, wer die Volkssprache verwendete und in welchen Zusammenhängen das geschah. Als drittes wird von der Interaktion zwischen der alten und den neuen Sprachen die Rede sein. Den Schluss machen einige Bemerkungen zum Aufstieg der Volkssprachen, durch die Latein letztendlich seine Stellung als europäische Gemeinsprache einbüßte. Vorauszuschicken ist allerdings, dass es sich bei dem so entstehenden Bild wieder nur um ein stark vereinfachtes Modell handeln wird, um einen Versuch, das Wichtigste an einer in Wirklichkeit wesentlich komplexeren Situation bündig zusammenzufassen. Zu diesem Zweck müssen eine ganze Reihe von Faktoren ausgeblendet oder können allenfalls punktuell berührt werden:
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In den letzten Jahrzehnten sind zahlreiche kulturhistorisch orientierte Geschichten der lateinischen Sprache von der Antike bis zur Gegenwart erschienen: C. Vossen, Mutter Latein; F. Waquet, Le latin; T. Janson, Latein; W. Stroh, Latein ist tot, es lebe Latein!; N. Ostler, Ad infinitum; J. Leonhardt, Latein. Sie alle behandeln auf die eine oder andere Art auch das Verhältnis zwischen Latein und den Volkssprachen und bieten eine Fülle weiterführender Informationen. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Latein und die europäischen Volkssprachen in der frühen Neuzeit
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Zunächst einmal beschränkt sich meine Skizze räumlich auf West- und Mitteleuropa, zeitlich, wie schon erwähnt, auf die frühe Neuzeit. In denjenigen Teilen des Kontinents, die seit dem Morgenländischen Schisma zur Ostkirche gehörten und später der russischen bzw. osmanischen Machtsphäre einverleibt wurden, spielte Latein eine weit geringere Rolle. Sie bleiben ebenso ausgespart wie die Kolonialgebiete, in denen durch das Nebeneinander von indigenen Sprachen, europäischen Sprachen und Latein noch einmal eigene Verhältnisse herrschten. Die mittelalterliche Koexistenz von Latein und Volkssprachen ähnelt zwar auf den ersten Blick derjenigen, die in der frühen Neuzeit aus ihr hervorging, bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass die Rahmenbedingungen in vieler Hinsicht ganz andere waren: So gab es beispielsweise noch keinen Buchdruck, keine aufstrebenden Nationalstaaten samt sich herausbildenden Nationalsprachen und keine Ausrichtung der Lateinstandards an den klassischen Autoren der Antike, wie sie die Humanisten propagierten. Die mittelalterlichen Verhältnisse kommen deshalb nur als Hintergrund für die neuzeitlichen zur Sprache. Des Weiteren sehe ich ab von der Tatsache, dass es in Europa neben Latein und den allmählich entstehenden Nationalsprachen noch weitere Gemeinsprachen wie z.B. das Dänische in Skandinavien gab, deren Reichweite allerdings meist regional begrenzt war. Ebenfalls außer Betracht bleiben muss der Umstand, dass Latein seit dem 17. Jh. als lingua franca in den meisten Bereichen europaweit durch Französisch verdrängt wurde. Schließlich konnte sich das Verhältnis zwischen Latein und den Volkssprachen je nach Ort und Zeit ganz unterschiedlich gestalten: um 1400 anders als um 1800, im Süden anders als im Norden, in katholischen Territorien anders als in protestantischen, in kleinen Ländern anders als in großen und an den Rändern anders als in den Zentren. Auch davon kann im Folgenden kaum die Rede sein. 1. Latein – tot, aber vital Latein war in der frühen Neuzeit, wie der unglückliche, aber fachsprachlich fixierte Ausdruck lautet, eine tote Sprache, d.h. eine Sprache ohne Muttersprachler. Das bedeutet aber nicht, dass es in irgendeinem Sinne eine verkrüppelte oder behinderte Sprache gewesen wäre. Es war eine ganz normale Sprache, und man konnte damit alles anstellen, was man mit einer Sprache eben so tut: Man konnte es schreiben und lesen, sprechen und verstehen. Ich insistiere darauf deshalb, weil der schulische Lateinunterricht, der die heutige Vorstellung von Latein entscheidend prägt, uns ein so anderes Bild vermittelt. Da geschieht ja nichts von dem, was ich eben genannt habe, vielmehr werden zuerst Grammatik und Vokabeln gelernt und dann wird konstruiert, übersetzt und interpretiert. Die Sprache wird dabei nicht als Sprache behandelt, sondern als intellektuelles Turngerät, Transportmittel für antikes Bildungsgut und dergleichen mehr.3 Als Folge dieser Praxis 3
Die Liste der positiven Effekte, die man sich in der Moderne vom Lateinunterricht er© 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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herrscht heute weithin die Vorstellung, Latein sei einfach so anders als eine normale Sprache, dass man es gar nicht in der gleichen Weise verwenden könne. Sogar die in der Regel begabten und motivierten Schüler, die sich zu einem Universitätsstudium in Latein entschließen, sind anfangs oft schockiert von der Vorstellung, dass sie lateinische Texte eigentlich lesen statt übersetzen und dass sie selbst welche verfassen sollten, vom mündlichen Gebrauch ganz zu schweigen.4 Vor einigen hundert Jahren war das völlig anders: In den damaligen Schulen wurden die Schüler von Anfang an zum Lateinsprechen und -verstehen, zum echten Lesen klassischer und zum Verfassen eigener Texte angeleitet, und zwar nicht nur in Prosa, sondern auch in Versen.5 Die Folge war ein viel natürlicheres und pragmatischeres Verhältnis zur Sprache als heute. Selbstverständlich erreichten auch damals nur die wenigsten Lateinschüler annähernd muttersprachliche Kompetenz. Doch dadurch ließen sie sich nicht abhalten, das, was sie tatsächlich konnten, auch zu verwenden – ganz ähnlich, wie wir es heute mit Englisch machen: Wir wissen, dass unser Englisch nicht perfekt ist, aber wir sprechen es trotzdem und schämen uns nicht übermäßig, wenn uns gelegentlich ein Fehler unterläuft.6 Ein hübsches Beispiel für diese Einstellung bietet der junge Goethe. Er soll auf Drängen seines Vaters promovieren und verfasst zu diesem Zweck in Straßburg eine Dissertation über das Verhältnis von Kirche und Staat:7 Da ich diese Arbeit fast ganz aus mir selbst schöpfte, und das Latein geläufig sprach und schrieb, so verfloß mir die Zeit, die ich auf die Abhandwartet, umfasst u.a. Förderung des logischen Denkens, geistige Disziplin, Sprachreflexion, Hilfe beim Erlernen moderner Fremdsprachen, Allgemeinbildung, interkulturelle Kompetenz und Europakompetenz, nicht jedoch die souveräne Beherrschung der Sprache selbst; vgl. F. Waquet, Le latin, S. 213–245. 4 Es sei nicht verschwiegen, dass heute weltweit zahlreiche Vereinigungen von Lateinsprechern und -schreibern existieren (W. Stroh, Lebendiges Latein), doch solange sich der Lateinunterricht nicht grundlegend ändert, wofür derzeit wenig spricht, dürften diese Anhänger der Latinitas viva ungläubig bewunderte oder belächelte Exoten bleiben. 5 Vgl. für den deutschen Sprachraum F. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts; aus neuerer Zeit etwa M. Fuhrmann, Latein und Europa. 6 Das eben gezeichnete Bild ist insofern ein wenig zu modifizieren, als der Humanismus gegenüber der sprachlichen ‚Barbarei‘ des Mittelalters programmatisch auf einem Latein insistierte, das nicht nur grammatisch korrekt, sondern auch idiomatisch perfekt war. Anders als im Mittelalter konnte man in der Neuzeit einen Gegner bloßstellen und intellektuell diskreditieren, indem man ihm sprachliche Schnitzer nachwies. Solche Fälle erregten mitunter großes Aufsehen – man denke etwa an das „Küchenlatein“, das Lorenzo Valla seinem Intimfeind Poggio Bracciolini vorwarf, oder an die Dunkelmännerbriefe, in denen deutsche Humanisten die Sprache ihrer scholastischen Gegner parodierten –, man sollte sie aber nicht überbewerten. In der Regel wurde nicht so heiß gegessen wie gekocht, und man kam mit einem anspruchslosen Gebrauchslatein durch, ohne sich lächerlich zu machen. 7 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit, Elftes Buch. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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lung verwendete, sehr angenehm. Die Sache hatte wenigstens einigen Grund; die Darstellung war, rednerisch genommen, nicht übel, das Ganze hatte eine ziemliche Rundung. Sobald ich damit zu Rande war, ging ich sie mit einem guten Lateiner durch, der, ob er gleich meinen Styl im ganzen nicht verbessern konnte, doch alle auffallenden Mängel mit leichter Hand vertilgte, so daß etwas zustande kam, das sich aufzeigen ließ. Grundsätzlich geläufiger Umgang mit der Sprache, Bewusstsein der verbleibenden Mängel, ein Fachmann, den man bei Bedarf zu Rate zieht – wer hat noch nicht nach diesem Rezept einen englischen Aufsatz oder Projektantrag produziert? Während also das Lateinische alles leistete, was man sich von einer Sprache erwarten kann, wiesen viele Volkssprachen diesbezüglich erhebliche Defizite auf: Sie waren nämlich oft nicht oder nur eingeschränkt Schrift- und Literatursprachen – ein Punkt, auf den ich im letzten Abschnitt zurückkommen werde. 2. Verschiedene Sprecher, verschiedene Welten Sieht man sich die Situation unter soziolinguistischen Gesichtspunkten an, so stellt man rasch fest, dass der lateinisch-volkssprachliche Bilingualismus seine Grenzen hatte. Lateinkenntnisse und -verwendung waren in der Regel bestimmten Bevölkerungsgruppen und Lebensbereichen vorbehalten; andere, wesentlich größere, blieben davon so gut wie unberührt. In institutioneller Hinsicht basierte die Latinität auf zwei Organisationen.8 Die eine war, wie schon erwähnt, das Unterrichtswesen von der Lateinschule (oder dem Privatlehrer) bis zur Universität. Als Grundlage der gesamten höheren Bildung hatte Latein dort einen überragenden Stellenwert. In vielen Gymnasien nahm es z.B. weit über die Hälfte der Stunden in Anspruch. Lange Zeit hindurch fielen sogar Alphabetisierung und Lateinlernen zusammen, erst an der Wende zur Neuzeit kamen daneben volkssprachliche Elementarschulen auf. Das andere Bollwerk der Latinität war die Kirche, durchaus auch im protestantischen Raum, noch mehr jedoch im katholischen. Sie war mit dem Unterrichtswesen insofern verflochten, als sich die meisten Bildungseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft befanden. Lateinkundig war demgemäß zum einen der Klerus, zum anderen aber auch die weltliche Intelligenz, die im Laufe der Neuzeit stark an Bedeutung gewann und ein Selbstbewusstsein und Zusammengehörigkeitsgefühl erlangte, das sich in der Eigenbezeichnung als res publica litteraria („Gelehrtenrepublik“) niederschlug.9 Abgesehen von der Sphäre des Unterrichts und der Religion verwendeten diese Personenkreise ihre Lateinkenntnisse hauptsächlich in der Wissenschaft, der
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Vgl. zum Folgenden F. Waquet, Le latin, S. 17–100. Zur Geschichte der Idee und des Begriffs s. F. Waquet, Qu’est-ce que la République des Lettres? 9
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schönen Literatur, im Briefverkehr, in der Diplomatie und auf Reisen. Weitgehend lateinlos waren dagegen große Teile des Adels, die meisten Bürger, die Bauern und die Unterschicht im Allgemeinen sowie die Frauen. Sieht man vom Besuch des Gottesdienstes ab, so kamen diese Leute kaum mit Latein in Berührung; ihr Arbeitsleben und ihre Freizeit waren so gut wie ausschließlich volkssprachlich geprägt. Sofern sie alphabetisiert waren – der größte Teil war es nicht –, hatten sie immerhin Zugang zu Texten erbaulichen, fachlichen, informativen und unterhaltsamen Charakters wie z.B. Andachtsbüchern, Kräuterbüchern, Volksbüchern und Flugblättern, in den reformierten Territorien auch zur Bibel. Eine weitere Textgruppe, die schon gegen Ende des Mittelalters volkssprachlich wurde, war das immer umfangreichere Verwaltungsschrifttum. Im Laufe der Zeit bemächtigte sich die volkssprachliche Literatur, wie noch zu zeigen sein wird, immer weiterer Inhalte und Formen. Mit der sprachlichen Zweiteilung der Gesellschaft ging eine der Mentalitäten und der Weltbilder einher: Latein wurde ja nicht rein als Sprache unterrichtet und gelernt, sondern in Verbindung mit einer Fülle an Bildungsgut antiker wie christlicher Provenienz. Lateinsprecher besaßen einen anderen historischen und kulturellen Horizont, hielten andere Werte hoch und hatten andere ästhetische Vorlieben, aber auch andere Vorurteile als diejenigen, die nur die Volkssprache beherrschten. Einen Eindruck hiervon mag der folgende Ausschnitt aus einem zweisprachigen Einblattdruck vom Beginn des 17. Jhs. vermitteln. Geschildert wird eine Episode aus der Gründungssage des Klosters Wilten bei Innsbruck, in welcher der Gründer, der Riese Haimon, den neuen Bau gegen einen bösen Drachen verteidigen muss:10 Dumque operi intentus templi fundamina ponit Construit atque suae vilia tecta domus, Squamiger ecce draco ruit huc e rupe propinqua Et subvertit opus bile tumente novum Contorta ac cauda rabidum vomit ore venenum Nec cessat muros ungue notare novos:
Auffs werck weil er gedencken thet Beim Baw ein anfang gmachet het: Sich zu / ein Drach dort auß eim stein Kompt / verhindert die arbeit sein / Speyt auß das Gifft und wind den schwantz Zerkratzt ihm auch die Mawer gantz.
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Christoph Wilhelm Putsch / Paul Ottenthaler, De Haymone gigante, Augsburg 1601, V. 59–70; vgl. Korenjak / Schaffenrath / Šubarić / Töchterle (Hrsg.), Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Bd. 1, S. 234–235. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Latein und die europäischen Volkssprachen in der frühen Neuzeit
Non secus Aeolia prorumpens nimbus ut aula Implacido aequoreas vortice perflat aquas …
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Gleich wie der wind braußt auff dem Meer / Und wirfft die Wellen hin und her / …
Lateinischer und deutscher Text stehen in parallelen Kolumnen und entsprechen sich Vers für Vers. Dennoch geht der Sprachwechsel einher mit einem Wechsel des Metrums (elegische Distichen bzw. deutsche Knittelverse), einem Wechsel der Stillage (ein schmückendes Beiwort nach dem anderen im Lateinischen, s. die Unterstreichungen, nichts dergleichen im Deutschen) und unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen: Die lateinische Version kann ohne weitere Erklärung von der Höhle des Windgottes Aiolos sprechen, die dem Zielpublikum aus der vergilischen Aeneis wohlbekannt war, den Lesern der deutschen wollte man dergleichen nicht zumuten. Da die sprachliche Stratifizierung der Gesellschaft in beträchtlichem Maße der sozialen entsprach, kam dem Besitz von Lateinkenntnissen auch ein gewisser Distinktionswert zu. Wieder kann man, um sich das zu verdeutlichen, an heutige Verhältnisse denken: Wer fließend und akzentfrei Englisch spricht, hat gute Chancen, als klug, gebildet und weltläufig durchzugehen. Allerdings sollte man die Schärfe der skizzierten Dichotomie nicht überschätzen. Es gab durchaus achtbare Gelehrte wie z.B. den Schweizer Landeskundler und Historiker Aegidius Tschudi (1505–1572), die sich mit dem Lateinischen schwer taten,11 und es gab, wie etwa Visitationsberichte aus der Diözese Brixen verraten, Pfarrer, die nicht einmal die Absolutionsformel zustande brachten.12 Auf der anderen Seite erlebte der französische König Henri III. (1551–1589) nach seiner Wahl zum polnischen König die erfreuliche Überraschung, dass in seinem neuen Herrschaftsgebiet, wie er schreibt, „selbst die Gastwirte“ Latein sprachen. Auch ein ungarischer Husar konnte auf einem Türkenfeldzug seinen französischen Marschall mit dem Ruf Heu domine, adsunt Turcae! („He, Herr, die Türken sind da!“) vor einem gegnerischen Angriff warnen.13 Überhaupt – was heißt „Latein können“? Ein paar Brocken hatte wohl mancher in der Messe aufgeschnappt; zwischen so jemandem und einem Erzhumanisten wie Erasmus von Rotterdam gab es unendlich viele Zwischenstufen der Kompetenz. Vorstellen kann man sich die realen Verhältnisse vielleicht wieder am besten, wenn man an die Verteilung der Englischkenntnisse in der Gegenwart denkt.
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Tschudi, der keine Universität besucht hatte und im abgelegenen Glarus lebte, las Latein zwar fließend, schrieb und publizierte aber nur in der Volkssprache. Als seine Alpisch Rhetia (Basel 1538) auch auf Latein erscheinen sollte, musste Sebastian Münster sie übersetzen; vgl. Ch. Sieber, „Enutritus sum in hac terra alpium“, S. 218, 221, 223. 12 J. Gelmi, Kirchengeschichte Tirols, S. 94. 13 P. Burke, Küchenlatein, S. 45–46. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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3. Sprachen im Austausch Auch abgesehen von diesen fließenden Übergängen in puncto Sprachkompetenz standen Latein und die Volkssprachen in ständiger Interaktion. Die alte und die neuen Sprachen existierten nicht in voneinander abgeschlossenen Parallelwelten, sondern ergänzten, durchdrangen und beeinflussten sich innerhalb ein und derselben sozialen Realität. Wer wirklich zweisprachig war, wechselte je nach Situation zwischen ihnen hin und her, betrieb also das, was man heute Codeswitching nennt; das konnte vermutlich so rasch und kleinräumig geschehen, wie man das noch heute erlebt, wenn sich eine Gruppe von Sprechern mit verschiedenen Muttersprachen und unterschiedlicher Fremdsprachenkompetenz unterhält. Das angeregte Miteinander der Sprachen in der Vormoderne lässt sich heutzutage natürlich nicht mehr direkt beobachten, zumindest nicht im mündlichen Sprachgebrauch. Sehr wohl aber kann man den Niederschlag untersuchen, den es in schriftlicher Form gefunden hat.14 Dieser Niederschlag manifestiert sich zuallererst in den Sprachen selbst: Das mittelalterliche Latein reicherte sich, wie die einschlägigen Wörterbücher dokumentieren, mit einer Fülle volkssprachlicher Ausdrücke und Konstruktionen an. Manch einer sagte und schrieb ungerührt galoppo für „ich galoppiere“ oder ventus est für „er ist gekommen“. Vieles davon wurde wieder ausgeschieden, als man sich zu Beginn der Neuzeit um eine reineres Latein bemühte, aber eben keineswegs alles, und stattdessen kam Neues hinzu, z.B. Ausdrücke wie coffea, fagottum oder passeportus. Was die zigtausend lateinischen Lehn- und Fremdwörter im Deutschen betrifft, so braucht man ohnehin nur den Fremdwörterduden aufzuschlagen. Hinzu kommt noch eine Fülle an Lehnübersetzungen von Wörtern, z.B. „Bewusstsein“ für conscientia, oder ganzen Redewendungen, z.B. „tiefes Schweigen“ nach alta quies bei Vergil (Aeneis 6,522). Auch in der Literatur der Zeit hinterließen die Wechselbeziehungen zwischen den Idiomen ihre Spuren. Ein gebildeter Autor publizierte je nach Thema und Zielpublikum in der alten oder in den modernen Sprachen und zeigte auch in seinen privaten Aufzeichnungen eine ähnliche Flexibilität. Beispielsweise verteilen sich die Veröffentlichungen von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) recht gleichmäßig auf Latein, Deutsch und Französisch; Ähnliches gilt für seine rund 20’000 Briefe umfassende Korrespondenz.15 Gleichzeitig erlebte seit Erfindung des Buchdrucks das Übersetzungswesen16 14
Vgl. zum Folgenden generell A. Kirkness / H. Haider Munske (Hrsg.), Eurolatein; speziell zu Latein und Deutsch Polenz, Deutsche Sprachgeschichte, Bd. 1, S. 219–228. 15 Leibniz’ Briefwechsel erscheint seit 1923 in den Reihen I–III der Akademie-Ausgabe und ist teilweise online zugänglich (http://www.leibniz-edition.de/); zur Sprachwahl vgl. G. Utermöhlen, Der Briefwechsel des Gottfried Wilhelm Leibniz, S. 93–97. 16 Der Begriff der Übersetzung wurde in der Vormoderne nicht so eng gefasst wie heute. Neben wörtlicheren oder freieren Übersetzungen in unserem Sinne fielen darunter auch Übertragungen, die ihr Original kürzten, ergänzten oder korrigierten. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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eine Blüte; Druckereien und Verlage erkannten hierin eine Chance, Absatz und Gewinn in sonst unerreichbare Höhen zu steigern. Ein Beispiel für die zweisprachigen Drucke, die nun zu erscheinen begannen, ist die im letzten Abschnitt vorgestellte Gründungslegende des Klosters Wilten, ein weiteres, viel berühmteres und wirkmächtigeres, der Orbis sensualium pictus des Johann Amos Comenius. Er kam zuerst 1658 auf Latein und Deutsch in Nürnberg heraus, danach erschienen in rascher Folge Fassungen in zwanzig weiteren Sprachen, von lateinischenglisch bis lateinisch-ungarisch.17 Dieses bebilderte Lehrbuch, dass zum ersten Kinderbuch Europas avancierte, zeigt zugleich, dass nun auch der Unterricht in Latein und in der Muttersprache Hand in Hand gehen konnte. Auch abgesehen von zweisprachigen Ausgaben wurde fleißig übersetzt, und zwar sowohl aus dem Lateinischen in die Volkssprachen als auch umgekehrt. Ersteres betraf antike Klassiker ebenso wie moderne Belletristik und Fachliteratur – ein Zeichen dafür, dass sich ein neugieriges und z.T. bildungsbeflissenes Lesepublikum auszubilden begann, das nicht mehr unbedingt gelehrt und lateinkundig zu sein brauchte. Doch selbst mancher gestandene Jurist führte sich ein Werk wie Samuel von Pufendorfs zweitausendseitigen Klassiker über das Natur- und Völkerrecht anscheinend lieber in der deutschen Übersetzung als im lateinischen Original zu Gemüte.18 Noch wichtiger waren jedoch Übersetzungen ins Lateinische, und zwar deshalb, weil sie Texten, die sonst bestenfalls nationale Verbreitung erreicht hätten, einen europäischen Markt eröffneten. Peter Burke hat vor kurzem in einem bahnbrechenden Aufsatz19 für den Zeitraum 1500–1800 nicht weniger als 1140 einschlägige Übertragungen namhaft gemacht – und dabei wurde auch nach 1800 noch weiterübersetzt, wenn auch in abnehmender Intensität. Neben einer Flut religiöser und historischer Texte erlangten so naturwissenschaftliche Werke wie Galileis Discorsi, Reiseberichte wie das Bordbuch des Kolumbus, literarische Meisterwerke von Petrarcas Lyrik über Miltons Paradise Lost bis hin zu Defoes Robinson Crusoe und Goethes Faust, politische Klassiker wie Machiavellis Principe und Meilensteine der Philosophiegeschichte wie Descartes’ Discours de la méthode internationale Verbreitung. Besonders schön illustrieren das Zusammenspiel zwischen den Sprachen Fälle, in denen die lateinische Übertragung eines volkssprachlichen Werkes zum Ausgangspunkt weiterer volkssprachlicher Versionen wurde. So brachte etwa Jakob Locher das Narrenschiff des Sebastian Brant (Basel 1494) als Stultifera navis (Straßburg 1497) ins Lateinische, und diese Version war es dann, die bald ins Französische, Niederländische und Englische weiterübersetzt wurde.20 17
K. Pilz, Die Ausgaben. Samuel von Pufendorf, De iure naturae et gentium libri octo, Lund 1672; Acht Bücher vom Natur- und Völcker-Rechte, Frankfurt 1711. 19 P. Burke, Translations into Latin. 20 N. Hartl, Die „Stultifera navis“, v.a. Bd. 1, S. 28–34. 18
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Sieht man noch etwas genauer hin, so kann man sogar erkennen, wie sich auch das zuvor für die mündliche Kommunikation postulierte Codeswitching schriftlich niederschlug. Häufig war das in Textsorten der Fall, die aufgrund ihres informellen Charakters der Mündlichkeit nahestanden, etwa in Tagebüchern. Ein schönes Beispiel hierfür stellt das Tagebuch einer Romreise des Franz Lachemayr, eines Abtes des Zisterzienserstiftes Stams in Tirol dar.21 Der Text ist generell in einer Mischung aus Deutsch, Italienisch und Latein gehalten und enthält mitunter Einträge wie den folgenden vom 22. Januar 1690: Fui nel Campidoglio dove nel pallasto alla mano sinistra ascendendo dal Giesù in una tabula ex petra nigra inauratis characteribus est incisa lex regia satis legibilis. Ich war auf dem Kapitol, wo am Palast zur Linken, wenn man von Il Gesù heraufsteigt, in eine Tafel aus schwarzem Stein in vergoldeten Lettern ein recht gut leserliches Königsgesetz eingraviert ist. Der antike Inhalt, konkret das altrömische Gesetz, reicht hier aus, um mitten im Satz den Wechsel in die antike Sprache zu provozieren; unterstützend kommt das ‚Brückenwort‘ tabula hinzu, das damals noch ebenso gut Italienisch wie Latein sein konnte. Codeswitching konnte aber auch spielerisch literarisiert werden, entweder durch einfache Sprachmischung wie z.B. in den Carmina Burana und im bekannten Weihnachtslied In dulci jubilo oder aber, raffinierter, in der sogenannten makkaronischen Dichtung.22 In ihr paart sich volkssprachliche Lexik mit lateinischer Morphologie und Syntax, wodurch amüsante Effekte zustande kommen. Ein Meisterstück makkaronischer Poesie ist etwa die Floia (o.O. 1593) eines unbekannten niederdeutschen Autors, der sich hinter dem Pseudonym Gripholdus Knickknackius verbirgt. Der Text beginnt folgendermaßen:23 Angla floosque canam, qui wassunt pulvere svvarto, Ex watroque simul fleitenti et blaside dicko, Multipedes deiri, qui possunt huppere longe, Non aliter quam si floglos natura dedisset. Illis sunt equidem, sunt, inquam, corpora kleina, Sed mille erregunt menschis martrasque plagasque, Cum steckunt snaflum in livum blautumque rubentem Exsugunt. Homines sic, sic vexeirere possunt!
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Franz Lachemayr, Diarium, Stiftsarchiv Stams, F 6; vgl. Korenjak / Schaffenrath / Šubarić / Töchterle (Hrsg.), Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Bd. 2, S. 782–783. 22 D. Sacré, Makkaronische Dichtung. 23 Zitiert nach H. Heger (Hrsg.), Deutsche Literatur, S. 491–497; Druckbild leicht geglättet. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Stacheln und Flöhe will ich besingen, die aus schwarzem Staub entstehen, zugleich auch aus fließendem Wasser und dicken Faulgasen, vielfüßige Tiere, die weit hüpfen können, nicht anders, als ob die Natur ihnen Flügel verliehen hätte. Jene haben zwar, sie haben, sagte ich, kleine Körper, doch sie bescheren den Menschen tausend Martern und Plagen, wenn sie ihren Schnabel in den Körper stechen und das rote Blut heraussaugen. So sehr, so sehr können sie die Menschen quälen! Die Komik, die der Sprachmischung an sich innewohnt, wird hier durch den Kontrast zwischen trivialem Inhalt und erhabener Form noch unterstrichen: Der Hexameter galt als eines der würdevollsten Metren der lateinischen Poesie, das Lehrepos als eine ihrer höchsten Gattungen, und der erste Halbvers des Gedichts parodiert glänzend den Beginn der Aeneis, Arma virumque cano. Die Floia reiht sich damit in eine lange Tradition von Epenparodien ein, die auf die pseudohomerische Batrachomyomachia („Froschmäusekrieg“) zurückgeht. 4. Mit dem Latein am Ende: der Aufstieg der Volkssprachen Bis hierher habe ich das Verhältnis zwischen Latein und den Volkssprachen so behandelt, als hätte es sich im Laufe der frühen Neuzeit nicht wesentlich geändert. Dem ist aber natürlich nicht so. Vielmehr hat dieses Verhältnis eine dynamische Entwicklung durchlaufen und sich über die Jahrhunderte hinweg dramatisch gewandelt – ein Wandel, dem letztlich das Latein selbst als praktisch verwendete Sprache zum Opfer gefallen ist. Häufig wird diese Umwälzung ungefähr mit den Worten charakterisiert, die Volkssprachen seien, begünstigt durch den Aufstieg des modernen Nationalstaats, erstarkt und hätten das Latein schließlich verdrängt. Das ist nicht ganz falsch, stellt aber nur einen Teil der Wahrheit dar. Passender könnte man vielleicht formulieren: Die lateinische Sprache hat als Geburtshelferin der Volkssprachen fungiert. Diese haben sich nach ihrem Vorbild ausgebildet und ihr dann den Garaus gemacht. Zunächst einmal sollte man sich vergegenwärtigen, dass es bis weit in die frühe Neuzeit hinein eigentlich gar keine Volkssprachen im heutigen Sinne gab, sondern nur Bündel von mehr oder weniger eng zusammengehörigen Dialekten, die sich in ständigem Wandel befanden und deren Sprecher sich oft gegenseitig nicht verstanden (man denke nur an das eingangs herangezogene Beispiel von den Tirolern, Wallisern und Friesen). Die Sprachtheorie des Mittelalters kapitulierte vor diesem Durcheinander: Regelhaft, grammatisch fassbar waren in ihren Augen nur die alten, heiligen Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein (das man sogar schlicht als grammatica bezeichnete). Die Volkssprachen dagegen besaßen keine Grammatik, sie waren nur Rede ohne Regeln, modern gesprochen parole ohne langue. Erst im Italien des 15. Jhs. wurde diese Auffassung ernsthaft in Frage gestellt, und 1450 widerlegte Leon Battista Alberti sie durch die Tat, indem er mit
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den Regole della lingua fiorentina einfach eine Grammatik seines toskanischen Mutterdialektes verfasste.24 Damit wurde den Volkssprachen nun die Dignität des Regelhaften, rational Verständlichen zuteil, und sie wurden früher oder später alle nach dem Vorbild des Lateinischen grammatikalisiert. Oft genug bedeutete das allerdings, dass sie in eine regelrechte Zwangsjacke gesteckt wurden: So reduzierte man etwa die rund zwanzig Fälle des Ungarischen auf die sechs des Lateinischen – aber auch das Englische, das nach heutigen Begriffen fast keine mehr hat, musste seine sechs Kasus bekommen!25 Indem die Grammatikalisierung bestimmte Sprachvarietäten privilegierte, stellte sie einen wichtigen Ansatzpunkt für die Entstehung von Hochsprachen innerhalb der einzelnen Dialektgruppen dar. Dieser Prozess wurde z.T. durch Faktoren vorangetrieben, die nichts mit Latein zu tun hatten, etwa durch die Herausbildung von Kanzleisprachen mit regionaler und überregionaler Geltung. Daneben wurde er aber auch durch eine Reihe weiterer Textsorten gefördert, die wie die Grammatiken nach lateinischem Muster entstanden. Das gilt beispielsweise für volkssprachliche Wörterbücher, die manche Ausdrücke als standardsprachlich auszeichneten, nicht aufgenommenen Wortschatz dagegen implizit als dialektal abqualifizierten, und für Bibelübersetzungen, wie sie in Konkurrenz zur Vulgata, aber gleichzeitig nach deren Vorbild verfasst wurden. Welche Bedeutung etwa die Lutherbibel für die Genese des Hochdeutschen gehabt hat, ist ja bekannt. Dennoch dauerte es gerade im deutschen Sprachraum bis gegen 1800, bis sich mit dem Ende des spätbarocken Sprachenstreits eine halbwegs einheitliche Norm als Schriftsprache durchsetzte.26 Mit der Herausbildung einheitlicher Hoch- und Schriftsprachen steht ein weiterer Aspekt in Verbindung, nämlich der Aufstieg bzw. Wiederaufstieg der Volkszu Literatursprachen. Die volkssprachlichen Literaturformen des Hochmittelalters wie Heldenepos, höfischer Roman und Minnesang waren im Spätmittelalter vielerorts zusammen mit den betreffenden Sprachstufen (Altfranzösisch, Mittelhochdeutsch usw.) abgestorben27 und wurden erst in der Romantik neu entdeckt. Die volkssprachlichen Literaturen der Neuzeit, die sich später zu den Nationalliteraturen weiterentwickelten, knüpften deshalb weniger an ihre mittelalterlichen Vorläuferinnen als an die Meisterwerke an, welche die lateinische Literatur in den großen, prestigeträchtigen Gattungen wie Epos, Lyrik, Drama, Geschichtsschreibung hervorgebracht hatte: Ihnen versuchte man nun Gleichwertiges oder gar 24
Vgl. S. Stever Gravelle, The Latin-Vernacular Question; zu Albertis Regole dort S. 381. Vgl. für das Ungarische etwa János Sylvesters Grammatica Hungarico-latina (Sárvár 1539), die erste Grammatik dieser Sprache, für das Englische Paul Greaves’ Grammatica Anglicana (Cambridge 1594), eine der wichtigsten unter den vielen frühneuzeitlichen Englischgrammatiken. 26 Zur Geschichte des Deutschen in der Neuzeit und zur Herausbildung des modernen Hochdeutsch s. P. von Polenz, Deutsche Sprachgeschichte. 27 J. Leonhardt, Latein, S. 192–195. 25
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Latein und die europäischen Volkssprachen in der frühen Neuzeit
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Besseres an die Seite zu stellen. Man denke nur an die Commedia Dantes, der sich nicht zufällig von Vergil durch die Hölle führen lässt, in Italien, an die horazisch inspirierte Lyrik der Pléiade und das Drama von Corneille, Racine, Molière in Frankreich, an Shakespeare und Milton in England. Ein chronologisch letzter, dabei aber ganz entscheidender Punkt betrifft schließlich den Sprachunterricht. Bis ins 18. Jh. spielte der Unterricht in den lebenden Sprachen, seien es Fremdsprachen oder die Muttersprache, in Europa aufs Ganze gesehen eine marginale Rolle. Er war schwach institutionalisiert und meist eine Sache von Privatstunden und Autodidaxe.28 (In den volkssprachlichen Elementarschulen war die Volkssprache zwar Unterrichtssprache, nicht aber Unterrichtsgegenstand. Die Grammatiken der Volkssprachen wurden höchstens fallweise zu Unterrichtszwecken herangezogen.) Der Lateinunterricht dagegen konnte in der frühen Neuzeit schon auf eine über tausendjährige Tradition zurückblicken. Als dann im 18. und 19. Jh. der Unterricht in den lebenden Sprachen, insbesondere in der Muttersprache, eingeführt und bald durch die allgemeine Schulpflicht generalisiert wurde, geschah auch das wieder – wen wundert’s – nach dem Muster des älteren Vorbilds. Spätestens in diesem Moment waren die Tage des Lateinischen in seiner bisherigen Funktion endgültig gezählt. Die Volkssprachen konnten nun alles, was früher nur das Latein gekonnt hatte. Und da sie in der Zwischenzeit auch zu Nationalsprachen aufgestiegen waren, wurde ihre Pflege so wichtig und nahm so viel Zeit und Energie in Anspruch, dass für Latein immer weniger übrigblieb.29 Das in den Grundzügen weltweit verbreitete, in seiner spezifischen Form aber einmalige Zusammenspiel von Universal- und Partikularsprachen, das Europa über zweitausend Jahre hinweg geprägt hatte, war zu einem Ende gekommen. Erst im 20. Jh. sollte es – und damit kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück – mit dem Siegeszug des Englischen unter neuen Vorzeichen wieder aufleben. Bibliographie Burke, P.: Küchenlatein. Sprache und Umgangssprache in der frühen Neuzeit. Berlin 1989. — Translations into Latin in Early Modern Europe. In: ders. / R. Po-chia Hsia (Hrsg.): Cultural Translation in Early Modern Europe. Cambridge 2007, S. 65–80. Fuhrmann, M.: Latein und Europa. Geschichte des gelehrten Unterrichts in Deutschland von Karl dem Großen bis Wilhelm II. Köln 2001. Gelmi, J.: Kirchengeschichte Tirols. Innsbruck / Wien 1986. 28
Einen Überblick über die Frühzeit des modernen Fremdsprachenunterrichts bietet K. Schröder (Hrsg.), Fremdsprachenunterricht 1500–1800. 29 Vgl. (mit etwas anderer Schwerpunktsetzung) J. Leonhardt, Latein, S. 231–244, v.a. S. 234–235. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Hartl, N.: Die „Stultifera navis“, Jakob Lochers Übertragung von Sebastian Brants „Narrenschiff“ (2 Bde.). Münster 2001. Heger, H.: Die Deutsche Literatur vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert: Spätmittelalter, Humanismus, Reformation. Texte und Zeugnisse. Zweiter Teilband: Blütezeit des Humanismus und Reformation. München 1978. Janson, T.: Latein. Die Erfolgsgeschichte einer Sprache. Ins Deutsche übertragen von Johannes Kramer. Hamburg 2006. Kirkness, A. / H. Haider Munske (Hrsg.): Eurolatein. Das griechische und lateinische Erbe in den europäischen Sprachen. Tübingen 1996. Korenjak, M. / F. Schaffenrath / L. Šubarić / K. Töchterle (Hrsg.): Tyrolis Latina. Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol (2 Bde). Wien u.a. 2012. Leonhardt, J.: Latein. Geschichte einer Weltsprache. München 2009. Ostler, N.: Empires of the Word. A Language History of the World. London 2005. — Ad infinitum. A Biography of Latin. New York 2007. Paulsen, F.: Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. Mit besonderer Rücksicht auf den klassischen Unterricht (2 Bde.). Leipzig 31919–1921. Pilz, K.: Die Ausgaben des Orbis sensualium pictus. Nürnberg 1967. Polenz, P. von: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart (3 Bde.). Berlin 1991–1999. Sacré, D.: Makkaronische Dichtung. In: Der Neue Pauly 15/1 (2001) 281–285. Schröder, K. (Hrsg.): Fremdsprachenunterricht 1500–1800. Wiesbaden 1992. Sieber, Ch.: „Enutritus sum in hac terra alpium“ – Geographie, Geschichte, Bevölkerung, Sprache: Aegidius Tschudi (1505–1572) und die Erforschung der Alpen im 16. Jahrhundert. In: S. Boscani Leoni (Hrsg.): Wissenschaft – Berge – Ideologien. Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733) und die frühneuzeitliche Naturforschung / Scienza – montagne – ideologie. Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733) e la ricerca naturalistica in epoca moderna. Basel 2010, S. 215– 233. Stever Gravelle, S.: The Latin-Vernacular Question and Humanist Theory of Language and Culture. In: Journal of the History of Ideas 49 (1988) 367–386. Stroh, W.: Lebendiges Latein. In: Der Neue Pauly 15/1 (2001) 92–99. — Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer großen Sprache. Berlin 2007. Utermöhlen, G.: Der Briefwechsel des Gottfried Wilhelm Leibniz – die umfangreichste Korrespondenz des 17. Jh. und der ,république des lettres‘. In: W. Frühwald u.a. (Hrsg.): Probleme der Briefedition. Bonn u.a. 1977, S. 87–105. Vossen, C.: Mutter Latein und ihre Töchter. Düsseldorf 141999. Waquet, F.: Qu’est-ce que la République des Lettres? Essai de sémantique historique. In: Bibliothèque de l’école des chartes 147 (1989) 473–502. — Le latin ou l’empire d’un signe. XVIe–XXe siècle. Paris 1998.
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Interlinguistik und Esperantologie Zwei neue sprachwissenschaftliche Disziplinen Reinhard Haupenthal
0. Einleitung Der Vortrag, zu dem mich freundlicherweise Herr Dr. Fink eingeladen hat1, könnte sich als eine Art erratischer Block ausnehmen, hätte nicht das Thema Interlinguistik und Esperantologie gerade an der Universität Innsbruck eine lange Tradition. Prof. Dr. Hermann Ammann2 (1885–1956) hatte schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg die Einrichtung eines Lektorates für Esperanto angeregt und dafür Dr. Leo Blaas (1891–1951) gewonnen.3 Von Hause aus Jurist hatte sich Blaas als Mitarbeiter am Enzyklopädischen Wörterbuch4 von Eugen Wüster hervorgetan. Auf die Rolle Wüsters in der Esperantologie komme ich noch zu sprechen. Blaasens früher Tod im Jahre 1951 machte es notwendig, das Lektorat neu zu besetzen. Als hochqualifizierte Persönlichkeit trat der hiesige Indogermanist Prof. Dr. Hermann Ölberg (* 1922)5 die Nachfolge im Esperanto-Lektorat an. Nach dem altersbedingten Ausscheiden von Prof. Ölberg übernahm Dr. iur. Klaus E. Karner (1943–2005) das Lektorat, bis ihn schon bald ein Verkehrsunfall aus dem Leben riß. Seither gab es an der Universität Innsbruck nur noch Einzelveranstaltungen zu unseren Themenbereichen. Insofern würde ich mich freuen, wenn mein Vortrag die gute Innsbrucker Tradition neu beleben und das Esperanto-Lektorat wieder erstehen könnte. Wir werden sehen, daß beide Disziplinen eine Fülle von Lehr- und Forschungsaufgaben bereit halten. An den Anfang meines Referats möchte ich drei Zitate dreier Vertreter unserer Fächer stellen, die uns den Entwicklungsgang von Interlinguistik und Esperantologie vor Augen führen können.
1
Wegen Erkrankung des Referenten konnte der Vortrag nicht im Rahmen des Tagungsprogramms gehalten werden. 2 Zu Ammann vgl. KNOBLOCH, ÖLBERG 1998 a. 3 Zur Tätigkeit Blaasens vgl. Dokumente…, S. 105–108. Ein Bildnis befindet sich in BLAAS. 4 Vgl. WÜSTER 1923. 5 Zu Ölberg vgl. KIENPOINTER/SCHMEJA; dort (S. 289–294) Personalbibliographie. Vgl. auch BLANKE 2002. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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1888 schrieb der Grazer Romanist Hugo Schuchardt (1846–1927) in seiner Schrift Auf Anlaß des Volapüks: „Eine Weltsprache liegt durchaus in der Richtung unserer praktischen Bedürfnisse; sie erscheint als die Ergänzung, als die Krönung unserer internazionalen Einrichtungen. Aber eine Weltsprache ist auch – weit entfernt den Spott der Gelehrten zu verdienen – ein wissenschaftliches Desiderat.“6 Gut vier Jahrzehnte später, 1931, fixierte der dänische Sprachwissenschaftler Otto Jespersen (1860–1943) das Ziel der kreativen Interlinguistik wie folgt: „Eine neue Wissenschaft kommt auf: die Interlinguistik, der Zweig der Sprachwissenschaft, der sich mit der Struktur und den Grundideen aller Sprachen beschäftigt mit dem Ziel, eine Norm für Plansprachen aufzustellen, d.h. für Hilfssprachen, die zum schriftlichen und mündlichen Gebrauch für Menschen bestimmt sind, die sich nicht mit Hilfe ihrer Muttersprachen verständigen können.“7 Nach weiteren drei Jahrzehnten steht fest, daß sich im Wettbewerb der Plansprachen einzig Esperanto in der Praxis bewährt hat. Der ungarische Arzt, Übersetzer und Esperantologe Kálmán Kalocsay8 (1891–1976) konnte 1965 in einem Aufsatz festhalten: „L’espéranto, que ses fidèles ne considèrent pas comme une langue artificielle, mais comme la plus jeune membre de la famille indo-européenne, est une langue de traduction.“9 * * * In seinem Akademischen Rathausvortrag von 1905–02–0910 verweist der Zürcher Indogermanist Eduard Schwyzer (1874–1942) auf Plutarch und dessen Rede von der Jenseitsdichtung der persischen Magier: im heiligen Reich Ormuzds (des Lichtes) sprechen alle eine Sprache gemäß dem Wahlspruch Johann Martin Schleyers „Menade bal püki bal – Unam uni generi humano linguam – Einer Menschheit eine Sprache“. Diese scheinbare Sehnsucht nach einer Universalspra-
6
Vgl. SCHUCHARDT 1888, S. 33. Zur Rolle Schuchardts in der Interlinguistik vgl. ÖLBERG 1998 b, SLAJE 1988, 1994. 7 Vgl. JESPERSEN 1930/31, auch in SHENTON/SAPIR/JESPERSEN, S. 95–120. Dt. Übers. von Irmtraud und Reinhard Haupenthal in HAUPENTHAL 1976, S. 148–162. Zur Rolle Jespersens in der Interlinguistik vgl. BARANDOVSKÁ-FRANK 2011, JESPERSEN 2013, LARSEN. 8 Wertvolle Vorarbeiten für das Oeuvre des wohl bedeutendsten Esperanto-Literaten Kálmán Kalocsay hat CSISZÁR vorgelegt. 9 Vgl. KALOCSAY 1965. 10 Vgl. SCHWYZER 1906. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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che – so Schwyzer – fand jedoch keinen Widerhall in der irdischen Wirklichkeit, Theorie und Praxis klafften weit auseinander. Schon vorher (1902) ging Schwyzer in seiner Zürcher Antrittsvorlesung11 auf die Rolle der Weltsprachen im Altertum ein und machte deutlich, daß der supranationalen Verwendung geschichtlicher Sprachen (z.B. des Altägyptischen, Altbabylonischen, später des Griechischen und Lateinischen) mit der Idee einer geschaffenen Sprache nichts gemein hat. Auch die philosophischen Bemühungen des 17. und 18. Jahrhunderts blieben theoretischer Natur. Erst der Aufschwung der Technik und die damit verbundene Erleichterung des Weltverkehrs verlieh dem Problem einer Universalsprache im 19. Jahrhundert eine praktische Natur. Die Schaffung und Erprobung künstlicher Sprachen (Plansprachen) setzte ein. Untersucht man die Motive ihrer Autoren, dann lassen sich im Wesentlichen zwei Motivkomplexe feststellen: 1. bei dem katholischen Priester Johann Martin Schleyer (1831–1912) und dem jüdischen Augenarzt Lazar Markovič Zamenhof (1859–1917) das analytisch bzw. emotional erfahrene Sprachenproblem, das in Unabhängigkeit voneinander zur Schaffung des Volapük bzw. des Esperanto geführt hat;12 2. im Gefolge beider Sprachen die Versuche, bessere Projekte vorzulegen. Dies gilt für Idiom Neutral (Rosenberger), Ido (Couturat), Occidental/Interlingue (von Wahl) und Interlingua (Gode) sowie für sämtliche Epigonen. Originell blieben nur Schleyer und Zamenhof. * * * Wir können uns nunmehr Details unseres Themas zuwenden. Mitten in den Wirren des 2. Weltkrieges hat der nachmals international bekannt gewordene dänische Pflanzenpathologe Paul Neergaard (1909–1987)13 einen Forschungsbericht unter dem Titel „Die Esperantologie und ihre Disziplinen. Aufgaben und Ergebnisse“ vorgelegt.14 Eine der von ihm als „vergleichende Esperantologie“ bezeichnete Disziplin würden wir heute (und auch schon damals) eher als „Interlinguistik“ bezeichnen. Wenn man bedenkt, daß 70 Jahre nach Neergaards frühem Fazit die Bayerische Staatsbibliothek im Sommer 2012 sich mit einer Ausstellung und einem Symposium dieser neuen sprachwissenschaftlichen Disziplinen annahm,15 so darf wohl behauptet werden, daß sie akademisch salonfähig geworden sind und das Odium des Amateurhaften und Dilettantischen abgelegt haben.
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Vgl. SCHWYZER 1902. Vgl. zu dieser Thematik HAUPENTHAL 2013 a. 13 Zur Person Neergaards vgl. KISELMAN, MATHUR. 14 Vgl. NEERGAARD. 15 Vgl. Zwischen Utopie… 12
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Ich möchte in diesem Einleitungsreferat zunächst mit der Begrifflichkeit und dem Gegenstand von Interlinguistik und Esperantologie vertraut machen, dann auf den aktuellen Forschungs- und Dokumentationsstand eingehen, um schließlich einige wissenschaftliche Desiderate aufzuzeigen. 1. Zur Begrifflichkeit Der Begründer der Terminologielehre, der eingangs erwähnte österreichische Industrielle Eugen Wüster (1898–1977)16, ist 1955 in einem Aufsatz den Begriffen „Esperantologie“ und „Interlinguistik“17 nachgegangen. Er schloß sich dabei der klassisch gewordenen Definition Jespersens an. Wüster hat bereits in seiner Dissertation von 193118 Begriffe wie (Welt)Hilfssprache, Kunstsprache usw. durch den von ihm geschaffenen Terminus „Plansprache“ (E planned language, F langue planifiée) abgelöst. Leider geistern archaische Bezeichnungen noch immer in heutigen Publikationen herum und werden auch noch zur Beschlagwortung von Fachliteratur verwendet. Auch der Begriff „Esperantologie“ wurde 1921 von Wüster in einem Aufsatz geprägt.19 Er verstand darunter jenen Zweig der gestaltenden (= synthetischen) Sprachwissenschaft, der auf das System Esperanto angewandt wird, d.h. die Sprachwissenschaft des Esperanto, wobei Wüster sich 1955 ausdrücklich auf Neergaard bezieht. Diese Festlegung auf die „Sprachwissenschaft des Esperanto“ greift allerdings zu kurz, da man das Phänomen Esperanto nicht auf den linguistischen Aspekt reduzieren kann. Als praktizierte Sprache einer internationalen Sprechergemeinschaft weist es darüber hinaus weitere relevante Aspekte auf: soziale, historische, literarische, pädagogische (Didaktik und Methodik des Sprachunterrichts). Hatte Wüster noch 1955 bemerkt, er wisse nicht, wer den Terminus „Interlinguistik“ eingeführt habe, so korrigiert er dies beim Wiederabdruck seines Beitrages in meinem 1976 von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft vorgelegten Plansprachen-Band20, indem er auf Jules Meysmans verweist. Bei meinen Recherchen zur Geschichte des Begriffes war ich auf den belgischen Stenographielehrer Jules Meysmans gestoßen (1870–?), der 1911/12 in Brüssel eine kleine Zeitschrift Lingua Internationale21 herausgab und dort den Begriff verwendete. 16
Zu Wüster vgl. Ehrung …, FELBER/LANG/WERSIG, OESER/GALINSKI, neuerdings CAMPO. 17 Vgl. WÜSTER 1955, 1978, S. 209–215; dt. Übers. in HAUPENTHAL 1976, S. 271– 277. 18 Vgl. WÜSTER 1931. 19 Vgl. WÜSTER 1921; wieder abgedr. in WÜSTER 1978, S. 17–25. 20 Vgl. HAUPENTHAL 1976. 21 Lingua Internationale. Revue mensuelle consacrée à l’élaboration de la langue auxiliaire internationale. Bruxelles 1. 1911/12: 1–12. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Er schreibt: „Wir möchten wissen, ob es nicht möglich wäre, eine neue Wissenschaft zu schaffen, die sich z.B. Interlinguistik nennen würde und die die natürlichen Gesetze der Bildung gemeinsamer Hilfssprachen studieren würde.“22 Dabei schließt Meysmans auch Ethnosprachen ein, „die von verschiedenen Völkern mit verschiedenen Sprachen angenommen werden“.23 Man sieht, daß Meysmans 1911 den Begriff weiter faßt als 20 Jahre später Jespersen, für den Interlinguistik Plansprachenwissenschaft (kreativ und deskriptiv) ist. Wenn also Autoren nach Jespersen den Begriff wieder inhaltlich erweitern, so ist dies letztlich ein Rückfall hinter die Position Jespersens. So schreibt z.B. der Wiener Romanist Mario Wandruszka (1911–2004) 1971: „Linguistik der Mehrsprachigkeit, der Sprachmischungen und Mischsprachen, der Übersetzung und des Übersetzungsvergleichs, des ‚Gesprächs zwischen den Sprachen in uns‘, die neue vergleichende Sprachwissenschaft, die noch ihren Namen sucht, das alles kann man zusammenfassen als I n t e r l i n g u i s t i k .“24 Wandruszka ist sich allerdings bewußt, daß er neuen Wein in alte Schläuche füllen will. Er hebt auf ein Referat des Schweizer Indogermanisten Albert Debrunner (1884–1958) ab, das dieser 1948 beim 6. Internationalen Linguistenkongreß in Paris gehalten hatte, in dem er eindeutige Festlegungen vornimmt: „Da nun die Erforscher der Lingua ‚Linguisten‘ heißen und ihre Wissenschaft ‚Linguistik‘, so sind zu Interlingua [Abkürzung für Internationale Hilfssprache, R. H.] die Bezeichnung ‚Interlinguist‘ und ‚Interlinguistik‘ gebildet worden.“25 2. Der Gegenstand von Interlinguistik und Esperantologie26 1931 konnte Jespersen als eines der ausgemachten Ziele der Interlinguistik noch die Schaffung einer idealen Plansprache im Visier haben, ihr also kreative Aufgaben zuordnen, während die Esperantologie eine feststellende bzw. deskriptive Wissenschaft sei. Noch bei Umberto Eco (La ricerca della lingua perfetta nella cultura Europea)27 schwingt dies 1993 nach. Tatsächlich lehrt die Geschichte der Plansprachen, daß alle mit dem Anspruch auftraten, die beste Lösung zu bieten und die Vorgänger zu übertrumpfen. Einzig und allein dem Prälaten Schleyer wird 22
Vgl. MEYSMANS, dt. Übers. in HAUPENTHAL 1976, S. 111–112, hier S. 111. A.a.O., S. 111. 24 Vgl. WANDRUSZKA, S. 10. 25 A.a.O., S. 10, Anm. 2. 26 Vgl. zu dieser Thematik I./R. HAUPENTHAL 2012, 2013. 27 Vgl. ECO 1993, 1994. 23
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man attestieren können, daß er autonom war. Sein Volapük hat eine Fülle von Ablegern hervorgerufen. Dazu zählen z.B. die Projekte von Émile Dormoy (Balta, 1887), Juraj Bauer (Spelin, 1888), Julius Fieweger (Dil, 1893), Wilhelm von Arnim (Veltparl, 1896) und Joseph Marchand (Dilpok, 1898). Selbst Zamenhof, der Autor des Esperanto, konnte für sein Projekt von 1887 aus Fehlern Schleyers lernen.28 Das Esperanto seinerseits war Anlaß zu Reformen, die sogar von Zamenhof selbst betrieben wurden.29 Die bekannteste ist die des französischen Mathematikers und Leibniz-Forschers Louis Couturat (1868–1914)30, der 1907 mit seinem Ido (= Esperanto reformita) an die Öffentlichkeit trat. Auch spätere Projekte wie das Occidental (hernach in Interlingue umbenannt) des Deutschbalten Edgar von Wahl (1867–1948) oder in der frühen Nachkriegszeit (1951) das Interlingua des Deutschamerikaners Alexander Gode (1906–1970) liegen in diesem Trend, Besseres zu produzieren. Konsequenterweise hat auch Jespersen 1928 ein eigenes Plansprachenprojekt Novial vorgelegt.31 All diesen Reformprojekten war jedoch kein dauerhafter Erfolg beschieden. Ob das Esperanto langfristig diesem Beispiel folgen wird oder die Ausnahme ist, die die Regel bestätigt, bleibt abzuwarten. Daß es seit nunmehr 125 Jahren praktiziert wird und eine nicht mehr überschaubare Flut an Publikationen hervorgebracht hat, fordert allerdings dazu auf, dieses Material zu sammeln, zu sichten und wissenschaftlich aufzuarbeiten. Dabei übersteigt das noch zu Leistende das schon Geleistete deutlich. Wenn wir als das Objekt interlinguistischer Forschung die von Menschen bewußt geschaffenen Sprachen – Plansprachen also – ansehen, wird es darum gehen, die Fülle dieses Materials zu sichten und zu klassifizieren. Da bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert das Volapük eine breite Diskussion darüber ausgelöst hat, ob eine Plansprache wünschenswert und möglich sei und wie sie beschaffen sein soll,32 verwundert es nicht, daß schon damals erste Versuche unternommen wurden, das vorliegende Material übergeordneten Gesichtspunkten zu unterziehen. Als erster hat der französische Artillerieoffizier und spätere Pazifist Gaston Moch (1859–1935) in seinem „Bericht über die Frage der internationalen Sprache“33, den er dem 8. Internationalen Friedenskongreß 1897 in Hamburg vorlegte, eine Klassifikation vorgenommen, die in der interlinguistischen Fachliteratur bis 28
Vgl. HAUPENTHAL 2013 a, NEVES 2013. Vgl. BACK. 30 Zu Couturat vgl. Louis Couturat …, BEAUFRONT, DASSEN, Œuvre …, LUCIANO, SANZO. 31 Vgl. JESPERSEN 1928 a, b, 1930, 2013. 32 An dieser Diskussion haben sich u.a. der Romanist Hugo Schuchardt (1842–1927), der Indogermanist und Balkanologe Gustav Meyer (1850–1900) und der Germanist Richard M. Meyer (1860–1914) beteiligt. Vgl. SCHUCHARDT 1888, 1894; G. MEYER, R.M. MEYER. 33 Vgl. MOCH 1897 a, b, c, S. 44–50. Zu Moch vgl. BOURRELIER. 29
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in die Gegenwart hinein nachwirkt.34 Er gliedert wie folgt: lebende natürliche tote (insbesondere Latein) Sprache geschriebene (Pasigraphien) künstliche
a priori im engeren Sinne a posteriori
Als 1903 das erste Grundlagenwerk zur Interlinguistik, die Histoire de la langue universelle der beiden Pariser Mathematiker Louis Couturat und Léopold Leau (1868–1943) erschien, wurde diese Einteilung der Plansprachen übernommen.35 In der Tat verzichten beide Autoren auf eine rein chronologische Ordnung, um aufgrund der völlig unterschiedlichen Beschaffenheit der analysierten Systeme beim Leser den Eindruck von Verwirrung und Chaos zu vermeiden. Sie gliedern das Material vielmehr in drei Gruppen von Projekten: 1. Apriori-Sprachen oder philosophische Sprachen ohne Bezug zu natürlichen Sprachen. Dazu zählen sie nicht nur die Versuche des Philosophen René Descartes (1596–1650), des schottischen Intellektuellen und Privatschullehrers in Oxford George Dalgarno (1626–1687)36, des englischen Bischofs John Wilkins (1614–1672)37 und des Universalgelehrten Johann Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716)38, sondern auch Projekte des ungarischen Minimenpaters György Kalmár (1726–1781)39, des Geistlichen und Prinzenerziehers am spanischen Hof Bonifacio Sotos Ochando (1785–1869),40 des französischen Arztes Adolphe Charles Antoine Marie Nicolas (1833–?) (Spokil, 1904), des Innsbrucker Kanzleidirektors Ferdinand Hilbe (1850–1912)41 (Zahlensprache, 1901) und von Karl Dietrich (Völkerverkehrssprache, 1902). Erwähnt sei auch das „Programm zur Schaffung einer allgemeinen Sprache“ (1861) des deutschen Schriftstellers und Zarenerziehers am St. Petersburger Hof August Theodor von Grimm (1804–
34
Vgl. z.B. BLANKE 1985, S. 100–103; 2006 a. Vgl. COUTURAT/LEAU. 36 Vgl. DALGARNO. Zu Dalgarno vgl. FUNKE 1929, MAAT 1995, 1999, SALMON: 37 Vgl. WILKINS. Zu Wilkins vgl. MAAT 1999. 38 Zu Leibniz vgl. BLANKE 1996, DIELS, POMBO 1987, 1997. 39 Vgl. KALMÁR. Zu Kalmár vgl. DAVID. 40 Zu Sotos Ochando vgl. COUTURAT/LEAU, S. 59–70, CALERO VAQUERA 1993, 1996, 1999; FUSTER RUIZ, MATEOS Y SOTOS, MOURELLE DE LEMA, VELARDE LOMBRAÑA sowie die Bibliographie von CODORNÍU. 41 Zu Hilbe vgl. FINK. 35
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1878).42 2. Aposteriori-Sprachen, d.h. Sprachen, die sich an natürliche Sprachen anlehnen und ihre Bestandteile aus ihnen übernehmen, z.B.: • Pasilingua (1885) des Zaberner (Saverner) Lehrers Peter Steiner (1817– 1894) 43 • das sog. Bamberger Projekt (1887) des Pfarrers Nikolaus Eichhorn (1821– 1907) 44 • Kosmos (1888) von Eugen A. Lauda45 • Myrana und Communia (1889, 1894) des Allgäuer Pfarrers Joseph Stempfl (1830–1896)46 • Mondolingue (1890) des Wiener Bahnhofsvorstands Julius Lott (1845– 1905)47 • die Langue catholique (1892) des französischen Militärarztes in Argentinien Alberto Liptay (1859–1922)48 • Universala (1893) des Präzeptors Eugen Heintzeler (1854–1894)49 • Novilatiin (1895) des Gymnasiallehrers Ernst Beermann (1853–1936)50 und natürlich • Esperanto (1887) des jüdischen Augenarztes Lazar Markovič Zamenhof51 3. Eine Zwischenstellung nehmen die sog. gemischten Sprachen ein, die Elemente der einen wie der anderen Richtung enthalten. Dazu zählen sie z.B.: • Volapük des katholischen Pfarrers Johann Martin Schleyer52 • Spelin (1888) des Zagreber Gymnasiallehrers Juraj (Georg) Bauer (1848– 1900)53 • Dil (1892) des Breslauer Stenographen Julius Fieweger (1841– ?)54 • Veltparl (1896) von Wilhelm von Arnim55 • Dilpok (1898) des katholischen Priesters Joseph Alexandre Marchand (1851– 42
Zu Grimm vgl. HAUPENTHAL 2007. Vgl. P. STEINER 1885, 1887. 44 Vgl. EICHHORN. 45 Vgl. LAUDA. Lebensdaten zu Lauda waren nicht zu ermitteln. 46 Vgl. STEMPFL 1889, 1894. Zu Stempfl vgl. HAUPENTHAL 2005 b. 47 Vgl. LOTT. Zu Lott vgl. JANOTTA. 48 Vgl. LIPTAY 1890, 1891, 1892. Zu Liptay vgl. GOUEDART. 49 Vgl. HEINTZELER. Zu Heintzeler vgl. HAUPENTHAL 1984. 50 Vgl. BEERMANN 1895. Zu Beermann vgl. BLANKE 2003, 2004, 2006 b. 51 Vgl. KÜNZLI. 52 Zu Schleyer und Volapük vgl. u.a. HAUPENTHAL 2012 a, 2013 c, Prälat-SchleyerJahrbuch. 53 Zu Bauer vgl. PIŠKOREC. Dort weiterführende Literatur. 54 Vgl. FIEWEGER 1892, 1894. 55 Vgl. ARNIM 1896, 1898. Lebensdaten zu Arnim waren nicht zu ermitteln. 43
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1914)56 und • Langue bleue (1899) des Pariser Kaufmanns Léon Bollack (1859–1919)57 Auch der Supplementband von 1907 (Les nouvelles langues internationales58) behält diese Gliederung bei und untersucht z.B.: • Blaia Zimondal (1886) des Lehrers (?) Cesare Meriggi59 aus Como • Pankel (1906) von Max Wald60 • Universal bzw. Panroman (1903) des Gräfelfinger Gymnasiallehrers Heinrich Molenaar (1870–1965)61 • Latino sine flexione (1903) des Turiner Mathematikers Giuseppe Peano (1858–1932)62 • Mondelingva (1903) des Saulgauer Buchhändlers Johann Hummler (1846– 1917)63 • Novilatin (1907) des bereits erwähnten Ernst Beermann64 Spätere Autoren sind trotz vorgeschlagener Varianten und Ausdifferenzierungen nicht entscheidend über diese Einteilung hinausgekommen. So unterscheidet Eugen Wüster65 in Anlehnung an Couturat und Leau zwei Großgruppen: 1. philosophische oder apriorische Plansprachen. Er geht dabei von großer Merkhilfe der Benennungen aus, d.h. einem möglichst deutlichen Zusammenhang zwischen der Wortform und ihrer Bedeutung und stellt fest, daß die meisten älteren Plansprachen nur selbständige, von Nationalsprachen unabhängige Merkhilfen anstrebten. Wegen ihrer geringen Merkhilfe scheiden solche Plansprachen für praktische Zwecke aus. 2. Auswahl-Plansprachen oder aposteriorische Plansprachen. Dazu zählt Wüster die meisten modernen Plansprachen, auch das Volapük. Die Sprachbeschaffenheit ist dabei gekennzeichnet durch: a) den Auswahlbereich, d.h. die Quellensprachen; b) die Auswahltreue, d.h. die Natürlichkeit; 56
Vgl. MARCHAND 1905, 1906. Zu Marchand vgl. CHAMPION. Vgl. BOLLACK 1899, 1900 a, b. 58 Vgl. COUTURAT/LEAU (Les nouvelles…). 59 Vgl. MERIGGI. Lebensdaten zu Meriggi waren nicht zu ermitteln. 60 Vgl. WALD. Lebensdaten zu Wald waren nicht zu ermitteln. 61 Vgl. MOLENAAR 1906, 1909. 62 Zu Peano vgl. KENNEDY. Zu Latino sine flexione vgl. BARANDOVSKÁ-FRANK 2003. Dort die Primärliteratur zu Peano. 63 Vgl. HUMMLER. Zu Hummler vgl. HAUPENTHAL 1986. 64 Vgl. Anm. 45. 65 Vgl. WÜSTER 1931, S. 324–325. 57
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c) die verschieden große Neigung zur Flexion, d.h. Wortbildung und Wortableitungen. Der langjährige Vorsitzende der Gesellschaft für Interlinguistik, Detlev Blanke, nimmt eine neue Unterscheidung vor und gliedert in: 1. Plansprachenprojekte, 2. Semiplansprachen (z.B. Volapük, Ido) und der nach ihm einzigen Plansprache Esperanto, eine Einteilung, die allerdings anderen Kriterien folgt, nämlich der Frage der Sprecherzahl, der Verbreitung und der praktischen Bedeutung, wobei die Sprachbeschaffenheit nicht entscheidend ist. Blanke verweist auch auf weitere Begriffsverwendungen, die von den klassischen Aufgaben der Interlinguistik als Plansprachenwissenschaft abweichen und als Usurpierung eines inhaltlich längst festgelegten Begriffes zu werten sind. 66 3. Zum Forschungsstand 1942 hatte Neergaard – auf die Esperantologie bezogen – folgende 11 Teildisziplinen unterschieden: 1. Phonetik, 2. Lexikologie (2.1 Wortbildung, 2.2 Morphologie, 2.3 Einführung neuer Wörter, 2.31 allgemeiner Wortschatz, 2.32 Terminologie, 2.33 Eigennamen, 2.34 Lexikographie, 2.35 Worthäufigkeit), 3. Etymologie, 4. Syntax, 5. Semantik, 6. Stilistik, 7. Analyse der phylogenetischen Entwicklung (historische Entwicklung), 8. Analyse der ontogenetischen Entwicklung (z.B. Kindersprache), 9. Vergleichende Esperantologie (= Interlinguistik), 10. Pädagogik (Methodik, Didaktik), 11. Bibliographie. Einen wichtigen Teilbereich hatte Neergaard übersehen: die Literaturwissenschaft, wozu wir einerseits die Erforschung der in Esperanto entstandenen Originalliteratur zählen, zum anderen die Übersetzungsliteratur, die auch Gegenstand vergleichender Literaturwissenschaft sein müßte. Die Fülle des esperantologischen und interlinguistischen Materials hat der britische Bibliothekar Montagu Christie Butler (1884–1970)67 besser in den Griff bekommen. Er hat die von ihm begründete Bibliothek der British Esperanto Association nach der Dezimalklassifikation von Melvil Dewey (1851–1931) geordnet, für den spezifisch esperantologischen Teil jedoch eine eigene Klassifikation entwickelt, die das Material und demnach die Gegenstandsbereiche wie folgt gliedert: E0
E1 66 67
Die Esperanto-Bewegung: Hierher gehören z.B. Handbücher, Kompendien und Enzyklopädien, das Kongreß- und Vereinswesen, das Unterrichtswesen, Geschichte und Verbreitung des Esperanto. Orthographie
Vgl. BLANKE 1985, S. 107–108; 2006, S. 27–31. Vgl. BUTLER. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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E2
E3 E4 E5 E6 E7 E8 E9
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Etymologie: Struktur des Esperanto, Vergleich mit anderen Sprachen, Entwicklung und Neologismen, Wortbildung, das System der Präfixe und Suffixe, Terminologie Wörterbuchfragen Synonymie, Antonymie, Homonymie, Wortspiele Grammatik und Syntax Prosodie und Verslehre Sprachreformen Lehr- und Lesebücher Redefiguren, Stilistik
Die eigentliche Plansprachenwissenschaft klammert Butler aus, d.h. er subsumiert sie nicht unter die Esperantologie, sondern läßt sie eigenständig bestehen. Für den Gesamtkomplex sieht er u.a. folgende Abteilungen vor: 1. Die Plansprachenbewegung (Zeitschriften, Gesellschaften, Geschichte) = soziologischer Aspekt 2. Typologie der Plansprachen = vergleichende Plansprachenwissenschaft 3. Plansprachenprojekte = Analyse von Einzelprojekten Dieser dritte Bereich ist naturgemäß der umfangreichste. Hierzu gehören die Entwürfe von Philosophen wie Bacon, Descartes, Comenius, Leibniz und Spencer, der gesamte Komplex der Pasigraphien68. Neben Esperanto und Volapük mit deren Abwandlungen und Abkömmlingen gliedert Butler Plansprachen nach Herkunft und Struktur und unterscheidet so z.B.: Nationalsprachen (auch Latein)69 als internationale Sprachen, Pidgin- und Kreolsprachen70, Plansprachen auf der Basis nationaler Sprachen, sowie westeuropäische aposteriori-Sprachen: Idiom Neutral, Occidental, Novial und Interlingua. Überschaut man diese verwirrende Materialfülle, dann lassen sich folgende Feststellungen treffen: 1. Die im engeren Sinne esperantologische Literatur ist zum Großteil in Esperanto verfaßt, so daß sie einem Nichtkenner dieser Sprache verschlossen bleibt. 2. Sie ist ungleichgewichtig. So liegen z.B. zahlreiche Abhandlungen zur Frage der passiven Partizipien -ata und -ita vor, zur Frage der Verwendung von Neologismen und – seit der Auseinandersetzung mit Ido – zur Wortbildung. Die Diskussion hatte René de Saussure (1868–1943)71, ein Bruder des Genfer 68
Vgl. NÖTH, SCHRÖDER 1998 a, b, SONDERMANN 1991, 1994, WILD. Vgl. BARANDOVSKÁ-FRANK 1995. 70 Vgl. z.B. HEIL. 71 Seine und anderer diesbezügliche Veröffentlichungen sind erfaßt bei HAUPENTHAL 1982 a. 69
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Sprachwissenschaftlers Ferdinand de Saussure (1857–1913), in Gang gesetzt. 3. Der Löwenanteil der Esperanto-Literatur sind Lehrbücher, Grammatiken, Wörterbücher und Fachwörterbücher.72 4. Die Literatur zu Plansprachen ist eher in Nationalsprachen (Englisch, Französisch, Deutsch, Russisch) verfaßt. 4. Zum Dokumentationsstand Es gibt letztlich weltweit nur zwei öffentliche Bibliotheken, die auf Interlinguistik und Esperantologie spezialisiert sind: die Sammlung Plansprachen und Esperantomuseum, eine 1927 gegründete Abteilung der Österreichischen Nationalbibliothek, die heute im Palais Mollard in Wien untergebracht ist. Ihre Bestände sind sowohl über gedruckte Kataloge73 zugänglich als auch elektronisch über den OPAC der ÖNB abrufbar. Daneben gibt es im Schweizer Jura das Centre de Documentation et d’Étude sur la Langue Internationale (CDELI), das sich in der Stadtbibliothek von La Chaux-de-Fonds befindet.74 Die Bestände des CDELI werden nach und nach elektronisch in dem System RERO des Westschweizer Bibliotheksverbandes erfaßt. Darüber hinaus existieren größere Sammlungen einzelner Esperanto-Verbände, z.B.: • die Bibliothek Hector Hodler beim Esperanto-Weltbund in Rotterdam75; • die bereits erwähnte Bibliothek Montagu Butler des Britischen EsperantoBundes; • die Deutsche Esperanto-Bibliothek, die sich z.Z. in der Stadtbibliothek zu Aalen befindet.76 Nennenswerte plansprachliche Altbestände besitzen: • die Staatsbibliothek zu Berlin, die allerdings erhebliche Kriegsverluste zu verzeichnen hat, andererseits jedoch die Bestände des Deutschen Esperanto-Instituts aus der Vorkriegszeit übernehmen und so vor dem Zugriff der Nationalsozialisten retten konnte;77 • die Bayerische Staatsbibliothek, die die Bestände des ehemaligen Münchener Volapük-Klubs übernahm, eine bedeutende Schenkung des Wiener EsperantoMuseums erhielt und zuletzt die Privatbibliothek des Prälaten Schleyer78 sowie die umfangreiche Privatsammlung von Irmi und Reinhard Haupenthal, 72
Vgl. z.B. HAUPENTHAL 1991, OCKEY. Vgl. H. STEINER 1957/58, 1969/1975. 74 Vgl. GACOND. 75 Vgl. LINS. 76 Vgl. MAIER/SCHAEFFER. 77 Vgl. SZIMKAT. 78 Vgl. HAUPENTHAL 2011. 73
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über die die BSB auch zahlreiche Archivalien erhält;79 • die Universitätsbibliothek Köln, die Teile der im Krieg vernichteten Privatsammlung Paul Tarnow (1881–1944) aus Düsseldorf in ihre Bestände integrierte;80 • während meiner Zeit als Lehrbeauftragter für Esperantologie und Interlinguistik (1968–1994) hat die UB Saarbrücken in größerem Maße entsprechende Fachliteratur angeschafft.81 Erwähnenswert sind auch die Bestände der UB Amsterdam82 sowie die Privatsammlung des für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagenen schottischen Esperanto-Literaten William Auld (1924–2006)83, die Eingang in die schottische Nationalbibliothek in Edinburgh gefunden hat. Erhalten blieben auch die Sammlungen des erwähnten Pflanzenpathologen Paul Neergaard und des Völkerrechtlers Ivo Lapenna (1909–1987), beide in Kopenhagen, sowie Teile der Sammlung des kroatischen Journalisten Marinko Gjivoje (1919–1982) (heute in der Nationalbibliothek Zagreb) und des ungarischen Postbeamten Karoly Fajszi (1911–2004).84 Sehr viel schlechter bestellt ist es um Archivalien, die in größerem Umfang lediglich in Wien und La Chaux-de-Fonds lagern, bislang aber wissenschaftlich nicht ausgewertet wurden. So wird z.B. die Fotosammlung des Wiener Esperantomuseums digitalisiert und ist über das Bildarchiv Austria abrufbar. Die heutigen Esperanto-Organisationen wären gut beraten, wenn sie mit den größeren wissenschaftlichen Bibliotheken ihres Landes Übereinkommen träfen, um vor allem Rara und Unika durch Übernahme in diese Bibliotheken zu retten. So wäre es sinnvoll, die Bibliothek des Deutschen Esperanto-Bundes an die Staatsbibliothek zu Berlin zu überführen, um sie dort mit den Beständen aus der Vorkriegszeit zu vereinigen. Zahlreiche größere Sammlungen – die Bibliothek Zamenhofs85 eingeschlossen – sind im Laufe der Zeit durch Kriegseinwirkungen oder Sorglosigkeit in Verlust geraten.86 Daß ihr Fehlen, insbesondere wenn es sich um Korrespondenzkorpora handelt, die wissenschaftliche Erforschung des Phänomens Esperanto erheblich erschwert oder gar unmöglich macht, liegt auf der Hand. 79
Vgl. KÖLBL 2011, 2012. Vgl. WINGEN. 81 Vgl. HAUPENTHAL 1977. 82 Vgl. Catalogi … 83 Zu Auld vgl. HAUPENTHAL 2012 b. 84 Vgl. Katalogo… 85 Vgl. WAJSBLUM. 86 Das eklatanteste Beispiel ist die verschollene Bibliothek von Georg Davidov (1879– 1967). Ihre Bestände sind erfaßt in DAVIDOV. Die Bibliothek von Ernest Deligny (1864– 1950) ist heute in der Stadtbibliothek von St. Omer (Pas-de-Calais, Frankreich) in Vergessenheit geraten. Vgl. DELIGNY. Auch die Bibliothek von Marinko Gjivoje ist zum Großteil verschwunden, ein Teil befindet sich in der Nationalbibliothek zu Zagreb. 80
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5. Desiderate Der Blick auf archivalische und bibliothekarische Notwendigkeiten zur Schaffung von Grundlagenmaterial zur wissenschaftlichen Aufarbeitung von Esperantologie und Interlinguistik führt uns zur Frage nach wissenschaftlichen Desideraten überhaupt, die an beide Disziplinen zu richten sind. Dazu einige Überlegungen vorweg: 1. Die Mehrzahl der Plansprachen ist im Stadium eines Projekts oder gar einer bloßen Skizze stecken geblieben. Es hat sich nie eine soziale Bewegung um diese Projekte entwickelt.87 2. Der Niederländer Wilhelmus Manders (1910–1998) hat seiner 1947 in Utrecht erschienenen Dissertation den Titel Vijf kunsttalen88 gegeben. Er analysiert darin Schleyers Volapük, Zamenhofs Esperanto, Couturats Ido, von Wahls Occidental und Jespersens Novial. 1951 kam das IALA-Projekt Interlingua hinzu. Diese sechs Plansprachen haben einige praktische Bedeutung erlangt. 3. 65 Jahre später ist von diesen Projekten einzig Esperanto übriggeblieben. Es ist zum Synonym für Plansprache geworden. Alle übrigen sind zur Bedeutungslosigkeit verkommen. 4. Der Tessiner Psychiater und Interlinguist Tazio Carlevaro (* 1945) hat 1999 in einem Buchtitel die provokative Frage gestellt „Wird Esperanto das Jahr 2045 überleben?“89 Carlevaros These lautet, daß es das Schicksal aller Plansprachen sei, wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Kein Wunder also, daß sein Buch in Esperanto-Kreisen totgeschwiegen wird. Es ist hier nicht unsere Aufgabe, über die Zukunft und die Erfolgschancen der Plansprachen zu spekulieren. So viel wird man allerdings sagen können: so wie es Religiosität außerhalb der etablierten Religionen gibt, ist Interlinguistik auch außerhalb des Plansprachenmilieus denkbar. Sieht man sich die derzeitige Produktion an, so gilt dennoch, daß der Großteil aller Veröffentlichungen gekoppelt ist mit der sozialen Wirklichkeit von Plansprachen, d.h. heutzutage in erster Linie mit Esperanto. Welche Aufgaben hat eine künftige Interlinguistik wahrzunehmen? Da Esperantologie und Interlinguistik keine institutionalisierten Wissenschaften sind, ist mit systematischer Forschung oder gar Teamarbeit einstweilen nicht zu rechnen. Es bleibt vielmehr der individuellen Interessenlage Einzelner vorbehal87
Vgl. die entsprechenden Listen bei DREZEN, S. 350–365 und DULIČENKO, S. 373– 390. 88 Vgl. MANDERS. 89 Vgl. CARLEVARO. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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ten, auch größere Projekte zu realisieren. So ist 2008 die bislang umfangreichste Bestandsaufnahme der Esperanto-Literatur durch den Briten Geoffrey Sutton90 erfolgt. 2010 erschien unter der Federführung des Ungarn Árpád Máthé eine Bibliographie91 der Esperanto-Periodika. Auch auf dem Gebiet der Lexikologie hat sich in den letzten Jahren gezeigt, daß es Einzelpersonen waren, die größere Wörterbücher vorgelegt haben.92 Unabhängig davon lassen sich von der objektiven Bedarfslage her einige Projekte nennen, deren Zustandekommen sich als äußerst förderlich und hilfreich erweisen könnte: 1. Es gibt seit 1929 keine Gesamtbibliographie des plansprachlichen Schaffens. Zweierlei wäre hier zu prüfen: a) Ist eine präzisere, klarer strukturierte Neuauflage der Bibliographie von Stojan93 möglich? b) Läßt sich die Bibliographie – unter Beibehaltung ihrer Struktur oder neu strukturiert – in die Gegenwart fortschreiben? Die Bibliographien des Schrifttums in Occidental, Novial und Interlingua sollten unabhängig davon angegangen werden. Für Volapük und Ido liegen solche Bibliographien vor. 94 Desiderate an die wissenschaftliche Erforschung des Volapük habe ich bereits vor einigen Jahren vorgestellt.95 2. Eine Überarbeitung des klassischen Grundlagenwerks von Couturat und Leau (1903) sollte ebenso erfolgen wie dessen Übersetzung in andere Sprachen. Auch weitere Grundlagenwerke sollten in Übersetzungen erscheinen. 3. Vonnöten ist eine alphabetisch geordnete interlinguistische Enzyklopädie, die in detaillierten Artikeln das Faktenwissen zu den wichtigsten Projekten, Persönlichkeiten und Themenkomplexen der Plansprachenbewegung darstellt.96 4. Was die Esperantologie selbst anbelangt, so käme dieser die Fortführung der Stojan-Bibliographie ebenfalls zugute. 5. Eine auf den neuesten Stand gebrachte Esperanto-Enzyklopädie ist ebenfalls unabdingbar.97 6. Die Ausarbeitung eines Historischen Wörterbuches (Belegstellenwörter-
90
Vgl. SUTTON. Vgl. HERNÁNDEZ YZAL/MATHÉ/MOLERA. 92 Vgl. MIYAMOTO, MINNAJA, DIEGO, KRAUSE. 93 Vgl. STOJAN. 94 Für Volapük und Ido liegen solche Bibliographien (mit Standortnachweisen) bereits vor: HAUPENTHAL 1982 b, CARLEVARO/HAUPENTHAL. 95 Vgl. HAUPENTHAL 2013 c. 96 Diesen Anspruch erfüllt nur sehr bedingt ALBANI/BUONARROTI 1994, 2001. 97 Auf dem Stand der 1930er Jahre ist KÖKÉNY/BLEIER. In gewisser Hinsicht bietet eine Aktualisierung: LAPENNA/LINS/CARLEVARO. 91
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buch)98 würde nicht nur die Lexikologie des Esperanto fördern. Mit seiner Hilfe ließen sich auch viele Detailfragen der Grammatik und Wortbildung studieren, z.B. der Gebrauch der Affixe, das Aufkommen sog. Neologismen (Autor, Zeitpunkt), zusammengesetzte Wörter, Verbalisierung von Adjektiven und Substantiven. Es würde auch zeigen, daß das Sprachsystem bereits um 1900 (man bezeichnet die bis dahin erschienenen Schriften als „EsperantoInkunabeln“99) voll ausgebaut war und fast nur noch der Morphembestand außerhalb der Affixe und Wortendungen Erweiterung erfuhr. Dieses Wörterbuch ist z.Z. im Entstehen und hat das Jahr 1889 erreicht100. 7. Die Reprint- und Digitalisierungsarbeit sollte planmäßig fortgesetzt werden. Dies gilt vor allem für Periodika, die heute kaum noch greifbar und daher auch nicht auswertbar sind. Hier hat die Österreichische Nationalbibliothek eine Vorreiterrolle eingenommen mit der Digitalisierung der erwähnten „Inkunabeln“ und früher Periodika. So ist z.B. die Digitalisierung der 23 Tagebücher des Prälaten Schleyer durch die Bayerische Staatsbibliothek beabsichtigt. 8. Auf dem Gebiet der Belletristik sollten verstärkt Gesamtausgaben einzelner Autoren in Angriff genommen werden. Dies gilt insbesondere für die in Zeitschriften versteckt erschienenen Texte. Editionstechniken müßten entwickelt werden.101 9. Die Historiographie der Esperanto-Verbände auf Landesebene sowie der Fachverbände sollte weiter geführt werden. 10. Archivbestände sollten systematisch erfaßt werden. Die Archive von Verbänden und Einzelpersonen sollten in wissenschaftliche Bibliotheken bzw. Archive überführt werden. 11. Vonnöten sind Sammelbände, die Texte aus der Frühzeit der Interlinguistik, vor allem des 19. Jahrhunderts, wieder zugänglich machen. Auch das plansprachliche Oeuvre einzelner Autoren sollte in Sammelbänden zusammengefaßt werden. Ich denke hier z.B. an Max Mangold, Gotelind Müller, Frieder Sondermann, Gerhard Strasser u.a. Zur Verwirklichung all dieser Aufgaben ist die heutige Esperanto-Bewegung zu schwach, zu unqualifiziert und zu wenig disponiert. Daher ist Hilfe von außen geboten. Wissenschaftliche Institutionen und der universitäre Wissenschaftsbetrieb sollten sich hier zur Erhaltung und Erforschung eines bislang eher vernachlässigten Kulturerbes verstärkt engagieren.
98
Vgl. hierzu HAUPENTHAL 2005 a. Der Japaner Kanji Itō (1919–2005) hat diese Frühdrucke als Faksimile-Ausgabe vorgelegt: ludovikologia … Vgl. auch ITŌ. 100 Vgl. NEVES 2011. 101 Vgl. Anm. 8. 99
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Reinhard Haupenthal
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Reinhard Haupenthal
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Orality Overwritten Power Relations in Textualization Sonja John
Introduction1 Language is a fundamental site of struggle for Indigenous2 discourse because language has itself played such a leading role in the colonization of Indigenous nations.3 The colonial process itself begins with language; the very wiping out of distinctive collectivities under an undifferentiated term such as “Indian” is an example of this process in operation. The control over language by the settler society–usually achieved by displacing Native languages with the language of the colonial power and by installing itself as a “standard” – remains the most potent instrument of cultural control. In this chapter I will analyze the debate over the external introduction of a different orthography that aims at “saving” an Indigenous language. Yet, some of the Indigenous people concerned criticize this foreign orthography and the same old mechanisms of domination and control that are applied to install this orthography as the “standard.” In 2004, two Europeans, an anthropologist and a linguist, founded the socalled Lakota Language Consortium (LLC) to fundraise for and market their products – Lakota language books. The new orthography the Czech linguist advocates resembles the Czech orthography – making it easier for Czech people to read. The Europeans predominantly use the internet to give the impression that this “Czech orthography” is a Lakota product and the standard for writing Lakota. This pro-
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For critique and shared reflections on this article I thank Magdalena Freudenschuss, Brigitte Bargetz, Claudia Brunner and Christine Hentschel. 2 I prefer the term “Indigenous” over “Native American” or “American Indian” because of the implicit notion of coming from the land, which is both an accurate self-description of most Indigenous peoples’ origin stories and a political declaration about claims to the land. The concept of Indigenous also challenges the anthropological and legal preoccupation with the focus on the question of “first occupancy” or “prior occupancy.” I also occasionally use “First Nation” or “Native” interchangeably with “Indigenous.” Whenever possible I use the self-referential expression, in this case Oglala Lakota. 3 The labeling of Indigenous societies as “nations” is standard in the USA and Canada. Recently, this nation-to-nation relationship has been acknowledged by U.S. president Barack Obama in the Declaration of the National Native American Month (The White House 2013). © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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voked protest from even the more reserved community members and language teachers. In classrooms, homes, internet forums, and over the local reservation radio, Lakota people voice concern over this external system for spelling their language. The question of this paper is not the quality of this orthography but the coercive process of its implementation, its impact in Lakota communities, and how the LLC uses the internet in this case of the oral/literate equation. This paper intends to contribute to the discourse about the tension between textualization and oral traditions. While linguists developing a different orthography might be intensely thoughtful of linguistic details, they, at times, continue making languages subject to colonial practices of appropriation, subordination, and control. The act of introducing a different orthography of a Native language into the Native community carries implications beyond linguistic specifics; it is not an intervention into empty space as this language revitalization project implies intervention in the independence of the Lakota in cultural, political and economic dimensions – theoretically as well as practically. A population that has experienced its language being threatened and altered by colonial processes tends to read a subtext to external language politics. The case looked at here is one where artificially stored knowledge in books and on the internet may once again privilege the written (modern) over the oral (traditional). The Power of Textualization Eric A. Havelock (1989) has already drawn attention to the fact that the so-called computer age has essential influences on language, especially in the oral/literate equation. The invention of the computer has raised the issue of the production of an artificial memory: “It is the issue of memory and its relation to language and its use, oral and written, that the computer has thrust into the forefront of our consciousness.... Until we face psychologically and instrumentally the problem of accumulating memorized language, we have not yet got to the root of the issue as between orality and literacy”.4 He refers to John Dewey and Greek language behavior before Plato, to argue that states of mind are connected with conditions of communication.5 Applying these thoughts to the oral/literate equation, one could assume that the oral is performed by an “agent/patient, a doer, a sufferer, and an enjoyer” (ibid.) while the literate is performed by the thinker. He mentions that Harold Innis critiqued the invention of the roller press, which, through its mass production of newspapers distorted the mind to focus on the moment, and, as a consequence, caused readers to lose the 4
E. A. Havelock, Orality and Literacy. An Overview. In: Language and Communication 9 (2/3), p. 88. 5 Havelock, Orality and Literacy, p. 89. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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“capacity to think forwards and think backwards”.6 For anthropologists the tape recorder, then, brought the possibility to record original voices, primarily to preserve for future anthropologists to interpret. One question of the oral/literate equation is if the anthropologist can appropriately interpret and translate this knowledge. Another question – for the anthropologist – is if this Indigenous knowledge has been approached too late to be original and is not partially influenced by Western literacy. Various trends reflect a reaction to a fundamental technological change (press, tape recorder, computer, internet). Eric Havelock closes: “And the structure of language is acoustic …. Meaning is derived from sound … [and] many linguists have not exploited the theoretic possibilities of this enough. They are always tempted to go back to the text, the script”.7 Concerned with the concept of storage, he poses the questions: “How is memory preserved under oralism? What methods are used to preserve it under literacy? What are the differences? As you change the need for a given form of memorization, do you not also change the content of communication?” (ibid.). Hence, does the LLC by storing a different orthography of the Lakota language in a new book and in the internet also alter the memory of the language? Facing the problem of accumulating memorized language psychologically, what is at the root of the issue as between orality and literacy in the Lakota context? How does storing in the internet affect the oral/ literate equation? And does the internet distribute the power to access and alter equally? Although the LLC targets all of Lakota speaking country and beyond with its products, I focus on the Pine Ridge Reservation, home to the Oglala Lakota, since that is the region with which I am most familiar. As a graduate of the master’s program in “Lakota Leadership and Management” at the tribally controlled Oglala Lakota College, I have been sensitized to matters of appropriation and became familiar with numerous Oglala decolonization attempts. In fact, the pure existence of the college was an act of decolonization. My critique of the LLC’s attempt arises from this focus on sovereignty and decolonization in Indigenous matters. I intend to bring the debate I have witnessed in the community into the academic discourse where the continued applications of these neo-/colonial strategies also need to be discussed. When using the term colonialism, I refer to the process by which the European and Euro-American powers reached a position of economic, military, political and cultural domination in much of Asia, Africa, and the Americas. According to Philip G. Altbach (1977), neocolonialism differs from traditional colonialism in that it does not involve direct political control, leaving substantial freeway to the respective country. I understand neocolonialism as colonial policies performed by imperial powers with new hidden mechanisms in order to reinforce influence and dominance over Native communities. The outright destructive policies of elimi6 7
Ebd. p. 90. Ebd. p. 97. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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nation and assimilation changed to more indirect and subtle forms of domination. The Dakota writer Elizabeth Cook-Lynn (2012) argues that the concepts of neocolonialism or post-colonialism do not apply in the Native American context, since the USA still treats the Native nations as dependent colonies; the political independence of Native North American societies has never been formally recognized after the USA unilaterally declared the end of the bilateral treaty era on a strictly nation-to-nation relationship in 1871. Despite the ongoing colonial relationship, I find the post-colonial language helpful in identifying the root causes and processes at work and to indicate which similar aspects of domination still remain. The works of Frantz Fanon, Edward Said and Paulo Freire have provided a language widely used in the field of Native American studies to articulate Indigenous struggles against ongoing colonization. Indigenous peoples exist in relation to their dominant societies, in several realms quite similarly to the situation of colonized countries. The Lakota, as well, contest the power of the USA by struggling for the recuperation of their cultural difference and by making strong claims for more autonomy and sovereignty. One of the fields of struggle is the revival of Indigenous languages. Further, research into the occasions, practices and effects of epistemic violence helps to grasp the problematics of knowledge appropriation, interpretation, and representation that delegitimize Lakota epistemologies. Applying a political methodology of listening, I have conducted interviews with community members, language teachers and have exchanged emails with Jan Ullrich, the linguistic director of the LLC. In line with Michael Jackson’s (1988; 1996) anthropological method of radical empiricism, interviewing Lakota people involved with language revitalization acknowledges the partiality and shifting nature of knowledge and lodges “anthropological subjects” as active agents in the representation of their culture rather than static objects of scholarly contemplation. Oral history provides a useful tool to reconstruct, recover, and publicly memorialize local history, a history from below. While many historians regard oral testimony as secondary to archival sources, its validity has been insisted upon by Indigenous scholars (A. Wilson 2004; Miller 2008; L. Smith 1999; Denzin/Lincoln/Smith 2008). Since the grand narratives of struggle capture only a fraction of its lived reality, I asked how the Lakota society react to the introduction of a different orthography, thus incorporating Lakota epistemology and knowledge production. I have also analyzed an online chat room on the social media platform Facebook. In this “Lakota Language Group” different positions regarding the “Czech orthography” engage in discussion and tendencies become visible.8
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I use these chat room discussions as a resource very carefully as they express personal opinions that might change. I also only consider posts by group members I know to be authentic. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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The “Czech orthography” was developed to save Lakota language and culture. The question of how non-Natives can help Natives is continuously posed at talks relating to Native Americans. The Dakota Indigenous studies scholar Elizabeth Cook-Lynn has replied to this question that “little can be done about history except to know it .... there is nothing ‘fair’ in a colonial and imperialistic history that oppresses Native populations. Rather, this history expresses elimination as a solution.” She concludes that what Native Americans want is a fair playing field.9 To a lot of Native Americans the question of how to retain the Indigenous language is a highly emotional one. To understand this one has to take CookLynn’s advice and look at the imperialistic history of elimination and oppression, and at the U.S.-Native relations of forced assimilation that aimed at breaking tribal affiliation and identity. Three historical facts are important to bear in mind when non-Natives regard it as their mission to “save” a Native language via replacing an accepted and widely used orthography: firstly, the loss of Native languages is a result of colonialism, forced assimilation and oppression. This loss constitutes an historical wound that continues hurting throughout generations. Secondly, revitalization efforts have been pursued since the 1960s and 1970s, primarily as a means of decolonization. Language revitalization is still a topic, but not a new topic for community members, linguists and hobbyists10. Thirdly, an orthography of Lakota has already existed for more than 150 years. Stephen Riggs published a Dakota dictionary in 1852. Adapting Riggs’ style, Eugene Buechel collected Lakota words systematically and wrote a dictionary and a grammar book in an orthography which (with minor variations) is still accepted and used on a daily basis among fluent speakers and writers and in language learning materials. This spelling system does not originate from within the Lakota community, it constitutes colonial knowledge. However, Lakota people made this orthography their own and relate to it in an affirmative way. In the following I will recall the introduction of the written Lakota, refer to language politics from the past, and mention prior Lakota language revitalization projects before analyzing LLC’s strategies, how they affect the oral/literate equation in Pine Ridge, and how the community responds. Introduction of the Written Dakota/Lakota Like many Indigenous languages, Lakota existed orally and was first transcribed by missionaries and later reworked by linguists. Prior to contact with Europeans, Lakota history was documented through winter counts, that is, paintings on deer or buffalo hide. In the mid-1800s Stephen Riggs (1852) wrote a Dakota dictionary 9
E. Cook-Lynn, A Separate Country. Postcoloniality and American Indian Nations, p. 72. On hobbyism compare Colin Taylor, 1988: The Indian Hobbyism Movement in Europe. In Washburn, W.E. (ed.): Indian White Relations, vol. 4 of Handbook of North American Indians, edited by W.C. Sturtevant. Washington, DC: Smithsonian Institution, 562–569. 10
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– one of the three dialects of the language of the Lakota, Dakota, and Nakota. A few decades later the Jesuit Eugene Buechel further developed Rigg’s orthography for the Lakota dialect, which is the now the one – with minor variations – that is accepted and used among the Lakota. Buechel spent most of his adult life among the Lakota on the neighboring Pine Ridge and Rosebud reservations in western South Dakota. He wrote a Lakota translation of the Bible (Buechel 1924) and a Lakota grammar book (Buechel 1939) as well as – published post mortem – a Lakota dictionary (Buechel 1983) and a collection of Lakota tales and texts (Buechel 1978). These resources, along with the orthography, are used today by those who are fluent Lakota speakers and writers. Through a process of appropriation the Lakota made this orthography their own. There are minor variations of the spelling system (some use a few diacritic markings while others do not) but in general Lakota off and on the different reservations can read each others’ spelling. This commonly used orthography is referred to as “Buechel orthography,” whereas the new spelling system promoted by the non-Lakota “Lakota Language Consortium” has been referred to as “Czech orthography.” For the purpose of simplification I will use the terms “Buechel orthography” and “Czech orthography” to distinguish between the established and the latest orthography in the following.11 Historically, cultural opposition, enforced assimilation, government exploitation, and missionary efforts succeeded in reducing the use of many Native American languages. For centuries, European colonial powers and their successors showed their respect for the essential role of Indigenous languages in affirming distinctive cultures and identities by trying to eliminate them. Separate cultural and political identities hindered the settler societies’ ability to exercise plenary control in order to annex land and exploit resources. Hence, the colonial strategies utilized were to either transform Indigenous societies or to extinguish them. In the U.S. context, Christian mission schools were put in charge of “civilizing” the Natives. “Kill the Indian to save the man,”12 was the mantra. At mission schools children were not allowed to speak their Native languages. The Commissioner of Indian Affairs reported in 1887, “Deeming it for the best interest of the Indian [...]: In all schools conducted by missionary organizations it is required that all instructions shall be given in the English language. [...] This provision must be faithfully adhered to, and no books in any Indian language must be used or instruction given in that language to Indian pupils in any school where this office has entered into contract for the education of Indians”.13 All that was Indigenous – language, history and culture – was constantly undercut with physical and psychological punishment (Trafzer/Keller/Sisquoc 2006; Bowker 2007). In the case 11
The term is used in parentheses throughout the paper to indicate its shortcomings. Well-known quotation of Richard Henry Pratt, founder of Carlisle Indian School. For example in Jeffrey Ostler, 2004: The Plains Sioux and U.S. Colonialism from Lewis and Clark to Wounded Knee. New York: Cambridge University Press, 151. 13 F.P. Prucha, Documents of United States Indian Policy, p. 175f.; emphasis added. 12
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of the Lakota speakers, the older among the Lakota have experienced this form of violence firsthand, while for the younger generation it became part of the collective memory of colonial legacy and intergenerational trauma. This culture shock resulted in the loss of or restrictions in participating in Indigenous cultural practices. In Black Skin, White Masks Frantz Fanon made an epistemic foundational statement about language; stating that the colonized person “will be proportionally whiter – that is, he will come closer to being a real human being” in direct ratio to his mastery of the colonial language.14 English became the preferred language because of the negative association with Lakota culture. Since the 1970s, in tandem with the emerging Red Pride era, local Native American initiatives have attempted to revive their languages and to reduce the social distance from these languages that still exists even on the reservations. Reversing language shift and language loss remains a crucial issue in many Native American communities; it is a matter of maintaining a unique culture while strengthening tribal identity and sovereignty as a separate political entity. These language programs vary in methods and materials; while projects from off-reservation institutions usually focus on written materials, on-reservation projects center on the oral, for example through immersion courses in which only the Native language is spoken. Revitalizing Efforts On the Pine Ridge Reservation as well, Lakota fluency was a negative marker in the local hierarchy until the 1970s. The negative socio-psychological aspects tied to the language use are seen as the main reason why first language Lakota speakers discontinued speaking it to their children – to make it easier for the children growing up. Today, a number of older Lakota still speak Lakota with each other, but the younger generations grow up with English as a first – and oftentimes only – language. Another reason is the pervasive presence and sheer dominance of English outside and even inside the home through television and other media. Hence, language disuse and language loss are not effective choices but results of oppressive policies, language politics, and the situation of coloniality. Nevertheless, against all odds, the Lakota language did not vanish. Many fluent speakers were unwilling to assimilate fully and resisted silently, resigning themselves to a surface compliance while covertly keeping their own language and cultural practices. The early revitalization movement was in the beginning closely intertwined with the political struggles for self-determination and decolonization of the 1960s and 1970s. The Lakota have used their language as a tool for uniting their communities, which today are scattered on and off reservations throughout several
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F. Fanon, Black Skin, White Masks, p. 18. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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U.S. states and Canadian provinces.15 With higher levels of self-determination they aimed at increasing their ability to make effective decisions about their culture, identity, religion, economy, and legal system without interference from external actors. Indigenous languages are important tools for emphasizing the cultural and historical uniqueness of Indigenous communities as well as Indigenous peoples’ cultural distinctness from non-Indigenous governments when it comes to gaining recognition from nation-state governments in order to increase Indigenous sovereignty. Oglala Lakota on the Pine Ridge Reservation addressed the language loss again in the 1980s and 90s. “Lakota language is your identity and if you lose it you lose your identity,” said Oglala elder Marie Randall at a conference.16 The language has been identified as crucial for mental health, identity, productivity, and community well-being. John Around Him added: “Young girls and boys lost their language. Anything that is going to be culturally related (involves our) Lakota language. … We need to teach our Lakota language now”17. At said conference there was a strong consensus that there must be reinvigoration of the Lakota language in order to drive the renaissance of the traditional culture and values necessary for functioning societies. One of the organizers, Elgin Bad Wound, at that time president of Oglala Lakota College, changed the curricula of the college’s departments accordingly, offering Lakota language classes and strengthening Lakota content and methodology in the programs of study. On the master’s level Lakota is to be utilized in the classroom as much as possible and language classes have been made a requirement for non-cultural related degrees as well (Oglala Lakota College 2005). The continued use of European languages is one of the most important aspects of neocolonialism and the impact of the colonial heritage on Native populations. However, as the linguist Jon Reyner stresses: “Just translating a non-Native curriculum into the Native language and focusing on vocabulary and grammar is in no way part of a decolonization agenda. In fact, it could be viewed as nothing more than a new way to approach colonization”. (Reyner 2010, 143). The second organizer of the Lakota Elders Traditional Government Omniciye conference, Gerald One Feather, also the former president of the Oglala Sioux Tribe among many other positions, highlighted these perspectives as a delegate to the Permanent Forum on Indigenous Issues within the United Nations. After fourteen years of drafting and diplomatic concessions, in 2007 the United Nations adopted the Declaration of the Rights of Indigenous Peoples by a vote of 143 to 15
I.e. meetings of the traditional Oceti Sakowin Okolakiciye, the Seven Campfires; compare Elgin Bad Wound, 2000: Oglala Lakota Tiospaye Association. Reclaiming our Heritage and Building a Better Way of Life. Martin, SD: Oglala Lakota Tiospaye Association. 16 Bad Wound, Elgin / One Feather, Gerald, A Report on the Lakota Elders Traditional Government Omniciye. Kyle, p. 22 17 Ebd. p. 26. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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4, with only the USA, Canada, Australia, and New Zealand in opposition (United Nations 2008). These four major settler states signed the declaration four years later after protests from within their nations. In general, the Declaration supports Indigenous societies in their efforts to decolonize and regain self-determination. Several articles relate to language issues. Article 14 declares specifically “the right to establish and control their educational systems and institutions providing education in their own languages, in a manner appropriate to their cultural methods of teaching and learning.” Lakota people – some well-known like Gerald One Feather, others less so – have worked on this issue on the local as well as the global level for many decades. As a result, today, on the Pine Ridge Reservation educational institutions at many different levels offer Lakota language classes. Immersion classes are offered at kindergartens and during summer holidays. From Head Start through the school system and into college, students who wish to can learn the Lakota language. However, despite these various attempts and programs, the vast majority of children/learners do not achieve fluency. The various explanations for this situation are multi-causal, including the psychological effects of intergenerational trauma and shame.18 In addition to the disregard of psychological aspects, linguists have paid little or no attention to the social and cultural aspects of orthography. Jan Ullrich stated he found the root cause of language loss: “untrained Lakota language teachers use inconsistent ad-hoc spelling” (December 12, 2012; email). The LLC spelling reform would offer higher quality language instruction. Linguists tend to see the issues as practical ones of getting an orthography accepted by its potential users. In the past, linguists concerned with Native American languages have largely considered the transformation of an oral community into a literate one as a neutral cultural process, depending exclusively on the existence of a phonological orthography. Thus, language is treated scientifically and reduced to writing. Yet, orthography and literacy itself can be understood in terms of social practice since reading and writing are situated within a social process. Lakota people had to make this process their own twice; by first learning English and then also learning to write Lakota according to Buechel’s orthography. The relationship between linguists and Native people has not always been easy, partly because of the linguists’ focus on description and analysis for scientific purposes instead of on helping to produce readily accessible, understandable teaching materials for language restoration. Oftentimes, linguists do not address the Native community they are studying but speak rather to the scientific community. In terms of orthography, linguists were concerned with representation in the writing of a spoken language; the focus was thus laid on phonology and phone18
B. Charging Cloud, Lakota O'un. Lakota Immersion through a Cultural Camp, p. 6; T.L. McCarty / M.E. Romero / O. Zepeda, Reclaiming the Gift. Indigenous Youth ConterNarratives on Native Language Loss and Revitalization. In: American Indian Quarterly 30 (1/2), p. 36f. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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mics since the researchers’ interest in orthography was mainly the transcription of spoken language. Most language revitalization conferences feature presentations on topics such as grammar, vowel systems, orthography, and curriculum development; they are more concerned with preservation than with revitalization. “Preservation” aims at documenting the language for future efforts via oral recording with the remaining speakers and collecting documents. “Revitalization” refers to studying contemporary language use and restoring it as a living language in the community. Jon Reyhner, a well-cited linguist in the debate over Indigenous language revitalization, suggests enhancing the “Three Ms” of language revival: methods, materials, and motivation (Reyhner et al. 1999, xviii). Given the great need for learning materials, linguists can make a great difference in language regrowth. For the Lakota, financial resources for language revival were not readily available. Only within the last decades have U.S. government agencies supported efforts to address reversing the language shift among Indigenous peoples. They have been criticized as offering too little and too late. With the U.S. signing of the UN Declaration of the Rights of Indigenous Peoples in late 2011, Indigenous leaders will put more pressure on the federal government to fulfill its obligation to secure Native languages as spelled out in articles 13, 14, and 16. For the present, there are already more financial resources available for language revitalization than there have ever been. With these resources available, language restoration has become a priority in many Native communities. But who is in the best position to obtain this financial support? Non-Natives are often more successful in applying for grants than Natives are, as it takes a certain language, experience, and institutional affiliation to write successful applications. For example, after previous unsuccessful village-level Haida language funding requests, an application for a Haida language project by the non-Native linguist Jordan Lachler was funded as proposed.19 On the Pine Ridge Indian Reservation local activists who already worked as volunteer teachers put in funding applications that were rejected, while non-Native organizations like the LLC or the “Iyapi Glukinipi Lakota Immersion Childcare” receive funding through the Administration for Native Americans and other institutions. Both organizations substantially serve nonNative audiences. LLC products are mainly purchased by non-Native customers, and two of the four children serviced in the Lakota immersion daycare are the white daughters of the white director. These cases exemplify that non-Natives are more successful in gaining funding for operating Native language projects. These projects, in turn, promote them to take more powerful and institutionalized positions to bring external agendas and orthographies into Native communities. Why did Indigenous language revitalization work become a prioritized matter with support from federal departments and solidarity groups in the Global North? 19
J. Breinig, Alaskan Haida Stories of Language Growth and Regeneration. In: American Indian Quarterly 30 (1/2), p. 114. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Natives and non-Natives alike often view Indigenous languages as legitimate representations of “authentic” pre-Columbian culture, nonmarket economy, and ecological harmony. This perception is founded on non-Native colonial conceptions of Indigenous languages as indicators of an Indigenous group’s “authenticity” – the stereotyping of Indigenous culture as unchanging and unaltered. This discourse establishes that valid Natives are only those who speak a Native language. In the eye of many anthropologists and linguists, the authenticity of Lakota identity is evaluated in direct ratio to the mastery of Lakota language. To paraphrase Fanon: who speaks Lakota will come closer to being a real Lakota being. This “othering” of Native Americans continues today, as the political scientist Karl Markus Kreis pointed out critically. In much of the sympathy for Indigenous peoples he witnesses, he identifies most of the elements of the paternalistic authority formerly promoted by the missionaries: “Indians are viewed as ‘good,’ simple, peaceful, close to nature, ‘like us’ or rather ‘like we ought to be,’ and therefore we know what is good for them”.20 Non-Natives know that it is good for “Indians” to speak “Indian.” And, non-Natives know how to best write Native languages. The diverse motivations of non-Natives to “help” Native Americans have been discussed extensively elsewhere (Calloway/Gemünden/Zantop 2002). The policy of exoticizing requires that Native Americans embrace this restrictive notion of their cultural identity, narrowly defined and specified by the nonNative eye. In this process the Natives’ cultures have been re-coded along selective, exotic and homogenizing lines, so that only one (usually the most “traditional”) element of what is in fact a number of modes-of-being for members of a particular community becomes acknowledged and sponsored as the only legitimate cultural marker and common denominator for all members of that Native community. In this way, the political category of whiteness is once again reconstituted as a universal norm, which operates as the invisible but defining center. Culture has thus been “redefined as something that characterizes [only] non-western or minority groups”.21 Racialized others are reconfigured as lacking in agency and individuality. Indigenous languages used to provide perhaps the most tangible indicator of Natives’ cultural and historical uniqueness to outside audiences. In North America, Indigenous language revitalization has assumed a greater significance with the growing phenomenon of “white wannabes” – culturally and genetically nonIndigenous individuals who claim Indigenous identity. In this context, language has served to separate Natives from white hobbyists and further solidifies the notion that language is the ultimate proof of cultural legitimacy. The sentence “Become fluent or die trying” on the LLC (2013a) website might sound like a joke to some, like a challenge to others, and like an affront to many. Viewed in the context 20
K.M. Kreis, Indians Playing, Indians Praying. In: Calloway, Colin G. / Gemünden, Gerd / Zantop, Susanne (eds.): Fantasies, Encounters, Projections. p. 209. 21 A. Phillips, Multiculturalism without Culture, p. 29. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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of the elimination of Indigenous societies unwilling to acculturate to European norms of living, this slogan is more than cynical. Equating language ability with success or deadly failure also poses the covert question of who is more Native – the Native by blood who does not speak the language or the non-Native hobbyist and wannabe who has learned it to some fluency level. Further, these neocolonial mechanisms of knowledge appropriation, self-authorization, exploitation, and exoticizing manifest the existent set of power relations of paternalism without challenging the ways in which they are configured and maintained, while at the same time individualizing “failure” to speak fluently and depoliticizing its structural causes. As a result, new dependencies on outside experts are installed; Native experts are silenced and eliminated from their positions, thus experiencing repetitive trauma and structural violence. In Lakota country language revitalization has first and foremost been a grassroots affair. Immersion programs started after middle-aged or elderly Lakota discovered that the use of their languages had become restricted to them and would vanish as collective cultural knowledge once they had passed on. Many Indigenous nations adopted immersion programs, which teach a language as a major part of the school curriculum (Johansen 2004). Most of these schools rely on elders as teachers and substitutes. Many Lakota first language speakers who were not formally educated as teachers made the effort to obtain teaching certificates so that they could work as substitute teachers. Opening a venue for first language speakers to work as teachers was a long-lasting struggle; even more so for many of the first language speakers are the least formally educated in a system that for decades discriminated and outlawed Native language and cultural practices. Ivan Star Comes Out, Robert Two Crow and Bryan Charging Cloud are among the Lakota first language speakers and educators who spend their free time at the radio station KILI to talk about the language issue, share stories in Lakota, and give lessons on the air (Kalloch 2014). They and others endeavor to create summer camps and to start immersion programs in schools (Charging Cloud 2012). They try to install language nests for the grandchildren and great-grandchildren who will hopefully become fluent first language speakers. In order to achieve these nests, Lakota elders are needed as the primary resource, active teachers and authority for Lakota language and culture. Lakota Language Materials Profound linguistic research into the Lakota language was pursued by the Jesuit Eugene Buechel, who lived and worked at the missions on the Pine Ridge Reservation (Holy Rosary mission) and neighboring Rosebud Reservation (Saint Francis mission) from 1902 to 1954. In general, most work on Indigenous languages represents efforts to analyze and categorize these languages into linguistic families. Outsiders primarily wanted to be able to communicate well enough to teach the Christian religion and European ideas. Eugene Buechel’s motivation was also © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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to Christianize the Lakota, but his aim was not to completely substitute Catholic for Indigenous belief; instead, he sought to understand the underlying Lakota worldview, values, and belief systems in order to identify what was compatible with Christian values and hence worth fostering from the missionary’s perspective.22 Consequently, Wanbli Sapa (Black Eagle), as Buechel was called among the Lakota, became a serious learner and examiner of the Lakota language. Several books resulted from his research, which form the foundation of most of the Lakota language materials in classrooms today: a Lakota-English dictionary, A Grammar of Lakota, and Lakota Tales and Texts. The last was written and compiled by Ivan Stars, Peter Iron Shell, and Eugene Buechel, and dictated by members of the Oglala (on Pine Ridge) and Sicangu (on Rosebud) Lakota. Buechel further developed an orthography that has a relatively consistent relationship with pronunciation but also recognizes regional differences in pronunciation. Later collections of Lakota stories were also written down in Buechel’s orthography, for example those by the Dakota author Ella Deloria (Rice 1994; Rice 1993). In fact, most children’s books written in Lakota use Buechel’s orthography (Rose/Sokolow/Looking Horse 1992). Lakota themselves develop variations in writing and teaching styles, and in terms of language learning materials slight differences are noted at various on-reservation and off-reservation institutions. While the University of South Dakota uses language materials from the “Lakhota Project” at the University of Colorado (1976) the tribally controlled colleges utilize knowledge from within the reservation communities. Language books in Albert White Hat’s orthography (an adaptation of Buechel’s style, yet distinctively different) are used at Sinte Gleska University on the Rosebud Reservation, in addition to the language books used within the Lakota studies department at Oglala Lakota College on the Pine Ridge reservation, which are based on Buechel’s orthography. The language book Hecetu Yelo used on the Pine Ridge Reservation was developed by community members Karen White Eyes (aka Karen Lone Hill) and Charmaine Wisecarver (Oglala Lakota College 1989). The material used at the off-reservation Black Hills State University (1978), developed by David J. Mathieu, Bertha Chasing Hawk, and Elgin Bad Wound, uses Buechel’s orthography. Of course, if a language is to be living, it has to change and move. Lakota themselves have been listing more modern words and putting them into writing, continually evolving their own teaching materials. Two of the grandsons of Ivan Stars, who co-compiled Lakota Tales and Texts with Buechel, actively publish about and in the Lakota language. In order to develop a vocabulary that is not stuck in another century, Edward Starr (1994) composed the Dictionary of Modern Lakota including terms for items of modern daily use that had become part of Lakota life. His brother Ivan Star Comes Out (1996) published columns bilin22
K.M. Kreis, Indians Playing, Indians Praying. In: Calloway, Colin G. / Gemünden, Gerd / Zantop, Susanne (eds.): Fantasies, Encounters, Projections, p. 47f. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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gually in the Indian Country Times; a number of his essays were later compiled in the book Lakota Eyapaha. These are just a few examples of Native Lakota language speakers and Lakota language writers on the Pine Ridge Reservation who are engaged in broadening Lakota language use in Lakota communities, from within these communities themselves. Hence, a profound body of texts and documentation exists in the Lakota orthography developed by Buechel: among them transcriptions, notes on public figures and common people, personal letters and meeting minutes. Eugene Buechel also collected, sorted and catalogued Native plants in the Rosebud area. He preserved these plants and herbs and listed them by their Latin botanical terms along with their Lakota and English equivalents (Rogers 1980).23 More importantly, Buechel’s orthography of Lakota lives on in Lakota communities. Most fluent speakers today write their letters, diaries, emails, or even Facebook posts in Lakota. These are observations from communities on the Pine Ridge Reservation. The situation on Standing Rock where Jan Ullrich did most of his field work may be different, as he has stated that “Lakota language literacy has been nearly nonexistent in the 50 to 60 years” (December 12, 2012, email). However, when I read communication from literate Lakota from Standing Rock I am not so convinced that they are non-existent. The So-called Lakota Language Consortium Jan Ullrich, linguistic director of the LLC, started travelling from the Czech Republic to the USA and to Lakota reservations in 1992. He later studied education and linguistics and received a Master’s of Science degree from the University of Ostrava, Czech Republic. While studying linguistics, Jan Ullrich focused on Lakota. Today he teaches English in a small town in the Czech Republic. Once a year he travels to the United States to teach the Lakota how to write their language. To make it easier for himself to read Lakota texts written in the “Buechel orthography,” he added markings to the letters, very similar to the ones used in the Czech language. He found the different spelling systems based on Eugene Buechel’s dictionary inconsistent and confusing and aspired to install a standard orthography. Hence, he set forward to further develop the orthography used by the “Lakhota Project” at the University of Colorado (1976). Ullrich paired up with the European anthropologist Wilhelm Meya and formed the “Lakota Language Consortium.” Through an affiliation with the University of Indiana, they received funding through the Administration for Native Americans to publish language books. Jan Ullrich rewrote Eugene Buechel’s dictionary as well as parts of Ella Deloria’s Dakota Texts in the “Czech orthography” before producing LLC’s own language learning materials, which the consortium is selling to educational insti23
Digitalized and online available under: http://groups.creighton.edu/sfmission/museum/ documents/plants/01.jpg. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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tutions and interested learners throughout the USA and abroad. When changing the orthography, the LLC mainly changed the phonetic notations and added extra letters to the words. Three examples are as follows: “Buechel”: Wicohan kokipesni honitaninpi
“Czech”: Wičhó ĥ’aŋ kĥokípĥe šni hónitĥaŋ‘iŋpi
The LLC unilaterally declared this orthography as the standard for writing Lakota, naming it SLO (Standard Lakota Orthography).24 While non-Native linguists and other second language learners welcome the many diacritic markings, which assist them in proper pronunciation of the words, Lakota first language speakers and Lakota language teachers criticize the “Czech orthography” for being overloaded with markings and – foremost – for the way it is being brought into Lakota schools. What seems like a minor matter of a few diacritic markings is in fact a touchy subject – that of neocolonial domination. The term orthography stems from the Greek orthographía and means literally correct writing – corresponding to the German Rechtschreibung. Who has the authority to decide the standard orthography of a language? And who decides there has to be a standard, one correct way of writing? On their website the LLC announces the Czech Jan Ullrich as “the foremost authority on the Lakota language” (LLC 2015). Despite Indigenous demands for sovereignty and self-representation, some anthropologists and linguists cling to their professional authority to represent other cultures and adjudicate authenticity. Ethnocentricity might very well have played a role in the LLC’s favoring of the phonemic system used in the Czech orthography. While explaining the cultural and political connotations orthographies carry, the linguist Mark Sebba notes: “It is surely not a coincidence that the very scholars and scientists who ‘discovered’ the superiority of phonemic writing systems are virtually all speakers of languages which use alphabetic (i.e. quasi-phonemic) scripts”.25 From a scientific standpoint, Sebba cannot find unquestionable advantages of this system. In linguistic academia, the “[c]ontroversy continues over the question of whether a phonemic orthography (on the principle ‘one sound one symbol’) is necessary,
24
Compare the website of the LLC at: http://www.lakotadictionary.org/viewtopic.php? f=5&t=1316 (February 12, 2013). One member of the online Lakota Language group recommended “that ‘SLO’ should be an acronym for ‘suggested Lakota orthography’ until such time as the Lakota people themselves arrive at a consensus on how to write their own language. Anything beyond that could rightfully be perceived as aggression” (FBLLGLT1, March 16, 2012). 25 M. Sebba, Spelling and Society. The Culture and Politics of Orthography Around the World, p. 16. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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beneficial or simply irrelevant to learners and/or mature readers”.26 He reports that researchers have produced experimental evidence to show that diacritic marks above letters in a phonemic script actually decrease reading fluency.27 This statement refers to language learners. Many literate Lakota have stated that they find the “Czech orthography” very difficult to read because they hardly recognize the word underneath the many markings. Yet, while fluent Lakota, in their majority, dislike the “Czech orthography,” the external linguistic community favors LLC products; one plus factor being the phonemic spelling that makes it easier for outsiders to pronounce the words.28 The LLC adds quality products to the corpus of materials available for teachers and learners to use. These materials include storybooks, videotapes, and textbooks aimed at enhancing language abilities through a focus on reading and writing. Most Indigenous peoples, however, do not focus on preserving language in a presumably natural state as it is known that languages and cultures change. Instead, the focus of most on-reservation language programs lies on revitalization, on bringing the oral back into daily use. Fluent speakers do not become tired of stating “that families must retrieve their rightful position as the first teachers of Native languages”.29 In contrast, the LLC takes knowledge, rewrites it, stores it and defines the altered knowledge as allegedly authentic and as the standard. The main selling-point of the LLC products using the “Czech orthography” is the argument that they help save the Lakota language. One selling strategy and method of authorization is to make it appear as if the products originate from within Native communities. On the LLC’s Facebook page they describe themselves as: “A nonprofit organization made up of Native community leaders, linguists and volunteers” (LLC 2013e). That the organization’s name is misleading indicate several comments by their Facebook users which imply their assumption that the LLC is a Lakota organization. Another selling strategy and method of authorization is to make it appear as if the products originate from collaboration with Lakota language experts. A tribal member and language instructor recalls that Wilhelm Meya and Jan Ullrich from the LLC had traveled through Lakota country to gather support for their orthography. He and numerous other community members and Lakota language experts complain that the LLC came only once to chat with them but their names were listed as resources in the LLC books without their approval (EI-RWB-2013). Bryan Charging Cloud, an activist in Lakota immersion and revitalization, said he did not offer any information nor did he lend 26
Sebba, Spelling and Society, p. 11. Ebd. p. 20. 28 The German linguist Rebecca Netzel (2012, 95), in her book Kontrastive Linguistik. Ethnologische Analysen, regards LLC’s dictionary as a standard reference. 29 B. E. Johansen, Living and Breathing: Native Languages Come Alive. In American Indian Quarterly 28 (3/4), p. 570. This is also a common position among the first language speakers of the Lakota Language Group forum. 27
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support to the LLC, but his name was listed as a resource (December 14, 2012, email). Like Bryan Charging Cloud, many Lakota who had been designated by the LLC as supporters have distanced themselves from the organization and their products. With the long list of names acquired in this questionable manner, the LLC approached tribal council members and tribal education boards to get formal letters of support, giving the misleading impression they work closely with Lakota community members and gained their consensus (EI-JYS-2013). Through the list of alleged cooperators and the letters of support by tribal officials, the LLC receives plenty of financial support, as its website declares: “The publication of the New Lakota Dictionary was made possible through the generous contributions of the Dakota Indian Foundation of Chamberlain, SD, the Tatanka Oyate Foundation of Germany, the Grotto Foundation of Minneapolis, MN, the Shakopee Mdewakanton Sioux Community of Lake Prior, MN, and the Standing Rock Sioux Tribe” (LLC 2013c). On its website the LLC continuously asks for donations: “The most important thing you can do is to contribute generously. Your donations help us produce essential and otherwise unfeasible revitalization materials. Your generosity helps us undertake important projects that could otherwise never be done” (LLC 2013d). Of course there are other ways to produce language materials, but such local efforts do not have the institutional backing and resources behind them. Post-colonial theorists would call this the privilege of whiteness. To obtain money from the ANA grant, the LLC has to partner up with reservation schools and it has in fact been successful in convincing administrators to purchase its products. But why do reservation schools buy these products? Disregarding the controversial orthography, LLC products are of high quality in content and design; most of the previously extant materials mentioned earlier are in plain black-and-white ring binders, due to lack of funding. In addition, many school administrators are not Lakota speakers; the irritation a different orthography brings along may not be obvious to them. Yet another explanation for the preference of non-Native products and personnel is referred to in Indian Country as the “great white father syndrome” (FBLLG-FL3, December 29, 2012), the experience that Indigenous people tend to have more confidence in non-Natives than in themselves. Elizabeth Cook-Lynn called this effect of colonialism “internalized oppression”.30 The phenomena of differing positions according to race was described as sociological literature as early as 1903 by W.E.B. Du Bois who coined the phrase “double consciousness,” which he described as follows: “It is a peculiar sensation, this double-consciousness, this sense of always looking at one’s self through the eyes of others, of measuring one’s soul by a tape of a world that looks on in amused contempt and pity”.31 On the Pine Ridge Reservation, Wounded Knee District School and Red Cloud Indian School (the former Jesuit Holy Rosary 30
M. Gonzalez/E. Cook-Lynn, Politics of Hallowed Ground. Wounded Knee and the Struggle for Indian Sovereignty, p. 87. 31 Du Bois, W.E.B., The Soul of Black Folk, p. 3. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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mission) have bought LLC products. While they are used in class at Red Cloud, Wounded Knee District School teachers refuse to use them. At Red Cloud, a first language speaker and long-time teacher with the school who refused to switch to the “Czech orthography” has lost his job (EI-RWB-2013). The LLC entered into a partnership with Sitting Bull College (at Standing Rock Reservation) to offer a Lakota Language Action Education Program based on LLC products (LLEAP 2013). The program motivates students on the emotional level – “Graduating students will be at the forefront of educating the next generation of fluent speakers” – as well as on the wallet level – “You must teach for the same amount of time that you were funded” – thus, motivating students to stick with the program and move on to become language teachers (ibid.). Through the certification of language instructors literate in the “Czech orthography” this spelling system is likely to gain more ground.32 The LLC is thus building up a market and dependency on their materials in the long run. Despite the misleading name of the “Lakota Language Consortium” the LLC products are not Lakota products but imports into Native communities (and nonNative markets). The LLC depends on local educators to identify the market and to serve as door-openers for non-Native institutions. The Lakota schools and students buy these books and the LLC gets to sell them, finance their jobs and boost their careers. “So who benefitted? Certainly not one Lakota,” a Lakota instructor says (EI-KI-2012). Promoting these books to Lakota schools is profitable to nonNative organizations and individuals. There are two prominent terms for white man in Lakota. First was the Lakota descriptive term wasicu (wasi icu) which means literally “takes the fat.” Later Lakota also took up the self-referential term of the settlers, white man, ska wicasa. Historically, the white man made himself noticed for taking what is of value. Today, value is put on the rare resources left; in this case the cultural resource of an Indigenous language. Again, outsiders appeared to take this resource, define it, and tell the original owners how it is really done. The Native language is once again alienated, this time through a “Czech orthography” and offered on the market. Now it is the LLC that tries to dominate and control the Lakota language by standardizing and “normalizing” its orthography – to “normal” Czech spelling.33 In postcolonial studies terms I identify the exploitation mechanism, including strategies of creating dependency on financial support and technical assistance and the obligation to buy certain products from the dominant society. LLC products written in a foreign orthography reflect the 32
Lakota members of the LLC Board of Directors continued writing in the Buechel style and did not adopt the Czech style (i.e. Ben Black Bear). 33 Declaring this system as a norm is somewhat ironic since the Czech style is itself marginal; in Europe the Czech language had to assert itself against Russian and Slovenian, and the phonemic writing as used in Czech is used in only a few languages worldwide, not to mention the experiences Czech people encountered in revitalizing their own language on their own terms. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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needs of external people trying to learn Lakota, rather than those of the Indigenous population. The European linguist and anthropologist announce themselves as having the normative authority to declare the one correct way of writing this language, thus illegitimating writing systems already in use and illegitimating Lakota first language speakers and writers. I regard the LLC’s strategies as reflecting a deep continuation of domination. Internet and Epistemic Violence The LLC uses the internet to present its organization as the ultimate Lakota language authority, well rooted in Lakota communities. On its website the LLC (2013a) presents its members as saviors of the Lakota culture: “The Lakota language is everybody’s responsibility. With your help we can prevent the deterioration of this beautiful national treasure.” Which nation does the LLC refer to? They seem to refer to the Euro-American settler state that formed a nation on the North American continent – and on Lakota land. The very expropriation of land and resources led to the weakening and, at times, destruction of Indigenous societies and their governing systems. Through U.S. colonialism the Lakota are not regarded as a sovereign nation today which, in effect, leads to the assumption among many non-Lakota that the Lakota do not possess the authority and capacity to deal with their own issues. The fact that the Lakota themselves did not form their own consortium or announce a standard orthography does not mean that they do not debate language issues, which have in fact been discussed in informal meetings for decades. While lamenting about language loss, the LLC website does not mention the political reasons for this state of affairs. The group is either uninformed about the destructive effects of settler colonialism on the American continent or does not regard the politics of elimination as relevant to language. In a short summary on “The Status of Lakota,” they recognize that Native American “languages have been steadily and undeniably disappearing,” which they categorize as a “historical fate” (LLC 2013b). By adopting rather than questioning the rhetoric of this historical “fate,” these linguists argue they are driven by ethical prerogatives and position themselves as saviors and rescuers of the Lakota. By representing Native Americans as victims in need of rescue from losing their culture, linguists not only re-echo missionary logic of imperialistic discourses but deploy it politically in the sense that they avert attention from the destructive agendas pursued by the USA. in the past that led to the current situation of financial, political and cultural destabilization. With the various U.S. assimilation policies targeted at Native nations, these societies were constituted either as recipients of development or its instruments, but never as agents of their own development as they might understand and conceptualize it. With its historical overview, the LLC obscures and enforces persisting paternal histories and asymmetrical power relations affecting the ability of local language teachers to define a curriculum comprised as an exercise of community-based intellect. This leads to the © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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construction of a homogenized image of all Natives as victims and prisoners of their history, not able to take action, dependent on white educators to save them. White here is to be understood as a political definition, which represents historical, political and social privileges of a certain group that has access to dominant structures and institutions of society. The LLC, too, is privileged through the institutional backing the two white scholars receive vis-à-vis local Indigenous initiatives. This case demonstrates how dominant power structures operate discursively through a “politics of pity” (Naylor 2011) which (re)creates and perpetuates hierarchical, co-constituted relationships between and among these actors, and which (re)constitutes the identities and abilities of actors. Indigenous scholars have unraveled the mechanisms at play here as mainly epistemic violence. Linda Tuhiwai Smith (1999) is often credited with developing the field of Indigenous scholarship as an area of focused study through her book Decolonizing Methodologies. Her work draws on and builds upon many traditional critiques of the relationship of the academy to subaltern groups, including the work of scholars in postcolonial studies and Native American studies as well as the writings of feminist women of color, feminist anthropologists, and postmodernists. In the USA, whiteness operates alongside and in tension with, multicultural “others.” These racialized cultural “others” – both ethnic minorities and Indigenous peoples – are called upon to perform official multiculturalism as an indicator of US-American benevolence as well as to be the recipients of tolerance. At the same time, they are denied agency and subjectivity (Bannerji 2000). The Lakota language, as soon as it was textualized, became incorporated in the archives of colonial knowledge, to be verified and interpreted by non-Lakota scientists. The term “epistemic violence” has been used by postcolonial researchers such as Gayatri Chakravorty Spivak (1987) when speaking of a form of violence produced in “knowledge.” Violence and damage can be done under the authority of science and knowledge production since their interpretations have practical and ethical consequences for people. Such epistemic violence committed by scientists cannot easily be countered by public rejection because the name of science – linguistics, in this case – has a higher status than the theoretical criticism expressed by a subjectified and marginal Other (Breinig 2006). In the Indigenous context, the suppression and erasure of Native knowledge has been recognized as a form of epistecide and cultural genocide.34 The idea of epistemological responsibility has already been considered by Lorraine Code (1987), who argued that researchers need to be conscious of the consequences of their interpretations on the “other.” The American Anthropological 34
B. de S. Santos / J.A. Nunes / M.P. Meneses, Opening up the Canon of Knowledge and Recognition of Difference. In: Santos, Boaventura de Sousa: Another Knowledge is Possible. Beyond Northern Epistemologies, Verso, xix.; B. Duran / E. Duran / M. Yellow Horse Brave Heart, Native America and the Trauma of History. In: Thornton, Russell (ed.): Studying Native America. Problems and Prospects, p. 64. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Association has given itself a Code of Ethics (AAA 2009), which influenced the drafting of the Charter of Decolonial Research Ethics (Decoloniality Europe 2013). While the question of epistemic violence has been discussed in various postcolonial discourses on decolonizing knowledge and methodologies, Indigenous peoples are still largely erased in the language of anti-racism (Lawrence/Dua 2005). Hence, there is a need for people who are racialized to be allies; Indigenous groups tend to focus on settlers when looking for support, solidarity and allies.35 When discussing resistance and revitalization, the autonomy and cultural systems must be understood in relation to the nation state and the capitalist economic system that dominate Indigenous people, historically and currently. Indigenous academics have criticized Western orthodoxies on the grounds that many Indigenous people operate multiple subject positions with regard to Indigenous identity (Green 2009). However, various representations of Native people tend to hold them captive in their perception of helpless and powerless people. In the following I will argue that the LLC commits epistemic violence through its aggressive invading of web space by altering the Wikipedia entry for “Lakota language” and by using social media as a battle field to win orthographic dominance. Internet Chat Room Lakota Language Group on Facebook For an analysis of the strategies of the LLC and Lakota responses I found an internet chat room on a social media site helpful. The Facebook “Lakota Language Group” is a place where differing positions regarding the Lakota orthographies come together. As of December 2012, the open group consists of over 2,000 members, most of whom do not actively engage in the discussions. The majority of the actively posting group members can be divided into three factions: (1) a few fluent, first language speakers, several of them Lakota language instructors; (2) a few LLC affiliates; and (3) many Lakota language learners or sympathizers, mostly non-Lakota. This group was founded in March 2011 and the members use the platform to discuss questions. (The question posted most frequently is how to say “I love you” in Lakota.) Lakota writers answered in the “Buechel orthography” and LLC affiliates used the “Czech orthography.” During the group’s first months, LLC affiliates frequently posted a link to the online LLC dictionary to answer vocabulary inquiries. One LLC affiliate suggested that fluent speakers should stop adding English translations to their Lakota posts and that people should look up the words themselves – in the LLC dictionary of course (FBLLGLC1, March 23, 2011). Overall, LLC affiliates have criticized spelling differing from the Czech system to the extent that several group members were discouraged from participating in the forum at all. The confusion over spelling at times reached the level of an open controversy. One very active learner started to add to each of 35
A. Smith, Native Feminism, Sovereignty and Social Change. In: Green, Joyce, (Hg.): Making Space for Indigenous Feminism. Winnipeg (MB), p. 103. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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her daily “exercise sentences” the explicit remark “I ask the Lakota Elders and First Language Speakers to please help or correct me,” discouraging postings of links to the online LLC dictionary written in Czech style (FBLLG-NP1). A Lakota first language speaker wrote: “We never had a written language. So, to those of you who just now are learning how to speak, and already know how to spell the words: Leave us who spoke Lakota as our first language alone. I don’t go on to the site, because someone is always correcting a Lakota misspelled error” (FBLLG-FL4, May 8, 2011). While the LLC points out mistakes, first language speakers encourage people to write any way, stressing that most important thing is to speak, not to write: “Long ago, we learned our language, through thought, word and deed, through demonstrations, hearing and speaking the language. Not through book learning (wasicu way), spelling and reading is why today we sometimes don’t agree on the subject of our language. The process of learning our language is a three-step process: hearing the language spoken, understanding the language and speaking the language. The spelling is not foremost but speaking the language is” (FBLLG-FL1 (February 9, 2012). Another Lakota first language speaker prefers the orthography based on Buechel and expresses feeling offended by the LLC: “We might strive for minimum markings. We were smart enough to learn English that has a variety of sounds for the same letters. … Although they have no markings, we learned the sound variations rather easily. Even for Lakota speakers that Indiana orthography is hard to read and I feel somewhat insulted for our people that it’s dumbing down our intelligence” (FBLLG-FL2, December 22, 2012). In the education field, neocolonialism can be quite open and obvious, such as the distribution of foreign textbooks in Native schools. This new orthography is a more subtle mechanism that includes the use of foreign technical advisors on matters of policy and future teacher training and the continuation of foreign administrative models and curricular patterns. Hence the reliance on foreign experts continues, experts who seem to ignore local needs, traditions, and sensitivities. In the online Lakota Language Group one member posted: “(O)rthography is a touchy subject for some people who are promoting their way of writing Lakota. We also have some very aggressive nonLakota people that push for their books to be used, like it was the bible.… Many of us Lakota fluent speakers have been writing a certain way for years and years then someone comes along and says ‘no, you must write it this way.’ So it is hard for some to write a new way but I will continue writing the way I’ve been taught and the way my Lala [grandfather; SJ] wrote Lakota” (BLLG-FL1, March 16, 2012).
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With its products, extensive online activities, and self-proclamation of its orthography as the standard, members of the LLC install themselves as Lakota language experts. With the “Czech orthography” available through the online LLC dictionary, more and more learners copy and paste words written in the “Czech orthography” into online forums, increasing its visibility, thus cementing the seeming norm of this new, alienated orthography. The modification of the entry for “Lakota language” on the popular online encyclopedia Wikipedia was an important and effective step in this direction. Now the entry itself – most likely altered by LLC affiliates – uses the “Czech orthography,” lists LLC products as first references for self-study, and presents the “Czech orthography” used in LLC products as the “Standard Lakota Orthography” (Wikipedia 2013). Wikipedia readers get the wrong notion that the LLC is a Lakota organization, and they get the wrong notion that the “Czech orthography” is the standard orthography developed from within Lakota communities. Thus, the Indigenous knowledge is expropriated from the respective Native communities by European hobbyists, linguists and anthropologists. To counter this expropriation, Lakota would have to enter into an equally aggressive white online battle to claim web territory and knowledge. The – mainly older – Lakota first language speakers engage offline in revitalization projects. Several Lakota fluent speakers opposing the “Czech orthography” in the online forum criticize the self-authorization of the LLC: “There are many Lakota who are spending their energy putting together the pieces it takes to revitalize/help/learn Lakota. … To say there is no Lakota working towards helping the language is being deliberately blind or just flat out stupid or mean. Either way, it’s not true. There are many Lakota who spend their time and energy helping more than just posting on Facebook” (FBLLG-FL5 (July 16, 2012). Eric Havelock points out that when language has already been surrendered by some overriding authority, then “[c]onsequently, what survives tends to be restricted to entertainment rather than to its original functional purpose of preserving law, and technology and custom” (Havelock 1989, 92). LLC, with its emphasis on the written instead of the oral, focuses on learning methods that are rather artificial to the Oglala Lakota. By using characters foreign to English as well as to the accepted and used Lakota alphabet, the LLC further alienates the written Lakota and requires writers to download a certain software to write “appropriately.” The knowledge is taken and altered to please external hobbyists, making it harder for Lakota to revitalize the traditional spoken word. One main strategy of neocolonialism is self-authorization and disregard for existing and persisting local knowledge bases and local authorities. Being left out and disadvantaged in this way is damaging enough for Lakota elders. Given the historical fact that they themselves were not allowed to speak their language in boarding schools but maintained it against all odds, yet now are being put in a situation where non-Lakota tell them they cannot teach their language or should © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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write it in a different style revives collective trauma and goes once again into this historical wound. Here we come to the elimination component ascribed by Elizabeth Cook-Lynn to imperialistic policies. While the LLC declares the “Czech orthography” to be the standard and thus puts itself in the position of Lakota language experts, it eliminates the Lakota elders from their role as the ultimate language authorities and teachers. This appropriation of the written Lakota language is neocolonial continuation of colonial practices. While previous generations were silenced by violence in the boarding school for speaking the “wrong” language, current Lakota learners are being silenced for writing their language “wrong.” As a consequence, several Lakota quit participating in the internet forum after their spelling was extensively corrected by LLC affiliates. The Native language has been silenced once again. Devaluing Orality and the Elimination of Elders The LLC states on its website: “Native languages are important for the same reasons language is important to any group. It is a fundamental human right of expression – a right that arises out of thousands of years of linguistic cultivation, wherein each generation carefully passes on its language to the next” (LLC 2013). However, through the new orthography this generation of fluent first language speakers is cut off from “carefully passing on their language” because their role as experts when it comes to their own language is taken from them. This has concrete consequences on the subject level to a point when they cannot even help their children and grandchildren with their homework, as a community member recalled: “Me and my son, he’s a junior at Red Cloud [High School], get into a lot of conflicts over proper pronunciation, wording, meaning etc. Our old language is fading to new Czech style orthography. My son was given a D for writing a paper the way I know and not how the school required and taught them. He had to re-enunciate his paper to ‘proper wording.’ What the heck is up with that!” (EI-CMLFT-2012). A Lakota instructor at Oglala Lakota College feels that the “Czech orthography” is being forced onto the Lakota (EI-CMOLC-2012). She does not want to use the materials produced by the LLC in the classes she teaches and is wondering what is going to happen when the first high school students who have had to switch to Czech writing at Red Cloud go on to college. In these ways, the new orthography creates a lot of irritation and conflicts. The LLC website also states that “Lakota is unique from languages like English because of the intimate way it is tied to the pre-reservation world.” However, it excludes this link to the pre-reservation word, the elders who have heard the oral history from their grandparents in their Native language. The LLC consciously targets Lakota children for they are more “open” to their orthography. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Jan Ullrich states: “And though there are some ‘old school’ people that claim it [the “Czech orthography”] shouldn’t be used, there are tens of thousands of young people that rely on it and more and more each day” (December 12, 2012, email). The head count has begun, again. The Lakota elders are – though not intentionally – eliminated from the role of the teacher und ultimate language authority. Given this context, the LLC-credo “Revitalizing Lakota, One Child at a Time” (LLC 2013a) is perceived more like a threat than as a salvation by first language speakers.36 In addition, former language politics have focused on children – most prominently the boarding schools but also the numerous solidarity groups raising money “for the children,” seemingly harmless pedagogic “help” under the mantle of humanitarian care. Facing the problem of (externally) accumulating memorized language psychologically, as Havelock suggests, the root of the issue between orality and literacy in the Lakota context lies in the repeated delegitimizing of Lakota epistemologies and the repeated targeting of Lakota children to introduce colonial knowledge – the “Czech orthography” – into Lakota communities. Orality Overwritten The deep conviction of the LLC’s self-authorization became evident when Associated Press author Kristi Eaton (2013) was looking for contact persons to inform her article on the decease of the Lakota linguist Albert White Hat, Sr. in June 2013. Albert White Hat, Sr. from the Rosebud Reservation, worked for the tribally controlled Sinte Gleska University for decades, and produced language materials with a consistent orthography developed from Buechel’s style. However, in her article Eaton did not quote White Hat’s family, friends, or colleagues at the college, but rather the LLC. Based on its web presence, Eaton regarded the LLC as having the authority to speak on Albert White Hat’s behalf. Ironically, through the work and promotion of LLC products the organization actually disregarded and devalued the work of White Hat, and at conferences criticized White Hat’s orthography as “wrong.” However, the European anthropologist Wilhelm Meya was contacted and cited in the article, calling White Hat a “warrior” and hoping that “White Hat’s legacy won’t go unrecognized” (Eaton 2013: A3). Stating, “We are, after all, losing speakers every year,” Meya included himself in Albert White Hat’s Lakota first language speakers’ community (ibid.). The Rosebud Sioux Tribe was the first of the Lakota tribes to take legal action against the self-authorizing practices the LLC committed by utilizing names of Lakota language experts without their consent to obtain funding for their projects. On December 5, 2008, the Rosebud Sioux Tribe adopted Resolution No. 2008– 295 stating:
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In addition the residential schools aimed at separating children from the influence of their parents in order to educate them in the non-Native way. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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“WHEREAS, issues of non-native American sources entering the reservation and school systems with their own welfare in mind; and their entities are utilizing individuals’ names without consent for the sake of contributors lists to mislead the public and further receive support of unsuspecting school districts, school boards, or programs .... BE IT FURTHER RESOLVED, that any individual, entity, or any other source that wishes to research or document any information regarding the Lakota Language, History, and Culture must first go through the approval of the Rosebud Sioux Tribal Council and Administration or designated entity such as Education Committee, RST Tribal Education, local Collaborations Groups, or Advisory Committee.” In a next step, the Rosebud Sioux Tribe adopted Tribal Resolution No. 2012–343, on December 13, 2012, declaring Albert White Hat’s Lakota orthography to be the standard on the Rosebud reservation: “THEREFORE BE IT RESOLVED, the Rosebud Sioux Tribe hereby adopts the Official Rosebud Sioux Tribe Lakota Language Orthography recommended by the Rosebud Sioux Tribe Education Department.” The tribe thus banned the LLC and its “Czech orthography” from the reservation and its educational system. In Pine Ridge, a debate on introducing a law to protect intellectual and cultural property did not yet result in tribal council action. In a newspaper article, however, critique on the “Czech orthography” was softly voiced. While giving an account of his own negative experiences as a Lakota speaker at Holy Rosary Mission (nee Red Cloud Indian School), Ivan Star Comes Out warns of the negative effects of the “Czech orthography”: “I believe another deterrent to language acquisition and a contributor to language loss is the continual introduction into our dilemma new and ‘better’ orthographies or alphabets and grammar books” (Star Comes Out 2014). There is no doubt that efforts to revitalize the Lakota language are important for several reasons as outlined above, including strengthening Lakota identities and political sovereignty, and as a means of communication. I have argued that the approach of the LLC is a reflection of a thinking that is still rooted in colonial and racist structures. Why make such a fuss about it? I have focused on this debate over the introduction of the different orthography – a seemingly harmless and good cause – because it is just one example of a persistent trend to depoliticize Native American issues in both academia and solidarity work. Why are Native Americans being treated as the subordinate – or at times superior – and exotic “other”? Discussions about racism usually have a macro-political perspective. In this case, too, Natives’ realities experiences, thoughts, and feelings have been ignored. But these realities should be at the center of contemplation. Theoretically, the Lakota have the option to choose between colonial textualization or fostering oral traditions. But practically – do they have a choice? Or are they disadvantaged vis-à-vis the neocolonial power structures benefitting non-Native organizations? © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Through the focus on the written language to “save Lakota” the attempts to revitalize oral Lakota are weakened. Whereas the sheer dominance of English marginalized Lakota, now the “Czech orthography,” through its dominance, marginalizes the Lakota speakers and writers using the Buechel style who stress that the first priority is to hear and speak Lakota before reading and writing. The act of overwriting the local orality via the internet reflects the continuing epistemic violence and brutality of colonialism in language politics. Language revitalization was a political matter, a means to decolonize and to make decisions without interference from external actors. But with the LLC attempt interference and dependence are at the center. I wish then to close with a perspective from within the Lakota language discourse and to let a language instructor have the last word: “LLC is a form of hegemony – language takeover. As a first language (Lakota) speaker I prefer not to use their Czech orthography as we already have one established for many, many years. The Buechel dictionary may not be perfect but it contains a lot of information from our proficient Lakota speakers of the past. Anyone or any Lakota who wishes to learn and speak our beautiful language must consult and work with those of us who are first language speakers. Remember this tradition – passed on from one speaker to another” (FBLLG-FL3, December 29, 2012). References AAA (American Anthropological Association), 2009: Code of Ethics of the American Anthropological Association. Internet: www.aaanet.org/issues/ policy-advocacy/upload/AAA-Ethics-Code-2009.pdf (February 15, 2013). Altbach, Philip G., 1977: Servitude of the Mind? Education, Dependency and Neocolonialism. In Teachers College Record 79, December 1977, pp. 197–204. Bad Wound, Elgin-One Feather, Gerald, 1992: A Report on the Lakota Elders Traditional Government Omniciye. Kyle, SD: Oglala Lakota College. Bannerji, Himani, 2000: The Dark Side of the Nation. Essays on Multiculturalism, Nationalism and Gender. Toronto: Canadian Scholars Press. Black Hills State University, 1978: Lakota Language II. Spearfish, SD: Center of Indian Studies, Black Hills State University. Bowker, Kathie Marie, 2007: The Boarding School Legacy. Ten Contemporary Lakota Women Tell Their Stories. Bozeman: Montana State University. Breinig, Jeane, 2006: Alaskan Haida Stories of Language Growth and Regeneration. In: American Indian Quarterly 30 (1/2). 110–118. Buechel, Eugene, 1924: Wowapi Wakan Wicowoyake yuptecelapi kin. Bible history in the language of the Teton Sioux Indians. New York: Benziger. — 1939: A Grammar of Lakota. The Language of the Teton Sioux Indians. St. Louis, MO: John S. Swift Co.
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Military Presences in Bilingual Inscriptions from Moesia Inferior1 Lucrețiu Mihailescu-Bîrliba Roxana-Gabriela Curcă
The body of work concerning the phenomenon of ancient bilingualism reflected in the epigraphic material has been increasingly more prolific during the last years, with nuanced approaches and multiple research directions2. Mention should be made of recent exceptional publications that bring to the fore a variety of subjects touching upon the subject of bilingualism. They are three study volumes that tackle this topic across various spatial and chronological levels: Bilinguisme gréco-latin et épigraphie (2008)3, Contacts linguistiques dans l’Occident méditerranéen antique (2011)4 and Multilingualism in the Graeco-Roman Worlds (2012)5. Similarly, a constant interest in the bilingual inscriptions from Moesia Inferior can also be observed. Thus, an analysis from a historical perspective was performed on the basis of the private bilingual epitaphs from Tomis and Histria. Even if it was just a sectorial approach, this endeavour also explored, besides some linguistic and onomastic features, the causality behind the appearance of these inscriptions, the degree of specialisation, the social/juridical status of the lapicides, the command of both languages by the commissioners, and the redaction order of the languages6. Another analysis, this time strictly linguistic, was conducted starting from a very scrupulous examination of the inscriptions’ languages, 1
This paper was realized in the framework of the CNCS project nr 63/2017, code 0271. We thank the National Council for Scientific Research (CNCS) for the financial support. We also warmly thank Dr. Sebastian Fink and Dr. Martin Lang (Leopold-Franzens University Innsbruck) for the kind invitation to take part in the conference Sprachsituation und Sprachpolitik and to publish in this volume. We also thank Ștefan Caliniuc for reviewing the translation. 2 N. Gostar, Men Aneiketos, p. 519–522; G. H. R. Horsley, A bilingual funerary monument, p. 209–219; B. Levick, The Latin Inscriptions of Asia Minor, p. 393–419; J.B. Curbera, M. Sierra Delage, I. Velázquez, A bilingual curse tablet, p. 279–283; R. A. Kearsley, Bilingual Inscriptions at Ephesos, p. 147–155; idem, Greeks and Romans in Imperial Asia; idem, A bilingual (Latin-Greek) honour, p. 242–244. 3 F. Biville, J.-C. Decourt, G. Rougemont (eds.), Bilinguisme gréco-latin et épigraphie. 4 C. Ruiz Darasse, E.R. Luján (éd.), Contacts linguistiques dans l’Occident méditerranéen antique. 5 A. Mullen, P. James (ed.), Multilingualism in the Graeco-Roman Worlds. 6 M. Alexianu, Les inscriptions bilingues, p. 305–312. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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insisting on the particularities of Vulgar Latin and Koine Greek, while at the same time producing a series of interesting observations on the bilingual texts7. An overview of the historiographical setting of the bilingual inscriptions8 and the coexistence ratio of Greek and Latin in this area9 were similarly entertained by scholars in this field. The inscriptions redacted in a bilingual system from Moesia Inferior are interesting not because of their number, since they constitute, as a matter of fact, an extremely low share of the total count of inscriptions redacted in Greek and Latin, but due to the problematics they introduce, irrespective of their private or public character. For the official bilingual inscriptions, we can speak of two categories: inscriptions emitted by representatives of provincial organisms of the Roman state (required by the nature of the targeted audience of juridical decrees in Greekspeaking milieus) and inscription emitted by Greek poleis (decreta senatus et populi, illustrating the philo-Roman attitude of the official administration of these cities)10. Notwithstanding the above, this paper will concern private inscriptions, which betray a naturally assumed bilingualism, and some particular ones erected by soldiers and veterans living in Moesia Inferior. The soldiers, wherever they came from, expressed themselves mostly in Latin, the official language of the Roman state and of the Roman army. Who are these “bilingual” milites and why are they acting this way? Let us examine the inscriptions. The first text was found at Istros and mentions Aelius Victor, b(ene)f(iciarius) co(n)s(ularis) legionis I Italicae, dead at the age of 38, after having served in the army for 18 years. The tombstone was errected by his brother Aelius Severinus, decurio of municipium Durostorum. The inscription should be earliest dated to the beginning Marcus Aurelius’ reign, when Durostorum became a municipium. This corresponds to the defensive role of this territory accomplished by the legio I Italica, after the dislocation of legio V Macedonica to Dacia (during the reign of Marcus Aurelius). The stone was found in the Late Roman city wall from Istros, but it definitely comes from the statio of our beneficiarius. His brother is decurio at Durostorum; the municipium emerged from the civil settlement located near the camp of legio XI Claudia. Was Aelius Severinus, like his brother, a former soldier who became a member of the local elite? It is possible, but a definitive answer cannot be provided. The onomastics of two brothers is irrelevant in attempting to establish their ethnic origin. A second text, coming from Tomi, attests a veteran of the legio XIII Gemina, a former b(ene)f(iciarius) co(n)s(ularis), who made the tombstone for himself. The veteran’s name is C. Antonius Fronto. We do not know where Fronto’s statio 7
G. Galdi, Aspects du bilinguisme gréco-latin, p. 141–154. R.-G. Curcă, The bilingual inscriptions of Moesia Inferior, p. 71–80. 9 S. Destephen, La coexistence du grec et du latin, p. 129–144. 10 R. Curcă, The bilingual inscriptions of Moesia Inferior, p. 76. 8
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was. He retired to Tomi, where he probably died. Why was he a veteran of the XIII Gemina, when there are many other legions (V Macedonica, I Italica, XI Claudia) in Moesia Inferior? R. L. Dise has shown that the mobility of beneficiarii was remarkable, especially starting with the reign of Trajan11. Therefore, it is not surprising that C. Antonius Fronto was detached to Lower Moesia. Fronto’s origin is difficult to ascertain. A certain L. Antonius Modestus, coming from the Italian settlement of Industria, veteran of the same legio, is commemorated at Poetovio. Other Antonii of the legion, as well as Antonii from Moesia Inferior, do not mention their place of birth, but an oriental origin should also not be excluded. Was the tombstone of Antonius Fronto written in Latin and Greek because he originated from a Greek-speaking area, or because he settled in one? The third inscription also comes from Tomi, and mentions Valerius Valens, veteran of classis Flavia Moesica. The tombstone was erected for himself and his wife; the fragment describing the punishment applied in the case of tomb violation was written only in Greek. Valerius Valens is a typical military name, very widespread in this area, as D. Dana showed12. There are many natives who became Valerii after taking the citizenship in order to enter the army. The origin of our Valerius Valens is unknown, but if the text dates from the 2nd c. AD, as we presume it does, then a local origin cannot be excluded. The fourth text originates from Odessos and mentions a b(ene)f(iciarius) co(n)s(ularis), Malius Secundus, who commemorates his wife, Antistia Firmina. Malius is a name frequently attested at Rome and in Latin-speaking provinces. Is the epitaph for Antistia Firmina written in Greek because Odessos is a Greek town or because the couple are Greek-speakers? The first presumption seems more probable, but we cannot forget that the Antistii from Lower Moesia are coming from Ancyra, especially alongside soldiers of the legio V Macedonica. The prosopographic analysis has lead us to conclude that the people from Ancyra attested in Moesia Inferior are veterans formerly recruited on the occasion of the Parthian wars of Trajan, or their descendants. Let us present some examples from Troesmis. It is true that one person mentions his origin ad litteram, but the presence of this gens at Troesmis is extremely relevant. That person is C. Antistius Valens, veteran of the legio V Macedonica, who lived for ten years after his discharge. The epitaph was commanded by his son, Antistius Zoticus, and by his wife, Atilia Fortunata (peut-être une affranchie)13. Another text informs us about the death of Zoticus, commemorated by his mother and his wife14. The wife, Antistia Antonina, is also his freedwoman. The inscriptions certainly date from the first half of the 2nd c., on account of the lack of the Dis manibus formula. Antistius Vetus is 11
R.L. Dise jr., Trajan, the Antonines, p. 273–283; idem, Variation in Roman Administrative Practice, p. 284–299. 12 D. Dana, L’impact de l’onomastique latine, p. 57. 13 ISM V, 174. 14 ISM V, 175. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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attested by the monumental inscription from 134, alongside more than 200 other retired soldiers15. It seems that these Antistii are relatives. Antistius Vetus was enlisted in 108/109. The enlistments took place during Trajan’s Parthian campaign, like two inscriptions suggested16. Is it possible that Antistius Valens, the veteran, was related and at the same time the companion of Antistius Vetus? The quite early dating of the previous text tips the scale towards an affirmative answer. Another two Antistii, Rufus and Domitius, have municipal charges in the second half of the 2nd c. AD; they probably descend from old veteran families17. To return to Antistia Firmina, it is not easy to state that she descended from these Antistii, but the name occurs in Moesia Inferior more likely in the described situations. Finally, the fifth bilingual inscription mentioning a soldier contains only the greeting formula “Good luck!” in Greek. The person is called Aurelius Pudens, strator consularis, who erected a shrine to Iupiter Optimus Maximus Rector, Iuno Regina, Minerva and Volcan. The text comes from a rural milieu, where the cult of these deities was very popular. It dates from the 3rd c. AD, most probably after 212, taking into account the name of Aurelius and the lack of the praenomen. It seems that Pudens acquired citizenship after 212, which should partially explain the greeting formula in Greek. What are the reasons for the existence of these bilingual inscriptions in the military milieu of Moesia Inferior? First of all, we have to notice that only five texts in which soldiers or former soldiers are involved represents a small number of bilingual inscriptions. Four texts come from Greek-speaking areas (one from Istros, two from Tomi and one of Odessos). The military ranks are quite high and also involve administrative duties: two beneficiarii (Aelius Victor, Malius Secundus), one former beneficiarius (C. Antonius Fronto), one strator consularis (Aurelius Pudens). Just one veteran (Valerius Valens) did not mention his position in the Roman navy. The commemorators or the commemorated persons attested together with our soldiers are their relatives: brother in the case of Aelius Victor (during this time, an official in Durostorum) and wife in the case of Malius Secundus (probably of Oriental descent). It is noteworthy that they all bear Latin names. In this case, it seems more probable that their presence in Greek-speaking areas and their possible connections with the local populace led to the issuance of bilingual texts. Moreover, Aelius Severinus, the brother of Aelius Victor, was an official person, too. In the case of Antistia Firmina, we supposed an Oriental ancestry, but we cannot be certain if she was a Greek-speaker. The text of Aurelius Pudens, where only the greeting formula is in Greek, is an instance of code-switching, a phenomenon we have addressed before. 15
ISM V, 137. On the Antistii, see Mihailescu-Bîrliba / Piftor, Les familles d’Ancyre, p. 331–337; Mihailescu-Bîrliba / Piftor, Les vétérans, p. 210; Mihailescu-Bîrliba / Dumitrache, La colonization, p. 40–41, 110–111. 16 CIL III 141552; AE 1939, 192. 17 ISM V, 148. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Supplementum epigraphicum 1. Istros, ISM I, 302 Ael(ius) Victor, b(ene)f(iciarius) co(n)s(ularis) l[eg(ionis)I] Itali(cae) uixit annis X[XXVIII], mil(itauit) annis XVIII. Ael(ius) Se[ueri]anus, d(ecurio) m(unicipi) Durosteri, [fra]tri dulcissimo posui[t]. AÍlioß Bíktwr, b(ene)f(ikiárioß) ©patikoû leg[i]ônoß prýthß 'Italikêß, Ézhse [É]th lh’, ™strateúsato Éth ih´. [A]Ílioß Seouhrianóß, bouleutçß [Dour]ostorhsíwn, ˜delfþ glu[kutá]tö ˜néqhke. 2. Tomi, ISM II, 190 C(aius) Antonius Fronto vete(ranus) leg(ionis) XIII Gem(inae) ex b(eneficiario) co(n(s(ulari) lucum et sepulchrum vivus sibi et sui [s exornavit. Salve ! G(áioß) $Antýnioß Frýntwn ouet(erânoß) legi(ônoß) ig’ didúmhß tò súndendron kaì tò mnhmîon zôn ¢autô kaì toîß œdíoiß ™cërtisen. 3. Tomi, ISM II, 199 D(iis) M(anibus). Val(erius) Valens vet(eranus) [classis Fl(aviae) Moesie (sic) me[moriam feci vivo meo mi et [dulcissime (sic) coiugi me[ae--© 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Tçn gluku]táthn súnbion; [½ß Án Állo]n tin’ ˜ntéqh ne[kròn Ç pol]ësei, ín tô fískw d(hnária) Étesi ke´ §Erm[êß ˜delfòß a toû [zôn kaì fronÔn ™poíh[se; xaîre paro[deîta. [(tþ) pátroni ™poíhsa]. Xaíroiß 4. Odessos, IGBulg I2, 218 D(is) M(anibus) et memoriae Antistiae Firmine coiugi rarissime, quae vixit mecum ann(os) XXIII. Malius Secundus b(ene)f(iarius) co(n)s(ularis) maritus fecit me poni. eÍ tiß toútö £røö, ½pou keîte £ progegramménh, qelësi Állon ‚teron qeînai, dýsi tþ tamíö (dhnária) bf’ kaì tñ 'Odhsseitôn póli (dhnária) bf’. 5. Dolna Bešovica, ILBulg, 156 'Agaq[êi] túx[hi] Iovi o(ptimo) m(aximo) rector(i), Iunoni regin(ae), Miner(vae), Victo(riae), Volk(ano), Mercur(io), fatis divinis Aur(elius) Pudens strat(or) co(n)s(ularis) v(otum) l(ibens) p(osuit). References Alexianu, M.: Les inscriptions bilingues privées de Tomi et de Histria. In V. Cojocaru (ed.): Ethnic Contacts and Cultural Exchanges North and West of the Black Sea from the Greek Colonization to the Ottoman Conquest. Iaşi 2005, 305–312. Biville, F., Decourt, J.-C., Rougemont, G. (eds.): Bilinguisme gréco-latin et épigraphie – actes du colloque des 17–18 et 19 mai 2004, Colloques de la Maison de l’Orient Méditeranéen 37. Paris 2008. Curbera, J.B., Sierra Delage, M., Velázquez, I.: A bilingual curse tablet from Barchín del Hoyo (Cuenca, Spain). ZPE 125 (1999) 279–283.
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Lucrețiu Mihailescu-Bîrliba / Roxana-Gabriela Curcă
Ruiz Darasse, C. / Luján, E. R. (éd.): Contacts linguistiques dans l’Occident méditerranéen antique. Madrid 2011. Abbreviations AE. CIL. Dacia N.S.
L’Année Épigraphique. Paris. Corpus Inscriptionum Latinarum. Berlin. Dacia Nouvelle Série. Revue d’archéologie et d’histoire ancienne. Bucharest. ISM. Inscriptiones Scythiae Minoris. Bucharest. Peuce S.N. Peuce Serie Nouă. Studii de istorie şi de arheologie. Tulcea. ZPE. Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. Bonn. C&C. Classica et Christiana. Iaşi.
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Scriptura Franca? Zur Rolle einer ideographisch basierten Schrift in einer mehrsprachigen Gesellschaft Gebhard J. Selz
0. Für vormoderne Gesellschaften, die vor allem durch Schriftzeugnisse dokumentiert sind, werden Fragen der Mehrsprachigkeit überwiegend als linguistische Phänomene beschrieben. Insbesondere für eine primär „logographisch“ orientierte Schrift erscheint dies unzureichend: „There could have been no initial expectation that what was written would correspond with what was spoken. Language was not the original chief focus of writing ...“ (Baines 2012: 29). Bekanntermaßen hat man dem in Keilschrift geschriebenen Akkadisch, das um die Mitte des 2. Jt. v.u.Z. über Mesopotamien und die Levante bis nach Ägypten und Anatolien sowie im Iran bezeugt ist, die Rolle einer lingua franca, genauer einer dominanten Verkehrssprache zugesprochen. Eine ähnlich weite Verbreitung ist für das überwiegend logographisch geschriebene Sumerisch gegen Ende des 3. Jt. v.u.Z. nachweisbar. Der Beitrag diskutiert dieses frühe Verhältnis von Schrift und Mehrsprachigkeit an einigen Beispielen und versucht der dominanten Rolle logographischsemasiographischer Schrift durch den Terminus der scriptura franca gerecht zu werden.1 Mögliche Konsequenzen aus diesen Beobachtungen sind im Kontext der mesopotamischen Kulturen auch für eine „mesopotamische Epistemologie“ von Bedeutung. 1. Die nachfolgenden Erörterungen basieren auf folgenden grundlegenden Hypothesen: Die Keilschrift – und auch die historisch fassbare sumerische Sprache – entwickelt sich von Anfang an in einer mehrsprachigen Umgebung, dem „Sprach(en)bund“ von D.O. Edzard.2 Daher trägt mit größter Wahrscheinlichkeit die sumerische Sprache seit dem Ende des 4. Jt zur Ausformung der Keilschrift bei. 1
Trotz zahlreicher Einzelbeobachtungen zum Verhältnis von Bild und Schrift (im engeren Sinne) fehlt bis dato eine zusammenfassende Studie, wie sie etwa Baines 2007 für Ägypten vorgelegt hat. Auch im Rahmen des vorliegenden Beitrages ist es notwendig darauf hinzuweisen, dass Bild und logographisch-semasiographische Schrift – trotz mancher gemeinsamer Wurzel – zwei recht unterschiedliche Kommunikationssysteme darstellen; vgl. z.B. Cooper 2008. 2 Edzard 1977. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Gebhard J. Selz
Über Jahrtausende hinweg bleibt das prestigeträchtige Sumerisch im Zentrum von Schreiberausbildung und der scholastischen Traditionen. An zahlreichen Beispielen lässt sich darüber hinaus zeigen, dass Zeichen und Worte wichtige Referenzpunkte der sich entwickelnden mesopotamischen konzeptuellen Systeme, bzw. der Glaubenssysteme darstellen (vgl. Selz 2002; Johnson 2013; Selz im Druck). Wenn wir von Schrift sprechen, ist folgende Unterscheidung zentral; Glottographie – Wiedergabe der gesprochenen Sprache ist nur eine Form der Schrift (Schrift im engeren Sinne).3 Schrift im weiteren Sinne umfasst auch semasiographische – oder ideographische – Zeichen. Mischformen von Glottographie und Semasiographie sind in der Keilschrift die Regel. Nur glottographisch geschriebene Texte – wie etwa die altassyrischen Texte aus Kültepe-Kaniš – sind eher eine Ausnahme. Semasiographisches Schriftsystem und ikonisches Zeichensystem (Bildsysteme) haben zumindest zum Teil die gleichen Wurzeln, nach und nach jedoch entwickeln sich beide auseinander und werden des Öfteren inkongruent.4 Eine Voraussetzung für die frühesten Schriftformen sind gewiss Systematisierung in Zeichenrepertoire, Zeichenlayout, etc. Unter den frühesten Zeichen finden sich nämlich nicht nur solche mit einem bildlichen Referenten, sondern auch (für uns) „abstrakte“ Zeichen offensichtlich konventionellen Ursprungs. Wann genau die Verwendung des Rebus-Prinzips (vgl. Ill. 5) als Kerntechnik zur Phonetisierung des Bildes und der Gewinnung freier Lautwerte „entdeckt“ wurde lässt sich schwer bestimmen. Mir scheint jedoch, dass bereits in der Uruk-zeitlichen Schrift dafür gute Beispiele zu finden sind. Auf einzelne Punkte dieses einführenden Überblicks soll im Folgenden näher eingegangen werden. 2. Bereits in ATU (1936:26) hatte Adam Falkenstein folgende Gliederung für die Uruk IV-zeitlichen Zeichenformen vorgeschlagen: „Die erste Gruppe wären dann die deutlich bildhaften Zeichen, die zweite diejenigen Zeichen, die ihr Vorbild in stark abgekürzter Form wiedergeben, diesen beiden Gruppen stände die dritte, der abstrakten Symbolzeichen gegenüber.“5 3
Vgl. dazu grundlegend Hyman 2006. Vgl. hierzu etwa Cooper 2008 und vgl. Selz 2015; Ein eindrückliches Beispiel bietet die unterschiedliche Verwendung des Gottesklassifikators in der Schrift und in der bildlichen Darstellung. Die Schrift verwendet schon zur Uruk-Zeit den Stern – das Zeichen AN – zur Klassifikation von Gottheiten; In bildlichen Darstellung hingegen setzt sich im Laufe der frühdynastischen Zeit die sog. „Hörnerkrone“ mehr und mehr als Markierung von anthropomorphen Gottheiten durch. 5 Dies stimmt weitestgehend überein mit der folgenden Einteilung der frühen Zeichen: Sie folgen (a) ikonischen Prinzipien (stilisierte Darstellung des Referenten) oder (b) metonymischen Prinzipien (ein Teil des Ganzen repräsentiert den Referenten), (c) synekdochischen Prinzipien (etwas Charakteristisches, bzw. etwas aus dem Umfeld des Referenten repräsentiert ihn) oder (d) einer uns nicht weiter einsichtigen „Konvention“. Das Problem, dem sich die frühe Schriftentwicklung gegenübersah – sobald man mehr als die einfachen 4
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Nach der systematischen Neubearbeitung des Früh-Uruk-zeitlichen Materials durch die Berliner Forschergruppe um Hans Nissen, die vor allem durch Bob Englund erfolgreich fortgesetzt wurde,6 haben Krispijn (1991–1992), Glassner (2000) und Englund selbst (z.B. 1998: besonders 65–71 und vgl. unten Ill. 2) sich mit den Konstruktionsprinzipien der frühen Keilschriftzeichen auseinandergesetzt.7 Dabei wurde deutlich, dass es zwar eine beträchtliche Zahl von ikonisch basierten Zeichenformen gibt, aber ein erheblicher Anteil für uns „abstrakt“ scheint bzw. in ihrem Ursprung unbekannt bleibt. Die viel diskutierte Frage, ob die Uruk IV und Uruk III-zeitlichen Texte – zwischen beiden Epochen besteht ein beträchtlicher Unterschied – „sumerisch“ zu lesen sind,8 kann hier nicht weiter verfolgt werden. Manfred Krebernik hat in mehreren Vorträgen darauf hingewiesen, dass sich in den Uruk-Texten Personenamen nachweisen lassen, die als Vorläufer jüngerer Schreibungen im späteren sumerischen Onomastikon zu gelten haben. Gleichzeitig hat sich Miguel Civil mit der Frage semitischer Einflüsse auf die frühe sumerische Lexik beschäftigt.9 Verf. scheint es daher nahezuliegen, dass hinter der Entwicklung der frühesten Keilschrifttexte eine mehrsprachige Gesellschaft, wie sie auch späterhin über Jahrtausende hin nachzuweisen ist, steht. Listen von Gegenständen schreiben wollte, war (i) die Schreibung von Eigennamen, bei denen das Problem der Aussprache virulent wird und (ii) die Darstellung von IDEEN (= komplexen mentalen Bildern), wofür zunehmend eine Kombination von Zeichen oder Zeichenmodifikationen verwendet wurden. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass sich hinter solch „abstrakten“ Zeichen möglicherweise ikonische Bezüge verbergen, die nur uns – mangels kulturellen Kontexten „abstrakt“ erscheinen. Dass etwa das „Icon“ einen Hinweis auf „Thanksgiving“ bietet, bedarf der Kenntnis angelsächsischer kultureller Traditionen. 6 Den besten Überblick über den Stand der Erforschung der Uruk-Texte bietet Englund 1998. 7 Frühere paläographische Bestimmungen von Zeichen und Zeichenentwicklungen sind mitunter zwar anregend, aber doch nur mit großer Vorsicht zu verwenden. Vgl. z. Deimel 1928–1932 oder das heftig kritisierte Werk von Jaritz 1967. (dazu z.B. Biggs 1969). Die Komplexität solcher Fragestellungen wird bestens deutlich in der Arbeit von Mittermayer 2005; zur Differenzierung von „Fischzeichen“ s. unten Ill. 1. 8 Kritischer Überblick in Englund 2009. 9 M. Civil 2007: 11–33 sammelte 257 Wörter der Struktur C1V1C2V2C3. Wahrscheinlicher oder möglicherweise gehören einige davon zum ältesten Stratum semitischer Entlehnungen ins Sumerische. Vgl. die Bespiele: */bandar/ = patru „dagger“; * d a m- g à r ( a ) = tamkāru „merchant; */k/gabar/ = kaparru „shepherd“; (*)/k/garaš/ = karašu (ar. kurraṯ) „leek“; karāšu I „encampment“ (sum.?); II (ar. karaṯa) „disaster“; /masap/ = masabb/ppu (soq. Msefi; am. Mason) “a basket“; /palak/ = pilakku (he. pelek) „spindle; /saman/ = šumannu (ar. zimām) „lead-rope“; saḫar = ṣēru (ar. ṣaḫārā) „sand“ > „steppland“ („desert“); silim = sem. šlm „peace; good health“. Vgl. a. éš-bar-kin 1032 (Sjöberg Fs. Kienast 552) g ú g i 4 - g i 4 = gú-bi-lu-um (EV 0111) zu sem. QBL und s. Civil /qabal/ in R - d u g 4 „to fight (in a lawsuit)“. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Gebhard J. Selz
3. Die schreiberliche Kreativität der Bildung von Zeichen sei hier an folgendem Beispiel illustriert: Das spätere Zeichen /ra(ḫ)/ etwa “schlagen, treiben 10 erschient in den Uruk-Texten in folgender interessanten Variante (in administrativem Kontext): Während „normales“ /ra(ḫ)/ aus einer Kombination eines Bildzeichens für Geißel und dem Zeichen für „Kleinvieh, Schaf“ UDU gebildet wird, verwendet die vermutete Zeichenvariante statt letzterem das Zeichen für „Großvieh, Ochsen“ GUD; vgl. unten Ill. 3. In jedem Falle scheint das Zeichen eine metalinguistische Information zu beinhalten, nämlich, das Treiben bezogen auf Kleinvieh bzw. Großvieh. Andererseits werden später nicht selten manche ursprünglich ikonisch differenzierte Zeichen miteinander vermengt. Beispiel hierfür ist das Zeichen saĝšu 11 „Kopfbedeckung“ versus ugu 12 „(Hinter)kopf, Schädel; oben, darüber, etc.“ Jünger wird das Wort für „Kopfbedeckung“ regelmäßig TUG2 - sagšu geschrieben, wobei unklar bleibt, ob TUG2 nur zur graphischen Differenzierung der zusammenfallenden Zeichen dient (graphischer Klassifikator) oder ursprünglich Sprachbestandteil war: túg -sag šu „Stoff, der das Haupt bedeckt“. Natürlich gibt es viele weitere Beispiele dafür, dass in der Weiterentwicklung der Keilschrift die ursprüngliche Ikonizität von Zeichen verloren geht – oder neu und „inkorrekt“ rekonstruiert wurde. Der erste Schritt hierzu erfolgte schon allein deshalb, weil man bereits in der Uruk-Zeit die ursprünglich kurvenförmigen Zeichenbestandteile in Kombinationen von (mehreren) geraden Keilen auflöste. 4. Andere Zeichenformen scheinen nach systematischen Gesichtspunkten neu entwickelt worden zu sein; s. z.B. IL2, eine Kombination der Zeichen für ein Tragbehältnis+Kopf; das Zeichen dient dann zum Ausdruck der Handlungen „hochheben, tragen“ und bezeichnet auch den „Tragkorb“ selbst. Dieses Zeichen ist in den Uruk-zeitlichen Texten bislang noch nicht belegt, aber tritt in der FD-Zeit gehäuft auf. Davon zu unterscheiden sind Fehlschreibungen komplexer Zeichen. Nicht zuletzt die sonst unbekannte Form des Zeichen KA2 (oder /kabar/(?)) in AWAS 41 (STH 1, 42) 1:2 war wohl einer der Gründe, dass die entsprechende Tontafel neu geschrieben werden musste (DP 613); vgl. unten Ill. 4.13 10 ePSD bietet die folgenden Informationen: r a ḫ [BEAT] (597x: ED IIIb, Old Akkadian, Lagash II, Ur III, Early Old Babylonian, Old Babylonian) wr. r aḫ 2 ; r a - a ḫ „to beat, kill; to break, crush; to flood; to thresh (grain with a flail)“ Akkadische Gleichungen: dâku; diāšu; ḫepû; raḫāṣu; rapāsu. 11 ePSD gibt: s a ĝ š u [TURBAN] (8x: Old Babylonian) wr. tug2 s a ĝ š u „turban; cover of a pot“ Akk. kubšu. 12 Nach ePSD u g u [SKULL] (1025x: Ur III, Old Babylonian) wr. u g u 2 ; u g u ; u g u 3 ; u g u x (|U.SAG|); u g u x (|A.U.KA|) „skull, pate; first section of a balanced account, capital; on, over, above; against; more than; top“ Akkadisch eli; muḫḫu; qaqqadu. 13 Vgl. hierzu Selz 1993: 390–398. Die „Fehlschreibung“ des Zeichens allein ist kaum der alleinige Grund für die Überarbeitung dieses einmaligen Textes. Es handelt sich um den ältesten bekannten Versuch, einen Grundriss mit Hilfe von Sprache zu beschreiben. Einen Überblick über die frühen Bauzeichnungen bietet Bagg 2011.
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5. Unter den hier gewählten Gesichtspunkten lässt sich auch die Verwendung von (Pseudo-)Logogrammen in nicht sumerischen Texten als Phänomen einer scriptura franca beschreiben. In seinem Buch Akkadische Logogramme verzeichnet W. Schramm (2010) rund 4800 Einträge; die Mehrheit wird dabei allein durch unterschiedliche akkadische Entsprechungen differenziert; ca. 1600 sind unter anderen Gesichtspunkten zu betrachten; wir finden: a) Echte Sumerogramme, wie ZU = idû, „wissen “ oder URUki = ālu(m) “Stadt”. b) Pseudo-Sumerogramme wie AMA = ummu „Mutter“, das auch für das akkadische Homophon ummu “Hitze” Verwendung findet. c) Semantische Übertragungen/Erweiterungen wie bei bad 5 -bad 5 (IGI.IGI) „Niederlage in der Schlacht“ = dabdû, auch mit den Entsprechungen abiktu, taḫtû, ebenso „Niederlage“. d) Semantische Übertagungen aufgrund akkadischer / semitischer Semantik: z.B. ARHUŠ = rī/ēmu “Mutterleib” und “Mitleid”.14 e) Akkadogramme (Pseudo-Sumerogramme), fossilisierte ursprüngliche syllabische Schreibungen, wie GU.ŠUR = gušūru „Balken“, MA.TUM „Land“15 oder SA.TU = šadû „Berg“. 5.1. Einem ähnlichen Muster können auch “Akkadogramme” in hethitischen Texten folgen z.B.: A.NA „zu; für“ (Dativ Marker), EL.LAM „rein; frei“ oder ṬUP.PU und ṬUP.PA = ṭ/tuppi- „Tontafel“.16 Vgl. weiters: ENlú SISKUR = maltsenas isḫas „der Herr des Rituals “ oder A.NA LUGAL = ḫa-aš-šu-u-ú-i „für den König“. Die sorgfältige und umfassende Studie von Weeden 2011, diskutiert das Phänomen hethitischer Logoramme nicht nur im Hinblick auf ihre epistemologischen Implikationen sondern auch in Bezug auf den sumerisch – akkadisch – hethitischen Sprachkontakt.17 5.2. Es ist bemerkenswert, dass sich – neben der einfachen Übernahme von „sumerischen“ Logogrammen in anderssprachigen (syllabischen) Texten – bereits zur Mitte des 3. Jahrtausends der Gebrauch von Semitogrammen (Eblaitogram14
Es scheint sinnvoll anzunehmen, dass die recht verschiedene, aber gemeinsemitische
Semantik von rī/ēmu ins Sumerische übernommen wurde; vgl. AMA
and ARHUŠ
. Während das Zeichen ARHUŠ auf die Bedeutung “Mutterleib” verweist, geht das sumerische Wort /arḫuš/ “Mitleid” wahrscheinlich zurück auf é r - h u š “bittere (rote) Tränen”, das ist „Mitleid“. 15 Vielleicht eines der ältesten Akkadogramme vgl. Marchesi & Marchetti 2011: 166 n. 76. 16 Vgl. Marquardt 2011: 12, 15f. 17 Siehe Weeden 2011, besonders pp. 352–359. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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men) nachweisen lässt, 18,19 ein Phänomen das, wie ich denke, nur unter dem Prinzip einer scriptura franca erklärbar wird. Nur beispielhaft sei hier hingewiesen auf eblaitische Schreibungen wie BE für bēlum/baʿ lum “Herr”; DAM = dāmum, MA.LIK (für malkum) und das weibliche Gegenstück MA.LIK.TUM, das niemals dekliniert erscheint; ähnlich zu betrachten ist die Pluralschreibung MA.LIK.TUM-MA.LIK.TUM, welche gewiss durch die Pluralbildung sumerischer Nomina beeinflusst ist und gewiss keine sprachliche, sondern eine rein schriftliche Funktion besitzt. 6. Ähnlich zu bewerten sind wohl auch Schreibungen wie GU2.BAR für kubārum (ein Messgefäß) oder die Schreibungen der Zahlen MI(.AT) und LI(.IM); vgl. weiters die Nomina NA.SE11 „Person“ (Plural NA.SE11-NA.SE11 „Menschen“), LI.IM „Clan“ und auch DA.MU „Blut, Lineage, Stamm(?)“. Selbst das Pronomen -SU3 wird nicht nur für 3. Ps. m. und f. verwendet, sondern sogar für die anderen Personen. Es ist daher ein „Akkadogramm“ und keine ausgesprochene Silbe.20 Sumero- und Semitogramme – nach unseren Auffassungen Zeugnisse einer scriptura franca – finden sich bereits in voraltakkadischer Zeit, wie die nachfolgend von Marchesi & Marchetti bearbeitete Statueninschrift eines gewissen Śum-baʿlī deutlich mach, die im INANA-ZA.ZA – Tempel in Mari aufgefunden wurde.21 Nachfolgende Umschrift und Übersetzung folgen der Bearbeitung von Marchesi & Marchetti 2011: 181–184: in unserem Kontext bemerkenswert ist insbesondere die Verwendung von Semitogrammen (BE (bēlum) und DAM (dāmum)) neben mehreren Sumerogrammen, innerhalb dieser sicher semitisch zu lesenden Inschrift.22 (Obere) Kol. i 1 sum6-BE 2 DAĜAL DAM 3 a-ĜURUŠ KALAG
Śumbaʿlī, he who extends the „blood”/lineage, the powerful man,
18 Der Einschluss der nachfolgenden Bemerkung wurde veranlasst durch einen Vortrag von Gianni Marchesi am Orientalischen Institut der Universität Wien, „Of Plants and Trees: Crops and Exploitation of Vegetal Resources at Ebla“ im November 2012. Mein herzlicher Dank gilt Gianni, der das Thema mit mir auch via Email weiter diskutierte. 19 Vgl. weiters Krebernik 1992 und Catagnoti 2012. 20 Für Beispiele, Literaturhinweise und Diskussion dieser Phänomene bin ich Gianni Marchesi zu aufrichtigem Dank verpflichtet. 21 Zur Frage der Datierung und einer möglichen Fremdherkunft des Stückes vgl. die Diskussion in Marchesi & Marchetti 2011:134–136. 22 Verf. erlaubt sich hier auf den von Marchesi & Marchetti 2011: 182 diskutierte Hypothese, sumerisches gidim „Totengeist“ sei auf semitisches *qādimum „predecessor“ hinzuweisen. Danach wäre eine sumerische Interpretation g i + d i m, analog zu /niĝdim/ „Gegenstand“ bzw. /uludin/m/“ Zeichen; Erscheinung; (Gesichts)züge“, oder */alamdíma/ = alamdimmû „Bildnis; Gestalt“ sekundär.
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Scriptura Franca?
4 5 6 7 8 9 10 11 12
me-da GIDIM.GIDIM ÍL DIĜIR.DIĜIR sum6-BE a-bu16(NI) sùr(KAM)-am6-AḪ ke4(KID)-pum rí-ad ù x-bu-bu
(Untere) Kol. ii 1 ʾa5(NI)-na 2 BE-li-SÙ
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he who takes care of the spirits of the ancestors, he who maintains the gods. Śumbaʿlī, father of ŚurʾamʾaḪu, Qēpum(?), Reʿat(?), and …bubu. For his lord.
7. Wir halten fest, dass unsere eingangs aufgestellte Hypothese einer uralten und andauernden mesopotamischen Mehrsprachigkeit sich mehr und mehr bestätigt. Wir haben also gute Gründe anzunehmen, dass in Mesopotamien seit der Frühzeit die unterschiedlichsten Sprachkontakte, sowohl auf kollektiver, wie auch auf individueller Ebene, bestanden. Während aber die gegenseitige Beeinflussung verschiedener Sprachen in der Frühzeit noch nicht deutlich gefasst werden kann, ist sie in der 2. Hälfte des 3. Jahrtausends überall zu beobachten. Dabei besitzen unterschiedliche Sprachen und Varietäten auch unterschiedliches und sich veränderndes Prestige. Dies beeinflusst unsere schriftlichen Quellen über die Jahrtausende. Als Regel für den Einfluss der prestigeträchtigen (dominanten) Sprache gilt in der Kontaktlinguistik, dass diese zunächst auch von den Sprechern der nichtdominanten Sprachgruppe als Verwaltungs- oder Wirtschaftssprache benutzt wird und dann später immer weiter in den alltäglichen Sprachgebrauch vordringt. Dabei können politische und wirtschaftliche Veränderungen diesen Vorgang erheblich modifizieren oder sogar umkehren. Dies bildet auch den Hintergrund für die Identifizierung und Beschreibung der sprachlichen Varietäten im Altsumerischen und Altakkadischen, wobei sich wohl die unterschiedlichsten Prestigestrategien mischen. Obzwar deren Identifizierung in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte gemacht hat,23 so ist die in Sonderheit für das Sumerische bislang noch immer problematisch. Für gemischtsprachige Texte, wie in den nachfolgenden Beispielen, gibt es im Wesentlichen drei Deutungsmöglichkeiten: A) Die Inschriften repräsentieren ein echtes Code Switching. B) Es handelt sich um ein ausschließlich schriftliches Phänomen, d.h. die Inschriften sind in einer Sprache (in diesem Fall in Akkadisch) zu lesen. C) Es handelt sich um ein meta-sprachliches (oder teil-meta-sprachliches) Phänomen, vornehmlich gebunden an den Formularcharakter; d.h. die zweite
23
Vgl. z.B. Sallaberger 2011. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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„Sprache“ – in diesem Fall Sumerisch – ist nur mehr eine „Fachsprache“. Unser erstes Beispiel ist ein von Kienast & Volk (1995: 75–77) bearbeiteter altakkadischer Brief aus Girsu (Gir 8 = ITT 1, pl. 4; vgl. unten Ill. 6). Der Text weist eine klare Zweiteilung auf: Sein „Betreff“, Gerstenzuteilungen, ist in „Sumerisch“ geschrieben und entspricht in seinem formelhaften Charakter gleichzeitigen und älteren Verwaltungsurkunden. Die Briefanweisung selbst dagegen, am Ende des Briefes, ist Akkadisch. Im annähernd zeitgleichen Brief des Mezi aus Adab hingegen (Ad 4 = Z. Yang PPAC 1, bearbeitet von Kienast & Vol 1995: 42–44, s. unten Ill. 7) ist lediglich die Einleitungsformel a-na be-l[í] / en-ma „Zu meinem Herrn. Folgendermaßen“ in akkadischer Sprache; der keineswegs formelhafte Rest des Briefes hingegen ist Sumerisch geschrieben. Besonders bemerkenswert ist der nachfolgend – im Anschluss an Kienast & Volk 1995: 126f. – wiedergegebene Brief eines Lugal-azida aus Nippur (Nip 1 = Westenholz ECTJ pl. X 50). Der Brief lautet: Vs.
1 2 3 4 5 6 7 8 Rs. 9 10 11 12 13
[I]
Lugal-˹á˺-zi-da ir 11 Lugal-ki-g al-la énsi-da in -da-zàḫ ki -zàḫ-a-na géme-Ur-nìgin ba -du 11 in Maš-kà-niki˹ŠABRA˺ u-˹ša˺-ab ˹li˺-[ru]-ù-˹nim˺ ˹x-x-le˺ [……] ˹x˺
Lugalazida, der Sklave des Lugalkigala, ist dem Statthalter davongelaufen. Über seinen Zufluchtsort hat die Sklavin des Urnigin eine Aussage gemacht. In Maškanšapir hält er sich (demzufolge) auf. Man soll (ihn) herholen! … …
Hier scheint die Mischung von jeweils zwei sumerischen und zwei akkadischen Verbalformen auf echtes Code-Switching hinzudeuten, wobei der Fundort des Briefes in Nippur, dem alten (sumerischen) Zentralheiligtum des Enlil, besonders bemerkenswert erscheint. 8. Das alte Mesopotamien verband alle Formen der Wahrnehmung mit dem phänomenologischen Konzept vom Zeichencharakter der Welt. Dieses empirische Konzept war grundlegend für alle Wirklichkeitserfahrung und ihre Deutung. Die Beispiele, die die mesopotamische Literatur für diese Grundannahme bereitstellt, sind ohne Zahl;24 gleichwohl steht eine vergleichende historische Untersuchung 24
Am bekanntesten sind natürlich die zahllosen Beispiele aus der mesopotamischen Vorzeichenliteratur; so schreibt Stefan Maul 2003: 2003: 45: „Eine genau umrissene Wahrnehmung, die als Zeichen verstanden wird, welches, immer wenn es unter gleichen Bedin© 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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dieses zentralen Konzeptes noch aus. Mesopotamien scheint insgesamt erstaunlich wenig Gewicht gelegt zu haben auf eine Unterscheidung von empirischen „Primärzeichen“ in Natur und Umwelt und ‚abgeleiteten‘ Zeichen, produzierten Zeichen, wie sie ja auch die Glyphen der Keilschrift darstellen. Damit erweist sich das mesopotamische Konzept von Empirie als von unserem grundsätzlich different. Interpretatorisch scheinen sich dabei nicht selten die verschiedenen Ebenen von Wahrnehmung zu vermengen. Daher ist die Bemerkung, die Civil 1994:3 zum Zweck der „Farmer’s Instructions“ gemacht hat, ähnlich auch auf viele andere Texte zu übertragen: “Comparison with one of the types of so-called grammatical texts … and the use of FI in schools suggest that the purpose of the composition was less to teach how to grow cereal crops than how to do it ‘in Sumerian’“. Für die herausragende Rolle von Schrift und Schriftzeichen ließen sich weitere Beispiele sonder Zahl beibringen. An dieser Stelle sei nur auf das wichtige Kapitel „Hermeneutic techniques used in Babylonian and Assyrian commentaries“ in Frahm 2011: 59–85 verwiesen. Bereits in den ältesten „lexikalischen Listen“ findet sich Ähnliches. Es sei hier nur bemerkt, dass ein wichtiger Aspekt der lexikalischen Listen25 von Anfang an ihre implizite „Kommentarfunktion“ gewesen sein muss. Wahrnehmung und Beschreibung sowie ‚kreative‘ Manipulationen der „Zeichen“ stehen im Zentrum des mesopotamischen empirischen Konzepts. Selbst die Vorzeichenkunde folgt weniger den systematischen Beobachtungen natürlicher Phänomene, als einer auch schriftinhärenten Systematik.26 Insgesamt bedeutet dies, dass ein Wort, wie ein Keilschriftzeichen, im Wesentlichen demselben hermeneutischen Verfahren unterworfen werden kann. Für beide Formen von Schrift, der glottographischen Schrift auf der einen und der semasiographischen Schrift auf der anderen Seite bedeutet dies, dass die Beschäftigung mit dem „Wort im Worte“ wie mit dem „Zeichen im Zeichen“ dem mesopotamischen Empiriekonzept unterworfen ist und parallel behandelt werden müssen, trotz der unterschiedlichen medialen Basis von Sprache und Bild. Pragmatisch gesehen besitzen Bilder, wie Schrift im engeren Sinne, Kontexte, von denen ihre Bedeutung abhängt. Dabei sind Bilder tendenziell eher polysem, während Glottographie – sprachgebundene „phonetische“ Schrift – sich um Ein-
gungen erscheint, die gleichen Schlüsse über zukünftige Ereignisse und Umstände zulässt, nennt man Omen (…). Die Wertung einer Wahrnehmung als Omen ist das Ergebnis eines Erkenntnisprozesses, das den als regelhaft erkannten Zusammenhang zwischen dem Wahrgenommenen und dem sich in der Zukunft Ereignenden herstellt.“ – Im Unterschied zu Maul bin ich allerdings der Auffassung, dass das mesopotamische Konzept von Empirie sich von unserem grundlegend unterscheidet; vgl. Selz 2012 und beachte z.B. die explizite Bezugnahme auf Keilschriftzeichen in der „Morphoskopie“ Böck 2000: 93–97 = Alamdimmû III 76–76–133. Vgl. in diesem Zusammenhang weiters die von Annus 2010 herausgegeben Aufsatzsammlung und dort insbesondere Frahm 2010. 25 Einen hervorragenden Überblick über die lexikalischen Listen bietet Veldhuis 2014. 26 Siehe auch Selz 2012. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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schränkung dieser bildgebundenen Polysemien bemüht, was insbesondere bei der Schreibung von Autonymen wichtig wird.27 „Logographischen“ Schreibungen hingegen machen sich oft solcher tendenziell inhärenten Polysemien zu nutze. Sowohl bei Semasiogrammen, wie bei ganzen Texten, wird eine Deutungsöffnung erreicht; nach Auffassung des Verfassers ein zentrales Verfahren nicht nur der mesopotamischen „belles lettres“. Diese tendenzielle interpretative Offenheit von Zeichen und Texten erlaubt es auch mit Hilfe von Semasiogrammen wichtige Eckpunkte einer Weltanschauung über Sprachgrenzen hinweg zu transportieren. Die weite Verbreitung der Keilschrift und die Hartnäckigkeit, mit der an semasiographischen / logographischen Schreibungen festgehalten wird, unterstreicht diesen Aspekt. In der Tat fungieren – zumindest im 3. Jt. – die Sumerogramme somit als eine Art scriptura franca. Somit transportiert die Keilschrift, die die kommunikative Basis für weite Teile des Alten Orients darstellt, auch mentale Konzepte über die Sprachgrenzen hinweg. Damit vermittelt die Schrift – insbesondere die „Logogramme“ – zwischen unterschiedlichen epistemischen Welten und wird zum zentralen Element der Verbreitung mesopotamischer Weltanschauungen. Bibliographie, Literatur und Abkürzungen Annus, A. (ed.), 2010: Divination and Interpretation of Signs in the Ancient World. Oriental Institute Seminars 6. Chicago. ATU = Falkenstein 1936. Bagg, A., 2011: „Mesopotamische Bauzeichnungen“, pp. 543–586 in G.J. Selz & K. Wagensonner (eds.): The Empirical Dimension of Ancient Near Eastern Studies. Wiener Offene Orientalistik 6. Wien. Baines, J., 2007: Visual & Written Culture in Ancient Egypt. Oxford. — 2012: „Script, High Culture, and Administration in Middle Kingdom Egypt“, pp. 25–63 in S.D. Houston (ed.) The Shape of Script. Santa Fe. Biggs, R.D., 1969: Review of K. Jaritz 1967, Bibliotheca Orientalis 26: 207–209. Böck, B., 2000: Die babylonisch-assyrische Morphoskopie, Archiv für Orientforschung Beiheft 27. Wien. Catagnoti, A., 2012: La grammatica della lingua di Ebla, Quaderni di Semitisitica 29. Firenze. Civil, M., 1994: The Farmer’s Instructions. A Sumerian Agricultural Manuel. Aula Orientalis Supplementa 5. Barcelona. 2007: Early Semitic Loanwords in Sumerian, pp.11–33 in M. Roth et al. (eds.), Studies presented to Robert D. Biggs. Chicago. Cooper, J.S., 2008: „Incongruent Corpora: Writing and Art in Ancient Iraq“, pp. 69–94 in P. Taylor (ed.) Iconography without Texts, Warburg Institute 27
Vgl. meine Studie zu der historischen Ebene der Schreibung mesopotamischer Toponyme, Selz 2013. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Colloquia 12. Deimel, A., 1928–1932: Šumerisches Lexikon. II. Teil: Vollständige Ideogrammsammlung. Roma. Edzard, D.O., 1977: „Der gegenwärtige Stand der Akkadistik und ihre Aufgaben“, in W. Voigt (ed.): XIX. Deutscher Orientalistentag: vom 28. September bis 4. Oktober 1975 in Freiburg im Breisgau (= Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Supplement 3,1), Wiesbaden, 47–51. ePSD: Electronic Pennsylvanian Sumerian Dictionary: http://psd.museum. upenn.edu/epsd/nepsd-frame.html (last addressed August 2014) Englund, R.K., 1998: „Texts from the Late Uruk Period“, pp.15–233 in J. Bauer, R.K. Englund & M. Krebernik Mesopotamien Späturuk-Zeit und Frühdynastische Zeit. Freiburg Schweiz &Göttingen. 2009: „The Smell of the Cage“, Cuneiform Digital Library Journal 2009: 4, 1–27. Falkenstein, A., 1936: Archaische Texte aus Uruk, Berlin 1936. Frahm, E., 2010: „Reading the Tablet, the Exta, and the Body: The Hermeneutics of Cuneiform Signs in Babylonian and Assyrian Text Commentaries and Divinatory Texts“, in: Annus 2010: 93–143. — 2011: Babylonian and Assyrian Text Commentaries. Origins of Interpretation. Guides to the Mesopotamian Textual Record 5. Münster. Glassner, J.-J., 2000: Écrire à Sumer. Paris Green, M.W. & H.J. Nissen, 1987: Zeichenliste der archaischen Texte aus Uruk. Archaische Texte aus Uruk 2. Mann: Berlin. Hyman, M.E., 2006: „Of glyphs and glottography“. Language & Communication 26/3–4: 231–249. Jaritz, K., 1967: Schriftarchäologie der altmesopotamischen Kultur. Graz. Johnson, J.C., 2013: „Indexical iconicity in Sumerian belles lettres“. Language & Communication 33/1: 26–49. Kienast, B. & K. Volk, 1995: Die Sumerischen und Akkadischen Briefe des III. Jahrtausends. Freiburger Altorientalische Studien 19. Stuttgart. Krebernik, M., 1992: „Mesopotamian Myths at Ebla: ARET 5, 6 and ARET 5, 7“, pp. 63–149 in P. Fronzaroli (ed.), Literature and Literary Language at Ebla. Quaderni di Semitistica 18. Krispijn, Th.J.H., 1991–1992: „The Early Mesopotamian Lexical Lists and the Dawn of Linguistics“. Jaarbericht ex oriente lux (JEOL) 32: 12–22. Marchesi G. & N. Marchetti, 2011: Royal Statuary of Early Dynastic Mesopotamia. Winona Lake, Ind. Marquardt, H., 2011: Hethitische Logogramme. Funktion und Verwendung. Dresdener Beiträge zur Hethitologie. Wiesbaden. Maul, S., 2003: „Omina und Orakel. A“, Reallexikon der Assyriologie 10, 45–88. Mittermayer, C., 2005: Die Entwicklung der Tierkopfzeichen. Alter Orient und Altes Testament 319. Münster.
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Sallaberger, W., 2011: „Sumerian language use at Garšana. On orthography, grammar, and Akkado-Sumerian bilingualism“, pp. 335–372 in David I. Owen (ed.), Garšana Studies. Cornell University Studies in Assyriology and Sumerology 6 Bethesda, Md. Schramm, W., 2010: Akkadische Logogramme. Göttinger Beiträge zum Alten Orient 5. Göttingen. Selz, G.J., 1993: Die altsumerischen Wirtschaftsurkunden aus amerikanischen Sammlungen. Freiburger Altorientalische Studien 15/1–2. Stuttgart. — 2002: ‘Babilismus’ und die Gottheit dnindagar., pp. 647–684 in O. Loretz et al. (eds.), Ex Mesopotamia et Syria Lux. Festschrift für Manfried Dietrich, Alter Orient und Altes Testament 281, Münster. — 2012: „Remarks on the Empirical Foundation of Early Mesopotamian Knowledge Acquisition“, pp. 45–70 in G.J. Selz & K. Wagensonner (eds.), The Empirical Dimension of Ancient Near Eastern Studies. Wiener Offene Orientalistik 6. Wien. — 2013: „On Some Early Dynastic Sumerian Toponyms“, pp. 317–326 in Budka, J. et al. (eds.), Florilegium Aegyptiacum – Eine wissenschaftliche Blütenlese von Schülern und Freunden für Helmut Satzinger zum 75. Geburtstag am 21. Jänner 2013. Göttinger Miszellen, Beihefte 14. Göttingen. — im Druck: The World Behind the Words. Selz, G.J. & D. Niedermayer, 2015: „The Burials after the Battle. Combining Textual and Visual Evidence“, pp. 387–402 in R. Dittmann and G. J. Selz (eds.) It’s a Long Way to a Historiography of the Early Dynastic Period(s). Altertumskunde des Vorderen Orients 15. Münster. Veldhuis, N., 2012: „Cuneiform: Changes and Developments“, in S.D. Houston (ed.) The Shape of the Script. How and Why Writing Systems Change. Santa Fe, New Mexico. — 2014: History of the Cuneiform Lexical Tradition. Guides to the Mesopotamian Textual Record 6. Münster. Weeden. M., 2011: Hittite Logograms and Hittite Scholarship. Studien zu den Boǧazköy-Texten 54. Wiesbaden. ZATU s. Green & Nissen
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Illustrationen Ill. 1: Beispiele für die Differenzierung von Fischen / Wassertieren aus ZATU 491 SUḪUR
495 SUKUD.gunu
497 SUMAŠ
302 KU6, ḪA, PEŠ11
305 KUŠU2
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Ill. 2: Zeichenentwicklung für „Kleintiere“ R.K. Englund 1998: 149
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Ill. 3: Die Zeichen RA und RAx (ZATU 431 und 448)
Ill. 4: „Fehlschreibung“ von KA2 im Entwurf STH 1, 42 (links) und die korrekte Form im „Duplikat“ DP 613 (rechts)
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Ill 5: Das Rebus-Prinzip Friedrich der Große an Voltaire: p –––––––
à
6 –––––––
100
Deux mains sous p à cent sous six = Demain souper à Sanssouci
Ill. 6: Altakkadischer zweisprachiger Brief aus Girsu (Gir 8) Vs. 1 2 3 4 5 6 Rs. 1ʼ 2ʼ 3ʼ 4ʼ 5ʼ 6ʼ 7ʼ 8ʼ
[x+] 26.0.0. ŠE.GUR [ŠE]. ˹BA˺ 2 ITI.TA MU.3.KAM 8,0.0.0 LAL 8.0.0 ŠE.GUR ŠE.BA 4 ITI.TA [x+] 340 túgBAL (Rest abgebrochen) (Anfang abgebrochen) [… … …]MU. ˹A.KAM˺ šu 285 ŠABRA Lagaški en-ma Śar-ra-DU10 a-na Lugal-ušumgal [ar]-ḫi-iś [śu]-bí-lam
(Betreff:) 708’ Hektoliter Gerste Gerstenzuteilung für je 2 Monate 3. Jahr 1.416 Hektoliter Gerste, Gerstenzuteilung für je 4. Monate. x+340 Bal-Stoffe
[………] des laufenden Jahres Für 285 (Mann unter dem) Verwalter (in) Lagaš. Folgendermassen Šarruṭāb: Zu Lugal’ušumgal: Eiligst Schick (sie) mir!
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Ill. 7: Zweisprachiger Brief aus Adab (Ad 4) Vs. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Rs. 1ʼ 2ʼ 3ʼ 4ʼ 5ʼ
a-na be-l[í] en-m[a] Me-z[i] 2 (bur’u ) GÁNA i m- ma1 lu gal-m[ u ] in-na-[ sum-ma ? ] la-ba-gi-in [i]gi bí-in--ra-˹šè˺ [ m]u-su ! -g a-b[i][… … … -šè] (ca. 2–3 Zeilen abgebrochen) (ca. 2–3 Zeilen abgebrochen) [ŠU].TUR-b[I x?] [lu ]g al-mu a[b -x ] [ m]u [ … …] še-bi ˹5˺ [+x gur] ga-an-[gur ? ]
Zu meinem ‚Herrn‘. Folgendermaßen Mezi: 28 Hektar (Feld), die vergangenes Jahr Mein ‚Herr‘ ihm gegeben hatte?, wurden (für dieses Jahr) nicht bestätigt. Weil er (bei ihm) erschienen ist (und) weil er Ersatz dafür [gefordert (?) hat, …]
Wenn … mein ‚Herr‘ … . … Jene Gerste, 1500+x Liter, will ich erstatten.
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Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode* Marcos Such-Gutiérrez
Die alte Stadt Adab stellt mit rund 1635 veröffentlichten Texten aus der sargonischen Periode den am reichsten dokumentierten Fundort Mesopotamiens während der altakkadischen Zeit (ca. 2340–2159 v.Chr.) dar1. Dieser ziemlich große Textbestand vermittelt einen Einblick in die verschiedenen Aspekte des Lebens in Adab. Im vorliegenden Beitrag wird versucht, die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Zeit darzustellen. Die Texte, besonders ab der klassisch-sargonischen Zeit (zweiter Teil der Regierungszeit Narām-Suens und die Herrschaft Šar-kali-šarrīs), lassen die Existenz * Die Abkürzungen richten sich nach http://cdli.ox.ac.uk/wiki/abbreviations_for_ assyriology. Ferner sind noch folgende Abkürzungen zu berücksichtigen: BdI I = F. Pomponio / G. Visicato / A. Westenholz: Le tavolette cuneiformi di Adab delle collezioni della Banca d’Italia. Volume I. Roma 2006; BdI II = F. Pomponio / M. Stol / A. Westenholz: Tavolette cuneiformi di varia provenienza delle collezioni della Banca d’Italia. Volume II. Roma 2006; FS Mander = P. Notizia / F. Pomponio (Hrsg.): Scritti in onore di Pietro Mander. Annali 72. Naples 2012; FS Owen = A. Kleinerman / J.M. Sasson, Why Should Someone Who Knows Something Conceal it? Cuneiform Studies in Honor of David I. Owen on His 70th Birthday. Bethesda 2010; Himrin 4 = F. Rasheed, The Ancient Inscriptions in Himrin Area. Baghdad 1981; Michail = G. Pettinato: L’uomo comminciò a scrivere. Iscrizioni cuneiformi della collezione Michail. Mailand 1997; SCTRAH = M. Molina / M.E. Milone / E. Markina: Sargonic Cuneiform Tablets in the Real Academia de la Historia. The Carl L. Lippmann Collection. RAH I.1.6. Madrid 2014. Weitere Abkürzungen sind folgende: F.-aAK = früh-altakkadisch; MS = mittelsargonisch; KS = klassisch-sargonisch; n = Nummer; Pl. = Plural; PN(N) = Personenname(n); PrS = präsargonisch; PrS/F.-aAK = präsargonisch/früh-altakkadisch; Sig. = Singular; Šrk = Šarkali-šarrī. Das Buch F. Pomponio / G. Visicato, CUSAS 20 (2015) erschien nach dem Abscluß des Aufsatzes und konnte deswegen nicht mit einbezogen werden. In der vorliegenden Arbeit wird die Reihenfolge Man-ištūšu – Rīmuš statt der traditionellen Rīmuš – Man-ištūšu angenommen. Zu diesem Problem siehe zuletzt I. Schrakamp, JCS 65 (2013), S. 202. Ich möchte S. Fink ganz herzlich für die Durchsicht des Manuskriptes und für seine Hilfe bei der Formatierung des Aufsatzes danken. 1 Zur Anzahl und Sammlungen von Texten aus Adab siehe M. Such-Gutiérrez, AfO 51 (2005/2006), S. 1 f. Anm. 1–2, M.E. Milone, BdI I (2006), S. 66 f., I. Schrakamp, BiOr 65 (2008), S. 665 f., I. Schrakamp, JCS 65 (2013), S. 201 Anm. 3 und M. Molina / M.E. Milone / E. Markina, SCTRAH S. 24 ff. Zur Einteilung der Texte von Adab während der sargonischen Periode siehe G. Visicato, BdI I (2006), S. 72.
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in unterschiedlicher Weise angesiedelter Bevölkerungsgruppen in Adab erkennen, die auf die Existenz mehrerer Sprachen hinweisen: Eb-la2, „ aus Ebla“, Gu-ti-um3, „Gutäer“, Mar-ḫa-ši4, „Marḫašiter“, MAR.TU5, „Amoriter“, Me-luḫ-ḫa6, „Meluḫḫiter“, NIM7, „Elamer“, Śa-dì-um8, „Bewohner des Ostens“, Su-birx-a9, „Subaräer“, und wahrscheinlich LUL10, „Lulubäer“. Bezüge auf die Vielfalt an Sprachen und auf die Handelsbeziehungen mit fernen Ländern Klassisch-sargonisch: ˹Ur˺-lú Eb-la, „Ur-lu, aus Ebla“, CUSAS 19 13: 4 ([?] / [?]). 3 Klassisch-sargonisch: eme-bal gu-ti-um, „Gutäer-Übersetzer“, PPAC 1 A 1028: 3 (- / vii -); Gu-ti-um, „der Gutäer“, CUSAS 26 139: 2 (- / xi -), PPAC 1 A 655: 3, ˹6˺, ˹12˺ (- / -), A 809 Rs. 12 (- / -); gu-ti-um-me, „Gutäer sind (sie)“, PPAC 1 A 970: 5 (- / ii -), A 919: 2 (- / -), KIŠ.ARAD gu-ti-um, „Gutäer-General“, PPAC 1 A 959: 3 (- / i 25) und U-bar guti-um, „Ubār, der Gutäer“, Michail 25 = CUSAS 26 128: 3–4 (- / -) – Adab? – . 4 Klassisch-sargonisch: CUSAS 13 102: 2 (- / -), 136 Rs. 2’ ([?] / [?]). 5 Präsargonisch/früh-altakkadisch: MAR.TU-lugal.k, „der Amoriter des Königs“, CUSAS 11 174: II 2–3 (- / iv -); mittelsargonisch: MAR.TU, „der Amoriter“, Michail 8 = CUSAS 26 99: II 7 ([-] / [-]), Michail 13 = CUSAS 26 100: 2 (- / -) und klassisch-sargonisch: MAR.TU, „Amoriter“, CUSAS 19 90 Rs. 3 (- / -); MAR.TU su-˹birx˺-a, „MAR.TU, der Subaräer“, PPAC 1 A 654 Rs. 9 (- / -), Su-birx-˹a˺ U-ba-ru-um MAR.[TU], „der Subaräer, (der Mann des) Ubārum, des Amoriters“, PPAC 1 A 858: 2–3 (- / xi -). 6 Klassisch-sargonisch: Me-luḫ-ḫa, „der Meluḫhiter“, CUSAS 19 77: 5 (- / -); me-luḫ-ḫa˹me˺, „Meluḫḫiter sind (sie)“, PPAC 1 A 1014: 3 (- / -) und siehe ferner má-Me-luḫ-ḫa, „Schiff von Meluḫḫa“, BdI I 102 Rs. 2 (- / xi -) – mittelsargonisch –, CUSAS 19 135 Rs. ˹5˺ (- / -), PPAC 1 A 712: 10 (- / -) – die zwei letztgenannten Texte sind klassischsargonisch –. 7 Präsargonisch: ŠÈ-bi-da-ni NIM, „ŠEbidani, der Elamer“, OIP 14 75 = SR 104: II 3–4 (/ -) und klassisch-sargonisch: nam-ra-ak-NIM.k, „die Gefangenen von Elam“, PPAC 1 A 672: 4 (- / -); NIM, „Elamer“ MVN 3 23: 6 (- / v 22+[(x)]) – Mann des Nanni, (des Generals) –, CUSAS 13 17: 4 (- / -). 8 Klassisch-sargonisch: Śa-dì-um (sagi), „Śadīum, (der Mundschenk)“, PPAC 1 A 809 Rs. 10 (- / -), A 919 Rs. 4 (- / -). 9 Präsargonisch/früh-altakkadisch: Su-birx-a, „Subaräer“, CUSAS 11 184: I 5 (- / ix -), CDLN 2011: 5 Alderfer 11: II 8 (- / -); mittelsargonisch: Zà-MU Su-birx-a, „ZaMU, der Subaräer“, Michail 17 = CUSAS 26 102: 6–Rs. 1 (- / -); klassisch-sargonisch?: guruš-subirx-a-me, „Subaräer-Arbeiter sind (sie)“, BdI I 208: 6 (- / -); mittelsargonisch: Su-birx-˹a˺, „Subira“, SCTRAH 14: 2 ([?] / [?]); klassisch-sargonisch: Su-birx-a (lú-a-bul5-la), „Subira, (der Stadttormann)“, PPAC 1 A 639: I 7 (- / -), A 660 Rs. III 6 ([?] / [?]), 680 Rs. 15, 17 (- / -), A 805 Rs. ˹9˺ (- / -); [S]u-birx-a ARAD2 ˹Šu˺-na GIŠ.˹KU?˺-[(x)].GI, „der Subaräer, der Diener des Šuna, des GIŠ.˹KU?˺-[(x)].GI“, PPAC 1 A 774: 1–2 (- / -); Su-birx-a šuTE:LÁ, „Subira, der Polizist?“, PPAC 1 A 809: 6 (- / -), A 954: 3 (- / -) und siehe PPAC 1 A 654 Rs. 9, A 858: 2–3 in Anm. 5. Bei der von Z. Yang, PPAC 1 A 870: 4 (- / -) vorgeschlagenen Ergänzung [su?]-birx-[a?] könnte es sich nach dem Zusammenhang (Liste von Produkten und Gegenständen) um bappir, „Bierbrot“, handeln. 10 Klassisch-sargonisch: CUSAS 13 17: 5 (- / -), vgl. I. Schrakamp, BiOr 69 (2012), S. 278 17. 2
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Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode
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spiegelt sich auch in Importwaren wie sà-ḫumzabar Má-gan11, „Bronzekanne (aus) Magan“, und in ausländischen Schafarten12 wider. Bedauerlicherweise sind keine, in der eigenen Sprache der oben angeführten Bevölkerungsgruppen verfassten Texte überliefert; derzeit sind in Adab nur Urkunden auf Sumerisch und Akkadisch bekannt, so dass nur die Beziehung zwischen diesen beiden Sprachen erforscht werden kann. Die auf Sumerisch abgefassten Texte stammen zum größten Teil aus den „Archiven“ des Stadtfürsten von Adab; demgegenüber stehen einige akkadische Texte, die mit einer Ausnahme (siehe Anm. 25) in die klassisch-sargonische Zeit datieren, und aus verschiedenen „Archive“ stammen: 1. „Archive“, die dem König von Akkade unterstanden und waren auf dem Hügel III lokalisiert: Be-lam-nu-pí-iq13, Bí-za-za14, Puzur4-3-a15, Puzur4-3Eš4/20-tár16 und ...(?)17. Eine besondere Stelle nimmt das zweisprachige „Archiv“ von Mezi ein, dessen Lokalisierung unbekannt ist, aber indirekte Hinweise scheinen es dem König zuzuschreiben18. 11
Klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 777: 3 (- / v -). Klassisch-sargonisch: u8-kur, „Bergmutterschaf“, PPAC 1 A 1098: 1 (- / -); udu-kur, „Bergschaf“, mittelsargonisch: CUSAS 23 125 Rs. 2 (- / v -), klassisch-sargonisch: CUSAS 19 70: 3’ (- / -), PPAC 1 A 924: 3, Rs. 8 (- / -); síg-kur, „Wolle (der) Berg(schafe)“, präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 147: II 2, Rs. I 2 (- / -); mittelsargonisch: BdI I 129: 1 (- / ii -), klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 1004: 2 (- / -) und (udu-)gukkal, „Fettschwanz(schaf)“, präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 126: I 2 (- / iii -); klassischsargonisch: CUSAS 13 141: 1’ ([?] / [?]), 142: 4 ([?] / [?]), CUSAS 19 40: ˹1˺ (- / -), 58: 2 (- / -), 76: 2 (- / -), PPAC 1 680: 4, 9, 10, Rs. 18, 20 (- / -), A 924: 1, Rs. 7 (- / -). Zu udukur(-ra) und (udu-)gukkal als Fremdsorten von Schafen siehe P. Steinkeller, BSA 8 (1995), S. 54 3.1.7. 13 PPAC 1 A 725 (- / -), A 974 (- / -). Der Text A 974 wurde auf dem Hügel III gefunden, Z. Yang, JAC 3 (1988), S. 10 2. e. 14 PPAC 1 A 717 (- / -), A 806 (- / -), A 910 (- / -), A 948 (- / -), A 966 (- / -), A 967 (- / -), A 976 (- / -), A 1099 (- / -). Diese acht Texte, der präsargonischen Text A 907 = OIP 14 77 (- / -) nebst einer Tafel und drei Siegelabrollungen, die in der Textsammlung des Oriental Institute (Chicago) nicht mehr aufzufinden sind, wurden in einem Gefäß auf dem Hügel III gefunden, siehe dazu Z. Yang, JAC 3 (1988), S. 9 1 und vgl. M. Maiocchi / G. Visicato, CUSAS 19 (2012), S. 8 1.6. Zum „Archiv“ von Bizaza siehe Z. Yang, PPAC 1 (1989), S. 201, S. 270. 15 PPAC 1 A 749 (- / -). Der Text kam auf dem Hügel III zutage, Z. Yang, JAC 3 (1988), S. 10 2. f. 16 PPAC 1 A 689 (- / -), A 709 (-/-), A 724+1102 ([-] / [-]), A 776 ([-] / [-]) und FAOS 19 S. 53 ff. Ad 12 (- / -). Die Tafel A 709 kam auf dem Hügel III ans Tageslicht, Z. Yang, JAC 3 (1988), S. 9 2. b – im Text A 719 statt A 709 –. Zum „Archiv“ von Puzur-Eštar siehe Z. Yang, PPAC 1 (1989), S. 142 ff., S. 270 f. 17 PPAC 1 A 651 (Šrk / iti-ša-ni-i -). Der Text wurde auf dem Hügel III gefunden, Z. Yang, JAC 3 (1988), S. 9 2. a. 18 PPAC 1 A 708 = FAOS 19 S. 39 ff. Ad 3 (- / -), PPAC 1 A 830 = FAOS 19 S. 42 ff. Ad 12
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2. Texte von En-an-na-túm (siehe Anm. 38) und der Brauerei (siehe Anm. 39), die zu den „Archiven“ des Stadtfürsten gehörten, deren Lokalisierung auf dem Hügel IV zu suchen ist19. Auf diesem Hügel kam der akkadische und einzige Text des „Archives“ von Ur-ša6 zutage20. 3. Texte, die sich weder dem König von Akkade noch dem Stadtfürsten von Adab zuordnen lassen: Die Texte von Du11-ga-ni21, Wu-túr-be-lí22 und dem Herdenverwalteramt (kizûtum)23 und ein schlecht erhaltener Brief24. 4. Ein außerhalb Adabs abgefasster Brief, der in die mittelsargonische Zeit datiert werden kann25. All diese Texte, sowohl die sumerischen als auch die akkadischen, weisen eine Koexistenz beider Sprachen auf, wobei eine zunehmende Bedeutung des Akkadischen während der altakkadischen Periode, besonders ab der mittelsargonischen Periode (Regierungszeit von Rīmuš und die erste Hälfte der Regierungszeit Narām-Suens), mit einem Höhepunkt in der klassisch-sargonischen Zeit zu beobachten ist, wie folgende Skizze zeigt:
4 (- / -), PPAC 1 A 868 = FAOS 19 S. 38 f. Ad 2 (- / -), PPAC 1 A 912 (- / -), A 942 = FAOS 19 S. 37 f. Ad 1 (- / -). Beachte, dass das „Archiv“ von Mezi sowohl sumerische und akkadische als auch zweisprachige Texte enthält: Akkadisch, PPAC 1 A 708, fraglich A 912; Sumerisch, PPAC 1 A 868, A 942, und Akkadisch-Sumerisch, PPAC 1 A 830. Der Beruf des Mezi, dub-sar-maḫ, „Oberschreiber“, ist bis jetzt nur aus CUSAS 13 125: ˹5˺Rs. ˹1˺ (- / -) bekannt. Zum „Archiv“ von Mezi siehe Z. Yang, PPAC 1 (1989), S. 131, S. 270. Seine Unterordnung unter dem König macht der Brief PPAC 1 A 708, der Königspersonal behandelt, sowie der Text PPAC 1 A 912, der den Ortsnamen Adab am Ende des Textes wie in den Texten der „Archive“ von Bizaza (siehe Anm. 14) und Puzur-Eštar (siehe Anm. 16) anführt, wahrscheinlich. 19 Zur Lokalisierung der Provinzverwaltung auf dem Hügel IV siehe Z. Yang, JAC 3 (1988), S. 15, Z. Yang, PPAC 1 (1989), S. 29 f., S. 131, S. 270 und vgl. G. Visicato, Power and Writing S. 177 und I. Schrakamp, BiOr 65 (2008), S. 665 [5]. 20 PPAC 1 A 1056 (- / iti-i-ba-ša-áš -). Der Text wurde auf dem Hügel IV gefunden, Z. Yang, JAC 3 (1988), S. 14 2. e. 21 PPAC 1 A 736 (- / -). 22 PPAC 1 A 748 = FAOS 19 S. 51 Ad 10 (- / -). Dieser Text, ein an den Stadtfürsten adressierter Brief, wurde auf dem Hügel IV gefunden, Z. Yang, JAC 3 (1988), S. 14 2. a und Z. Yang, PPAC 1 (1989), S. 131. Wuttur-bēlī war nach Auskunft von PPAC 1 A 1037: 4–Rs. 5 (- / -) Mann des Ubārum, der ein Amoriter war (siehe Anm. 5). 23 BdI I 229 (- / i -). Beachte, dass die Tafel BdI II I-60 (- / iti-éš-aša5.GI4xGI4/.A ˹iti?˺ŠE.NAGA-˹x˺) mit BdI I 229 in Verbindung steht, da sie auch den Vermerk È.A-ki-zutim, „abgeliefert von dem Herdenverwalteramt“, (Vs. 4 – Rs. 1) enthält; jedoch gehört/gehören der/die nicht gut erhaltene/n Monat/e anscheinend nicht zum Kalender von Adab. 24 FAOS 15 S. 46 Ad 6 (- / -). 25 SCTRAH 304 (- / -). © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode
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Periode
Texte
Akkadische Texte in engerem Sinne26
Sumerische PNN
Akkadische PNN
Akkadische Nomina in den sumerischen Texten27
PrS
103
---
149
24
4
PrS/F.aAK
233
---
282
54
---
F.-aAK
90
---
120
17
5
28
271
77
11
363
124
26
MS KS
544 682
1
12
29
Die Sprachbestimmung eines Textes als Sumerisch oder Akkadisch ist nicht immer einfach: Einerseits sind die Verwaltungsurkunden häufig sehr knapp bzw. als Listen ohne Verben und grammatische Elemente, abgefasst, so dass sich die zu Grunde liegende Sprache nicht feststellen lässt30, andererseits weisen einige Texte, besonders ab der klassisch-sargonischen Zeit, unter dem akkadischen Einfluss akkadische Elemente (z.B. das Determinativpronomen šu31, „der des“, und die Präposition iśte32, „mit, bei“) auf; jedoch sind solche Texte ohne Berücksich26 Unter dem Begriff „akkadische Texte in engerem Sinnne“ versteht man Verwaltungsurkunden, die syllabisch geschriebene akkadische Verben enthalten. 27 Siehe Anhang. 28 SCTRAH 304 (- / -). 29 PPAC 1 A 651 (Šrk / iti-ša-ni-i -), A 708 = FAOS 19 S. 39 ff. Ad 3 (- / -), PPAC 1 A 717 (- / -), A 725 (- / -), A 736 (- / -), A 748 = FAOS 19 S. 51 Ad 10 (- / -), PPAC 1 A 910 (- / -), A 967 (- / -), A 974 (- / -), A 976 (- / -), A 1056 (- / iti-i-ba-ša-áš -), FAOS 19 S. 53 ff. Ad 12 (- / -). Hier sind der nur fragmentarisch erhaltene Brief FAOS 19 S. 46 Ad 6 (- / -) mit einer akkadischen Einleitungsformel, der zweisprachige Brief PPAC 1 A 830 = FAOS 19 S. 42 ff. Ad 4 (- / -) und PPAC 1 A 739 (- / -), in dem die Ergänzung im-[ḫur] (Rs. III 2) sehr fraglich ist, nicht aufgenommen. Ferner ist zu beachten, dass der akkadische Text BdI I 235 (Šū-Durul / -) hier nicht zu berücksichtigen ist, da der Text in die Spätsargonische oder postsargonische Zeit datiert, siehe dazu die Einwände von I. Schrakamp, BiOr 65 (2008), S. 699 f. BdI Adab 235 gegen eine Zuordnung des Textes nach Adab. 30 Z.B. Listen von Personen/Berufen (mit Produkten/Vieh/Verantwortlichen), präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 44 (- / -), 101 (- / -), 205 (- / -), 258 (- / -), 264 (- / -), 272 (- / -), 274 (- / -); mittelsargonisch: BdI I 73 (- / -), 79 (- / -), CUSAS 13 32 (- / -); klassisch-sargonisch: BdI I 228 (- / -), CUSAS 13 17 (- / -), CUSAS 19 69 (- / -), 76 (- / -), 77 (- / -), 78 (- / -), 162 (- / -) und Gegenständelisten, präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 219 (- / -); früh-altakkadisch: CUSAS 11 231 (- / -); mittelsargonisch: BdI I 174 (- / -). 31 Mittelsargonisch: BdI I 75 Rs. 4, 6 (- / -) und klassisch-sargonisch: CUSAS 13 57: 2, 5, ˹7˺ (- / -) – Adab? –, 98 Rs. 2 (- / -), 122 Rs. 2’ (- / -), CUSAS 19 125: 2 (- / -), PPAC 1 A 640: II 9 ([?] / [?]), A 802 Rs. 13 (- / -). 32 Klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 803: 1’ ([?] /viii 25) und BdI I 240: 4 (- / -).
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tigung anderer Aspekte nicht ohne Weiteres als akkadische Urkunden zu betrachten. Als Beispiel dafür gilt CUSAS 13 98 (- / -). Aufgrund der Verwendung des Determinativpronomens šu (Rs. 2) wurde bisher angenommen, dass es sich hier um einen akkadischen Text handle33. Zwei Tatsachen sprechen jedoch gegen diese Ansicht: 1. Der Text gehört, wie der Endvermerk (Rs. 5) zi-ga-é-BAPPIR, „abgeliefert (von) der Brauerei“, zeigt, zum sumerischen „Archiv“ der Brauerei des Stadtfürsten von Adab34. 2. Wenn der Text in Akkadisch abgefasst wäre, würde das Sumerogramm È(.A) als Ablieferungsvermerk, wie in den Texten aus den akkadischen „Archiven“35, verwendet. Die Anwendung von È(.A) statt ZI.GA findet sich auch in akkadischen Texten aus anderen Städten36. Dies zeigt, dass è, dass im Sumerischen die Grundbedeutung „hinausgehen (lassen)“ hat, unter dem akkadischen Einfluss auch „abliefern, ausgeben“ bedeuten konnte37.
33
Siehe M. Maiochi, CUSAS 13 (2009), S. 10 Group (c): no. 98, S. 124 f. 98 – Transliteration mit Sumerogrammen – und I. Schrakamp, BiOr 69 (2012), S. 282 74. 34 Zur Brauerei des Stadtfürsten siehe Z. Yang, PPAC 1 (1989), S. 185 4.1.5.6 3, S. 186 ff., S. 256 5.3.2.1. Vgl. andere Texte des Archivs, die den Vermerk zi-ga-é-BAPPIR enthalten und in Sumerisch abgefasst sind: PPAC 1 A 1020: 3–Rs.4 (- / v -), A 1038 Rs. 4–5 (- / v -), A 1028 Rs. 4–5 (- / vii -), A 858 Rs. 1[5] (- / xi -), A 954 Rs. 7–8 (- / -), A 995 Rs. 10–[11] (- / -), A 1019 Rs. 5–6 (- / -) und CUSAS 19 153: 3–Rs. ˹1˺ (- / -). 35 Bizaza: PPAC 1 A 806 Rs. 8 (- / -), A 948 Rs. 8 (- / -), A 966 Rs. ˹5˺ (- / -), A 967 Rs. ˹4˺ (- / -), A 1099 Rs. ˹6˺ (- / -), Puzur-Ea: PPAC 1 A 749 Rs. ˹5˺ (- / -) und Herdenverwalteramt: BdI I 229 Rs. 2 (- / i -) – beachte Anm. 23 –. 36 Z.B. Ašnunna: MAD 1 175: 4 (- / -), 327 Rs. 4’ (- / -); Gasur: HSS 10 144 Rs. 1 (- / itiZA.LUL), 38 Rs. IV 3 (- / -), 64 Rs. 2 (- / -), 65 Rs. 23 (- / -), 66 Rs. 26 (- / -), 67 Rs. 3’ (/ -), 69 Rs. 1 (- / -), 72 Rs. IV ˹7˺ (- / -), 73 Rs. ˹1’˺ (- / -); Kiš?: MAD 5 104 Rs. [1]1 (- / -); Mugdan: MAD 5 74 Rs. ˹17˺ (-/-), 76: ˹4˺ (- / -), 77 Rs. 8 (- / -), 85: 2 (- / -), 88 Rs. 6 (- / -); Nippur: ECTJ 126 Rs. 12 (- / -); Tell Agrab: MAD 1 268: 3 (Šrk / -); Tell Suleima: Himrin 4 41 Rs. 23 (- / -), 42 Rs. 25 (-/-), 45 Rs. ˹1’˺ (- / -); Tutub: IMGULA 3/1 Tutub 29: 8 (- / -), Tutub 30 Rs. ˹18˺ (- / -), Tutub 31: 3 (- / -), Tutub 49: 2 (- / -), Tutub 54: 4 (- / -); Ummel-Hafriyat?: CUSAS 13 166 Rs. 4 (- / iti-še-KIN-ku5 -); unbekannte Herkunft: MAD 4 1: 2 (- / -), 7 Rs. 6 (- / -), 16 Rs. II 2 (- / -), MVN 3 57 Rs. ˹9˺ (- / -), ZA 72 S. 27 Fig. 1. YBC 12327: 2 (- / -) und BdI II I-60: 4 (- / iti-éš-aša5.GI4xGI4/.A ˹iti?˺-ŠE.NAGA-˹x˺) – siehe Anm. 23 –. 37 Die Grundbedutung von è ist „hinausgehen (lassen)“, aus welcher verschiedene Übersetzungsnuancen abgeleitet werden können, siehe z.B. e-ta-è, „hinausgehen lassen > abtrennen/absondern/zahlen“ bei G. Selz, FAOS 15/2, 2 (1993), S. 719 f., še-è(-a), „Gerste, (die aus den Feldern) herausgekommen ist > geerntet ist“, bei P. Steinkeller / J. N. Postgate, MC 4 (1992), S. 24, é/ganun-ta im-ta-è, „ ist (aus dem Haus/Magazin) hinausgegangen“, BIN 8 124 Rs. 11 ([?] / [?]) – akkadischer Text –, 165 Rs. 9 (- / -), 206 Rs. 1 (- / -), vgl. B.R. Foster, Mesopotamia 9 (1982), S. 68 und (guruš) uru-ta nu-è, „(Arbeiter) sind aus der Stadt nicht hinausgegangen > (Arbeiter) sind an ihren Tätigkeits© 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode
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Daraus geht hervor, dass diese Texte entweder als Sumerisch mit starkem akkadischen Einfluss oder als teils in Sumerisch teils in Akkadisch abgefasste Urkunden zu betrachten sind. È(.A) statt zi-ga kommt auch in den dem Stadtfürsten von Adab eingeordneten „Archiven“ des En-an-na-túm38 und eines Brauers (LÚ.BAPPIR)39 vor, und im „Archiv“ von Me-ság, dessen Zugehörigkeit zur Provinzverwaltung unsicher ist40. ort nicht eingesetzt worden“, bei L. Allered, JCS SS 1 (2008), S. 15 Anm. zum Text 1 (28– 30). Beachte, dass Z. Yang, PPAC 1 (1989), S. 263 f. bezüglich des „Archivs“ von En-anna-túm annimmt, dass der Unterschied zwischen è und zi-ga in der Verwendung von è für „inter-departamental exchanges“ liegt, während M. Maiocchi / G. Visicato, CUSAS 19 (2012), S. 20 f. vorschlagen, dass die Tafeln mit dem Verb è „imperial (re)distributive patterns“ zu folgen versuchen, jedoch kann man nach einer Durchsicht der Belege für È(.A) in Adab (siehe Anm. 35) und anderen Städten (siehe Anm. 36) feststellen, dass È(.A) in akkadischen Texten statt ZI.GA erscheint. 38 PPAC 1 A 973 Rs. 6 (- / iti-ba-ḫi-ir EGIR -), A 994: 2 (- / i -) – durchgestrichene Tafel – und A 846 Rs. 11 (- / -) – durchgestrichene Tafel –. Ein anderer akkadischer Text ist wahrscheinlich PPAC 1 A 938 (- / -), der die ursprüngliche Bedeutung des Verbs è im Ausdruck (Rs. 8) še é-kìšib-ba-ta è, „Gerste, (die) aus dem Magazin hinausgegangen ist“, enthält. Trotzdem deutet dieselbe Form des Verbs È (mit Auslassung des a-Suffixes) wie in den anderen drei vorher genannten Texten, auf einen akkadischen Text, vgl. É.TA IM.TA.È, „(die Gerste) ist aus dem Haus hinausgegangen“ im akkadischen Text aus dem „Mesag-Archiv“ BIN 8 124 Rs. 11 ([?] / [?]). Im Gegensatz dazu finden sich auch sumerische Texte im „Archiv“ von En-an-an-túm: PPAC 1 A 1015 (- / i -), A 1100 (- / -), X 4 ([?] / [?]). En-an-na-túm lässt sich auch in folgenden Texten nachweisen: CUSAS 19 95: 3 (- / -), PPAC 1 A 646: I ˹3˺ ([?] /[?]), A 652 Rs. 16 (- / -), A 748 = FAOS 19 S. 51 Ad 10 Rs. 6 (- / -) und PPAC 1 A 802: 4 (- / -). Andere Zeugnisse für den Namen En-an-na-túm, CUSAS 19 116: 6’ (- / -), 121: 4 (- / -), PPAC 1 A 692 Rs. 10 (- / -), A 842: 2 ([?] / [?]), können ihm nicht mit Sicherheit zugeschrieben werden, da zumindest eine andere Person mit demselben Namen belegt ist: En-an-na-túm (sipa, „Hirte“), CUSAS 13 61: 7 ([?] / [?]) und PPAC 1 A 891 Rs. 10 (- / -). Dass En-an-na-túm dem Stadtfürst unterstand, ergibt sich vor allem aus dem akkadischen Brief PPAC 1 A 748 = FAOS 19 S. 51 Ad 10, nach welchem Wuttur-bēlī dem Stadtfürsten (von Adab) mitteilt, dass er 20 Akkade-gur (= 6000 l) von En-an-na-túm erhalten hat. Er war grundsätzlich für die Verwaltung von Gerste und den aus Gerste hergestellten Produkten (vor allem Mehl und Brot) tätig. Zur These, dass es sich bei En-an-na-túm um einen Schreiber handle, der für das Magazin (é-kìšib-ba) verantwortlich war, siehe G. Visicato, Power and Writing S. 192 Anm. 377, vgl. M. Maiocchi / G. Visicato, CUSAS 19 (2012), S. 5 f. 39 CUSAS 13 92: 3 (- / -), 205 Rs. ˹3’˺ (- / -) und CUSAS 19 157: 3 (- / -). Auf die Tätigkeit des Brauers im Bereich der Brauerei des Stadtfürsten von Adab verweist vor allem die Tatsache, dass I-mi-dŠamaš, (der Polizist?), CUSAS 19 157: 2, auch Bier von der Brauerei (des Stadtfürsten), CUSAS 13 98: 4, 5 (- / -), und von Me-sásag7, CUSAS 13 102: 7 (- / -), erhält. Zur Verbindung von Me-sásag7 mit der Brauerei des Stadtfürsten siehe Anm. 40. 40 PPAC 1 A 925 Rs. 5 (- / ˹iti-ba˺-ḫi-ir IGI -). Er ist auch aus PPAC 1 A 938: 3 (- / -) bekannt. Die dürftigen Belege scheinen darauf hinzuweisen, dass er mit der Bierherstellung beschäftigt war. Die wenigen Daten lassen nicht feststellen, ob sein „Archiv“ dem © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Daraus ergibt sich, dass einige „Archive“ der Provinzverwaltung unter der Herrschaft von Akkade Texte in Akkadisch abfassten und manchmal den „semitischen Kalender“ (En-an-na-túm, PPAC 1 A 973) verwendeten. Auf diesen Einfluss weist auch der akkadische Text von Urša, der auch den „semitischen Kalender“ benützte und auf dem Hügel IV gefunden wurde (siehe Anm. 20), auf dem sich die Provinzverwaltung befand (siehe Anm. 19). Die Tatsache, dass bestimmte „Archive“ des Stadtfürsten Texte auf Sumerisch und Akkadisch überliefert haben, steht im Einklang mit dem oben erwähnten Fall von Urkunden, die teils auf Sumerisch, teils auf Akkadisch abgefasst sind und deren bestes Beispiel im „Archiv“ von Mezi zu finden ist (siehe Anm. 18 und unten Punkt 4). Die hohe Bedeutung des Akkadischen ab der mittelsargonischen Zeit mit weiter Zunahme in der klassisch-sargonischen Zeit spiegelt sich auch in den folgenden vier Aspekten wider: 1. Bestimmte Schreibungen in sumerischen Texten, wie • ábba(ABxÁŠ) für ab-ba, „Ältester, Vater“41, • sag-du für sag, „Kopf“42, Stadtfüsten zugeordnet war. Ein Hinweis darauf wäre, wenn die These von Z. Yang, PPAC 1 (1989), S. 185 4.1.5.6.1. – im Text steht Me-sásag7 statt Me-ság – und G. Visicato, Power and Writing S. 185 f. stimmen würde, nach welcher Me-ság mit dem bekannten Mundschenk Me-sásag7, der mit der Brauerei und der Küche des Stadfürsten verbunden war, zu identifizieren sei; jedoch ist diese Identifikation unsicher, vgl. M. Maiocchi, RAI 53 (2010), S. 143 3. Zum Mundschenk Me-sásag7 siehe M. Maiocchi, RAI 53 (2010), S. 141 ff. 41 Ábba (PN), präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 184: II 2 (- / ix -); klassischsargonisch: CUSAS 19 112 Rs. 2 (- / iii -), CUSAS 13 63: ˹3’˺ ([?] / [?]), 86: Rs. I 11 ([?] / [?]) – Abbax(UNUG) –; ábba, „Vater“, klassisch-sargonisch, PPAC 1 A 713: ˹4˺ ([?] / [?]), wohl auch PPAC 1 A 640: II 8 ([?] / [?]) und CUSAS 23 142: ˹3˺ (- / -) – Adab? –; ábba-uru „Ältester/Vater der Stadt“, früh-altakkadisch: BdI I 36: I 4 (- / ix -), mittelsargonisch: SCTRAH 155: 5 (- / vii -), BdI I 104 Rs. 6 (- / -), 112: 2 (- / -), FS Mander S. 53 f. Text 2: 4 (- / -); klassisch-sargonisch: CUSAS 13 46: 10 (- / -), 86: I 9’ ([?] / [?]) – nach Foto ábba!-uru –, 151: I 15 ([?] / [?]), PPAC 1 A 662 Rs. 16 ([?] / [?]), A 675: 5 ([?] / [?]), A 920: 2 (- / -); ábba (PN/Abkürzung für ábba-uru), präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 169: I 2 (- / vii 1), 148: I ˹5˺ (- / -); klassisch-sargonisch: CUSAS 13 71 Rs. ˹1˺ (- / -); unklarer Zusammenhang: PPAC 1 A 640: I ˹5˺, ˹6˺ ([?] / [?]); Lugal-ábba-gu10 (PN), präsargonisch: CUSAS 11 21: II 4 (- / -); präsargonisch/früh-altakkadisch, CUSAS 11 107: I ˹4˺ (- / -), 142: II 1 (- / -), 198: II ˹3˺ (- / -), 203: II 1 (- / -); früh-altakkadisch, CUSAS 23 94: I ˹2˺ (- / -) und Lugal-˹ábba-uru?˺ (PN), klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 753: 1 (- / -). Vgl. Ab-ba (PN), präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 43: I 2 (- / -), 237: I ˹2˺ (- / -); klassisch-sargonisch: CUSAS 13 79: 2 (- / -), 159 Rs. 4 (- / -) und ab-ba-uru, präsargonisch: RIME 1 S. 21 f. 2001 7 (- / -). 42 Klassisch-sargonisch: CUSAS 13 143: 1, 4, 6, ˹8˺, [10?] ([?] / [?]) und CUSAS 19 149 Rs. 3 (- / -). Die Schreibung mit DU in sag-du deutet auf das akkadische Wort qaqqadum, © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode
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• Uruki „Stadt“, • mit dem Ortsdeterminativ43, • syllabische Schreibungen von Wortzeichen44 • und Verwendung von phonetischen Komplementen45. vgl. AHw II S. 899 f. qaqqadu(m) „Kopf; Kapital“ und CAD Q S. 100 ff. qaqqadu „1. head (as part of the body) (...)“. 43 Klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 805 Rs. 12 (- / -), vgl. URUki in den akkadischen Texten PPAC 1 A 651 Rs. 16 (Šrk / iti-ša-ni-i -), A 708 = FAOS 19 S. 39 ff. Ad 3 Rs. 13 (- / -) und im akkadischen PN des Stadtfürsten von Adab Śar-ru-URUki lí, SCTRAH 22 Rs. 6– 7 (- / -) – mittelsargonisch –, für weitere Belege für Śarru-ālī siehe M. Molina / M.E. Milone / E. Markina, SCTRAH S. 30. 44 Mittelsargonisch/klassisch-sargonisch: ba-an für bán, „Seah-Meßgefäß“, BdI I 192: 2 (/ -) und klassisch-sargonisch: a-šà für aša5 „Feld, Bodenfläche“, BdI I 222: 3 (- / -), CUSAS 19 168: 3 (- / -) – šà –. Die Schreibung a-šà ist im akkadischen „Archiv“ von PuzurEštar üblich: PPAC 1 A 689: I 5, 10, II [1]1 (- / -), A 709: I 11, II 2, II 7 (- / -), A 724+1102: [1’], 4’, ˹8’˺, Rs. 12’, 16’ ([-] / [-]), 776: 3, 5 ([-] / [-]), 786: 3 (- / -) – in demselben Text aša5 (Vs. 5) –. In demselben „Archiv“ findet sich auch sù-la für SU7, „leere Bodenfläche, Tenne“, PPAC 1 A 709: II 5 (- / -); ama-ga für amagi(SED), „Eis“, PPAC 1 A 988 Rs. 6 (- / x 6), vgl. Z. Yang, PPAC 1 (1989), S. 136 f. Anm. zum Z. 6; (giš)ba-na für gišban, „Bogen“, JCS 55 S. 54: ˹1˺, 2, ˹4˺, passim (- / -), SET 294: 7, 9 (- / -), wenn der Text in die altakkadische Zeit zu datieren ist, siehe dazu I. Schrakamp, BiOr 65 (2008), S. 666 Anm. 25; ba-an für bán, „Seah-Meßgefäß“, CUSAS 23 129 Rs. 12’ (- / -) – Adab? –; gi6par4/gi6giparx(KISAL) für gišgiparx(KISAL), „eine Obstsorte“, BdI I 259: 6 (- / -), BdI I 261: 1, 3, Rs. 1 (- / -). Getrennt davon sind die Schreibungen von Wortzeichen mittels anderer lautähnlichen Wortzeichen zu halten, die nur Bezug auf die Wichtigkeit der mündlichen Tradierung der sumerischen Sprache nehmen: z.B. präsargonisch: gi für gi4, kuš šu-a gia, „erstattete Häute“, CUSAS 11 120: III 4’ (- / -); mittelsargonisch: sè für šè, ˹A-kà˺-dèsè, „für Akkad“, SCTRAH 43: 4 (- / -); klassisch-sargonisch: de5(RI) für de6, ì-de5, „er hat gebracht“, CUSAS 13 152 Rs. 11 (- / -), vgl. I. Schrakamp, BiOr 69 (2012), S. 286 152; -iš für -éš, šu ba-ti-iš, „sie haben in Empfang genommen“, CUSAS 13 152 Rs. 6 (- / -); [sádu11]-dingir-e-ne-iš, „für die regelmäßigen Zuteilungen (der) Götter“, CUSAS 19 83 Rs. 5 (- / -); ˹útul˺ für ú-du(l), “Viehverwalter“, CUSAS 13 139: 2 (- / -); lú-bà[ndada] für NUbànda, „Oberaufseher“, CUSAS 13 17: 6 (- / -), vgl. I. Schrakamp, BiOr 69 (2012), S. 278 17; NU-gal für UN-gal, „Personalaufseher?“, CUSAS 13 11: 3 (- / -) und vielleicht éKASKAL für é-KAŠ4, „Wegstation“ im präsargonischen Text OIP 14 49 = OIP 104 S. 96 ff. No. 32: I 1, V 1[2?] ([?] / [?]), siehe dazu I.J. Gelb / P. Steinkeller / R.M. Whiting, OIP 104 (1991), S. 99 Anm. zu i 1 and v 12?. 45 Z.B. mittelsargonisch: á-memè „Kampfausrüstung“, SCTRAH 250 Rs. 2 (- / viii -), 128: 4 (- / -); PN aAz, SCTRAH 304: 1 (- / -) – akkadischer Text, dieselbe Person wird nur als Az im sumerischen Text SCTRAH 299 Rs. 5 (- / -) geschrieben – und klassisch-sargonisch; á-memè, „Kampfausrüstung“, PPAC 1 745 Rs. 10 (- / -), vgl. PN Lugal-memè-a, CUSAS 19 70: 2’ (- / -); mu eeš5-kam, „es ist das dritte Jahr“, CUSAS 13 144 Rs. 8 (- / -), d aš Aš7(ŠIR)-gi4, „Gott Ašgi“, z.B. CUSAS 19 67: 4 (- / -), 167: ˹4˺ (- / -), CUSAS 13 84: 3 (- / -), 89: ˹4˺ (- / -), 117: 6 (- / -), 156: 7, 8 (- / -), vor der klassisch-sargonischen Zeit wird dAš8(ŠÁRxDIŠ)-gi4 bzw. ohne phonetisches Komplement geschrieben, siehe z.B.: © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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2. Aus dem Akkadischen entlehnte Wörter sind schon in der vorsargonischen Zeit nachweisbar: • bur-šu-ma, „älterer (Diener)“46, • dam-gàr, „Kaufmann“47, • Ḫa-b/pù-daurudu, „Hacke“48, • Ḫa-ziurudu, „Axt“49, • ugula, „Aufseher“50, und • ma-ta, „Land, Region“, wenn die Passage so umzuschreiben ist51. präsargonisch, CUSAS 11 11: II 2’ (- / -), OIP 14 74: III 8 (- / -); früh-altakkadisch: BdI I 64 = CUSAS 26 76: I 4’, Rs. II 4 ([?] / [?]), CUSAS 11 243: II ˹2˺ (- / -) und mittelsargonisch: SCTRAH 156: 5 (- / vi -), 74: 4 (- / -), 90: 4 (- / -). 46 Präsargonisch: CUSAS 11 9: I 2 (- / -) und klassisch-sargonisch: Lugal-bur-šu-ma (PN), CUSAS 19 115: II 7 (- / -). Das Wort wurde aus dem akkadischen puršumum, vgl. AHw II S. 881 puršumu(m) „Greis“ und CAD P S. 525 f. puršumu „1. old man or woman (...)“, entlehnt. 47 Z.B. früh-dynastisch IIIa: CUSAS 11 1 Rs. IV 5’ ([-] / [-]); präsargonisch: CUSAS 11 177: II 3 (- / -); früh-altakkadisch: CUSAS 11 122 Rs. I 3 (Mes-kigala / [ix?] -); mittelsargonisch: BdI I 67: ˹5˺ (- / -) und klassisch-sargonisch: CUSAS 13 78 Rs. I 10 (- / -). Das Wort wurde aus dem akkadischen tamkārum, vgl. AHw III S. 1314 f. tamkāru(m) „etwa ‚Kaufmann, Händler, Finanzier‘ “ und CAD T S. 125 ff. tamkāru „merchant, trader, money-lender“, entlehnt. 48 Präsargonisch: OIP 14 60: I 3, II 1 (- / -) und präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 58: I ˹6˺ (- / -), CUSAS 11 72: II 4 (- / -) – uruduḫa-pu11-da –. Das Wort wurde aus dem akkadischen ḫap/būtum, vgl. AHw I S. 322 ḫap/būtum „eine Hacke“ und CAD Ḫ S. 86 ḫapūtu „a light hoe“, entlehnt. 49 Präsargonisch: Mesopotamia 8 S. 68 f. UCLM 9–1798 = OIP 104 S. 99 ff. Appendix to no. 32: II 4 (- / -), CUSAS 11 5: 1 (- / -); präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 58: I ˹1˺ (- / -), 280: I ˹3˺ (- / -), früh-altakkadisch: CUSAS 11 231: I 2 (- / -); früh-altakkadisch/mittelsargonisch: CUSAS 11 305: 4 (- / -); mittelsargonisch: SCTRAH 240: 2 (- / ii -), 156: ˹6˺, Rs. 2 (- / vi -), BdI I 93 = CUSAS 26 96: 1 (- / viii -), CUSAS 11 265: II 12 (/ -), SCTRAH 229 Rs. ˹1’˺ (- / -), 159 Rs. ˹7˺ (- / [?] -). Das Wort wurde aus dem akkadischen ḫaṣṣinnum, vgl. AHw I S. 332 ḫaṣṣinnu(m)„Axt“ und CAD Ḫ S. 133 f. ḫaṣṣinnu „axe“, entlehnt. 50 Z.B. Präsargonisch: BIN 8 26: II 12 (- / -) – Lugal-zagesi –, CUSAS 11 6: II 3 (- / -); präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 88: I 2 (- / -), 112: I 4 (- / -); früh-altakkadisch: CUSAS 11 228: I 2, 5 (Mes-kigala / -); mittelsargonisch: BdI I 66: 6 (- / viii 10) und klassisch-sargonisch: CUSAS 19 119: 5 (- / -). Das Wort wurde aus dem akkadischen waklum, vgl. AHw III S. 1456 (w)akl(um) „Beauftragter; Aufseher, Inspektor“ und CAD A/1 S. 277 ff. aklu „overseer (as person in charge of a group of soldiers, workers or craftsmen)“, entlehnt. 51 Präsargonisch: ma-ta-URUxAki, „Land/Region von URUxA“, Mesopotamia 8 S. 68 f. UCLM 9–1798= OIP 104 S. 99 ff. Appendix to no. 32: VI 4 (- / -). ma-ta wäre eine unortographische Schreibung für ma-da, das aus dem akkadischen mātum, vgl. AHw II S. 633 f. mātu(m) „Land“ und CAD M/1 S. 414 ff. mātu „1. country (as political unit), land (as against sea) (...)“, entlehnt wurde. Wegen dieser ungewöhlichen Schreibung © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode
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Eine klare Zunahme akkadischer Lehnwörter ist ab der mittelsargonischen Periode ersichtlich: • a-bul5-la, „Stadttor”52, • ar-za-na, „Gerstenschrot”53, • (giš)gu-za, „Stuhl, Thron“54, • iš-gána, „zusätzliche Zahlung“55, • na-gada, „Hirte”56, • šabra, „šabra-Verwalter“57, und plädiert C. Wilcke, ZA 86 (1996), S. 45 für eine Lesung Ma-rux(URUxA)ki-ta, „aus Maru“, vgl. C. Wilcke, EANEL S. 85 Anm. 258. 52 Klassisch-sargonisch: CUSAS 13 86: II 5’ ([?] / [?]), PPAC 1 A 680 Rs. 17 (- / -), A 712 Rs. 18 (- / -), A 805 Rs. [9] (- / -). Das Wort wurde aus dem akkadischen abullum, vgl. AHw I S. 8 f. abullu(m) „Stadttor“ und CAD A/1 S. 82 ff. abullu „1. city gate (...)“, entlehnt. 53 Klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 947 Rs. 4 (- / -). Das Wort ist mit dem akkadischen arsānum, vgl. AHw I S. 71 arsānu(m) „Gerstengrütze“ und CAD A/2 S. 306 f. arsānu „(a kind of groats)“, zu verbinden. 54 giš gu-za(-KA-kéš!?{KEŠ}-rá), klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 700: 12, 13 ([?] / [?]), fraglich PPAC 1 A 905 Rs. 1[2] (- / -); gu-za-˹ḫi-a˺, klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 897+908: 8 (- / -) und gišgu-za-lá, mittelsargonisch: BdI I 114: 5 (- / iv -), Michail 8 = CUSAS 26 99: II 3 ([-] / [-]), Michail 13 = CUSAS 26 100: 7 (- / -), SCTRAH 160 Rs. 3 (- / -) – gu-za-lá – klassisch-sargonisch: CUSAS 13 17: ˹7˺ (- / -), PPAC 1 A 646: II ˹9˺ ([?] / [?]), A 775: 3 (- / -), A 943: 3 (- / -). Ferner siehe gišGU.ZA im akkadischen Text aus der klassisch-sargonischen Periode FAOS 19 S. 53 ff. Ad 12 Rs. 15 (- / -). Das Wort wurde aus dem akkadischen kussium, vgl. AHw I S. 515 kussû(m) „Stuhl, Thron“ und CAD K S. 587 ff. kussû „1. chair, sedan chair, 2. throne (...)“, entlehnt. 55 Früh-altakkkadisch: BdI I 24: II 2! (- / -). Das Wort wurde aus dem akkadischen iškinū, vgl. AHw I S. 396 iškinū „Zugabe (zu Zahlungen)“ und CAD I–J S. 250 iškinū „money paid in addition to the purchase price of fields and houses“, entlehnt. 56 Mittelsargonisch: SCTRAH 120: ˹4˺ (- / v -), BdI I 121 Rs. ˹3˺ (- / -), 131 Rs. 1 (- / -), CUSAS 26 126: 7 (- / -). Es ist zu bemerken, dass Ur-zikuma in BdI I 121 Rs. 2–3 als ˹nagada˺ in BdI I 133: 2–3 (- / vi -) als sipa, „Hirte“, und IM.KI in CUSAS 26 126: 6–7 als na-gada und in BdI I 68: 7, Rs. 2 (- / -), FS Owen S. 79 f. No. 3: II 8, Rs. IV 3 (- / -) als ùnu, „Großviehhirte“, aufscheinen. Das Wort na-gada ist aus dem akkadischen nāqidum, vgl. AHw II S. 744 nāqidu(m), „Hirte“ und CAD N/1 S. 333 ff. nāqidu „herdsman“, entlehnt. 57 šabra (Beruf), mittelsargonisch: CUSAS 23 139: 4 (- / v -), BdI I 139 Rs. 4 ([?] / [?]), SCTRAH 77 Rs. 2 (- / v -), klassisch-sargonisch: CUSAS 19 78: 5 (- / -), 171: 5 (- / -), JCS 55 S. 54 Rs. 6, 7 (- / -), CUSAS 23 137: 2 (- / -) – šabra-ne, Adab? – , fraglich CUSAS 13 55: ˹4˺ (- / -), CUSAS 19 161: ˹4˺ (- / -); šabra (Qualitätsbezeichnung für Textilien), mittelsargonisch: SCTRAH 216: 1 (- / iv -), BdI I 149: 1 (- / v -), SCTRAH 218: ˹1˺, 3 (/ vi -), 219: 1 (- / vi -), 29 Rs. 1 (- / ix -), 201: 2 (- / x -), 198: ˹2˺ (- / [?]), mittelsargonisch/ klassisch-sargonisch: CUSAS 13 37 Rs. 1 (- / -); šabra-é, mittelsargonisch: CUSAS 23 112: 4 (- / i -), SCTRAH 69 Rs. 1 (- / i -), 35: 2, 4 (- / i -), 259: 3 (- / i -), 36: 3 (- / iii -), 39: ˹5˺ (- / v -), 26: 6 (- / viii -), 44: 8 (- / [?]), 33: ˹6˺ (- / -), 34 Rs. 2 (- / -), 48 Rs. 3 (- / -); © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Marcos Such-Gutiérrez
• tu-dì-da zabar urudu, „Nagel aus ‘Bronze-Kupfer’”58.59
mittelsargonisch/klassisch-sargonisch: CUSAS 13 34 Rs. 1 (- / -), SCTRAH 53: ˹9˺ (- / -) klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 918 Rs. 7! (- / iv -), MVN 3 23 Rs. ˹3˺ (- / v 22+[(x)]), PPAC 1 S. 71 Y 2 Rs. 4 (- / vii -), CUSAS 13 11: 2 (- / -), 46: 5 (- / -), 98 Rs. 2 (- / -), 122 Rs. ˹4’˺ (- / -), 128: 4 (- / -), CUSAS 19 150: ˹6’˺ (- / -), CUSAS 26 134 Rs. 30 (([-] / [-]), PPAC 1 A 661 Rs. 14 ([?] / [?]), A 662: ˹6˺ ([?] / [?]), A 672: 6 (- / -), A 739: I ˹8˺, Rs. IV 8 (- / -), A 795 Rs. 8 (- / -), A 916 Rs. ˹15˺ ([?] / [?]), A 951 Rs. 8 (- / -), A 987: 2 (- / -), wahrscheinlich BdI I 257 Rs. ˹2˺ (- / -); šabra-[g]iš-k[in-ti], klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 662: 7 ([?] / [?]); šabra-gu, mittelsargonisch: SCTRAH 148: 3 (- / iii -); šabra-kaskalme, klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 672: 2 (- / -); šabra-nin, klassisch-sargonisch: CUSAS 19 150: 8’ (- / -) und šabr[a-x.x.(x)], klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 662: ˹8˺ ([?] / [?]). Das Wort ist aus dem akkadischen šāpirum, vgl. AHw III S. 1172 f. šāpiru(m) „Anweisunggebender“ und CAS Š/1 S. 453 ff. šāpiru „1. overseer (in charge of persons, personnel, estates, geographic areas, etc.) (...)“, entlehnt. 58 Klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 870: 7 (- / -). Das Wort ist aus dem akkadischen t/dudittum, vgl. AHw III S. 1365 f. t/dudittu(m) „ein Brustschmuck für Frauen“ und CAD D S. 168 ff. dudittu „pectoral“, entlehnt. 59 Hier sind Wörter, bei denen eine akkadische Herkunft strittig ist, nicht aufgenommen worden, z.B. – mit Anführung der mir bekannten ersten Belege aus Adab – á-ki-ti, präsargonisch: CUSAS 11 64: II 2 (- / iv -), OIP 14 67: II 2 (- / iv -); ab-ba, „Ältester, Vater“, präsargonisch (siehe Anm. 41); ÁRAD.(d), präsargonisch: Mesopotamia 8 S. 68 f. UCLM 9–1798 = OIP 104 S. 99 ff. Appendix to no. 32 Rs. VII 4, 7 (- / -) – NITAxKUR –; ezem, präsargonisch: Mesopotamia 8 S. 68 f. UCLM 9–1798 = OIP 104 S. 99 ff. Appendix to no. 32: IV 4 (- / -) – Lugal-ezem (PN) – ; gada, „Leinen“, präsargonisch: CUSAS 11 11: III 6’, Rs. I ˹4˺, II 2 ([?] / [?]); gi.n, „festmachen, bestätigen“, präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 44: II 6 (- / -) – Nin-KA-gi-na (PN) –; išib, präsargonisch: CUSAS 11 177: II 2 (- / -); kurušda, „Kleinviehmäster“, früh-dynastisch IIIa: CUSAS 11 1 Rs. III 3’ ([-] / [-]); libir, „alt“, mittelsargonisch: z.B. SCTRAH 163: 1 (- / xi -), BdI I 25: I 10 ([?] / [?]), SCTRAH: 8 (- / -); ma-na, „Mine“, präsargonisch: OIP 14 49 = OIP 104 S. 96 ff. No. 32: I 3, [6] et passim ([?] / [?]), Mesopotamia 8 S. 68 f. UCLM 9–1798 = OIP 104 S. 99 ff. Appendix to no. 32: V 11 (- / -); sagi, „Mundschenk“, früh-dynastisch IIIa: CUSAS 11 3 Rs. II 3 ([-] / [-]); sum, „Zwiebel“, präsargonisch: CUSAS 11 63: I 1, II 1 (- / -); šana-bì, „2/3 (der Mine)“, präsargonisch: OIP 14 48 = OIP 104 S. 95 f. No. 31: I’ 7, Rs. III’ 6, IV’ 7’ ([?] / [?]); túgšà-gi-URUDU, „ein Gewand“, mittelsargonisch: z.B. SCTRAH 220: 4 (- / i -), BdI I 148: 4 (- / vi -), /šuššana/, „1/3 (der Mine), mittelsargonisch: BdI I 181 Rs. 4 (- / -) – 1/3 ša –; um-ma, „ältere Frau“, klassisch-sargonisch: CUSAS 13 86: I 8’ ([?] / [?]) – [U]r-um-ma (PN) –; UZ.TUR, „Ente“, klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 846: 6 (/ -); za-ḫa-daurudu, „Streitaxt“, präsargonisch: OIP 14 52: III 2’ (- / -), ˹giš?˺za-ra, „Polschuh an der Tür“ oder „Deichsel, Stange“, klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 675 Rs. 12 ([?] / [?]) und zíz-da, „(Ent)schädigung“, präsargonisch: BdI I 4: II 3 (- / -), OIP 14 76: II 4, III 1 (- / -). Zu den letztangeführten auf -a auslautenden Wörtern siehe J. Keetman, RAI 56 (2013), S. 437 ff., der kurušda und zíz-da nicht aufnimmt. Zu á-ki-ti siehe z.B. J. Bidmead, Akītu Festival S. 42 Anm. 9, zu ÁRAD.(d) siehe die Literatur bei I. Schrakamp, JCS 65 (2013), S. 216 148, zu kurušda siehe G.J. Selz, FAOS 15/2, 1 (1993), S. 91 f., zu ezem, gi.(n), išib, sum und UZ.TUR siehe W. Sommerfeld, PIHANS 106 (2006), S. 61 ff., zu © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode
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• Hierher gehört die ab der mittelsargonischen Periode in sumerischen Texten bezeugte Verwendung der akkadischen Konjunktion u, „und“, (immer ù geschrieben)60, • des Determinativpronomens (siehe Anm. 31) und • von Präpositionen (siehe Anm. 32). 3. Das Akkadische übte einen Einfluss auf die Grammatik aus, worauf die Anführung der Maßeinheit vor dem Gemessenen ab der klassisch-sargonischen Zeit hinweist61. Die einzige, mit Sicherheit bezeugte grammatikalische Unlibir siehe J. Keetman, RAI 56 (2013), S. 441, zu túgšà-gi-URUDU siehe P. Steinkeller / J.N. Postgate, MC 4 (1992), S. 48 Anm. zu No. 21 3 und M. Molina / M.E. Milone / E. Markina, SCTRAH S. 71 Anm. zum Text 22 o.6, zu sagi siehe J. Taylor, NABU 2002/29, zu ša-na-bì und /šuššana/ siehe A. H. Jagersma, A Descriptive Grammar of Sumerian S. 264 f. und zu zíz-da siehe C. Wilcke, EANEL S. 59 Anm. 180. 60 Mittelsargonisch: SCTRAH 306 Rs. 2 (- / -), 310: 5 (- / -) – Adab? – und klassischsargonisch: PPAC 1 A 959: 4 (- / i 25), A 1015 Rs. 5 (- / i -), S. 431 Y 2: 4, Rs. 1 (- / vii -), CUSAS 13 71: 4 (- / -), 86 Rs. I 2 ([?] / [?]), 146 Rs. 3’ (- / -), CUSAS 19 53: 5 (- / -), 83: 2, 5, 6, ˹7?˺ (- / -), 113 Rs. 2 ([?] / [?]), 120: ˹3˺ (- / -), 131: 9 (- / -), 160 Rs. 3 ([?] / [?]), CUSAS 26 145: 3’ ([?] / [?], PPAC 1 A 632: I ˹3˺ (- / -), A 636 = FAOS 19 S. 48 ff. Ad 8 Rs. 22 (- / -), A 637: II ˹13!˺ (- / -), A 652 Rs. 16 (- / -), A 660 Rs. III 2, 5 ([?] / [?]), A 721: 10 (- / -), A 892: 3’ ([?] / [?]), A 942 = FAOS 19 S. 37 f. Ad 1 Rs. 8 (- / -), A 972 Rs. 7 (/ -), A 1209: I 10 (- / -). Die Einführung der Konjunktion u verdrängte die sumerische Konstruktion mit -bi(-da), „zusammen mit“, die bis die mittelsargonische Zeit in Adab belegt ist, präsargonisch/früh-altakkadisch: CUSAS 11 82: I 6 (- / -) und mittelsargonisch: SCTRAH 255: 3 (- / -). -bi(-da) hatte nicht diesselbe Bedeutung wie die Konjunktion u, da beide in einem Text aus Isin zusammen vorkommen, dazu siehe J. Hernández, Estudio de Isin en el III milenio a través de sus fuentes arqueológicas y textuales (PhD). Madrid 2014, S. 56 f. 61 Siehe z.B. n kù(-babbar) ma-na/gín, präsargonisch: OIP 14 52: II 2’ (- / -), Mesopotamia 8 S. 68 f. UCLM 9–1798 = OIP 104 S. 99 ff. Appendix to no. 32: V 11 (- / -), BdI I 4: II 1, 2 (- / -), 14: I 1, 6, II [1]0, Rs. II ˹1˺ (- / -), CUSAS 11 19: I 1, II 1 (- / -), OIP 14 66: I ˹1˺, II 3, Rs. III 1 (- / -), 75 = SR 104: I 3, 6, II 2 (- / -), OIP 14 76: I 1, II 3 et passim (- / -); früh-altakkadisch: CUSAS 11 108: I 1, 6, II 4, III 2, 6 (Mes-kigala / -), BdI I 2: II 5 (- / -), mittelsargonisch: BdI I 86: 1, 5 (- / -), 87: 1 (- / -), 211: 1 (- / -), 214: 1, 5 (- / -); n mana/gín kù-babbar, klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 1121: II 5, 10, Rs. III 7, IV ˹2˺ ([?] / [?]), CUSAS 13 124: 1 (- / -), PPAC 1 A 650: ˹4˺, Rs. 1[0] (- / -), A 739: I 3 (- / -), A 775: ˹1˺ (- / -), A 815: 1, 3, 8 (- / -), A 894: 1 (- / -), A 975: 1 (- / -), n síg gú/ma-na, präsargonisch: OIP 14 49 = OIP 104 S. 96 ff. No. 32: I [6], [9] et passim ([?] / [?]); früh-altakkadisch: BdI I 42: 1 (- / xi -), 24: II 3 (- / -); mittelsargonisch: BdI I 135: 1 (- / v -), 133: 1 (- / vi -), 130: 1 (- / -), 131: 1 (- / -), 134: 1 (- / -), 138: 1 (- / -), n ma-na síg, klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 739: I ˹4˺ (- / -), A 795: 1, ˹4˺, Rs. 11 (- / -) und n zú-lum gurdub, präsargonisch CUSAS 11 242: I ˹1˺ (- / -) – gurdub(GA2xGI) nach Foto –, mittelsargonisch: CUSAS 13 29: ˹4˺ (- / -), n gúrdub zú-lum, klassisch-sargonisch: PPAC 1 A 979: 1 (- / -). Jedoch bestehen Ausnahmen z.B. n kù(-babbar) ma-na/gín, klassisch-sargonisch: BdI I 213 = CUSAS 26 288: 1 (- / viii -), 196 Rs. II ˹1˺ (- / -), PPAC 1 A 862: 1 (- / -), n ma-na síg, präsargonisch: OIP 14 51 = OIP 104 S. 103 f. No. 33 Rs. IV 5 ([?] / [?]), n síg gú klassisch© 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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schärfe62 hängt anscheinend nicht damit zusammen, sondern vielmehr mit einer kurzen Erfahrung als Schreiber oder mit einem Mangel an Sorgfalt bei dem Versuch, einen Text rasch anzufertigen63. sargonisch: CUSAS 13 146: 1 (- / -), n gurdub2 SUMAŠ//SUḪUR, präsargonisch/frühaltakkadisch: BdI I 61: I 9 (- / -) und wenn die Umschrift stimmt, n sìla kaš(-sig15) im präsargonischen Text CUSAS 11 9: I 1, 3, II 1, 3 (- / -). Die gur-Maßeinheit widersteht dem akkadischen Einfluss und taucht immer nach dem Gemessenem auf, z.B. präsargonisch: Mesopotamia 8 S. 68 f. UCLM 9–1798 = OIP 104 S. 99 ff. Appendix to no. 32: I 1, 3 (- / -), CUSAS 11 46: I 5 (- / -), 177: I 1 (- / -); früh-altakkadisch: CUSAS 11 165: I 1 (Mes-kigala / v -), 188: I 1, 2, 3 (Mes-kigala / -), 156: 1 (- / x -); mittelsargonisch: CUSAS 11 321: 3 (- / viii 30), BdI I 150: [1], 4, Rs. 1, 3 (- / -) und klassisch-sargonisch: CUSAS 13 111: 2’, 3’ et passim (- / v -), BdI I 257: 1, 6, Rs. 6 (- / -), CUSAS 13 49: 1, Rs. 5 (- / -), 74: ˹1˺, Rs. 3 (- / i -), CUSAS 19 128: 1, Rs. 1 (- / -). Zur Stellung des Gemessenen vor dem Maß als die ursprüngliche sumerische Form siehe M. Krebernik, OBO 160/1 (1998), S. 260 – mit früherer Literatur – und beachte in Anm. 203 den Vorbehalt von C. Wilcke, ZA 86 (1996), S. 8 f. 62 lú-gub-ba-ne, CUSAS 13 36: ˹1˺, 2 (- / xi 30) – mittelsargonisch – statt lú-gub-ba-me, „(sie) sind die zum Dienst stehenden Leute“, präsargonisch/früh-altakkadisch: BdI I 6: I 4 (- / -) und klassisch-sargonisch: BdI I 250 Rs. 1 (- / -), CUSAS 19 119: 4 (- / -). Fraglich muss die Passage šà u4-1, „am ersten Tag“, in CUSAS 11 225: II 3 (- / -) – früh-altakkadisch – bleiben, die auf die Verwendung von šà, „Inneres, Herz“ als Präposition verweisen würde, vgl. akkadische Passagen mit der Präposition in, BdI I 229: 4 (- / i -) – klassischsargonisch –. Eine Kollation des Textes ist vonnöten. Ferner beachte, dass Textpassagen, in denen sich das Verbalinfix des Dativs -na- auf mehrere PNN bezieht, z.B. Mesopotamia 8 S. 68 f. UCLM 9–1798 = OIP 104 S. 99 ff. Appendix to no. 32: II 11–12, III 11 – IV 2, IV 3 (- / -) – präsargonisch –, CUSAS 11 336: 2, 4, Rs. 1 (- / vii 13) – früh-altakkadisch – und SCTRAH 12: II 2, 4, ˹5˺ (- / -) – früh-altakkadisch, Adab? –, die manchmal Probleme bei der Übersetzung bereiten, vgl. zu den drei Texten z.B. I.J. Gelb / P. Steinkeller / R.M. Whiting, OIP 104 (1991), S. 101, I. Schrakamp, JCS 65 (2013), S. 226 336 und M. Molina / M.E. Milone / E. Markina, SCTRAH S. 64 Übersetzung zum Text 12, keine Grammatikunbestimmheit darstellen, da -na- in diesen Fällen als distributiv, „jedem einzelnen“, zu interpretieren ist. Zu dieser Verwendung von -na- siehe D.O. Edzard, SR S. 39 und C. Wilcke, ZA 86 (1996), S. 46 3.4.2.2. Darauf verweist auch CUSAS 13 61 ([?] / [?]) – klassisch-sargonisch –, nach dem zwei PNN (Vs. 3, 5) zwei weiteren PNN (Vs. 2, 4) etwas, dessen Name nicht erhalten ist (Vs. [1]), zuteilen, ˹ì˺-na-ba-éš, „sie haben jedem einzelnen zugeteilt“. Dasselbe Prinzip liegt wahrscheinlich bei dem Personalinfix der 3. Person des Singulars /n/ in an-da-gál, „es ist bei ihm vorhanden“, mit Bezug auf 6 Personen in CUSAS 19 92 Rs. 3 (- / -) – klassisch-sargonisch –, wenn dies nicht als Anzeichen einer erstarrten Verbalform zu interpretieren ist. 63 Als Hinweise auf diese Schnelligkeit gelten z.B.: a) Zeichenauslassung, präsargonisch/früh-altakkadisch: iti-udu-ur4, BdI I 51: II 1 (- / vii, vi -); šu-a gi4, CUSAS 11 144 Rs. II 4 (- / iv -); Ur-dŠul-pa-è(.DU), CUSAS 11 144 Rs. II 2 (- / iv -); frühaltakkadisch: šu gi4-a, CUSAS 11 224: II 1 (- / -); mittelsargonisch: rá, BdI I 155 Rs. 7 (- / -); kìri, SCTRAH 171: 3 (- / -); igi, SCTRAH 171: 2 (- / -); sá, SCTRAH 37: 1, ˹5˺, Rs. 6’ (- / -); mittelsargonisch/klassisch-sargonisch: ˹sig5˺, © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode
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4. Die Existenz zweisprachiger Schreiber, besonders ab der klassisch-sargonischen Zeit, ist vielfach belegt. Das beste Beispiel stellt der Brief PPAC 1 A 830 = FAOS 19 S. 42 ff. Ad 4 aus dem „Archiv“ von Mezi dar, der die Briefeinleitungsformel auf Akkadisch und den Briefinhalt auf Sumerisch enthält. Diese zum ersten Mal bezeugte Zweisprachigkeit scheint ein Verdrängen des Sumerischen nach sich gezogen zu haben, da die Bekundung des „Sumerischseins“ zum ersten Mal in der klassisch-sargonischen Periode belegt ist: der PN Šul-gi64, „heimischer Jüngling“ > „sumerischer Jüngling“, und die noch nicht geklärte Personenbezeichnung dumu-gi765, „heimischer Bürger“ > „sumerischer Bürger“ > „freier Bürger“66. Diese Zweisprachigkeit, zumindest einiger Schreiber, und der Anspruch auf das „Sumerischsein“ wurde in den folgenden Perioden bzw. in der Ur III-Zeit (ca. 2100–2000 v.Chr.) fortgesetzt, worauf jeweils die sogenannten „Texten von Garšana“67 und der Name des zweiten Königs der Dynastie (dŠul-gi)68 hinweisen.
CUSAS 13 28: 1 (- / xi -); klassisch-sargonisch: šà (siehe Anm. 44); addirx({A.}BI+GIŠ./), PPAC 1 A 828: 2, ˹5˺ (- / -); gal5gal, PPAC 1 A 842: 1’ ([?] / [?]); maḫ, CUSAS 13 81: 1 (- / i -), BdI I 248: 1 (- / ii -), CUSAS 13 113: 1 (- / ii -), CUSAS 19 112: 1 (- / iii -), 86 Rs. 4 (- / v -), 109: 6’, Rs. 1 ([?] / [?]); sá-du11, CUSAS 19 85: 1 (- / i -), 107 Rs. ˹1˺ (- / iii -), 112: 6 (- / iii -), 86: 1 (- / v -), 88: 1 (- / -), 109 Rs. 3 ([] / []); sá, CUSAS 13 113: 5 (- / ii -), CUSAS 19 86 Rs. 5 (- / v -), 109: 4’, 5’ ([?] / [?]); na, BdI I 222 Rs. 3’ (- / -), šuTE.-um, CUSAS 13 102: 5 (- / -); b) Auslassung der Verbalform an-na-sum, mittelsargonsich: BdI I 177 (- / -) – vollständige Umschrift?, vgl. BdI I 194 (- / -) –; c) nicht ganz angefertigtes Zeichen, klassisch-sargonisch: Inim!(SAG)-ma, PPAC 1 A 816: 6 (- / ix -), zì!(TÚG) und éš!(TÚG), PPAC 1 A 994: 1, Rs. 4 (- / i -) – durchgestrichene Tafel –, ḫa-mu-ne-gi4-gi4!(GI), PPAC 1 A 942 = FAOS 19 S. 37 f. Ad 1 Rs. 9 (- / -) und d) versehentliche Zeichenverdoppelung, präsargonisch/früh-altakkadisch: ì , BdI I 21: I 2 (- / -). Ferner siehe BIN 8 260 Rs. 6’–7’ (- / -) – klassisch-sargonisch – mit den Schreibungen ḫa-SU-lu-úb und NE.DU für die Hölzer gišḫa-lu-úb, „Eiche?“, und giš šarx(NE)-ša4(DU)-bìd(KU), „…(?)“, vgl. W. Heimpel, CUSAS 6 (2011), S. 128 3.4.3. 64 CUSAS 23 127: ˹1!˺ (- / -) und PPAC 1 A 773: 2 (- / -). 65 CUSAS 13 15: 3 (- / -) und BdI I 208 Rs. 4 (- / -) – klassisch-sargonisch? –. Siehe ferner den PN Lugal-dumu-gi7, mittelsargonisch/klassisch-sargonisch: CUSAS 19 23: 6 (- / -) und klassisch-sargonisch: CUSAS 13 108 Rs. 3 (- / -). 66 Zu dumu-gi7 siehe die Literatur bei I. Schrakamp, BiOr 65 (2008), S. 696 BdI Adab 208 Rs. 4 und dazu noch N. Koslova, BPOA 5 (2008), S. 152 ff. 67 Zur Sprache der Texte von Garšana siehe W. Sallaberger, CUSAS 6 (2011), S. 335 ff. 68 Zum König Šulgi siehe W. Sallaberger, RlA 13 (2011–2012), S. 270 ff. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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ANHANG: Akkadische Nomina in sumerischen Texten69 Wort
Texte
Präsargonisch 1 amar-ḫa-LUM 2 bu-dum 3 šim-NI-˹gi6˺-tum 4 šim-u9-lu-LUM
CUSAS 11 17: II ˹3˺, Rs. 1 OIP 14 52: II 3’ CUSAS 11 68: II 1 CUSAS 11 68: I 6
...-Jungtier ein metallisches Ornament eine aromatische Substanz eine aromatische Substanz
CUSAS 11 224: 1 CUSAS 11 110: I 4 CUSAS 11 222: I ˹1˺, 226: I ˹5˺, II ˹1˺, 3, 325: I 2 BdI I 23: I 2 CUSAS 11 227: I 3
rotes Wollkleidungsstück ein Kleidungsstück ein Wollkleidungsstück
Michail 15 = CUSAS 26 111 Rs. 13 SCTRAH 230 Rs. 1 SCTRAH 140: 2 – ḫa-laumtúg –, 212: 1, 2 SCTRAH 31: 4, 249: 2 BdI I 164: 3, CUSAS 23 132: 2 BdI I 148: 1, Rs. 2, SCTRAH 20: 3, 22: 3, 24: 3, 25: ˹1˺, 31: 2 – túgna-áš-pá –, 204: ˹7?˺, 222: 2 SCTRAH 159 Rs. 5 SCTRAH 310: 4 – Adab? – SCTRAH 270: 3, 271: ˹1˺ SCTRAH 71: ˹2˺, ˹5˺, 169: 2 – /zi-zi/-a-núm – BdI I 154: 2
eine Paste für Leder
Früh-altakkadisch 1 ’à-dam-umtúg 2 gaba-DA.BA-tum 3 ḫa-la-umtúg 4 5
zi-ba-tum zi-zi-bi-tumtúg
Mittelsargonisch 1 al-la-ḫa-ru (Sig.) 2 3
bu-dum ḫa-la-um
túg
4 5
kuš-ku8-tum mun-du (Sig.?)
6
túg
7 8 9 10
sa-ḫa-ru SI-da-um šal-la-tum zi-zi-bí-a-núm
11
zì-za-tum
na-áŚ-pá-ru (Sig.)
Übersetzung
Stroh? ein Wollkleidungsstück
ein metallisches Ornament ein Wollkleidungsstück Deckenleder Schrot von Gerste? eine Wollstoffsorte?
ein Netz ein Beruf ein Stoff für Wagen Schwarzkümmel eine Gerstemehlsorte
Mittelsargonisch/klassisch-sargonisch túg na-áŚ-pá-ru(-um) CUSAS 13 37: 3’, SCTRAH eine Wollstoffsorte 1 23: ˹3˺ Klassisch-sargonisch giš 1 a-za-lum BIN 8 260: 3 eine Baumsorte túg à-da-mu-um CUSAS 13 146: 2 rotes Wollkleidungsstück 2 69
Hier sind weder akkadische Monatsnamen noch Feld-, Orts- und Personennamen aufgenommen. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode
3 4 5 6 7 8
9 10
11 12
13 14 15 16 17 18 19 20 21
22
23 24
am-ru-um ba-lu-ḫum Ḫa-ZA-pumzabar
CUSAS 13 162: 10 CUSAS 13 162: 6 BdI I 216 = CUSAS 26 276: ˹3’˺, 4’ PPAC 1 A 777 Rs. 9 kál-bumzabar kir-um CUSAS 23 100: 6, fraglich CUSAS 19 123: ˹5˺ ma-ša-lumzabar BdI I 216 = CUSAS 26 276: ˹1’˺, CUSAS 13 157: ˹9’˺, PPAC 1 A 777: 6, A 937: 1 kuš maš-li-LUM PPAC 1 A 905 Rs. 9 túg na-áŚ-pá-ru(-um) CUSAS 13 124: 5, 154: 1, 4, Rs. ˹1’˺, 4’, CUSAS 23 137: 3, ˹5˺ – Adab? –, PPAC 1 A 697: 2, 912: ˹2˺ ! CUSAS 13 162: 9 ˹NI ˺-gi4-ib-tum ni-is-qú (Sig.?) CUSAS 13 108 Rs. 3!, 109: 12, PPAC 1 A 690+876 Rs. 21, A 695 = FAOS 19 S. 50 f. Ad 9: 1, PPAC 1 A 753 Rs. 8, A 816: 3, A 900: 2, 3, A 956: 2, A 979: ˹2˺, A 1015: ˹4˺, A 1027: 2, A 1042: 3, A 1092: 3 ˹giš˺pá-˹rí˺-sà-tum (Pl.) PPAC 1 A 1070: 1 pu-ug-lu (Sig.?) PPAC 1 A 916: ˹4˺, Rs. ˹9˺, ˹14˺, ˹Rand?˺ túg qù-tá-nu (Sig.) CUSAS 13 146: 3 sà-ḫumzabar CUSAS 13 157: ˹8’˺, PPAC 1 A 777: 3, 5 sé-er-dum BIN 8 260: 4 SI/SIG/SU-da-um CUSAS 19 66: 3, MC 4 52 Rs. 14, PPAC 1 A 825 Rs. 4 ṣa-ar-p[u(-x)] PPAC 1 A 912 Rs. 9 CUSAS 13 162 Rs. 2 šim-kúk-ru (Sig.?) šu-TE.LÁ/TE:LÁ(-um) CUSAS 13 94: ˹5˺, 98: 5, 99: ˹3˺, 100: 3, 101: 7, 102: 5 – šu-TE.-um –, 116: 6, 118 Rs. 1, 119: [11], CUSAS 19 171: 3, Rs. 2, PPAC 1 A 662 Rs. 15, A 712 Rs. ˹15˺, A 809: 6, A 954: 3 SCTRAH 334: 2 – Adab? –, za-am-rí-tum˹giš˺ SET 294: 3, 5 – uruduza-mi-rítum, altakkadisch? – CUSAS 13 162: 4 ˹za˺-[ba-lum] PPAC 1 A 850: 4 ˹gišZI˺.NI-tum
147
Amber eine aromatische Substanz ein Bronzegegenstand Bronzehundbild ein großes Gefäß Bronnzespiegel?
Ledereimer eine Wollstoffsorte
eine aromatische Substanz eine Personenklasse
Ruderstangen Rettich ein Wollkleidungsstück Bronzekanne Ölbaum ein Beruf geläutert(e) eine aromatische Substanz Polizist?
ein Wurfspeer
Wacholder ein Holzgegenstand
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Marcos Such-Gutiérrez
25
zi-zi-bí-a-núm
26
(zì-)za(-tum)
CUSAS 13 121: ˹1’˺, Rs. 3, Schwarzkümmel ˹8˺, ˹12˺, CUSAS 23 129 Rs. 5 – zi-/bí-bí/-a-nu-[(um)], Adab? – CUSAS 13 85: ˹2˺, CUSAS eine Gerstemehlsorte 19 123: 4, 133: 2 – ninda-za70 –, CUSAS 23 100: 6, FAOS 19 S. 44 ff. Ad 5: 3, PPAC 1 A 721: 6 – ninda-za –, A 947: 1, Rs. 6, 8, SANTAG 7 195: 2, 5 – ninda-za-tum, zì-gúgza-tum, Adab? –
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Die Sprachsituation in Adab während der altakkadischen Periode
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Marcos Such-Gutiérrez
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Mehrsprachigkeit und Mehrschriftlichkeit in Ugarit Pavel Čech
In der späten Bronzezeit erstreckte sich der Stadtstaat Ugarit entlang der levantinischen Küste ungefähr zwischen dem Berg Jebel-Aqra1 im Norden und der heutigen Stadt Jebleh im Süden. West- und Ostgrenze waren natürlich gegeben durch die mediterrane Küste und den Alawitengrat, was insgesamt einen Kreis von etwa 60 x 35 Kilometer ausmacht.2 Zusammen mit dem Nachbarstaat Mukiš stellte Ugarit den nordwestlichsten Ausläufer des semitischen Kontinuums dar, wobei es die archäologischen Funde zugleich als einen Knotenpunkt des internationalen Handels, ja wahre Thalassokratie erkennen lassen.3 Diese Grenz- und Zentrallage ist mitverantwortlich für die Reichhaltigkeit der hier gefundenen epigraphischen Quellen, die nicht nur im vergleichbaren zeitlichen und geographischen Horizont ihresgleichen sucht.4 Man spricht grob von viereinhalbtausend gefundenen epigraphischen Trägern,5 acht verschiedenen Sprachen und fünf verschiedenen 1 Damals der heilige Berg Ṣapānu, hurritisch Ḫazzi und der Mons Cassius der klassischen Antike. Vgl. E. Bordreuil, La montagne, d’après les données textuelles d’Ougarit, und Portnoff, Autour des légendes relatives au Mont Casius. In der Regel sind gerade die „kahlen Berge“ (die eigentliche Bedeutung von Jebel-Aqra) und/oder ihre göttliche Einwohner Objekte der religiösen Verehrung (L.P. Słupecki, Slavonic Pagan Sanctuaries, S. 172–184; S. Rosik, W cieniu „śląskiego Olimpu“). 2 Das Gebiet deckt sich ungefähr mit der Mohafazat Latakia. Zu weiterer Gliederung und Toponymie s. W.H. van Soldt, The Topography of the City-State of Ugarit. 3 Vgl. die einzelnen Beiträge in M. Dietrich / O. Loretz 1995 und M. Kropp / A. Wagner, „Schnittpunkt“ Ugarit. 4 In der Spätbronzezeit kann man höchstens Ḫattušaš als ebenbürtig betrachten. Dem Autoren ist keine vergleichbare Studie in dieser Richtung bekannt, nichtsdestotrotz möchte er auf die ebenfalls sehr bunte epigraphische Fundlage aus der neuassyrischen Stadt Karkemiš (Starke 1997 rechnet insgesamt zwölf Sprachen in vier Schriftsystemen) und aus dem ägyptischen Elefantine der persischen Zeit hinweisen. Einige Merkmale, wie die peripherale geopolitische Lage dieser Hafenstädte, stimmen überein, andere, z.B. die militäre versus die wirtschaftliche Bedeutung, sind ganz verschieden. 5 „2,000 in Ugaritic, 2,500 in Akkadian“ nach D. Pardee, The Ugaritic Texts and the Origins of West-Semitic Literary Compositions, S. 29 (vgl. „approximately 4,500 objects“ in derselbe, The Ugaritic Alphabetic Cuneiform Writing System in the Context of Others Alphabetic Writing Systems, S. 181), was durch die ehemalige Ausgrabungsdirektorin M. Yon, die für das Urtena-Archiv statt Pardees’ 500 schon 650 Tafeln meldet (in P. Bordreuil / D. Pardee / R. Hawley, Une bibliothéque au sud de la ville, S. 7), erhöht wird.
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Pavel Čech
Schriften,6 während die Anzahl der Sprachen je nach Kriterien deutlich erweiterungsfähig ist.7 Verschiedene Elemente dieser multischriftlichen Situation sind mehrmals untersucht worden,8 in diesem Fall wird das Gesamtbild – oder eher Abriss – mit weiterführenden Literaturhinweisen vorgestellt. Auf der politischen Ebene wechselte das ugaritische Königtum um die Mitte des 14. Jahrhunderts v.Chr. die Oberhoheit und kam – wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem einjährigen Feldzug Suppiluliumas – aus der lockeren ägyptischen9 in die beharrliche hethitische Machtsphäre, was viel Neues mit sich brachte: „The level where epigraphic materials have been found is Level I/3 or Ugarit Récent 3. It dates from the Hittite conquest by Suppiluliuma I, ca. 1365 B.C., until the destruction of the city.“10 Sogar „a special wing of the royal palace was reserved for the texts that were issued by the Hittite king and the kings of Karkamiš [...] the Hittite overlord imposed a large tribute on his vassal and the administration made sure that every town and professional group were paying their dues“.11 Tatsächlich werden aus Ugarit kaum epigraphische Funde aus der Zeit vor der Mitte des 14. Jhdts. v.Chr. gemeldet, obwohl man ein früheres Schreiben in Ugarit, das schon in der altbabylonischen Zeit zur keilschriftlichen Welt gehörte – so wird in den Mari-Archiven von einem bilateralen Treffen beider Herrscher berichtet12, – oft voraussetzt. Möglicherweise hängt das Fehlen (oder vielleicht besser: Verschwinden) der epigraphischen Quellen aus der altbabylonischen Stadt damit zusammen, dass, laut einer Nachricht aus der Mitte des 14. Jhdts. v.Chr. von Abimilki von Tyros (EA 151: 55–57), „Ugarit, die Burg des
6
Z.B. F. Malbran-Labat, Akkadien, bilingues et bilinguisme en Élam et à Ougarit, S. 56: „[...] la coexistence de huit langues différentes dans cinq systèmes d’écriture“; C. Roche, Classification de l’utilisation du cunéiforme mésopotamien dans les textes ougaritiques, S. 155: „Depuis le début des fouilles en 1929, le Tell de Ras Shamra (Ougarit) a livré plus de 4000 textes attestant de l’usage de huit langues et cinq systèmes d’écriture.“ 7 „[...] de l’assyrien et de l’assyrien canaanisé, du babylonien, une bêche-de-mer, du canaanéen, du ou des chypriotes, de l’égyptien, du hittite (et du louvite, hittitte-hiéroglyphique), du houritte, de l’ougaritique, du sumérien“ nach D. Arnaud, Corpus des textes de bibliothèque de Ras Shamra-Ougarit (1936–2000), S. 16. 8 Letztens von P. Bordreuil et al. (Hrsg.), Les écritures mises au jour sur le site antique d’Ougarit (Syrie) et leur déchiffrement. 9 Für das Verhältnis zu Ägypten sind die ugaritischen Vasallenbriefe aus Amarna ausschlaggebend. Länger ist jedoch bekannt, dass das ugaritische dossier einige Besonderheiten aufweist, welche von einer selbstbewussten Politik Ugarits vis-a-vis seinem Hegemonen zeugen sollen (J. Mynářová, Ugarit: “International” or “Vassal” Correspondence?). Ausnahmsweise wird die ägyptische Oberhoheit nicht nur de facto, sondern auch de iure bezweifelt (A. Altman, Ugarit’s Political Standing in the Beginning of the 14th Century Reconsidered). 10 O. Pedersén, Archives und Libraries of the Ancient Near East, S. 68. 11 W.H. van Soldt, Ugarit as a Hittite Vassal State, S. 205. 12 P. Villard, Un roi de Mari à Ugarit. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Mehrsprachigkeit und Mehrschriftlichkeit in Ugarit
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Königs, hat Feuer verzehrt; ihre Hälfte hat es verzehrt, und ihre Hälfte ist (nicht) da [...].“ Laut W.H. van Soldt existierte sogar ein indirekter Zusammenhang zwischen der hethitischen Machtübernahme und dem Aufstieg der ugaritischen Schriftlichkeit, und zwar in folgenden Schritten: „The reasons for the large archives during the Late Bronze Age probably had to do with the Hittite occupation [...]. The use of cuneiform in such a large scale probably was the impetus for the alphabetic script [...]“.13 Während die erste Schlussfolgerung logisch und einwandfrei ist, ist die Gültigkeit der letzteren von vornherein strittig. Die erprobte keilschriftliche Administration an sich gab in ihrer langen Geschichte kaum je den Anstoß zu einer Erfindung dieser Art, bis hin zu der Einführung der persischen Keilschrift unter Dareios dem Großen, der damit bekannterweise keine administrativen Ziele anstrebte. Im Folgenden werden die einzelnen Sprach- und Schriftsysteme vorgestellt. Das Ziel dieser Übersicht ist eher zu beschreiben und darzustellen als zu erklären, doch wird auch nach dem Sitz im Leben der besprochenen Sprach- und Schriftsysteme und den damit verbundenen soziolinguistischen Implikationen gefragt. Schriften in Ugarit 1. Die ältesten in Ugarit gefundenen epigraphischen Artefakte stammen aus Ägypten. Die Hieroglyphenschrift erscheint auf etwa einhundert Objekten,14 die zwischen die 12.15 und 19. Dynastie (Ugarits Niedergang) datieren. Erwartungsgemäß handelt es sich um Importe, meistens aus Stein wie Skarabäen und Stelen, aber auch Siegelabdrücke, Ringe oder Perlen mit kurzen Legenden. Wie im ganzen Nahen Osten wurden sie auch in Ugarit primär als Luxusgüter zum Betrachten und nicht zum Lesen aufbewahrt und ihre Aussagekraft zu unserem Thema ist gering, weil „l’idiosyncrasie du système d’écriture et de pensée égyptien l’a empêché de devenir la koinè [...]. Son isolement l’empêchant de développer la même aptitude à l’alloglottographie“.16 Als mögliches Gegenargument kann man die Alabaster-Vase RS 15.239 (ein Heiratsgeschenk aus Ägypten?) einführen, die eine Überschrift, „der König vom Land Ugarit, Niqmaddu“, enthält, aber im Ganzen „elles ne font l’objet d’aucune appropriation locale, mais, bien au contraire, conservent leur valeur et leur sens premiers“.17 Das Bronzeschwert mit Merenptahs Kartusche (RS 17.90) ist als ein in der Levante erzeugtes Geschenk
13
W.H. van Soldt, Ugarit as a Hittite Vassal State, S. 205. Vgl. die Zusammensetzung in TEO, S.418. 15 Torso der thronenden Prinzessin Chnumet aus Basalt (RS 3.336). 16 M. Grimal, Diplomatie et écriture: à propos des inscriptions égyptiennes d’Ougarit, S. 187. Zur Alloglottographie s. weiter unten. 17 M. Grimal, Diplomatie et écriture: à propos des inscriptions égyptiennes d’Ougarit, S. 199. 14
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für den Pharao interpretiert worden.18 2. Die luwischen Hieroglyphen sind primär, doch nicht ausschließlich, auf dem bekannten Abdruck des hethitischen Königssiegels bezeugt. Es werden zwei Typen unterschieden, repräsentiert durch RS 17.109 und RS 17.159.19 3. Die kypro-minoische syllabische Schrift ist in Ugarit durch wenige, meistens sehr kurze Inschriften belegt. Die klassische Edition HoChyMin trennt alle kyprominoischen Inschriften in vier Gruppen: CM0 beinhaltet nur die älteste Tafel aus Enkomin, CM2 drei jüngere Großtafeln aus der gleichen Lokalität, und in die CM1 gehören 205 andere zyprische Funde mit der kypro-minoischen Schrift. Die Inschriften aus Ugarit bilden die selbstständige Gruppe CM3. Hierher gehören zwei Tontafeln (HoChyMin##212–215), kleinere Tonfunde (eine Etikette mit zwei und ein Abdruck des Rollsiegels mit fünf Zeichen, HoChyMin##210, bzw. 211), ein auf dem Markt erworbenes Steinsiegel (HoChyMin##217) und eine silberne Vase (HoChyMin##216).20 Nur die Tontafeln enthalten längere Zeichenfolgen, die längste Inschrift mit 211 Zeichen (HoChyMin##215) ist wahrscheinlich eine Namensliste (die öfter beieinander liegenden Zeichen Nr. 051 und 028 stehen angeblich für „Sohn“21). Die Datierung der Funde bleibt innerhalb der Spätbronzezeit sehr vage, die Schrift(en)22 und damit auch die Sprache(n) warten auf ihre Entzifferung.23 Die Ugaritologen behandeln diese Schrift eher stiefmütterlich, doch einige Aspekte verdienen ihre Aufmerksamkeit. Paläographisch, „the CM3 inscriptions have a distinct local flavour because the method of inscription mimics the cuneiform method of punching, but with a rounded stylus. 18
Vgl. M. Yon, The City of Ugarit at Tell Ras Shamra, S. 168f. B.R. Kabatiarova, Ugaritic Seal Metamorphoses as a Reflection of the Hittite Administration and the Egyptian Influence in the Late Bronze Age in Western Syria (die Abbildungen auf S. 131). 20 Die Angaben zu CM3 in HoChyMin seien jedoch mit Vorsicht zu benutzen. Nicht alle Funde wurden berücksichtigt, Vorder- und Rückseiten der beiden Tafeln werden getrennt bearbeitet. In der Tat gibt es z.Zt. 9 Funde dieser Art, wovon einer inzwischen verloren gegangen ist. Außerdem verwechselt HoChyMin bei ##210 (RS 94.2328) und ##211 (RS 99.2014) Museumsinventarnummern mit Ausgrabungsnummern. Die richtigen Entsprechungen lauten folgendermaßen: ##212: DamMus0.45.15 und (so fälschlich in HoChyMin) 0.52.88 = RS 17.6; ##213: DamMus 0.49.88 = RS 19.1; ##214: DamMus 0.49.89 = RS 19.2; ##215: DamMus 0.52.88 = RS 20.25; ##216: Louvre AO 14.747 = RS 3.389. 21 J.-P.Olivier, The Development of Cypriot Syllabaries, from Enkomi to Kafizin, S. 15. 22 Nach J. Duhoux, Non-Greek Languages on Ancient Cyprus and Their Scripts: CyproMinoan 1–3, S. 38f. findet eine beträchtliche Zahl der Zeichen von CM3 keine Entsprechung in anderen Gruppen und vice versa und sollte deshalb als eigenständige Schrift gelten. 23 M. Egetmeyer, Ougarit et le déchiffrement de ses inscriptions en syllabaire chypro-minoen. 19
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Mehrsprachigkeit und Mehrschriftlichkeit in Ugarit
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Further, the shapes of the tablets and the arrangement of the signs on the tablet surfaces mimic Ugaritic texts [...].“24 Die beiden Tafeln „fit remarkably well into the cuneiform writing tradition“ und könnten in Ugarit selbst gefertigt worden sein. Der lexikalische Text ##80 aus Enkomi enthält vielleicht den ugaritischen Personennamen ilbcl.25 Insgesamt enthalten die einschlägigen Texte aus Ugarit laut HoChyMin 253 Zeichen, davon 50 distinktive, und damit sollte die Entzifferung nach der Mackay-Formel möglich sein. Kypro-Minoisch wurde überwiegend mit Tinte auf verschiedene vergängliche Materialen geschrieben, wozu auch die „Tropfenform“ der Zeichen passt. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die Funde aus verschiedensten Plätzen stammen (neben dem Königspalast u.a. aus den Häusern von Rašapabu, Rapanu und Urtena) und dass z.B. die zyprische Keramik in Ugarit sowohl als Original wie auch als Nachahmung zu Hause war,26 ist der Schluss unumgänglich, dass diese Schrift in Ugarit weit verbreiteter war als bisher angenommen. Vielleicht stellte gerade diese Bekanntschaft mit (und Benutzung von) einer anderen Schrift aus der unabhängigen Insel Alašija den entscheidenden kulturpolitischen „impetus“ zur Entwicklung der eigenen ugaritischen Keilschrift dar.27 4. Mesopotamische Keilschrift als die scriptura franca des Nahen Ostens ist in ihrer mittelbabylonischen Form die meist vertretene Schrift. Im Gegensatz zur Situation in Mesopotamien (und den verschiedenartigen Trägern der ugaritischen Keilschrift) ist sie praktisch ausschließlich auf den Tontafeln bezeugt. Als die älteste Keilschrifttafel gilt – mit beschränkter Haftung – RS 4.449, ein Brief von Niqmepa aus Alalach an den König Ibira (eigentlich Ibiranu). Gründliche Bearbeitungen liegen vor.28 5. Manuscripta numerantur, non ponderantur? Die Einführung der ugaritischen Keilschrift Im 13. Jahrhundert v.Chr. haben also die Ansässigen eine reichhaltige Auswahl gehabt: die Keilschrift aus dem Osten, eine Art Hieroglyphe aus dem Süden und andere aus dem Norden sowie die kypro-minoische Schrift aus dem Westen. Sie haben sich für die bewährte Keilschrift entschieden, gaben ihr aber eine eigene semitische „lineare“ Ausdrucksform. Dass die Keilschrift ihren Ursprung in Ugarit hat, wird stillschweigend angenommen (vgl. stellvertretend die Ausführungen 24
Y. Duhoux, Non-Greek Languages on Ancient Cyprus and Their Scripts: Cypro-Minoan 1–3, S. 39. 25 J.-P. Olivier, The Development of Cypriot Syllabaries, from Enkomi to Kafizin, S. 18. 26 H.-G. Buchholz, Ugarit, Zypern und Ägäis. 27 In dieser Sicht verdient die These von der ugaritischen Sprache unter der kypro-minoischen Schrift (E. Mason, Cyprominoica) erneute Untersuchung. 28 J. Huehnergard, The Akkadian of Ugarit; W.H. van Soldt, Studies in the Akkadian of Ugarit. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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von W. H. van Soldt oben) und bisweilen auch thematisiert: „the system of writing known from the Ugaritic texts must have been invented at Ugarit – because that is the only place yet uncovered where significant numbers of texts inscribed by means of that system have been found“.29 Diese Beweisführung steht zwar im Widerspruch mit der „goldenen“ Regel der Textkritik manuscripta ponderantur, non numerantur und wird von einigen führenden Ugaritologen dauerhaft in Frage gestellt,30 doch ist sie zugleich die ökonomischste. Gleich in der ersten archäologischen Saison im Jahr 1929 wurden in der Hafenstadt Minet el-Beida und auf dem nahegelegenen Tell Ras Shamra erste Texte nicht nur in der mesopotamischen, sondern auch in der ugaritischen Keilschrift31 entdeckt. Für die Veröffentlichung der ugaritischen Texte war für ein knappes halbes Jahrhundert Ch. Virolleaud verantwortlich. Aufgrund der geringen Zahl an Zeichen (30) hatte er dieses Schreibsystem sogleich korrekt als alphabetisch erkannt, dennoch neigte er zunächst aufgrund des archäologischen Kontexts in Minet el-Beida dazu, hinter der Schrift eine ägäische Sprache zu suchen.32 Nach der richtigen Sprachbestimmung durch H. Bauer und É. Dhorme33 hat sich die neugeborene Ugaritologie um die richtige Bestimmung der Anfänge ihrer 29 D. Pardee, The Ugaritic Alphabetic Cuneiform Writing System in the Context of Others Alphabetic Writing Systems, S. 181. 30 M. Dietrich / O. Loretz, Die Keilalphabete. Id., Die Keilalphabete aus Ugarit. Eines ihrer Gegenargumente ist auch quantitativer Natur – gegen die Zahl der Texte wird die Zahl der Orte ins Treffen geführt, ähnlich wie im Falle der kypro-minoischen Schrift: „Da derartige Tafeln in mehreren Orten Zyperns, in Ugarit dagegen nur in den Privatarchiven [...] gefunden worden sind, dürfte Zypern die Heimat der kypro-minoischen Schrift gewesen sein“ (M. Dietrich, Zypern und Ägäis nach den Texten aus Ugarit, S. 86). 31 Gegen den allgemein herrschenden Konsensus bin ich mit I. Gelb (A Study of Writing, S. 147–153) der Meinung, die ugaritische Keilschrift sei keine Alphabetschrift. Sie ist vielmehr eine syllabische Schrift, welche die Vokale nicht explizit ausdrückt. Diese Deutung wird beinahe zwingend, wenn man einen Schritt hinter die Überzeugung, die Zusatzzeichen für i und u seien unter dem Einfluss von Fremdsprachen entstanden (I. Gelb, The Study of Writing, S. 136), wagt, und dabei notwendigerweise zum Schluss kommt, dass alif keinen phonemischen Wert mehr besaß. Dies wird in der Transkription des Hurritischen deutlich: „The Hurrian texts also use the three alif (’a, ’i, ’u) as vocalic indicators. Given that the glottal closure marked by the /’/ is not attested in Hurrian, the alif must represent only vowels“ (J.-P. Vita, Hurrian as a living language in Ugaritic society, S. 220, An. 10). Das erste Zeichen ʼ+Vokal wurde von den ugaritischen Schreibern als a reanalysiert, was die Zufügung der Zeichen #28 und #29 für i und u mit sich brachte. Weil über 99% in dieser Schrift geschriebenen Texte in Ugarit und ihrer Umgebung (Ras ibn-Hani, Minet al-Beida) gefunden worden sind, wird stattdessen in dieser Arbeit die geographische Lage berücksichtigt und der Terminus „die ugaritische (Keil)Schrift“ benutzt. Ordnungshalber wird die logo-syllabische Keilschrift „die mesopotamische Keilschrift“ genannt. 32 In dieser Hinsicht sind die sonst fehlerfreien Ausführungen von D. Pardee, The Ugaritic Texts and the Origin of West-Semitic Literary Composition, S. 4, zu korrigieren. 33 P. L. Day, Dies diem docet.
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Keilschrift bemüht, ohne je zur gewünschten Einigkeit zu kommen. In der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg wurden die Anfänge in der Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. vermutet,34 später in der Mitte des 14. Jahrhunderts v.Chr., als in Ugarit Niqmaddu II. herrschte. Ausschlaggebend dafür war der Kolophon des genialen Schreibers Ilimilku, in dem ein König dieses Namens Erwähnung findet. Heutzutage wird die Mitte des 13. Jahrhunderts – und somit die Zeit von Ammištamru II.35 und Niqmaddu III. – bevorzugt. Dafür verantwortlich ist ein anderer Kolophon von Ilimilku unter einem im Urtena-Archiv gefundenen mythologischen Fragment,36 denn die Tafeln aus diesem Archiv gehörten ausnahmslos in die letzten Jahrzehnte Ugarits.37 Mehr Aufmerksamkeit sollte man in diesem Zusammenhang dem Doppelbrief von Königin und Ilimilku an den Archiv-Inhaber Urtena selbst schenken,38 denn die Tätigkeit des Briefempfängers gehört zweifellos in die Spätzeit um 1200 v.Chr. und der paläographische Vergleich mit Ilimilkus’ Tafeln deutet auf die gleiche Handschrift und damit auf die Identität beider Personen hin.39 Offensichtlich wird in neuerer Zeit die traditionelle Datierung auch von ihren Anhängern herabgesetzt.40 Die Erfindung und rasche Institutionalisierung einer eigenen Schrift – einer merkwürdigen Synthese der mesopotamischen Keil- und der westsemitischen Linearschrift – führt zu einer gut dokumentierten Digraphie der ugaritischen Gesellschaft. Es bleibt zu untersuchen, inwieweit sich eine Korrelation zwischen Schrift und Innenpolitik bezeugen lässt. Eher als von einem verbreiteten Bilinguismus zeugt diese Situation auf jeden Fall von einer (selbst)bewussten politischen Entscheidung, die – allem Anschein nach – für jede Keilschrift distinktive Gebiete vorgesehen hat.41 In Wirklichkeit waren diese Gebiete eher unscharf abgegrenzt 34 C. Schäffer, The Cuneiform Texts of Ras Shamra-Ugarit, S. 32–34. Der Name des ugaritischen Königs – geschrieben als nqmd – wurde dabei mit linear B Nikomed verglichen. 35 Sein Siegel ist ein von den „oldest certainly datable examples of the Ugaritic script“ (D. Pardee, The Ugaritic Alphabetic Cuneiform Writing System in the Context of Others Alphabetic Writing Systems, S. 188). 36 KTU 1.179 = RS 92.2016. Ausgearbeitet von A.-S. Dalix, Iloumilkou: la double identité d’un scribe. 37 Dagegen wird eingewandt, dass im ähnlich spät datierten Archiv von Rapanu auch eine ältere Tafel (der bekannte „General’s Letter“) als „älterer Baustein“ gefunden worden ist. Vgl. M. Dietrich, Der Brief des Kommandeurs Šumiyānu an den ugaritischen König Niqmepac (RS 20.33). 38 KTU 2.88 = RS 94.2406. 39 „[T]he hand is very similar and even likely the same... if there are two scribes here it is clear that they learned their craft from the same school“ (J. Ellison, e-mail von 21. 1. 2008). 40 „The alphabetic script [...] was introduced under Ammittamru II. and possibly already under Niqmepa, in the first half of the 13th century“ (W.H. van Soldt, Ugarit as a Hittite Vassal State, S. 205). 41 Vielversprechend sind die Ausführungen von P. Zemánek, Language and State in the Ancient Near East – the Case of Ugarit, S. 124: „The languages that used this script (Uga-
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und durchdrangen sich manchmal,42 doch die übliche peripherale Diglossie (geschriebenes Akkadisch und gesprochene Muttersprache, sei es Westsemitisch oder Hurritisch) wurde damit aufgehoben. Sprachen in Ugarit Phönizisch ist zwar in Ugarit nicht synchron bezeugt, doch unter den epigraphischen Funden in TEO aufgeführt (RS 27.317). Die sechs eingeritzten Buchstaben stammen aus der persischen Periode.43 Sumerisch spielt die übliche Rolle der ehrwürdigen Keilschriftsprache, sei es im Zusammenspiel mit dem Akkadischen oder allein in Gattungen wie Omina und in der Listenwissenschaft allgemein.44 D. Arnaud45 benennt sechs Schreibvarianten, die er in eine Reihenfolge nach der steigenden „destruction du sumérien“ ordnet: le sumérien standard, le „style artiste“, le sumérien „syllabique“, le sumérien „moderne“, le sumérien „macaronique“ und l’abracadabra. Der hohe Anteil von Texten in der syllabischen Variante46 spricht dafür, dass die Schreiber die sumerischen Texte normalerweise nur nach dem Wortlaut niedergeschrieben haben, ohne die Wortstruktur wahrzunehmen, beziehungsweise das Sumerische zu verstehen.47 „Kypro-Minoisch“: keiner der Entzifferungsversuche genießt allgemeine Akzeptanz und die Sprache(n) hinter den Inschriften wird weiterhin alibistisch als „kypro-minoische“ gestempelt. Ägyptisch: Wie schon erwähnt, wurde diese Sprache in Ugarit zwar ausnahmsweise geschrieben (oder besser: abgeschrieben), aber kaum gesprochen und verstanden. Daran ändern ugaritische Eigennamen in einigen der längeren Texte nichts: der Name des Königs Niqmaddu wird auf einer Alabastervase (RS 15.239), die vielleicht bei der Gelegenheit seiner Hochzeit48 angefertigt wurde, festgehalten; die berühmte Stela RS 1.[89]+ wurde vom Schreiber Mami dem ritic, to a much smaller extent also Hurrian) were of local significance, and were used strictly locally. The government of Ugarit had to provide a sufficient network of scribes that were able to write and read Ugaritic, together with the institutional support for these scribes [...] As such, the main role was certainly the parts that served the state.“ Vgl. J. Mynářová, Ugarit: „International“ or „Vassal“ Correspondence? 42 Vgl. die Übersicht von O. Pedersén, Archives and Libraries of the Ancient Near East 1500–300 B.C. 43 S. Segert, Une inscription phénicienne trouvée à Ras Shamra (fouille 1963). 44 Vgl. dazu die Tabelle in W.H. van Soldt, Studies in the Akkadian of Ugarit, S. 532–670. 45 Corpus des textes de bibliothèque de Ras Shamra-Ougarit (1936–2000), S. 19–22. 46 Krecher, J.: Schreiberschulung in Ugarit: Die Tradition von Listen und sumerischen Texten 47 Nach Arnaud (Corpus des textes de bibliothèque de Ras Shamra-Ougarit (1936–2000). S. 22), „[l]es scribes d’Ougarit avaient donc une connaissance mal assurée du sumérien“. 48 Bezweifelt in Galliano, G. / Calvet, Y (Hrsg.): Le royaume d’Ougarit, Nr. 140. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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ugaritischen Gott Baal Zaphon gewidmet. Luwisch49 begegnet außerhalb des hethitischen Königssiegels (RS 14.202) nur auf dem Ring des Patili (oder Patiluwa, RS 24.145), nach dem sogar einer der ugaritischen Grabungsorte benannt wurde. Hethitisch ist nur sehr dürftig durch Importe aus Anatolien belegt. Es gibt zwei winzige Ritualfragmente (RS 92.6278 und 92.2011) aus dem Urtena-Archiv,50 die vierte Kolumne der mehrsprachigen Tafel RS 25.421 (s. unten) ist in hethitscher Sprache abgefasst und ebenso ein juristisches Dokument, das „Zeugenprotokoll“ RS 17.109. Damit stimmt auch die unbeträchtliche Anzahl der hethitischen Lehnwörter überein.51 Hurritisch: etwa 50 hurritische Texte sind in der mesopotamischen Keilschrift, und etwa ein Dutzend in der ugaritischen geschrieben.52 Mit Hilfe der ersten wurde ausländische Kulturwissenschaft (musikalische Notation, mehrsprachige Listen, akkadische Wahrheitsmaximen), durch die zweite dann religiöse Gebrauchstexte (Hymnen, Beschwörungen, Opferliste) gefasst, womit sich eine klare komplementäre Distribution zeigt.53 Bei der Bearbeitung der hurritischen Texte für Ugaritica 5 wurde E. Laroche klar, dass „un contingent appréciable de Hourrites habitait la ville, auxquels ces textes étaient destinés“.54 Die Politik spielte mit – im Rahmen der hethitischen Machtergreifung hat Ugarit als der neue Vasall einige Gebiete von Mukiš übernommen. Es ist vorauszusetzen, dass damit der Anteil der hurritisch-sprechenden Population erhöht wurde. Diese logische Folgerung wird überraschenderweise in neuerer Zeit nicht allgemein geteilt, die hurritischen Texte sollen sich nach Ansicht mancher Forscher mehr oder weniger auf die denkbar konservative religiöse Ebene beschränkt haben, deren Stellvertreter eine in Ugarit schon tote Sprache weitertradiert hätten.55 Doch die hurritische Orthographie einiger ugaritischen Eigennamen ist ausgesprochen „modern“ und in einigen Opferlisten56 werden hurritische grammatikalische Morpheme an ugaritischen Theony49 Zuletzt J.D. Hawkins: The Digraphic Seals of Ugarit: Emmanuel Laroche and the Decipherment of Hieroglyphic Luwian. Das „Hieroglyphen-Luwische“ als eigene Sprache/Dialekt vom Keilschrift-Luwischen zu unterscheiden, ist nach der Arbeit von I. Yakubovich, Sociolinguistics of the Luvian Language, nicht mehr angebracht. 50 M. Salvini, Textes Hittites. 51 Drei nach W.G.E. Watson, A Hittite Loanword in Ugaritic? 52 Vgl. J.-P. Vita, Hurrian as a living language in Ugaritic society, S. 219f. Für die hurritisch-ugaritischen Tafeln religiöses Inhalts s. weiter unten. 53 Die Ausführungen, dass „alphabetic and syllabic cuneiform systems were [...] interchangeable“ (S. Ferrara, Writing in Cypro-Minoan: one script, too many?, S.72), sind abzulehnen. 54 Vgl. auch I. Gelb, The Study of Writing, S. 130: „Hurrian language which in this period was widely spoken throughout vast areas in North Syria [...].“ 55 Eine Übersicht der neueren Forschung bietet J.-P. Vita, Hurrian as a living language in Ugaritic society, S. 221–224. 56 D. Pardee, L’ougaritique et le hourrite dans les textes rituels de Ras Shamra – Ougarit.
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men angehängt, was der Vorstellung von einer toten Sprache widerspricht. Im Vergleich mit der Onomastik von Ugarit57 sind die hurritischen Appellativa in den ugaritischen Quellen unterdurchschnittlich vertreten. Im Rahmen der Onomastik sind einige Gruppen (hohe Beamte) klar überdurchschnittlich belegt: die Relation der westsemitischen zu den hurritischen Namen ist etwa 4:1, aber bei sakinu 4:9 und bei šatammu sogar 1:3! Ganz in der hethitischen Art und Weise sind in der königlichen Familie hurritische Namen der Normalzustand, nur der König selbst trägt Namen dieser Form nicht (oder als Resultat eines Missverständnisses). Für die Herrscher beider Königshäuser sind die ehrwürdigen Namen der Vorfahren, seien es Hattische und Luwische auf der einen oder Amoräische auf der anderen Seite, vorgesehen.58 Mehrsprachige Kombinationen der ugaritischen Listenwissenschaft Einsprachige Listen sind erwartungsgemäß sumerisch, akkadisch oder ugaritisch verfasst worden. Vorläufer der zweisprachigen ḪAR-ra = ḫubullu sind normalerweise sumerisch abgefasst. Zweisprachige Kombinationen schließen außer der herkömmlichen sumerisch-akkadischen Liste auch eine sumerisch-hurritische mit ein. Das kann heißen, dass für den dafür verantwortlichen (ugaritischen?) Schreiber sumerisch (schon) gut verständlich und hurritisch (noch) lebendig war. Das Hurritisch dieses Textes ist aber kaum verständlich und die Deutungsversuche schwanken beträchtlich von zweisprachigen ḪAR-ra = ḫubullu59 bis zu einer wirtschaftsrechtlichen Urkunde.60 Die dreisprachige, also um die hurritische Kolumne erweiterte sumero-akkado-hurritische Fassung der Götterliste AN : Anum wurde außerhalb Ugarits auch in Emar gefunden, und der Vergleich der beiden Lokalitäten legt die Vermutung nahe, dass gerade Emar als ein Umschlagplatz des mesopotamischen Stoffes Richtung Ugarit funktionierte.61 Ein weiteres Exemplar dieser dreisprachigen Kombination – in diesem Fall auf Ugarit beschränkt – ist die „erweiterte Ausgabe“ der als Silbenalphabet Sa bekannter Liste. Sie wurde in den Archiven der ugaritischen „Edelherren“ Rapanu und Urtena gefunden62 und 57 F. Gröndahl, Die Personennamen der Texte aus Ugarit; D. Pardee, Ugaritic Proper Nouns. 58 Für die Hethiter, vgl. I. Yakubovich, Sociolinguistics of the Luvian Language, S. 252; für Ugarit aus der sozioonomastischen Sicht M. Liverani, La royauté syrienne de l’âge du bronze récent. 59 F. Thureau-Dangin, Vocabulaires de Ras Shamra; B. André-Salvini / M. Salvini, Le liste lessicali e i vocabolari plurilingui di Ugarit. Una chiave per l’interpretazione della lengua hurrica. 60 Vgl. J.-P. Vita, Hurrian as a living language in Ugaritic society, S. 219, Anm. 7. 61 Vgl. Y. Cohen, The Scribes and Scholars of the City of Emar in the Late Bronze Age und R. Hess, A Comparison of the Ugarit, Emar and Alalakh Archives. 62 B. André-Salvini / M. Salvini, Le liste lessicali e i vocabolari plurilingui di Ugarit. Una chiave per l’interpretazione della lengua hurrica mit weiterführender Literatur.
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Mehrsprachigkeit und Mehrschriftlichkeit in Ugarit
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ihr mesopotamischer Vorgänger stellt einen der einfachsten und üblichsten Unterrichtstexte dar. Zu den mehrsprachigen Tafeln gesellt sich meiner Ansicht nach auch das Fragment RS 94.2615, dessen rechte Kante mit den Überresten von etwa 20 Zeilen erhalten geblieben ist. Sie enthält westsemitische, manchmal wiederkehrende Wörter in der mesopotamischen Keilschrift und muss deshalb als Teil der rechten Spalte einer mehrsprachigen Liste angesehen werden, die nicht unbedingt in Ugarit geschrieben wurde – mehrsprachige Listen mit einer „einheimischen“ rechten Spalte aus dieser Zeit kennen wir dank eines winzigen Fragments auch aus Aschkelon.63 Auf dem imaginären Gipfel der ugaritischen multisprachigen Listenpyramide stehen die viersprachigen, auf der ursprünglichen Plattform der Sa-Zeichenliste64 entstandenen Vokabulare, welche ausschließlich aus dem Archiv des Rapanu stammen und von links nach rechts eine sumerische, eine akkadische, eine hurritische und eine ugaritische Kolumne beinhalten. Seitdem sie in Ugaritica 5 publiziert worden sind,65 wurde ihr Wert für das Studium nicht nur des Ugaritischen66 (vor allem des Vokalismus, aber auch der Wortbildung und des Lexikons), sondern auch des Hurritischen mehrmals betont. Wie viele Schriften du schreibst, sooft mal bist du Mensch? Andere mehrsprachige und mehrschriftliche Kombinationen, zumindest all jene, die 1988 bekannt waren, sind in TEO, S. 418 und 422, notiert worden. Akkadisch in der mesopotamischen Keilschrift wird durch das Siegel des hethitischen Hegemons in Hieroglyphen-Luwisch (RS 14.202), durch die ägyptischen Hieroglyphenstempel (RS 17.325), durch eine hurritische (RS 15.10)67 und eine hethitische Übersetzung (RS 17.109) begleitet. Erwähnung verdient ein vierkolumniges literarisches Werk, bekannt unter dem Titel „Signalement lyrique“ oder „Ludingirra 63 J. Huehnergard / W.H. van Soldt, A Cuneiform Lexical Text from Ashkelon with a Canaanite Column. Der Herausgeber identifiziert dagegen dieses Fragment als Brief auf Kanaanäisch aus Tyros, und somit als den ersten kanaanäisch geschriebene Text überhaupt. Er argumentiert mit dem „tyrischen“ ductus der Texte, während er die anderen äußeren Merkmale (Form und Farbe der Tafel) vorsichtiger als „ne sʼopposent pas à cette origine“ beschreibt (D. Arnaud, Un fragment de lettre en canaanéen: RS 94.2615, provenant sans doute de Tyr, S. 7). In diesem Fall, wo „die Berge von Halacha“ aus winzigen Grundsteinen gebaut werden, wäre die petrochemische Herkunftsermittlung des Tons äußerst wünschenswert. 64 B. Landsberger / R.T. Hallock, Sa Vocabulary. 65 J. Nougayrol, Textes suméro-accadiens des archives et bibliothèques privées d’Ugarit, S. 230–251. 66 Erschlossen durch J. Huehnergard, Ugaritic Vocabulary In Syllabic Transcription; gewürdigt in J. Tropper, Ugaritische Grammatik. 67 M. Dijkstra, The Akkado-Hurrian bilingual wisdom-text RS 15.010 reconsidered.
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to his mother“. Zweifellos Export aus Anatolien,68 enthält es (obwohl fragmentarisch) nebeneinander die sumerische, syllabisch-sumerische, akkadische und hethitische Fassung. Alle bisher aufgeführten Kombinationen – sei es wegen ihrer Seltenheit, ihrer Spezifität oder der Ikonizität der anderen Sprache – sagen über die aktuelle Sprachsituation kaum etwas aus. Viel größere Aussagekraft versprechen die Kombinationen des Ugaritischen mit anderen Sprachen.69 Auf der Basis der ugaritischen Keilschrift werden in einigen Ritualtexten Ugaritisch und Hurritisch gemischt.70 In einigen Fällen geschah es scheinbar willkürlich, in anderen sind die Code-Switching-Regeln klar: Verlauf des Rituals ist in der Muttersprache, das heißt Ugaritisch, abgefasst, die Theonyma – hieros logos – sind hurritisiert oder gleich im Hurritischen, der damaligen Religionssprache par excellence.71 In den administrativen Texten kommt es nicht selten zur Mischung beider Keilschriften – dem ugaritischen Text sind Überschrift, Maße und Gewichte, Zusammenfassung und Ähnliches in der Form von Sumerogrammen beigegeben, ausnahmsweise auch syllabisch geschriebene Eigennamen. Die Häufigkeit der so geordneten Tafeln scheint sich mit der Zeit zu vergrößern und die ursprünglich angestrebte Digraphie geht – mindestens in den administrativen Texten – in eine Art Schriftbund über. Zum Beispiel sind von den vor Kurzem herausgegebenen 55 administrativen Texten in der ugaritischen Keilschrift aus dem Archiv von Urtena (die Spätzeit von Ugarit, um 1200 v.Chr.) gleich 12 so ausgestattet.72 Die Nummern sind einmal ugaritisch ausgeschrieben, ein anderes Mal durch ihre Keilschriftzeichen wiedergegeben (wie in den ugaritisch geschriebenen Wirtschaftstexten üblich); die Gesamtsumme wird durch das Sumerogramm ŠU.NÍGIN mit folgendem Zeichen ausgedrückt; die Nummern hinter einzelnen Dörfern durch LÚ.MEŠ spezifiziert. Manchmal sind durch die mesopotamische Keilschrift Korrekturen und Verbesserungen gemacht, Toponyma vokalisiert, usw. Es erübrigt sich nachzuweisen, dass trotz der Logogramme und der syllabisch geschriebenen Eigennamen die Sprache der Administration reines Ugaritisch war. Im Gegenteil – dank der minuziösen Analyse der in mesopotamischer Keilschrift geführten 68 J. Nougayrol, Textes suméro-accadiens des archives et bibliothèques privées d’Ugarit, S. 310. 69 Sie sind nicht so oft in den Palast- als in den Privatarchiven der Nobilität zu finden, vor allem in dem Haus von Rapanu. 70 Alle stammen aus dem Haus des hurritischen Priesters: KTU 1.100 = RS 24.254, KTU 1.111 = RS 24.255, KTU 1.116 = RS 24. 261, KTU 1.132 = RS 24.291 und KTU 1.148 = RS 24.643. Vgl. G. del Olmo Lete, Canaanite Religion according to the Liturgical Texts of Ugarit, S. 82–86 und 199–212; D. Pardee, L’ougaritique et le hourrite dans les textes rituels de Ras Shamra – Ougarit. 71 Eine Übersicht bieten M. Dietrich / W. Mayer, The Hurrian and Hittite Texts. 72 P. Bordreuil, / D. Pardee, / R.Hawley: Une bibliothéque au sud de la ville, Nr. 1–55. In vielen Fällen handelt sich um winzige Fragmente. Das wahre Verhältnis der bi- zu den monographischen Texte ist deshalb niedriger als 1:4 einzuschätzen.
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Mehrsprachigkeit und Mehrschriftlichkeit in Ugarit
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administrativen Tafeln wissen wir, dass „within the corpus of 144 texts [...], only in the case of ten of them can the language of redaction (and “reading”?) be confidentally said to be Akkadian.“73 Die in mesopotamischer Keilschrift und auch ihren Sprachen geschriebenen, aber überwiegend ugaritisch gelesenen administrativen Dokumente sind eine der schönsten Beispiele der altorientalischen Alloglottographie.74 Im gleichen Band wurden auch drei Schultexte veröffentlicht. Zwei davon mischen nahezu willkürlich beide Keilschriften zusammen: ineinander in einer Art Palimpsest (RS 94.2617), bzw. die Vorderseite mit ugaritischer Briefeinleitung und die Rückseite mit mesopotamischem Silbenalphabet Sa (RS 94.2273). Die Unterrichtsstufen für beide Keilschriften an sich wurden mehrmals untersucht. Sie liefen einigermaßen parallel zueinander,75 aber ein übergreifendes System existierte offensichtlich nicht.76 Trotz der traditionellen Terminologie77 wird immer deutlicher, dass das Zusammenleben dieser zwei Sprachen nicht von Bilinguismus in der Gesellschaft, sondern von Spezialisierung bestimmter Schreiber zeugt.78 Besser gesagt, sie waren „biscriptal“.79 73 C. Roche, Language and Script in the Akkadian Economic Texts from Ras Shamra. Vgl. auch C. Roche, Classification de l’utilisation du cunéiforme mésopotamien dans les textes ougaritiques. 74 Dieser von Gershevich stammende Begriff bezeichnet das Lesen eines Textes in einer anderen als der ursprünglich vom Verfasser intendierten Sprache eines Textes. Auf den alten Orient angewandt durch G. Rubio, Writing in Another Tongue: Alloglottography in the Ancient Near East. 75 R. Hawley, On the Alphabetic Scribal Curriculum at Ugarit. 76 Aufgrund der Tafel RS 22.225 (KTU 1.96) postulierte W. H. van Soldt die logische Reihenfolge in einer steigenden Schwierigkeit: zuerst ugaritische, nachher die mesopotamische Keilschrift (Studies in the Akkadian of Ugarit, S. 750), hat aber diese Schlussfolgerung später ausgelassen (Babylonian Lexical, Religious and Literary Texts and Scribal Education at Ugarit and Its Implications for the Alphabetic Literary Texts). Dagegen ist D. Pardee der Meinung, dass „it is clear that to become a scribe at Ugarit one had to go through a Mesopotamian curriculum“ (The Ugaritic Texts and the Origin of West-Semitic Literary Composition, S. 28). 77 F. Malbran-Labat, Akkadien, bilingues et bilinguisme en Élam et à Ougarit, in F. Briquel-Chatonnet (ed.), Mosaïque de langues, mosaïque culturelle. Le bilinguisme dans le Proche-Orient ancien. Paris 1999. S. 33 –61. Vgl. auch id., Langues et ecritures a Ougarit. Semitica 49 (1999) 65–101 und id., Textes religieux et multilinguisme à Ougarit. Hethitica 15 (2002) 173–181. 78 Zu dem „Star“ der ugaritischen Literatur (ilmlk, normalerweise als Ilimilku vokalisiert) gesellen sich ṯbil, abnj u.a. (zu dem ersten vgl. D. Pardee, Individual Report. in The Oriental Institute Annual Report 2009–2010. S. 129–131; von dem anderen stammen die gerade angeführten Schultexte; letztlich P. Bordreuil / R. Hawley / D. Pardee, Données nouvelles sur le déchiffrement de l’alphabet et sur les scribes d’Ougarit). 79 W.H. van Soldt, Babylonian Lexical, Religious and Literary Texts and Scribal Education at Ugarit and Its Implications for the Alphabetic Literary Texts; D. Pardee, The Ugaritic
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Die kontraintuitiven Momente der bisherigen Untersuchung Die drei- und viersprachigen Vokabulare sind zweifellos „l’ulteriore evoluzione poliglotta“80 des alten Orients. Aber zugleich „it would be reasonable to suppose that the more advanced a student was, the less he needed to write down [...] For example, all the texts of Yanḥānu [...] are in a masterly hand and all are unilingual.“81 In anderen Worten: die besungene ugaritische Innovation wurde durch eine unvollkommene bis unzureichende Kenntnis der klassischen Keilschriftsprachen verursacht. Auf der anderen Seite kann man das häufigere Erscheinen der Sumerogramme und „Akkadogramme“ in ugaritischen administrativen Texten kaum mit einer unvollkommenen bis unzureichenden Kenntnis des Ugaritischen erklären. Eine vergleichbare Situation kennen wir schon aus dem altsyrischen Ebla, wo die spätere, sozusagen fortgeschrittenere Bearbeitung gleichen Stoffes regelmäßig ein höheres Ausmaß an Sumerogrammen aufweist.82 Die sumerischen, akkadischen und offensichtlich auch hurritischen Lexeme wurden nicht mehr vollständig verstanden und das hat eine entsprechende Reaktion (syllabische Schreibung u.ä.) hervorgerufen. Auf der anderen Seite wurden die regelmäßig benutzten termini technici der klassischen Keilschrift durch die ugaritische Administration dankbar angenommen. Schlussfolgerungen Die zur Verfügung stehende Quellenlage kann man, wie gesehen, gegensätzlich deuten. Nichtsdestotrotz spricht einiges dafür, dass die Einführung einer neuen Schrift gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts geschah und durch die politische Sonderstellung Ugarits – wirkliche oder gewünschte? – befürwortet wurde. Ihre rasche Ausbreitung in Ugarit und Umgebung spiegelt die (Sprach)politik des herrschenden Hauses wider. Die schriftlich festgehaltenen acht Sprachen lassen sich weiter in eine weit größere Zahl von Dialekten gliedern, doch steht hinter diesem bunten Sprachenangebot eine spezifische Nachfrage, die mit der aktuellen Sprachsituation in Ugarit kaum korrespondiert. Diese kann als Sprachbund der einheimischen nordwestsemitischen Sprache („Ugaritisch“) mit dem Hurritischen definiert werden. Auf der schriftlichen Ebene werden in den administrativen Texten beide Keilschriftsysteme in solcher Art und Weise gemischt, dass man parallel dazu von einem entstehenden „Schriftbund“ sprechen kann.
Texts and the Origin of West-Semitic Literary Composition. 80 B. Andre-Salvini / M. Salvini, Le liste lessicali e i vocabolari plurilingui di Ugarit. Una chiave per l’interpretazione della lengua hurrica. S. 323, Anm. 7. 81 W.H. van Soldt, Studies in the Akkadian of Ugarit. S. 753. 82 Vgl. ARET 11:1 und 11:2 in der Bearbeitung von P. Fronzaroli, Testi rituali della regalità. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Mehrsprachigkeit und Mehrschriftlichkeit in Ugarit
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Zum Umgang babylonischer Gelehrter mit dem Emesal-Dialekt Manfred Schretter1
Die gängigen Definitionen beschreiben Emesal als „Frauensprache“, eine soziolinguistische Varietät des Sumerischen in direkter Rede von Göttinnen und Frauen sowie als Sprache des Klagesängers gala 2. Die Angaben zur Verwendung erfolgen taxativ, eine generelle Aussage ist nicht möglich. Whittaker, G. 2002, geht aus Sicht der Linguistischen Anthropologie der Frage nach, was „Frauensprache“ ausmache (S. 639ff.) und legt typische Unterschiede zwischen Frauensprache und Männersprache am Beispiel des Japanischen dar (S. 640) dar. Hinsichtlich des Emesal spricht er von „Code-Switching“ (S. 641) und sieht darin unter anderem ein Instrument bestimmter literarischer und kultischer Gattungen zur Kennzeichnung weiblicher Sprecher im Allgemeinen, nie individuell, in einer bestimmten sozialen Rolle. (Der Hauptdialekt diene zum einen als Dialekt von Staat, Gesellschaft und Kultur im Allgemeinen und zum anderen als Dialekt spezifischer Gattungen). Die überwiegende Mehrheit sumerischsprachiger Texte ist im „Hauptdialekt“ (eme.gi 7 (r)) abgefaßt, jener Sprachform, die unter Vernachlässigung weiterer Spezifizierung als „Sumerisch“ verstanden wird, doch erscheint auch diese Sprachform – wie zu erwarten – über die verschieden Bezeugungsebenen hinweg in unterschiedlichen Formen. In seiner sumerischen Grammatik bietet Bram Jagersma3 eine instruktive Übersicht über Varietäten des Sumerischen von der Mitte des 3. Jt. v.Ch. bis in die altbabylonische Zeit. In der zweiten Hälfte des 3. Jt. lassen sich, soweit die Quellenlage es zuläßt, aufgrund phonologischer (Vokal1 Für die Lektüre des Manuskripts und kritische Hinweise danke ich Sebastian Fink sehr herzlich. 2 Genannt seien Edzard, D.O. 2003, 171, „Emesal (e me - s a l ) is a sociolinguistic variety of Sumerian attested for the speech of women or goddesses and of the ‘cantor’ (g a l a )“ sowie Michalowski, P. 2013, Art. Emesal (Sumerian Dialect): „Emesal – that is, E M E S A L , literally ‘thin tongue’ – is a dialect or sociolect of the Sumerian language that is restricted to direct speech of goddesses and women in certain types of literary texts, […]. It is also characteristic of cultic laments from the repertoire of a specific kind of priest (Sum. GALA, Akk. kalû)“, vgl. auch die Ausführungen in Michalowski, P. 2008, 6–46, S. 10f., sowie Michalowki, P. 2006, 49 Anm. 2 „In Michalowski (2004: 23), I wrote that eme-sal ‘refers to some sort of pronunciation, but its origins and use in living speech cannot be determined.’ Cooper [JCS 58, 39–47] now invalidates the second part of this sentence“. 3 Jagersma, B. 2010, 6–9.
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harmonie) und morphologischer (Passivbildung) Phänomene Südsumerisch (Lagaš, Umma, Ur, Uruk) und Nordsumerisch (Nippur, Adab, Isin) differenzieren. Nach der frühen altakkadischen Zeit ändern sich die Unterschiede dahingehend, daß sich die beiden Dialekte nur noch im Gebrauch eines Präfixes („’a“) unterscheiden; das Phonem /ř/ wird im Süden zu /r/, im Norden zu /d/. Während der 3. Dyn. von Ur, als Ur die Hegemonie über ein beachtliches Territorium übernahm, ist eine Vereinheitlichung der (geschriebenen) Sprache zu beobachten, das Standard-Neusumerische führt wesentliche Teile des Südsumerischen fort, nordsumerische oder gemischte Formen finden sich insbesondere in Texten aus Nippur. Für die ersten Jahrhunderte des 2. Jt., in denen Sumerisch bereits eine tote Sprache war4 und aus denen der Großteil der Niederschriften literarischer Texte stammt, nennt Jagersma eine Reihe von Abweichungen zum Standard-Neusumerischen, die auf einen gesprochenen, vom Standard-Neusumerischen verschiedenen Dialekt schließen lassen. Der Ort, an dem sich diese Varietäten aufzeigen lassen, ist die Verbalpräfixfolge, die schon sehr früh phonographisch geschrieben wurden, im Gegensatz zu den zumeist logographisch geschriebenen und so den Eindruck eines einheitlichen Sumerisch verstärkenden Lexemen. Analoge Schichtungen auf der Grundlage von „Inscriptional Phase“ (historische Zuordnung der Texte) und „Language Phase“ (Varietäten in der Verbalpräfixfolge) hat Krispijn, T.I.H. (2000) für Lagaš festgestellt. Der Unterschied zwischen Emesal und Hauptdialekt liegt im Wesentlichen auf phonologischer Ebene. Die moderne Systematik der Entsprechungen zwischen Hauptdialekt und Emesal fußt auf der Gesamtheit der Quellen (Emesal-Liste, Kennzeichnung in anderen Listen, Kontextbelege), erscheint aber in den Texten im einzelnen recht unterschiedlich durchgeführt; wie der Hauptdialekt ist auch das Emesal keine in sich einheitliche Sprachform. Die phonologischen Unterschiede zwischen Hauptdialekt und Emesal lassen sich als unterschiedliche (diachrone oder synchrone) Artikulation der betreffenden sumerischen Laute verstehen. Der im Hauptdialekt bis in altbabylonische Zeit bezeugte velare Nasal /ĝ/ wird im Emesal im An- und Inlaut unter Verlust der velaren Komponente als (bilabialer) Nasal /m/ artikuliert5, bleibt im Auslaut jedoch erhalten. Eine Ausnahme bildet das in ES-Vok. II 181 (še.en) und I 25 ( d šen.kul.kul) bezeugte /šen/ für /saĝ/, das sonst im ES-Kontext in der Form /saĝ/erhalten bleibt6; Krecher, J. 1967, 102, sieht darin eine nur beschränkt gültige alte Tradition der Emesal-Aussprache7. Umgekehrt erscheint auslautendes 4
Sallaberger, W. 2004. In den kanonischen Listen und anderen Zeugnissen des 1. Jt. erscheint er im Hauptdialekt als Velar. 6 S. d mu - l u - ḫ u r - s a ĝ vs. d l ú - ḫ u r - s a ĝ (Schretter, M.K. 1990, 226 Nr. 306) und s a ĝ i r i r vs. s a ĝ t ú m - t ú m (Schretter, M.K. 1990, 247f. Nr. 404). 7 Der angenommene Auslaut -ĝ in bulug (Sefati ,Y. 1998, 298 ad ii 15) ist unsicher (ePSD 5
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Zum Umgang babylonischer Gelehrter mit dem Emesal-Dialekt
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(HD) /- m/ in bestimmten Fällen im ES als /-ĝ/, was für die Annahme von zwei Arten von /-m/ im Sumerischen sprechen könnte. Hier muß auf den Wechsel von - m / -n / -ĝ (in verschiedenen Kombinationen) im HD verweisen werden8. Dabei wird sichtbar, daß sich eine strenge Zuordnung zu einer der beiden Sprechweisen nicht immer durchführen läßt. Dies wird besonders deutlich bei einem weiteren Standard-Kriterium für das Vorliegen von ES, dem Ersatz von /g/ in einem zu postulierenden Phonem /gb/ durch /b/ im ES, wofür Civil, M. 1973, 61, Belege sowohl für Artikulation /b/ wie für /g/ innerhalb des Hauptdialekts beigebracht hat9. Eine weitere häufig belegte, das Vorliegen von ES anzeigende Lautfolge ist /ze/ für /du/; auch hier lassen sich – nicht auf /d u/ vs. /ze/ eingeschränkt – Varianten innerhalb des HD zwischen /d, t/ und /s, z, š/ beibringen10. Aus den weniger häufigen Alternationen sei der Wechsel (HD) /n/ vs. (ES) /š/angeführt, den Alster, B. 1982, 1ff. seinem Vorschlag, in UD.GAL.NUN-Schreibungen Emesal wiederzufinden, zugrunde legt; immerhin liegen in den Lesungen der Zeichen n a 5 / ša (na 5 ersetzt in UD.GAL.NUN na), nà(AG) / ša 5 (AG) und nu 1 1 / šir Zeichen vor, die für einen Wechsel /n/ vs. /š/ innerhalb des Sumerischen sprechen. Eigenheiten des ES sind also nicht auf diese Sprechweise beschränkt, und wir können in diesen Belegen Beispiele für von Zólyomi, G. 2005, 12 angesprochene „örtliche und zeitliche Varietäten“ sehen11. Die Autoren unserer Quellen, insbesondere der für unser Anliegen vorrangigen literarischen Texte, sind weitgehend in der Instanz Schule beheimatet. So lohnt es sich, zunächst der Auseinandersetzung dieser babylonischen Gelehrten mit dem Phänomen „Sprache“ nachzuspüren. Das Wort für „Sprache“ lautet im Sumerische eme, im Akkadischen lišānu. Eme ist zunächst Wort für „Zunge“12: Dies wird deutlich durch zahlreiche Belege für die Phrase eme éd (bzw. sud , suḫ (?)) „die Zunge herausstrecken“, oder auch, wenn von Ḫuwawa ausgesagt wird, daß an seiner Zunge wie an der eines Menschen fressenden Löwen das Blut nicht trocknet (Gilgameš und Huwawa (B) 94; Edzard, D.O. 1993, 88 anders); in Reiher und Schildkröte (52f., 92f.) sagt die s.v. bulug [NEEDLE]). 8 S. dazu Schretter, M.K. 1990, 40–42 mit Lit. 9 S. dazu auch Schretter, M.K. 1990, 39. Hingewiesen sei weiters auf d u 10 . b ( / g ) = ES z é - e b „Knie“, das sowohl im Hauptdialekt (Krebernik, M. 1984, 123 Nr. 24 (b); Schretter, M.K. 1990, 271 Nr. 513; Flückiger-Hawker, E. 1999, 310) wie im Emesal (neben z é e b ) (z.B. Balaĝ Nr. 37 i m- ma - a l g ù d é - d é , Z. a+20, Cohen, M.E. 1988, 607, in Emesal-Kontext auch ŠN 38) bezeugt ist. 10 Schretter, M.K. 1990, 57f. 11 O.c. 14 spricht Zólyomi vom Emesal als einer „ausschließlich literarischen Varietät“. Zu Varietäten vgl. Lenz, A.N, Mattheier, K.J (Hrsg.) 2005; zu Typen von Varietäten vgl. Lüdtke, J. 2005, 178f. 12 Die Belege entnehme ich ePSD (http://psd.museum.upenn.edu/epsd/index.html) und der Internetveröffentlichung ETCSL (http://etcsl.orinst.ox.ac.uk/edition2/etcslbycat. php). © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Schildkröte von sich, sie habe den Mund (ka) und die Zunge (eme) einer Schlange, in Ninĝišzida B 8–9 wird der Mund Ninĝišzidas mit dem Mund eines reinen Beschwörungspriesters verglichen (lugal ka-zu maš-maš maš), wofür eine Variante mu š ˹eme˺ maḫ maš- maš maḫ „Schlange mit einer großen Zunge, ein erstrangiger Beschwörungspriester“ bietet. In „He is a good seed of a dog (Diatribe C)“ 8–9 wird von einem „schlechten Mund“ (ka ḫul) und einer „gespaltenen Zunge“ (eme dar) gesprochen. In SP 2.117 (ETCSL 118; vgl. 5.83, ETCSL 82) leckt ein Hund seinen schrumpfenden Penis mit der Zunge (ur-gir 1 5 ĝìš bír-bi eme šub 6 -b é). In der Uruk-Klage (Z. 19) wird von einer (menschengestaltigen) Flut ausgesagt, daß ihre Zunge ein Flamme(nmeer) sein wird (eme-bi ga-an-zé-er-ra-àm). Die Phrase eme ak wird für „küssen“ gebraucht. In übertragenem Sinn bezeichnet eme Teile von Gerätschaften, z.B. Gud. Cyl A XIII 1 „Zungen“ von Peitsche und Stock (ù -sa-an bar-ú s-sa eme ì-du 8 ), die Klinge eines Dolchs (eme ĝ iri 2 ) oder ĝeš eme „‚Zunge‘ eines Pflugs“ (ePSD s.v.) u.ä. Die Begriffe „Zunge“ und „Sprache“ überschneiden sich im Wort eme in Belegen wie: eme níĝ ḫa-lam- ma di „eine Zunge, die zerstörerische Dinge spricht“ (A hymn for Išme-Dagan 3, vgl. Gud Cyl B XVIII 2) oder eme-ta ĝálla inim gen 6 inim kúr „die Äußerung („was von der Zunge kommt“), ein zustimmendes oder ablehnendes Wort“ (Nanše A 83) oder eme-ĝ u 1 0 anše karra-gin 7 eĝer-bi-šè nu-gi 4 -gi 4 „Meine Äußerung wird wie ein herumlaufender Esel sich nicht umwenden“ (SP 3.114 (115)). Eme als „Sprache“ soll mit folgenden Belegen erläutert werden: Die Utopie einer einheitlichen Sprache wird in Enmerkar und der Herr von Aratta angesprochen: eme ḫa-mun ki-en-gi … (ki-uri, kur mar-tu) … d en-lil 2 -ra eme 1-am 3 ḫe 2 -en-na-da-ab -dug 4 „in einer einträchtigen Sprache mögen Sumer … (Akkad, Martu) … , in einer einzigen Sprache mögen sie zu Enlil sprechen“ (Z. 142. 146), eme nam- lú-ulu 3 1 ì-me-[ a] „und so ist die Sprache der Menschheit wirklich eine“ (Z. 155). Seinen Umgang mit Fremdsprachen schildert Šulgi in ŠC 121 bzw. 124: [eme] [ mar]-tu / elam ki .ma níĝ eme-gi-ra-gin 7 ḫé-[en-ga-zu -àm] „ich kenne die Sprache von Martu / Elam wie das Sumerische“ und 123 bzw. 126: silim ḫa-ma -né-éš eme mar-tu-a / elam-ma in im ḫu-mu -ne-ni(Text: ni-ne)-gi 4 „sie grüßen mich, und ich antworte auf Martu / Elamisch“; noch ausführlicher: Šulgi B 211–220: 3 -kam- ma-aš [lú ] / ku r ku 1 0 -ku 1 0 -ga-ke 4 / ĝe 26 -e-me-en [gù mu -na]-˹dé˺-e / 4 -kam-ma-aš [ mar-tu] lú kur-ra A [x (x)] /eme b al-e mu-un-da-an-gub-bé / ĝe 26 -e eme-ni-ta inimin im kilib -ba-ni si mu -un -na-ab -sá-e / 5 -k am- ma-aš su -b ir 4 ki -a U.NAM.KUR gù ra / eme-na dumu iri-na nu-me-en-na inim ba-andi-ni-ib-kar-re / di ki-en-gi ki -ke 4 si sá-da-ĝu 1 0 -ne / 5-bi eme-bi bani-ib -gi 4 -gi 4 -in / é-gal-ĝá kaš 4 inim bal-e eme-e li-bí-dù-e „Drittens
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kann ich mit einem Mann aus den schwarzen Bergen reden. Viertens stehe ich als Dolmetscher für einen Mann aus Martu, einen Mann der Berge … zur Verfügung; ich bin es, der aus seiner Sprache die verschlungenen Wörter zurecht richten kann. Fünftens, wenn ein Mann aus Subir … kreischt, kann ich, obwohl ich nicht aus seiner Stadt stamme, in seiner Sprache die Worte entnehmen. Wenn ich in den Prozessen Sumers Recht spreche, kann ich in allen fünf Sprachen antworten. In meinem Palast wechselt die Sprache kein Bote so schnell wie ich.“ Das Wort für „Dolmetscher“ ist im Akkadischen targumannu, im Sumerischen (lú) eme-b al. Das Verhältnis von „Frau“ und „Sprache“ sprechen folgende Belege an: Enki und die Weltordnung (Enki beteuert seiner Tochter Inana gegenüber, daß er sie als Frau mit vielen Vorzügen ausgestattet habe; eine Konnotation zu „Frauensprache“ ist nicht zwingend) 428: munus ˹gù? ˺ [ sag 9 ]-g e gù ḫa-b a-e-dé „ich ließ dich als Frau mit einer guten Stimme sprechen“, was in Z. 432 folgendermaßen ausgeführt wird: eme munus-a ka-ba ḫa-ba-e-ni-ĝar „die Sprache einer Frau habe ich dir in den Mund gelegt“. In Išme-Dagan K 25–2613 wird Inana von Enlil und Ninlil betraut, einen Rollentausch von männlichen und weiblichen Kultteilnehmern hervorzurufen14, worauf unmittelbar die Aussage folgt: eme bungu mu nus-e e-ne di eme munus-e bungu e-ne [di] „to see that women amuse themselves by using children’s language, to see that children amuse themselves by using women’s language“ (so ETCSL; Römer, W.H.Ph. 1988, 34: „Die Frauen spielen, (indem sie in der) Sprech(weise) der Kinder (sprechen), die Kinder spielen, (indem sie in der) Sprech(weise) der Frauen (sprechen)“. Bungu ist selten bezeugt und scheint sich auf „Säugling” zu beziehen; der Sinn dieser Aussage in diesem Kontext ist nicht ganz ersichtlich. Sjöberg, Å.W. 1976, 224, weist auf einen weiteren Text in diesem Zusammenhang hin: UM 29-16-229 ii 8ff. (Photo CDLI, unteres Fragment) túg-á ? -munus ḫé-em- mi- mu 4 eme munus-a ka-ba ḫa-ba-e-ni-ĝar ĝeš bala ĝeš kirid šu -ba ḫé-em- mi-šú m „sie kleidet sie in ein …-Kleid von Frauen, ja, sie plaziert die Sprache von Frauen in ihrem Mund und gibt ihnen Spindel und Haarspange”. In o.c. Anm. 13 zitiert Sjöberg die verschiedenen Lesungen und Übersetzungen eines Listeneintrags (Hh XXV B iv 14´ in MSL 12, 229) als [l]ú-ememunus = lurû „Mann mit Fistelstimme” in AHw 565 s.v. lirû(m), lú -eme-sal = lurû „a well-spoken man” in CAD E 148 s.v. emesallu und „person with a thin(?) voice” in CAD L 256 s.v. lurû. Er selbst spricht sich für eine Differenzierung zwischen eme- mu nu s(-a) und eme-sal aus und klassifizert so emesal als terminus technicus der babylonischen Gelehrten (vgl. dazu weiter unten). Ebenso hat die Verbindung von eme und sal in „The Debate between Bird and Fish” 86 (der Fisch charakterisiert den Vogel) nichts mit dem terminus technicus zu tun: ka úr gú-guru 5 ĝiri 3 su-ul-su-ul ka ḫa-la eme sal-sal „abgeschnittenen Schnabel und Gliedmaßen, verkrüppelte Füße, gespaltenen Mund, 13 14
S. dazu Ludwig, M.-Ch. 1990, 12f. mit Lit. Römer, W.H.Ph. 1988, Sp. 44, mit Lit. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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eine dünne Zunge”15. Sprache als soziales Instrument ist in Belegen wie den folgenden angesprochen: häufiges eme-sig „verunglimpfen, Verunglimpfung“16 „in-nin šà-gur 4 ra” 15717: eme sig inim a-ša-an-ga-ra KA-é-gal kúr dug 4 -ga taḫ dug 4 -dug 4 d in ana za-a-kam „Verunglimpfung, Lügenrede, Verleumdung, feindliche Rede und bösartige Rede sind Deines, Inana“; In „Enlil A“ 18–25 werden die folgenden Redeweisen, von denen Nippur sich fernhält, beschrieben: inim erim 2 -ĝál (feindliche Rede), eme (var. inim) si nu-sá „‚unrechte‘ Rede“, inim kúr „feindliche Rede“, inim-inim (var. inim eme) sig du g 4 dug 4 „Verunglimpfung“; in „The Instructions of Šuruppag” Z. 65 wird der Verleumder beschrieben: lú eme sig-ga-ke 4 igi ĝeš bala-gin 7 ši-sir 5 -sir 5 „der Verleumder bewegt seine Augen (so schnell) wie eine Spindel“18. In seiner Aussage das Gegenteil bezeichnet eme si-sá „korrekte Sprache“19: Ninĝišzida A 8 (Preis Ninĝišzidas): eme si sá níĝ-erim 2 -e ḫul gig „der die Sprache korrekt gebraucht, die Bosheit haßt“; Bau A 3: in im d ùg eme si sá nin níĝ-gen 6 -e ki ˹áĝ˺-x „(Bau), die gute Worte wählt, die Sprache korrekt gebraucht, Herrin, die das Rechte liebt“. Der Kontext gebietet, darin „korrekte Sprache” als Ausdruck ethischer Einstellung zu sehen; ganz anders jedoch in „Letter from Inim-Inana to Lugal-ibila” Z. 3f.: eme-gir 1 5 -šè gú -zu na-abšub-bé-en / 2(MAN)-kam-ma-šè eme si sá-bi-šè lú mu-e-ši-in-gi 4 gi 4 „Vernachlässige nicht die sumerische Sprache! Für’s zweite sende ich dir jemanden für deren korrekte Sprache.“20 Hier ist offensichtlich die grammatikalisch korrekte Verwendung der Sprache angesprochen; so wollen wir uns termini technici und weiteren Angaben in den lexikalischen Listen zuwenden. Neben diesen beiden Verwendungen von eme si-sá („ethisch“ korrekt, grammatikalisch korrekt) sieht Civil, M. 2000, 108, Kommentar zur Stelle, in diesem Ausdruck einen grammatikalischen terminus technicus. EME SI-SÁ ist neben EME-GAL, EME-GALAM, EME-SUḪ und EME-TI(/TE)-NA in MBGT I, weiters im sog. „Reisner-Vokalbular“ (VAT 244, veröff. von Reisner, G., 1894, 149 - 164, entgegen sonstiger Klassifizierung als „group vocabulary“ von M.Civil
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ETCSL: „Chopped-off beak and legs, deformed feet, cleft mouth, thin tongue! (You clatter away in your ignorance, with never any reflection!)“ 16 Vgl. e me / i n i m/ e - n e - è ĝ – s i ( g ) - d u 1 1 . g „übel reden, hart sprechen“ in „LeipzigMünchener Sumerischer Zettelkasten“, http://www.assyriologie.uni-muenchen.de/forsch ung/forschungsprojekte/sumglossar/zettelkasten2006_09.pdf 17 S. Sjöberg, Å.W. 1976, 192; Sjöberg, Å.W. 1969, 114 ad 322; vgl. Erimḫuš I 280–284: [ e m] e - s i g = kar-ṣu, [ a ] š - a n - ĝ a r = taš-gi-ir-tú, [ K ] A - á - g a l = ṣil-la-tú, k ú r - d u g 4 g a (var. k ú r - d u g 4 - g a - d a ḫ ) = tu-uš-šu, k ú r - b a l - b a l = bar-tú. 18 Vgl. Alster, B. 2005, 69f. 19 S. Civil, M. 2000, 108 ad 4 (verschiedene Gebrauchsweisen). 20 Civil, M. 2000, 108, und ETCSL: „Don’t neglect the Sumerian language. For the second time, I am sending you a message in correct language.“ © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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den grammatikalischen Texten zugeordnet) und in der Sag-Tafel21 zur näheren Kennzeichnung bei einem semantisch sehr eingeschränkten Wortschatz belegt (Civil, M. 1986, 75). eme-si-sá ist in Sag B 237f. mit ŠU-ma und (lišānu) išartu „normale Sprache“ wiedergegeben. Im Reisner-Vok. sind so gekennzeichnet: lú „Mensch“, a-za-lu-lu „alle Lebewesen“ (wiedergegeben als amēlūtu „Menschheit“), gängige Bezeichnungen, wobei amēlūtu für a-za-lu -lu nur eine Teilwiedergabe (für „alle Lebewesen“, akk. = tenēšētu „Menschen“) darstellt. Ähnliches gilt für die Wiedergabe von niĝen galam- ma „alles Kunstvolle“ durch šūquru „wertvoll“ und vielleicht mu l „leuchtend“ durch ebendieses šūquru. Offen bleiben SU-UDAŠ-AŠ = šumma und tù m = nēpeštu. eme-sukud-da: In den Rezensionen der Sag-Tafel ist eme-sukud-da als EME-GALAM transliteriert (s. dazu Civil, M. 1986, 75). Das Reisner-Vok. kennzeichnet folgende Wörter als eme-su kud -da: a-NE bi -gi 4 -gi 4 = nēpeštu „Arbeits(weise) (iii 19); u r, aš = amēlu „Mensch“ (iv 1f.), bar-bar-ra = ṣiddu birtu „Pöbel“. Für a-NEbi -gi 4 -gi 4 ist mir kein Kontextbeleg bekannt; u r ist häufiges Element in PN, aš „einer“ in der Verwendung für „Mensch“ durchaus verständlich, ebenso bar „fremd“ für „Pöbel“. eme-suḫ -a wird in Proto-Sag XI 41´erwähnt und in Sag A iv 38 als e-me-súḫu-du erläutert; Sag B 266 kennt ein eme-sùḫ-sùḫ = ḫa-[…] (hierher?). Voc. Reisner weist die Wörter i-gi-in -zu „als ob“ = šumma „wenn“ (ii 13), kal-kal „wertvoll“ = šūquru „wertvoll“ (ii 32), me -èn „?“ = nēpeštu „Arbeit“ (iii 20), za „Mensch“, santag 4 „Keil“ (für Personenkeil?) = amēlu „Mensch“ (iv 3f.) sowie bar-bar-re „Fremde“ und PAP+Epa-ap-NIRni-ir -tag-ga „?“ = ṣiddu birtu „Pöbel“ (iv 12f.) dieser Sprechweise zu. eme-te-ná ist in de Sag-Tafel als EME-TI-NÁ erhalten. Das Voc.Reisner bietet dafür folgende Einträge: DAG-KISIMxŠE- ma-id -d u „?“ = šumma „wenn“ (ii 14), bú-bú „wertvoll“ = šūquru „wertvoll“ (ii 33), dal „?“ = nēpeštu „Arbeit“ (iii 21), mu -lu „Mensch“ (sonst ES) = amēlu „Mensch“ (iv 5), mu 6 „? Mann“ (für ES mu = EK ĝèš „Mann“?) = amēlu „Mensch“ (iv 6), NINni-in-duGAB- ma „?“ = ṣiddu birtu „Pöbel“ (iv 14) und na-ri-KU „?“ = ṣiddu birtu „Pöbel“ (iv 15). eme-gal wird in Proto-Sag XI 40´ und in Sag A iv d 1, jeweils ohne akkadisch Übersetzung, aufgeführt; in Sag B, das Übersetzungen bietet, ist es nicht erhalten. Reisner Vok. charakterisiert mit diesem Terminus á-šè = šumma „wenn“ (ii 11), na, saĝ = amēlu „Mensch“ (iii 37f.) und umbin bir-bir-re = ṣindu birtu „Pöbel“ (iv 11). á-šè läßt sich aus der Bedeutung „(richtiger) Zeitpunkt“ für á erklären: „zu seiner Zeit“ (semantisch allerdings nicht ganz unbedenklich); ein Kontextbeleg ist mir nicht bekannt. saĝ für „Mensch“ ist gut bezeugt, zu na „Mensch“ s. Edzard, D.O. 1963, 91f. u mbin bir-bir-re „Pöbel“ ist anderweitig
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Civil, M. 1986, 1–41. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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lexikalisch belegt (s. CAD Ṣ s.v. ṣiddu), Kontextbelege kenne ich nicht. Nach Landsberger, B. 1933, 177, ist im Eintrag ˹kun ˺-gi-šu-gi 4 -gi 4 = nēpeštu „Arbeit(sweise)” EME-SAL (iii 18) EME-SAL in EME-GAL zu korrigieren, da EME-SAL sonst in diesem Text nicht verwendet wird. Bei keinem dieser termini technici ist die konkrete Bedeutung auszumachen, weshalb Versuchen, diese termini zu übersetzen, wenig Aussagekraft zukommt. EME-SAL gehört offenbar nicht zu diesem Repertoire, immerhin aber hat die Ähnlichkeit mit ihnen den Schreiber des „Reisner-Vokabulars“ zu einem Lapsus verleitet. Neben der von Civil, M. 2000, 108, für die mittelbabylonischen grammatikalischen Texte rekonstruierten Reihe von termini technici finden wir in der SagTafel auch die schon in literarischen Belegen bezeugten Verwendungsweisen wieder: Die Belege für eine soziale Koponente zeigen eine ähnliche Gewichtung wie jene aus literarischen Texten: eme-si-sá zeigt neben der den terminus technicus kennzeichnenden Übersetzung ŠU-ma (Sag-Tablet B 237) die Übersetzung i-šaar-tum (ib. 238), worin wir die „korrekte“ Sprache im oben genannten Sinn sehen dürfen, zumal die darauf folgende Zeile eme si nu-sá = la i-ša-ar-tum bietet. Ähnliches mag in Sag-Tablet B 256f. eme-dùg-ga = ṭa-a-b[u-um], [em]e nudùg-ga = la ṭa-[a-bu-um] ausgedrückt sein22. Positive Bezeichnungen für Sprache sind weiters eme-igi-zàĝ -ĝá = na-[si-iq-tum] „ausgesuchte Sprache“ (o.c. 263)23, eme-diri = a-tar-[tum] „hervorragende Sprache“ (o.c. 254), eme-d ildil-bi = a-ḫi-[tum] „besondere Sprache“ (o.c. 255). Umgekehrt nennt die SagTafel eme-ḫul-ĝál = le-[mu-ut-tum] „schlechte Sprache“ (o.c. 249, vgl. Ká-gal D Sect. 7 13´ [eme-ḫ ul] = [li]-ša-˹nu-um˺ le-mu-ut-tum), eme-ḫul-gig = z[iri-tum(?)] „Haßsprache“ (o.c. 250), eme-k ú r = na-a[k-ri-tum] (o.c. 246f.), emekúr-kúr = na-a[k-…] (o.c. 248) „feindliche Sprache“ sowie die Ausdrücke für „Verleumdung“: [ eme]-sig = kar-ṣu (Sag A iv 27), eme-sig = mu-x-[…] (Sag B 268), eme-sig-gu 7 -gu 7 = a-ki-il kar-ṣi (Sag A iv 28), = (ka[r-ṣi] a-ka-[lum]) (Sag B 269); eme-sig = šu-ub-[tum] (Sag B 267), vgl. eme-sig, inim-kúr-di = šu-ub-˹tum˺ MSL 16 46:4f. (Proto-Nabnitu)24. Daneben finden sich in der Sag-Tafel noch weitere Belege wie eme-níĝ-ḫalam- ma = li-ša-an ša-aḫ-lu-uq-ti „Sprache der Katastrophe“ (Sag A iv 39), eme-dal-ḫa-mun = li-ša-an sà-aḫ-maš-tim „Aufruhr“ (Sag A iv 40); schwer verständlich ist eme-dar-tar = ku-ṣú-rum (Sag A iv 36) bzw. eme-TAR-KALtuku = ku-uṣ-ṣú-rum (Sag B 236) „wohl verbundene Sprache (?)“. Das Wort für 22
Ist ṭābum statt zu erwartendem (lišānum) ṭābtum mit Kagal D Sect. 4 17f. (CAD Ṭ s.v. ṭābu, S. 19) (pû ṭābu) zu vergleichen? 23 Unklar ist o.c. 262 e me . z à ĝ . ĝ á = re-š[u-tum(?)]: Nach CAD R s.v. bedeutet rēšūtu „slavery“, unsere Stelle ist nicht genannt; „Sklave“ ist zwar eine der Bedeutungen von s a ĝ , doch ist eher an rēštu „erstklassig“ mit unklarer akkadischer Bildung zu denken. 24 CAD Š/3 172 b s.v. šubtu A. aB Schülertafel aus Ur; Hintergründe der Eintragung? © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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„Antwort“ ist eme-b al = na-pa-al-tum (Sag A iv 29, vgl. Sag B 251). Besondere Beachtung verdient Sag B 233 - 235: eme-aš-ša = ša-ti-iq-tum25, eme-U-aš-ša = qa-ṣí-ir-tum, eme-aš-ša-aš-ša = lu-ru; aš-ša, aš-ša 4 bedeutet nach ePSD s.v. „perfect“ (lex. lú aš-[ DU] = a-ša-re-du-um (OB LuAzlag A 141). Zu qaṣirtum von Z. 234 gibt CAD Q s.v. qaṣirtu keine Übersetzung26. lurû wird gewöhnlich als eine Person mit einer „dünnen“ Stimme verstanden und ist sonst noch in [l]ú eme-sal = lu-ru-u (Hh XXV B iv 14 in MSL 12 229)27 und [e]me-ḪU(?)-x = lu-ru-um (OBGT III 222) (CAD L s.v. lurû) bezeugt. Nun ist sal in der Bedeutung „dünn, fein“ gut bezeugt28, die Bedeutung für akkad. lurû aber offensichtlich dem Sumerischen entnommen und könnte genauso gut in Hinblick auf eme-aš-ša-aš-ša = lu-ru als „(Mann mit) perfekter Rede“ verstanden werden. Jedenfalls sollte [l]ú eme-sal = lu-ru-u nicht zur Charakterisierung des Emesal herangezogen werden, zumal das akkadische Wort ja nur aus den lexikalischen Belegen bekannt ist (s. CAD L s.v. lurû) und die Bedeutung aus unserem „Wissen“ über Emesal erraten wird. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Examenstext A (Sjöberg, Å.W. 1975) hinzuweisen, in dem in Frageform auf den Schulbetrieb Bezug genommen wird. In Z. 19 ist sal = raqqatu „dünne, feine (Schrift)“29 und in Z. 24 šìr namgala = šìr-nam-gala „Art, Klagelieder zu singen“ im Rahmen der geprüften Materien genannt. Folgende Namen von Sprachen finden sich in der Sag-Tafel: Sumerisch: eme-g ir 1 5 = šu-we-rum (Sag A iv 30), eme-gi 7 -me = šu-me-r[itum] (Sag B 261); Akkadisch: eme-uri = ak-ka-dum (Sag A iv 31), eme-u ri-ma ki = aq-qa-ditu[m] (Sag B 240); eme-ke-en-gi = ma-t[um(?) (…)] (Sag B 259), emeke-en -na k i = ma-t[um(?) …] šu-me-ri URI.MA a-q[a-di-tum] (Sag B 260); Elamisch: eme-elam k i = e-lam-ti (Sag A iv 32), eme-elam ki = i-la-mi-t[um] (Sag B 244); Amuritisch: eme- mar-tu (Sag A iv 33), eme- mar-tu = a-mur-ri-tu[m] (Sag B 241); 25
Die Übersetzung ša-ti-iq-tum ist unklar: akkad. šātiqtu bezeichnet ein Gefäß, was hier wohl kaum zutreffen kann. 26 CAD Q 146b: „Since the orthography of this recension points to a north Syrian provenience, the word may represent an aberrant spelling of kaṣirtu or may be a WSem. word.“ Vgl. auch oben zu e me - d a r - t a r und e me - TAR-KAL - t u k u . 27 Vgl. ib. Z. 13´: [ l ú ] e me - d i b = uq-qu-qu „Stummer“. 28 S. ePSD s.v.; CAD E s.v. emesallu „fine taste“ (sum. Lehnwort, e me hier also „Zunge, Geschmack“). 29 [ x ( x ) ] s i - s á t i b a l s a l - l a g ù - s u m- t i l - l a - [ b i ì - z u - ù ] : i-šar-ta i-ni-ta ṣi-li-ta raq!-qa-t[a-x x x x ti-de-e] „[Kennst du] die normale, ‚veränderte‘, ‚feine‘, ‚vollendete‘ (Schrift?)“ © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Subaräisch: eme-su-bir 5 ki (Sag A iv 34), eme-su -[bi]r 4 ki = su-ba-r[i-tum] (Sag B 243); Suti: eme-su-[t]i-u m = su-ti-tu[m] (Sag B 242); Gutäisch: eme-g u -ti-u m = gu-ti-t[um] (Sag B 245). Im Folgenden wollen wir versuchen, der Behandlung des Emesal in den Schulen zunächst anhand der lexikalischen Listen nachzugehen. Während in den kanonischen Listen Emsal-Wörter durch den Vermerk EME-SAL nach der akkadischen Übersetzung angezeigt werden, ist dies in altbabylonischer Zeit noch nicht der Fall; wir sind also darauf angewiesen, solche in später Zeit markierte Wörter in den aB Listen aufzuspüren. Als erstes sei im- ma-al genannt, das im ES-Vok. II 91 als Entsprechung zu (HD) NUN-LAGARxSAL genannt ist, die akkadische Spalte ist abgebrochen. In PEa ist [i]m-m[a-al] (Z. 398b) neben [ši-la-a]m als Lesung von NUNLAGARxSAL genannt. Die beiden Wörter sind ausführlich von Veldhius, N. 2002, 69–74, behandelt; er stellt fest, daß in aB Zeit im- ma-al und immal 2 (TÙRxSAL) „Wildkuh“ bedeuten, während (áb)-šilam für „(domestizierte) Mutterkuh“ verwendet wurde; in früheren Epochen wurden šilam und immal 2 für domestizierte Kühe gebraucht. In der Form ù- ma- al 6 ist imma l 2 bereits in Ebla bezeugt (Veldhuis, o.c. S. 73); Veldhuis (o.c. S. 69) sieht darin ein sumerisches (Emegi) Wort. S. 72 faßt Veldhius den Bezug zum Emesal zusammen: „The Emesal im- ma-al (or em- ma-al) differs only from its Emegi equivalent in its preferred spelling, comparable to ES - mèn for EG - me-en, etc.“. Diese Enge der beiden „Dialekte“ zueinander – im- ma-al an-na-ke 4 „Himmelskuh“ (Gudea Zyl B IV 8)30 und nin é-an-na im- ma-al (var. munus) zid-da „Herrin des Eana, tatkräftige Kuh (var. Frau)“ (The Song of the Hoe 50) sind wohl dem Emegi-Kontext zuzuordnen – trifft sich mit den einleitend vorgestellten Überschneidungen von Hauptdialekt und Emesal im phonologischen Bereich. Es bleibt unklar, ob die Eintragung im- ma-al in PEa 398b als ES-Wort gedacht war und welches die Gründe für die Aufnahme in ES-Vok. II 91 waren. Ähnliches dürfte auch bei alim „Auerochs“, später auch „gewichtig“, vorliegen, dem im ES-Vok. I 5 und II 23 als Emesal-Äquivalent e-lu m zugewiesen wird. Sowohl alim wie e-lum sind im ES-Kontext gut bezeugt. In ePSD wird elum nicht als ES-Wort ausgewiesen. Weitere lexikalische Belege für e-lum sind mir nicht bekannt. In PAa 610:2 ist weiters áĝ = mimma genannt: PAa 610:1–2: [áĝ = NINDA2xNE = ma]-da-[du-um], = [m]i-im-[ma]. PEa 610 hat die Eintragung áĝ = NINDA2xNE. Der Schriftunterricht erfolgte in der Weise, daß die Wortzeichen schriftlich niedergeschrieben, deren Aussprache und Bedeutung aber auswendig gelernt und mündlich wiedergegeben wurden; ihre schriftliche Fixierung ist 30
Für ES genommen wäre dies ein zeitlich über Šulgi hinausgehender Originalbeleg für Emesal. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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sekundär. In diesem Fall nur durch die Lautung geleitet, wird Emesal offenbar zusammen mit dem Hauptdialekt in Schriftunterricht gelehrt. Dies gilt auch für ta „was“: PAa Sec.Br. Nr. 7 ii 28 nennt ta-a = TA = mi-nuum. Der Kontext lautet (Z. 26 - 28): ta-a = TA = a-˹na˺, a-li, mi-nu-um. Bei ana wird auf den Kasus des Ablativs Bezug genommen, es ist auch in Ea IV 223f. (= ul-tu, a-na), Izi C iii 20 (ki-10 -ta = a-na 10-šu) und NBGT II 32–36: ta = iš-tu KI-TA, i-na a-na KI-TA, i-na ša, in-na-nu, qá-du) belegt. ali („wo?“) und mīnu („was?“) sind Fragepronomina; ali entspricht im Sumerischen sonst me, mīnu sonst a-n a. Nach ePSD ist ta erst altbabylonisch (literarisch) bezeugt. ta erscheint auch in NBGT III i 17–19: ta = mi-nu, ta-àm = mi-nu, a-na = mi-nu. Wenn wir der Ergänzung in CAD M/2 s.v. mīnu, S. 90, folgen dürfen, ist ta im Beschwörungstext CT 17, 12, 25f., einer sonst von Emesal freien Gattung, bezeugt: [ t]a nu -ì-zu : mi-na-a la ti-i-di „was weißt du nicht?“. Die Zuweisung zum ES erfolgt duch das ES-Vok. III 151–153, 160–162 sowie 37. In Sec.Br. Nr. 8 (MSL 9, S. 130) findet sich der Eintrag ir = ša-la-lum. Im ESVok. III 6–8 vertritt es túm des HD (akkad. = babālu, tabālu, leqû). Nach ePSD ist auch dieses Wort erst in altbabylonischen Texten bezeugt. In den späten Listen ist es häufig, aber immer ohne den Vermerk EME-SAL bezeugt (s. Schretter, M.K. 1990, 196f. Nr. 192); vgl. auch nam-ri = šallatu „Raub“. In aB Proto-Lu findet sich Z.261f. mu nus, nu -nu s; dafür bietet lú = ša III i 18f. (MSL 12, 123) nunu nu-nu-úsnu-nuz, nu-nus = si-[in-niš-tu] (vgl. Z. 17: ge = si-[in-niš-tu]). Das Wort wird in ES-Vok. II 68 dem Emesal zugewiesen. Proto-Kagal 480f.: a-še-er ta-ni-ḫu, a-nir ta-ni-ḫu, vgl. Bil.Sect. E 25f. [a-še-er] = [t]a-n[i]-˹ḫu˺-um, [a-nir]= [ta]-ni-ḫu-˹um˺. Trotz häufiger Bezeugung im Emesal-Kontext fehlt a-še-er im ES-Vok. Die Kontextbelege für a-še-er in ePSD entstammen mit Ausnahme von „Dumuzi and his sisters“ den Städteklagen; es ist bereits in NFT 203 und 207 belegt31, in den balaĝ-Klagen sind zahlreiche Belege bezeugt. Die Keilschrift wurde zum Großteil durch Schreiben von Listen von Keilschriftzeichen in ihrer Verwendung als Logogramme gelernt; deren Lesung und, später, akkadische Übersetzung wurde mündlich erlernt und erst sekundär niedergeschrieben. Die angeführten Belege zeigen, daß Emesalformen zusammen mit dem Hauptdialekt und, wie es scheint, ohne systematische Abgrenzung gelehrt wurden; das Wissen um die Verwendung darf dem mündlichen Begleitwissen zugeschrieben werden. Eine Systematisierung des Emesal in der Schule scheint erst in nachaltbabylonischer Zeit erfolgt zu sein. In den nachaltbabylonischen kanonischen Fassungen der entsprechenden Listentypen gehören Aussprachespalte und akkadische Übersetzung zum Standard. Die akkadische Übersetzung kann semantisch und funktional qualifiziert werden (Civil, M. 1979, 149f.); die funktionalen Qualifikationen sind Angaben gramma-
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S. Krecher, J. 1967, 89. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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tikalischer Kategorien sowie der Vermerk EME-SAL. Er wird jedoch nicht konsequent angewendet: Zum Teil werden als dem Emesal zugehörig erwiesene Wörter nicht als solche charakterisiert, in einem Teil der Listen fehlt dieser Vermerk zur Gänze (s. Schretter, M.K. 1990, 23f.). Von nicht geringem Interesse sind unerklärliche bzw. falsche Eintragungen: Nabn. III 64f. (Abschnit napāšu „blasen, (auf)atmen; weit werden“; nach Lücke mit 17 Eintragungen): di-gi NI = 18 (= [na-pa-šu] „zum achzehnten“) šá ÉEDIN EME-SAL, MINNI = 19 (=[na-pa-šu] „zum neunzehnten“) šá lú EME-SAL. In MSL 16, 64 zur Stelle wird der Vermerk EME-SAL als „certainly erroneous“ bewertet. In Z. 71 folgt ši = 3 (= na-pi-iš-tum) EME-SAL, in Z. 75 š[i-p ]a-á‚ = nap-šá-at EME-SAL. Für dig, digi sind mir in dieser Bedeutung keine weiteren Belege bekannt, es verwundert jedoch, daß gerade hier die (irrige) Zuweisung zum Emesal erfolgt. ši ist als ES-Entsprechung zu zi „Leben“ gut bezeugt; šipa-áĝ ist im ES-Vok. II 191 [… = zi-pa-á]ĝ = nap-šá-a-tum nach unserer Stelle ergänzt, weitete Belege sind mir nicht bekannt. Der Abschnitt Nabn. IX 125–129 lautet: a-˹ga˺aga = a-gu-ú, me-en men = a-gu˹ú˺, mu-ud-rumSÍK.AŠ = MIN EME-[SAL], saĝ -zi = MIN EME.[SAL], šu -zi = MIN EME-˹SAL˺. Die Einträge saĝ-zi und šu-zi werden in MSL 16, 120 als „incorrect“ bewertet. mu d ru m 4 = agû ist m.W. hapax legomenon, erinnert aber an das gut bezeugte /muduru/ (mu-PA, mu-ud-ru, mu-du-ru, mu-duru 5 , mu-dur 6 ) = ḫaṭṭu (Belege Schretter, M.K. 1990 Nr. 284). Warum saĝ zìg „das Haupt erheben“ und šu zìg „die Hand erheben“ mit agû „Tiara“ geglichen und dem Emesal zugeschrieben wurden, bleibt unbekannt. Möglicherweise liegt hier das Ergebnis eines Versuchs zur Erschließung neuer Verständnisebenen duch altmesopotamische Gelehrte vor, wie sie Maul, St. M. 1997 für die Interlinearübersetzungen von Emesaltexten des 1. Jt. aufgezeigt hat. Auf derselben Tafel Nabn. IX bieten die Zeilen 237–244: ĝá-ĝá = ka-lu-ú, ma- ma = ka-lu-u EME-SAL, AerIGI = MIN EME-SAL, gala = MIN EME-SAL, mu -lu = MIN EME-SAL, zu-ur sur 9 = MIN EME-SAL, lagar = MIN EME-SAL, la-bar = MIN EME-SAL. Die ersten beiden Einträge entsprechen dem gängigen Schema, daß auf die HD-Form die ES-Form folgt. ĝá-ĝá / ma- ma „zurückhalten“ ist gut bezeugt, das Bild vom Zurückhalten der Tränen in den Klageliedern häufig. So scheint eine assoziative Verbindung zwischen der Emesalform mama und dem folgenden Eintrag ér „Träne“ vorzuliegen, dem dann assoziativ gala als der Klagepriester, mu-lu, wohl eine gekünstelte Form zu g ala 32 sowie mit su r 9 33 und lagar, labar 34 weitere (Klage)priester folgen. Um eine strenge Dialektscheidung scheint es dem Kompilator nicht gegangen zu sein. Lu I 84–86 (MSL 12, 95) bietet die Reihe la-bar = suk-kal-lum EME-SAL, la-ga-ar lagar = suk-kal-lum MIN, li-bi-ir = suk-kal-lum EME-SAL, danach folgt 32
S. Krecher, J. 1966, 117, zu g a l a vgl. o.c. 37ff. Akk surrû, CAD S 413 s.v. „(a lamentation priest)“. 34 CAD L s.v. lagallu, PAa 165:1, Schretter, M.K. 1990, S. 201f. 33
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sukk al = suk-kal-lum mit Zusammensetzungen. Wiggermann, F.A.M. 1988, 225ff., sieht in aB lagar x (SAL-ḪUB) ein Synonym zu suk kal „Wesir“, der fehlenden Hauptdialekt-Form zu ES la-bar, li-bi-ir. Im 3. Jt. waren sie verschiedene Funktionäre. Vgl. auch Sallaberger, W., Huber Vulliet, F. 2003/2005, 628. Es fragt sich, ob die Vertauschung in der Reihenfolge la-bar – lag ar und die nach unserem Verständnis falsche Zuordnung des Vermerks EME-SAL bloßes Versehen ist. Ein echtes Versehen scheint in Nabn. XVII 47 ĝá-ĝá = 4 (= ša-ra-ku) „schenken“ vorzuliegen. Der Abschnitt Z. 44–48 lautet: ĝar = ša-ra-ku, ĝá = 2 (= šara-ku), mar = 3 (= ša-ra-ku) EME-SAL, ĝá-ĝ á = 4 (= ša-ra-ku) 2 (= EME-SAL), ma- ma = 5 (= ša-ra-ku) 3 (= EME-SAL). Wie die Abfolge zeigt, liegt offenbar ein mechanisches Fortschreiben des Vermerks EME-SAL vor. Interesse verdient Nabn. W Excerpt Tablet C (MSL 16, 310) i 8 ĝ á = (bītu) EME.SAL (Z 7´ é = bi-i-tú): die zu erwartende ES-Form ma ist lexikalisch in A IV/2 A (MSL 14, 379) 5´(215) [ ma-a] = [MA] = [bi-i]t EME-SAL und gut im Kontext35 bezeugt; Ea IV 230–232 bietet die Reihe MIN (= ma-a) = GÁ = bi-itum, ga-a = GÁ = 2 (= bi-i-tum), ba-a = GÁ = 3 (= bi-i-tum), jeweils ohne Vermerk EME-SAL. In ETCSL (über ePSD) ist ĝá „Haus“ nicht bezeugt; vgl. jedoch Leipzig-Münchner Sumerischer Zettelkasten s.v. Dies wirft die Frage auf, wie weit die aus den Quellen extrahierten strengen Entsprechungen der sprachlichen Realität nahekommen, und das Wort /ĝa/, /ma/, ba/ „Haus“, in welcher lautlichen Realisierung immer, dem Register „Emesal“ zugehört. A V/3 193 bietet (si-i = [ SIG 7 ]) = MIN (= ba-nu-ú) šá ḫur-da-tum EMESAL „si 1 2 bedeutet „schön“, ausgesagt vom Querbalken“36; sollte das Register „Emesal“ durch die Vokalfarbe /i/ statt des in Hh XIII 308 durch Glosse angezeigten /a/ von sa 7 (gud-sa 7 sa -a = ba-nu-ú „schöner Ochse“) angezeigt sein? Eine eigenartige Sachlage bietet mu / ĝ eš „groß“: Antagal G 273f. ĝ eš = rabu-ú, mu = MIN EME-SAL; Izi G I 7 mu = ra-b[u-u] (in einer Reihe mit mu ); A III/4 11 (mu-u = MU) = ra-bu-u, es folgen neun weitere akkadische Übersetzungen zu mu mit dem Vermerk EME-SAL. Im Kontext kenne ich das balaĝ URU AMIRABI (Nr. 36) Z. c+421f. (Cohen): mu -gi-bi me-e-mèn [ mu g]i-bi me-e- mèn / iš-ta-ri-tu4 ana-ku : [...]-an-na ana-ku be-lé-ku / mu gi-bi al-ma-ma-an al-ma-ma -[an] / ṣe-eḫ-ra u ra-ba-a a-na-as-sa-aḫ a-šá-ak-kan „die Gottgeweihte bin ich, die Gottgeweihte bin ich, groß und klein setze ich ein, setze ich ein (akkad.: ich reiße aus und setze ein groß und klein)“ (vgl. Oberhuber, K. 1990, S. 242 s.v. mu-ge-bi und ib. 337 s.v. mu rabû ); offensichtlich liegt ein Wortspiel von /mugeb/ (ES für nu-gig) mit mu „groß“ und gi (ES) „klein“ vor. Der zweite mir bekannte Kontextbeleg ist die Beschwörung CT 17, 25, 37, eine Gattung, in der Emesal keinen Platz hat: mu gu 4 -gin 7 : ra-ba-a kīma al-pi i-pal-liq : gú im-ra-ra „den Großen erschlage ich wie ein Rind“. Wenn wir der 35 36
Belege in Schretter, M.K. 1990, 204 Nr. 219. In Schretter, M.K. 1990, 248 Nr. 409 zu korrigieren. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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spärlichen Bezeugung trauen dürfen (ePSD bietet keinen Eintrag), scheint ĝeš aus Antagal eine gelehrte Rückbildung aus mu „groß“ zu sein, das nicht auf das Emesal beschränkt ist. In systematischer Weise sind ES-Wörter in der Liste Emesal-Vokabular (ESVok.) gesammelt. Die Liste umfaßt drei Tafeln, von denen die erste ausschließlich Götternamen enthält. Cavigneaux, A. 1980/1983, 639f., nennt als Zeitpunkt der Abfassung die mittelbabylonische Periode, ähnlich äußert sich Lambert, W.G. 1957/1971, 477, der die Zeitspanne zwischen 1400 und 900 v.Chr. in Betracht zieht. Dem entspricht die Datierung des ältesten Textzeugen, VAT 10527 + VAT 12926 + VAT 10117 (Text C1+C2+C3 der 2. Tafel) in die mittelassyrische Zeit (ca. 1400–1000) durch CDLI. Sie weist die herkömmliche Form lexikalischer Listen mit „Aussprachespalte – Logogramm – akkadische Übersetzung“ auf, jedoch entsprechen der Aussprachespalte die Emesalwörter und der Logogrammspalte Wörter des Hauptdialekts. Die allermeisten Textzeugen stammen aus der Assurbanipal-Bibliothek in Ninive (nA), je einer aus Babylon (nB), Nippur (nB) und Assur (mA)37. Damit kommt der Liste beachtliche Verbreitung zu. Sie steht in der Tradition altmesopotamischer lexikalischer Listen, richtet ihren Fokus aber auf eine – wie schon in den kanonischen Listen – nunmehr als eigenständig empfundene und als solche getrennt zu pflegenden Sprachform des Sumerischen38. Das Verhältnis der Einträge im Emesal-Vokabular zu den Belegen in den anderen lexikalischen Listen und im Kontext soll anhand einiger Zahlen verdeutlicht werden. Zugrunde gelegt ist eine Liste von ca. 420 Emesalwörtern39 (auf der Basis der Belegsammlung in Schretter, M.K. 1990 unter Aussparen der mit u mu n und gašan zusammengesetzten Namen). Die Bezeugung von Emesal-Wörtern in den verschiedenen Kombinationen von ES-Vok., den anderen lexikalischen Listen und dem Kontext soll in folgender Übersicht dargestellt werden: Bezeugung im Emesal-Vokabular: allein mit anderen lexikalischen Listen mit Kontextbelegen mit lexikalischen Listen und Kontextbelegen
097 008 094 054
in anderen lexikalische Listen: allein
023
37
Hingewiesen sei auf ein formales Detail: Text B der 2. Tafel (VS 24, 4) schreibt auf seiner Rückseite die Einräge nicht in Form einer Liste, sondern nach Art von Kommentaren fortlaufend, die einzelnen Einträge durch Doppelpunkt (doppelter kleiner Winkelhaken) getrennt. 38 Zum ES-Vok. vgl. auch Schretter, M.K. 1990, 13–16. Siehe jetzt Veldhis, N. 2014, 318– 320. 39 Anzahl der Zeilen in MSL 4: Taf. I: 115, Taf. II: 197, Taf. III: 177, zusammen 489 Zeilen. Mit u m u n und g a š a n zusammengesetzt ca. 90 Belege. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Zum Umgang babylonischer Gelehrter mit dem Emesal-Dialekt
(mit Emesal-Vok. mit Kontextbelegen (mit Emesal-Vok. und Kontextbelegen
008) 018 054)
in Kontextbelegen: allein (mit Emesal-Vok. (mit anderen lexikalischen Listen (mit Emesal-Vok. und lexikalischen Listen
101 094) 018) 054)
sowohl in lex. Listen wie im Kontext
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Hervorzuheben ist die relativ hohe Zahl 97 (zu vermehren um die nur im ES-Vok. bezeugten Bildungen mit u mu n und g ašan ) an Wörtern, die nur im Emesal-Vok. bezeugt sind; zu vermutende altmesopotamische Philologentätigkeit muß aber in jedem einzelnen Fall geprüft werden, wie wenige Beispiele zeigen sollen: Emesal-Vok. III 71 a-da-ar (für a-gàr „Ackerland“) ist singulär; /d / für (HD) /g / findet sich nur noch in -dè-èĝ für -g in 7 „wie“ (Emesal-Vok. III 167, ergänzt)40, das im Kontext in SBH Nr. 67 Rs. 7–10 bezeugt ist. Dieser Wechsel ist innerhalb des HD zwar selten, jedoch häufiger als zwischen HD und ES bezeugt. Herkunft und Zuverlässigkeit der Eintragung bleiben also fraglich. Fraglich bleibt, wie die Bezeugung von áĝ -ki-lá-bi „Verlust, Mangel“ (= níĝ -ki-lá-bi imṭû, in ePSD nicht verzeichnet) zu deuten ist: ES-Vok. III 49: Text A: áĝ -ki-lá-bi = níĝ-ki-TAB (MSL 4, 31 korrigiert zu * -lá-)-bi = imṭú-u; Text B: [ á]ĝ-ki-tab-ba = níĝ-ki-tab -ba = im-ṭú-u. Weitere Belege kenne ich weder für die Hauptdialekt- noch für die Emesalform. Der durch das Akkadische angedeutete semantische Bereich wirft die Frage nach einem besonderen Emesal-Wortschatz auf: Das ES als soziokulturelle Variation läßt einen dem Anwendungsbereich adäquaten Wortschatz vermuten, ein Bereich, dem bislang kaum Beachtung geschenkt wurde41. Eine offensichtliche Umdeutung der HD-Form ḫúb-sar in der Schreibung ḫúb -sár, gelesen als ḫúb -du 1 0 (s. Glosse du) und dieses du 1 0 als zé ins Emesal übertragen liegt in Emesal-Vok. III 15 ḫúb -zé = ḫu b (Var. ḫúb )- duSÁR = la-samu „laufen“ vor (vgl. Variante min -me- du 1 0 -ga für nim- me-šár-ra in Farber-Flügge, G. 1973, 154). Beachtenswert ist die hohe Zahl (101) von Belegen, die nur im Kontext, jedoch nicht in lexikalischen Listen bezeugt sind. Sowohl in lexikalischen Listen als auch im Kontext finden sich 148 Eintragungen.
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Eine lautliche Verbindung von d è - mit g a - ( , ḫ é - ) ist unsicher. Von Soden 1957–1958, 120 (Herleitung von akkadisch š/tabsūtu(m) „Hebamme“ aus ES * š a b - z u ) : „Eine solche Entlehnung aus dem Frauendialekt e me - s a l ist bei der Bezeichnung einer Frauenklasse in keiner Weise auffällig“. Zu ES * š a b - z u s. Schretter, M.K. 1990, S. 251 Nr. 416; ePSD s.v. š a g 4 - z u . 41
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Im Kontext wurde Emesal in den Kultliedern des gala, diversen Texten mit Reden der Inana, einigen Städteklagen, einem Wiegenlied, ca. 30 Sprichwörtern, einer unpublizierten Komposition „the song of the millstone“ und dem Dialog zweier (zänkischer) Frauen (Aufstellung Rubio, G. 2005, 1050) verwendet. Dabei hat das Corpus des gala „Klagesängers“ den weitaus größten Umfang. Wie die lexikalischen Listen, so gehört auch die Behandlung von Literatur zum Curriculum der altmesopotamischen Schule. Wie wir gesehen haben, fließen bereits in aB Zeit Elemente des Emsal in den Unterricht der lexikalischen Listen ein, wobei zu vermuten ist, daß deren Umgfang weitaus größer war, als in den schriftlichen Quellen nachweisbar ist. Eine systematische Sammlung wird erst in den kanonischen Fassungen der Listen und konsequent (mit den oben aufgezeigten Einschränkungen: es ist keineswegs vollständig) im Emesal-Vokabular faßbar. Den Unterricht der Klagelieder hat Löhnert, A. 2009, 82–87 (ausführlich Löhnert, A. 2008) instruktiv dargestellt. In der altmesopotamischen Schule – wir dürfen sie uns als eine Art Lehre vorstelle – wurden die Schüler anschließend an ein weitgehend einheitlich zu absolvierendes Curriculum in ihren speziellen Berufen – so auch als Kultsänger – ausgebildet. Zu „Klagesänger und ihr Gesangsrepertoire. Überlegungen zu den Überlieferungswegen altbabylonischer Kultliturgie“ hat Shehata, D. 2010, 171–198, gehandelt. Versuchen wir nun, das Corpus, in dem Emesal verwendet wird, grob zu werten. Emesal wird durchgehend mit einer Schwankungsbreite, wie wir sie schon bei den lexikalischen Listen kennengelernt haben, in den liturgische Klageliedern verwendet. Diese Klagelieder wurden vom gala in Form von Gesängen vorgetragen; bei ihm ist, wie Sallaberger, W., Huber Vulliet, F. 2003/2005, 634, hervorheben, die religiöse Komponente begriffsbestimmend, während der n ar „Sänger“ durch den Tätigkeitsbereich Musik definiert ist. Den musikalischen Anteil beim Repertoire des gala allerdings zeigen die Unterschriften balaĝ, ér-šèm- ma (weiters ér-šà-ḫuĝ-ĝá, šu-íl-la). Sie sind Teil von Liturgie, und als solche prädestiniert für Tradition und sprachliche Sonderformen. Spätestens im 1. Jt. sind sie Quelle für Theologie und Neuinterpretation42. In unterschiedlicher Weise wird Emesal in den Städteklagen verwendet. Die Frage nach dem Verhältnis von liturgischen Klagen und Städteklagen ist nicht abgeschlossen, doch sind die Städteklagen wohl als sekundär einzustufen43. Emesal als Redeform der Inana hat seinen hervorragenden Platz in den „InanaDumuzi-Liedern“ sowie in Hymnen. In den Hymnen finden wir auch – dürfen wir der Texttradition trauen – den ältesten bezeugten Emesaltext (Beginn der Ur III Zeit), die Rede der Inana in Šulgi X 14–41 (Liebeslied an Dumuzi / Šulgi); von besonderer Bedeutung für die Wertung des Emesal ist der Umstand, daß die un42 43
Maul, St.M. 1997; s. jetzt Gabbay 2014. S. Cooper, J.S. 2006. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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mittelbar folgende Rede der Inana (49–72, Versprechungen an Šulgi) im Hauptdialekt abgefaßt ist. Bemerkenswert ist die Einleitung zum Liebeslied (Z. 11–13): d inana-ke 4 u 6 mu-ni-du 11 / ní-te-ni-šè šìr ba-ši-ni-ra / èn-du-šè ime „Inana schaute bewundernd, spontan sang sie ein Lied, stimmte einen Gesang an“, was wohl als ein starker Hinweis auf die assoziative Nähe des Emesal zum Gesang zu werten ist44. Mit Liebesliedern haben wir es bei den Inana-Dumuzi-Liedern zu tun, in denen nun allerdings eine strenge Rollenverteilung Inana (Emesal) vs. Dumuzi (Hauptdialekt) gegeben ist45. Diese Rolle „Rede der Inana (und verwandter Gestalten) steht im Emesal“ ist häufig, jedoch durchaus nicht durchgängig, in Hymnen und Mythen gegeben. Die Fokusierung auf Inana zeigt „Inana und Enki“, wo die Reden der Inana im Emesal, die Reden ihrer Wesirin Ninšubur im Hauptsialekt stehen. Nicht selten finden sich Emesalformen auch im Erzählteil, wie z.B. in Inanas Gang in die Unterwelt; in Inana und Bilulu ist der Gebrauch des Emesal in besonderem Maß unsystematisch. In „Enki und Ninḫursaĝ“ sind die Reden der Göttinnen Ninsikila und Nintu im Hauptdialekt verfaßt, die kurze Rede der Ninḫursaĝ jedoch (d nin-ḫur-saĝ-ĝá-ke 4 mu d en-ki nam-erim 2 ba-an-kud / i-bí na-áĝ -tìl-la en -na ba-ug 5 -g e-a i-bí ba-ra-an-bar-re-en „Ninḫursaĝ verfluchte den Namen Enkis: mit lebenspendendem Auge will ich bis zu seinem Tode nicht mehr auf ihn blicken“) im Emesal, obwohl Beschwörungen sonst das Emesal fremd ist. Das Ende dieser Mythe beschreibt die Leiden Enkis und ihre Heilung durch Ninḫursaĝ, jenen Part, den Civil, M. 1973, 57–61 zu phonologischen Untersuchungen, insbesondere dem Erweis des Wechsels g/b durch Analyse der Namen der Krankheiten und deren Heilmittel innerhalb des Hauptdialekts heranzog. In den Sprichwortsammlungen wird die Redeweise und das Gehaben des gala satirisch überzeichnet, der Gebrauch des Emesal wird aus seiner Profession verständlich. Eine zweite, das Emesal verwendende Gruppe sind Sprichwörter, die die Deutung als Zitate der Rede von Frauen oder zumindest aus dem Umfeld von Frauen nahelegen. Alster, B. 1997, S. XIIIf. betont, daß Sprichwörter der Sprache des täglichen Lebens zuzurechnen sind, und findet diese Gruppe, da in den meisten Ländern eine Männerwelt die Sprichwörter dominiere, (als Frauensprache) bemerkenswert. Diese Einschätzung setzt aber die Wertung des Emesal als genderlect (Frauensprache) voraus, der dann, da im Schrifttum für das tägliche Leben nicht nachweisbar, als für eine Frühstufe geltend postuliert werden muß. Cooper, J.S. 2006, bes. 44, weist unter Hinweis auf ethnomusikologische Studien nach, daß Klagen, insbesondere Totenklagen, der Aufgabenkreis schlechthin In ŠP erscheint in einer langen Preis-Rede der Ninsumun isoliert in Z. 50 ˹ g a ˺ - [ š a - a n d i ĝ i r - r e - n e - k e 4 ], in ŠE 223, einem Selbstpreis Šulgi´s, ma r . z a d i n a n a . k a ; eine größere Anzahl von Emesal-Formen findet sich in ŠN, einem Wiegenlied, sowie in ŠZ, nach ETCSL t.2.4.2.26 „A love song of Šulgi“. 45 Sefati, Y. 1998, 55. 44
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von Frauen ist. Ein zweiter nahezu universaler Kontext für musikalische Darbietungen von Frauen ist der Bereich Werben und Hochzeit. Er sieht hier sicher zurecht die Wurzeln des Emesal. Emesal als Register (Werben, Hochzeit, Klage) im Umfeld von Weiblichkeit bezieht sich jedoch nicht auf das Geschlecht (genderlect), sondern auf die sprachliche Situation; daher muß die Verwendung dieses situativen Registers durch einen Mann (gala) nicht eo ipso ihn als abschätzig effeminiert ausweisen46, wie allgemein das Emesal eine differenzierte Entwicklung erfahren zu haben scheint. Den Sprichwörtern verwandt sind weiters die „Schmähreden gegen Frauen“ (Cunningham, G. 2007, Nr. 5.4.13 Diatribes against women, früher bekannt als „Dialog zweier zänkischer Frauen“). Ein Vokabular, das eine Liste solcher Schmähreden enthält, ist uns in zwei altbabylonischen Texten47 mit Vorläufer bereits in Fara und Abū Ṣalābīḫ (dort „Early Dynastic Proverb Collection One (EDPC 1))“48 erhalten. Die beiden altbabylonischen Texte sind nicht sehr umfangreich; sie bieten in der linken Kolumne den sumerischen Text mit Glossen in phonographischer Schreibweise und in der rechten Kolumne die akkadische Übersetzung. Bemerkenswert ist, daß Emesalformen so gut wie fehlen49. In altbabylonischer Zeit gehörten die „Schmähreden gegen Frauen“ zum Textcorpus der Schulen, ihr pädagogischer Zweck ist immer noch nicht ganz durchsichtig. Volk, K. 2000, 16, vermutet, daß das Ziel die Vermittlung eines spezifischen Frauenbilds, positiv und erstrebenswert bzw. ablehnenswert und anstößig, gewesen sei. Jedenfalls bewirkt die Verwendung des Emesal eine Konnotation mit „Frau“, jedoch eher in Richtung eines sozialen Umfelds (ablehnenswert und anstößig) als im Sinn von „Frauensprache“. Wie wir gesehen haben, lassen sich sychrone und diachrone geographische Varietäten des Sumerischen bereits im 3. Jt. v.Chr. nachweisen. Das Emesal ist eine Varietät des Sumerischen auf phonologischer Ebene, die sich uns erst durch phonographische Schreibung erschließt. Phonologische Unterschiede zum Hauptdialekt finden sich zum Teil auch innerhalb des Hauptdialekts, gelegentlich sind die Grenzen fließend. Bei der Suche nach Bedeutungsfeldern des Wortes eme „Sprache“ waren für uns zum einen jene Belege von Belang, in denen eme und seine attributiven Ver46
Vgl. Michalowki, P. 2006. Ediert in Civil, M, Biggs, R.D., 1966, 5–7; Klein, J. 2003. 48 Ediert in Alster, B. 1991/92. 49 Civil, M, Biggs, R.D., 1966, Z. 4: š à - g a (Text D) = i-na li[-ib-bi-im] (Text E). – Klein, J. 2003, Z. 6´: g i g , Glosse g i 4 ; Z. 7´: mu n u s - e - n e , Glosse mu - n u - ú s - e - n e ; Z. 17´: [ a ] - n a = akkadisch mi-na-am. Bemerkenswert ist Z. 8´: a n : g ú : g í d , Glosse á ĝ g ú g í ! i d , akkadisch mu-qa-li-il-tum; nach J. Klein ist g ú a n - g í d (früdynastisch g ú ( a n - ) g í d ) „stretching her neck (everywhere)“ zu lesen. Danach hätten wir auch die Glosse als g ú á ĝ - g í ! - i d zu lesen, und mit ES-Vok. III 169: [ m] í d a - á ĝ - ĝ á - a n - n a- a b - d u g 4 bzw. ES-Vok. III 170: mí d a ! - á ĝ - ĝ á - a b - b é zu vergleichen. 47
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bindungen wertend in sozialem Kontext bezeugt sind, zum andern jene, in denen diese als termini technici der altmesopotamischen Philologen gebraucht sind. Die Prüfung der Behandlung des Emesal in den lexikalischen Listen lehrte uns, daß das Emesal im Schreibunterricht zumindest seit abltbabylonischer Zeit mit behandelt, in den kanonischen Listen und insbesondere im Emesal-Vokabular besonders ausgewiesen wurde. Die Kontextbelege erwiesen das Emesal als die Sprache des großen Corpus der liturgischen Klagegesänge. In hymnischen Gesängen, Inana-Dumuzi-(Liebes)liedern sowie in mythologischen Texten findet sich Emesal im Mund der Göttin Inana (und deren Manifestationen, ganz selten im Mund anderer Göttinnen) in einem Umfeld von „Werben“. Ein ganz anderes Milieu spiegelt das Emesal im Mund oder Umfeld von Frauen in der Diatriben-Literatur. Wir kommen auf die Frage zurück „Ist das Emesal Frauensprache?“. Whittaker, G. 2002, 640 nennt als typisches Beispiel für Frauensprache das Japanische und führt Eigenheiten aus dem Bereich der Phonologie bis zur Syntax an. Im Sumerischen beschränken sich die Unterschiede so gut wie ausschließlich auf den Bereich der Phonologie, d è- als Emesal-Morphem ist nicht unbestritten und die wenigen lexikalischen Unterschiede bedürfen je eigener Untersuchung. In natürlichem Sprachgebrauch findet sich Emesal in den liturgischen Klageliedern, die Verwendung zur Kennzeichnung der Rede einer Göttin / Inanas (bzw. von Frauen in der Diatribenliteratur) ist eingeschränkt und in sich uneinheitlich. Wir finden uns damit bei Whittaker, G. 2002, 641 wieder: „Emesal is, thus, neither a women’s language, nor the language of women“, sondern „code-switching“, Registerwechsel. Der Ausgangspunkt dieses Registerwechsels darf mit Cooper, J.S. 2006 im Bereich von „Werben, Hochzeit, Klage“ im Umfeld von Frauen gesehen werden, jedoch nicht auf das Geschlecht, sondern auf die sprachliche Situation bezogen. Bibliographie Alster, B. 1982: Emesal in Early Dynastic Sumerian? What is the UD. GAL.NUN-Orthography? ASJ 4, 1–6. — 1991/92: Early Dynastic Proverbs and other Contributions to the Study of Literary Texts From Abū Ṣalābīkh. AfO 38/39, 1–51. — 1997: Proverbs of Ancient Sumer. The World’s Earliest Proverb Collection. 2 Bde. Bethesda. — 2005: Wisdom of Ancient Sumer. Bethesda. Cavigneaux, A. 1980/1983: Lexikalische Listen, Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie 6, 609–641. Cingano, E., Milano, L. 2008: Papers on Ancient Literatures: Greece, Rome and the Near East. Proceedings of the “Advanced Seminar in the Humanities”. Venice International University 2004–005. Padua. Civil, M. 1973: From Enki’s Headaches to Phonology. JCS 32, 57–61.
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Die sumerischen exegetischen Epitheta des Marduk Daisuke Shibata
Mehrsprachigkeit ist nicht auf mehrere gesprochene Sprachen zu beschränken. Eine klassische Sprache, die in einer Gesellschaft nicht als eine Alltagssprache gesprochen wird, kann mehrsprachige Umstände hervorbringen1. Es wird darauf hingewiesen, dass eine solche klassische Sprache gemeinhin eine besonders wichtige Rolle für eine intellektuelle Tradition spielen kann, die von einer Gesellschaft übernommen wird. Zum Beispiel kann hier auf das klassische Chinesisch im vormodernen Japan verwiesen werden, das überhaupt nicht als Alltagsprache gesprochen wurde. Die Gelehrten konnten dennoch nicht nur chinesische Texte lesen, sondern auch auf Chinesisch schreiben, obwohl ihr Chinesisch sich in grammatikalischen Hinsichten von dem Chinesisch unterschied, das im zeitgenössischen China gesprochen wurde. Eine vergleichbare Situation ist an dem Umgang mit der sumerischen Sprache im Mesopotamien des 2. und 1. Jt. v.Chr. zu beobachten. Obgleich die sumerische Sprache um das Jahr 2000 v.Chr. als Alltagssprache aufgegeben worden war, tradierte man die sumerische Sprache mit dem Medium Keilschrift weiter, die noch um die Zeitenwende der christlichen Ära gebraucht wurde. Sogar im 1. Jt. v.Chr., mehr als eintausend Jahre nach dem Tod des Sumerischen als Alltagssprache, trug die „gestorbene“ Sprache dazu bei, eine intellektuelle Tradition, den stream of tradition, weiterzuentwickeln. Die überlieferten Texte umfassen zahlreiche sumerische Texte, wie Gebete, Beschwörungen und Erzählungen2. Die Texte wurden nicht nur überliefert, sondern auch überarbeitet, worauf Studien zu Abschriften eines Textes aus verschiedenen Zeiten deutlich hinweisen3. Ferner erscheint es, dass ein guter Teil der sumerischen Texte nach dem Sprachtod des Sumerischen neu verfasst wurde, obwohl literarische Keilschrifttexte generell schwer zu datieren sind4. Auch in akkadischen Kontexten spielt der sumerische Wortschatz eine 1
Siehe hierzu auch den Beitrag von Martin Korenjak in diesem Band. Obgleich die meisten sumerischen Erzählungen nach der altbabylonischen Zeit nicht mehr überliefert wurden, waren die zwei Erzählungen von Ninurta, Lugale und Angin, die vermutlich mit der babylonischen und assyrischen Königstheologie eng verbunden waren, auch im 1. Jt. v.Chr. sehr präsent. Siehe Cooper 1978 und van Dijk 1983. 3 Vgl. z.B. Finkel 1998, Volk 1989, bes. S. 16–47, und Gabbay 2014, S. 193 ff. 4 Konventionell werden die Textgattungen, die Kiʼutus, Eršaḫuĝas, Šuʼilas und Eršemakidudûs als nachaltbabylonische Werke betrachtet. Siehe z.B. Falkenstein 1953. Doch ist es weniger wahrscheinlich, dass die Textgattungen allesamt neu entwickelt wurden, wo2
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wichtige Rolle. So sind beispielsweise kulttopographische Prunknamen fast alle sumerisch5. Ebenfalls kann hier auf die sehr häufige Verwendung der Logogramme, Sumerogramme, in divinatorischen Texten bzw. Ritualanweisungen als ein Phänomen der Zweisprachigkeit hingewiesen werden. Bekanntlich entwickelte sich eine Tradition der Hermeneutik zu den überlieferten Texten seit dem späten 2. Jt. v.Chr.6 Kommentarcharakter befindet sich obendrein an akkadischen Übersetzungen zu sumerischen Texten, worauf am deutlichsten die von den sumerischen Haupttexten abweichenden Übersetzungen bzw. die unterschiedlichen Übersetzungen, die zu einem sumerischen Haupttext gegeben sind, hinweisen7. Nicht zuletzt wurden sumerische Eigennamen, wie Gottesnamen bzw. topographische Namen, zum Gegenstand der Exegese gemacht8. Im Folgenden konzentriert sich der Verfasser auf die Rolle der sumerischen Sprache in der intellektuellen Tradition der späteren Zeit. Anhand von Fallstudien zu den Namen des Marduk und den exegetischen Epitheta, die in einem sumerisch-akkadischen Gebetstext aufgelistet sind, wird untersucht, wie das Sumerische zur Erweiterung des religiösen „Wissens“ beitrug. Das Gebet ur-saĝ úru ur (4) -ur (4) „Held, überwältigende Flut“ an Marduk Das zweisprachige Gebete an Marduk wurde von J.S. Cooper in der Gedenkschrift für A. Sachs veröffentlicht und ediert9. Sein Incipit heißt ur-saĝ úru ur (4) -ur (4) ku š 7 -su ki-bal-a „Held, überwältigende Flut, die das Feindesland niederrauf einige altbabylonische Abschriften der Kiʼutus und Eršaḫuĝas hinweisen. Dazu siehe Maul 1988, S. 8–16 und weitere Literatur, die dort zitiert ist. Anderseits weisen die sehr spärlichen altbabylonischen Materialien für die Textgattungen darauf hin, dass es auch weniger wahrscheinlich ist, dass die Textgattungen allesamt schon in der altbabylonischen Zeit entstanden sind. 5 Siehe George 1993. 6 Frahm 2011, S. 24–27, bes. 25. Zwar beziehen sich die Textkommentare weitgehend auf akkadische Texte, aber Kommentare zu sumerischen Texten sind ebenfalls bekannt, wie Kommentare zu dem sumerischen literarischen Text Lugale (ebd., S. 117–19), der sumerischen Beschwörung „Marduk’s Address to the Demons“ (ebd., S. 123–27) und nicht zuletzt den lexikalischen und anderen Listen (ebd., S. 242–56). Auszüge aus den lexikalischen und anderen Liste bzw. die sumerischen Textkompositionen selbst sind ebenfalls als Quellen zur exegetischen Auslegung anderer Texte benutzt worden. Siehe ebd., S. 86–107, sowie Gabbay 2006. 7 Siehe Gabbay 2014, S. 284–86. Siehe noch weitere Literatur in ebd., S. 284, Anm. 25, bes. Maul 1997. 8 Für Beispiele exegetischer Ausdeutung von Gottesnamen, siehe z.B. Lambert 2013, S. 139–44 (ein Kommentar zu den Namen des Marduk in Enūma eliš Tf. VII; dazu siehe auch Frahm 2011, S. 114–16; Frahm/Jiménez 2015, S. 294f.). Für Beispiele exegetischer Ausdeutung topographischer Namen, siehe George 1992. 9 Cooper 1988, S. 83–93. Eine neue Edition des Gebets vom Verf. ist in der Reihe Heidelberger Emesal Studien, Bd. 3 vorgesehen. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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walzt“. Vom Gebet sind drei Textvertreter bekannt, die im 1. Jt. v.Chr. angefertigt wurden. Die Kolophone der Textvertreter zeigen deutlich, dass das Gebet zur Gruppe der Šuʼila-Gebete, die im Emesal-Dialekt abgefasst wurden, gehört. Gemäß dem Ninive-Katalog der Emesal-Gebete, K 2529+, gab es zwei ŠuʼilaGebete an Marduk, denen das Gebet neben einem anderen Šuʼila-Gebet, mu-lu é-a ku 4 -ra-zu-ta „Herr, sobald du in das Haus eingetreten bist“, angehört10. Das Gebet besteht aus ca. 35 Zeilen11. Es beginnt mit den litaneiartig formulierten Anreden (Z. 1–15). In der Litanei sind die verschiedenen Namen und Epitheta des Marduk vokativisch an der Stelle des Wortes „Held“ (u r-saĝ ) im Incipit aufgelistet, wie unten erörtert wird. Es folgen einige frei formulierte Lobpreisungen des Adressaten, die allerdings besonders schlecht erhalten sind (Z. 16– 21). Die Passagen in der letzten Hälfte des Gebets (Z. 1′–14′) sind inhaltlich völlig andersartig, als der Rest des Textes. Es wird darum gebeten, dass Marduk seine Stadt und seinen Tempel an einem anonymen Feind rächen und sich dann sein Ruhm in allen Ländern verbreiten soll. In welchem rituellen Kontext das Gebet zum Vortrag gebracht wurde, bleibt jedoch unklar. Doch ist es wahrscheinlich, dass das Gebet im Rahmen einer jährlich veranstalteten Feier in Babylon dem Gott Marduk vorgetragen wurde, wie es etwa auch beim Gebet mu -lu é-a k u 4 -ra-zu -ta der Fall war, welches im Rahmen des Akītu-Festes im Babylon am 11. Nisannu bei der Prozession, dem Rückweg vom Akītu-Fest nach Esaĝil, rezitiert wurde12. Im Unterschied zum Gebet mu-lu é-a ku 4 -ra-zu -ta gibt es jedoch keinen sicheren Anhaltspunkt, um den rituellen Kontext des Gebets festzustellen. Dennoch lässt sich aus seinem Inhalt, der Bitte um Rache, erschließen, dass das Gebet möglicherweise im Rahmen des Akītu-Festes für Marduk in Babylon bei der Prozession am 8. Nisannu, dem Hinweg vom Esaĝil in das Akītu-Festhaus, zum Vortrag gebracht wurde. Denn die Prozession wurde theologisch als Feldzug des Marduk gegen Tiāmat gedeutet und der Kampf des Marduk mit Tiāmat wird im Enūma eliš als „Rache“ bezeichnet13, so wie im Gebet der Kampf gegen den Feind „Rache“ genannt wird. Außerdem ist es ein naheliegender Gedanke, dass die beiden Šuʼila-Gebete des Marduk
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K 2529+, iii 54′ f. (Siehe Gabbay 2015, S. 15–20 [ein Partiturumschrift] und Pls. 29–30 [eine neue Autographie von S.M. Maul]). Zum letzten Gebet siehe Maul 1998, bes. S. 160– 76. Eine neue Edition unter Einbeziehung neuer Textvertreter ist vom Verf. in der Reihe Heidelberger Emesal Studien, Bd. 3, Nr. 7 vorgesehen 11 Cooper 1988 setzt eine Lücke zwischen Z. 21 und Z. 1′, die das Ende der Vorderseite und das Anfang der Rückseite eines Textvertreters, BM 59569, entsprechen. Wenn man die Wölbung der Rückseite der Tontafel, BM 59569, in Betracht zieht, scheint es jedoch eher so, als ob keine Zeile fehlen würde. Demnach würde das Gebet aus 35 Zeilen bestehen (abgesehen von den Zeilen mit der akkadischen Übersetzung). 12 Maul 1998, S. 176–82. 13 Lambert 2013, S. 72, II 156, S. 86, IV 13, S. 116, VI 105 und S. 120, VI 163. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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zusammengehörten und somit im Rahmen desselben Festes vor und nach dem Programm im Akītu-Festhaus vorgetragen wurden. Namen und exegetische Epitheta des Marduk In der litaneiartig formulierten einleitenden Anrede wird Marduk mit insgesamt sieben verschiedenen Namen angerufen: Asalluḫi (Z. 2), Asaralimnuna (Z. 3), Marduk (Z. 4), Enbilulu (Z. 5), Tutu (Z. 6), Šazu (Z. 7) und Sirsir (Z. 8). Die Namen zählen zu den fünfzig Namen des Marduk, die ihm im Enūma eliš Tf. 6– 7 verliehen werden14. Von den sieben Namen in der Litanei folgen den Namen Marduk, Tutu und Šazu Epitheta. Auch für Sirsir ist ein Epitheton in der anschließenden Zeile 9 angegeben15. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 2
[ur-s]ag úru ur-ur [q]ar-ra-du a-bu-bu a-ši-šu [u]r-saĝ d Asal-lú-ḫi [q]ar-ra-du dAMAR.UTU ˹ur-saĝ ˺ d Asar-alim-nun-na [q]ar-˹ra˺-[d]u dMIN d ˹ ˺AMAR.UTU ˹šíta˺ saĝ-˹gi˺-a d MIN kak-ku ˹la ma-ḫar˺ umun ˹ d En ˺-bi-lu-lu be-lum d˹MIN˺ ˹ d Tu ˺-tu umun na-áĝ-ti-la d MIN be-lum ba-la-ṭu d ˹ Šà˺-zu umun šà-ab sù-ud-da ˹d˺MIN be-lum šá lìb-ba-a-šú ru-ú-qa [umun] ˹ d Sirsir˺ [be-lu]m dMIN umun-˹e˺ kur-˹ra˺ ˹a˺-ab -b a [be-l]um šá-di-i u ta-ma-tim
˹ku š 7 -su ki-bal˺-[ a] ˹sa˺-p[i-in KUR nu-kúr-tim] ú ru ur-[ur] a-bu-bu a-[ši-šu] kuš 7 -su ki-ba[ l-a] sa-pi-˹in KUR˺ n[u-kúr-tim] ˹ú ru˺ [ ( l e e r ) ] ˹MIN˺ (leer) [(leer)] ˹ku š 7 ˺-[ ( l e e r ) ] MIN (leer) [(leer)] úru ( l e e r ) [ ( l e e r ) ] MIN (leer) [(leer)] kuš 7 - ( l e e r ) [ ( l e e r ) ] MIN (leer) ú ru ( l e e r ) MIN (leer) ku š 7 - ( l e e r ) MIN (leer)
[H]eld, überwältigende Flut, die das Feindesland niederwalzt. [H]eld, Asalluḫi (akk. Marduk), überwältigen[de] Flut.
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Zu den Namen des Marduk in Enūma eliš Tf. VI–VII, vgl. Lambert 2013, S. 147–68; Seri 2006. 15 BM 59569, Vs. 1–18 (A) // BM 34813+35731, Vs. 1–18 (B) // VAT 11691, Vs. 1′–9′ (C) Ed. Cooper 1988, S. 86, Z. 1–9. Kollationiert nach den originalen Tontafeln. Varia 1 A Vs. 1 [ u ] r 4 - ˹ u r 4 ˺ 5 A Vs. 9 ˹ d + E n - b i ˺ - [ l u - l u ] C Vs. 2′ ˹be-lu˺ dEn-˹bi˺-[lu-lu] 6 C Vs. 3′ u mu n (über Rasur) A Vs. 12 [b]e-e[l] C Vs. 4′ be-el ba-la(über „al“?)-˹ṭi˺ 7 C Vs. 5′ š à á ĝ ˹ s ù ˺ - d a C Vs. 6′ ŠÀ-šú ˹ru-qu˺ s[a-pi-in] 8 C Vs. 7′ [ d S ] i r s i r x ( S U D * S U D . A B ) u r u 1 7 u r 4 - u [ r 4 ] 9 C Vs. 8′ k u š 7 - ˹ s u ˺ A Vs. 18 be-[e]l KUR-˹i˺ C Vs. 9′ tam-ti sa-[piin] © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Held, Asaralimnuna, der das Feindesland niederwalzt. Marduk, Waffe ohne Gegner, (überwältigende) Flut. Herr, Enbilulu, der (das Feindesland) nieder(walzt.) Tutu, Herr des Lebens, (überwältigende) Flut. Šazu, Herr, dessen Sinn fern ist, der (das Feindesland) nieder(walzt.) Herr, Sirsir, überwältigende Flut. Herr des Berges und des Meeres, der (das Feindesland) niederwalzt.
All diese vier Epitheta wurden von den jeweils vorangestellten Namen des Marduk abgeleitet. Konkret werden ein Bestandteil oder mehrere Bestandteile des Namens eigenständig als ein bestimmtes Wort interpretiert – egal ob die Deutung der modernen Philologie entsprechend zutreffend ist oder nicht –, mit dem wiederum das entsprechende Epitheton gebildet wird. Vergleichbare akkadische Epitheta, die von einem Gottesnamen abgeleitet wurden, sind vor allem im bereits erwähnten Enūma eliš Tf. 6–7, in Kommentaren zum Enūma eliš16 sowie in verschiedenen literarischen und religiösen Texten bezeugt17. Zwar sind die Epitheta im Gebet u r-saĝ ú ru u r ( 4 ) -ur ( 4 ) im Unterschied zu den anderen Beispielen auf Sumerisch abgefasst, doch ist die Methode, ein Epitheton von einem Gottesnamen abzuleiten, im Grunde genommen identisch18. So werden die betreffenden Epitheta anhand der vergleichbaren Belege analysiert, um den weiteren Verlauf zu untersuchen, warum exakt jene Namen und Epitheta des Marduk im vorliegenden Gebet genannt werden19. In Z. 4 folgt dem Namen d Marduk (dAMAR.UTU) das Epitheton šíta saĝ gi-a = kakku lā maḫār „Waffe ohne Gegner“. Ein Anhaltspunkt, das Epitheton zu deuten, lässt sich in der Götterliste An = Anum Tf. II 193 finden20: d
Mar-ru 10 - ĝiš tukul = Marduk(MIN) a-bu-˹ub kakkī(ĝišTUKUL.MEŠ)˺ Marrutukul = Marduk, die Flut der Waffen.
Der Name d Mar-ru 10 - ĝiš tukul wurde mit Sicherheit vom Namen Marduk selbst abgeleitet, nämlich mar-ru 10 von /mar/ und ĝiš tukul von /duk/21. mar-ru 1 0 war 16 Lambert 2013, S. 139–44 und 147–68; Bottéro 1977, S. 5–28; Frahm 2011, bes. S. 114– 16. Vgl. noch Frahm/Jiménez 2015. 17 Z.B. Cagni 1969, S. 58, Erra-Epos Tf. I, Z. 2–4 (Išum); LKA, Nr. 16 (Nabû); Lambert 1978, pp. 75–111, bes. S. 82ff., Kol. B 1ff. (Nabû); Beaulieu 1995, S. 187–213 (Antu). 18 Zu den hermeneutischen Methoden in der intellektuellen Tradition des alten Mesopotamiens siehe Frahm 2011, S. 59–85. 19 Für die Methodik der babylonischen und assyrischen Hermeneutik siehe die ausführliche Darstellung in Frahm 2011, S. 59–85. 20 Litke 1998, Pl. XII, Kol. iii 148 // CT 24, Pl. 27, Vs. Kol. iii 28. Vgl. Litke 1998, S. 91. 21 Der Name d M a r - r u 1 0 - ĝiš t u k u l taucht im Enūma eliš nicht auf, erinnert jedoch an die Formulierungen šá ina kakkišu (ĝišTUKUL-šu) a-bu-bi ik-mu-u šá-bu-ti „der mit seiner Waffe, der Flut, die Feinde band“ (Lambert 2013, S. 116, VI 125; eine Deutung von Marduk/dAMAR.UTU) und dMa-ru-tu-uk-ku lu-ú tu-kul-tum ma-a-ti āli(URU) u
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als eine Nebenform des Wortes a-ma-ru „Flut“ gebräuchlich22 und (ĝiš) tuku l war ein gängiges Wort für „Waffe“. Somit verweist der Name d Mar-ru 1 0 - ĝiš tukul auf eine Deutung des Namens Marduk als „die Flut, die Waffe“23. Die „Flut“ war eine wichtige „Waffe“ des Ninurta, die vor allem im Lugale vorkommt24; und nachdem Marduk den Status des Ninurta übernommen hatte, wurde die „Flut“ auch als eine bedeutende „Waffe“ des Marduk betrachtet25. Daraus hat sich wohl die oben genannte Deutung des Namens Marduk ergeben. Das Epitheton šíta saĝ-gi-a im vorliegenden Gebet betreffend ist zunächst zu vermerken, dass (ĝiš) šíta ein Synonym zu (ĝiš) tu kul ist und wohl aus der zweiten Hälfte des Namens Marduk, /duk/, über eben dieses Synonym (ĝiš) tu kul abgeleitet wurde (/duk/ > (ĝiš) tukul > (ĝiš) šíta)26. Der daran anschließende Bestandteil saĝ-gi-a = lā maḫār ist ein literarischer Topos, der oft dem Wort
nišīšu(UN.MEŠ-šú) „Marutukku : Er sei das Vertrauen des Landes, der Stadt und seiner Menschen“ (ebd., S. 118, VI 135). Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass der Name d M a r - r u 10 - ĝiš t u k u l über die Formulierungen im Enūma eliš abgeleitet wurde. Möglich erscheint etwa, dass er sich aus einer Deutung der letzteren Formulierung als dMa-ru-tuuk-ku-lu-ú, d.h. Marutukkulū, ergab. 22 Eichler 1993, S. 90–94; PSD A1 109–13; Chen 2013, S. 28–30. Siehe noch Krebernik, 1998, S. 321, Anm. 802 (Hinweis von K. Zand). 23 In der akkadischen Übersetzung sind abūbu und kakkū in eine Genitivverbindung gesetzt, d.h. wörtlich übersetzt „Flut der Waffen“. Dass mit a-bu-ub nicht ein Status rectus abūbu, sondern tatsächlich ein Status constructus abūb gemeint ist, wird durch ein paralleles Epitheton a-bu-ub kakki(ĝišTUKUL) in einem akkadischen Šuʼila-Gebet an Marduk verdeutlicht (Oshima 2011, S. 356, Z. 7; Mayer 1993, S. 316, Z. 23). Mayer meint im Kommentar zu der Zeile, dass es soviel wie ša kakka-šu abūbu bedeutet (ebd., S. 330) und er übersetzt die Zeile „mit dem Flutsturm bewaffneter“. 24 Siehe van Dijk 1983, II, S. 53, Z. 82–83, S. 175, Z. 689. Cooper 1978, S. 80, Z. 141f. RIMA 2, S. 194, Ashurnasirpal II A.0.101.1, Z. 7. RIMA 3, S. 182, Šamšī-Adad V A.0.103.1, Kol. i 10. RIME 3/1, S. 33, Gudea E3/1.1.1.7.StB, Kol. v 37, S. 78, Gudea E3/1.1.7.CylA, Kol. xv 24, S. 92f., Gudea E3/1.1.7.CylB, Kol. vii 14 und viii 2, Vgl. Annus 2002, S. 123–33. 25 Im Enūma eliš Tf. IV 49, 75, und Tf. VI 125 wird die „Flut“ (abūbu) als die „Waffe“ (kakku) des Marduk bezeichnet (Lambert 2013, S. 88, 90 und 116). Zu den weiteren Belegen der „Flut“ als „Waffe“ siehe CAD A1 79f. s.v. abūbu 3b. Vgl. besonders Lambert 1954–56, S. 313 B1 („an Address of Marduk to the Demons“): KI.MIN(= anāku Asalluḫi) ša kakkašu abūbu ezzu. Vgl. einen neubabylonischen Kommentar zum Passus, BM 47529+47685, Rs. 13 (Wee 2016, S. 136f. und 157f.; Gabbay 2016, S. 91f.; Hinweis von U. Gabbay). Vgl. Lambert 1986, S. 55–60, Oshima 2003 und Annus 2002, S. 123–33. 26 Eine grundlegende Frage ist, warum nicht t u k u l , eine klare Parallele aufweisend, sondern š í t a formuliert wurde. Könnte das Wort sich verändert haben, während der Wortlaut des Gebets redigiert wurde? Oder könnte es eventuell darauf hinweisen, dass das Epitheton nicht für das Gebet verfasst, sondern von einem anderen Text entlehnt wurde und sich im Verlauf der Entlehnung von t u k u l zu š í t a verändert hat, oder hat der Verfasser das Epitheton ganz im Gegenteil besonders raffiniert formuliert? © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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„Waffe“ (ĝiš tukul bzw. ĝiš šíta = kakku) sowie „Flut“ (a-ma-ru usw. = abūbu) folgt27. So ist mit d AMAR.UTU šíta saĝ-gi-a wohl eine hoch theologische Schreibweise des a-ma-ru(/mar-ru 1 0 ) (ĝiš) šíta(/tukul) saĝ-gi ( 4 ) -a „Flut, Waffe ohne Gegner“ gemeint28, die mit dem in der Litanei wiederholten Incipit des Gebets úru ur (4) -ur (4) ku š 7 -su ki-bal-la = abūbu āšišu sāpin māt nukurti „überwältigende Flut, die das Feindesland niederwalzt“ vergleichbar ist. In Z. 6 folgt das Epitheton u mu n n a -áĝ -t i -la = bēl balāṭi „Herr des Lebens“ dem Namen d Tu -tu. Ein vergleichbares Epitheton des Tutu zu diesem Epitheton ist zwar weder im Enūma eliš noch in Kommentaren zum Enūma eliš erwähnt, jedoch weisen die einzelnen Elemente der Namen und Epitheta Parallelen zueinander auf. na-áĝ -ti-la = balāṭi ist m.E. vom Bestandteil tu des Namen d Tu-tu über das Verb tu(-d) = (w)alādu „gebären, erzeugen“ abgeleitet29. Zwar ist mir keine Parallele dazu bekannt, doch gibt es zumindest einen indirekten Hinweis auf die Deutung, da der Zusammenhang zwischen dem Namen Tutu und dem Motiv „Leben“ auch im Enūma eliš eine Rolle spielt30. In Z. 7 kommt das Epitheton u mu n šà-ab sù -(ud -)da = bēlum ša libbašu rūqu „Herr, dessen Sinn fern ist“ im Anschluss an den Namen d Šà-zu vor. šàab , die Emesal-Form des Wortes šà(-ĝ ), und seine Entsprechung im akkadischen Epitheton, libbašu, wurden zweifellos vom Bestandteil šà des Namens d Šà-zu abgeleitet. Wie sù -(ud -)da = rūqu abgeleitet wurde, bedarf einer Erklärung. Eine Parallele dazu findet sich in einem Kommentar zu den Namen des Marduk, STC 2, Pl. 62 (K 2107+K 6086), Kol. ii′ 2831: d
Šà-SÙzu = mu-de-e libbi(ŠÀ) ilī(DIĜIR.MEŠ) lìb-bu ru-ú-qu ḫe-pí eš-šú Šazu = der vom Herzen der Götter weiß, das ferne Herz neuer Bruch
27 Siehe beispielsweise Belege in CAD K 62b s.v. maḫāru 3a2′. Außerdem vergleiche z.B. van Dijk 1983, II, S. 53, Z. 83. lā maḫār könnte außerdem von dem ersten Teil des Namens d AMAR.UTU(Marduk), d.h. AMAR, über die lautliche Ähnlichkeit abgeleitet worden sein ((a)mar > mār > maʾār > maḫār). Hinweis von E. Frahm. 28 Vgl. z.B. a-bu-ub ĝišTUKUL qa-bal la [ma-ḫ]ar „(Marduk), ‚Flut der Waffe‘, unwiderstehlich im Kampf“ (Mayer 1993, S. 316, Z. 23). Der Name und das Epitheton d A M A R . U T U š í t a s a ĝ - g i - a könnten eventuell anhand des oben zitierten Lemmas des An = Anum Tf. II 193 gebildet worden sein. Nach P.-A. Beaulieu kann die Götterliste An = Anum auch bei Deutungen des Namens Antu und ihrer verschiedenen Namen in einer Hymne aus der Seleukiden-Zeit als Quelle verwendet worden sein. Siehe Beaulieu 1995. Hierfür vgl. noch Beaulieu 1992 und 1997, bes., S. 70. 29 t i kann vielleicht auch über die lautliche Ähnlichkeit zu t u vermittelt werden. Hinweis von E. Frahm. 30 Vgl. Lambert 2013, S. 124, VII 26 und 30, und ferner STC 2, Pl. LXI (K 2107+K 6086), Vs. Kol. ii′ 21. Die Epitheta, die dort von Tutu oder von den unter ihm angeordneten Namen des Marduk hermeneutisch abgeleitet wurden, haben mit dem Leben zu tun. 31 Siehe Lambert 2013, S. 154.
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Wie die Parallele zeigt, wurde sù-(ud-)da = rūqu wohl vom Bestandteil zu des Namens d Šà-zu über den ähnlichen Lautwert abgeleitet, obwohl die Zeichen SUD und ZU sehr unterschiedlich aussehen. In Z. 8 folgt dem Namen d Sirsir zwar kein Epitheton, doch ist das Epitheton umun-e kur-ra a-ab-ba = bēl šadî u tâmati (/tâmti) „Herr des Berges und des Meeres“ in der anschließenden Z. 9 wohl auf diesen Namen bezogen. Zu dem Epitheton findet man ein vergleichbares Epitheton im Enūma eliš Tf. VII 7032: d
Sirsir šá-pi-ik šadî(KUR-i) e-le-nu-uš Ti-amat Sirsir, der einen Berg über Tiamat aufhäufte Leider ist m.W. noch kein Kommentartext bekannt, der sich auf diese Zeile bezieht33. Sehr wahrscheinlich erscheint jedoch, dass sowohl Tiāmat in der zitierten Parallele als auch a-ab -ba = tâmati (/tâmti) im Epitheton des vorliegenden Gebets vom Zeichenelement AB im Zeichen sirsir (BU* BU.AB) über ab, ein gängiges sumerisches Wort für „Meer“, abgeleitet wurden34. šāpik in der zitierten Parallele wurde wahrscheinlich aus dem Zeichenelement sír(BU) im Zeichen sirsir über seine lautliche Ähnlichkeit zu den sumerischen Verben si und sè(sì) abgeleitet, die oft mit šapāku gleichgesetzt wurden35. In der Tat befindet sich ein vergleichbares Beispiel in einem astrologischen Kommentar: [B]U šá-pa-ku šá IM.DIRI „BU (ist) ‚aufschütten‘ gesagt von Wolken“36. Schwer zu deuten ist šadî in der zitierten Parallele bzw. ku r-ra = šadî im Epitheton des vorliegenden Gebets. Doch kann es kein Zufall sein, dass šadû in den beiden Epitheta des Sirsir vorkommt. Möglich erscheint etwa, dass das sumerische Wort ku r von seiner lautlichen Ähnlichkeit zu sir abgeleitet wurde37. Die Parallele bietet weiterhin einen Anhaltspunkt, das Epitheton umun-e kur-ra a-ab-ba = bēl šadî u tâmati inhaltlich zu deuten, das im Sinne von „der den Berg und das Meer beherrscht“ zu interpretieren wäre. Das „Meer“ verweist dabei auf das mythologische, personifizierte und feindliche „Meer“, d.h. Tiamat, wie bei dem Epitheton šāpik šadî elēnuš Tiāmat und weiteren Epitheta des Sirsir im Enūma eliš Tf. VII 70–77. Der „Berg“ könnte sich eventuell auf eine andere feindliche Figur beziehen, d.h. kur „Berg“ (oder „Bergland“), die vor allem im Angin und Lugale eine wichtige Rolle spielt38. Die Deutung stimmt nicht nur mit dem Charakter des Sirsir, der in seinen 32
Lambert 2013, S. 128. Vgl. Lambert 2013, S. 139–42 und Bottéro 1977, S. 8. 34 Vgl. Lambert 2013, S. 246f. 35 Siehe Belege in CAD Š1 412f. 36 Virolleaud 1908–12, S. 4 Sin Nr. 3, Z. 11; Ergänzung nach CAD Š1 415a. 37 Hinweis von E. Frahm. 38 Siehe Cooper 1978, S. 58, Z. 11, S. 60, Z. 18, Z. 24, Z. 28, S. 62, Z. 46, S. 72, Z. 94, Z. 96, S. 74, Z. 110, Z. 118, Z. 119, S. 76, Z. 128, S. 78, Z. 134, Z. 135, S. 80, Z. 137, Z. 140, S. 86, Z. 160, S. 88, Z. 165 und S. 100, Z. 204. van Dijk 1983, II, S. 25, Z. 2, S. 27, Z. 8, S. 33, Z. 22, S. 44, Z. 47, S. 46, Z. 58, S. 52, Z. 79, S. 58, Z. 95, S. 61, Z. 110, S. 62, Z. 116, S. 72, Z. 163, S. 84, Z. 235, S. 87, Z. 252, S. 87, Z. 256, S. 93, Z. 284, S. 105, 33
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Epitheta im Enūma eliš VII 70–77 deutlich wird39, sondern auch mit der Bitte in der letzten Hälfte des vorliegenden Gebets, also der Bitte um Rache am Feind, überein40. Der redaktions- und religionsgeschichtliche Hintergrund der Namen und der Epitheta Auf diese Weise wurden die Epitheta in der anrufenden Litanei des Gebets u rsaĝ úru ur ( 4 ) -ur ( 4 ) von den jeweils vorangestellten Namen des Marduk abgeleitet. Es ist wohl kein Zufall, dass gerade den behandelten vier Namen solche Epitheta folgen, während den anderen drei Namen, d.h. Asalluḫi, Asaralimnuna und Enbilulu, kein Epitheton folgt. Während die drei Namen ohne Epitheton zusammen mit dem Namen Amarukkam eine „Standardliste“ der Namen des Marduk bilden, die generell in der anrufenden Litanei in den Emesal-Gebeten an diesen Gott belegt ist, sind die mit den Epitheta versehenen vier Namen, Marduk, Tutu, Šazu und Sirsir, bisher nur im vorliegenden Gebet bezeugt41. Es liegt daher Z. 372, S. 169, Z. 648, S. 170, Z. 662 und S. 175, Z. 689. Vgl. noch van Dijk 1983, II, S. 35, Z. 29, S. 37, Z. 34, S. 39, Z. 39, S. 49, Z. 72, S. 58f., Z. 97, S. 59, Z. 101, S. 65, Z. 134, S. 67, Z. 139, S. 69, Z. 147, S. 70, Z. 150, S. 71, Z. 156, S. 73, Z. 167, S. 74, Z. 176, S. 81, Z. 219, S. 86, Z. 245, S. 88f., Z. 263, S. 89, Z. 266, S. 90, Z. 273, S. 92, Z. 281, S. 93, Z. 286, S. 93, Z. 291, S. 94, Z. 300, S. 95, Z. 312, S. 98, Z. 335, S. 100f., Z. 349, S. 102, Z. 355, S. 102, Z. 357, S. 105, Z. 371, S. 112, Z. 390, S. 115, Z. 404, S. 117, Z. 411, S. 119, Z. 419, S. 133, Z. 489, S. 141f., Z. 518, S. 149, Z. 550, S. 153, Z. 560, S. 158, Z. 585, S. 162, Z. 606, S. 163, Z. 608, S. 164, Z. 615 und S. 175f., Z. 692. Siehe außerdem Farber-Flügge 1973, S. 22, Tf. I Kol. iii 6, S. 24, Tf. I Kol. iv 6 und S. 56, Tf. II Kol. v 61 (Inanna und Enki). Vgl. noch Cooper 1978, S. 7f. 39 Die Epitheta des Sirsir im Enūma eliš VII 70ff. enthalten wohl nicht nur eine Deutung des Namens Sirsir, sondern auch einen Hinweis auf mythologische Erzählungen um die nur wenig bekannte Gottheit Sirsir (vgl. Landsberger 1947–50, S. 362–66). 40 Eine andere Deutung wäre, dass sich das Epitheton auf den landwirtschaftlichen Bereich bezieht. Vgl. Oshima 2006, S. 77–88. Ein ähnliches Epitheton des Marduk bēl nagbī šadî u [t]âmāti kommt beispielsweise in einem akkadischen Šuʼila-Gebet in einem solchen Kontext vor (Mayer 1993, S. 316, Z. 28). Die beiden Deutungen sind vielleicht zwei zusammengehörige Aspekte einer Sache, denn eine mythologische Eroberung eines Feindes war, wie im Lugale ganz deutlich dargestellt wird, sehr stark mit der „Eroberung“ der gewaltigen Natur, d.h. der Etablierung der Landwirtschaft, vor allem durch die Bewässerung, verbunden. 41 In folgenden Litaneien sind die Namen Amarukkam, Asalluḫi, Asaralimnuna und Enbilulu erwähnt: K 5168+, Vs. i 1′–4′// BM 38552, Vs. i 1′–4′ // SBH, Nr. 20b, Vs. 4′–7′ (Balaĝ-Gebet e n z u s á ma r - m a r ); BA 5/V, Nr. 19 (K 9270+K 9289)+, Vs. 3–6 (BalaĝGebet u mu n š e - e r - ma - a l - l a aḫû). In folgenden Gebeten sind die Namen Asalluḫi und Enbilulu erwähnt: STT, Nr. 155, Vs. 3–6 (Eršema-Gebet u m u n - ĝ u 1 0 z a - e . Ed. HES 2, Nr. 13; Cohen 1981, S. 136). VS 24, Nr. 22, Vs. 4–5 (Eršema-Gebet u r - s a ĝ g a l me - n i š e - e r - ma - a l - l a í l - l a . HES 2, Nr. 65) // TCL 15, Nr. 11, Vs. 24–25 u. Dup. (ein Ab© 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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sehr nahe, dass die Liste der Namen des Marduk im vorliegenden Gebet redaktionsgeschichtlich so abgefasst wurde, indem zu der „Standardliste“ seiner Namen die vier „außergewöhnlichen“ Namen hinzugefügt wurden, und dann die Epitheta wohl absichtlich nur diesen vier hinzugefügten Namen beigefügt wurden. Die Frage ist dann, warum Marduk im vorliegenden Gebet mit diesen „außergewöhnlichen“ Namen zusammen mit den oben erörterten hoch exegetischen Epitheta angerufen wird. Es erscheint möglich, dass mit der Anrufung seines Namens verdeutlicht werden sollte, welche Aspekte des Marduk im Gebet angesprochen werden. Die Namen des Marduk „verkörperten“ jeweils einen bestimmten Aspekt dieses Gottes, wie im Enūma eliš Tf. 6–7 deutlich wird. Was die oben erörterten Epitheta angeht, ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass mit ihnen die ersuchten Aspekte des Marduk festgestellt wurden. Ein Epitheton, das sich von einem Gottesnamen herleitet und diesen ausdeutet, wurde von den mesopotamischen Gelehrten mit Sicherheit nicht als ein einfaches Wortspiel aufgefasst, sondern als ein seriöser theologischer Versuch einen verborgenen Charakter der betreffenden Gottheit freizulegen42. Wie bereits erwähnt, stimmen dAMAR.UTU šíta saĝ -gi-a in Z. 4 und umun-e ku r-ra a-ab-ba in Z. 9 mit dem kriegerischen Aspekt des Marduk überein, der im Incipit und in der letzten Hälfte des Gebets eindeutig betont wird. Es ist schwierig festzustellen, wann und in welchem historischen Kontext das Gebet bzw. die Passage mit den Namen und den Epitheta Marduks verfasst wurde. Es liegt zwar nahe, dass die Liste der Namen und der Epitheta im Gebet aus dem Enūma eliš abgeleitet wurde. Allerdings ist es auch nicht auszuschließen, dass die Liste vielmehr von Vorläufern, die ihrerseits für die Zusammenstellung der fünfzig Namen des Maruk in Enūma eliš benutzt wurden, abhängig ist43. Möglich erscheint allerdings, dass das Gebet bei der Begründung eines neuen rituellen Programms verfasst wurde, obwohl all diese Überlegungen natürlich spekulativ bleiben. Wie bereits erwähnt, wurde das Gebet ur-saĝ úru ur ( 4 ) -ur ( 4 ) möglicherweise im Akītu-Fest für Marduk in Babylon im Monat Nisannu am 8. Tag bei der Prozession von Esaĝil ins Akītu-Festhaus vorgetragen. Nach einigen Kultkommentaren wurde Marduk während der Prozessionen zwischen Esaĝil und Akītu-Festhaus am 8. und 11. in verschiedenen Stationen unter Verwendung bestimmter Namen verehrt44. Die oben diskutierten Namen des Marduk im Gebet schnitt eines Balag-Gebets). Siehe HES 2 „Synopsis No. IX“. Maul 1988, S. 171, Ešḫ Nr. 24, (Vs.) 6′–7′ (Ein Eršaḫuĝa-Gebet an Marduk); Maul 1998, Z. 2f. Vgl. Gabbay 2014, S. 45–47. 42 Hierfür vgl. Bottéro 1977, S. 5–28. 43 Die Liste der fünfzig Namen des Marduk im Enūma eliš Tf. 6–7 wurde wahrscheinlich auf der Basis von Material aus Götterlisten verfasst, worauf A. Seri (2006) hinwies. 44 KAR, Nr. 142, Vs. Kol. i 1–9 // CT 46, Pl. L, Nr. 53 (Sm 1720)+, Kol. ii 12ff.; Lambert 1997, S. 78–80 (U 30495), Vs. Kol. i 1–12; Cavigneaux 1981, S. 175, 79–B-1/30, Z. 3–10 © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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könnten sich eventuell auf diese Namen beziehen. Dafür spricht die Erwähnung des Namens Sirsir in Z. 8, da man Marduk nach den Kultkommentaren bei der Prozession am 8. in der Barke ĝiš má-u mu š-a unter Verwendung dieses Namens verehrt hat45. Schlussbemerkung Hinsichtlich der Mehrsprachigkeit, ist es erwähnenswert, dass die vorliegenden exegetischen Epitheta des Marduk bezeugen, dass die „Ergebnisse“ der hermeneutischen Studie zu den sumerischen Wörtern im Unterschied zu den meisten vergleichbaren Belegen nicht auf Akkadisch, sondern auf Sumerisch abgefasst wurden. Die „Ergebnisse“ dieser Tätigkeit der Schreiber fügten also neue sumerische Texte zum bekannten Korpus hinzu. Im intellektuellen Diskurs im Mesopotamien des 2. und 1. Jt. v.Chr. war das Sumerische ein Gegenstand der Untersuchung, eine Quelle für Wissen, sowie eine Sprache, die schriftlich noch aktiv verwendet wurde. Mit Hilfe des Sumerischen, wie an dem hier behandelten Fall aufgezeigt, wurde Wissen generiert. Im 2. und 1. Jt. v.Chr. war das Sumerisch eine tote Sprache. Die Verwendung des Sumerischen als Wissenschaftssprache brachte allerdings eine neue mehrsprachige Situation hervor, die von der Mehrsprachigkeit des 3. Jt. v.Chr. völlig unterschiedlich war. Abkürzungen IVR2 = Rawlinson und Pinches 1891; BA 5/V = Macmillan 1906; CAD = Oppenheim et al. 1956–2010; CT 24 = King 1908; CT 46 = Lambert und Millard 1965; HES 2 = Gabbay 2015; KAR = Ebeling 1919/23; LKA = Ebeling et al. 1953; PSD = Sjöberg et. al. 1984–; RIMA 2 = Grayson 1991; RIMA 3 = Grayson 1996; RIME 3/1 = Edzard 1997; SBH = Reisner 1896; STC 2 = King 1902; STT = Gurney et al. 1957/64; TCL 15 = de Genouillac 1930; VS 24 = van Dijk 1987 Literatur Annus, A. (2002), The God Ninurta in the Mythology and Royal Ideology of Ancient Mesopotamia, SAAS 14, Helsinki Beaulieu, P.-A. (1992), „Antiquarian Theology in Seleucid Uruk“, ASJ 14, S. 47– 75 — (1995), „Theological and Philological Speculations on the Names of the Goddess Antu“, Or. NS 64, S. 187–213
// George 1992, Nr. 59; Vgl. auch Maul 1998, S. 178f. 45 Hierfür siehe Maul 1998, S. 178, Anm. 70. Allerdings muss man natürlich beachten, dass die im Gebet erwähnten anderen Namen, z.B. Tutu oder Šazu, in den Kultkommentaren nicht vorkommen. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Zur Sprachsituation im Babylonien des ersten Jahrtausends v.Chr. Ein Beitrag zur Sprachgeschichte des jüngeren Akkadischen1 Johannes Hackl
Einleitendes Jede Auseinandersetzung mit der Sprachsituation im Babylonien des ersten Jahrtausends v.Chr. hat sich notwendigerweise auch mit der Frage nach dem Sprachtod des Akkadischen zu beschäftigen. In der einschlägigen Forschung wird nahezu einhellig die Meinung vertreten, dass das Akkadische bereits (sehr) früh im ersten Jahrtausend v.Chr. durch das Aramäische verdrängt wurde und lediglich als Schrift- bzw. Verwaltungssprache weiter in Verwendung blieb. Exemplarisch lässt sich diese Position an einer Reihe von Zitaten aus der (jüngeren) Forschungsliteratur aufzeigen, die bei Hackl, im Druck zusammengestellt sind.2 Deutlich wird hier aber nicht nur die Überzeugung vom frühen Sprachtod des Akkadischen, sondern auch die teils stark wertende Haltung gegenüber den jüngsten Sprachstufen (i.e. dem Neu- und Spätbabylonischen, zur Begrifflichkeit s. unten). Vor allem das Spätbabylonische wird – gemessen an vermeintlichen früheren ‚Normen‘ (gemeint ist hier vor allem das Altbabylonische) und aufgrund der postulierten Sprachmischung mit dem Aramäischen – als besonders korrumpiert dargestellt. Diese nach den Grundsätzen der deskriptiven Linguistik verfehlten Sprachbeschreibungen, die eine frühere ‚Norm’ in den Mittelpunkt stellen, sind insbe1 Die Vorarbeiten zu vorliegendem Beitrag sind im Rahmen des am Institut für Orientalistik (Universität Wien) angesiedelten Projekts The Language of Power I: Official Epistolography in Babylonia in the First Millennium BC S 10803–G18 entstanden, welches vom Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (Wien) finanziert wird. Mein Dank geht an M. Jursa, den Leiter dieses Projekts, und M.P. Streck, die das Manuskript gelesen haben. Die in diesem Beitrag verwendeten Abkürzungen folgen den Abkürzungsverzeichnissen in Archiv für Orientforschung 48/49 (2001/02), 311ff. und Jursa 2005, 153ff. Umrechnungen nach dem Julianischen Kalender folgen Parker/Dubberstein 1956. 2 Von Soden 31995, §§ 2h und 193a/c, Buccelati 1996, 2, Kienast 2001, 5, George 2007, 61 und Huehnergard/Woods 2008, 84. Auch Kouwenberg 2010, die letzte umfangreiche grammatische Studie zum Akkadischen, die von Soden 31995 in weiten Teilen ersetzt (Kogan 2012, 304), verweist an entsprechender Stelle unkommentiert auf von Soden 3 1995, § 2h (Kouwenberg 2010, 16).
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sondere vor dem Hintergrund folgender Punkte abzulehnen. Zum einen wird übersehen, dass Sprachen von der Gemeinschaft der Sprecher fortwährend an ihre wechselnde Umwelt angepasst werden, sich also alle Sprachen ständig verändern (ob nun aufgrund systemimmanenter Tendenzen, durch gegenseitige Beeinflussung von Dialekten oder durch Einflüsse anderer Sprachen3). Und zum anderen, dass jede Sprache seit jeher mit anderen Sprachen in Kontakt steht; Sprachkontakt stellt also nicht den Ausnahme-, sondern Regelfall dar und trägt auf diese Weise grundlegend zu diesem ständigen Anpassungsprozess bei. Die dennoch beharrlich vertretene Meinung, dass Sprachkontakt negative Auswirkungen auf die Empfängersprache hat (wie z.B. in obigen Zitaten für das Spätbabylonische befürchtet), gründet maßgeblich auf einer verkehrten Setzung der Prioritäten bei der Untersuchung von Sprachentwicklung, die bei Bechert/Wildgen 1991, 19 folgendermaßen beschrieben wird (Hervorhebungen im Original): „Sprache erscheint als das primär Gegebene, der Kontakt dieser Sprachen als das Sekundäre. Es verhält sich aber umgekehrt: Verständigungsmittel werden in der Interaktion ausgehandelt, Sprachen entstehen aus dem Miteinander-Sprechen der Menschen, also aus dem ‚Sprachkontakt‘“. In Anbetracht dieser Erkenntnis der Sprachkontaktforschung erscheint es naheliegend, das Phänomen des Sprachkontakts in den Mittelpunkt der nachfolgenden Auseinandersetzung mit der Sprachsituation im Babylonien (i.e. Mittel- und Südmesopotamien) des (späteren)4 ersten Jahrtausends v.Chr. zu rücken. Ziel ist die Einbeziehung von Ansätzen der Sprachkontaktforschung, die methodisch über die herkömmliche Betrachtungsweise hinausführen. Die Auswahl der Themen, die in den beiden folgenden Abschnitten behandelt werden, orientiert sich allerdings nicht nur an rein kontaktlinguistischen Aspekten, sondern berücksichtigt auch allgemeinere Fragestellungen, die den bestehenden Diskurs um die sprachgeschichtliche Entwicklung des Babylonischen innerhalb der Assyriologie prägen. Eine eingehende Untersuchung morphologischer, syntaktischer oder lexikalischer Strukturen ist nicht beabsichtigt, auf einzelne grammatische Phänomene wird aber gelegentlich näher einzugehen sein. Die Periodisierung der jüngsten Sprachstufen des Akkadischen Anknüpfend an das soeben Gesagte wollen wir uns zunächst terminologischen Schwierigkeiten zuwenden. Für die Bezeichnung der jüngsten Sprachstufen des Akkadischen hat sich innerhalb der Assyriologie das Begriffspaar Neu- und Spät3
Thomason/Kaufman 1988, 9. Im Rahmen dieses Beitrags beschäftigen wir uns primär mit der Sprachsituation nach dem Ende der assyrischen Herrschaft über Babylonien, also jener Periode, der nach traditioneller sprachgeschichtlicher Auffassung die spätbabylonische Sprachstufe entspricht (s. unten).
4
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Zur Sprachsituation im Babylonien des ersten Jahrtausends v.Chr.
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babylonisch durchgesetzt, dem in der englischsprachigen Literatur die Begriffe Neo-Babylonian und Late Babylonian gegenüberstehen.5 Das Neubabylonische bezeichnet nach W. von Soden das Babylonische der Assyrerzeit (bis ca. 626 v.Chr.), das Spätbabylonische hingegen das der nachfolgenden Perioden bis zum Ende der keilschriftlichen Überlieferung (also in etwa des Zeitraums vom späten siebten bis zum beginnenden ersten Jahrhundert v.Chr.).6 Weniger systematisch ist die Abgrenzung in der englischsprachigen Literatur. Hier bezeichnet der Begriff Neo-Babylonian mitunter das Babylonische des gesamten ersten Jahrtausends v.Chr., neben Late Babylonian aber auch nur das der Assyrer- und Chaldäerzeit (oder auch nur der ersteren); im zweiten Fall entspricht die Verwendungsweise der Begriffe also weitgehend jener von Sodens. Bereits dieser stark verkürzte Abriss der Begriffsgeschichte verdeutlicht, dass der Gebrauch der Termini in der wissenschaftlichen Literatur nicht gerade zur Klarheit darüber beiträgt, wovon jeweils die Rede sein soll. Wirft man zudem einen genaueren Blick auf die sprachlichen Merkmale der einzelnen Korpora, so zeigt sich, dass auch die Periodisierung (i.e. die Abgrenzung des Neu- zum Spätbabylonischen hin) wesentlich unschärfer ist,7 als dies die gängigen Sprachstufenmodelle mit ihrer offenkundigen Überbewertung sozial-politischer Faktoren glauben machen möchten. Weitreichende Sprachentwicklungen (insbesondere deren Beginn bzw. Abschluss), die eine Unterteilung in verschiedene Entwicklungsabschnitte rechtfertigen würden, sind weder am Ende der Assyrerzeit, noch am Ende der Chaldäerzeit feststellbar; stattdessen ist gerade das Babylonische dieser beiden Perioden (mit Ausnahme der Lexik8) durch große Einheitlichkeit geprägt.9
5 Daneben besteht noch eine literarische Varietät des Babylonischen, die als Jungbabylonisch oder Standard Babylonian bezeichnet wird. Zusammenfassend Streck 2011a, 380f. 6 Von Soden 31995, § 2h. 7 So bereits der Zusatz bei von Soden 31995, § 2g. 8 Streck 2010. 9 Dies zeigen Vergleichsstudien anhand verschiedener Korpora (z.B. Hackl 2007, 141). Auf synchroner Ebene ist in diesem Zusammenhang vor allem die Sprache des langen sechsten Jahrhunderts (i.e. der Chaldäer- und Perserzeit bis zu den babylonischen Revolten gegen Xerxes) hervorzuheben (mit Einschränkungen auch jene der beiden nachfolgenden Jahrhunderte), die sich durch besonders große Einheitlichkeit auszeichnet. Dementsprechend selten sind selbst lexikalische Dialektmerkmale. Beispiele finden sich insbesondere im Bereich des Fachvokabulars, wie etwa indu (Süden) gegenüber imittu (Norden), beide für „Pachtauflage“ (Landwirtschaft), oder sattuku (Sippar) gegenüber ginû (Borsippa), beide für „regelmäßiges Opfer“ (Pfründenwesen). Anzunehmen ist daher, dass spätestens im siebten Jahrhundert v.Chr. eine Nivellierung der sprachlichen Differenzen der einzelnen Dialekte stattgefunden hat, die zur Ausbildung eines Interdialekts führte. In einem weiteren Schritt wird dieser zur Umgangssprache erhoben (d.h. koineisiert; dazu Trudgill 1986, 127ff.) und zudem als überregionale Schriftsprache verwendet.
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Angesichts dieses Befunds drängt sich die Frage auf, warum sich diese Abgrenzung in der Forschung dennoch durchgesetzt hat. Einer der Hauptgründe ist sicherlich darin zu suchen, dass sich erst in den letzten beiden Jahrzehnten ein erhöhtes Interesse an einer systematischen Untersuchung des Spätbabylonischen (hier und im Folgenden nach von Sodens Einteilung) eingestellt hat; Sprachbeschreibungen des jüngeren Akkadischen konnten folglich lange Zeit nicht auf grammatische Analysen zurückgreifen, sondern beruhten vielfach auf rein oberflächlichen Bewertungen und Einzelbeobachtungen,10 die von der weiteren Forschung oft unkritisch übernommen wurden.11 Als Folge daraus wurden auch die (im Vergleich zu früheren Perioden) wenigen Texte der Spätzeit12 sprachlich jenen des langen sechsten Jahrhunderts zugeschlagen, obwohl vor allem jene der späteren Seleukiden- und Partherzeit sprachliche Besonderheiten aufweisen, die eine Abgrenzung gegenüber den älteren Textkorpora rechtfertigen (s. unten). Aufgrund rezenter Studien und neu erschlossener Quellen haben sich unsere Kenntnisse des Spätbabylonischen zwar mittlerweile erheblich verbessert, die gängigen Sprachstufenmodelle werden aber auch weiterhin (nahezu) unverändert beibehalten.13 Eine nähere Auseinandersetzung mit der Periodisierung des jüngeren Babylonischen erscheint daher notwendig. Ausgangspunkt einer derart angelegten Untersuchung ist eine Gegenüberstellung typologischer Merkmale, die die Sprache der einzelnen Textkorpora kennzeichnen. Im Rahmen dieses Beitrags kann eine umfangreiche sprachtypologische Analyse freilich nicht geleistet werden, wir beschränken uns daher in einem ersten Schritt auf den Bereich der Wortstellungstypologie, der eine Reihe typologischer Merkmale umfasst, die sich (trotz verschiedener methodischer Probleme14) für eine Untersuchung dieser Art besonders eignen.15 Berücksichtigt werden hier 10 Diese Bewertungen sind vielfach den orthographischen Eigenheiten der Texte des ersten Jahrtausends v.Chr. geschuldet, die das Bestreben der babylonischen Scheiber widerspiegeln, die zunehmende Diskrepanz zwischen zeitgenössischer Sprache und althergebrachtem Schriftsystem auszugleichen (dazu Streck 2001). 11 Dies lässt sich z.B. daran aufzeigen, dass von Sodens Aussagen zum Spätbabylonischen in der dritten, überarbeiteten Auflage von GAG (31995), die vier Jahrzehnte nach der Erstauflage (1952) veröffentlicht wurde, unkommentiert übernommen wurden (gemeint ist vor allem der § 2h; der Abschnitt mit den Charakteristiken der Hauptdialekte, darunter auch die §§ 193a/b/c für das Spätbabylonische, wurde laut Zusatz bei § 187 aus Platzgründen etc. bewusst nicht ergänzt). Ferner ist auch auf die in Anm. 2 genannte Literatur hinzuwiesen. 12 Gemeint sind hier jene Texte (ca. 4000), die in der spätachämenidischen und hellenistischen Zeit entstanden sind, d.h. in der Periode unmittelbar im Anschluss an das sehr gut dokumentierte lange sechste Jahrhundert. 13 Streck 1995 und 22006, 46f. 14 Brody 1984. 15 Hervorzuheben ist hier insbesondere die Tatsache, dass eine Untersuchung der Wortstellung von den Schwierigkeiten im Bereich der Orthographie (vgl. Anm. 10) unberührt
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a) die relative Ordnung von nominalem Subjekt (S), nominalem Objekt (O) und Verb (V) im Aussagesatz b) die relative Ordnung von nominalem Subjekt (S), nominalem Objekt (O) und Verb (V) im Relativsatz c) die relative Stellung von Präpositionalphrasen zum Verb: Präverbal (PPV) vs. postverbal (VPP) Zum Zwecke einer typologisch-geographischen Analyse soll der Vergleich dieser Merkmale aber nicht nur auf diachroner, sondern auch auf synchroner Ebene durchgeführt werden.16 Auf diese Weise werden auch die Voraussetzungen für eine Arealtypologie geschaffen, mittels derer in der Sprachkontaktforschung die Langzeitwirkungen von Sprachkontakt und deren Folgen erforscht werden.17 Die Textkorpora, die für diese Analyse herangezogen wurden, setzen sich primär aus Briefen, daneben aber auch aus Urkunden zusammen. Begründen lässt sich diese Auswahl damit, dass erstere Sprachentwicklungen aufgrund ihrer Nähe zur Umgangssprache wesentlich besser abbilden, als dies bei anderen Textgattungen, insbesondere den archaisierenden Königsinschriften, der Fall ist. Anderseits erfordert die Quellenlage auch eine Einbeziehung der überwiegend stereotypen Urkunden. Die verfügbaren rechtsgeschäftlichen Quellen sind zwar ebenso wie die epistolographischen sehr ungleich über den hier untersuchten Zeitraum verteilt18, liegen allerdings insgesamt in weitaus größerer Anzahl vor. Um einer Verzerrung der Untersuchung vorzubeugen, ist es freilich notwendig, a) die Urkundensprache des gesamten Zeitraums zu berücksichtigen und b) auf gattungsspezifische Eigenheiten gesondert hinzuweisen. Tab. 1: Wortstellungsmerkmale des Babylonischen (8. bis 2. Jh. v.Chr.)19 Hauptsatz/Nebensatz/PP
Korpus
SOV/ SOV/PPV SOV/ SOV/PPV SOV/ SOV/PPV
Mittelbabylonien, 8. Jh. v.Chr. Nordbabylonien, spätes 8. / 7. Jh. v.Chr. Südbabylonien, spätes 8. / 7. Jh. v.Chr.
bleibt. Weitere Aspekte, bei denen eine nähere sprachliche Auseinandersetzung lohnend erscheint, umfassen die Entwicklung der Adverba, Präpositionen und Subjunktionen, die Syntax der selbstständigen Pronomina und die Verwendung der beiden perfektiven Formen iprus und iptaras (dazu Anm. 27). 16 Quellenbedingt können allerdings nicht alle Regionen (Nord-, Mittel- und Südbabylonien) zu allen Zeiten gleich beleuchtet werden. Für das Textkorpus vgl. Anm. 19. 17 Bechert/Wildgen 1991, 29f. 18 Vgl. dazu Jursa 2005, 1+1 und 2010, 7ff. mit der wesentlichen Literatur. 19 Das für vorliegende Untersuchung herangezogene Textmaterial findet sich in folgenden Publikationen: a) Briefe: OIP 114 (Nippur-Briefe des 8. Jh. v.Chr.) sowie SAA 17 und 18 (Ninive-Briefe des späten 8. und 7. Jh. v.Chr. in babylonischer Sprache); die Briefe des langen sechsten Jahrhunderts und der Spätzeit sind auf zahlreiche Publikationen verteilt, © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Hauptsatz/Nebensatz/PP
Korpus
SOV/ SOV/PPV SOV/ SOV/PPV SOV/ SOV/PPV
Nordbabylonien, 6. Jh. v.Chr. Mittelbabylonien, 6. Jh. v.Chr. Südbabylonien, 6. Jh. v.Chr.
SOV/ SOV/PPV SOV/ SOV/PPV
Nordbabylonien, 5. Jh. v.Chr. Mittelbabylonien, 5. Jh. v.Chr.
SOV/ SOV/PPV
Nordbabylonien, spätes 4. / frühes 3. Jh. v.Chr. Südbabylonien, frühes 3. Jh. v.Chr.
SOV/ SOV/PPV SOV, VSO/SOV, VSO/PPV, VPP SOV, VSO/SOV, VSO/PPV, VPP
Nordbabylonien, spätes 3. / 2. Jh. v.Chr. Südbabylonien, spätes 3. / 2. Jh. v.Chr.
Ungeachtet der Notwendigkeit einer vollständigen quantitativen und qualitativen Auswertung dieser (und weiterer) typologischer Merkmale der hier untersuchten Textkorpora, lassen sich bereits an dieser Stelle einige vorläufige Ergebnisse zusammenfassen. Die wesentlichen Beobachtungen, die aus Tab. 1 abgeleitet werden können, sind folgende: (1) Regionale Unterschiede im Sinne einer typologisch-geographischen Analyse sind nicht feststellbar;20 (2) die für das Akkadische typische Subjekt-Objekt-Verb-Wortstellung (in Prosatexten) wurde zwar über einen sehr ausgedehnten, jedoch nicht über den gesamten (dokumentierten) Zeitraum beibehalten. Spätestens gegen Ende des dritten Jahrhunderts v.Chr. sind weitreichende Veränderungen im Bereich der Syntax zu beobachten, die ob ihrer Komplexität eines ausführlicheren Kommentars bedürfen. Auf den ersten Blick erwecken die schematisch dargestellten Wortstellungsmerkmale der beiden letzten Tabelleneinträge den Eindruck, dass die Wortstellung ab dem späten dritten Jahrhundert v.Chr. weitgehend willkürlich ist; unterzieht man die Textkorpora, auf denen sie beruhen, aber einer genaueren Überprüfung, so zeigt sich, dass sie immer noch gewissen Regelmäßigkeiten folgt. Wir beginnen unsere Betrachtung mit den epistolographischen Quellen. vgl. dazu die Zusammenstellungen bei Hackl 2007, 4ff. und im Druck. b) Urkunden: BE 9, 10, PBS 2/1, Stolper, Entrepreneurs, Donbaz/Stolper, Istanbul Murašû Texts, TMH 2/3 und UCP 9/3 (Nippur, 5. Jh. v.Chr.), CT 49 und Hackl 2013 (Nordbabylonien, 5. bis 1. Jh. v.Chr.), BiMes 24, BRM 2, OECT 9, VS 15 (Südbabylonien, 3. bis 2. Jh. v.Chr.). Für älteres Urkundenmaterial ist auf die bei Jursa 2005, 11 zusammengestellte Literatur zu verweisen. 20 Vgl. dazu das in Anm. 9 Gesagte. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Auch in den Briefen der späten Seleukiden- und Partherzeit entspricht die Grundwortstellung der Hauptkonstituenten jener der älteren Textvertreter, also Subjekt-Objekt-Verb. Bezieht man neben den Hauptkonstituenten aber auch andere Satzkonstituenten ein, werden Abweichungen deutlich. Denn anders als in den älteren Textvertretern stehen Präpositionalphrasen (meist in der Funktion eines Adverbials) nun häufig nicht mehr in präverbaler Position, sondern im Anschluss an das finite Verb. (1), (2) und (3) verdeutlichen dies (betroffene Präpositionalphrasen sind jeweils fett gesetzt).21 (1)
attunu ihr(M)
enna jetzt
abī-šu Vater-seinem
agâ dieses
qerbā seid.nahe.IMP(PL)
ana_muḫḫi zu
ša damit
anīni wir
asûs-su Heilkunst-seine
nippuš-u wir.führen.aus-SUB „Wendet euch jetzt selbst an seinen Vater, damit wir mit seiner Behandlung beginnen können!“22 (BaM Beih. 2, 113: 23–25; Brief, ~ 192–162 v.Chr.) (2)
īdû ša sie.wissen(M) dass
P[N] PN
[abi] Vater.von
abī-k[a] Vater-deines(M)
[i]mḫur-šunūti er.empfing-sie(MPL)
ina qāt von
PN2 PN2
(...)
„Sie wissen Bescheid, dass PN, dein Großvater, sie (scil. die Pfründenanteile) von PN2 (...) gekauft hat.“ (ARRIM 4, 36: 15–16; Brief, 169 v.Chr.) (3)
giṭṭ-u Pergamenturkunde-ACC ina in
mukīn Zeuge.von
ša REL
ina_qāt epšēti aus Transaktionen.GEN
šarr-i iturr-u König-GEN er.ist-SUB
ša REL
ana_muḫḫi hinsichtlich
21
Die Übersetzung der einzelnen Wörter bzw. Wortgruppen ist in der Interlinearglossierung (weitgehend) wörtlich, in der zusammenhängenden Übersetzung hingegen freier gehalten. Die Normalisierung der Belege folgt den (teils anachronistischen) Konventionen bei Jursa 2005, 315, da eine historisch korrekte Normalisierung zu viele Vorentscheidungen zur Orthographie und Grammatik voraussetzt, die zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht mit ausreichender Sicherheit getroffen werden können. 22 Oder übersetze: „Was euch angeht, wendet euch an seinen Vater ...“. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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nudunnê Mitgift.GEN
ša von
PNF PNF
(...)
„Was die Pergamenturkunde betrifft, die (einen Auszug) aus den Transaktionen darstellt (und) sich im königlichen Register hinsichtlich der Mitgift der PNF befinden sollte, (...)“ (CT 51, 72 = Strassmaier, 8. Kongress Nr. 32: 3–7; Brief, ~ 148 v.Chr.) Unklar ist derzeit noch, ob die Positionierung der Satzkonstituente Präpositionalphrase durch ihre jeweilige syntaktische Funktion, also ihre Verwendung als (optionales) Argument oder Adjunkt beeinflusst wird. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang jedenfalls, dass mit den – insbesondere in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends v.Chr. zunehmenden – Final- und Konsekutivsätzen23 eine weitere Art der Adverbialbestimmung (Nebensatz) überwiegend in postverbaler Stellung begegnet (gemeint ist das Verb des Matrixsatzes). Nachgestellte Nebensätze sind dem Spätbabylonischen zwar keineswegs fremd, Adverbialsätze (als Unterart des Nebensatzes) werden jedoch in der Regel vorangestellt;24 Finalund Konsekutivsätze mit der Subjunktion ša (also die sprachgeschichtlich ‚jüngsten‘ Adverbialsätze) sind von dieser Regel scheinbar ausgenommen. Wenn wir nun wieder zu den Wortstellungsmerkmalen zurückkehren, so ist in einem nächsten Schritt auf die Wortstellung der Relativsätze einzugehen. Ungeachtet der Tatsache, dass das Akkadische als Pro-Drop-Sprache25 eine Bestimmung der Subjektposition oftmals erschwert, lassen sich auch hier gewisse Neuerungen im Hinblick auf die Grundwortstellung herausarbeiten. Wesentliches Merkmal dieser Veränderungen ist die Topikalisierung des Verbs, wie (4) und (5) zeigen. (4)
ša REL
P[N] itammû er.schwört.SUB PN
isqē Pfründenanteile.GEN
annûtu-umma26 diese(MPL)-P
[a]na_[muḫḫ]i? hinsichtlich (...)
23
Ausführlich dazu Hackl, im Druck. Vgl. dazu die Anmerkungen zur Satzstellung der einzelnen adverbialen Nebensatztypen bei Hackl 2007, 61ff. Eine klare Ausnahme bilden hier nur die durch adī (muḫḫi ša) eingeleiteten Adverbialsätze (ebd., 95). 25 Gemeint sind Sprachen, in denen finite Sätze mit leerer Subjektposition (mit pronominalen Eigenschaften) vorkommen können, ohne dass dies die Entstehung eines grammatikalisch unvollständigen Satzes bedingt (Bußmann 2002, 537). Z.B. šipirtu altapar „ich habe das Schreiben geschickt “ anstelle von anāku šipirtu altapar (die zweite Konstruktion begegnet zwar ebenfalls, das Pronomen drückt in diesem Fall aber die besondere Emphase aus, vgl. Anm. 70). 26 Der Normalisierung liegt die Annahme zugrunde, dass die Schreibung als Sandhi zu verstehen ist. 24
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„(Das ist es), was PN hinsichtlich dieser Pfründenanteile schwören soll: (...)“ (ARRIM 4, 36: 14–15; Brief, 169 v.Chr.) (5)
liginn-u Brief-NOM
PN PN
ša
iturr-u er.ist-SUB
REL
(...)
ana an
PN2 PN2
(...)
purustatēs-u Vorsteher-NOM
„Brief des PN (...) an PN2 (...), der Vorsteher ist“ (Iraq 43, 193c [AB 247]: 1–4; Brief, 116 v.Chr.) Legt man nun die eben diskutierten Beobachtungen auf die zeitgleiche Urkundensprache um, ergibt sich auf den ersten Blick ein gegenläufiger Befund; die typische Wortstellung des (älteren) Akkadischen wird hier – auch im Hinblick auf die Satzkonstituente Präpositionalphrase – fast durchgehend beibehalten. Einzig die Topikalisierung des Verbs im Relativsatz begegnet auch in den Urkunden nicht selten. Wie lässt sich dies nun mit dem Befund auf Basis der epistolographischen Quellen vereinbaren? Weiter oben haben wir bereits kurz auf die gattungsspezifischen Eigenheiten der Briefe und Urkunden hingewiesen. Naheliegend ist daher, das wesentliche Merkmal der Urkundensprache, i.e. den beständigen Formalismus bzw. allgemeinen sprachlichen Konservatismus, für die verzögerte Aufnahme sprachlicher Neuerungen verantwortlich zu machen. Nachweisen lässt sich dies nicht nur anhand der Urkunden früherer Perioden,27 sondern auch auf Basis der Urkunden der späten Seleukiden- und Partherzeit, auf denen obige syntaktische Beobachtungen gründen. Isoliert man die (seltenen) Fälle, in denen Nebenabreden28 trotz der typischen knappen Schilderung des rechtsgeschäftlichen Vorgangs als gewillkürte und vor allem individuell formulierte Bestandteile in den Vertragsinhalt der Urkunden aufgenommen werden, lassen sich auch bei dieser Textgattung eben jene sprachlichen Neuerungen nachweisen, die wir weiter 27 Eine sehr deutliche Abgrenzung zwischen der Sprache der Urkunden und jener der Briefe lässt sich auf Basis der Verwendungsweise von perfektivem iprus vornehmen. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass der positive Hauptsatz mit Zeitstellenwert Vergangenheit in den Urkunden mit iprus, in den Briefen dagegen nur noch mit der zweiten perfektiven Form, iptaras, konstruiert wird. Zu beachten ist aber, dass diese scharfe Trennung spätestens in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts v.Chr. zu schwinden beginnt (vereinzelte Belege finden sich allerdings bereits im langen sechsten Jahrhundert, insbesondere in der direkten Rede, z.B. VS 5, 21: 1–5); fortan wird auch in den Urkunden iptaras vermehrt in dieser Funktion verwendet. Vgl. (6). Auch daran lässt sich der verspätete sprachliche Ausgleichsprozess zwischen Briefen und Urkunden ablesen. 28 Mit Nebenabreden sind einen Vertrag ergänzende Abmachungen gemeint, die nicht durch die gängigen Klauseln abgedeckt sind.
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oben anhand der epistolographischen Quellen beschrieben haben. Vgl. dazu Beispiel (6). (6)
kī wenn
mimma ittaṣâ ultu irgendetwas es.ist. hinausgegangen aus
ilānē Götter.GEN
ša von
ša von agâ dieser
ana für
ana_muḫḫi_pāni hinsichtlich
ON ON šuāti29 diese(MPL)
ūmē Tage.GEN
ūm Tag.von
bīt Häuser.von
ipallaḫ er.dient
PN PN
ṣât-i Ewigkeit-GEN
„Wenn den Tempeln der Götter von ON hinsichtlich dieser (Pfründen)tage irgendein Verlust entsteht, wird der genannte PN auf ewig Dienst leisten.“ (BRM 2, 34: 17–19; Urkunde, ~ 188 v.Chr.) Selbiges gilt im Übrigen auch für die protokollarisch gestalteten Urteilsurkunden des Archivs der Astrologen der Mušēzib-Familie30 (Babylon, spätes zweites Jahrhundert v.Chr.), die (weitgehend) in direkter Rede abgefasst sind (erste Person Plural) und daher ebenfalls eine gewisse Nähe zur Umgangssprache erkennen lassen.31 Zur Verdeutlichung geben wir (7). (7)
enna jetzt
agâ dieses
PN PN
gabbi-nu Gesamtheit-unsere
(...)
ittalak er.ist.gegangen
ultemmidan-nâšu er.hat.informiert-uns
ana zu ša dass
(...)
„PN (...) ist jetzt zu uns allen gekommen (und) hat uns informiert, dass (...)“ (CT 49, 144: 11–13; Urkunde, ~ 118 v.Chr.) Weiter oben wurde festgehalten, dass diese Neuerungen in den Urkunden insbesondere bei individuell formulierten Vertragsbestandteilen auftauchen. Veränderungen begegnen allerdings auch im Bereich der stereotypen Klauseln, wenn auch zunächst noch sehr selten. Ein für unsere Verhältnisse sehr frühes Beispiel 29
Für älteres šunūti. Jursa 2005, 75 und jetzt Hackl 2013, 461ff. 31 Dies zeigt sich z.B. daran, dass letztere im positiven Hauptsatz mit Zeitstellenwert Vergangenheit zwischen iprus und iptaras differenzieren. Während in der stereotypen Einleitung iprus verwendet wird, steht in der direkten Rede – wie in den Briefen – iptaras (vereinzelt lässt sich diese bereits im langen sechsten Jahrhundert beobachten, vgl. Anm. 27). 30
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findet sich in der Zwiegesprächsurkunde32 Sarkisian 1974, Nr. 1 [VAT 9175] (~ 221 v.Chr.), die auch sonst Abweichungen von der älteren Urkundensprache aufweist (s. unten).33 (8) bietet die objektiv stilisierte Annahmeerklärung dieser Urkunde. (8)
[išmē-šu-ma]34 er.hörte-ihn-P
PN PN
(...)
(...)
ittadin er.hat.gegeben
ūm Tag.von
ṣât-i Ewigkeit-GEN
ana an
zēr-u Land-ACC
šuāti dieses
P[N2] PN2
(...)
ana für
„PN (...) [hat ihn erhört und] PN2 (...) dieses Land (...) auf ewig gegeben.“ (Sarkisian 1974, Nr. 1 [VAT 9175]: 39–41; Urkunde, ~ 221 v.Chr.) Im Laufe der Zeit werden die sprachlichen Veränderungen auch bei den formelhaften Vertragsbestandteilen immer häufiger (wenn auch deutlich unsystematischer, als dies bei den Briefen der Fall ist). Es ist dies der erwartete Befund im Zuge des sprachlichen Ausgleichsprozesses zwischen Briefen und Urkunden, der sich auch auf anderer Ebene abzeichnet.35 (9) und (10), die jeweils die in objektiver Stilisierung abgefasste Einleitung der Grundklausel der Zwiegesprächsurkunde wiedergeben, sollen dies verdeutlichen. Beispiel (9) gibt dabei die ältere Grundwortstellung wieder. (9)
PN PN
(...)
ina In
ḫūd Freude.von
ana zu
PN2 PN2
(...)
iqbi er.sagte
libbi-šu Herzen-seines umma
(...)
P
„PN (...) hat aus freiem Willen zu PN2 (...) gesagt: (...)“ (OECT 9, 36: 1–3; Urkunde, 215 v.Chr.) (10)
PN PN
(...)
ina in
ḫūd Freude.von
libbi-šu Herzen-seines
32
Zu diesem Urkundentyp vgl. Petschow 1965 (insbesondere 112). Sarkisian 1974, 15 hebt hervor, dass diese Urkunde im Gegensatz zu den übrigen dort bearbeiteten Textvertretern nicht aus Uruk stammt. 34 Die Ergänzung ist durch das bekannte Formular und eine weitere Erwähnung im Text gesichert. 35 Vgl. auch Anm. 27. 33
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iqbi er.sagte
ana zu
PN2 PN2
(...)
umma
(...)
P
„PN (...) hat aus freiem Willen zu PN2 (...) gesagt: (...)“ (OECT 9, 62: 1–3; Urkunde, 155 v.Chr.) Eine weitere Beobachtung, die im Rahmen dieser überblicksmäßigen Darstellung nicht unerwähnt bleiben soll, betrifft die Verbstellung in Hauptsätzen im Anschluss an die koordinierende Konjunktion u „und“. Nicht selten steht das Verb hier direkt am Beginn des Hauptsatzes, also unmittelbar nach u. Vgl. dazu (11) und (12). Teilweise ist dies auch dann der Fall, wenn der erstgereihte Hauptsatz die ältere Verbendstellung aufweist.36 Für die epistolographischen Quellen und protokollarischen Urteilsurkunden des Astrologen-Archivs (s. oben) lässt sich der zweite Fall derzeit noch nicht mit Sicherheit nachweisen. Zwar begegnen auch hier Satzkompositionen vom Typ Hauptsatzverb1-Konjunktion-Hauptsatzverb2, allerdings handelt es dabei durchgehend um Belege, bei denen die übrigen Hauptkonstituenten (Subjekt, Objekt) nicht explizit ausgedrückt werden bzw. überhaupt fehlen. (11)
(...)
u und
šuāti dieses
alla über ... hinaus
PN PN
izaqqap er.pflanzt
zēr-u Land-ACC
zaqāp pflanzen.INF.von
gišimmarē Dattelpalmen.GEN
„(...) und PN wird dieses Land nicht nur mit Dattelpalmen bepflanzen.“ (Sarkisian 1974, Nr. 1 [VAT 9175]: 41–42; Urkunde, ~ 221 v.Chr.) (12)
ina_ūmi_gabbi_ša wann auch immer ṣebû er.wünscht.SUB.STATIV
PN PN
aḫū-šunu Bruder-ihr (MPL)
illakū sie.gehen
u und
iqabbû sie.sagen
ina_pān vor
mamma irgendjemand
PN2 PN2
u und
PN3 PN3
(...)
gabbi alles
ša
PN PN
aḫū-šunu Bruder-ihr (MPL)
REL
ṣebû er.wünscht.SUB.STATIV
umma
(...) (...)
(...)
(...)
P
36
So z.B. in der Vertragsofferte der Zwiegesprächsurkunde OECT 9, 36 (215 v.Chr., Zeilen 3ff.): [Anteile an Pfründendienstzeiten] adī ešer šanāti binnām-ma rēsinūtka lūpuš u luddakka [Fleisch etc.] „Gib mir [Anteile an Pfründendienstzeiten] für zehn Jahre und ich will (im Gegenzug) deinen Pfründendienst leisten und dir [Fleisch etc.] geben.“ © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
Zur Sprachsituation im Babylonien des ersten Jahrtausends v.Chr.
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„Wann auch immer PN, ihr Bruder, (...) es verlangt, werden PN2 und PN3 (...) kommen und vor jedem, vor dem PN, ihr Bruder es verlangt, sagen: (...)“ (BRM 2, 33: 13–16; Urkunde, 188 v.Chr.) Auch wenn die jüngsten Textkorpora noch einer umfangreichen und systematischen Analyse bedürfen, zeigen die hier vorgestellten Beobachtungen doch sehr deutlich, dass es sich um weitreichende Sprachentwicklungen handelt, die in den vorhergehenden Jahrhunderten in dieser Form nicht nachweisbar sind; eine Neubewertung der Periodisierung des jüngeren Akkadischen erscheint also unabdingbar. Dies führt uns zur eingangs diskutierten terminologischen Problematik zurück. Im Lichte obiger sprachlicher Beobachtungen erscheint der Begriff „spätbabylonisch“ nun umso problematischer, als er nicht nur eine scharfe Abgrenzung zur Sprache des achten und siebten Jahrhunderts v.Chr. evoziert, sondern auch den Eindruck einer homogenen Sprachstufe erweckt, die den gesamten Zeitraum vom ausgehenden siebten Jahrhundert v.Chr. bis zum Ende der keilschriftlichen Tradition umfasst. Wir möchten daher den Vorschlag M.P. Strecks aufgreifen, nach dem das Babylonische des gesamten ersten Jahrtausends v.Chr. als „neubabylonisch“ zu bezeichnen ist, allerdings unter Angabe des jeweiligen Korpus.37 Modifizieren ließe sich dies noch insofern, als bei besonders ‚langlebigen’ Korpora (z.B. den hellenistischen Texten aus Uruk) eine genauere zeitliche Differenzierung anzugeben wäre (z.B. früh- vs. spätseleukidisch). Sprachveränderung und Sprachwandel im Lichte des Sprachkontakts Im vorhergehenden Abschnitt haben wir gesehen, dass das Neubabylonische gegen Ende des ersten Jahrtausends v.Chr. weitreichenden Veränderungen unterworfen ist. In einem weiteren Schritt wollen wir uns nun mit dem Hintergrund dieser Entwicklungen auseinandersetzen und dabei auch der Frage nachgehen, welches Gewicht den Faktoren innerer Sprachentwicklung einerseits und Sprachmischung andererseits in diesem Zusammenhang beizumessen ist. Eingedenk der zentralen Rolle der Sprecher38 unterscheidet die Sprachkontaktforschung – und wir berufen uns hier mangels Vorarbeiten im Bereich der Assyriologie vorerst auf die traditionellen Modelle – drei Realisierungsebenen, auf denen sich die Konsequenzen des Sprachkontakts abzeichnen:39 Aktuelle Folgen in Form von spontanen Übernahmen oder Sprachmischungen, die häufig (aber nicht ausschließlich) unter dem Terminus Codewechsel (bzw. Codeswitching) zusammengefasst werden; einzelne Spuren eines längerfristigen Sprachkontakts in einem Sprachsystem, die sich in lexikalischen oder anderen sprachlichen 37
Streck 22006, 46f. Z.B. Weinreich 1953, 1 und Bechert/Wildgen 1991, 105. 39 Zusammenfassend Bechert/Wildgen 1991, 57. 38
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Entlehnungen manifestieren; und schließlich diachrone Entwicklungen ganzer Sprachsysteme in Kontaktsituationen. Codewechsel, also die Verwendung zweier (oder mehrerer) Varietäten innerhalb einer sprachlichen Äußerung, begegnet im Neubabylonischen nur in äußerst geringem Maße.40 Dieser Befund muss jedoch nicht weiter verwundern, schließlich tritt Codewechsel vor allem in der gesprochenen Sprache auf und auch hier meist nur in spontan-individuellen Interaktionen.41 Damit ist auch erklärt, warum bislang keine eindeutigen Fälle von Codemixing (i.e. eine Form des Codewechsels, bei dem die Matrixsprache aufgrund der ähnlichen grammatikalischen Struktur der involvierten Sprachen nicht mehr zu eruieren ist), die im Hinblick auf die genetischen Verwandtschaftsverhältnisse zwischen dem Babylonischen und Aramäischen grundsätzlich zu erwarten wären, nachgewiesen werden konnten. Die aktuellen Folgen des Sprachkontakts lassen sich allerdings auch abseits von Einzelbeobachtungen diagnostizieren. Einen möglichen Ansatz bieten die bei Appel/Muysken 1987, 22ff. diskutierten Perspektiven-Typen (deterministisch, personenbezogen, funktional), mittels derer die Motive der Sprachwahl in einer Kontaktsituation näher beleuchtet werden können.42 Deterministische Perspektiven orientieren sich an allgemein vorfindbaren gesellschaftlichen Mustern, die auf sozialen Normen beruhen. Wesentlich ist hier zunächst das Konzept der Sprachdomänen, das die Sprachwahl in bestimmten prototypischen Bereichen (öffentliche Sphäre, Arbeit, Ausbildung, Familie, individuelle Sphäre etc.) in Beziehung zu den Wertvorstellungen setzt, die die Sprecher mit diesen Bereichen verbinden (z.B. prestige- oder statusorientierte Werte, Vertrautheit, Verbundenheit, Intimität). Im Babylonien des späteren ersten Jahrtausends v.Chr. ist die Beschreibung der Sprachwahl – nicht zuletzt vor dem Hintergrund makrosoziologischer Aspekte – freilich mit gewissen Einschränkungen verbunden. Zum einen verstellt die sehr einseitige Überlieferung der Schriftquel40 Ein sehr deutlicher Beleg findet sich in YOS 3, 19, einem institutionellen Brief aus dem Eanna-Archiv, der wahrscheinlich in die ersten Regierungsjahre von König Kambyses datiert; Autor ist der königliche Kommissar (bēl piqitti), Empfänger der Bischof (šatammu) von Eanna. Die für uns wesentliche Passage ist die Eideinleitung in Zeile 23, die der Autor – wohl in einem Zustand höchster Erregung – auf aramäisch wiedergibt (ausführlich dazu Jursa 2012, 380f.). Einen weiteren Beleg bietet der archivalisch nicht zugeordnete Privatbrief TMHNF 5, 78 (Nippur, spätes 5. Jh. v.Chr. oder später; jetzt in Hackl/ Jursa/Schmidl 2014, 307f. als Nr. 198 ediert). Der Autor dieses Briefs berichtet sehr emotional über seine gegenwärtige Situation und wechselt dabei kurz in das Aramäische (Zeilen 11ff.): anāku akanna mimma ša iṭībanni abbālu u abbālu bīš „Was mich angeht, so ist hier alles, was einmal gut für mich war, leider, leider, schlecht geworden.“ Allgemein zur Unterscheidung zwischen Codewechsel und lexikalischer Entlehnung vgl. Riehl 3 2014, 22ff. 41 Földes 2005, 304378. 42 Die unterschiedlichen Motive der Sprachwahl sind damit aber noch nicht abgedeckt, wie die Listen bei Grosjean 1982, 136 und 152 zeigen.
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len zugunsten des Babylonischen43 den Blick auf jene Bereiche, in denen das Aramäische (bzw. im geringeren Maße auch das Iranische und Griechische) vorrangig gebraucht wurde.44 Und zum anderen bildet die in antiken Gesellschaften ohnehin sehr eingeschränkte Literalität, auf der unsere Beobachtungen letztlich basieren, nur einen Teil der Situationstypen ab, mit denen die Sprecher tagtäglich konfrontiert sind. Die offenkundig größte Hürde stellen aber die fehlenden Sprecherbefragungen dar, die für jede kontaktlinguistische Datenerhebung von grundlegender Wichtigkeit sind. Ungeachtet dieser Einschränkungen können wir aber dennoch einige Bereiche herausgreifen, die im Sinne der deterministischen Perspektiven betrachtet werden können. Der öffentliche Bereich, der insbesondere für Tempelbeamte, Priester/Pfründner, königliche Funktionäre und Geschäftsleute von hervorgehobener Bedeutung ist, umfasst Amtsgeschäfte, Verwaltungstätigkeiten, Geschäftsabschlüsse und diesen Themengebieten zugeordnete Korrespondenzen. Ein zumindest passiver Sprachgebrauch (des Babylonischen) ist hier Voraussetzung, ein aktiver darüber hinaus wahrscheinlich, da Beamte und Geschäftsleute nachweislich eigenhändig Urkunden verfassen und wohl auch Amtsund Geschäftsbriefe selbst aufsetzen.45 Der private Bereich, der den Sprachgebrauch innerhalb der Familie und mit Freunden betrifft, erschließt sich uns nur über Privatbriefe, also nur über indirekte Interaktionen; Anzahl und inhaltliche Vielfältigkeit der Vertreter dieser Textgattung sind aber ausreichend, um auch hier von einem aktiven Sprachgebrauch bis in die Partherzeit hinein auszugehen.46 43
Diese Quellenlage ist nach gängiger Meinung vor allem mit den klimatischen Bedingungen in Mesopotamien zu begründen, die der Konservierung vergänglicher Schreibmaterialien sehr abträglich sind. Das einzig größere aramäischsprachige Korpus aus Babylonien ist daher auch nicht auf Leder oder Papyrus überliefert, sondern in Form von kurzen Beischriften auf babylonischen Keilschrifturkunden (in der englischsprachigen Literatur meist als Aramaic endorsements oder dockets bezeichnet), die bei Zadok 2003, 558ff. zusammengestellt sind. Hintergrund dieser Beischriften (in Alphabetschrift) dürften administrative Praktiken im Rahmen der Archivierung oder Registrierung von Rechtsgeschäften sein, die dem Bereich der Besteuerung und/oder Beglaubigung von Urkunden zuzuordnen sind. Vgl. vorläufig Hackl 2013, 50f.; eine ausführliche Studie zu diesen Beischriften wird von R. Sonnevelt vorbereitet. 44 Die regelmäßige Erwähnung von Schriftträgern aus Leder, seltener auch aus Papyrus (Literaturhinweise bei Hackl 2013, 26135), ist deutlicher Hinweis darauf, dass ein nicht unwesentlicher Teil des Schriftverkehrs auf Aramäisch dokumentiert wurde. Der Inhalt dieser Schreiben, Urkunden etc. wird – weil den Interaktionspartnern bekannt – jedoch nur in den seltensten Fällen explizit ausgeführt, so dass sich eine Zuordnung zu einem bestimmten Bereich schwierig gestaltet. Zumindest für den Bereich des Staatswesens (gemeint ist hier vor allem die königliche Korrespondenz) lässt sich aber trotz (weitgehend) fehlender Quellen überzeugend argumentieren, dass das Aramäische eine tragende Rolle gespielt zu haben scheint (Dandamaev 2006, 373 und jetzt ausführlich Jursa 2012, 381ff. und 2014). 45 Hackl, im Druck. 46 Darauf deuten die (zugegebenermaßen sehr wenigen) Privatbriefe der Spätzeit hin. Ein © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Ein weiterer Bereich, der Individualbereich, umfasst jene Kommunikationsmittel, die nicht dem direkten Einfluss von Interaktionspartnern unterliegen. Hierher gehören z.B. das Zählen und Rechnen (in unseren Quellen freilich nicht abgebildet) und das Abfassen von Briefen im Briefwechsel (s. oben). Ein weiterer Texttyp innerhalb der schriftlichen Hinterlassenschaft Babyloniens, der ebenfalls in diesen Bereich zu stellen ist und daher nicht unerwähnt bleiben soll, ist das Memorandum (akk. taḫsistu). Es handelt sich dabei um eine Art Erinnerungsnotiz, die häufig (aber nicht zwingend) in der ersten oder zweiten Person abgefasst ist und verschiedenste Dinge, meist im Zusammenhang mit Abrechnungen, auflistet.47 Da diese Notizen offensichtlich für den persönlichen Gebrauch erstellt wurden, darf auch hier von einem aktiven Sprachgebrauch ausgegangen werden. Im Anschluss an obige Ausführungen zu den Sprachdomänen möchten wir nun zum Diglossie-Konzept bei Ferguson 1959 (weiterentwickelt von Fishman 1967) übergehen. Voraussetzung für eine Diglossie-Situation ist die Verwendung von zwei eng verwandten, aber funktional unterschiedlichen Sprachvarietäten innerhalb einer zweisprachigen Gesellschaft,48 zwischen denen eine Differenzierung in eine niedere (L-Varietät für Low Variety) und hohe Varietät (H-Varietät für High Variety) besteht.49 Die erste Bedingung, die nahe verwandtschaftliche Beziehung der verwendeten Sprachformen, ist in unserem Fall durch die bereits erwähnte genetische Verwandtschaft zwischen dem Babylonischen und Aramäischen erfüllt. Für die Überprüfung der zweiten Bedingung, die klare funktionale Differenzierung der Sprachvarietäten, erscheint es sinnvoll, die Definition von Diglossie bei Ferguson 1959, 336 zu wiederholen: „(...) a relatively stable language situation in which, in addition to the primary dialects of the language (which may include a standard or regional standards), there is a very divergent, highly codified (often grammatically more complex) superposed variety, the vehicle of a large and respected body of written literature, either of an earlier period or another speech community, which is learned largely by formal education and is used for most written and formal spoken purposes but is not used by any sector of the community for ordinary conversation.“ Ausgehend von der Annahme, dass das Babylonische die H-Varietät und das Aramäische die L-Varietät darstellt, lassen sich hier einige weiterführende Überlegungen anschließen, die allerdings aufgrund der begrenzten Möglichkeiten besonders eindrückliches Beispiel stellt der Brief BaM Beih. 2, 113 dar, der über einen familiären Krankheitsfall berichtet. Vgl. Beispiel (1) oben. Eine Bearbeitung dieses Briefs wird durch den Autor vorbereitet. 47 Hackl 2010, 634. 48 Veith 22005, 196. 49 Als Beispiel nennt Ferguson 1959, 326ff. u.a. die arabische Schriftsprache (H-Varietät) gegenüber dem gesprochenen Arabisch in Ägypten (L-Varietät). © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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der Datenerhebung (insbesondere im Hinblick auf das Aramäische) hypothetisch bleiben müssen. Wir fassen zunächst jene Punkte zusammen, in denen die Sprachsituation in Babylonien mit dem Diglossie-Konzept übereinstimmt:50 Das Babylonische kann auf ein umfangreiches literarisches Erbe zurückblicken (wenngleich nicht das Neu-, sondern Jungbabylonische51 als eigentliche Literatursprache gilt); damit verbunden ist auch ein höheres Prestige, wie dies für eine H-Varietät typisch ist. Weiters wird das Babylonische in allen Bereichen des Schriftverkehrs verwendet (wobei allerdings nach den Revolten gegen Xerxes eine deutliche Abnahme der babylonischen Schriftquellen zu beobachten ist52). Auch die Tatsache, dass wir weiter oben die Verwendung des Babylonischen in informellen Situationen (private und individuelle Sphäre) festgestellt haben, die eigentlich für die LVarietät reserviert sind, muss nicht notwendigerweise im Widerspruch zum Diglossie-Konzept stehen. Schließlich sind uns diese Bereiche nur über den ‚Umweg‘ der Schriftquellen zugänglich, die, wie Ferguson hervorhebt (s. oben), tendenziell der H-Varietät zuzuordnen sind. Problematischer sind allerdings die beiden folgenden Punkte, die den Erwerb der jeweiligen Varietät betreffen. Dass die L-Varietät als Erstsprache erworben wird, ist möglich, aber nicht überprüfbar. Undenkbar ist dagegen, dass die Gemeinschaft der Sprecher die H-Varietät, deren Aneignung in einer Diglossie-Situation nicht im Rahmen der Primärsozialisation erfolgt, über eine formelle Schulbildung erwirbt. Ein schulischer Zweitsprachenerwerb mag zwar für gewisse Berufszweige und die Mitglieder der städtischen Eliten zutreffen,53 nicht aber für den Großteil der übrigen Bevölkerung; dies ergibt sich bereits aus dem Fehlen eines flächendeckenden institutionalisierten Schulwesens. Die H-Varietät kann zwar auch im Umgang mit kundigen Interaktionspartnern erworben werden, ob diese Form des Zweitsprachenerwerbs die gesamte Gesellschaft in ausreichender Weise durchdringt, wie dies für eine DiglossieSituation vorauszusetzen ist, darf aber bezweifelt werden. Im Lichte der beiden letztgenannten Punkte ist daher vielmehr von einer Form der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit auszugehen, d.h. zwei Sprachen sind nebeneinander in Verwendung, werden aber nicht von allen Mitgliedern der Gesellschaft (in gleicher Weise) gebraucht/beherrscht. 50
Vgl. hierzu die neun Bereiche, in denen sich H- und L-Varietät nach Ferguson 1959, 328ff. unterscheiden können. Im vorliegenden Fall lassen sich die Bereiche Grammatik und Phonologie aufgrund der verfügbaren Quellen nicht näher kommentieren. Der Bereich der Standardisierung bedarf dagegen eines kurzen Kommentars. Weiter oben haben wir bereits auf die große Einheitlichkeit des Babylonischen im langen sechsten Jahrhundert hingewiesen (babylonische Koinē, vgl. Anm. 9); von einer Standardisierung kann aber insofern keine Rede sein, als das geschriebene Babylonische zwar zahlreiche Regularitäten, jedoch keine Fixierung einer durchgreifenden Schriftnorm erkennen lässt (also einer Orthographie im engeren Sinne). 51 Vgl. Anm. 5. 52 Allgemein dazu Waerzeggers 2003/04, Oelsner 2007 und Baker 2008. 53 Zur Schuldbildung in Babylonien vgl. Gesche 2000. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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Die personenbezogenen Perspektiven der Sprachwahl führen wir an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber an, da unsere Quellen keine nähere Auseinandersetzung mit diesem Bereich erlauben. Sie berücksichtigen die unterschiedlichen Motive der Sprecher, eine bestimmte Sprache zu wählen, darunter auch den Aspekt der Akkommodation, der die gegenseitige Beeinflussung in der Interaktion und das Bestreben nach einer positiveren Bewertung durch das jewielige Gegenüber beschreibt (dazu Giles/Taylor/Bourhis 1973). Der einzige Beleg in unseren Quellen, der sich mit einiger Sicherheit diesem Bereich zuordnen lässt, ist der weiter oben bereits erwähnte Fall von Codewechsel im Brief YOS 3, 19. Die normale Interaktion mit dem Vorgesetzten wird auf Babylonisch geführt, in dem Moment aber, in dem sich der Absender zu einer Ungebührlichkeit hinreißen lässt, wechselt er in das Aramäische. Die funktionalen Perspektiven orientieren sich wiederum an den Sprachfunktionen, die erstmals im „Organonmodell“ bei Bühler 1934, 28ff. systematisch beschrieben wurden (erweitert durch Jakobsen 1960, 353ff. und 1971, 146ff.). Die für unsere Betrachtung wesentlichen Funktionen, die eine Bevorzugung des Babylonischen einerseits oder des Aramäischen andererseits bei der Sprachwahl bedingen könnten, lassen sich anhand folgender Ausführungen darlegen. Die Darstellungsfunktion (referentielle Funktion) kann z.B. dazu führen, dass ein im Übrigen Aramäisch Sprechender in das Babylonische wechselt, weil ihm bei gewissen Themengebieten nur die babylonische Terminologie vertraut ist (also z.B. im Rechtswesen oder im Kult). Bei der Ausdrucksfunktion (expressiven Funktion) steht der Sprecher (oder allgemeiner: Sender) selbst im Mittelpunkt des Sprachereignisses, naheliegend ist also die Verwendung der Erstsprache. Auch die Appellfunktion (direktive Funktion) kann einen Sprachwechsel bedingen, da der Sprecher die Beeinflussung des Empfängers beabsichtigt. Dies kann z.B. bei einem Vorgesetzten, Dienstherrn oder Gewalthaber der Fall sein, der in seiner Erstsprache angesprochen wird, um etwa einer Bitte Nachdruck zu verleihen. Auch der Codewechsel im Brief YOS 3, 19 ließe sich vor dem Hintergrund der direktiven Funktion von Sprache erklären: Der kurzzeitige Wechsel in das Aramäische könnte hier dem Umstand geschuldet sein, dass der Sender den Empfänger außerhalb des Briefverkehrs auf Aramäisch adressiert. Die zweite Realisierungsebene des Sprachkontakts betrifft längerfristige Wirkungen in Form von lexikalischem Lehneinfluss oder anderen Entlehnungen im Bereich der Phonologie, Morphologie, Syntax und Phraseologie. Veränderungen auf dieser Ebene entstehen, wenn Zwei- oder Mehrsprachige häufig zwischen den Sprachen, die sie beherrschen, wechseln und auf diese Weise eine Sprache nach dem Muster der anderen (unbewusst) verändern. Der zugrundeliegende Prozess und die Folgen daraus werden mit dem Begriff Transferenz umschrieben.54 Die beiden wesentlichen Erscheinungsformen von Transferenz – die Übertra-
54
Dazu Clyne 1991, 160. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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gung sprachlicher Elemente einerseits und die Übertragung von Bedeutungen und Funktionen andererseits55 – lassen sich auch für den babylonisch-aramäischen Sprachkontakt nachweisen. Auf die Belege der ersten Transferart wollen wir an dieser Stelle aber nicht näher eingehen; sie wurden erst kürzlich bei Streck 2011, 418ff. typologisch zusammengestellt (vgl. dazu auch Hackl, im Druck).56 Die zweite Art soll dagegen mit Belegen aus unseren Korpora illustriert werden; anzumerken ist, dass wir uns auf die Darstellung der Einflüsse in eine Richtung beschränken (Aramäisch > Babylonisch). Ein Beispiel für Transfer im Bereich des Lexikons ist die Partikel ša, deren Gebrauchskontext in ihrer Funktion als Subjunktion um die Bedeutungen „damit“, „so dass“ erweitert wird. Wahrscheinlich ist hier der Einfluss von aramäischem dī (Hackl 2007, 59). Im Hinblick auf die Morphologie ist auf das Kasussystem zu verweisen. Denn trotz der orthographischen Schwierigkeiten, mit denen sich die Forschung im Rahmen der Rekonstruktion der Auslautvokale konfrontiert sieht, lässt sich für das Babylonische ein zunehmender Kasusabbau nachweisen (vgl. dazu Tab. 14.19. bei Streck 2011a, 385).57 Naheliegend ist daher, hier von Analogiebildungen auszugehen, die durch den Verlust der Kasusendungen im Aramäischen angeregt werden. Ein strukturell ähnlicher Prozess könnte auch für den zunehmenden Zusammenfall der Dativ- und Akkusativsuffixe am Verb verantwortlich sein; hierzu sind aber noch Detailuntersuchungen notwendig. Im Bereich der Syntax ist vor allem auf die Wortstellungsbesonderheiten hinzuweisen, die wir weiter oben im ersten Abschnitt besprochen haben. Auch hier ist von einer Kontakteinwirkung des Aramäischen mit seiner bevorzugten Verb-Subjekt-Objekt-Wortstellung auszugehen. Besonders deutlich ist dies bei der Wortstellung in den Relativsätzen, bei denen wir einen Abbau der Verbendstellung zugunsten der Erststellung des Verbs festgestellt haben. Vgl. dazu (4) und (5) im ersten Abschnitt. Selbiges ist auch bei der Verberststellung nach der Konjunktion u „und“ anzunehmen, ergänzend ist hier aber auf die Kontaktwirkung von proklitischem wa- „und“ (vor der Verbalform) bei parataktischen Verbindungen im Aramäischen hinzuweisen. Vgl. dazu (11) und (12). Auch die Wortstellung in Hauptsätzen, wie sie in (7) und (9) begegnet, darf als syntaktische Transfererscheinung angesehen werden. Schließlich ist die Wortstellung bereits im Reichsaramäischen58 deutlich freier, als dies noch beim Altaramäischen der Fall war.59 In Ergänzung zu den eben genannten Wortstellungsbesonderheiten verweisen wir noch auf eine weitere Beobachtung, die 55
Zusammenfassend Riehl 32014, 35ff. Eine umfangreiche Zusammenstellung aramäischer Lehnwörter in akkadischen Texten des ersten Jahrtausends v.Chr. bietet von Soden 1966, 1968 und 1977. Eine in ihren Details nicht unproblematische Neubewertung hierzu ist Abraham/Sokoloff 2011 (vgl. Streck 2011, 419f.). 57 Ausführlicher dazu Streck 2014. 58 Zum Begriff Gzella 2011, 574f. 59 Gzella 2011, 582. 56
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ebenfalls als syntaktische Transfererscheinung interpretiert werden kann. Gemeint ist die aus dem Aramäischen bekannte Tendenz60, selbstständige Personalpronomina anstelle der Pronominalsuffixe am Verb zu verwenden; allerdings sind auch in diesem Fall noch Detailuntersuchungen notwendig. Transfererscheinungen dieser Art ermöglichen genauere Aussagen zur Stellung der Kontaktsprachen zueinander, da sie in ihrer Gesamtheit die Intensität des Sprachkontakts widerspiegeln. Thomason/Kaufman 1988, 74ff. haben zu diesem Zweck ein Stufenmodell61 herausgearbeitet, das auf Basis der Transfererscheinungen in allen sprachlichen Bereichen den zunehmenden kulturellen Druck der Sprachgemeinschaft der Mehrheitssprache darstellt. Auf die babylonisch-aramäische Kontaktsituation lässt sich dieses Modell derzeit noch nicht in vollem Umfang anwenden, da die nötigen Vorarbeiten (d.h. Materialsammlungen auf synchroner Ebene) bislang fehlen. Zumindest für das Babylonische des späten dritten und zweiten Jahrhunderts v.Chr., mit dem wir uns im Zuge dieses Beitrags näher auseinander gesetzt haben, lässt sich aber eine vorläufige Bestimmung der Intensität des Sprachkontakts vornehmen. Die belegten, teilweise schon früher bezeugten Transfererscheinungen (z.B. Flexionsaffixe an entlehnten Wörtern62, entlehnte Flexionsaffixe63 sowie der eben besprochene Wandel in der Satzgliedfolge) erlauben hier eine Einordnung zwischen der dritten (intensiver Kontakt) und vierten Stufe (starker kultureller Druck) auf der Entlehnungsskala bei Thomason/Kaufman 1988, 74ff.; die sprachgeschichtlichen Beobachtungen entsprechen also im Wesentlichen den bekannten sozio-politischen Gegebenheiten dieser Periode. Die Ursachen dieser Transfererscheinungen werden in der Sprachkontaktforschung allgemein damit erklärt, dass Sprecher in einer Kontaktsituation die beteiligten Sprachsysteme so modifizieren, dass sie gleiche Strukturen in beiden Sprachen verwenden können (Ökonomieprinzip). In ihren Einzelheiten sind diese Ursachen jedoch vielschichtiger und werden nicht durch Kontakt alleine bedingt.64 So kann Sprachkontakt Entwicklungstendenzen, die in einer Sprache bereits in Ansätzen bestehen, beschleunigen. Im Babylonischen trifft dies wahrscheinlich auf die Verwendung neuer Nebensatztypen zu, die mit ša eingeleitet werden (final, konsekutiv; s. oben),65 bzw. auf die Verwendung von iprus (an-
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Gzella 2008, 93. Tabellarisch dargestellt bei Riehl 2001, 63. 62 Beispiele bei Streck 2010, 419f. und Beaulieu 2013, 371ff. 63 Für das Präfix ta- bei der 3.f.Sg. vgl. zuletzt Beaulieu 2013, 365ff. Die dort vorgebrachten Zweifel an einer Entlehnung aus dem Aramäischen (ibid. 366) werden durch die Entlehnungsskala (s. oben) weiter genährt, als Entlehnungen dieser Art erst später zu erwarten wären; weitere Detailuntersuchungen sind daher notwendig. 64 Vgl. hierzu die Zusammenfassung bei Riehl 32014, 116ff., auf die wir uns hier beziehen. 65 Zu diesen Nebensatztypen Hackl, im Druck. 61
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stelle des Prekativs) für den positiven Wunsch im Hauptsatz.66 Auch der zunehmende Kasusabbau67 und der Verlust des Subordinativs68 sind diesem Bereich zuzuordnen. Ein Ergebnis dieses Prozesses kann aber auch typologisch bedingte Sprachvereinfachung69 sein, die sich z.B. darin äußern kann, dass synthetische Strukturen zugunsten von analytischen Strukturen abgebaut werden. Ein Beispiel hierfür ist die zunehmende Verwendung selbstständiger Personalpronomina anstelle der Pronominalsuffixe am Verb im Aramäischen, die sich auch im Babylonischen abzuzeichnen scheint (s. oben). Dabei werden Funktionen auf mehrere Elemente verteilt, die für sich genommen nur wenig Information transportieren, also z.B. (ṭābtu ša) anāku tēpušu „(die Wohltat, die) du mir erwiesen hast“ (zwei Wörter) gegenüber älter *(ṭābtu ša) tēpuša (ein Wort).70 Nur durch Kontakt bedingte Entwicklungen umfassen z.B. die Verwendung des aramäischen Pluralmorphems -ajjā (> -īja) bzw. möglicherweise des Status emphaticus auf -ā im Babylonischen (Beispiele bei Streck 2011, 420). Die dritte Realisierungsebene von Sprachkontakt bezieht sich auf die Entwicklung ganzer Sprachsysteme. Im Mittelpunkt dieser Entwicklungen stehen die Prozesse Spracherhalt und Sprachwechsel, mit denen wir uns im Folgenden – auch im Hinblick auf das bereits Gesagte – auseinandersetzen wollen. Die Darstellung dieser beiden Prozesse wird uns im Falle der babylonisch-aramäischen Sprachsituation insofern erleichtert, als mit Riehl 2008 eine neuere Untersuchung zu den verschiedenen Faktoren vorliegt, die diese Prozesse maßgeblich beeinflussen.71 Vorauszuschicken ist, dass gegenüber diesen Faktoren selbst intensiver Sprachkontakt (im engeren Sinne) nur eine sekundäre Rolle für den Sprachwechsel spielt. Erst wenn eine Sprache aufgrund von radikalen Veränderungen ihre Funktionalität in der Kommunikation einbüßt, kann es zu Sprachwechsel kommen. Diese Feststellung ist insofern von großer Wichtigkeit, als sie verdeutlicht, dass Transfererscheinungen nicht ausreichen, um Sprachwechsel oder gar Sprach66
Streck 1995, 246f. und Beaulieu 2013, 367ff. Erste Anzeichen für den Kasusabbau im Babylonischen finden sich bereits im jüngeren Mittelbabylonischen (von Soden 31995, § 63e). 68 Der Subordinativ wird in den Briefen zwar noch einigermaßen konsequent geschrieben (Hackl 2007, 145), allerdings dürfte es sich hierbei eher um archaisierende Formen aufgrund von orthographischen Konventionen handeln. 69 Dazu Rosenberg 2003, 288 am Beispiel der deutschen Sprachinseln in Russland und Brasilien. 70 TCL 9, 123: 34f. (Brief, Uruk, 6. Jh. v.Chr.). Die Verwendung selbstständiger Personalpronomina ist dem älteren Akkadisch nicht fremd, beschränkt sich aber auf die prädikative Funktion im Nominalsatz und den Ausdruck der besonderen Emphase (von Soden 3 1995, § 41a). 71 Einen kurzen Überblick über die einzelnen Faktoren bietet Riehl 32014, 192ff. Hervorzuheben ist, dass diese Faktoren nicht nur soziale Aspekte berücksichtigen (für Babylonien vgl. Beaulieu 2006, 192ff.), sondern auch die Bedingungen des Sprachausbaus, der Sprachtypologie und der Sprechereinstellungen einbeziehen. 67
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tod zu diagnostizieren. Die verschiedenen Sprachphänomene und Prozesse, die uns bislang begegnet sind, erlauben nun eine ganzheitliche Beurteilung der Sprachsituation im Babylonien des späteren ersten Jahrtausends v.Chr. Für eine Bestimmung des Sprachstadiums des Babylonischen im langen sechsten Jahrhundert, das wir hier aufgrund der hohen Quellendichte und angesichts der ausgezeichneten Forschungslage als Ausgangspunkt unserer diachronen Betrachtung gewählt haben, können wir in einem ersten Schritt auf das Modell bei Winford 2003, 258 zurückgreifen, nach dem sich der Sprachwechsel in fünf Stadien vollzieht: Das erste Stadium ist durch (weitgehende) gesellschaftliche Einsprachigkeit gekennzeichnet. Im zweiten Stadium herrscht bereits eine Form von Mehrsprachigkeit vor, bei der die Erstsprache (L1) innerhalb der eigenen Gruppe verwendet wird, während die Zweitsprache (L2) außerhalb der Gruppe gebraucht wird. Im dritten Stadium überwiegen bereits die Sprecher der L2, was allmählich zum Zusammenbruch der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit führt. Die längerfristigen Wirkungen des Sprachkontakts schlagen sich im vierten Stadium in Form von eingeschränkten Sprachkenntnissen und einer zunehmend reduzierten Verwendung der L1 nieder. Im fünften Stadium wird die L1 schließlich durch die L2 ersetzt. Für das lange sechste Jahrhundert dürfte das zweite Stadium anzusetzen sein. Diese Annahme lässt sich mehrfach begründen (entscheidend ist dabei vor allem die Kombination der einzelnen Faktoren): • Das Babylonische ist in allen Sprachdomänen vertreten. (Nicht entscheiden lässt sich freilich, ob die babylonische Koinē, also die Sprache der zeitgenössischen Texte,72 noch einen babylonischen Dialekt innerhalb einer Dialekt-Standard-Diglossie-Situation überdacht.73 Denn wie wir weiter oben festgehalten haben, können auch Sprechakte des Privatoder Individualbereichs, die üblicherweise in der Erstsprache formuliert werden, durch den Prozess der Verschriftlichung in eine andere Sprache/Varietät überführt werden.) • Mit Hilfe der Entlehnungsskala bei Thomason/Kaufman 1988, 74ff. lässt sich zeigen, dass die Kontaktwirkung des Aramäischen, also der L2, noch deutlich geringer als im weiter oben besprochenen Zeitabschnitt ist (i.e. im ausgehenden dritten Jahrhundert v.Chr. und später). Eine vorläufige Einteilung74 ergibt hier etwas intensiveren bis inten-
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Vgl. dazu Anm. 9. Ergänzend ist hier auch das Jungbabylonische anzuführen (vgl. Anm. 5), das eine weitere Ebene darstellt. 74 Detailuntersuchungen zu den Transfererscheinungen dieser Periode (chronologische Verteilung, Typologisierung) sind noch ausständig (eine gute Einführung in die Thematik gibt Beaulieu 2013, 371ff.; vgl. auch den Ausblick bei Abraham/Sokoloff 2011, 60f.), ein allgemeiner Eindruck lässt sich aber dennoch gewinnen. 73
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siven Kontakt. • Die gut erforschten alteingesessenen babylonischen Familien, die die lokalen Eliten in den größeren babylonischen Städten stellen, heben sich durch Abstammung, Besitz, Status, Zugang zu öffentlichen Ämtern, Teilhabe am Kult, Endogamie75 und Benutzung der angestammten Sprache (im weitesten Sinne) von den sie umgebenden sozialen Schichten ab. Die Geschlossenheit dieses sozialen Milieus fördert die Häufigkeit der Kommunikation in der L1 und trägt auf diese Weise zu deren Stabilisierung bei. Die enge Beziehung zu den Tempeln, die sich bereits auf wirtschaftlicher bzw. religiöser Ebene ergibt, bewirkt zudem, dass diese Gruppen von einem höheren Bildungsgrad durchdrungen sind (selbst wenn dies freilich nicht bedeutet, dass sämtliche Mitglieder eine formelle Ausbildung durchlaufen). Dies wirkt sich ebenfalls positiv auf die Sprachpflege aus. • Das Babylonische genießt aufgrund seiner langen literarischen Tradition ein hohes Prestige. Die Teilhabe an diesem Sprachsystem kann daher auch vor dem Hintergrund sozialer Aufstiegsmöglichkeiten erstrebenswert sein (overt prestige). Wesentlich ist auch die Verwendung im kultischen Kontext, die die religiöse Bindung an das Babylonische zum Ausdruck bringt, sowie der Institutionalisierungsgrad im Bereich des Rechtswesens. Wann lässt sich nun der Übergang zum dritten Stadium des Sprachwechsel ansetzen? Die Antwort auf diese Frage haben wir mit dem Verweis auf das lange sechste Jahrhundert bereits vorweggenommen, dessen Ende mit den Ereignissen in den ersten Regierungsjahren von König Xerxes zusammenfällt. Wenn wir uns nochmals vergegenwärtigen, dass die Geschichte einer Sprache die Geschichte ihrer Sprecher ist, so kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, dass die umfangreichen sozialen Umwälzungen im Anschluss an die babylonischen Revolten gegen die Perserherrschaft auch in sprachgeschichtlicher Hinsicht eine bedeutende Rolle spielen. Die Vergeltungsmaßnahmen gegen die Mitglieder der babylonischen Oberschicht, die die Revolten maßgeblich mitgetragen hatten, lassen sich demnach auch anhand der Faktoren, die Sprachwechsel begünstigen, nachzeichnen: • Die Entmachtung der babylonischen Oberschicht bedeutet nicht nur den Verlust ihrer sozialen Stellung, wirtschaftlichen Güter und lokalpolitischen Einflussnahme, sondern umfasst möglicherweise auch Vertreibung oder Deportation. Ungeachtet der Tragweite der persischen Strafaktionen hat dies in jedem Fall negative Auswirkungen auf die Ge-
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Dazu Waerzeggers 2010, 94ff. Eine ausführlichere Studie zu diesem Thema wird von B. Still vorbereitet. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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schlossenheit und Größe der Sprachgemeinschaft. Auch an den Tempeln, die als traditionelle Orte der Sprachpflege betrachtet werden können, führt die Beseitigung der alten Priesterfamilien76 und die Abschaffung des Pfründensystems zu weitreichenden personellen Verwerfungen, die eine Öffnung nach außen hin bewirken. Das Verschwinden der alten Priesterschaft, einer sehr Status bewussten sozialen Gruppe, kann im Übrigen auch dazu beigetragen haben, dass das Babylonische zunehmend seine Funktion als Identitätsmerkmal verliert. • Naheliegend ist auch die Annahme, dass in weiterer Folge ein sprachlicher Prestigewechsel angestoßen wird, der zu einer Abwertung des Babylonischen als Sprache der vormaligen lokalen Eliten führt. • Hinzu kommen Faktoren, die zwar nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Ereignissen im Anschluss an die Niederschlagung der Revolten stehen, aber dadurch an Eigendynamik gewonnen haben könnten. Gemeint ist hier vor allem die Einführung und Verbreitung des Reichsaramäischen, mit der die in Babylonien gesprochene ostaramäische Varietät eine (überregionale) Dachsprache erhält, die zudem Literatursprache77 ist. Deutlich schwieriger lässt sich das Ende des dritten Stadiums ermitteln. Babylonische Schriftquellen verschiedenster Art sind noch bis in das zweite Jahrhundert v.Chr. bezeugt, wenn auch in stark abnehmender Anzahl. Dies bedeutet, dass das Babylonische selbst zu dieser Zeit noch für manche Gruppen funktionierendes Kommunikationsmittel war. Für eine Bewertung der Spracheinstellungen gegenüber dem Babylonischen, die ein sprachliches Fortleben auch unter intensivem kulturellem Druck begünstigen können, sind aber vor allem folgende Beobachtungen von Bedeutung. Spätestens unter den Seleukiden wird die babylonische Geschäftsurkunde bei manchen Rechtsgeschäftstypen durch griechische Urkunden verdrängt; Hintergrund dürften hier bestimmte Formvorschriften im Hinblick auf die Registrierung bzw. Besteuerung von Rechtsgeschäften sein.78 Trotz der zunehmenden Bedeutung griechischer Urkunden lässt sich aber nachweisen, dass die babylonische Urkunde auch weiterhin grundsätzliche Bedeutung für die lokale Bevölkerung innehatte. Dies zeigt nicht nur die anhaltende (wenn auch eingeschränkte) Verwendung im alltäglichen Schriftverkehr (Rechtswesen, Buchhaltung), sondern z.B. auch die Momentaufnahme, die der Immobiliarvertrag OECT 9, 24 (Uruk, 228 v.Chr.) liefert. Einem Vermerk in dieser Urkunde ist zu entnehmen, dass es sich hierbei um die keilschriftliche Abschrift einer Pergament-
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Einen guten Überblick über diese soziale Gruppe gibt Waerzeggers 2011. Prominentes Beispiel ist die aramäische Fassung der Ahiqar-Erzählung aus Elephantine (vgl. dazu auch Cooper 2008, 106). 78 Doty 1977, 314ff. 77
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urkunde handelt, die zu Sicherungszwecken ausgestellt wurde.79 Die Parteien, die beide babylonischer Abstammung sind, bringen damit indirekt ihre Sprachloyalität sehr deutlich zum Ausdruck. Hinzu kommt, dass das Babylonische nach wie für literarische und liturgische Texte ist und auch im privaten Briefverkehr und im Bereich der Wissenschaft (im weitesten Sinne) verwendet wird; prominentes Beispiel sind die astronomischen Tagebücher, die bis in die frühe Partherzeit belegt sind.80 Das Babylonische ist also noch im späten dritten und zweiten Jahrhundert v.Chr. in wesentlichen Sprachdomänen vertreten, was in weiterer Folge bedeutet, dass das vierte Stadium des Sprachwechsels (s. oben) noch nicht erreicht ist. Die Annahme erscheint daher berechtigt, dass noch zu dieser Zeit Sprachinseln im städtischen Bereich existierten, die sich nicht nur durch kulturelles, sondern auch sprachliches Eigenleben auszeichneten. Der intensive kulturelle Druck, den die Kontaktgesellschaft auf diese Sprachinseln ausübt, spiegelt sich in den umfangreichen sprachlichen Veränderungen wider, die wir im ersten Abschnitt diskutiert haben. Gleichzeitig machen sie aber auch deutlich, dass das Babylonische durch die Sprachgemeinschaft immer noch ‚umgebaut‘ wird und seine Funktion in der Kommunikation noch nicht verloren hat. Der weitere Verlauf der Entwicklung lässt sich aufgrund der schlechten Quellenlage, die für das Endstadium des Sprachwechsels freilich nicht anders zu erwarten ist, nicht verfolgen. Zusammenfassung Im Rahmen dieses Beitrags wurden verschiedene Problemfelder vorgestellt, die den bestehenden Diskurs um die Sprachgeschichte des jüngeren Akkadischen charakterisieren. Im Vordergrund stand dabei das Bestreben, von den herkömmlichen Herangehensweisen abzurücken, da sie der Komplexität der am Sprachwandel und -wechsel beteiligten Prozesse nur unzureichend Rechnung tragen. Im ersten Abschnitt wurde zunächst auf die Unzulänglichkeiten der in der Assyriologie üblichen Terminologie bei der Bezeichnung der jüngsten Sprachstufen hingewiesen. Dass die angesprochene Problematik aber nicht nur terminologischer Natur ist, sondern auch die Periodisierung des jüngeren Akkadischen betrifft, konnte in einem zweiten Schritt dargelegt werden. Eine Auseinandersetzung mit dem Bereich der Wortstellung hat gezeigt, dass umfangreiche Sprachveränderungen (insbesondere die zunehmende Aufgabe der Verbendstellung), die eine Unterteilung in Entwicklungsstufen rechtfertigen würden, erst wesentlich später zu beobachten sind (spätes drittes und zweites Jahrhundert v.Chr.), als dies die gängige Unterteilung in Neu- und Spätbabylonisch glauben machen möchte. In 79
Ausführlich Clancier 2005 (insbesondere 88f.). Weitere Beispiele für die parallele Verwendung von aramäischen bzw. griechischen Pergament- und babylonischen Keilschrifturkunden bietet Hackl 2013, 26f. 80 Zum Hintergrund dieser Textgattung zuletzt Pirngruber 2013. © 2018, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-004-8 (Buch) / ISBN 978-3-96327-005-5 (E-Book)
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der einschlägigen Literatur wurden diese Veränderungen bislang nicht gewürdigt. Im zweiten Abschnitt haben wir die Positionen der traditionellen Sprachkontaktforschung zu Wort kommen lassen und verschiedene Methoden und Ansätze dieser Disziplin im Hinblick auf die Sprachsituation im Babylonien des späteren ersten Jahrtausends v.Chr. diskutiert. Die Daten, die im Rahmen der Besprechung der drei Realisierungsebenen von Sprachkontakt (aktuelle Folgen, längerfristige Wirkungen und Wandel ganzer Sprachsysteme) aufbereitet wurden, ermöglichten in Kombination mit historischen und soziolinguistischen Faktoren und sonstigen Einzelbeobachtungen eine (quellenbedingt nicht vollständige) Einteilung in Sprachstadien. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass Babylonien über weite Teile des ersten Jahrtausends v.Chr. von einer Form der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit geprägt war. Soziale Umwälzungen (insbesondere die Entmachtung der babylonischen Oberschicht unter Xerxes) haben den Sprachwechsel zweifellos beschleunigt, ein abrupter Wechsel (innerhalb einer oder zwei Generationen) lässt sich aber auf Basis unserer Daten nicht argumentieren. Vielmehr ist von einer stetig kleiner werdenden babylonischen Sprachgemeinschaft (bzw. Gemeinschaften in Form von Sprachinseln) im städtischen Milieu auszugehen, deren Sprecher den wachsenden kulturellen Druck der Kontaktgesellschaft aufgrund von Spracheinstellungen teilweise ausgleichen und so den endgültigen Sprachwechsel bis in die letzten Jahrhunderte des ersten Jahrtausends v.Chr. verzögern konnten. Ein abschließendes Urteil ist damit mangels Detailuntersuchungen zu Einzelaspekten noch nicht gegeben. Eine systematische Aufarbeitung dieser (und weiterer) Fragestellungen unter den Gesichtspunkten der Sprachkontaktforschung ist für die Weiterentwicklung der hier vorgestellten Überlegungen daher von großer Bedeutung. Bibliographie Abraham, K. / Sokoloff, M., 2011: „Aramaic Loanwords in Akkadian – A Reassessment of the Proposals“, AfO 52: 22–76. Appel, R. / Muysken, P., 1987: Language Contact and Bilingualism. London. Baker, H. D., 2008: „Babylon in 484 BC: the Excavated Archival Tablets as a Source for Urban History“, ZA 98: 100–116. Batibo, H., 1992: “The Fate of Ethnic Languages in Tanzania,” in: ‘M. Brenzinger (Hrsg.), Language Death: Factual and Theorectical Explorations with Special References to East Africa. Berlin: 85–98. Beaulieu, P.-A., 2006: „Official and Vernacular Languages: The Shifting Sands of Imperial and Cultural Identities in First-Millennium B.C. Mesopotamia“, in: S.L. Sanders (Hrsg.), Margins of Writing, Origins of Cultures. Oriental Institute Seminars 2. Chicago: 187–216. — 2013: „Aspects of Aramaic and Babylonian Linguistic Interaction in First Millennium BC Iraq“, Journal of Language Contact 6: 358–378.
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Index Aramäisch in Babylonien 11 Beischriften auf babylonischen Keilschrifturkunden 223 im Schriftverkehr 223 Diglossie-Situation 224 Sprachkontakt mit dem Babylonischen 227 Babylonisch Neu-“ / „Spätbabylonisch“ 209–212 Sprachtypologie des „Spätbabylonischen“ 212–214 „Spätbabylonische“ Briefsprache 215–217 „Spätbabylonische“ Urkundensprache 217–221 Sprachwahl im 1. Jts. v. Chr. 222–226 Mehr- / Zweisprachigkeit im 1. Jts. v. Chr. 224–225 Sprachwandel / Transferenz (Neubabylonisch) 226–229 Sprachsituation im 6.–2. Jh. v. Chr. 229–233 Balaĝ-Gesänge 7, 173, 181, 183, 186, 203–204, Bilingualismusforschung 7 Codewechsel / code-switching 16–17, 36, 38, 119–120, 162, 171, 189, 221– 222, 226 Dakota / Lakota 9, 73–99 Emesal Emesal, als Soziolekt 7, 172–173 Sprache im sozialen Kontext (Sumerisch) 176–179 Emesal in Listen 180–184 Emesal-Vokabular 184–185 Emesal in Curriculum und Literatur 186–188 Empirie (Mesopotamien) 120–122 Funktion einer Sprache 18–19 Gelehrtensprache Latein 33 Sumerisch 173, 204 Chinesisch in Japan 195 Glottographie / Semasiographie (Keilschrift) 114 Hieroglyphenschriften Ägypten 16 Ugarit 153–154
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Index
Ideogramm / Sumerogramm 10, 117–119 Interlinguistik 9, 44, Kolonialismus 9, 26–27, 31, 73–75 Latein Lingua franca in der frühen Neuzeit 31 Gebrauch in der frühen Neuzeit 32 Rolle bei der Alphabetisierung 33 Codeswitching 38 Latein und Volkssprachlichkeit 39 Latein und Grammatikaliserung 40 Lingua franca 17–20, 29–31, 113 Linguistik, diachron 13 Marduk, Namen und Epitheta 198–203 Mehrsprachigkeit Interlinguistik 47 in Babylonien im 1. Jts. v. Chr. 224–225 in Mesopotamien im 4.–3. Jts. v. Chr. 113–114 in Mesopotamien in Wissenschaft / Theologie 203–205 in der Religion 11, 204 in Ugarit 158–160 Nationalstaatlichkeit 9, 31, 39, Neokolonialismus 75 Pidginsprache 19, 30, 53 Plansprachen 9, 44–49, 51–52 „Scriptura Franca“ (Keilschrift) 113 Sprachdominanz 15, 24, 27, 79, 93 (Orthographie), 99, 113, 119, Sprachkontakt linguistisch 20–21, 25–26 im 3. Jts. v. Chr. (Mesopotamien) 119–120 im 1. Jts. v. Chr. (Babylonien) 221–230 Sprachtransfer 19–20 Sprachwahl 27, 36, 222, 226 Šu’ila-Gebet an Marduk 196–198 Sumerische Sprache 171–172 Sumerisch, Lexikographie 8 im 2. und 1. Jts. v. Chr. 195–196 isolierte Sprache 30 Tote Sprache Latein 31 Hurritisch in Ugarit 159 Sumerisch im 2. u. 1. Jts. v. Chr. 8, 172, 205 Transferenz 227
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Index
Ugarit Kypro-minoische Schriften 154–155 Mesopotamische Keilschrift 155 Ugaritische Keilschrift 155–158 Mehrsprachigkeit 158–160 Mehrsprachige Listen 160–161 Sprachsituation 161–163 Alloglottographie 162–163 Vielsprachigkeit 16 Zweisprachigkeit in Babylonien im 1. Jts. v. Chr. 224–225
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