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German Pages 454 [458] Year 2014
Geschichte Franz Steiner Verlag
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t r ansatl a ntiHistorische s ch e h i s to r i s ch e s t u d i e n Transatlantische Studien
Anja Schäfers
Mehr als Rock ’n’ Roll Der Radiosender AFN bis Mitte der sechziger Jahre
Anja Schäfers Mehr als Rock ’n’ Roll
transatlantische historische studien Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Washington, DC Herausgegeben von Hartmut Berghoff, Mischa Honeck und Britta Waldschmidt-Nelson Band 52
Anja Schäfers
Mehr als Rock ’n’ Roll Der Radiosender AFN bis Mitte der sechziger Jahre
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Dick Shapin bei einer Show von AFN Berlin im Februar 1966 Privatarchiv John Provan
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014 Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 2011 Umschlaggestaltung: r2 Röger & Röttenbacher, Leonberg Satz: DTP + TEXT, Eva Burri Druck: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10716-7 (Print) ISBN 978-3-515-10728-0 (E-Book)
INHALTSVERZEICHNIS Prolog: „Auf dem Weg nach Berlin“. Die Anfänge von AFN in Deutschland ............................................
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Einleitung .................................................................................................
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Die vierziger Jahre 1. „Das Radio ist der beste Zeitvertreib, den man haben kann“. Die Vor- und Frühgeschichte von AFN im Zweiten Weltkrieg ....... 2. „Viel Glück in den folgenden Sendemonaten“. Selbstbehauptung in der Übergangszeit .......................................... 3. „Seid stark, handeln wir wie Männer“. Aufgaben in der Besatzungszeit ......................................................
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Die fünfziger und sechziger Jahre 4. „Eine gute Reichweite von AFN ist für die Sicherheit unerlässlich“. Bei der Auseinandersetzung um Radiopropaganda mittendrin – und doch nicht dabei ....................................................................... 105 5. „Wir hier in Europa wissen, dass AFN hervorragende Arbeit leistet“. Konsolidierung und Stagnation in den fünfziger Jahren ................. 131 6. „Die deutsch-amerikanische Freundschaft ist ein Zweckverband“. Internationale Beziehungen im Wandel .......................................... 157 Das Programm 7. Den Standard erstklassiger US-Sender erreichen. Die Programmstruktur von AFN ..................................................... 187 8. Die wesentliche Voraussetzung ist Unterhaltung. Entertainment durch Wortbeiträge und Musik ................................ 205 9. „Ein guter Soldat ist ein informierter Soldat“. Aktuelle Berichterstattung, Service- und Bildungsprogramme ...... 231 Die Hörerschaft 10. „This Is Your Station“. Das amerikanische Publikum von AFN .......................................... 265 11. „AFN war unser Sender“. Die deutsche Hörerschaft des US-Militärrundfunks ....................... 307 12. Zwischen „Ami-Mist“ und „unofficial ambassador“. Deutsche und amerikanische Deutungen von AFN......................... 349 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................. 403 Nachwort .................................................................................................. 415
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Inhaltsverzeichnis
Anhang Abkürzungen ............................................................................................ Quellen- und Literaturverzeichnis ........................................................... Abbildungsverzeichnis............................................................................. Abbildungsnachweis ................................................................................ Verzeichnis ausgewählter Personen und Orte ..........................................
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PROLOG „AUF DEM WEG NACH BERLIN“. DIE ANFÄNGE VON AFN IN DEUTSCHLAND AFN radio stations serving First Army, Seventh Army, and Ninth Army are presently in operation inside Germany. That info is unclassified. American Forces Network makes above announcement with pride. Aus einem Telegramm vom 4. April 1945.1
Die Soldaten des Radiosenders American Forces Network begleiteten die alliierten Streitkräfte bei der Befreiung Westeuropas von der nationalsozialistischen Herrschaft. Seit dem 4. Juli 1943 sendete die militärische Rundfunkstation mit Hauptsitz in London ein amerikanisches Radioprogramm für die in Großbritannien stationierten US-Truppen. Nach der Invasion in der Normandie im Juni 1944 versorgte ein alliierter Rundfunksender vom Vereinigten Königreich aus die Streitkräfte auf dem europäischen Kontinent. Da die Soldaten beim Vormarsch außer Reichweite dieser Sendesignale kamen, verbreiteten auch mobile Sender das gemeinsame Rundfunkprogramm. Fahrbare AFNStationen folgten der Ersten, Siebten und Neunten US-Armee auf ihrem Weg ins Deutsche Reich. Die mobilen Sender waren Radiostationen im Kleinformat. Bis zu zehn Personen – Ansager und Techniker – bedienten die auf zwei Lastwagen untergebrachten Sende- und Empfangsanlagen. Damit verstärkten sie das aus Großbritannien übertragene alliierte Programm; zu bestimmten Zeiten durften sie auch selbstproduzierte Sendungen bringen. Dafür stellten sie zum Beispiel lokale Wunschmusiksendungen zusammen oder interviewten Militärangehörige vor Ort. Die Mitarbeiter von AFN hielten meist einigen Abstand zur Front, dennoch starben zwei von ihnen in Kriegssituationen. Am Abend des 7. März 1945 konnte ein mobiler AFN-Sender in Köln eine exklusive Information vermelden. Denn Courtney H. Hodges, der befehlshabende General der Ersten US-Armee, verkündete über „seine“ AFN-Station die Eroberung der viertgrößten deutschen Stadt.2 1
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Supreme HQ Rear Troop Broadcasting G-1 an Br O I&E Div, ASF, Los Angeles, 4. April 1945, zit. n. CO/Los Angeles Sig Center an War Dept, 6. April 1945, Box 307, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Alle in den Fußnoten verwendeten Abkürzungen werden im Anhang aufgeführt. Interview von Lawrence H. Suid (nachf. zit. als Suid-Interview) mit Ben Hoberman, 7. April 1983, 33–45, Box 5, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Bernard G. Hoberman war von 1943 bis 1946 bei AFN); Suid-Interview Bob Light, 28. September 1982, 7, 18 f., 21 f., Box 6, ebd. (Robert M. Light war von 1943 bis 1945 bei AFN). Siehe auch
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Amerikanische Verantwortliche hielten den Militärrundfunk für ein wichtiges Instrument zur Motivierung der eigenen Streitkräfte. Durch ihn bekamen die Soldaten aktuelle Nachrichten über den Verlauf der Auseinandersetzungen und Informationen über Kriegsziele und Strategien. Neuigkeiten und Unterhaltung aus den USA waren für die Truppen in Übersee ein wichtiges Bindeglied zur Heimat. Da die großen amerikanischen Rundfunkstationen dem Militär ihre Sendungen kostenlos zur Verfügung stellten, konnte AFN den Hörgewohnheiten seines Publikums entsprechen. Ganz wichtig waren dabei Musikprogramme, populäre Unterhaltungssendungen und Sportübertragungen. Gerade die Musik war es, die viele Soldaten am meisten berührte. Ein Mitarbeiter der amerikanischen Truppenbetreuung erlebte dies kurz nach der Invasion in der Normandie. Ein mehrtägiger Sturm hatte das Entladen des Nachschubs erschwert und die US-Soldaten entmutigt. Mit gedrückter Stimmung kamen die GIs zum Essenfassen aus ihren matschigen Schutzgräben. In der Nähe des Kochzeltes schützte ein Stück Leinwand mehrere Kisten vor dem starken Regen: We had just picked up our chow and were sitting around miserably starting to eat it, when from this piece of canvas came the sound of music. It was strange music. It was jive – American jive. I never did find out whose jive it was but it was gay, rhythmic, and in no time at all it had us feeling 100 per cent better.3
Die beschriebene Situation war typisch für die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Da die amerikanischen Soldaten keine eigenen Rundfunkgeräte mitnehmen durften, hörten sie Radio meist nur in Gruppen. Beim Vormarsch oder an der Front kamen sie nur selten in den Genuss von Rundfunk, gemeinschaftliche Empfangsgeräte gab es aber bisweilen in der Etappe. Hier verbreiteten die Militärsender aktuelle Informationen über den Kriegsverlauf und verbesserten mit Unterhaltungsprogrammen die Stimmung der Truppe. Anfang April 1945 konnte AFN melden, dass sich alle seine mobilen Sender auf deutschem Boden befanden. Da die Soldaten des Militärrundfunks nicht immer eigene Sendemasten aufstellen wollten, suchten sie sich beim Vormarsch Orte mit geeigneten Antennentürmen. Lokale Programme gab es vor allem während der Essenszeiten. Viele GIs wünschten sich Musiktitel für diese Sendungen, die etwa „Concert for Chow Hounds“ oder „GI Supper Club“ hießen. Der Radiosender der Ersten US-Armee war zur Stelle, als am 25. April amerikanische und russische Soldaten an der Elbe bei Torgau aufeinandertrafen. Für die Verbrüderungsfeiern mit „Uncle Joe’s Boys“ spielte die
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Lou Frankel, A. F. Network in the E. T. O., in: Billboard, 5. Mai 1945. Vgl. Henke, Die amerikanische Besetzung Deutschlands, 346. Chow ist ein Slangwort für Essen oder Proviant. MAJ A. Goodfriend, C/Orientation Br, MSD, SSD, ETOUSA, an MAJ J. S. Hayes, AFN, 6. Juli 1944, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP.
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lokale AFN-Einheit russisch-anmutende Lieder wie „Dark Eyes“ oder „Volga Boatmen“.4 Den 8. Mai begingen die alliierten Streitkräfte feierlich als offiziellen Tag des Sieges in Europa und auch das Programm von AFN spiegelte dies wider. Der Senderchef entschloss sich aber, auf die Grußworte des Alliierten Oberbefehlshabers zu verzichten. Aus unerfindlichen Gründen hatte General Dwight D. Eisenhower darauf bestanden, für den amerikanischen Militärrundfunk eine Dankesrede an die zivilen Fabrikarbeiter in Großbritannien aufzunehmen. Neben den drei mobilen Sendern auf deutschem Gebiet unterhielt AFN sechs feste Radiostationen in Frankreich. Das Hauptquartier des Truppenrundfunks lag aber noch immer in London. Es versorgte nicht nur seine Ableger auf dem Kontinent, sondern auch über vierzig kleine Sender für amerikanische Stützpunkte im Vereinigten Königreich. Deren Bedeutung nahm aber ab, denn nach dem Ende der Kämpfe sollte die Besatzung Deutschlands zur wichtigsten Aufgabe der US-Truppen werden. In dem Maß, in dem die amerikanischen Streitkräfte ihren Schwerpunkt dorthin verlagerten, tat dies auch der Militärrundfunk.5 Ein mobiler AFN-Sender war der Siebten US-Armee nach München gefolgt. Noch Ende April hatte Gauleiter Paul Giesler über den Reichssender München Durchhalteparolen an die deutsche Bevölkerung gerichtet. Er hatte dies von sicherem Grund aus tun können, denn vom Bunker seiner Residenz in der Kaulbachstraße 15 gab es eine direkte Leitung zu den Anlagen des Reichssenders in Ismaning. Als AFN-Mitarbeiter nun eine feste Radiostation in München aufbauen sollten, beschlagnahmten sie die Villa des Gauleiters und bekamen die Erlaubnis, den 100-Kilowatt-Sender in Ismaning mitzubenutzen. Bis zum geplanten Programmstart schafften sie es zwar nicht, eigene Studios einzurichten, aber sie konnten den mobilen Sender der Siebten Armee verwenden. Aus dem Garten der Schwabinger Villa ging daher am 10. Juni AFN Seventh Army Munich als erste ortsgebundene Station in Deutschland auf Sendung. Die AFN-Mitarbeiter, die nur locker in die lokale Kommandostruktur eingebunden waren, hatten in ihrer Geschäftigkeit allerdings nicht bemerkt, dass die Siebte Armee inzwischen aus der Stadt abgezogen war. Neuer Befehlshaber in München war General George S. Patton, der für seine Dritte Armee während des Krieges einen mobilen AFN-Sender abgelehnt 4 5
AFN Provides Radio on Wheels For Combat Men, in: AFN’s 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947; Ralph Powers, AFN Brings „Home Town USA“ to Germany, in: SACom Scene, 23. November 1956. Vgl. Provan, The AFN Story, 19. Siehe auch Anm. 1. AFRS, Monthly Progress Report May 1945, 1. Juni 1945, Box 307, Dec File 1942– 1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Suid-Interview Light, 41 f., Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch Lou Frankel, A. F. Network in the E. T. O., in: Billboard, 5. Mai 1945; Amer. Forces Web Nabs Powerhouses To Provide Air Blanket for Europe, in: Variety, 13. Juni 1945. Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 119.
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hatte. Die fehlerhafte Kennung soll Patton sehr verärgert haben, als AFN Munich strahlte die Rundfunkstation aber bald zwanzig Stunden Programm täglich aus. Seine Reichweite war beträchtlich, zumal das Signal ab Herbst 1945 auch vom 100-Kilowatt-Sender Mühlacker bei Stuttgart verbreitet wurde.6 Damit möglichst bald alle US-Soldaten in Deutschland den Truppenrundfunk hören konnten, mussten weitere Sendergründungen folgen. Ab dem 15. Juli startete AFN Frankfurt sein Programm, AFN Bremen begann am 28. Juli. In Frankfurt sollte das neue Zentrum der Senderkette entstehen, denn hierhin hatte Eisenhower als amerikanischer Oberbefehlshaber und erster Militärgouverneur sein Hauptquartier verlegt. Ganz in der Nähe des von ihm und seinem Stab genutzten IG-Farben-Gebäudes in der Frankfurter Innenstadt beschlagnahmte AFN daher mehrere kleine Wohnhäuser. Die technischen Möglichkeiten und Studiokapazitäten der Radiostation waren bescheiden. Aufnahmen mit der vormals von Glenn Miller geleiteten Militärband mussten kurzerhand auf dem Rasen vor dem Gebäude in der Inckusstraße 11 stattfinden.7 Während des Krieges hatte AFN seinen amerikanischen Zuhörern in einem seiner Erkennungslieder versprochen, sie bei den Kämpfen auf dem europäischen Kontinent zu begleiten: Soldiers and sailors, marines, WACs, and coastguardsmen, too. This is your station, broadcasting only for you. Bringing you music, news, entertainment from home. With you on the road to Berlin is the A. F. N.8
Nicht nur im Radio-Jingle hatte das nationalsozialistische Machtzentrum Berlin als Ziel des Vormarsches der alliierten Truppen festgestanden. Die Stadt selbst war allerdings von sowjetischen Truppen erobert worden, und erst ab Anfang Juli bezogen Amerikaner, Briten und Franzosen ihre Sektoren in der ehemaligen Reichshauptstadt. Auch ein AFN-Team machte sich bald auf die Suche nach einem geeigneten Domizil und beschlagnahmte eine stark beschädigte Villa in der Podbielskiallee 28 in Dahlem. Die Rundfunkleute mussten 6
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Über das genaue Datum des Sendestarts von AFN in München gibt es widersprüchliche Angaben, frühe Berichte nennen den 10. Juni 1945. AFN Stuttgart wiederum sendete in der ersten Zeit keinesfalls durchgängig. Amer. Forces Web Nabs Powerhouses To Provide Air Blanket for Europe, in: Variety, 13. Juni 1945; Anniversary, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 12 (Juni 1946); W. F., One Man Radio Station, in: Weekend, 30. März 1947; AFN Stations Managed by Professionals, in: AFN’s 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947. Siehe auch Suid-Interview Hoberman, 45–48, Box 5, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Light, 27–30, Box 6, ebd. Vgl. Lanzinner, Zwischen Sternenbanner und Bundesadler, 230 f.; Provan, The AFN Story, 147 f., 181. John T. Penrose, Historical Note – AFN Frankfurt, 8. August 1973, Box 11, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch The Early Days in Cramped BBC Quarters, in: Serving American Forces (AFN-Eigenpublikation), 5. WACs waren Angehörige des Women’s Army Corps, also weibliche Kriegsfreiwillige im amerikanischen Heer. Zit. n. Sie brachten uns den Rock ’n’ Roll, Linz (AV). Vgl. Grull, Radio und Musik, 58.
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improvisieren. Die ersten Töne von AFN Berlin erklangen am Mittag des 4. August und kamen von einem im Garten der Villa geparkten LKW einer mobilen Rundfunkeinheit. Vier Generatoren versorgten den 350-Watt-Sender mit Strom und ein zwischen Bäumen gespannter Draht diente als Antenne.9 Den Sendestart der neuen amerikanischen Rundfunkstation werden nur wenige deutsche Hörerinnen und Hörer live mitbekommen haben. Dafür waren zu viele Empfangsgeräte im Krieg zerstört worden und auch Strom gab es nur unregelmäßig. Nach und nach entdeckten aber immer mehr Berliner die schwungvolle amerikanische Musik und die ungewohnt lässige Moderation der AFN-Ansager. Der Jugendliche Günter Kunert beispielsweise bekam einen alten Volksempfänger, für den er den elterlichen Küchenherd als Antenne nutzte. Im Radio meldete sich eine englische Stimme und der spätere Schriftsteller glaubte, Amerika empfangen zu können. Schnell wurde ihm aber klar, dass er keine Station aus den USA hörte, sondern den amerikanischen Militärsender aus dem Berliner Stadtteil Dahlem: Aber das verringert keineswegs meine Begeisterung. Mit den ersten Tönen ergreift Mr. Glenn Miller von mir Besitz. Die „American Patrol“ lässt meine Füße den Takt mitklopfen. In der armseligen Küche, auf dem Kohlenkasten vorm Herd, überwältigt mich ein vordem nie gekanntes Hochgefühl.10
Für Kunert und andere deutsche Hörer symbolisierte AFN das Ende des schrecklichen Krieges. Sein Programm machte Hoffnung auf eine Zukunft, die von politischer und kultureller Freiheit geprägt sein würde. Für etliche Deutsche sollte der Sender des amerikanischen Militärs sogar zur Quelle eines neuen Lebensgefühls werden.11
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Presenting …, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 5 (1946); AFN-Berlin Eight Years Old This Week, in: AFN Weekly Digest, 8. August 1953. Kunert, Erwachsenenspiele, 97. D. D., Bei den Platten-Jockeis in Dahlem, in: Telegraf, 5. August 1955.
EINLEITUNG Der amerikanische Radiosender AFN spielte eine bemerkenswerte Rolle in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ab 1945 strahlte das American Forces Network hierzulande sein Programm aus, um amerikanische Soldaten und Zivilangestellte des Militärs sowie später auch deren Familien zu versorgen. Die Senderkette brachte ihnen Informationen und Unterhaltung aus der Heimat und dem Europäischen Befehlsbereich der US-Armee. Wie andere militärische Medien half AFN mit, dass die Streitkräfte im Ausland „funktionierten“ und das Leben in den US-Gemeinschaften in Deutschland möglichst reibungslos verlief. Er hatte also eine interne kommunikative Funktion, wirkte sich aber auch auf die internationalen Beziehungen der Vereinigten Staaten aus. Denn neben der eigentlichen Zielgruppe schalteten auch zahlreiche Europäer den Militärrundfunk ein. Die Zahl dieser „Radiogäste“ überstieg wohl zu jeder Zeit diejenige der Amerikaner. Deutsche Hörerinnen und Hörer faszinierten vor allem AFN-Beiträge, die sich vom Angebot heimischer Sender unterschieden. Dies galt überwiegend für Musik und deren Präsentation, doch auch Nachrichtensendungen oder Hörspiele interessierten sie. Bis in die sechziger Jahre hinein nahm die Größe des deutschen Gastpublikums stetig zu, blieb im Vergleich zur Hörerschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten jedoch immer eine Minderheit. In der Erinnerung vieler Deutscher hat AFN einen besonderen Stellenwert. Nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckten Heranwachsende aus etlichen Jahrgängen den amerikanischen Sender als Quelle für Musik, populäre Kultur und Umgangsformen, die sie attraktiv fanden. Diese halfen ihnen auch dabei, sich von Gleichaltrigen oder Älteren zu unterscheiden. Während die zumeist jungen Hörerinnen und Hörer den amerikanischen Militärrundfunk zu „ihrem Sender“ erklärten, lehnten ihn andere Deutsche etwa als Musikbox ohne Programm und Anspruch ab. In privat oder öffentlich geführten Auseinandersetzungen kam das konkrete Angebot von AFN erstaunlich selten zur Sprache, denn viel häufiger ging es um deutsche Vorstellungen von modernem Leben und amerikanischer Kultur. Und so entstand und festigte sich in der Bundesrepublik das Bild von AFN als munterem Musiksender, der von lässigen Amerikanern gemacht wurde und den nach 1945 ganze Generationen von jungen Deutschen gehört haben. In dieser Arbeit soll der amerikanische Militärrundfunk aus deutscher Sicht erstmals genauer untersucht werden. Die Entwicklung und Wirkung eines Radiosenders lässt sich nur analysieren, wenn man sich die Geschichte seiner Organisation und seines Programms sowie sein Publikum anschaut. Außerdem soll versucht werden, den Hörfunk in den jeweiligen Kontext der Zeit zu stellen. Bei der Senderkette des amerikani-
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schen Militärrundfunks in Europa kommen daher zahlreiche relevante Themengebiete zusammen. Es gilt zum Beispiel, AFN in die Entwicklung der US-Streitkräfte und der Außenpolitik der Vereinigten Staaten einzuordnen. Diese drückte sich unter anderem im Verhältnis zu Deutschland aus, bei dem sich die USA zunächst vom Kriegsgegner zur Besatzungsmacht und später zum Verbündeten wandelten. Großen Einfluss auf den Militärsender hatten auch die Gegebenheiten und Veränderungen der amerikanischen Medienlandschaft. Hier spürte AFN etwa den Niedergang der Radio-Networks und den Aufstieg des Fernsehens, was Auswirkungen auf sein Programm hatte und auch die Erwartungen seines Publikums veränderte. Auf amerikanischer Seite reichten die beteiligten Akteure von militärischen und politischen Verantwortlichen über die ProgrammGestalter bei AFN bis zur Hörerschaft des Senders. Sie alle waren Teil der USGesellschaft und daher spiegelte sich die Kultur des Kalten Kriegs ebenso im Militärrundfunk wider wie etwa Entwicklungen im Verhältnis der Geschlechter oder Jugend- und Protestbewegungen. In Hinblick auf die Wirkung von AFN in Deutschland kommen noch viele weitere Fragen hinzu. Hier gilt es zunächst zu klären, wer den amerikanischen Militärrundfunk im Untersuchungszeitraum einschaltete und was sie oder ihn dazu bewegt hat. Neben verschiedenen Publikumsgruppen gab es hierzulande stets auch eine Bevölkerungsmehrheit, die den Sender in der Regel nicht hörte, ihn aber trotzdem wahrnahm und oftmals eine dezidierte Meinung zu ihm hatte. Daher ist auch die innerdeutsche Auseinandersetzung um AFN von Interesse. Ansatzweise soll auch diskutiert werden, welchen Einfluss der amerikanische Militärrundfunk auf die gesellschaftliche oder mediale Entwicklung in der Bundesrepublik genommen hat. Bislang gibt es keine intensive Studie, die das Thema AFN in seiner Vielschichtigkeit analysiert hätte. Dies liegt auch daran, dass der amerikanische Militärrundfunk sich nur schwer in die gängigen Forschungsfelder einordnen lässt. Als ein im Ausland agierender Sender wird AFN in Darstellungen zum Rundfunk in den Vereinigten Staaten selten erwähnt, und auch in Untersuchungen zum internationalen US-Rundfunk wird er kaum beachtet, da er wegen seines amerikanischen Zielpublikums nicht zu den Propaganda-Sendern zählte. Ähnliches gilt auch für Analysen der deutschen Medienlandschaft. Denn AFN gehört weder zu den heimischen Rundfunkanstalten noch zur Kategorie ausländischer Sender für die deutsche Bevölkerung. Arbeiten zu deutsch-amerikanischen Beziehungen erwähnen AFN zwar immer wieder, meist aber nur sehr allgemein oder als Forschungsdesiderat. Die vorliegende Arbeit will nun versuchen, die Entwicklung und Wirkung von AFN genauer zu erforschen. Zur Bewältigung dieser Aufgabe war eine zeitliche Eingrenzung der Untersuchung nötig. Bei der Analyse geht es um die ersten zwanzig Jahre von AFN, auch wenn bei einigen Themen der Zeitraum bis zum Ende der sechziger Jahre einbezogen wird. Die Arbeit kann in etlichen Bereichen nur einen ersten Überblick geben, dafür aber eine Grundlage für weitere Untersuchungen einzelner Themengebiete oder Zeitabschnitte schaffen.
Einleitung
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Veröffentlichungen zur Geschichte von AFN AFN war an der eigenen Vergangenheit zunächst in Hinblick auf seine Öffentlichkeitsarbeit interessiert. In der Zentrale oder den lokalen Stationen wurden vor allem zu verschiedenen Jubiläen Artikel über die Vergangenheit und Gegenwart von AFN oder zu einzelnen Sendungen verfasst und an militärische und zivile Medien weitergegeben. Zu manchen Gelegenheiten veröffentlichte der US-Militärrundfunk in Europa auch eigene Broschüren über seine Entwicklung, mit der er sich innerhalb der Streitkräfte oder nach außen darstellen konnte. Die Texte waren nach journalistischen Gesichtspunkten aufgebaut, unterhaltsam geschrieben und meist auch bebildert. Sie bieten eine Vielzahl von Informationen, die sonst nicht überliefert sind, und wurden daher zu Recht für viele wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Untersuchungen genutzt. Ein allzu unkritischer Umgang mit diesen Traditionsquellen hat aber dazu geführt, dass bestimmte Eigeninterpretationen der Mitarbeiter des Militärrundfunks bis heute Darstellungen über die Sendergeschichte prägen. Dazu gehört zum Beispiel, dass AFN stets um seine Existenz kämpfen musste, dass seine Informationssendungen nur in Ausnahmefällen beeinflusst wurden oder dass sein US-Publikum jahrzehntelang mit dem einen Hörfunkprogramm zufrieden gewesen sei.1 In den Standardwerken zur Geschichte des amerikanischen Hörfunks werden bisweilen auch die Radiosender des US-Militärs erwähnt. Sie beschränken sich jedoch meist auf einen allgemeinen Überblick und konzentrieren sich auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Diese Literatur konnte also vor allem Informationen für die allgemeine Entwicklung des amerikanischen Rundfunks geben, die direkt und indirekt das Angebot der Stationen der Streitkräfte beeinflusste.2 Als besonders hilfreich erwiesen sich neuere Studien wie die von Susan J. Douglas. In ihrem Buch Listening In bettet sie die Historie des Radios in die Gesellschaftsgeschichte ein und fragt auch nach der Wirkung des Mediums auf Hörerinnen und Hörer.3 Amerikanische Kommunikationswissenschaftler haben AFN bislang vor allem als Teil des Militärrundfunks analysiert. Die erste Studie über den Armed Forces Radio Service4 stammt aus dem Jahr 1949, ihr Autor war Oberst1
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Die wichtigsten AFN-Eigenpublikationen in chronologischer Reihenfolge: AFN’s 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947; This Is … AFN; The Broadcaster, 4. Juli 1961; The AFN Broadcaster, 4. Juli 1962; AFN. 20 Years of Service; Serving American Forces; AFN 1943–1973. Siehe etwa Barnouw, The Golden Web; Dunning, On the Air; Head/Sterling, Broadcasting in America; Sterling/Kittross, Stay Tuned. Douglas, Listening In. Vgl. Hilmes, Radio Voices. Seit 1942 war AFRS für Rundfunkprogramme für die US-Streitkräfte zuständig. Als der Militärrundfunk im Jahr 1954 auch Fernsehen in sein Angebot aufnahm, änderte er seinen Namen von Armed Forces Radio Service zu Armed Forces Radio and Television Service. In dieser Arbeit werden beide Bezeichnungen und die dazugehörigen Abkür-
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leutnant des US-Heeres. Russell Oliver Fudge interessierte sich dafür, wie gut die Radiosender der Streitkräfte es vermochten, Soldaten Information und Bildung zu vermitteln, um daraus Handlungsanleitungen für das US-Militär ableiten zu können. Unter ähnlichen Vorzeichen beschäftigten sich zwei Untersuchungen aus den sechziger Jahren mit diesen Aspekten.5 Weniger handlungsorientiert ausgerichtet ist die Dissertation von Theodore S. DeLay aus dem Jahr 1951, in der er die Entstehung des amerikanischen Militärrundfunks im Zweiten Weltkrieg und dessen Entwicklung bis 1946 beschreibt. Sein Kapitel über AFN erwies sich als eher ungenau und zu stark von der Sichtweise der AFRS-Zentrale beeinflusst. Viele spätere Studien bezogen sich allerdings maßgeblich auf DeLay und übernahmen dessen Schwerpunkt auf der Frühzeit der Organisation oder übertrugen sogar dessen Schlussfolgerungen auf andere Zeitabschnitte.6 Die Verfasser einiger Studien aus den sechziger und siebziger Jahren stammen aus dem Umfeld des amerikanischen Militärrundfunks und lieferten eine Mischung aus zeitgenössischer Beobachtung und kommunikationswissenschaftlicher Analyse. Ihre historischen Betrachtungen sind meist stark vom jeweiligen Ist-Zustands des Militärrundfunks beeinflusst. Solche Texte hatten für diese Arbeit eher Quellencharakter.7 Seit den sechziger Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler zunehmend kritisch mit der Propaganda-Wirkung von amerikanischen Militärsendern im Ausland. Wie später genauer erläutert werden soll, wurde auch die Geschichte von AFN vor diesem Hintergrund analysiert.8 In den achtziger Jahren sorgten Forscher dafür, dass Untersuchungen des Militärrundfunks mit neuen Quellen angereichert wurden. Hier ist zunächst der amerikanische Kommunikationswissenschaftler R. Stephen Craig zu nennen, der mehrere Fachaufsätze über den amerikanischen Militärrundfunk verfasste. Seine Untersuchung zu der Rolle von AFN im Kalten Krieg setzt bis heute den wissenschaftlichen Standard.9 Im selben Zeitraum startete der US-
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zungen für den jeweiligen Zeitraum genutzt. Im Kontext einiger Themen kommt es zu Überschneidungen, in denen aus Gründen der besseren Lesbarkeit des Textes nicht immer auf eine genaue Unterscheidung Wert gelegt wurde. Weitgehend vernachlässigt wurde die temporäre Umbenennung der Organisation in American Forces Radio and Television Service von 1969 bis 1982. Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.); Sweers, The Voice of Information and Education (unveröff.); Feibusch, The Armed Forces Radio and Television Service (unveröff.). DeLay, Armed Forces Radio Service (unveröff.); Frercks, Armed Forces Radio Service (unveröff.); Collins, Armed Forces Radio and Television Service (unveröff.). Bayless, American Forces Network; Cranston, Some Historical Newscasts; Miller, American Forces Radio and Television Service (unveröff.). Browne, The World in the Pentagon’s Shadow; Park, Der amerikanische Soldatensender (unveröff.); Zilling, AFN (unveröff.). Craig, American Forces Network; ders., Military Broadcasting; ders., Medium-wave Frequency Allocations. Craig teilte seine Forschungsergebnisse unter anderem mit De-
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Militärrundfunk ein eigenes historisches Projekt und beauftragte den amerikanischen Historiker Lawrence Suid, eine Geschichte von AFRTS zu verfassen. Von 1982 bis 1985 sammelte Suid weltweit historisches Material und befragte damaliges und ehemaliges Personal. Sein Manuskript wurde noch einmal überarbeitet und Anfang der neunziger Jahre unter dem Titel History of AFRTS veröffentlicht. Die Publikation hält sich weitgehend an die bis dahin öffentlich vertretene Sichtweise auf den Militärrundfunk und erweist sich bei einzelnen Informationen nicht immer als zuverlässig.10 Auch AFN veröffentlichte in diesen Jahren Darstellungen zu seiner Vergangenheit. Hierbei tat sich vor allem Trent Christman hervor, der jahrzehntelang für den US-Militärrundfunk tätig war. Während seiner aktiven Zeit schrieb er etliche Artikel über die Geschichte von AFN, die aus Anlass von Senderjubiläen veröffentlicht wurden. Nach seiner Pensionierung verfasste Christman dann das unterhaltsame Buch Brass Button Broadcasters, in dem er zu einigen Themen auch kritische Bemerkungen untergebracht hat.11 Ebenfalls eher der Erinnerungsliteratur zuzuordnen sind Veröffentlichungen aus den neunziger Jahren, die ehemalige oder damalige Mitarbeiter von AFN geschrieben haben.12 In den neunziger Jahren beauftragte AFN den in Deutschland lebenden amerikanischen Historiker John Provan, eine Ausstellung für die Lobby der Sendezentrale zu erarbeiten. In Vorbereitung auf das sechzigste Senderjubiläum erwuchs daraus das AFN History Project, für das Provan in Deutschland und den Vereinigten Staaten schriftliche Quellen, Fotos und Artefakte sammelte sowie zahlreiche Zeitzeugen befragte. Mit diesem Material verfasste er The AFN Story, in der er unter anderem für jedes Sendejahr wichtige Ereignisse auflistet, einzelne Stationen beschreibt und Informationen zu verschiedenen Themen zusammenfasst. Die Veröffentlichung ist für ein amerikanisches Publikum und vor allem für ehemalige Mitarbeiter des Militärrundfunks gedacht. Zum runden Jubiläum der europäischen Senderkette im Jahr 2003 veröffentlichte Provan gemeinsam mit Ingo Paternoster zwei CDs mit historischen Tondokumenten.13 Unbedingt gilt es auf die Veröffentlichungen des ehemaligen BBC-Journalisten Patrick Morley hinzuweisen. In dem Buch This Is the American
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nise Ferchow, die im Jahr 1984 eine Magisterarbeit über AFN verfasste: Ferchow, „American Forces Network“ (unveröff.). Weitere deutsche Hochschulschriften zum Thema: Mahlstedt, AFN und BFBS (unveröff.); Rosin, Zur Geschichte des AFRS (unveröff.). American Forces Information Service/Armed Forces Radio and Television Service, History of AFRTS (nachf. zit. als AFIS/AFRTS, History of AFRTS). Christman, „This is AFN …“ (1983); ders., „This Is AFN …“ (1988); ders., Brass Button Broadcasters; ders., This is AFN … (1993). Bautell, AFN in Frankfurt am Main; Oertwig, Rik DeLisle. Provan, The AFN Story; ders., Eine militärische Anomalie; ders./Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV).
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Forces Network widmet er sich der Entstehung der Senderkette in Großbritannien während des Zweiten Weltkriegs, an der die BBC beteiligt war. Vor allem mit Hilfe von britischen Quellen analysiert Morley die Entwicklung und einige Programm-Inhalte von AFN und beschäftigt sich mit seinem möglichen Einfluss auf den Rundfunk im Vereinigten Königreich. Der von Morley untersuchte Zeitraum ist die „Vor- und Frühgeschichte“ für das Thema dieser Arbeit, daher wurden seine Veröffentlichungen als Grundlage für die britische Sicht auf AFN im Zweiten Weltkrieg genommen.14 Auch mehrere lokal angelegte Studien über die US-Senderkette in Deutschland erwiesen sich für diese Arbeit als ertragreich. Sie orientieren sich nicht nur an den bisherigen Aussagen über die allgemeine AFN-Geschichte, sondern erschließen bislang unbekannte Quellen, etwa Artikel aus Lokalzeitungen oder Aussagen von Zeitzeugen.15 Die Ausstellung The Link with Home – und die Deutschen hörten zu im AlliiertenMuseum in Berlin im Jahr 2001/2002 versammelte eine Vielzahl von Erinnerungen an den amerikanischen, britischen und französischen Militärrundfunk. Sie widmete sich der Bedeutung der Sender für die Westmächte und die deutsche Bevölkerung. Dieser doppelte Fokus zeigte sich auch in der gleichnamigen Publikation des Museums, für die Alliierte und Deutsche Aufsätze geschrieben haben.16 Auch etliche deutsche und amerikanische AFN-Hörer fühlten sich aufgerufen, die Informationslücke zum Thema Militärsender zu schließen. Dazu zählt zum Beispiel der Swing- und Jazzfan Günter Grull, der im Jahr 2000 ein Buch über die Rundfunkaktivitäten verschiedener Länder im Zweiten Weltkrieg und danach verfasste. Einen Überblick über Geschichte und Gegenwart verschiedener Soldatensender gibt auch eine Publikation von Rainer Pinkau und Hans Weber aus dem Jahr 2007. Zahlreiche kleinere Texte und Fotos zum Thema werden mittlerweile nicht mehr nur in Büchern oder Zeitschriften mit niedrigen Auflagen veröffentlicht, sondern auch im Internet. Die faktischen Informationen zu AFN erweisen sich nicht immer als zuverlässig, doch lassen sich hier interessante individuelle Erinnerungen oder historische O-Töne finden. Einige dieser Materialien wurden nach Maßgabe der geschichtswissenschaftlichen Quellenkritik und -interpretation für diese Arbeit verwendet.17
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Morley, „This Is AFN!“; ders., „This Is the American Forces Network“. Hoppe, AFN Berlin; Ritter, Vorort von New York?, 92 f., 229–235; Strößner, Der Aufbau von AFN in Nordbayern; Walther, Morgens anti-Vietnam, abends AFN. The Link with Home. Grull, Radio und Musik; Klawitter, American Forces Network Europe; Pinkau/Weber, Soldatensender.
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Historisches Material und Quellen Die bislang unzureichende Erforschung des Themas hat auch mit der schlechten Quellenlage zur Geschichte des Senders zu tun. AFN selbst hat historisches Material vor allem zum Zweck seiner Öffentlichkeitsarbeit aufbewahrt. Dies umfasste einige wenige Akten aus der Gründungsphase und aus den nachfolgenden Jahrzehnten. Ab 1953 sammelte das Information and Liaison Office auch Zeitungsausschnitte über den Sender, anfangs noch sehr ausführlich, später immer selektiver. In manchen Jahren brachte es auch wöchentlich erscheinende Hausmitteilungen heraus. Die Publikationen Loudspeaker (1946/1947), AFN Weekly Digest (1953 bis 1955) oder The AFN Newsletter (1969/1970) sind aber nur zum Teil überliefert. Mit der Schließung einiger AFN-Stationen nach dem Ende des Kalten Kriegs wurde die Senderkette noch einmal massiv mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Amerikaner und Deutsche erinnerten sich zum Teil mit großer emotionaler Anteilnahme an die Geschichte des US-Militärrundfunks und dessen Bedeutung für sein Publikum. Für den jeweils letzten Sendetag der betroffenen Stationen in München, Bremerhaven und Berlin bereiteten AFNMitarbeiter Programme mit zahlreichen historischen Elementen vor. Danach kamen einige Akten und Tondokumente der ehemaligen lokalen Sender ins Frankfurter Hauptquartier. Dies geschah eher unsystematisch, auch wenn zum Beispiel Bill Boyd für AFN Bremerhaven mehrere Ordner mit historischem Material zusammenstellte. In der Regel archivieren weder Militäreinheiten noch Rundfunksender ihre eigene Geschichte besonders sorgfältig – bei AFN trifft beides aufeinander. Denn Akten und anderes Schriftgut werden nach den Vorschriften der Streitkräfte aufbewahrt und können daher meist nach relativ kurzen Aufbewahrungsfristen entsorgt werden. In ihrer Existenz stark gefährdet waren stets auch die für die Öffentlichkeitsarbeit des Senders angelegten Sammlungen von Zeitungsausschnitten und anderen Dokumenten. Etliche ehemalige Mitarbeiter berichten, dass sie dieses Material immer wieder vor militärischen Ordnungsbemühungen bewahren mussten. Organisatorische Umstrukturierungen oder Umzüge brachten aber fast unweigerlich Verluste mit sich. Der amerikanische Historiker John Provan hat die Autorin auf die Bestände des Senders aufmerksam gemacht und half mit, sie ihr zugänglich zu machen. Zahlreiche Mitarbeiter von AFN, von denen hier nur stellvertretend Herb Glover und George Smith genannt seien, haben dafür gesorgt, dass die Autorin das Material bei mehreren Besuchen beim Sender in den Jahren von 1998 bis 2002 auswerten konnte. Dieser Bestand wird in der Arbeit als AFN Historical File zitiert, obwohl es die Sammlung in dieser Form nicht mehr gibt. Vor dem Umzug der Sendezentrale von Frankfurt nach Mannheim im Jahr 2004 hatte AFN John Provan damit beauftragt, alles historische Material zu sichten und den zuständigen amerikanischen Archiven anzubieten. Die Na-
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tional Archives und die Library of Congress forderten ausgewählte Dokumente an und bekamen sie auch. Einige AFN-Bestände hat Provan in seinem Privatarchiv erhalten. Etliche Akten und Publikationen von AFN konnte die Autorin als Kopien in älteren Konvoluten im amerikanischen Nationalarchiv entdecken. So hatte der zwischenzeitlich für den Militärrundfunk zuständige Armed Forces Information Service (AFIS) die umfangreiche Materialsammlung des Historikers Lawrence Suid in den neunziger Jahren an das Nationalarchiv abgegeben.18 Ebenfalls am Standort College Park in Maryland gibt es einen größeren Bestand von historischen Dokumenten von AFRTS.19 Neben den gerade erwähnten Konvoluten konnte die Autorin dieser Arbeit in College Park zahlreiche kleinere Aktenbestände mit Bezug zu AFN im Decimal File System des Verteidigungsministeriums recherchieren.20 Anfang der sechziger Jahre ersetzte das Militär allerdings das Dezimalsystem, in dem sich viele Akten unabsichtlich erhielten, durch ein neues Ablagesystem, das es ermöglichte, viele Unterlagen nach relativ kurzer Zeit zu entsorgen. Für eine zukünftige Recherche zum Thema AFN in College Park könnten unter Umständen die Akten ziviler Stellen ertragreich sein. Für diese Arbeit wurden zum Beispiel die Bestände des US-Außenministeriums und der amerikanischen Militärregierung beziehungsweise des Hochkommissars für Deutschland nur in Ansätzen ausgewertet. Aufgrund eines Hinweises von R. Stephen Craig konnte die Autorin in den Beständen des Nationalarchivs in St. Louis die Weekly Information Reports von AFN aus dem Jahr 1959 lokalisieren. Die Wochenberichte erwiesen sich für diese Arbeit als äußerst ertragreich, da sie auch die Alltagsroutine des Radiosenders zeigen. In St. Louis scheinen ansonsten nur die Personalverzeichnisse und Morning Reports des Senders zu liegen. In einzelne Personalakten von Militärangehörigen oder zivilen Mitarbeitern wurde keine Einsicht genommen. Das Freedom of Information and Privacy Acts Office des Heeresministeriums war bei der Suche nach möglichen Akten-Deposita von AFN behilflich, es konnten aber keine weiteren gefunden werden. Nachforschungen bei verschiedenen Einrichtungen des amerikanischen Militärs in den USA und in Deutschland erbrachten kaum oder keine verwertbaren Ergebnisse.21 Anfra18 19 20 21
Dies sind die beiden bereits im Prolog zitierten Bestände Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP und Transcripts, ebd. Hierzu gehört außerdem der Bestand Draft Chapters, ebd. Das Konvolut wird im Folgenden abgekürzt als Histories, AFRTS, RG 330, NACP. Sie befinden sich, soweit nicht anders angegeben, unter den Nummern 000.77 (Radio Broadcasts) oder 311.23 (Communication, methods and systems). Dazu gehören etwa: Defense Information School, U. S. Army Center of Military History, U. S. Army Europe, U. S. Army Military History Institute, U. S. European Command.
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gen bei den zwischenzeitlich für AFN verantwortlichen Stellen AFIS und ABS (Army Broadcasting Service) blieben unbeantwortet. Die Zeit der intensiven Quellenrecherche für diese Arbeit liegt mittlerweile etliche Jahre zurück. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich die Lage heute anders darstellt. Obwohl AFN seit über sechzig Jahren seine Programme von deutschem Boden ausstrahlt, haben hiesige Archive kaum Material zu diesem Sender. Die Suche nach Akten wird unter anderem dadurch erschwert, dass es für den Militärrundfunk anscheinend nur im technischen Bereich feste Zuständigkeiten gab. Außer der Bundespost beschäftigten sich deutsche Behörden ansonsten nur bei konkreten Anlässen mit AFN. Kleinere Bestände konnten an verschiedenen Stellen im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes sowie im Bundesarchiv in Koblenz gefunden werden. Eine Suche in den Akten der ehemaligen DDR wäre zwar wünschenswert gewesen, konnte aber nicht geleistet werden. Eine Anfrage an den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Jahr 1999 brachte keine Quellen aus dem Untersuchungszeitraum zutage, wohl aber eine kleine Sammlung von Zeitungsartikeln. Ein ähnliches Ergebnis ergab sich aus schriftlichen Anfragen an verschiedene westdeutsche Stadt- und Staatsarchive. Da Zeitungs- und Zeitschriftenartikel als Quelle für diese Arbeit eine große Rolle spielen, sind an dieser Stelle einige allgemeine Erläuterungen dazu nötig. Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Autorin vieler Ausschnittssammlungen bediente. Neben dem bereits erwähnten Material wurden die Bestände der Frankfurter Rundschau, des (ehemaligen) Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs, des Zentrums für Berlin-Studien und eines Rundfunksenders, der ungenannt bleiben will, genutzt. Ein Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass man das publizistische Umfeld eines Artikels nicht sieht und auch den inhaltlichen Kontext der Berichterstattung nicht unbedingt erkennen kann. Eine systematische und vollständige Auswertung einzelner Medien war hierdurch also nicht möglich. Die amerikanischen Militärzeitungen, die als einzige kontinuierlich über AFN berichteten, sind aber bloß lückenhaft überliefert oder nur sehr schwer für eine Recherche zugänglich. Für die Nutzung von Sammlungen von Einzelartikeln sprach daher, dass so eine große Menge von Artikeln über AFN zusammenkam und eine Vielzahl von Publikationen berücksichtigt werden konnte. Hierunter waren viele, die ansonsten nicht hätten ausgewertet werden können. Dieses Argument erschien vor allem in Hinblick auf den Überblickscharakter dieses Projektes wichtig. Für Untersuchungen eines einzelnen Lokalsenders oder eines kürzeren Zeitabschnitts werden andere Regeln gelten müssen. Größeres Augenmerk könnte man dann zum Beispiel auch auf Veröffentlichungen in Magazinen legen, von verschiedenen Rundfunk-Zeitschriften bis zur BRAVO. Besondere Bedeutung kam den von AFN gesammelten Zeitungsartikeln zu. Selbst ausgewertet hat die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit vor allem
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amerikanische Medien und speziell solche aus dem Umfeld des Militärs. Dazu gehörte eine Vielzahl von wöchentlich erscheinenden Zeitungen einzelner Befehlsbereiche oder Armee-Einheiten, deren Artikel durch den jeweiligen Kommandeur beziehungsweise Presseoffizier genehmigt werden mussten.22 Die authorized publications hatten meist nur wenig Personal und druckten vielfach direkt militärische Pressemitteilungen ab und ergänzten sie höchstens mit Informationen von lokalem Interesse. Hierdurch haben sich viele PR-Texte von AFN erhalten, in denen es vor allem um sein Programm ging, aber zum Beispiel auch einzelne Mitarbeiter oder Einrichtungen vorgestellt wurden. Die militärische Tageszeitung Stars and Stripes verfügte über mehr Redakteure und größere Eigenständigkeit, auch weil sie sich wie AFN nur zum Teil aus den Haushaltsmitteln des Verteidigungsministeriums finanzierte. Beiden Medien standen darüber hinaus Mittel aus den non-appropriated funds der Streitkräfte zur Verfügung, die unter anderem aus den Überschüssen der Läden für amerikanische Soldaten in Europa stammten. Wie AFN und die Stars and Stripes in die Streitkräfte eingebunden waren und wie sie beeinflusst wurden, wird in der Arbeit mehrfach thematisiert werden.23 An die Leserschaft der amerikanischen Soldaten in Europa wandten sich auch einige vom Militär unabhängige Zeitungen, die sich vor allem durch Werbeanzeigen und die verkaufte Auflage finanzierten. In Frankfurt erschienen zum Beispiel die europäische Ausgabe der Army Times sowie die Boulevardzeitung Overseas Weekly.24 Letztere gab es von 1950 bis 1975 und sie suchte ihre Leserschaft vor allem unter den Mannschaftsgraden, die sie mit Sex, Crime und Kritik an Offizieren ansprechen wollte. Die auch als „Oversexed Weekly“ verspottete Zeitung verärgerte viele höhere Militärs und brachte auch aufgebauschte Storys und falsche Informationen. Doch selbst Kritiker mussten zugeben, dass in den Geschichten fast immer ein wahrer Kern steckte. Hier wurden Themen angesprochen, die in den offiziellen Medien nicht vorkamen, und in ihren Leserbriefspalten spiegelte sich manches Ärgernis in den US-Militärgemeinschaften in Deutschland recht deutlich wider.25 In der AFN-Sammlung von Veröffentlichungen über den Sender sind auch internationale Medien vertreten. Hier lassen sich in bunter Mischung 22 23 24 25
Eine Liste der zitierten Militärpublikationen befindet sich im Anhang. Siehe etwa Craig, Armed Forces Media; Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 104–113; Zumwalt, The Stars and Stripes. Der Verlag der Army Times veröffentlichte auch eine Air Force Times und gab in Frankfurt die Zeitung American Weekend heraus. Als Ableger der Overseas Weekly erschien hier ab 1958 die am Lesegeschmack von Frauen orientierte Overseas Family. Siehe etwa Gerd-Peter Schulze, Die Stimmen der Neuen Welt in Europa, in: Darmstädter Echo, 24. Februar 1965; Suid-Interview Bob Harlan, 17. April 1983, 30, Box 4, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Robert J. Harlan war von 1949 bis 1986 bei AFN); Suid-Interview Bill Swisher, 20. April 1983, 16 ff., Box 8, ebd. (Swisher war von 1969 bis 1972 und 1974 bis 1980 bei AFN); Zumwalt, The Stars and Stripes.
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verschiedene überregional bedeutende Publikationen finden, aber auch kleinere Lokalblätter oder gar Schülerzeitungen. Für viele deutsche Texte liegt eine englische Übersetzung vor, manchmal hat sich nur diese erhalten. Etliche Autoren haben ihre Artikel selbst an den Sender geschickt, einige sogar vor deren Veröffentlichung. Damit waren sie einer Bitte von AFN nachgekommen, denn der Militärsender hatte Anweisung, Medienberichte, zu denen er Informationen beigesteuert hatte, vorab zu prüfen. Bei der geschichtswissenschaftlichen Analyse der Zeitungsberichte musste unter anderem berücksichtigt werden, dass es sich bei etlichen Artikeln in Militärzeitungen oder der häufig zitierten irischen Radio Review um kaum veränderte Pressemitteilungen von AFN handelte. Die Mehrheit der Medien berichtete vor allem über das Radioprogramm oder zu einem Jubiläum über die Senderkette. Bei der Auswertung eines Artikels wurden stets auch die möglichen Absichten der Verfasser untersucht, denn viele Beiträge beteiligten sich an gesellschaftlichen Debatten und dies beeinflusste ihre Aussagen zu AFN. Deutsche Journalisten mussten zudem berücksichtigen, dass sie über eine Einrichtung der amerikanischen Besatzer beziehungsweise Schutzmacht schrieben. Außerdem wird bei jedem Text nach der Leserschaft des Blattes gefragt. Viele deutsche Medien befanden sich in einer Zwickmühle, da die Mehrzahl ihrer Leserinnen und Leser AFN eher reserviert gegenüberstand, einige den US-Sender aber durchaus mochten. Es mag erstaunen, dass nun erst angesprochen werden soll, welche Tondokumente sich bei AFN erhalten haben. Das Fehlen von historischen Aufnahmen ist jedoch häufig eines der größten Probleme bei der geschichtswissenschaftlichen Analyse eines Rundfunksenders. Auch das Archiv von AFN bildet keine Ausnahme, denn es war vor allem auf die Bedürfnisse der aktuellen Radioproduktion ausgerichtet. Dafür wurden zunächst alle Schallplatten gesammelt, die der Sender jede Woche von AFRS aus den Vereinigten Staaten zugeschickt bekam. Dies waren eigene Pressungen des US-Militärrundfunks und sie beinhalteten sowohl einzelne Lieder und Musikstücke als auch komplette Radiosendungen. Die meisten von AFN selbst produzierten Programme gingen live über den Äther und wurden nur in seltenen Fällen auf Band aufgezeichnet. Und diese wurden, wie bei anderen Rundfunkstationen auch, aus Kostengründen immer wieder überspielt. Vergleichsweise wenige Sendungen nahm AFN selbst auf Schallplatte auf, um sie länger aufzubewahren. Auf den sogenannten Local Recordings ließen sich im Archiv vor allem Produktionen aus den fünfziger Jahren finden und zwar überwiegend Sendereihen aus dem Informations- und Bildungsbereich. Von Nachrichten gibt es allerdings nur vereinzelte Aufnahmen. Selbstproduzierte Musiksendungen von AFN konnten bei der Recherche nicht gefunden werden. Deshalb musste die Autorin hierfür auf externe Aufnahmen zurückgreifen, und auch dieses Vorgehen hatte Grenzen. Viele Deutsche haben zwar mit einem Tonbandgerät oder später einem Kassettenrekorder AFN mitgeschnitten, den meisten ging es aber um ein-
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zelne Lieder oder Musikstücke. Selten nahmen sie komplette Sendungen und das „Gequatsche“ der Discjockeys auf, das wiederum die Historikerin interessiert.26 Die fehlende Überlieferung von historischen Tondokumenten erschwerte die Analyse des Programms von AFN erheblich, zumal sie nur in begrenztem Maße durch schriftliche Quellen ergänzt werden konnte. Der Sender erstellte zwar Programmpläne, in denen die Titel der Sendungen und bei Serien auch die Folge verzeichnet wurden, diese haben sich aber nur vereinzelt überliefert. Bei der Analyse des Programms der gesamten Senderkette und einzelner Stationen war die Autorin daher vor allem auf Vorankündigungen und Medienberichte angewiesen. Schriftliche Musiklaufpläne, wie sie etwa Wolfgang Gushurst für seine Untersuchung von Popmusik im Radio verwendete, gab es für AFN nicht. Zeitweise mussten die Moderatoren zwar festhalten, welche Titel sie spielen wollten beziehungsweise gespielt haben, diese Listen durften aber nach einer bestimmten Frist wieder vernichtet werden.27 Aus Platzproblemen oder wegen eines Umzugs wurden die Programmarchive aller AFN-Sender im Laufe der Jahre immer wieder dezimiert. Für die Schließung einer Rundfunkstation war zudem vorgeschrieben, dass die von AFRS gelieferten Platten zerstört werden mussten.28 Dies war nötig, weil die Verträge zwischen dem amerikanischen Militärrundfunk und den Rechteinhabern von musikalischen Darbietungen oder Radiosendungen vorsehen, dass alle Beiträge nur für den Gebrauch der Streitkräfte bestimmt sind. Wie andere Hörfunkstationen stieg AFN mit der Zeit auf neue Speichermedien um, und so wurden die Schallplatten seit Anfang der neunziger Jahre kaum mehr benutzt. Die Schließungen der Lokalsender in München, Bremerhaven und Berlin brachten noch einmal einige alte Schallplatten und Tonbänder in das Programmarchiv in Frankfurt. Der überwiegende Teil der lokalen Archive wurde jedoch vernichtet. Vor dem Umzug der Sendezentrale von Frankfurt nach Mannheim im Jahr 2004 bot AFN die Tonträger den National Archives und der Library of Congress an. Die Archive anderer Radiosender haben aus geschichtswissenschaftlicher Sicht ähnliche Probleme wie AFN und können die Überlieferungslücken des Militärrundfunks keinesfalls kompensieren. Für diese Arbeit wurden Aktenbestände des Hessischen Rundfunks und des Nordwestdeutschen beziehungsweise Norddeutschen Rundfunks ausgewertet. Auch einige deutsche Radio26 27 28
Zu den AFRS/AFRTS-Aufnahmen siehe etwa Brylawski, Armed Forces Radio Service; The Directory of the Armed Forces Radio Service Series. Siehe hierzu auch Kapitel 7 und 8. Gushurst, Popmusik im Radio. Siehe auch Kapitel 8. Eine Anweisung des Kriegsministeriums aus dem Januar 1946 ließ keinen Zweifel zu: „Destruction may be accomplished by burning, submerging, or so effacing the transcriptions that future playing will be impossible.“ War Department Circular No. 2, 3. Januar 1946, zit. n. AFRS Playback, 21. Januar 1945 [gemeint ist 1946], 8.
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und Fernsehsendungen zu relevanten Themen wurden analysiert. Besonders hervorheben sollte man in diesem Zusammenhang die Dokumentation Radio Star, für die umfangreiches historisches Material zusammengetragen und zahlreiche Zeitzeugen befragt wurden.29 Die Quellenlage machte schnell deutlich, dass die Befragung von Zeitzeugen unverzichtbar sein würde, damit zentrale Themen wie die Produktion oder Rezeption der Radioprogramme überhaupt angesprochen werden können. Innerhalb dieses kleinen, fast ausschließlich privat finanzierten Projekts konnte den Standards der Oral History oder ähnlichen geschichtswissenschaftlichen Konzepten nicht entsprochen werden. Wie bereits die Protokolle der Interviews von Lawrence Suid erahnen ließen, ergab sich bei der Befragung der Rundfunkmitarbeiter ein besonderes Problem. Die meisten vergaßen nämlich das Aufnahmegerät in keinem Augenblick und beantworteten Fragen in sendereifer Qualität, aber mitunter sehr allgemein. Da sich dies änderte, sobald das Mikrofon ausgeschaltet war, verzichtete die Autorin bei weiteren Interviews und Gesprächen auf einen Mitschnitt und schrieb stattdessen mit oder fertigte Gedächtnisprotokolle an. Dies erwies sich auch im Fall deutscher Zeitzeugen als nützlich. Die meisten ehemaligen Hörerinnen und Hörer reagierten auf den Wunsch nach einem längeren Interview mit Gesprächsleitfaden abwehrend („Ach, da können ihnen andere bestimmt mehr erzählen als ich.“), berichteten in einem informellen Rahmen aber durchaus ausführlich und mit vielen relevanten Erinnerungen. Hierdurch ergab sich für diese Arbeit eine Vielzahl wertvoller Hinweise, die nicht in allen Fällen zitierfähig festgehalten werden konnten. Um der wissenschaftlichen Belegbarkeit genügen zu können, wurden etliche Zeitzeugen auch schriftlich befragt. Zum einen durfte die Autorin einige Fragen in die Erhebung von John Provan einfügen, die dieser im Rahmen des AFN History Project in den Jahren 1999 und 2000 bei ehemaligen Mitarbeitern des Senders durchführte. Zum anderen entwickelte die Autorin auch einen Fragebogen für ehemalige deutsche Hörerinnen und Hörer von AFN, den sie nach dem Schneeballprinzip verbreitete. Da sie für diese Aktion auch Besucher der Ausstellung über den Militärrundfunk im AlliiertenMuseum ansprechen durfte, ist das ehemalige Berliner AFN-Publikum überproportional vertreten. Wie andere Besonderheiten wurde dies bei der qualitativen Auswertung der Ergebnisse berücksichtigt. Insgesamt flossen 25 Fragebögen von Deutschen der Jahrgänge 1929 bis 1958 in die Analyse ein. Viele Zeitzeugen nahmen sich nicht nur die Zeit, den Fragebogen auszufüllen, sondern teilten ihre Erinnerungen an AFN auch in Gesprächen oder Briefen mit der Autorin. Dasselbe gilt für etliche Menschen, die auf den verschiedensten Wegen auf dieses Projekt aufmerksam wurden.30 29 30
Radio Star, Karnick/Richter (AV). Die in der Arbeit angeführten Gespräche, Fragebögen, Briefe und E-Mails sind in der Bibliographie aufgeführt.
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Der Kontakt zu vielen amerikanischen Zeitzeugen kam über das World Wide Web zustande. Dies gilt nicht nur für das einstige US-Publikum von AFN, sondern auch für ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Senders, die im Internet historisches Material veröffentlichen und sich in verschiedenen Foren austauschen. Die Autorin ist dankbar dafür, dass sie einige Jahre an einer dieser Gruppen teilhaben durfte. Die in diesem geschützten Rahmen ausgetauschten E-Mails dienten für diese Arbeit als Hintergrundinformationen und werden nur in Ausnahmefällen und mit Erlaubnis der Verfasser zitiert. Etliche Teilnehmer der Gruppe schickten der Autorin allerdings auch individuelle Briefe, die sich in vielen Fällen als extrem nützlich erwiesen. Freundlicherweise durfte die Autorin im Herbst 1999 auch an einer AFN Reunion teilnehmen, einem Treffen ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Militärrundfunks. Hier fanden öffentliche Diskussionen statt und es ergaben sich viele persönliche Gespräche. An dieser Stelle scheinen einige grundsätzliche Bemerkungen zum Umgang mit den Aussagen von Zeitzeugen angebracht zu sein. Der Historikerin war es im Zusammenhang mit allen individuellen Erinnerungen wichtig, eine Balance zwischen Empathie und wissenschaftlicher Distanz zu finden. Mit allen Aussagen wurde respektvoll umgegangen, trotzdem werden etliche Zeitzeugen mit dem Ergebnis der Analyse nicht unbedingt einverstanden sein. Außerdem konnten bei Weitem nicht alle individuellen Erlebnisse berücksichtigt werden. Allen amerikanischen und deutschen Zeitzeugen sei gesagt: Ohne sie würde es diese Arbeit nicht geben. Erst die fortwährende Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft ehemaliger und jetziger AFN-Mitarbeiter und das kontinuierliche Interesse und der Enthusiasmus der deutschen Hörerschaft gaben die nötige Energie, dieses Projekt zu Ende zu bringen. Veröffentlichte Diskussionen und eigene Fragen Bevor nachfolgend einige wichtige Diskurse zum Thema AFN dargestellt werden, scheint ein klärendes Wort zu dessen Namen notwendig zu sein. Seit seiner Entstehung im Zweiten Weltkrieg wurde der Sender in unzähligen militärischen Akten und amerikanischen Publikationen fälschlicherweise Armed Forces Network genannt. Dies liegt wohl daran, dass bei den Streitkräften die Bezeichnung Armed weit verbreitet ist und der amerikanische Militärrundfunk die meiste Zeit Armed Forces Radio Service hieß. Bei höheren Vorgesetzten von AFN in Europa und den USA deutet der falsche Name bisweilen an, dass dem Thema Rundfunk keine große Bedeutung eingeräumt wurde. Die Presseund Öffentlichkeitsarbeit von AFN setzte sich stets für die richtige Bezeichnung ein, war damit aber nicht immer erfolgreich, denn das Armed Forces Network hielt sich über die Jahre vor allem in US-Medien hartnäckig. Aus diesem Grund kommen selbst ehemaligen AFN-Mitarbeitern mitunter Zweifel,
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ob der Sender zeitweise nicht wirklich so geheißen haben könnte. Einen solchen Namenswechsel hatte es nämlich bei AFRTS gegeben, der sich von 1969 bis 1982 American Forces Radio and Television Service nannte. AFN allerdings hieß von der ersten Sendeminute an American Forces Network und behielt diesen Namen über all die Jahre bei.31 Erstaunlich viele wissenschaftliche Autoren nennen AFN bis heute fälschlicherweise Armed Forces Network. Dies ist nicht unbedingt ein Zeichen für Unkenntnis, zeugt aber von Nachlässigkeit. Mitunter stützen sich ihre Aussagen zu AFN auch nur auf wenige Dokumente oder Veröffentlichungen.32 Wie die Übersicht der Literatur gezeigt hat, ist die Institutionsgeschichte von AFN bis auf die ersten Jahre in Großbritannien und einzelne Zeitabschnitte in Deutschland bislang höchst oberflächlich erforscht. Die Tendenz in vielen Darstellungen ist es, aufzuzählen, wann und wo Radiostationen eröffnet beziehungsweise geschlossen wurden. Bisweilen wird dies in einen größeren Zusammenhang mit den US-Streitkräften gebracht, tiefer gehende Analysen zu AFN als militärischer Einrichtung sind damit selten verbunden. Dazu passt, dass die Rundfunkstationen der alliierten Streitkräfte hierzulande häufig als Soldatensender bezeichnet werden. Dies verlief ähnlich wie beim sogenannten Soldatensender Belgrad, von dem vor allem in Erinnerung geblieben ist, dass dort Wehrmachtsangehörige für ihre Kameraden Platten abspielten und dabei das Lied „Lili Marleen“ bei Freund und Feind bekannt machten. Der Begriff Soldatensender entspricht dem gängigen deutschen Klischee von AFN, nach dem dort vor allem Discjockeys damit beschäftigt sind, Schallplatten mit aktueller Unterhaltungsmusik aufzulegen. Zu diesem Bild gehören meist weitere Elemente, etwa die Vorstellung von fröhlichen und arglosen GIs, die sich bei ihrem Tun wenig Gedanken machen und ein seichtes Radioprogramm produzieren.33 Diese Arbeit versucht nun, die Ereignisse und Entwicklungen der formativen Jahre des Militärrundfunks kontinuierlich zu beschreiben und deren Bedeutung für AFN, sein Programm und seine Hörerschaft herauszuarbeiten. Die Senderkette gehört zum amerikanischen Militär, hat also an all seinen Entwicklungen Anteil und ist fest in dessen System eingebunden. Hierzu gehören zum Beispiel Veränderungen bei der Stärke oder dem Auftrag der US-Truppen in Deutschland oder die hierarchischen Strukturen und internen Kontrollmechanismen der Streitkräfte. 31 32 33
Nachdem AFN 1958 nach Frankreich expandiert war, firmierte der Sender fortan als American Forces Network Europe. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit auch für die Zeit danach zumeist nur von AFN gesprochen. Siehe etwa Davis, Come as a Conqueror, 143; Erenberg, Broadcasting Freedom, 274, 292; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 65; Willett, The Americanization of Germany, 14; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 110. Wegen solcher und ähnlicher Konnotationen vermeidet die Autorin in dieser Arbeit das Wort Soldatensender oder setzt es in Anführungsstriche. Der deutsche Begriff Militärrundfunk erscheint demgegenüber neutraler und auch viel passender.
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Auf der Suche nach weiteren Einflüssen auf die Entwicklung von AFN beschränken sich die meisten Studien auf den Kalten Krieg. Dargestellt wird etwa, wie die Zuspitzung des Ost-West-Konflikts die Ausweitung der Senderkette förderte oder welche Rolle AFN bei wichtigen Ereignissen der Auseinandersetzung spielte (etwa bei der Luftbrücke). Umstritten ist in diesem Zusammenhang vor allem der Aspekt Propaganda. Wegen seines europäischen Publikums wurde seit der Einrichtung von AFN immer wieder darüber gemutmaßt, welchen Einfluss er auf ausländische Hörerinnen und Hörer hatte. Die Diskussion darüber verstärkte sich in den sechziger Jahren, angeregt durch die umstrittenen Informations- und Medienaktivitäten der US-Streitkräfte im Vietnamkrieg. Während Autoren wie Browne die Wirkung von amerikanischen Radiosendern im Ausland wissenschaftlich untersuchten, verfolgten andere Veröffentlichungen zu diesem Thema vor allem politische Ziele.34 Nachfolgend gab es immer wieder Autoren, die den amerikanischen Militärrundfunk unter dem Vorzeichen von Propaganda und absichtlicher kultureller Einflussnahme analysierten und ein solches Engagement auch rückwirkend nachweisen wollten.35 In etlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema wird AFN wegen seines großen ausländischen Publikums zwar erwähnt, aber nur oberflächlich untersucht. Diese Autoren sahen ihn vor allem als Musiksender, der außer Nachrichten kein „ernsthaftes“ Programm gebracht, aber massiv die europäische Kultur verändert habe. Für solche Feststellungen konnten Autoren wie Willi A. Boelcke auf zahlreiche ähnliche Werturteile zurückgreifen, die europäische und amerikanische Beobachter seit den fünfziger Jahren immer wieder getroffen hatten. Diese Sichtweise von AFN wird im Laufe dieser Arbeit mehrfach thematisiert werden.36 Anders als in bisherigen Darstellungen, soll die Entwicklung von AFN in dieser Arbeit nicht nur in die Geschichte der amerikanischen Streitkräfte und des Kalten Krieges eingebettet werden. Kurze Exkurse in die Medienentwicklung in den USA sollen darüber hinaus Hinweise dafür geben, ob und wie der Militärrundfunk in verschiedenen Zeitabschnitten seinen Auftrag gegenüber seinem amerikanischen Publikum erfüllen konnte. Untersucht werden soll auch, wie der Wandel des deutsch-amerikanischen Verhältnisses die Entwicklung von AFN beeinflusste und welche Rolle bestimmte gesellschaftliche Tendenzen in den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik dabei spielten. Als Beispiele hierfür seien etwa Generationskonflikte oder das sich wandelnde Rollenverständnis von Mann und Frau genannt. Die synoptische Darstellung von Ergebnissen verschiedener Wissensgebiete bedingt, dass 34 35 36
Browne, The World in the Pentagon’s Shadow; ders., International Radio Broadcasting; Hale, Radio Power; Fulbright, Das Pentagon informiert. Park, Der amerikanische Soldatensender (unveröff.); Zilling, AFN (unveröff.). Boelcke, Die Macht des Radios, 572 f. Siehe hierzu etwa Zink, The United States in Germany, 241; Sandford, The Mass Media of the German-speaking Countries, 94 ff.: „‚serious‘ radio“. Vgl. Gienow-Hecht, Shame on US?, 470–479; Poiger, Commentary.
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manche Erläuterung dem jeweiligen Experten überflüssig vorkommt. Doch wer sich mit US-Mediengeschichte auskennt, muss nicht unbedingt etwas über den National Security Act von 1947 wissen. Und kaum ein militärhistorischer Experte wird die Veränderungen des Hörfunks durch das Fernsehen erklären können. Etliche Untersuchungen zur deutschen Nachkriegsgeschichte oder zu deutsch-amerikanischen Themen erwähnen den US-Militärrundfunk, beschränken sich jedoch auf wenige Informationen und kurze Bemerkungen. Selbst exzellente amerikanische oder deutsche Studien mit hoher Quellendichte führen für AFN bemerkenswert wenige Belege an und bleiben bei einfachen Aussagen. Einige dieser Untersuchungen, etwa die von Kaspar Maase oder Uta G. Poiger, erwiesen sich aber in Hinblick auf ihre eigentlichen Themen für diese Arbeit als außerordentlich nützlich.37 Nicht immer wurde die angeführte Literatur oder das untersuchte Material allerdings hinreichend kritisch hinterfragt, so dass sich etliche Klischees über AFN erhalten konnten. In einigen Studien über die deutsche Nachkriegskultur wird der amerikanische Militärrundfunk zum Beispiel als ein reiner Musiksender gesehen, der 1945 den Jazz nach Deutschland zurückgebracht habe. Für Untersuchungen späterer Jahre mutiert AFN dann häufig zur Radiostation des Rock ’n’ Roll, die fast alle deutschen Jugendlichen eingeschaltet hätten. Bisweilen taucht AFN wie ein Deus ex Machina auf, wenn es darum geht, die Popularität von US-Kultur in Deutschland zu erklären. Häufig soll damit auch der Einfluss der Amerikaner in der Bundesrepublik bewiesen werden, der etwa mit Begriffen wie Modernisierung, Amerikanisierung oder Kulturimperialismus bezeichnet wird. Eine solche vereinfachende Sichtweise findet sich bis heute in etlichen Publikationen, und es wird zu klären sein, warum dies so ist.38 Der mögliche Einfluss des amerikanischen Militärrundfunks wird auch in dieser Arbeit untersucht werden. Es ist zu erwarten, dass AFN eine Rolle dabei spielte, einige Elemente der amerikanischen Kultur in Deutschland zu verbreiten. Schon vorab lässt sich aber sagen, dass AFN weder ausschließlich Musik brachte, noch dass ihn ganze Generationen von Jugendlichen einschalteten und sich willfährig formen ließen. In dieser Arbeit wird von einem Konzept der kulturellen Aneignung ausgegangen, bei denen die Handelnden aktiv aus vielen verschiedenen Angeboten auswählen, alt und neu vermischen und ihre Kreation mit eigener Bedeutung versehen. Dieses Modell wird seit Jahrzehnten in der Ethnohistorie verwendet und setzte sich auch in neueren Stu-
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Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 36, 102 f.; Leder, Americans and German Youth in Nuremberg, 424 ff.; Maase, BRAVO Amerika; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels; Siegfried, Time is on my side, 324 ff.; Wachter, Kultur in Nürnberg 1945–1950, 170. Siehe etwa Glaser, Kleine Kulturgeschichte, 38; ders., AFN; Koch/Glaser, Ganz Ohr, 221–226; Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg; Willett, The Americanization of Germany, VIII.
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dien zur „Amerikanisierung“ durch.39 Der Begriff bleibt aber selbst mit einer genaueren Definition äußerst diffus. In dieser Arbeit wird er daher sparsam verwendet und meist in Anführungsstrichen geschrieben. Dies erscheint auch deshalb notwendig, weil dieses und ähnliche Schlagworte im Untersuchungszeitraum in vielen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen verwendet wurden. Wie in anderen Zusammenhängen wird also auch beim Thema AFN zu untersuchen sein, inwieweit Deutsche Amerika zum Beispiel als „Projektionsfläche“ oder „geistige Konstruktion“ genutzt haben.40 Bei Untersuchungen zum Hörfunk in Deutschland wird AFN erstaunlich selten erwähnt. Ältere Standardwerke beschränken sich meist auf die Geschichte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und legen ihren Schwerpunkt auf interne Entwicklungen der einzelnen Sender. Neuere Studien gehen immer häufiger darüber hinaus, verfolgen etwa einen programmoder kulturgeschichtlichen Ansatz und beziehen dabei auch andere in Deutschland empfangbare Radiosender ein. Trotzdem schafft es zum Beispiel selbst Konrad Dussel, einer der führenden Experten auf diesem Gebiet, AFN in seinen Veröffentlichungen kaum oder gar nicht zu erwähnen, obwohl es thematisch angebracht wäre.41 Immerhin wurde in der aktuellen Forschung das lange verbreitete Urteil revidiert, dass der alliierte Militärrundfunk zusammen mit Radio Luxembourg für die Verflachung des Angebots deutscher Radiosender verantwortlich gewesen sei.42 In vielen Veröffentlichungen finden sich allerdings noch immer recht schlichte Urteile über AFN. Meist wird er weiterhin als ein Musiksender gesehen, der zum Vorbild für Veränderungen bei öffentlich-rechtlichen Anstalten wurde. Stellvertretend hierfür sei etwa Hans J. Kleinsteuber genannt, der AFN als erstes Formatradio auf deutschem Boden bezeichnet, das sein Programm ganz auf die Zielgruppe der jungen Soldaten zugeschnitten habe. Die Aussage des Politologen wurde nachfolgend von verschiedenen Historikern und Kommunikationswissenschaftlern aufgegriffen. Ein Problem vieler dieser Studien ist, dass ihre Autoren für AFN keine historische Entwicklung erkennen können und oft auf unzulässige Weise Informa39
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Als Beispiel für die Anwendung des Konzepts in der Ethnohistorie siehe Fowler, Arapahoe Politics. Einen Überblick über die veränderte Forschungsausrichtung der „Amerikanisierung“ gibt etwa Gienow-Hecht, Shame on US? Für die Übertragung auf deutsche Geschichte siehe beispielsweise Americanization and Anti-Americanism; Berghahn, Fordismus und westdeutsche Industriekultur, 203 f.; Fehrenbach/Poiger, Introduction; German Pop Culture. How „American“ Is It?; Maase, BRAVO Amerika; Paul/ Kanzler, Einleitung; Pells, Not Like Us. Greiner, „Test the West“, 5: „Projektionsfläche“; Maase, BRAVO Amerika, 13: „geistige Konstruktion“; Schildt, Moderne Zeiten, 398–423. Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, 189, 218; ders., The Triumph of English-Language Pop Music. Halefeldt, Weichenstellungen, 29; ders., Programmgeschichte des Hörfunks, 218; Hermand, Kultur im Wiederaufbau, 332; Dussel, Hörfunk in Deutschland, 330 ff.; Lersch, Das Hörfunkprogramm, 125.
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tionen aus unterschiedlichen Zeitabschnitten vermischen. Innerhalb dieser Arbeit wird daher zu untersuchen sein, wen AFN im Laufe der Jahre erreichen wollte und wie sich sein Programmangebot änderte. Dann wird sich vielleicht auch zeigen, ob und inwieweit der Sender zu einem entscheidenden Faktor für die hiesige Radioentwicklung werden konnte.43 Auch über das deutsche Publikum von AFN haben sich über die Jahrzehnte einfache Aussagen gehalten. Demnach sollen mehr oder weniger alle Jugendlichen nach dem Krieg den amerikanischen Militärrundfunk eingeschaltet haben. In dieser Interpretation bestärkten sich wissenschaftliche Veröffentlichungen, Medienberichte und manche Lebenserinnerungen gegenseitig. Dies zeigte sich besonders deutlich bei der Schließung mehrerer AFN-Stationen in Deutschland in den neunziger Jahren. Damals wurde der amerikanische Militärrundfunk fast einmütig zur Radio-Legende erklärt, die entscheidenden Einfluss auf den Lebensstil mehrerer Generationen von Heranwachsenden gehabt hätte.44 In dieser Zeit stieß die Deutung von AFN als dem Jugendsender der Bundesrepublik aber auch auf Skepsis. Für seine umfangreiche Studie über die fünfziger Jahre suchte Axel Schildt nach statistischen Belegen für die Größe des deutschen Publikums der alliierten Sender. In der spärlichen Publikumsforschung stieß er auf Angaben für den Durchschnitt der westdeutschen Radiohörerschaft, die Einschaltquoten im einstelligen Prozentbereich nahelegen.45 Die Diskrepanz zwischen Aussagen wie „alle haben AFN gehört“ und „fast keiner hat AFN eingeschaltet“ ist groß, und es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Frage rückwirkend eindeutig klären lässt. Es wird aber Aufgabe dieser Arbeit sein, weitere Anhaltspunkte für die Anzahl und Zusammensetzung der deutschen Hörerschaft zu finden. Offen sollte man dafür sein, dass sich das deutsche Publikum von AFN im Untersuchungszeitraum von 1945 bis 1965 verändert haben könnte. Darüber hinaus gilt es zu erforschen, warum der amerikanische Militärrundfunk bei deutschen Hörerinnen und Hörern einen so bleibenden Eindruck hinterließ, wie er sich zum Beispiel in den Medienberichten der neunziger Jahre manifestierte.
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Bentele, AFN Berlin; Kleinsteuber, Der Weg zum Format-Radio in den USA, 542–545; ders., Hörfunk und Populärkultur in den USA der 50er Jahre, 525 ff.; Koch/Glaser, Ganz Ohr, 226; Rumpf, Music in the Air, 11; Schramm, Musik im Radio, 97. Hier nur einige Beispiele von Artikeln, in denen AFN explizit als Legende bezeichnet wird: Florian Haertel, Countdown für AFN Munich, in: Süddeutsche Zeitung, 22. Mai 1991; Kai A. Struthoff, AFN. Der letzte Rest von „The Best in the West“, in: Potsdamer Neueste Nachrichten, 21. September 1992; 600 Gramm Sprengstoff knickten den AFNMast, in: Berliner Kurier, 15. Dezember 1996; ke, Eine Radiolegende verschwindet endgültig, in: Tagesspiegel, 8. Juli 1997. Schildt, Moderne Zeiten, 232. Vgl. ders., Hegemon der häuslichen Freizeit, 469; ders./ Siegfried, Deutsche Kulturgeschichte, 109, 202 f.
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Aufbau der Arbeit und thematische Eingrenzung Ursprünglich sollte sich diese Arbeit vor allem mit dem Einfluss des amerikanischen Militärrundfunks auf die deutsche Gesellschaft befassen. Nach der Auswertung der Literatur wurde aber deutlich, dass dieser Aspekt nur die Kür darstellen würde, dem ein großes Pflichtprogramm vorangehen müsse. Wie im Sport haben beide Teile ihre besonderen Anforderungen und Reize. Um alle für einen Rundfunksender relevanten Themengebiete angemessen abdecken zu können, gliedert sich die Arbeit in Abschnitte zur Institutions-, Programm- und Rezeptionsgeschichte. Da sich diese drei Bereiche im Alltag kaum voneinander trennen lassen, sind sie auch in der Darstellung nicht streng separiert. Für das Verständnis bestimmter Probleme ist es zum Beispiel nötig, auch in der Institutionsgeschichte einzelne Sendungen zu erwähnen oder bei der Programmanalyse die Hörerschaft einzubeziehen. Dies bedeutet notwendigerweise auch, dass einige Aspekte mehrfach erwähnt werden. Um den Erzählfluss nicht ständig zu unterbrechen, wurde eine Vielzahl von Details und möglichen Querverweisen weggelassen. Die ersten sechs Kapitel dieser Arbeit sollen einen Überblick über die institutionelle Entwicklung von AFN bis zur Mitte der sechziger Jahre geben. Hierbei wird überwiegend chronologisch vorgegangen, bisweilen sind aber auch zeitliche Ausblicke nötig. Dies gilt für die ersten drei Kapitel, die veranschaulichen sollen, wie stark AFN in das militärische System und die Entwicklung der US-Streitkräfte eingebunden war. Auf besondere Weise gilt dies auch für die Kapitel 4 bis 6, die jeweils einen bestimmten thematischen Schwerpunkt haben. So wird sich Kapitel 4 mit dem Aspekt Propaganda auseinandersetzen, während es in Kapitel 5 verstärkt um die Medienentwicklung in den USA beziehungsweise bei den amerikanischen Streitkräften geht. Kapitel 6 wiederum befasst sich ausführlich mit den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Es folgen drei Kapitel, die einen Überblick über das Programm von AFN vermitteln sollen. Um dessen Rezeption geht es schließlich im letzten Teil der Arbeit. Auch in diesen Kapiteln erschien es sinnvoll, einige Themen bewusst „deplatziert“ zu behandeln. So lässt sich etwa die Zusammensetzung des amerikanischen Publikums am Besten anhand von Sendungen für einzelne Zielgruppen erläutern. Um spezielle Hör- und Musikvorlieben geht es auch im Kapitel über Deutsche, die ab 1945 den Militärsender einschalteten. Das letzte Kapitel schließlich versteht sich als Synopse, in der deutsche und amerikanische Sichtweisen von AFN zusammengefasst und vor allem deutsche Erfahrungen vertiefend analysiert werden. Im Laufe dieses Projekts wurde immer wieder deutlich, dass sich die Wirkung eines Rundfunksenders nicht allein aus der Entwicklung der Institution, den Intentionen seiner Mitarbeiter oder seinem Programmangebot erschließt. Erst seine Hörerinnen und Hörer entscheiden, welche Sendungen sie einschalten, wie sie diese wahrnehmen und welche Bedeutung sie ihnen geben. Dies
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gilt für alle Medien, lässt sich bei AFN aber besonders gut verfolgen, denn der US-Militärsender versorgte sein amerikanisches Zielpublikum und hatte zusätzlich eine große europäische Gasthörerschaft. Für beide Gruppen übernahm AFN ganz unterschiedliche Funktionen, und dies spiegelte sich auch in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über den Sender wider. Während Amerikaner sich meist über Programminhalte stritten, ging es auf deutscher Seite eher um AFN als Symbol für Populärkultur amerikanischen Ursprungs. Beide Fraktionen waren allerdings nicht homogen, und daher spielte der Sender im Leben einzelner Hörerinnen und Hörer oft eine ganz individuelle Rolle. AFN ist insofern ein wissenschaftlicher Glücksfall, weil sich an ihm besonders deutlich zeigt: Medien sind nur das, was ihre Nutzer aus ihnen machen.46 Diese Darstellung soll sich vor allem auf die Entwicklung von AFN konzentrieren. Daher wird zunächst der US-Militärrundfunk in anderen europäischen Ländern weitgehend ausgeklammert.47 Einzelne Soldaten wechselten im Laufe der Jahre durchaus von einer Senderkette des Militärrundfunks zur anderen. Dies galt auch für amerikanische Zivilangestellte, die in einzelnen Fällen zudem zur Voice of America (VOA) oder zu Radio Free Europe (RFE) gingen. Auch auf diese Sender wird in der Arbeit nur am Rande eingegangen. Ohnehin kann der große Komplex der amerikanischen Auslandspropaganda nur dann einbezogen werden, wenn dies auch AFN betraf.48 Ebenfalls vernachlässigt werden muss der Militärrundfunk für andere ausländische Truppen in Deutschland. Hier ist besonders das Angebot der Briten zu nennen, deren Stationen zunächst British Forces Network (BFN) später British Forces Broadcasting Service (BFBS) hießen. Auch diese Sender zogen zahlreiche deutsche Hörerinnen und Hörer an, und ein Vergleich zwischen britischem und amerikanischem Militärrundfunk in der Bundesrepublik erscheint vielversprechend. Die bisherigen Publikationen zu BFN/BFBS konzentrieren sich aber auf andere Zeitabschnitte oder Themen. Ohne eine genauere Analyse erschien es fahrlässig, in dieser Arbeit Parallelen oder Unterschiede benennen zu wollen.49 Andere in Deutschland vorhandene Rundfunkangebote werden im Laufe der Arbeit erwähnt, sollen aber nicht ausführlich behandelt werden. Das US46 47
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Vgl. etwa Schäfers, Im Mittelpunkt der Mensch. Dies betrifft vor allem das Blue Danube Network (BDN), das von 1945 bis 1955 in Österreich existierte, und verschiedene Stationen der US-Streitkräfte in Italien. Diese Sender waren sehr viel kleiner als AFN und hatten nur wenig Einfluss auf sein Programmangebot. Siehe etwa Provan, The AFN Story, 93–96, 176–180. Siehe etwa Hixson, Parting the Curtain; Knapp, Die Stimme Amerikas; Nelson, War of Black Heavens; Mickelson, America’s Other Voice; Pirsein, The Voice of America; Schumacher, Kalter Krieg und Propaganda; Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus. Siehe etwa Grace, This is the British Forces Network; Taylor, A Microphone and a Frequency; Zöllner, BFBS; „Let’s Listen In“, Hill/Prumbs (AV).
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Publikum von AFN konnte in einigen Regionen zum Beispiel britische Radiosender empfangen, doch für die meisten Amerikaner stellten sie keine echte Alternative zu AFN dar. Einige Soldaten schalteten aber das englischsprachige Programm von Radio Luxembourg ein, das auch das deutsche Publikum von AFN anzog. In dieser Arbeit wird absichtlich die französische Schreibweise dieses Senders genutzt, um es vom deutschsprachigen Programm abzugrenzen. Letzteres sendete ab 1957 für den westdeutschen Markt und unterschied sich in Hinblick auf Moderation und Musik erheblich vom Angebot für Großbritannien.50 Gemäß der Fragestellung dieser Arbeit wird in den letzten beiden Kapiteln kurz auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland eingegangen. Um keine Konfusion zu erzeugen, wird RIAS Berlin weitgehend aus der Darstellung ausgeklammert. AFN übernahm einige musikalische Aufnahmen von RIAS in sein Programm, weitere Verbindungen konnten bei der Recherche für diese Arbeit aber nicht gefunden werden.51 In Bezug auf die Wirkung von AFN in Deutschland gibt die Arbeit der Bundesrepublik mehr Gewicht. Dies liegt zum Teil daran, dass für dieses Projekt nur bedingt nach ostdeutschen Quellen gesucht werden konnte. Die Frage, ob in den einschlägigen Archiven aber überhaupt Material zu AFN vorhanden ist, muss offen gelassen werden. Die Recherchen deuten an, dass die Behörden der DDR den amerikanischen Militärrundfunk zwar als feindlichen Sender ansahen, ihn aber weniger beachteten als offizielle Propagandaorgane wie zum Beispiel den RIAS. Welche Rolle der Militärrundfunk in den amerikanischen Propagandabemühungen spielte, soll vor allem in den Kapiteln 4 und 9 thematisiert werden. Einzelne Erfahrungen ostdeutscher Hörerinnen und Hörer von AFN flossen in die Kapitel 11 und 12 ein. Sowohl das Militär als auch der Rundfunk haben eine Vielzahl von Fachbegriffen und einen Jargon hervorgebracht, die es für die Autorin zunächst zu verstehen und bei der Niederschrift der Arbeit zu vermeiden galt. Der Text soll schließlich für interessierte Laien, sprich Zivilisten und Menschen außerhalb des Medienbetriebs lesbar sein. Bisweilen litt dadurch die Genauigkeit, doch in vielen Fällen können die Fußnoten oder die darin angegebenen Verweise weiterhelfen. Ähnlich vereinfachend wurde auch in anderen Themenbereichen vorgegangen, denn auch einige wissenschaftliche Diskurse finden mittlerweile in eigenen sprachlichen Welten statt. Wie bei jedem Thema gibt es auch im Fall von AFN bei vielen Daten und Fakten widersprüchliche Angaben. Die Autorin hat sich darum bemüht, für strittige Informationen verlässliche Quellen oder Literatur zu finden. Auf Diskrepanzen mit anderen Veröffentlichungen wird aber in der Regel nur dann 50 51
Siehe etwa Nichols, Radio Luxembourg; Spohrer, Ruling the Airwaves. Zum deutschsprachigen Programm von Radio Luxembourg siehe Kapitel 12. Siehe etwa Browne, RIAS Berlin; Galle, RIAS Berlin und Berliner Rundfunk; Kundler, RIAS Berlin; Rexin (Hg.), Radio-Reminiszenzen; Riller, Funken für die Freiheit; Rogasch, Ätherkrieg über Berlin.
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hingewiesen, wenn es inhaltlich relevant erschien, sich daran etwa das Selbstverständnis eines Autors oder der Zeitgeist zeigt.52 Das amerikanische Thema dieser deutschsprachigen Arbeit machte einige stilistische Kompromisse nötig. Damit sich der Text besser lesen lässt, wurden an vielen Stellen englische Begriffe und auch kurze Zitate übersetzt. In solchen Fällen sind die Originalworte in den Fußnoten vermerkt. Bei Daten und Uhrzeiten stießen bei AFN die widersprüchlichen militärischen und zivilen US-Konventionen aufeinander. Um Missverständnissen vorzubeugen, wurden diese und weitere Angaben im Text und in den Fußnoten ins Deutsche übersetzt. Auch Satzzeichen wurden der deutschen Schreibweise angepasst. Innerhalb von Zitaten wird nicht jede Besonderheit mit einem [sic] kommentiert, Rechtschreibfehler ohne inhaltliche Bedeutung wurden zumeist stillschweigend korrigiert. Auf Wunsch der Redaktion hat die Autorin das ursprüngliche Manuskript stark gekürzt.
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Damit die ohnehin umfangreichen Fußnoten überschaubar bleiben, wird nicht jede Erwähnung eines Sachverhalts in den Quellen oder in der Literatur vermerkt. Zumeist wird auch nur das wichtigste Werk eines Autors oder einer Autorin zum fraglichen Thema zitiert. Das Alphabet bestimmt ihre Reihenfolge in den Fußnoten.
DIE VIERZIGER JAHRE 1. „DAS RADIO IST DER BESTE ZEITVERTREIB, DEN MAN HABEN KANN“. DIE VOR- UND FRÜHGESCHICHTE VON AFN IM ZWEITEN WELTKRIEG We have a radio in the barracks, and it is the best pastime one can have … Aus dem Brief eines amerikanischen Unteroffiziers Anfang 1944.1
Die Initiative eines US-Majors gab das Startsignal für die Einrichtung des amerikanischen Militärrundfunks in Europa. Dieser vergleichsweise rangniedrige Offizier wandte sich im Februar 1942 direkt an den Generaldirektor der British Broadcasting Cooperation, damals eine der größten Rundfunkanstalten der Welt. Der Major wollte die in Nordirland stationierten US-Truppen mit amerikanischem Radioprogramm versorgen. Er wusste allerdings noch nicht wie und bat deshalb den BBC-Chef um Rat. Damit setzte er einen langwierigen Prozess in Gang, der erst mit dem Sendestart von AFN am 4. Juli 1943 einen vorläufigen Schlusspunkt finden sollte.2 Das Vorgehen der Amerikaner war zunächst wenig zielstrebig, denn intern mussten bürokratische Zuständigkeiten geklärt und konkrete Pläne ausgearbeitet werden. Auf britischer Seite herrschte Unverständnis für diesen Extrawunsch der amerikanischen Verbündeten. Die Verantwortlichen waren stolz auf die BBC und sie befürchteten, dass die US-Initiative das Monopol des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefährden könnte. Beide Parteien arrangierten sich schließlich, sowohl in Bezug auf den Radiobetrieb im Vereinigten Königreich als auch auf das Vorgehen beim Vormarsch auf dem europäischen Kontinent. Die notwendigen Absprachen und das Aushandeln der Verträge verzögerten die Entwicklung des amerikanischen Truppenrundfunks im nördlichen europäischen Befehlsbereich der US-Streitkräfte. Letztlich sorgte dieser Prozess aber dafür, dass AFN im Vergleich zu anderen amerikanischen Militärstationen solide organisiert war. Dadurch war es seinen Mitarbeitern möglich, die lokale Senderkette über Großbritannien hinaus auszuweiten. Seit Anfang 1942 kamen reguläre US-Truppen in das Vereinigte Königreich. Die Zahl dieser Soldaten stieg auf über 200.000 im Oktober des Jahres, ging nach der Invasion in Nordafrika wieder zurück, nahm dann aber kontinu1 2
Cpl __, 896 Sig Co Dep Avn, APO 638, Base Censor O #2 to G-2, Censorship Br, ETOUSA, 1. April 1944, Box 322, Dec File 1942–1948, C/Info, TIED, C/S, USA, RG 319, NACP. Morley, „This Is the American Forces Network“, 12.
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ierlich zu. Ende 1943 waren über 700.000 GIs in Großbritannien stationiert, im Mai 1944 waren es 1,5 Millionen. Die amerikanischen Standorte lagen vor allem in weniger dicht besiedelten Gebieten. Der Alltag der meisten Soldaten war von militärischem Training bestimmt und von der Ungewissheit beim Warten auf einen Kampfeinsatz. Ihre Freizeitgestaltung unterschied sich von der ihrer Kameraden in der Heimat. Im Herbst 1942 stellte die US-Armee alarmiert fest, dass die GIs in Großbritannien mehr Alkohol tranken, häufiger Karten spielten und sich öfter mit Frauen verabredeten. Weniger beliebt waren „harmlosere“ Aktivitäten wie Briefe schreiben, Zeitschriften lesen oder ins Kino gehen. Die größte Abweichung zeigte sich beim Rundfunkkonsum: Während in den USA 53 Prozent aller Soldaten Radio hörten, taten dies in Großbritannien nur elf Prozent.3 Vielen GIs erschien das Angebot der BBC unattraktiv. Sie vermissten ihre gewohnten Unterhaltungssendungen ebenso wie amerikanische Nachrichten und Berichte über Sportereignisse. Die dargebotene Musik fanden sie langweilig, die Ansager steif und unfreundlich. Das ungewohnte Programm machte ihnen zudem immer wieder ihre Lage als Armeeangehörige in einem fremden Land bewusst. Viele der jungen Männer und Frauen waren zum ersten Mal von zu Hause weg und der Alltag in den Streitkräften unterschied sich deutlich von ihrem bisherigen zivilen Leben. Insofern war Radiohören für die US-Truppen in Übersee mehr als ein Zeitvertreib. Amerikanische Rundfunksendungen – so die Idee – könnten zu einem wichtigen Bindeglied zwischen Soldaten und Heimat werden, da sie die GIs in Europa am aktuellen Geschehen in den USA teilhaben ließen. Vertraute Sendungen vermochten es zudem, ein Gefühl von Normalität, ja sogar von Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Beide Aspekte stärkten wiederum die Zuversicht und Motivation der Soldaten.4 Wichtige Entscheidungsträger innerhalb der amerikanischen Armee erkannten die Zusammenhänge zwischen Militärrundfunk und der „Moral der Truppe“ verhältnismäßig spät. Den offiziellen Bemühungen gingen daher meist Eigeninitiativen von Soldaten voraus. Besondere Bedeutung kam dabei einigen Sendern in Alaska zu. Hier taten sich bereits 1941 Militärangehörige in ihrer Freizeit zusammen, um Radiosendungen zu gestalten. Aus improvisierten Anfängen entwickelten sich schließlich kleine, offiziell lizenzierte Sender, die in die lokal orientierte Rundfunklandschaft der USA passten. Anders als in Ländern mit großen nationalen oder öffentlich-rechtlichen Sendern erschwerten die amerikanischen Radiotraditionen den Aufbau eines einheitlichen Militärrundfunks.5 3 4 5
Research Br, SSD, SOS, War Dept: Radio Listening Habits of Enlisted Men, Report Nr. 22, 3. September 1942, Box 5, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Reynolds, Rich Relations, 99, 103, 247 f., 393, 410. Ebd., 166 ff.; Morley, „This Is the American Forces Network“, 2. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 8 ff.; Gerd Horten, Radio Goes to War.
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Eine überregionale Herangehensweise an den Truppenrundfunk bildete sich erst im Verlauf des Jahres 1942 heraus. Zunächst versuchte das Kriegsministerium, durch Radioaktivitäten im Bureau of Public Relations auf das Soldatenpublikum einzugehen. Hier wurde zum Beispiel die Sendung „Command Performance“ produziert, in der verschiedenste Musik- und Unterhaltungswünsche von Militärangehörigen erfüllt wurden.6 Um Rundfunk kümmerte sich auch das Office of War Information (OWI), das amerikanische Standpunkte im In- und Ausland bekannt machen sollte. Es war im Juni 1942 aus mehreren Vorgängerinstitutionen hervorgegangen und verbreitete auch Radioprogramme, die für amerikanische Soldaten gedacht waren. Erst im Monat zuvor hatten die US-Streitkräfte den Armed Forces Radio Service (AFRS) gegründet. Diese zunächst winzige Dienststelle bekam den offiziellen Auftrag, sich um Rundfunkprogramme für die amerikanischen Truppen zu kümmern. Im Folgenden soll das Vorgehen von AFRS beschrieben werden, so wie es sich im Laufe der nächsten Monate und Jahre entwickelt hatte.7 Der erste Chef von AFRS, Thomas H. A. Lewis, war vor seiner Einberufung zum Militär in einer großen Werbeagentur für die Produktion von Radiosendungen zuständig gewesen. Aus dem kommerziellen Rundfunk übernahmen er und seine Mitarbeiter wichtige Prinzipien für das Truppenprogramm. Da ihre Sendungen einen möglichst großen Teil der Zielgruppe erreichen sollten, wurden sie auf die Bedürfnisse und Vorlieben des „durchschnittlichen Soldaten“ zugeschnitten. Dafür bediente sich der Militärrundfunk vertrauter Formate aus dem US-Radio und versuchte, möglichst unterhaltsam zu sein. Dies galt auch für Informationen und Bildungsthemen, die die Armee vermitteln wollte. Nachrichten waren der kriegsbedingten Zensur unterworfen, sollten die Staatsbürger in Uniform aber politisch ausgewogen und so wahrheitsgemäß wie möglich informieren.8 Die amerikanischen Networks stellten dem Militär eine Vielzahl von Sendungen kostenlos zur Verfügung. Bevor AFRS das Programm weiter verbrei6
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„Command Performance“ ist in den USA zur Legende geworden. Die Namen der Mitwirkenden lesen sich wie ein Who’s who? der damaligen Unterhaltungsbranche. Denn wenn ein GI dies „befohlen“ hatte, traten auch die größten Stars unentgeltlich auf. Aus einigen Zuschriften von Soldaten spricht das pure Heimweh: So wollte ein GI die Vögel seines Heimatortes singen hören, ein anderer wünschte sich, dass eine Kuh vor dem Mikrofon gemolken würde. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 11 ff., 21 f., 57; Command Performance, USA!; DeLay, „Command Performance“ (unveröff.); Dunning, On the Air, 173 ff. Eine Hörprobe gibt es in: The 60 Greatest Old-Time Radio Shows of the 20th Century (AV): CD 23. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 11–18; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 214, 240 f. Siehe etwa Radio on the Battle Fronts (Address given by CPT M. H. Work, Broadcast Distribution Dept, AFRS, MSD, at the Los Angeles Advertising Club – 7 December 1943), MS, Box 9, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; AFRS, Progress Report 26 May 1942–1 December 1945 (nachf. zit. als Progress Report 1942–1945), o. D., 15–18, Box 6, ebd.
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tete, wurden alle Inhalte entfernt, die für das Publikum in Übersee unpassend erschienen. Das konnten Referenzen zum Datum oder zur Tageszeit der Aufnahme sein, aber auch Witze über unzufriedene Rüstungsarbeiter oder untreue Ehefrauen von Soldaten. Vor allem wurden aber aus allen Beiträgen Hinweise auf Sponsoren und Werbung herausgeschnitten. Dies hatte rechtliche Gründe, war aber auch inhaltlich sinnvoll, schließlich konnten die Soldaten in Übersee meist keine der beworbenen Produkte kaufen. Viele Soldaten vermissten zwar die Reklame, auf Dauer wäre die wiederholte Erinnerung an die zivile Konsumgesellschaft aber kontraproduktiv gewesen.9 Der Militärrundfunk verzichtete allerdings nicht gänzlich auf die vom kommerziellen Radio vertrauten Formen. Bestimmte militärische Einrichtungen wurden etwa als „Sponsor“ einer Sendung bei den Soldaten bekannt gemacht. Einige Informationen und Belehrungen gab es als Werbespots: investiert euren Sold in Kriegsanleihen, geht sparsam mit den Ressourcen der Armee um, nehmt eure Vorsorgemedikamente. Dadurch konnte AFRS eigene Botschaften wirksam vermitteln und die Hörerwartungen seines an kommerziellen Rundfunk gewöhnten Publikums bedienen.10 AFRS stellte auch eigene Sendungen her. Ende 1942 hatte er nach zähem Ringen die Produktion von „Command Performance“ vom Bureau of Public Relations übernehmen können. Neben diesem gefeierten Highlight war vor allem Material für den Sendealltag erforderlich. Dazu gehörten Musiksendungen wie „Mail Call“, „Personal Album“ oder „G. I. Jive“. Sie erfüllten konkrete Wünsche von US-Soldaten oder bedienten bestimmte Musikvorlieben. Dabei galt es, den Geschmack des Mainstreams ebenso zu bedienen wie den spezieller Zielgruppen. Während beispielsweise in Sendungen wie „Great Music“ oder „Concert Hall“ klassische Musik zu hören war, brachte „Melody Roundup“ Country-Musik oder präsentierte „Jubilee“ vor allem afro-amerikanische Swing- und Jazzbands. Unterhalten sollten auch zahlreiche Show-, Spiel- und Comedy-Programme. Viele bekannte Musiker, Entertainer und Schauspieler stellten der US-Armee dafür ihre Dienste unentgeltlich zur Verfügung. Zudem gab es AFRS-Produktionen, die den Informations- und Bildungsauftrag des Militärs erfüllten. Dazu gehörten Serien wie „Know Your Enemy“ oder „They Call Me Joe“ sowie aktuelle Nachrichten.11 9
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Ebd., 17 f.; Suid-Interview mit Roger Rooney, 20. September 1982, 13 f., 30 f., Box 11, Histories, AFRTS, RG 330, NACP. Siehe auch Platters for Army; 218.000 in a Year, in: Variety, 19. Mai 1944. Vgl. Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 28–33; Morley, „This Is the American Forces Network“, 66. COL T. H. A. Lewis, CO/AFRS, an Dir/I&E Div, ASF, 9. Januar 1945, Box 307, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; AFRS, Progress Report 1942– 1945, 15, Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch [Lewis,] „Victory Through Air Power“, 3. Vgl. Barnouw, The Golden Web, 195; Brylawski, Armed Forces Radio Service, 447 ff.; Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 104 ff. Radio Section, Info Br, SSD: Memo of Projected Initial Program Schedule, o. D. [1942], Box 4, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Synthesis Report AFRS, MSD,
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Bei der Verbreitung seines Programms probierte AFRS unterschiedliche Wege aus. So erbat sich der Militärrundfunk Sendezeit im Kurzwellenprogramm, das das Office of War Information in fremde Länder ausstrahlte. Die Sendungen für das Soldatenpublikum kamen anfangs unregelmäßig und hatten es daher äußerlich schwer, sich vom US-Propagandaprogramm abzusetzen. AFRS musste aber um Unverwechselbarkeit bemüht sein, damit das GIPublikum einschaltete und dem militärischen Angebot an Informationen und Unterhaltung vertraute. Von Nachteil war außerdem, dass nur wenige Soldaten über ein Radiogerät verfügten, mit dem sie Kurzwellensendungen empfangen konnten.12 In Ländern, in denen US-Soldaten stationiert waren, suchte AFRS die Zusammenarbeit mit örtlichen Rundfunksendern. Diese bekamen zumeist Schallplatten mit fertigen amerikanischen Radio-Programmen oder Sammlungen mit einzelnen Musiktiteln, die sie auf ihren Frequenzen bringen durften. Damit konnten sie zeitlich unabhängig und ihren Bedürfnissen entsprechend Beiträge für ihre amerikanische Gasthörerschaft gestalten.13 In Großbritannien übernahm die BBC vor allem in ihrem Forces Programme ausgewählte amerikanische Sendungen. Diese Welle hatte die BBC auf Druck des britischen Militärs im Jahr 1940 gestartet, weil die Soldaten leichtere Kost als im regulären Programm verlangten. Hier wurden auch Beiträge für Soldaten aus Commonwealth-Staaten wie Kanada oder Australien präsentiert, ab 1942 ergänzt durch Sendungen für US-Truppen. Die BBC strahlte „Command Performance“ und „Mail Call“ aus, aber auch Material von Bob Hope oder Jack Benny. Dafür bezahlte sie nur eine nominelle Gebühr und bekam Sendungen, die auch bei
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ASF, 25. Oktober 1943, ebd.; AFRS, Progress Report 1942–1945, 10 ff., Box 6, ebd.; LTC T. H. A. Lewis, CO/AFRS, an C/Army Info Br, MSD, ASF, 22. Juli 1944, Box 306, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Siehe auch Hollywood’s Radio Miracle, 106 Shows a Wk. for Overseas, in: Daily Variety, 12. Mai 1944. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 20 ff., 27–30, 55–58; Barnouw, The Golden Web, 190–197; Brylawski, Armed Forces Radio Service, 443–450; DeLay, „Command Performance“ (unveröff.); ders., Armed Forces Radio Service (unveröff.); Dunning, On the Air, 173 f., 376 f.; Fudge The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 87–111. AFRS, Progress Report, 1942–1945, 22–28, Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 64. Vom Aufnahmeboykott zahlreicher US-Musiker ab 1942 waren die US-Streitkräfte ausgenommen. Dies betraf auch die bekannten V-Discs, mit denen der Militärrundfunk aber nur mittelbar zu tun hatte. Die Victory-Discs wurden zwar auch von der für Truppenbetreuung zuständigen Special Service Section hergestellt und verbreitet, gingen aber nur in Ausnahmefällen an Radiosender. Diese Musikaufnahmen sollten vielmehr einzelne Militäreinheiten und Soldaten unterhalten und wurden zusammen mit GrammophonNadeln (und wenn nötig mit Schallplattenspielern) verschickt. Siehe etwa 391 Army Posts Get 500 Discs a Week, in: Daily Variety, 2. Juni 1944. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 31–34; Barnouw, The Golden Web, 194, 218; Grull, Radio und Musik, 83– 96; Head/Sterling, Broadcasting in America, 73; Morley, „This Is the American Forces Network“, 75; Stowe, Swing Changes, 114–117, 152 f.
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vielen britischen Hörern gut ankamen. Exklusiv für die GIs brachte das Forces Programme ab August 1942 amerikanische Sportnachrichten. Das Sportbulletin dauerte allerdings nur fünf Minuten werktags und zehn Minuten am Sonntag. Was den Briten als großes Zugeständnis erschien, war den heimwehkranken Amerikanern nicht annähernd genug.14 Erst kurze Zeit zuvor hatte der Chef von AFRS mit einem Vertreter des Office of War Information die amerikanischen Soldatensender in Alaska besucht. Die Möglichkeiten der dortigen Radiostationen waren personell, inhaltlich und technisch sehr begrenzt. Mit etwas externer Unterstützung konnten solche Lokalsender dem Militär aber mehr nützen als ein einheitliches Kurzwellenprogramm oder „Gastauftritte“ auf ausländischen Sendern. Denn zum einen waren Signale auf Mittelwelle zuverlässiger und leichter von einzelnen GIs zu empfangen. Zum anderen konnte das Programm kleinerer Sender besser auf die Bedürfnisse der soldatischen Hörerschaft und ihrer Befehlshaber zugeschnitten werden. Noch vor Ort versprach der Vertreter des vergleichsweise gut ausgestatteten Office of War Information, dem Militär bei der Errichtung kleinerer Sender zu helfen.15 Im Sommer 1942 besprach George C. Marshall, Generalstabschef im Kriegsministerium, das Thema Militärrundfunk mit wichtigen Offizieren. Darunter war auch Dwight D. Eisenhower, der kurz darauf Oberbefehlshaber des amerikanischen Heeres im europäischen beziehungsweise afrikanischen Einsatzgebiet wurde. In Nordafrika sollte er erleben, welch eine positive Wirkung ein Radiosender haben konnte. Eine im Dezember 1942 in Casablanca gestartete militärische Hörfunkstation begeisterte die US-Truppen, worauf diese ihr Angebot kontinuierlich ausweitete. Ab Februar 1943 übernahm AFRS die Verantwortung für den neuen Lokalsender in Übersee und versorgte ihn mit Sendematerial, Technik und Personal. Dies war alles andere als selbstverständlich, denn bislang war der Militärrundfunk nur für die Erstellung von einzelnen Radioprogrammen zuständig gewesen.16 Die Ausweitung seiner Kompetenzen war für AFRS ein Erfolg gegenüber konkurrierenden Rundfunkabteilungen wie denen des Office of War Informa14
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London USSOS an AGWAR, W-4441, 18. April 1943, Box 322, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; LTC T. H. A. Lewis, Second Radio Section Progress Memo for BG F. H. Osborn, 1. Mai 1943, Box 308, ebd. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 23; Ferchow, „American Forces Network“ (unveröff.), 10 ff.; Gorham, Sound and Fury, 137, 171; Morley, „This Is the American Forces Network“, 3 f., 15, 20, 22, 47 f., 59 f.; Reynolds, Rich Relations, 166 f. AFRS, Progress Report 1942–1945, 13 f., Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 19 f.; Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 60. Andre Baruch, The Story of „An Army Expeditionary Station“, o. D. [Februar 1943], Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; AFRS, Progress Report, 1. Januar 1944, 11, 13, Box 4, ebd.; AFRS, Progress Report 1942–1945, 45 ff., Box 6, ebd. Siehe auch Ralph Carson, On the Air Over There, in: Liberty, 4. Dezember 1943.
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tion. Die für Propaganda zuständige Behörde produzierte noch immer Sendungen für US-Soldaten, darunter auch Nachrichten. Neben den in anderen Ländern stationierten amerikanischen Truppen erreichte sie damit auch ausländische Hörer. Diesen erschienen Sendungen für US-Soldaten oft glaubwürdiger als direkt an sie gerichtete Programme. Die GIs wiederum reagierten sensibel auf jede Form von Propaganda und fingen an, allen an sie gerichteten Sendungen zu misstrauen. Da Glaubwürdigkeit bei der eigenen Zielgruppe Grundlage seiner Arbeit war, kämpfte AFRS um das Monopol für Militärrundfunk.17 Die US-Streitkräfte waren aber weiterhin auf das Office of War Information angewiesen. Da das Militär selbst nicht diplomatisch agieren durfte, übernahm die zivile Regierungsbehörde die Verhandlungen mit ausländischen Rundfunkverantwortlichen. Außerdem half die Propaganda-Abteilung dem Truppenrundfunk mit Technik und Personal aus. Wie auf der gemeinsamen Alaska-Reise von AFRS und OWI vereinbart, engagierte sich die zivile Behörde auch für den Militärrundfunk im Vereinigten Königreich.18 Die Briten verfolgten die Radiopläne der Amerikaner mit Argwohn. Zunächst verstanden sie nicht, warum die US-Soldaten überhaupt eigene Rundfunkstationen brauchten. Die BBC war schließlich der denkbar beste Radiosender der Welt und ihr anspruchvolles Programm den am Massengeschmack ausgerichteten Sendungen aus den USA haushoch überlegen. Der amerikanische Militärsender war in Großbritannien kulturell ebenso umstritten wie viele andere separate Einrichtungen für US-Soldaten. So waren etwa die Camps des amerikanischen Militärs weitgehend eigenständig und entsprachen durch Aufbau und Versorgung heimischen Maßstäben. Dieses Vorgehen kränkte viele Briten, einige wähnten sich gar in einem besetzten Land. Ihrem Selbstverständnis als Angehörige einer kolonialen Großmacht hätte es eher entsprochen, wenn sich die amerikanischen Soldaten der britischen Lebensweise und Kultur angepasst hätten.19 17
18
19
Report on Meeting between OWI and SSD, 23. März 1943, Box 308, Dec File 1942– 1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; BG F. H. Osborn, Dir/ASF, an Mr. E. Davis, Dir/OWI, 20. Mai 1943, ebd.; Davis an Osborn, 5. Juni 1943, ebd.; LTC C. H. Gurney, Radio O, Radio Br, SSD, SOS, ETO [AFN], an LTC T. H. A. Lewis, OIC/Radio Section, Info Br O HQ [AFRS] (nachf. zit. als Gurney [AFN] an Lewis [AFRS]), 14. Dezember 1943, Box 306, ebd. This is the AFN, PIO to SSS, SOS, ETO, USA, Memo To: CG/ETOUSA, Thru G-1 fr Theo Arter, C/SS, 12. März 1943, Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; „This Is the Armed Forces Radio Service …“, Part II: AFRS Operations in the European Scene. A Special Brochure Prepared for Representatives of the Radio Industry to the European Scene (nachf. zit. als „This Is the AFRS …“, Part II: AFRS Opns in the European Scene), 1. August 1945, 1, Box 7, ebd. Vgl. Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 23; Morley, „This Is the American Forces Network“, 14 ff., 22 f.; Provan, The AFN Story, 8 f. Ambrose, Americans at War, 116 f.; Gorham, Sound and Fury, 125, 133 f.; Morley, „This Is the American Forces Network“, XIII, 14 ff., 18 ff., 23; Reynolds, Rich Relations, 167 f., 182.
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Hinter der Ablehnung eines amerikanischen Militärsenders standen auf BBC-Seite aber vor allem machtpolitische Interessen. Schon zuvor hatten die Briten die Rundfunkambitionen von einigen europäischen Exilregierungen und Staaten mit Truppenkontingenten im Vereinigten Königreich gestoppt. Argumentiert wurde meist auf der Sachebene, angeführt wurden zum Beispiel der Mangel an Sendetechnik, fehlende Frequenzen oder ungeklärte rechtliche Fragen. Letztlich ging es aber darum, dass die BBC Präzedenzfälle verhindern wollte, mit denen kommerzielle Rundfunkbetreiber das Monopol des öffentlich-rechtlichen Systems in Frage stellen könnten. Nachdem der politische Druck von London und Washington zu groß geworden war, machten die BBCVerantwortlichen für das amerikanische Militär eine Ausnahme. Rasch sollten sich dann auch die praktischen Probleme als lösbar erweisen.20 Bei den dafür nötigen Verhandlungen kamen sich beide Seiten entgegen. Die Briten gaben dem Office of War Information als Vertreter der amerikanischen Streitkräfte zwei Sendefrequenzen und die Erlaubnis, eine Kette von Mittelwellensendern mit geringer Reichweite zu unterhalten. Die BBC unterstützte den US-Militärrundfunk auch direkt, indem sie ihm ein zentrales Studio in London, technisches Personal und weitere Hilfen zur Verfügung stellte. Die amerikanische Seite wiederum ließ sich auf die strikten britischen Regeln in Bezug auf Reichweite und Programminhalt ein. Dafür verzichtete sie etwa in der britischen Hauptstadt auf die Verbreitung ihres Programms durch Hörfunkwellen und akzeptierte die Zensur der Nachrichten durch BBC-Personal. Trotz der Gründung der neuen Station hatte die BBC auch weiterhin das Recht, amerikanische Radiosendungen in seinem Programm zu verwenden.21 Am Aufbau des Militärsenders war letztlich eine Vielzahl von Stellen beteiligt. Vereinfacht gesagt finanzierten der Europäische Befehlsbereich und das Office of War Information die technische Ausstattung der Rundfunkstation. Während das Fernmeldekorps für zunächst sieben US-Stützpunkte im Vereinigten Königreich Sender einrichtete, kümmerten sich BBC- und OWIMitarbeiter um Kabelverbindungen und Studiotechnik. Die Grundlage für den Programmbetrieb lieferte AFRS mit seinem regulären Material aus den USA. Für die Gestaltung der Sendungen waren wiederum Offiziere und Soldaten aus dem lokalen Befehlsbereich verantwortlich. Die Ende Juni 1943 von Eisenhower eingesetzten Aufsichtsgremien, das Board of Governors und das Program Committee, spiegelte diese Vielfalt militärischer und ziviler Beteiligter wider.22 20 21 22
Morley, „This Is the American Forces Network“, 13 f., 16 f., 20, 22. Gorham, Sound and Fury, 133 f.; Morley, „This Is AFN!“, 9; ders., „This Is the American Forces Network“, 23 ff., 47 f. LTC T. H. A. Lewis, Second Radio Section Progress Memo for BG F. H. Osborn, 1. Mai 1943, Box 308, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; COL T. Tupper, PRO, HQ ETO, an COL T. Arter, C/SSS, SOS, 26. Juni 1943 (mit Anlagen), Box 55, Admin History Collection 1942–1946, Historical Section, ETOUSA, RG 338, NACP;
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„This is the American Forces Network“ Der neue Militärsender meldete sich als American Forces Network zum ersten Mal am 4. Juli 1943, passend zum amerikanischen Nationalfeiertag. Als offizieller Inhaber der Rundfunklizenz ließ es sich das Office of War Information nicht nehmen, die Hörerinnen und Hörer zu begrüßen. Erst danach machte ein Sprecher von AFN weiter. In den BBC-Studios am Londoner Carlos Place kümmerten sich anfangs 22 Mitarbeiter um den laufenden Betrieb. Oberstleutnant Charles H. Gurney stand dem Sender vor, maßgeblich geleitet wurde er aber von Hauptmann John S. Hayes. Für die redaktionelle Arbeit und die Präsentation am Mikrofon war ein Team von zwei weiteren Offizieren, acht Unteroffizieren und drei Soldaten zuständig. Große Teile der Technik und Verwaltung erledigten sieben zivile Angestellte in Diensten von OWI und BBC. Der Situation von AFN entsprechend gab es zum Sendeschluss zwei Nationalhymnen: auf „God Save the King“ folgte das „Star Spangled Banner“.23 Der erste Sendetag von AFN dauerte von 17.45 bis 22.30 Uhr und brachte ein „typisch amerikanisches Programm“ wie sein Kommandeur nicht ohne Stolz in die USA meldete. Die militärische Führung wollte schließlich, dass sich die Station so nah wie möglich an heimische Vorbilder hielt. Die GIs sollten unterhalten werden und sich über die Vorkommnisse in den USA und der Welt informieren können. Da die Programmpremiere auf einen Sonn- und Feiertag fiel, übertrug AFN einen anglo-amerikanischen Gottesdienst aus London und Washington und brachte einen Beitrag zum US-Unabhängigkeitstag. Auf dem Sendeplan standen mehrere Nachrichtenformate, ein Hörspiel sowie verschiedene Unterhaltungsprogramme. Es gab zum Beispiel die in den USA höchst populären Sendungen von Bing Crosby und Edgar Bergen oder Musik von Harry James und Artie Shaw. Um die Zusammenarbeit mit ihren britischen Gastgebern und Verbündeten zu fördern, brachte AFN den gemeinsamen Gottesdienst und übernahm zwei Nachrichtensendungen von der BBC.24 An Werktagen präsentierte AFN seiner Hörerschaft ein ganz ähnliches Programm. Es gab Nachrichten zu Politik und Sport sowie eine Vielzahl von Musik- und Unterhaltungsprogrammen. Eingestreut wurden militärische Bildungssendungen oder einminütige „Campaign Spots“. Die Beiträge waren
23
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Suid-Interview mit Loyd C. Sigmon, 3. Juli 1983, Box 8, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch Carl Larsen, This Is the American Forces Network, in: Stars and Stripes, 18. November 1943. Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 26 ff., 31 ff. LTC C. H. Gurney, Radio Br, SSS, SOS, ETOUSA, an MAJ Jackson, CPT Mullins und CPT Stebbins [Radio Section, ASF, War Dept] (nachf. zit. als Gurney an Jackson, Mullins und Stebbins), 5. Juli 1943, Box 322, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 28, 30. Gurney an Jackson, Mullins und Stebbins, 5. Juli 1943, Box 322, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP: „a typical American program“. Siehe auch ETO Radio Network on Air Sunday, in: Stars and Stripes, 3. Juli 1943. Vgl. AFIS/ AFRTS, History of AFRTS, 40.
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zum Teil recht kurz und konnten zu Zeiten wie 21.35 Uhr beginnen. Nachrichten gab es zur vollen Stunde, aber noch nicht stündlich. Um den Bedürfnissen des Publikums besser entsprechen zu können, sollte die Sendezeit von AFN rasch ausgeweitet werden. Bereits im Juli 1943 gab es zum Beispiel an Sonntagen ein Programm von 8 Uhr morgens bis 22.30 Uhr am Abend. An den Wochentagen kamen zunächst Sendungen zwischen 11 und 14.30 Uhr hinzu. In ihrer Mittagspause hörten viele Soldaten Radio und beteiligten sich rege an den dort platzierten Wunschmusiksendungen. Im Frühjahr 1944 fiel die werktägliche Sendepause am Nachmittag weg, ab September des Jahres strahlte AFN sein Programm schließlich täglich von 8 bis 23 Uhr aus.25 Die amerikanischen Soldaten liebten ihren Sender, den sie vor allem in ihren Pausen oder in der Freizeit hörten. Im März 1944 schrieb ein Unteroffizier nach Hause: „Wir haben ein Radio in der Kaserne und das ist der beste Zeitvertreib, den man haben kann.“26 Da die GIs keine eigenen Rundfunkgeräte nach Übersee mitnehmen durften, fehlte es allerdings an Empfangsmöglichkeiten. Ein Soldat beklagte sich, dass es nur beim Friseur ein gutes Gerät gäbe, aber „man sich nicht jedesmal die Haare schneiden lassen kann, wenn man Radiohören will“.27 Besser hatten es da die GIs, die ein Comic von Dick Wingert in ihrer Unterkunft beim Nähen, Aufräumen und Putzen zeigt. In ihrer Mitte steht ein Rundfunkgerät aus dem es tönt: „This is the American Forces Network, broadcasting to YOU the men who are fighting for the Peace of the United Nations.“28 25
26 27
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Die Sendeplanung für den 11. bis 17. Juli 1943 ist eine Anlage von Gurney an Jackson, Mullins und Stebbins, 5. Juli 1943, Box 322, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Siehe auch Radio 314.22.22.4 This is the American Forces Network, o. D. [Anfang 1944], Box 55, Admin History Collection 1942–1946, Historical Section, ETOUSA, RG 338, NACP; H. A. Berk, C/Field Service Br, MSD, War Dept: Orientation and Education, ETOUSA, 6. Juni 1944, Box 322, Dec File 1942–1948, C/ Info, C/S, USA, RG 319, NACP; AFN – Hayes & Solbert sgd Eisenhower an Lewis, AFRS, 29. August 1944, Anlage zu MAJ M. H. Work, XO/AFRS, an Dir/I&E Div, ASF, 7. Februar 1945, Box 307, ebd. Siehe auch Carl Larsen, This Is the American Forces Network, in: Stars and Stripes, 18. November 1943. Vgl. Gorham, Sound and Fury, 168; Morley, „This Is the American Forces Network“, 33. „We have a radio in the barracks, and it is the best pastime one can have …“ Cpl __, 896 Sig Co Dep Avn, APO 638, Base Censor O #2 to G-2, Censorship Br ETOUSA, 1. April 1944, Box 322, Dec File 1942–1948, C/Info, TIED, C/S, USA, RG 319, NACP. „You spoke in one of your letters today about listening to the radio. That is one thing I really miss over here on this side. I very seldom hear radio at all. They have one in the P. X. that you can’t half hear and one in the barber shop that is a little better but you can’t get a haircut everytime you want to listen to the radio. I heard Fred Waring and a part of Fibber Magee’s shows the other night while getting a haircut and it sure did sound good.“ Pvt __, 310 Repl Co 41 Repl Bn APO 873, Base Censor O #5 to T Censor, ETOUSA, 1. April 1944, ebd. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 64; Barnouw, Golden Web, 192 f.; Reynolds, Rich Relations, 165 f. Der Comic „Hubert“ von Dick Wingert erschien regelmäßig in der europäischen Ausgabe von Stars and Stripes. Abgedruckt in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 23 (1946); Morley,
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Abb. 1: Comic aus der Reihe „Hubert“ von Dick Wingert.
Der Alltag eines großen Teils der US-Truppen in Großbritannien war gekennzeichnet durch militärische Routine und Training, Langeweile und Heimweh. Mit vertrauten Rundfunkprogrammen, Musik und Informationen aus der Heimat versuchte der Militärsender dem etwas Positives entgegenzusetzen.29
29
„This Is the American Forces Network“, Bildteil zwischen Seite 68 und 69; Provan, The AFN Story, 75. Vgl. 100 Years of American Newspaper Comics, 147. Radio 314.22.22.4 This is the American Forces Network, o. D. [Anfang 1944], Box 55, Admin History Collection 1942–1946, Historical Section, ETOUSA, RG 338, NACP; Suid-Interview John Vrotsos, 14. Dezember 1983, 13, Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (John G. Vrotsos war von Mai 1943 bis 1963 bei AFN, zuerst als Soldat, später als Zivilangestellter). Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 77.
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AFN produzierte vor allem Musik- und Informationssendungen selbst, zudem übertrug er Unterhaltungsshows und Sportveranstaltungen des USMilitärs in Großbritannien. Anfangs übernahm der amerikanische Sender auch Beiträge von der BBC, darunter die schon erwähnten Nachrichten. Alle Programme gingen durch die Zentrale in London, in der sie von amerikanischen und britischen Stellen kontrolliert wurden. Da die Lokalstationen nicht eigenständig senden konnten, funktionierte AFN trotz seines Namens also nicht als klassisches Network. Den Großteil seiner Sendezeit bestritt die Senderkette mit Material vom Armed Forces Radio Service. Ohne den kontinuierlichen Nachschub an Radioshows amerikanischer Sender, aktuellen Musiktiteln und Eigenproduktionen des Militärrundfunks hätte AFN sein Programm nicht gestalten können.30 Anfangs konnte AFN nur in wenigen US-Stützpunkten empfangen werden, doch es wurden immer mehr amerikanische Soldaten im Vereinigten Königreich stationiert. Etliche GIs, die AFN nicht hören konnten und die das Programm der BBC langweilte, schalteten deutsche Propagandasender ein.31 Da es eine solche feindliche Einflussnahme zu verhindern galt, weitete AFN sein Netz mit 50-Watt-Sendeanlagen so schnell wie möglich aus. Der amerikanische Truppenrundfunk verfügte Anfang 1944 bereits über 26 Sender in Großbritannien, kurze Zeit später waren es über vierzig. Dabei musste AFN auf die Interessen seines Gastgebers Rücksicht nehmen. Die amerikanischen Stationen sollten zufällige britische Hörer in ihrer Programmgestaltung ignorieren und durften die Sendesignale der BBC nicht beeinträchtigen. AFN-Sender wurden daher nur in bevölkerungsschwachen Gegenden genehmigt. In London durfte der US-Militärrundfunk nur über Kabel und Lautsprechersysteme in amerikanische Büros, Unterkünfte und Clubs verbreitet werden.32 30
31
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USSOS London an War, WL-827, 7. August 1943, Box 322, Dec File 1942–1948, C/ Info, TIED, C/S, USA, RG 319, NACP; Gurney [AFN] an Lewis [AFRS], 14. Dezember 1943, Box 306, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Radio 314.22.22.4 This is the American Forces Network, o. D. [Anfang 1944], Box 55, Admin History Collection 1942–1946, Historical Section, ETOUSA, RG 338, NACP; Suid-Interview Vrotsos, 8 f., 12, Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. „When the B. B. C. is putting out something we don’t like, we can always tune in Berlin. Those Germans really play the music that Americans like to hear.“ Lt. __ 394th Bomb Cp., APO 838, Base Censor O #5 to T Censor, ETOUSA, 1. April 1944, Box 322, Dec File 1942–1948, C/Info, TIED, C/S, USA, RG 319, NACP. MG A. D. Surles, Dir/BPR, War Dept, an Dir/SSD, 2. September 1943, Box 322, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, USA, RG 319, NACP; Extracts of minutes of the meeting of the Board of Governors, AFN, held 3 November 1943, Anlage D zu Radio 314.22.22.4 This is the American Forces Network, o. D. [Anfang 1944], Box 55, Admin History Collection 1942–1946, Historical Section, ETOUSA, RG 338, NACP; American Forces Network transmitters in the U. K., 10. Januar 1944, Anlage C zu ebd.; The Armed Forces Radio Service Outlets 1 September 1944, Box 306, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 40;
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Dieses Arrangement verhinderte nicht, dass auch Briten den US-Truppenrundfunk einschalteten. Vor allem jüngere Hörerinnen und Hörer schätzten an AFN die aktuelle amerikanische Musik, die entspannte Art der Moderation oder bestimmte Unterhaltungssendungen. Obwohl die Zahl der britischen AFN-Hörerschaft anscheinend nie besonders hoch war, ärgerten sich Verantwortliche bei der BBC darüber. Denn die Abwanderung britischer Hörerinnen und Hörer deutete Schwächen des eigenen Systems an und zeigte ihnen, wie populär ein Radiosender nach kommerziellem Vorbild im Vereinigten Königreich sein könnte. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Großbritannien verstand sich als Institution mit Bildungsauftrag und fühlte sich der Hochkultur verpflichtet. Nur weil etwas populär war oder Hörer sich dies wünschten, wurde es noch lange nicht vom britischen Radio ausgestrahlt. Ab Juli 1942 wachte sogar ein sogenanntes Kitsch-Komitee darüber, dass bestimmte Lieder nicht gespielt wurden. BBC-Mitarbeiter nahmen an vielen „trivialen“ amerikanischen Musiktiteln und Sendungen Anstoß. Im Unterhaltungsbereich ließen die Briten den amerikanischen Militärrundfunk jedoch weitgehend gewähren.33 Zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen BBC und AFN kam es aber im Bereich der Informationssendungen. Hier stießen neben unterschiedlichen Programmgrundsätzen auch verschiedene Auffassungen von Zensur aufeinander. Die Nachrichten von AFN stellten anfangs drei von der Militärzeitung Stars and Stripes abkommandierte Redakteure aus Agenturmaterial und publizierten Quellen zusammen. Auf diese Weise konnten sie die Fehlerlosigkeit und Ausgewogenheit der von einem riesigen Mitarbeiterstab erarbeiteten BBC-Nachrichten nicht erreichen. Doch dies war auch nicht beabsichtigt. Wichtig war, dass AFN seine Informationssendungen durch Themenauswahl und Präsentation auf seine Zielgruppe maßschneiderte. Die Amerikaner erkannten zwar die Autorität der BBC-Zensoren an, bezweifelten aber, dass Nachrichten, die aus genehmigten oder veröffentlichten Quellen zusammengestellt waren, noch einmal kontrolliert werden mussten. Vor allem wehrten sie sich auch gegen britische Versuche, Einfluss auf den Stil oder die Auswahl der AFN-Nachrichten zu nehmen.34 Die Amerikaner hätten AFN in seiner damaligen Form nicht ohne die technischen Hilfen der BBC betreiben können. Trotz eigener materieller Be-
33 34
Gorham, Sound and Fury, 133 f.; Morley, „This Is the American Forces Network“, 27, 32 f., 151–155. MG A. D. Surles, Dir/BPR, War Dept, an Dir/SSD, 2. September 1943, Box 322, Dec File 1942–1948, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Vgl. Gorham, Sound and Fury, 171; Morley, „This Is the American Forces Network“, 34–38, 46 ff. Suid-Interview Vrotsos, 1 ff., 8 f., 12, Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 50; Camporesi, The BBC and American Broadcasting, 630–633; Morley, „This Is the American Forces Network“, 51–56. Zur Zensur im US-Rundfunk siehe auch Sweeney, Byron Price (unveröff.).
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schränkungen und personeller Engpässe unterstützten die Briten die Senderkette für US-Soldaten auf durchaus großzügige Weise. Da die Zusammenarbeit der Verbündeten auf vielen Gebieten an Grenzen stieß, wurde die Kooperation in Bezug auf AFN gerne als Beispiel für die gut funktionierende Allianz herangezogen. Immer wieder lobten auch amerikanische Verantwortliche den Beistand der BBC. Im Alltag zeigten sich aber Missverständnisse und Mentalitätsunterschiede. Während sich BBC-Mitarbeiter beschwerten, wie undankbar, gedankenlos und lax die Amerikaner waren, stöhnten diese über kleinliche, umständliche und überempfindliche britische Kollegen. Hinzu kam, dass sich die politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse im Laufe der Zeit immer mehr zugunsten der amerikanischen „Gäste“ verschoben – für die britischen „Hausherren“ nur schwer erträglich.35 Mehr als andere US-Militärsender war AFN auf Eigenständigkeit bedacht. Hauptgeldgeber des Unternehmens war der Europäische Befehlsbereich, aus dem sich auch die Mehrzahl der Mitarbeiter rekrutierte. AFN sollte sich als lokaler Sender etablieren, den Soldaten und Offiziere gerne einschalteten und bei dem sie sicher sein konnten, dass er ihrer Sache diente. Die USStreitkräfte in Europa nahmen die Hilfe anderer Institutionen dankbar an, wollten sich deswegen aber von niemandem hineinreden lassen. Um die Abhängigkeit von der BBC und dem Office of War Information zu verringern, wandte sich AFN an die übergeordnete Organisation der US-Militärsender. AFRS hatte bis dahin vor allem Sendematerial nach Großbritannien geschickt und sollte nun auch mit Technik und Personal aushelfen. Zwar konnte AFRS der Bitte von AFN nicht nachkommen, trotzdem versuchte er aber, den Sender enger als bisher in sein System einzubinden. Nach den vielen Improvisationen in der Anfangszeit wollte der stark expandierte Militärrundfunk seine Erscheinung und seine Arbeitsweise weltweit vereinheitlichen. Die Senderkette in Großbritannien war aber mittlerweile größer und eigenständiger als alle anderen AFRS-Stationen und die AFN-Mitarbeiter sahen nicht ein, warum sie auf die eigene Identität oder auf inhaltliche Freiheiten verzichten sollten. Mit der Rückendeckung des Europäischen Befehlsbereichs ließ sich AFN auf einen längeren Machtkampf mit AFRS ein. Noch viele Jahre später würde AFN bei der Rekrutierung von Personal und der Beschaffung von Material lieber unorthodoxe Wege gehen als sich vollständig in das AFRS-System integrieren zu lassen.36 35
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Carl Larsen, This Is the American Forces Network, in: Stars and Stripes, 18. November 1943; Lou Frankel, A. F. Network in the E. T. O., in: Billboard, 5. Mai 1945. Siehe auch Suid-Interview Sigmon, 11, Box 8, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 50, 120. Wahrscheinlich hat eine private Fehde zwischen dem ersten AFRS-Chef und John Hayes von AFN die Auseinandersetzung verstärkt. Gurney [AFN] an Lewis [AFRS], 14. Dezember 1943, Box 306, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; AG/War Dept, an CG/ETO, 13. April 1944, ebd.; Record of Telcon (LTC T. Boardman
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Das Vorgehen bei der Invasion Während sich AFN in Großbritannien zu etablieren suchte, musste sich der Sender auf massive Veränderungen einstellen. Denn der größte Teil seiner Hörerschaft würde an der geplanten alliierten Invasion im nördlichen Europa beteiligt sein. Die amerikanischen Truppen, die von Nordafrika kommend ab 1943 in Italien und später auch Südfrankreich kämpften, wurden von mehreren mobilen Sendern begleitet. Diese American Expeditionary Stations wurden von AFRS ausgestattet und gehörten zu einzelnen US-Armeen. Besonders erfolgreich waren die Stationen der Fünften Armee, deren Kommandierender General sie intensiv unterstützte. Die Rundfunkleute folgten den kämpfenden Truppen so rasch wie möglich und richteten in Städten wie Rom auch feste Stationen ein. Bei der Gestaltung des Programms konnten die Mitarbeiter der lokalen Sender auf viele spezifische Wünsche ihrer Hörerschaft eingehen und so ein besonders enges Verhältnis zu Soldaten und Offizieren aufbauen. Vieles sprach dafür, dass der amerikanische Militärrundfunk dieses Konzept für Nordeuropa kopieren würde, doch der Wunsch des alliierten Oberbefehlshabers sollte dies verhindern.37 Seit Februar 1944 leitete US-General Eisenhower das neu geschaffene Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Forces. Ihm war bewusst, dass in dem Bündnis trotz der gemeinsamen Kriegsziele unterschiedliche nationale Interessen und kulturelle Eigenheiten bestehen blieben. Bei der militärischen Zusammenarbeit gab es daher viele latente Spannungen und immer wieder auch handfeste Probleme. Eisenhower dachte, dass ein alliierter Radiosender im Westen gegenseitiges Verständnis und Solidarität fördern könne. Die befragten amerikanischen und britischen Rundfunkexperten wollten mit solchen
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und COL T. Lewis), 1. Februar 1945, Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; COL T. H. A. Lewis, CO/AFRS, an MG F. H. Osborn, Dir/I&E Div, ASF (nachf. zit. als Lewis an Osborn), 17. März 1945, Box 307, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; LTC R. E. Kearney, CO/Los Angeles Br O, TIED, SSUSA [AFRS], an COL S. Y. McGiffert, Dep C/TIED, 15. Juli 1948, Box 9, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 40 f., 50 f.; DeLay, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 410, 412, 414, 421; Ferchow, „American Forces Network“ (unveröff.), 22 f.; Miller, American Forces Radio and Television Service (unveröff.), 53; Morley, „This Is the American Forces Network“, 119 f. Now on the Air: Your New G. I. Radio Station Broadcasting from Rome, 18. August 1944, Box 10, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; 1LT V. Carstensen, Station Manager, Mobile American Expeditionary Station in the field with the Fifth Army, an COL T. H. A. Lewis, AFRS, I&E Div, ASF, 5. Dezember 1944, Box 1, Draft Chapters, ebd. Siehe auch J. P. O’Neill, Station on Wheels, in: Yank, o. D. [zwischen 30. April und 18. August 1944] (Kopie ebd.); AES Radio Station Opens Rome Studio, in: Stars and Stripes, 19. August 1944; Tom Meany, Mobile Radio Station Broadcasts at Front, in: P. M., 4. Februar 1945; Feature of the Week, in: Broadcasting, 9. April 1945. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 51; Morley, „This Is the American Forces Network“, 66 f.
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Plänen nichts zu tun haben. Sie hatten bei der Entstehung von AFN gerade erlebt, wie unterschiedlich die jeweiligen Radiotraditionen waren und dass es für die Zufriedenheit der Hörer wichtig war, nationale Eigenheiten aufrecht zu erhalten. Eisenhower ließ sich von solchen Einwänden nicht beirren. Mit Hilfe des britischen Premierministers setzte er durch, dass ein gemeinsamer amerikanischer, britischer und kanadischer Militärsender gegründet wurde. Während dessen Kosten von den beteiligten Regierungen getragen würden, übernahm die BBC die Leitung und technische Umsetzung des Allied Expeditionary Forces Programme of the BBC. Feste Sprecher und Redakteure kamen vom britischen und kanadischen Rundfunk, die amerikanischen Mitarbeiter waren gleichzeitig für AFN und die alliierte Radiostation tätig. Die neue Anstalt produzierte in geringem Umfang eigene Sendungen, der weitaus größte Teil des Programms kam vom US-Militärrundfunk und der BBC. Es galt strikter Proporz: Der amerikanische Anteil lag bei fünfzig Prozent, die andere Hälfte bestritten Briten und Kanadier. Die praktischen Vorbereitungen für den Sendestart fanden in aller Eile und unter größter Geheimhaltung statt, denn Ort und Zeitpunkt der Invasion durften nicht verraten werden. Die alliierte Radiostation meldete sich zum ersten Mal am 7. Juni 1944, am Morgen nach der Invasion in der Normandie. Sein 180-Kilowatt-Sender im südwestenglischen Start Point deckte die umkämpften Gebiete gut ab.38 In der ersten Zeit waren die Soldaten dort froh und dankbar, wenn sie in einer ruhigen Minute das an sie gerichtete Rundfunkprogramm empfangen konnten.39 Diese Zufriedenheit ließ aber nach, je länger und genauer sie dem alliierten Sender zuhörten. Ein häufiger Grund für Klagen waren die stündlichen Nachrichten. Diese wurden zwar abwechselnd von Sprechern der unterschiedlichen Nationalitäten vorgetragen, kamen aber von der BBC. Vom Stil sowie von der Auswahl und Gewichtung der Informationen entsprachen sie also britischen Gepflogenheiten. Viele GIs nahmen daran Anstoß, denn sie fühlten sich und den amerikanischen Anteil am Kriegserfolg nicht ausreichend gewürdigt. Auch das übrige Programm konnte diesen Eindruck nicht ausgleichen, trotz oder wegen des Proporzes. Denn obwohl die US-Truppen inzwischen in der Überzahl waren, blieb der amerikanische Anteil gleich. Das Allied Expeditionary Forces Programme of the BBC klang für viele amerikanische Ohren britisch und wurde als „BBC Ding“ oder als „weiterer Propagandagag der Tommys“ wahrgenommen. Anders als ihre britischen Kameraden, die auch BBC-Programme empfangen konnten, hatten die GIs auf dem 38 39
AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 41 ff.; Ambrose, Americans at War, 116 f.; Gorham, Sound and Fury, 139–146; Morley, „This Is the American Forces Network“, 83–94. Siehe hierzu den im Prolog zitierten Bericht: Goodfriend an Hayes, 6. Juli 1944, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Cpl Dick Dudley, American Forces Doing Bangup Showmanship Job for GIs, in: Variety, 17. Dezember 1944; [Lewis,] „Victory Through Air Power“, 5. Siehe auch the afn story, MS, o. D. [1970er], 13 f., Box 9, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP.
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nordeuropäischen Kontinent keine Alternativen. Um amerikanische Musik zu hören, schalteten einige sogar lieber auf deutsche Propagandasender um.40 Die beteiligten Rundfunkmitarbeiter agierten professionell und so war dem Programm nicht anzumerken, dass hinter den Kulissen keine Eintracht herrschte. Auf britischer Seite ärgerte man sich einmal mehr über die undankbaren und egoistischen US-Verbündeten. In der Rückschau überwog bei ihnen aber der Stolz auf die Qualität dieses zusätzlichen BBC-Senders. Denn auch der britische öffentliche-rechtliche Rundfunk hatte dazugelernt: Sofort nach Ende des Krieges entwickelte der Leiter der alliierten Station für die BBC das hörerorientierte Light Programme.41 Zu keiner Zeit waren hingegen die Verantwortlichen des US-Militärrundfunks zufrieden. In der Gegend der größten amerikanischen Truppenkonzentration sahen sie die GIs am schlechtesten versorgt. Solange Eisenhower als oberster Befehlshaber aber am Prinzip eines alliierten Senders festhielt, konnten die US-Streitkräfte daran grundsätzlich nichts ändern. Sie nutzten allerdings jede Gelegenheit, um die Lage zumindest schrittweise zu verbessern.42 Die militärischen Erfolge der Westalliierten ließen sie schon bald außerhalb der Reichweite des Senders in Südengland gelangen. Mobile Anlagen bei den auf Deutschland vorrückenden Truppen sollten daher die Signale der alliierten Station verstärken. Durch den latenten Streit zwischen AFN und AFRS war auf amerikanischer Seite anfangs nicht klar, ob dies kleine eigenständige AFRS-Sender würden, oder ob sie zur Senderkette in Großbritannien gehören sollten. Im Dezember 1944 genehmigte Eisenhower schließlich mehrere mobile AFN-Sender für die Zwölfte Heeresgruppe. Später sollte auch der bis dahin unabhängige Sender der Siebten Armee, der vom Mittelmeer den Europäischen Befehlsbereich erreicht hatte, in die Organisation von AFN eingegliedert werden.43 Den Machtkampf um den amerikanischen Militärrundfunk 40
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LTC T. Boardman, AFRS, I&E Div, ASF, an BG O. N. Solbert, 22. Januar 1945, Anlage zu COL T. H. A. Lewis, CO/AFRS, an MG F. H. Osborn, Dir/I&E Div, ASF, 17. März 1945, Box 307, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP: „BBC deal“, „another Limey propaganda gag“; MG T. B. Larkin, C/S, an I&E Div, 18. April 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch U. S. Forces European Theater, The Information and Education Program, 17, USAMHI. Vgl. AFIS/ AFRTS, History of AFRTS, 47 f.; Morley, „This Is the American Forces Network“, 95, 99 ff. M. A. C. Gorham, Dir/AEFP, BBC, an BG O. N. Solbert, C/S&IS, HQ Com Z ETOUSA, 26. Mai 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Gorham, Sound and Fury, 148 ff., 159, 162 f.; Morley, „This Is the American Forces Network“, 97, 101, 111, 115 f. Lewis an Osborn, 17. März 1945, Box 307, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 47 f.; Morley, „This Is the American Forces Network“, 111–115. Hayes an Lewis, 19. September 1944, Box 306, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; BG O. Solbert, C/S&IS, an G-1, SHAEF (nachf. zit. als Solbert an G-1 SHAEF), 15. Januar 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP;
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im nördlichen Europa hatte die lokale Senderkette damit für sich entschieden. AFN durfte sich über das Vereinigte Königreich hinaus ausbreiten und konnte dort als überregionale Einrichtung seine Zukunft sichern. Dies hatte er indirekt seinem Entstehungsprozess zu verdanken. Die Verhandlungen und die Zusammenarbeit mit den Briten hatten AFN geordnete Strukturen und unabhängige Regeln gegeben. Durch die britische und zivile amerikanische Hilfe war die Station nun groß und leistungsfähig genug, um sich auszudehnen und weiterzuentwickeln. Das Hauptquartier von AFN in London war Anfang 1944 in größere Studios umgezogen.44 Seine Mitarbeiter stellten weiterhin das Programm für die Senderkette im Vereinigten Königreich her und beteiligten sich am alliierten Rundfunk. Amerikanisches Personal war dafür vor allem in London tätig, AFN stellte aber auch Korrespondenten, die vom europäischen Kontinent berichteten. John Hayes war inzwischen Kommandeur von AFN geworden, auch wenn er offiziell zusammen mit einem britischen Kollegen dem alliierten Militärrundfunk vorstand. Im November des Jahres 1944 soll Hayes den Befehl gegeben haben, im befreiten Paris eine AFN-Station einzurichten. Ob sein Vorgehen durch seine Vorgesetzten gedeckt war, ist unklar. Auf jeden Fall schuf er damit Tatsachen: Nun gab es auch jenseits des Ärmelkanals einen stationären AFN-Sender mit eigenen Studios.45 Wie bereits berichtet, hatte der Alliierte Oberkommandierende bis dahin für AFN nur die Ausstattung einiger mobiler Sender bei bestimmten US-Armeen vorgesehen. Diese mussten zudem das Programm des alliierten Rundfunks übernehmen und durften vor Ort täglich nur zweieinhalb Stunden selbst gestalten. Der amerikanischen Hörerschaft missfielen das starre Konzept aus
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LTC T. Boardman, AFRS, I&E Div, ASF, an BG O. N. Solbert, 22. Januar 1945, ebd.; Record of Telcon (LTC T. Boardman und COL T. Lewis), 1. Februar 1945, Box 6, ebd.; Lewis an Osborn, 17. März 1945 (mit Anlagen), Box 307, Dec File 1942–1948, TIED, C/ Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Vgl. DeLay, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 417, 426. AFN zog vom 11 Carlos Place am Grosvenor Square in die ebenfalls von der BBC zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten 80 Portland Place in der Nähe des BBC Broadcasting House. John T. Penrose an Lawrence Suid, o. D., Anlage zu Suid-Interview Penrose, 9. März 1983, Box 7, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Der Ire Penrose war von 1944 bis 1968 bei AFN). Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 81. Die Sendungen aus einem winzigen Studio in der Rue de Berry erreichten anfangs nur die umliegenden Wohnblocks. Ein paar Wochen später konnte AFN aber bereits einen französischen 15-Kilowatt-Sender benutzen. AFRS-Outlets 1 December 1944, Box 307, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Record of Telcon (LTC T. Boardman und COL T. Lewis), 1. Februar 1945, Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Lewis an Osborn, 17. März 1945, Box 307, Dec File 1942– 1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Siehe auch F. C. Mortensen, Tech Dir/ AFN: Historical Info on AFN Paris – From Mr Harry Flora, 1970, Box 11, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Light, 7 f., Box 6, Transcripts, ebd. Vgl. DeLay, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 419.
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der fernen Zentrale und die vielen fremden Rundfunkelemente. Besonders unzufrieden waren die Soldaten der Siebten Armee, die im Mittelmeerkommando ein ausschließlich amerikanisches Lokalradio genossen hatten und sich nun mit den einschränkenden Regeln im Europäischen Befehlsbereich abfinden mussten.46 Hinzu kam, dass AFN es anscheinend erst ab Ende 1944 überhaupt schaffte, die anderen offiziell genehmigten mobilen Sender einzurichten. Die Erste US-Armee hatte ihr Hauptquartier inzwischen in Belgien eingerichtet, die Neunte US-Armee war in den Niederlanden. Das überwiegend „ferngesteuerte“ Programm, die geringe Reichweite der Rundfunktechnik und das kaum integrierte AFN-Personal verhinderten, dass sich die Hörer den mobilen Sendern ihrer Armee beim Vormarsch besonders verbunden fühlten.47 Anfang April 1945 befanden sich schließlich alle drei fahrbaren AFNStationen auf deutschem Gebiet. Während sich die Erste und Neunte Armee über Westdeutschland zur Elbe vorkämpften, war die Siebte Armee südlicher eingesetzt und rückte auf Bayern vor. Erst in diesem Zeitraum durften die AFN-Sender auf dem Kontinent immer mehr Teile des alliierten Pflichtprogramms durch lokale Sendungen ersetzen. Ab Juli 1945 stellte die BBC den Amerikanern zudem eine starke Sendeanlage in Großbritannien zur Verfügung, mit der sie das AFN-Programm aus London in das mittlerweile befreite Deutschland übertragen konnte. Der alliierte Truppenrundfunk, das Allied Ex-
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LTC D. Niven, Dir/Troop Broadcasting Service, SHAEF, an Col. Solbert, C/SS Com Z, u. a., 19. Oktober 1944, AFN Historical File; Solbert an G-1, SHAEF, 15. Januar 1945, ebd. (Kopie auch in Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP); Boardman an Solbert, 22. Januar 1945, Anlage zu Lewis an Osborn, 17. März 1945, Box 307, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. MG LeR. Lutes, Dir/Plans and Opns, ASF: Memo for Dir of Personnel, ASF, 29. August 1944 (mit Anlagen), Box 306, ebd.; Hayes an Lewis, 19. September 1944, ebd.; LTC P de S[anchez], C/I&E Div, an Gen Solbert, 5. Januar 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Solbert an G-1, SHAEF, 15. Januar 1945, ebd.; Record of Telcon (LTC T. Boardman und COL T. Lewis), 1. Februar 1945, Box 6, ebd.; I&E Div, ASF, an War Dept (DTG 010045Z), 1. Februar 1945, Box 307, Dec File 1942– 1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; F. C. Mortensen, Tech Dir/AFN, Subject: Historical Info on Early AFN Operation from Former Major Robert Light, 12. Mai 1970, Box 10, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch Suid-Interview Hoberman, 31–45, Box 5, Transcripts, ebd.; Suid-Interview Light, 18 f., 21 f., Box 6, ebd. Die Sekundärliteratur weicht zum Teil erheblich von dieser Darstellung ab, was vor allem an einer frühen beschönigenden Selbstdarstellung von AFN liegt: LTC J. S. Hayes, C/AFN, HQ, ETO (Rear), an LT J. Danzig, Radio Section, PRO, London, 8. Juni 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 54; Cranston, Some Historical Newscasts, 396 f.; DeLay, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 417, 426; Ferchow, „American Forces Network“ (unveröff.), 26; Grull, Radio und Musik, 58; Morley, „This Is the American Forces Network“, 118 f.
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peditionary Forces Programme of the BBC, hörte am 28. Juli 1945 auf zu senden.48 Die amerikanischen Streitkräfte unterhielten inzwischen an etlichen Orten in Westeuropa stationäre Rundfunksender. Diese waren wie die Gründungen der Siebten Armee in Marseille oder Dijon auf dem Vormarsch entstanden oder wie Paris von AFN ins Leben gerufen worden. Anfang Mai 1945 betreute AFN Radiostationen in Paris, Nancy, Lyon, Marseille, Nizza und Cannes, die zumindest teilweise untereinander und mit der Zentrale in London verbunden waren. Da sich trotz des Endes der Kämpfe weiterhin eine Vielzahl von USSoldaten in Westeuropa aufhielt, gründete AFN in den Folgemonaten drei weitere Stationen in Frankreich sowie eine in Belgien. Die genaue Entstehung und Entwicklung dieser Sender lässt sich kaum noch rekonstruieren. Ehemalige Mitarbeiter von AFN erinnern sich vor allem an die besonderen Gebäude, die der Sender in Frankreich bezog, etwa das Chateau in Reims, in dessen Kellern Tausende Flaschen mit Champagner der Marke Pommery gelagert wurden.49 Die Angaben über die Senderkette in dieser Zeit variieren stark. Mehrere Hundert Soldaten arbeiteten inzwischen für AFN sowie zahlreiche zivile Mitarbeiter. Auch auf dem Kontinent konnten sie Büros, Studios und Sender nutzen, von denen – anders als in Großbritannien – nicht immer klar war, wer AFN dies erlaubt hatte oder wer die Kosten dafür übernahm. Mitarbeiter erinnern sich zudem an einen großen Fuhrpark und an ein Flugzeug, das ihnen zur Verfügung gestanden habe. Auf ihren Uniformen trugen die Soldaten ein eigenes AFN-Abzeichen, das sich der Sender entgegen militärischer Vorschriften selbst ausgedacht und „genehmigt“ hatte. Die AFN-Mitarbeiter waren überzeugt von ihrem Auftrag, die US-Soldaten mit amerikanischem Radio zu versorgen, und sie hatten die Gunst der Stunde genutzt, um eine Großorganisation zu errichten. Bis auf die Sender der Fünften Armee, aus denen später das
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CO/Los Angeles Sig Center, an War Dept, 6. April 1945, Box 307, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; MG F. H. Osborn, A C/I&E Div, an Gen Eisenhower, 13. April 1945 (mit Anlagen), Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; LTG W. B. Smith, C/S, an Gen Barker und Gen Osborn, 15. April 1945, ebd.; Col. P. W. Thompson, C/I&E, an G-1, 15. Juni 1945, ebd. Manuskripte vom letzten AEFP-Sendetag gibt es in Folder: Allied Expeditionary Forces (Europe), Box 6, ebd. Vgl. Gorham, Sound and Fury, 168; Morley, „This Is the American Forces Network“, 124. „This Is the AFRS …“, Part II: AFRS Opns in the European Scene, 1. August 1945, Box 7, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Roots of Military Broadcasting, MS, o. D. [1980er], 7, Box 3, ebd. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 57; Christman, This Is AFN (1993), 46; DeLay, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 417 ff., 426 f. Siehe auch den Tagebucheintrag von Sgt T/4 F. Gregory Cronin vom 3104th Sig Service Bn, der AFN-Mitarbeitern beim Aufbau von AFN Reims half: http:// www.fgrubbs.com/3104/cronin/cronindiary.htm.
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Blue Danube Network hervorgehen sollte, zog AFN in dieser Zeit alles an sich, was im nördlichen Europa mit Truppenrundfunk zu tun hatte.50 Seine damalige Bedeutung verdankte die Senderkette nicht zuletzt dem zielstrebigen Vorgehen von John Hayes, der mittlerweile wieder offizieller AFN-Chef war. Hayes hatte die Absicht, der Senderkette eine Struktur und Größe zu geben, mit der sie Jahrzehnte überdauern könne. Nach dem Krieg sollte der begabte Rundfunkadministrator ins Zivilleben zurückkehren und dort einen beachtlichen Karriereweg beschreiten. Der Ruhm seines kleinen militärischen Radioimperiums hat ihm dabei geholfen.51 Für die Entwicklung der Senderkette war das konsequente und nicht immer regelkonforme Vorgehen des AFN-Chefs und seiner Mitarbeiter von Vorteil. Über ein Jahr hatte es schließlich gedauert, bis sich die verschiedenen amerikanischen Dienststellen und britischen Verantwortlichen auf eine Lösung in Bezug auf ein US-Truppenradio im Vereinigten Königreich hatten einigen können. Seit dem 4. Juli 1943 sendete AFN dann als Senderkette mit geringer Reichweite für die in Großbritannien stationierten GIs. Dabei wäre es auch geblieben, wenn es nach den Plänen des alliierten Oberkommandierenden in Europa und der Zentrale des Militärrundfunks in den USA gegangen wäre. Doch nach der Invasion in der Normandie wollten die Mitarbeiter von AFN die kämpfenden Truppen mit ihrem Radioprogramm versorgen. Dabei setzten sie auf offiziell genehmigte mobile Sender, mit denen sie einige US-Armeen seit Herbst 1944 beziehungsweise Anfang 1945 begleiteten. In dieser Zeit gründete AFN auch in Paris seine erste feste Rundfunkstation auf dem europäischen Kontinent. Es ist anzunehmen, dass es hierfür keine konkreten Handlungsanweisungen aus dem Generalsstab gab. Letztlich wurden AFN Paris und weitere Neugründungen aber toleriert und auf vielfältige 50
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AFN’s Four Years Pass in Review, in: AFN’s 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947; J. S. Hayes an MAJ G. H. Buchanan, 6. November 1967, File: Ex-AFNers, AFN Historical File; Suid-Interview Roy Neal, 3. August 1983, 20–25, 43 f., Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Roy Neal war der On-Air-Name von Roy N. Hinkel, der von 1945 bis 1946 bei AFN war); Roots of Military Broadcasting, MS, o. D. [1980er], 9 f., Box 3, Historical Monographs, ebd. John S. Hayes (1910–1981) war bis in die sechziger Jahre in leitenden Funktionen bei verschiedenen Rundfunk- und Fernsehunternehmungen der Washington PostNewsweek-Gruppe tätig. Von 1966 bis 1969 war er amerikanischer Botschafter in der Schweiz. Später war er in leitender Position für Radio Free Europe und Radio Liberty tätig. Siehe etwa The Colonel’s Bet, in: Time, 7. Januar 1946; Charles Bermpohl, John Hayes, former U. S. envoy, dies, in: Florida Times-Union, 15. Oktober 1981; John S. Hayes, 71, Dies; Former Official of Post, in: Washington Post, 15. Oktober 1981; John Hayes, Ex-Envoy And a Radio Executive, in: New York Times, 16. Oktober 1981. Siehe auch Suid-Interview Hoberman, 46, Box 5, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Zu Hayes siehe auch MG F. H. Osborn, Dir/MSD, an Gen Surles, 29. Juni 1944, Box 306, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Vgl. DeLay, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 421; Morley, „This Is the American Forces Network“, 25, 119 f.
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Weise unterstützt. Zudem wurden AFN auch Radioeinheiten wie die der Siebten Armee unterstellt, die zuvor unabhängige Sender betrieben hatten. Bei der Ausdehnung seiner Unternehmungen auf den Kontinent profitierte AFN stark von seinen in Großbritannien geschaffenen Strukturen und den dort gesammelten Erfahrungen. Dadurch konnte AFN zur wichtigsten Organisation für den US-Truppenrundfunk im Europäischen Befehlsbereich werden und sich nach dem Ende des Krieges darum bemühen, ein Sendernetz für die amerikanischen Besatzungstruppen in Deutschland aufzubauen.
2. „VIEL GLÜCK IN DEN FOLGENDEN SENDEMONATEN“. SELBSTBEHAUPTUNG IN DER ÜBERGANGSZEIT The American soldier wants an American radio station. He knows that the station will give him the type of entertainment he enjoyed back in the states. […] May I wish you the best of luck in the months of broadcasting to come. Aus der Eröffnungsrede für AFN Bremen, Juli 1945.1
Der Zweite Weltkrieg endete für AFN mit einem scoop, einer journalistischen Erstmeldung. Die wochenlangen Gerüchte über die bevorstehende Kapitulation Japans hatten sich nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 verdichtet. Ben Hoberman war am Sonntag, dem 10. August, diensthabender Offizier bei AFN Paris. Ihm kam die Idee, den japanischen Militärattaché in der neutralen Schweiz anzurufen und sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Der emotional sehr bewegte japanische Botschaftsangehörige berichtete dem Amerikaner von Kaiser Hirohitos Kapitulationsangebot. Hoberman, der später bei ABC Karriere machen sollte, erkannte sein Glück und gab die Neuigkeit per Telefon an die Hauptnachrichtenredaktion von AFN in London weiter, die dann – anscheinend als erstes Medium in Europa – das Ende des Krieges melden konnte. Ob die Hörerschaft von AFN diese redaktionelle Leistung bemerkte, ist unbekannt. Wichtiger als journalistische Exzellenz war ohnehin, dass es einen amerikanischen Radiosender gab, der die US-Soldaten in der schwierigen Umbruchsphase nach dem Ende der Kämpfe medial begleiten konnte.2 Die Entwicklung von AFN nach Kriegsende verlief nicht in vorgezeichneten Bahnen. Die Übergangszeit von der Besetzung zur Besatzung, also vom Ende der Kampfhandlungen bis zur ordentlichen militärischen Verwaltung der amerikanischen Zone in Deutschland dauerte etwa ein Jahr. Dies variiert, je nachdem welchen Bereich man betrachtet. Innerhalb des allgemeinen Ordnungs- und Regelungsprozesses des US-Militärs musste auch AFN einen Weg für sich finden. Anders als in vielen Erinnerungen von Zeitzeugen und auch in der Sekundärliteratur behauptet, war die Institution AFN in dieser Zeit aber nicht in ihrer Existenz bedroht. Schließlich hatte AFN den Sprung nach Deutschland, dem Zentrum der amerikanischen Aktivitäten in der Nachkriegszeit, schon zuvor geschafft. Zudem hatte er einige konkurrierende Sender innerhalb des Militärs bereits durch Übernahmen beseitigen können. Allerdings musste AFN in den ersten Monaten nach Kriegsende dafür sorgen, 1 2
Gen. Gerhardt Dedicates Enclave’s Radio Station, in: 29 Let’s Go, 30. Juli 1945. Suid-Interview Hoberman, 6 ff., Box 5, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. AFIS/ AFRTS, History of AFRTS, 66.
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dass es diesen aus dem Momentum entstandenen Zustand erhalten konnte. Dies bedeutete, dass die Rahmenbedingungen für den Betrieb von militärischen Radiosendern offiziell festgelegt und möglichst zu seinen Gunsten geklärt wurden. Der Umbau von AFN in der unmittelbaren Nachkriegszeit erfolgte in kleinen Schritten.3 Beim Aufbau neuer Sender in Deutschland stieß AFN bei den lokalen Militärbehörden zunächst auf Skepsis. So etwa in Bremen: Die Briten hatten die Hansestadt zwar Ende April 1945 besetzt, überließen sie aber den Amerikanern, da diese in Deutschland einen Hafen zum Transport und zur Versorgung ihrer Truppen brauchten. Als die ersten AFN-Mitarbeiter nach Bremen kamen, war man in der unteren und mittleren Verwaltungsebene von den „komischen Vögeln“ wenig begeistert. Mit Hilfe eines transportablen Senders und viel Improvisationstalent erreichten die Rundfunkmitarbeiter dennoch ihr Ziel. Am 28. Juli 1945 startete AFN Bremen den Programmbetrieb.4 Sobald der Radiosender einmal da war, war er wohlgelitten. Der befehlshabende General der amerikanischen Enklave Bremen hielt höchstpersönlich eine begeisterte Rede zur Eröffnung des Senders: The entertainment and morale value of such an endeavor cannot be measured. The American soldier wants an American radio station. […] You will not find a more receptive and interested audience than right here in the Bremen Enclave. […] May I wish you the best of luck in the months of broadcasting to come and we expect of you many hours of peak entertainment. Welcome to Bremen, AFN. We’re glad to have you.5
Ein herzlicheres Willkommen hätte sich AFN zum Programmstart nicht wünschen können. Die Wertschätzung der Radiostation war echt, auch wenn sie vor dem Hintergrund der halbherzigen Unterstützung beim Aufbau des Senders verwundert. Genau dieser Widerspruch bestimmte aber den Alltag von AFN. Die Radiosender waren bei ihren Hörern beliebt, durften die Armee jedoch nicht allzuviel Aufwand oder Mittel kosten. Die Initiative zum Umbau der Senderkette zur Anpassung an die Erfordernisse in Friedenszeiten musste deshalb von AFN selbst ausgehen. Am 13. August 1945 zählte der stellvertretende Kommandeur von AFN seinen Vorgesetzten in der Informations- und Bildungsabteilung der US-Truppen in Europa diejenigen Punkte auf, welche für die Senderkette noch zu klären seien. Dies betraf Kernbereiche der Militäreinheit, etwa den Auftrag von 3
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Zur These, dass AFN nach Kriegsende um seine Existenz fürchten musste, siehe etwa AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 71, 73; Swain, Reminisces. Zur Besetzung und Besatzung Deutschlands siehe etwa Davis, Come as a Conqueror; Henke, Die amerikanische Besetzung Deutschlands; Nelson, U. S. Military Forces in Germany. And so AFN Bremen was born …, MS, 1945, Ordner 1, AFN Bremen/Bremerhaven History, AFN Historical File: „AFN birds“; Enclave Has Own Broadcast Station, in: 29 Let’s Go, 28. Juli 1945. Vgl. Marßolek, Bremen; Weiß, OMGUS, 293 f.; Rundfunk in Bremen 1924–1974, 50. Gen. Gerhardt Dedicates Enclave’s Radio Station, in: 29 Let’s Go, 30. Juli 1945.
Selbstbehauptung in der Übergangszeit
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AFN, dessen Personalrekrutierung, die Versorgung mit Rundfunktechnik oder allgemeine Regeln für den Betrieb des Hörfunks. Als nicht-kämpfender Teil der Truppe hatte AFN vielfach Probleme bei der Zuteilung von Personal und Ausrüstung erlebt. Der stellvertretende Kommandeur drang deshalb darauf, die Bedeutung des Soldatensenders hervorzuheben: It is felt that radio entertainment and information of the troops has proved itself to be of sufficient importance so that an army entertainment radio operation should be given a high priority in the obtaining of equipment and personnel.6
Dies erschien ihm umso wichtiger, als die Bedürfnisse eines Radiosenders den militärischen und zivilen Stellen, die mit AFN zu tun hatten, kaum bewusst waren. AFN wollte nicht nur über das Kriegsende hinaus bestehen, sondern forderte eine bessere Stellung innerhalb der Streitkräfte. V J Day, der Tag des Sieges über Japan, fand die US-Armee in Europa vor allem mit der Verlegung ihrer Truppen beschäftigt. Vor der japanischen Kapitulation sollten viele Kampfeinheiten so schnell wie möglich auf die Kriegsschauplätze in Asien verlegt werden. Auch zwei der Armeen, die AFN bei ihrem Vormarsch auf dem europäischen Kontinent mit mobilen Radiosendern begleitet hatte, verließen Deutschland. Die Erste Armee wurde am 22. Mai für einen weiteren Einsatz im Pazifik eingeschifft, die Neunte Armee folgte am 7. Juli. Da AFN eine externe Einheit war, blieben seine Mitarbeiter im Europäischen Befehlsbereich und versorgten mit den frei gewordenen Sendern andere US-Truppenteile. Auch nach dem weltweiten Kriegsende im August blieb das Tempo der Truppenverlegungen hoch, denn die Ungeduld der Soldaten in Übersee und die Stimmung in den USA setzten amerikanische Politiker und das Militär unter Druck. Etwa zweieinhalb Millionen amerikanische Soldaten verließen bis Ende 1945 den europäischen Kriegsschauplatz. Dies brachte die US-Armee in Europa in Schwierigkeiten, da sie nicht mehr über genügend Kapazitäten für den militärischen Alltag verfügte, geschweige denn für die neuen Aufgaben der Truppe. Trotz Protesten der Generäle sollten die Streitkräfte nun nämlich auch die Bevölkerung der besetzten Gebiete versorgen und verwalten.7 Aufgabe aller militärischen Medien war es, den in Europa verbleibenden Soldaten zu erklären, warum sie nicht sofort nach Hause konnten. Dabei sollte betont werden, dass der militärische Sieg nur ein Etappenziel des Kriegs gewesen sei. Die Besatzung der besiegten Achsenmächte könne nicht nach ein paar Monaten vorbei sein, wenn man langfristig den Frieden sichern wolle: 6 7
MAJ O. Stegall, Jr., XO/AFN, an C/I&E, TSF, ET, 13. August 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Clay, Proconsuls of a People; Davis, Come as a Conqueror, 48, 118 f., 122, 127 f., 132 f.; Gimbel, Governing the American Zone in Germany; Schraut, Vom Besatzer zum Beschützer, 16–23; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 12–15; Ziemke, The U. S. Army, 320 f., 328 ff., 334 ff.
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„Major consideration is still one of seeing that the war against the Axis stays won and that we don’t have to come back in 20 years to do the job all over again.“8 An dieser theoretischen Botschaft richteten sich alle Informationen an die amerikanischen Truppen aus. Anders als die Stars and Stripes und kleinere Militärzeitungen hatte AFN als Informationsmedium in dieser Zeit aber einen schweren Stand. In den USA galt der Rundfunk zunächst als Unterhaltungsmedium. Dies hatte sich erst gegen Ende der dreißiger Jahre und durch die Radioberichterstattung über den Zweiten Weltkrieg geändert. Gerade in den Köpfen der älteren Generation, die ja die höheren Dienstgrade beim Militär besetzte, hatten sich die Chancen, die das Radio als schnelles und direktes Kommunikationsmittel zur Information ihrer Truppe bot, aber noch nicht durchgesetzt. Auch der direkte Vorgesetzte von AFN in dieser Zeit, Brigadegeneral Paul W. Thompson, war dieser Meinung: Er hielt den Radiosender zwar für ein passables Unterhaltungsmedium, größeren Einfluss auf die Soldaten schrieb er aber den Militärzeitungen zu. In dieser Einschätzung sah sich Thompson auch durch den Oberkommandierenden in Europa bestärkt.9 Die Journalisten bei AFN glaubten dennoch an ihre Informationskompetenz. John Hayes, der Chef des Senders, formulierte wenige Tage nach der japanischen Kapitulation seine Pläne für die kommende Zeit. Er war sich der schlechten Stimmung seiner Hörerschaft bewusst und sah ihre Verbesserung als wichtigstes Ziel für AFN an: „This plan is primarily aimed at a reduction in frustration, antagonism and discontent in the minds of military personnel who are in process of leaving this Theater or who will remain on duty in the Theater for occupation purposes.“10 Hayes hielt Unterhaltung für ein geeignetes Mittel, wollte aber vor allem die Informations- und Bildungselemente im AFN-Programm verstärken. Mit Hilfe von Kurzbotschaften in WerbespotForm oder durch Patenschaften für einzelne Sendungen (sponsorships) verwies AFN auf die vielen Bildungs- und Freizeitangebote, die die Armee nach Ende der Kampfhandlungen für Soldaten eingerichtet hatte. Hinzu kamen
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Draft: Orientation Themes for Post-VJ Day, o. D., 1, Anlage zu LTC J. D. F. Phillips, C/ Orientation Br, an C/AFN, 15. August 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP [Unterstreichungen im Original]. Dies mag der Grund für einige der eigenwilligen Entscheidungen gewesen sein, die Eisenhower in Bezug auf den Militärrundfunk getroffen hatte (siehe Kapitel 1). Suid-Interview Paul W. Thompson, 8. Dezember 1982, 2, 11, Box 8, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Thompson war von 1945 bis 1946 Chef der Information and Education Division der US-Streitkräfte in Europa). Siehe auch Suid-Interview Neal, 11, Box 6, ebd. Vgl. Douglas, Listening In, 161–198; Dunning, On the Air, 484–506; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 175–181. LTC J. S. Hayes, C/AFN, an TC/I&E Div, 16. oder 18. August 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP.
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neue Programme, die den GIs ihre aktuelle Situation im Militär und späteren Zivilleben oder die politische Lage in Europa und der Welt erklären sollten.11 Deutschland als neuer Mittelpunkt Da die meisten der in Europa verbleibenden US-Truppen in Deutschland stationiert werden sollten, brauchte auch AFN ein neues Hauptquartier in der amerikanischen Besatzungszone. Von Paris aus schickte der Kommandeur von AFN im August 1945 seinen neuen Technikchef mit einer Lastwagenladung voll Ausrüstung zu AFN Frankfurt. Dessen Auftrag war es, die lokale Station in Frankfurt zum neuen Mittelpunkt der Senderkette umzuwandeln. Dies erschien sinnvoll, weil sich das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Europa inzwischen im IG Farben-Gebäude in der Frankfurter Innenstadt befand.12 Die Wohnhäuser, die AFN Frankfurt bis dahin beherbergt hatten, waren als Hauptsitz eines Radio-Networks allerdings zu klein. Der Leiter der lokalen AFN-Station, James R. Lewis, machte sich daher in der stark zerstörten Stadt auf die Suche nach einem geeigneten Gebäude und wurde im Vorort Höchst fündig: Nahe am Mainufer steht dort ein malerisches Schloss mit Ursprung im vierzehnten Jahrhundert. Der deutschen Übersetzerin, die Lewis begleitete, erschien das Schloss als ungeeignet für einen Radiosender und damit hatte sie sicher nicht Unrecht. Bei AFN setzte sich aber letztlich die Vorliebe für geschichtsträchtige Gebäude fort, die bereits während des Krieges in Frankreich erkennbar gewesen war.13 Der Umbau des Höchster Schlosses zum Hauptsitz eines Radiosenders musste schnell gehen. Innerhalb weniger Wochen erledigten die Mitarbeiter von AFN diese Aufgabe mit Hilfe von amerikanischen Pioniertruppen und 11
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Vor allem von Seiten des Militärrundfunks wurde die Informationskampagne von AFN und anderen Medien der Streitkräfte als erfolgreich bewertet. Andererseits geriet das gesamte I&E-Programm gerade in dieser Zeit unter verstärkte Kritik. Vgl. AFIS/ AFRTS, History of AFRTS, 70; Christman, Brass Button Broadcasters, 69; Davis, Come as a Conqueror, 127–132; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 56–74; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 102 ff. Das US-Militär in Europa benannte sich mehrfach um. Vom 8. Juni 1942 bis zum 1. Juli 1945 hieß die übergeordnete Kommandoebene ETOUSA (European Theater of Operations, U. S. Army), danach bis zum 15. März 1947 USFET (United States Forces, European Theater). Das Alliierte Oberkommando SHAEF hatte sich am 14. Juli 1945 aufgelöst. Vgl. einleitend etwa Ziemke, The U. S. Army, 24, 227 f., 269, 311 f., 317. Suid-Interview Walter Cleary, 11. April 1984, 1 ff., Box 2, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Walter R. Cleary war von August 1945 bis Juli 1948 bei AFN); Suid-Interview Neal, 3 f., Box 6, ebd.; Suid-Interview Margaret Penrose, 10. März 1983, 3–6, Box 7, ebd. (Das Frankfurter Arbeitsamt hatte die Deutsche bereits im Mai 1945 an AFN vermittelt, damals allerdings noch unter ihrem Mädchennamen. Sie heiratete später den zivilen AFN-Angestellten John Penrose und war bis in die sechziger Jahre für den Sender tätig.). Vgl. Introducing …, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 6 (Mai 1946).
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deutschen Helfern. Drei Studios konnte AFN allein im großen Ballsaal einrichten, hinzu kamen Büros, Aufenthaltsräume und eine Kantine. Hierbei musste improvisiert werden. Die Studios etwa wurden mit alten Wehrmachtsuniformen und Wolldecken der US-Armee schallisoliert. Ob Amerikaner oder Deutsche in der Eile einen wertvollen Kronleuchter fallen ließen und ihn dabei zerstörten, ist bei den Zeitzeugen umstritten.14 Da im älteren Teil des Schlosses noch deutsche Mieter wohnten, beschlagnahmte der Sender zudem zwei Häuser in der Höchster Hochmühlstraße, um dort Mitarbeiter unterzubringen. Der AFN-Mitarbeiter Frank Danzig erinnert sich an diesen Vorgang: „[A]nd this was very difficult because none of us had that kind of experience. We knocked on the door and said, ‚Everbody out in two hours.‘“15 Die Räumung erfolgte pünktlich, obwohl ein deutscher Mann innerhalb der zweistündigen Frist einen Herzinfarkt erlitten haben soll. Dies sei zwar bedauerlich gewesen, so Danzig, aber viel Mitgefühl habe man damals nicht verspürt. Die Feindschaft im Krieg und die Verbrechen während der Nazi-Diktatur waren frisch im Bewusstsein der amerikanischen Soldaten.16 Der militärische Sieg der alliierten Mächte hätte nicht eindeutiger ausfallen können. Vor allem die größeren Städte waren stark zerstört und Hunger und Elend bestimmten das Alltagsleben der meisten Deutschen. Bei vielen GIs mischte sich bald in die Gefühle von Feindschaft und Abscheu über die nationalsozialistischen Verbrechen Mitleid mit den Verlierern. Empathie mit der deutschen Bevölkerung war offiziell jedoch unerwünscht. Die Armeeführung versuchte die Soldaten daran zu erinnern, dass die Deutschen für ihre Lage selbst verantwortlich waren und große Schuld auf sich geladen hatten. AFN brachte in dieser Zeit viele Sendungen über den Nationalsozialismus, ab Herbst 1945 gab es eine ausführliche Berichterstattung über die Nürnberger Prozesse. Diese Programme sollten nicht nur Informationen über aktuelle juristische Ereignisse und die jüngste deutsche Vergangenheit vermitteln, sondern auch pädagogisch das Verhalten der GIs gegenüber Deutschen beeinflussen.17 Das in dieser Zeit für amerikanische Soldaten geltende Verbot der Fraternisierung, das jeglichen Umgang mit Deutschen untersagte, war im Alltag kaum einzuhalten. Zunächst weichten meist Begegnungen mit Kindern diese 14
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Suid-Interview Cleary, 4 ff., Box 2, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Frank Danzig, 2. August 1983, 4 ff., 21, Box 3, ebd. (Frank K. Danzig war von 1945 bis 1946 bei AFN); Suid-Interview Neal, 3 ff., Box 6, ebd.; John T. Penrose an Lawrence Suid, o. D., Anhang zu Suid-Interview J. Penrose, Box 7, ebd.; Suid-Interview M. Penrose, 7, ebd. Suid-Interview Danzig, 21, Box 3, ebd. Siehe etwa Suid-Interview J. Penrose, 11, Box 7, ebd.; Suid-Interview M. Penrose, 4 f., ebd. Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 194 f.; Goedde, GIs and Germans, 42–79; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 61 f.; Stave/Palmer, Witnesses to Nuremberg, 179–192, 226–230; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 8–12.
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Vorschrift auf. Daher sendete AFN im Sommer 1945 Kurzbotschaften, welche die GIs vor freundlichem Verhalten gegenüber deutschen Kindern warnte: If in a German town you bow to a pretty girl or pat a blond child … you bow to Hitler and his reign of blood … you caress the ideology that means death and persecution. Don’t fraternize!18
Der tägliche Umgang mit Deutschen unterhöhlte das Fraternisierungsverbot und weichte das Feindbild vieler amerikanischer Soldaten auf. Dies galt nicht nur für Kinder, sondern vor allem auch für Frauen. Auch dafür hatte AFN den passenden Spot: Pretty German girls can sabotage an Allied victory. Don’t fall for that booby-trap. Stay clear of all German civilians. Don’t fraternize!19
In der militärischen Praxis wurde der Umgang mit Deutschen bald lockerer gesehen, auch wenn das Fraternisierungsverbot erst im Oktober 1945 ganz aufgehoben werden sollte. Vor allem der sexuelle Kontakt zwischen amerikanischen Soldaten und deutschen Frauen bereitete den Streitkräften aber weiterhin Kopfzerbrechen. Neben den moralischen Bedenken ging es dabei um die möglichen negativen Folgen für die Gesundheit der GIs. Das Militär klärte die Soldaten über Geschlechtskrankheiten auf, und AFN beteiligte sich an der großangelegten Kampagne. Angelehnt an eine bekannte Zigarettenwerbung hieß es nun in den Radiospots zum Beispiel: „V. D. M. T. – Venereal Disease Means Trouble: for a moment of play you may have to pay“.20 Andere Kurzbotschaften auf AFN warnten Soldaten in dieser Zeit etwa vor verschnittenem Alkohol oder Schwarzmarkthandel. Doch auch hier erschwerte der Alltag im zerstörten Nachkriegsdeutschland die Befolgung der strikten Vorgaben. Denn der Militärrundfunk strahlte zwar Anti-Schwarzmarktbeiträge aus, seine Mitarbeiter mussten sich Ersatzteile für beschlag18 19 20
Davis, Come as a Conqueror, 143. Vgl. Henke, Die amerikanische Besetzung Deutschlands, 188; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 68 f.; Morley, „This Is the American Forces Network“, 129. Lou Frankel, Commercials in the E. T. O., in: Billboard, 12. Mai 1945. Vgl. Goedde, GIs and Germans, 72. Der Spot bezog sich auf die langjährige und sehr bekannte Kampagne „L. S. M. F. T.“ (Lucky Strike Means Fine Tobacco). Suid-Interview Danzig, 9 f., Box 3, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch AFN Bremen Has Two New Features, in: Timberwolf, 26. Dezember 1945; AFN Bremen Supports Traffic Safety And Anti-VD Drives, ebd., 1. Februar 1946. Vgl. Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 114; Henke, Die amerikanische Besetzung Deutschlands, 185–204; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 80 f., 110–122; Morley, „This Is the American Forces Network“, 129; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 29–47; Ziemke, The U. S. Army, 97 f., 142 f., 321–327.
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nahmte deutsche Technik aber nicht selten ebendort besorgen. Gerade auf technischem Gebiet zeigten die Konflikte zwischen AFN und AFRS noch Wirkung. Anstatt die Experten des Militärrundfunks in den USA zu fragen, wandte sich AFN immer zuerst an die Fernmeldetruppe in Europa, obwohl diese kaum über geeignete Ausrüstung für einen Hörfunksender verfügte. Da AFN innerhalb der europäischen Streitkräfte noch immer nachgeordnete Bedeutung hatte, bekam er den auf offiziellem Weg angeforderten Nachschub oft erst sehr spät oder gar nicht.21 In der unmittelbaren Nachkriegszeit musste AFN auch etliche technische Leihgaben an die britische BBC oder das amerikanische Office of War Information zurückgeben. Hierbei wurde noch einmal deutlich, wie groß die externen Hilfen beim Aufbau des US-Militärrundfunks im Vereinigten Königreich gewesen waren. Die verbleibende Technik schaffte AFN nach Deutschland, doch sie war nicht selten von schlechter Qualität und reichte keinesfalls für den Betrieb oder gar den Ausbau der dortigen Sender. Daher sahen sich die AFN-Mitarbeiter auch auf den amerikanischen supply dumps nach Alternativen um. Hier hatte das US-Militär, die bestausgestattete Armee ihrer Zeit, nach dem Ende der Kampfhandlungen und dem massiven Truppenabzug große Mengen von Ausrüstungsgegenständen zurückgelassen. Aus einem dieser zentralen Lager bei München bekam AFN Munich viel technisches Zubehör. Der zuständige Kommandeur bewilligte alle AFN-Anträge prompt und vollständig: Seine Ehefrau war dem Sender als Schauspielerin verbunden. Im informellen System der Gefälligkeiten und Tauschgeschäfte innerhalb der Streitkräfte hatte AFN als Rundfunkstation Außergewöhnliches zu bieten. Wenn der Sender etwa Möbel oder Baumaterialien benötigte, wurden als Gegenleistung zum Beispiel die zuständigen Offiziere der Versorgungstruppe für eine Radiosendung interviewt.22 Bei der Suche nach Radiotechnik, Übertragungsleitungen und Frequenzen in Deutschland stieß AFN auf harte Konkurrenz im eigenen Lager. Der wichtigste „Radiorivale“ war die Information Control Division (ICD), die als Nachfolgeorganisation der Psychological Warfare Division der Kriegszeit für den Rundfunk für die deutsche Bevölkerung zuständig war. Hinzu kam das US-Außenministerium, dessen Bemühungen um Propagandasender sich 1945 allerdings noch in den Anfängen befanden. Bei der Besetzung Deutschlands hatte häufig das Recht des Schnelleren gegolten und AFN hatte sich etwa über 21
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MAJ O. Stegall, XO/AFN, an C/I&E, TSF, ET, 13. August 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Don Brewer, 7. Februar 1983, 12, Box 1, Transcripts, ebd. (Don J. Brewer war mit Unterbrechung von 1946 bis 1964 bei AFN); Suid-Interview Cleary, 8, Box 2, ebd. Suid-Interview Brewer, 8, Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Cleary, 7, 15 ff., Addendum, Box 2, ebd.; Suid-Interview Bruce Wendell, 2. August 1983, 3 f., Box 9, ebd. (Wendell war von 1945 bis 1950 bei AFN). Vgl. „Moonlight Requisition“, Beg, Borrow or Liberate?, in: AFN 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947.
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aufgespürte Rundfunkleitungen in Bayern oder neuartige deutsche Aufnahmegeräte freuen können. Später mussten alle Beteiligten den Dienstweg bemühen, um Forderungen durchzusetzen, und diese bürokratischen Auseinandersetzungen konnten sich über Monate und Jahre hinziehen. Die ICD hatte in den amerikanisch kontrollierten Gebieten deutsche Anlagen übernommen und eröffnete den Sendebetrieb so schnell wie möglich: Radio München startete am 12. Mai, Radio Stuttgart am 3. Juni und Radio Frankfurt am 4. Juni. Zum Vergleich sei kurz wiederholt, dass AFN Munich als erste „sesshafte“ AFNStation in Deutschland erst am 10. Juni auf Sendung ging. Die amerikanischen Sender für die deutsche Bevölkerung hatten also eindeutig Priorität vor dem Militärrundfunk. Organisation und Redaktionen von ICD und AFN funktionierten vollkommen unabhängig voneinander. Da beide jedoch die noch vorhandenen deutschen Übertragungsleitungen und Sendeanlagen nutzten, kooperierten sie zum Teil in diesem Bereich. In München und Stuttgart etwa betreuten ICD-Techniker auch die Sendeanlagen von AFN.23 Die Senderkette von AFN hatte sich inzwischen enorm verändert. Beim Kriegsende in Europa hatte der Militärrundfunk noch über fünfzig Stationen betrieben: das Hauptquartier in London und 42 kleine 50-Watt-Relaissender in Großbritannien, sechs feste Studiosender in Frankreich (in Paris, Nancy, Lyon, Marseille, Nizza und Cannes) und drei mobile Anlagen in Deutschland. Anfang August 1945 gab es im Vereinigten Königreich nur noch 33 kleine Sender, dafür aber neun Stationen in Frankreich (es waren AFN Biarritz, AFN Reims und AFN Normandy (in Bolbec) hinzugekommen) und ein Sender im belgischen Antwerpen. Für Deutschland hatte die US-Fernmeldetruppe sechs Stationen genehmigt: München/Stuttgart mit 100-Kilowatt, je einen 10-Kilowatt-Sender auf dem hessischen Vogelsberg und in Bayreuth, Bremen mit 2.500 Watt und schließlich Berlin und Kassel mit je 350 Watt. Nachdem das in London produzierte ungeliebte alliierte Radioprogramm zum 28. Juli aufgelöst worden war, konnte AFN eine Zeit lang seine Sendungen mit einer 100-Kilowatt-Anlage von Großbritannien aus auf Zentraleuropa ausstrahlen. Geplant war, bis Jahresende 1945 alle AFN-Sender in Großbritannien zu
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Die technischen Aufgaben der ICD für AFN übernahmen später die öffentlich-rechtlichen Länderanstalten. Siehe etwa Study of Possible Effects of State Department Radio Establishment in Europe on Future AFN Operations, 15. Januar 1946, Anlage zu C/ AFN, Sect Info Branch I&E, an C/Info Branch I&E, 15. Januar 1946, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Louis Adelman, 1. März 1983, 26 f., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Adelman war von 1945 bis 1946 als Offizier, danach bis 1954 als Zivilangestellter bei AFN); Suid-Interview Neal, 2 f., 26, Box 6, ebd.; Suid-Interview Thompson, 8, Box 8, ebd.; Suid-Interview Wendell, 7 f., Box 9, ebd. Siehe auch W. F., One Man Radio Station, in: Weekend, 30. März 1947. Vgl. etwa Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 13–159; Stuiber, Medien in Deutschland, 184–202.
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schließen und den Betrieb in Frankreich und Belgien in dem Maße einzuschränken, in dem amerikanische Truppen diese Länder verließen.24 Gerade in der ersten Zeit nach dem Krieg war es für AFN schwer, die Versorgung aller militärischen Einheiten mit Radio sicher zu stellen. Die USTruppen waren über verschiedene europäische Länder und deutsche Regionen verstreut und wurden zudem rasch verlegt. AFN konnte nicht jeder Truppenbewegung folgen, doch dies war auch nicht unbedingt nötig. Die Senderkette versuchte nämlich, möglichst viele GIs mit Hilfe von leistungsstarken Sendern wie den von den Deutschen übernommenen 100-Kilowatt-Sendern in München-Ismaning und Stuttgart zu erreichen. „The Twin Voices of Southern Germany“, wie sie sich nannten, sendeten auf einer Frequenz und hatten eine große Reichweite. Aber selbst dieses starke Signal konnte nicht von allen USSoldaten empfangen werden, und daher musste AFN an einigen Orten kleine Relaissender einrichten. Sehr zum Verdruss seiner Hörerschaft konnte der Militärrundfunk darüber aber nur Regionalprogramme von seinen Studios in Frankfurt, München, Berlin und Bremen verbreiten. Das amerikanische Publikum wünschte sich seine Stationen jedoch so lokal wie möglich und einige US-Einheiten betrieben deshalb auf eigene Faust Radiosender. In München gab es etwa für die 45. Division das Radio Thunderbird. Die Existenz anderer Sender stellte aus Sicht von AFN einen Angriff auf sein „Rundfunkmonopol“ dar. Dadurch wurden finanzielle Mittel oder Personal mit Rundfunkerfahrung gebunden, die ansonsten AFN hätten zugutekommen können.25 AFN versuchte in dieser Zeit, den Wunsch seiner Hörer nach lokalem Rundfunk zu befriedigen, stieß dabei aber an seine Grenzen. AFN Bayreuth ist ein gutes Beispiel für einen kurzlebigen Studiosender unmittelbar nach dem Krieg. Für die US-Truppen im Nordosten von Bayern war das weit entfernte AFN Munich zuständig, daher mussten hier kleine Relaissender das Münchner Signal verstärken. Beim Sender in Bayreuth gab es im Herbst 1945 neben Technikern auch Redakteure und Sprecher, die an lokalen Sendungen arbeiteten. Der befehlshabende General der in der Gegend stationierten 102. Infanteriedivision zeigte sofort reges Interesse an dieser Entwicklung. Er wünschte sich lokale Beiträge und Veranstaltungshinweise für Oberfranken und plante, AFN Bayreuth in das Schulungsprogramm seiner Division einzubeziehen. Die Beiträge des Bayreuther Senders blieben aber ein kurzes Intermezzo, denn bereits Mitte November zog AFN das Programmpersonal ab und verteilte es auf andere Stationen. Dies war dem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern
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LTC J. S. Hayes, C/AFN, HQ ETO (Rear), an LT J. Danzig, Radio Section, PRO, London, 8. Juni 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; „This Is the AFRS …“, Part II: „AFRS Opns in the European Scene“, 1. August 1945, Box 7, ebd.; CPT W. J. Pickering, Tech Supervisor/AFN, an M. Capons, OWI, Paris, 20. August 1945, Box 3, ebd. Munich Service Outlet Has Strong CBS Tinge, in: Variety, 27. Juni 1945.
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geschuldet, eines der größten Probleme für AFN in der unmittelbaren Nachkriegszeit.26 Aufbruchsstimmung bei den Mitarbeitern von AFN Durch die Truppenverlegungen geriet nicht nur die Hörerschaft von AFN in Bewegung, sondern auch dessen Mitarbeiter, die zumeist Wehrpflichtige waren. Noch immer bezog der Radiosender seine Leute aus anderen in Europa stationierten Einheiten. Um die jeweils beste militärische Verwendung der vielen Rekruten bei der Einberufung in den USA herauszufinden, hatte die Armee ein Klassifizierungssystem benutzt, das den Fähigkeiten des einzelnen Soldaten nicht immer gerecht wurde. So waren auch etliche Wehrpflichtige mit Medienerfahrung in regulären Kampfeinheiten eingesetzt worden. Beispielsweise räumte Harold Burson, ein ehemaliger Zeitungsjournalist mit Hochschulstudium, in Europa Minen, da seine letzte zivile Stelle in der Öffentlichkeitsarbeitsabteilung eines großen Bauunternehmens gewesen war. Erst nach dem Ende der Kämpfe konnte Burson sich in das Hauptquartier der 12. Heeresgruppe versetzen lassen und von dort bei AFN bewerben, der für seine Nachrichtenredaktion händeringend qualifizierte Leute suchte.27 Bei der Rekrutierung von Journalisten oder Radioleuten aus anderen Einheiten durfte AFN nicht zimperlich sein. Ähnlich wie Burson hatte der Rundfunktechniker Walter Cleary während des Kriegs in einer regulären Militäreinheit gedient, die sich nach dem Ende der Kämpfe auflösen sollte. In Paris besuchte er ehemalige Kollegen aus der Vorkriegszeit bei AFN und stellte sich gleich beim Sender vor. Die Versetzung klappte reibungslos, und nach nur einer Woche Einarbeitungszeit löste Cleary den bisherigen Technikchef des Networks ab. Diese Versetzungen waren für beide Seiten vorteilhaft. Der Radiosender verlor in dieser Phase nicht nur viele langgediente Soldaten, sondern expandierte zudem, und brauchte jeden Mann mit Erfahrung. Da die Personaldecke extrem dünn war, konnte AFN sich ein langes Testen oder Einarbeiten der Neuankömmlinge nicht leisten. Nicht nur Cleary musste sofort große Verantwortung übernehmen, auch die bereits genannten Offiziere Neal und Wendell kamen auf diese Weise zu AFN und übernahmen Leitungsfunktionen. Für die neuen Mitarbeiter waren die Aufgaben im Radiosender nicht nur inhaltlich reizvoll. In der Zeit zwischen Mai und August 1945, dem Sieg in Europa und
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MG F. A. Keating, CG/102D Inf Div, an CG/USFET, 14. November 1945, Box 325, Class Gen Corr 1945, AG Section Admin Br, ETO, USA, RG 338, NACP. Siehe auch Kirklander back with AFN Bremen, in: 29 Let’s Go, 29. November 1945. Stave/Palmer, Witnesses to Nuremberg, 180.
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in Asien, konnten sie zudem sicher sein, nicht noch einmal im Pazifik kämpfen zu müssen.28 Innerhalb der Armee waren die Versetzungsanträge von AFN nicht unumstritten, denn keine Militäreinheit freute sich darüber, gut ausgebildete Leute zu verlieren. Viele Soldaten wurden außerdem von deren Einheiten nur auf Zeit „ausgeliehen“, das heißt, sie waren auf temporary duty-Basis (TDY) abgeordnet. Die „Leihfristen“ musste AFN jeweils aufwendig verlängern, was eine langfristige Planung erschwerte. Erst Anfang des Jahres 1946 konnte der neue AFN-Kommandeur Oren Swain endlich eine strukturelle Verbesserung einleiten, denn er durfte für den Sender einen Stellenplan aufstellen. Dieser sogenannte Table of Organization legt fest, wie viele Offiziere und Soldaten einer Militäreinheit zustehen. Damit änderte sich zunächst einmal der TDYStatus der meisten Soldaten und AFN bekam endlich mehr Planungssicherheit. Die Einführung des Stellenplans sorgte kurzfristig auch für einen Beförderungsschub im Sender. Da temporär abgeordnete Soldaten nicht befördert wurden, waren bei vielen AFN-Mitarbeitern trotz längerer Armeezugehörigkeit Rang und Sold gleich geblieben. Die Dienstgrade waren aber weiterhin problematisch, da sie meist von der militärischen Aufgabe der Soldaten abhingen, aber nicht ihre Bedeutung für die Rundfunkarbeit widerspiegelten. Immer wieder hatten es Mitarbeiter von AFN als Soldaten oder Unteroffiziere mit hochrangigen Offizieren zu tun, denen sie zum Beispiel als Journalisten kritische Fragen stellen sollten.29 Insgesamt herrschte bei den Mitarbeitern des Militärrundfunks Aufbruchsstimmung. Wer hat in seinem Berufsleben schon die Chance, eine Senderkette wie AFN in Deutschland ganz neu aufzubauen? Die Verhältnisse im zerstörten Nachkriegsdeutschland, fehlende technische Ausrüstung oder Personalmangel machten die Aufgabe nicht einfach, eröffneten aber auch ungeahnte Freiräume. Die Improvisationen der Anfangsphase waren kreativ, und die Lust auf Experimente groß. Frank Danzig beispielsweise übernahm später im Zivilleben interessante Aufgaben im Rundfunkbereich, aber keine reichte seiner Einschätzung nach an die Erfahrungen bei AFN heran. Auch Roy Neal, der nach dem Krieg bei NBC am Aufstieg des Fernsehens teilhatte, beschreibt die Pionierzeit von AFN in Deutschland als etwas Besonderes: „[T]he exu28
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Suid-Interview Cleary, 1 f., Box 2, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Neal, 39 f., Box 6, ebd.; Suid-Interview Wendell, 1, 5 f., Box 9, ebd. Siehe auch Introducing …, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 6 (Mai 1946); AFN Stations Managed by Professionals, in: AFN’s 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947; AFN Department Directors Well Qualified For Duties, ebd. Vgl. Zumwalt, The Stars and Stripes, 4. MAJ O. Stegall, XO/AFN, an C/I&E, TSF, ET, 13. August 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Cleary, 18, Box 2, Transcripts, ebd.; Suid-Interview Robert Cranston, 12. September 1983, Box 3, ebd. (Cranston war von 1945 bis 1946 und 1960 bis 1964 bei AFN); Suid-Interview Neal, 3, 14 f., Box 6, ebd. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 70; Swain, Reminisces.
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berance that all of us felt at the fact that we were pioneering good broadcasting. Thereby, we were doing, one, the thing we liked most; and two, something that was useful to our peers.“30 Die Journalisten bei AFN waren als Soldaten privilegiert, weil sie ihren Beruf in der Armee weiter ausüben durften und ihre Aufgabe als überaus sinnvoll empfanden.31 Die Arbeit von AFN sollte im August 1945 eine Delegation von Rundfunkschaffenden aus den USA überzeugen, die auf Einladung des Kriegsministeriums durch Europa reiste. Mit dieser Tour wollte das Militär für die weitere Unterstützung seiner Hörfunksender durch die amerikanische Radioindustrie werben. Denn im Gefühl des sicheren Sieges hatte in den USA lange vor Kriegsende die Hilfsbereitschaft für die Streitkräfte nachgelassen und auch in der Rundfunkbranche war diese Stimmung verbreitet. Statt dem Militär (oder öffentlich-rechtlichen Sendern wie der BBC) kostenlos Mitarbeiter und Programme zur Verfügung zu stellen, sollten endlich wieder Geschäfte gemacht werden.32 „Need for Morale Boost Greater With Occupation“ war der Kern der PR-Botschaft mit der der Militärrundfunk in Europa für die Fortdauer der privatwirtschaftlichen Unterstützung warb. AFN diente als Beispiel dafür, dass ein Truppenradio für die Motivation des US-Militärs in einer Besatzungssituation fast noch wichtiger sei als in Kriegszeiten. Die Delegationsmitglieder beurteilten das „GI Radio“ in Europa durchweg positiv. Dadurch gelang es AFRS nach und nach, die Verträge mit verschiedenen amerikanischen Radio-Networks, Inhabern von Musikrechten und Gewerkschaften zu erneuern. Die Mitarbeiter in der Rundfunkbranche mochten patriotische Motive für die Unterstützung des Militärs haben, die ihnen keine finanziellen Vorteile brachte. Die Sender der Streitkräfte konnten dadurch aber eine kleine, inoffizielle Botschafterrolle für das kommerzielle Rundfunksystem der Vereinigten Staaten übernehmen. Denn auch von Europa erhoffte man, dass es sich zu einem zukünftigen Absatzmarkt für amerikanische Produkte aus dem Radiosektor entwickeln würde.33
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Neal wurde bei NBC unter anderem als Fernseh-Experte der bemannten Weltraum-Missionen bekannt. Suid-Interview Neal, 39, Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Zitat). Vgl. Roy Neal; TV Correspondent, 82 (Obituary), in: New York Times, 25. August 2003. Suid-Interview Brewer, 40, 43, Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Danzig, 18, Box 3, ebd.; Suid-Interview Neal, 44 f., Box 6, ebd. LTC T. H. A. Lewis, C/Los Angeles Br O, MSD, ASF, an C/Army Info Br, MSD, ASF, Washington, 22. Juli 1944, Box 306, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; MAJ M. H. Work, AFRS, an Dir/I&E Div, ASF, 12. Juni 1945, Box 307, ebd. Need for Morale Boost Greater With Occupation, Says AFRS, in: Broadcasting, 15. Oktober 1945. Siehe auch 15 Radio Execs to Case ETO On Junket Sponsored by War Dept., in: Variety, 1. August 1945; G. I. Radio Rated Best, in: New York Times, 10. September 1945; Martin Campbell, My Impression of Europe, in: Broadcasting, 24. Sep-
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In der täglichen Sendepraxis hatte AFN weiterhin mit enormen Personalschwankungen zu kämpfen. Die zum Teil erheblichen Abweichungen von der Sollstärke versuchte die Senderkette zunächst intern aufzufangen. Dafür machte das verbliebene Personal Überstunden, und einige der bereits entlassenen Soldaten blieben freiwillig länger. Vor allem erfahrene Leute wurden häufig von einer Station zur nächsten beordert, ganz wie es die Arbeit vor Ort erforderte.34 Betraf der Personalwechsel Sprecher, fiel er den Zuhörern negativ auf. Denn schließlich waren die Männer und wenigen Frauen am Mikrofon das Aushängeschild jedes Senders, und durch sie identifizierte sich das Publikum mit der Radiostation. Den Abgang eines Mitarbeiters von AFN Bremen kommentierte eine lokale Truppenzeitung im Herbst 1945 etwas genervt: „The everchanging Voice of the Bremen Enclave underwent another change today with the departure for AFN Berlin of Pfc. Allen Timm.“35 Timm war nur ein paar Wochen in Bremen gewesen, hatte sich aber als „rasender Reporter“ beliebt gemacht. Sein Abgang hinterließ bei AFN Bremen eine spürbare Lücke. Ein paar Monate später musste AFN selbstkritisch zugeben, dass gerade in Bremen die personelle Kontinuität fehlte und dadurch der wichtige Wiedererkennenswert des Senders aufs Spiel gesetzt wurde: „The Voice of the Bremen Enclave is changing so fast these days that veteran listeners are hard put to recognize it from day to day.“36 Die Senderkette muss schrumpfen In dieser Zeit waren die Mitarbeiter des Militärrundfunks zwar stolz auf die große geographische Verbreitung von AFN in Europa, letztlich hatte er aber weder Personal noch Mittel für ein großes Sendernetz außerhalb der amerikanischen Zone in Deutschland. Die Senderkette musste daher schrumpfen, und der Rückzug aus Großbritannien kam als Erstes. Nach und nach beendeten die dortigen Relaissender ihre Arbeit, am 12. Dezember 1945 ging AFN London zum letzten Mal auf Sendung. Im Januar 1946 wickelte John Vrotsos die Schließung des ehemaligen Hauptsitzes von AFN ab und brachte das Musik-
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tember 1945. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 66 f.; Miller, American Forces Radio and Television Service (unveröff.), 55. Suid-Interview Wendell, 2, Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch AFN Bremen Loses Talent in Redeployment Shuffle, in: 29 Let’s Go, 5. Dezember 1945; March Losses, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 1 (April 1946); AFN-Bremen Sends SOS, ebd. Jg. 1, Nr. 5 (April 1946); Bremen Bulletin, ebd. Jg. 1, Nr. 6 (Mai 1946); Chatter From Tower of AFN-Frankfurt, ebd.; AFN-Bremen, ebd. Jg. 1, Nr. 12 (Juni 1946). Halvorson Joins AFN Bremen Staff As Timm Departs, in: 29 Let’s Go, 24. November 1945. Vgl. Popular Announcer Returns to AFN, in: 175th Daily Bulletin, 20. Oktober 1945; ‚Pop‘ Fitzgerald Returns to Post for AFN Bremen, in: 29 Let’s Go, 19. Oktober 1945; Roving Reporter To Broadcast GI’s Views, in: Lilac Times, 28. Oktober 1945. Bremen Beam, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 9 (Juni 1946).
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Abb. 2: In Deutschland angekommen: Weihnachtskarte aus dem Jahr 1945.
archiv von dort nach Frankfurt. Die Mainmetropole war bereits seit Herbst 1945 neues Hauptquartier der Senderkette und auch die zentrale Nachrichtenredaktion war dorthin verlegt worden.37 Mit diesen Maßnahmen hatte sich AFN von seinem Geburtsort verabschiedet. In Zeiten des Umbruchs war Flexibilität gefragt und für ein paar Monate lautete die neue Senderkennung „This is the American Forces Network, serving American forces from Bayreuth to Paris.“38 Mit dem Abzug der US-Truppen aus Frankreich konnten auch die dortigen AFN-Sender eingespart werden, aber der Rückzug sollte sich aus politischen Gründen verzögern. Im zweiten Halbjahr 1945 hatte AFN nach und nach seine Studios in Biarritz, Marseilles, Cannes, Nizza, Lyon, Nancy, Reims und Bol37
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Es ist nicht ganz klar, ob AFN Paris zwischenzeitlich Hauptquartier der Senderkette war oder ob der Transfer direkt von London nach Frankfurt ging. Siehe dazu etwa Superior Service Is Objective As AFN Bremen Activities Expand, in: Timberwolf, 23. Dezember 1945; The American Forces Network, „Serving American Forces in Europe“, MS, o. D. [1953], 2, Box 9, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Vrotsos, 23 ff., Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 51; Christman, Brass Button Broadcasters, 56; Morley, „This is the American Forces Network “, 122. Suid-Interview Vrotsos, 22, Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl Provan, The AFN Story, 23, 142; Swain, Reminisces.
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bec geschlossen. Zuletzt sollte AFN Paris seinen Betrieb einstellen: Als letzter Sendetag war der 31. März 1946 vorgesehen, das Abschiedsprogramm und eine kleine Zeremonie wurden schon vorbereitet. Aus einer Zeitungsmeldung erfuhr AFN dann, dass das französische Informationsministerium das US-Militär bitten wolle, in Frankreich trotz des Abzugs der amerikanischen Truppen weiterzusenden. Da diesem Wunsch entsprochen werden sollte, gab AFN zwar am 5. Mai seine Pariser Studios auf, verlegte aber neue Übertragungsleitungen, die französische AFN-Sender mit dem Programm von AFN Frankfurt versorgten. Erst in den Morgenstunden des 1. Januar 1947 stellte AFN Paris endgültig den Sendebetrieb ein.39 Acht Monate lang hatte AFN also in Frankreich sein für US-Soldaten gemachtes Programm allein für ein ziviles ausländisches Publikum gesendet. Das war gegen alle Regeln. Was also war passiert? Akten mit genaueren Ausführungen konnten leider nicht gefunden werden, die Zeitungsartikel aus dieser Zeit vermitteln aber den Eindruck, dass die Initiative dafür von der französischen Regierung ausgegangen war und vom United States Information Service (USIS) des amerikanischen Außenministeriums unterstützt wurde. Ein Grund dafür mag gewesen sein, dass AFN damals in Frankreich populär war, was – selbst so kurz nach dem Krieg – nicht von allen amerikanischen Militäreinheiten gesagt werden konnte. Vor allem die Unterhaltungsmusik des amerikanischen Senders kam beim französischen Publikum gut an und immer wieder hatten internationale Musik- und Film-Stars AFN Paris besucht. Für die Gasthörerschaft waren auch die regionalen Programme interessant, die AFN schon früh in Frankreich gebracht hatte. Auch viele französische Musiker hörten AFN, besuchten teilweise dessen Studios oder spielten live in Sendungen wie „Beaucoup de Music“ oder „Lower Music of Upper Pig Ally“. Zur Beliebtheit des amerikanischen Militärrundfunks in Frankreich trug aber sicherlich auch eine recht simple Tatsache bei: Der Sendetag von AFN dauerte von 6 Uhr morgens bis 2 Uhr in der Nacht, das französische Radio sendete dagegen nur acht Stunden täglich.40 Diese Episode enthält einige Parallelen zu späteren Entwicklungen in Deutschland. Genau wie in Frankreich gewann AFN auch in Deutschland eine stetig anwachsende Gasthörerschaft, die vor allem die Musik und den Präsen39
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1LT C. E. Salik, Asst Tech Supervisor/AFN, an C Sig O/USFET, 2. Januar 1947, AFN Historical File. Siehe auch No – Yes – No, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 1 (April 1946); Army Cancels Closing of AFN Station in Paris, in: Stars and Stripes, 17. April 1946; Paris Studios Close, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 5 (April 1946); Presenting … Mr. Millerand, ebd. Jg. 1, Nr. 17 (August 1946). Vive AFN, in: Time, 8. April 1946; Paris Studios Close, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 5 (April 1946); The French Like It Hot, in: Newsweek, 13. Mai 1946; Betty Luros, AFN Paris Goes Off the Air, in: Weekend, 29. Dezember 1946; They Ride the Records, ebd., 23. März 1947. Vgl. DeLay, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 419; Provan, The AFN Story, 163 f.; Rosin, Zur Geschichte des AFRS (uveröff.), 78 f.
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tationsstil des amerikanischen Senders schätzte. In beiden Ländern zählte AFN zu den populärsten Einheiten des US-Heeres, wenn er überhaupt als Teil der Streitkräfte wahrgenommen wurde. In der täglichen Sendepraxis war das europäische Publikum eine angenehme Randerscheinung, bei einigen hohen Militärs, Diplomaten und Politikern weckte es aber Begehrlichkeiten. Sie wollten AFN aktiv zur „Völkerverständigung durch Radio“ einsetzen, was den Sender aber in vielerlei Hinsicht überforderte. Aktionen wie 1946 in Frankreich waren nicht nur kosten- und personalintensiv, sondern auch regelwidrig und konnten den Militärrundfunk insgesamt gefährden. Die amerikanische Radioindustrie achtete sehr genau darauf, dass AFN oder andere Sender der Streitkräfte nicht durch die von ihr gespendeten Programme einen potentiellen Markt verdarben. Die Fortdauer von AFN in Frankreich nach Abzug der amerikanischen Truppen muss deshalb als kurzfristige Abweichung von der Norm gewertet werden, die nur in der Übergangszeit nach Kriegsende geschehen konnte. In Deutschland musste sich AFN noch immer gegen die Konkurrenz durch kleine Sender einzelner Einheiten behaupten. Die sogenannten Unit Broadcasting Stations hatten eine gewisse Berechtigung, weil AFN die Soldaten in der amerikanischen Besatzungszone noch nicht flächendeckend erreichen konnte. Außerdem wünschte sich das US-Publikum seinen Hörfunk so lokal wie möglich, was AFN ebenfalls nur begrenzt erfüllen konnte, wie das Beispiel von AFN Bayreuth gezeigt hat. Der Militärrundfunk befürchtete allerdings den „Wildwuchs“ der Kleinstsender in seinem Einflussgebiet und wollte sie verhindern oder wenigstens unter seine Kontrolle bekommen. Dabei ging es AFN um die Verteilung von knappen Ressourcen in den Bereichen Personal, Technik oder Sendefrequenzen sowie um die Aufsicht über die Programminhalte. Der Streit um die Unit Broadcasting Stations wurde Anfang 1946 mit einer Art Kompromiss gelöst. Ab da sollte es die Kleinstsender nur noch dort geben, wo AFN nicht empfangen werden konnte. Auch die Aspekte Personal und Technik wurden geregelt, wobei nicht die lokalen Kommandeure oder AFN, sondern der Chef der Informations- und Bildungsabteilung die inhaltliche Aufsicht übernahm. Für AFN war wichtig, dass seine „wilde“ Konkurrenz gezähmt war.41 In der Folgezeit sollten solche Sender aber ohnehin eine eher untergeordnete Rolle spielen. Viel zentraler wurden nämlich Kooperationen zwischen AFN und einzelnen Truppenteilen. Die Siebte Armee beispielsweise hatte ein Studio in Mannheim-Seckenheim und nahm dort mit eigenen Leuten und eigener Technik Sendungen von lokalem Interesse auf. Wenn deren Qualität von AFN für gut befunden wurde, strahlte der Sen41
Etliche Briefe zu diesem Thema befinden sich in Vol. I, File 000.77, Box 325, Class Gen Corr 1945, AG Section Admin Br, ETO, USA, RG 338, NACP. Zum Kompromiss siehe COL E. P. Lock, Dep TC/I&E, an C/AFN, 20. März 1946, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; C/I&E, USFET, an C/S, USFET, 20. März 1946, ebd.; BG P. W. Thompson, TC/I&E, an C/S, USFET, o. D., ebd.
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der AFN Munich-Stuttgart diese Beiträge aus. Eine ähnliche Abmachung traf die Senderkette auch mit der US-Luftwaffe, die in Wiesbaden ein radio center unterhielt. AFN bekam zwar kein Monopol auf Hörfunksendungen für das US-Militär in Europa, eine dominante Stellung im Rundfunkbereich hatte er aber erreichen können.42 Auch die Regeln für AFN wurden in dieser Zeit immer klarer. Noch waren die Vorschriften für den Radiosender allerdings beneidenswert kurz gehalten, denn im Februar 1946 passten sie noch auf zwei Blatt Papier. Darin stand unter anderem, dass AFN zwar Teil des Militärrundfunks AFRS war, als Einheit des US-Heeres in Europa aber dessen Informations- und Bildungsabteilung unterstand. Die Aufgabe der Senderkette war es, die in Deutschland stationierten amerikanischen Soldaten zu informieren und zu unterhalten und damit zur Erhaltung der Moral der Truppe beizutragen. AFN sollte sich so weit wie möglich an die Vorschriften der Federal Communications Commission halten, die den Rundfunk in den Vereinigten Staaten regelten. Auch inhaltlich galten die USA als Maßstab: „Program standards of quality shall be those of a first class commercial station or network. The program will be well-balanced, interesting and informative to the listening public.“43 Diese Formulierungen sind sehr allgemein gehalten. Was genau zeichnet einen „erstklassigen kommerziellen Radiosender“ aus, und wie setzt sich ein „ausgewogenes, interessantes und informatives“ Programm zusammen? Die Vorschriften waren zwar weit gefasst, aber nicht inhaltsleer, denn die durch amerikanische Medien sozialisierten AFNMitarbeiter wussten, was damit gemeint war. Wie bereits berichtet, hatte der europäische Militärsender im August 1945 mit seiner Arbeit eine US-Rundfunkdelegation überzeugen können. Ein wichtiger Aspekt der neuen Vorschriften war, dass AFN als Informationsmedium der Militärzeitung Stars and Stripes sowie kommerziellen amerikanischen Rundfunkgesellschaften und Nachrichtenagenturen gleichgestellt wurde. Ab März 1946 galten für die Inhalte der journalistischen Beiträge von AFN zudem die Regeln von Stars and Stripes.44 Die militärischen Planer hatten für die Besatzungszeit ein relativ kleines AFN-Sendernetz vorgesehen. Dies war insofern angemessen, als dass sich dessen amerikanisches Publikum weiter verkleinerte. Im Juli 1946 gab es noch etwa 340.000 US-Soldaten in Deutschland, ein Jahr später waren es sogar nur noch 135.000. Bis zum 1. Juli 1946 sollte AFN daher schrittweise auf sechs Stationen schrumpfen: drei Studiosender in Frankfurt, München und Berlin sowie drei Relaissender in Stuttgart, Bayreuth und Bremen. Im Zuge dieser Veränderungen sollte AFN Bremen als Sender mit eigenständigem Lo42 43 44
LTC R. F. Curran an BG P. W. Thompson, 29. Januar 1946, ebd.; LTC E. C. Sanders, CO/ AFN, an Exec Info Br, I&E, USFET, 6. Februar 1946, ebd. Amendment of Numbered Memo No. 15, LTC C. D. Leatherman, XO/O of the TC I&E, USFET, 26. Februar 1946, ebd. BG P. W. Thompson, C/I&E, USFET, an OIC/AFN, 6. März 1946, ebd.
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kalprogramm bereits zum 15. März schließen. Als die militärischen Verantwortlichen dies einen Monat vorher bekanntgaben, ging allerdings die amerikanische AFN-Hörerschaft auf die Barrikaden und griff damit aktiv in die Entwicklung der Senderkette ein. Die nüchternen Planungen der militärischen Verwaltung hatten nicht einberechnet, wie sehr eine Radiostation den Alltag seines Publikums beeinflussen und dessen Gefühle ansprechen konnte.45 Das US-Militär in Norddeutschland war sich in seinem Widerstand gegen die Schließung von AFN Bremen als eigenständigem Sender einig. Innerhalb kürzester Zeit kamen Tausende Unterschriften für die „Sustain AFN Bremen“Kampagne zusammen, die an den Vorgesetzten von AFN in der Informationsund Bildungsabteilung geschickt wurden. Viele Soldaten trugen sich aber nicht nur in Protestlisten ein, sondern schrieben eigene Beschwerdebriefe an die zuständigen Stellen in Frankfurt. Die GIs lobten AFN Bremen, weil der Sender mit guter Musik und lokalen Informationen für Gesprächsstoff und Unterhaltung sorgte. Darüber hinaus seien die Moderatoren von AFN Bremen zu einer Art Freunde geworden, die das Gefühl der Einsamkeit vergessen ließen, wie ein Soldat schrieb: „They give me a feeling I’m not isolated. The familiar voices of the staff are like friends I can turn to if my spirits get low.“46 Ein Kommentar in der Militärzeitung Timberwolf bestätigte dies und erläuterte, dass der Lokalsender bei den Streitkräften in Norddeutschland ein Gemeinschaftsgefühl habe entstehen lassen. Dies sei dort besonders wichtig, weil die Einsatzorte der US-Soldaten verstreut liegen und die Annehmlichkeiten der amerikanischen Besatzungszone im Süden Deutschlands weit entfernt seien.47 Ungefragt meldeten sich im Kampf gegen die Auflösung von AFN Bremen auch Gasthörer zu Wort. Viele in der Gegend stationierte englischsprachige Soldaten hatten Gefallen am lokalen amerikanischen Sender gefunden 45
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Amendment of Numbered Memo No. 15, LTC C. D. Leatherman, XO/O of the TC I&E, USFET, 26. Februar 1946, ebd. Siehe auch AFN Bremen Slated to Close Station March 15, in: Bremen Port Commander, 15. Februar 1946; AFN Bremen Closing Evokes Protest Storm, in: Timberwolf, 15. Februar 1946. Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 118, 134, 189; Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 23; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 133 f.; Leuerer, Die Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 140 f., 334; Ziemke, The U. S. Army, 423. Zit. n. AFN Bremen Closing Evokes Protest Storm, in: Timberwolf, 15. Februar 1946. Die Militärzeitungen brachten normalerweise keine Kommentare. Für die Kampagne gegen die Schließung des Lokalsenders von AFN machten die Verantwortlichen des 311th Regimental Combat Teams („The First Regiment Across the Rhine“) eine Ausnahme. M. T., An Editorial – Keep AFN Bremen, ebd., 18. Februar 1946. Siehe auch Protest Mount On Issue of AFN Bremen Closing, ebd., 19. Februar 1946; Campaign to Save AFN Bremen Picks up Speed, ebd., 20. Februar 1946; 15.000 Expected to Protest AFN Closing, ebd., 22. Februar 1946; Civilians Add in Movement to Save AFN Bremen, ebd., 23. Februar 1946; Protests Leap in Campaign to Keep AFN Bremen, ebd., 27. Februar 1946.
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und vereinnahmten AFN Bremen über nationale Grenzen hinweg. „Please, USFET, don’t take our AFN-Bremen away“, bat etwa der Verbindungsoffizier der britischen Truppen und seine kanadischen Kollegen schlossen sich ihm an.48 Der Tonfall dieser Bitte war humorvoll und forsch zugleich und zeigt das gute Einvernehmen der verbündeten Parteien im militärischen Alltag. Sehr viel vorsichtiger äußerten sich deutsche Hörerinnen und Hörer, die wegen der bevorstehenden Schließung von AFN Bremen Briefe an amerikanische Stellen schrieben. Hildegard Lehmann etwa schrieb, dass sie die lokalen Nachrichten besonders schätze, und fragte zaghaft: „Isn’t there some way of leaving your station on the air, AFN Bremen?“49 Anders als für die amerikanischen oder selbst britischen Soldaten war für deutsche Hörerinnen und Hörer aus AFN noch lange nicht „unser Sender“ geworden. Der Militärrundfunk zog deutsches Publikum an, aber in dessen Köpfen gehörte er noch eindeutig dem ehemaligen Kriegsgegner und jetzigen Besatzungsmacht USA. Die Mitarbeiter von AFN waren vom Engagement ihrer Hörerschaft für den Erhalt des Bremer Senders überrascht. Die Proteste kamen aber nicht ungelegen und daher vermeldete die Station jeden Tag um 17 Uhr den aktuellen Stand der Aktionen. Anfang März konnte der Chef der Senderkette verkünden, dass der Befehl zur Schließung von AFN Bremen „auf Anweisung von oben“ aufgehoben war. Bei seiner Eröffnung im Juli 1945 hatte der Standortkommandeur von Bremen dem Lokalsender viel Glück für die kommenden Sendemonate gewünscht, und fast wäre die freundliche Geste zur Prophezeiung geworden.50 Flexibilität war die Überlebensgarantie der Senderkette in der Übergangszeit. Dank des energischen Vorgehens seiner Mitarbeiter in und nach dem Krieg war AFN als Institution nicht in seiner Existenz bedroht gewesen. In der Praxis musste sich das Personal aber gegen die geringe Wertschätzung durch Vorgesetzte oder militärische Sparzwänge wehren. Nach dem Ende der Kämpfe in Europa hatte AFN seine Bedürfnisse in der Militärverwaltung anmelden und durchsetzen müssen, was zumindest in Teilen gelang. AFN wurde als Heereseinheit in die Befehlskette der US-Streitkräfte in Europa eingegliedert und bekam endlich einen offiziellen Stellenplan. Der Fortbestand der gesamten Senderkette hatte zu jeder Zeit Vorrang vor der Existenz einzelner Stationen. Parallel zum Abzug der US-Truppen beendete AFN daher seine 48
49 50
Zit. n. Protests Rise Over Slated AFN Closing, in: Bremen Port Commander, 22. Februar 1946 [Hervorhebung durch die Autorin]. Siehe auch 15.000 Expected to Protest AFN Bremen Closing, in: Timberwolf, 22. Februar 1946; Civilians Add in Movement to Save AFN Bremen, ebd., 23. Februar 1946. Zit. n. ebd. [Hervorhebung durch die Autorin]. Gen. Gerhardt Dedicates Enclave’s Radio Station, in: 29 Let’s Go, 30. Juli 1945; AFN Bremen Will Continue – AFN Chief Says, in: Timberwolf, 2. März 1946: „By directive of higher headquarters“; AFN Bremen Continues As Local Station, in: Bremen Port Commander, 8. März 1946.
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Aktivitäten in Großbritannien und Frankreich, Letzteres mit einer ungewollten, wohl politisch motivierten Verzögerung. Zur neuen Zentrale von AFN wurde Frankfurt und nach einigen Experimenten an Standorten wie Bayreuth legte der Militärrundfunk die Grundlage für ein Sendernetz, das Jahrzehnte überdauern sollte. Seine Radiostationen erreichten zwar noch nicht hundert Prozent aller US-Soldaten in Deutschland, kamen diesem Ziel aber immer näher. Wie wichtig dem amerikanischen Publikum lokaler Rundfunk war, zeigte sich an der Entstehung kleiner Radiosender einzelner Einheiten, die langfristig jedoch keine Konkurrenz für AFN darstellen sollten. Hatte sich AFN erst einmal in einer Militärgemeinschaft als Lokalsender etabliert, konnte er auf die Unterstützung seiner Hörerschaft zählen. Dies wurde am Proteststurm der Soldaten in Norddeutschland offenbar, die damit die Existenz von AFN Bremen als Station mit eigenständigem Programm retteten. Den Aktivitäten der Senderkette waren insgesamt aber Grenzen gesetzt. Genau wie andere in Europa verbliebende Einheiten litt auch AFN stark unter dem massiven Truppenabzug nach Kriegsende. In punkto Personal und Nachschub musste der Militärrundfunk improvisieren und manche halb-legalen Tricks anwenden. Viele dieser Probleme sollten AFN auch in der folgenden Zeit begleiten.
3. „SEID STARK, HANDELN WIR WIE MÄNNER“. AUFGABEN IN DER BESATZUNGSZEIT One of the weaknesses of the superior American Army, whose creative genius, daring courage, ability to take the initiative and excellent coordination has insured it of victory on the world’s battle fronts, has always been the lack of self-control or proper discipline. […] The battle for self-control is a continuous one for each individual. […] May we adhere the admonition of the Master to: Be Strong, Acquit Ourselves Like Men. Aus der Kolumne eines Militärgeistlichen, September 1946.1
Der Übergang zur Besatzungszeit verlief für die amerikanischen Streitkräfte in Deutschland fließend. Das Militär war weiterhin sehr damit beschäftigt, sich für seine neuen Aufgaben umzuorganisieren und interne Probleme zu lösen. Auch seine Rundfunksender bildeten da keine Ausnahme. AFN Kassel vereinte in seiner Entwicklung auf eher unrühmliche Weise wichtige Konfliktbereiche dieser Zeit. Gegen Ende des Jahres 1945 verhaftete die kriminalpolizeiliche Abteilung des US-Militärs einen Soldaten des Kasseler Senders in Berlin. Er hatte Zigaretten im Wert von 17.000 Dollar bei sich, die er dort auf dem Schwarzmarkt tauschen wollte. Für einen Soldaten allein schien die Menge der Schmuggelware zu gewaltig und Nachforschungen ergaben, dass fast das gesamte Personal von AFN Kassel – bis hin zum leitenden Offizier – an diesem illegalen Geschäft beteiligt war. Zum Management der Krise kam ein Inspektionsteam des AFN-Hauptquartiers und sorgte dafür, dass die Sache so klein wie möglich gehalten wurde. Als der Militärrundfunk im Frühjahr 1946 einen lokalen Studiosender einsparen musste, fiel zwar zuerst die Wahl auf AFN Bremen, letztlich wurde aber AFN Kassel geschlossen. Dies lag zum einen an den heftigen Protesten in der norddeutschen Enklave, zum anderen an dem Schwarzmarktskandal, mit dem sich der hessische Sender bei der militärischen Führung unbeliebt gemacht hatte. In der Zeit der schnellen Veränderungen durch Demobilisierung und Truppenverlegungen wurden manche Konflikte auf diesem Wege „gelöst“.2 Die US-Streitkräfte in Deutschland mussten sich nach dem Krieg mehrfach an verschiedene neue Aufgaben anpassen. Galt zunächst die Hauptsorge der Amerikaner der Entnazifizierung und Bestrafung der Deutschen, wurde mit dem sich verstärkenden Ost-West-Konflikt der Wiederaufbau und Schutz 1 2
Chaplain Moses, Chapel Corner. Need Self-Control, in: Carrier Courier, 18. September 1946. Vgl. 1 Korinther 16, 13. Suid-Interview Danzig, 16 und Anlage, Box 3, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch 1st Refugee Joins AFN Bremen Staff, in: Timberwolf, 25. März 1946; AFN-Bremen Sends SOS, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 5 (April 1946). Vgl. Provan, The AFN Story, 137 f.; Zumwalt, The Stars and Stripes, 91, 98.
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Westdeutschlands wichtiger. Der Schwerpunkt dieses Kapitels soll aber nicht auf der Funktion der amerikanischen Armee während der Besatzung liegen, sondern auf der inneren Entwicklung des Militärs. Hierbei ging es vor allem um die Neuorganisation und Disziplinierung der Truppen. Es wird sich zeigen, dass die Heeresführung dabei auf vielfältige Weise vorging und auch AFN beteiligt war. Zum einen gehörte der Militärrundfunk zu der amerikanischen Lebenswelt, die die US-Truppen in ihrer Zone aufbaute, damit sich die Soldaten wohlfühlten und möglichst „anständig“ benahmen. Als Militäreinheit war AFN andererseits auch direkt von den Veränderungen innerhalb der Streitkräfte betroffen. Und so setzten sich auch seine Offiziere und Soldaten immer wieder mit den Regeln für den militärischen Dienst und die moralischen Standards für das Privatleben auseinander. Nach den Wünschen der US-Politik und der Heeresführung sollten die US-Soldaten und die ab 1946 in Europa anwesenden amerikanischen Familienangehörigen Demokratie und westliche Werte vorleben. Damit wurden sie zu einem Element der Umerziehung der Deutschen und zu einem Faktor in der Auseinandersetzung mit dem kommunistischen System. Im Kalten Krieg gewann der Rundfunk als grenzüberschreitendes Medium an Bedeutung. Dies wurde allerdings eher zu einem Nachteil für AFN, da die US-Propagandasender von den Streitkräften technische Anlagen und Rundfunkfrequenzen einforderten. Trotz der Konkurrenz verschiedener amerikanischer Stellen und zunehmender finanzieller Einschränkungen war der Militärrundfunk in seiner Existenz aber niemals gefährdet, und sein Handlungsspielraum blieb groß. Bis 1946 hatten sich in Deutschland die amerikanische Militärregierung und die Besatzungstruppen organisatorisch getrennt, auch wenn sie einen gemeinsamen Chef hatten, der zugleich Militärgouverneur und Oberkommandierender war. Bis Mitte des Jahres wandelten die US-Streitkräfte zudem ihre Ausrichtung von einer kampfbereiten Armee zu einer für die innere Sicherheit der amerikanischen Zone zuständigen Truppe. Mit der U. S. Zone Constabulary wurde 1946 eine neue Militäreinheit geschaffen, die den neuen polizeilichen Aufgaben Rechnung trug. Allerdings ging auch der Truppenabbau weiter und die vorgesehene Sollstärke war gering. Problematisch war die geringe Anzahl der Militärangehörigen und deren fehlende Erfahrung und mangelhafte Ausbildung. Neben der ungenügenden Einsatzbereitschaft ihrer Truppe beklagte die militärische Führung auch deren Disziplinlosigkeit.3 Das Beispiel von AFN Kassel war nur eines von vielen. Die Disziplinprobleme, die das US-Militär bereits in Frankreich erlebt hatte, massierten sich im besiegten Deutschland. Diebstähle und Schwarzmarkthandel häuften sich 3
Davis, Come as a Conqueror, 129 f., 133, 136, 162 ff., 166–171; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 148; Leuerer, United States Army Military Communities in Germany (unveröff.), 12 f.; Schraut, Vom Besatzer zum Beschützer, 16–27; Willett, The Americanization of Germany, 1 f.; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 100 ff.; Ziemke, The U. S. Army, 339 ff., 421–424.
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und die Statistiken der US-Armee verzeichneten für die Jahre 1945 und 1946 extreme Steigerungen der Kriminalitätsrate. Auch andere Indikatoren entwickelten sich negativ, so nahmen etwa unerlaubtes Entfernen von der Truppe, Verkehrsunfälle oder Geschlechtskrankheiten zu. Die militärische Führung reagierte auf diese Entwicklung mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Als positive Anreize für soldatisches Wohlverhalten gab es Wettbewerbe zwischen einzelnen GIs oder ganzen Militäreinheiten. Deren Sieger wurden durch Auszeichnungen oder Vergünstigungen wie zusätzliche Urlaubstage belohnt. Zur Ahndung von Regelverstößen stand der Armee eine Vielzahl von bestrafenden Maßnahmen zur Verfügung.4 Auch AFN bekam die Verschärfung der militärischen Disziplin zu spüren. Im Frühjahr 1946 wurde mit Oren Swain ein Absolvent der Militärakademie West Point neuer Kommandeur von AFN. Der Berufsoffizier wollte den Betrieb des Radiosenders den Experten überlassen, war aber über die vielen „Zivilisten in Uniform“ entsetzt. Schon seine Einführungsrede mit militärischem Jargon kam bei den meisten AFN-Mitarbeitern nicht gut an, und auch seine Versuche, eine straffere Disziplin einzuführen, stießen kaum auf Zustimmung. Als eine der ersten Maßnahmen ordnete Swain für alle Soldaten in Frankfurt morgendlichen Frühsport an. Dies tat er ohne Rücksicht darauf, dass einige GIs zu dieser Zeit an Frühsendungen arbeiteten oder nach einer Nachtschicht in der Nachrichtenredaktion schliefen. Roy Neal erinnert sich, dass er als Leiter von AFN Frankfurt die erste Einheit der von Swain angeordneten FitnessÜbungen um 6 Uhr ansetzte, am selben Morgen aber die 7-Uhr-Nachrichten ausfallen ließ. Dies geschah vordergründig, damit alle Soldaten beim sportlichen Training mitmachen konnten, insgeheim rechnete Neal aber mit Beschwerden wegen des Ausbleibens der vielgehörten Sendung. Die Proteste kamen prompt und von höchsten Stellen, so dass der neue AFN-Kommandeur den Befehl zum Frühsport zurücknahm.5 Diese kleine Episode soll die Anstrengungen der Besatzungsarmee um militärische Disziplin illustrieren, spricht aber auch grundsätzlichere Auseinandersetzungen beim Militärrundfunk an. Denn die Frühsport-Anekdote wurde zum Bestandteil der mündlichen und schriftlichen Überlieferung der AFN-Geschichte, weil sie dem Selbstverständnis vieler seiner Mitarbeiter ent4
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Special Squadron For Rehabilitation Recently Organized, in: Carrier Courier, 18. September 1946; Inter Squadron Competition: Inspection Chart, ebd. Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 39 ff., 107–117, 171; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 148 f., 196; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 16–47, 99–102, 112 f.; Ziemke, The U. S. Army, 320–341. Swain war vom 31. März 1946 bis 17. August 1947 bei AFN. Introducing Lt. Col. Oran [sic] Swain, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 1 (April 1946). Vgl. Swain, Reminisces. Siehe auch O. Swain an MAJ G. H. Buchanan, AFN, 15. Dezember 1967, Ex-AFNers File, AFN Historical File; Suid-Interview Brewer, 4 f., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Paul Moses, 15. Januar 1983, Teil 1: 4, Teil 2: 5 f., Box 6, ebd. (Moses war von 1946 bis 1948 bei AFN); Suid-Interview Neal, 19 f., ebd.
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Abb. 3: Widersprüche beim Militärrundfunk I: Comic von Dick Wingert.
sprach. Nicht wenige Soldaten, die mit der Rundfunkseite des Militärsenders beschäftigt waren, fühlten sich in erster Linie als Journalisten und sahen das autoritäre System der Streitkräfte kritisch. Ein Comic, den die AFN-Hauspublikation Loudspeaker im Herbst 1946 abdruckte, illustriert diesen Konflikt. Die Zeichnung zeigt Soldaten und Unteroffiziere des Senders, die zur Inspektion angetreten sind. Während ihre Gewehre pyramidenförmig aneinander gelehnt vor ihnen stehen, präsentieren sie ihre Arbeitsutensilien: Schreibmaschinen, Mikrophone oder Textblätter. „After three years of this policy ‚Soldier First and Radiomen Second‘ it begins to wear a little thin“, lautet die Textzeile.6 Je nach Naturell oder persönlicher Überzeugung versuchten einige Mitarbeiter von AFN, militärische Formen oder soldatische Pflichten zu unterlaufen. Da sie ihren jeweiligen Aufgabenbereich für den Radiosender in der Regel gewissenhaft erledigten, verhielten sie sich insgesamt aber systemkonform.7 Die Berufsoffiziere, die AFN nach dem Krieg kommandierten, erkannten zumeist sehr schnell, dass der Rundfunksender nicht wie eine Kampfeinheit zu führen war, und lernten, dass kleine Regelwidrigkeiten oder Rücksichtnahme auf die „Künstler“ der Qualität des Programms nützte. Die Annahme etlicher Zeitzeugen, dass AFN deshalb mehr oder weniger wie eine zivile Radiostation funktioniert habe, entspringt jedoch eher selektiver Erinnerung. Denn trotz aller Lockerungen in Details blieb AFN eine reguläre Armee-Ein6 7
Der Comic stammt von Dick Wingert und war ursprünglich in Stars and Stripes veröffentlicht worden. After three years (…), in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 22 (1946). Suid-Interview Neal, 19 f., Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Moses, 4, ebd. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 71; Christman, „This is AFN …“ (1993), 54; ders., Brass Button Broadcasters, 70 f.
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heit. Die List gegen morgendliche Fitness-Übungen und andere solche Vorfälle ähneln in ihrer Ventilfunktion eher Schulstreichen: Kleine Akte des Ungehorsams bei gleichzeitiger Pflichterfüllung stärken ein System eher als dass sie es grundsätzlich ändern. Auch 1946 sollte sich dies bewahrheiten. Wie geschildert, gab Kommandeur Swain zwar zunächst nach, letztlich schaffte er es aber, die militärische Disziplin zu erhöhen – Frühsport inklusive.8 Die Konflikte, die beim Betrieb eines Radiosenders unter der Ägide der Streitkräfte entstanden, entschied letztlich oft die militärische Führung für sich. Ein amerikanischer Mikrokosmos entsteht Da die meisten disziplinarischen Vergehen der US-Soldaten in deren Freizeit stattfanden, propagierte das Truppenschulungsprogramm eine aktive und nützliche Freizeitgestaltung. Der Betätigungskatalog scheint direkt aus dem Wertekanon der amerikanischen Mittelschicht zu kommen: Weiterbildung, soziales Engagement oder Kreativität im künstlerischen und sportlichen Bereich. Das Militär unterstützte dafür truppenbetreuende Einrichtungen wie das Amerikanische Rote Kreuz oder die United Service Organizations (USO). Diese versorgten Soldaten anfangs mit Büchern, Sportgeräten oder Musikinstrumenten, bauten in der Besatzungszeit aber eine recht umfangreiche „Freizeit-Infrastruktur“ auf. Ganz in der Nähe vom AFN-Hauptquartier lag zum Beispiel der Höchster American Red Cross Club. Hier erwartete die GIs auf fünf Stockwerken ein vielfältiges Serviceangebot und clean fun, also moralisch unbedenkliche Vergnügungen. Es gab einen Friseurladen und eine Snack-Bar ebenso wie Gemeinschaftsräume oder Tischtennisplatten. Das Rote Kreuz zeigte Kinofilme oder veranstaltete Bingo- und Tanzabende. Von der Armeeführung besonders gern gesehen waren die Bibliothek des Roten Kreuzes oder der Sprachunterricht in Französisch und Deutsch.9 8
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Das neue Frühsportprogramm startete in den AFN-Unterkünften in der Höchster Hochmühlstraße und zwar ausgerechnet am 5. Juli 1946, dem Morgen nach den Feierlichkeiten zum amerikanischen Unabhängigkeitstag und dem dritten AFN-Jubiläum: „At exactly 0700 all EM of this command were standing at rigid attention on the street. After roll was called, which by the way was a complete success, calesthenics began, sidestraddle-hop and a few others, among them the deep-knee-bending exercise, such weird sounds this caused … wonderful sound effects for ‚Tales From the Sewer‘ or some other similar Ira-Parker-Starr production.“ (Parker und Starr waren Mitarbeiter von AFN, „Tales from the Tower“ eine AFN-Hörspielserie.) New Reville [sic] Program Aired, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 14 (Juli 1946). Höchst American Red Cross, Weekly Program July 7 – July 13, 1946, Material von Harry Whitcomb. Sgt. Daniel L. Schorr, Army Battles Boredom, in: New York Times, 22. Juli 1945; Troops’ Coop Activities. ARC Recreation Club September 18 – September 25, 1946, in: Carrier Courier, 18. September 1946; USO. Serving in Europe, in: AFN TV-Guide Jg. 13, Nr. 7 (Juli 1978), 10 f.; Special Anniversary Issue Devoted to
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AFN war rundum in das Angebot für die Freizeitgestaltung eingebunden. Zunächst ging es darum, dass der Rundfunksender Veranstaltungstipps für die US-Soldaten brachte und über weitere mögliche Aktivitäten berichtete. Den GIs standen nun mehr Radiogeräte zur Verfügung als zu Kriegszeiten, und dies nicht nur in Gemeinschaftsräumen. Eine Umfrage aus dem Jahr 1946 ergab, dass ein Drittel der in Europa stationierten amerikanischen Soldaten einen eigenen Rundfunkempfänger besaß, während zur gleichen Zeit in den USA nur zehn Prozent über ein Radio verfügten. Auch auf dem Gebiet der Unterhaltung konnte AFN eine Menge beitragen. Neben dem „normalen“ Radiohören – allein oder in Gruppen – dienten bestimmte Sendungen in dieser Zeit als bevorzugte Quelle für Musik auf privaten Partys. Außerdem lud AFN die Angehörigen der Streitkräfte auch selbst zu Musik- oder Unterhaltungsveranstaltungen ein. Die lokalen Stationen nahmen hierbei Sendungen vor Publikum auf. Dies waren vielfach Musikprogramme, aber auch Spielshows nach US-Vorbild wie zum Beispiel die Sendung „Blind Date“ aus dem Höchster Rote-Kreuz-Club.10 Die Reaktion der Soldaten auf den vom Militär geschaffenen amerikanischen Mikrokosmos war zwiespältig. Die GIs waren in der Mehrzahl junge Wehrpflichtige, die sich allein in einem fremden und kriegszerstörten Land wiederfanden. Dort unterstanden sie einem unpersönlichen und autoritären Militärsystem, waren zudem potentiell unterfordert und gelangweilt. Paul Moses beispielsweise kam im Jahr 1946 als 18-jähriger zu AFN und empfand den Alltag im zerstörten Deutschland als bedrückend. Er bedauerte im Nachhinein den geringen Kontakt zur deutschen Bevölkerung, war damals aber froh über die sichere amerikanische „Insel“, die das Militär geschaffen hatte. Wie Moses freuten sich viele Soldaten über die vertraute Umgebung, die ihnen Sicherheit bot. Andere Militärangehörige empfanden die Rundumversorgung der Armee jedoch eher als persönliche Einschränkung und Druckmittel zur Erzeugung von Konformität. Im paternalistischen System des Militärs gingen Fürsorge und Bevormundung Hand in Hand, denn die Armeeführung erwartete als Gegenleistung von den GIs soldatische Pflichterfüllung und Wohlverhalten nach Dienstschluss.11 Trotz Sicherheitsbedenken und Kostenüberlegungen sollten auch Familienangehörige von amerikanischen Soldaten nach Deutschland ziehen kön-
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USO, ebd. Jg. 16, Nr. 6 (Juni 1981). Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 115, 138 f.; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 208 f.; Letters Home, 18, 20 f., 95 f., 204; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 104–107; Ziemke, The U. S. Army, 331 f. Höchst American Red Cross, Weekly Program, July 7 – July 13, 1946, Material von Harry Whitcomb. Siehe auch AFN Serves 336.765 in ET, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 15 (1946); „It’s All Yours“, in: Weekend, 13. April 1947. Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 15; Dunning, On the Air, 96 f. Suid-Interview Moses, 2 f., Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP: „island“. Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 115, 138 f.; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 147 ff.
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nen. Die Ehefrauen sollten gleichsam „zivilisierenden“ Einfluss auf die durch Krieg und Besatzung verrohten Männer nehmen: „We’d better bring Mama over here fast, because Papa’s making a fool of himself“.12 Frauen und Kinder halfen, echte amerikanische Gemeinden in Übersee aufzubauen. Sie sollten den US-Kosmos abrunden und so auch die übrigen GIs „zähmen“ helfen.13 Der Plan der Heeresführung schien aufzugehen: Bereits die Vorbereitungen auf die Ankunft der Familien gab der Besatzungsarmee einen Energieschub. Weite Teile des Militärs waren daran beteiligt, das zukünftige Alltagsleben der USFamilien zu regeln. Lokale AFN-Sendungen stellten die militärischen Arrangements für die Angehörigen dar. Lebten die Familien innerhalb oder außerhalb der Kasernen? Welche Möbel sollten die Ehefrauen aus den USA mitbringen? Welche Einrichtungen oder Schulen konnten die Kinder erwarten? Die Hinweise in den Sendungen zeigen den großen materiellen Unterschied zwischen den USA und Deutschland, der durch die Zerstörungen des Krieges noch verstärkt worden war. Nicht selten erinnern die Ratschläge an heutige Reisetipps für sogenannte Entwicklungsländer.14 Bei der Durchsicht der von verschiedenen US-Einheiten entworfenen Sendemanuskripte fällt die für das Militär typische Mischung aus Bevormundung und Fürsorge auf. Die Sendung „Over the Tea Cups“ sollte beispielsweise die Situation in Mannheim darstellen. In einer fiktiven Szene treffen Mrs. Bearden, die Frau eines Majors, und die nur mit Vornamen benannte jüngere Soldatenehefrau Alice in den USA zusammen. Alice will zu ihrem Ehemann nach Deutschland ziehen und holt sich daher praktische Tipps von der Offiziersgattin. Der Handlungsaufbau und die Namen der Charaktere machen deutlich, dass die hierarchische Struktur des Militärs bis ins Privatleben reichte. Die dependents, wie Angehörige damals im Sprachgebrauch der USArmee hießen, waren im wahrsten Sinne des Wortes von ihrem militärischen Familienoberhaupt und dessen Stellung abhängig. In der „neuen“ US-Armee nach dem Zweiten Weltkrieg durften Mannschaftsgrade und Unteroffiziere zwar verheiratet sein, die Rolle ihrer Ehefrauen entsprach aber der von Offi12 13
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Zit. n. Leuerer, Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 146, 219. Alvah, Unofficial Ambassadors, 14–29; Davis, Come as a Conqueror, 191; Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 21; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 135 f.; Leuerer, Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 144–148; ders., United States Army Military Communities in Germany (unveröff.), 6 f., 14; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 117 f. MAJ R. F. Shearer, Asst AG, USFET, an CO/30th Field Artillery Group, 10. April 1946 (mit Anlagen), Box 261, Gen Corr 1946, AG Section Admin Br, ETO, RG 338, NACP. Hier lassen sich auch weitere Briefwechsel zum Thema „Radio Scripts Relative to Dependents“ mit anderen US-Standorten finden. Siehe auch Letters Home. Vgl. Alvah, Unofficial Ambassadors, 29 ff.; Davis, Come as a Conqueror, 191; Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 21; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 135–139; Leuerer, Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 149–156; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 117–128.
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ziersgattinnen der Old Army. Alle Frauen sollten sich ganz in den Dienst der Karriere des Ehemannes, der Familie und der Militärgemeinschaft stellen.15 Das erste Schiff mit Angehörigen der US-Besatzungstruppen erreichte am 28. April 1946 Bremerhaven und wie die anderen Militärmedien berichtete AFN ausführlich über die Ankunft. Gleich auf dem ersten Schiff befand sich auch eine „AFN-Familie“: Frau und Tochter des leitenden Offiziers von AFN Bremen. In der Besatzungszeit machten relativ wenige Personen, die nach den Regeln der Streitkräfte das Recht hatten, nach Europa zu kommen, davon Gebrauch. In den vierziger Jahren lebten nie mehr als 34.000 US-Familienangehörige in Deutschland. Mochte auch die Anzahl der Familien gering sein, AFN war doch kein reiner Militärsender mehr. Da auch die zivilen Neuankömmlinge mit Rundfunk versorgt werden sollten, musste AFN sein Programmangebot erweitern. Und so bereiteten die Radio-Mitarbeiter mit Hochdruck Beiträge und Sendungen für Frauen und Kinder vor.16 Ein Allheilmittel für die Disziplinprobleme der Besatzer war der Zuzug amerikanischer Familien nicht. Und so versuchten die verschiedenen Organisationen zur Truppenbetreuung weiterhin, mit allem Nachdruck für einen vorbildlichen Lebenswandel zu werben. AFN nutzte für seine Beiträge zu dieser Kampagne verschiedene Sendeformate und versuchte, die Inhalte originell zu verpacken, etwa durch Abwandlung bekannter Werbespots. Dadurch war AFN im Bereich der Truppenschulung beliebter als andere militärische Initiativen, auf Dauer waren die ermahnenden Programmanteile jedoch nicht sehr populär.17 Wie sehr sich die militärische Führung um die Disziplinierung ihrer Soldaten bemühte, zeigt der Streit um das Programm „Life Can Be Rough in the 15
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Sendemanuskript Station „DCMA“ (Dependent Community Mannheim Area) Presenting „Over The Tea Cups“, Anlage von COL C. A. Bennett, Exec/Mannheim QM Depot, 59th QM Base Depot, an CG/TSF, ET, 5. April 1946, Box 261, Gen Corr 1946, AG Section Admin Br, ETO, USA, RG 338, NACP. Vgl. Alvah, Unofficial Ambassadors, 60–63; Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 60, 67, 70. New Director Assumes Duties in AFN Bremen, in: Timberwolf, 25. April 1946; Outdoor ADV for AFN, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 1 (April 1946); „3. On the program side (…)“, ebd. Jg. 1, Nr. 5 (April 1946); First AFN Family Arrives in ETO, ebd. Jg. 1, Nr. 6 (Mai 1946); AFN Serves 336.765 in ET, ebd. Jg. 1, Nr. 15 (1946); It’s a Women’s World, ebd.; AFN Meets First Dependent Ship, in: AFN 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947. Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 189 ff., 193, 253; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 136 f.; Leuerer, United States Army Military Communities in Germany (unveröff.), 7. Research Section, I&E Service, USFET: What the American Soldier Says About American Forces Network in Germany, Januar 1947, Anlage zu COL E. J. F. Glavin, TC/I&E, USFET, an SGS, USFET (nachf. zit. als What the American Soldier Says About AFN in Germany, Januar 1947, Anlage zu Glavin an SGS, USFET), 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP. Siehe auch U. S. Forces European Theater, The Information and Education Program, USAMHI. Vgl. Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 68–74, 148 f., 208 f., 213; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 41 f., 102 ff.
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E. T.“18, das seit April 1946 auf AFN lief. Diese Serie im Stil einer Seifenoper drehte sich um drei in Deutschland stationierte GIs und ihre Probleme im militärischen Alltag, etwa mit Vorgesetzten oder der deutschen Bevölkerung. Die Show von Barnard L. Sackett traf den Geschmack vieler US-Soldaten und das Programm wurde schnell überaus beliebt. Vor allem Offiziere mochten die Serie jedoch nicht, weil sie darin ihre Autorität untergraben sahen. Auch der Kommandierende General der Dritten Armee beschäftigte sich mit dem Programm und forderte bei AFN alle bisher ausgestrahlten Folgen an. Ende Mai schrieb er dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte in Europa und forderte, dass „Life Can Be Rough“ stärker kontrolliert oder abgesetzt werden müsse, da die Serie den Disziplinierungsbestrebungen der Besatzungsarmee entgegenwirke. Zum Zeitpunkt dieses Briefes hatten die Verantwortlichen bei AFN bereits in vorauseilendem Gehorsam reagiert. Allein die Bitte um Belege der Serie durch den Drei-Sterne-General schien beunruhigend genug zu sein, um dem Autor inhaltliche Beschränkungen aufzuerlegen. Sackett gehorchte, wandte sich aber an die amerikanische Nachrichtenagentur United Press, die diese Information veröffentlichte und die Anweisung als Akt der Zensur kritisierte. Der Vorgesetzte von AFN sah in Sacketts öffentlichen Aussagen einen groben Regelverstoß und beendete den Arbeitsvertrag mit dem Zivilangestellten kurzfristig. Kein anderer Autor wurde auf „Life Can Be Rough“ angesetzt und so lief die erfolgreiche Sendung am 7. Juni aus.19 Die Bemühungen um die Disziplinierung der Besatzungsarmee waren auch deshalb so intensiv, weil negative Vorkommnisse die außenpolitischen Ziele der Vereinigten Staaten zu gefährden schienen. Noch seien die NS-Propagandalügen über die USA fest in deutschen Köpfen verankert, lautete die Argumentation. Selbst durch kleinste amerikanische Verfehlungen – ein betrunkener US-Soldat, eine unflätige Bemerkung zu einer deutschen Frau oder rücksichtsloses Fahren – würden diese Vorurteile bestätigt. Durch vorbildliches Verhalten könnten die GIs hingegen bei der deutschen Bevölkerung für die Abkehr von nationalsozialistischen Werten und Ideen werben. Das Truppenschulungsprogramm und auch AFN halfen mit, die Soldaten auf ihre Rolle 18
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Die Abkürzung E. T. steht für European Theater, der Bezeichnung für das europäische Einsatzgebiet des US-Militärs. Der Titel spielt auf die höchst populäre Serie „Life Can Be Beautiful“ an, die in den USA von 1938 bis 1954 ausgestrahlt wurde. Vgl. Dunning, On the Air, 392 f. LTG G. Keyes, CG/Third Army, an CG/USFET, 29. Mai 1946, Box 261, Gen Corr 1946, AG Section Admin Br, ETO, USA, RG 338, NACP; COL E. P. Lock, C/I&E Service, an AG Opns USFET, 7. Juni 1946, ebd. Siehe auch Official Bulletin, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 5 (April 1946); Psychological Drama Aired, ebd.; UP, AFN’s Hilda Banished by Censor, in: Stars and Stripes, 1. Juni 1946; Sackett Starts Safari Stateside, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 13 (Juli 1946). E-Mails von Barnard Sackett an die Autorin, 16. April 2004, 26. April 2004, 9. Juli 2004, 5. Juli 2006, 10. Dezember 2006, 3. September 2007, 4. September 2007 (2). Vgl. Craig, Military Broadcasting, 312 f.; Provan, The AFN Story, 148.
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als „Botschafter der Demokratie“ vorzubereiten. Für den persönlichen Kontakt zwischen GIs und Deutschen bekamen die Soldaten zum Beispiel Argumente gegen die NS-Ideologie und deutsche Nachkriegsapologetik an die Hand. Damit sie aktiv demokratische Werte vermitteln konnten, gab es auch Informationen zum politischen System der USA und zu amerikanischen Traditionen. Die Soldaten sollten auf jeden Fall bei der reeducation der Deutschen mithelfen.20 Auch ehrenamtliche Tätigkeiten von Militärangehörigen wurden Bestandteil der amerikanischen Umerziehungsmaßnahmen in Deutschland. Anfangs waren dies vor allem mildtätige Aktionen, die einzelne Bedürftige oder Institutionen unterstützten. Seit 1945 halfen die Mitarbeiter von AFN zum Beispiel dem Theresien-Kinderheim in Offenbach mit Spenden und kleinen Aktionen. Dazu gehörten Ausflüge mit den Kindern oder der jährliche Besuch eines Weihnachtsmannes, der viele Geschenke mitbrachte.21 Ein solches Engagement brachte der Besatzungsarmee gute PR und erzeugte Wohlwollen bei der deutschen Bevölkerung. Das Militär ermutigte seine Soldaten auch, sich in ihrer Freizeit mit deutschen Jugendlichen zu beschäftigen. Ab Herbst 1945 erwuchsen daraus die German Youth Activities (GYA), die Einfluss auf die junge Generation in Deutschland nehmen und ihnen demokratische Werte näherbringen sollte. Mögen auch das Ausmaß und die Zielrichtung der Aktivitäten in Deutschland ungewöhnlich gewesen sein, grundsätzlich waren die Streitkräfte damit sehr vertraut. Schließlich nutzen sie soziales Engagement und Wohltätigkeitsaktionen traditionell, um die militärische Gemeinschaft zu fördern und den Soldaten oder anderen Angehörigen der military community eine „sinnvolle“ Freizeitbeschäftigung zu bieten. Trotz aller Publizität, die solch positives Engagement in den Medien bekam, war sein Umfang begrenzt. Größere Aktionen kamen meist nur punktuell vor, an den kontinuierlichen Bemühungen beteiligte sich nur eine Minderheit. Alles andere wäre aber wohl auch unrealistisch gewesen.22 20
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Siehe etwa BG R. A. McClure, C/ICD, USFET, an C/S, USFET, 18. August 1945 (mit Anlage), Box 1, Info Div u. a. 1942–1946, Program Files Historical Div USFET, RG 338, NACP. Siehe auch H. P., The Great Misinterpretation, in: Carrier Courier, 18. September 1946. Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 146, 187, 194 f.; Goedde, GIs and Germans, 131; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 71, 148 f., 197–208. Zum Amerikabild in der NS-Zeit siehe etwa Gassert, Amerika im Dritten Reich. Sr. M. Klara Ochlart, Theresien Kinder- und Jugendheim, Offenbach, an J. Provan, 10. September 1999 (mit Anlagen), Privatarchiv John Provan. Siehe auch etwa rob, „Thank you“ konnten alle sagen, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 20. Dezember 1956; Weihnachtsmann von AFN kam ins Theresienheim, in: Offenbach-Post, 20. Dezember 1956; „Santa Claus“ besuchte das Offenbacher Theresienheim, ebd., 19. Dezember 1958; Strahlende Kinderaugen, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 24. Dezember 1960; Einen großen Tag, ebd., 21. Dezember 1962. Alvah, Unofficial Ambassadors, 48 f.; Davis, Come as a Conqueror, 220–230; Goedde, GIs and Germans, 127–165; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 220–229; Rupieper,
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Wie andere Militäreinheiten hatten sich auch die meisten AFN-Sender in den Nachkriegsverhältnissen gut eingerichtet. Repräsentative beschlagnahmte Häuser, „phantasievolle“ Lebensmittelbeschaffung und viele deutsche Helferinnen und Helfer verschönerten den Alltag. AFN Frankfurt und AFN Munich wetteiferten etwa darum, wer den besseren deutschen Spitzenkoch für seine Kantine hatte anstellen können. Deutsche Putzfrauen kümmerten sich um die Sauberkeit der Räumlichkeiten, und für den Wäsche-Service gab es zweisprachige Vordrucke, auf denen die zu reinigenden Kleidungsstücke nur angekreuzt werden mussten.23 Trotz aller Einschränkungen im kriegszerstörten Europa war das Leben vieler US-Militärangehöriger in Deutschland auf einem höheren Niveau als das von Soldaten, die zur gleichen Zeit in den USA stationiert waren. „Wir hatten es noch nie so gut“ war eine weit verbreitete Aussage unter Besatzungssoldaten dieser Zeit, und dies galt auch für den Radiobereich. Denn vom materiellen Ungleichgewicht zwischen Deutschen und Amerikanern profitierte auch der Militärsender. Externe Firmen, die etwa die deutsche Rundfunktechnik von AFN reparierten, wurden offiziell in Reichsmark bezahlt und mit Lebensmitteln entlohnt. Ein paar Stangen Zigaretten kosteten AFN zum Beispiel die Dienste der Münchner Philharmoniker. Auf ihren Dienstagsproben spielte das Orchester eine Stunde Programm für den amerikanischen Sender ein, der damit jeweils eine Folge der Klassikserie „Outpost Concert“ bestritt.24 Im Laufe des Jahres 1947, vor allem aber 1948 verbesserte sich die disziplinarische Situation innerhalb des amerikanischen Militärs deutlich. Dies hatte viele Ursachen, von denen ebenso viele in den verschiedenen Maßnahmen des Militärs zu finden sind, wie in der positiven Entwicklung Deutschlands nach Kriegsende. Trotz aller Bemühungen hatte die Militärführung nämlich Phänomene wie den Schwarzmarkthandel vergeblich bekämpft. Erst
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Die Wurzeln der westdeutschen Nachkriegsdemokratie, 156–162; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 113 ff.; Zumwalt, The Stars and Stripes, 166. Bei einer internen Kontrolle bei AFN Frankfurt ertappten die Inspekteure einen AFNMitarbeiter mit einer deutschen Hausangestellten in flagranti. Etwas sarkastisch könnte man sagen, dass dies ein ideales Beispiel für die Interessen des durchschnittlichen GI an deutschen Frauen war: Sex und Wäsche waschen. Suid-Interview Danzig, 20 f., Box 3, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch LAUNDRY LIST, Formular AGPD 200M/9–45/917, Material von Harry Whitcomb. Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 144; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 41, 127. Suid-Interview Brewer, 13 f., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Cleary, 32 f., Box 2, ebd.; Suid-Interview Neal, 8, 28: „we never had it so good“, 32 f., Box 6, ebd.; Mark White, Memories of AFN Munich, MS, 14. März 1988, 3, AFN Historical File. Siehe auch Die Münchner Philharmoniker […], in: Radiowelt, 30. März 1947; Hank Heusinkveld, AFN Munich: Studio engineer returns to AFN – after 43 years, in: Alpine Echo, Januar 1989. Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 113, 138 f.; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 138 f.; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 126; Ziemke, The U. S. Army, 336–339, 353 f.
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die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands und insbesondere die Währungsreform 1948 beendeten auf diesem Gebiet unruhestiftende Aktivitäten.25 Die durch den Truppenabzug gelichteten Reihen versuchte die US-Armee zunehmend durch zivile Angestellte aufzufüllen. Auch AFN hatte bereits während des Krieges Zivilangestellte beschäftigt. Sie arbeiteten zum Beispiel als Techniker oder Sekretärinnen und kamen zum Teil aus den USA, in der Mehrzahl aber aus dem jeweiligen „Gastland“ der Radiostation. Einige dieser Angestellten waren den amerikanischen Truppen bis nach Deutschland gefolgt und arbeiteten auch nach Kriegsende weiter für den Sender. Die zivilen Angestellten hatten für AFN mehrere Vorteile. Zum einen wurden sie aus dem Central Welfare Fund bezahlt und belasteten dadurch das offizielle Militärbudget der Senderkette nicht. Wichtig war zudem, dass AFN zivile Mitarbeiter nach dem Krieg auch in Kernbereichen des Radiobetriebs, also etwa in der Nachrichtenredaktion oder in der Programmproduktion einsetzen durfte. Dort sollten einige jahre- oder sogar jahrzehntelang für AFN arbeiten und dem Sender Kontinuität geben. Mit ihrem Fachwissen und den praktischen Kenntnissen aus dem Alltag eines Militärsenders konnten sie die dauernd wechselnden Soldaten einarbeiten und anleiten. Auch ihr ziviler Status war nützlich, denn dadurch war die Militärhierarchie für sie nicht ganz so bedeutungsvoll, und mitunter konnten sie als Vermittler zwischen journalistischen und militärischen Interessen dienen. Von Anfang an gab es aber auch kritische Stimmen zum Einsatz von zivilem Personal bei AFN. Bemängelt wurde zum Beispiel, dass nicht immer die besten Wehrpflichtigen als zivile Angestellte blieben oder nur zweitklassige Journalisten in den USA angeworben werden konnten.26 Auch deutsche Zivilangestellte arbeiteten für AFN. Laut alliierter Regelung von 1944 war die Beschäftigung von Deutschen nicht grundsätzlich verboten, ideologisch aber umstritten und daher eher unerwünscht. Der Versuch, auch innerhalb Deutschlands nur auf alliiertes Zivilpersonal oder etwa befreite Zwangsarbeiter zurückzugreifen, misslang allerdings, und so setzte sich ab Mitte 1945 gegenüber der Mitwirkung deutscher Angestellter eine liberalere Haltung durch. Bei der Einstellung von deutschen Putzfrauen, Fahrern oder Gärtnern nahm AFN es anfänglich mit der Überprüfung der politischen Vergangenheit der Bewerberinnen und Bewerber nicht so genau. Sehr bald 25 26
Davis, Come as a Conqueror, 148–161; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 142 ff., 151; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 99–102, 128. MAJ O. Stegall, XO/AFN, an C/I&E, TSF, ET, 13. August 1945, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Brewer, 15 f., Box 1, Transcripts, ebd.; Suid-Interview Neal, 30 f., 45 ff., Box 6, ebd.; Suid-Interview J. Penrose, 2–5, Box 7, ebd.; Suid-Interview Wendell, 21, Box 9, ebd. Siehe auch Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948. Vgl. Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 134 f.
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übernahm aber das jeweilige Civilian Personnel Office diese Aufgabe, denn nun wurden Deutsche auch als Sekretärinnen, Übersetzer oder Techniker angeheuert. Gisela Breitkopf beispielweise hatte 1945 gerade die Schule beendet, als eine Freundin sie darauf aufmerksam machte, dass AFN deutsche Arbeitskräfte mit Englischkenntnissen suchte. Sie war von der Tätigkeit für die Amerikaner nicht begeistert, aber die Aussicht auf drei Mahlzeiten pro Tag gab den Ausschlag, und so fing die 17-Jährige im November 1945 beim amerikanischen Rundfunksender an.27 Wiederaufbau und Kalter Krieg Das deutsch-amerikanische Verhältnis veränderte sich in diesem Zeitraum auf der politischen Ebene schrittweise. Nach dem Krieg hatten es die Amerikaner zunächst als wichtigstes Ziel angesehen, Deutschland zu entmilitarisieren und die Strukturen des Nationalsozialismus zu zerschlagen. Die schleichende Abkehr von diesem Prinzip fasste eine Rede des US-Außenministers James F. Byrnes im September 1946 in Stuttgart zusammen. Byrnes versprach ein langfristiges Engagement seines Landes beim Wiederaufbau Deutschlands und zeigte sich von dessen Entwicklung zu einem freien und demokratischen Staat überzeugt. Mehr und mehr sollten dabei auch Deutsche wieder Eigenverantwortung übernehmen dürfen. Das negative Deutschlandbild, welches das Truppenschulungsprogramm der Armee bis zu diesem Zeitpunkt den Soldaten vermittelt hatte, stimmte nicht mit den neuen US-Zielen in Europa überein. In Bezug auf Deutschland brauchten die verschiedenen Informations- und Bildungsprogramme des amerikanischen Militärs neue positive Schwerpunkte.28 Auch AFN sollte den Besatzungssoldaten eigene und deutsche Leistungen beim Aufbau des öffentlichen Lebens in der amerikanischen Zone nahebringen. So berichteten in der Sendung „Occupation Report“ ab November 1947 die Direktoren der vier US-Länderverwaltungen einmal monatlich über die Fortschritte in Bremen, Hessen, Württemberg-Baden und Bayern. Die Militärregierung koordinierte und kontrollierte die einzelnen Beiträge inhaltlich, und AFN sendete das Programm jeweils live. Interessant ist, dass die Sendung sich zwar eindeutig an die amerikanischen Besatzungssoldaten wandte, der 27
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Suid-Interview Gisela Breitkopf, 9. März 1983, 2 f., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Gisela Breitkopf arbeitete von 1945 bis 1988 für AFN); Suid-Interview J. Penrose, 9 f., Box 7, ebd.; Suid-Interview M. Penrose, 8, ebd. Siehe auch Wendy Bourland, o. T., in: Stripes Magazine, 4. Februar 1988, 12 f. Vgl. Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 45 ff.; Ritter, Vorort von New York?, 134 ff. Benz, Byrnes-Rede, 334 f.; Davis, Come as a Conqueror, 185 ff., 194 f.; Kleinschmidt, „Do Not Fraternize“, 210–218; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 103; Ziemke, The U. S. Army, 443.
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Initiator des Programms in der Militärregierung aber auch auf eine große europäische Gasthörerschaft hoffte. Inwieweit sich diese Erwartungen erfüllten, lässt sich nicht rekonstruieren, erscheint aber eher zweifelhaft. Denn sogar für die Zielgruppe der US-Soldaten ist die Wirksamkeit solcher und anderer Informations- und Bildungsprogramme höchst umstritten. Letztlich war die USArmee aber nicht primär als „Entwicklungshelfer“ für den Aufbau eines demokratischen Staates in Deutschland stationiert, sondern als militärische Streitmacht.29 Das Jahr 1947 brachte einige grundlegende Veränderungen für das amerikanische Militär. Der National Security Act schuf das Verteidigungsministerium, in dem die bisher getrennt verwalteten Waffengattungen der US-Streitkräfte zusammengefasst wurden. Zudem stand von nun an die Luftwaffe gleichberechtigt neben Heer und Marine. Bereits ein paar Monate früher hatte es in Europa Umstrukturierungen gegeben. Der militärische Befehlsbereich war dabei in European Command umbenannt worden, dem jeweils separat Heer, Luftwaffe und Marine unterstanden. Da in Europa neunzig Prozent des US-Militärs aus Bodentruppen bestanden, dominierte das Heer die neue Kommandostruktur. Durch die Wandlung der Besatzungsarmee zu einer Art Polizeitruppe hatten die amerikanischen Streitkräfte in Deutschland erheblich an Effektivität verloren. Als sie im Jahr 1947 einen Tiefpunkt erreichte, führte dies bei der militärischen Führung in Europa zum Umdenken. Da die Besatzungsaufgaben abnahmen und die Spannungen mit der Sowjetunion stiegen, wollten Lucius D. Clay und sein Stab die Kampfkraft der US-Truppen in Deutschland wieder steigern. Deshalb verstärkten die Generäle die militärischen Ausbildungs- und Trainingsaktivitäten und richteten sich zum Beispiel im Manövergebiet bei Grafenwöhr ein. Fortschritte sollten sich nicht gleich einstellen, denn noch immer bestimmten Truppenabbau und Einsparungen die Lage. In Europa gab es im Sommer 1947 nur noch 135.000 US-Soldaten und bis 1950 sollte das amerikanische Truppenkontingent noch weiter reduziert werden.30
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MG G. P. Hays, Dep Mil Gov, an T. F. Dunn, Dir/OMG for Bremen, 1. November 1947, Folder: OMGUS 1947, Box 64, Corr & Other Records 1947–1948, Records of the PIO, OMG Bremen, RG 260, NACP; HQ OMG for Bremen, Incoming Message fr OMGUS, Ref. No. V-25324, 22. November 1947, Folder: AFN Broadcasts by Mr. Dunn 1947, ebd. Vgl. Boehling, A Question of Priorities; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 103 f. Die Angaben zur Anzahl der in Deutschland oder Europa stationierten Soldaten sind widersprüchlich. Die Zahl im Text ist von Davis. Nelson und Zimmermann geben für 1947 sogar nur 103.749 US-Truppen an. Vgl. Davis, Come as a Conqueror, 189, 231– 234; Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 45; US-Truppenstärken in Deutschland 1945–2000, Anlage zu Zimmermann, Why They Did Not Go Home (unveröff.). Siehe auch Schraut, U. S. Forces in Germany, 162 ff., 167; ders., Vom Besatzer zum Beschützer, 28 ff., 40 f., 55–64; Sweringen, Sicherheitsarchitektur im Wandel, 338 f.
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Für die US-Streitkräfte in Europa stand das Jahr 1947 ganz im Zeichen des Sparens. Das Militär sollte sich einschränken, um den US-Haushalt zu entlasten und den deutschen Wiederaufbau zu unterstützen. Die verstärkte Rücksichtnahme auf deutsche Interessen bedeutete für AFN zum Beispiel, dass er beschlagnahmte Häuser oder Übertragungskabel zurückgeben sollte.31 Um Kosten zu reduzieren, schlug eine Kommission des Europäischen Befehlsbereichs im Mai 1947 vor, die Militärsender in der deutschen und österreichischen US-Zone zusammenzulegen. Als größere Radiostation hätte AFN von der Fusion profitiert, aber der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Österreich wehrte sich erfolgreich gegen die „feindliche Übernahme“, die seinen Einflussbereich verkleinert hätte. Das letzte Wort zum Thema Einsparungen bei AFN hatte der Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen in Deutschland: General Clay beschloss im Juni 1947, dass die Sendezeit von AFN gekürzt, eine Station geschlossen und der Kurzwellensender abgegeben werden sollte. Während die beiden letztgenannten Entscheidungen herausgezögert wurden, trat die Verkürzung des Sendetages auf 18 Stunden noch im Sommer 1947 in Kraft.32 Seit 1945 hatte AFN sein normales Programm von München-Ismaning aus auch über Kurzwelle verbreitet. Dieses Signal nutzten zum einen seine Regionalsender, wenn in der Nachkriegszeit Übertragungskabel ausfielen. Andererseits erreichte AFN damit auch US-Soldaten, die sein Programm auf keiner Mittelwellenfrequenz empfangen konnten. Dies betraf einige GIs in der deutschen Besatzungszone, vor allem aber Soldaten im europäischen Ausland. Die US-Truppen in Großbritannien oder Italien beispielsweise verfügten über keine eigenen Radiostationen. Für das Militär war das Kurzwellenprogramm von AFN eine einfache und preiswerte Lösung, um das dortige amerikanische Publikum mit Hörfunk zu versorgen. Da die betreffenden Kommandeure sich aber nicht an den Kosten für die Kurzwelle beteiligen wollten, halfen auch ihre 31
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COL E. J. Glavin, TC/I&E, USFET, an C/PR Section, OMGUS, 21. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; MG J. M. Bevans, Dir/P&A, an DC/S, 28. Mai 1947, ebd.; COL O. McCormick, TC/T&E, EUCOM, an P&A, EUCOM, 9. Juli 1947, ebd. Vgl. Boehling, A Question of Priorities, 2 f., 270; Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 23 f. Ab dem 1. Juli 1947 strahlte AFN sein Programm statt von 6 Uhr morgens bis 2 Uhr in der Nacht nur noch von 6 Uhr morgens bis Mitternacht aus. Jede Abweichung davon musste sich die Senderkette in der Folgezeit genehmigen lassen. Dir/P&A an DC/S, 28. Mai 1947, Box 33, Dec File 1947, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; MG M. G. White, DC/S, an P&A, 4. Juni 1947, ebd.; TC/TI&E an P&A, 9. Juli 1947, ebd.; Dir/ P&A an DC/S, 11. Juli 1947, ebd.; COL O. McCormick, C/TI&E, an C/S, 24. Oktober 1947, ebd.; C/TI&E an C/S, 5. Januar 1948, Box 79, Dec File 1948, ebd.; DC/S an C/ TI&E, 8. Januar 1948, ebd.; C/TI&E an DC/S, 4. Juni 1948, ebd.; LTC W. T. Evans, DC/ TI&E, an C/S, 29. Oktober 1948 (mit Notiz vom DC/S), ebd.; Suid-Interview Cleary, 11 f., Box 2, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Cranston, 14 f., Box 3, ebd.
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Proteste bei Clay nichts. Diesem war vor allem wichtig, dass die deutschen Steuerzahler nicht länger für den Betrieb des Kurzwellensenders aufkommen mussten (AFN hatte sie bis dahin als Besatzungskosten verbucht). Letztlich sollte aber nicht die Finanzierungsfrage über den Kurzwellensender von AFN entscheiden, sondern die Interessen des US-Außenministeriums an der Anlage in Ismaning.33 Die USA starteten ihre Rundfunkpropaganda gegen kommunistische Staaten in der Zeit nach 1945 vergleichsweise spät. Länder wie Großbritannien oder die Sowjetunion hatten ihre internationalen Radioprogramme aus der Kriegszeit weitergeführt und brauchten ihre Aktivitäten im neuen war of words zwischen Ost und West nur zu intensivieren. In den Vereinigten Staaten hatte Präsident Truman den amerikanischen Auslandsrundfunk nach Ende des Kriegs extrem zurückgefahren, denn Politiker und Öffentlichkeit taten sich mit Radiopropaganda in Friedenszeiten schwer. Ein Umdenken sollte erst der Besuch eines Kongress-Komitees in Europa im Herbst 1947 bewirken. Seine Mitglieder waren von den sowjetischen Kampagnen gegen die USA geschockt und empfahlen, die amerikanischen Anstrengungen auf dem Gebiet der internationalen Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken. In Deutschland stellte Militärgouverneur und Oberbefehlshaber Clay bereits Ende Oktober 1947 Operation Talk Back vor und forderte von den Medien unter amerikanischer Kontrolle, sich deutlich vom Kommunismus abzugrenzen. Im folgenden Jahr verabschiedete dann auch der amerikanische Kongress ein Gesetz zur Schaffung eines internationalen Informationsprogramms. Als Hauptträger der Rundfunkpropaganda war die Voice of America vorgesehen, die dafür gerade auch in Europa expandieren sollte.34 Die Form und die Finanzierung des amerikanischen Engagements in Übersee blieben in den USA allerdings umstritten. Bei Diskussionen über die 33
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MTOUSA sgd Gen Lee an EUCOM personal for Clay, 26. Juni 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; MAJ W. E. Rigel, XO/AFN, an DC/S, EUCOM, 31. Juli 1947, ebd.; COL O. McCormick, C/TI&E, EUCOM, an C/S, 26. November 1947 (mit Anlagen), ebd.; MG M. G. White, DC/S, EUCOM, an MG B. E. Moore, Trieste US Troops, 5. Januar 1948, Box 79, Dec File 1948, ebd.; DC/S EUCOM an C/ TI&E, 16. Februar 1948, ebd.; Reception Report on A. F. N. Short-Wave, December 1947, Anlage zu COL O. McCormick, C/TI&E, EUCOM, an C/S, 17. Januar 1949, Box 127, Dec File 1949, ebd. Munich Radio Expanded. Short-Wave Band Added in Plan to Spread U. S. Propaganda, in: New York Times 1. November 1947; Delbert Clark, U. S. to Use Drama to Court Germans, ebd., 3. November 1947; Jack Raymond, Soviet Zone Held to Bar Free Talk, ebd., 28. Dezember 1947. Siehe auch U. S. Congress. Senate, The United States Information Service in Europe, 1, 4: „war of words“, 8, 10 f. Vgl. Browne, International Radio Broadcasting, 96 ff.; Craig, Military Broadcasting, 313 f; ders., Medium-wave Frequency Allocations, 121; Hixson, Parting the Curtain, XII, 4 f., 10 f., 13; Riller, Funken für die Freiheit, 69 f., 90 f.; Rogasch, Ätherkrieg über Berlin, 77; Schumacher, Kalter Krieg und Propaganda, 68–74, 132, 278 f., Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus, 78 f., 230–234, 416–419; Sweringen, Kabarettist an der Front des Kalten Krieges, 86 ff.
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Legitimität von Propaganda für eine Demokratie und deren Umsetzung in der Praxis wurde nicht selten auch der Militärrundfunk ins Spiel gebracht. Etliche Amerikaner lehnten zum Beispiel „echte“ Propaganda ab, konnten die „unabsichtliche PR“ durch Militärsender aber vertreten. Letztere hielten viele ohnehin für wirksamer, da offizielle Propaganda von internationalen Hörern oft als unglaubwürdig angesehen wurde. Auch die Kosten spielten eine Rolle. Da der Militärrundfunk bereits existierte, schien er preiswerter zu sein als der noch bevorstehende Ausbau der Stimme Amerikas. Theoretisch waren die Rollen klar verteilt: Stationen wie AFN hatten die US-Soldaten in Übersee zu versorgen und sollten sich mit ihrer möglichen Propagandawirkung nicht beschäftigen, um ihren primären Auftrag nicht zu gefährden. In der Praxis versuchten einige Militärs aber, die unklaren Verhältnisse in der Anfangsphase der amerikanischen Rundfunkpropaganda im Kalten Krieg auszunutzen. Denn gerade bei der Ausweitung der Voice of America konkurrierte das Außenministerium mit den Streitkräften um Sendeanlagen und Frequenzen in Europa. Um ihre Ressourcen zu verteidigen, betonten Militärs daher in dieser Zeit öfters, wie viele ausländische Hörerinnen und Hörer ein Sender wie AFN hatte.35 Trotz Gegenwehr der Streitkräfte hatte sich Anfang 1948 das Außenministerium in der Frage des Münchner Kurzwellensenders durchsetzen können. Am 19. März war für AFN dort endgültig Schluss.36 Da dies für die zukünftigen Aktivitäten der Voice of America nicht reichte, meldete sie weitere Ansprüche beim Militärrundfunk an. Im Februar 1948 bat ein Vertreter des USAußenministeriums den europäischen Oberbefehlshaber um die beiden 100-Kilowatt-Mittelwellensender von AFN in München und Stuttgart und deren gemeinsame Frequenz. Als Ersatz sollte sich der Militärrundfunk stattdessen mit Hilfe des Außenministeriums ein Netz von Fünf-Kilowatt-Sendern aufbauen. Clay lehnte dies ab, sah sich aber zum Einlenken genötigt, als das Außenministerium daraufhin drohte, die benötigte Frequenz einem Sender für die deutsche Bevölkerung wegzunehmen. In seiner Doppelfunktion als Oberbefehlshaber der US-Truppen in Europa und als Militärgouverneur wollte Clay weder AFN gefährden, noch Radio München oder Radio Stuttgart. Die Spannung zwischen den verschiedenen amerikanischen Behörden sollte sich 35
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Siehe hierzu Kapitel 4 und 12. Vgl. Craig, Medium-wave Frequency Allocations, 124; ders., Military Broadcasting, 316, 318; Hixson, Parting the Curtain, XII; Pilgert, Press, Radio and Film in West Germany, 2, 4 f.; Schumacher, Kalter Krieg und Propaganda, 22, 49 f., 71, 226 f., 274 f., 276 ff.; Willett, The Americanization of Germany, 21. BG C. K. Gaily, C/S, OMGUS, an MG M. G. White, DC/S, EUCOM, 26. Februar 1948, Box 79, Dec File 1948, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; DC/S, EUCOM, an C/S, OMGUS, 28. Februar 1948, ebd.; C/S OMGUS an DC/S, EUCOM, 17. März 1948, ebd. Zum europäischen Publikum von AFN über Kurzwelle siehe COL O. McCormick, C/ TIE, EUCOM, an C/S, EUCOM, 26. November 1947 (mit Anlagen), Box 33, Dec File 1947, ebd.; McCormick an C/S, 17. Januar 1949 (mit Anlagen), Box 127, Dec File 1949, ebd. Vgl. Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948; Craig, Military Broadcasting, 309, 318.
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erst dann etwas legen, als das Außenministerium einen neuen 150-KilowattSender in München errichtete und eine alternative Mittelwellenfrequenz fand.37 Inzwischen lenkte auch eine außenpolitische Krise von internen amerikanischen Unstimmigkeiten ab. Denn seit dem 24. Juni 1948 versperrten sowjetische Truppen alle Zufahrtswege zu den westlichen Sektoren Berlins. Kurz darauf starteten die Westalliierten deshalb Operation Vittles, die sogenannte Luftbrücke. Per Flugzeug wurden nicht nur die eigenen Truppen und ihre Familienangehörigen versorgt, sondern auch die deutsche Bevölkerung. Neben den alliierten Truppen am Boden und in der Luft zeugte auch AFN tagtäglich von der Präsenz der Amerikaner in der belagerten Stadt. Wenn die Stromsperren es zuließen, konnte sich die Berliner Radiohörerschaft davon überzeugen, dass die Amerikaner und ihre Verbündeten die Situation im Griff hatten. Denn AFN Berlin sendete auch weiterhin unaufgeregt und routiniert. Auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen hatte die Blockade Berlins durchweg positive Auswirkungen. Die Annäherung kam von beiden Seiten und war auch im Äther zu bemerken. Zu seinem dritten Geburtstag im August 1948 stellte AFN Berlin seine täglichen Wunschsendungen vor. Die Aufzählung der verschiedenen Nationalitäten seines Publikums war kein Zufall: „For the American, and British, and French, and German population AFN Berlin has developed four locally spun platter shows which have growing audiences in all sectors of the city.“38 Der lokale AFN-Sender sprach westliche Bündnispartner ebenso an wie deutsche Hörerinnen und Hörer. Die Krise schien alle Bewohner der Berliner Westsektoren zusammenrücken zu lassen und die Verlierer des Zweiten Weltkriegs – die Deutschen – waren wie selbstverständlich dabei.39 Damit AFN Berlin während der Blockade reibungslos funktionieren konnte, bedurfte es einiger Veränderungen. Denn anfangs ging der Sendebetrieb nach dem Geschmack der AFN-Mitarbeiter etwas zu normal weiter, da trotz der erhöhten Bedeutung des Lokalsenders durch die Blockade auch in Berlin noch immer Personal und Ausgaben gekürzt wurden. Auch wenn es 37
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DC/S EUCOM an TI&E, 28. Februar 1948 (mit Anlagen), Box 79, Dec File 1948, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; OMGUS sgd Hays an EUCOM for C/TI&E 26. August 1948, ebd.; EUCOM sgd Huebner an OMGUS, Ref. No. S-2549, 30. August 1948, ebd.; DA fr C/Civil Affairs Div an CINCEUR personal for Clay, Ref. No. WX-89469, 20. September 1948, ebd.; C/TI&E an DC/S, 23. September 1948 (mit Anlagen), ebd.; SGS, EUCOM, an C/TI&E, 24. September 1948, ebd.; CINCEUR sgd Clay an DA for C/Civil Affairs Div, 29. September 1948, Ref. No. CC-6128, ebd. Vgl. etwa Hixson, Parting the Curtain, 36; Stuiber, Medien in Deutschland, 195 f. Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 9. Alvah, Unofficial Ambassadors, 72; Leuerer, Die Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 165–168; Schraut, Vom Besatzer zum Beschützer, 41–54, 76–85; Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus, 169–176. Von den zahlreichen Monographien zur Luftbrücke siehe einleitend etwa Haydock, City Under Siege.
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weiterhin finanzielle Einschränkungen gab, fanden sich bei militärischen Notwendigkeiten immerhin rasch Lösungen. So war AFN Berlin zum Beispiel durch Erdkabel mit der Sendezentrale in Frankfurt verbunden. Übertragungsprobleme konnte die Berliner Station mit Hilfe eines eigenen Satzes an AFRSPlatten überbrücken, AFN-Eigenproduktionen wie etwa Nachrichten fielen dann jedoch weg. Bei kurzfristigen Defekten wurde dies in dieser Zeit noch toleriert, die Berlin-Blockade ließ jedoch auch längere absichtliche Unterbrechungen durch die Sowjets befürchten. Trotz des langwierigen Streits um den Münchner Kurzwellensender einigte sich das US-Militär mit der Militärregierung darauf, dass AFN eben diesen Kurzwellensender in Notfällen doch benutzen durfte. Auch die Verkürzung der Sendezeit wurde während der Blockade teilweise aufgehoben, denn im September 1948 beantragte die amerikanische Luftwaffe, dass AFN Berlin rund um die Uhr senden sollte. Innerhalb kürzester Zeit wurde dieser Antrag genehmigt. Die Luftwaffe zahlte und transportierte in der Folge den Treibstoff für die Dieselgeneratoren, die AFN für den zusätzlichen Sendebetrieb brauchte. Mit dem 24-stündigen Radiosignal bekamen Flugzeuge auf dem Weg nach Berlin eine zusätzliche Navigationshilfe und dies war gerade in den Wintermonaten hilfreich.40 Die nächtlichen Sendungen von AFN Berlin waren aber nicht nur als Peilhilfe für Piloten wichtig, auch ihr Inhalt kam an. Ein Stars and Stripes-Journalist beschrieb die Situation für die Crew eines C-54-Transportflugzeuges folgendermaßen: The engineer dials his silent radio set. Most stations […] have gone to bed. But at 1 420 kilocycles, the set jumps to life. Into the dimly lit cabin barks the voice of Bill Perkins. „It’s midnight“, the voice says, „in Berlin!“ […] The new day begins just where yesterday left off a few seconds before – with music. Music and a bouncy, sparkling disc jockey to keep the early morning hours alive.41
Nicht nur die Besatzungen der Flugzeuge mussten während der Luftbrücke nachts arbeiten, auch auf Flugplätzen und beteiligten Militärstandorten wurden viele Nachtschichten geschoben. Das Signal von AFN Berlin hatte eine große Reichweite, weil es im nächtlichen Europa kaum Konkurrenz gab. Den 21-jährigen Discjockey Bill Perkins erreichten etwa Hörerbriefe aus Italien, Frankreich, Skandinavien oder dem Vereinigten Königreich. Selbstverständlich berichtete der Militärsender in seinem Programm ausführlich über die Luftbrücke. Operation Vittles war schließlich eine der wichtigsten journalistischen Storys in dieser Zeit und ein Großteil der Hörerschaft von AFN war aktiv be40
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C/TI&E an C/S, 19. August 1948, Box 79, Dec File 1948, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; DC/S an C/TI&E Div, 28. August 1948, ebd.; CPT L. Miller, Asst Air AG, USAFE, an CinC/EUCOM, Attn: C/TI&E, 27. September 1948, ebd.; C/TI&E an C/S, 27. September 1948, ebd. Siehe auch Spero Galanopulo, AFN Berlin Marks 3rd Year, in: Berlin Observer, 6. August 1948. Dwight Schear, AFN Berlin Stays Up Late To Keep Lift Pilots Awake, in: Stars and Stripes, 17. April 1949.
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teiligt. Neben Nachrichten und Reportagen gab es auch Unterhaltungssendungen für die Mitarbeiter der Luftbrücke, nicht selten mit Unterstützung von Stars und Prominenten, die die US-Truppen aus Solidarität besuchten. Auch kleine Programmänderungen sollten der AFN-Hörerschaft ihr Leben mit der Blockade erleichtern. Da die tägliche Stromsperre in Berlin selten pünktlich aufgehoben wurde, verschob AFN seine vielgehörte 18-Uhr-Nachrichtensendung um 15 Minuten, damit auch Berliner Hörerinnen und Hörer einschalten konnten.42 Die Berichterstattung über die Ereignisse der Luftbrücke brachte AFN aber nicht nur Lob. Am 24. August 1948 meldete sich ein Mitarbeiter des Senders gegen 18.15 Uhr von einer Unfallstelle bei Hanau und beschrieb die Folgen eines Zusammenstoßes zweier amerikanischer Flugzeuge. Die Live-Reportage ist nicht überliefert, sie wird jedoch als allzu anschaulich geschildert: „This broadcast was very gory, referring to pieces of bodies, a foot or a leg, or a melted mass of flesh.“43 Gleich am nächsten Morgen rief deshalb ein hoher Luftwaffen-General im Büro des Stabschefs der europäischen US-Streitkräfte an und beschwerte sich über die grauenhaften Details der Darstellung und die Ausstrahlung des Beitrags während der Abendessenzeit. Außerdem kritisierte er, dass die Angehörigen der Opfer noch nicht verständigt worden waren und daher viele Luftwaffenfamilien damit gerechnet hätten, möglicherweise betroffen zu sein. Der stellvertretende Stabschef entschuldigte sich umgehend bei seinem Kollegen und gab dem Vorgesetzten von AFN die Anweisung, in Zukunft weniger breit über solche Vorfälle zu berichten.44 Auf der mittleren Ebene der Militärhierarchie deutete sich an, dass der Konflikt zwischen der Luftwaffe und AFN tiefer ging als der telefonische Austausch der Generäle vermuten ließ. Denn die Air Force nutzte eine schriftliche Beschwerde über die Unfallberichterstattung zu weiterführender Kritik am amerikanischen Militärrundfunk: Die Sprecher des Senders klängen altmodisch und schlecht ausgebildet, und auch die Musik sei schrecklich. Der 42
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Suid-Interview Tom Wuriu, 18. Februar 1983, 13 f., Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Tyomas S. Wuriu war von 1946 bis 1953 bei AFN); „afn berlin during the airlift“, Kap. 6, the afn story, 2 f., MS, o. J. [circa 1967], Box 9, Historical Monographs, ebd. Siehe auch Five Years Ago At AFN, in: AFN Weekly Digest 11. Juli 1953. Vgl. Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 10 und 12. Das Zitat stammt aus einem Bericht über eine Beschwerde über die Sendung. Er erscheint glaubhaft, da weder die Verteidiger von AFN noch der Sender selbst diesem Teil der Vorwürfe widersprachen. Nachricht von W. E. M. [LTC W. E. Maulsby], O of the C/S, EUCOM, an Gen Magruder, 25. August 1948, Box 79, Dec File 1948, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP. Vgl. Haydock, City Under Siege, 196. „I have apologized to Gen Kissner and issued instructions to Col McCormick to play down such occurrences in the future. CBM“ Notiz von MG C. B. Magruder, DC/S, EUCOM, auf Nachricht W. E. M. an Gen Magruder, 25. August 1948, Box 79, Dec File 1948, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP. Siehe auch COL O. McCormick, C/TI&E, an S&S und AFN, Subject: Vittles Broadcast, 26. August 1948, ebd.
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Vorgesetzte von AFN war zwar bereit, Fehler beim Absturzbericht einzuräumen, er verwahrte sich aber gegen das nachfolgende vernichtende Urteil. Umgekehrt warf er der Öffentlichkeitsarbeit der Air Force vor, unprofessionell zu sein.45 Hier zeigte sich, dass die US-Luftwaffe als jüngste eigenständige Waffengattung ihren Platz im Militärgefüge erst einfordern musste. Dies war in einem so eindeutig vom Heer dominierten Befehlsbereich wie Europa schwierig, aber nicht unmöglich. Denn auch die Marine stellte nur einen sehr kleinen Anteil der AFN-Hörerschaft und beteiligte sich dementsprechend gering an der Finanzierung und Personalausstattung der Senderkette. Trotzdem hatte die Marine aber zum Beispiel bei den Truppenschulungssendungen ein Mitspracherecht.46 Bei AFN hatten vereinzelt Mitglieder des Army Air Corps gearbeitet und nach 1947 sollten dies auch Angehörige der nun unabhängigen Luftwaffe tun. Auch die Air Force zahlte in den Central Welfare Fund des europäischen Befehlsbereichs ein, der teilweise AFN finanzierte. In der Praxis arbeiteten die Waffengattungen bei der Truppenbetreuung aber erst ab 1949 zusammen und grundsätzlich dauerte das gegenseitige Misstrauen an. Die Spannungen zwischen Heer und Luftwaffe in Bezug auf Militärmedien sollten mit der Stärkung der Rolle der Air Force in Europa in den folgenden Jahren sogar noch zunehmen.47 Der Erfolg der Luftbrücke und die Aufhebung der Blockade durch die Sowjets im Mai 1949 stärkten das westliche Lager und wirkten sich positiv 45 46
47
COL J. G. Hill, Asst to the DC/S EUCOM, an TI&E EUCOM, Subject: Complaints Regarding AFN, 26. August 1948, ebd.; C/TI&E an Asst to DC/S, 30. August 1948, ebd.; Asst to DC/S an C/TI&E, 31. August 1948, ebd. Vor allem der Bremer AFN-Sender hatte ein größeres Angebot für seine Hörerschaft in der Marine. „U. S. Navy Goes On the Air“ verkündete eine lokale Marine-Zeitung im September 1945 stolz. Sendungen aus dieser Zeit waren beispielsweise „Bell Bottom Revue“ oder „Crow’s Nest“. Auch AFN-Mitarbeiter aus der Marine wurden bevorzugt in der Hansestadt eingesetzt (aber nicht nur dort). In späteren Jahren scheint das Engagement der Marine allerdings abgenommen zu haben. Siehe hierzu etwa U. S. Navy Goes On the Air, in: Bremen Blast, 19. September 1945; Naval Officer Heads AFN Here, in: 29 Let’s Go, 7. September 1945; AFN Bremen Increases Local Studio Programs, ebd., 29. September 1945; AFN Typewriter Sketch, in: AFN Weekly Digest 1. August 1953; Unique Radio Network – AFN Marks Twelfth Year of Continued Progress, in: Sentinel, 1. Juli 1955. Memo an COL McGiffert, C/TIED, 21. August 1949, Box 409, Dec File 1949, C/Info, TIED, C/S, USA, RG 319, NACP; MG R. W. Douglass, C/S USAFE an MG D. Noce, VC/S EUCOM, 5. Dezember 1949, File 00.76, Box 127, Dec File 1949, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; McCormick, C/A-AF TI&E, EUCOM an VC/S, 13. Dezember 1949, ebd.; MG D. Noce, VC/S EUCOM, an MG R. W. Douglass, C/S USAFE, 20. Dezember 1949, ebd.; Report of Subcommittee on „Statement of Policies and Principles for the Operation […]“, 1. Juli 1950, Box 4, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch Shorts From AFN-Munich, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 10 (Juni 1946). Vgl. Fudge The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 16; Zumwalt, The Stars and Stripes, 137.
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auf die Stimmung der Besatzungstruppen und deren Weiterentwicklung aus. Trotz angeordneter Einsparungen bei den Besatzungskosten blieb der Handlungsspielraum des Militärs und damit auch für AFN ausreichend. Etliche Darstellungen über die Entwicklung des Senders in der Nachkriegszeit gehen davon aus, dass AFN in seiner Existenz bedroht war und erst die Blockade Berlins seinen Fortbestand sicherte. Auch wenn diese These dramaturgisch geschickt erscheint, fehlen dafür jedoch konkrete Belege. Solange US-Truppen in Deutschland stationiert waren, sollte sie auch ein Radiosender mit Informationen und Unterhaltung versorgen. Und auch von Schrumpfen war beim Militärrundfunk nicht die Rede, eher vom Gegenteil: Trotz der ClayAnordnung von 1947, dass AFN im Zuge des Sparprogramms eine seiner Stationen schließen sollte, konnte ein neuer Studiosender eröffnet werden.48 Wegen der verstärkten Präsenz von US-Truppen in Stuttgart richtete AFN dort 1948 einen neuen Lokalsender ein. Seit 1945 strahlte ein 100-KilowattSender in Mühlacker das Münchner AFN-Programm aus. Drei Jahre später hatte die lokale amerikanische Hörerschaft enorm zugenommen: Stuttgart beherbergte nun den Stuttgart Military Post, das Hauptquartier der Constabulary und die Militärregierung für Württemberg-Baden. Da die Lokalberichterstattung über die dortige amerikanische Gemeinde zu kurz kam, beantragte der Chef der Informations- und Bildungsabteilung im März 1948 die Eröffnung eines AFN-Studiosenders. Das Genehmigungsverfahren verlief nicht gerade zügig, aber bis Anfang Juni stimmten die verschiedenen zuständigen Stellen im Europäischen Befehlsbereich nach und nach zu. Dies geschah passender Weise zeitlich so, dass der stellvertretende Stabschef damit auf eine Beschwerde des Direktors der Militärregierung von Württemberg-Baden reagieren konnte, der die Vernachlässigung Stuttgarts in den AFN-Nachrichten beklagt hatte. Die Einrichtung von AFN Stuttgart nahmen beide zum Anlass, das strapazierte Verhältnis zwischen Militär und Militärregierung zu pflegen und die gute Zusammenarbeit der beiden Dienststellen zu beschwören. AFN hingegen schien gar nicht auf die Genehmigung gewartet zu haben. Bereits im März hatte er mit der Produktion von Sendungen aus Räumen des Hotels „Graf Zeppelin“ in der Stuttgarter Innenstadt begonnen.49 48
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Zur These, dass die Blockade die Existenz von AFN rettete, siehe etwa afn. Roots of Military Broadcasting, 14, MS, o. J. [Anfang der 1980er], Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 73; Christman, Brass Button Broadcasters, 76; Miller, American Forces Radio and Television Service (unveröff.), 56 f.; Swain, Reminisces. AFN Stuttgart feierte später den 17. März 1948 als seinen ersten Sendetag. COL O. McCormick, C/TI&E, an C/S EUCOM, 15. März 1948, Box 79, Dec File 1948, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; Internal Route Slip, HQ EUCOM, Subject: Request for AFN Reporter, Stuttgart, 28. Mai 1948, ebd.; C/TI&E an DC/S, 4. Juni 1948, ebd.; MG C. B. Magruder, DC/S, EUCOM, an C. M. LaFollette, Dir/OMG Wuerttemberg-Baden, 5. Juni 1948, ebd.; LaFollette an Magruder, 14. Juni 1948, ebd. Siehe auch W. F., One
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Als Vorbote des bevorstehenden politischen Wechsels in Deutschland kündigte sich eine weitere Veränderung im AFN-Sendernetz an. General Clay bestand nämlich darauf, dass der Militärrundfunk so rasch wie möglich das von AFN Bremen okkupierte Gebäude an deutsche Stellen zurückgeben sollte. Da sich die US-Truppen in Norddeutschland zunehmend in Bremerhaven konzentrierten, sollte der Lokalsender den Soldaten dorthin folgen. AFN zögerte den Umzug zwar längere Zeit hinaus, ab Mai 1949 bezog er aber „Gebäude Zwei“ der Staging Area (später Carl Schurz Kaserne). Im Oktober des Jahres kam dann das Ende für AFN Bremen, und AFN Bremerhaven übernahm „the gateway to the ETO and home“.50 Die im selben Jahr gegründete teilsouveräne Bundesrepublik machte Militärgouverneure und Besatzungstruppen in bisheriger Form überflüssig. Im September gaben die US-Streitkräfte daher endgültig die Verantwortung für die Verwaltung Deutschlands an das Außenministerium ab. Von nun an standen dem neuen westdeutschen Staat zivile Hochkommissare zur Seite. Die amerikanischen Truppen in Deutschland konnten sich ganz ihren militärischen Aufgaben im Kalten Krieg zuwenden.51 Die amerikanischen Verteidigungspläne sahen lange Zeit vor, dass sich die geringe Zahl der in Deutschland stationierten US-Truppen bei einem Angriff der Sowjetunion aus West-Europa zurückziehen und mit Verstärkungen frühestens nach zehn Monaten mit der Rückeroberung beginnen würden. Damit die amerikanischen Soldaten und Zivilisten rechtzeitig reagieren konnten, arbeitete das Militär einen Rückzugsplan aus, bei dem auch AFN eine Rolle spielte. Ab Oktober 1948 musste jede US-Einheit das Programm des Militärsenders überwachen, um mögliche Alarmierungen oder Anweisungen über Radio empfangen zu können. AFN war neben dem Telefon und dem internen Militärfunk das dritte Notfallkommunikationsmittel der amerikanischen Streitkräfte und dasjenige, welches mit einem normalen Radiogerät Millionen von „unbefugten“ Hörerinnen und Hörern zugängig war. Sorgen wegen einer möglichen Beunruhigung der uneingeweihten Hörerschaft erwiesen sich je-
50
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Man Radio Station, in: Weekend, 30. März 1947; Arnie Pugh, AFN Stuttgart, in: Jayhawk, 17. März 1962. Vgl. Provan, The AFN Story, 181. R. B. Redlich, PIO, OMG for Bremen, an Dir/OMG for Bremen, 10. Februar 1948, Box 65, Corr & Other Records 1947–1948, PIO, OMG Bremen, RG 260, NACP; A. Saron, DC/Radio Control Br, an C/ICD, 10. Februar 1948, ebd.; Dunn, Dir/OMG for Bremen, an MG G. P. Hays, Dep Mil Gov, OMGUS, 10. Februar 1948, ebd.; Hays an Dunn, 11. Februar 1948, ebd.; Suid-Interview Wuriu, Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; [Baecker/Goepert,] History of AFN Bremerhaven and AFN Bremen, MS, o. D. [1962], 228-10 Installation Historical File, AFN Historical File; History of AFN Bremerhaven, MS, o. D. [1973], ebd.; Hans-Stefan Uhlmann, Bremen, an die Autorin, 28. März 2000. Vgl. Provan, The AFN Story, 100 f.; Ritter, Vorort von New York?, 92, 229. Siehe etwa Davis, Come as a Conqueror, 233–236; Schraut, Vom Besatzer zum Beschützer, 146–151.
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doch als unnötig, denn Testbotschaften zur Überprüfung des militärischen Warnsystems fielen nicht weiter auf.52 Die Rolle, die die US-Armee bei der Besatzung Deutschlands spielte, wird unterschiedlich bewertet, kann aber wohl insgesamt als erfolgreich angesehen werden. Nach dem Abzug des größten Teils der Truppen hatte sich das Militär zunächst für seine überwiegend innenpolitischen Aufgaben umstrukturieren müssen, und aus einer Kampftruppe wurde eine Art Polizei. In dieser Zeit erlebten die Streitkräfte große interne Schwierigkeiten, die unter anderem mit der schlechten Ausbildung vieler Soldaten und massiven Disziplinproblemen zu tun hatten. Die Armeeführung wollte das Verhalten der GIs mit Strafen, Ermahnungen und positiven Anreizen verbessern. Als Armee-Einheit war AFN Teil des Problems, sollte als Radiosender aber auch Teil der Lösung werden. Der Militärrundfunk gehörte zum Truppenschulungsprogramm und setzte alle Kampagnen der militärischen Führung um. Solche Maßnahmen zeigten aber letztlich erst im Zusammenspiel mit Veränderungen im Alltag der Soldaten eine positive Wirkung. Dafür schuf die Armee für die GIs und die ab 1946 eintreffenden militärischen Familienangehörigen einen amerikanischen Mikrokosmos, der sie zugleich versorgte und schützte, aber auch Konformität erzeugen sollte. Die zunehmende Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion veränderte auch die Lage des US-Militärs in Europa, die – wie besonders während der Berlin-Blockade gesehen – sich von Besatzern zu Beschützern Westdeutschlands wandelten. Die USA halfen beim Aufbau des zukünftigen westdeutschen Staates und beschnitten dafür auch amerikanische Besatzungsprivilegien. AFN musste im Folgenden finanzielle Einschränkungen hinnehmen und zum Beispiel beschlagnahmte Gebäude oder Rundfunkleitungen zurückgeben. Wie die Neueröffnung eines Lokalsenders in Stuttgart oder der verzögerte Umzug nach Bremerhaven gezeigt haben, wusste der Militärrundfunk dabei jedoch gewisse Handlungsspielräume auszunutzen. Konflikte gab es in dieser Zeit weniger mit deutschen Stellen, als vielmehr durch Rivalitäten verschiedener amerikanischer Behörden, die in der US-Zone vertreten waren. Wie beschrieben, stritten sich zum Beispiel die Streitkräfte mit dem Außenministerium oder die Waffengattungen Heer und Luftwaffe um Einfluss und Ressourcen im Rundfunkbereich. Diese inneramerikanischen Kontroversen sollten andauern, auch wenn die Probleme mit äußeren Instanzen durch die Gründung der Bundesrepublik und die Zuspitzung des Kalten Krieges in der Folgezeit zunahmen.
52
COL S. G. Conley, Dir/OPOT, EUCOM an C/S, 29. April 1949 (mit Anlagen), Box 127, Dec File 1949, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; Suid-Interview Adelman, 38 ff., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. etwa Schraut, Vom Besatzer zum Beschützer, 59–75. Siehe hierzu auch Kapitel 4.
DIE FÜNFZIGER UND SECHZIGER JAHRE 4. „EINE GUTE REICHWEITE VON AFN IST FÜR DIE SICHERHEIT UNERLÄSSLICH“. BEI DER AUSEINANDERSETZUNG UM RADIOPROPAGANDA MITTENDRIN – UND DOCH NICHT DABEI Would like to make very clear that proper AFN coverage is essential to security with which CINCEUR is charged as such coverage is essential in emergency. A secondary but most important need is for morale of the occupation forces which must be maintained. Aus einem Fernschreiben im Namen des Oberkommandierenden der US-Streitkräfte in Europa, Juni 1950.1
Im Frühjahr 1950 saßen Hörerinnen und Hörer in ganz Europa an ihren Radiogeräten und suchten auf der Frequenzskala den neuen Platz ihres Lieblingssenders. Ab dem 15. März galt der sogenannte Kopenhagener Wellenplan, der den verschiedenen Ländern die Nutzung bestimmter Mittelwellenfrequenzen vorschrieb. Die Praxis nach den neuen Regeln erwies sich als kompliziert, denn beim täglichen Programmbetrieb kam es zu Störungen durch benachbarte Rundfunksender. Diese Probleme wurden dadurch verstärkt, dass es für die bestehenden Radiostationen zu wenige Frequenzen gab und sich daher etliche Staaten nicht an das Kopenhagener Abkommen halten wollten. Die zumeist bilateral gefundenen Lösungen und Kompromisse zeigten oft dominoartige Auswirkungen für andere Radiosender auf dem Kontinent, die im Nachhinein kaum mehr nachzuvollziehen sind: Die USA und Frankreich hatten zum Beispiel angenommen, dass sich AFN Munich und der französische Sender in Nizza eine Frequenz teilen könnten. In der Praxis zeigte sich aber, dass sie sich gegenseitig beeinträchtigten. Daraufhin versprachen französische Stellen AFN eine algerische Mittelwelle, doch ihr Entgegenkommen wurde durch das Verhalten der Voice of America gebremst. Denn diese nutzte die Frequenz, die dem Südwestfunk (der deutschen Rundfunkanstalt in der ehemaligen französischen Besatzungszone) zugeteilt war. Der Südwestfunk musste daraufhin auf eine türkische Frequenz ausweichen und Frankreich sah sich gezwungen, die Nutzung einer französischen Mittelwelle durch die Türkei zu tolerieren, obwohl dies die 1
Die Abkürzung CINCEUR steht für den Oberkommandierenden der US-Streitkräfte in Europa, General Thomas T. Handy. Verfasser des geheimen Fernschreibens ist Colonel Otis McCormick, C/I&E Div, EUCOM. CINCEUR sgd Handy to C/S, USA, for C/Sig O, Ref. No. SX-3232, 8. Juni 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP.
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Radiostation in Limoges beeinträchtigte. Vom Verhalten der Voice of America war zudem Bordeaux betroffen, denn die UdSSR störte den amerikanischen Propagandasender und traf damit auch die südfranzösische Station, die auf dem Frequenzspektrum benachbart lag. Können Sie noch folgen? Dies ist übrigens nur einer der vielen Handlungsstränge, die sich nach dem Inkrafttreten des Kopenhagener Wellenplans entwickelten. Er soll hier allein als Beispiel dafür dienen, welch verworrene Verhältnisse Anfang der fünfziger Jahre entstanden, als viele Radiostationen nach geeigneten Frequenzen, Leistungsstärken oder Sendemustern suchten.2 In diesem Kapitel geht es zunächst um die Verhandlungen, die zum Kopenhagener Wellenplan führten. Ein technischer Mitarbeiter von AFN und verschiedene Vorgesetzte des Militärrundfunks waren direkt an den Auseinandersetzungen um die Frequenzen beteiligt, insgesamt spielte sich dieser Prozess aber auf der diplomatischen Ebene und in unterschiedlichen Bereichen der amerikanischen Verwaltung ab. Hierbei erwies sich die Koordination der verschiedenen Ansprüche im europäischen Rundfunkbereich als fast unmöglich und dies war auch nach Inkrafttreten des Wellenplans spürbar. Auf internationaler Ebene hatte kaum ein Land für die vielen von den USA unterstützten Rundfunksender Verständnis. Dies betraf die deutschen Rundfunkstationen in der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone, den Militärrundfunk und Propagandasender wie RIAS oder die Voice of America. Um den Bestand all dieser Sender nicht zu gefährden, verstießen die Vereinigten Staaten absichtlich gegen die Kopenhagener Abmachungen und suchten nach Alternativen durch Ausleihen oder Teilen von Mittelwellenfrequenzen, die anderen Ländern zugeteilt waren. Dies führte zu internationalen Verwicklungen und auch zu Interessenskonflikten zwischen den amerikanischen und US-protegierten Radiosendern in Deutschland. Den Streitkräften ging es darum, AFN als Kette von eigenständigen Stationen zu erhalten, die auf Mittelwelle mit hoher Leistung sendete. Neben der Versorgung der amerikanischen Soldaten mit Hörfunk spielte für das Militär vor allem die Aufgabe von AFN als Kommunikationsmittel im Kriegsfall eine Rolle. Dieser Beitrag zum Sicherheitskonzept in Westeuropa war es, der den Status quo von AFN über Jahre bewahren helfen sollte.
2
Am Embassy Paris sgd Bruce an Dept of State, 15. April 1950, ebd.; Am Embassy Paris sgd Bruce an Dept of State, 20. April 1950, ebd.; Summary of Events Resulting from Copenhagen Conference, Anlage von GEN T. T. Handy, CinC/EUCOM, an C/S, USA, 9. Mai 1950, ebd.; COL F. Dorn, A C/Info, Summary: Radio Frequencies in Germany, 25. Mai 1950, Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP; Acheson, Sec of State, an Am Embassy Ankara, 1. März 1950, Box 1672, Dec File 1950–1954, RG 59, NACP. Siehe hierzu etwa auch Confusion Over Wavelengths. Propaganda All One Way, in: Manchester Guardian, 17. März 1950.
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Anschließend werden die Propaganda-Aktivitäten der Vereinigten Staaten in Europa thematisiert und der mit der Sowjetunion geführte „Ätherkrieg“ angesprochen. Hierbei geht es nicht um eine ausführliche Darstellung des amerikanischen Auslandsrundfunks, sondern vielmehr um die Situation von AFN in dieser Auseinandersetzung. Um seine Aufgaben erfüllen zu können, musste sich der Militärrundfunk möglichst umfassend aus den Konflikten um Propaganda heraushalten. Es wird sich zeigen, dass dies nicht nur eine technische Aufgabe war. Darüber hinaus erforderte es von den Streitkräften Verhandlungsgeschick und ein ausgewogenes Vorgehen bei der Öffentlichkeitsarbeit. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war der Rundfunk europaweit nur provisorisch geregelt. Gerade im Mittelwellenbereich hatte sich durch den Wiederaufbau und Ausbau der verschiedenen nationalen Radiosender ein wahres Wellenchaos entwickelt. Auf einer Konferenz in Kopenhagen wollten die europäischen Staaten daher ab Juni 1948 die Verteilung der Frequenzen neu festlegen. Eines war bereits vorab klar: Die Ansprüche der verschiedenen Länder überstiegen die vorhandenen Frequenzen bei Weitem. Daher traf sich eine Kommission mit Vertretern aus Belgien, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz, Großbritannien, Frankreich, der Sowjetunion und Jugoslawien im Januar 1948 in Brüssel, um Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Die widersprüchlichen nationalen Forderungen und der Ost-West-Konflikt behinderten die Arbeit der Vorbereitungsgruppe, und trotz Verhandlungen bis weit in den Juni hinein konnte sich die Acht-Länder-Kommission nicht auf einen Entwurf einigen. Der Alliierte Kontrollrat sollte deutsche Interessen vertreten, war aber durch den Rückzug der sowjetischen Vertreter im März 1948 handlungsunfähig geworden und daher bereits bei den Vortreffen in Brüssel nicht mehr bis zum Schluss dabei. Dies war vor allem für die USA ein Problem, denn als Besatzungsmacht wollten sie den Bestand ihrer Sender in Deutschland sichern, waren als nichteuropäischer Staat aber nur als Beobachter zugelassen. Das amerikanische Modell des Regional- oder sogar Lokalfunks stieß in Europa überwiegend auf Ablehnung. Frequenzforderungen für die deutschen Rundfunksender in der US-Zone sowie für AFN, RIAS und die Voice of America fanden daher keine europäischen Fürsprecher.3 Die Ergebnisse der Kopenhagener Konferenz bestätigten die Tendenzen der Vorbereitung. Bei allen Differenzen in Detailfragen und trotz politischer Blockbildung herrschte bei den 32 teilnehmenden Ländern zumindest in Bezug auf Deutschland Übereinstimmung. Die Ende Juli 1948 beschlossene Regelung sah die Nutzung von drei geteilten Mittelwellenfrequenzen pro deutscher Besatzungszone vor, von denen jeweils eine für den alliierten Militärrundfunk reserviert war. Diese Entscheidung wurde vielfach als indirekte 3
Craig, Medium-wave Frequency Allocations, 119 f., 124 f.; Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 386 ff.
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Bestrafung Deutschlands durch ehemalige Kriegsgegner gewertet, was die beteiligten Staaten aber abstritten und ihrerseits auf die politische Teilung des Landes verwiesen. Von den deutschen Besatzungsmächten erschien der Kopenhagener Plan vor allem den Vereinigten Staaten als ungerecht. Dies war nicht erstaunlich, denn er hätte das Ende der amerikanischen Rundfunkpläne bedeutet: Mit drei Frequenzen für die US-Zone ließen sich ein föderal angelegter deutscher Rundfunk, eine regional differenzierte Militärsenderkette und die amerikanischen Propagandaradios nicht betreiben. Verschiedene Politiker und Medien werteten den Ausgang der Kopenhagener Konferenz daher auch als diplomatische Niederlage für die USA, besonders im Ost-West-Vergleich. Als bloße Beobachter der Konferenz blieb den Vereinigten Staaten nur, ihren Protest offiziell zu Protokoll zu geben. Die USA führten an, dass nur ein Friedensvertrag die Rundfunkfrequenzen in Deutschland regeln könne. Deshalb und wegen seines Beobachterstatus fühlten sich die Vereinigten Staaten juristisch nicht an die neue europäische Frequenzverteilung gebunden, die am 15. März 1950 in Kraft treten sollte.4 Auch wenn sich die US-Seite in der Ablehnung des Kopenhagener Wellenplans einig war, mussten die Betroffenen im Außenministerium und Militär noch ihre zukünftige Vorgehensweise abstimmen. Die Vereinigten Staaten hatten bisher grundsätzlich die Schaffung von internationalen Frequenzzuweisungen gefordert, um anarchische Zustände im Rundfunkbereich zu verhindern. Dies hatte einen politischen Hintergrund, denn dadurch sollte der ungehinderte Informationsfluss ermöglicht werden, der für eine weltweite demokratische Entwicklung unerlässlich sei.5 Das US-Außenministerium setzte deshalb auf die multinationalen Verhandlungen in Brüssel und Kopenhagen, obwohl die eigene Militärregierung in Deutschland bereits vorab gewarnt hatte, dass die amerikanischen Ansprüche in einem europäischen Frequenzplan niemals berücksichtigt würden. Dies galt unabhängig vom Status der USA auf der Konferenz, denn auch als reguläre Teilnehmer hätten die Vereinigten Staaten ihre Position nicht durchsetzen können. Die dezentrale amerikanische Radiotradition und die verstärkten Propaganda-Aktivitäten in Deutschland widersprachen europäischen Vorstellungen und gefährdeten die 4
5
[R. R. Burton, Dept of State, 27. April 1949,] Aktennotiz beginnend mit „The Department of State refers the French Embassy to its note No. 388 […]“ (nachf. zit. als: Burton, Dept of State, 27. April 1949), Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP; Anderson, Am Embassy Kopenhagen, an Dept of State, 15. März 1950, Box 1672, Dec File 1950–1954, RG 59, NACP. Vgl. Craig, Medium-wave Frequency Allocations, 128, 131 f.; Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 387 ff.; Stuiber, Medien in Deutschland, 70 ff. Dies hatte die USA vorbildlich im eigenen Land umgesetzt und international zuletzt 1947 auf der Rundfunkkonferenz in Atlantic City vertreten. Vgl. Craig, Medium-wave Frequency Allocations, 131; Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 386. Siehe etwa auch F. H. Trimmer, Solution to German Broadcasting Problem, 23. Januar 1950, Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP.
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Interessen einzelner Länder. Eine Neuverhandlung des Wellenplans erschien deshalb nicht gerade vielversprechend, zumal die Ost-West-Spaltung die Konflikte im Rundfunkbereich noch verstärkte. Weiterhin war den amerikanischen Experten klar, dass auch die von den USA in Kopenhagen offiziell vertretene Version, die Frequenzen in Deutschland mit einem Friedensvertrag regeln zu wollen, unrealistisch war, da nicht alle Unterzeichnerstaaten des Kopenhagener Abkommens Teil des Friedensvertrags sein würden.6 Doch der Kopenhagener Wellenplan war auch in Europa nicht unumstritten. Von den 32 stimmberechtigten Ländern hatten sieben Staaten ihre Unterschrift verweigert und ganze zwanzig Teilnehmer protestierten gegen Teile der Regelungen. Der Frequenzplan schränkte viele nationale Rundfunkanstalten ein und gerade kleinere Staaten fühlten sich übervorteilt.7 Die meisten Länder fanden die Störungen durch das vorherrschende Mittelwellenchaos jedoch schlimmer als die Beschneidungen durch die Ergebnisse von Kopenhagen. Der neue Plan erschien ihnen als einzige realistische Chance, Ordnung in die europäische Frequenznutzung zu bekommen. Diese Haltung wurde auch bei einem Treffen Ende 1949 in Washington deutlich, bei der Großbritannien und Frankreich die USA von der Notwendigkeit der Einhaltung des Abkommens überzeugen wollten. Die beiden europäischen Verbündeten hatten die Absicht, sich an die Kopenhagener Regelungen zu halten, und befürchteten, dass die Sowjetunion auf einen US-Verstoß mit einem „Ätherkrieg“ reagieren würde, der letztlich allen Ländern schade.8 Die Haltung der USA blieb zwiespältig. Außer für Deutschland sahen die Amerikaner im Kopenhagener Wellenplan eine gute Chance, den ungehinderten Informationsfluss per Radio in Europa zu ordnen und abzusichern. Die 6
7
8
OMGUS sgd Hays an HQ DA for CSCAD, 16. Januar 1948, Box 79, Dec File 1948, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; [Burton, Dept of State, 27. April 1949], Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Dept of State sgd Acheson an Am Embassy Paris for Radius, 14. Februar 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP. Vgl. Craig, Medium-wave Frequency Allocations, 122; Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 386, 400. Internationale Kriterien für die Zuteilung der Radiofrequenzen waren die Geographie eines Landes, die Größe der Bevölkerung oder die Anzahl sprachlicher und ethnischer Gruppen. Der Kopenhagener Wellenplan berücksichtigte daher zum Beispiel die Verbreitung und wirtschaftliche Macht einer Rundfunkstation wie Radio Luxembourg nicht. Vgl. Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 389 f., 402 f. Siehe auch [Burton, Dept of State, 27. April 1949], Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Dept of State sgd Acheson an HICOG Frankfurt A-140, 4. Februar 1950, Box 1672, Dec File 1950–1954, RG 59, NACP. British Memo handed by Mr. Bevin to Mr. Acheson: The Copenhagen Plan, o. D., zit. n. [Burton, Dept of State, 27. April 1949], 6 f., Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/ Info, C/S, RG 319, NACP; F. H. Trimmer: US-UK-French Talks on Copenhagen Plan, Notes on December 7 Meeting, 8. Dezember 1949, ebd.; Dept of State fr Lewis, Martin and Adelman sgd Acheson an HICOG Frankfurt for Nicholson and Merill, 3. Dezember 1949, Box 127, Dec File 1949, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP.
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Vereinigten Staaten blieben aber bei der Nichtanerkennung des Abkommens, um alle US-protegierten Rundfunkstationen in Europa zu erhalten. Abweichend vom neuen Wellenplan sollten fehlende Frequenzen „ausgeliehen“ oder mit anderen Ländern geteilt werden, ohne die gesamteuropäische Regelung zu gefährden. Hierbei sollten technische Vorkehrungen verhindern, dass die amerikanische Nutzung den Rundfunk der rechtmäßigen Frequenzinhaber störte. Letzteres war kein leeres Versprechen, denn die USA praktizierten diese Methoden erfolgreich im eigenen Land.9 Die amerikanischen Verhandlungsführer betonten stets, dass die USA einen Ansatz verfolgten, der die Nutzung der begrenzten Frequenzen durch möglichst viele Rundfunksender ermöglichen würde. Das amerikanische Vorgehen sollte den Rundfunk in Europa weder beeinträchtigen noch einen Ätherkrieg provozieren. Diese beschwichtigenden Absichtserklärungen ließen allerdings wichtige Bedenken zu diesem Thema aus, denn intern erwarteten US-Experten durchaus eine Auseinandersetzung mit dem Ostblock auf dem Gebiet der Radiopropaganda. Nachdem die Vereinigten Staaten 1948 beschlossen hatten, die Voice of America auch in Europa verstärkt senden zu lassen, waren deren Programme immer wieder aus dem Osten gestört worden. Ebenso wie zum Beispiel Großbritannien wollten sich die USA davon aber nicht von ihren Propaganda-Aktivitäten abhalten lassen und versuchten auf verschiedene Weise, den Störungen zu entgehen. Auch nach Inkrafttreten des Kopenhagener Abkommens konnten die Verantwortlichen davon ausgehen, dass die Sowjetunion westliche Radiosignale in ihrem Einflussgebiet aktiv bekämpfen würde. Nicht absehbar war, ob und inwieweit westliche Sender für heimisches Publikum davon betroffen wären.10 Noch vor Inkrafttreten des Wellenplans zementierte die Gründung einer westeuropäischen Radiovereinigung im Februar 1950 die Blockbildung im Rundfunkbereich. Die dabei anwesenden Staaten trafen sich anschließend in London mit den USA, um ihr weiteres Vorgehen abzusprechen. Der amerikanische Vorschlag, den Geltungsbeginn des Wellenplans zu verschieben, fand 9
10
Dies geschah durch technische Absprachen, die Benutzung von Richtantennen oder die Einschränkung der Sendeleistung. Die USA rechneten westeuropäischen Staaten vor, dass diese Maßnahmen in Nordamerika über 2.000 Mittelwellen-Sender bei 20 Exklusivwellen (clear channels) ermöglichen würden (bei einer Begrenzung auf 50 Kilowatt). In Europa würden trotz 42 Exklusivwellen nicht alle Rundfunkstationen problemlos senden können, da die Europäer Sendestärken bis zu 150 Kilowatt zuließen und keine systematische Frequenzteilung betrieben. London Talks on the Copenhagen Broadcasting Plan (Session of 18th February), Anlage 4 von Wm. H. J. McIntyre, Telecommunications Attaché London No. 939, an Dept of State, 27. Februar 1950, Box 1672, Dec File 1950–1954, RG 59, NACP. Vgl. Craig, Medium-wave Frequency Allocations, 128 f.; Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 392, 396. F. H Trimmer, Dept of State: Solution to German Broadcasting Problem, 23. Januar 1950, Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP; Dept of State sgd Acheson an HICOG Frankfurt, 10. Februar 1950, Box 1672, Dec File 1950–1954, RG 59, NACP. Vgl. Hixson, Parting the Curtain, 33–36.
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dort ebenso wenig Unterstützung wie die Absicht, nicht zugeteilte Frequenzen zu nutzen. Die meisten westeuropäischen Staaten hatten den Vertrag von Kopenhagen ratifiziert und hielten die Zeit zur Vorbereitung der Umstellungen für ausreichend. Viele Länder zeigten zwar Verständnis für die Probleme der USA, fürchteten aber weiterhin, dass abweichendes Verhalten die mühsam gefundene einheitliche Regelung des Rundfunks in Europa gefährden könnte. Immerhin boten einige Staaten an, Frequenzen mit dem Rundfunk in der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone zu teilen. Trotz der anhaltenden Meinungsverschiedenheiten werteten die Vereinigten Staaten das Treffen als Erfolg: Die Amerikaner hatten ihren Verbündeten die US-Pläne offen dargelegt und ihren Willen zur Kooperation gezeigt. Sie würden auch gegen den Willen ihrer westeuropäischen Partner gegen das Kopenhagener Abkommen verstoßen und erwarteten von ihnen zumindest stillschweigenden Rückhalt für das amerikanische Vorgehen.11 In der kurzen, verbleibenden Zeit bis zum 15. März mussten die USA konkrete Entscheidungen für den Sendebetrieb treffen. Die zuständigen Stellen im Außenministerium suchten daher 16 Frequenzen, bei denen sie davon ausgingen, dass sie durch ihre illegitime Nutzung andere Staaten nicht behindern würden. Die deutschen Sender in der amerikanischen Zone bekamen sechs Mittelwellen zugewiesen, AFN sieben, RIAS zwei und die Voice of America eine Frequenz. Offiziell wachte ein Ausschuss der Alliierten Hochkommission über die Vergabe von Rundfunkfrequenzen in der Bundesrepublik. Trotz unterschiedlicher Ansichten arrangierten sich die drei Westmächte schnell. Das amerikanische Kommissionsmitglied informierte seine britischen und französischen Kollegen über die US-Frequenzwahl, forderte aber nicht deren Zustimmung. Die Briten und Franzosen leisteten „passiven Widerstand“, indem sie das amerikanische Vorgehen nach außen kritisierten, es insgesamt aber tolerierten. Die „gekaperten“ Frequenzen der amerikanischen Sender wurden vorab veröffentlicht, damit sich alle Radiobetreiber darauf einstellen konnten. Dies war auch nötig, denn nicht nur die USA und ihre Rundfunkstationen in Deutschland hatten sich für die Nutzung nicht zugeteilter Wellen entschlossen.12 11
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London fr Radius an Dept of State, 17. Februar 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; Mil Attaché London an CINCEUR for Noce, 17. Februar 1950, ebd.; Mil Attaché London fr McCormick sgd Leonard an CINCEUR for Noce, 18. Februar 1950, ebd.; London sgd Holmes an Dept of State 19. Februar 1950, ebd.; Mil Attaché London sgd McCormick an CINCEUR attn GEN Noce, 19. Februar 1950, ebd.; Wm. H. J. McIntyre, Telecommunications Attaché London No. 939, an Dept of State, 27. Februar 1950 (mit Anlagen), Box 1672, Dec File 1950– 1954, RG 59, NACP. HICOG Frankfurt sgd Hays an Sec of State, 10. März 1950, Box 347, Dec File 1949– 1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP; C. J. Goll, Sec/HICOG Coordinating Committee, an HICOG Policy Committee, 23. Juni 1951, ebd.; Holmes, London, an Sec of State, 25. März 1950, Box 1673, Dec File 1950–1954, RG 59, NACP.
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Nach der Theorie die Praxis Der Überlieferung nach brach Radio Luxembourg zuerst das Kopenhagener Abkommen und weitere Sender folgten rasch. Wie am Kapitelanfang angedeutet, teilten die Franzosen zumindest zeitweise ihre Frequenzen bereitwillig mit den Amerikanern und selbst die Briten wiesen in ihrer Zone dem NWDR „illegale Wellen“ zu.13 Trotz bester Absichten und technischer Vorkehrungen kam es in ganz Europa zu Störungen. Etliche Länder beschwerten sich über die Rundfunkstationen in der amerikanischen Zone und besonders Ostblockstaaten protestierten lautstark gegen den Vertragsbruch durch die USA. Um keinen allumfassenden Ätherkrieg mit der Sowjetunion zu provozieren, spielten die Amerikaner die Störungen herunter und beeilten sich, sie zu beseitigen. Dies hing jedoch auch von den jeweiligen bilateralen Beziehungen ab. Gerade bei kleineren Staaten konnten die USA politischen oder wirtschaftlichen Druck ausüben, um deren Frequenzen nutzen zu dürfen. Insgesamt zeigte sich aber, dass die Planer im US-Außenministerium zu optimistisch gewesen waren. Die meisten europäischen Staaten wollten nämlich ihre Frequenzen nicht teilen, wenn dafür technische Investitionen nötig waren oder sich dadurch Einschränkungen in der Reichweite ergaben. Da der Widerstand gegen das Vorgehen der USA heftiger war als zuvor angenommen, mussten vor allem die deutschen Anstalten und AFN kosten- und zeitaufwendig herumprobieren, wie sie senden konnten, ohne internationale Proteste hervorzurufen.14 Der amerikanische Militärrundfunk versuchte mit einem mehrstufigen Plan, der neuen Situation zu begegnen. Neben den vorhandenen MittelwellenAnlagen hatte sich AFN für die erste Zeit nach Inkrafttreten des Kopenhagener Abkommens über zwanzig Sendeanlagen mit einer Leistung von 350 Watt von der Fernmeldetruppe ausgeliehen, um entstehende Empfangslöcher abzudecken. Diese Anlagen erwiesen sich aber als Frequenz-instabil und waren für den Rundfunkbetrieb kaum geeignet. Außerdem war der Betrieb eines engma13
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[HICOG] Frankfurt sgd McCloy an Sec of State, 16. März 1950, Box 1672, ebd.; L. Adelman, C/Opns, AFN, Aktennotiz „Problem: To assure satisfactory radio broadcast coverage for the U. S. Forces in Germany“, o. D. [1950], Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP. Siehe auch Die Situation nach Kopenhagen, in: Funk-Fachhändler, April 1950. Vgl. Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 389 f., 402 f. Bruce, Am Embassy Paris, an Dept of State, 24. Februar 1950, Box 1672, Dec File 1950–1954, RG 59, NACP; Webb, Dept of State, an HICOG Frankfurt, 16. März 1950, ebd.; Policy Advisory Staff, O of the Asst Sec for Public Affairs, Dept of State: Special Guidance No. 38: Broadcasting Frequency Changes, 10. März 1950, Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S RG 319 NACP; A. D. Ring & Co., Consulting Radio Engineers an W. Radius, C/O of Transport and Communications, Dept of State, 24. April 1950, Box 1673, ebd.; COL F. Dorn, A C/Info, Summary: Radio Frequencies in Germany, 25. Mai 1950, ebd. Vgl. Craig, Medium-wave Frequency Allocations, 129.
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schigen Sendernetzes auf Dauer zu kostenintensiv. Langfristig wollte AFN die Anzahl seiner Sender daher wieder auf den Stand von vor 1950 reduzieren und mit ein bis zwei neuen Mittelwellenanlagen mit hoher Leistung seine Reichweitenprobleme lösen. Bis dieses Konzept aufgehen konnte, musste das Militär aber noch erhebliche Widerstände überwinden.15 Im amerikanischen Lager kämpften vier beziehungsweise fünf verschiedene „Gruppen“ von Rundfunksendern um Frequenzen und Ressourcen. Neben dem Militärsender AFN waren dies die vom Hochkommissariat vertretenen deutschen Rundfunkanstalten und die offiziellen amerikanischen Auslandssender RIAS und Voice of America. Auch Stationen wie Radio Free Europe und Radio Liberation/Radio Liberty sollten noch hinzukommen. Letztlich legte das US-Außenministerium die Frequenznutzung eigenverantwortlich fest und vertrat die amerikanischen Rundfunkinteressen in Deutschland international. Das State Department war zu diesem Zeitpunkt intensiv mit dem Ausbau seiner Propagandastationen beschäftigt und musste dabei immer wieder auf sowjetische Störsender reagieren. Von AFN und den deutschen Rundfunkanstalten forderte es daher einen möglichst geringen Frequenzbedarf und hohe Flexibilität in Bezug auf deren Sendemuster. Das Kopenhagener Abkommen hatte AFN 1948 ganz regulär eine Mittelwellenfrequenz zugeteilt und seitdem drängte das US-Außenministerium das Militär, sich auf diese zu beschränken. Dafür hätte AFN allerdings komplett umgebaut werden müssen in ein Netz von vielen Sendern mit geringer Leistungsstärke, das nur noch ein zentrales Programm hätte ausstrahlen können.16 Welche Auswirkungen fehlender Rückhalt bei der eigenen Regierung haben konnte, zeigt das Beispiel des britischen Militärrundfunks. Großbritannien verstieß zwar teilweise auch gegen das Kopenhagener Abkommen, wollte dies für BFN aber nicht vertreten. Insofern teilte sich der Militärsender in Deutschland nach 1950 eine Mittelwellenfrequenz mit der BBC und musste sich dabei mit einzelnen Programmfenstern begnügen. Gleichzeitig wurden seine finanziellen Mittel radikal gekürzt und Personal abgebaut. Aus dieser existenziellen Krise wollte sich der britische Militärrundfunk befreien, indem 15
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COL O. McCormick, C/A-AF TIED, an C/S, 18. Januar 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; CINCEUR sgd Handy an C/S, USA, Ref. No. SX-1850, 10. März 1950, ebd.; GEN T. T. Handy, CinC/EUCOM, an C/S, USA, 9. Mai 1950 (mit Anlagen), ebd.; [HICOG] Frankfurt sgd McCloy an Dept of State, 16. März 1950, Box 1672, Dec File 1950–1954, RG 59, NACP; A. D. Ring & Co., Consulting Radio Engineers, an W. Radius, C/O of Transport and Communications, Dept of State, 24. April 1950, Box 1673, ebd. Vgl. Strößner, AFN in Nordbayern, 22 f. Siehe hierzu etwa Dept of State sgd Acheson an Paris for Radius, 14. Februar 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; GEN T. T. Handy, CinC/EUCOM, an C/S, USA, 9. Mai 1950 (mit Anlagen), ebd.; R. F. Corrigan, Pol Adv, an VC/S, 5. Mai 1950, ebd.; Aktennotiz von W. A. Kelley, O of Sec Def, für COL S. Y. McGiffert, 23. Mai 1950, ebd.; C/S, USA sgd Collins an CINCEUR for Handy, 26. Mai 1950, ebd.
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er seinen Sendebetrieb in Deutschland auf UKW umstellte. Dies gelang allerdings erst Anfang 1956! Danach konnte BFN immerhin wieder ein komplettes Programm ausstrahlen und bekam auch mehr Geld und Personal zugewiesen. Das US-Außenministerium hätte eine ähnliche (wenn auch weniger radikale) Entwicklung für AFN begrüßt, doch das amerikanische Militär wusste dies zu verhindern.17 Die US-Streitkräfte hatten mehrere Gründe für ihren Widerstand. Öffentlich argumentierten sie mit den Aufgaben von AFN als Hörfunksender. Anders als die britischen Soldaten könnten amerikanische GIs in Deutschland keine Heimatsender empfangen, die sie mit Informationen und Unterhaltung versorgten. Eine Umstellung von AFN auf ein engmaschiges Netz aus leistungsschwachen Sendern lehnte das Militär ab, da sie mit erheblichen Schwierigkeiten und unzumutbar hohen Kosten verbunden gewesen wäre. Hinter solchen öffentlichen Äußerungen verbargen sich auch geheime Sicherheitsinteressen. Denn über AFN wollte der Europäische Befehlsbereich im Verteidigungsfall seine Kräfte alarmieren und den amerikanischen Soldaten und Zivilisten in Europa Anweisungen erteilen können. Laut strategischer Planung waren dafür nicht nur eine möglichst große Reichweite von AFN notwendig, sondern auch mehrere Sender, die unabhängig voneinander Programm ausstrahlen konnten. Dies bedeutete zum einen, dass dem amerikanischen Militärrundfunk etliche Frequenzen zur Verfügung stehen sollten. Außerdem brauchte er potenziell höhere Sendeleistungen, als es „nur“ für Hörfunk nötig gewesen wäre. In vielen internen Überlegungen der Streitkräfte hatte die militärische Aufgabe von AFN eine höhere Priorität als seine Rolle als Informations- und Unterhaltungsmedium.18 Da die Abhängigkeit von Radiokommunikation in Notfällen möglichst wenig publik werden sollte, verschwieg das Militär diesen Punkt in internationalen Diskussionen über AFN und deutete ihn selbst im Streit mit zivilen amerikanischen Regierungsstellen nur mit knappen, stereotypen Formulierungen an.19 Die Invasion Südkoreas durch Truppen des kommunistischen Nordens am 25. Juni 1950 bestärkte die Beharrlichkeit des Militärs. Bereits zuvor hatte sich 17 18 19
Grace, This is the British Forces Network, 84 ff., 91 f., 109 f.; Mahlstedt, AFN und BFBS (unveröff.), 40–43; Zöllner, BFBS, 42–47. Siehe hierzu auch das zu Beginn dieses Kapitels zitierte Fernschreiben: CINCEUR sgd Handy to C/S, USA, for C/Sig O, Ref. No. SX-3232, 8. Juni 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP. „Use of system for alerting purpose is considered highly classified and can not generally be discussed with other US and foreign interested parties.“ CINCEUR sgd Handy an C/S, USA, Ref. No. SX-1850, 10. März 1950, ebd. Vgl. R. F. Corrigan, Foreign Service O (Pol Adv), an VC/S, 5. Mai 1950 (mit Anlage), ebd. Zur Aufgabe von AFN im Kriegsfall siehe etwa Aktennotiz von COL S. Y. McGiffert, C/ TIED, Subject: American Forces Network frequencies, 14. Dezember 1949 (mit Anlagen), Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP; MG F. L. Parks, C/Info: Implementation of Copenhagen Plan, 5. Mai 1950 (mit Anlagen), ebd.
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bei den Streitkräften in Europa das Gefühl eingestellt, eine Vorkriegszeit zu erleben. Die Verantwortlichen befanden nun übereinstimmend, dass sich das USMilitär in Deutschland zu lange von seinen Kernaufgaben habe ablenken lassen und bemühten sich noch mehr, die Kampfkraft ihrer Truppen zu steigern. Für AFN bedeutet dies, dass seine Anliegen zur Chefsache wurden und mit Nachdruck gegenüber dem US-Außenministerium vertreten wurden.20 Die Militärs rechneten allerdings damit, dass feindliche Kräfte um die Nutzung der Senderkette im Ernstfall wussten und bei einem Angriff versuchen würden, die amerikanische Radioinfrastruktur zu stören. Da man sich kurz vor dem Beginn eines militärischen Konflikts wähnte, verstärkte sich die Angst vor Sabotage. Ein Einbruch in die Sendeanlagen der Voice of America in Ismaning im November 1950 veranlasste das Militär zum Beispiel, die Sicherheit von AFN zu überprüfen. Antennenmasten, Sendeanlagen oder Studios, die sich nicht auf Kasernengelände befanden, wurden zukünftig von Wachpersonal gesichert. Für den Kriegseinsatz sollte AFN darüber hinaus Übertragungswagen anschaffen und an strategischen Stellen jederzeit einsetzbare Ersatzsender unterhalten.21 Doch selbst der Korea-Krieg und die neue militärische Lageeinschätzung in Europa beeindruckten nicht alle Kritiker von AFN auf amerikanischer Seite. Etliche Fürsprecher der Propaganda-Stationen im Außenministerium bezweifelten beispielsweise weiterhin, dass AFN mehrere, unabhängig voneinander funktionierende Sendeanlagen brauche. Auf Widerstand stieß der Militärsender neuerdings auch beim US-Hochkommissar, der die Interessen der deutschen Rundfunkanstalten vertrat. Er hatte sich bislang häufig mit AFN gegen die Ansprüche der US-Propagandasender solidarisiert, doch mit Blick auf die schlechte Lage der deutschen Radiostationen warf er dem Militärsen-
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MG D. Noce, VC/S EUCOM, an C/Sig, 2. Mai 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; CINCEUR sgd Handy an C/S, USA, for C/Info and C/Sig O, 4. Mai 1950, ebd.; GEN T. T. Handy, CinC/EUCOM, an C/S, USA, 9. Mai 1950, ebd.; MG D. Noce, VC/S, EUCOM, an POLAD EUCOM, 26. Juni 1950, ebd.; MG F. L. Parks, C/Info: Implementation of Copenhagen Plan, 5. Mai 1950 (mit Anlagen), Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; L. A. Johnson, Sec Def, an Sec State, 28. Juni 1950, Box 1673, Dec File 1950–1954, RG 59, NACP. Siehe auch Suid-Interview Adelman, 38 f., 60 f., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Schraut, Vom Besatzer zum Beschützer, 152–173; Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus, 176–180. HICOG an Dept of State, 7. November 1950, Box 268, Class Dec File 1951, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; LTC E. F. Doane, XO/AFN, an CinC/EUCOM, 30. Januar 1951, ebd.; BG Fitch, AG/EUCOM, an CG/Munich Mil Post, 3. Februar 1951, ebd.; COL S. Y. McGiffert, C/TIED, an C/Sig O, 3. Januar 1951, Box 419, Dec File 1949– 1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Siehe auch Corrected Speech of Col. McCormick (Secret), Anlage zu COL O. McCormick, A C/TIED, DA, an Dr. E. C. Watson, Dean of the Faculty, California Institute of Technology, 11. Oktober 1951, Folder: Class File 1951, Box 347, ebd.
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der im Herbst 1950 eine „extravagante Nutzung von Frequenzen“ vor.22 Sehr zum Verdruss der Streitkräfte wollten die Vereinigten Staaten die Rechte Westdeutschlands im Rundfunkbereich erweitern. Nach und nach sollten verschiedene rechtliche Einschränkungen durch das Besatzungsstatut aufgehoben werden, damit die Bundesrepublik in die westlichen Bündnissysteme integriert werden könne. Das US-Militär wollte die Wiederbewaffnung oder den NATO-Beitritt der BRD nicht verhindern, protestierte aber vehement gegen die Rückgabe der Hoheitsrechte im Radiobereich. Ihrer Ansicht nach hatte bereits die Übergabe der Frequenzzuteilung an die zivilen Hochkommissare im September 1949 den Verteidigungsinteressen der USA in Europa geschadet. Noch bedrohlicher erschien die Aussicht, es bald mit zivilen deutschen Stellen zu tun zu bekommen. Zum einen verliefen die Verhandlungen mit westlichen Staaten um Sendegenehmigungen für die neu in Europa stationierten amerikanischen NATO-Truppen mehr als zäh, und so fürchteten die US-Militärs, auch in Deutschland bald nur noch bedingt handlungsfähig zu sein. Zweifelhaft erschien auch, ob die politisch schwache Bundesrepublik in der Lage sein würde, die vom Kopenhagener Abkommen abweichende deutsch-amerikanische Rundfunkpraxis weiterhin zu schützen.23 UKW als Alternative? Etliche zivile Verantwortliche sahen nach den Beschränkungen der Mittelwellenfrequenzen durch das Kopenhagener Abkommen im Spektrum der Ultrakurzwelle mögliche Alternativen für den Hörfunk. In den Vereinigten Staaten hatte der Zweite Weltkrieg die Entwicklung von UKW für den Rundfunk unterbrochen. Der Patentinhaber hatte seine Rechte der US-Regierung kostenlos zur Verfügung gestellt und diese setzte UKW verstärkt für die militärische Kommunikation ein. Die amerikanischen Streitkräfte verständigten sich intern vor allem per Radio und hatten dadurch einen enormen Frequenzbedarf zwischen siebzig und hundert Megahertz. Diesen Wellenbereich durften nach Kriegsende in Deutschland nur das Militär und andere offizielle Stellen nutzen. Wegen der großen Probleme der deutschen Radiostationen durch das Ko22 23
HICOG Frankfurt sgd McCloy an Dept of State (2569), 25. September 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP: „extravagant use of frequencies“. BG R. V. D. Corput, C/Sig Div, an C/P&A Div, 16. Februar 1951, Box 268, Class Dec File 1951, ebd.; CINCEUR sgd Handy, Ref. No. S-3533, 14. April 1951, ebd.; C. J. Goll, Sec/HICOG Coordinating Committee, an HICOG Policy Committee, 23. Juni 1951 (besonders Anlage: Department’s Telegram No. 6218 of March 15, 1951), Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP; Dept of State: Memo of Conversation, Subject: Frequency Allocation Power in Germany, 26. Juli 1951, ebd.; COL S. Y. McGiffert, C/TIED, an T. H. E. Nesbitt, Asst C/Tele-Communications Policy Staff, Dept of State, 6. August 1951, ebd.
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penhagener Abkommen hatte sich jedoch das US-Außenministerium entschlossen, die Entwicklung von UKW für den deutschen Rundfunk politisch und finanziell zu unterstützen. Die Fernmeldetruppe der US-Streitkräfte war darüber wenig erfreut, überließ dem deutschen UKW-Betrieb aber schließlich einen Teil des Spektrums. Außerdem wurde vereinbart, dass das Militär mittelfristig weitere Frequenzbereiche freigeben würde. Beiden Seiten schien geholfen, da sich der UKW-Bedarf der deutschen Rundfunkanstalten nur langsam steigerte und die US-Streitkräfte Zeit bekamen für technischen Ersatz zu sorgen. AFN spielte bei diesen Überlegungen keine Rolle.24 Widersprüchliche Interessen bestimmten die Vorgehensweise von AFN im Ultrakurzwellen-Bereich. Neben den erwähnten Mittelwellen bekam der Militärrundfunk Anfang der fünfziger Jahre drei UKW-Frequenzen in Frankfurt und Heidelberg zugeteilt, damit die Streitkräfte auf dem Gebiet des UKW-Hörfunks eigene Erfahrungen sammeln konnten. Wenn AFN in der folgenden Zeit Reichweiten-Probleme bekam, dachten Verantwortliche im Sender bisweilen darüber nach, den UKW-Betrieb auszubauen. Die Fürsprecher der amerikanischen Propagandasender im US-Außenministerium begrüßten dies, da sie hofften, dass AFN so auf lange Sicht als Konkurrent im Mittelwellenspektrum wegfiele. In dieser Situation waren allerdings die Stellen im State Department einflussreicher, die die UKW-Anstrengungen der deutschen Rundfunkanstalten schützen wollten. Sie hatten wegen des Ultrakurzwellen-Bereichs genug Probleme mit der Fernmeldetruppe der Streitkräfte und wollten nicht auch noch den Militärrundfunk als Mitbewerber bekommen. Der militärischen Führung war diese Entwicklung recht, da allein die Mittelwellen-Frequenzen von AFN in ihrer Notfallplanung eine Rolle spielten. In Hinblick auf den Sicherheitsaspekt erschien ihr eine Umstellung auf UKW nicht vielversprechend. Da ein solcher Schritt mit viel Aufwand und großen Investitionen verbunden war, hätte er sich für den Hörfunk der Streitkräfte allein nicht gelohnt. Denn allen Befürchtungen zum Trotz hatte AFN nach 1950 seine Mittelwellen-Frequenzen verteidigen können und erreichte damit den größten Teil seines amerikanischen Publikums. UKW nutzte der Militärsender daher anfangs nur als Ergänzung. Dem Wandel der europäischen Radiolandschaft durch UKW sollte sich AFN nur verzögert anpassen. Dieses Vorgehen zeigte Parallelen zum amerikanischen Rundfunkmarkt, in dem die FM-Revolution erst in den sechziger Jahren stattfand.25 24
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MG J. V. Matejka, C/Sig Div, an DC/S for Opns, 12. April 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; C. J. Goll, Sec/HICOG Coordinating Committee, an HICOG Policy Committee, 23. Juni 1951 (besonders Anlage: U. S. Radio Requirements), Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP. Vgl. Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 386, 400; Mitchell, Cavalcade of Broadcasting, 132 f., 161 f. CINCEUR sgd Handy an C/S, USA, 10. März 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; HICOG Frankfurt an CINCEUR (228), 4. Oktober 1951, Box 268, Class Dec File 1951, ebd.; BG R. V. D. Corput, C/Sig Div, EUCOM,
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Betrachten wir kurz die Lage der deutschen Rundfunksender nach der Kopenhagener Konferenz: In der öffentlichen Diskussion in der Bundesrepublik fiel häufig das Schlagwort „Wellendemontage“, denn das Abkommen wurde als politisch motivierte Bestrafung der Verlierer des Zweiten Weltkriegs gesehen. Mit nur einer Frequenz für deutsche Sender pro Besatzungszone hätte sich der Nachkriegsrundfunk so nicht weiterführen lassen können. Besonders die nach dem föderativen System aufgebauten Radiostationen in der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone waren betroffen. Der Bruch des Abkommens erschien den meisten deutschen Fachleuten daher als unausweichlich, und sie begrüßten die amerikanische Nichtanerkennung des Vertrags. Bei Inkrafttreten des Kopenhagener Plans im März 1950 waren die Radioanstalten wieder in deutscher Hand, aber noch bestimmten die alliierten Hochkommissare über die Frequenzzuteilung. In dieser Situation war die politische Absicht der Amerikaner entscheidend, das föderative Rundfunksystem in Deutschland weiter zu stützen. Über die erste Krise halfen den deutschen Sendern die „geklauten Wellen“ hinweg, für die die USA internationale Verantwortung übernahmen. Durch die politische und finanzielle Unterstützung der UKW-Entwicklung arbeiteten die Amerikaner darüber hinaus auch an einer langfristigen Lösung für die deutschen Anstalten mit.26 Die Benutzung nicht-zugeteilter Mittelwellenfrequenzen in Deutschland blieb trotz UKW während der gesamten fünfziger Jahre wichtig. Viele Fachleute deuteten die Benachteiligung Deutschlands beim Kopenhagener Abkommen nachträglich als Glücksfall, da diese Zwangslage den Ausbau der UKWTechnik in Deutschland beschleunigt und so zu einem technischen Vorsprung geführt habe. Es ist unstrittig, dass die Beschränkungen durch den Frequenzplan auf der Anbieterseite – bei den Rundfunkanstalten und der Empfangsgeräteindustrie – wie ein Katalysator für die UKW-Entwicklung wirkten. Langfristig setzte sich im nationalen europäischen Rundfunk die Ultrakurzwelle durch, und die Bundesrepublik war dabei führend beteiligt. Es darf aber nicht vergessen werden, dass über Jahre die Nachteile dieser Umstellung überwogen. Zum einen verzögerten die Anstrengungen im UKW-Bereich den Ausbau
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an C/S EUCOM, 5. Oktober 1951, ebd.; Aktennotiz von E. W. E. an COL O’Neill, 1. November 1951, ebd.; COL M. G. Stubbs, C/AFIED, EUCOM, an COL O. McCormick, C/TIED, C/Info, DA, 31. März 1952 (siehe auch Anhang: COL P. M. Johnson, C/ AFN, Justification of AFN Frequencies), Box 433, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; OPAm Schrock, Fernmeldetechnisches Zentralamt, Frankfurt, 2. Mai 1950 (II v C 5 5052-3, Nr. 5329/50), 20935, B 257, BA; Aktennotiz: Besprechung am 18. Dezember 1952 im IG-Hochhaus: Einführung von UKW-FM-Rundfunk bei AFN, Ordner AFN 1952–1960, Historisches Archiv, HR. Siehe auch Suid-Interview Frank Mortensen, 18. Februar 1983, 13 f., Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Frank C. Mortensen war von 1948 bis 1980 bei AFN). Vgl. Douglas, Listening In, 256–283; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 228–231, 254 f., 270 f., 277 f., 352 f., 657. Craig, Medium-wave Frequency Allocations, 130 f.; Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 388 ff.
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des Fernsehens in der Bundesrepublik. Zum anderen dominierte auch in Deutschland bis weit in die sechziger Jahre hinein das Radiohören auf Mittelwelle. Insofern blieb die Versorgung der deutschen Radiohörerschaft noch lange problematisch und gelang nur mit Hilfe der von den Amerikanern international vertretenen „Frequenz-Piraterie“.27 Trotz militärischer und politischer Bedenken wollten die USA der Bundesrepublik die Frequenzhoheit zurückgeben. Gleichzeitig sollte ein bilaterales Abkommen die Interessen der amerikanischen Rundfunkbetreiber in Deutschland juristisch schützen.28 Die Meinungen zum Thema Rundfunksouveränität waren auf deutscher Seite durchaus zwiespältig. Bei der öffentlichen Debatte tat sich besonders die Opposition hervor. Sie forderte ein Ende der „Rundfunk-Kolonialherrschaft“ und wollte selbst einen Vertrag über die bereits existierenden amerikanischen Rundfunksender in der Bundesrepublik nicht dulden. In den Augen vieler Regierungsmitglieder war die deutsche Unmündigkeit jedoch auch von Vorteil. So hatte die junge Bundesrepublik bei internationaler Kritik an Verstößen gegen das Kopenhagener Abkommen bislang stets auf die Verantwortlichkeit der USA verwiesen. Außerdem schien der Regierung gar nicht sicher, ob sie die „gestohlenen Wellen“ international würde durchsetzen können.29 Allen Bedenken zum Trotz regelte im Mai 1952 der „Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland“ den Aspekt Militärrundfunk. Das „Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Betrieb gewisser Rundfunkanlagen innerhalb der Bundesrepublik“ sicherte einen Monat später die Existenz der amerikanischen Propagandasender. Bereits im April 1952 wurde die Bundesrepublik Mitglied des Internationalen Fernmeldevereins, die deutschen 27
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Die meisten Experten verweisen auf die Ultrakurzwellen-Sender der Rundfunkanstalten und den zunehmenden Besitz von UKW-Empfängern bei der deutschen Radiohörerschaft und leiten davon die Durchsetzung von UKW auf dem deutschen Markt ab. Konrad Dussel stellt in neueren Studien hingegen fest, dass die deutschen Hörerinnen und Hörer in den fünfziger Jahren das UKW-Angebot noch kaum genutzt haben. Siehe etwa Craig, Medium-wave Frequency Allocations, 130; Dussel, „Die Welle der Freude“, 31 ff.; ders., Hörfunk in Deutschland, 320; Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 391; Schildt, Moderne Zeiten, 218 f.; Stuiber, Medien in Deutschland, 72 f. Siehe hierzu etwa [A. J. Hogden, Am Vice Consul] Pol Adv an SGS, EUCOM, 20. März 1951, Box 268, Class Dec File 1951, SGS, C/S, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; Dept of State an HICOG, 26. September 1951, ebd.; HICOG Frankfurt sgd Hays an Sec of State, 22. August 1951, Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Aktennotiz Referat III/4 Bonn, 11. Februar 1952, 833, B 106, BA: „gestohlenen Wellen“; U. S. Radio Requirements, Anlage von C. J. Goll, Sec/HICOG Coordinating Committee, an HICOG Policy Committee, 23. Juni 1951, Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP. Vgl. Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 408: „Rundfunk-Kolonialherrschaft“.
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Rundfunkfrequenzen wurden formell allerdings noch bis 1960 von alliierten Gremien verwaltet.30 Die Lage für alle in Westdeutschland sendenden Radiostationen blieb schwierig, denn das Kopenhagener Abkommen hatte die Hörfunksituation in Europa nur bedingt ordnen können. Bereits 1954 wurden 45 Prozent aller Mittelwellen abweichend vom Frequenzplan genutzt. Noch immer lösten Umstellungen einzelner Sender wahre Kettenreaktionen aus, und so hielt auch die Suche nach Alternativen an. Gab es für ein Problem keine technische Lösung, kam stets der alte Streit um Prioritäten wieder auf, besonders im amerikanischdeutschen Lager. Noch immer gerieten das amerikanische Außenministerium, der US-Hochkommissar und diverse militärische Dienststellen aneinander, wenn es um Veränderungen bei Frequenzen oder Sendestärken ging. Der Wille zur Kooperation schien bei allen Beteiligten nachzulassen und nicht selten standen verhandlungstaktische Überlegungen vor verlässlicher Zusammenarbeit. Das zunehmende Selbstbewusstsein deutscher Stellen verschärfte die Situation zusätzlich, denn deren Forderungen an die amerikanischen Radiobetreiber in der Bundesrepublik wurden drängender.31 AFN und der „Ätherkrieg“ Eine wichtige Ursache für die anhaltenden Probleme im Mittelwellen-Bereich war die rasch zunehmende Konfrontation von Ost und West im Bereich der Radiopropaganda. In den Vereinigten Staaten war der Auslandsrundfunk zwar weiterhin umstritten, doch immerhin wollte keine Regierung mehr darauf verzichten. Im April 1950 hatte Präsident Truman zur Campaign of Truth gegen sowjetische Propaganda aufgerufen und dafür die Unterstützung des Kongresses erhalten. Sein Nachfolger, Präsident Eisenhower, verstärkte die amerikanischen Anstrengungen auf diesem Gebiet. Er schuf unter anderem die United States Information Agency (USIA) als zentrale Behörde für viele bisherige Regierungsprogramme, zu denen auch die Voice of America gehörte. Die Konfrontation mit der Sowjetunion im Äther lief in Europa nach einem festen Muster ab. Während westliche Auslandssender versuchten, mit ihren Programmen ein Publikum hinter dem Eisernen Vorhang zu erreichen, setzten 30
31
Gesetz betreffend den Vertrag vom 26. Mai 1952; Gesetz betreffend das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (11. Juni 1952). Vgl. Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, 312; Glowcewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 390, 403 f. COL M. G. Stubbs, C/AFIED, EUCOM, an COL O. McCormick, C/TIED, C/Info, DA, 1. Februar 1952, Box 433, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP; Stubbs an McCormick, 31. März 1952, ebd.; Stubbs an McCormick, 3. April 1952, ebd.; McCormick an Stubbs, 14. Mai 1952, ebd.; Stubbs an McCormick, 11. Juli 1952, ebd. Vgl. Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan, 390, 393 ff.
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osteuropäische Staaten Störsender ein, um dies zu verhindern. Die westlichen Stationen änderten daraufhin zum Beispiel ihre Sendezeiten oder wechselten ihre Frequenzen und lösten damit eine erneute Reaktion im Osten aus. In dieses Katz-und-Maus-Spiel wurden auch Nicht-Propagandasender verwickelt, etwa weil sie auf Wunsch westlicher Behörden ihre Sendemuster veränderten oder östliche Störsender ihre Signale zufällig mit beeinträchtigten. Letztlich konnten sie aber davon ausgehen, dass osteuropäische Sender „nicht-aggressive“ Stationen im Westen nur selten absichtlich störten.32 In diesem Zusammenhang war allerdings problematisch, dass etliche westliche Stationen im amerikanischen Einflussbereich ihre Programme auf Frequenzen ausstrahlten, die der Kopenhagener Wellenplan osteuropäischen Staaten zugewiesen hatte. Grundsätzlich sollten die „Frequenzpiraten“ alles daransetzen, die rechtmäßigen Inhaber mit technischen Mitteln zu schützen. An diese Regeln hielt sich auch AFN, dem das US-Außenministerium unter anderem russische Mittelwellen-Frequenzen zugewiesen hatte. AFN Frankfurt beispielsweise nutzte mit 872 Kilohertz eine Wellenlänge von Radio Moskau. Für die wichtigste Station des Militärrundfunks in Deutschland ließen die Streitkräfte zudem eine neue Sendeanlage in Weißkirchen errichten, die das AFNProgramm ab Juni 1951 mit 150 Kilowatt ausstrahlte. Damit konnte AFN zahlreiche US-Soldaten versorgen, die er nach Inkrafttreten des Kopenhagener Wellenplans nicht mehr oder nur durch provisorische Sender erreicht hatte. Wie bereits erläutert, ging es dabei aber nur zum Teil um Hörfunk. Den Ausschlag für die hohe Investition dürften die strategischen Pläne des Europäischen Befehlsbereichs gegeben haben, sich mit seinen Truppen im Ernstfall auch mit Hilfe von AFN zu verständigen. Damit der Sender diese Aufgabe letztlich erfüllen konnte, durfte er auf keinen Fall eine aktive Rolle im Propagandakrieg einnehmen. Von Anfang an achtete AFN Frankfurt daher sehr darauf, Radio Moskau nicht zu stören und stellte zum Beispiel sein Sendemuster in den Abendstunden auf eine Nord-Süd-Richtung um. In der ersten Zeit verzichtete das Militär im Fall von Weißkirchen auch absichtlich auf Publizität. Erst ab 1953 gab es ausführlichere Berichte über die neue Sendeanlage, in denen sich der Stolz der Verantwortlichen über die technischen Möglichkeiten des Senders zeigte. In den meisten Beiträgen betonten AFN-Mitarbeiter aber gleichzeitig, wie sehr sie auf andere Hörfunkstationen Rücksicht nehmen würden. Außerdem war ihnen der Hinweis wichtig, dass der Militärrundfunk zwar auch ein ausländisches Publikum hätte, aber keinesfalls ein Propagandasender sei.33 32 33
Vgl. etwa Hixson, Parting the Curtain, 14–27; Pirsein, The Voice of America, 200–207, 313–326; Riller, Funken für die Freiheit, 25–43, 71 f., 81–86; Schumacher, Kalter Krieg und Propaganda, 81–132; Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus, 230–233, 605 f. CINCEUR sgd Handy an C/S, USA, 10. März 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; COL O. McCormick an C/Info, DA, 18. Juni 1951, Box 432, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; The American Forces Network, o. O. o. J. [1953], Box 11, Historical Monographs, AFIS,
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Da die Wirkung von Rundfunkpropaganda schwer abzuschätzen war, hatte es sich im westlichen Lager durchgesetzt, Störungen ihrer Programme durch Ostsender als Nachweis ihrer Wirksamkeit anzusehen. Wer sich wie AFN aus dem Ätherkrieg heraushalten wollte, kehrte die Kausalität einfach um. Dann wurde die Tatsache, nicht vom sowjetischen Lager gestört zu werden, als Beweis dafür angeführt, keine Propaganda zu betreiben.34 Während man eine solch pauschale Aussage vielleicht für den Frankfurter Sender gelten lassen könnte, muss man sie auf jeden Fall für Berlin relativieren, denn AFN Berlin wurde im Laufe der fünfziger Jahre immer wieder durch östliche Sender gestört. Dabei ging es den Verantwortlichen aus dem Ostblock aber nicht darum, den dortigen Militärrundfunk ganz auszuschalten. Vielmehr sollte der Sender wohl von bestimmten osteuropäischen Frequenzen vertrieben werden beziehungsweise dessen Reichweite auf DDR-Gebiet eingeschränkt werden. Die amerikanische Seite verstärkte mit der Zeit ihre Anlagen in der geteilten Stadt, auch weil die dortige AFN-Station die Transitstrecken von Berlin nach Westdeutschland abdecken sollte.35 Rückblickend haben einige Historiker die leistungsstarken Sender von AFN Frankfurt und AFN Berlin, die noch dazu Ost-Frequenzen nutzten, als Indiz dafür gedeutet, dass der Militärrundfunk doch heimlich Propaganda betrieben habe. In diesem Fall hätte AFN sein Programm bewusst nach Osteuropa gesendet. Für diese These konnten sie allerdings keine eindeutigen Belege anführen, und auch die Autorin hat dafür keine Beweise gefunden. Insofern sollte man zumindest bislang davon ausgehen, dass sich AFN an seine offizielle Aufgabe – Hörfunk für US-Soldaten – hielt, auch und gerade weil er seine geheime Mission als militärisches Kommunikationsmittel im Kriegsfall nicht gefährden wollte.36
34
35
36
RG 330, NACP; John Penrose, Historical Note – AFN Frankfurt, 8. August 1973, ebd. Siehe auch O. G. Dowling, AFN Helps Red Radio, in: Radio Review, o. D. [24. April 1953], AFN Historical File. Vgl. Provan, The AFN Story, 193, 195. Siehe etwa AFN In Germany Pleases GIs – And Natives, Too, in: Radio Daily – Television Daily, 8. August 1951; Ralph Powers, AFN Brings „Home Town USA“ to Germany, in: SACom Scene, 23. November 1956; AFN-Berlin Sets Sights on 14th Year of Service, in: Berlin Observer, 8. August 1958; „Radio Freies Europa“ mit 11 Europabüros und 2000 Mitarbeitern aus 31 Nationen, in: Zeitungs-Verlag und Zeitschriften-Verlag, 5. Dezember 1959; Hazel Guild, AFN & the No-Panic Button, in: Variety, 7. Dezember 1966. Vgl. Bayern, Amerikanische Propaganda nach Osteuropa, 312; Hixson, Parting the Curtain, 34, 49 f.; Pirsein, The Voice of America, 232, 356; Riller, Funken für die Freiheit, 74. J. L. Thurston, Acting C/Communications Br, HICOG, an J. S. Cross, A C/Telecommunications Policy Staff, Dept of State, 13. Oktober 1952, Box 1674, Dec File 1950–1954, RG 59, NACP; COL M. G. Stubbs, C/AFIED, USAREUR, an COL O. McCormick, C/ TIED, C/Info, DA, 29. Dezember 1952, Folder: 322 USAREUR 1952, Box 433, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; C/AFIED an C/S, USAREUR, 22. Januar 1953, Box 2, Gen Corr 1953, SGS, USAREUR, RG 338, NACP. Craig, Medium-wave Frequency Allocations, 131 f.; Zilling, AFN (unveröff.), 101–107.
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In der öffentlichen Debatte um die amerikanische Auslandspropaganda wurde der Militärrundfunk allerdings immer wieder erwähnt. Als Vergleich musste AFN zum Beispiel herhalten, wenn es um das Budget für die Voice of America und andere Propaganda-Aktivitäten ging. Die Kritik an der Regierung verbanden Journalisten und Politiker nicht selten mit einem Lob über den angeblich so preiswerten Militärrundfunk. Im Jahr 1951 besuchte etwa der bekannte Kolumnist Fulton Lewis Europa und lernte dabei AFN kennen. Später schwärmte er fast überschwänglich von den ärmlichen Verhältnissen bei der Senderkette, die seiner Ansicht nach auf der Basis von „Paketband, Schnürsenkeln und Notbehelfen“ arbeite.37 Das Lob für die Improvisationskünste bei AFN war aber unweigerlich mit der Kritik an der angeblichen Verschwendung beim zivilen Regierungssender verbunden: „The cost of operating AFN is only a drop in the bucket, compared to the $100,000,000 the Voice of America is trying to wheedle out of Congress back home.“38 AFN wurde auf diese Weise immer wieder als Argument in einer innenpolitischen Debatte benutzt, was dessen Wahrnehmung in den USA mitbestimmte. Stets blieb deshalb auch unerwähnt, wie viel Geld und Personalaufwand wirklich hinter der europäischen Senderkette standen. Denn dazu musste man redlicherweise auch AFRS, die Mutterorganisation des Militärrundfunks, zählen, ohne die keine Station der Streitkräfte langfristig hätte existieren können. AFRS wiederum profitierte von den großen US-Networks, deren Beiträge er kostenlos übernehmen durfte, sowie von zahlreichen Gewerkschaften und Rechteinhabern, die auf den größten Teil ihrer Ansprüche verzichteten.39 Das Beispiel des Militärrundfunks wurde auch bemüht, wenn über die Inhalte der amerikanischen Auslandspropaganda gestritten wurde. Journalisten und Politiker kritisierten die Voice of America unter anderem dafür, dass sie nicht etwa die „Stimme Amerikas“ sei, sondern vielmehr das Sprachrohr der Regierung. Weder die eindeutig gefärbten Nachrichten noch die Unterhaltungsbeiträge mit ihrem Schwerpunkt auf Hochkultur seien typisch für die Vereinigten Staaten. Einige Kritiker des Regierungskurses führten den Militärrundfunk als positives Gegenbeispiel an. Im Jahr 1956 verglich zum Bei37
38 39
Fulton Lewis Jr., AFN Does Better Job Than Voice of America, in: New York Journal American, 29. August 1951: „operating on somewhat the same basis of baling wire, shoe strings and make-do“. Diese Kolumne erschien in zahlreichen amerikanischen Zeitungen. Lewis war auch regelmäßig im US-Rundfunk zu hören. Ebd. Selbst in einer Kritik an AFN war oft noch ein Seitenhieb auf „the multi-million dollar Voice of America“ enthalten: Seymour Freidin/William Richardsen, Your World. Objectivity Eludes Our Overseas Radio, in: New York Post, 17. Januar 1955. Siehe auch William H. Newton, Big U. S. Radios in Reich Miss Propaganda Bet, in: New York World Telegram, 8. Januar 1949. Vgl. Hixson, Parting the Curtain, XII, 15 f., 29, 37, 124 f., 137, 226 f.; Pilgert, Press, Radio and Film, 6 ff.; Pirsein, The Voice of America, 201, 209, 224–227, 329 f., 345, 351 f., 359; Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus, 417 ff.
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spiel der einflussreiche Journalist Jack Gould die Voice of America mit dem Kurzwellenprogramm von AFRS und der Senderkette von AFN. Er lobte die Militärstationen dafür, dass sich ihre Nachrichtenredakteure um eine ausgewogene Darstellung von Informationen bemühten und damit den Standard amerikanischer Networks erreichten. Während man der Voice of America ihren „Verkäuferjob“ anhören könne, würde sich der Militärrundfunk viel ruhiger und selbstsicherer präsentieren. Dies beträfe auch den Rest des Programms, also Musik und Unterhaltungsshows, die bei den Stationen der Streitkräfte viel eher charakteristisch für Amerika seien. Gould zog daraus die Schlussfolgerung: „One of the morals perhaps is that good propaganda may consist of doing the things we enjoy most and hence can do best rather than trying to do less well those things we think others should like.“40 Damit empfahl der Autor den Verantwortlichen, den Stärken des demokratischen Systems und der Vielfalt der eigenen Kultur stärker zu vertrauen. Nur wenn die Amerikaner authentisch blieben, so waren sich Gould und andere Kommentatoren sicher, könnten sie auf Dauer andere von sich und ihrer Weltsicht überzeugen.41 Da die Arbeit des Militärrundfunks in den Vereinigten Staaten kaum wahrgenommen wurde, freuten sich die Verantwortlichen über diese Art von Erwähnungen in amerikanischen Medien. Nicht wenige US-Journalisten bekamen daher nach ihren Berichten einen Dankesbrief vom Chief of Information, dem im Heeresministerium für den Militärrundfunk zuständigen General. Solche Artikel konnte die Informationsabteilung gut nutzen, wenn sie wieder einmal innerhalb des Militärs wegen ihrer Ausgaben kritisiert wurde.42 Die Streitkräfte wiederum wiesen damit gegenüber der amerikanischen 40 41
42
Jack Gould, Two Voices, in: New York Times, 5. Februar 1956. Siehe hierzu auch Fulton Lewis, Jr., AFN Does Better Job Than Voice of America, in: New York Journal American, 29. August 1951; Ray Henle/Fred Morrison, Three Star Extra, NBC, 10. Juni 1953, Transkript der Radiosendung im Anhang zu MG F. L. Parks, C/Info, DA, an R. Henle, 12. Juni 1953, Box 419, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Walter Sheppard, AFN at Work, in: Saturday Review, 13. Oktober 1956; Arthur J. Olsen, Raising America’s Ratings in Europe, in: New York Times, 24. August 1958; UPI, Congressman, Murrow Debate Impact of „Voice“, in: Stars and Stripes, 13. Juni 1963; Jack Gould, A Voice That Europe Trusts, in: New York Times, 17. April 1966. Vgl. Craig, Military Broadcasting, 314 f., 317 f.; Hixson, Parting the Curtain, XIII f., 15, 29 ff., 38–43, 55, 83, 110, 114 f., 219, 227 f.; Knapp, Die Stimme Amerikas, 22 f., 33; Pells, Not Like Us, 83 ff., 87, 90; Pirsein, The Voice of America, 203 f., 231–234, 299, 356 f., 374 f., 397–400; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 39; White, The New Resistance to International Propaganda. Siehe etwa MG F. L. Parks, C/Info, DA, an J. W. Alicoate, Publisher, Radio-Television Daily, 20. September 1951, Box 418, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Parks an Fulton Lewis, Jr., 21. September 1951, ebd. Spätere Dankesbriefe enthielten den Hinweis, dass sich die Militärsender keinesfalls an ein ausländisches Publikum wenden dürften: Parks an Lewis, 30. April 1953, Box 419, ebd.; Parks an R. Henle, 12. Juni 1953, ebd.
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Öffentlichkeit nach, dass sie in diesem Bereich keine Steuergelder verschwendeten. Ihre Rundfunkstationen in Europa sollten den US-Truppen dabei helfen, die Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten in Europa zu wahren. Die Beliebtheit der Sender bei ausländischen Hörerinnen und Hörern war ein willkommener Nebeneffekt, mit dem sich das Militär schmücken konnte. Viele offizielle Stellungnahmen erwähnten daher auch die Größe des europäischen Gastpublikums und wiesen darauf hin, wie sehr AFN damit für die Vereinigten Staaten werbe. Solche Aussagen lassen sich in zahlreichen Pressemitteilungen finden und hatten besonders bei einem Sender-Jubiläum Konjunktur. In ihren Grußbotschaften versäumte es nämlich kaum ein Gratulant – vom lokalen Befehlshaber bis zum US-Präsidenten – auf die positive Wirkung des Militärrundfunks für die internationalen Beziehungen hinzuweisen.43 So stolz die militärischen Verantwortlichen auch auf die unabsichtlichen Propaganda-Erfolge ihrer Rundfunksender sein mochten, in der Praxis bereiteten sie ihnen bisweilen Probleme. Immer wieder gab es nämlich Überlegungen auf amerikanischer Seite, die Militärsender in die US-Rundfunkpropaganda miteinzubeziehen. Verschiedene Stellen fragten zum Beispiel an, ob AFN fremdsprachige Nachrichten in sein Programm aufnehmen könne oder ob der RIAS Sendezeit von AFN Frankfurt bekäme. Mit Hinweis auf seinen offiziellen Auftrag konnten die Streitkräfte solche Einzelvorstöße jeweils leicht ablehnen.44 Etwas schwieriger war dies, als Präsident Eisenhower zu Beginn seiner Amtszeit die amerikanischen Propagandabemühungen besser koordinieren wollte. Eine von ihm in Auftrag gegebene Studie schlug unter anderem vor, dass das „Armed Forces Network“ zu den Haupteinschaltzeiten mehr Nachrichten bringen sollte und dabei auch seine ausländische Gasthörerschaft stärker berücksichtigen könne. Die militärischen Verantwortlichen wunderten sich über die Oberflächlichkeit der Analyse, deren Empfehlungen die Regierung umsetzen lassen wollte, und waren über die zivile Einmischung in Sicherheitsbelange empört. Ihrer Meinung nach waren die Forderungen dazu angetan, AFN in den Ätherkrieg hineinzuziehen und damit seinen Auf43
44
Siehe etwa AFN-Berlin Marks 8th Year, in: Stars and Stripes, 11. August 1953; H. G. Price, From the Commanding Officer, in: AFN Weekly Digest, 3. Oktober 1953; President Eisenhower Greets AFN, in: Stars and Stripes, 4. Juli 1958; John F. Kennedy an AFN, in: AFN. 20 Years of Service (AFN-Eigenpublikation). LTC R. H. Camp, C/Opns Br, O of the C/Info, DA, Memo for Col McGiffert, Subject: Proposal by Psychological Warfare to Summarize AFRS News Broadcasts in Europe in a Foreign Language at the Conclusion of each Newscast, 30. Juni 1951, Box 419, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; MG G. C. Mudgett, C/Info, Memo for Dep C/S for Plans an Research, Subject: Use of American Forces Network to Supplement Radio in American Sector (RIAS) Berlin, 31. Dezember 1953, Folder: Class File 1953, Box 348, ebd. Siehe auch LTC S. S. Kale, C/Troop Radio-TV Br, Troop Info Div, Memo for Record, 25. März 1957, Box 2, Sec Class Corr of the TIED 1952– 1958, ebd. Vgl. Riller, Funken für die Freiheit, 120 f.
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trag zu gefährden. Letztlich wären Umstellungen aber ohnehin unnötig, da das Nachrichtenangebot von AFN in seinem Umfang angemessen sei und der Sender sich inhaltlich an den Empfehlungen des Außenministeriums oder der USIA orientiere. Da alle militärischen Dienststellen sich in ihrer Ablehnung einig waren, konnten die Wünsche der Regierung in diesem Fall abgewehrt werden.45 Auch in Hinblick auf die Sowjetunion durfte sich das amerikanische Militär nicht zu sehr mit seinem europäischen Publikum brüsten. AFN wollte keinesfalls als Propagandasender gelten und wies in seiner Öffentlichkeitsarbeit daher stets darauf hin, dass seine ausländischen Hörerinnen und Hörer nur „Zaungäste“ seien.46 Außerdem tat der Militärrundfunk technisch alles, um die osteuropäischen Sender, deren Frequenzen er nutzte, nicht zu beeinträchtigen. Um das Wohlwollen der Gegenseite nicht zu gefährden, gingen die US-Streitkräfte gelegentlich sogar noch einen Schritt weiter. Jahrelang duldete das Militär zum Beispiel stillschweigend englischsprachige Propagandasendungen, die die Sowjetunion auf AFN-Frequenzen ausstrahlte. Die Verantwortlichen waren insofern nicht beunruhigt, da das russische Programm das amerikanische Publikum erst nach dem Sendeschluss des Militärrundfunks erreichen konnte. Kurzerhand verlegte AFN seinen sign-off um eine Stunde nach hinten, also von Mitternacht auf 1 Uhr – danach sollten die GIs ohnehin schlafen und nicht mehr Radio hören, so die militärischen Vorgesetzten von AFN. Die Ausweitung der Sendezeit ging allerdings fast kommentarlos vonstatten und wurde nicht mit der sowjetischen Propaganda in Verbindung gebracht. Eine offensichtliche Reaktion hätte schließlich so aussehen können, als wollten die Streitkräfte in den Propaganda-Wettbewerb einsteigen.47 Die nächtlichen sowjetischen Sendungen blieben auch der Öffentlichkeit nicht verborgen, wurden aber erst im Herbst 1958 verstärkt diskutiert. Damals startete die vom US-Militär unabhängige Zeitung American Weekend eine 45
46
47
J. M. Mitchell, Dep Asst Sec, Memo for Dir/Special Opns, OSD, 16. November 1954, Box 348, Folder: Class File 1954, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; COL A. E. Stevens, OCB Representative, Memo for Record, Subject: Schramm Report (NSC 169 Study), 18. November 1954, ebd. Vgl. Riller, Funken für die Freiheit, 73–81. Mehr zu diesem Thema in Kapitel 9. Dies war auch deshalb wichtig, weil osteuropäisches Publikum AFN nicht selten mit VOA und anderen westlichen Propagandasendern verwechselte. Siehe etwa The American Forces Network, o. O. o. J. [1953], Box 11, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Tom Aldrich, Die AFN-Sender, in: Tele-Radio, 11.–17. Januar 1955. Vgl. Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus, 414. COL M. G. Stubbs, C/AFIED, EUCOM, an COL O. McCormick, C/TIED, C/Info, DA, 31. März 1952, Folder: 322 USAREUR 1952, Box 433, Dec File 1949–1954, TIED, C/ Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Stubbs, C/AFIED, USAREUR, an McCormick, 1. März 1954, Folder: Class File 1954, Box 348, ebd.; McCormick an Stubbs, 9. März 1954, ebd.; HICOG Bonn sgd Conant an Sec of State, 17. September 1954, Folder: 000.77 Conf. Radio & Television (1954 & 1955), Box 347, ebd.
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Kampagne, die für AFN Berlin einen 24-stündigen Sendetag forderte, um gegen die kommunistische Propaganda vorzugehen. Anstoß nahm die Zeitung vor allem daran, dass das Programm die Machart von AFN kopierte und sich erst nach einigen Musik- und Wortbeiträgen (mit amerikanischen Sprechern) als Radio Moskau identifizierte. Obwohl sich auch einige Mitglieder des USKongresses für die Forderungen der Zeitung und ihrer Leser aussprachen, hatte die Aktion keine Folgen.48 Größeres Aufsehen erregte die Angelegenheit erst wieder nach dem Mauerbau, als auch die Propaganda-Botschaften an US-Soldaten aggressiver wurden. Inzwischen nannte sich die Station, die ihr Programm auf der Frequenz von AFN Berlin ausstrahlte, OPS und hatte sich als Erkennungsmelodie das Lied „Don’t Fence Me In“ ausgesucht. Diesmal überwand die amerikanische Seite ihre politischen oder finanziellen Bedenken: Ab dem 20. März 1962 strahlte AFN Berlin sein Programm rund um die Uhr aus. Der offizielle Grund für die Maßnahme lautete, dass der Sender damit die Soldaten erreichen wolle, die nachts arbeiten müssten. Die anderen Stationen des Militärrundfunks in Westdeutschland erweiterten ihren Sendetag allerdings erst vier Jahre später.49 Das vorsichtige Vorgehen der US-Streitkräfte in Bezug auf Rundfunkpropaganda schien sich auszuzahlen. Zwar wurden einzelne AFN-Stationen immer mal wieder von östlichen Sendern gestört, als grundsätzlicher Gegner im „Ätherkrieg“ wurde der Militärrundfunk aber wohl nicht erachtet. Dies zeigen zum Beispiel östliche Veröffentlichungen über westliche „Aggressionssender“, die AFN nicht erwähnen. Von 1962 bis 1985 wurden im Ministerium für Staatssicherheit der DDR Zeitungsartikel über den amerikanischen Militärrundfunk gesammelt. Im internen Register kam „AFN – amerik. Soldatensender“ an zwölfter Stelle und war dabei zwischen Radio Luxembourg und der Rubrik „sonstige imp. Radiostationen“ eingeordnet.50 In ihren Veröffentli48
49
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Hazel Guild, Round-the-Clock AFN Urged, in: American Weekend, 20. September 1958; John Wiant, An Open Letter to You, ebd.; Round-the-Clock AFN Idea Gets Enthusiastic Response, ebd., 11. Oktober 1958; lh, Die ganze Nacht Musik, in: Frankfurter Rundschau, 24. September 1958; „Moscow Molly“ Takes Over At End of AFN Daily Schedule, in: Jayhawk, 29. November 1958. Siehe auch Soviet Radio Uses U. S. Wave Length, in: New York Times, 9. Juni 1955; Robert C. Miller, AFN Makes Big Hit Behind Iron Curtain, in: Philadelphia Inquirer, 16. Januar 1961. Reds’ Deejay, „ Moscow Molly“ Pirates AFN Air, in: Billboard Music Week, 11. Dezember 1961; AFN mit 24-Stunden-Programm, in: Welt, 20. März 1962; AFN Goes on Air Around the Clock, in: Berlin Observer, 23. März 1962; Thomas C. Lucey, Those Voices You Keep Hearing …, in: Overseas Family, 5. Juli 1963; John Reese, AFN to Beam All Hours, in: Stars and Stripes, 28. März 1968. Siehe auch Gespräch Robert Cranston mit der Autorin, 23. September 1999. Vgl. Delmer, Die Deutschen und ich, 747; Provan, The AFN Story, 39 f.; Zilling, AFN (unveröff.), 103 f. MfS ZAIG 9978, BstU. Vgl. Bureŝ/Kittelmann/Künzel, Aggressionssender; Panfilow, Der USA-Rundfunk im psychologischen Krieg; Zilling, AFN (uveröff.), 101 ff. Es bleibt zu wünschen, dass ostdeutsche und osteuropäische Aktenüberlieferungen systematisch zum Thema AFN untersucht werden.
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chungen erwähnten westliche Journalisten gern, dass der amerikanische Militärrundfunk auch ostdeutsche Hörerinnen und Hörer hatte. In der Auseinandersetzung der Systeme wurde das DDR-Publikum von AFN als Erfolg für den Westen gesehen. Zeitgenossen erklärten sich dies zum einen damit, dass der Militärrundfunk kaum gestört wurde und daher in Teilen der DDR recht gut zu empfangen war. Zum anderen wurde deutlich, dass die Ost-Hörerschaft sehr an aktueller amerikanischer Musik interessiert war. AFN-Mitarbeiter berichteten von Hörerbriefen aus dem Osten, die sie von Einzelpersonen ebenso bekamen wie zum Beispiel vom „Hot Jazz Club“ Potsdam.51 Dieses Kapitel hat gezeigt, dass die Neuverteilung der Mittelwellen in Europa zu einem Scheitern der amerikanischen Rundfunkpläne in Deutschland hätte führen können. Betroffen waren die von den USA in der Nachkriegszeit gegründeten deutschen Rundfunkanstalten, zivile amerikanische Stationen wie RIAS und Voice of America und der Militärsender AFN. Die Ergebnisse der Kopenhagener Konferenz wurden vielfach als Bestrafung Deutschlands gesehen und galten als politische Niederlage der USA. Die Vereinigten Staaten erkannten das europäische Rundfunkabkommen offiziell nicht an und bedienten sich einer Mischung aus internationaler Kooperation, politischer Einflussnahme und offenen Regelverstößen, um die von ihr protegierten Sender mit Mittelwellen-Frequenzen zu versorgen. Diese Vorgehensweise war vielfach umstritten, erwies sich letztlich jedoch als erfolgreich, denn es sicherte die Existenz aller Sender in der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone. Innerhalb des amerikanischen Lagers gab es zusätzliche Auseinandersetzungen, weil sich jede Rundfunkstation gegenüber den anderen Radiosendern benachteiligt fühlte. In den zumeist auf höherer Verwaltungsebene geführten Verhandlungen und bei der Umsetzung der gefundenen Regelungen wurde nicht immer mit offenen Karten gespielt. Dies betraf auch den Militärrundfunk, denn die Verantwortlichen verschwiegen die Aufgaben von AFN als Kommunikationsmittel im Kriegsfall in öffentlichen Auseinandersetzungen 51
Siehe etwa Berlin Broadside, in: AFN Weekly Digest, 19. Dezember 1953; Berlin Broadside, ebd., 13. März 1954; American Forces Network 12 Years Old, in: Tabulator, 2. Juli 1955; East Germans Flip Over U. S. Music in AFN-Berlin Coup, in: Variety, 2. Mai 1956; Ralph Powers, AFN Brings „Home Town USA“ to Germany, in: SACom Scene, 23. November 1956; AFN Marks 14 Years of Service to Listeners, in: Stars and Stripes, 3. Juli 1957; AFN Observes 15th Year of Service, in: Sentinel, 4. Juli 1958; AFN-Berlin Sets Sights On 14th Year of Service, in: Berlin Observer, 8. August 1958; Ernie Weatherall, AFN Berlin’s Teen Fans, in: Stars and Stripes, 6. November 1958; Robert C. Miller, AFN Makes Big Hit Behind Iron Curtain, in: Philadelphia Inquirer, 16. Januar 1961; Klaus Salzwedel, AFN Berlin beliebt in Ost und West, in: Bild (Berliner Ausgabe), 5. August 1963; Ost-Grenzer gratuliert, in: Tagesspiegel, 7. August 1963. Vgl. Fenemore, Sex, Thugs and Rock ’n’ Roll, 72–80; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 2, 39, 42, 59, 175, 203 f.; Rosin, Zur Geschichte des AFRS (unveröff.), 87 f. Siehe hierzu auch die Kapitel 11 und 12.
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und deuteten diesen Punkt selbst in Verhandlungen mit zivilen amerikanischen Stellen häufig nur an. Dieser Sicherheitsaspekt war aber letztlich dafür ausschlaggebend, dass der Europäische Befehlsbereich an AFN als eine Kette von unabhängigen Mittelwellen-Sendern mit hoher Reichweite festhielt. Während etwa der britische Militärrundfunk oder die deutschen Hörfunkanstalten ihren Betrieb auf UKW umstellten, blieben AFN auf diesem Gebiet große Investitionen und aufwendige Experimente erspart. Das folgende Kapitel wird zeigen, dass der amerikanische Militärrundfunk in Europa deshalb über Kapazitäten verfügte, die er in den fünfziger Jahren zum Ausbau seines Sendernetzes und einer erhöhten Programmproduktion dringend benötigte. In dieser Zeit musste AFN außerdem bemüht sein, sich aus dem „Ätherkrieg“ der westlichen und östlichen Propagandasender herauszuhalten. Auch diese Aufgabe hatte man auf mehreren Ebenen zu bewältigen, und nicht immer wussten alle Beteiligten um die Hintergründe ihres Tuns. Wie andere westliche Stationen nutzte auch AFN Frequenzen, die der Kopenhagener Wellenplan osteuropäischen Staaten zugewiesen hatte. Diese Sender galt es durch technische Vorkehrungen zu schützen, außerdem sollten davon betroffene Staaten nicht unnötig provoziert werden. Der Militärrundfunk beschrieb daher in seiner Öffentlichkeitsarbeit immer wieder, wie sehr er auf osteuropäische Sender Rücksicht nehmen würde. Darüber hinaus wurde betont, dass AFN kein Propagandasender sei, auch wenn er zahlreiche europäische Hörerinnen und Hörer hatte. Dies geriet zur Gratwanderung, denn etliche Mitarbeiter von AFN und ihre Vorgesetzten sowie zahlreiche westliche Beobachter waren durchaus stolz auf das große ausländische Publikum von AFN. Damit ließ sich in der damaligen Zeit nämlich nicht nur die Qualität des eigenen Hörfunks nachweisen, sondern auch die Überlegenheit des westlichen Systems. Der amerikanische Militärrundfunk geriet dadurch aber in den Vereinigten Staaten auch in die öffentliche Debatte um Art und Umfang von Auslandspropaganda. AFN wurde zum Beispiel als Vergleich herangezogen, wenn Kritik an den Inhalten oder Kosten der Voice of America geübt wurde. Der Erfolg des Militärrundfunks bei Freund und Feind ließen auch Überlegungen aufkommen, AFN aktiv in die amerikanischen Propagandabemühungen miteinzubeziehen. Für das Militär wäre eine enge Zusammenarbeit mit dem Außenministerium in Bezug auf Programminhalte jedoch kontraproduktiv gewesen. Dies hätte zum einen dafür sorgen können, dass AFN in den „Ätherkrieg“ zwischen Ost und West verwickelt worden wäre. Durch offensichtliche Propagandabeiträge hätte darüber hinaus auch die Glaubwürdigkeit des Militärrundfunks gelitten, und langfristig hätten US-Soldaten ihn dann wohl nicht mehr eingeschaltet. Beides hätte letztlich seine Effektivität als Kommunikationsmittel im Ernstfall gefährdet; deshalb mussten die Streitkräfte dies verhindern.
5. „WIR HIER IN EUROPA WISSEN, DASS AFN HERVORRAGENDE ARBEIT LEISTET“. KONSOLIDIERUNG UND STAGNATION IN DEN FÜNFZIGER JAHREN It is a pleasure to be able to report to you that on its 11th birthday, AFN is stronger and healthier than ever before. Its facilities, staff and organization are unrivaled. It is providing more service to more people at less cost. It is recognized everywhere as an outstanding T I&E medium. Aus einer Zeitungskolumne des AFN-Kommandeurs, Juli 1954.1
„This is AFN Nurnberg“ erklang es im Januar 1950 erstmals aus Rundfunkgeräten in Franken. Inmitten der internationalen Auseinandersetzungen um Mittelwellen und noch vor Inkrafttreten des Kopenhagener Frequenzplans hatte AFN einen neuen Studiosender eröffnet. In diesem Fall war die Eigendynamik von amerikanischer Militär- und Radioentwicklung stärker gewesen als externe Faktoren. Für das immer intensiver genutzte Manövergebiet in Grafenwöhr und die geplanten Neustationierungen im nördlichen Bayern wollte der Europäische Befehlsbereich einen Sender mit lokalem Programm. Die Wahl des neuen Standortes fiel leicht, nachdem die US-Truppenbetreuung ihr Hauptquartier nach Nürnberg verlegt hatte. Mit deren Unterhaltungsstars und Berichten über die amerikanischen Sportveranstaltungen auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände konnte die neue Station auch Programme für die gesamte militärische Senderkette liefern. AFN richtete sich daher Studios in der dritten Etage des Grand Hotels am Nürnberger Bahnhof ein. Eine kleine Anlage in Fürth sendete das Programm für das amerikanische Publikum vor Ort, der Zehn-Kilowatt-Relaissender in Bayreuth und weitere kleinere Verstärker sorgten für die regionale Verbreitung des Signals.2 Die Zuspitzung des Kalten Kriegs Anfang der fünfziger Jahre wirkte sich zunächst positiv auf das US-Militär und auf AFN aus. Truppenverstärkungen und neue Standorte im Rahmen der NATO-Strategie machten die Ausweitung 1 2
Die Abkürzung T I&E steht für Troop Information and Education und meint die Informations- und Bildungsprogramme der US-Streitkräfte. LTC H. G. Price, From the Commanding Officer, in: AFN Weekly Digest, 3. Juli 1954. Seit September 1949 sendete AFN sein Münchner Programm vom Faber-Castell-Schloss bei Nürnberg, zwei Monate später kamen die Anlagen nach Fürth, wo sie nach weiteren Umzügen innerhalb der Stadt ein Nürnberger Programm übertrugen. Außer in Bayreuth gab es noch Verstärker-Sender in Ansbach, Bad Kissingen, Bamberg, Coburg, Hof und Würzburg. Aktennotiz: History of AFN Nurnberg, o. D., Box 11, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Provan, The AFN Story, 156–161; Strößner, AFN in Nordbayern, 22 f.; Walther, Morgens anti-Vietnam, abends AFN, 18 ff.
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des Sendernetzes nötig und sorgten für eine größere Verbreitung von AFN. Die ersten Jahre der Dekade waren gekennzeichnet durch eine angespannte Stimmung, die sich etwa durch erhöhte Alarmbereitschaft und die Verfolgung von angeblichen kommunistischen Sympathisanten ausdrückte. Tendenzen der Entspannung wirkten sich im Militär nur bedingt aus und zeigten sich dort vor allem an gekürzten Verteidigungsetats. Ab 1953 waren daher konstante Einsparungsbemühungen ebenso wichtig wie der Erhalt und Ausbau der Militärsenderkette. AFN konnte sich insgesamt auf einem hohem Niveau konsolidieren: Die US-Soldaten in Deutschland waren gut mit Radio versorgt und AFN produzierte den Großteil seiner Programme selbst. Diese Jahre werden deshalb häufig als Blütezeit von AFN angesehen. Es wird zu zeigen sein, dass sich gleichzeitig aber erste Zeichen von Stagnation andeuteten und die Senderkette immer mehr hinter die Medienentwicklung in den USA zurückfiel. Das Fehlen von Fernsehen und mangelnde Programmdifferenzierung beim Hörfunk sollten in den nachfolgenden Jahren zu Problemen führen. Der Beginn der Kämpfe in Korea hatte auch in Europa zur Verschärfung des Systemkonflikts geführt. Der Krieg erzeugte in der europäischen und amerikanischen Öffentlichkeit kurzfristig eine fast panische Stimmung, die sich zum Teil auch in den Medien niederschlug. Der Militärsender AFN hatte daran keinen Anteil. Er berichtete über den Krieg in Asien, hielt aber an seiner Darstellungsweise und dem gewohnten Programmmuster fest. Die nüchterne Berichterstattung des Militärsenders stieß nicht bei allen Hörern auf Verständnis, stimmte aber mit offiziellen Vorgaben überein. Ein Vorgesetzter von AFN lobte den Radiosender dafür, bei Kriegsbeginn nicht Teil der „Welle der Hysterie“ amerikanischer Medien geworden zu sein. In dieser Situation sollten die amerikanischen GIs zwar auf einen möglichen Krieg in Europa vorbereitet sein, aber keinesfalls in Panik versetzt werden. Insgesamt nützten den Streitkräften aber die kollektiven Emotionen, denn der Korea-Krieg wirkte für die militärische Entwicklung in Europa wie ein Katalysator.3 Seit der NATO-Gründung im Jahr 1949 war die Verstärkung der westeuropäischen Verteidigungsmaßnahmen beschlossene Sache, noch hatte aber kein zusätzlicher US-Soldat den europäischen Kontinent betreten. Erst unter dem Eindruck des Korea-Kriegs stimmte der amerikanische Kongress im Frühjahr 3
MAJ F. H. Graham, Asst AG, EUCOM, an C/S, USA, Attn: TIED, 17. Oktober 1950, Box 419, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP: „wave of hysteria“. Siehe auch Aktennotiz von COL S. Y. McGiffert, C/TIED, 17. Januar 1951, Box 347, ebd. Für die Lage in Europa siehe etwa ZENON, Gehört und gewertet, in: Hannoversche Presse, 8. Juli 1950: „Die Psychose einer eventuellen Ausweitung des Korea-Konflikts geistert derzeit in allen Spielarten um die saisonmäßig überhitzten Mikrofone in Ost und West.“; Angstkäufe lassen nach, ebd., 6. Juli 1950. Vgl. Large, Die deutsch-amerikanische Verteidigungspartnerschaft, 327; Merritt/Merritt (Hg.), The HICOG Surveys, 77, 81 f.; Schumacher, Kalter Krieg und Propaganda, 76 ff., 142, 200 ff., 282. Siehe einleitend auch Patterson, Grand Expectations, 207–242.
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1951 dem Beschluss der US-Regierung zu, vier zusätzliche Divisionen nach Europa zu entsenden. Die hier stationierten amerikanischen Truppen unterstanden in Friedenszeiten dem Europäischen Befehlsbereich der US-Streitkräfte, für den Kriegsfall waren sie in die Strukturen der NATO integriert.4 Innerhalb des Jahres 1951 erreichten mehrere Heeres-Divisionen Europa und wurden vor allem der Siebten Armee zugeordnet, die zuvor in Stuttgart wieder aufgestellt worden war. Da auch Luftwaffe und Marine erheblich verstärkt worden waren, hatte sich die Anzahl der US-Streitkräfte in Europa bis Ende des Jahres mit insgesamt 322.438 Angehörigen mehr als verdoppelt.5 Die Eingliederung der neuen Truppen, deren Anzahl bis 1953 weiter anstieg, war eine Herausforderung. Viele Neuankömmlinge waren Wehrpflichtige, die an militärischer Erfahrung kaum mehr als ihre Grundausbildung mitbrachten und die nun in Europa ausgerüstet und auf ihre Aufgaben vorbereitet werden mussten. Gefechtsbereitschaft bestimmte als Ziel fortan das Streben des Militärs, und auch AFN betonte nicht zufällig in seiner Öffentlichkeitsarbeit die militärischen Fähigkeiten seiner Soldaten: „AFN Staff Shows It’s Combat Ready, Too.“6 Solche Artikel sprachen auch direkt den Neid anderer Soldaten auf AFN-Mitarbeiter an, die einen vermeintlich ruhigen Job bei der Armee gefunden hatten. Die Beteiligung an Manövern sollte beweisen, dass es den militärischen Angehörigen des Radiosenders nicht besser erging als anderen Wehrpflichtigen oder Berufssoldaten. Europaweit organisierten die US-Streitkräfte Manöver, verordneten Marschübungen und kontrollierten verstärkt Pflichtaufgaben wie Schießprüfungen und Fitness-Tests.7 Wie überall im Militär wurden auch bei AFN wochenlang Inspektionen vorbereitet, die meist nur Minuten dauerten und im Ergebnis höchst wenig über die Leistungsfähigkeit 4
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In diesen Jahren fanden zahlreiche Änderungen in der Organisation der US-Streitkräfte statt. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, war vor allem der Wechsel von EUCOM (fortan umgangssprachlich „old EUCOM“ genannt) zum neuen US European Command (US EUCOM) im Jahr 1952 wichtig, dem die Hauptquartiere der verschiedenen Teilstreitkräfte in Europa unterstanden. In Heidelberg wurden zugleich dem Hauptquartier des Heeres in Europa (United States Army Europe, abgekürzt USAREUR) mehr Aufgaben übertragen. Der Kommandierende General von US EUCOM erfüllte in Personalunion für die NATO die Funktion des Obersten Alliierten Befehlshabers Europa. Siehe einleitend etwa Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 40–45; Schraut, U. S. Forces in Germany, 170–179; Sweringen, Sicherheitsarchitektur im Wandel, 340–343. Leuerer, Die Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 334. Die Zahlen variieren je nach Bezugseinheiten und Autor, stimmen in der Tendenz aber überein. Siehe etwa Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 45; Schraut, Vom Besatzer zum Beschützer, 204 ff.; Sweringen, Sicherheitsarchitektur im Wandel, 340 f. AFN Staff Shows It’s Combat Ready, Too, in: Army Times, 5. April 1955. Siehe etwa Nurnberg Notebook, in: AFN Weekly Digest, 30. Mai 1953; Clay Sherman, Bremerhaven Bedlam, ebd., 20. Juni 1953; H. G. Price, From the Commanding Officer, ebd., 11. Juli 1953; R. L. Groover, Kastle Kaperz, ebd., 16. Januar 1954; H. G. Price, From the Commanding Officer, ebd., 13. März 1954; Overnight Problem Features Infantry-Radio Techniques, ebd., 26. Juni 1954.
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von AFN als Radiosender aussagen konnten. Dieser Widerspruch deutet sich szenisch an, wenn etwa die soldatischen Sprecher und Techniker der kleinen Station AFN Nurnberg für eine Heeresinspektion mit Gewehr und in voller Montur in den Räumen des Grand Hotel antreten mussten.8 Als Oberstleutnant Harold G. Price im Januar 1953 neuer Chef des Militärrundfunks wurde, begann auch er, sich umfassend um dessen militärische Aufgaben zu bemühen. AFN konnte als Radiosender noch so gut sein, schlechte Beurteilungen der Armee-Einheit 7706 American Forces Network Company schadeten der Karriere des Kommandeurs und widersprachen seinen Wertvorstellungen als Berufsoffizier. Mit Frühsport, Kontrollen und Appellen ordnete Price die üblichen disziplinfördernden Maßnahmen an. Außerdem versuchte er, soldatisches Wohlverhalten etwa mit Wettbewerben um Urlaubstage zu fördern. Seine Gattin kümmerte sich derweil darum, die Ehefrauen von AFN-Mitarbeitern zu vernetzen und gemeinschaftsstiftende Unternehmungen zu organisieren. Die Fraktion der „Zivilisten in Uniform“ und viele echte Zivilangestellte des Senders hielten die meisten dieser Aktivitäten für unnötig und zeitraubend. Anders als in der Nachkriegszeit hielt sich der Widerstand dagegen aber in Grenzen. Dafür sorgten wohl die politisch angespannte Lage und möglicherweise auch die realistischen Ansichten von Price. Er ging davon aus, dass sich Radio als „Showbusiness“ immer und grundsätzlich vom streng reglementierten Soldatenleben unterschied und forderte Toleranz von allen Beteiligten.9 Zur Stärkung des Teamgeistes ließ Price auch den AFN Weekly Digest veröffentlichen, in dem vor allem Texte über Personen und Ereignisse der verschiedenen AFN-Stationen erschienen. So wollte er das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Senderkette stärken, deren technischen Anlagen und Studios über weite Teile Deutschlands verstreut lagen. In dieser Publikation hatten neben der anspornenden Kolumne des Kommandeurs auch ironische Anspielungen auf die disziplinfördernden Bemühungen von Price Platz. Der Digest diente so auch als soziales Ventil, denn hier verlagerte sich der 8
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„Capt Bill Davis, Nurnberg station CO, met the group at the Hotel entrance and directed it to the studios where the men were assembled, complete with khakis and carbines.“ Dem Inspektionsteam gehörten zwei Generäle an. SAC-USAREUR Officials Inspect Nurnberg Station, in: AFN Weekly Digest, 28. August 1954. Vgl. Command Inspection Set For May 27, ebd., 22. Mai 1954. Siehe etwa First Meritorious Pass Won By PFC Ohmstedt, ebd., 2. Mai 1953; H. G. Price, From the Commanding Officer, ebd., 23. Mai 1953; O’Gorman – Brady – Walker Win Meritorious Passes, ebd., 11. Juli 1953; Awards Presentation Highlights Inspection, ebd., 22. August 1953; AFN Wives Hold First Meeting, ebd.; LTC Price, From the Commanding Officer, ebd., 19. September 1953: „Radio is show business.“; H. G. Price, From the Commanding Officer, ebd., 17. Oktober 1953; AFN Wives’ Club Plans Meeting, ebd.; AFN Club to Hold Spring Style Show, in: Chronicle, 19. März 1954. Zur Bedeutung der Frauenclubs in den US-Militärgemeinschaften siehe etwa Alvah, Unofficial Ambassadors, 86–90; Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 67 f., 83–87.
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Antagonismus zwischen Berufssoldaten und den „Jungs aus dem Showgeschäft“ auf eine spielerische Ebene. Price konnte es sich beispielsweise nicht verkneifen, auf die neue und produktive Ruhe in der Sendezentrale hinzuweisen. Einer seiner Untergebenen schilderte wiederum, wie die Katze Feedback den Kompaniefeldwebel bei einem Appell begleitete und so den militärischen Ernst untergrub. Trotz Widersprüchen und vereinzelten Nachlässigkeiten (an die sich Zeitzeugen zuvorderst erinnern), blieb das autoritär-hierarchische System auch bei AFN unangetastet und der Radiosender erfüllte seine Funktion innerhalb des Militärs voll und ganz.10 In Theorie und Praxis bereiteten sich alle US-Einheiten in Deutschland auf einen konventionellen Angriff des Ostblocks vor, denn dies erschien den militärischen Planern als wahrscheinlichstes Szenario für einen möglichen Krieg in Europa. AFN sollte in einer solchen Situation seine Zuhörerschaft alarmieren und Anweisungen für amerikanische Soldaten und Zivilisten verbreiten. Trotz erhöhter Kampfkraft und Truppenverstärkungen glaubten westliche Strategen nicht, einen massiven Militärschlag abwehren zu können. Die Evakuierung der Radiostationen wurde daher minutiös vorbereitet. Immer neue Dienstvorschriften legten fest, wer welche Ausrüstungsgegenstände mitnehmen musste oder welche Anlagen zerstört werden sollten. Mobilität wurde zu einem der wichtigsten Merkmale der Verteidigungsbereitschaft. Die fahrbaren Sender von AFN waren in Friedenszeiten normale Übertragungswagen oder wurden als Übergangslösung bei Umbauten oder für neu gegründete Stationen genutzt. Im Krieg sollten die mobilen Anlagen jedoch als lokale Radiostationen verschiedene Teile der US-Streitkräfte begleiten. Die Zusammenarbeit mit den Kampftruppen wurde in Manövern erprobt und durch kleinere Übungen auf einem hohen Niveau gehalten.11
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O. G. Dowling, AFN Helps Red Radio, in: Radio Review, 24. April 1953; Castle Capers, in: AFN Weekly Digest, 22. August 1953; H. G. Price, From the Commanding Officer, ebd., 26. September 1953; Of Foolish Felines, ebd., 3. Oktober 1953: „AFN’s foolish feline, ‚Feedback‘, […] pulled another foolish trick – trooped the line with CWO Cheezem at inspection Wednesday afternoon.“; The 500th New Year, ebd., 2. Januar 1954; H. G. Price, From the Commanding Officer, ebd., 30. Januar 1954: „Have you noticed how quiet our headquarters building has become?“; Stuttgart Says, ebd., 3. April 1954. Siehe etwa LTC E. F. Doane, XO/AFN, an CinC/EUCOM, 30. Januar 1951, Box 268, Class Dec File 1951, SGS C/S, EUCOM, RG 338 NACP; COL S. J. Grogan, CO/Munich Mil Post, an Gen Noce [C/S, EUCOM], 5. März 1951 (mit Anlagen), ebd.; Suid-Interview Brewer, 26, Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch From the Transmitters, in: AFN Weekly Digest, 1. August 1953; AFN: The Voice of Home, in: Berlin Observer, 11. Februar 1955; Ralph Jones, AFN on Air 19 Hours Daily; Started in 1945, in: HAC Post, 13. Mai 1955. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 166; Provan, The AFN-Story, 32; Schraut, Vom Besatzer zum Beschützer, 215 ff.; Zumwalt, The Stars and Stripes, 150.
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Die Alarmbereitschaft der US-Streitkräfte in Europa bestimmte den Alltag der gesamten Militärgemeinschaft. Die Sicherung aller militärischen Anlagen wurde erhöht und auch die amerikanischen Familienangehörigen mussten sich durch das Anlegen von Notvorräten und Evakuierungsübungen auf eine mögliche Flucht vorbereiten. Wie in Kriegszeiten warnten großangelegte Informationskampagnen die amerikanische Bevölkerung in Europa vor Sabotage und Spionage. Selbst scheinbar harmlose Aktivitäten wie die Vermittlung von internationalen Brieffreundschaften und das Wünschen von Musiktiteln auf AFN unterlag nun strengen Vorschriften. Der Radiosender durfte nur noch schriftliche Anfragen berücksichtigen, auf denen Name und Adresse vollständig vermerkt waren.12 Diese wachsame bis paranoide Stimmung der Zeit war auch bei weiten Teilen der deutschen Bevölkerung verbreitet. Als das USHeer untersuchte, ob private Verkäufe eines zivilen amerikanischen Angestellten von AFN Bayreuth Militäreigentum betrafen, überschlugen sich einige deutsche Zeitungen mit Spekulationen. Sie mutmaßten, dass eine ganze AFN-Sendeanlage in den Ostblock verschoben worden wäre, obwohl es bei der Prüfung der Armee um Gegenstände wie einen Kühlschrank ging.13 Auch das Programm von AFN spiegelte die Zuspitzung der Ost-WestKonfrontation wider. Die Sendung zum Jubiläum von AFN im Jahre 1948 hatte trotz Berlin-Blockade noch vom friedlichen Zusammenleben aller Völker geträumt. Fünf Jahre später beschwor AFN zum selben Anlass seine Funktion bei der Verbreitung von Freiheit und Demokratie in Europa in Abgrenzung zur „Finsternis der Ostzone“.14 Die Auseinandersetzung der politischen Systeme war Thema aktueller Berichterstattung und Bildungssendungen. Für seine oft direkt betroffene Hörerschaft berichtete AFN über Zwischenfälle oder Festnahmen im Grenzgebiet und bereitete diese Themen im Rahmen der Truppenschulungsprogramme auf, damit die US-Soldaten solche Konflikte zukünftig vermeiden konnten. Sendereihen wie „This Is Free Europe“ oder „Made in Germany“ sollten das Zusammengehörigkeitsgefühl des Westens stärken und den bisherigen Erfolg der militärischen Mission in Europa betonen. Im Unterhaltungsprogramm dienten Spionagefälle oder spektakuläre Fluchten aus dem Ostblock als Vorlage für Doku-Dramen. Auch Musiksen12
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LTC E. F. Doane, XO/AFN an CinC/EUCOM, 30. Januar 1951, Box 268, Class Dec File 1951, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; DA, Special Regulations No. 1-101-10, 16. September 1953, Folder: 000.7 Pen Pal Letters, Box 418, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Siehe auch Old Sarge Says, in: AFN Weekly Digest, 10. Juli 1954; Vogelweh AFN Staff Old Hands in Civilian Radio, in: Ramjet, 26. November 1955. Vgl. Alvah, Unofficial Ambassadors, 127; Zumwalt, The Stars and Stripes, 149 f. Army Checking Report Yank Sold Reds Radio Gear, in: Stars and Stripes, 24. November 1953. Vgl. Biess, „Jeder hat eine Chance“, 65 ff., 69; Körner, „Die rote Gefahr“, 21, 37 f., 43 f.; Schildt/Siegfried, Deutsche Kulturgeschichte, 140–143. Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Tracks 8 und 21: „Berlin – a free world’s window into the darkness of the East Zone“.
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dungen waren mitunter politisch geprägt, zum Beispiel wenn der deutschamerikanische Tempelhof Choir aus Berlin eine Sendung zu „Communism versus Christianity“ gestaltete.15 Solche Programme, die einfache gut-böse Kategorien propagierten, blieben für den militärischen Rundfunksender auch dann wichtig, wenn sich die Stimmung in der Öffentlichkeit kurzzeitig entspannte. Die US-Truppen in Europa standen an einer der wichtigsten Frontlinien des Kalten Kriegs, und daher galt es, ihre Aufmerksamkeit und Einsatzbereitschaft über Monate und Jahre auf höchstem Niveau zu halten.16 Der Kampf gegen den Kommunismus fand auch innerhalb der US-Streitkräfte statt. Bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der Chef der Informations- und Bildungsabteilung der US-Armee alle bisher ausgegebenen Materialien nach kommunistischen Einflüssen untersuchen und diese im Zweifelsfall entfernen lassen. Auch die Militärmedien standen seitdem unter verstärkter Beobachtung von Vorgesetzten und Außenstehenden. Bei der Kontrolle durch Politik und Medien in den USA war es für AFN vorteilhaft, als Rundfunksender dort nicht verfügbar zu sein und kaum bleibende Spuren zu hinterlassen. In den Akten konnten nur wenige Beschwerden über pro-kommunistische Inhalte auf AFN gefunden werden. In einem Fall erkundigte sich Senator Joseph R. McCarthy persönlich nach einem Detail der AFN-Bericht15
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Chaplain Sets Last Date With Berlin Choir, in: Stars and Stripes, 9. Januar 1955. Die Sendung „Communism versus Christainity“ lief am 4. Juli 1954. – Da die Freiheit der Religionsausübung als Argument für Demokratie gesehen wurde, boten sich religiöse Programme für die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ideologie an. Die langjährige Sendung „Hymns from Home“ etwa hatte den Untertitel „Voices of a free people lifted in praise to God“. So wie die US-Streitkräfte die Seelsorge verschiedener Konfessionen für die Soldaten förderten, integrierte auch AFN religiöse Sendungen in sein Programm. Die regelmäßigen Beiträge waren protestantisch, katholisch und jüdisch und umfassten Übernahmen amerikanischer Produktionen, Sendungen von örtlichen Militärgeistlichen oder Übertragungen von Gottestdiensten oder geistlichen Konzerten. Der Anteil von religiösen Sendungen am Programm von AFN lag bei bis zu drei Prozent und entsprach damit den Vorgaben des amerikanischen Militärrundfunks. Siehe etwa Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948; Gernot Brümmerstädt, This is AFN – the American Forces Network!, in: Wildente, Mai 1956; AFN Day-by-Day, in: Radio Review, 20. März 1959; Joachim Andrae, Ein Soldatensender, der überall Freunde hat, in: Hörfunk und Fernsehen, Oktober 1961. Vgl. Alvah, Unofficial Ambassadors, 147 f.; Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 39, 46; Dunning, On the Air, 571–574; Mitchell, Cavalcade of Broadcasting, 123 f.; Schumacher, Kalter Krieg und Propaganda, 128 f.; Sterling/ Kittross, Stay Tuned, 124, 181. „Attention – 50 Meters to Border“, USAREUR Information Bulletin Jg. 10, Nr. 8 (2. September 1955), Box 1, USAREUR Information Bulletin, 1955–1956, Info Div, USAREUR, RG 338, NACP. Siehe auch AFNotes, in: Stars and Stripes, 26. Juli 1953; AFN to Tell of Russ Who Fought Red Party, ebd., 25. Juli 1954; AP, Yanks Bare Czech Prison Threat, in: New York World-Telegram and Sun, 4. Oktober 1954; Tell of Red Grilling, in: Stars and Stripes, 5. Oktober 1954; AFN Airing „If Freedom Failed“ Series, ebd., 13. Januar 1961; Irene Sheridan, AFN versus BBC, in: You & Europe, März 1962.
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erstattung, andere Anfragen (manche erstaunlich ausführlich) bezogen sich ebenfalls auf kurze Beiträge. Diese Nachfragen scheinen keine negativen Folgen für den Radiosender gehabt zu haben. Etwas anders erging es der europäischen Ausgabe der Stars and Stripes, die als Printmedium genauer und auch in den USA rezipiert werden konnte. So griff etwa 1948 ein Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses die Zeitung öffentlich an und stellte ihr gesamtes redaktionelles Vorgehen in Frage. Die militärischen Verantwortlichen stellten sich schützend vor „ihre“ Stars and Stripes, wussten sich in Europa aber ideologisch auf besonders umkämpftem Terrain.17 Die Streitkräfte fahndeten diesseits und jenseits des Atlantiks nach kommunistischen Sympathisanten in den eigenen Reihen. In der Zentrale des Militärrundfunks in Hollywood hatte AFRS 1948 zwei hochrangige Mitarbeiter wegen ihrer ideologischen Nähe zum Kommunismus entlassen. Nach diesem Eklat wurde die politische Überprüfung aller Mitarbeiter im Truppenschulungsbereich Pflicht und fiel in die Zuständigkeit der lokalen Kommandeure.18 Auch in Europa gab es einige Fälle von ideologisch begründeten Kündigungen, bei denen abermals die Stars and Stripes stärker ins Blickfeld geriet als AFN. Selbst als sich der Militärsender 1950 von seinem langjährigen Nachrichtenchef in Berlin trennte, sorgte dies nicht für großes Aufsehen. Spero Galanopulo hatte als Soldat im Zweiten Weltkrieg bei kleineren Militärzeitungen gearbeitet und war nach seiner Entlassung aus der Armee als ziviler Angestellter zu AFN gekommen. Galanopulos Arbeit als Nachrichtenredakteur lässt sich ohne Tonaufnahmen oder Sendemanuskripte schwer beurteilen, seine Vorgesetzten und Kollegen waren aber anscheinend zufrieden mit ihm, denn er übernahm verantwortungsvolle Aufgaben und sein Vertrag wurde immer wieder verlängert. Auch die AFN-Hörerschaft kannte Galanopulo, einen Mann mit auffälligem Kinnbart, da er sich sozial engagierte und mehrere spektakuläre Hilfsaktionen organisierte.19 Einige AFN-Mitarbeiter machten sich allerdings 17
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Security in Troop Information and Education Program, 7. März 1951, Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP; Col McGiffert an Gen Dorn, Subject: Article in Times-Herald re Stars and Stripes, 29. Dezember 1951, ebd.; Alger, Brüssel, an Sec of State, No. 419, 6. November 1954, ebd.; CINFO-IE sgd Parks an CINCEUR, 22. Januar 1952, Box 419, ebd.; SGS an C/AFIED, Subject: Broadcast entitled „ Why do we give aid to TITO“, 23. Juli 1951, Box 268, Class Dec File 1951, C/S, EUCOM, RG 338, NACP. Siehe auch Zumwalt, The Stars and Stripes, 201–204. DA, Special Regulations No. 380-160-20: Military Security, 7. April 1950, Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP; Security in Troop Information and Education Program, 7. März 1951, ebd. Kajo, Berlin im USA-Soldatensender, in: Telegraf, 18. Juli 1946; AP, Army Bananas Rushed to Aid Germany Baby, in: „Times“, 6. Mai 1948 (Kopie aus Folder: Misc Newspaper Clippings, Box 2, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP); The GI’s Network, in: Weekend, 3. Juli 1948; International Cooperation Saves German Polio Victim, in: Berlin Observer, 6. August 1948. Vgl. Provan, The AFN Story, 29. Siehe auch Gespräch mit H.-W. Nahme, 2. Februar 2002.
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Sorgen wegen der großen Zahl von Ostflüchtlingen, die zu Galanopulo kamen und Anlass zu negativen sowjetischen Kommentaren gaben. Die Verantwortlichen bei AFN konnten sich den Strom der Hilfesuchenden nicht erklären, ließen Galanopulo nach Rücksprache mit dem kommandierenden General aber gewähren. Diese Situation gibt durchaus Anlass zu Spekulationen, Zeitzeugen erinnern sich allerdings ohne Argwohn an das Wirken Galanopulos und sind eher stolz auf ihn.20 Die Ergebnisse der neu vorgeschriebenen Überprüfung der politischen Gesinnung von Mitarbeitern im Truppenschulungsbereich erreichten in Galanopulos Fall im April 1950 seine Vorgesetzten. Der gebürtige New Yorker hatte in den dreißiger und frühen vierziger Jahren für mehrere, als kommunistisch eingestufte Gewerkschaften gearbeitet und für deren Publikationen geschrieben. Wie viele solcher Untersuchungsberichte beschäftigt sich Galanopulos Akte nicht mit der inhaltlichen Analyse seiner Arbeit, sondern versucht, durch Aussagen von „geheimen und als zuverlässig bekannten Informanten“ seine kommunistische Gesinnung oder die Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei nachzuweisen. Die Tätigkeit für AFN wird nur einmal erwähnt, da Galanopulos Name auf einer Liste erschien, die ihn dem „Kern der amerikanischen Kommunisten und Kontaktpersonen zur sowjetischen kommunistischen Partei in Berlin“ zuordnete. Aufgrund dieser Geheimdienstinformationen versetzte AFN Galanopulo auf einen „weniger sensiblen“ Posten in der Frankfurter Zentrale, woraufhin dieser beim Militärsender kündigte und als freier Journalist nach Berlin zurückkehrte. Amerikanische Zivil- und Militärbehörden waren gegen Galanopulos Aufenthalt dort und erwirkten im April 1951 seine Ausreise aus Deutschland.21 Das Beispiel Galanopulo zeigt einige typische Merkmale des Umgangs mit echten oder vermeintlichen Kommunisten in den USA in den vierziger und fünfziger Jahren. Zunächst fällt auf, dass der tatsächliche Schaden durch das Verhalten der Beschuldigten nicht ermittelt wurde und auch nebensächlich war. Im Fall Galanopulo ist unstrittig, dass er in den USA für verschiedene Organisationen der griechisch-amerikanischen Arbeiterbewegung tätig gewesen ist. Ob und (wenn ja) wie seine Arbeit für AFN davon beeinflusst wurde, kann allerdings nicht beurteilt werden. Der große politische Druck, mit dem die „ideologische Säuberung“ in den USA betrieben wurde, bewirkte des Weiteren, dass sich die militärische Führung auf höchster Ebene mit dem AFN-Fall befasste. So schrieb der Stabschef des Europäischen Befehlsbe20 21
Suid-Interview Adelman, 49, Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; K. Dunnagan an MAJ G. H. Buchanan, AFN, o. D. [1967], Ex-AFNers File, AFN Historical File; Harry Whitcomb an die Autorin, 19. Oktober 2002. Anlage zu MG D. Noce, C/S, EUCOM, an MG F. L. Parks, C/Info, DA, 3. April 1951, Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP: „a confidential informant of known reliability“; „Nucleus of American Communists and Contacts with the Soviet Communist Party in Berlin“; „less sensitive“.
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reichs persönlich an den zuständigen Generalskollegen im Heeresministerium, um vor der Ankunft Galanopulos in den USA und einem potentiellen Skandal zu warnen.22 Eine abschließende Bewertung dieses Falls ist ebenso schwierig wie ein Urteil über das gesellschaftliche Phänomen der Red Scare. Einerseits gab es die Instrumentalisierung von kommunistischen Sympathisanten durch die UdSSR, die dem westlichen Lager auf vielfältige Weise schadete. Andererseits ist fraglich, ob die demokratischen Staaten auf diese Bedrohung angemessen reagierten. In den Vereinigten Staaten wirkten die Folgen dieser politischen Phase jahrzehntelang nach und beeinträchtigten demokratische Prozesse ebenso wie das Leben und die Arbeit einzelner Menschen. Auch Galanopulo sollte bei seinem späteren beruflichen Werdegang in den USA immer wieder auf Probleme stoßen.23 Die Senderkette wächst Lassen Sie uns nun zu einer Kernaufgabe des US-Militärs zurückkehren: der Verteidigung der Vereinigten Staaten in Europa. Die seit 1950 eintreffenden zusätzlichen US-Truppen verstärkten das westliche Lager entscheidend, mussten aber auch finanziert und untergebracht werden. Da die Vereinigten Staaten nicht mehr auf beschlagnahmte Gebäude zurückgreifen wollten oder konnten, wurden Baumaßnahmen im großen Stil nötig. Hierbei entstand eine Vielzahl relativ selbstständiger Militärgemeinden, die fortan als „kleine Amerikas“ das Bild der US-Präsenz in der Bundesrepublik prägen sollten. Die Kosten für diese großen Investitionen verteilten sich auf mehrere Schultern, belasteten aber auch das Budget des US-Militärs in Europa erheblich. Die verschiedenen Truppenteile konkurrierten daher untereinander um die Berücksichtigung ihrer Interessen und AFN erhielt als nicht-kämpfende Einheit bei Neu- oder Umbauten nicht selten eine niedrige Dringlichkeitsstufe zugewiesen. Mit der Gründung von AFN Nurnberg hatte der Militärsender zumindest in Franken rechtzeitig Tatsachen geschaffen. Die Standorte im Norden Bayerns, darunter das wichtige Manövergebiet bei Grafenwöhr, waren dadurch mit lokalem Rundfunk versorgt, bevor politische und bürokratische Prozeduren die Entstehung eines Studiosenders verschleppen oder gar verhindern konnten. Komplizierter wurde die Angelegenheit für AFN außerhalb der
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Ebd.; MG F. L. Parks, C/Info, DA, an MG D. Noce, C/S, EUCOM, 19. April 1951, ebd.; CINCEUR Heidelberg sgd Handy cite ECTIE an DA for CINFO, 18. April 1951, ebd. Vgl. COL H. C. Fellows, C/AFIED, EUCOM, an COL S. Y. McGiffert, C/TIED, C/Info, DA, 24. Mai 1951, ebd. E-Mail von Constantine Galanopulo an die Autorin, 21. August 2002. Vgl. einleitend etwa Patterson, Grand Expectations, 165–205, 236–241; Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus, 76–79.
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ehemaligen amerikanischen Besatzungszone, denn auch dort wurden nun USTruppen stationiert.24 Das Verteidigungskonzept der NATO sah für die amerikanischen Truppen auch Standorte westlich des Rheins vor. Die US-Streitkräfte hatten seit 1946 ihre Versorgung vor allem über Bremerhaven abgewickelt, doch der Transportweg durch die norddeutsche Tiefebene wäre im Falle eines Angriffs aus dem Osten stark gefährdet gewesen. Eine Nachschublinie von Süddeutschland direkt nach Westen schien sicherer zu sein, machte aber US-Einrichtungen in der ehemaligen französischen Besatzungszone und in Frankreich nötig. Aufgrund der NATO-Beschlüsse einigten sich Amerikaner und Franzosen im Jahr 1950 auf einen groß angelegten Austausch von militärischen Einrichtungen und Gebieten westlich des Rheins. Für AFN bedeutete dies, dass er seine Sender im hessischen Fritzlar, Marburg und Wetzlar schließen konnte, da die amerikanischen Truppen dort abzogen. Noch im selben Jahr begannen die US-Streitkräfte mit dem Aufbau wichtiger Heeres- und Luftwaffenstützpunkte im zeitweilig Rhine Military Post genannten nördlichen Gebiet des französischen Einflussbereichs.25 Bei der Ausweitung nach Rheinland-Pfalz musste der Militärrundfunk einige Hindernisse überwinden. Zunächst blockierte das Sparprogramm der US-Armee das Vorhaben von AFN. Erst als der Stabschef zugunsten des Senders intervenierte, leiteten die militärischen Verantwortlichen die AFN-Pläne an den für Rundfunk zuständigen US-Hochkommissar weiter. Hier zeigte sich nun, wie sehr der Kopenhagener Prozess das Verhältnis zwischen diesen beiden amerikanischen Dienststellen verschlechtert hatte, denn in den folgenden Monaten entspann sich ein bürokratischer Machtkampf zwischen Hochkommissariat und Militär. Anfang 1953 hatten sich alle Beteiligten schließlich vorläufig geeinigt. Im Februar startete AFN mit einer mobilen Anlage in Vogelweh, einem Vorort von Kaiserslautern; ein Monat später ergänzte ein 250-Watt-Sender in Bitburg den AFN-Service. Noch kam das Programm aus Frankfurt, aber nun konnten auch die US-Truppen westlich des Rheins AFN in einer guten Sendequalität empfangen.26 24
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Handy, CINCEUR, an HICOG, 26. Mai 1950, Box 188, Class Dec File 1950, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; Stubbs, C/AFIED, EUCOM, an McCormick, C/TIED, C/ Info, DA, 3. April 1952, Box 433, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP; McCormick an Stubbs, 14. Mai 1952, ebd. Vgl. hierzu einleitend etwa Leuerer, Die Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 170–183; Herget/Kremp/Rödel (Hg.), Nachbar Amerika. COL M. G. Stubbs, C/AFIED, EUCOM, an DC/S Admin, 19. Dezember 1952, Box 2, Gen Corr 1953, SGS, USAREUR, RG 338, NACP. Vgl. Höhn, GIs and Fräuleins; Rödel, Die Amerikaner kehren zurück; Sweringen, Amerikanische Truppen in Rheinland-Pfalz; ders., Sicherheitsarchitektur im Wandel, 341 ff.; Schraut, Vom Besatzer zum Beschützer, 208–213. COL M. G. Stubbs, C/AFIED, EUCOM, an COL S. Y. McGiffert, C/TIED, C/Info, DA, 29. Januar 1952, Box 433, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, RG 319, NACP;
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Das Ziel von AFN blieb ein eigenständiger Lokalsender für die mittlerweile Befehlsbereich West (Western Area Command) genannte Gegend. Da der Militärrundfunk den offiziellen Gang der Bürokratie nicht abwarten wollte, behalf er sich mit einer mobilen Sendeanlage. Dafür parkte AFN-Personal einen Übertragungswagen in der Kleber-Kaserne in Kaiserslautern und baute einen Fünf-Kilowatt-Sender auf. Ein kleines Schallplattenarchiv und eine Übertragungsleitung zu einem nahe gelegenen US-Militärclub vervollständigten die Grundausstattung: Im Dezember 1953 starteten sechs amerikanische und einige deutsche Mitarbeiter den Programmbetrieb. Die Besonderheit dieser AFN-Station deutete die Anwesenheit eines Heeres- und eines Luftwaffengenerals bei der Eröffnung von AFN Kaiserslautern an. Im Befehlsbereich West war die Air Force im Vergleich zu den übrigen US-Truppen in Deutschland überproportional vertreten. Ein Offizier der Luftwaffe leitete daher auch den Militärsender, und die Waffengattungen der Ansager spiegelten das Verhältnis von Heer und Luftwaffe beim amerikanischen Zielpublikum wider.27 Da die Reichweite von AFN Kaiserslautern anfangs nicht besonders groß war, hatte es der neue Sender schwer, sich bei seiner Hörerschaft durchzusetzen. Viele US-Soldaten in Rheinland-Pfalz konnten mit ihren Radiogeräten vor allem die starken Signale von AFN Frankfurt störungsfrei empfangen und auch der Sender in Bitburg übernahm noch das Programm der Zentrale. Im Herbst 1954 ging diese Durststrecke aber zu Ende, denn im Oktober des Jahres konnte AFN eine Zehn-Kilowatt-Sendeanlage in Sembach in Betrieb nehmen und mit seinen Studios und Büros in einen Neubau in Vogelweh umziehen. Da das Gebäude extra als Radiostation gebaut worden war, entsprachen Ausstattung und Räumlichkeiten neuesten technischen Standards, für AFN ja durchaus nicht selbstverständlich. Der jüngste Neuzugang der Senderkette wurde rasch zum Vorzeigeobjekt. AFN Kaiserslautern erhöhte die Zahl seiner Mitarbeiter und nutzte seinen neuen Standort inmitten des geschäftigen Zentrums einer amerikanischen Militärgemeinde, um engen Kontakt zu seiner Hörerschaft aufzubauen. Informell bildeten die verschiedenen Heeres- und Luft-
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Stubbs an COL O. McCormick, TIED, C/Info, DA, 1. Februar 1952, ebd.; McCormick an Stubbs, 11. Februar 1952, ebd.; Stubbs an McCormick, 19. März 1952, ebd.; Stubbs an McCormick, 31. März 1952, ebd.; Stubbs an McCormick, 2. Mai 1952, ebd.; Stubbs an McCormick, 11. Juli 1952, ebd.; Stubbs an DC/S Admin, 19. Dezember 1952, Box 2, Gen Corr 1953, SGS, USAREUR, RG 338, NACP; HICOG Bonn fr Nelson sgd Reber an CINCUSAREUR, Ref. No. 538, 2. Januar 1953, ebd.; Stubbs an C/S, 9. Februar 1953, ebd. Siehe auch AFN to Construct 2 Transmitters in Western Area Comd, in: Stars and Stripes, 17. Januar 1953; AFN Bitburg Transmitters Set, ebd., 19. März 1953. Stubbs an C/S, 9. Februar 1953, Box 2, Gen Corr 1953, SGS, USAREUR, RG 338, NACP; BG F. A. Henning, Asst C/S, G4, an DC/S Opns, o. D., ebd. Siehe auch H. G. Price, From the Commanding Officer, in: AFN Weekly Digest, 8. August 1953; AFN-Studios at Kaiserslautern to Open, ebd., 14. November 1953; New Radio Station Gives AFN Coverage To Divisional Unit, in: Hell on Wheels, 10. Dezember 1953; Kaiserslautern AFN Goes on the Air, in: WACom Courier, 11. Dezember 1953.
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waffenstützpunkte der Gegend bald K’Town, eine der größten military communities außerhalb der USA, und sein lokaler Rundfunksender wurde unentbehrlich.28 Im Sommer 1954 verfügte AFN über sieben Studiosender in Frankfurt, München, Nürnberg, Stuttgart, Kaiserslautern, Berlin und Bremerhaven, die lokales Programm produzierten und auf Mittelwelle ausstrahlten. In Frankfurt und Heidelberg unterhielt der Militärrundfunk außerdem UKW-Sender. Eine Kurzwellenanlage in Frankfurt diente dem Empfang aktueller Sendungen aus den Vereinigten Staaten und half bei der Verbesserung der Reichweite bei der US-Hörerschaft in Frankreich.29 Über dreißig Verstärkerstationen im Mittelwellenbereich sorgten dafür, dass das AFN-Signal alle amerikanischen Stützpunkte in Deutschland erreichte. Auch einige dieser kleineren Sender verfügten über Studiokapazitäten, produzierten in begrenztem Rahmen eigenes Programm und konnten hierdurch, wie zum Beispiel AFN Heidelberg, ein eigenes Profil entwickeln. Der Militärrundfunk hatte des Öfteren Anlass, aus Heidelberg zu berichten, immerhin war die Stadt Sitz des Hauptquartiers des amerikanischen Heeres in Europa. Erst ab Januar 1956 war der „Befehlsbereich Hauptquartier“ auch durch eine regelmäßige und lokal produzierte Sendung im Programm vertreten („HACom on the Air“).30 28
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Kaiserslautern Quips, in: AFN Weekly Digest, 27. Februar 1954; AFN Station Transmits To Western Area, in: Photogram, 5. März 1954; Paul Spindler, Kaiserslautern Quips, in: AFN Weekly Digest, 20. März 1954; Dan McKenna, Kaiserslaut’rn AFN Power Greater Now, in: Hell on Wheels, 21. Oktober 1954; AFN Kaiserslautern Moves to Permanent Site, in: WACom Courier, 22. Oktober 1954; Best Wishes for AFN-Kaiserslautern, in: Stars and Stripes, 22. Oktober 1954. Vgl. Höhn, GIs and Fräuleins, 5 f., 199 f.; Rödel, Die Amerikaner kehren zurück, 54–57; Sweringen, Alltägliches Zusammenleben, 201 ff. Army Radio Stations, 25. Januar 1953, Box 419, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, Army Staff, RG 319, NACP; AFN Transmitter Operation Effective 1. August 1955, in: AFN, The American Forces Network Fact Sheet, Anlage zu COL H. C. Lyon, C/ TIED, O of the C/I&E, DA, Memo for Record (nachf. zit. als The AFN Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record), 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, ebd. Siehe auch AFN AM Transmitter Operation, in: Stars and Stripes, 1. August 1953; AFN FM Transmitter Operation, ebd.; AFN Short Wave Transmitter, ebd.; Armed Forces Network Opens New Shortwave Transmitter, in: Wiesbaden Post, 25. Juni 1954; Two AFN Stations Transmit On FM Frequency for Hi-Fi, in: Stars and Stripes, 2. Dezember 1954. HACom bedeutet Headquarters Area Command. Sunrise Service Marks Easter, in: HAC Post, 10. April 1953; American Forces Network Starts on 12th Year of Service To US Troops, in: Army Times, 6. Juli 1954; McNair Interviewed During „HACom on the Air“ Debut, in: HAC Post, 6. Januar 1956; AFN Celebrates 13th Anniversary July 4th, ebd., 29. Juni 1956; D. H., Welle Thermalbad, in: Heidelberger Tageblatt, 5. Juli 1956; Heidelbergs Stimme im AFN-Funk, in: Heidelberger Amtsanzeiger, 13. Juli 1956. Siehe auch Suid-Interview John Morris, 27. Januar 1983, 6 ff., Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Morris war als Wehrpflichtiger und ziviler Angestellter von 1954 bis 1963 oder 1964 bei AFN). Vgl. Provan, The AFN Story, 131.
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Die Hörerschaft von AFN war für alle lokalen Beiträge dankbar, aber selbst kleine Sender ohne eigene Produktionen gaben Anlass zur Identifikation mit dem Militärrundfunk. Im Zuge der kontinuierlichen Verbesserung seiner Reichweite richtete AFN 1955 zum Beispiel eine kleine Station in Schweinfurt ein. Obwohl hierdurch nur die Ausstrahlung des Programms von AFN Nurnberg verstärkt werden sollte, ließen es sich die kommandierenden Offiziere der Gegend nicht nehmen, AFN Schweinfurt feierlich zu eröffnen.31 Auch Deutsche machten AFN zu „ihrem Sender“, wenn er eine Station in ihrer Heimatstadt unterhielt. Unter der Überschrift „Rundfunksender Fulda“ berichtete die Fuldaer Volkszeitung stolz: „‚AFN Fulda‘ ist der erste Rundfunksender, der in der Bonifatiusstadt seit ihrer Gründung im Jahre 744 errichtet wurde.“ Der Lokalpatriotismus überwog übrigens, obwohl AFN zeitweise alle deutschen Rundfunksignale im Stadtgebiet überlagerte.32 Die Vergrößerung der Senderkette spiegelte sich auch im bürokratischen Aufbau von AFN wider. Im Juli 1953 trennten sich die Zentrale des Militärrundfunks und der Lokalsender AFN Frankfurt organisatorisch voneinander, auch wenn beide Einheiten im Höchster Schloss blieben. Diese Teilung sollte dem Hauptquartier Freiraum zur Betreuung des Networks geben und außerdem den Frankfurter Lokalsender stärken. Im folgenden Jahr erfuhr AFN innerhalb des Militärs eine Aufwertung, die seinen angewachsenen Aufgaben entsprach. Aus der Kompanie AFN wurde gegen Mitte des Jahres 1954 American Forces Network, 7706 Army Unit. Dies entsprach einer Neustrukturierung des Rundfunks auf der Bataillonsebene und gab den befehlshabenden Offizieren der einzelnen AFN-Stationen mehr Rechte.33 Festhalten am Status quo Die äußeren Rahmenbedingungen für die US-Streitkräfte in Europa hatten sich mittlerweile etwas verschlechtert. Das Waffenstillstandsabkommen in Korea und der Tod Stalins hatten zur Entspannung zwischen Ost und West 31
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AFN Repeater Aids Schweinfurt Area, in: Chronicle, 8. Juli 1955; AFN Station Opened at Schweinfurt, in: Stars and Stripes, 18. Juli 1955. Vgl. Strößner, AFN in Nordbayern, 23. Siehe auch R. L. G., I & L NCO, an Col Price, 30. März 1954, Newspaper Clippings 1st Quart. 1954, AFN Historical File. fk, Der Rundfunksender Fulda steht in der Buttlarstraße, in: Fuldaer Volkszeitung, 26. März 1955 [Hervorhebung im Original]. Vgl. u, Sendemast des AFN Regensburg muß Wohnblocks Platz machen, in: Mittelbayerische Zeitung (Regensburger-Stadt-Umschau), 11./12. September 1954. COL C. T. Henry, Asst AG, an CO/7706 AFN Co, 2. November 1953, Box 2, Gen Corr 1953, SGS, USAREUR, RG 338, NACP. Siehe auch Net Changes Told, in: AFN Weekly Digest, 25. Juli 1953; AFN Entire Organization to Be Revised, in: WACom Courier, 14. Mai 1954; Network Designation Effective. Letterheads Must Change, in: AFN Weekly Digest, 19. Juni 1954.
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beigetragen, und dies verringerte nun die Bereitschaft, weiterhin große Summen für das Militär auszugeben. Seit Januar 1953 war der Republikaner Dwight D. Eisenhower Präsident der Vereinigten Staaten, und eines seiner erklärten Ziele war die Begrenzung des Verteidigungsetats. Er setzte unter anderem auf Nuklearwaffen, um im kostenintensiven konventionellen Bereich sparen zu können. Seit dem Frühjahr 1953 wurden daher einzelne Einheiten der US-Luftwaffe in Deutschland mit Atomraketen ausgestatten, im Herbst des Jahres folgte das Heer. Zur Strategie des New Look gehörten nukleare Abschreckung und deutsche Wiederbewaffnung ebenso wie der teilweise Abzug amerikanischer Streitkräfte aus Europa. Dies war nicht nur politisch umstritten, sondern stieß auch bei Teilen des Militärs auf Unwillen. Die Anzahl der amerikanischen Soldaten in Europa nahm durch die neuen strategischen Vorgaben nicht dramatisch ab, die Truppenreduzierungen und der fortwährende Sparkurs erreichten mit der Zeit aber trotzdem die militärische Basis.34 Der Spardruck auf die US-Streitkräfte machte sich bei AFN zuerst im Personalbereich bemerkbar. Stellenstreichungen gab es zunächst bei Offizieren und Soldaten des Militärsenders, später vor allem bei den zivilen Beschäftigten. Die Einschnitte in dieser Zeit gingen allerdings nicht an die Substanz des Rundfunksenders, denn insgesamt hatte die Senderkette noch eine recht dichte Personaldecke.35 Innerhalb der Streitkräfte sorgte vor allem die Anzahl der Studios und Sendeanlagen von AFN für Aufmerksamkeit und erzeugte Unmut. Daher versuchte der Militärrundfunk, seine Ausgaben für Verstärkersender (repeater stations) soweit wie möglich zu reduzieren.36 Doch auch Studiosender blieben nicht unangetastet, wie die Schließung von AFN Nurnberg zeigte. Diese erfolgte relativ willkürlich, als die US-Armee das Grand Hotel, in dem die Station untergebracht war, im Jahr 1956 an seine
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Hixson, Parting the Curtain, 87–95, 226 f.; Large, Die deutsch-amerikanische Verteidigungspartnerschaft, 328–333; Leuerer, Die Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 334; Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 68; Patterson, Grand Expectations, 276– 291; Schraut, U. S. Forces in Germany, 177–180; ders., Vom Besatzer zum Beschützer, 220–225; Sweringen, Sicherheitsstruktur im Wandel, 343 f. MG E. T. Williams, C/S, USAREUR: Table of Distribution No. 77-7706, Change 2, 5. Januar 1953, Box 2, Gen Corr 1953, SGS, USAREUR, RG 338, NACP. Siehe auch AFN-Munich, in: AFN Weekly Digest, 2. Januar 1954; AFN Marks 14 Years of Service to Listeners, in: Stars and Stripes, 3. Juli 1957. AFN Transmitter Operation Effective 1 August 1955, in: The American Forces Network Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP; AFN Weekly Info Report, 16 February – 22 February 1959, 23. Februar 1959, 250/57 Command Report File, NASL. Siehe auch Coordinated Time Set for Repeater Stations, in: AFN Weekly Digest, 19. Juni 1954. Vgl. Strößner, AFN in Nordbayern, 23.
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deutschen Besitzer zurückgab.37 Die Vorgesetzten von AFN waren insgesamt mit dessen Einsparungen zufrieden und lobten die Effizienz seiner Arbeit. Nach seinem Antrittsbesuch bei Stars and Stripes und AFN berichtete der neue Chef der Militärmedien in Europa 1957 stolz nach Washington: „The Army can be proud of these last two activities because they are operated on an efficient, businesslike basis getting maximum results for what it is costing.“38 Neben den militärinternen Faktoren, die auf AFN einwirkten, nahm vor allem die zunehmende Verbreitung des Fernsehens Einfluss auf die Senderkette. Der Zweite Weltkrieg hatte die Weiterentwicklung des neuen Mediums zwar verzögert, nach 1945 holte die amerikanische Rundfunkindustrie das Versäumte aber rasch nach. Nach einem Moratorium während des KoreaKriegs entstanden in den fünfziger Jahren immer mehr TV-Stationen, bereits 1954 besaßen über die Hälfte aller amerikanischen Haushalte ein Fernsehgerät. In einer Übergangszeit versuchten die Networks noch, beide Medien mit derselben Art von Sendungen zu versorgen, der Erfolg des Fernsehens lockte aber Geldgeber und Hörfunk-Stars gleichermaßen. Viele populäre Hörspielserien und Radioproduktionen wanderten zum Fernsehen ab und die Programminhalte der beiden Medien differenzierten sich. Das Radio konnte sich immer weniger aufwendige Unterhaltungssendungen leisten und setzte auf die Produktion billigerer Quiz- und Talkshows, vor allem aber auf Musikprogramme. Dies entsprach auch seiner in den Vordergrund gerückten Aufgabe als Tagesbegleiter oder Medium zum Nebenbeihören. Innerhalb von wenigen Jahren veränderte sich die Ausrichtung vieler Radiosender: Neben den Stationen mit reduziertem Vollprogramm entstanden in den Vereinigten Staaten immer mehr Zielgruppensender, die etwa mit einer bestimmten Musikrichtung nur noch einen Teil des Publikums ansprechen wollten.39 Diese Veränderungen betrafen auch den amerikanischen Militärrundfunk, schließlich war er von den Produktionen der US-Sendeanstalten direkt abhän37
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AFN bezog später Räume im Dachgeschoss des US Army Hotel am Bahnhofsplatz und produzierte dort einzelne Beiträge für das Gesamtprogramm. Erst 1959 baute der Militärsender seine Kapazitäten in Nürnberg aus und sendete wieder eigene Programme. Offiziell nahm AFN Nurnberg im Mai 1960 seine Arbeit wieder auf. – AFN Station Fades Out, in: American Weekend, 26. Mai 1956; AFN Opens Station At Nürnberg Hotel, in: SACom Scene, 3. April 1959; AFN Opens Major Nurnberg Station, ebd., 3. Juni 1960. Siehe auch Aktennotiz: History of AFN Nurnberg, o. D., Box 11, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Provan, The AFN Story, 156–161; Walther, Morgens anti-Vietnam, abends AFN, 19. COL M. P. Brooks, C/Info Div, USAREUR an MG C. S. Meloy, C/Info, DA, 7. März 1957, Box 7, Gen Corr of TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP. Vgl. die zu Beginn des Kapitels zitierte Aussage des Kommandeurs von AFN zum elften Jubiläum des Radiosenders. Siehe hierzu etwa Barnouw, The Golden Web, 284–303; Brown, The American Networks, 259–273; Douglas, Listening In, 219–222, 224 f.; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 253–293, 335–341, 656 f.
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gig. In seinen wöchentlichen Programmpaketen ersetzte der Armed Forces Radio Service die fehlenden Showformate und Hörspielreihen vor allem mit Discjockey-Sendungen und vielen einzelnen Musiktiteln, mit deren Hilfe die Militärsender in aller Welt eigene Beiträge herstellen sollten. Anders als bei manchen seiner einzelnen Radiostationen brauchte sich AFRS um seine große europäische Senderkette keine Sorgen zu machen. AFN stellte zeitweise die Hälfte aller Sendeanlagen des amerikanischen Militärrundfunks und arbeitete in Bereichen wie Nachrichten ganz und gar eigenständig. Bei AFN variierte der Anteil an direkten Programmübernahmen von AFRS leicht, bewegte sich aber höchstens zwischen dreißig und vierzig Prozent.40 Dem US-Medientrend zur Diversifizierung konnte AFN nur teilweise folgen, denn er war weiterhin der einzige Rundfunksender für die amerikanischen Streitkräfte in Deutschland. Daher übernahm AFN einzelne Tendenzen des US-Hörfunks, hielt aber grundsätzlich am Vollprogramm alten Stils fest. Um die quantitativ und qualitativ abnehmenden Lieferungen aus den USA auszugleichen, steigerte AFN seine Eigenproduktion beträchtlich. Dies geschah sowohl im Musik- als auch im Wortbereich, wobei Letzteres ungleich aufwendiger und teurer war. AFN-Mitarbeiter recherchierten Informationsund Bildungssendungen nicht selten vor Ort und bereisten dafür den gesamten europäischen Befehlsbereich. Das Beibehalten der Programmstruktur aus der Blütezeit des amerikanischen Hörfunks und der gesteigerte Anteil an eigenproduzierten Sendungen verhalfen AFN ab Mitte der fünfziger Jahre zu einem geschärften Profil und einigem Prestige. Viele ehemalige AFN-Mitarbeiter und Historiker wie Suid, Provan oder Christman sprechen daher von dieser Zeit als der „Goldenen Ära“ des Militärsenders in Deutschland.41 Das Urteil der ehemaligen Mitarbeiter von AFN ist leicht nachvollziehbar, betrachtet man die großen Chancen, die diese Situation ihnen bot. Bei amerikanischen Radiosendern hatte das veränderte Medienensemble die Programmproduktion reduziert und die Entfaltungsmöglichkeiten von Hörfunkmitarbeitern eingeschränkt. Bei AFN fand dadurch eine gegenläufige Entwicklung statt, denn der ausbleibende Programmnachschub aus den USA nötigte den Militärsender zu vielen Eigenproduktionen und eröffnete dem AFN-Personal 40
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Analytic Survey of Broadcast Schedule A-F-N Week 27 February – 5 March 1955, 1. August 1955, in: The AFN Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP; Suid-Interview Trent Christman, 9. März 1983, 29–35, Box 2, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Trent E. Christman war von 1963 bis 1984 bei AFN). Siehe auch Hunt Downs, So You Want To Be A PD?, in: AFN Weekly Digest, 2. Januar 1954. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 78; Christman, Brass Button Broadcasters, 81; Frercks, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 25, 28 f.; Miller, American Forces Radio and Television Service (unveröff.), 57. Zu diesem Thema siehe auch Kapitel 7. Hazel Guild, AFN Slashes Programs Coming From the U. S., in: American Weekend, 8. Dezember 1956. Vgl. AFIS/AFRTS, The History of AFRTS, 86 f.; Christman, Brass Button Broadcasters, 105 f.; Provan, The AFN Story, 38.
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große Handlungsspielräume bei der Umsetzung eigener Ideen. Ken Dunnagan ist ein bekanntes Beispiel für die bei AFN in dieser Phase mögliche Vielseitigkeit. Seit 1952 arbeitete Dunnagan in der Nachrichtenredaktion der Frankfurter Zentrale von AFN, war Sprecher etlicher Sendungen und rückte auch als Reporter aus. Da Jazzmusik sein Hobby war, entwickelte er für AFN eine Musiksendung. „Hot House“ machte ihn als Baron of Bounce in ganz Europa populär und verschaffte ihm Auftritte mit Musikern und kleinere Filmrollen.42 Viele Redakteure und Sprecher bei AFN konnten sich wie Dunnagan vielseitig betätigen und ohne Quotendruck berufliche Experimente wagen. Aus ihrer Perspektive waren die fünfziger Jahre daher durchaus eine „goldene Zeit“.43 Die Ressourcen von AFN reichten allerdings bei Weitem nicht aus, den fehlenden Programmnachschub aus den USA zu ersetzen. Das Format von AFN klang ab etwa 1955 für amerikanische Ohren zunehmend altmodisch und Programminhalte waren zum Teil auch faktisch alt. Aus Mangel an neuen Folgen wiederholte AFN zum Beispiel die Highlights alter Hörspiel- oder Comedy-Serien aus den vierziger und beginnenden fünfziger Jahren.44 Die Hörerschaft des Militärsenders zeigte sich überwiegend geduldig, mit der Zeit wurden Klagen aber immer häufiger. Die Eigenproduktionen von AFN, so gut sie im Einzelfall auch sein mochten, konnten nicht das geballte kreative und finanzielle Potential der großen US-Networks ersetzen, die bis Mitte der fünfziger Jahre diese Art der Radiosendungen geliefert hatten. Außerdem hatte 42
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Siehe etwa Jockey’s Journal, in: AFN Weekly Digest, 29. August 1953; Tom Dorsey, Brite Lites, in: Chronicle, 16. Juli 1954; Hoechst Club To Host Top Jazz Artists, ebd., 10. September 1954; Fans Jam Hoechst Club To Hear Top Jazz Men, ebd., 17. September 1954; Baron of Bounce, in: HAC Post, 18. Februar 1955; Ralph Jones, Dual Role Confusion Causes Double Trouble At AFN, in: American Weekend, 16. April 1955. Vgl. Öffentliches Gespräch von H. Trotnow mit K. Dunnagan im AlliiertenMuseum, 2. Februar 2002. Siehe etwa AFN Production Keep Staff Busy, in: Stars and Stripes, 23. November 1954; Tom Dorsey, AFN Carries One Of World’s Heaviest Programming Loads, in: Army Times, 23. November 1954; Air Jockeys See „Retrenching“ Role by AFN, in: Berlin Observer, 10. Juni 1955; Walter Sheppard, AFN at Work, in: Saturday Review, 13. Oktober 1956; Dalt Directs Many Shows, in: Radio and TV Review, 16. Oktober 1959; Producer Edits Miles of Tape, in: Overseas Family, 19. Januar 1962; AFN’s „Soldier in Blue“, ebd., 9. Februar 1962. Die Programm-Ankündigungen solcher Sendungen zeigen eine Gratwanderung, denn sie schwankten zwischen stolzem Traditionsbewusstsein und fast entschuldigenden Erklärungen für die missliche Lage von AFN. Die Sendung „Cavalcade of Comedy“ etwa war eine Zusammenstellung von Ausschnitten von alten Programmen aus dem AFNArchiv. Über sie schrieb AFN in der Programmvorschau: „Dipping deep into the dusty record bins of the past, AFN brings you a comedy cocktail of song, music, and laughs of days gone by.“ (AFN Day-By-Day, in: Radio and TV Review, 30. Januar 1959). Eine andere Ankündigung war nicht so selbstbewusst: „Cavalcade fills a definite need, because television has sopped up most of the talent that was formerly channeled through radio.“ (Versatile Vicki Pierced Iron Curtain, ebd., 4. September 1959). Vgl. He’s Literal Cutup, in: Overseas Familiy, 30. März 1962.
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AFN im Sendealltag sogar Mühe den Umfang seiner lokalen Informationsund Musiksendungen aufrechtzuerhalten.45 Die militärbedingten Personalwechsel von AFN trugen ebenfalls zu diesem Negativtrend bei. Die Wehrpflicht sorgte weiterhin für den „Nachschub“ an geeigneten Mitarbeitern, doch noch immer gab es kein geregeltes System dafür, dass Soldaten mit Rundfunkerfahrung direkt zu AFN kommen konnten. Viele Wehrpflichtige arbeiteten deshalb vorübergehend oder dauerhaft als temporäre Abkommandierungen bei AFN. Die große Fluktuation des Personals führte immer wieder zu Krisen, bei denen in bestimmten Aufgabenbereichen kurzfristig Leute fehlten. Darunter litt auch die Radioarbeit, und im schlimmsten Fall fiel dies auch der AFN-Hörerschaft auf. Das Publikum fand nämlich häufige Sprecherwechsel oder den Ausfall beliebter Sendungen gar nicht gut.46 Die wehrpflichtigen Soldaten besaßen wechselndes handwerkliches Geschick und Talent, mussten in einem kleinen Sender wie AFN aber zum Teil große Verantwortung übernehmen und vielseitig einsetzbar sein. Was für Leute wie Dunnagan zum persönlichen Glücksfall wurde, überforderte andere Mitarbeiter. Noch immer kamen Wehrpflichtige zu AFN, die zivile Rundfunkerfahrung mitbrachten. Oft musste der Militärsender aber auch Soldaten nehmen, die er erst in die Radioarbeit einführte. Vielversprechende Bewerber 45
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Name Withheld by Request, AFN Gripes (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 25. Januar 1959; Sp 4 Michael J. Donelly, Give Me the Dough (Letter to the Editor), ebd., 26. Februar 1961; Name Withheld by Request, „AFN Off Beaten Track“ (B Bag), in: Stars and Stripes, 27. März 1961; Name Withheld by Request, [ohne Überschrift,] ebd., 30. Mai 1961; Thomas C. Lucey, Shows Overseas Tough But Rewarding, Says Pair, in: Overseas Family, 18. Januar 1963; Mrs. John Turner, Soap Opera Gripe (Letter to the Editor), ebd., 19. April 1963; Name Withheld by Request, Soap Opera (Letter to the Editor), ebd., 26. April 1963; Dependent Wife, For More C&W (Letter to the Editor), ebd., 11. September 1964: „I don’t like to sound like a complainer but I’m tired of canned shows dating from prehistoric times.“ Siehe hierzu auch Kapitel 8 und 10. CPT B. C. Mulroy, Army Radio Networks, 38 f., Summary of Remarks During the Fourth Annual Conference of TI&E Officers from Major Commands 14–18 January 1952, Box 436, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, Army Staff, RG 319, NACP; Suid-Interview Joseph Bassett, 15. Januar 1983, 1 f., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Joseph J. Bassett war ab 1954 als Wehrpflichtiger bei AFN); Suid-Interview Steve Binder, 11. Juli 1983, 3 f., 8 f., ebd. (Binder kam nach dem Ende von BDN im Jahr 1955 zu AFN). Siehe auch Colin Rosse, Munich Mike Notes, in: AFN Weekly Digest, 30. Mai 1953; Stuttgart Says, ebd., 6. Juni 1953; AFN Typewriter Sketch, ebd., 13. Juni 1953; Colin Rosse, Munich Mike Notes, ebd., 20. Juni 1953; Comings and Goings Around the Net, ebd.; LTC H. G. Price, From the Commanding Officer, ebd., 7. November 1953; AFN Radio Chief to Plan GI Programs on Global Basis, in: Army Times, 5. Juli 1955; Joy Jones, „Record Hop“ Returns to Air, in: American Weekend, 2. Mai 1959; dies., Mullen & Chornenki Team Up On AFN „Record Hop“ Program, ebd., 20. Juni 1959; Dave Pollard, U. S. Forces „Share“ AFN Network With Almost 50 Million Europeans, ebd., 15. August 1959; Rawle Knox, Death and Music On Europe’s Radio, in: New York Herald Tribune, 23. September 1962.
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Die fünfziger und sechziger Jahre
ohne Hörfunkpraxis bildete AFN stets auch selbst aus, und im Laufe der Zeit nahm die Notwendigkeit dafür zu. Erstaunlich offen berichtete zum Beispiel ein Verantwortlicher des Militärsenders im Jahr 1959, wie schwer es sei, im Reservoir der Wehrpflichtigen geeignete Nachrichtensprecher zu finden.47 Auch externe Rundfunkexperten forderten immer wieder eine bessere Ausbildung der AFN-Sprecher oder beklagten deren geringe Fähigkeiten. Unter diesen Umständen erschwerte sich die notwendig gewordene erhöhte Programmproduktion beträchtlich.48 Die Beschäftigung von zivilen Angestellten war für AFN weiterhin unverzichtbar, erwies sich in dieser Situation aber als zwiespältig. Die Rundfunkerfahrung und lange Beschäftigungsdauer der „Zivilisten“ gaben dem häufig wechselnden militärischen Personal Sicherheit und verhalfen AFN zu Kontinuität. Sie besetzten Leitungspositionen im Radiobereich, bestimmten die Programmgestaltung und wiesen Soldaten an. Aus der unterschiedlichen Stellung im Sender und im Alltag ergaben sich aber auch diverse Konflikte. Während zivile Beschäftigte normale Arbeitszeiten und ein ziviles Umfeld genossen, schoben die Soldaten Schicht- und Wochenenddienste und waren gänzlich dem militärischen System unterworfen. Vor allem der Altersunterschied und die längere Abwesenheit der zivilen Verantwortlichen von den USA brachten die Soldaten gegen sie auf. Bereits 1956 berichteten amerikanische Rundfunkberater vom mangelnden Respekt einiger Sprecher gegenüber den Anweisungen der Programmdirektoren. Die Experten sahen die Aufsässigkeit der jungen GIs mit Sorge, teilten aber deren Kritik. Sie plädierten für eine zeitliche Begrenzung der Programmdirektoren-Posten, damit diese nicht zu lange von den Einflüssen des US-Rundfunks abgeschnitten wären. Die Realität sah anders aus, denn viele leitende Zivilangestellte blieben jahre- oder gar jahrzehntelang in Übersee. Durch ihre Tätigkeit beim Militär und ihre lange Anwesenheit in Europa hatten etliche dieser Mitarbeiter Vorstellungen von Radio entwickelt, die aus amerikanischer Sicht antiquiert und zu intellektuell wirkten.49
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„In AFN’s search for intelligence, one aim is to get announcers who understand the news they are reading, but McLaughlin admitted that the network is not always successful in finding men of this type.“ (Francis T. McLaughlin war damals Assistant Program Supervisor). Like „Hoobert Heever“: AFN Groans at „Bloopers“, But Announcers Try Hard, in: American Weekend, 2. Mai 1959. Siehe auch Halfback Turns to Radio, in: Overseas Family, 26. Januar 1962. Report to AFN by American Network Representatives 1956, 1–5, AFN Historical File. Siehe auch U. S. Congress. House, Overseas Military Information Programs, 18. Vgl. Irene Sheridan, AFN versus BBC, in: You & Europe, März 1962; Congress Spotlights AFN Problems, Impact, in: Overseas Weekly, 22. April 1962; Dependent Wife, „Punished“ (Letter to the Editor), ebd. Report to AFN by American Network Representatives 1956, 6, AFN Historical File; Suid-Interview Cranston, 39–42, Box 3, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch Sportsman „Running“ To Athletic Contests, in: Overseas Family, 18. Mai 1962.
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Eine Kritik am rückständigen Konzept von AFN in einem US-Branchenblatt wies der zivile Programm-Chef des Militärsenders im Jahr 1959 noch voller Überzeugung zurück. Seiner Ansicht nach würden die Hörerinnen und Hörer von AFN den Militärsender immer mehr lieben, nicht obwohl, sondern weil er einen altmodischen Radiostil pflege. Mit den Jahren kritisierten aber auch AFN-Mitarbeiter öffentlich das Sendekonzept ihrer Rundfunkstation und bisweilen auch die Ansichten der älteren Programmdirektoren.50 Nun zeigte sich, dass sich die Verantwortlichen bei AFN in den fünfziger Jahren zu lange mit dem Status quo zufrieden gegeben hatten. Durch geschicktes und zum Teil unkonventionelles Verhalten war es der Senderkette zu Anfang der Dekade trotz der Beschränkungen durch den Kopenhagener Wellenplan und den plötzlichen Anforderungen durch die Truppenverstärkungen gelungen, alle GIs in Deutschland mit Radio zu versorgen. Dem nachfolgend einsetzenden militärischem Spardruck und den Veränderungen in der Produktion amerikanischer Rundfunkprogramme begegneten AFN-Mitarbeiter mit Kreativität im Kleinen, Ambitionen über das Bestehende hinaus zeigten sie aber nicht. Um den Hörfunktrends in den USA folgen zu können, hätte AFN sein Programmangebot erweitern und diversifizieren müssen. Dazu wäre es allerdings nötig gewesen, sich um den Ausbau der Ultrakurzwelle zu kümmern. Da die Entwicklung der UKW-Technik im Hörfunkbereich in den USA zunächst kaum voranschritt, hätte AFN auf amerikanischer Seite eine Art Vorreiterrolle einnehmen müssen. Dies wäre aufwendig gewesen und war auch politisch nicht unproblematisch. Wie im vorigen Kapitel gezeigt, wurden UKW-Ambitionen von AFN Anfang der fünfziger Jahre kritisch gesehen, da auf diesem Gebiet deutsche Rundfunkanstalten den Vorrang haben sollten. Inwieweit sich diese Hemmnisse später mit Unterstützung der US-Streitkräfte hätten überwinden lassen, muss Spekulation bleiben: AFN-Verantwortliche haben sich jedenfalls nicht darum bemüht.51 Die Medien in dieser Zeit veränderten sich aber nicht nur durch neue Radiotechnik, sondern vor allem durch die Entwicklung des Fernsehens. Weder AFN noch seine Vorgesetzten in der US-Heeresleitung engagierten sich für den Aufbau von Militärfernsehen in Europa. Daher wurde die Luftwaffe zum Pionier auf diesem Gebiet. Als Waffengattung war die US Air Force auf eine Viel50
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Don J. Brewer, U. S. Civilian Program Supervisor, AFN Europe: Keeping in Touch (Letter to the Editor), in: Broadcasting, 8. Juni 1959; George Markstein, Radio Bug Loves Job, in: Overseas Family, 5. Januar 1962; Paul Bartlett, International Broadcasting – War As Usual, in: Variety, 3. Januar 1973. Siehe auch Suid-Interview Morris, 11 f., Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Bill Slatter, 22. August 1983, 19 ff., Box 8, ebd. (William Slatter war von 1967 bis 1969 bei AFN); Suid-Interview Vrotsos, 40 f., Box 9, ebd. Douglas, Listening In, 256–283; Mitchell, Cavalcade of Broadcasting, 132 f., 161 f.; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 228–231, 254 f., 270 f., 277 f., 352 f., 657. Siehe hierzu auch Kapitel 4 und 6.
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zahl von gut ausgebildeten Spezialisten angewiesen, die sie möglichst lange an sich binden wollte. Bei der Anwerbung und Weiterverpflichtung spielte der Faktor „Lebensqualität“ eine große Rolle, doch viele Stützpunkte lagen in entlegenen Gegenden. Dort musste die Luftwaffe eine möglichst umfassende Infrastruktur schaffen, die auch vielfältige Freizeit- und Unterhaltungsangebote umfasste. Im Dezember 1953 startete die US-Luftwaffe daher auf der Limestone Air Force Base im amerikanischen Maine den ersten Fernsehsender der US-Streitkräfte. Das Vorgehen der Luftwaffe war unsystematisch, die Beschaffung von Programm und Technik improvisiert, aber die Ergebnisse waren erfreulich genug, um diesen Weg weiterzugehen.52 Die Mutterorganisation des US-Militärrundfunks reagierte auf die Aktivitäten der Luftwaffe und die allgemeine Medienentwicklung in den USA: Im April 1954 benannte sie sich um in Armed Forces Radio and Television Service und beschäftigte sich fortan auch mit Fernsehen. AFRTS produzierte zunächst keine eigenen Sendungen, sondern besorgte sich das Programm direkt bei amerikanischen TV-Stationen.53 Die amerikanische Luftwaffe in Europa plante ab 1954, mehrere TV-Sender in ihrem Befehlsbereich einzurichten. Dazu sollten Stützpunkte in Libyen und Marokko sowie Frankreich und Deutschland gehören. Die Verhandlungen und Vorbereitungen wegen der Sender gestalteten sich nicht einfach, das pragmatische Vorgehen der Luftwaffe zeigte aber bald erste Fortschritte. Die kleinen Erfolge der Luftwaffe stießen allerdings beim Heer auf Widerstand, das in Europa bis dahin fast allein den Militärrundfunk kontrolliert hatte. Der zuständige Informations- und Truppenschulungschef entrüstete sich im Dezember 1954 über das eigenmächtige Handeln der Luftwaffe und sah dadurch gar die Existenz des gesamten Militärrundfunks auf dem Kontinent gefährdet.54 Der direkte Vergleich zwischen der Vorgehensweise des Heeres und der Luftwaffe bei der Einführung des Fernsehens zeigt die unterschiedlichen Entwicklungsstufen des Militärrundfunks in dieser Zeit. Ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1955 führt die Unterschiede bildhaft vor: Während die Luftwaffe 52
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AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 78–81; Collins, Armed Forces Radio and Television Service (unveröff.), 75. Siehe auch die Dokumente in Folder: Miscellaneous AFRTS television programming files, 1950s–70s, Box 10, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. More Overseas TV Shows, in: Army Times, 23. Mai 1959. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 81 f.; Collins, Armed Forces Radio and Television Service (unveröff.), 69– 75; Frercks, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 47. COL E. R. Ott, C/AFIED, USAREUR, an COL J. L. Chamberlain, C/TIED, C/Info, USA, 3. Januar 1955, Box 7, Gen Corr TIED 1955–1958, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Ott an Chamberlain, 5. Januar 1955, ebd.; Ott an Chamberlain, 28. Januar 1955, Box 349, Dec File 1949–1954, TIED, ebd. Siehe auch Zwei amerikanische Fernsehsender in Deutschland, in: Zeitungs-Verlag und Zeitschriften-Verlag, 15. Januar 1957; Die elektronische Kolonie, in: Spiegel, 17. April 1957; Military Radio and TV Stations Provide Touch of Home O’seas, in: Air Force Times, 3. Mai 1960. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 91 f., 97 f.; Provan, The AFN Story, 214–217.
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über erste Sendeanlagen verfügte und erfolgsversprechende Frequenzverhandlungen mit der Deutschen Bundespost führte, kaufte das Heer zehn TV-Geräte, um das deutsche Fernsehprogramm zu analysieren und weiter an einem Generalplan zu basteln. Die Luftwaffe setzte in gewissem Sinne die Tradition der Anfangszeit des Militärrundfunks fort und konnte beim Umsetzen kleinerer Projekte praktische Erfahrungen sammeln und erste Erfolge verzeichnen. Beim Aufbau der neuen Sender ergaben sich Lösungen für technische oder personelle Probleme, nach und nach fanden sich auch finanzielle Mittel oder rechtliche Genehmigungen. Die Medien des Heeres waren inzwischen zu einer großen und hierarchisch stark gegliederten Organisation angewachsen, die ein ähnlich unbedarftes Vorgehen verhinderte. Die Angst, durch Fernsehexperimente die Existenz der militärischen Radiosender zu gefährden, erscheint allerdings unbegründet.55 AFN hatte die Veränderungen auf dem amerikanischen Rundfunkmarkt frühzeitig gesehen, fühlte sich aber vom Aufbau eines eigenen TV-Sendernetzes finanziell und organisatorisch überfordert. Die meisten Mitarbeiter in höheren Positionen hatten bei ihren bisherigen journalistischen Tätigkeiten kaum Erfahrungen mit Fernsehen gemacht und auch deswegen zeigten sie auf diesem Gebiet nur wenig Eigeninitiative. AFN-Personal mit TV-Ambitionen kehrte in die USA zurück oder wechselte zur Luftwaffe.56 Die Fernsehstationen der Air Force nahmen 1957 den Sendebetrieb für die Luftwaffenstützpunkte Ramstein/Landstuhl und Bitburg/Spangdahlem auf. 1967 kamen Stationen für die Air Bases in Frankfurt, Wiesbaden und Berlin hinzu. In den sechziger Jahren gab es immer wieder militärische und auch private Initiativen, alle US-Streitkräfte in Europa mit Fernsehen zu versorgen, letztlich wurden diese Vorhaben aber nicht umgesetzt. 1973 übernahm AFN schließlich die TV-Stationen der Luftwaffe auf dem Kontinent und baute das Sendernetz bis Ende des Jahrzehnts zur flächendeckenden Versorgung von allen amerikanischen Soldaten aus.57 55
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In anderen Teilen der Welt war das amerikanische Heer nicht so zögerlich wie in Europa. Die U. S. Army installierte etwa ab 1957 Fernsehsender in Korea, ab 1959 in Japan. U.S. Bids for TV in Germany, in: Overseas Weekly, 18. September 1955. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 87, 92 f. LTC H. G. Price, C/AFN, an C/AFIED, 24. Januar 1955, Anlage zu COL E. R. Ott, C/ AFIED, USAREUR an COL J. L. Chamberlain, C/TIED, C/Info, DA, 28. Januar 1955, Box 349, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Suid-Interview Christman, 40, Box 2, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Vrotsos, 39 ff., Box 9, ebd. Siehe auch LTC H. G. Price, From the Commanding Officer, in: AFN Weekly Digest, 15. August 1953; Plans for TV Service under Study, ebd., 15. Mai 1954. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 85; Christman, Brass Button Broadcasters, 91, 105. More Oversea TV Shows Scheduled, in: Army Times, 23. Mai 1959; Jim Jordan, Military TV Plans Await Final OK, in: Overseas Family, 20. April 1962; Bill Russell, Single TV Stations Opposed by Army, in: Air Force Times, 29. April 1964; Hans Gebe, Ame-
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Rückblickend scheinen die fehlenden Fernsehambitionen des US-Heeres in Europa auf praktischen Problemen und einer falschen Einschätzung der Lage zu beruhen. Das Publikum „in Khaki“, das heißt Heeresangehörige, war in Deutschland und Frankreich ungleich größer als das der Luftwaffe und dadurch schwieriger umfassend zu versorgen. Während die Air Force mit französischen Stellen wegen TV-Frequenzen verhandelte, hatte AFN immer noch nicht alle US-Soldaten in Frankreich mit Radio erreichen können. Auch deshalb galt den Heeresverantwortlichen Militärfernsehen in Europa als vernachlässigenswerter Luxus, zumal die Lebensqualität der Soldaten in Deutschland als besser angesehen wurde als an einigen Standorten in den USA.58 Solche Argumente mochten der inneren Logik des Militärs genügen, verkannten aber die historische Entwicklung der Medien. Das Fernsehen war in den Vereinigten Staaten mittlerweile zum Leitmedium geworden und hatte dabei Presse und Radio verändert. Der amerikanische „Fernsehboom“ hatte auch innerhalb der US-Streitkräfte Handlungsimpulse und Investitionsbereitschaft ausgelöst. Während die Luftwaffe diese nutzte, gingen sie am Heer in Europa selbstverschuldet vorüber. Zwei Beispiele mögen die unzeitgemäße Entwicklung von AFN in Bezug auf Fernsehen verdeutlichen. Die Krönung von Elisabeth II. am 2. Juni 1953 war eines der ersten bedeutenden Fernsehereignisse in Europa. AFN übernahm die mehrstündige BBC-Radioberichterstattung und ein eigenes ZweiMann-Team in London sorgte für zusätzliche amerikanische Beiträge. Das deutsche Fernsehen übertrug die Festlichkeiten im Rahmen der Eurovision live und etliche Soldaten sahen daher die deutschen TV-Bilder und hörten dazu den englischsprachigen Kommentar von AFN.59 Dieser Behelf mochte in der Frühphase des Fernsehens noch angehen, doch selbst 16 Jahre später hatte sich für die meisten amerikanischen Militärangehörigen in Europa noch immer nichts geändert. 1969 berichtete AFN ausführlich über die ersten Schritte eines Menschen auf dem Mond und nutzte dafür verschiedene Quellen und aufwendige technische Schaltungen in die USA. Der Programmdirektor war stolz auf die journalistische Leistung von AFN, die besser sei als die
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rikanisches Fernsehen in der Bundesrepublik?, in: Nürnberger Nachrichten, 6. Februar 1965. Siehe auch Suid-Interview Christman, 40–58, Box 2, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Cranston, 137 f., Box 3, ebd. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 98 f.; Provan, The AFN Story, 214–217. Wörtlich lautete eine dieser Einschätzungen: „Germany is less of a hardship station than West Kansas.“ Ott an Lyon, 17./20. August 1956, Box 7, Gen Corr of TIED 1955–1958, C/Info, USA, RG 319, NACP. AFN To Air Complete BBC Coronation Program June 2, in: Berlin Observer, 22. Mai 1953; It’s in the Air, in: Spotlight, 29. Mai 1953; TV Coronation Flicks Race Duds und Berlin Broadside, in: AFN Weekly Digest, 6. Juni 1953. Siehe auch Englische Krönung im deutschen Fernsehen, in: Ansage, 12. März 1953; Eine Königin wurde gekrönt …, ebd., 4. Juni 1953; Die Jagd nach dem Krönungsfilm, ebd., 19. Juni 1953.
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der meisten amerikanischen Radiosender.60 Wie auch immer man diese Feststellung bewerten will, in diesem Fall hatte sie einen einfachen und für AFN bitteren Hintergrund: Wichtige internationale Medienereignisse waren endgültig Sache des Fernsehens geworden. Überall auf der Welt versuchten Menschen, die Mondlandung am Bildschirm zu verfolgen, bei AFN suchte das Publikum vergeblich nach Bildern.61 Vor diesem Hintergrund erscheint die Bewertung der fünfziger Jahre als Goldener Ära von AFN als fraglich. Zweifellos stand die Senderkette innerhalb des amerikanischen Heeres in Europa recht gut da. Der Militärrundfunk hatte es trotz politischer und wirtschaftlicher Hindernisse geschafft, die stark angestiegene Zahl der in Deutschland stationierten US-Soldaten mit Radio zu versorgen. Eine weitere Herausforderung stellte der durch das Fernsehen veränderte Nachschub an Radioprogrammen aus den USA dar. In diesem Bereich setzte AFN auf Eigenproduktionen oder Wiederholungen von altem Material und konnte dadurch ein eigenes Profil entwickeln. Hierin lag aber zugleich eine Gefahr: AFN blieb ein Radiosender mit Vollprogramm alten Zuschnitts und entfernte sich immer weiter von der Medienentwicklung in den Vereinigten Staaten. Als Radiosender stagnierte er auf hohem Niveau und wurde damit immer mehr zum Anachronismus. Ein wichtiger Faktor für das mangelnde Engagement auf dem Gebiet des Fernsehens war die kurzsichtige Medienpolitik des Heeres in Europa. Die militärischen Verantwortlichen hielten TV für nicht wichtig und versäumten so allgemeine Medientrends. Das Fehlen von Fernsehen für das US-Heer in Deutschland sollte ein Faktor unter vielen werden, der in den sechziger Jahren dem Europäischen Befehlsbereich Probleme bereiten würde.
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From the Program Director, in: The AFN Newsletter, 8. August 1969. Ähnliches galt bereits für die Berichterstattung nach der Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy am 22. November 1963. Die Mitarbeiter von AFN reagierten schnell und berichteten umfassend über die Geschehnisse. Als Radiosender in Europa konnten sie ihre amerikanische Hörerschaft jedoch nicht mehr zeitgemäß unterrichten. Denn das Publikum in den USA verfolgte die Geschehnisse bevorzugt am Fernsehen. Of Times of Tragedy, in: Serving American Forces (AFN-Eigenpublikation), 36, 38. Vgl. Agee/Ault/ Emery, Introduction to Mass Communications, 196 f.; Cranston, Some Historical Newscasts, 395 f.; Dayan/Katz, Media Events.
6. „DIE DEUTSCH-AMERIKANISCHE FREUNDSCHAFT IST EIN ZWECKVERBAND“. INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN IM WANDEL Bei näherem Hinsehen aber wurde doch offenbar, was diese deutsch-amerikanische Freundschaft in Wirklichkeit ist: ein Zweckverband. Kolumnist in der Frankfurter Rundschau, November 1962.1
Mitte der fünfziger Jahre befand sich die Sendezentrale von AFN seit einer Dekade im Höchster Schloss. Im Laufe der Zeit hatte der amerikanische Militärrundfunk zahlreiche europäische Hörerinnen und Hörer begeistern können, doch dies schien nur einigen Einwohnern des Frankfurter Stadtteils bekannt zu sein. So erlebte es zum Beispiel der Journalist Gernot Brümmerstädt, als er 1956 für einen Artikel den Rundfunksender besuchen wollte: Fragen Sie in diesem Städtchen vor den Toren der Messestadt allerdings ein altes Mütterchen nach dem Weg zum „Äii-Eff-Ään“, werden Sie wohl nur einen hilflosen Blick ernten. So ergeht es jedenfalls mir beim erstenmal. Allerdings beim Erwähnen des „alten Schlosses“, das der AFN gemietet hat, erhellt sich ihr Gesicht sogleich und sie beginnt, von den letzten Bewohnern der Familie von Brüning zu erzählen.2
In dieser Schilderung wird deutlich, dass bei AFN zwischen dem überregional bekannten Rundfunksender und der lokalen Militäreinheit unterschieden werden muss. Vor Ort in Höchst wurden die Mitarbeiter von AFN vor allem als US-Soldaten wahrgenommen und zählten zu „dene Amis“, die zudem ein historisch wichtiges Gebäude des Ortsteils besetzt hielten. Dementsprechend hatten sich ab 1945 auch die Kontakte zur deutschen Bevölkerung entwickelt. Ging es anfangs um beschlagnahmte Möbel und Nichtfraternisierung, förderte AFN später Kontakte mit deutschen Vereinen oder städtischen Würdenträgern. Wichtiger als enge Beziehungen zwischen einzelnen Deutschen und Amerikanern war jedoch das reibungslose Miteinander der beiden Bevölkerungsgruppen.3 AFN war auf vielfältige Weise an den wechselnden deutsch-amerikanischen Beziehungen in den fünfziger und frühen sechziger Jahren beteiligt. 1 2 3
Wilfried, Aus Höchst: Berichtet und belichtet, in: Frankfurter Rundschau, 15. November 1962. Gernot Brümmerstädt, This is AFN – the American Forces Network!, in: Wildente, Mai 1956. Horst A. Glaser, „Here is the Hot House!“, in: Brennspiegel, Oktober 1954: „dene Amis“; Dank an Mr. Penrose, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. Januar 1959; pfe, Schloßgarde als „Filmstar“, in: Neue Presse (Höchster Anzeiger), 12. Februar 1962; Erste Freundschaft zwischen AFN und den Vereinen, in: Höchster Kreisblatt, 29. Juni 1973.
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Die fünfziger und sechziger Jahre
Neben den Einzelkontakten an den Standorten der verschiedenen AFN-Sender gab es auch auf höheren Ebenen Auseinandersetzungen wegen des amerikanischen Militärrundfunks. Einzelne Beispiele werden verdeutlichen, dass deutsche und amerikanische Akteure ihr Verhalten änderten, deren gewachsenes Selbstbewusstsein oder gesteigerte Rücksichtnahme aber durch politische und wirtschaftliche Realitäten begrenzt wurde. Dies wird auch anhand des Konflikts um das Höchster Schloss gezeigt, das AFN noch bis 1966 als Sendezentrale diente, obwohl viele Deutsche und Amerikaner einen früheren Auszug des Militärrundfunks befürworteten. Wie sehr der deutsch-amerikanische Kontakt von gleichberechtigten Beziehungen entfernt war, soll im Vergleich zu Frankreich sichtbar werden. Französische Stellen verhandelten nämlich selbstbewusst über die Errichtung von AFN-Sendern in ihrem Land und stellten dabei Forderungen, die dem amerikanischen Militär zunächst unannehmbar schienen. Am Thema Musikrechte kann anschließend verdeutlicht werden, wie sehr das Handeln deutscher Akteure vom französisch-amerikanischen Verhalten abwich. Mit der Gründung von AFN France Ende der fünfziger Jahre hatte der Militärsender seine größte Ausbreitung in der Nachkriegszeit erreicht. Obwohl AFN zunehmend negative Faktoren belasteten, konnte die Senderkette ihr zwanzigstes Jubiläum im Jahr 1963 noch unter überwiegend positiven Vorzeichen erleben. Nach der Gründung der Bundesrepublik nahmen Vertreter der USA verstärkt Rücksicht auf deutsche Befindlichkeiten. Auf kulturpolitischer Ebene hatte sich daher auch das amerikanische Umerziehungskonzept zur weniger aggressiven reorientation gewandelt. Immer weniger thematisierten in Deutschland veröffentlichte amerikanische Äußerungen die Zeit des Nationalsozialismus; Referenzen zu deutschen Verbrechen und zur einstigen Gegnerschaft zwischen den neuen Verbündeten verschwanden unauffällig. Dieser – bewusst und unbewusst stattfindende Vorgang – lässt sich an der Darstellung des Sendestarts von AFN Berlin verfolgen. Die Frage, welche Lieder die neue AFN-Station zuerst gespielt hat, ist geschichtswissenschaftlich von geringer Bedeutung, sie ist aber ein interessantes Beispiel für die Umformung historischer Erinnerung. Frühe Zeitungsartikel berichten triumphierend über den 4. August 1945: With „On the Road to Berlin“ as their slogan ever since American Forces hit the Normandy beaches – AFN Berlin represents the final achievement of American Forces Network. The last AFN station to open in Germany went on the Goebbelsladen air on a hot sultry Sunday afternoon last August with the triumphant strains of „The Star Spangled Banner“ followed by „Right in der Fuhrer ’s Face“.4
Die Journalistin betont in ihrer Schilderung den militärischen Sieg über die nationalsozialistische Diktatur und ihre Propaganda und führt als erstes Lied 4
Viviane W. Adams, AFN-Berlin, in: OMGUS Observer, 7. Juni 1946. Vgl. Voice of the Yank in Europe, in: Weekend, 29. Juni 1947.
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nach der amerikanischen Nationalhymne „Der Fuehrer ’s Face“ von Spike Jones & His City Slickers an. Dieses Lied hatte sich seit 1942 vieltausendfach in den USA verkauft und war der Titel-Song des Oscar-prämierten Zeichentrickfilms „Donald in Nutzi Land“, einer Persiflage auf den Alltag in NaziDeutschland. Spike Jones war in den USA bis weit in die fünfziger Jahre als komischer Musiker erfolgreich und trat in Radio- und Fernsehsendungen sowie Filmen auf. Trotz der andauernden Popularität von Jones verschwand sein anti-deutsches Lied aus Kriegszeiten jedoch aus den in Deutschland veröffentlichten amerikanischen Darstellungen des ersten Sendetags von AFN Berlin.5 An seine Stelle trat nun George Gershwins „Rhapsody in Blue“, beispielsweise im Artikel der Berliner Militärzeitung zum lokalen AFN-Jubiläum 1953: „Eight years ago, to be exact, at 12 noon on the 4th day of August 1945, the strains of George Gershwin’s ‚Rhapsody in Blue‘ came across the airways and AFN Berlin was born.“6 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieses Stück von Gershwin am ersten Sendetag von AFN Berlin gespielt wurde, denn Glenn Miller hatte „Rhapsody in Blue“ 1943 neu eingespielt und war damit mehrere Wochen in den US-Plattencharts vertreten.7 Beweise dafür, dass es das allererste Lied auf AFN Berlin war, stehen aber aus. Trotzdem wurde diese Version des Sendestarts zur unbestrittenen Überlieferung des Ereignisses und hält sich bis heute.8 Dies kann viele Gründe haben, von denen hier 5
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Ein amerikanisches Branchenblatt erwähnte „Der Fuehrer ’s Face“ als erstes AFN Berlin-Lied aber auch später noch: Our Respect to Sanford Charles Cummings, in: Broadcasting, 9. Mai 1960. Siehe auch Miller, American Forces Radio and Television Service (unveröff.), 53. Vgl. Dunning, On the Air, 626; Joel Whitburn’s Pop Memories, 242; http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Fuehrer ’s_Face; http://en.wikipedia.org/wiki/Spike_ Jones. Zur reorientation siehe einführend etwa Gienow-Hecht, Die amerikanische Kulturpolitik in der Bundesrepublik. From Music to News, From Drama to Sports, AFN Continues Services After 8 Years, in: Berlin Observer, 31. Juli 1953. Vgl. West Berlin Dailies Laud AFN As Favorite Station on 10th Anni, in: Variety, 17. August 1955; AFN-Berlin, No Longer a Teenager, Is Still a Big Teenage Favorite, ebd., 24. August 1966; Ernest Weatherall, 30 Years With AFN-Berlin, ebd., 20. August 1975. Die Platte P-101 der AFRS Basic Musical Library enthielt eine Aufnahme von „Rhapsody in Blue“ mit Glenn Miller und der AAFTC Band (Army Air Forces Training Command). Vgl. Joel Whitburn’s Pop Memories, 172, 312. Die Bedeutung von „Rhapsody in Blue“ für den Sendestart von AFN Berlin wurde auch wissenschaftlich interpretiert. Zilling und Rosin sehen in ihren Magisterarbeiten das Gershwin-Stück als einen Beweis dafür, dass AFN Berlin sich von Anfang an auch an die deutsche Hörerschaft wandte. Zilling behauptet etwa: „Denn warum sonst erklang in Berlin, der früheren Reichshauptstadt, diese für deutsche Zuhörer sehr bedeutungsvolle, für amerikanische Ohren jedoch recht belanglose Musik? Dieses Stück sollte für die Deutschen Signalwirkung haben, nicht für die Amerikaner.“ Ähnlich vage argumentiert Rosin: „Die emotionsbeladene Melodie der ‚Rhapsody in Blue‘ richtete sich in erster Linie sicher an die Berliner ‚shadow audience‘.“ Beides ist allerdings pure Spekulation, denn einen Sendestart mit Musik von Gershwin hatte es in der amerikanischen Mediengeschichte zuvor bereits gegeben: CBS begann 1931 sein erstes Fernsehprogramm unter anderem mit
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nur zwei ausgeführt werden sollen. Zum einen gilt „Rhapsody in Blue“ als eines der Meisterwerke moderner klassischer Musik und sollte dem amerikanischen Radiosender mehr soziales Prestige bringen als der „krawallige“ Titelsong eines Zeichentrickfilms. Des Weiteren passte die Gershwin-Version besser in die veränderte politische Lage mit Deutschland als Verbündetem der USA. Einzelne Zeitungsartikel erwähnen zwar, dass die Musik des jüdischen Komponisten Gershwin in der NS-Zeit verboten war, grundsätzlich ist „Rhapsody in Blue“ aber nicht anti-deutsch und dadurch potentiell weniger verletzend für Deutsche als dies „Der Fuehrer ’s Face“ gewesen wäre.9 Solche symbolischen Feinheiten drangen nicht unmittelbar ins öffentliche Bewusstsein, wirkten sich aber unterschwellig und zusammen mit anderen Faktoren durchaus positiv auf das deutsch-amerikanische Verhältnis aus. Die alliierten Streitkräfte galten auch nach der Gründung der Bundesrepublik juristisch weiterhin als „Besatzungstruppen“. Nach und nach wurden aber einzelne Aspekte des Besatzungsstatuts von 1949 geändert. Wie bereits in Kapitel 4 erwähnt, stand im Bereich des Rundfunks vor allem die fehlende Funkhoheit der Bundesrepublik und die amerikanischen Propagandasender im Fokus deutscher Aufmerksamkeit. Ohne öffentliche Auseinandersetzungen ließ sich hingegen die rechtliche Lage von AFN neu regeln: Artikel 18 des deutsch-alliierten Truppenvertrags sicherte den Streitkräften den Betrieb eigener Rundfunksender zu. Das veränderte deutsch-amerikanische Verhältnis zeigte sich bei AFN zuallererst durch gesteigerte Betriebskosten. Güter und Dienstleistungen auf dem freien Markt waren erheblich teurer geworden und mit dem Rückgang der deutschen Arbeitslosigkeit wurde es für AFN schwieriger, deutsche Mitarbeiter anzuwerben. Auch staatliche Behörden wie die Bundespost wollten die nach dem Krieg vereinbarten Ausnahmeregelungen für das Militär nicht länger hinnehmen und verlangten für ihre Post- und Fernmeldeleistungen mehr Geld. Dieser Trend zu „normaleren“ Beziehungen verstärkte sich noch einmal im Jahr 1955 durch das Inkrafttreten des Deutschlandvertrags, den deutschen NATO-Beitritt und ein neues Abkommen über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik.10
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einem Klavierstück von Gershwin. Mitchell, Cavalcade of Broadcasting, 131; Rosin, Zur Geschichte des AFRS (unveröff.), 85 (Zitat); Zilling, AFN (unveröff.), 72 (Zitat). „On Aug. 4, 1945, AFN-Berlin commenced broadcasting with Gershwin’s ‚Rhapsody in Blue‘, the first playing in Berlin of music by a Jewish composer since 1933.“ AFN-Berlin Marking 10th Anniversary, in: Stars and Stripes, 6. August 1955. Vgl. AFN-Berlin Marks 22 Years of Broadcasting, in: Berlin Observer, 11. August 1967. Zu den amerikanischen Anstrengungen, von ihrem Image als Gesellschaft ohne Hochkultur loszukommen siehe auch Kapitel 10 und 12. Gesetz betreffend den Vertrag vom 26. Mai 1952, 97 f.; Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder. Siehe auch GIs in Germany Face Service Cut, in: Newark Evening News, 29. April 1955. Vgl. Moeller, Voneinander Lernen, 136 ff.; Leuerer, Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 107 ff.; Zumwalt, The Stars and Stripes, 197.
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Die neuen Regelungen wirkten sich auch auf die Lebensbedingungen der US-Soldaten aus, wenn auch nur marginal. Das US-Truppenschulungsprogramm und AFN unterrichteten die amerikanischen GIs kontinuierlich über Änderungen an ihrem rechtlichen Status in der Bundesrepublik und versuchten, Einfluss auf ihre Lebensführung zu nehmen. Die Aufrufe zu Wohlverhalten ähnelten denen in der Nachkriegszeit, nur dass nicht Nationalsozialisten, sondern Kommunisten als ideologische Gegner und Nutznießer von amerikanischen Verfehlungen angeführt wurden. In der Logik der militärischen Führung sollten die amerikanischen Soldaten neben der militärischen Verteidigung Westeuropas mit vorbildlichem Lebenswandel als inoffizielle Botschafter für die Sache der US-Demokratie werben. Solche Forderungen mögen etwas realitätsfern wirken, hatten aber einen handfesten Hintergrund. Denn obwohl die Präsenz der US-Truppen in der Bundesrepublik bis etwa Mitte der sechziger Jahre auf breite Zustimmung in der deutschen Bevölkerung stieß, geriet anstößiges Verhalten von Soldaten immer wieder und immer stärker in die öffentlich geäußerte Kritik.11 Auseinandersetzungen um das Höchster Schloss Ein weiteres Problem für die deutsch-amerikanischen Beziehungen waren beschlagnahmte Gebäude, die noch immer von US-Truppen genutzt wurden. AFN hatte in Bremen und Nürnberg solche Häuser geräumt, in Frankfurt stellte sich die Situation allerdings etwas komplexer dar. Im Höchster Schloss befand sich neben dem dortigen Lokalsender auch die Zentrale des Militärrundfunks. Trotz moderner Technik und einigen Umbauten hatte die Unterbringung des Radiosenders in dem inzwischen denkmalgeschützten Gemäuer große Nachteile. „Am Burggraben 1“, so die zivile Adresse von AFN, drangen bisweilen ungewollte Geräusche in die Aufnahmestudios und je nach Jahreszeit waren viele Räume zu heiß oder zu kalt. Trotz aller Nachteile faszinierte die Amerikaner aber das Leben und Arbeiten an historischer Stätte, und auch im überschaubaren Höchst und einigen seiner Gastwirtschaften fühlte sich das Personal des Militärsenders wohl.12 Die Leitung von AFN und ihre militäri11
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By Our Acts, 20. Februar 1955, Box 1, USAREUR Info Bulletin, Info Div, USAREUR, RG 338, NACP; Your Rights and Obligations in Germany, 9. September 1955, ebd. Vgl. Alvah, Unofficial Ambassadors, 90–94; Höhn, GIs and Fräuleins, passim; Merritt/Merritt (Hg.), The HICOG Surveys, 58, 151 ff., 185 f., 207 f., 238 f.; Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 54–58, 84. Viele AFN-Mitarbeiter frequentierten die Höchster Lokale „Stadt Limburg“ und „Goldene Rose“, letzteres wurde oft auch scherzhaft als „AFN Press Club“ bezeichnet. Hunt Downs, Program Confidential, in: AFN Weekly Digest, 6. Juni 1953; Gespräche der Autorin mit Gary L. Bautell, Milt Fitzwater und Gertrud Voss (ehemalige Inhaberin des Lokals „Stadt Limburg“).
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Abb. 4: Eingang des Höchster Schlosses in den fünfziger Jahren.
schen Vorgesetzten überlegten jedoch seit den vierziger Jahren, mit dem Sender in adäquate Räumlichkeiten umzuziehen. Die Umzugspläne von AFN wurden aber selten konkret und scheiterten zumeist an fehlenden finanziellen Mitteln.13 13
Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP; Castle on the Main, MS, o. D., 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Christman, 28, Box 2, Transcripts, ebd.; Suid-Interview Harlan, 27, Box 4, ebd. Siehe auch jof, AFN zieht um, in:
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Die meisten Einwohner von Höchst hätten den Abzug von AFN aus ihrer Mitte begrüßt, denn das Schloss war ein wichtiges Symbol des lokalen Bürgerstolzes. Auch als Stadtteil Frankfurts wollte Höchst seine eigene Identität bewahren und in der mittlerweile industriell geprägten „Farbenstadt“ gehörten die historischen Gebäude unbedingt dazu. Bei der 600-Jahr-Feier des Ortes im Jahr 1955 wurde der Schlossplatz miteinbezogen, und in den folgenden Jahren entwickelte sich aus der erfolgreichen Jubiläumsveranstaltung das „Höchster Schloßfest“, für das AFN Teile des Schlosses zur allgemeinen Benutzung freigab. Ab 1958 beteiligte sich das US-Militär auch aktiv an der Vorbereitung und Durchführung des Festes und stieß damit bei der Höchster Bevölkerung auf begeisterte Zustimmung. Der Reporter der Frankfurter Rundschau formulierte „Volkes Stimme“ folgendermaßen: „Die Musik, die die Amis in ihrm AFN mache is ja furchtbar. Daß sie uns einfache Bürger aber emal ins Schloß enei lasse, des is widder schee von’n.“14 Diese amerikanischen Aktivitäten brachten AFN, der als ausländische Militäreinheit eine symbolträchtige deutsche Immobilie besetzte, viel Wohlwollen bei der Höchster Bevölkerung und leisteten so einen wichtigen Beitrag für die Akzeptanz des Senders auf lokaler Ebene.15 Der im Fall des Höchster Schlosses etablierte „Burgfrieden“ wurde aber bald zur Routine, bei der Vereinsehrungen und andere formalisierte Rituale die öffentliche Begeisterung der ersten Zeit ersetzten. Der zu Anfang dieses Kapitels zitierte Kommentar über den deutsch-amerikanischen „Zweckverband“ beschreibt die Situation folgendermaßen: Der Vereinsring braucht die Freundschaft der Amerikaner, die schließlich im Höchster Schloß wohnen und es für die Schloßfeste freigeben. Die Amerikaner hingegen rechnen auf die Höchster, vor allem die Schloßgarde, um ihre Geburtstagsparties auszuschmücken. Ansonsten scheinen die beiden Parteien keinen übersteigerten Wert auf engste Beziehungen zu legen.16
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Nachtausgabe, 26. Dezember 1954; w-f, Umzug von AFN?, in: Frankfurter Rundschau, 14. Mai 1955; ach, Lieber AFN, mein Mann soll zurück kommen, ebd. (Landausgabe), 3. Juli 1958; Bunter Bilderbogen vom Höchster Schloßfest, in: Höchster Kreisblatt, 7. Juli 1958; AFN: Tuned To People, in: Army Times, 19. Juli 1967; Wonders in a Chromium Box, in: Serving American Forces (AFN-Eigenpublikation), 30. Der Journalist selbst kommentiert die Meinung seiner Kunstfigur „alt Sofie“ so: „Über die Konservenmusik des Soldatensenders läßt sich streiten, über die Freundlichkeit der Amerikaner, einmal im Jahr den Höchstern die Schloßtore zu öffnen, aber nicht.“ ach, „Jetzt stecke die Frankforter unser Schloß an“, in: Frankfurter Rundschau, 7. Juli 1958. Neues vom Schloßfest, in: Höchster Kreisblatt, 3. Juli 1958; Tausende feiern das Höchster Schloßfest und Bunter Bilderbogen vom Höchster Schloßfest, ebd., 7. Juli 1958; Das Höchster Schloßfest, in: Neue Presse (Höchster Anzeiger), 7. Juli 1958. Wilfried, Aus Höchst: Berichtet und belichtet, in: Frankfurter Rundschau, 15. November 1962. Vgl. pfe, Schloßgarde als „Filmstar“, in: Neue Presse (Höchster Anzeiger), 12. Februar 1962. – Die „Höchster Schloßgarde“ wurde 1956 als Karnevalsverein gegründet und trat mit bunten Uniformen und Musik bei vielen lokalen Anlässen auf. Das
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Das vom Journalisten der Frankfurter Rundschau kritisierte Aneinandervorbeileben der beiden Nationalitäten zeigte sich im Alltag von Höchst. Auch Publikationen belegen, dass das „normale Leben“ überwiegend in getrennten Welten verlief. So wie amerikanische Stadtpläne aus der Nachkriegszeit keine deutschen Einrichtungen verzeichneten, schafften es spätere deutsche Veröffentlichungen, die amerikanischen Soldaten in Höchst zu ignorieren.17 Das Schloss gehörte Anfang der sechziger Jahre noch der Erbengemeinschaft der Familie von Brüning, einem der Gründer der Farbwerke Hoechst. Von ihr hatte das Amt für Verteidigungslasten das Gebäude gemietet und AFN zur Verfügung gestellt. 1960 wurde das Schloss nun zum Verkauf ausgeschrieben und die Höchster bangten deswegen kurzfristig um den Fortbestand des Schlossfestes. Sie wurden aber von den neuen Besitzern (den Farbwerken Hoechst) beruhigt, denn diese sicherten die Öffnung des Schlosses für das Volksfest zu. Danach scheint auf deutscher Seite die vielfach gegenüber AFN geübte Zurückhaltung aufgegeben worden zu sein und Artikel in lokalen Zeitungen forderten offen den raschen Abzug des amerikanischen Mieters aus dem Schloss.18 Der damalige Chef von AFN, Robert Cranston, war ein umtriebiger und sehr öffentlichkeitsbewusster Kommandeur. Er nutzte das Schlossfest im Juli 1962, um die Situation aus amerikanischer Sicht darzustellen und die baldige Räumung des großen Burggrabengeländes zu versprechen. Zwei Monate später inszenierte er auch die eigentlich unbedeutende Rückgabe eines Wohnhauses an die Farbwerke Hoechst publikumswirksam, bevor er im Dezember in einer kleinen Zeremonie den neuen deutschen Besitzern den Schlüssel zum Burggraben überreichte. Mit diesen Aktionen konnte Cranston die deutschamerikanischen Spannungen in Höchst zumindest teilweise abbauen, auf jeden Fall berichteten die deutschen Zeitungen wieder wohlwollend über AFN. An dem grundsätzlichen Problem – der Anwesenheit der Amerikaner im Schloss – änderte das aber nichts.19
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Höchster Schlossfest wurde anfangs auf die Tage um den 4. Juli gelegt, an dem AFN jeweils ein größeres Fest ausrichtete, um sein eigenes Jubiläum zu feiern. Map of Höchst by American Red Cross Club (ca. 1946), Material von Harry Whitcomb; Höchst. Siehe auch Vereinsring dankt für Entgegenkommen beim Schloßfest, in: Höchster Kreisblatt, 19. Januar 1959; km, Ein Empfang im Bolongaropalast, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 20. Januar 1959; Peter, Aus Höchst: Berichtet und belichtet, ebd., 17. Oktober 1961; ech, Höchster bangen um Freundschaft zum AFN, ebd., 25. Juni 1964. Vgl. Domentat, Amis in Berlin, 38; Herget, „Die Amis“, 228. Farbwerke wollen das Schloß kaufen und historischen Teil an Stadt verpachten, in: Höchster Kreisblatt, 28. Dezember 1960; Farbwerke kaufen Höchster Schloß, ebd., 21. Juni 1961; Wird von den Amerikanern kaum noch benutzt: Die Höchster möchten ihr Schloß wiederhaben, ebd., 4. Juni 1962. Am 1. September 1962 berichteten alle Lokalzeitungen über die Rückgabe des Wohngebäudes in der Ludwigshafener Straße: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau; Höchster Kreisblatt, Neue Presse (Höchster Anzeiger). Siehe auch ech,
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Nach dem Truppenvertrag von 1952 war die Bundesregierung für die Beschaffung von Ersatzgebäuden für die Nutzung durch alliierte Soldaten zuständig. Da AFN als Radiosender neben normalen Büroräumen und Soldatenunterkünften auch Rundfunkstudios brauchte, kam nur ein Neubau in Frage. Als Standort war die direkte Nachbarschaft des Hessischen Rundfunks (HR) in der Frankfurter Innenstadt vorgesehen, damit der deutsche Sender beim Abzug der Amerikaner das Gebäude würde übernehmen können.20 1959 einigten sich der HR, deutsche Behörden und die US-Streitkräfte auf diese Lösung und beauftragten den Architekten des HR mit der Planung des neuen Gebäudes. Weil der Bundesregierung die finanziellen Mittel für dieses Projekt des „Schlußfreimachungsbauprogramms“ fehlten, lagen die Pläne für den Neubau allerdings einige Zeit auf Eis. Erst im Februar 1964 begannen die Bauarbeiten für das Gebäude an der Bertramstraße, und noch einmal zwei Jahre später konnte AFN seine neue Sendezentrale beziehen.21 Der Umzug von AFN im Jahr 1966 markierte einen Einschnitt in der Entwicklung des Senders. Die Provisorien der Nachkriegszeit gehörten nun endgültig der Vergangenheit an, denn das moderne Funkhaus setzte neue Maßstäbe für die Arbeit von AFN. Durch seine Lage neben einem großen amerikanischen Einkaufszentrum rückte auch das US-Zielpublikum noch stärker in den Fokus der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Militärsenders. Beim Abschied aus Höchst beschworen deutsche und amerikanische Würdenträger noch einmal, wie harmonisch man zusammengelebt hätte. Dies stimmte zumindest teilweise, denn das Personal von AFN hatte sich als kontaktfreudiger und „pflegeleichter“ erwiesen als etwa die US-Soldaten in der Höchster McNair-Kaserne. Die nostalgischen Erinnerungen auf beiden Seiten konnten
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Ganz nach dem Geschmack des Publikums, in: Frankfurter Rundschau, 9. Juli 1962; KREISBLATT-Forderung erfüllt: Amerikaner geben Schloßgraben frei, in: Höchster Kreisblatt, 21. Dezember 1962; Einen großen Tag, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 21. Dezember 1962; Highlights From Hoechst, ebd., 22. Dezember 1962 (übersetzter Artikel aus dem AFN Historical File); Gespräch mit Robert Cranston, 23. September 1999. Dieser Plan ging nicht auf. Die Sendezentrale von AFN zog zwar im Jahr 2004 aus Frankfurt weg, das Gebäude genügte aber damaligen Baustandards nicht mehr. Es wurde daher 2007 abgerissen. Lehr an Beckmann (Intendant des HR), 9. Februar 1959, Ordner: AFN Studiobau Juni 1958 – März 1969, Historisches Archiv, HR; Aktennotiz, Betr.: Studiobau AFN, 10. März 1959, ebd.; AFN Weekly Info Report 8 June – 14 June 1959, 15. Juni 1959, 250/57 Command Report File, NASL. Siehe auch AFN und Hessischer Rundfunk sollen Nachbarn werden, in: Höchster Kreisblatt, 4. September 1959; T. M., Das neue Haus des AFN, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. Mai 1964; my, Ein neues Funkhaus wächst aus dem Boden, ebd., 4. Dezember 1964; lh, AFN feierte Richtfest, in: Frankfurter Rundschau, 5. Dezember 1964; Bis zum 1. September wird das Höchster Schloß geräumt, in: Höchster Kreisblatt, 14. Mai 1966; lau, Neues Gebäude für den AFN, ebd., 17. Mai 1966; us, AFN räumt das Höchster Schloß, in: Frankfurter Rundschau, 17. Mai 1966.
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aber nicht über die zumeist unausgesprochene, grundsätzliche Unzufriedenheit mit der früheren Situation hinwegtäuschen. Die Frankfurter waren froh, dass das amerikanische Militär das Höchster Schloss verließ, und AFN musste sich nicht länger als unerwünschter Mieter eines für Rundfunk nur bedingt geeigneten Gebäudes fühlen.22 „The air above France“ – AFN-Sender in Frankreich Das deutsch-amerikanische Verhältnis in Bezug auf AFN lässt sich noch genauer einordnen, wenn man es mit den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich vergleicht. Dafür ist allerdings chronologisch ein Schritt zurück nötig, denn die Bemühungen des US-Militärs, eigene Radiostationen für die in Frankreich stationierten amerikanischen Soldaten einzurichten, begannen in den frühen fünfziger Jahren. Die langwierigen Verhandlungen zwischen amerikanischen und französischen Stellen sollen zeigen, dass das zwar selbstbewusster werdende Agieren bundesrepublikanischer Stellen noch immer einen starken Kontrast bildete zum Verhalten Frankreichs, einer Siegermacht des Zweiten Weltkriegs. Seit 1949 waren immer mehr US-Truppen nach Frankreich gekommen, um dort einen wichtigen Teil des Nachschubsystems der NATO aufzubauen. Mit hohem Aufwand wurde hier die Communication Zone (Com Z) eingerichtet, eine neue Versorgungszone für die Truppen in Westeuropa. Die Lebensbedingungen der amerikanischen Soldaten in Frankreich unterschieden sich stark von denen in der Bundesrepublik. Vereinfacht gesagt, wohnten die GIs in Frankreich über Jahre hinaus in provisorischen Unterkünften, und auch die gewohnte Freizeit-Infrastruktur des US-Militärs ließ auf sich warten. Der Grund für die verzögerte Entwicklung in Frankreich wurde zumeist in den fragilen bilateralen Beziehungen gesucht. Französische Stellen verhandelten hart mit ihren amerikanischen Verbündeten und erwarteten von ihnen als Gäste eine ebenso hohe Investitions- wie Kompromissbereitschaft.23 Auch AFN war von dieser Situation betroffen, denn die Senderkette sollte die Rundfunkversorgung der in Frankreich stationierten GIs übernehmen. Im Zuge der komplizierten Umstellungen wegen des Kopenhagener Wellenplans 22
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Siehe etwa ech, Geburtstag mit 250 Pfund schwerer Torte, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 29. Juni 1963; Wilfried, Der AFN […], ebd., 8. Dezember 1964; LTC V. Bloecker, CO/AFN, an K. Blum, Stadtrat Frankfurt-Höchst, 1. Juli 1966, Newspaper Clippings, 228-08 Organization Historical Files, AFN Historical File; Blum an Bloecker, 8. Juli 1966, ebd.; „Address delivered by Lt Col Bloecker, Jr at the ribbon-cutting ceremony of the new AFN bldg in Frankfurt, 16 May 1966“, MS, ebd. Siehe etwa Orientation France, 17. Mai 1956, Box 1, USAREUR Info Bulletin, Info Div USAREUR, RG 338, NACP. Zur französischen Haltung siehe einführend etwa Conze, „Civilisation“ gegen Yankee-Barbarei; Costigliola, France and the United States.
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und der Ausweitung des Sendernetzes in Deutschland hatten die Programmverantwortlichen konkrete Planungen für Frankreich immer wieder verschoben. Im Juni 1952 entschied AFN, dass er mit mehreren 350-Watt-Mittelwellensendern die französischen US-Stützpunkte am besten erreichen konnte, und leitete die ersten offiziellen Schritte ein. Da die französischen Verantwortlichen zuerst gar nicht auf die amerikanische Anfrage zu reagieren schienen, suchte der Militärrundfunk nach Alternativen.24 Zunächst produzierte AFN kurze Sendungen mit Informationen von französischen US-Militärbasen für die Sender AFN Munich und AFN Stuttgart, denn deren Mittelwellensignale konnten in Frankreich zumindest teilweise empfangen werden. Die Fünf-Minuten-Sendung „Com Z Cadence“ lief ab August 1953 sonntags um 20.55 Uhr und wurde zunächst aus den Mitteilungen der amerikanischen Presseoffiziere in La Rochelle, Verdun und Orléans zusammengestellt. Auch AFN Kaiserslautern produzierte später ähnliche Programme; sie orientierten sich allerdings mehr an den Interessen der Luftwaffe. Neben diesen lokalen Beiträgen nahm die Berichterstattung über Frankreich auch im Gesamtprogramm von AFN zu. Die Sendung „La Belle France“ etwa lieferte maßgeschneiderte Informationen und Reisehinweise für US-Soldaten.25 Die Reichweite von AFN in Westeuropa nahm zu, nachdem die alliierte Frequenzkommission ihm im Frühjahr 1954 eine Kurzwelle zuwies, auf der er sein Programm von Frankfurt aus direkt in Richtung Frankreich senden konnte. Aufmerksame Leser werden nicht überrascht sein, dass der Militärrundfunk damit andere Radiobetreiber störte: Beschwerden kamen in diesem Fall vor allem aus Schweden. Während das amerikanische Außenministerium das AFN-Kurzwellenprogramm deshalb baldmöglichst beenden wollte, versuchte das Militär, die Störungen durch technische Veränderungen zu beheben. Die Streitkräfte wollten die Kurzwelle auf jeden Fall so lange behalten, bis die Verhandlungen mit Frankreich – an denen das Außenministerium maßgeblich beteiligt war – erfolgreich waren. Wieder einmal zeigten sich also Interessenskonflikte zwischen zivilen und militärischen US-Behörden. Letztlich nutzte AFN für die Versorgung amerikanischer Soldaten in Frankreich weiterhin eine Kurzwelle, wechselte allerdings im Dezember 1954 die Frequenz.26 24
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Aktennotiz von COL M. G. Stubbs, C/AFIED, EUCOM, 2. Juni 1952, Box 433, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; GEN T. T. Handy, CinC, an J. C. Dunn, Am Ambassador Paris, 25. Juni 1952, ebd.; COL M. G. Stubbs, C/AFIED, USAREUR, an COL O. McCormick, C/TIED, C/Info, DA, 17. November 1952, ebd. France: M. Downs, Il Est A Vous!, in: AFN Weekly Digest, 29. August 1953; AFN Beams Program to Com Z, in: Com Z Cadence, 4. September 1953; Cadence on the Air, ebd., 8. Januar 1954; AFN Kaiserslautern Opens Series on 12th AF Activities, in: Stars and Stripes, 17. Juni 1955; AFN Highlights, in: Radio Review, 2. Dezember 1955. Den Betrieb auf der neuen Kurzwellfrequenz stellte AFN im April 1958 ein, kurz vor Sendebeginn der ersten französischen AFN-Stationen. Siehe etwa Aktennotiz von H. C. Bean, Asst Tech Supv/AFNE, 7. November 1961, Box 11, Historical Monographs, AFIS,
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Die französischen Stellen lehnten die von den Amerikanern geplanten Mittelwellen-Stationen auf ihrem Territorium kategorisch ab. Da die Ultrakurzwelle für den französischen Rundfunk keine Rolle spielte, waren sie aber bereit, UKW-Sender zu erlauben. Den Aufbau der Sendeanlagen musste das amerikanische Militär mit dem staatlichen Rundfunk Radiodiffusion-Télévision Française (RTF) abstimmen und dafür französische Technik einkaufen. Dies war eine für das Militär teure Lösung, auch weil das französische Kabelnetz zu diesem Zeitpunkt nicht für die Übertragung von Radioprogrammen ausgelegt war und die anvisierten 26 Sender anderweitig verbunden werden mussten. In den Verhandlungen über die Ausweitung von AFN nach Frankreich wurde den Amerikanern rasch klar: „The air above France belongs to the French.“27 Die Amerikaner versuchten zwar, allzu kostspielige Abmachungen zu verhindern, akzeptierten die Ansprüche Frankreichs letztlich aber voll und ganz.28 Ebenso nachgiebig zeigte sich die amerikanische Seite auch, als es um das heikle Thema der Zensur ging. Die französische Regierung bestand nämlich darauf, die in der Vierten Republik übliche starke staatliche Kontrolle der Medien auch auf die französischen AFN-Sender auszuweiten. Dafür sollte französisches Personal den Output des amerikanischen Militärradios überwachen. Die Vorgesetzten von AFN vollzogen einen begrifflichen Eiertanz, um diese französische Bedingung annehmen zu können: „Guidance would seem to me to be advisable; I would be opposed to censorship.“29 Amerikanische Militärs sprachen das Reizwort „Zensur“ aus, verharmlosten den Tatbestand aber oder verbrämten ihn sogar als Hilfestellung, die den Bestand von AFN in Frankreich auf Dauer sichern könne. Problematischer als der Eingriff in die Pressefreiheit erschienen ihnen die Kosten dieser Maßnahme, denn die Amerikaner sollten die französischen Kontrolleure selbst bezahlen. Der Europäische Befehlbereich wehrte daher einen „Berater“ an jedem der über zwanzig
27 28
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RG 330, NACP. Zum geschilderten Konflikt siehe etwa LTC L. M. Nawrocky, C/Info Br, C/Info-IE, 15. Juli 1954: Memo for C/TIED, 6 f., Box 429, Dec File 1949–1954, TIED, C/ Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Conant, [Am Embassy] Bonn, an Sec of State, No. 1404, 12. November 1954, Box 347, ebd.; C/Info, DA, an CINCUSAREUR, Ref. No. DA 970928, 12. November 1954, ebd.; CINCUSAREUR an DA, No. S 3424, 24. November 1954, ebd.; Dept of State sgd Dulles an Am Embassy Stockholm, 29. Dezember 1954, ebd. Vgl. AFN Station Beamed For Com Z Radios, in: Basec Mission, 1. Oktober 1954. COL E. R. Ott, C/AFIED, USAREUR, an COL J. L. Chamberlain, C/TIED, C/Info, DA, 5. Januar 1955, Box 7, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP. COL M. G. Stubbs, C/AFIED, USAREUR, an COL O. McCormick, C/TIED, C/Info, DA, 1. März 1954, Box 348, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; LTC S. S. Kale an C/TIED, 8. April 1955, Box 7, Gen Corr of the TIED 1955– 1958, C/Info, Army Staff, ebd.; MAJ S. E. Rodby, Engineering O, an Dir/OAFIE, DOD, o. D. [Mai 1955], Staff Visit, ebd. COL J. L. Chamberlain, C/TIED, DA, an COL E. R. Ott, C/AFIED, USAREUR, 7. April 1955, Box 7, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP.
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UKW-Sender in Frankreich ab, akzeptierte und finanzierte aber einen französischen Regierungsvertreter in der Sendezentrale in Frankfurt.30 Ab 1956 wurde der Start von AFN in Frankreich allein dadurch verhindert, dass sich die US-Streitkräfte weigerten, für die Nutzungsrechte musikalischer Aufführungen zu zahlen. Die amerikanische Verwertungsgesellschaft ASCAP hatte ihrer Regierung im Zweiten Weltkrieg die kostenfreie Verwendung aller Musik erlaubt, die von ihr verwaltet wurde, und diese Abmachung nach 1945 erneuert. Dies war als rechtliche Grundlage für den Betrieb von militärischen Radiosendern in den Vereinigten Staaten oder in amerikanisch besetzten Gebieten ausreichend, genügte aber nicht, wenn die US-Streitkräfte in befreundeten, souveränen Staaten agieren wollten. Deren Verwertungsgesellschaften forderten nämlich von den amerikanischen Militärsendern Gebühren für das Abspielen von Musik, analog zu Ansprüchen an heimische Rundfunkanstalten. Die US-Streitkräfte zweifelten die Berechtigung solcher Forderungen an und behaupteten, sich diese Gebühren nicht leisten zu können und dann seinen Hörfunk einstellen zu müssen. Die Drohung mit dem Ende von militärischen Radiosendern war ein plakatives Argument, letztlich war es aber nur ein Vorwand, um Kosten zu reduzieren. Schließlich hatte das USMilitär in Ländern wie Großbritannien bereits während des Zweiten Weltkriegs Gebühren für musikalische Aufführungsrechte bezahlt, ohne dass davon die Existenz von AFN oder gar AFRS bedroht gewesen wäre.31 Um die Sache voranzubringen, präsentierte die französische Verwertungsgesellschaft im Januar 1956 dem amerikanischen Militär eine Rechnung für die in Frankreich relevanten AFN-Aktivitäten der vorangegangenen zwei Jahre. In der Öffentlichkeit versuchten die Streitkräfte, die französischen Bedingungen als überzogen darzustellen, stießen damit aber auf wenig Verständnis. Selbst amerikanische Zeitungen berichteten, dass die französischen Forderungen maßvoll waren und die besondere Situation von AFN berücksichtigten. Im April 1957 konnte immerhin ein Vertrag unterschrieben werden, der die US-militärische Nutzung von Musikrechten bis zum 30. Juni 1958 regelte. Dieses Abkommen ging davon aus, dass AFN ab Juli 1957 in Frankreich senden würde. Das Militär misstraute jedoch den Absichten der französischen 30
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LTC S. S. Kale an C/TIED, 8. April 1955, Box 7, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/ Info, Army Staff, RG 319, NACP; AFN’s In The Air – But Not Just Yet, in: American Weekend, 28. Januar 1956. Zum Einfluss des französischen Regierungsvertreters bei AFN siehe Kapitel 9. Zum französischen Rundfunk siehe einführend etwa Albert, Die Entwicklung der Radiolandschaft in Frankreich. Die Abkürzung ASCAP bedeutet American Society of Composers, Authors and Publishers. MAJ S. E. Rodby, Engineering O, an Dir/OAFIE, DOD, o. D. [Mai 1955], Box 7, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP; COL H. C. Lyon, C/TIED, DA, an Mr. L. Ganse, General Counsel, EUCOM, 17. November 1955, ebd. Siehe auch UP, Interest in Dispute On Overseas Fees Denied by ASCAP, in: Stars and Stripes, 27. Oktober 1955; GEMA (German ASCAP) Puts Bite On Armed Forces Network for Royalties, in: Variety, 10. September 1958.
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Verwertungsgesellschaft für die Zeit nach Juni 1958 und zögerte den Aufbau der Radiostationen weiter hinaus.32 Es ist kein Zufall, dass AFN-Mitarbeiter in den bisherigen Absätzen über Frankreich nicht erwähnt werden, denn sie waren an den langjährigen Verhandlungen nicht oder nur am Rande beteiligt. Spätestens seit 1952 erkundeten kleine AFN-Teams immer wieder die logistische und technische Situation in der neuen Versorgungszone und planten konkrete Schritte für den Aufbau der Sender. Die US-Soldaten in Frankreich sollten aber insgesamt neun Jahre ohne eigene Rundfunkstationen bleiben, denn immer wieder verschoben französische Bedingungen, amerikanische Vorbehalte oder militärische Geldsorgen den Sendebeginn. Erst 1958 war es so weit: Zusammen mit dem staatlichen französischen Rundfunk baute AFN zunächst fünf UKW-Sender auf, die US-Truppen rund um das amerikanische Hauptquartier in Orléans versorgen sollten. „Today is the Day! – AFN’s Here!!“, jubelte eine lokale Militärzeitung zum Start am 23. Mai.33 Aus Studios in Orléans versorgten AFN-Mitarbeiter die Sender von AFN Com Z mit lokalen Wort- und Musiksendungen, etwa achtzig Prozent des Programms kamen aus der Frankfurter Sendezentrale. Bereits sechs Monate später eröffnete AFN Basec mit einem Studio in Poitiers und zehn UKW-Sendern; in Ostfrankreich formierte sich bis Oktober 1959 AFN Adsec mit Programmproduktion in Verdun und ebenfalls zehn Übertragungssendern.34
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Robert Korengold/Art Watt, AF Plan On AFN Stymied, in: American Weekend, 21. Januar 1956; ders., France AFN? – No!, ebd., 8. September 1956; France AFN Okay Reported Completed, ebd., 22. September 1956. State Dept sgd Dulles an Am Embassy Paris, 30. April 1957, Box 2, Secu Class Corr of the TIED 1952–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP; LTC S. S. Kale, TID, Subject: Radio Broadcasting in France, 10. Juli 1957, ebd.; LTC R. W. McCartney, Dep C/TID, DA, an COL M. P. Brooks, C/ Info Div, USAREUR, 25. Juni 1957, Box 7, Gen Corr TIED 1955–1958, ebd. Siehe auch Agreement Between the United States of America and France: Establishment of Military Radio Broadcasting Stations in France. Exhibit C, in: U. S. Congress. House, Overseas Military Information Programs, 68–71. 33 Today is the Day! – AFN’s Here!! Dreux is Newest Link in AFN Chain, in: Dreux Review, 23. Mai 1958. 34 Basec war die Abkürzung für Base Section und bezeichnete einen untergeordneten Befehlsbereich der Versorgungszone in Frankreich mit Hauptquartier in La Rochelle. Adsec, kurz für Advance Section, lag im Nordosten Frankreichs und hatte sein Hauptquartier in Verdun. – 5 AFN Stations Going on Air in France Friday, in: Stars and Stripes, 20. Mai 1958; AFN Radio Comes to France, in: Basec Mission, 21. Mai 1958; AFN at COM Z to Schedule America’s Best Radio Shows; Broadcasting Begins Today, in: Orleans Item, 23. Mai 1958; Air New Basec AFN Programs, in: Basec Mission, 19. November 1958; AFN Basec Begins Broadcasting, ebd., 26. November 1958; First Anniversary Of AFN France, in: Advance, 22. Mai 1959; AFN Verdun Nears Completion, ebd., 9. Oktober 1959; AFN Verdun Goes On the Air; Began Oct 16, ebd., 23. Oktober 1959.
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Die Beschränkung auf UKW blieb für AFN nicht ohne Folgen. Zunächst musste sich das amerikanische Rundfunkpersonal auf die noch ungewohnte Technik umstellen. Dies gelang bei den französischen Anlagen weitgehend, auch mit Hilfe der in Deutschland erworbenen Erfahrungen mit UKW. Die auf einen Radius von zehn Meilen begrenzte Reichweite der einzelnen Sender machte zudem den Aufbau eines dichten Netzes von Anlagen nötig, um alle französischen Standorte abzudecken. Doch dies allein sicherte noch nicht einen guten Empfang, denn die meisten amerikanischen Soldaten waren nicht mit UKW vertraut. Da nur wenige amerikanische Rundfunkgeräte auch für UKW ausgelegt waren, mussten sich viele GIs für Frankreich neue Radios kaufen. Die Öffentlichkeitsabteilung von AFN erklärte mit einer ganzen Reihe von Artikeln in amerikanischen Militärzeitungen die neue Technik. Darin gab sie beispielsweise Tipps, wie man die Geräte platzieren oder sich eine Zusatzantenne bauen konnte.35 Bei der Etablierung des Militärrundfunks in Frankreich stieß AFN auch auf vertraute Probleme. Es galt zum Beispiel, sich in die hierarchischen Strukturen des US-Militärs in der Versorgungszone einzuordnen und trotzdem als Medium selbstständig zu bleiben. So war der Sender auf die Zusammenarbeit mit den örtlichen Presseoffizieren angewiesen, musste deren Kontrollansprüche aber abwehren. Die Leitung von AFN hatte erfahrene Mitarbeiter mit dem Aufbau der französischen Stationen betraut, und diese waren rasch in der Lage, Beiträge für die lokalen Programmplätze zu produzieren. Die neu gegründeten Sender mussten sich darüber hinaus bei ihrer Hörerschaft in den französischen Stützpunkten bekannt machen. In den Militärzeitungen erschienen daher nicht nur Frequenzangaben und Programmankündigungen, sondern auch verstärkt Artikel über das Personal und die Arbeitsweise der Radiosender. Immer wieder rief AFN seine Hörerinnen und Hörer auf, das Programm mitzugestalten. Da dies am einfachsten durch das Äußern von Musikwünschen ging, hieß es immer wieder: „Don’t forget to write your favorite DJ.“36
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Bill Russell, France AFN Date Is Set, in: American Weekend, 3. Mai 1958; AFN Radio Comes to France, in: Basec Mission, 21. Mai 1958; Simple Tricks May Aid AFN Reception, in: Pariscope, 12. Juni 1958; Do-It-Yourself FM Aerial Shown, in: Advance, 13. Juni 1958; Dial Doins, ebd., 6. November 1959; AFN-France Celebrates Third Anniversary, in: Pariscope, 26. Mai 1961. Glenn Ludlow, AFN Dial Doin’s For Eastern France, in: Advance, 10. April 1959 (Zitat). Siehe auch AFN at COM Z to Schedule America’s Best Radio Shows; Broadcasting Begins Today, in: Orleans Item, 23. Mai 1958; Glenn Ludlow, AFN Request System, in: Advance, 22. August 1958; AFN Offers Request Service, in: Pariscope, 16. Oktober 1958; AFN Basec Begins Broadcasting, in: Basec Mission, 26. November 1958; Meet AFN Verdun, in: Advance, 9. Oktober 1959. Siehe auch AFN Weekly Info Report 5 January – 11 January 1959, 12. Januar 1959, 250/57 Command Report File, NASL; Suid-Interview Brewer, 44 ff., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Harlan, 24 f., Box 4, ebd.; Suid-Interview Vrotsos, 33 ff., Box 9, ebd.
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Abb. 5: Übersichtskarte von AFN Germany (Juli 1959).
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Abb. 6: Übersichtskarte von AFN France (Oktober 1959).
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Die fünfziger und sechziger Jahre
Einige französisch-amerikanische Vereinbarungen stellten die AFN-Mitarbeiter vor Aufgaben, die der Militärrundfunk aus Deutschland nicht kannte. Zum einen saß der bereits angesprochene Verbindungsmann zur französischen Regierung seit 1958 in der Sendezentrale von AFN Europe. Er wachte vor allem über Nachrichtenmeldungen, die französische Interessen betrafen, half aber zum Beispiel auch bei der Erstellung von „Let’s Tour France“, einer Sendung mit touristischen Hinweisen für Frankreich. Zum anderen hatte sich AFN verpflichtet, einige Programme zu senden, die vom staatlichen französischen Rundfunk bezahlt und hergestellt wurden. Dies waren der zweimal wöchentliche Sprachkurs „First Aid French“, „Bonjour Mesdames“ und die politische Informationssendung „This Week in Paris“. Eine öffentliche Kontroverse wegen dieser inhaltlichen Fremdbestimmung durch eine andere Regierung gab es anscheinend nicht. Die nur für 1959 vorliegenden Wochenberichte von AFN deuten aber das Konfliktpotential der Auflagensendungen an. Bei der amerikanischen Hörerschaft waren die Sendungen nicht unbedingt beliebt.37 Die Entwicklung des US-Militärrundfunks in Frankreich machte eine Neuorganisation der gesamten Senderkette nötig. Noch im Herbst 1959 formierten sich die französischen Stationen zu AFN France mit Hauptsitz in Orléans, deren drei Sendergruppen nach den Studio-Orten in AFN Orleans, AFN Verdun und AFN Poitiers umbenannt wurden. Insgesamt umfassten die AFNAktivitäten drei Studiostandorte, einen Korrespondenten in Paris und dreißig UKW-Sender. Damit erreichte der Militärrundfunk etwa neunzig Prozent aller in Frankreich stationierten US-Soldaten.38 Die AFN-Zentrale in Frankfurt blieb den Sendern in Frankreich übergeordnet, entschied also in Budget- und Personalfragen, setzte die Sendepläne fest und versorgte alle Stationen mit dem überregionalen Programmanteil. Dies galt weiterhin auch für die deutschen Sender, die zu AFN Germany zusammengefasst wurden und ab Oktober 1959 von München aus verwaltet wurden. AFN Germany bestand aus einem UKW- und 25 Mittelwellen-Sendern und verfügte an sieben Orten über Studios mit größerer Programmproduktion. Die Zentrale des US-Militärrundfunks in Frankfurt nannte sich fortan American Forces Network Europe und
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Siehe auch Kapitel 10. Zu den französischen Programmen siehe etwa die AFN Weekly Info Reports vom 30. März 1959, 21. Juli 1959, 29. September 1959, 19. Oktober 1959, 26. Oktober 1959, 30. November 1959 und 15. Dezember 1959, 250/57 Command Report File, NASL. Siehe auch AFN Day-By-Day Notes, in: Radio and Television Review, 17. Juli 1959; AFN Orleans Will Celebrate Third Anniversary Next Week, in: Orleans Item, 17. Mai 1961. Vgl. U.S. Congress. House, Overseas Military Information Programs, 69. AFN Weekly Info Report 17 August – 23 August 1959, 25. August 1959, 250/57 Command Report File, NASL. Siehe auch Long-Time Radio Experts Man AFN’s Paris Office, in: Pariscope, 24. Juli 1958; AFN Orleans Will Celebrate Third Anniversary Next Week, in: Orleans Item, 17. Mai 1961; AFN France Transmitter Operation, in: This Is … AFN (AFN-Eigenpublikation).
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betreute insgesamt 63 Sendeanlagen in Deutschland und Frankreich, davon 27 mit Studiokapazitäten.39 Die bilateralen Beziehungen zwischen Amerikanern und Franzosen blieben von Misstrauen geprägt. Wie in der langgezogenen Verhandlungsphase um AFN France beschrieben, hegte die US-Seite Zweifel an der Lauterkeit der französischen Absichten und vor allem das amerikanische Militär fühlte sich von seinen Verbündeten nicht ausreichend unterstützt. Der französische NATO-Austritt 1966 schien solche Vorbehalte nachträglich zu bestätigen. Im darauffolgenden Jahr mussten die amerikanischen Streitkräfte (ebenso wie NATO-Truppen anderer Nationalitäten) aus Frankreich abziehen und damit war auch die Existenz von AFN France überflüssig geworden. So lange die Entstehung der französischen AFN-Sender gedauert hatte, so rasch kam ihr Ende. Als der Abzug des Militärrundfunks feststand, sollen den Mitarbeitern nur dreißig Tage geblieben sein, um ihre Ausrüstung und den amerikanischen Teil der Technik nach Deutschland zu bringen.40 Die Auflösung von AFN France bedeutete zumindest theoretisch auch das Ende von AFN Germany und seines Verwaltungssitzes in München. Praktisch änderte sich dadurch die Arbeit der Sender in Deutschland aber kaum, denn die Länderaufteilung war vor allem ein bürokratisches Konstrukt gewesen.41 Deutsche Stellen und AFN Das deutsch-amerikanische Verhältnis gestaltete sich im selben Zeitraum anders als die Beziehung zwischen den USA und Frankreich. Mit Ausnahme des Bundespostministeriums sind Kontakte zwischen staatlichen Stellen der Bundesrepublik und Vertretern von AFN in den Quellen nur sporadisch nachzu39
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Zu den 56 im Text aufgeführten Sendern kamen noch sieben Stationen in Deutschland hinzu, sechs „wired wireless transmitter stations“ und eine „D. P. long line repeater station“. AFN Weekly Info Report 12 October – 18 October 1959, 19. Oktober 1959, 250/57 Command Report File, NASL. Siehe auch AFN Germany Transmitter Operation, in: This Is … AFN (AFN-Eigenpublikation); AFN to Open Verdun Studio Next Week, in: Stars and Stripes, 7. Oktober 1959; Gene Ciechanowski, AFN Moves Germany Hq To Munich, ebd., 9. Oktober 1959; AFN Verdun Nears Completion, in: Advance, 9. Oktober 1959. Der Abzug von AFN aus Frankreich ist schlecht dokumentiert, erst der Aufbau von AFN-Sendern an den neuen NATO-Standorten in den Niederlanden und Belgien ist wieder besser belegt. Siehe etwa AFN Begins Airing to The Netherlands, in: COMZ Chronicle, 7. September 1967; Suid-Interview Eugene Bickley, 17. April 1983, 15 ff., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Eugene H. Bickley war von 1964 bis 1966 bei AFN, zuletzt leitete er als Hauptmann für mehrere Monate die Senderkette). Vgl. Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 38. Suid-Interview Harlan, 28 f., Box 4, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Monte Jones, 14. April 1983, 11 f., Box 5, ebd. (Monte E. Jones war als Soldat ab Januar 1963 immer wieder für längere Perioden bei AFN).
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weisen und beziehen sich meist auf konkrete, vor allem technische Probleme. Dies ist nicht verwunderlich, denn formal vertrat ja das amerikanische Außenministerium die Interessen des US-Militärs gegenüber anderen Ländern. Deutsche Stellen verhandelten Mitte der fünfziger Jahre hartnäckiger über die Errichtung des amerikanischen Militärfernsehens als sie es vorher beim Hörfunk getan hatten, vom selbstbewussten Auftreten französischer Regierungsvertreter waren sie aber weit entfernt.42 Auf Anweisung des US-Außenministeriums musste der Militärrundfunk darauf achten, in seinen Programmen das jeweilige Gastgeberland nicht zu beleidigen. Die Berichterstatter von AFN akkreditierten sich bei den zuständigen Stellen, der offizielle Antrittsbesuch des neuen Kommandeurs des Militärsenders im Jahr 1956 in Bonn blieb aber die Ausnahme. AFN wurde zumindest zeitweise vom Bundespresseamt abgehört, Beschwerden von deutscher Seite gab es aber selten. Die politische Diskussion um die amerikanische Rundfunkpräsenz in der Bundesrepublik entzündete sich vor allem an Propagandasendern wie Voice of America und Radio Free Europe.43 Die Mitarbeiter von AFN kontaktierten deutsche Stellen meist unter journalistischen Gesichtspunkten und weil sie sich Hilfe beim Erstellen einzelner Sendungen erhofften. Im Einzelfall stießen sie dabei auf Unverständnis und Ablehnung, wie das Thema Grußworte zeigen kann. Gemäß amerikanischer Radiotradition bemühte sich AFN zu besonderen Anlässen um O-Töne mit guten Wünschen von Prominenten für ihre Hörerinnen und Hörer, die Festund Feiertage fern der Heimat verbringen mussten. Zur Aufnahme dieser Grußworte schwärmte das Personal von AFN regelmäßig in ganz Europa aus, auch viele Stars und Würdenträger in den USA (bis hin zum Präsidenten) machten bereitwillig mit. Deutsche Politiker taten sich mit diesem harmlosen Brauch etwas schwer, so auch zum Weihnachtsfest 1955. Nachdem Bundespräsident Theodor Heuss Ende November abgesagt hatte, bat der Programmdirektor von AFN kurzfristig Kanzler Adenauer um eine 30- bis 60-sekündige Audio-Botschaft, die dieser im Anschluss an eine Aufnahme für den Nordwestdeutschen Rundfunk hätte einspielen können. Die amerikanische Bitte war direkt, und der Termin praktisch-denkend vorbereitet, aber das Bundespresseamt sagte mit deutscher Grundsätzlichkeit ab:
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COL E. R. Ott, C/AFIED, USAREUR, an COL J. L. Chamberlain, C/TIED, DA, 5. Januar 1955, Box 7, Gen Corr TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP. Siehe hierzu auch Kapitel 5. H. H. Oehmke, Bonner Korrespondent von AFN, an Dr. Arens, Amerikareferat, Presseund Informationsamt der Bundesregierung, 4. November 1955, 6443, B 145, BA; Notiz von Dr. Sperl für D, 27. Januar 1956, ebd.; Paul Dinnessen, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, an die Autorin, 24. August 2001. Zur amerikanischen Rücksichtnahme auf deutsche Belange und die Auseinandersetzung deutscher Stellen mit AFN-Programmen siehe Kapitel 9 und 12.
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Mr. Downs wurde benachrichtigt, daß der Termin etwas zu kurz und BK [Bundeskanzler] überlastet sei. Außerdem müßten bei einer derartigen Sendung auch die Stationen der britischen, kanadischen Streitkräfte berücksichtigt werden, um eine Bevorzugung zu vermeiden. Die Bundesrepublik als NATO-Mitgliedstaat könne gerechterweise durch den BK nur alle Angehörigen von NATO-Streitkräften grüßen lassen.44
Es ist bezeichnend, dass sich die Bundesregierung als Neumitglied der NATO darüber Gedanken machte, bei keinem seiner Verbündeten negativ aufzufallen. Ihre Sorgen wegen ein paar netter Sätze zu amerikanischen Soldaten erscheinen daher typisch für ihr übervorsichtiges Agieren in dieser Zeit. Darüber hinaus spiegeln die deutschen Skrupel auch Mentalitätsunterschiede wider, die sich vier Jahre später bei der Vorbereitung einer einstündigen Dokumentation über Deutschland erneut offenbarten. Diese Sendung sollte amerikanischen Soldaten das politische System der Bundesrepublik näher bringen, und AFN bat dafür um kurze Statements aus verschiedenen deutschen Ministerien. Das stark komprimierende Konzept der Sendung stieß von deutscher Seite auf Kritik: „Das alles in dieser Zeit? Geht nicht!“45 Das Bundespresseamt bereitete daraufhin einen eigenen Entwurf für die AFNSendung vor, der sich auf vier dicht mit Schreibmaschine beschriebenen DIN A4-Seiten in aller Gründlichkeit des Themas annahm, den Rahmen des Programms aber eindeutig sprengte.46 Wie überaus zurückhaltend die Aktivitäten der Bundesregierung gegenüber AFN waren, zeigt ein vergleichender Blick nach Frankreich. Wie beschrieben, hatte sich die französische Regierung bei den Verhandlungen um AFN France eine Mitsprache für bestimmte Programme ausbedungen. Außerdem lieferte der staatliche Rundfunk RTF ab 1959 mehrere Sendereihen, die der Militärsender ausstrahlte. Im Gegensatz dazu versuchten offizielle Stellen der Bundesrepublik nicht, die Informationsund Serviceprogramme von AFN über Deutschland zu beeinflussen. Dies lässt sich durch abweichende medienpolitische Auffassungen und Regelungen in Frankreich und Deutschland erklären. Eine große Rolle spielte aber auch die unterschiedliche machtpolitische Stellung der beiden Länder. Anders als in Frankreich konnte es sich das US-Militär in der Bundesrepublik zum Beispiel ohne Nachteile für AFN leisten, die Frage der Musikverwertung auf die lange Bank zu schieben. Im Jahr 1951 wandten sich die Inhaber der deutschen Rechte an bestimmten Aufnahmen, die AFN spielte, erstmals an amerikanische Stellen und forderten dafür die Zahlung von Tantiemen. Aus 44
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Handschriftliche Notiz „Sp“, 22. Dezember 1955, auf Brief: H. L. Downs, Program Supervisor, HQ AFN, an Dr. Sperl, America Dept, Press & Info O, 16. Dezember 1955, 6443, B 145, BA [Unterstreichung im Original]. Vgl. Forschbach, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, an den Bundespräsidenten, 29. November 1955, ebd. Vgl. etwa Stars Over AFN, in: AFN Weekly Digest, 5. Dezember 1953; Ralph Jones, AFN’s Birthday July 4th; Stars Send Best Wishes, in: American Weekend, 2. Juli 1955. Vorgang 238/80-3 IV, 3. November 1959, 6443, B 145, BA. Ebd.
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demselben Grund nahm die GEMA, die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, im November 1951 Kontakt mit der amerikanischen Hohen Kommission auf.47 Diese lehnte die GEMAForderungen an AFN mit dem Hinweis auf die lückenhafte Gesetzeslage in Deutschland zwar zunächst ab. Ähnlich wie in Frankreich war das US-Außenministerium aber grundsätzlich bereit, einen Vertrag über die Musikrechtsfrage mit deutschen Stellen auszuhandeln. Wie in den Auseinandersetzungen um AFN France gesehen, berief sich das Militär in Bezug auf die Musikrechte auf seine vermeintliche Ausnahmestellung. Für Deutschland wünschte es sich, dass die Befreiung seiner Sender von Tantiemenzahlungen im Truppenvertrag mit der Bundesrepublik aufgenommen werde.48 Da die Ansprüche der GEMA gegenüber AFN und anderen amerikanischen Nutzern urheberrechtlich geschützter Musik in der Bundesrepublik jahrelang unerfüllt blieben, bat die Verwertungsgesellschaft 1956 erstmals das Auswärtige Amt um Hilfe. Dort stieß die GEMA auf Zurückhaltung, obwohl deutsche Bundesministerien deren Forderungen für berechtigt hielten. Weil das amerikanische Militär weiterhin jegliche Verhandlungen verweigerte, reichte die GEMA in Berlin und Frankfurt Klage gegen AFN ein. Die Verfahren waren nicht erfolgreich, erregten aber öffentliche Aufmerksamkeit und brachten der GEMA eher schlechte Publicity.49 Im Auswärtigen Amt lehnte 47
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Die GEMA ist ein wirtschaftlicher Verein, der die Urheberrechte seiner Mitglieder wahrnimmt. Sie vertritt zum Beispiel die Ansprüche von Komponisten und Musikern gegenüber Rundfunkanstalten. Für die nachfolgende Darstellung konnte nicht auf Akten aus Beständen der GEMA zurückgegriffen werden, da die Verwertungsgesellschaft diese nicht aufbewahrt hat. Claudia Nissen, Direktion Rundfunk und Neue Medien, GEMA, München, an die Autorin, 30. März 1999. CINCEUR sgd Handy, O C/I&E, an C/S USA for O C/Info 2. Juni 1951, Box 268, Class Dec File 1951, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; COL H. C. Fellows, C/I&E, EUCOM, an COL S. Y. McGiffert, C/TIED, O C/Info, DA, 20. August 1951, Box 423, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; COL O. McCormick, Dep C/TIED, an A C/S, G-3: Comments on German Agreement, 25. September 1951, Box 347, ebd.; P. S. Hannaman, C/Legal Service Div, HICOG, an GEMA, 20. Dezember 1951, Anlage zu: GEMA an AA, 17. April 1958, Best.-Nr. 452, B 86, PA AA. Siehe auch SHOW biz, in: AFN Weekly Digest, 30. Januar 1954; Amerikaner sollen zahlen, in: Spiegel, 26. September 1956; AFN Blasted on Royalties, in: Overseas Weekly, 30. September 1956. Vgl. Die urheberrechtlichen Beziehungen der Rundfunkunternehmen. Aufzeichnung Rumpf, Referat 507, 9. Oktober 1956, Best.-Nr. 966, B 86, PA AA; GEMA an Rechtsabteilung, AA, 14. März 1958, Best.-Nr. 452, ebd.; Rumpf, AA, an Hinrichs, Bundesministerium für Wirtschaft, 22. April 1958, ebd.; GEMA an Rechtsabteilung, AA, 4. Juli 1958, ebd.; GEMA an AA, 4. August 1958, ebd.; CPT C. J. Berreth, Asst AG, USAREUR, an GEMA, 20. August 1958, Anlage zu: GEMA an AA, 1. September 1958, ebd. Vgl. AFN zahlt nicht an die GEMA, in: Journalist, Juli 1958; Hazel Guild, AFN May Have to Pay for Music, in: American Weekend, 23. August 1958; AFN Faces Suit on Payment of Royalties to Foreigners, in: Overseas Weekly, 24. August 1958; Wili Kinnigkeit, Soldatensender AFN soll Prozente zahlen, in: Süddeutsche Zei-
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man das Vorgehen der GEMA ab und sah dadurch die deutsch-amerikanischen Beziehungen unnötig belastet. Allerdings störte die Diplomaten auch die Verweigerungshaltung des Militärs gegenüber Verhandlungen, und darin stimmten sie mit ihren Kollegen in der Bonner US-Botschaft überein.50 Dies half der Verwertungsgesellschaft aber nicht weiter, denn deutsche Stellen trauten sich kaum, die GEMA-Forderungen gegenüber ihren Verbündeten zu vertreten. Selbst als Vertreter des State Department im Juli 1959 um den Nachweis der Zahlungspflicht von AFN baten, um politisch gegen das eigene Militär aktiv werden zu können, wollten dies zunächst weder das Auswärtige Amt noch das Bundesjustizministerium verantworten.51 Von der Zaghaftigkeit der deutschen Behörden profitierte allein der Europäische Befehlsbereich, denn längst waren seine Argumente inhaltlich entkräftet worden. Der nicht-kommerzielle Zweck der Musiknutzung entband das Militär nicht vom Einholen von Aufführungsgenehmigungen oder dem Zahlen von Gebühren; dies hatten die US-Streitkräfte durch Verträge mit Verwertungsgesellschaften in Großbritannien, Island, Frankreich und Spanien bereits anerkannt. Die Zahlungen des Militärs in diesen Ländern beschränkten sich auf überschaubare Summen und auch die deutschen Forderungen bedrohten die Existenz von AFN nicht. Bis Mai 1963 sollte es den US-Streitkräften in Europa aber noch gelingen, eine Einigung mit der GEMA herauszuzögern. Von da an zahlte der Europäische Befehlsbereich jährlich 31.250 Dollar für die Rechte an musikalischen Aufführungen in jeglicher Form. Dies umfasste AFN ebenso wie das Fernsehen der Luftwaffe, US-Clubs und Kinos oder Militärkapellen und Chöre. Eine einmalige Zahlung von 75.000 Dollar vergalt alle GEMA-Ansprüche bis zum Jahr 1962. Der Rechtsvertreter der US-Streitkräfte in Europa triumphierte, denn dies war eine geringe Summe im Vergleich zu dem, was das Militär hätte zahlen müssen, wenn es den GEMAForderungen Anfang der fünfziger Jahre nachgegeben hätte.52
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tung, 26. August 1958; Hazel Guild, AFN Is Sued For $60,000, in: American Weekend, 13. Dezember 1958; Germans Halt Royalty Suit Against AFN, in: Overseas Weekly, 5. Februar 1961; GEMA to Press Royalty Payment Fight With AFN, in: Billboard, 18. Dezember 1961. Rumpf, AA, an BMJ, 507 SE 756, 3. Oktober 1958, Best.-Nr. 452, B 86, PA AA. Vgl. Vermerk Rumpf, 507 SE 756, 3. Oktober 1958, ebd. Erst im März 1960 bekam die US-Botschaft schließlich die Stellungnahme des BMJ als Verbalnote. [Legationsrat P. W.] Enders, Vermerk, 507-SE 756, AA, 23. Juli 1957, Best.Nr. 452, B 86, PA AA; Enders, AA, an BMJ, 12. August 1959, ebd.; Geßler, BMJ, an Enders, AA, 29. August 1959, ebd.; Enders, AA, an H. F. Waldstein, US-Botschaft, 24. Februar 1960, ebd.; Waldstein an Enders, 7. März 1960, ebd.; [Verbalnote], 24. März 1960, ebd. Kleine [Rechtsanwalt der GEMA] an R. von Forster, AA, 8. September 1961, Best.Nr. 452, B 86, PA AA; Haupt, Bundesministerium der Finanzen, an Hecker, AA, 5. Juli 1963, ebd. Siehe auch AFN erkennt Gema-Ansprüche grundsätzlich an, in: Automatenmarkt, April 1962 (Kopie aus dem AFN Historical File); TH, GEMA contra AFN, in:
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AFN kam die Einigung nach der langjährigen Rechtsunsicherheit sehr gelegen. Aus eigener Initiative hatte die Senderkette nämlich in den vorangegangenen Jahren bestimmte, in Deutschland rechtlich umstrittene Musik nicht eingesetzt und konnte sie nun wieder spielen.53 Anders als das ignorante Verhalten der US-Streitkräfte vermuten ließ, hatte der Militärrundfunk in all den Jahren den Bereich Musikrechte zu respektieren versucht. Dies betraf Anfragen von Hörerinnen und Hörern54 ebenso wie Bitten von anderen Rundfunksendern. Die Musikabteilung des NWDR hatte im Jahr 1954 etwa gehofft, dass sie von AFN Aufnahmen bestimmter amerikanischer Unterhaltungsmusiker bekommen könnte, die deutschen Sendern nur beschränkt zugänglich waren. Da die fraglichen AFRS-Schallplatten ausschließlich vom US-Militärrundfunk benutzt werden durften, musste AFN diese Bitte abschlagen. Auch Ideen für eine deutsch-amerikanische Kooperation hatte der Chef von AFN aus musikrechtlichen Gründen abgelehnt.55 Im Zenit? – Die Senderkette mit 20 Im Jahr 1963 konnte sich AFN aber nicht nur wegen der Beilegung des Musikrechtestreits freuen, sondern auch über ein rundes Jubiläum. Am 4. Juli feierte der Militärsender sein 20-jähriges Bestehen und zog eine positive Bilanz über sein bisheriges Schaffen. Stolz verwies AFN auf seine insgesamt 63 Stationen, die ihn zur größten Senderkette des US-Militärrundfunks machten und mit denen er sein Zielpublikum in Deutschland und Frankreich mit Hörfunk versorgen konnte. Die Verantwortlichen von AFN gingen davon aus, dass sie den fehlenden Nachschub von bestimmten Radiobeiträgen aus den USA ausgleichen und das amerikanische Publikum zufriedenstellen konnten. Bis heute gilt diese Periode bei etlichen Beteiligten und auch späteren Beobachtern als Blü-
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Abendzeitung, 15. Mai 1963; U. S. Stuck With the Bill, in: Overseas Weekly, 26. Mai 1963; $75,000 Settles German Musicians’ Claim, in: Stars and Stripes, 30. Mai 1963. Art Watt/Tom Dorsey, Officials Clash On France AFN, in: American Weekend, 29. Oktober 1955; U. S., France Agree On AFN, ebd., 12. November 1955. Siehe hierzu auch Kapitel 8. Etliche Zeitungsartikel im AFN Historical File sind auf die Rückseiten von nicht abgeschickten Briefen aufgeklebt. In der Sammlung des Jahres 1953 häufen sich standardisierte Antworten an Hörerinnen und Hörer, die sich nach einem bestimmten Musiktitel erkundigt hatten. Darin bedauern die AFN-Mitarbeiter stets, Plattenfirmen und Liedtexte aus Copyright-Gründen nicht nennen zu können. NWDR-Außenreferat an AFN, 23. August 1954, Nr. 1252, 621-1 NDR, Staatsarchiv Hamburg; AFN an NWDR Hamburg, betr. Außenreferat, 25. August 1954, ebd.; Henri Regnier, Musikabteilung, NWDR, an Walter D. Schultz, Außenreferat, NWDR, 2. September 1954, ebd.; Schultz an MAJ J. Grant, XO/AFN, 6. September 1954, ebd.; LTC H. G. Price, CO/AFN, an Schultz, 27. Oktober 1954, ebd.; Schultz an Price, 3. Februar 1955, ebd.; Price an Schultz, 15. Februar 1955, ebd.
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tezeit von AFN. Wie bereits in Kapitel 5 erläutert, erscheint dies in Anbetracht der Rundfunkentwicklung in den Vereinigten Staaten (Stichworte Fernsehen und Formatradio) nicht unbedingt plausibel. Die These vom Golden Age von AFN Anfang der sechziger Jahre passt aber gewissermaßen zum damaligen Zeitgeist. Denn seinerzeit wurden bestimmte Versäumnisse oder Probleme zwar angesprochen, aber noch nicht grundsätzlich thematisiert. Zudem genossen etliche Amerikaner noch den Glanz und die Aufbruchstimmung der Präsidentschaft von John F. Kennedy. Und so herrschte bei vielen die Zuversicht vor, dass grundlegende Konflikte rasch und im gesellschaftlichen Konsens überwunden werden könnten.56 Ein wichtiger Faktor für die Situation von AFN im Jahr 1963 war sein damaliger Chef, Robert Cranston, denn ihm gelang es, viele der unterschwellig schwelenden Probleme nicht manifest werden zu lassen. Er hatte verstanden, wie das militärische System funktioniert, und dies mit Kenntnissen aus dem zivilen und militärischen Rundfunk verbinden können. Auch er verlangte von seinen Mitarbeitern, dass sie ihre Hörfunkaufgaben gut erfüllten und die äußere Form des Militärs anerkannten.57 Dabei bewies er aber wohl Augenmaß, denn etliche Untergebene lobten seinen Führungsstil. Dies scheint auch daran gelegen zu haben, dass er kleinere Eskapaden seiner Soldaten deckte und ihnen damit Freiheiten verschaffte. Sein Vorgehen hatte für alle Beteiligten Vorteile, denn es hielt die Anzahl der disziplinarischen Vergehen der Militäreinheit niedrig und ließ AFN im System der Streitkräfte gut dastehen.58 Auch in diesen Jahren galt, dass es beim Militärrundfunk möglicherweise weniger „zackig“ zuging als bei anderen US-Einheiten, dies aber auch eher sei56
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R. Cranston in einer öffentlichen Diskussion, AFN Reunion, Atlanta, 25. September 1999. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 105–109; Provan, The AFN Story, 47 f. Vgl. Kapitel 5, 8 und 10. Zur Stimmung in den USA Anfang der sechziger Jahre siehe einleitend etwa Patterson, Grand Expectations, 458–485. Anders als einige nostalgisch verklärte Erinnerungen es vermuten lassen, ahndete auch Cranston offensichtliche Dienstvergehen. So bestrafte er etwa einen verspäteten Discjockey ebenso wie einen Ansager, der einen respektlosen Witz über Offiziere gemacht hatte. AFN Staff On the Scene For Cool Outpost Concert, in: Overseas Weekly, 12. Juni 1960; AFN Capt Relieved; GI Charges „No Cause“, ebd., 19. Juni 1960. Siehe auch afn. Roots of Military Broadcasting, MS, o. D. [Anfang der 1980er], 20, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Provan, The AFN Story, 43, 247. Siehe hierzu auch Kapitel 8. Cranston und andere Kommandeure unterstützten dies zum Beispiel mit einer Abmachung mit dem Vorsteher des deutschen Polizeireviers in Höchst. Die Polizisten schalteten daraufhin bei kleineren Zwischenfällen mit Soldaten von AFN nicht die amerikanische Militärpolizei ein (wie es Vorschrift gewesen wäre), sondern lieferten die Rundfunkmitarbeiter direkt beim Sender ab. Siehe etwa Jakob Hüftlein (…), in: Frankfurter Rundschau, 13. März 1961; LTC V. Bloecker, Jr., OIC/AFN, an Hauptkommissar J. Hüftlein, 30. Juni 1966, Newspaper Clippings, 228-08 Organization Historical Files, AFN Historical File. Vgl. Suid-Interview Cranston, 72 f., Box 3, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Christman, Brass Button Broadcasters, 107 f.
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ner Aufgabe für die Streitkräfte entsprach: journalistische Informationen und Unterhaltung für Soldaten. Das Vorgehen von Cranston diente also der Sache und sollte nicht als Hinweis darauf verstanden werden, dass AFN etwas anderes war als eine ihren Zweck erfüllende Militäreinheit. Cranston war sich auch der Bedeutung von intensiver Öffentlichkeitsarbeit bewusst. Hatte AFN bis dahin Anfragen von Journalisten bereits äußerst zuvorkommend behandelt, lud der Sender nun von sich aus amerikanische und europäische Journalisten in seine Zentrale nach Höchst ein. Cranston intensivierte außerdem den Trend, diverse Jubiläen öffentlich zu feiern. Dies waren auch nicht mehr nur die „Geburtstage“ der Radiostationen, sondern zum Beispiel auch Jubiläen von einzelnen Sendungen. Die Bemühungen um gute PR mussten sich auch auf die Streitkräfte beziehen, und so pflegte Cranston systematisch den Kontakt zu wichtigen Verantwortlichen im US-Militär. Dafür lud er zum Beispiel hohe Offiziere – vom Chef des Nachschubdepots bis zum Oberbefehlshaber des Europäischen Befehlsbereichs – in den Sender ein und machte sie zu „Ehrenansagern“ von AFN. Die dadurch erlangte persönliche Unterstützung von hohen Offizieren konnte der Senderchef später auf vielfache Weise nutzen. Im Rundfunkbereich wehrte er damit zum Beispiel versuchte Einflussnahmen auf das Informationsprogramm des Militärrundfunks ab. Ein Komitee des US-Kongresses lobte AFN 1962 ausdrücklich dafür, sich erfolgreich gegen unlautere Sendewünsche eines hohen Kommandeurs in Europa durchgesetzt zu haben.59 Kulminationspunkt der „Ära Cranston“ waren die umfangreichen Aktivitäten zum zwanzigsten Jubiläum von AFN. Für die meisten amerikanischen Hörerinnen und Hörer war wohl die Europa-Tournee von Don McNeill und seinem „Breakfast Club“ das wichtigste Ereignis dieses AFN-Geburtstags. Mit seiner Radiosendung hatte McNeill 1933 das Format der morgendlichen Varietéshow im amerikanischen Hörfunk begründet und mit Volkstümlichkeit und unverfänglichem Humor nach und nach eine große Anhängerschaft gewinnen können. Der „Breakfast Club“ lief seit Bestehen des Militärsenders auf AFN, und in vielerlei Hinsicht gab es 1963, als der Toastmaster McNeill beim Jubiläumsprogramm „Guten Morgen, Frankfurt“ sagte, einige Parallelen zwischen Sender und Sendung. McNeill war einer der wenigen übriggebliebenen Radio-Stars alter Schule, die den Sprung ins Fernsehen noch nicht 59
Siehe etwa Honorary Announcer. Gen Clarke Praises AFN Programming, in: NACom Chronicle, 13. Januar 1961; AFN Confers Honor On Kaiserslautern CO, in: Stars and Stripes, 20. Januar 1961; C. W. P., Einst Mainzer Bischofschloß – heute Funkhaus, in: Rhein-Neckar-Zeitung, 2. März 1961; mer, Nachrichten aus dem AFN-„Aquarium“, in: General-Anzeiger, 3. März 1961; A. M., Das Neueste – aus dem Alten Schloß, in: Rheinpfalz/Ludwigshafener Tageblatt, 8. März 1961; Congress Spotlights AFN Problems, Impact, in: Overseas Weekly, 22. April 1962. Siehe auch U. S. Congress. House, Overseas Military Information Programs, 6. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 107; Öffentliche Diskussion auf AFN Reunion, Atlanta, 25. September 1999.
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versucht hatten. Sein Programm unterstützte traditionelle amerikanische Werte, und McNeill wollte mit harmlosen, teils ältlichen Witzen Optimismus und gute Laune verbreiten. Verständlicherweise kam diese Personifikation des eher konservativen Kleinbürgertums Anfang der sechziger Jahre längst nicht bei allen AFN-Hörern an; der 30-jährige Erfolg einer „Radio-Legende“ nötigte aber auch Kritikern Respekt ab.60 Zum Jubiläum gingen bei AFN zuhauf Glückwünsche ein. Die wichtigsten militärischen Verantwortlichen in Europa und Washington gratulierten dem Sender und seinen Mitarbeitern und hoben die wichtige Rolle von AFN innerhalb der amerikanischen Streitkräfte hervor. Wie General Paul L. Freeman, Oberkommandierender des US-Heeres in Europa, lobten sie AFN dafür, seine Zuhörerschaft zu den bestinformierten und „anständig“ unterhaltenen Soldaten in der Geschichte zu machen. Einige Militärs dankten dem Sender ausdrücklich für seine unzensierte und propagandafreie Berichterstattung und erwähnten so indirekt bekannte und dauerhaft aktuelle Problemfelder des Militärrundfunks.61 US-Präsident John F. Kennedy dachte politischer als die meisten seiner Generäle. Wie schon sein Amtsvorgänger (und wohl auch unter dem Eindruck seiner kurz zuvor unternommenen Europareise) stellte Kennedy die nichtoffizielle Funktion von AFN in das Zentrum seiner Glückwunschbotschaft: Durch seine Berichterstattung habe der Militärsender Millionen von europäischen Hörerinnen und Hörern den American Way of Life nahegebracht und so die Einigkeit der freien Welt gestärkt.62 Die Popularität von AFN bei vielen Europäern faszinierte tatsächlich die meisten „zivilen“ Beobachter des Militärrundfunks. Seit etwa der Mitte der fünfziger Jahre hatte die Öffentlichkeitsabteilung von AFN die Zahl von 50 Millionen Gasthörern verbreitet und viele amerikanische und deutsche Zeitungen griffen diese faktisch nicht untermauerte Schätzung enthusiastisch auf.63 60
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Don McNeill Show to Tour Europe, in: Stars and Stripes, 24. Juni 1963; Celebrated American Radio Troupe To Help AFN Mark 20th Birthday, in: Chronicle, 28. Juni 1963; Breakfast Club Plays Frankfurt, ebd., 5. Juli 1963; Trip Excites Breakfast Clubber, in: Overseas Family, 5. Juli 1963; Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 38: „Guten Morgen, Frankfurt“. Siehe auch The American Forces Network, Europe: Twentieth Anniversary Program 4th of July 1963, AFN Historical File. Vgl. Dunning, On the Air, 114–117. GEN P. L. Freeman, CinC/USAREUR, an LTC R. Cranston, CO/AFN, 17. Juni 1963, AFN Historical File: „keeping our forces in Europe among the best informed and most wholesomely entertained military in history“; GEN T. H. Landon, CinC/USAFE, an CO/ AFN, 28. Juni 1963, ebd.; GEN L. L. Lemnitzer, CinC/USEUCOM, o. D., ebd. Vgl. Gen Freeman Salutes AFN on Birthday, in: Stars and Stripes, 1. Juli 1963. J. F. Kennedy an AFN, o. D., AFN Historical File. Siehe auch: L. H., Tusch für den Soldatensender, in: Frankfurter Rundschau, 28. Juni 1963. Vgl. President Eisenhower greets AFN, o. D. [1958], in: This Is … AFN (AFN-Eigenpublikation). Siehe etwa Herb Altschull (AP), Everybody Complains About AFN But Never About Same Program, in: Bangor Daily News, 25. Dezember 1956; William A. Rowland, Germans and AFN, in: The Bridge, November 1958; 50 Millionen Menschen hören AFN,
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Deutsche Zeitungen berichteten durchweg positiv über AFN und sein Jubiläum. Hatten frühere Zeitungsartikel noch auf die Jugendlichkeit der meisten europäischen AFN-Fans oder die Beschränkungen seines, am Massengeschmack orientierten Programms hingewiesen, fehlte solchen Andeutungen im Jahr 1963 die negative Spitze. Die Programmzeitschrift Hören und Sehen lobte etwa das reichhaltige musikalische Repertoire von AFN, und selbst die Bild-Zeitung konstatierte ironiefrei: „Es gibt deutsche Zuhörer, die sagen: ‚Der beste deutsche Sender? Das ist doch AFN!‘“64 Der amerikanische „Soldatensender“ war mittlerweile zum Experten und Vorbild in Sachen Unterhaltungsmusik geworden, und so war aus deutscher Sicht eine große AFN-Veranstaltung in der Jahrhunderthalle in Höchst der wichtigste Teil der Jubiläumsfeierlichkeiten. Unumstrittener Star des Festes war Caterina Valente. Mit ihr traten weitere, in den USA oder Deutschland bekannte Musiker auf, die sich dem Militärsender verbunden fühlten. AFN produzierte das Showprogramm zusammen mit dem Hessischen und Süddeutschen Rundfunk als Radiosendung, die später auf etlichen deutschen und europäischen Programmen lief.65 Mit seinem zwanzigsten Geburtstag hatte AFN den Zenit seiner Ausbreitung und Popularität erreicht. Dies sollte sich spätestens 1968, beim „Silbernen Jubiläum“ des Militärsenders zeigen. Auch dieses Fest feierte AFN mit einer großen Veranstaltung in der Höchster Jahrhunderthalle und noch immer brachte ihm seine amerikanische und europäische Hörerschaft vor allem Wohlwollen entgegen. Die Klagen über den Militärrundfunk nahmen aber vor allem bei seiner US-Hörerschaft zu. Noch immer gab es für die GIs kein Fernsehen und ein Radioprogramm nach altem Zuschnitt. „AFN is tired“ schrieb zum Beispiel ein Berufssoldat, der als Hörer über zehn Jahre Stillstand bei der
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in: Neue Presse, 22. August 1959; P. M. L., Fünfzig Millionen hören mit, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. Juli 1963; Peter Miska, Über den Äther Millionen Freunde gewonnen, in: Frankfurter Rundschau, 3. Juli 1963; Soldier Network (AFN) Marks 20th Anni; Now Has 50,000,000 Listeners, in: Variety, 24. Juli 1963. Gottfried Schemm, Soldatensender AFN feiert Geburtstag. Millionen hören ihn seit 20 Jahren, in: Bild (Hamburger Ausgabe), 5. Juli 1963 (Zitat). Siehe auch Programmnotiz: 20 Jahre AFN, in: Hören und Sehen, 30. Juni – 6. Juli 1963; Caterina sang zum Geburtstag, in: Bild und Funk, 21.–27. Juli 1963. zw, Geburtstagskind AFN, in: Abendpost, 4. Juli 1963; Große AFN-Geburtstagsfeier in der Jahrhunderthalle, in: Höchster Kreisblatt, 5. Juli 1963; ech, Die AFN-Geburtstagstorte blieb Sieger, in: Frankfurter Rundschau, 5. Juli 1963; pml, AFN feiert Geburtstag, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Juli 1963; rt, Festabend in der Jahrhunderthalle, in: Neue Presse (Höchster Anzeiger), 20. Juni 1963; AFN besteht 20 Jahre, in: Automatenmarkt, 15. August 1963. Siehe auch Großer Tanzabend, Programmnotiz für SDR (MW), o. D., in: Gong, 28. Juli – 3. August 1963; Hessischer Rundfunk, 28. Programmwoche 1963, Programmerläuterungen: 20 Jahre AFN, in: HR Program Schedule, Juni 1963, AFN Historical File.
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Programmentwicklung erlebt hatte.66 Beim Militärrundfunk hatten bis 1968 mehrere Sparwellen Personal und Ausstattung empfindlich dezimiert, und diese ließen weniger Eigenproduktionen zu als für das veraltete Radioformat nötig gewesen wäre. Mitarbeiter von AFN hatten zudem einige Fälle militärischer Gängelung öffentlich gemacht, und so war der Sender (wie auch andere Teile des US-Militärrundfunks) in mehrere Skandale zum Thema Zensur verwickelt.67 Neben diesen spezifischen Problemen von AFN wirkten sich Ende der sechziger Jahre auch militärische und gesellschaftliche Konflikte auf die Senderkette aus. In den US-Streitkräften in Europa gab es zum Beispiel ebenso Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen sozialen Gruppen und antiautoritäre Tendenzen wie in der übrigen amerikanischen Bevölkerung in dieser Zeit. Der Vietnamkrieg war nicht nur bei vielen Wehrpflichtigen umstritten, er schwächte den Europäischen Befehlsbereich auch deshalb, weil immer wieder erfahrene Leute nach Südostasien abkommandiert wurden. Zudem ließ der Verfall des Dollars immer weitere Einsparungen notwendig werden. Die meisten militärischen Anlagen in Europa waren ohnehin in einem schlechten Zustand, denn der Europäische Befehlsbereich hatte jahrelang zu wenig in seine Infrastruktur investiert. All dies hatte auch Auswirkungen auf das Verhältnis der amerikanischen Streitkräfte zur deutschen Bevölkerung. Die finanziellen Probleme vieler US-Soldaten, disziplinarische Verfehlungen in der Öffentlichkeit und Zweifel am Sinn des Vietnamkriegs ließen die Popularität der amerikanischen Truppen in Deutschland sinken. So weit der knappe Ausblick auf die weitere Entwicklung der US-Streitkräfte in Europa, die auch ihre Auswirkungen auf die Militäreinheit und den Radiosender AFN haben sollte. Im Jahr 1963, also gegen Ende des Untersuchungszeitraums dieser Arbeit, deuteten sich diese Probleme erst aus der Ferne an.68
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SSgt Bernard Rosen, Hanau, AFN Is Tired (Letters to the Editor), in: Overseas Weekly, 10. August 1969. Siehe auch Mrs. Elliott Phillips, Schwetzingen, More Drama (Letters to the Editor), in: Stars and Stripes, 8. September 1969. ech, Wird AFN ein Propagandainstrument?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. Mai 1968; AFN 25th Anni July 4 Also Its Swan Song?, in: Variety, o. D. [3. Juli 1968]; ul, AFN-Geburtstag mit vielen prominenten Gästen, in: Frankfurter Rundschau, 3. Juli 1968; John Krueger, AFN Will Be 25, in: Stars and Stripes, 4. Juli 1968; Peter Bischoff, Bange Frage zum Jubiläum: Muß AFN bald verstummen? Amerikaner wollen sparen!, in: Hamburger Morgenpost, 4. Juli 1968; muck, „Twen“ in seinen besten Jahren, in: Frankfurter Rundschau, 5. Juli 1968; Siegfried Schneider, AFN auf dem Rückzug, in: Hörzu, 6. Juli 1968; Golf Dornseif, Von der Hand in den Mund. Soldatensender „AFNEurope“ zwischen Automation und Stagnation, in: Christ und Welt, 26. September 1969. Vgl. etwa Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 39–43; Christman, Brass Button Broadcasters, 139–144. Zum Thema Zensur siehe auch Kapitel 9. Leuerer, Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 114 f., 184 f.; Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 83 f., 87–130. Siehe auch Vazansky, An Army in Crisis (unveröff.).
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Im Verlauf der fünfziger Jahre hatten die Mitarbeiter von AFN die deutsche Besatzungsmüdigkeit erlebt und nach und nach mitgeholfen, die Beziehungen der ungleichen Verbündeten neu zu gestalten. Der allmähliche Wechsel zeigte sich eher undramatisch im Alltag des Senders und seines Personals, konnte aber in Einzelfällen emotional werden, wie etwa bei der Diskussion um den Hauptsitz von AFN im Höchster Schloss. Stets entschieden die Aktivitäten und die Einstellung einzelner Akteure und Gruppen über das deutschamerikanische Verhältnis. Doch selbst die relative Nähe im Frankfurter Stadtteil Höchst sorgte nur selten dafür, dass Freundschaften entstanden: Insgesamt herrschte eher ein zweckmäßiger Umgang miteinander vor. Ein Vergleich mit der langwierigen Entstehung einer AFN-Senderkette in Frankreich verdeutlicht, dass die amerikanische Rücksichtnahme auf die Interessen der jungen Bundesrepublik sich von den weitreichenden Konzessionen gegenüber finanziellen und programmpolitischen Interessen Frankreichs unterschied. Dass die Bundesrepublik den Vereinigten Staaten nicht ebenbürtig war, manifestierte sich auch im Streit um die Bezahlung der Musikrechte durch die USStreitkräfte. Letztlich ermöglichte erst die staatliche Zurückhaltung auf deutscher Seite die jahrelange Verweigerungshaltung des amerikanischen Militärs gegenüber den berechtigten Forderungen der GEMA und kann zumindest teilweise das glücklose Verhalten der Verwertungsgesellschaft erklären. Anfang der sechziger Jahre befand sich AFN zumindest oberflächlich in einem guten Zustand. Bestimmte Probleme wie das Fehlen von Fernsehen oder die unzureichende Qualifikation des Rundfunkpersonals sollten AFN später Schwierigkeiten bereiten, doch 1963 dominierten sie die Erscheinung des Militärrundfunks noch nicht. Dies verdankte der Sender vor allem den vielfältigen Aktivitäten von AFN-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, die durch ihren persönlichen Einsatz und geschickte Öffentlichkeitsarbeit strukturelle Schwächen ausgleichen konnten.
DAS PROGRAMM 7. DEN STANDARD ERSTKLASSIGER US-SENDER ERREICHEN. DIE PROGRAMMSTRUKTUR VON AFN Good radio is built around good ideas, presented with hard work and enthusiasm. AFN, in most of its shows, reached the stern standards demanded by top-flight commercial radio and TV. Jahresrückblick von AFN-Programmchef Hunt Downs, Januar 1954.1
Das Programmarchiv von AFN in Frankfurt war ein bemerkenswerter Ort. In langen Reihen von Regalen und offenen Kisten lagerten Tausende von Schallplatten in Schutzhüllen aus hellbraunem Packpapier. Die meisten Platten waren aus Vinyl und hatten einen Durchmesser von vierzig Zentimetern. Sie kamen vom Armed Forces Radio Service, der übergeordneten Organisation des Militärrundfunks in den USA. Er lieferte wöchentlich Hunderte von neuen Schallplatten, auf denen Musikstücke, Programmbausteine und ganze Rundfunksendungen gepresst waren. Die Platten waren in Genres unterteilt und wurden nur in der Reihenfolge ihres Erscheinens nummeriert. Der Buchstabe P beispielsweise stand für Popular Music und dort folgte etwa auf die Schallplatte mit den Seiten P 713 mit dem Louis Armstrong Orchester und P 714 mit Johnny Desmond und dem Page Cavanaugh Trio die P 715/716 mit „Popular Novelty Favorites“ sowie Hazel Scott. Die AFN-Archivare entwickelten ein Verzeichnis mit Querverweisen, um in der Masse des Materials nach einem einzelnen Stück oder einem bestimmten Interpreten suchen zu können. Für einen US-Star wie Bing Crosby benötigten sie 23 Karteikarten, die europäische Sängerin Caterina Valente brachte es immerhin auf vier Karteikarten. Hier waren AFRS-Platten mit Einzeltiteln und Auftritte in US-Radioshows verzeichnet. Nicht selten kamen eigene Aufnahmen von AFN hinzu. Diese wurden auf Kunststoffplatten mit Metall- oder Glaskern festgehalten und waren mit LR für Local Recording gekennzeichnet.2 Nach einigen Jahren war so eine umfangreiche Sammlung von Einzeltiteln und Programmen entstanden, die europäische Musikliebhaber ebenso be1 2
Hunt Downs, So You Want to Be a PD?, in: AFN Weekly Digest, 2. Januar 1954. AFRS Progress Report 1942–1945, 32–35, Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Breitkopf, 3–6, Box 1, Transcripts, ebd.; Suid-Interview Vrotsos, 21 f., 25, Box 9, ebd. Siehe auch Jean […]ght O’Malley, American Forces Network Serving GIs in Germany, in: Gateway, 1. Juni 1951; Don Kimball, A Complete Disc Library, in: Sentinel, 22. August 1953. Vgl. Provan, The AFN Story, 317; Sterling/ Kittross, Stay Tuned, 164, 616 f.
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Das Programm
eindruckte wie Mitarbeiter der amerikanischen Rundfunkindustrie. Sie staunten über die Anzahl und Vielfalt der Musikstücke im AFN-Archiv und über die Auswahl der Radioprogramme von allen großen US-Sendern. Mit immer neuen Schätzungen und Zahlenspielen versuchten AFN-Mitarbeiter und außenstehende Journalisten den Umfang des Programmarchivs zu erfassen. Zum zehnten Geburtstag von AFN war zum Beispiel von 50.000 Schallplatten die Rede, wenig später von mehr als 100.000 Platten mit über einer Million Musikstücken. Gerne wurde auch ausgerechnet, wie lange die Station damit am Stück senden könnte, ohne sich zu wiederholen. Schon ab 1953 sprach AFN von Material für fünf Jahre ununterbrochener Sendezeit. Ein Plakat im Programmarchiv von AFN Frankfurt ermahnte ab etwa 1960 die Nutzerinnen und Nutzer zum sorgfältigen Umgang mit den Schallplatten: This is the largest radio library in the world. It contains 200.000 shows and over 1.000.000 musical selections. AFN Europe could program for five years without repeating. Your library is beyond price. Use it accordingly!3
Die anderen Stationen der AFN-Senderkette bekamen ebenfalls die wöchentlichen Plattenlieferungen von AFRS und konnten ähnliche, wenn auch nicht ganz so umfangreiche Programmarchive anlegen.4 So beeindruckend die Archive der einzelnen AFN-Stationen auch gewesen sein mochten, letztlich waren die verschiedenen Aufnahmen nur das Rohmaterial für die Programmgestaltung. Und dazu gehörte mehr als die Auswahl bestimmter Beiträge und das Abspielen von Platten. Ziel der Verantwortlichen war es, dass sich AFN für seine amerikanische Hörerschaft so „normal“ wie möglich anhörte. Auf die Frage, was sich die Soldaten anderes wünschten als das Radiopublikum in den USA, antwortete der damalige Senderchef John Hayes im Juni 1945 lapidar: „Not a darned thing“.5 Trotz der strukturellen Unterschiede zwischen kommerziellem und militärischem Rundfunk sollte ihnen der Sound des Senders grundsätzlich vertraut sein. Auch die Qualität der Programme durfte sich möglichst nicht unterscheiden. Halb zufrieden, 3 4
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Das zitierte Plakat ist auf zahlreichen Fotos abgebildet, etwa in: AFN. 20 Years of Service (AFN-Eigenpublikation); Christman, „This Is AFN …“ (1993), 56. Discophologists Enthuse Over AFN Collection, in: […] Times, 9. Januar 1953 (Kopie aus AFN Historical File); jmb, Ein Tango für Annemarie, in: Frankfurter Rundschau, 3. Juli 1953; Listeners Will Meet AFN Music Librarian, in: Chronicle, 27. November 1953; Don Kimball, AFRS On The Air, in: Sentinel, 14. August 1953; HY, Das wächserne Herz von AFN kann vier Jahre lang schlagen, in: Abendpost, 15. April 1955; Omer Anderson, 50 Mil Europeans Can’t Be Wrong, in: Billboard, 11. Juli 1960. Siehe auch Report to AFN by American Network Representatives 1956, 10, AFN Historical File. The Answer, in: New York Times, 1. Juli 1945.
Programmstruktur
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halb anspornend stellte der AFN-Programmdirektor Anfang 1954 fest, dass die meisten Eigenproduktionen des Militärsenders auch vor Publikum in den USA bestehen könnten.6 Das Klangbild eines Senders bei seiner Hörerschaft setzt sich aus all seinen akustischen Elementen zusammen. AFN charakterisierte etwa die häufig wiederholte Senderkennung „This is AFN – the American Forces Network“, die militärischen Ränge der Ansager oder die amerikanische Nationalhymne am Anfang und am Ende jedes Sendetags. Im folgenden Kapitel sollen einige prägende Merkmale des US-Militärrundfunks in Europa vorgestellt werden. Es geht beispielsweise um grundsätzliche Entscheidungen wie die Funktionsweise der Senderkette als Network mit lokalen und überregionalen Programmen oder die Präferenz von Live-Aufnahmen und eines lebhaften Präsentationsstils. Erklärt werden wird auch das Prinzip des „Kästchenradios“, mit dem AFN die verschiedenen Wünsche seiner Hörerschaft erfüllen wollte.7 Hatte AFN 1943 als Senderkette mit Zentrale in London begonnen, funktionierte er in der Nachkriegszeit als Network nach Vorbild des amerikanischen Rundfunks. Dies setzte ein einheitliches Programmschema voraus, in dem neben zentral produzierten Sendungen auch Platz für lokale Beiträge war. Dafür gab es feste Zeitfenster, die die Stationen mit Eigenproduktionen in einem bestimmten Format füllen durften. Das waren vor allem Programme mit regionalen Informationen und lokal gestaltete Musiksendungen zu den Haupteinschaltzeiten in den Morgen-, Mittag- und Abendstunden. Der AFNSender in München beispielsweise bot seinen Hörerinnen und Hörern in den vierziger Jahren schon morgens den 25 Minuten dauernden „Munich Morning Report“. Im Laufe des Tages folgten weitere Berichte über Ereignisse und Veranstaltungen im örtlichen Befehlsbereich, regionale Servicemeldungen und Wettervorhersagen. Münchner Mitarbeiter gestalteten zudem Musiksendungen wie „Luncheon in Munchen“, „Bouncin’ in Bavaria“ und „Midnight in Munich“, in der sie zum Teil Wünsche des AFN-Publikums erfüllten.8 Die Art und Anzahl der lokalen Sendungen veränderten sich im Laufe der Jahre durch Umstellungen im Gesamtprogramm. Auch nutzten nicht immer alle AFN-Stationen die gesamte local option time, da es ihnen an Personal fehlte, um die nötigen Sendungen herzustellen. Wichtig waren vor allem die 6
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Hunt Downs, So You Want to Be a PD?, in: AFN Weekly Digest, 2. Januar 1954. Siehe auch „It’s All Yours“, in: Weekend, 13. April 1947; Walter Sheppard, AFN at Work, in: Saturday Review, 13. Oktober 1956; Thurston Macauley, AFN Marks 14 Years of Service to Listeners, in: Stars and Stripes, 3. Juli 1957; AFN Operates Like A Major Network, in: Radio and TV Review, 12. Dezember 1958. Vgl. Gushurst, Popmusik im Radio, 45, 69. Anniversary, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 10 (Juni 1946); Anniversary, ebd. Jg. 1, Nr. 12 (Juni 1946); Carl Nützel, Dreihunderttausend Melodien: der Soldatensender AFN besitzt größtes Schallplattenarchiv, in: Neue Zeitung, 14. Mai 1949. Vgl. etwa Head/Sterling, Broadcasting in America, 82 ff., 198–205.
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Das Programm
bis zu 90-minütigen Musikprogramme, die jeweils morgens, mittags und spätabends liefen. Vorgesehen waren zwei weitere längere Lokalsendungen, die jeweils am Vor- und Nachmittag Musik und örtliche Informationen mischten. Mitte der fünfziger Jahre durften optional über den Tag verteilt noch fünf jeweils fünf-minütige Beiträge über regionalen Sport oder Ähnliches hinzukommen. Obwohl die Art der lokalen Programme vorgegeben war, konnten ihnen Produzenten und Sprecher vor Ort oftmals einen eigenen Stempel aufdrücken. Und so gab es zum Beispiel im Jahr 1951 werktags ab 17 Uhr Sendungen wie „Off the Record“ aus Frankfurt, „Bouncin’ in Bavaria“ aus München, „Frolic at Five“ aus Berlin, „Musically Yours“ aus Stuttgart, „Discateer“ aus Nürnberg oder „Bedlam in Bremerhaven“ vom dortigen AFN-Sender. Besonders mit lokalen Beiträgen erreichte AFN seine Hörerschaft, und so wurden Senderchefs und Mitarbeiter nicht müde zu wiederholen: „Local service is the key to AFN operations.“9 Produktionen der lokalen Rundfunkstationen waren auch für das Gesamtprogramm der Sendergruppe wichtig. AFN Munich nahm in den vierziger Jahren zum Beispiel klassische Orchester für die Reihe „Outpost Concert“ auf, produzierte Country-Musik mit den „AFN Ranchhouse Boys“ oder gestaltete Programme wie „Bavarian Bandstand“. Die individuellen Beiträge eines Lokalsenders wechselten im Laufe der Zeit, je nach den Begabungen und Vorlieben der Mitarbeiter vor Ort sowie den Menschen und Ereignissen im Einzugsgebiet. AFN berichtete regelmäßig über offizielle Aktivitäten der USStreitkräfte in Deutschland und übertrug diverse Veranstaltungen aus dem Freizeitbereich der amerikanischen Militärgemeinschaft. Die Rundfunkmitarbeiter suchten unter ihrer Hörerschaft ständig talentierte Musiker, Sänger oder Schauspieler für AFN-Produktionen.10 Kaum ein anderer amerikanischer Militärsender produzierte so viel eigenes Programm wie AFN. Durch die umfangreichen Lieferungen aus den USA wäre dies nicht unbedingt nötig gewesen. Die Größe und Ausstattung der europäischen Senderkette ermöglichten es AFN jedoch, mehr zu werden als ein beliebiger AFRS-Sender. Dies war von Seiten der militärischen Führung erwünscht, denn sie wollte die Bedürfnisse des Europäischen Befehlsbereichs möglichst genau bedient sehen. Und auch die soldatische Hörerschaft schätzte 9
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AFN Program Schedules, Anlage C von COL H. C. Fellows, C/AFIED, EUCOM, Memo for C/S, 20. Juni 1951, Box 268, Class Dec File 1951, SGS, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; „Local Service is the key“, Druckvorlage, o. D. [1956], AFN Historical File. Siehe auch Request Scheduling Explained by AFN, in: Stars and Stripes, 26. Januar 1955; Warren Franklin, AFN: 15 Years of Service, ebd., 4. Juli 1958 (Zitat); Tom Convery, American Forces Network, in: Wiesbaden Post, 5. November 1960 (Zitat). AFN-Program Schedule 15.–21. December 1946, AFN Historical File. Siehe auch Shakeup in Munich, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 20 (August 1946); Vogelweh Choir To Give Concert, in: WACom Courier, 17. Dezember 1954; AFN Seeks Talent, ebd., 19. Juli 1957. Vgl. Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 3.
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die regionalen und lokalen Sendungen von AFN. Die Prozentanteile der AFRS- und AFN-Produktionen am europäischen Programm variierten mit den Jahren und sind schlecht belegt. Meist lag jedoch der von AFN produzierte Anteil deutlich über dem von AFRS. 1951 und 1961 etwa stellte AFN sechzig Prozent seiner Sendungen selbst her, Mitte der fünfziger Jahre sollen es sogar siebzig Prozent gewesen sein. Allerdings muss hierzu angemerkt werden, dass nicht alle AFN-Produktionen arbeitsaufwendige Sendungen wie etwa Nachrichten, Feature oder Hörspiele waren. Oft handelte es sich dabei um Musikprogramme, die überwiegend aus einzelnen Titeln und Beiträgen von AFRSPlatten zusammengestellt wurden.11 Technische Einflüsse auf das Programm Bestimmte technische Voraussetzungen waren nötig, damit die Senderkette als echtes Network funktionieren konnte. Dazu gehörte die Verbindung der einzelnen Stationen zur Sendezentrale in Höchst, die vor allem durch Rundfunkkabel, teilweise auch durch Telefonleitungen oder über Kurzwelle gewährleistet wurde. Damit sekundengenaues Schalten möglich war, ließ AFN ein System mit einer Zentraluhr in München erstellen, das exakte Zeitsignale aussandte. Dadurch konnten sich innerhalb der Senderkette lokale und überregionale Sendungen abwechseln und es war sogar möglich, dass Stationen wie München und Stuttgart auf zwei Frequenzen ein Programm ausstrahlten. Längere Schaltpausen wie seinerzeit bei europäischen Radiosendern waren bei AFN nicht üblich. Sie störten den Programmfluss und galten bei amerikanischen Rundfunkmitarbeitern und Hörern als höchst unprofessionell. Dieses Urteil bezog sich übrigens auf jede unfreiwillige Pause, die länger als zehn Sekunden dauerte.12 Fehler beim Schalten kamen vor, wurden aber genau registriert und von den verantwortlichen Mitarbeitern bekämpft. In der abendlichen Nachrichtensendung „Report from Europe“ berichteten Korrespondenten aller AFN-Stationen live über die Geschehnisse des Tages. Bis Mitte der fünfziger Jahre war es dafür nötig, dass ein Techniker in der Sendezentrale manuell den Hauptste11
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MG F. L. Parks, C/Info, an F. Lewis, Jr., 21. September 1951, Box 418, Dec File 1949– 1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Siehe auch Army Radio Net Expands Operations in Germany, in: Radio Daily – Television Daily, 8. August 1951; Hunt Downs, So You Want to Be a PD?, in: AFN Weekly Digest, 2. Januar 1954; „Challenge“ Introduced By AFN, Europe, in: Army Times, 21. März 1961. AFN Timecasts Split Seconds, in: Stars and Stripes, 29. November 1946; Ralph Powers, AFN Brings „Home Town USA“ to Germany, in: SACom Scene, 23. November 1956; Summary of an Article on AFN Berlin Appearing in „Blickpunkt“ (Autor: Jürgen Frohner), 6. Juni 1957, AFN Historical File. Siehe auch Suid-Interview Cleary, 25, Box 2, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Provan, The AFN Story, 148, 150.
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Das Programm
cker an einer Schalttafel zum Anschluss für die Station des jeweiligen Korrespondenten umstöpselte. Gelegentlich dabei entstehende Rückkopplungen gaben der Sendung AFN-intern den Spitznamen „Feedback from Europe“. Dem US-Militärrundfunk wäre aber nicht eingefallen, deswegen auf diese Sendeform zu verzichten. Schließlich waren es solche Konferenzschaltungen gewesen, die Ende der dreißiger Jahre dem Rundfunk in den USA zum Durchbruch als Nachrichtenmedium verholfen hatten und seitdem zum Standard aktueller Berichterstattung gehörten. Inhaltliche Schnelligkeit hatte im USRundfunk unbedingt Vorrang vor klanglicher Perfektion. Kleine Pannen vermittelten der Hörerschaft außerdem oft auch ein Gefühl der Authentizität.13 Die technischen Möglichkeiten von AFN schnitten im Vergleich zu USRundfunkstationen gut ab, die Sendequalität der meisten europäischen Anstalten konnte der Militärsender jedoch nicht erreichen. In der Zusammenarbeit mit deutschen Kollegen bewunderten AFN-Mitarbeiter anfangs zum Beispiel Neuerungen wie das Magnetophon-Aufnahmegerät oder das KondensatorMikrofon. Sein Standort ermöglichte es AFN in einigen Fällen, neben amerikanischen Fabrikaten auch europäische Geräte zu kaufen. Über die Jahre bekam der Militärsender so eine recht bunt gemischte Ausstattung, die amerikanische Soldaten und Zivilangestellte zusammen mit deutschen Technikern betreuten. Letztere waren oft Jahre oder gar Jahrzehnte für AFN tätig, empfanden in Bezug auf Technik aber nicht selten „typisch deutsch“. Wie ihre Kollegen in deutschen Rundfunkanstalten waren sie in weiße Kittel gekleidet und bemühten sich vor allem um Perfektion. Nur wenig erfreut waren sie zum Beispiel, wenn sie wegen minderwertiger Hardware oder Wünschen aus der Programmabteilung technische Kompromisse oder Wagnisse eingehen mussten. Die Amerikaner bei AFN schätzten die Qualitäten ihrer deutschen Techniker, stöhnten aber manchmal über deren Pedanterie und Langsamkeit.14 13
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Report to AFN by American Network Representatives 1956, 7, AFN Historical File; Engineering Dept Highlights of Fiscal Year 1956, Box 11, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; AFN Weekly Info Report 21 December – 27 December 1959, 30. Dezember 1959, 250/57 Command Report File, NASL. Siehe auch Control Counts, in: Radio and TV Review, 1. Mai 1959; Gespräche mit Gary Bautell (5. August 1999) und Herb Glover (19. Oktober 2001). Vgl. Agee/Ault/Emery, Introduction to Mass Communications, 189 f.; Douglas, Listening In, 161–198 (bes. 177 f.); Head/Sterling, Broadcasting in America, 80. G. Brümmerstädt, C/Radio-TV Br, Frankfurt, an E. Beckmann, Intendant, HR, 9. November 1954, Ordner AFN 1952–1960, Historisches Archiv, HR; Report to AFN by American Network Representatives 1956, 8 f., AFN Historical File; Suid-Interview Harry Bean, 10. März 1983, 17, Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Bean war von 1959 bis in die achtziger Jahre bei AFN); Suid-Interview mit Heinz Boetcher und Wilhelm Hein, 11. März 1983, ebd. (die deutschen Techniker waren von 1952 bis 1982 [Boetcher] bzw. von 1949 bis 1988 [Hein] bei AFN). Vgl. Ralph Jones, AFN on Air 19 Hours Daily; Started in 1945, in: HAC Post, 13. Mai 1955; Jazzman Charlie Pulls In The Listeners, in: Radio and TV Review, 28. August 1959.
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Vor allem in den ersten Jahren übertrug AFN viele Beiträge direkt. Dies konnte zum Beispiel ein Interview mit Olivia De Haviland auf Besuch in einer örtlichen Kaserne sein, das live in die AFN Stuttgart-Show „Swingtime Session“ eingespielt wurde. Und selbst aufwendig vorbereitete Programme sendete AFN gern direkt und mit nicht geringem technischen Risiko. In der Reihe „Occupation Report“ im Jahre 1947 etwa interviewte AFN-Mitarbeiter Spero Galanopulo die vier Direktoren der US-Besatzungszonen und einen General in Berlin. Die Themen der jeweiligen Sendung waren abgesprochen und jeder Teilnehmer hatte vorher ein Manuskript erarbeiten können. Das Programm selbst wurde jedoch live gesendet und als Konferenzschaltung gestaltet. Am Anfang der ersten Sendung wies Galanopulo auf dieses Arrangement hin: Before we begin, however, we would like to point out to everyone participating in this broadcast, and to everyone listening in, that this program is an engineering experiment. The broadcast depends on split-second timing and good line conditions between all five station outlets.15
Mit solchen Sendungen bedienten amerikanische Rundfunksender die Erwartungen ihrer Hörerschaft nach größtmöglicher Aktualität beziehungsweise nach Teilhabe an gleichzeitig stattfindenden Ereignissen. Diese Wünsche erfüllte zum Beispiel auch eine besondere Ausgabe von „America’s Town Meeting of the Air“, in der Experten und Publikum Probleme der Besatzung Deutschlands diskutierten. Durch die Kooperation mit AFN konnte diese spezielle Sendung von öffentlichen Orten in New York und Berlin übertragen werden.16 Die Tendenz zu Live-Sendungen hatte auch mit der Politik der amerikanischen Networks zu tun, Programme an die zu ihnen gehörenden Stationen anfangs ausschließlich direkt zu liefern. Sie galten als hochwertiger als Tonkonserven und sollten den Network-Sendern helfen, sich von konkurrierenden, unabhängigen Radiostationen zu unterscheiden. Letztere strahlten viel aufgenommenes Material aus, da es preiswerter einzukaufen oder weniger aufwendig herzustellen war.17 Die Networks unterstützten die US-Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg, auch wenn die auf der ganzen Welt verstreuten Militärsender keine Live-Programme übernehmen konnten. Für das Militär machten die 15 16
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HQ OMG for Bremen, Incoming Message fr OMGUS, Ref. No. V-25324, 22. November 1947, Folder: AFN Broadcasts by Mr. Dunn 1947, Box 64, Corr & Other Records 1947–1948, PIO, OMG Bremen, RG 260, NACP. War an EUCOM, Ref. No. WX-82027, 15. Juli 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; HQ EUCOM sgd Huebner an War, Ref. No. SX-1459, 21. Juli 1947, ebd. Siehe auch Erste Rundfunk-Diskussion Deutschland – USA, in: Radiospiegel, 30. November 1947; AFN Stuttgart’s First Sergeant Used to R and R over Airways, in: SACom Scene, 30. Mai 1958. Vgl. Mitchell, Cavalcade of Broadcasting, 141. Barnouw, The Golden Web, 109, 163 f.; Douglas, Listening In, 227; Head/Sterling, Broadcasting in America, 78 f.; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 164, 251.
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Networks sowie die wichtigsten Gewerkschaften für Schauspieler, Musiker und andere Rundfunkschaffende in Bezug auf „Programmkonserven“ eine Ausnahme. Und so durfte AFRS eigene Sendungen aufzeichnen und sogar fremde Musikproduktionen und komplette Radioprogramme auf Platte pressen. Dadurch wurde der Militärrundfunk zum Vorreiter auf diesem Gebiet und etliche Künstler gewöhnten sich an die Vorteile der neuen Technik. Nach dem Krieg begannen sie, im amerikanischen Hörfunk die Trendwende zu aufgezeichneten Programmen einzuleiten. Die Diskussion über die Vor- und Nachteile von live versus canned sollte in den USA aber noch einige Zeit andauern. Erst Anfang der fünfziger Jahre konnten sich vorproduzierte Radiosendungen durchsetzen, nicht zuletzt wegen des wirtschaftlichen Drucks durch den neuen Konkurrenten Fernsehen. Bei vielen Rundfunkschaffenden – auch bei AFN – wirkte die Gleichsetzung „live ist am besten“ jedoch noch lange nach.18 Während des Zweiten Weltkriegs begann auch die strikte Ablehnung der US-Rundfunkindustrie von Aufnahmen im Bereich der Informationssendungen nachzulassen. Live-Berichte aus Kampfgebieten waren technisch meist unmöglich und außerdem militärisch unerwünscht, da sie nicht zensiert werden konnten. Rundfunkreporter nahmen ihre Kommentare und akustischen Eindrücke daher mit mobilen Drahttongeräten auf. Im Januar 1944 berichtete AFN zum Beispiel über kanadische Bomber, die sich an einem Luftangriff auf Berlin beteiligten. Für die Sendung interviewten AFN-Korrespondenten Besatzungsmitglieder, und einer von ihnen, G. K. Hodenfield, flog auch mit ihnen mit. Derselbe Militärjournalist begleitete mit seinem schweren Aufnahmegerät im Juni des Jahres 250 Ranger bei der Invasion in der Normandie.19 Beim Vormarsch in Westeuropa fielen den alliierten Truppen erstmals deutsche Magnetophon-Aufnahmegeräte in die Hände. Bei ihnen bestand das Tonband aus Kunststoff anstatt aus Metall, es konnte also leichter geschnitten werden und verfügte über eine bessere Tonqualität. Amerikanische Militärs, darunter auch Mitarbeiter von AFN, nutzten einige der erbeuteten Geräte, etliche gingen in die USA und wurden dort nachgebaut beziehungsweise weiterentwickelt.20 18
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AFRS Progress Report 1942–1945, 32–35, Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch Stars’ Request May Change Top Shows from Life to „Disc“ Status, in: Radio Television News, 5. Dezember 1945 (Abschrift aus AFRS Scrapbook, Box 10, ebd.); Webs Battle To Hold Listeners, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 23 (Oktober 1946). Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 33; Dunning, On the Air, 90; Mitchell, Cavalcade of Broadcasting, 160. Canned program bedeutet Programmkonserve. the afn story, MS: Kap. 1, 8 ff., Kap. 2, 16 f., Box 9, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Vrotsos, 17, Box 9, Transcripts, ebd. Siehe auch AFN Department Directors Well Qualified For Duties, in: AFN’s 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 50; Barnouw, The Golden Web, 199 f.; Provan, The AFN Story, 15. Attention Low-Fi Fans, in: AFN TV-Guide Jg. 19, Nr. 218 (Juli 1983), 122; Barnouw, The Golden Web, 204; Christman, Brass Button Broadcasters, 199; Sterling/Kittross,
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Im Jahr 1950 bekam AFN im größeren Umfang Aufnahmegeräte mit der neuen Technik. Die mobilen Rekorder waren immer noch recht schwer und bestanden aus mehreren Koffern. Erst 1953 gab es handlichere Geräte, mit denen ein Reporter allein losziehen und die er sich über seine Schulter hängen konnte. Diese Maschinen waren anfangs allerdings recht anfällig, streikten beispielsweise oder produzierten Bandsalat.21 AFN-Mitarbeiter nutzten die neuen Möglichkeiten aber aus und machten auch Aufnahmen an ungewöhnlichen Orten – ob beim Besuch im Bergwerk für eine Sendung über Deutschland oder auf einer Prozession im Heiligen Land für das Osterprogramm. Viele Prominente wurden fortan auch auf der Durchreise interviewt, zum Beispiel auf dem Frankfurter Flughafen. Dadurch bekamen die Reporter zwar häufig Hintergrundgeräusche wie Durchsagen oder Tassengeklimper aufs Band, AFN konnte aber mehr O-Töne sammeln als wenn man versucht hätte, jeden interessanten Gesprächspartner in ein Radiostudio zu lotsen. Dies galt für ein Exklusivinterview mit dem UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld nach einer Konferenz in Genf ebenso wie für eine Plauderei mit der Entertainerin Caterina Valente. Mit etwas Geschick ließ sich die Atmosphäre auch in das Interview einbauen, schließlich wurden viele Prominente zum Inhalt einer bevorstehenden oder zurückliegenden Reise befragt.22 Auch für Studioproduktionen gab es Anfang der fünfziger Jahre neue, leistungsfähige Aufnahmegeräte und bei AFN wurden immer mehr eigene Sendungen vor ihrer Ausstrahlung aufgezeichnet. „We went tape machine crazy“, urteilte ein Programmverantwortlicher im Jahr 1956, nachdem AFN sich entschieden hatte, wieder mehr Sendungen live auszustrahlen. Direktübertragungen würden sich oftmals besser anhören, so die Argumentation, da sich die Sprecher mehr anstrengen und weniger Fehler machen würden. Wichtiger als eine perfekte technische Aufnahmequalität war ohnehin, dass ein Programm lebendig wirkte. Auch bei einem Interview im Studio sollten die Gesprächspartner sich öffnen und ungezwungen klingen. Mitarbeiter in Berlin schätzten daher die Aufnahmemöglichkeiten in einem ehemaligen Wohnzimmer der von AFN genutzten Villa. Auf Sofa und Sesseln sitzend konnten
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Stay Tuned, 206 f. Vgl. Engel, Das Magnetophon bei der RRG; Urban, Geschichte der Tonbandaufzeichnung. The Interview Must Go On – Red Face Notwithstanding, in: AFN Weekly Digest, 26. September 1953; AFN Interviews „Moon“ Star, ebd., 23. Januar 1954; Bremerhaven Bedlam, ebd., 27. Februar 1954. Siehe auch D. Miller an MAJ G. H. Buchanan, AFN, 15. November 1967, Ex-AFNers File, AFN Historical File. AFN to Air „Messiah“, Report on Holy Land, in: Chronicle, 8. April 1955; Europe to Hear Voices From Holy Land, in: Stars and Stripes, 10. April 1955; Ernie Weatherall, Taping the Heartbeat of Berlin, ebd., 3. Februar 1959; This Is … AFN (AFN-Eigenpublikation); 20 Years of Service (AFN-Eigenpublikation). Siehe auch AFN Weekly Info Report 4 May – 10 May 1959, 11. Mai 1959, 250/57 Command Report File, NASL. Vgl. etwa LR 4605: „On the Scene“, 25. Mai 1959 (Caterina Valente); Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 23.
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sie hier mit Gästen Interviews führen, ohne dass diese den Druck einer künstlichen Studiosituation verspürten.23 Die Präsentation von Sendungen Wie eine Sendung sich im Einzelnen anhören sollte, hing von ihrem Inhalt ab und war daher höchst unterschiedlich. Im US-Rundfunk war es zum Beispiel üblich, dass Nachrichten in einem rasanten Tempo und mit einem sachlichen, aber sehr dringlichen Ton vorgelesen wurden. Unter allen Umständen galt es, inhaltliche Fehler und Versprecher zu vermeiden. Buntere Themen konnten hingegen langsamer und entspannter präsentiert werden. Anfang der sechziger Jahre moderierte Johnny Fuller sowohl das Informationsprogramm „On the Scene“ als auch das Magazin „Panorama“, und er berichtet darüber: „For ‚On the Scene‘ I have had to be the voice of authority. But on ‚Panorama‘ I’ve been able to put on carpet slippers and join people in their living rooms.“24 Die Texte bei „Panorama“ waren abgelesen, sollten aber so locker und ungezwungen wirken wie eine Unterhaltung mit den Hörern in deren Wohnzimmern. Dies gelang natürlich nicht immer, und so kritisierte der Programmchef 1953 etwa einen Sprecher der Reisesendung „Magic Carpet“ wegen des fehlenden Plaudertons: „Butcher impresses as sitting in a Nurnberg studio reading a script rather than strolling raply along the Champs[-Élysée].“25 Für viele Programme gab es Manuskripte, doch hölzern und abgelesen sollten sie trotzdem nicht klingen. Dies galt im besonderen Maße für die Moderation von Musiksendungen. Denn auch bei etlichen der improvisiert klingenden Programmen war zumindest der Anfang und das Ende schriftlich festgelegt, damit sie auch von wechselnden Ansagern einheitlich präsentiert werden konnten. Ob der Ansager seine Zwischenmoderationen vorab ausformulierte, lag meist in seinem eigenen Ermessen. Kleine Versprecher waren erlaubt, solange er seine Show insgesamt souverän und mitreißend gestaltete.26 Ähnlich differenziert wie beim Vortragsstil ging AFN auch mit den verschiedenen Akzenten um. Im US-Rundfunk gab es keine strikte Standardisierung wie etwa zur gleichen Zeit in Großbritannien mit dem sogenannten BBC23 24 25 26
Hazel Guild, AFN Slashes Programs Coming From the U. S., in: American Weekend, 8. Dezember 1956 (Zitat). Siehe auch AFN: The Voice Of Home, in: Berlin Observer, 11. Februar 1955. Vgl. Grull, Radio und Musik, 61; Oertwig, Rik DeLisle, 48 f. Producer Edits Miles of Tape, in: Overseas Family, 19. Januar 1962. Hunt Downs, Net Reviews, in: AFN Weekly Digest, 8. August 1953. Manuskripte für die Anfänge und Enden von Musiksendungen, etwa für „Swing Street“ und „Hillbilly Reveille“ aus den fünfziger Jahren, sind enthalten in Ordner 1, History of AFN Bremen/Bremerhaven, AFN Historical File. Vgl. Hunt Downs, Net Reviews, in: AFN Weekly Digest, 15. August 1953; afn. Roots of Military Broadcasting, MS, 34, Box 3, AFIS, RG 330, NACP; Gespräch mit Gary Bautell, 5. August 1999.
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Englisch. Amerikanische Hörerinnen und Hörer waren es daher gewohnt, an der Sprechweise eines Moderators zum Beispiel dessen Heimatregion, Bildungsgrad und sozialen Status abzulesen. In den dreißiger Jahren hatte sich aber bei den national operierenden Networks ein unaffektiert vorgetragener Akzent aus dem Mittleren Westen als „neutral“ eingebürgert, mit dem vor allem Nachrichten und andere wichtige Informationssendungen präsentiert wurden. Harold Burson, der erste AFN-Korrespondent bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, stammte allerdings aus den Südstaaten. Da man dies an seiner Aussprache hörte, schrieb er die Manuskripte für die Berichterstattung, die ein Ansager für ihn vorlas. In anderen Sendungen konnte ein deutlich regional gefärbter Akzent wiederum ein wichtiges Stilelement sein. Dies galt beispielsweise für Hörspiele und andere Unterhaltungsprogramme, die – nicht immer politisch korrekt – mit Stereotypen und Vorurteilen über bestimmte Bevölkerungsgruppen spielten. Auch bei der Präsentation von speziellen Musikrichtungen setzte AFN auf sprachliche Besonderheiten. So kam eine Sendung mit Country-Musik schwerlich ohne einen Ansager mit einem als typisch erachteten Akzent und Redewendungen wie „Howdy neighbors“ aus.27 Die Ansager des Militärrundfunks sprachen meist mit einem vollen Bariton, der in den USA lange als „klassische Radiostimme“ galt. Die AFN-Mitarbeiter am Mikrofon sollten ihr Handwerkszeug, also etwa Aussprache und Betonung, idealerweise schon vor ihrer Zeit beim Militär im US-Rundfunk gelernt haben. Da nicht immer genügend Soldaten mir ziviler Vorerfahrung zur Verfügung standen, musste AFN aber auch nach geeigneten Rekruten suchen und diese selbst anlernen. Ihre im Schnelldurchlauf erworbenen Fähigkeiten entsprachen nicht immer professionellen Standards und waren zum Teil Grund für Hörerbeschwerden. In zunehmendem Maße kamen auch Militärangehörige zu AFN, die auf der Defense Information School (DINFOS) ausgebildet worden waren.28
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„Stickbuddy Jamboree“, MS, Ordner 1, History of AFN Bremen/Bremerhaven, AFN Historical File: „Howdy neighbors!“; Gespräch mit Jean Vavrin, 25. September 1999; Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 6. Vgl. Douglas, Listening In, 102 f., 161, 164, 172, 185; Stave/Palmer, Witnesses to Nuremberg, 185 f. AFN Typewriter Sketch, in: AFN Weekly Digest, 21. November 1953; AFN: The Voice Of Home, in: Berlin Observer, 11. Februar 1955; The Voice You’ve Heard on AFN Belongs To – Bob Ramsdell, in: Port Reporter, 16. März 1956; Like „Hoobert Heever“ – AFN Groans at „Bloopers“, But Announcers Try Hard, in: American Weekend, 2. Mai 1959; Dave Pollard, U. S. Forces „Share“ AFN Network With Almost 50 Million Europeans, ebd., 15. August 1959; Night’s Best Time for News, in: Overseas Family, 2. Februar 1962; Irene Sheridan, AFN versus BBC, in: You & Europe, März 1962. Zu DINFOS siehe etwa AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 117 f.; Feibusch, The Armed Forces Radio and Television Service (unveröff.), 23–27; Miller, American Forces Radio and Televison Service (unveröff.), 118–124.
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Es ist übrigens kein Zufall, wenn bislang vor allem von männlichen Sprechern die Rede war. Bei AFN gab es, ebenso wie beim restlichen USMilitär, nur relativ wenige Soldatinnen. Durch die weiblichen Kriegsfreiwilligen kamen in den Anfangsjahren noch mehrere Frauen in Uniform zu AFN, in den fünfziger Jahren waren sie vollends zu Einzelfällen geworden. Wenn die Verantwortlichen sie als Moderatorinnen einsetzten, wurden sie beim GIPublikum meist schnell populär. Seine wenigen weiblichen Soldaten stellte der Sender gerne in der Öffentlichkeitsarbeit dar, 1946 etwa „Duffle Bag Girl“ Jo Allen in Bremen (Doris A. Brokaw) oder die vielbeschäftigte Aneta M. Siegel in Berlin. Darüber hinaus nutzte AFN auch zivile Sprecherinnen, die er aus seinen weiblichen Angestellten rekrutierte oder die als Externe ehrenamtlich mitarbeiteten. So half etwa Gisela Breitkopf, deutsche Mitarbeiterin im AFN-Programmarchiv, bei diversen Sendungen über Deutschland und die deutsche Sprache aus. Etliche Amerikanerinnen sprachen weibliche Stimmen in Hörspielen oder moderierten Sendungen wie „Meet the Mrs.“ oder „What’s Cooking?“, die für die weibliche Hörerschaft des Militärrundfunks konzipiert waren. Das Einsatzgebiet ziviler Ansagerinnen blieb aber beschränkt, da beim Militärrundfunk vor allem Soldaten zu Soldaten sprechen sollten.29 Bereits in der Anfangszeit des US-Militärrundfunks hatte AFRS entschieden, dass GIs die Ansagen und Moderationen machen sollten, die einen Sender prägen. Dazu gehörten zum Beispiel die Nachrichten und viele lokale Shows. „The theory is that nobody can talk to a GI better than another GI“, erklärte eine AFN-Publikation diese Regel später.30 Soldaten und Unteroffiziere bildeten die überwiegende Mehrheit der Streitkräfte, und diese Hörerschaft vertraute einem Sender und mochte ein Programm eher, wenn es von Gleichrangigen gestaltet beziehungsweise gesprochen wurde. Auch AFN rekrutierte seine Ansager und Moderatoren daher bevorzugt aus den Mannschaftsrängen. In der Regel stellten sich Ansager und Moderatoren mit umgangssprachlich abgekürztem Rang und Namen vor. Private First Class Charles M. Hickman Jr. zum Beispiel nannte sich also vereinfachend „PFC Charlie Hickman“. Einige AFN-Mitarbeiter durften sich auch wohlklingende Rundfunknamen geben. Dazu gehörte etwa Daniel Mallinger, der on air zu Dan Mallory wurde. Während die Mitarbeit von zivilen Sprechern akzeptiert war, solange sie nicht Überhand nahm, sollten Offiziere nicht als Ansager ans 29
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What do you know Jo? Duffle Bag goes Feminine, in: Tally, 27. März 1946; Duffle Bag Girl, in: Timberwolf, 19. April 1946; Viviane W. Adams, AFN-Berlin, in: OMGUS Observer, 7. Juni 1946; Berlin’s Best known Gal, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 14 (Juli 1946). Siehe auch Suid-Interview Breitkopf, 7–11, Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Gespräche mit Jean Vavrin (25. September 1999) und Doris Luce (30. September 2001); Provan/Paternoster, AFN Europe, 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 21. Vgl. Morley, „This Is AFN!“, 19 ff., 34, 37 f.; Provan, The AFN Story, 223 f. On Pleasing Everyone, in: Serving American Forces (AFN-Eigenpublikation), 35.
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Mikrofon. Bei der teilweise recht spärlichen Besetzung von AFN oder in besonderen Situationen blieb es aber nicht aus, dass auch Offiziere Beiträge sprachen oder sogar Sendungen moderierten. Mussten sie namentlich vorgestellt werden, geschah dies meist mit einem Unteroffiziersrang und bisweilen mit einem anderen Namen. So wurde beispielsweise in den Jahren 1945 und 1946 aus Oberleutnant Roy N. Hinkel mehrfach „Sergeant Roy Neal“.31 Kleinteiliges Mischprogramm Die Programmstruktur von AFN entsprach seiner Stellung als einzigem Sender für den Europäischen Befehlsbereich. Als „Kästchenradio“ versuchte er, die unterschiedlichen Vorlieben und Bedürfnisse seiner Hörerschaft zu bedienen. Ob junger Wehrpflichtiger oder Berufsoffizier, ob Popmusik- oder Klassikfan, ob Mann, Frau oder Kind – in dem kleinteiligen Sendeplan mit Mischprogramm sollten sich möglichst alle Mitglieder der US-Militärgemeinschaft wiederfinden. Die einzelnen Beiträge waren zeitlich genormt, was wegen des Aufbaus als Network und fehlender Sendepausen auch strikt eingehalten werden musste. Häufig waren sie auch recht kurz. So waren nicht nur die Nachrichtensendungen wenige Minuten lang, sondern beispielsweise auch lokale Informationen oder Ratgeberprogramme. Sendestrecken über sechzig Minuten Dauer gab es nur bei einigen wenigen Musikprogrammen, etwa bei der zweieinhalb-stündigen Sendung „Saturday Salute in Music“, und selbst diese wurde für Nachrichten unterbrochen. Die ab den fünfziger Jahren zunehmende Tendenz zu mehrstündigen Sendungen gab es zunächst nur an den Wochenenden. Sendungen wie „Gallery“, „Scope“ oder „Trio“ waren als RadioMagazine für den Sonntagnachmittag angelegt und mischten verschiedene Programmelemente.32 Ab 1962 lief das Magazin „Weekend World“ als jeweils sechsstündige Sendung am Samstag und Sonntag (später kam es „nur noch“ je vier Stunden). Es war bis in die siebziger Jahre ein Aushängeschild von AFN und viele ehemalige Mitarbeiter erinnern sich gern an die kreativen
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Gurney an Jackson, Mullins, Stebbins, 5. Juli 1943, Box 322, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; CWO W4 R. E. Moore, Adjutant/AFN, an „Distribution ‚A‘“, Subject: Standing Operating Procedure, 26. April 1965 (nachf. zit. als AFN SOP 1965), 60, AFN Historical File; Suid-Interview Neal, 16, 33 f., 40, Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch Bremen Changes, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 22 (August 1946); Dave Pollard, U. S. Forces „Share“ AFN Network With Almost 50 Million Europeans, in: American Weekend, 15. August 1959. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 5, 19, 125; Christman, This Is AFN … (1993), 58. „Producer Jim Preston puts everything he’s got into this fast-moving magazine of the air at 3.5 p. m. For drama, music, on-the-scene reports, and humour – listen for ‚Scope‘ each Sunday afternoon.“ AFN Day-By-Day, in: Radio and TV Review, 20. Februar 1959.
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Das Programm
Freiheiten und aufwendigen Produktionen in ganz Europa, die „Weekend World“ ihnen ermöglichte.33 AFN hielt sich an ein Prinzip des US-Radios, bei dem ein bestimmter Programmtyp täglich an demselben Sendeplatz gebracht wurde. Dies galt zunächst für die Nachrichten zur vollen Stunde ebenso wie für andere überregionale oder lokale Informationssendungen. Über viele Jahre hinweg hatten auch die wichtigen lokalen Discjockey-Sendungen morgens, mittags und abends ihre festen Programmplätze. Zudem gab es einige im gesamten Sendegebiet ausgestrahlte Shows, die wochentags immer zur selben Zeit gebracht wurden. Mitte der fünfziger Jahre waren dies etwa „Merely Music“ am Vormittag oder „Music in the Air“ am frühen Abend. Kam ein Programm nicht täglich, so wurde doch versucht, auf diesem Sendeplatz einen vom Charakter her ähnlichen Beitrag auszustrahlen. Mitte 1955 gab es zum Beispiel ab 14 Uhr eine Stunde klassische Musik, sei es in der Sendung „Outpost Concert“, „Operas of the World“ oder „RIAS Symphony“. Neben diesem regelmäßigen Tagesablauf konnte sich die Hörerschaft auch auf einen festen Wochenrhythmus verlassen. Dann hieß es in der Absage beispielsweise: „Listen at the same time next week when we will again present Operas of the World“.34 AFN platzierte einige Sendungen auch so, wie es seine amerikanischen Hörerinnen und Hörer aus der Heimat gewohnt waren. Wie etwa Beiträge für Frauen klassischerweise am Vormittag liefen, gehörte der späte Abend populären Hörspielserien wie „The Big Story“, „The Whistler“ oder „Suspense“. Manche Programme hatten gar denselben Sendeplatz wie in den USA. So lief die beliebte Country-Musik-Show „Grand Ole Opry“ lange Zeit auch bei AFN am Samstagabend. Dies ging allerdings nicht immer, da der Militärsender Beiträge von allen US-Networks bekam und einige um einen bestimmten Termin konkurrierten. 1954 beispielsweise standen AFN acht der zehn beliebtesten Radiosendungen aus den USA zur Verfügung. Zudem mussten die Planer auch Eigenproduktionen unterbringen, etwa Quiz-Shows oder Bunte Abende mit Beteiligten aus dem Europäischen Befehlsbereich. Bei der Zusammen33
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Saturday Is the Day for Music on AFN, in: American Weekend, 9. April 1955; Tim Rowan, AFN Launches Unique Four-Hour Radio Program, in: Stars and Stripes, 9. September 1956; Dieter Döllken, Wehrdienst mit dem Mikrofon, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Februar 1957; Thurston Macauley, AFN Marks 14 Years of Service to Listeners, in: Stars and Stripes, 3. Juli 1957; AFN Day-By-Day, in: Radio and TV Review, 2. Oktober 1959; AFN’s New „Weekend World“ to Debut for Summer Fare, in: SACom Scene, 31. Mai 1962; Name Withheld by Request, Once Again AFN (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 16. September 1962; Bill Swisher, The „Weekend World“ Theme, in: The AFNer 91-3 Nr. 6 (Herbst 1991), 29 f. Siehe auch Jack Brown/Vincent J. Harris, AFRTS. A Radio and Televison Programming Chronicle, MS, November 1980, 5, Box 5, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Christman, 33, Box 2, Transcripts, ebd.; Gespräch mit Herb Glover, 17. Oktober 2001. AFN Radio Schedule, in: American Weekend, 28. Mai 1955. Vgl. American Forces Network, Frankfurt, Germany, 11/1953 (AV), NAIL: NWDNM (m)-111-LC-34612.
Programmstruktur
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Abb. 7: Programmvorschau für AFN (Mai 1955).
stellung seines Programms hatte AFN also eine Auswahl, um die ihn viele USRadiostationen beneideten.35 Bei der Planung des Sendejahres, also der Gestaltung des Frühjahr/Sommer- und Herbst/Winterhalbjahres, gab es Spannungen zwischen Hörerwünschen und Programmnachschub. Wie andere Rundfunksender musste AFN zum Beispiel berücksichtigen, dass Menschen in den wärmeren Jahreszeiten 35
AFN, „Serving American Forces in Europe“, MS, o. D. [1953], Box 9, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Wendell, 23 f., Box 9, Transcripts, ebd. Siehe auch AFN Has Eight Of Chosen Ten, in: Sentinel, 20. August 1954; Walter Sheppard, AFN at Work, in: Saturday Review, 13. Oktober 1956.
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Das Programm
abends länger unterwegs sind, ihr Radio weniger einschalten oder lieber „leichte Kost“ hören möchten. Orientierungspunkte für den Wechsel der Jahreszeiten sind in den USA die Feiertage Memorial Day und Labor Day, der letzte Montag im Mai beziehungsweise der erste Montag im September. Im Sommerprogramm brachte AFN zum Beispiel Ausflugs- und Freizeittipps für gutes Wetter und widmete sich dem traditionellen amerikanischen Sommersport Baseball. Die Umstellung war aber vor allem bei den aus den USA gelieferten Beiträgen nicht ganz einfach. Denn dort gab es vor allem im Winterhalbjahr aufwendig produzierte Sendungen, die im Sommer durch meist weniger attraktive Summer Replacements ersetzt wurden. Bis AFRS die NetworkShows bearbeitet, auf Platte gepresst und an die Militärsender in aller Welt verschickt hatte, vergingen aber nicht selten sechs Monate. Dies konnte zum Beispiel dazu führen, dass AFN Mitte Juli die erste Folge einer neuen Staffel der populären Krimiserie „Dragnet“ ausstrahlte, zu Beginn der hörintensiven Herbst/Wintersaison Ende September aber unbeliebte Sommersendungen in Europa eintrafen.36 Wie viel Zeit verstrich, bis AFN Programm-Material von AFRS bekam, war recht unterschiedlich. Während bestimmte Radiosendungen erst mit einem halben Jahr Verzögerung in Übersee gespielt werden konnten, waren zum Beispiel aktuelle Musiktitel bereits nach einigen Wochen vor Ort. Da der Rückstand vor allem mit dem aufwendigen Herstellungsverfahren der Schallplatten zu tun hatte, startete AFRS Anfang 1954 das Experiment Operation Tape. Dafür wurde einen Monat lang Programm-Material auf Tonbändern festgehalten, vervielfältigt und verschickt. Dies ging zwar schneller, bestand aber den Praxistest bei verschiedenen Militärsendern nicht. Bis zur Umstellung auf Compact Disks Ende der achtziger Jahre blieb AFRS daher beim Vinyl. Zunächst lieferte er weiterhin Langspielplatten mit vierzig Zentimetern Durchmesser, ab 1968 gab es dann das „normale“ Format mit dreißig Zentimetern Durchmesser. Die Herstellungsprozesse konnten zwar im Laufe der Zeit beschleunigt werden, waren aber noch immer nicht zufriedenstellend.37 Aktuelle Programme übertrug AFRS daher via Kurzwelle an die US-Militärsender. Dazu gehörten reguläre Nachrichtensendungen ebenso wie die Berichterstattung über wichtige Ereignisse. Da AFN eine eigene Aktuell-Re36
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Meeting Held for PD’s in Frankfurt, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 7 (Mai 1946); From the Desk Of the Chief Of Operations, ebd. Jg. 1, Nr. 21 (September 1946); It’s in the Air, in: Spotlight, 18. September 1953; Here’s the Facts: Joe Friday Due On AFN Monday, in: Stars and Stripes, 15. Juli 1954; AFN: Tuned To People, in: Army Times, 19. Juli 1967. American Forces Net Begins Tape Programs, in: Stuttgart Post News, 5. Dezember 1953; AFN Has Worries … Trying To Please Listeners, in: American Weekend, 5. Mai 1956; Walter Sheppard, AFN at Work, in: Saturday Review, 13. Oktober 1956. Siehe auch Jack Brown/Vincent J. Harris, AFRTS. A Radio and Television Programing Chronicle, MS, November 1989, 5, Box 5, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Breitkopf, 15 f., Box 1, Transcripts, ebd.; Gisela Breitkopf, in: Happy Birthday, AFN!, Garczyk/Gaebler (AV). Vgl. Provan, The AFN Story, 72.
Programmstruktur
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daktion besaß, übernahm es kaum komplette Nachrichtenprogramme. Etliche Originalübertragungen, zum Beispiel politische Reden oder Debatten, wurden allerdings aufgenommen und für AFN-Sendungen verwendet. Bei Ereignissen von größerer Bedeutung und bei Staatsakten wie etwa der Beerdigung von Präsident Franklin D. Roosevelt im Jahr 1945, unterbrach AFN auch sein Programm und griff auf die Kurzwellenberichte von AFRS zurück. Auch im Bereich Unterhaltung sollten amerikanische Hörer in Übersee am Geschehen in der Heimat teilhaben. So wurden nicht nur zahlreiche Sportwettkämpfe übertragen, sondern auch die jährliche „Oscar“-Verleihung oder die zu ihrer Zeit höchst populäre Quiz-Show „The $64,000 Question“. Je nach Hörerinteresse und Zeitpunkt der Übertragung strahlte AFN die Beiträge live oder als Tonkonserve aus. Während zum Beispiel Boxwettkämpfe zum Teil auch nachts um drei Uhr deutscher Zeit liefen, wurde etwa die Quiz-Show aufgezeichnet und erst später im regulären Programm gebracht. Da der Empfang von Kurzwellensendungen aus den USA oftmals atmosphärisch gestört war, musste AFN jederzeit Ersatz einplanen. Kurzwellensendungen, live oder aufgezeichnet, wurden daher nicht ohne einen entsprechenden Hinweis angekündigt. 1955 hieß es etwa: „This popular quiz program is picked up direct from the states, therefore, there may be times when atmospheric conditions prevent the airing of this program. Then, AFN will substitute with the informative ‚You Are There‘.“38 Die inhaltliche Gewichtung des AFN-Programms stimmte nicht immer mit der vergleichbarer Sender in den USA überein. Anders als viele amerikanische Stationen hatte AFN bereits in den vierziger Jahren einen Musikanteil von über der Hälfte der Sendezeit und dafür weniger unterhaltende Wortbeiträge aus den Bereichen Komik und Varieté beziehungsweise Hörspiel. Auf dem Gebiet Nachrichten und Informationssendungen unterschied sich AFN wiederum nicht wesentlich. Mitte der fünfziger Jahre betrug der Programmanteil von Musik beim europäischen Militärsender etwa 53 Prozent, was populäre Unterhaltungsmusik ebenso beinhaltete wie etwa Klassik, Country oder Jazz. Der Unterhaltung waren auch die 23 Prozent der Darbietungen zuzuordnen, die als Variety oder Dramatic in der Statistik auftauchten. Nachrichten, aktuelle und belehrende Sendungen sowie Sportinformationen machten 1955 fast 22 Prozent des Programms aus.39 Für das Jahr 1961 führt ein 38
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Ray Andolsek, Coffee Broke Ether Ice, in: American Weekend, 17. September 1955 (Zitat). Siehe auch Shortwave Devotes Entire Time to News, Tributes, Commentaries on Roosevelt, in: Broadcasting, 16. April 1945; $64,000 Quiz Show To Be Aired on AFN, in: Stars and Stripes, 1. September 1955; AFRS to Broadcast Rocky-Moore Bout, 2 Baseball Games, ebd., 20. September 1955; A. F. N. Show Time, in: European Radio, 6. April 1956. Die Prozentangaben können allgemeine Tendenzen des AFN-Programms vermitteln, erscheinen im Einzelnen aber nur bedingt vertrauenswürdig. Die im Text zitierten Zahlen erstellte AFN im Sommer 1955 für eine Inspektion durch den Leiter der Abteilung für
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Das Programm
deutscher Zeitschriftenartikel einen ähnlichen Umfang an informierenden Beiträgen an, während der Musikanteil auf sechzig Prozent gestiegen war. Mit der genaueren Analyse der Inhalte werden sich die nächsten beiden Kapitel beschäftigen.40 Der europäische US-Militärrundfunk orientierte sich grundsätzlich an amerikanischen Vorbildern. Nach den ersten Jahren als Senderkette mit zentraler Redaktion funktionierte American Forces Network ab 1945 tatsächlich als Network. Dies bedeutete, dass jede AFN-Station neben dem überregionalen Programm auch bestimmte lokale Beiträge ausstrahlen durfte. Das Sendematerial von AFN speiste sich aus drei Quellen: es kam von AFRS in den USA, entstand als Produktion des AFN-Hauptquartiers oder eines einzelnen Lokalradios. Der damaligen US-Tradition entsprechend, übertrugen AFNMitarbeiter viele Beiträge direkt und pflegten einen lebhaften Vortragsstil, der jedoch je nach Genre variierte. Der „Sound“ einer Sendung hing zum Beispiel vom Tonfall, Tempo und Akzent des Sprechers ab. AFN klang also in vielerlei Hinsicht wie ein typisch amerikanischer Sender. Verzögerungen beim Nachschub aus den USA führten aber dazu, dass der Militärrundfunk viele Programme erst mit einigen Wochen oder Monaten Verspätung bekam. Ein grundsätzlicher Vorteil gegenüber US-Stationen war allerdings, dass AFRS die Sendungen aller amerikanischen Networks zur Verfügung standen. Mit einer kleinteiligen Programmgestaltung versuchte AFN, seiner Rolle als Monopolsender für die US-Militärgemeinschaft in Europa gerecht zu werden. Hierfür musste er zum Beispiel zwischen mehrheitsfähigen und zielgruppenorientierten Programmelementen abwechseln und auf eine angemessene Mischung von Informations- und Unterhaltungssendungen achten.
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Truppeninformation im Heeresministerium. Exakt übereinstimmende Zahlen (ausgerechnet bis auf drei Stellen hinter dem Komma) finden sich allerdings auch in einer Analyse für eine Woche im Frühjahr 1956. Honi soit qui mal y pense? Analytic Survey of Broadcast Schedule A-F-N Week 27 February – 5 March 1955, 1. August 1955, in: The AFN Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP; Analytic Survey of Broadcast Schedule AFN Week 26 Feb–3 Mar 1956, Druckvorlage o. D. [1956], AFN Historical File. In der Sekundärliteratur werden die Zahlen zumeist unkritisch übernommen, siehe etwa Craig, Military Broadcasting, 310. Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948; Joachim Andrae, Ein Soldatensender, der überall Freunde hat, in: Hörfunk und Fernsehen, Oktober 1961. Vgl. Sterling/Kittross, Stay Tuned, 276.
8. DIE WESENTLICHE VORAUSSETZUNG IST UNTERHALTUNG ENTERTAINMENT DURCH WORTBEITRÄGE UND MUSIK [T]he prime essential of persuasion and interest is entertainment. This is a lesson that has been carried over into the work of the Morale Services Division. Aus einer Rede von AFRS-Mitarbeiter Martin Work, Dezember 1943.1
Bei der Entstehung des amerikanischen Militärrundfunks waren sich die Verantwortlichen einig, dass das Radiopublikum vor allem durch Unterhaltung zu erreichen sei. Als ein leitender AFRS-Mitarbeiter im Dezember 1943 davon in einer Rede im Los Angeles Advertising Club berichtete, überraschte das seine Zuhörer nicht im mindesten. Denn dieses Prinzip hatten Hauptmann Martin H. Work und seine Kollegen schließlich aus dem kommerziellen Rundfunk übernommen. Redner und Publikum waren damit beschäftigt, Konsumenten auf einem bestimmten Markt verschiedene Produkte durch ein Radioprogramm nahezubringen. Im Jargon der Branche drückte Work die Aufgabe des Militärrundfunks folgendermaßen aus: „The product was information, education and orientation, the buyers – 11.000.000 men and women of the United States Armed Forces, the market – the world.“2 Über ihre Sender wollten die Streitkräfte den US-Truppen verschiedene Informationen mitteilen können. Dafür mussten sie allerdings ihre Zuhörerschaft erreichen. Und die Soldaten schalteten ihre Rundfunkgeräte am ehesten ein, wenn sie sich unterhalten fühlten. Das „Prinzip Unterhaltung“ fand sich in allen Programmteilen des Militärrundfunks wieder. Dies galt zum einen für die entkommerzialisierten Radioprogramme der US-Networks, die AFRS kostenlos verbreiten durfte und an denen sicherlich etliche von Works Zuhörern mitgearbeitet hatten. Unterhaltende Qualitäten sollten aber auch die Eigenproduktionen des Militärrundfunks haben, und zwar diejenigen der Mutterorganisation in den USA ebenso wie die von einem lokalen Sender wie AFN in Europa. Das Hören des Radioprogramms war für die Soldaten in Übersee als harmlose Freizeitbeschäftigung gedacht, mit der sich Langeweile und Heimweh entgegenwirken ließ. Musik und Entertainment spielten dabei eine wichtige Rolle, sie waren jedoch kein Selbstzweck. Die Programmgestalter sprachen bei der Unterhaltung oft von einem Zuckerguss, der ihnen helfe, wichtige Botschaften an ihre Hörerschaft zu bringen. In späteren Jahren wurde auch die Romanfigur Mary Poppins bemüht: „A spoonful of sugar helps the medicine go down.“ Das Löffel1 2
Radio on the Battle Fronts (Address given by Martin H. Work at the Los Angeles Advertising Club – 7 December 1943), MS, 4, Box 9, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Ebd., 1 f.
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Das Programm
chen Zucker sollte zum Beispiel helfen, die Staatsbürger in Uniform mit Nachrichten zu versorgen oder mit Informationen von ihren Kommandeuren. In diesem Kapitel soll es vor allem um vergnügliche Programmbeiträge mit Theater, Comedy, Show oder Musik gehen. Als einziger Sender für ein heterogenes Publikum musste AFN die gesamte Bandbreite des Unterhaltungsspektrums abdecken. Die Palette an Wort- und Musikbeiträgen reichte daher von leicht bis anspruchsvoll und richtete sich mal an Minderheiten und dann wieder an die Mehrheit des Publikums. Der Sendeplan von AFN war daher sehr kleinteilig und veränderte sich zum Teil sehr rasch. Zum Thema Unterhaltung kann daher nur ein grober Überblick gegeben und einzelne Beispiele herausgegriffen werden. Dabei wird es weniger um die Lieferungen von AFRS gehen, sondern vor allem um die Eigenproduktionen von AFN. Dazu gehörten unterhaltende Wortbeiträge ebenso wie verschiedene musikalische Darbietungen. Unterhaltungssendungen machten den größten Teil des AFN-Programms aus. Über fünfzig Prozent eines jeden Sendetags bestritt die Rundfunkstation mit Musik, ungefähr zwanzig Prozent kamen aus den Bereichen Comedy, Varieté oder Hörspiel. Der europäische Sender war dabei unbedingt auf die Lieferungen von AFRS angewiesen. Während des Zweiten Weltkriegs hatte die Mutterorganisation des US-Militärrundfunks etliche eigene Unterhaltungssendungen hergestellt, darunter so bekannte Shows wie „Command Performance“, „Mail Call“ oder „G. I. Journal“. Darüber hinaus bearbeitete und verschickte AFRS beliebte Programme aus dem kommerziellen US-Rundfunk, etwa die Comedy von Fred Allen, Jack Benny oder Bob Hope. Es gab Musiksendungen mit Bing Crosby, Dinah Shore oder Andre Kostelanetz. Hinzu kamen Hörspielreihen wie „Suspense“ oder das „Lux Radio Theater“, Letzteres unter dem Titel „Your Radio Theater“. Wie sich an der neuen Bezeichnung erkennen lässt, entfernte AFRS vor der Verbreitung dieser Sendungen die Nennung von Sponsoren und andere Formen von Werbung.3 Nach Ende des Krieges musste AFRS seine Aktivitäten in der Programmproduktion erheblich einschränken. Der US-Militärrundfunk stellte vor allem Informations- und Bildungsprogramme selbst her und konzentrierte sich im Unterhaltungsbereich auf die Entkommerzialisierung von Network-Programmen. Nach 1945 galt es auch, ein immer heterogener werdendes Publikum zu bedienen. Die Militärsender in aller Welt brauchten nun auch Sendungen für 3
Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948; Analytic Survey of Broadcast Schedule A-F-N Week 27 February – 5 March 1955, 1. August 1955, in: The AFN Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/ Info, Army Staff, RG 319, NACP; Jack Brown/Vincent J. Harris, AFRTS. A Radio and Television Programing Chronicle, MS, November 1980, 1 ff., Box 5, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 23–31, 91 ff.
Unterhaltung
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Frauen und Kinder. Im Tagesprogramm gab es für jüngere Hörer zum Beispiel den Kindertheaterklassiker „Let’s Pretend“, die Westernserie „The Cisco Kid“ oder „Meet Corliss Archer“, eine Sitcom für Jugendliche. Zahlreiche Comedy-Sendungen tagsüber wandten sich vor allem an weibliches Publikum, Serien wie „Maisie“, „Meet Millie“ oder „Junior Miss“ drehten sich um eine Frau als Hauptperson. An einem typischen Sendetag brachte AFN aber auch zahlreiche weitere US-Komiker, etwa die in den USA höchst beliebten Programme „Fibber McGee and Molly“, „Amos ’n’ Andy“ oder „Burns and Allen“. Es gab fortlaufende Sitcoms wie „Father Knows Best“ oder „Our Miss Brooks“ ebenso wie die Polizeiserie „Dragnet“ oder den Erwachsenenwestern „Gunsmoke“. Etliche Sendungen waren auch als Anthologien angelegt, etwa der Krimi-Dauerbrenner „Suspense“. Für das Radio wurden zahlreiche Hörspiele und andere Beiträge unter sechzig Minuten Länge hergestellt, die auf bekannten Büchern, Theaterstücken oder Filmen basierten. Diese baute AFN als eigenständige Serien in sein Programm ein oder nutzte sie als Einzelbeiträge. Lange Jahre gab es zum Beispiel Montag- bis Freitagsabend das „AFN Playhouse“, in dem unter anderem Einzelfolgen von „Suspense“, „The FBI in Peace and War“ oder „The Screen Guild Theater“ gebracht wurden.4 Einige Sendungen aus der Kategorie Unterhaltung-Wort produzierte AFN auch selbst. Häufig waren dies kürzere Beiträge, im Jahr 1946 etwa die umstrittene Serie „Life Can Be Rough in the E. T.“, das 15-minütige Frauenprogramm „It’s a Woman’s World“ oder die ebenso lange Poesie-Sendung „Vocal Touch“ kurz vor Mitternacht. Der europäische Militärsender stellte aber auch längere Unterhaltungsprogramme her, nicht selten auch mit klassischen Themen. Für Sendereihen wie „AFN Showcase“ oder „European Storybook“ entwickelten Redakteure eigene Geschichten oder adaptierten literarische oder dramatische Vorlagen. Diese wurden mit Hilfe von AFN-Mitarbeitern und amerikanischen Laienschauspielern im Studio aufgenommen. Ende der fünfziger Jahre wagte sich AFN mit seinen Produktionen auch auf öffentliche Bühnen. Für „Playhouse 55“ (benannt nach der Länge der Sendezeit) spielte AFN im Amerikahaus München Stücke nach literarischen Vorlagen von Aristophanes, Alexander Ostrowski, Henrik Ibsen und anderen ein. Eine solche Sendung erfüllte mehrere Zwecke. Zum einen benötigte AFN diese Art von
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Armed Forces Radio Service Forward Plan, 1 November 1945 to 1 July 1946, Box 4, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; „H“ Productions As of 31 October 1945, ebd. Siehe auch AFN May Restort To „Soap Opera“ For ET Women, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 24 (Herbst 1946); „Theater Guild“ Skedded for Net, in: AFN Weekly Digest, 30. Januar 1954; Ralph Jones, Pull Up a Chair and Hear the Latest Movies, in: American Weekend, 22. Januar 1955. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 67 ff.; Douglas, Listening In, 100–123; Dunning, On the Air; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 162–175, 274.
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Das Programm
Programm dringend, andererseits konnte er seine Arbeit auch öffentlichkeitswirksam darstellen.5 Viele andere Unterhaltungsprogramme hatte AFN bereits seit seinen Anfängen in Großbritannien vor Publikum produziert. Die erste Außenaufnahme strahlte die Radiostation nur drei Tage nach ihrem Sendestart aus. In dem Programm „Uncle Sam’s Boys Entertain“ spielte eine Live-Band aus einem amerikanischen Service Club im nordirischen Belfast. In der folgenden Zeit nahm AFN zahlreiche Konzerte, Musikrevuen oder Bunte Abende in Militärclubs im Vereinigten Königreich auf. Durch solche Veranstaltungen wurde AFN für die Soldaten sichtbar und etablierte sich als feste Größe für attraktive Freizeitgestaltung. Vor Ort arbeitete der Sender mit militärischen oder mit den Streitkräften kooperierenden Organisationen zusammen. AFN hatte beispielsweise 1946 eine lokale Ausgabe der amerikanischen Kuppelshow „Blind Date“ im Programm. Diese wurde einige Tage vor der Sendung im Höchster Club des Amerikanischen Roten Kreuzes aufgenommen. Talentierte Soldaten aus dem gesamten Sendegebiet waren für „It’s All Yours“ nötig. In der großen Sonntagabend-Show spielte stets eine 20-köpfige GI-Band, außerdem traten eine Sängerin und wechselnde Gäste aus dem Europäischen Befehlsbereich auf.6 Einem Trend aus dem US-Rundfunk folgend, brachte AFN in den fünfziger Jahren verstärkt Ratesendungen. Diese wurden zum Teil von AFRS geliefert; das extrem populäre TV-Programm „The $64,000 Question“ kam zeitweise sogar als Kurzwellenübertragung nach Übersee. Verhältnismäßig groß zog AFN 1954 eine Abwandlung der Show „What’s My Line?“ („Was bin ich?“) auf. Bei „What Was My Line?“ musste ein prominent besetztes Rateteam den zivilen Beruf von verschiedenen Militärangehörigen herausfinden. Hunderte von Soldaten bewarben sich als Kandidaten, vom ehemaligen Akrobaten über einen Friseur bis zum Bestatter.7 Auch andere Quizformate wurden vom Militärsender auf den Europäischen Befehlsbereich zugeschnitten. 5
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„1. Lt. Col. Oren Swain […]“, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 5 (April 1946); It’s a Woman’s World, ebd. Jg. 1, Nr. 15 (Juli 1946); Poetry on the Air, ebd. Jg. 1, Nr. 25 (November 1946); AFN Launches „Playhouse 55“, in: SACom Scene, 24. Oktober 1958; AFN’s 2nd „Playhouse 55“ Show Set For Amerika Haus Today, ebd., 7. November 1958. Siehe auch Report to AFN by American Network Representatives 1956, 7, AFN Historical File. Vgl. Sterling/Kittross, Stay Tuned, 343. Höchst American Red Cross Weekly Program, July 7 – July 13, 1946, Material von Harry Whitcomb; „It’s All Yours“, in: Weekend, 13. April 1947. Vgl. Christman, „This Is AFN …“ (1988), 30. Plans Set For Net Show, in: AFN Weekly Digest, 13. März 1954; Kastle Kaperz, ebd.; AFN to Broadcast Quiz Shows From Frankfurt Theater, in: Stars and Stripes, 17. März 1954; Guessing Show Starts on AFN, ebd., 26. März 1954; George Learned, They try to find – „What Was My Line?“, ebd., 2. Mai 1954; Park Avenue Hillbilly to Appear on AFN Show, in: AFN Weekly Digest, 22. Mai 1954. Vgl. Sterling/Kittross, Stay Tuned, 182, 346 f.
Unterhaltung
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AFN Stuttgart etwa produzierte „Deduction“, das Elemente der US-Sendung „Twenty Questions“ übernahm, und bald lokal bekannte „Ratefüchse“ hervorbrachte. Wer als Soldat an einem solchen Programm teilnahm, vertrat – wie bei sportlichen Wettkämpfen – seine Einheit, Armee oder Waffengattung. Oft wurden auch Teams gebildet: Beim „Quiz of Two Cities“ kamen die Teilnehmer von verschiedenen Standorten, beim „Khaki and Blue Quiz“ trafen Mitglieder von Heer und Luftwaffe aufeinander. Wie groß das Interesse der GIs an solchen Wettbewerben war, zeigen zahlreiche Berichte in lokalen Militärzeitungen.8 Mit dem amerikanischen Quizshow-Skandal im Jahr 1958, bei dem Absprachen zwischen Sponsoren, Sendern und Teilnehmern bekannt wurden, verlor das Format auch in Übersee seine Unschuld. In der sechswöchigen AFN Berlin-Serie „It Pays to Know“ traten ab Oktober 1959 Teams aus allen Bereichen des Berlin Command gegeneinander an. Nach einem wechselhaften Spielverlauf gewannen die Special Troops die Schlusswertung vor der Third und Second Battle Group. Einige der Verlierer beschwerten sich später beim Berliner US-Hauptquartier, dass ihre Fragen viel schwieriger gewesen seien als die der Konkurrenten: „The Third [Battle Group] men lost the final contest last week, and claimed that the AFN personnel, who are desk officials, had rigged the queries in favor of the Special Troops, likewise administrative workers.“ Trotz dieser Beschwerde sah der Berlin Command keine Veranlassung, eine Untersuchung einzuleiten.9 Bei der Gestaltung jährlich wiederkehrender Gedenk- und Feiertage mussten die AFN-Mitarbeiter kreativ vorgehen. Denn gerade an Familienfesten wie Thanksgiving oder Weihnachten war es wichtig, dem GI-Publikum fern der Heimat ein attraktives Radioprogramm zu bieten. Die journalistische Herausforderung bestand darin, die Sehnsucht nach liebgewonnenen Feiertagstraditionen zu befriedigen und trotzdem nicht jedes Jahr das Gleiche zu bringen. Innovative Programmelemente waren aber häufig auch eine Kostenfrage. Abwechslung ins Feiertagsprogramm brachte AFN zum Beispiel durch die Übertragung der Christmette aus dem Vatikan oder mit einem Bericht über 8
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Siehe etwa Quiz Program Slated at Club, in: Stuttgart Post News, 30. Januar 1953; Ernie Reed, VII Corps ‚Quiz Kid‘ Earns Repute as AFN Panel Expert, in: Stars and Stripes, 6. August 1953; EM of 30th FA Bn Take Part in Quiz, in: Guardian, 30. Januar 1953; Services Quiz, in: Raider, November 1954; AFN Quiz Show Schedules Spang, in: Photogram, 15. Oktober 1954. Contestants Claim „Fix“ on AFN Show, in: Variety, 30. Dezember 1959 (Zitat). Siehe auch AFN Airs New Quiz Program „It Pays to Know“ Tonight, in: Berlin Observer, 30. Oktober 1959; AFN’s New Soldier Quiz Show Labeled Big Success, ebd., 6. November 1959; Special Troops Nabs 2nd Win In Radio Quiz, ebd., 13. November 1959; 3rd BG Takes Over AFN Quiz Program Lead, ebd., 27. November 1959; Two Teams Tie For AFN Radio Quiz Lead, ebd., 4. Dezember 1959; Special Troops Wins AFN Quiz Series Jackpot, ebd., 11. Dezember 1959. Vgl. etwa Sterling/Kittross, Stay Tuned, 348, 361 ff.
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Das Programm
eine große dänische Feier zum amerikanischen Unabhängigkeitstag. Es gab Beiträge zu gesetzlichen Feiertagen wie Washingtons Geburtstag oder zu inoffiziellen Traditionen wie dem Muttertag. Militärische Gedenktage wie den Armed Forces Day oder den 8. Mai als Tag des Sieges in Europa im Zweiten Weltkrieg gestaltete der Militärsender zum Teil sehr aufwendig.10 Und nun: Musik Im Bereich der Unterhaltung lagen musikalische Darbietungen in der Gunst von Radiohörerinnen und -hörern weit vorn. Bereits in den vierziger Jahren widmete AFN über die Hälfte seines Programms der Musik. In der Vorliebe für bestimmte Musikrichtungen ging der Geschmack der Hörerschaft weit auseinander. Eine Studie der US-Streitkräfte in Europa aus dem Jahre 1946 fand zum Beispiel heraus, dass 74 Prozent der Befragten Unterhaltungsmusik mochten, Sendungen mit Klassik oder Country jedoch polarisierten. Bei der Programmplanung galt es folglich, dem mehrheitsfähigen Wunsch nach aktuellem Mainstream zu berücksichtigen, aber auch die Bandbreite an speziellen Musikpräferenzen abzudecken. Die Zuordnung einzelner Beiträge zu gewissen Genres ist im Nachhinein kaum möglich, und die überlieferten Analysen des Musikprogramms sind lückenhaft und zum Teil sogar widersprüchlich. Dies hängt unter anderem davon ab, zu welchem Zweck AFN die Zahlen brauchte oder in welchem Kontext sie publiziert wurden. Der Autor eines Artikels im englischen Daily Mirror etwa nutzte die Zusammensetzung des AFN-Programms, um die seiner Meinung nach elitäre BBC zu kritisieren und nannte daher für AFN extrem hohe Zahlen für Unterhaltungsmusik. In diesem Sinne sollten auch die nachfolgend zitierten Angaben nur als ungefähre Werte verstanden werden, die nicht ohne Hintergedanken erstellt worden sind: Ein Zeitungsartikel in der Stars and Stripes von 1948 etwa erwähnt für AFN einen Programmanteil von 43 Prozent für popular music, zehn Prozent für Klassik und fünf Prozent für Country. In einer Programmanalyse von 1955 geht der Sender von einem 55-prozentigen Anteil von Musik aus. Davon seien etwa dreißig Prozent „populärer“ und etwa 13 Prozent „semi-klassischer“ Musik gewidmet (deutsche Rundfunksender benutzten dafür damals die Kategorien 10
Siehe etwa C/TI&E an C/S EUCOM, 6. Dezember 1948, Box 79, Dec File 1948, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; Sgt Stratton To Normandy For AFN Show, in: Berlin Observer, 2. Mai 1952; AFN to Air Tribute On Mother ’s Day, in: Stars and Stripes, 2. Mai 1953; AFN to Cover „Fourth“ in Denmark, in: Sentinel, o. D. [Ende Juni/Anfang Juli 1954]; AFN to Broadcast Thanksgiving Rites, in: Stars and Stripes, 23. November 1954; Army-Navy Game, CBS Drama Top AFN Week, ebd., 21. November 1954; Old, New Worlds to Meet on AFN Yule Programs, ebd., 15. Dezember 1954; Request Scheduling Explained by AFN, ebd., 26. Januar 1955; NATO Talks, V-E Day To Head AFN Week, ebd., 8. Mai 1955; AFN Planning Special July 4 Holiday Shows, ebd., 2. Juli 1955.
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leichte beziehungsweise gehobene Unterhaltungsmusik). Grob gerundet lag der Anteil von Klassik und Country bei jeweils fünf Prozent, verzeichnet wurden auch 1,2 Prozent progressive music (Jazz).11 Um den Publikumswünschen nachzukommen, musste sich der Sender zunächst nach den allgemeinen Trends der amerikanischen Musikszene richten. Standen etwa bei der Gründung von AFN Swing-Bands im Mittelpunkt des Interesses, kamen nach 1946 romantische Balladen in Mode, später folgten Wellen wie Rock ’n’ Roll, Pop oder Rock. Den überwiegenden Teil ihres Repertoires bekamen die europäischen Radiostationen von AFRS. Die Musiksendungen und jedes einzelne Lied durchliefen dabei die bei der Militärorganisation üblichen Bearbeitungsprozesse. Wurde ein Titel in den USA zu einem Hit, dauerte es in den ersten Jahren etwa sechs Wochen, bis er AFN erreichte. In den Fünfzigern mussten amerikanische Hörer in Europa noch mit einer Verzögerung von vier Wochen rechnen, Anfang der Sechziger waren es noch drei Wochen. Die Verwendung von kommerziellen Aufnahmen oder Schallplatten war offiziell verboten. Um „brandneue“ Hits bringen zu können, setzten sich Moderatoren von lokalen Musiksendungen bisweilen über diese Vorschrift hinweg.12 Laut seinen Statuten durfte AFN auch selbst Musik aufnehmen. Diese sollte den Qualitätsstandards des Militärrundfunks entsprechen und musste vorher von höheren Stellen genehmigt werden. Etliche bekannte Künstler auf Europatournee sangen oder spielten extra für AFN oder ließen zu, dass der Sender einen öffentlichen Auftritt von ihnen mitschnitt. 1953 etwa nahmen AFN-Mitarbeiter ein Konzert mit dem Jazzorchester von Stan Kenton in Stuttgart auf: „The actual record was a cinch compared to the reams of paper-work that preceded it.“13 Bürokratische und rechtliche Hindernisse galt es allerdings vor allem bei bekannten Musikern zu beseitigen. Viel öfter nahm AFN Künstler aus den US-Streitkräften oder deren Umfeld auf. AFN Munich be11
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What the American Soldier Says About AFN in Germany, Januar 1947, Anlage zu Glavin an SGS, USFET, 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; Analytic Survey of Broadcast Schedule A-F-N Week 27 February – 5 March 1955, 1. August 1955, in: The AFN Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/ Info, Army Staff, RG 319, NACP (vgl. Hinweis in Kapitel 7, Anm. 39). Siehe auch Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948; Clifford Davis, It’s bounce that does it, in: Daily Mirror, 14. März 1953. Bedlam Scores With New Scores, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 23 (Oktober 1946); Radio Moscow In Switch to Jazz, in: Variety, 29. Juni 1955; AFN Has Worries … Trying To Please Listeners, in: American Weekend, 5. Mai 1956; AFN Is Free of Payola, Officials Declare, ebd., 5. Dezember 1959; Red Tape Ties Up AFN Plans to Air „Top 10“ to GI Audience in Europe, in: Variety, 1. Mai 1963. Stuttgart Says, in: AFN Weekly Digest, 19. September 1953. Cinch bedeutet Kinderspiel oder Klacks.
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Das Programm
richtete im Mai 1953 zum Beispiel davon, dass er mit diversen Militärbands zusammenarbeitete: Mit der 6th RCT Band und weiteren Heeresmusikkorps zeichnete man für die Sendereihe „Bandstand“ Militärmusik auf, die USAREUR Bandsman’s School lieferte Stücke für die Show „American Music Hall“, während die 43rd Infantry Band zusammen mit einem Sänger und einer Sängerin aktuelle Hits einspielte.14 Hinzu kamen zahlreiche Aufnahmen mit Soldaten, die in ihrer Freizeit musizierten. Die US-Streitkräfte förderten solche Aktivitäten und boten unter anderem bei Talentwettbewerben die Möglichkeit zu öffentlichen Auftritten. Diese reichten von der untersten lokalen Ebene über regionale Ausscheidungen bis hin zu Veranstaltungen in den USA mit in aller Welt stationierten GIs. Bei europäischen Wettbewerben mischte oft auch AFN mit. Seine Mitarbeiter moderierten zum Beispiel die Veranstaltung, saßen in der Jury oder hielten Ausschau nach möglichen Interpreten für ein Radioprogramm. Der Militärsender bekam dadurch sowohl geeignetes Sendematerial als auch Lokalkolorit. Eine Gruppe wie die Esquires war zeitweise der Stolz der gesamten US-Luftwaffe in Europa, während die Country-Band Berlin Mountaineers wohl vor allem die Hörerschaft in der geteilten Stadt erfreute. Grant Everly erinnert sich beispielsweise, dass er und seine Kameraden die Mountaineers während des Dienstes auf einem tragbaren Radio hörten: „Believe me on Wednesday at 1500 all activity stopped when they were on.“15 Die Qualität der Amateurmusiker war ganz unterschiedlich, denn für AFN zählte letztlich, ob sie bei ihren Kameraden beliebt waren. Und daher gab es Einzelkünstler und Gruppen, die einmal in einer Lokalsendung auftraten, andere bestritten ganze Sendereihen für das gesamte Network. Für viele Beteiligten endeten solche musikalischen Karrieren jedoch meist durch eine Versetzung oder das Ende ihrer Militärzeit.16 Konnte AFN bestimmte Musikgenres oder Sendungen nicht durch „Army talent“ abdecken, suchten die zuständigen Redakteure in den von US-Soldaten frequentierten Clubs nach geeigneten professionellen Combos. Denn un14
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Editorial Policy for the American Forces Network, o. D., Anhang zu C/USA Element AFN an C/Info Div, USAREUR, o. D. [Juni 1959], 250/57 Command Report File, NASL. Siehe auch Colin Rosse, Munich Mike Notes, in: AFN Weekly Digest, 30. Mai 1953; AFN Gets OK on Recording Bands on Foreign Tours, ebd., 17. Oktober 1953; Don Kimball, the record realm, in: Sentinel, 30. Oktober 1953. Grant Everly, „Berlin 1948–1952“, 2. März 2003: http://www.inic.org/board/?topic =topic1&msg=381. Vgl. Berlin’s „Herr Hillbilly“ Scheduled for Stateside, in: Berlin Observer, 2. Mai 1952. Staged as Big Musical Show U. S. Army Talent Performs, in: Stuttgart Post News, 16. Januar 1954; AFN Airs Top Service Talent, in: WACom Courier, 18. Februar 1955; Top Finalists Play Tonight On AFN Show, in: Chronicle, 8. April 1955; Clippertones to Make Finale at Ivy, in: Ivy Leaves, 3. Februar 1955; USAFE Picks Talent Winners to Compete in States, in: Stars and Stripes, 11. Mai 1955; Transfer Break Up Top Quartet, in: American Weekend, 10. Dezember 1955; Name Withheld by Request, Country Music (B Bag), in: Stars and Stripes, 10. April 1959.
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abhängig von ihrer Nationalität spielten diese Musiker den Stil und das Repertoire, das die Hörerschaft von AFN mochte. In den vierziger Jahren begrüßte AFN Munich-Mitarbeiter Mark White die Hörer der Sendung „Bavarian Bandstand“ zum Beispiel aus einem US-Militärclub in Starnberg: Good evening everyone. Yes, it’s time once again to join us here on our Bavarian Bandstand and listen to the music starrings of Walter Schock and his orchestra emanating from the Mirror Room of the brand new Ball and Chain Club located in Starnberg just south of that Bavarian capital Munich Germany.17
Einige Orte oder einzelne Clubs hatten so gute Engagements, dass AFN dort auch ganze Sendereihen aufnehmen konnte. Mitte der fünfziger Jahre gehörte dazu beispielsweise die „Matinee From Berchtesgaden“ oder das nach einem beliebten Club in Garmisch benannte Programm „Casa Carioca“. Durch Auftritte in amerikanischen Militärclubs und bei AFN bekamen etwa Musiker wie Max Greger, Kurt Edelhagen und Paul Kuhn oder Sängerinnen wie Inge Brandenburg und Caterina Valente einen Karriereschub.18 Musikauswahl und schwarze Listen Bei der Auswahl von Musiktiteln hatten sich US-Militärsender diesseits und jenseits des Atlantiks an verschiedene Regeln zu halten. Zunächst einmal nahm AFRS die Lieder aus diversen amerikanischen Chart-Listen möglichst umfassend auf. Jeder einzelne Titel wurde allerdings daraufhin geprüft, ob seine Aussage oder einzelne Worte gegen den „guten Geschmack“ verstießen. AFRS orientierte sich dabei an den Selbstverpflichtungen der National Association of Broadcasters. Deren Mitglieder hatten für alle Programmelemente bestimmte moralische Standards vereinbart, die inhaltlich mit den Vorgaben der amerikanischen Federal Communications Commission übereinstimmten. Lieder durften zum Beispiel keine sexuellen Anzüglichkeiten oder Flüche wie „damn“ oder „hell“ enthalten.19 Einen einheitlichen Maßstab dafür, ob ein Musiktitel 17 18
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Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 3. Vgl. Shakeup in Munich, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 20 (August 1946). Hunt Downs, Program Confidential, in: AFN Weekly Digest, 30. Mai 1953; The Baumann Band, in: Garmisch This Week, 22. April 1955; AFN to Air New Bergen Series, in: Stars and Stripes, 27. März 1955; Don Davis, „Stan Kenton“ of Germany, ebd., 27. Mai 1955; AFN Highlights Dec. 3–9 Inclusive, in: Radio Review, 2. Dezember 1955; Ralf Dombrowski, G. I. Jane des Jazz, in: Süddeutsche Zeitung, 27./28. Februar 1999. Siehe auch Mark White, Memories of AFN Munich, 14. März 1988, MS, AFN Historical File. Zu diesem Thema siehe auch Kapitel 11. LTC R. E. Kearny, C/AFRS, 1. August 1948: AFRS Editorial Policy, Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP: „WHEN IN DOUBT, TAKE IT OUT.“; Armed Forces Radio Service Guide, o. O. o. D. [circa 1951], 129–137, Box 11, Histories, AFRTS, ebd.; AFN SOP 1965, 60 f., AFN Historical File. Siehe auch Stand By … Stuttgart, in: AFN Weekly Digest, 28. August 1954; TV Webs Ban „Mammy“ Songs, in:
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akzeptiert oder als anstößig empfunden wurde, konnte es allerdings nicht geben. Denn dafür waren die Gefühle bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu unterschiedlich und wandelten sich zudem stetig. AFRS lieferte daher auch viele in den USA umstrittene Titel an die amerikanischen Militärsender in aller Welt, warnte deren Mitarbeiter aber vor möglicherweise problematischen Inhalten. Oft waren auch Lieder, die AFRS nicht als Einzel-Titel verschickt hatte, in einer vom Militärrundfunk übernommenen Network-Show enthalten. Findige Moderatoren nahmen die betreffenden Stücke dann vor Ort noch einmal auf Tonband auf und hatten diese dann „halb-offiziell“ im Repertoire.20 Für AFN gab es auch spezifisch europäische Einschränkungen. Dabei ging es zunächst um Musikrechte. Hatte sich zum Beispiel ein Verleger die britischen Aufführungsrechte an einem Broadway Musical gesichert, ließ er meist bis zur Premiere in London die Verwendung der Musik vor britischem Publikum verbieten. In diesem Zeitraum durfte auch AFN die US-Originalversionen nicht spielen, darunter Hits aus Shows wie „The Pajama Game“ oder „Silk Stockings“. Ähnliches galt auch für Stücke aus einigen Kinofilmen. Vor allem bei den Musicals dauerte es mitunter Jahre, bis bestimmte Titel von der restricted list gestrichen wurden.21 Jeder Militärsender in Übersee sollte zudem auf die öffentliche Meinung im gastgebenden Land Rücksicht nehmen. Die Richtlinien dazu erstellten die Militärbehörden zusammen mit den US-Botschaften vor Ort. AFN-Mitarbeiter erinnern sich in Bezug auf Deutschland vor allem an ein Lied wie „Der Fuehrer’s Face“ aus den vierziger Jahren, das ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr gespielt wurde, oder den späteren Verzicht auf den Johnny Horton-Titel „Sink the Bismarck“ aus einem populären Kriegsfilm.22
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Daily Variety, 8. Mai 1956; Interested, Sound Censorship? (Letter to the Editor), in: Stars and Stripes, 18. Juni 1969. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 136; Ellmore, Broadcasting Law & Regulation, 260–267. Im ehemaligen Programmarchiv von AFN Frankfurt fand die Autorin zum Beispiel eine Schallplatte mit der Radiosendung „Billboard’s Rock Yearbook ’80“ auf deren Hülle handschriftlich vermerkt war: „Hour 4, Part 1 […] contains most of Zappa’s ‚I Don’t Want to Be Drafted‘ [sic] Hour 5 pt 1 contains ‚Dirty Deed Done [Dirt] Cheap‘ from AC/DC which AFRTS did NOT send us.“ (AFRTS Special 4 A und B: Billboard’s Rock Yearbook ’80 Hour 4 und Hour 5). Siehe auch COL J. L. Chamberlain, Dep C/TIED, an C/TIED, 9. Juni 1953, Folder: 333 Visits – 1953, Box 435, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. B. E. G., It’s a Hometown Ban (B Bag), in: Stars and Stripes, 6. November 1954; Brit. Pubs Ban U. S. Showtunes To GI’s in Reich, in: Variety, 23. März 1955; Show tunes banned on AFN Network, in: Melody Maker, 9. April 1955; Radio Moscow In Switch to Jazz, in: Variety, 29. Juni 1955; Art Watt/Tom Dorsey, Officials Clash On AFN France, in: American Weekend, 29. Oktober 1955; Summary of an Article on AFN Berlin Appearing in „Blickpunkt“ (Autor: Jürgen Frohner), 6. Juni 1957, AFN Historical File. AFN SOP 1965, 60 f., AFN Historical File; Gespräch mit Gary Bautell, 5. August 1999. Siehe auch AFN’s „Record Smashing“ Sparks States Protest, in: Overseas Familiy, 29. Juli 1966; Jazz Disk Treasures Almost Victim of U. S. Army’s „Smash“ Order, in: Variety, 24. August 1966. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 136.
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Im Nachlass von Gisela Breitkopf, der langjährigen Mitarbeiterin im Programmarchiv von AFN Frankfurt, hat sich die Restricted Music List für die europäische Senderkette aus dem April 1966 erhalten. Diese Liste umfasst insgesamt 532 Einzeltitel, davon 414 aus Broadway Musicals. Warum die restlichen Musikstücke nicht gespielt werden durften, erschließt sich nicht immer sofort, lässt sich aber oft vermuten. Etliche erschienen den Entscheidungsträgern wohl moralisch anstößig wie etwa „Baisez-moi“, „I Know You’re Married, But I Love You Still“ oder „My Baby Rocks Me“. Während einige Stücke gar nicht verwendet werden durften, ging es bei anderen nur um die Version eines bestimmten Künstlers. Einen Sonderfall stellte das Lied „If You’ve Got the Money, I’ve Got the Time“ dar, das von keiner Sängerin interpretiert werden durfte. Wohl um religiöse Gefühle nicht zu verletzen, stand zum Beispiel auch das Weihnachtslied „O Come All Ye Faithful“ mit „Mickey Mouse & All Mouse Chorus“ auf dem Index, denn in anderen Versionen durfte es gespielt werden. Ähnliches galt für einige Titel mit umstrittenen Texten, die oft zumindest als Instrumentalversion zugelassen waren. Nicht ganz überraschend waren für den Militärrundfunk Lieder wie „Army Sergeant“ oder „What Can You Do With a General“ verboten. Verschiedene politische Gründe gaben wohl den Anlass, ältere Titel wie „I Don’t Want Your Greenback Dollar“ und „Only for Americans“ oder neuere Veröffentlichungen wie „Eve of Destruction“ und „We Gotta Get Out of This Place“ auf den Index zu setzen. In den historischen Unterlagen von AFN Frankfurt ließ sich auch eine AFRTS-Liste mit gesperrter Musik aus dem Mai 1970 finden. In ihr sind 252 Einzelstücke verzeichnet, die vor allem aus Filmen und MusicalProduktionen kamen. Dies legt die Vermutung nahe, dass über ein nachträgliches, inhaltlich begründetes Verbot von Musikstücken jeweils vor Ort (in diesem Fall im Europäischen Befehlsbereich) entschieden wurde.23 Das von AFRS gelieferte Material und die relativ wenigen offiziellen Einschränkungen gaben den Mitarbeitern von AFN beträchtliche Entscheidungsfreiräume. Und so lag es im Ermessen vieler einzelner Leute, ob ein bestimmter Musiktitel gespielt wurde – oder nicht. Wie an der Liste von 1966 gesehen, kam es vor, dass Lieder durch eine Anweisung aus der Sendezentrale für das gesamte Network verboten wurden. Manchmal entschied sich auch ein lokaler Programmchef gegen ein bestimmtes Stück. Die Leiter der einzelnen Sta23
CWO R. E. Moore, Adjutant AFN-E, an All AFN-E Program Producers and Editors, 15. April 1966 (Subject: Restricted Music List), Anhang zu E-Mail A. J. Janitschek an J. Provan, 16. September 2009; AFRTS-LA, Selections listed from the following productions are restricted, May 1970, AFN Historical File. Siehe auch AFN Program Br, Operational Message for Thursday, 11 January 1973, ebd.: „Attention all station managers and program directors: because of obscene lyrics, ‚Word Game‘ by Steve Still – P12571 cut number one (1) is restricted.“; CH, Program Operations Br, 8. November 1974, ebd.: Lighthouse Album Cut „Man, Woman, Child“ P-14898 – Cut 3. Vgl. Provan, The AFN Story, 218 f.
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tionen vertraten AFN nach außen und mussten immer wieder auf Beschwerden über einzelne anstößige Lieder oder musikalischen „Schund“ im Allgemeinen reagieren. Dies war vor allem dann nicht ganz einfach, wenn sich hochrangige Offiziere aus dem zuständigen Befehlsbereich einmischten. Wie sehr die Verantwortlichen solchen äußeren Druck abwehrten oder an ihre Mitarbeiter weitergaben, hing von ihrer Persönlichkeit, ihren Wertvorstellungen und zukünftigen Karrierewünschen im Militär ab. Ähnliches galt für den Redakteur oder Ansager, der die Musik zusammenstellte. Im Zweifelsfall musste jeder für sich selbst entscheiden, ob er ein umstrittenes Lied bringen und Ärger riskieren wollte. Im Laufe der Jahre zeigten AFN-Mitarbeiter die ganze Bandbreite möglichen Verhaltens: Sie reichte von eigenmächtigen und heimlichen „Säuberungen“ des Programmarchivs durch religiöse oder politische Eiferer bis zur Verteidigung jedes einzelnen Stücks aus Gründen der Meinungs- und Pressefreiheit. Beim Streit um Musiktitel ging es letztlich immer um sich wandelnde Wertvorstellungen oder Meinungsverschiedenheiten bei Themen wie Sexualmoral, Bürgerrechten oder außenpolitische Aktivitäten der USA. Die Konflikte innerhalb des US-Militärrundfunks spiegelten daher stets den Zustand der amerikanischen Gesellschaft wider.24 Trotz der erwähnten Einschränkungen sendete AFN mehr umstrittene Musiktitel als viele konservative US-Sender und deutlich mehr als die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Europa. Wie am Beispiel der BBC während des Zweiten Weltkriegs gesehen, sortierten deren Redakteure sehr viele Lieder und Musikstücke aus. Zum einen galten strikte Ausschluss-Kriterien: Nicht ausgestrahlt wurden zum Beispiel Lieder mit sexuellen Andeutungen, anti-royalen Tendenzen oder Songs, die die politische Lage „hysterisch“ kommentierten. Letzteres kam im Jahr 1961 vor, als die BBC das Lied „God, Country and My Baby“ von Chico Holiday bannte, da es Kriegsängste schüren würde. AFN hatte eine andere Version des Liedes drei Wochen vorher bekommen und seitdem einmal gespielt, ohne eine Reaktion von seiner Hörerschaft bekommen zu haben. Der Kommentar des AFN-Discjockeys zeigt beispielhaft, wie der Militärsender mit der Auswahl seiner Lieder umging: I must say the title bothered me a little, but I decided to play it one morning. I have had no requests for it since. There are so many tunes like this in the States right now and most are never heard of again. This one just happened to make it. Anyway, I’ve heard a lot worse.25
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Stand By … Stuttgart, in: AFN Weekly Digest, 28. August 1954; Name Withheld by Request, AFN’s Music (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 26. Juni 1960; Charles G. Adams sowie Ramona West, Cutting „Hair“ (Letters to the Editor), in: Stars and Stripes, 11. Juni 1969. Vgl. Army Bans „Bring Boys Home“, in: The Providence Journal, 17. Juli 1971. Siehe auch Suid-Interview Cranston, 104, Box 3, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. George Markstein, UK Radio Protests ‚Hysteria‘ Of New Pop Record About GI, in: Overseas Familiy, 17. November 1961.
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Anders als die öffentlich-rechtlichen Sender verstand sich der amerikanische Militärsender im Bereich der Unterhaltungsmusik nicht als Hüter der Volksbildung und Hochkultur. In den USA populäre Stücke wurden auf AFN ausgestrahlt, solange die amerikanische Hörerschaft in Europa dies wünschte.26 Präsentation von Musiksendungen In das Musikprogramm von AFN passten fertige AFRS-Sendungen ebenso wie Eigenproduktionen. Der europäische Militärrundfunk konnte zum Beispiel Erfolgsprogramme wie die „Hit Parade“ (aktuelle Unterhaltungsmusik) und die „Grand Ole Opry“ (Country) oder das Boston Symphony Orchestra (Klassik) ausstrahlen. Beliebt waren auch kleinere Shows mit so unterschiedlichen Musikern wie Benny Goodman und Kay Kyser in den vierziger oder Stan Kenton und Rex Koury in den fünfziger Jahren. Den Großteil der Musiksendungen produzierten AFN-Mitarbeiter jedoch selbst. Ihnen stand dafür umfangreiches „Rohmaterial“ aus Übersee zur Verfügung, also die vielen von AFRS gelieferten einzelnen Musikstücke, im geringeren Umfang auch eigene Aufnahmen und Live-Einspielungen. Das Zusammenstellen und die Präsentation solcher Programme entsprachen amerikanischen Rundfunkstandards. So sollten Wort und Musik stets eng verbunden sein, etwa durch harte Schnitte oder verschiedene Blenden. Ansager sprachen auch über ein Musikbett oder redeten in den instrumentalen Anfang oder Schluss eines Stückes. Die Moderation passte sich nicht nur inhaltlich der Art der Sendung an, sondern entsprach ihr auch in Sprechtempo und emotionalem Ausdruck. So sollte es vor allem auch bei Musiksendungen kein liebloses Ablesen, unabsichtliches Pausieren oder Zettelgeraschel geben.27 Wie aus einem Guss präsentierte sich etwa die Sendung „Music in the Air“. Sie lief ab 1948 montags bis samstags zwischen 19 und 20 Uhr und sollte den Soldaten beim Entspannen nach Feierabend helfen. Daher wurden nur instrumentale Stücke gespielt, die ruhig beziehungsweise unaufdringlich waren. Nach einer kurzen Vorschau auf den Inhalt der Sendung wurde die Musik in Segmenten von 15 Minuten präsentiert, dabei Titel und Interpreten nur kurz benannt. Es galt das Prinzip „Strictly music and very few words“.28 Jede Sendung begann mit dem Stück „You’re Everywhere“, gespielt von Victor Young, in die der jeweilige Ansager – hier Charles M. Hickman – mit ruhiger Stimme und perfektem Timing einfügte:
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Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 34–38, 46 ff. Siehe etwa Dunning, On the Air; Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 90–94. Vgl. Gushurst, Popmusik im Radio, 45, 69; LaRoche/Buchholz (Hg.), Radio-Journalismus, 192 ff., 344–355. Suid-Interview Vrotsos, 27, Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP.
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Das Programm Listen [Sprechpause, Musik lauter (Klavier)] there’s music in the air. [Sprechpause, Musik lauter (Orchester)] Good evening. From AFN’s Frankfurt studios this is PFC Charlie Hickman with another hour of your favorite music. So for a pleasant hour of beautiful melodies we invite you to relax [Sprechpause, Musik lauter (melodischer Einwurf der Flöten)] and listen [Sprechpause, Musik lauter (melodischer Einwurf der Flöten)] for there’s music in the air. [Musik weiter] Yes, here’s the first of this weeks programs of pleasant and very musical listening for the early evening.29
An diesem Abend folgten unter anderem Titel mit Orchestern unter der Leitung von Morton Gould, Dolf van der Linden oder Michel Legrand. Die wechselnden Produzenten und Ansager von „Music in the Air“ hatten sich dem Konzept der Sendung unbedingt unterzuordnen, welches sich im Laufe der Jahre nur minimal veränderte. Das Programm bekam bei Hörerumfragen von AFN bis in die späten sechziger Jahre höchste Zustimmungsquoten und war auch bei vielen europäischen Hörern beliebt. Die Sendung wurde daher auch von anderen Rundfunkstationen kopiert.30 „Music in the Air“ wurde etliche Jahre von John G. Vrotsos präsentiert, dessen elegante Radiostimme gut zu dieser Art von Sendung passte. Er kann als Beispiel für einen AFN-Ansager der alten Schule gelten: Er brachte zivile Rundfunkerfahrung mit, war vielseitig einsetzbar und konnte sowohl engagiert als auch zurückhaltend agieren. Corporal Vrotsos war bereits 1943 beim Sendestart von AFN dabeigewesen und übernahm dort nach einiger Zeit die Verantwortung für das Programmarchiv und die Produktion von Musiksendungen. Nach dem Ende von AFN London kam er nach Frankfurt, wo er mehrere Jahre als Zivilangestellter die Musikabteilung leitete und als Chefsprecher tätig war. Im November 1953 etwa las er täglich mehrere Nachrichtensendungen, moderierte „Music in the Air“, „Your Record Parade of Hits“ sowie „Blues for Monday“. Für dieses Jazz-Programm arbeitete er mit dem deutschen Musiker Günter Boas zusammen, für andere Sendungen hatte er auch schon mit internationalen Größen wie Norman Granz oder Oscar Peterson kooperiert. „Johnny V“ 29 30
„Music in the Air“ (AV). Etliche Ansager ließen allerdings einige der schwierigen Zwischenpausen weg. Vgl. AFN-Radio-Souvenirs (AV): „Music in the Air“; Provan/ Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 2, Track 2. COL O. McCormick, C/A-AF TI&E, EUCOM, an C/S, 27. Juni 1949, Box 127, Dec File 1949, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; Suid-Interview Brewer, 40 f., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Vrotsos, 25 ff., Box 9, ebd.; Gespräch mit Gary Bautell, 5. August 1999. Siehe auch There’s Music in the Air, in: Sentinel, 11. April 1953; Ralph Jones, AFN’s „Music in the Air“ To Celebrate 5th Year, 2000th Airing on Oct 18, in: Chronicle, 15. Oktober 1954; HY, Das wächserne Herz von AFN kann vier Jahre lang schlagen, in: Abendpost, 15. April 1955; Pfc Voice Behind The Voice On AFN’s Music In The Air, in: Army Times, 26. April 1955; Newscasts, „Music in the Air“ Voted Tops in AFN Poll, in: Stars and Stripes, 9. November 1962; AFN: Tuned To People, in: Army Times, 19. Juli 1967. Vgl. Striegler, Von „Zarah Diva“ bis „Bio’s Bahnhof“, 327 f.
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war bei Kollegen und vielen Künstlern beliebt und galt als Experte für bestimmte Musikstile. Er blieb bis 1963 bei AFN, in späteren Jahren war er allerdings nicht mehr für Musik, sondern für die Programmaufsicht von verschiedenen AFN-Sendern zuständig. In seinen über zwanzig Jahren bei AFN hatten sich sowohl die Musikszene als auch die Rundfunklandschaft verändert. Und so wechselte der auch als „Mister A. F. N.“ bezeichnete Vrotsos nach seiner Rückkehr in die USA in die Sportartikelbranche.31 Die Stars im US-Radio waren mittlerweile die Discjockeys, kurz DJs genannt. Den Begriff gab es seit den dreißiger Jahren als Pioniere wie Martin Block in seinem „Make Believe Ballroom“ nicht nur Musiksendungen mit Hilfe von Schallplatten zusammenstellten und kommentarlos abspielten, sondern Künstler und Titel wie Conferenciers bei einer Tanzveranstaltung ansagten. Während der vorgetäuschte Live-Aspekt schon bald wieder wegfiel, blieb doch die hervorgehobene Stellung des „Master of Ceremonies“ bestehen. Denn die Moderatoren konnten einem Programm nicht nur durch die Musikauswahl, sondern auch durch ihre Präsentation einen persönlichen Stempel aufdrücken. Viele Discjockeys improvisierten ihre Ansagen und reagierten oft spontan auf einzelne Stücke. Einige zeigten dabei auch Gefühle oder erzählten Privates. Durch den ungezwungenen Ton und die Offenheit des DJs fühlten sich viele Hörerinnen und Hörer direkt angesprochen. Sie hatten den Eindruck, wie mit einem Freund Platten zu hören und die Musik gemeinsam zu erleben. Der Discjockey wurde so zu einer eigenen Radiopersönlichkeit.32 Auch bei AFN gab es von Anfang an Discjockey-Sendungen. Sie waren preiswert zu produzieren und boten sich auch als lokales Format an, nachdem in der Sendergruppe Stationen mit unabhängigen Programmelementen entstanden waren. Die DJs waren meist junge Wehrpflichtige, die sich in der US-Mi31
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In einem Interview erläuterte Vrotsos die Situation nach seiner Heimkehr folgendermaßen: „[W]hen I came back, radio as I knew it didn’t exist. So I went into sporting goods.“ Er starb 1986 an einem Herzinfarkt. Suid-Interview Vrotsos, 40, Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Zitat). Siehe auch Anhang zu Gurney an Jackson, Mullins und Stebbins, 5. Juli 1943, Box 322, Dec File 1942–1948, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; AFN Department Directors Well Qualified For Duties, in: AFN’s 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947; Mr. V’s AFN Shows Run Gamut of Musical Taste, in: Chronicle, 30. Januar 1953; It’s in the Air, in: Spotlight, 27. November 1953; Ralph Jones, AFN’s „Music in the Air“ To Celebrate 5th Year, 2000th Airing on Oct 18, in: Chronicle, 15. Oktober 1954; Johnny Vrotsos, on the record, in: Stars and Stripes, 17. März 1955; American Forces Network Celebrates 20th Anniversary, in: Spearhead, 5. Juli 1963; Mister A. F. N., in: AFN. 20 Years of Service (AFN-Eigenpublikation); AFRTS Broadcast Notes Issue # 441, April 1986 (Kopie aus Box 1, Histories, AFRTS, RG 330, NACP). They Ride the Records, in: Weekend, 23. März 1947; Heiß vom Plattenteller, in: Spiegel, 17. Dezember 1952; Tom Dorsey, the record realm, in: Sentinel, 19. November 1954; Dick Kleiner, AFN Has „First“ D. J., in: American Weekend, 4. Juni 1955. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 78; Douglas, Listening In, 229–233; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 275, 277, 339 f.; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 237.
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litärgemeinschaft der Region auskennen und den Tonfall der AFN-Stammhörerschaft treffen sollten. Anders als in den USA waren überdurchschnittlich viele DJ-Programme Wunschsendungen, was zusätzlich für Publikumsnähe sorgte. Die Musikwünsche der Hörerinnen und Hörer wurden allerdings nicht wahllos erfüllt, sondern mussten in das jeweilige Format der Sendung passen. Die Moderatoren hatten zum Beispiel darauf zu achten, dass sich das Tempo der Stücke abwechselte oder auf den Titel einer Sängerin ein männlicher Interpret folgte. Die Konzepte der Programme variierten je nach Lokalsender und Zeitraum. Mal gab es etwa täglich eine „bunte Mischung“, dann wieder wurden bestimmte Musikstile für jede Sendung festgelegt. AFN Bremerhaven beispielsweise stellte im Herbst 1953 das System für seine 17-Uhr-Show „Bedlam in Bremerhaven“ um: „Instead of the mixed collection of discs each night, the opus concentrates on one type each pm. Pops fill up two stints; Bands, jazz, latin, western and novelty round out the week with Saturday as a catch-all.“33 Die AFN-Discjockeys präsentierten ihre Sendungen in ganz unterschiedlichem Stil. Dies hing zum Beispiel von der Tageszeit und dem Format der Sendung ab sowie von der Persönlichkeit und dem Können des Moderators. In Frühsendungen war morgendliche Fröhlichkeit ein Muss, gefragt waren außerdem zuverlässige Zeitansagen, Wetterberichte oder Verkehrsmeldungen. Unter Umständen baute der DJ kleine „Running Gags“ ein. Bei AFN Munich servierte in den vierziger Jahren ein deutscher Kellner mit einem „Grüß Gott“ das Frühstück, Anfang der Sechziger verkündete ein Frankfurter Discjockey mit verstellter Stimme als „Miss Helicopter“ das Wetter. Besondere Freiheiten genossen die Moderatoren der Nachtsendungen. Joe Neidig etwa war von 1950 bis 1952 bei AFN und präsentierte dort als Joe Knight oder „knight of the spinning round table“ das Programm „Night Watch“. In seine Zwischenmoderationen ließ er nach dem Zufallsprinzip Dialogzeilen oder Soundeffekte von Hörspielplatten einfließen. Viele Hörer liebten die absurden Überraschungen der improvisierten kleinen Szenen.34
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Bremerhaven Bedlam, in: AFN Weekly Digest, 26. September 1953 (Zitat). Siehe auch They Ride the Records, in: Weekend, 23. März 1947; Mid-Day Disk Jockey On AFN Staff Show, in: Chronicle, 8. Januar 1954; AFN Listeners Hear New Saturday Night Disc Show, ebd., 23. April 1954; Record Spinner Rotates With Wife Won by „Frolic at Five“, in: Berlin Observer, 27. Februar 1959. Vgl. Anniversary Show, AFN Munich, 8. Juni 1957, MS, 8, AFN Historical File. Vgl. Gushurst, Popmusik im Radio, 126; MacFarland, Up From Middle America; Morley, „This Is the American Forces Network“, 35 f. Here Are the AFN Men Whose Voices You Hear, in: Chronicle, o. D. [Juni/Juli 1952]; Don Kimball, Who’s Your Favorite Night Disc Jockey?, in: Overseas Weekly, 28. September 1952; George Markstein, AFN’s Miss Helicopter, in: Overseas Family, 8. Dezember 1961; Hank Heusinkveld, AFN Munich: Studio engineer returns to AFN – after 43 years, in: Alpine Echo, Januar 1989; Gespräch mit Joe Neidig, 25. September 1999.
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In der Regel waren die Schallplattensendungen bei AFN aber weit weniger ausgefallen. Für große Teile der Hörerschaft war vor allem wichtig, dass die musikalische Mischung einer Sendung stimmte. Bei Umfragen und Einzelreaktionen wurde zudem häufig der Wunsch „mehr Musik und weniger Gerede“ genannt, vor allem, wenn die Zwischenmoderationen wenig originell vorgetragen wurden. Eine ähnliche Meinung vertraten die Delegierten der amerikanischen Networks, die AFN 1956 besuchten. Sie lobten die Auswahl der Musik, forderten aber eine bessere Präsentation der Titel. Sie kritisierten das hohe Arbeitspensum der Sprecher und ihre zum Teil schlechte Ausbildung, die sich negativ auf die Moderationen auswirken würden. Die Discjockeys sollten zum Beispiel mehr Informationen zu den Musikstücken geben können und sich für ihre Ansagen eine klare Linie überlegen. Die Programmverantwortlichen von AFN wussten um diese Probleme. An so grundsätzlichen Missständen wie zu geringer Personalstärke oder fehlender Rundfunkerfahrung etlicher Wehrpflichtiger bei AFN konnten sie allerdings nur bedingt etwas ändern. Immer wieder warnten sie ihre DJs aber vor Geschwätzigkeit und mahnten Spritzigkeit an.35 Die Situation der Discjockeys bei einem Militärsender war durchaus speziell. Denn zunächst verschaffte ihnen ihre Aufgabe Anerkennung und Respekt. Die DJ-Programme lagen zu den Haupteinschaltzeiten von AFN, und seine Hörerschaft mochte sie sehr, wie sich in Umfragen zeigte und man an den zahlreichen Zuschriften ablesen konnte. Viele Moderatoren waren auch persönlich populär und verliehen dem Network oder einem Lokalsender Stimme und Gesicht. Sie vertraten AFN zum Beispiel als Ansager bei diversen Live-Veranstaltungen oder schrieben eine Musikkolumne in der örtlichen Militärzeitung. Den Wünschen einiger Hörerinnen und Hörer, die um ein Foto oder eine Autogrammkarte ihres Lieblingsmoderators baten, kam AFN allerdings nicht nach. Offiziell wurde dies damit begründet, dass der Militärsender dafür kein Geld hatte. Wichtig war aber wohl vor allem, dass die „RadioStars“ nicht zu stark aus dem militärischen System herausragen durften.36
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Hunt Downs, Net Reviews, in: AFN Weekly Digest, 15. August 1953; Disk jockey shows […], in: Overseas Weekly, 23. Januar 1955: „Too much talkin’, not ’nuff good listnin’.“; AFN Has Worries … Trying To Please Listeners, in: American Weekend, 5. Mai 1956: „more music and less talk“; Report to AFN by American Network Representatives 1956, 1, 7, AFN Historical File. Einen AFN-Formbrief für solche Höreranfragen findet man auf den Rückseiten einiger Blätter mit Zeitungsausschnitten aus dem Jahr 1954 im AFN Historical File. Siehe auch Cpl Jim Prince, AFN-Berlin, Music Your Way, in: Berlin Observer, 18. Dezember 1953; Ray Andolsek, D. Crockett Tops Pops, in: Sentinel, 27. Mai 1955; Top Jazz Experts Will Judge Finals, in: Arrow, 26. Oktober 1956.
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Abb. 8: Widersprüche beim Militärrundfunk II: Karikatur von Mike Lane aus dem Jahr 1962.
Vorgesetzte und Kameraden schätzten die DJs am meisten, die trotz ihrer Popularität keine Sonderbehandlung verlangten. Wer sich unkollegial oder gar „wie eine Diva“ benahm, war nicht nur schnell unbeliebt, sondern konnte auch als Soldat gemaßregelt werden. Denn dafür reichten schließlich Kleinigkeiten wie eine einmalige Verspätung oder eine Situation, in der ein Vorgesetzter sich nicht respektvoll behandelt fühlte. Dies musste zum Beispiel im Jahr 1961 der populäre Discjockey Glenn C. Lewis spüren, der nach einem Disziplinarvergehen nicht mehr die „Top of the Morning Show“ bei AFN Frankfurt moderieren durfte. Eine Karikatur aus der Zeit spielt auf diese Situation an. Sie zeigt einen nachlässig gekleideten Discjockey, der seinen Vorgesetzten auffordert: „Go ahead and call me ‚Artie‘, Sarge – all my fans do!“37 Die Soldaten am AFN-Mikrofon genossen gewisse künstlerische Freiheiten, hatten sich dem militärischen System aber unbedingt unterzuordnen. Das Ergebnis war bei den Mitarbeitern von AFN und bei ihrer Hörerschaft durchaus umstritten. Zum einen gab es immer wieder Menschen, die sich an der unmi37
Die Karikatur von Mike Lane stammt aus dem Jahr 1962. The More Things Change, The More They Stay the Same, in: AFN TV-Guide Jg. 19, Nr. 218 (Juli 1983), 118.
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litärischen Lässigkeit des Senders störten. Andererseits vermissten viele bei AFN auch echte Rundfunkpersönlichkeiten. In einem anonymisierten Leserbrief beschwerte sich zum Beispiel die Ehefrau eines US-Offiziers nach dem Rauswurf von Lewis: „We are now forced […] to hear another unimaginative disc jockey say ‚Now here’s Juli London singing ‚Cry Me a River‘‘, with all the cheerfulness of a coffin salesman.“38 Musikalische Trends und die Macht des Marktes Die Discjockeys bei AFN mussten sich auch aus einem weiteren Grund zurückhalten. In den fünfziger Jahren war Teilen der US-Rundfunk- und Musikindustrie der Einfluss der Radio-DJs zu groß geworden. Im Zuge des sogenannten Payola-Skandals gingen sie zum Beispiel gegen Moderatoren vor, die von Plattenfirmen Geld angenommen hatten, damit sie bestimmte Künstler in ihren Sendungen spielten. AFN war davon nicht betroffen, verpflichtete seine Mitarbeiter aber, jeden gespielten Titel aufzuschreiben und die Liste nach einer Sendung beim Programmchef einzureichen. Wurde ein Lied oder ein bestimmter Künstler auffällig häufig gespielt, musste sich dies begründen lassen, etwa durch Hörerbriefe mit den entsprechenden Musikwünschen. Des Weiteren hatten sich Discjockeys mit persönlichen Wertungen zurückzuhalten. Kommentare wie „This is the finest platter recorded this season“ durfte es bei AFN-Moderationen nicht geben.39 In seiner Öffentlichkeitsarbeit betonte der Militärsender, dass es bei AFN keine Schleichwerbung oder Korruption gäbe. Als Beispiel für die erfolgreiche Kontrolle führten die Verantwortlichen den Fall eines DJs an, der vergeblich versucht hatte, kostenlose Neuerscheinungen von Schallplattenfirmen zu bekommen.40 In diesem Zusammenhang wurde auch der Einfluss von AFN auf viele Musikkonsumenten in Europa diskutiert. Artikel in US-Branchenblättern wie Billboard und Variety beschäftigten sich mit dem amerikanischen Stammpublikum des Militärsenders sowie mit der auf etliche Millionen geschätzten europäischen Gasthörerschaft. Außerdem waren nicht nur die Hörerinnen und Hö38
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Dependent Wife, „Punished“ (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 22. April 1962 (Zitat). Siehe auch George Markstein, Radio Bug Loves Job, in: Overseas Family, 5. Januar 1962; „Miss Chopper“ Scrapes Nose, in: Overseas Weekly, 18. März 1962; Chopper Chopped, ebd., 1. April 1962; Name Withheld by Request, Prima Donna? (Letter to the Editor), ebd., 29. April 1962. AFN Disc Jockeys Have a Curb on Chatter, in: American Weekend, 18. April 1959. Die Listen mit den Musiktiteln der DJ-Shows hat AFN anscheinend nur einige Wochen oder Monate aufbewahrt. Siehe etwa AFN Is Free of Payola, Officials Declare, in: American Weekend, 5. Dezember 1959; Plugs Cut to a Minimum By Announcers at AFN, ebd., 14. Mai 1960; Armed Forces Network Trims Cuffo Plugs – But It’s Still Not Plugfree, in: Variety, 31. Mai 1960; 50 Mil Europeans Can’t Be Wrong, in: Billboard, 11. Juli 1960. Vgl. AFN SOP 1965, 60 f., AFN Historical File.
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rer von AFN direkt betroffen: An den Trends, die der Militärsender aus den USA übernahm und teilweise selbst kreierte, orientierten sich zum Beispiel auch etliche europäische Discjockeys, Musikredakteure oder die Aufsteller von Jukeboxen.41 Zu diesem Thema haben sich vor allem diejenigen eindeutig geäußert, die von einem direkten Einfluss von AFN auf europäische Musikmärkte ausgehen. Bislang ließen sich für die These, dass der Militärsender maßgeblich musikalische Trends in Europa gesetzt hätte, aber höchstens Hinweise für einzelne Lieder finden.42 Viele andere Autoren äußern sich zu diesem komplexen Thema daher auch deutlich vorsichtiger. Eine genauere Untersuchung müsste zahlreiche Faktoren zusammentragen, zu denen neben einer gründlichen Analyse von Plattenverkäufen etwa die Berichterstattung europäischer Medien, Kinofilme oder Musikertourneen gehören sollten.43 Die Versicherungen der AFN-Verantwortlichen, nichts mit Korruption zu tun zu haben, erscheinen glaubhaft. Doch selbst wenn AFN nur die neutral verpackten Sonderpressungen des US-Militärrundfunks spielte, gehörten seine Mitarbeiter zu den wichtigen Ansprechpartnern von Musikern und Schallplattenfirmen in Europa. Anfang der fünfziger Jahre besuchte etwa der Vertreter von Capitol Records regelmäßig die AFN-Sender. „Unser Kumpel Bob Weiss“, so die AFN-Hauspublikation, plauderte ganz unverfänglich über Neuerscheinungen und Star-Interna und lieferte den Discjockeys Informationen und Anekdoten für deren Moderationen oder Zeitungskolumnen. Selbstredend durfte AFN auch bei Capitol unter Vertrag stehende Musiker auf ihrer Europatournee interviewen oder sogar, wie bei Stan Kenton, ein ganzes Konzert aufnehmen.44 41 42
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Für die Besitzer von Jukeboxen druckte zum Beispiel die Zeitschrift Automatenmarkt zeitweise Hitlisten von AFN und anderen Sendern ab. Ein britischer Musikredakteur zeichnete zum Beispiel die Karriere eines Country-Titels in Großbritannien folgendermaßen nach: „The first copies reached the shops in September – and nothing happened. Then an AFN disc-jockey decided to programme it as a novelty. The angle of a cowboy singer coming to grips with a plushy ballad gave him something to talk about … By the next post, a whole sackful of approving letters reached the AFN offices. ‚Give Me Your Word‘ was played again. And again. Radio Luxembourg got in on the act. So, belatedly, did the BBC. For the first time in many months, a Tennessee Ernie disc began to figure in Britain’s Best-Selling Records listings.“ Rex Morton, Tennessee Ernie Rides Again!, in: New Musical Express, 4. März 1955. AFN Execs in Europe Check Deejay Payola By Close Supervision, in: Variety, 16. Dezember 1959; Omer Anderson, 50 Mil Europeans Can’t Be Wrong, in: Billboard, 11. Juli 1960. Vgl. Bloemecke, Roll Over Beethoven, 17–20; Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 43 f.; Craig, Military Broadcasting, 316 f.; Dussel, Hörfunk in Deutschland, 376; Galle, RIAS Berlin und der Berliner Rundfunk, 349. Siehe hierzu auch Kapitel 12. Stuttgart Says, in: AFN Weekly Digest, 19. September 1953; Don Kimball, the record realm, in: Sentinel, 30. Oktober 1953; Kastle Kapers, in: AFN Weekly Digest, 23. Januar 1954: „our buddy Bob Weiss“; „Wanna Buy a Record“ Set for AFN-Frankfurt TI&E May 19, ebd., 15. Mai 1954; Smiling guests of AFN […], in: Record News (Capitol), 14. Februar 1955; PFC Red Jones […], ebd.
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Der Verquickung mit der Musikindustrie konnte kein Radiosender entkommen, auch nicht der US-Militärrundfunk. Zahlreiche Programmankündigungen zeugen von der schwierigen Gratwanderung. 1955 lieferte AFRS zum Beispiel eine Sendereihe aus, die Capitol Records produziert hatte. In den PR-Texten vermied AFN es, den Namen der Plattenfirma zu nennen: „A wellknown record firm is loading its best talent into a new 30-minute weekly show which will be made available to AFN through the Armed Forces Radio Service under the title ‚Music Views From Hollywood‘.“ Vier Absätze weiter fällt der Name dann aber doch in der launig gemeinten Formulierung „Capitol fillies“. Einige Militärzeitungen druckten auch Fotos von beteiligten Musikern ab, die diese zum Teil hinter einem Mikrofon mit großem Capitol Records-Zeichen zeigten. Ähnliche Probleme gab es bei vielen Shows, die AFRS von den kommerziellen US-Networks übernommen hatte. Auch hier standen den Militärmedien nur die Werbefotos der Sender zur Verfügung und oft waren die Stars und Moderatoren mit den Logos von NBC, CBS, Mutual oder ABC abgebildet.45 Bei den Diskussionen um Payola ging es aber nicht nur um den Betrug am Publikum, denn Korruption hatte es in der Musikindustrie und im Radio schon lange vor den Discjockeys gegeben. Einflussreichen Gruppen in der amerikanischen Gesellschaft gefiel vor allem die Art der Musik und Kultur nicht, welche die DJs im Radio popularisiert hatten. Insofern gab es in den USA nicht nur einige Anti-Korruptionsverfahren, sondern auch aufsehenerregende Prozesse gegen Star-DJs und sogar eine parlamentarische Untersuchung.46 Hierin zeigten sich die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um Rock ’n’ Roll und jugendliche Protestkultur in den USA, die sich schließlich auch auf AFN auswirkten. Der Militärsender brachte Rock ’n’ Roll zum Beispiel in Sendungen, in denen aktuelle Chart-Hits gespielt wurden oder die sich explizit an Jugendliche richteten. Viele der jungen AFN-Discjockeys mochten „R’n’R“ ebenfalls und hätten ihn gerne extensiv in ihren Sendungen gespielt, zumal sie oft auch die entsprechenden Hörerwünsche zugesandt bekamen. Da diese Musikrichtung das AFN-Publikum aber spaltete, ließen ihnen die Programmchefs keine freie Hand. Ende der fünfziger Jahre durften Produzenten und DJs von Wunschsendungen nicht mehr als 25 Prozent Rock ’n’ Roll spielen, einige Programme mussten ganz ohne auskommen.47 45
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New AFN Show Boasts Top Names in Music, in: Chronicle, 4. März 1955 (Zitate). Filly bedeutet Stutenfohlen, umgangssprachlich wurden so mitunter auch junge Frauen bezeichnet. Siehe auch AFN Stars Star Show, in: Radio Review, 11. März 1955; Music Views From Hollywood, in: Stars and Stripes, 12. März 1955. Douglas, Listening In, 248–251; Fornatale/Mills, Radio in the Television Age, 45–53; Kurme, Halbstarke, 155, 167–170, 268 f.; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 338 f., 363 f.; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 288. 134.000 Song Requests Flooded AFN, in: Port Reporter, 7. Juni 1957; „Top of the Morning“ Emcee Likes Popular Tunes Best, in: American Weekend, 15. Februar 1958;
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Der Sender versuchte dieses Vorgehen in seiner PR-Arbeit zu rechtfertigen und brachte dafür Stimmen, die die Qualität der Musikrichtung und seine Beliebtheit anzweifelten. Unter der eindeutigen Überschrift „Rock ’n’ Roll Is for the Birds, Says AFN Bremerhaven Emcee“ wurde zum Beispiel das Porträt eines populären lokalen DJs und Bekannten von Bill Haley platziert. Ein anderes Mal las AFN aus der Hörerpost an den Frankfurter Sender einen Trend gegen Rock ’n’ Roll ab. So sehr sich einige Angehörige von AFN aber auch für oder gegen diese Musik aussprachen, letztlich ging es immer darum, einen Kompromiss zu finden, mit dem möglichst viele Mitglieder der US-Militärgemeinschaft leben konnten. Und so begründete der Chef des Senders auch die 25-Prozent-Regel für bestimmte Programme mit den Worten: „We feel that’s a fair proportion.“ Damit appellierte er an das demokratische Verständnis seiner Hörerschaft und forderte sie zu gegenseitiger Toleranz auf.48 Rock ’n’ Roll erwies sich auch für das Image von AFN in Deutschland als eine zweischneidige Angelegenheit. Viele Heranwachsende liebten den USMilitärrundfunk zwar dafür, dass er die Musik brachte, die bei heimischen Anstalten nicht über den Äther ging. Die meisten Erwachsenen lehnten die „Urwald-Rhythmen“ hingegen ab und fanden auch die Sendepraxis von AFN eher fragwürdig. Als einige Einheiten der US-Streitkräfte im Jahr 1957 mit einem gemeinsamen Wagen am Münchner Faschingszug teilnahmen, fiel AFN Munich am meisten auf. Auf dem mit Schallplatten geschmückten LKW fuhren neben den Live-Musikern der „503rd Rock Cats“ mehrere Mitarbeiter von AFN mit, darunter zwei seiner ehrenamtlichen Discjockeys im TeenagerAlter. Eine amerikanische Militärzeitung berichtete stolz darüber, wie gut der Wagen bei jüngeren Zuschauern ankam und dass etwa fünfzig deutsche Fans sich ihm spontan anschlossen. Etwas überrascht waren die Beteiligten wohl, als die Jugendlichen den Wagen am Ende der Wegstrecke am Wegfahren hinderten, da sie mehr Musik hören wollten. Die Popularität von AFN bei diesen „Halbstarken“ kam bei etlichen Beobachtern nicht besonders gut an. Ein Autor der Süddeutschen Zeitung beispielsweise erwähnte in seinem Artikel über den Faschingszug den amerikanischen Wagen mit der Rock ’n’ Roll-Band und nannte den US-Rundfunk genussvoll „AfFeN-Sender“.49
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AFN-Stuttgart …, in: Jayhawk, 5. April 1958; AF Sergeant Mixes Music and Selling, in: American Weekend, 19. April 1958; AFN-Berlin Sets Sights On 15th Year of Service, in: Berlin Observer, 7. August 1959; Ernie Weatherall, Berlin SSgt Makes „Hit“ in British Isles, in: Stars and Stripes, 28. August 1960. Rock ’n’ Roll Is for the Birds, Says AFN Bremerhaven Emcee, in: American Weekend, 5. April 1958; AFN Says Teens Reject Rock’ n Roll, in: Overseas Family, 4. Dezember 1959; AFN Execs in Europe Check Deejay Payola By Close Supervision, in: Variety, 16. Dezember 1959: „We feel that’s a fair proportion.“ H. Krammer, Der Himmel lacht zum Münchner Faschingszug, in: Süddeutsche Zeitung, 4. März 1957; AFN’s Float’s „Cats“ Draw More Cats, in: SACom Scene, 8. März 1957. Mehr zu diesem Thema in den Kapiteln 11 und 12.
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An dem Presserummel um den wenig später in Deutschland stationierten „King of Rock ’n’ Roll“ durfte sich AFN übrigens nicht beteiligen. Die USStreitkräfte hatten angeordnet, dass alle Militärmedien Elvis Presley wie jeden anderen Soldaten behandeln sollten beziehungsweise ihn sogar ignorieren mussten. AFN durfte nach wie vor die Musik des Wehrpflichtigen spielen und alte O-Töne ausstrahlen, aktuelle Interviews gab es aber nur bei den wenigen offiziellen Presseterminen der US-Armee.50 In diesen Jahren setzte sich innerhalb des Rock ’n’ Roll zudem eine „weichere Welle“ durch, die ihm viel von seinem Protestcharakter und seiner gesellschaftlichen Anrüchigkeit nahm. Die Musik blieb aber Ausdruck einer eigenständigen Teenager-Kultur, die für viele US-Jugendliche attraktiv war und auch in der amerikanischen Öffentlichkeit zunehmend akzeptiert wurde.51 In den USA schränkte in den fünfziger Jahren die Spezialisierung von Radiosendern auf bestimmte Zielgruppen die Freiheit der Rundfunkmitarbeiter und Discjockeys bei der Musikauswahl zunehmend ein. Diese Sender wollten der neuen Rolle des Hörfunks als „Begleitmedium“ Rechnung tragen. Ihr Programm sollte jederzeit einschaltbar sein und ihre Hörerschaft in verschiedenen Situationen des Alltags begleiten können. Jede dieser Radiostationen versuchte, sich mit all ihren Beiträgen ein bestimmtes Image aufzubauen und ihr Publikum an sich zu binden. Viele Sender legten sich zum Beispiel auf eine Musikfarbe fest und präsentierten Nachrichten oder Servicebeiträge regelmäßig, aber meist nur in Kurzform sowie in einem ganz bestimmten Stil. Vor allem an ein jugendliches Publikum richteten sich Top-40-Sender, die eine genau vorgegebene Mischung aus aktuellen Spitzentiteln, angehenden Hits und einigen älteren Erfolgsstücken spielten. Viele weitere Radioformate bedienten andere musikalische Vorlieben oder Informationsbedürfnisse. Eine solche Spezialisierung auf eine einzige Gruppe seines disparaten Publikums konnte sich der Monopolsender AFN nicht leisten. Zwar nutzte der Militärrundfunk einige Elemente der Formatradios, blieb bis in die siebziger Jahre aber bei einem eher kleinteiligen Vollprogramm. Dies gefiel vor allem seiner jüngeren Hörerschaft, darunter die Mehrheit der Wehrpflichtigen, immer weniger. Sie fühlten sich zunehmend von AFN vernachlässigt und wünschten sich eine Programmreform in Richtung Top-40-Sender. Beim Militärrundfunk sollten daher Beiträge, die den Vorlieben dieser Hörergruppe entsprachen, eine immer größere Rolle spielen.52 50
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Hazel Guild, See Here, Pvt. Presley, Everything’s Jake on the Jeep – & Still Hot in U. S., in: Variety, 25. März 1959. Vgl. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 89–101; Elvis in Deutschland, 63–79; Poiger, Rock ’n’ Roll, Kalter Krieg und deutsche Identität, 284; Maase, BRAVO Amerika, 167 f.; Schröer/Knorr/Hentschel, Private Elvis. Siehe etwa Kurme, Halbstarke, 263–280; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 83 f., 109– 113, 186; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 285–288. Siehe hierzu auch Kapitel 5 und 10. Zur Hörfunkentwicklung in den USA vgl. etwa Douglas, Listening In, 219–255; Fornatale/Mills, Radio in the Television Age, 59–91;
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Lange Jahre strahlte AFN amerikanische Network-Shows wie „Your Hit Parade“ aus, wenn auch mit der für den Militärrundfunk üblichen Verspätung. Zudem versuchte sich die Senderkette immer wieder an der Eigenproduktion von aktuellen US-Chartsendungen. Doch die Sonderpressungen des amerikanischen Militärrundfunks verzögerten auch die Auslieferung einzelner aktueller Musiktitel und daher hatte AFN Probleme damit, die gerade in den Vereinigten Staaten populären Stücke zu spielen. Fehlten der europäischen Senderkette Top-Titel der aktuellen US-Hitliste, musste sie Chartsendungen mit älteren Stücken anreichern. AFN verzichtete daher zeitweilig auf diese Art von Programmen.53 Etliche Jahre strahlte der Sender am Wochenende auch eine eigene Hitparade aus, in der er die von seiner Hörerschaft meistgewünschten Musiktitel der vorangegangenen Tage zusammenstellte. Angeblich wurde der jeweilige Top-Hit der verschiedenen AFN-Sender gespielt, zeitweise auch der vom Blue Danube Network für US-Soldaten in Österreich und dem British Forces Network. Überraschenderweise war dennoch in keiner Ausgabe der „Request Parade“ ein Titel doppelt zu hören. Im Zuge der Quiz Show- und Payola-Skandale nahm AFN die Sendung aus eigenem Antrieb aus dem Programm. „One of your favorite radio frauds is going off the air“ beschreibt eine Militärzeitung die zwiespältige Situation der Hörerschaft.54 Beim Publikum von AFN kamen Hitparaden-Sendungen nämlich auch dann gut an, wenn die Erstellung der Ranglisten nicht immer nachvollziehbar war. Neben dem mehrheitsfähigen Pop präsentierte AFN auch verschiedene spezielle Musikrichtungen. Als einziger Sender für ein heterogenes Publikum musste der Militärsender schließlich auch die Vorlieben kleinerer Hörergruppen bedienen. In meist kürzeren, aber regelmäßigen Sendungen gab es zum Beispiel lateinamerikanische Klänge, religiöse Lieder oder Marschmusik. Hinzu kamen etwas größere Programmanteile für polarisierende Musikstile wie Country, Jazz oder Klassik. Diese Sendungen und ihre Platzierung im
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Goldhammer, Formatradio in Deutschland, 12–19, 137–144; Kleinsteuber, Der Weg zum Format-Radio in den USA, 535 ff.; MacFarland, Up From Middle America; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 275–278, 336–341. AFNotes, in: Stars and Stripes, 3. Januar 1953; Ralph Jones, John Steele Joins AFN This Week, in: American Weekend, 30. Juli 1955; AFN Has Worries … Trying To Please Listeners, ebd., 5. Mai 1956; Red Tape Ties Up AFN Plans to Air „Top 10“ to GI Audience in Europe, in: Variety, 1. Mai 1963. Siehe auch Suid-Interview Cranston, 98 f., Box 3, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Gushurst, Popmusik im Radio, 91; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 185. Top Record Show Ends Run on AFN, in: American Weekend, 20. September 1958 (Zitat). Siehe auch Three Networks Combining To Present „Parade of Hits“, in: Ivy Leaves, 7. Oktober 1954; Ralph Jones, Capt. Starr Of Space Joins AFN, in: American Weekend, 27. August 1955; Summer Programmes, in: BFN Bulletin Nr. 17–58 (20.–26 April 1958); AFN Admits Fake On Hit-Tune Show, Gives It the Boot, in: Variety, 8. Oktober 1958; Top Record Show Ends Run on AFN, in: American Weekend, 20. September 1958. Vgl. AFN-Radio-Souvenirs (AV): „Your Request Parade“.
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Programmablauf waren bei Hörerinnen und Hörern stets umstritten. Unter den Stichwort „On pleasing everyone“ erklärte AFN regelmäßig seine Nöte bei der Sendeplanung und rief sein Publikum zur Toleranz auf. Trotzdem kam es im Laufe der Jahre immer wieder zu Beschwerden und zum Teil kuriosen Auseinandersetzungen zwischen den Liebhabern bestimmter Musikrichtungen. Die Programme mit speziellen Musikgenres sollen daher im Kapitel zur amerikanischen Hörerschaft von AFN behandelt werden. Auch wenn es in der Praxis oft einige Schwierigkeiten zu bewältigen gab, orientierte sich AFN bei der Programmgestaltung an den Interessen seiner Hörerinnen und Hörer. Genau wie in den USA erwartete das amerikanische Publikum in Übersee von einem Radiosender vor allem, gut unterhalten zu werden. Daher bekam AFN von der Zentrale des US-Militärrundfunks entsprechende Sendungen geliefert, große Entertainment-Shows ebenso wie etwa Hörspielserien oder Comedy. Zudem stellte AFN nach amerikanischen Vorbildern auch eigene Produktionen her. Sie reichten von Seifenopern über Quiz-Sendungen bis hin zu aufwendigen Literaturproduktionen. Besonders wichtig war für den Militärrundfunk aber der Bereich der Musik, der über die Hälfte des Programms ausmachte. AFRS lieferte dafür aus den USA entkommerzialisierte Network-Shows und viele einzelne Musikstücke, die AFN für eigene Produktionen verwenden konnte. Diese Programme wurden ganz unterschiedlich präsentiert, und so gab es Sendungen mit einem festen Konzept wie „Music in the Air“ ebenso wie lokale Discjockey-Shows mit größerer Gestaltungsfreiheit. Die Mitarbeiter des Militärrundfunks hatten sich bei der Auswahl einzelner Titel an verschiedene Vorgaben zu halten. Sie reichten von den bei amerikanischen Radiostationen üblichen Selbstverpflichtungen über Rücksichtnahmen auf das Gastland bis hin zu vielen einzelnen Entscheidungen vor Ort. Da sich gesellschaftliche Veränderungen stets in den Medien widerspiegeln, spürte auch AFN die Auseinandersetzungen um Discjockeys und Jugendkultur, die in den USA unter anderem im Payola-Skandal Ende der Fünfziger ihren Ausdruck fanden. Neben vielen anderen Einrichtungen der Streitkräfte sollten die Radiosender dafür sorgen, dass sich US-Soldaten fern der Heimat wohl fühlten. Dazu konnte Unterhaltung in Form von Wortbeiträgen und Musik entscheidend beitragen. Das Entertainment-Programm war aber durchaus kein Selbstzweck, denn es sollte das Publikum dazu animieren, die Informations- und Bildungsbeiträge des Militärrundfunks zu hören.
INFORMATION 9. „EIN GUTER SOLDAT IST EIN INFORMIERTER SOLDAT“. AKTUELLE BERICHTERSTATTUNG, SERVICE- UND BILDUNGSPROGRAMME „There is no censorship per se“, says onetime AFN managing editor Maury Cagle, now with ABC radio news. „The policy of AFN is determined by how scared the information officer is.“ Aus einem Artikel des Nachrichtenmagazins Time, 1968.1
Bereits während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs hatten militärische Befehlshaber erkannt, dass Soldaten in einem demokratischen System mehr als bloße Kommandos brauchten. Über 150 Jahre später hatte sich dieses Wissen in den Streitkräften der Vereinigten Staaten fest etabliert. Selbst Befehlshaber auf unteren Ebenen wussten, dass ihre Soldaten motivierter waren, wenn sie über die aktuelle Lage und politische Hintergründe informiert waren. „One of the basic tenets of the American Army is that a good soldier is an informed soldier“, stellte zum Beispiel ein US-Oberst in Heidelberg fest.2 Um ihre Soldaten mit Informationen zu versorgen, gründeten die amerikanischen Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg eigene Zeitungen und Zeitschriften sowie den Militärrundfunk. Sehr salopp formuliert ein Bericht des Armed Forces Radio Service von Ende 1945 seine Rolle in der gerade beendeten Auseinandersetzung: „[R]adio was an essential requirement of the new American citizen-soldier fighting on foreign soil and needing to know ‚what‘, ‚why‘, ‚what’s the score‘, and ‚what’s home like now‘.“3 Der Rundfunk hatte dazu beigetragen, dass die Soldaten erfuhren, wie und warum sie kämpfen sollten. Er hatte die Staatsbürger in Uniform darüber hinaus mit Informationen über aktuelle Entwicklungen und politische Hintergründe in der Heimat und der Welt versorgt.4 Für die meisten Verantwortlichen in den Streitkräften und der Politik war Information und Bildung das stärkste Argument für den Unterhalt des Militärrundfunks. Mit Hilfe verschiedener Radioprogramme wollten sie sicherstellen, dass Soldaten in Übersee auf dem Laufenden blieben und sich den Entwicklungen in der Heimat nicht entfremdeten. Etliche Sendungen sollten auch den Bildungs- und Erziehungsauftrag des Militärs unterstützen, indem sie der 1 2 3 4
Under Military Control, in: Time, 8. Januar 1968. McNair ’s Message to AFN, in: HAC Post, 29. Juni 1956. Vgl. The Old Army Game, ebd., 23. März 1956. AFRS Progress Report 1942–1945, 54, Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Davis, Come as a Conqueror, 127 ff.; Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 1–7.
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Das Programm
Hörerschaft zum Beispiel Wissen über das politische System und die Geschichte der USA vermittelten, ihr die Ziele und Traditionen der Streitkräfte nahebrachten oder Anregungen zu normgemäßer Freizeitgestaltung gaben. Oft nutzten Befehlshaber und Funktionsträger auf verschiedenen Ebenen der militärischen Hierarchie den Rundfunk auch als direktes Kommunikationsmittel zu den Soldaten und anderen Mitgliedern der amerikanischen Militärgemeinden in Europa. Die Verantwortlichen von AFN arbeiteten daher mit den entsprechenden Stellen der Streitkräfte auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene zusammen. In einigen Fällen musste der Sender auch auf besondere Vorgaben aus der Politik Rücksicht nehmen. Solche Kontroll- und Beratungsmechanismen wirkten sich auf die aktuelle Berichterstattung von AFN aus, auch wenn die Objektivität und Ausgewogenheit der Nachrichten erklärtes Ziel des Militärsenders blieb. Im folgenden Kapitel soll die Bandbreite des Informationsprogramms von AFN beschrieben werden, das von Nachrichten und Feature-Beiträgen über aktuelle Themen bis zu Servicesendungen und erzieherischen Kurzbotschaften reichte. Der Schwerpunkt soll dabei auf den Eigenproduktionen der europäischen Senderkette liegen. Der Rundfunk war in den USA als Unterhaltungsmedium gestartet, seit Ende der dreißiger Jahre hatte er sich bei seiner Hörerschaft aber immer stärker als wichtige Informationsquelle etabliert. Im November 1946 beispielsweise lag der Anteil von Nachrichten, Sportberichten, Service- und Bildungssendungen bei durchschnittlich 23 Prozent des Hörfunkprogramms. Die Zahlen für AFN aus dem Jahr 1948 sind mit 22,6 Prozent vergleichbar. Diese Statistik listet einen Anteil von sieben Prozent für Nachrichten aller Art auf, 11,6 Prozent für weitere Informationssendungen und vier Prozent für sports and special events. Auch in den folgenden Jahren widmete der europäische Militärrundfunk etwas über ein Fünftel seines Programms aktueller Berichterstattung, Service- und Bildungsthemen. Hierbei ist allerdings festzustellen, dass der Anteil der Nachrichtensendungen vor allem im Laufe der sechziger Jahre zunahm. So lag er zu Anfang des Jahrzehnts bei acht Prozent, 1968 jedoch bei 14,5 Prozent.5 Die Programme aus dieser Kategorie hatten unterschiedliche Quellen. Zum Teil bekam AFN sie sendefertig von AFRS. Die Zentrale des amerikanischen Militärrundfunks konnte selbst aber nur wenige Informations- und Bildungsbeiträge herstellen. Meist entkommerzialisierten seine Mitarbeiter da5
Analytic Survey of Broadcast Schedule A-F-N Week 27 February – 5 March 1955, 1. August 1955, in: The AFN Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP (vgl. Hinweis in Kapitel 7, Fußnote 39). Siehe auch Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948; Joachim Andrae, Ein Soldatensender, der überall Freunde hat, in: Hörfunk und Fernsehen, Oktober 1961. Vgl. Bayless, American Forces Network, 164; Craig, Military Broadcasting, 310; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 73, 120, 276.
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her Sendereihen von amerikanischen Networks wie etwa „Invitation to Learning“ mit Diskussionen über wichtige Bücher, die philosophische Sendung „Art Baker ’s Notebook“ oder dramatisierte Bibelgeschichten wie in „The Greatest Story Ever Told“. Außerdem stellte AFRS Programme über Themen wie Wissenschaft, Geschichte oder Politik her, indem er einzelne Episoden aus verschiedenen Serien der kommerziellen US-Sender kombinierte. Verschiedene aktuelle Diskussionen stellte der Militärrundfunk etwa in der Serie „Heard at Home“ zusammen. AFN übernahm etliche dieser Sendungen, strahlte Beiträge aber zum Teil unter einem anderen Titel aus oder fügte Serien neu zusammen. Darüber hinaus produzierte AFN auch eigene Bildungsprogramme. Zahlen aus dem Jahr 1955 etwa behaupten, dass die europäische Senderkette zwei Drittel seiner Information & Education-Shows selbst herstellte. Zu den Produktionen der Sendezentrale oder einzelner Lokalsender gehörten Bildungsprogramme wie „Berlin Bookcase“ oder Freizeittipps à la „Take a Tour“. Hinzu kamen Sendungen mit militärischen Inhalten wie „Command Theater“ oder „Profile of a Leader“. Auch die Nachrichten und andere aktuelle Informationssendungen sowie Feature und Reportagen aus Deutschland und Europa waren AFN-Eigenproduktionen. Einige Beiträge der europäischen Senderkette nahm AFRS übrigens in sein Programm-Paket auf und lieferte sie dann wiederum an alle militärischen Radiostationen.6 Aushängeschild Nachrichtensendungen Die Nachrichten wurden von den Programmgestaltern und dem Publikum als die wichtigsten Informationssendungen wahrgenommen. Daher strahlte AFN verschiedene aktuelle Berichte zu den Haupteinschaltzeiten am Morgen, Mittag und Abend aus. Als Service für die Hörerschaft wiesen die Sprecher am Ende jeder Nachrichtensendung auf die nächste hin, etwa mit einem Satz wie „The next newscast over this network is scheduled for 20 hours this evening.“7 Die Anzahl dieser Sendungen erhöhte sich stetig und ab Anfang der sechziger Jahre gab es bei AFN das heute so verbreitete Programmschema, Nachrichten mindestens zu jeder vollen Stunde auszustrahlen. Ihr Umfang reichte von 6
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MAJ F. H. Graham, Asst AG, EUCOM, an C/S, DA, Attn: TIED, 17. Oktober 1950 (mit Anlagen), Box 419, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; I&E Shows on AFN, in: The AFN Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, ebd. Siehe auch AFN Airs 1000th Package Program in 19 Year Span, in: Army Times, 22. November 1960. Vgl. Collins, Armed Forces Radio and Television Service (unveröff.), 15; Dunning, On the Air, 42, 348; Frercks, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 7, 12 f.; Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 96–111, 114–116. Anders als zivile amerikanische Sender verwendete AFN bei allen Zeitangaben das 24-Stunden-System des US-Militärs. Allerdings ließ er die „Hundert“ weg und so hieß es „20 hours“ anstatt „20 hundred hours“. Vgl. AFN SOP 1965, 63, AFN Historical File.
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Das Programm
zweiminütigen Berichten in Schlagzeilen, den sogenannten Headline News, bis zu ausführlichen Analysen mit vorbereiteten Beiträgen oder Live-Schaltungen zu Korrespondenten. AFN unterschied inhaltlich zwischen Sendungen mit Meldungen aus aller Welt, aus den USA und Europa. Bei längeren Formaten wurden die Themen häufig auch gemischt. Hinzu kamen regionale Berichte, die sogenannte Local Edition, sowie der Sport. Diese liefen zum Teil über das gesamte Network, zum Teil nur auf einzelnen Lokalsendern.8 Nachdem sich AFN als Senderkette in Deutschland etabliert hatte, übernahm eine zentrale Redaktion in Frankfurt die Verantwortung für alle überregional ausgestrahlten Nachrichtenprogramme. Im Newsroom waren Militärangehörige und Zivilisten tätig, geleitet wurde er zumeist von einem qualifizierten Zivilangestellten. Wie in anderen Bereichen des Sendebetriebs war es für AFN nicht immer einfach, unter den Wehrpflichtigen geeignete Ansager und Redakteure zu finden. Je nach Personallage mussten sich auch gänzlich unerfahrene GIs in das Metier einarbeiten. Für die meisten Sendungen analysierten die Redakteure das Material amerikanischer Nachrichtenagenturen und schrieben es für den Rundfunk um. Im Untersuchungszeitraum bezog AFN die Agenturdienste für Zeitungen, die ausführlicher waren als die vorgefertigten Rip and Read-Produkte für Radiosender. Wegen des Zeitunterschieds zwischen Europa und Amerika kamen neue Nachrichtenentwicklungen aus den USA vor allem in den Abend- und Nachtstunden herein. Vormittags und tagsüber konnten sie daher nur selten aktualisiert werden und wurden dann verstärkt durch Quellen aus Europa ergänzt. Weitere wichtige Informationsquellen waren Pressemitteilungen vom US-Militär und eigene Korrespondentenberichte. Dies sollte es AFN ermöglichen, die Nachrichtenlage eigenständig zu analysieren und unabhängige Sendungen zu produzieren. Die journalistischen Anstrengungen leuchteten nicht allen Vorgesetzten des Militärrundfunks ein, zumal sie mit hohen Kosten verbunden waren. Der große personelle Aufwand mit Redakteuren und Korrespondenten sowie Ausgaben durch Reisen oder das Anmieten von Übertragungskabeln machten vor allem die längeren Nachrichtensendungen zu den teuersten Produktionen von AFN. Besonders während der diversen Einsparungskampagnen des US-Militärs in Europa galt es daher stets, die umfangreiche Tätigkeit der Aktuell-Redaktion zu verteidigen.9 8
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What the American Soldier Says About AFN in Germany, January 1947, 11 f., Anlage zu Glavin an SGS, USFET, 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, SGS, EUCOM, RG 338, NACP. Siehe auch It’s in the Air, in: Spotlight, 1. Mai 1953; Joachim Andrae, Ein Soldatensender, der überall Freunde hat, in: Hörfunk und Fernsehen, Oktober 1961; Music, News Favorites AFN Listener Polls Show, in: Overseas Family, 20. April 1962; Newscasts, „Music in the Air“ Voted Tops in AFN Poll, in: Stars and Stripes, 9. November 1962. Vgl. Bayless, American Forces Network, 164. MG J. M. Bevans, Dir/P&A, an DC/S, 28. Mai 1947, Box 33, Dec File 1947, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; COL O. McCormick, TC/TI&E, EUCOM, an P&A, EUCOM, 9. Juli 1947, ebd.; LTC F. W. Goates, TI&E O, USFA, an COL O. McCormick, O C/Info, DA, 12. März 1952, Box 430, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319,
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Die über den Tag verteilten kürzeren Nachrichten wurden von Ansagern vorgelesen, die den Text in der Regel vorher übten, damit sie ihn fehlerfrei vortragen konnten. Sie sprachen die Meldungen in einem hohen Tempo und mit dringlichem Tonfall, unterschieden sich aber deutlich von dem rasanten Stakkato und der Aufgeregtheit vieler Rundfunksender auf dem US-Markt. Al Edel etwa kam im November 1960 als Nachrichtenredakteur von einer amerikanischen Top-40-Station zu AFN und wurde von der entspannten Art des Militärrundfunks überrascht: He was handed 65 lines of news copy, which is the normal length of a five-minute newscast at AFN. He sat down behind the microphone and read the news in the fastpaced, dramatic style to which he was accustomed. Then he glanced up at the clock and was horrified to see that he still had a minute and a half to go.10
Anders als andere Sendungen bei AFN wurden die Nachrichten in dieser Zeit noch ohne einleitenden Jingle oder ein Musikbett präsentiert. Zur sachlichen Präsentation gehörte auch, dass die Hörerinnen und Hörer erfuhren, wer für die Sendung verantwortlich war – zumeist der „AFN Newsroom in Frankfurt“. Außerdem gab die Redaktion auch ihre wichtigsten Quellen an. Daher kam im Programm stets eine Aussage wie „compiled from the wires of Associated Press, United Press and International News Service“. Nach der Fusion der Nachrichtenagenturen im Jahre 1958 gab es nur noch AP und UPI (United Press International).11 Die inhaltliche Analyse der Nachrichten ist nur stichprobenartig möglich, da – ähnlich wie bei vielen anderen Radiostationen – nur wenige dieser Sendungen überliefert wurden. Neben einer Kurznachrichtensendung aus dem Jahr 1953, die für einen Film des US-Militärs nachgestellt wurde, gibt es aber eine Aufnahme der 18.15 Uhr-Nachrichten vom 2. Mai 1957. Die 15-minütige Sendung mischte wichtige Welt- und US-Nachrichten und beschäftigte sich ebenso mit der Lage im Mittleren Osten, verschiedenen Atomwaffenversu-
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NACP; News Sources, Druckvorlage, o. D. [1956], AFN Historical File. Siehe auch AFN Newsroom Makes History, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 10 (Juni 1946); Tom Dorsey, AFN Station Fades Out, in: American Weekend, 26. Mai 1956; Like „Hoobert Heever“ – AFN Groans at „Bloopers“, But Announcers Try Hard, ebd., 2. Mai 1959; News Can Be Nerve Racking, in: Overseas Family, 22.–29. Dezember 1961; „Night’s Best Time for News“, ebd., 2. Februar 1962; AFN Brings News to Listeners 20 Times a Day from Frankfurt, in: Berlin Observer, 25. März 1966; J. P. Dunne, Behind the Scene at AFN (Letter to the Editor), in: Stars and Stripes, 11. Juni 1968. Vgl. Suid-Interview Moses, Teil 2, 2, 5 f., 8, Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Wuriu, Box 9, ebd.; E-Mail von Sam Kaplan an Autorin, 9. Januar 2003. Newsman Beats Frustration With Professional Know-How, in: Overseas Family, 11. Mai 1962. Jack Gould, Two Voices, in: New York Times, 5. Februar 1956; LTC H. W. Roeder, C/ AFN, Subject: Standing Operating Procedure, 22. September 1971 (nachf. zit. als AFN SOP 1971), 50 f., AFN Historical File; Gespräch mit Gary Bautell, 5. August 1999. Vgl. Douglas, Listening In, 161–198.
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Das Programm
chen und dem Europarat wie mit einer Flutkatastrophe im amerikanischen Bundesstaat Texas oder dem Gouverneur von New York. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe lag aber auf der Frühjahrstagung des Nordatlantikrates, zu der sich die Außenminister der NATO-Staaten erstmals in Bonn trafen und über die AFN-Korrespondent Dick Knowles berichtete. Er trug seine eigene Analyse vor und veranschaulichte sie mit mehreren O-Tönen. Deutschsprachige Zitate von Kanzler Konrad Adenauer wurden simultan übersetzt.12 Die einzelnen Meldungen sind so formuliert, wie es sich seit Ende der dreißiger Jahre im amerikanischen Rundfunk eingebürgert hatte: Selbst über komplizierte oder vermeintlich „staatstragende“ Sachverhalte sollte allgemein verständlich und in Umgangssprache gesprochen werden. Der erste Themenblock der Mai-Sendung begann zum Beispiel folgendermaßen: Bonn, Germany, is receiving it’s first real job as a busy and important world capital. The cause is, of course, Bonn’s role as host of the current meeting of the North Atlantic Treaty Organization which got down to business only today in its first working session.
Der Anfang einer Meldung oder die Überleitung zu einem neuen Thema wurde häufig besonders umgangssprachlich formuliert.13 Immer wieder gab es in den Nachrichten auch kurze Erläuterungen, die den Inhalt einer Information oder deren Relevanz verdeutlichen. Dies geschah aber auf möglichst unaufdringliche Weise und sollte keinesfalls bevormundend wirken. Zu diesem Zweck wurden beispielsweise Formulierungen wie „natürlich“ oder „wie Sie wissen“ eingefügt, etwa in „[t]he cause is, of course, Bonn’s role as host“. Die Nachrichten sollten die Hörerinnen und Hörer als „informierte Erwachsene“ ansprechen, wie es die amerikanische Historikerin Susan J. Douglas ausdrückt.14 Vom 2. Mai 1957 ist auch der „Report from Europe“ um 21 Uhr überliefert, eine der wichtigsten Nachrichtensendungen eines jeden Werktags. In diesem 15 Minuten langen Programm berichteten die AFN-Korrespondenten per Telefon live über die Vorkommnisse in ihrem Zuständigkeitsbereich. Sie gehörten zum festen Personal der verschiedenen Stationen der Senderkette und kümmerten sich um ihre jeweilige Region. Jedem von ihnen waren zusätzliche Gebiete oder Themenbereiche zugeteilt, und so berichtete etwa der Berliner 12
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LR-4131: AFN 1815 News Aircheck, 2. Mai 1957, AFN Historical File; American Forces Network (AV): NWDNM (m)-111-LC-34612. Siehe auch The Big Picture: The Story of American Forces Network (AV). Zur Quellenlage für Nachrichtensendungen im Rundfunk siehe etwa Douglas, Listening In, 161; Dussel, Hörfunk in Deutschland, 343. Der thematische Abschnitt über die Atomwaffenversuche wird eingeleitet mit: „The Bonn dateline covers much of this evening’s news on the atom, but developments are also reported in other world capitals. In Washington the US State Department reveals that America“ […]. Douglas, Listening In, 161–198 (Zitat „informed adults“ auf S. 180). Für einen Vergleich mit dem Nachrichtenstil deutscher Radiosender siehe Kapitel 12.
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Redakteur über Vorkommnisse in der DDR, während sein Stuttgarter Kollege die Siebte US-Armee begleitete. Als Informationsgrundlage dienten ihnen englischsprachige Agenturmeldungen, Pressemitteilungen und Publikationen. Außerdem halfen ihnen europäische Mitarbeiter dabei, möglichst viele weitere Nachrichtenquellen zu nutzen. Die Korrespondenten erstellten lokale Nachrichtensendungen und belieferten die AFN-Zentrale mit Informationen und Reportagen. An Werktagen wetteiferten sie zudem darum, Teil der Sendung „Report from Europe“ zu werden.15 Die Vorbereitung für dieses Programm begann in der Regel am Nachmittag, wenn der hauptverantwortliche Redakteur in Frankfurt sich einen Überblick über die Nachrichtenlage verschaffte. Ab 18 Uhr telefonierte er mit den Korrespondenten, die ihm ihre Themen anboten. Der Redakteur entschied anschließend nach inhaltlichen Kriterien, ob und mit welchen Geschichten die Korrespondenten vertreten sein sollten. Nach der groben Planung bekamen die beteiligten Berichterstatter genaue Zeitvorgaben für ihre Beiträge, später auch den genauen Programmablauf und die Stichworte für ihren Einsatz.16 Die Sendung vom 2. Mai 1957 begann auf typische Weise: Central European time is now 21 hours. [Pause und sechs Pieptöne] Report from Europe broadcast direct from major cities in Germany plus up to the minute news from other European capitals. Tonight you’ll hear from reporters in the West German capital of Bonn, in Stuttgart, Bremerhaven and Munich. First we take you to the editor ’s desk AFN headquarters Frankfurt and Jim Mackin.17
Wie in den 18.15-Uhr-Nachrichten war die NATO-Tagung in Bonn der Aufmacher der Sendung. Der Bericht des AFN-Korrespondenten war jedoch neu formuliert und auch inhaltlich anders gewichtet. So fehlte etwa der O-Ton von Adenauer, dafür gab es Originalaussagen von NATO-Generalsekretär Lord 15
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Siehe etwa News Sources and Correspondents’ Administrative Boundary Map, in: The AFN Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP. Vgl. AFN Expands Europe Report, in: Stars and Stripes, 3. Juli 1948; „Magic Mirror“ Sees Cpl As His Own Replacement, in: Berlin Observer, 6. November 1953; The Voice You’ve Heard on AFN Belongs to – Dick Knowles, in: Port Reporter, 2. Juni 1956; AFN’s Stuttgart’s Blumberg Has Had Variety of Jobs, in: SACom Scene, 25. April 1958; John Combs, AFN’s Somner „Goes to Story“, ebd., 26. September 1958; AFN Announced New Changes In Assignment, in: Chronicle Post, 21. November 1958; Ernie Weatherall, Stalking the News for AFN, in: Stars and Stripes, 1. Juni 1959. „Report from Europe“ Editor On AFN Staff Show Tonight, in: Chronicle, 4. Dezember 1953; AFN’s „Report From Europe“, ebd., 21. Dezember 1956. LR-4108: Report from Europe, 2. Mai 1957, AFN Historical File. Wenn man dieses Programm mit den Aufnahmen von 16 Sendungen des „Report from Europe“ aus dem Zeitraum Februar bis Oktober 1957 vergleicht, die die Autorin im Archiv von AFN Frankfurt gefunden hat, erscheint es vom grundsätzlichen Aufbau und der Mischung der Themen typisch. Es war allerdings etwas Besonderes, dass nicht nur die Redakteure zu Wort kamen, sondern der Aufmacher auch mit O-Tönen dargestellt werden konnte.
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Das Programm
Ismay und dem Pressesprecher der Verteidigungsgemeinschaft. Die Korrespondenten sprachen live über Telefon und lasen dabei ihre selbstformulierten Texte ab. Sie klangen nicht wie professionelle Ansager, wirkten dadurch aber authentisch. 1955 gab AFN-Nachrichtenchef Vince Lambrose seinen Korrespondenten folgende Ratschläge in Bezug auf Sprachwahl und Vortragsstil: „Use words that you know your audience will understand; give yourself a chance to sound dignified but not stilted; vivid but direct.“18 Insofern sollte sich der „Report from Europe“ also nicht von anderen Nachrichtensendungen bei AFN unterscheiden. Amerikanische Radiostationen versuchten sich gegenüber anderen Informationsmedien vor allem durch ein rasches Reagieren auf aktuelle Ereignisse auszuzeichnen. Besonders mit dem „Report from Europe“ und seinen oft selbstrecherchierten Meldungen konnte und wollte AFN andere amerikanische Publikationen auf dem Kontinent an Aktualität übertreffen. Solange die Hörerinnen und Hörer die Herkunft der Informationen kannten und sie einschätzen konnten, musste die Redaktion nicht unbedingt auf ein offizielles Statement oder eine Agenturmeldung warten. Auch in der Sendung vom 2. Mai 1957 findet sich dafür ein Beispiel. Denn nachdem Großbritannien im Vorjahr eine Umstrukturierung seiner Streitkräfte angekündigt hatte, erwarteten viele Beobachter eine Kettenreaktion innerhalb der NATO. AFN reagierte daher sofort auf entsprechende Gerüchte über eine mögliche Veränderung der französischen Verteidigungsstrategie: Rumor in Paris tonight has it that France may be the next NATO nation to revise it’s military structure. The afternoon paper ‚France-Soir‘ predicts that the government is planning to undertake a vast atomic aid remodelling of the French military patterned on the new British plan. The French defense ministry is not commenting on the report.
Es war diese Art der Darstellung, die Mitarbeiter der BBC bereits während des Zweiten Weltkriegs zur Verzweiflung gebracht hatte. Denn bei vielen europäischen Rundfunkanstalten musste der Inhalt von Meldungen über jeden Zweifel erhaben sein. Dadurch wurden etliche Nachrichtenentwicklungen aber erst spät oder gar nicht präsentiert.19 Vorsichtig war AFN allerdings mit sogenannten Bulletins oder News Flashes, also kurzen Nachrichtenunterbrechungen im laufenden Programm, mit denen sich einige US-Sender gegenseitig zu überbieten suchten. Während des Kalten Krieges sollte der Militärsender schließlich weder sein eigenes Publikum aufschrecken, noch die zahlreichen europäischen Zaungäste, deren Englischkenntnisse zudem häufig beschränkt waren. In politisch unruhigen Zeiten, etwa während des Ungarnaufstands 1956, setzte AFN daher lieber
18 19
AFN „Report“ Puts Color in News Closeups, in: Chronicle, 29. April 1955. Vgl. Douglas, Listening In, 180. Morley, „This Is the American Forces Network“, 51–55.
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mehr reguläre Nachrichtensendungen an als sonst üblich.20 Bei besonders wichtigen Ereignissen wie etwa dem Attentat auf John F. Kennedy konnte AFN aber blitzschnell sein gesamtes Programm ändern. Nur wenige Minuten nachdem die Nachrichtenagentur UPI am 22. November 1963 „President Kennedy shot“ durchgegeben hatte, unterbrach Nachrichtenredakteur David Mynatt die Sendung „Music in the Air“ und informierte das AFN-Publikum. Im Anschluss gab es fortlaufend die neusten Meldungen aus der Aktuell-Redaktion und per Kurzwellenübertragung auch Live-Sendungen von amerikanischen Rundfunkstationen.21 Die Themen der Nachrichtensendungen waren breit gestreut. Im „Report from Europe“ vom 2. Mai 1957 ging es neben dem NATO-Treffen und internationaler Politik vor allem um Berichte aus Europa. Dazu gehörte zum Beispiel der Europarat, eine Verhaftungswelle in Ungarn oder ein Streit der italienischen Regierung mit der kommunistischen Partei des Landes. Die innenpolitischen Entwicklungen von verschiedenen Staaten interessierten allerdings nur, wenn sie international bedeutsam waren. Es überrascht nicht, dass der Militärsender der Sicherheitspolitik und Meldungen aus dem Bereich der Streitkräfte einen hohen Stellenwert einräumte. An diesem Abend berichteten die Korrespondenten etwa über das Lob eines amerikanischen Kongressabgeordneten für die Siebte US-Armee oder einen deutsch-deutschen Grenzzwischenfall in Helmstedt. Stets mischten sich dabei sogenannte hard news mit soft news, denn neben Politik, Wirtschaft und Sozialem gab es zum Beispiel auch Berichte über menschliche Schicksale, Unglücke und Katastrophen oder Meldungen aus dem Bereich der Kultur. Am 2. Mai erfuhr die AFN-Hörerschaft unter anderem etwas über einen Flugzeugabsturz in Großbritannien, den Hungerstreik einiger ungarischer Flüchtlinge und die Eröffnung der Filmfestspiele in Cannes.
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AFN SOP 1965, 68, AFN Historical File. Siehe auch Hazel Guild, AFN Slashes Programs Coming From the U. S., in: American Weekend, 8. Dezember 1956; dies., AFN & The No-Panic Button, in: Variety, 7. Dezember 1966. Vgl. Douglas, Listening In, 176, 178; Morley, „This Is the American Forces Network“, 51 f. – Unter welcher Anspannung das Militärpublikum von AFN zeitweise stand, kann ein Vorfall aus dem Jahr 1962 vermitteln. Damals verwechselten Hörer den Verkehrshinweis Condition Red (Eis und Schnee auf den Straßen) mit Alert Red (Alarmstufe zum Beispiel bei einem Luftangriff) und versetzten eine ganze Panzerdivision in Alarmzustand. Siehe etwa Crazy False Alarm, in: Overseas Weekly, 25. November 1962; Blue air over Star Spangled Banana …, in: Serving American Forces (AFN-Eigenpublikation), 11. ech, Viele schalteten auf AFN, in: Frankfurter Rundschau, 26. November 1963; Of Times of Tragedy, in: Serving American Forces (AFN-Eigenpublikation), 36, 38; Suid-Interview Cranston, 61–64, Box 3, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; E-Mail von John P. Grimaldi an die Autorin, 11. Juli 2002. Vgl. Cranston, Some Historical Newscasts, 395–398.
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Das Programm
Objektive Nachrichten – Anspruch und Wirklichkeit Die redaktionellen Vorgaben des US-Militärs verlangten von AFN, dass er sich an den besten amerikanischen Radiosendern orientierte, und seine Nachrichten so umfassend, genau und unvoreingenommen wie möglich waren. Der Wortlaut dieser Forderung blieb von den vierziger bis sechziger Jahren gleich, es ging um „complete, accurate and unbiased coverage“.22 Damit war zunächst und vor allem die amerikanische Innenpolitik gemeint. AFN-Mitarbeiter hatten bei gesellschaftlich strittigen Themen eine Vielzahl von Meinungen zu präsentieren und durften keine politische Partei bevorzugen. Gerade in Wahlkampfzeiten mussten AFN und andere amerikanische Radiosender sehr darauf achten, dass sie demokratischen und republikanischen Ansichten gleich viel Sendeplatz einräumten. Sie legten dafür auch Statistiken an, damit sie überzeugend auf die immer wieder geäußerten Beschwerden von Politikern oder Wählern reagieren konnten.23 Die von den Statuten geforderte unvoreingenommene Analyse und Verbreitung von Informationen bedeutete aber keineswegs, dass AFN grundsätzlich neutral bleiben sollte. Als Senderkette der amerikanischen Streitkräfte ergriff die Nachrichtenredaktion inhaltlich und sprachlich Partei für die USRegierungspolitik und für westliche Standpunkte. Der Bericht über das NATO-Treffen beispielsweise stand unter der Überschrift „Means for defending the free world and appeals for peace“. Eine andere politische Wertung wäre bei der Hörerschaft von AFN auch schwerlich angekommen. Die meisten Soldaten waren schließlich davon überzeugt, dass sie im Kalten Krieg auf der richtigen Seite standen. Als amerikanische Staatsbürger hatten sie aber auch das Recht, nicht zum Ziel einseitiger Propaganda durch die eigene Regierung zu werden. Daher bemühten sich die Mitarbeiter von AFN, die Zustände im Westen nicht zu beschönigen. Am 2. Mai berichteten sie etwa über Meinungsverschiedenheiten unter den NATO-Staaten. Eine solche Offenheit war allerdings nicht selbstverständlich und bisweilen wurde auch davon abgewichen.24 22 23
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COL O. McCormick, C/TI&E, EUCOM, an C/S, 21. Mai 1948, Box 79, Dec File 1948, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; AFN SOP 1965, 67, AFN Historical File. McCormick an C/S, 21. Mai 1948, Box 79, Dec File 1948, C/S, EUCOM, RG 338, NACP. Siehe auch Peter Edson, Keeping Armed Forces Posted, in: New York World-Telegram, 11. Februar 1944; Army Issues Rules On Political Programs, in: Radio Daily, 25. Mai 1948; Ronald Koven, Army in Europe Denies Program Bias on Radio, in: New York Herald Tribune, 20. Oktober 1964. Vgl. Frercks, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 45 f. Für Fälle, in denen Nachrichten über Uneinigkeit im westlichen Lager weggelassen oder heruntergespielt wurden, siehe etwa G. I. Radio Cancels Churchill Speech, in: New York Times, 14. August 1950; Jack Raymond, Europe Radio Gag Laid to U. S. Army, ebd., 30. Januar 1951; Army Defends Policy on News in Germany, ebd., 31. Januar 1951.
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Die Themen von Nachrichtenmeldungen sollten nicht allzu emotional dargestellt werden, wie etwa der Bericht zum deutsch-deutschen Grenzzwischenfall zeigen kann: At the German border point of Helmstedt today East and West German police briefly exchanged gun fire. Communist guards were trying to stop with bullets two East German workmen dashing across the Iron Curtain border. The West German guards said they fired warning jabs because the Soviet guards fired in the direction of West German territory. During the flying of bullets the two refugees managed to slip through the barbed wire marking the Iron Curtain. Neither was hit by the brief flurry of shots. The two men who had been working at an open ground coal mine just across the border asked West German authorities for political asylum.
Bei dieser Beschreibung wird erneut der westliche Blickwinkel der Redakteure deutlich, außerdem werden wertende Begriffe wie „communist guards“ oder „Iron Curtain“ verwendet. Nicht immer scheint sich dies auf die umgangssprachliche Formulierung der Nachrichten und die ewige Suche der Journalisten nach Synonymen zurückführen zu lassen. Denn bisweilen gab es klare sprachliche Regelungen dafür, wie die Militärmedien bestimmte Sachverhalte benennen durften. So sollten zum Beispiel ab 1953 Flüchtlinge aus dem Ostblock nicht länger deserter genannt werden, sondern defector oder escapee. Politisch genehme Begriffe wurden etwa auch für Atomwaffen oder die deutsche Wiederaufrüstung gefunden. Im Vergleich zur Praxis der öffentlich-rechtlichen Sender in Europa benutzte der Militärrundfunk in seinen Nachrichten eine sehr flapsige Ausdrucksweise. Sie reichte jedoch in den meisten Fällen nicht an die Wortwahl vieler kommerzieller US-Sender heran, die etwa Walter Ulbricht stets als „spitzbärtigen Diktator Ostdeutschlands“ vorstellten. Ähnliches galt auch für extrem wertende Formulierungen von amerikanischen Propagandasendern.25 Die über AFN vertretenen Meinungen mussten stets einer bestimmten Person oder einer Nachrichtenquelle (Agentur, Zeitung etc.) zugeordnet werden. Im Jahr 1946 hatte der Sender noch mit eigenen Kommentaren und wertenden Reportagen experimentiert. Umfragen zeigten aber, dass diese Sendungen die Hörerschaft spalteten. Später verbat die Editorial Policy den Redakteuren des Militärsenders ausdrücklich, eigene Kommentare zu verfassen. Diese Entscheidung traf nicht nur auf Zustimmung beim AFN-Publikum. Auf eine diesbezügliche Beschwerde im Jahr 1950 reagierte der zweite Generaladjutant des 25
CPT R. D. Morrissey, C/USAREUR Press Center Heidelberg, an COL Furuholmen, 9. Februar 1953, Box 1, Weekly Activity Reports 1953, PID, USAREUR, RG 338, NACP; Anlage B zu C/AFIED an C-in-C, 5. Mai 1953, Box 2, Gen Corr 1953, SGS, ebd. Siehe auch Jack Raymond, Europe Radio Gag Laid to U. S. Army, in: New York Times, 30. Januar 1951; Army Defends Policy On News in Germany, ebd., 31. Januar 1951; Jack Gould, Two Voices, ebd., 5. Februar 1956; Irene Sheridan, AFN versus BBC, in: You & Europe, März 1962. Vgl. Craig, Military Broadcasting, 312; Zumwalt, The Stars and Stripes, 151 f., 241.
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Europäischen Befehlsbereichs. Er schrieb, dass Kommentare vielleicht kurzfristig populär seien, auf lange Sicht aber die Glaubwürdigkeit von AFN als Stimme der US-Armee untergrüben. Diese Argumentation hörte sich einleuchtend an, war aber inhaltlich falsch, schließlich war der Radiosender kein offizielles Organ der amerikanischen Streitkräfte. Die Antwort des Majors kann jedoch gut das Anspruchsdenken innerhalb der militärischen Führung veranschaulichen, mit dem die Redakteure von AFN immer wieder zu kämpfen hatten.26 Eine Vielzahl von Stellen versuchte, der Nachrichtenabteilung des Radiosenders Ratschläge und Weisungen zu geben. Die Redaktionsvorschriften von 1948 sprachen die sich daraus ergebenen Schwierigkeiten deutlich an. Sie bestimmten das Heeresministerium zum Aufsichtsgremium von AFN und warnten die Mitarbeiter gleichzeitig davor, sich in den Nachrichten zum Sprachrohr des Heeres, der Militärregierung, des Europäischen Befehlsbereichs oder anderer Gruppen und Individuen machen zu lassen. Als US-Militärsender hatte AFN die Politik und Vorschriften dieser Institutionen jedoch darzustellen und zu unterstützen. Kritische Stimmen durften die Redakteure nur zu Wort kommen lassen, wenn die Quellen glaubhaft und die Fakten nicht zu widerlegen waren. Dieses Dilemma, zwischen Journalismus, Militär und Politik zu stehen, sollte die Arbeit der Nachrichtenredaktion begleiten und blieb auch Mitte der sechziger Jahre aktuell. Damals mahnte das Standing Operating Procedure von AFN Europe: Policy guidance from US government agencies will be applied, although there will be a constant awareness that AFNE is not a part of any government agency for external propaganda, nor for any official or unofficial purpose beyond the primary mission of Troop Information.27
Die Einschränkungen und Widersprüche der Theorie zeigten sich auch in der Praxis des Militärrundfunks. Direkt übertragene Radioreportagen können als Beispiel dafür dienen, wie die Streitkräfte versuchten, den Informationsfluss in eigener Sache zu lenken. Für diese Beiträge schickte AFN seine Redakteure und Techniker zu ver26
27
What the American Soldier Says About AFN in Germany, January 1947, 12, 14 f., Anlage zu Glavin an SGS, USFET, 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; MAJ F. H. Graham, Asst AG, EUCOM, an C/S, DA, Attn: TIED, 17. Oktober 1950, Box 419, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Suid-Interview Neal, 34 f. und Neal an Suid, 22. Juli 1985, in: Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch Saul Green Show, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 9 (Juni 1946); Jean […]ght O’Malley, American Forces Network Serving GIs in Germany, in: Gateway, 1. Juni 1951 (Plakat im Newsroom: „Nothing but the Facts – No Interpreting, No Speculating, No Editorializing“). AFN SOP 1965, 65, AFN Historial File. Siehe auch McCormick an C/S, 21. Mai 1948, Box 79, Dec File 1948, C/S, EUCOM, RG 338, NACP. Vgl. Zumwalt, The Stars and Stripes, 77, 96, 103.
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schiedenen geplanten Veranstaltungen sowie zu Unfällen oder anderen spontanen Ereignissen. Die Reportage vor Ort erforderte von Journalisten eine besondere Leistung, mussten sie doch in kürzester Zeit die Lage erfassen und mit eigenen Worten beschreiben. Zur on the spot coverage gehörten oft Interviews mit Beteiligten, die keine große Medienerfahrung hatten und auch Dinge erzählten, die ihnen später leid taten oder die außerhalb ihrer Befugnisse lagen. Im militärischen Kontext konnte dies zu Auseinandersetzungen führen, wie etwa die in Kapitel 3 erwähnte Berichterstattung über einen Flugzeugabsturz während der Luftbrücke gezeigt hat. Die Luftwaffe kritisierte im August 1948 zum einen die Ausführung der Reportage und dabei vor allem die grauenhaften Details bei der Beschreibung des Unfallortes. Zum anderen hätte sie sich gewünscht, dass das Unglück weniger beachtet worden wäre, da solche Unfälle das Ansehen der Luftwaffe schmälerten und die Moral der Truppe schwächten. Der Briefwechsel der Vorgesetzten von AFN deutet an, dass die neue Waffengattung in Bezug auf Informationsmanagement noch einiges lernen musste.28 Das Heer ging zur gleichen Zeit sehr viel professioneller vor: Am 28. Juli 1948 kam es in einem Werk der I. G. Farben AG in Ludwigshafen zu einer Kesselexplosion, bei der über zweihundert Menschen starben und etwa 3.800 verletzt wurden. Einheiten des französischen und amerikanischen Militärs unterstützten die deutschen Hilfskräfte bei der Bewältigung dieser Unfallkatastrophe. Bruce Wendell und Vince Lambrose von der AFN-Nachrichtenredaktion waren schnell vor Ort und berichteten über das Unglück und den Einsatz der amerikanischen Streitkräfte. Nach einem kurzen Überblick über die Geschehnisse, bei dem sie möglichst viele beteiligte US-Einheiten namentlich erwähnten, interviewten sie einen der ersten Amerikaner vor Ort. „One of the first Americans, if not the first American on the scene“ war bezeichnenderweise ein Mitarbeiter der Public Information Division (PID) des Europäischen Befehlsbereichs. Er sammelte Informationen über die Aktivitäten der amerikanischen Truppen und konnte nun den Hörerinnen und Hörern von AFN die Situation beschreiben. Die Rundfunkreporter sprachen anschließend noch mit anderen Menschen vor Ort, doch keiner hatte einen so guten Überblick über das Geschehen wie der Presseoffizier und viele Interviewpartner waren weniger eloquent.29 Auch bei der Flutkatastrophe Anfang 1953 in den Niederlanden kontrollierten Vertreter des Heeres die Informationen über den amerikanischen Mili28
29
COL J. G. Hill, Asst to the Dep C/S, EUCOM, an TI&E, EUCOM, 26. August 1948, Box 79, Dec File 1948, C/S, EUCOM, RG 338, NACP; COL O. McCormick, C/TI&E, an S&S und AFN, 26. August 1948, ebd.; C/TI&E an COL Hill, Asst to the Dep C/S, 30. August 1948, ebd. LR-993: Ludwigshafen Disaster Part I, AFN Historical File; LR-995 Ludwigshafen Disaster Part II, ebd. Siehe auch Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948.
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täreinsatz. Kurz nachdem die Vereinigten Staaten der niederländischen Regierung Unterstützung angeboten hatten, verschaffte sich ein US-General ein Bild über die Lage in den betroffenen Gebieten. Begleitet wurde er von einem hohen Mitarbeiter der Public Information Division, die in der Folgezeit die militärische Öffentlichkeitsarbeit koordinierte und zum wichtigen Ansprechpartner von Journalisten wurde. Die PID gab auch einzelnen Einheiten Hinweise für die Zusammenarbeit mit den Medien und kontrollierte deren Output. Etliche Pressetexte und Redebeiträge von Militärangehörigen schrieb sie auch selbst. Über die Flutkatastrophe informierte AFN seine Hörerschaft von der zentralen Nachrichtenredaktion in Frankfurt aus und mit Hilfe von Korrespondenten. Bei der Berichterstattung über die Aktivitäten der US-Streitkräfte hatte ein Militärmedium wie AFN keine besonderen Rechte, wohl aber eine Reihe von Pflichten. Die Heeresführung sah es beispielsweise als unerlässlich an, dass AFN die Pressekonferenz des befehlshabenden Generals in Den Haag aufzeichnete.30 Bei diesem Kriseneinsatz wurde die sonst übliche zentralisierte Genehmigung aller militärischen Presseauskünfte in Teilen gelockert. Innerhalb der US-Streitkräfte überwog trotzdem die Routine, sich bei der PID rückzuversichern. Auch AFN-Korrespondent Mel Riddle ließ sich nicht nur einzelne Fakten bestätigen, sondern reichte ganze Beiträge ein.31 Immer wieder kam es vor, dass bestimmte Vorgänge nicht publiziert werden sollten. Dabei ging es keinesfalls nur um Informationen, die die militärische Sicherheit betrafen (wie die Streitkräfte gerne behaupteten). Bei dem Einsatz in den Niederlanden etwa hatte der Northern Area Command (NAC) zusammen mit seinen Truppen einige Einrichtungen der Post Exchange (PX), den Verkaufsläden für amerikanische Soldaten, in die Niederlande verlegt. Diese Tatsache wurde als geheim eingestuft. Im Generalstab des US-Heeres in Europa wollte man wohl nicht riskieren, dass dieser Sonderservice für GIs in der Öffentlichkeit auf Unverständnis oder Ablehnung stieß. Eine Aktennotiz vom verantwortlichen PID-Mitarbeiter zeugt davon, wie gründlich das Militär beim Unterdrücken dieser Nachricht vorging: Gen Handy notified C/PID that no publicity to be given to PX facilities being moved to Holland for use of US troops. PID personnel alerted to watch and avoid use of same. C/ PID notified S&S to delete all such references from copy. Advised Morrissey [Leiter des Pressezentrums des US-Heeres in Europa] to kill all such material and told AFN to not
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LTC T. J. Brett, Journal for PIO – AMRO, 1 (3 February 1953), Box 1, Weekly Activity Reports 1953, PID, USAREUR, RG 338, NACP. Siehe auch Dutch Have High Praise For U. S. Forces Aid, in: Stars and Stripes, 8. Februar 1953. In dem Bericht des PID-Offiziers in Den Haag heißt es zum Beispiel: „Briefed and sent out Mel Riddle (who already had the press conference in the can) (also corrected his script for broadcast tonight) to do feature on helicopter rescue work. Coordination with Air and Dutch here.“ LTC T. J. Brett, Journal for PIO – AMRO, 2 (3 February 1953), Box 1, Weekly Activity Reports 1953, PID, USAREUR, RG 338, NACP.
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use same. Call to PIO-NAC to not publicize same further since the PX elements in Holland are from NAC. RESTRICTED32
AFN musste sich letztlich alle Meldungen über das amerikanische Heer von der Public Information Division genehmigen lassen. Dazu gehörten Aussagen einzelner Militärvertreter und selbstrecherchierte Fakten, doch selbst bereits von Nachrichtenagenturen oder anderen Medien veröffentlichte Informationen mussten – sofern sie die Streitkräfte betrafen – noch einmal abgestimmt werden. Dafür nahm die PID Rücksprache mit den Presseoffizieren der betroffenen Einheiten oder deren Führungskräften und gab den AFN-Redakteuren dann die offizielle Version des Europäischen Befehlsbereichs. Manchmal bekam AFN zusammen mit den Auskünften eine konkrete Handlungsanweisung, die auch ein „Nicht Senden“ bedeuten konnte. Zu den abgelehnten Meldungen gehörten sicherheitsrelevante Details, aber auch politisch kontroverse Themen. Besonders zurückhaltend sollten die Militärmedien zum Beispiel über die atomare Bewaffnung des US-Militärs berichten, über GIs, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren, oder über Probleme im deutsch-amerikanischen Verhältnis. Im Juli 1953 brauchte der betreffende PID-Mitarbeiter gar nicht erst bei anderen Stellen nachzufragen, als er einem AFN StuttgartRedakteur verbot, über ein lokales deutsch-amerikanisches Problem zu berichten: Mr Williams, AFN Stuttgart, called requesting approval of story in German press for their REPORT FROM EUROPE program on taxi-drivers who had appealed to West German government for protection from soldiers and reinstatement of curfew. Disapproved as inappropriate, controversial, and not in conformance with our policy.33
Die jeweils aktuellen Informationsrichtlinien der US-Streitkräfte in Europa wurden von den Verantwortlichen bei regelmäßigen Konferenzen besprochen. Da AFN ebenso wie die Stars and Stripes im militärischen System der Abteilung für Information und Bildung unterstanden, trafen sich beispielsweise im Jahr 1953 die Leiter der Armed Forces Information and Education Division, 32 33
LTC T. J. Brett, C/Opns, PID, an COL Furuholmen, 2. Februar 1953 [sic]: Report of Activities – Opns Br for Period 1 February – 7 February 1953, 12, ebd. LTC J. H. Galloway, C/Opns, PID, an Acting C/PID, 27. Juli 1953: Report of Activities – Opns Br for Period 12 July – 18 July 1953, Box 2, ebd. Die routinemäßige Anwendung der politischen Leitlinien des Militärs belegen auch die Tätigkeitsberichte von AFN aus dem Jahr 1959. Siehe etwa AFN Weekly Info Report 5 January – 11 January 1959, 12. Januar 1959, 250/57 Command Report File, NASL: „Policy procedure was investigated by a visit from the Editor in Chief to USAFE on 8 January regarding the ‚Discoverer‘ missile coordinating the DOD release to AFNE through USAREUR INFOD.“; AFN Weekly Info Report 16 March – 22 March 1959, 24. März 1959, ebd.: „policy application concerning the Redstone missile“; AFN Weekly Info Report 30 March – 5 April 1959, 6. April 1959, ebd.: „On INFOD advice curtailed story on auto ornamentation from Bonn, and established policy on Japan legal story on US military establishment there.“ Zur Rücksichtnahme auf das Gastgeberland in den Nachrichten siehe auch Kapitel 12.
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AFN und Stars and Stripes monatlich mit den Verantwortlichen der Public Information Division sowie den Presseoffizieren der Siebten US-Armee, der Luftwaffe und der Marine. Alle Vierteljahr stieß sogar der Oberbefehlshaber des US-Heeres in Europa hinzu und äußerte seine Meinung zu bestimmten Themen. Diese Informationen wurden dann intern weitergegeben, so dass die Militärmedien sie bei ihrer Arbeit anwenden konnten. Diese „Vergatterung“ befreite die Nachrichtenredakteure aber keineswegs davon, bei einzelnen Meldungen Rücksprache mit den betreffenden Stellen zu nehmen.34 AFN und die Stars and Stripes waren durch ihren Status als nichtoffizielle Medien der Streitkräfte und ihrem Auftrag zu unabhängiger Berichterstattung eine Besonderheit im militärischen System. Etlichen Offizieren leuchtete dieses Privileg nicht ein, hätten sie die beiden doch gerne ebenso umfassend kontrolliert, wie sie dies von anderen militärischen Publikationen gewohnt waren. Einigen Beteiligten ging die Einflussnahme des Heeres jedoch zu weit, und viele verspürten bei der Angelegenheit immerhin ein Unbehagen. Denn einerseits waren sie von der Notwendigkeit des Kontrollsystems der Streitkräfte überzeugt. Andererseits sahen sie aber auch den darin enthaltenen Widerspruch zum demokratischen Ziel der Pressefreiheit. Im Zusammenhang mit inhaltlichen Vorgaben für AFN benutzten die verantwortlichen Mitarbeiter oft den Euphemismus policy application. In manchen dienstlichen Schreiben findet sich aber doch das so sorgfältig vermiedene Wort Zensur. „We do not like censorship, although we practice it in some degree every day in the practical operation of Stars and Stripes and AFN“, schrieb etwa der Leiter der Abteilung für Information und Bildung im April 1955 nach Washington.35 Eine solch zwiespältige Haltung wie beim Vorgesetzten von AFN im Europäischen Befehlsbereich konnte den Nachrichtenredakteuren des Senders nützlich sein. Denn bei der Auslegung der Regeln im Alltag der Rundfunkstation kam es auf die Entscheidung vieler einzelner Menschen an.36 Auch die Mitarbeiter der Public Information Division verteidigten in einigen Fällen die journalistischen Rechte der Militärmedien gegenüber lokalen Presseoffizieren. Denn diese waren oft besonders rigide, wenn es darum ging, 34
35 36
COL M. G. Stubbs, C/AFIED, an C-in-C, 5. Mai 1953, Box 2, Gen Corr 1953, SGS, USAREUR, RG 338, NACP; Stubbs an C-in-C, 23. September 1953, ebd. Siehe auch H. G. Price, From the Commanding Officer, in: AFN Weekly Digest, 3. Oktober 1953. Vgl. Zumwalt, The Stars and Stripes, 85. COL E. R. Ott, C/AFIED, USAREUR, an COL J. L. Chamberlain, C/TIED, O C/Info, DA, 19. April 1955, Box 7, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP. Viele Journalisten von AFN und S&S waren stolz auf ihre Unabhängigkeit und sahen darin die Prinzipien der Demokratie verwirklicht. Siehe etwa Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 18: „democracy in action“; AFN Beams Truth Throughout the Continent, in: Balog Banner, 16. Mai 1962. Vgl. Sweers, The Voice of Information and Education (unveröff.), 166; Zumwalt, The Stars and Stripes, 77, 96, 103.
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Berichte über ungenehme Vorfälle in ihrem Einflussbereich verhindern zu wollen. Im System der amerikanischen Streitkräfte hat bei vielen Angelegenheiten der lokale Befehlshaber das letzte Wort. Entsprechend diplomatisch musste die zentrale, aber nicht übergeordnete PID dann vorgehen. Im Februar 1953 schlug sie einer lokalen Presseoffizierin vor, ein potentiell peinliches Urteil eines Militärgerichts nicht zu unterdrücken, sondern als abschreckendes Beispiel zu veröffentlichen: PIO-WAC queried on court martial of officer for drunken driving, breaking curfew, etc, and fined $1,000. Advised her that it up to Gen Hughes whether to release, as, if he felt example should be made to assist discipline, to publish it. Also, to consider that press may ask about it three weeks hence and she should have reason for not publishing.37
Wie in diesem Beispiel kamen den beteiligten Öffentlichkeitsmitarbeitern vor allem dann Skrupel beim Informationsmanagement, wenn die Gefahr bestand, dass sie dabei entdeckt wurden. Die Wächterfunktion gegen solche Übergriffe übernahm die US-Hörerschaft von AFN, vor allem aber amerikanische Journalisten, die aus Deutschland berichteten und die darauf achteten, ob und wie der Militärsender bestimmte Themen behandelte. Meist klappte dies bei amerikanischen oder internationalen Meldungen besser als auf lokaler Ebene. Im Januar 1953 erkundigte sich der zivile Chief of Operations des Militärsenders, Louis Adelman, bei der PID, wie er über Soldaten berichten sollte, die sich unerlaubt von der Truppe entfernt hatten und nun von einem Militärcamp in Kalifornien nach Korea verlegt wurden: Addelmen [sic] of AFN phoned for guidance on the release coming out of Cp Stoneman re shipment of AWOLs to Korea. He felt AFN being listened to to determine if they using. Replied that as long as S&S using and all press services full of it, AFN should use, but not play up … mention it briefly.38
Der Hinweis des AFN-Mitarbeiters auf mögliche externe Beobachter konnte ein nützliches Mittel sein, kritische Nachrichten genehmigt zu bekommen. Allerdings zeigt dieses Beispiel auch, dass missliebige Informationen nicht selten journalistisch heruntergespielt werden sollten, also etwa schlecht platziert und nur kurz erwähnt wurden. Bei vielen Themen, etwa bei Kriminalfällen mit amerikanischer Beteiligung, war diese Vorgehensweise für die Nachrichtenredakteure von AFN bereits Routine.39 37 38 39
LTC T. J. Brett, C/Opns, PID, an COL Furuholmen, 24. Februar 1953 [sic]: Report of Activities – Opns Br for Period 22 February – 28 February 1953, Box 1, Weekly Activity Reports 1953, PID, USAREUR, RG 338, NACP. LTC T. J. Brett, C/Opns, PID, an COL Furuholmen, 26. Januar 1953 [sic]: Report of Activities – Opns Br for Period 25 January – 31 January 1953, ebd. Siehe hierzu etwa einen Briefwechsel nach einer Beschwerde, dass AFN zu viele Berichte über Kriminalität im US-Militär brachte. Der Nachrichtenchef des Senders schrieb damals unter anderem: „All crime stories involving Americans, military or civilian, at home or abroad, are automatically discarded unless the stories are of such magnitude as to render such action out of keeping with honest reporting.“ [Unterstreichung im
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Politische Einflussnahme auf Nachrichtensendungen Hatten während der Berichterstattung über die Hilfsaktion in den Niederlanden militärische Weisungen Priorität gehabt, waren vier Monate später politische Vorgaben von großer Bedeutung. Ebenso wie andere Medien war AFN von den ostdeutschen Demonstrationen im Juni 1953 überrascht worden.40 Empfehlungen dafür, wie die Vorgänge journalistisch zu behandeln seien, kamen in diesen Tagen unter anderem durch Rundschreiben des amerikanischen Außenministeriums. In den Unterlagen des US-Militärs in Europa hat sich zum Beispiel die „vorläufige Orientierung“ vom 17. Juni (mit dem Wissensstand vom Mittag des 16. Juni) erhalten: US information output should give maximum news coverage to all areas to responsible reporting of East Berlin demonstrations and any Soviet-Communist repressive reactions. Reports verifying spontaneous character of workers demonstrations should be given special emphasis.41
Diese und weitere Unterweisungen machen deutlich, dass die Journalisten grundsätzlich Partei für die Demonstranten ergreifen und repressive Maßnahmen auf sowjetischer Seite verurteilen konnten. Gleichzeitig sollten sie keine Einzelforderungen von ostdeutschen Protestlern oder westdeutschen Politikern unterstützen, auch nicht die nach freien Wahlen. Nachahmer in anderen Ostblockstaaten sollten zudem weder er- noch entmutigt werden.42 Die Redakteure und Korrespondenten von AFN zeigten in ihrer Berichterstattung eindeutig ihre Sympathie mit den Demonstranten in Ostdeutschland, blieben aber bei allgemeinen Bewertungen und versuchten ansonsten, die Lage zu beschreiben. Eine Nachrichtensendung vom 17. Juni leitete die Berlin-Meldung folgendermaßen ein:
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Original] V. J. Lambrose, News Chief/AFN, an C/AFN, 5. Februar 1953, Folder: 322 European Command, Box 433, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Siehe auch COL J. L. Chamberlain, Dep C/TIED, DA, Memo for Record, 27. Januar 1953 (mit Anlagen), Box 419, ebd. Vgl. Zumwalt, The Stars and Stripes, 85 f., 162 f., 206 ff. R. H. Winkler (AFN Berlin 1953–1954) an MAJ G. H. Buchanan, AFN, 30. Oktober 1967, Ex-AFNers File, AFN Historical File: „Only our German-born and Russian-speaking news ‚stringer‘ got to the scene before all American personnel were restricted from the area.“ Siehe auch Domentat, First We Take Manhattan, 112. Info Guide Bulletin 379 zit. n. State Dept sgd Dulles, Circular 1211 und 1214, 19. Juni 1953, Box 1, Gen Corr 1953, SGS, USAREUR, RG 338, NACP: „interim guidance“. Info Guide Bulletin 379 und 380, ebd.; Info Guide Bulletin 383, zit. n. State Dept sgd Dulles, Circular 1222, 19. Juni 1953, ebd. Zur Rolle der Medien bei den Protesten siehe etwa Hixson, Parting the Curtain, 71–77; Holzweißig, Der 17. Juni 1953 und die Medien; Ostermann, Amerikanische Propaganda gegen die DDR, 120–124; Riller, Funken für die Freiheit, 13, 178 f., 183 f., 250 f.; Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus, 745–754.
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Once again Berlin drew the attention of the world. At this time all freedom loving peoples join their spirits with the one hundred thousand East Berliners who had picked this day to demonstrate their hatred of Communist tyranny. AFN correspondent Ed de Fontaine and program director Mark White give us a word picture of that day on Potsdamer Platz.43
Auch ohne Warnungen war dem Militär bewusst, dass die Lage in der geteilten Stadt für sie jederzeit brenzlig werden konnte. Der befehlshabende General der US-Truppen in Berlin hatte daher den Befehl gegeben, dass alle Berichte über den Berlin Command beim zuständigen Public Information Office eingereicht werden mussten. Außerdem durfte AFN keine Reporter in Uniform nach Ost-Berlin schicken. Ostdeutsche Medien warfen nämlich den Amerikanern vor, die Arbeiterproteste zu instrumentalisieren und letztlich für die Ausschreitungen verantwortlich zu sein. So beschuldigte zum Beispiel Karl-Eduard von Schnitzler am 18. Juni 1953 in einem Radiokommentar direkt das US-Militär: „Amerikanische Offiziere in voller Uniform dirigierten mitten in der Demonstration ‚Unter den Linden‘ die faschistischen Trupps zur Aufwiegelung der Bevölkerung.“44 In der brisanten Situation im Juni 1953 kamen zu den unterschiedlichen Vorgaben auch Missverständnisse hinzu. So hatte der Nachrichtenchef von AFN die Anweisung des US-Kommandanten von Berlin so verstanden, dass alle Meldungen über die ostdeutschen Demonstrationen mit dessen Dienststelle für Öffentlichkeitsarbeit abgestimmt werden müssten. Einige Tage nach den Ereignissen beschwerte er sich deswegen vorsichtig bei der europäischen Heeresleitung, und es stellte sich heraus, dass nur Berichte gemeint waren, die unmittelbar mit den US-Truppen in Berlin zu tun hatten. Im diesem Zusammenhang gab die Public Information Division aber zu, dass die Lage für Militärjournalisten in Berlin nicht ideal war und zukünftig verbessert werden sollte. In den folgenden Jahren nahm die Kontrolle der AFN-Berichte aus der geteilten Stadt allerdings eher zu als ab. Und so musste etwa Dick Rosse, AFN-Korrespondent von 1959 bis 1962, seine Meldungen von Mitarbeitern des Berlin Command und des Außenministeriums genehmigen lassen.45 Die besonderen Probleme eines Militärsenders in einem fremden Land zeigten sich in Krisenzeiten besonders deutlich. Don Brewer etwa erinnert sich an den ersten Tag des Ungarnaufstandes 1956, an dem er als Programm43 44 45
Zit. n. Sie brachten uns den Rock ’n’ Roll, Linz (AV). Stimmen des 20. Jahrhunderts: Wir sind wieder wer, DHM/DRA (AV): Track 12. LTC J. H. Galloway, C/Opns, PID, an COL Furuholmen, C/PID, 22. Juni 1953 [sic]: Report of Activities – Opns Br for Period 21 June – 27 June 1953, 6, Box 1, Weekly Activity Reports 1953, PID, USAREUR, RG 338, NACP. Siehe auch Anlage B zu COL M. G. Stubbs, C/AFIED, an C-in-C, 23. September 1953, Box 2, Gen Corr 1953, SGS, USAREUR, RG 338, NACP; Suid-Interview Ted Shoemaker, 10. März 1983, 5–8, Box 8, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Theodore S. Shoemaker war von 1958 bis 1963 bei AFN). Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 146.
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chef von AFN mit widersprüchlichen Anweisungen zurechtkommen musste. Zunächst hatte die Heeresleitung entschieden, dass AFN sein normales Programm fortführen sollte, damit die US-Soldaten und ihre Angehörigen nicht beunruhigt würden. Später bekam Brewer einen Anruf aus der US-Botschaft in Bonn: AFN sollte wie andere europäische Rundfunkstationen nur noch Trauermusik und Nachrichten senden. Diese „Empfehlung“ verunsicherte Brewer, zumal er keinen seiner militärischen Vorgesetzten erreichen konnte: „I frankly was going up the wall because I was getting this pressure from both sides. My military leadership had gracefully disappeared into the woodwork someplace.“46 Letztlich entschloss Brewer eigenverantwortlich, sich weiterhin an den regulären Sendeverlauf zu halten. Das Außenministerium konnte den Militärmedien offiziell keine Anweisungen geben. Schriftliche Lageeinschätzungen (wie für den 17. Juni 1953 zitiert), viel häufiger aber noch Anrufe oder persönliche Treffen legten den Verantwortlichen jedoch eine gewisse politische Linie bei der journalistischen Darstellung einzelner Ereignisse oder Begebenheiten nahe. Hierzu gehörten nicht nur außenpolitische Themen, Ende der fünfziger Jahre ging es zum Beispiel auch um die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung oder Fehlschläge im US-Weltraumprogramm. Berichte darüber durften keinesfalls ganz weggelassen werden, denn das hätte Zensur bedeutet. Andererseits sollte darüber aber nicht allzu ausführlich oder plakativ berichtet werden, damit sich das Bild der Vereinigten Staaten bei den US-Soldaten und dem europäischen Publikum nicht eintrübte.47 Wie AFN mit externem Druck umging, hing stets von den Entscheidungen der Redakteure und deren Vorgesetzten ab. Probleme mit der Einflussnahme auf die Nachrichten hatten vor allem diejenigen, die sich mehr einem unabhängigen Journalismus als dem Militär oder der Staatsräson verpflichtet fühlten. Dazu zählten einzelne Soldaten im Newsroom ebenso wie zivile Redakteure. Für einige Zivilangestellte war die Einmischung von Außen auch ein wichtiger Grund dafür, bei AFN zu kündigen. Andere Mitarbeiter wollten vor allem ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal sein und hielten sich an dessen Regeln – ähnlich wie sie dies vom zivilen Rundfunk gewohnt waren. Außerdem waren viele davon überzeugt, dass sie ihrem Land im Kalten Krieg am ehesten halfen, wenn sie sich an alle Vorgaben „von oben“ hielten. Hinzu kam, dass die Einschränkung negativer Nachrichten über die USA oder eine bestimmte Art der Berichterstattung oft auch mit ihrer privaten politischen Meinung übereinstimmte. Wie sehr sich einzelne Mitglieder der Abteilung Aktuelles mit dieser Problematik auseinandersetzen mussten, lag aber auch an 46 47
Suid-Interview Brewer, 31, Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Riller, Funken für die Freiheit, 80. Siehe etwa Suid-Interview Shoemaker, 2 f., 12 f., Box 8, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; E-Mail Sam Kaplan an die Autorin, 11. November 2002. Vgl. Riller, Funken für die Freiheit, 42 f., 167 ff., 190, 194 f.; Zumwalt, The Stars and Stripes, 207 f.
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der Einstellung des AFN-Kommandeurs und leitender Mitarbeiter. Während einige den Druck aus innerer Überzeugung oder Führungsschwäche direkt weitergaben, ließen andere ihn ins Leere laufen oder wehrten ihn ab. Ehemalige Mitarbeiter erinnern sich, dass zum Beispiel Robert Cranston in seiner Zeit als AFN-Chef der Nachrichtenredaktion einen großen Handlungsspielraum verschaffte. Dafür musste er allerdings bisweilen mit seinem Rücktritt drohen, falls der Sender über bestimmte Dinge nicht berichten durfte. Wie vielfältig und kontrovers die Einstellung der AFN-Redakteure war, zeigt sich bis heute bei Diskussionen zu diesem Thema.48 Die externen Vorgaben und/oder die eigenen Überzeugungen führten oft auch zu verschiedenen Formen der Selbstzensur. Einblick in das komplizierte Zusammenspiel dieser Faktoren kann eine Begebenheit aus dem März 1953 geben. In dem Bericht der Public Information Division ging es zunächst um einen lokalen Presseoffizier, der eine AFN-Meldung über zwei Kriminalfälle verhindern wollte. Daraufhin ermahnte der PID-Mitarbeiter diesen, keine Zensur auszuüben. Andererseits wollte er aber auch den Chef des Lokalsenders sprechen (wohl, um ihn an die politische Leitlinie des Militärs zu erinnern, Verbrechen mit amerikanischer Beteiligung maßvoll und nur in besonders wichtigen Fällen darzustellen). Der AFN-Redakteur meldete sich bei keiner der beiden Stellen erneut und nahm damit die Einschränkung seiner journalistischen Arbeit hin: WD-PIO telconed that Sgt fr AFN-Nurnberg wanted details on two stories involving crimes by US soldiers that area. Wanted to use them on tonight’s broadcast. WD-PIO did not want AFN to use. We advised the PIO could not censor and to answer press queries factually. However, did leave message for station manager, AFN-Nurnberg, to call C/Opns re same. Did not call and did not use over radio.49
Warum der AFN-Mitarbeiter aufgegeben hatte, die Meldung weiter zu verfolgen, lässt sich nur mutmaßen. Ob Zeitnot, Bequemlichkeit oder Einsicht – die Bandbreite seiner möglichen Motive ist groß. Sicher scheint nur, dass die Schere im Kopf einzelner Mitarbeiter im redaktionellen Alltag äußerst effektiv funktionierte.50 48
49 50
Jack Raymond, Europe Radio Gag Laid to U. S. Army, in: New York Times, 30. Januar 1951; Herb Altschull (AP), Everybody Complains About AFN But Never About Same Program, in: Bangor Daily News, 25. Dezember 1956. Siehe auch Suid-Interview Brewer, 32 f., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Cranston, 48– 55, 79, 82–86, Box 3, ebd.; Suid-Interview Moses, Teil 2, 6 ff., Box 6, ebd.; Suid-Interview Shoemaker, 5–8, 12 ff., Box 8, ebd.; E-Mails von Sam Kaplan an die Autorin, 11. November 2002 und 4. März 2003; E-Mail von Ben Mast an die Autorin, 31. Mai 2006. Vgl. etwa Herman/Chomsky, Manufacturing Consent. LTC T. J. Brett, C/Opns, PID, an COL Furuholmen, 9. März 1953 [sic]: Report of Activities – Opns Br for Period 8 March – 14 March 1953, Box 1, Weekly Activity Reports 1953, PID, USAREUR, RG 338, NACP. Siehe hierzu Fußnote 48.
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Das Programm
Eine Besonderheit im Zusammenhang mit der Berichterstattung von AFN war der französische Verbindungsmann, der ab 1958 auf der Personalliste des Militärsenders stand. Er war eine der Vorbedingungen dafür gewesen, dass die französische Regierung den US-Streitkräften den Aufbau von Rundfunkstationen in ihrem Land genehmigt hatte (siehe Kapitel 6). Monsieur Roland Mehl sollte unter anderem darauf achten, was die Nachrichtenredaktion über die französische Politik und besonders den Algerienkrieg meldete. Gemäß den Statuten von AFN war er kein offizieller Zensor, allerdings machte er Vorschläge, wie bestimmte Vorgänge einzuschätzen waren und kommentierte Manuskripte sowie ausgestrahlte Sendungen. Mehrere AFN-Mitarbeiter erinnern sich, dass allein Mehls Anwesenheit im Redaktionsalltag ausreichend war, die Berichte über Frankreich zu beeinflussen.51 Ab Ende 1957 leistete Samuel W. Kaplan seine Wehrpflicht im Frankfurter Newsroom ab. Eine Zeit lang bereitete er nachts die ersten Nachrichtensendungen von AFN am Morgen vor. Bei der Auswahl der Themen und dem Umschreiben der Agenturmeldungen war er auf sich allein gestellt und genoss daher einige Freiheiten. Da Kaplan Anstoß an der Tätigkeit des französischen Verbindungsmanns nahm und die Rolle Frankreichs in Algerien kritisch sah, versuchte er, die betreffenden Meldungen zumindest politisch neutral zu formulieren. Roland Mehl fiel dies natürlich auf und er beanstandete es. Ein ziviler Vorgesetzter von Kaplan wertete das Verhalten des GIs als Ungehorsam, entband ihn von seiner Tätigkeit und schickte ihn zu einem Militärpsychologen. Ein wenig später durfte Kaplan wieder als Nachrichtenredakteur arbeiten und erwies sich dann als konformes Mitglied des AFN-Teams.52 51
52
Verschiedene private E-Mails an die AFN-Group bei Yahoo. Siehe auch AFN Weekly Info Report 9 March – 15 March 1959, 16. März 1959, 250/57 Command Report File, NASL; Suid-Interview Cranston, 64 f., Box 3, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 86. E-Mails von Sam Kaplan an die Autorin, 11. November 2002 und 2. Dezember 2002. Vgl. E-Mail von Ben Mast an die Autorin, 31. Mai 2006. – Immer wieder haben AFNRedakteure die Grenzen des militärischen Kontrollsystems ausgelotet. Einzelne Mitarbeiter brachten bisweilen in geringem Umfang subversive Inhalte im Programm unter, die meisten hielten sich damit aber zurück und blieben teamorientiert. Von diesem Verhalten scheint am stärksten Steve Oreskovich abgewichen zu sein, der bis November 1970 seinen Wehrdienst bei AFN ableistete. Unter dem Namen Stephen John moderierte er unter anderem die Musik-Sendung „Underground“, die vor allem bei jungen GIs beliebt war. Für die erste Woche nach Ende seiner Dienstzeit hatte er seinen Kollegen noch eine vorproduzierte Ausgabe dagelassen, die diese am gewohnten Sendeplatz ausstrahlten. Sie enthielt allerdings eindeutige Aussagen gegen den Vietnamkrieg und wurde nach etwa zwanzig Minuten gestoppt. COL J. E. Melanson, Jr., C/Public Affairs, HQ USAREUR and Seventh Army, an LTC H. W. Roeder, CO/AFN, 18. November 1970, 228-08 Organization Historical Files, AFN Historical File; Roeder an Melanson, 23. November 1970, ebd. Siehe auch UPI, AFN DJ Aims Parting Shot At the Military, in: Stars and Stripes, 18. November 1970; Verschiedene Leser, Letters to the Editor, ebd., 5. Dezember 1970; Burr Snider, Stephen John’s Last Program, in: Overseas Weekly,
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Der deutschen Regierung kam auch nach 1955 nicht in den Sinn, einen Verbindungsmann beim amerikanischen Militärrundfunk etablieren zu wollen. Diese Zurückhaltung konnte den Redakteuren von AFN nur recht sein, auch wenn der Kommandeur des Senders sich in einem bestimmten Fall eine andere Reaktion gewünscht hätte. Anfang der sechziger Jahre wollte nämlich die für den amerikanischen Auslandsrundfunk zuständige United States Information Agency eine von ihr gestaltete Sendereihe von allen Radiostationen der US-Streitkräfte ausstrahlen lassen. Die politischen Erläuterungen waren für die einheimische Gasthörerschaft der Militärsender gedacht, auch wenn sie sich offiziell an das amerikanische Publikum wandten. Wie in Kapitel 4 beschrieben, hatte es bereits früher Bestrebungen gegeben, den Militärrundfunk für Propaganda zu nutzen, was aber zuvor stets von den Streitkräften abgewehrt worden war. Diesmal hatte der Verteidigungsminister dem Ansinnen der USIA jedoch zugestimmt, obwohl viele Militärs weiterhin dagegen waren. Auch Robert Cranston, der damalige Chef von AFN, wollte keine USIA-Programme ausstrahlen und suchte dafür Unterstützung bei den Regierungen Frankreichs und Deutschlands. Ohne direkt darauf hinzuweisen, bezog Cranston sich auf die mit beiden Ländern abgeschlossenen Verträge, die Propaganda-Aktivitäten durch die Militärsender ausschlossen. Im Falle Frankreichs wies Cranston seinen französischen Verbindungsmann auf die Natur der Sendungen hin und fragte, ob dessen Regierung diese gestatten würde. Auf das erwünschte „Non“ brauchte er nicht lange zu warten. Einen ähnlich direkten Ansprechpartner hatte der AFN-Kommandeur für Deutschland allerdings nicht. Und so übergab die US-Botschaft in Bonn einem Vertreter des Auswärtigen Amtes ein Aide-mémoire „Betr. Nachrichtenkommentare des Rundfunk- und Fernsehdienstes der amerikanischen Streitkräfte“. Der Vorgang wanderte durch verschiedene Ministerien, doch kein Referent mochte gegen die USIA-Sendungen Einwand erheben. Und so startete „Today’s Analysis of Events from Washington“ am 18. April 1963 auf den deutschen AFNSendern, während die Hörerschaft von AFN France davon verschont blieb.53 Zur selben Zeit hielt sich Cranston in Washington auf und wurde von einem Redakteur des Branchenblatts Broadcasting nach den Radiokommentaren gefragt. Ein Artikel, der auf die Probleme des Programms hinwies, er-
53
29. November 1970; Steve Oreskovich, in: Spiegel, 23. November 1970. Vgl. Suid-Interview Herb Glover, 20. April 1983, 13, 15, Box 4, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Herbert G. Glover war ab 1959 für den US-Militärrundfunk tätig, von 1969 bis 2003 war er bei AFN); Suid-Interview Swisher, 18–31, Box 8, ebd. LTC S. S. Kale an C/TIED, 8. April 1955, Box 7, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/ Info, Army Staff, RG 319, NACP; Dr. Hecker, AA, an Bundesministerium des Inneren, 20. April 1963, 833, B 106, BA (gleichlautende Briefe gingen auch an die Bundesministerien der Justiz und des Post- und Fernmeldewesens sowie an das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, nachrichtlich auch an das Bundeskanzleramt); Suid-Interview Brewer, 38 ff., Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Cranston, 86–90, 94 ff., Box 3, ebd. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 143 f.
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schien unter der Überschrift „News management on AFN?“ Kurz darauf wurde US-Präsident John F. Kennedy auf einer Pressekonferenz auf die Sendereihe angesprochen, konnte (oder wollte) aber keine Auskunft geben. In den kommenden Monaten kritisierten etliche Veröffentlichungen den Missbrauch der Militärsender für Propaganda. Besonders häufig beschäftigten sich Kommentare der Washington Post-Newsweek-Stationen mit dem Thema. Deren Präsident, John S. Hayes, war an dem Fall besonders interessiert, denn er hatte AFN im Zweiten Weltkrieg geleitet. Den Kritikern schien der Fall eindeutig, denn durch die Regierungskommentare verloren die Rundfunkstationen der Streitkräfte ihre politische Unabhängigkeit und riskierten, bei ihrem Zielpublikum unglaubwürdig zu werden. Für die USIA wiederum galt, dass sie keine amerikanischen Bürger agitieren durfte – auch keine Soldaten im Ausland. Die Verantwortlichen für das kontroverse Programm fochten solche Argumente nicht an, zumal die öffentlich geäußerte Empörung rasch abnahm. Erst im März 1967 setzte der Direktor der USIA die Sendereihe ab – übrigens ohne Angabe von Gründen.54 Zeitzeugen und Kommunikationswissenschaftler sind sich nicht einig, wer für diesen Vorfall hauptsächlich verantwortlich gewesen sein könnte. Beteiligt waren Regierungsmitglieder wie Verteidigungsminister Robert S. McNamara, der umstrittene Chef des Office for Armed Forces Information and Education, John C. Broger, und die US-Ikone des unabhängigen Nachrichtenjournalismus, Edward R. Murrow, damals allerdings Direktor der USIA. Letztlich stimmten hier erstaunlich viele politische und militärische Verantwortliche darin überein, die internationale Gasthörerschaft des Militärrundfunks ausnutzen zu wollen. Wie breit der Konsens in dieser Zeit war, zeigte sich auch an einer Äußerung des demokratischen Kongressabgeordneten John E. Moss aus dem Jahr 1967: „I can understand why the Government might want at times to take advantage of this foreign audience.“55 Sein Verständnis für solche nicht-offenen Propagandaaktivitäten der Regierung ist insofern bemerkenswert, als dass Moss lange Jahre Leiter des Freedom of Information Subcommittee des Repräsentantenhauses war. In dieser Funktion hatte er sich mehrfach mit der unerlaubten Einflussnahme des Militärs auf seine 54
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LTC R. Cranston, C/AFN, an COL K. K. Cowan, Dep for Radio-TV, Directorate for AFIE, DOD, 21. Mai 1963, Corr File 1963, Privatarchiv Robert Cranston. Siehe auch News management on AFN?, in: Broadcasting, 22. April 1963; JFK Promises Military Radio Probe, in: Overseas Family, 3. Mai 1963; [A. und J. Adams,] the Editorial We, Listeners’ Lament or Everything’s Not Coming Up Roses, in: U. S. Lady, Juli 1963. Siehe auch AFRTS, Special Report on „Today’s Analysis of Events from Washington“, 2. Mai 1963, Box 3, Histories, AFRTS, RG 330, NACP. Der Historiker Lawrence Suid hat zu diesem Thema zahlreiche Dokumente zusammengetragen. Sie befinden sich in Folder: Chapter 22, Box 1, Draft Chapters, AFIS, ebd.; Folder: Cranston documents, Box 2, ebd., Folder: USIA Controversy, Box 3, Historical Monographs, ebd. Moss to Investigate Charges That The Pentagon Will Centralize And „Censor“ AFN, „Stripes“ News Feeds, in: Variety, 1. Februar 1967.
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Medien beschäftigt und sich für deren journalistische Unabhängigkeit eingesetzt.56 Im Laufe der sechziger Jahre veränderte sich die Situation der Aktuellredaktion von AFN erheblich. Denn nach Vorgaben für alle amerikanischen Militärsender mussten die Stationen in Europa massiv Personal abbauen. Davon waren Korrespondentenstellen ebenso betroffen wie die Besetzung jeder einzelnen Nachrichtenabteilung. Der Chef von AFN berichtete zum Beispiel im September 1965, dass über den Zeitraum von etwa zwölf Monaten vierzig Prozent der Mitarbeiter eingespart und die Programmaktivitäten weitgehend in Frankfurt zentralisiert wurden. Nun konnten die verschiedenen Stationen der Senderkette nur noch ein Minimum an lokalen Informationen produzieren und waren dabei von der Vorarbeit der Presseoffiziere abhängig. Auch die AFN-Büros in Paris, London und Bonn wurden geschlossen. Diese Einschränkungen deckten sich mit neuen Vorgaben, nach denen Militärsender die Arbeit kommerzieller Nachrichtenagenturen nur in Ausnahmefällen ergänzen und auf keinen Fall investigativ recherchieren durften.57 Im Jahr 1967 schlugen die Militärjournalisten in Europa Alarm. Zunächst wehrten sich die Mitarbeiter von Stars and Stripes dagegen, dass ihre Redakteure in New York dem neu geschaffenen Armed Forces News Bureau in Washington zugeordnet werden sollten. Im Zuge dessen machten sie auch zahlreiche Fälle von News Management publik, die in Medien und Politik für Aufmerksamkeit sorgten. Daraufhin sah sich Verteidigungsminister McNamara veranlasst, die Informationsfreiheit als Richtlinie des Militärjournalismus zu bekräftigen. Im Herbst des Jahres erhob schließlich der AFN-Redakteur William Slatter Zensurvorwürfe gegen das Militär. Vor dem Frankfurter Presseclub berichtete er, dass AFN Nachrichtenmeldungen nicht selbst recherchieren dürfe und einige Themen weglassen müsse. Slatter ging auch auf 56
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AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 104 f.; Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 46; ders., International Radio Broadcasting, 102 ff., 132; Christman, Brass Button Broadcasters, 143 f.; Pells, Not Like Us, 88–91; Pirsein, The Voice of America, 421 f.; Riller, Funken für die Freiheit, 49, 57–66, 259; Sperber, Murrow, 634 f. Presentation by LTC Bloecker, OIC/AFN, at AFRT European Conference, 13. September 1965, Box 8, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; AFN SOP 1971, 50, AFN Historical File; Suid-Interview Bickley, 9–13, Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Suid-Interview Harlan, 37–41, Box 4, ebd. Siehe auch pml, AFN muß sparen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. März 1965; pml, AFN kürzt Nachrichten, ebd., 27. April 1965; Tom Wuriu, Budget Cuts Produce AFN „Economy Look“, in: Army Times, 29. März 1965; Bill Russell, Axed Programs Restored by AFN, in: Air Force Times, 27. Dezember 1967; pml, Wie objektiv darf der Soldatensender AFN berichten, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Januar 1968; ech, Wird AFN ein Propagandainstrument?, ebd., 25. Mai 1968; Siegfried Schneider, AFN auf dem Rückzug, in: Hörzu, 6. Juli 1968. Vgl. Bayless, American Forces Network, 165; Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 41; Craig, American Forces Network, 40 f.; Provan, The AFN Story, 50.
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verschiedene Arten von indirekter Beeinflussung von Informationssendungen durch das Militär ein, von telefonischen „Empfehlungen“ über verspätete Genehmigungen bis zur Selbstzensur der Redakteure.58 Die Beispiele von Slatter sind mit denen vergleichbar, die in diesem Kapitel aus den fünfziger Jahren berichtet und zum Teil bereits damals publik gemacht worden waren. Allerdings hatte sich das gesellschaftliche Klima in den USA gewandelt und so erreichten die Vorwürfe nun eine breitere Öffentlichkeit. Themen wie die Bürgerrechtsbewegung oder der Vietnamkrieg waren in den Vereinigten Staaten sehr umstritten und immer mehr Amerikaner misstrauten ihrer Regierung und dem Militär. Slatters Vorwürfe wurden daher vielfach publiziert und von Seiten der Streitkräfte sowie der Politik untersucht. Diese Prüfungen fanden keine Anzeichen für die organisierte Zensur von Nachrichten bei AFN. Dies galt aber vor allem für nationale und internationale Themen, bei denen den Meldungen der verschiedenen Nachrichtenagenturen gefolgt werden sollte. Der Einfluss des US-Militärs ließ sich aber durchaus nachweisen. Die Situation von AFN hatte sich inzwischen insofern verändert, als dass nicht mehr die Public Information Division des US-Heeres in Europa weisungsbefugt war, sondern die Abteilung für Public Affairs des U. S. European Command. Die Streitkräfte verteidigten ihr System der Informationskontrolle, gaben aber zu, dass einige Mitarbeiter Fehler gemacht hätten, die es in Zukunft zu vermeiden gelte. In der Praxis änderte sich für die Nachrichtenredakteure also wenig: Wie frei AFN über bestimmte Vorgänge berichten konnte, hing weiterhin von zahlreichen Einzelentscheidungen und verschiedenen Instanzen ab. In Zeiten großer gesellschaftlicher Meinungsverschiedenheiten und eines immer unpopulärer werdenden Krieges in Vietnam 58
AP, Probe Vowed in Overseas News Flow, in: Stars and Stripes, 26. Januar 1967; UPI, Armed Forces Staff Fears News Curbs; Urges Congress Aid, in: New York Times, 26. Januar 1967; UPI, Pentagon Delays Transfer of Stars & Stripes Office, ebd., 5. Februar 1967; UPI, Pentagon Gives Up on Merger For Office of Stars and Stripes, ebd., 13. Februar 1967; Brass Blasted for Killing Stories at AFN, in: Overseas Weekly, 2. April 1967; Benjamin Welles, M’Namara Scores News Censorship, in: New York Times, 2. Mai 1967; Otto Doelling (AP), AFN Official Says Military Controls News, in: Stars and Stripes, 27. Oktober 1967; UPI, Army Rebuts AFN Editor on News Control, ebd., 28. Oktober 1967; „Censorship“ Issue Shows AFN Self-Editing Needs, in: Army Times, 8. November 1967; C. B., AFN Static Alerts Washington, in: Overseas Weekly, 12. November 1967. Siehe auch DOD News Management – The Stars and Stripes, Congressional Record – House, March 16, 1967, H 2835–H 2842. Zu diesen Themen hat Lawrence Suid zahlreiche Dokumente gesammelt, sie befinden sich unter anderem in Folder: Censorship, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Folder: Jack Anderson columns, Box 8, ebd.; Folder: Misc. AFRS/AFRTS/AFN clippings, 1940– 70s, Box 12, ebd. Siehe auch Suid-Interview Cranston, 118–126, Box 3, Transcripts, ebd.; Suid-Interview Slatter, Box 8, ebd. Vgl. etwa AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 89, 105 f.; Christman, Brass Button Broadcasters, 148 f.; Craig, American Forces Network, 40 f.; Feibusch, The Armed Forces Radio and Television Service (unveröff.), 29– 53; Ferchow, „American Forces Network“ (unveröff.), 75–80.
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wurden die Beteiligten aber keinesfalls mutiger. Anfang 1968 brachte es der ehemalige AFN-Mitarbeiter Maury Cagle auf den Punkt: „The policy of AFN is determined by how scared the information officer is.“59 Es blieb nicht aus, dass dadurch die Glaubwürdigkeit des Senders bei seinem Publikum litt. Unter anderen Bedingungen konnte dies Kontrollsystem aber noch weitaus problematischere Ergebnisse hervorbringen, wie Untersuchungen zum American Forces Vietnam Network (AFVN) gezeigt haben.60 Weitere Informations- und Bildungssendungen Um die Bandbreite des Informationsprogramms von AFN zu verstehen, ist nun ein zeitlicher Sprung nötig. Denn neben Nachrichten produzierte der Militärsender seit den vierziger Jahren auch Reportagen und Features zu unterschiedlichen Themen. Inhalt und Stil der Beiträge variierten je nach Programmbedarf. Und so konnte es um die Bereiche Politik und Wirtschaft ebenso gehen wie um Wissenschaft und Kultur oder Unterhaltung und Freizeit. Ein gutes Beispiel für die Möglichkeiten von AFN auf diesem Gebiet ist die 15-minütige Sendung „On the Scene“, die ab 1954 jeweils nach dem „Report from Europe“ lief. Hier konnten an einem Abend etwa mehrere kleine Beiträge zu einem tagesaktuellen Thema wie dem Rheinhochwasser gebracht werden, an einem anderen hörte das Publikum eine lange Reportage über den Flug mit einem Militärjet. AFN-Reporter besuchten mit ihren Bandgeräten aber auch beispielsweise eine Salzmine oder den Drehort eines Films. Sehr häufig bestanden die Beiträge aus Interviews mit mehr oder weniger bekannten Personen. Für Sendungen wie „On the Scene“ war die kleine Special Feature Section in Frankfurt zuständig. Deren Redakteure machten viele Aufnahmen außerhalb des Studios und wurden dabei häufig von anderen Abteilungen beziehungsweise dem Personal der Lokalsender unterstützt. Die AFN-Mitarbeiter fanden hier ein äußerst kreatives Betätigungsfeld, welches allerdings ab 59
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Under Military Control, in: Time, 8. Januar 1968 (Zitat). Siehe auch LTC R. W. Leonard, Acting C/Community Relations Div, C/Info, DA, Memo for the Record, 22. Dezember 1967, Folder: Censorship, Box 3, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; „Why Don’t You Go Climb a Tree?“ – Ellis, in: Army Times, 24. Januar 1968; Capt. Ellis Sails Away, Leaving Scene Changed, ebd., 18. September 1968. Vgl. LTC H. W. Roeder, CO/AFN, an All AFN Newsmen, 28. März 1972, Subject: Deviation from Source Material in News Writing, AFN Historical File. Vgl. Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 42. Die Analyse der Verhältnisse bei AFVN würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, sie sind aber an anderer Stelle ausführlich dargestellt worden. Siehe etwa Moody, The Armed Forces Broadcast News System: Vietnam Version; Moore, Censorship of AFVN News in Vietnam; Hauser, A History of the American Forces Vietnam Network (unveröff.); Miller, American Forces Radio and Television Service (unveröff.), 128–137; Murphy, Censorship and the Armed Forces Vietnam Network (unveröff.).
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etwa Ende der fünfziger Jahre immer stärker durch Einsparungen eingeschränkt wurde.61 Eine der wichtigsten Aufgaben von AFN waren Berichte über die Aktivitäten der Streitkräfte in Europa. Dazu dienten Meldungen in den Nachrichten und aktuelle Beiträge, beispielsweise über Zeremonien oder Manöver. Schon bei der Auswahl der Themen zeigte sich, dass die Journalisten stets innerhalb der Militärstruktur agierten. Denn ob AFN über eine Pressekonferenz, Feierlichkeit oder Übung berichtete, hing vor allem von den Wünschen der Beteiligten und ihrer Stellung innerhalb der Streitkräfte ab. Wie bei der amerikanischen Fluthilfe in den Niederlanden gesehen, gab es für den Sender etliche Pflichttermine und einige Vorgänge, über die er nicht berichten sollte. Keinesfalls durfte der Militärrundfunk Geschehnisse kommentieren oder inhaltlich werten. Die Mitarbeiter des Radiosenders kooperierten außerdem stets mit den zuständigen Presseoffizieren, die ihnen Informationen und Interviewpartner besorgten und zum Teil auch an der Konzeption der Beiträge beteiligt waren. Es gab auch Sendungen, die ganz von militärischen Öffentlichkeitsmitarbeitern erdacht und geschrieben waren. Diese wurden dann von AFN umgesetzt, manchmal war nicht einmal das mehr nötig. Meist handelte es sich dabei aber nicht um tagesaktuelle Berichterstattung, sondern um „zeitlosere“ Darstellungen, etwa über die Tätigkeit der Militärpolizei oder die medizinische Versorgung in einem Befehlsbereich.62 Hohe Offiziere oder militärische Funktionsträger nutzten den Sender oft auch als direktes Kommunikationsmittel zu den Soldaten. In Sendungen wie „On the Scene“ kamen häufig Beiträge von Kommandeuren, sei es als Ansprache oder in Interviewform. Dabei ging es um aktuelle Mitteilungen oder die Unterstützung einer militärinternen Kampagne. Im Januar 1960 beispielsweise stellte der stellvertretende Stabschef des US-Heeres in Europa im Gespräch mit einem AFN-Reporter Operation Searchlight vor, eine mehrmonatige Aktion zur Verbesserung des Heeres. Der Journalist – von seinem Gegenüber übrigens nur Johnny genannt – fungierte dabei als Stichwortgeber: „First of all, 61
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Siehe etwa New Programs Scheduled to Begin on AFN, in: Stars and Stripes, 9. Januar 1954; AFN Show to Present Flood Situation Report, ebd., 18. Januar 1955; AFN to „Visit“ Cotten Film Set, ebd., 21. Januar 1955; AFN Reporter Tapes Jet Ride, ebd., 14. Oktober 1955; Tom Dorsey, From Salt Mines To Jets, AFN Staff „On Scene“, in: Army Times, 31. Mai 1955; E-Mail von Ben Mast an die Autorin, 31. Mai 2006. Shoemaker, Material cut out of the afn piece: Command Influence, MS, o. J., 1, Anlage zu Suid-Interview Shoemaker, Box 8, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Siehe etwa AFN Will Broadcast Ridgway Departure, in: Stars and Stripes, 8. Juli 1953; AFN to Broadcast Maneuver Tonight, ebd., 17. September 1953; AFN to Carry Ceremony Direct From Mannheim, ebd., 27. Januar 1955; AFN Airs MP Work On Signal 17 Series, in: WACom Courier, 5. Februar 1954; Surgeon Office on AFN, ebd., 22. Juni 1956; Delano and Landsburg „Honorary Plankowners“, in: AFN Digest, 27. August 1955; AFN Makes War On Crime, in: Radio and TV Review, 14. August 1959; AFN Gives FTX „Field“ Coverage, in: Guardian, 1. Dezember 1962.
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General Lindenman, just what is Operation Searchlight?“63 Es war typisch für diese Art von Beiträgen, dass John Morris seine Fragen ebenso ablas wie der Generalmajor seine, in diesem Fall gestelzten Antworten. Die Manuskripte für die inszenierten Interviews kamen ebenso wie die Texte von Radioansprachen nicht von AFN, sondern von den betreffenden Offizieren beziehungsweise deren Mitarbeitern.64 Durch diese Mechanismen wurden die Berichte, Interviews und Reden über die US-Streitkräfte in Europa tendenziell eher einförmig und offiziös. Und dadurch bestand die Gefahr, dass sie die Mehrheit des Publikums nicht erreichten. Ein Hörer beschwerte sich zum Beispiel im Jahr 1958 über militärische Beiträge auf AFN: „I don’t think the majority of listeners give a good hoot that General So-and-So arrived at such-and-such a place and was greeted by Colonel So-and-So, after which he attended this and that.“65 Hier zeigte sich, wie wichtig das im vorigen Kapitel erwähnte Prinzip der Unterhaltung war, nach dem der amerikanische Militärrundfunk gestaltet wurde. Um die Analogie aus dem Mary Poppins-Lied „A spoonful of sugar helps the medicine go down“ aufzunehmen: Diese Informationen und Mitteilungen waren die Medizin, die die Heeresleitung ihren Soldaten verschrieben hatte, und die nun ein Löffelchen Zucker brauchten. Das unterhaltsame Umfeld der militärischen Botschaften ließ die GIs ihre Radiogeräte einschalten. Damit deren Inhalte bei ihnen ankamen, mussten sie jedoch auch interessant aufbereitet werden. Häufig wiederkehrende Themen von Militärkampagnen waren zum Beispiel Aufrufe zur Verlängerung der Dienstzeit, zur Feuerprävention oder Verbrechensverhütung. Dafür dachten sich die verantwortlichen Presseoffiziere und AFN-Mitarbeiter oft eine Vielzahl von unterschiedlichen Beiträgen aus. In einer USAREUR Traffic Safety Week im Jahr 1954 brachte der Sender etwa eine Ausgabe von „Special Assignment“ mit Verkehrssicherheitstipps, und die Reporter von „On the Scene“ interviewten Unfallbeteiligte. Zweimal am Tag verlas AFN die Namen von vorbildlichen Fahrern, die ihnen die Militärpolizei 63 64
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LR-4706: On the Scene, 8. Januar 1960, AFN Historical File. Siehe etwa AFN Will Interview Admiral Tonight, in: Stars and Stripes, 6. November 1953; Hoge to Open Recruitment Drive. AFN Speech Today Will Keynote Campaign, ebd., 28. September 1954; Army Leaders Speak For Recruiting Drive, in: Guardian, 1. Oktober 1954; GIs in Germany Face Service Cut, in: Newark Evening News, 29. April 1955; Col Kernan on AFN, in: Berlin Observer, 29. August 1958. Name Withheld (Letter to the Editor), in: American Weekend, 27. September 1958 (Zitat). Acht Jahre später drückte ein Hörer die unterschiedlichen Interessen zwischen der Mehrheit der soldatischen Hörerschaft und der militärischen Führung weitaus drastischer aus: „And you can always tune in AFN for news, sports and programs of special interest such as the Umpty-umpth Infantry Cavalcade report (,… and now an interview with Colonel Chicken Crud who has just flown 2.000 accident-free miles in a helicopter between the officers’ club and the Mickey Mouse Acres golf course …‘).“ Dave Love, The Complete Jazzman (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 5. Juni 1966.
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Das Programm
gemeldet hatte, und zu jeder vollen Stunde gab es die eindringliche Forderung, umsichtig zu fahren. Auch Unterhaltungssendungen beschäftigten sich mit dem Thema, von einer entsprechenden Folge der US-Krimiserie „Suspense“ bis zum Musikprogramm „Highway of Melody“. Es half dem ernsthaften Anliegen auch, dass ihn die größten Sympathieträger des Senders aufnahmen: die Discjockeys. Den 1956 immer wiederkehrenden Slogan „Fahr ’ vorsichtig! Das Leben, das du damit rettest, könnte dein eigenes sein“ wandelte ein Moderator zum Abschluss seiner populären Sendung folgendermaßen ab: „Good night, friends … and remember: drive carefully … for the life you save, may be – MINE!“66 AFN war fest in die Struktur des Informations- und Bildungsprogramms der Streitkräfte eingebunden. Alle Soldaten des europäischen Befehlsbereichs sollten sich zum Beispiel in einer wöchentlichen Schulungsstunde mit verschiedenen, von der Heeresleitung vorgegebenen Themen beschäftigen. Es ging dabei etwa um die demokratischen Prinzipien der USA, die Aufgaben und Traditionen des amerikanischen Militärs oder aktuelle politische Entwicklungen. Jeden Montagabend brachte AFN eine 15-minütige Sendung zur jeweiligen Unterrichtseinheit, die zunächst etwas sperrig „TI&E Bulletin of the Air“ hieß, später dann „Command Theater“. (Letzteres wurde übrigens lange Jahre intern „Command Theatre“ geschrieben und mit „gebildetem Akzent“ ausgesprochen, also Command mit langem A und Theater ohne R.) Für dieses Programm mussten die Radiomitarbeiter versuchen, Themen wie „Seventh Army“, „Total Rule“ oder „Your Rights and Obligations in Germany“ möglichst eingängig und spannend aufzubereiten. Meist schrieben die Redakteure aus dem Lehrstoff ein Hörspiel oder Feature, das dann mit einigem Aufwand und etlichen Beteiligten produziert wurde. Während es an den Schulungsstunden in den einzelnen Einheiten des Öfteren Kritik gab, wurden die AFN-Sendungen in der Regel gelobt. Insgesamt waren solche Programme aber nicht unproblematisch, denn nicht immer hatten die Skriptwriter gute Ideen und manchmal fehlte auch für die Umsetzung Zeit oder Personal.67
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Gernot Brümmerstädt, This is AFN – the American Forces Network!, in: Wildente, Mai 1956 (Zitat). Siehe auch etwa AFN Planning Programs for Safety Week, in: Stars and Stripes, 27. Oktober 1954; Traffic Safety Week Highlights AFN Fare, ebd., 31. Oktober 1954; 594th Sgt Startled To Hear Name on Air, in: Guardian, 12. November 1954. COL J. L. Chamberlain, Dep C/TIED, an C/TIED, 9. Juni 1953, Box 435, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, ebd.; Suid-Interview William Muldoon, 28. Januar 1983, 14, Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Muldoon war von 1950 bis 1952 bei AFN). Siehe auch HOSS, Net Reviews, in: AFN Weekly Digest, 19. September 1953; Stuttgart Says …, ebd., 3. Oktober 1953. Vgl. Frercks, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 12 f.; Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 115; Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 13.
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Die Ansprüche der Informations- und Bildungsabteilung des Heeres an AFN beschränkten sich nicht auf eine Sendung wie „Command Theater“. Im Laufe der Zeit entwickelte der Militärrundfunk daher zahlreiche kürzere und längere Programmformate, um die geforderten Inhalte darstellen zu können. In einer Serie von fünf Minuten langen Sendungen erzählte zum Beispiel die Siebte Armee ihre Geschichte, das Heer und die Luftwaffe in Europa bekamen 15-minütige Programmreihen und jeweils eine halbe Stunde dauerte „Epic of America“, in der die Geschichte der Vereinigten Staaten thematisiert wurde. Programme wie „This is Germany“, „Sprechen Sie Deutsch?“ oder „Take a Tour“ sollten Wissen über Deutschland und Europa vermitteln. Sie beschäftigten sich mit Geschichte und Folklore, klärten über aktuelle Entwicklungen auf oder regten zum Erlernen von Fremdsprachen und Reisen auf dem Kontinent an. Zum Teil waren diese Sendungen den militärischen Bemühungen zuzurechnen, die harmlose oder pädagogisch wertvolle Freizeitbeschäftigungen propagierten. Ähnliche Tipps und Anregungen gab es daher zum Beispiel auch zum Lesen oder Fotografieren, zur Autopflege oder Haustierhaltung.68 Den Programmgestaltern war stets bewusst, dass gerade längere Bildungsprogramme gut gemacht sein mussten, um die Mehrheit der Hörerschaft zu erreichen. Doch bei bestimmten Themen konnte nicht einmal die Qualität eines Programms die Aufmerksamkeit der Soldaten garantieren. Treffend bemerkte ein Mitarbeiter des US-Militärrundfunks in Österreich über die Sendungen, die AFRS aus den USA schickte: [W]e are asking a lot of GI Joe when we expect him to sit still for thirty minutes of: „Does Christianity Conflict With Political Collectivism“ „What Is Medical Research Doing About So Called Degenerative Diseases“ […] „What Is The Guiding Conception of Lebanon’s Policy In The Middle East“69
Doch es waren nicht allein komplexe oder trocken aufbereitete Inhalte, die die Rezeption von Bildungsprogrammen schmälerten. Durch die Entwicklung in der amerikanischen Rundfunklandschaft seit Anfang der fünfziger Jahre, veränderten sich auch die Gewohnheiten des Publikums. Immer weniger waren Radiohörerinnen und -hörer dazu bereit, langen Wortbeiträgen ihre Aufmerk-
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I&E Shows on AFN, in: The AFN Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP. Siehe auch Five Years Ago at AFN, in: AFN Weekly Digest, 30. Mai 1953; AFN Series Will Tell History of 7th Army, in: Stars and Stripes, 22. Mai 1953; AFN to Air Series On USAFE History, ebd., 22. Februar 1961; AFN Presents The History Of USAREUR, in: SACom Scene, 13. Mai 1960. Vgl. Fudge, The Armed Forces Radio Service (unveröff.), 115 f. MAJ G. A. Boepple, BDN, an COL J. L. Chamberlain, C/TIED, 1. Juli 1953, Box 431, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP.
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Das Programm
samkeit zu schenken. Nach und nach trug auch AFN diesem Trend Rechnung.70 Eine effektive Möglichkeit, selbst die langweiligsten Anliegen interessant zu verpacken, waren kurze Mitteilungen in Werbespotform. Um die jeweilige Botschaft an den Hörer und die Hörerin zu bringen, nutzten die Mitarbeiter von AFN ebenso vielfältige Mittel wie die Werbebranche. Zur Verkehrssicherheit beispielsweise gab es Abschreckendes wie „Inviting the Undertaker“ oder auch Humorvolles: „Keeping up with the Jones’ may be all right, but keeping up with the Schmidts on the autobahn may cost you your life.“71 Im Jahr 1954 brachte AFN täglich etwa 35 Spots, die die Anliegen der militärischen Führung ebenso darstellten wie Informationen von Organisationen und Clubs, die sich um das Wohlergehen der Soldaten kümmerten. Letztere waren nichtkommerziell und mussten von den Streitkräften offiziell anerkannt sein, damit sie die Dienste von AFN nutzen durften. Der Service des Rundfunksenders war für sie kostenlos, schließlich waren sie Teil der sozialen Infrastruktur der US-Streitkräfte im Ausland. Je nach Bedarf und Zielgruppe strahlte die Senderkette die Spots auf allen seinen Stationen aus oder nur auf einzelnen. Die zeitliche Summe der Kurzbotschaften haben die Programmverantwortlichen für eine durchschnittliche Programmwoche im Jahr 1954 ausgerechnet. Dabei fielen etwa neun Minuten auf Spots zur Rekrutierung und einer militärischen Verbesserungskampagne sowie zwei Minuten auf die Ankündigung von Weiterbildungskursen. Die Verkaufsläden der US-Armee, Special Services und die USO kamen zusammen auf 18,5 Minuten „Werbezeit“. Der Hauptteil der Mitteilungen ging allerdings mit jeweils 35 Minuten pro Woche an die Kinos und Clubs der Militärgemeinden.72 Die Kurzbotschaften verfehlten ihre Wirkung nicht. Immer wieder berichteten Militärangehörige und Mitarbeiter von Vereinen und Serviceorganisationen, dass die Soldaten auf die Publicity über AFN positiv reagierten. Im Januar 1954 schrieb etwa der Leiter eines touristischen Informationscenters der Luftwaffe in Paris, dass die Mehrheit seiner Besucher nur wegen der Radiospots kommen würde. Mit den kurzen Mitteilungen konnte AFN also zum einen die ihm zugedachte Rolle in der Militärgemeinschaft erfüllen. Andererseits bedienten die Spots auch die Hörgewohnheiten des Publikums, das mit Radiowerbung vertraut war und sie im Ausland zum Teil sogar vermisste. Insofern hatten viele amerikanische Hörerinnen und Hörer auch weniger an der Form der Mitteilungen etwas auszusetzen als vielmehr am Inhalt von ein70 71 72
Suid-Interview Bob Matthes, 11. März 1983, 7 ff., 20 f., Box 6, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Robert Matthes war von 1962 bis 1987 bei AFN). The 500th New Year, in: AFN Weekly Digest, 2. Januar 1954. AFN Spots Open For Airing News And Sport Sched., in: Nurnberg Post, 8. Januar 1954; What’s That Spot Worth? You Figure It Out, in: AFN Weekly Digest, 10. Juli 1954; New Spots Being Heard, ebd., 27. August 1955. Siehe auch Suid-Interview Brewer, 12, Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP.
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zelnen Spots oder einer zu häufigen Wiederholung. Wie aufmerksam jemand die Kurzbotschaften verfolgte und ob er sie gut umgesetzt fand, hing auch von seiner Bildung ab. In der Regel schwand die Akzeptanz je mehr schulische oder universitäre Ausbildung ein Hörer genossen hatte. Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsrate lag zum Beispiel Ende 1946 trotzdem bei fast sechzig Prozent. Im Laufe der Jahre scheinen allerdings immer mehr GIs in den AFNSpots ein notwendiges Übel gesehen zu haben, das sie zu ignorieren versuchten.73 Musste der Radiosender sich beim Aufbau neuer Militärstandorte bei den dortigen Funktionsträgern und Organisationen erst bekannt machen, hatte er bald mehr Anfragen und Mitteilungswünsche als verfügbare Sendezeit. So erging es AFN zum Beispiel Anfang der fünfziger Jahre bei der Ausweitung seiner Aktivitäten in Rheinland-Pfalz. 1955 brachte AFN Kaiserslautern neun verschiedene Lokalprogramme in der Woche, drei davon kamen sogar von Montag bis Freitag. Sie versorgten die Hörerschaft mit Nachrichten und Sportergebnissen aus dem Western Area Command oder kündigten kommunale Veranstaltungen und das aktuelle Kinoprogramm an. Bemerkenswert war die Sendereihe „Together We Serve“, in der der Kommandeur des Befehlsbereichs jeden Sonntagabend für fünf Minuten zu seinen Untergebenen sprach. Bei der informellen Art seines Vortrags orientierte sich der General an den Fireside Chats von Präsident Roosevelt. Inhaltlich beschäftigte er sich vor allem mit lokalen Themen, die vom militärischen Alltag bis zum Privatleben seiner Soldaten reichten. Wie stark eine AFN-Station in die regionale Militärgemeinschaft eingebunden war, hing von vielen Faktoren ab und veränderte sich daher stetig. Neben der Anzahl und Qualifikation der Mitarbeiter des Lokalsenders ging es zum Beispiel um den möglichst vertrauensvollen Umgang mit den Organisationen und Vereinen im Sendegebiet und um die Unterstützung der örtlichen Befehlshaber.74
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What the American Soldier Says About AFN in Germany, January 1947, 19 f., Anlage zu Glavin an SGS, USFET, 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, SGS, EUCOM, RG 338, NACP. Siehe auch Our Respects To – Dwight David Eisenhower, in: Broadcasting, 25. Juni 1945; Editorial „… it means America …“, ebd.; AFN Commended For Recruiting Spots, in: AFN Weekly Digest, 11. Juli 1953; AFN Plugs Boost Paris Info Center, ebd., 16. Januar 1954; USAREUR Lauds AFN Effort in Pushing Efficiency Spots, ebd., 19. Juni 1954; AFN Praised by AFRC Chief, in: SACom Scene, 23. März 1962; Plugs Cut to a Minimum By Announcers at AFN, in: American Weekend, 14. Mai 1960; Rawle Knox, Death and Music On Europe’s Radio, in: New York Herald Tribune, 23. September 1962. Vgl. Craig, American Forces Network, 43. Robert Dunphy, Gen Reber ’s WACom – a Miraculous Buildup, in: Stars and Stripes, 7. Januar 1955; ders., Reber Marks First Year of Radio Talks, ebd., 28. Januar 1955; Gen Reber Comments on his First Year of Broadcasting, in: WACom Courier, 28. Januar 1955; AFN Broadcasts WACom Specials, ebd., 5. August 1955.
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Das Programm
Im Bereich der aktuellen Berichterstattung und den Service- und Bildungsprogrammen lässt sich am ehesten erkennen, dass AFN ein Militärsender war. Als Dienstleistungsbetrieb der Streitkräfte hatten die Rundfunkstationen zahlreiche Botschaften zu übermitteln, die für die Hörer als Soldaten und Staatsbürger in Uniform als wichtig erachtet wurden. Auch im Zusammenleben in den Militärgemeinden erwies sich das Radio als ein wichtiges Informationsmedium, berichtete es doch über zahlreiche lokale und überregionale Aktivitäten. Bei der Gestaltung des Programms achteten die AFN-Mitarbeiter darauf, dass sie auch schwierige oder potentiell langweilige Themen interessant verpackten, damit sie einen möglichst großen Teil des Publikums erreichten. Doch nicht immer war dies ausschlaggebend, denn letztlich hatte der Sender den Wünschen des US-Heeres in Europa und verschiedenen lokalen Befehlshabern zu entsprechen. Und so gab es gerade im I&E-Bereich einige Programme, die nicht dem Qualitätsanspruch des Senders oder dem Geschmack der Hörerinnen und Hörer entsprachen. Den Einfluss der militärischen Führung merkte man auch den Nachrichtensendungen von AFN an. Gemäß seinen Statuten sollte der Militärsender objektiv und ausgewogen berichten können und durfte nicht zum Sprachrohr einer militärischen Dienststelle oder eines Ministeriums werden. Verschiedene Kontrollmechanismen in den US-Streitkräften und Empfehlungen aus der Politik führten aber dazu, dass einige Informationen nur kurz erwähnt oder ganz weggelassen wurden. Das waren sicherheitsrelevante Themen, vor allem aber lokale Ereignisse oder Zustände, die die militärische Führung aus verschiedenen Gründen nicht veröffentlichen wollte. Innerhalb und außerhalb des Heeres gab es aber auch Kräfte, die sich gegen die Beeinflussung der aktuellen Berichterstattung der Militärmedien wehrten. Dazu gehörten Mitarbeiter von AFN ebenso wie amerikanische Journalisten und Politiker. Ihr Einfluss zeigte sich vor allem bei nationalen und internationalen Themen, über die der Militärrundfunk berichtete, obwohl dies sich negativ auf das Image der Vereinigten Staaten auswirken konnte. Solange es in den USA einen grundsätzlichen Konsens zu gesellschaftlichen und sicherheitspolitischen Themen gab, wurde daher an der Glaubwürdigkeit von AFN nicht gezweifelt.
DIE HÖRERSCHAFT 10. „THIS IS YOUR STATION“. DAS AMERIKANISCHE PUBLIKUM VON AFN The purpose of AFN is to serve the American forces in Europe. There is no other reason for its existence. Der AFN-Kommandeur in der Hauspublikation des Senders, 1953.1
Das Zielpublikum von AFN ergab sich aus seinem militärischen Auftrag. Der Sender sollte mit seinen Radioprogrammen die Angehörigen der US-Streitkräfte im europäischen Befehlsbereich informieren und unterhalten. Der genaue Wortlaut seiner Mission passte sich den äußeren Umständen des amerikanischen Militärs an und veränderte sich mit den Jahren leicht. Stets blieben aber die GIs im Mittelpunkt der Bemühungen des Militärrundfunks. Auch die Öffentlichkeitsarbeit der Senderkette betonte immer wieder, dass AFN allein für die Soldaten bestehe und für ihre Anliegen und Wünsche offen sei. Dies galt nicht nur im übertragenden Sinne, denn die Gebäude der Radiostationen standen ihnen auch tatsächlich offen. „THIS IS YOUR STATION“ konnten Besucher in den vierziger Jahren zum Beispiel als Inschrift in den Räumen von AFN Munich lesen. Ein paar Jahre später brachte die AFN-Zentrale das Motto der Senderkette mit großen Buchstaben über dem Haupteingang des Höchster Schlosses an: „Serving American Forces in Europe“. Die Radiostation galt als ein Dienstleistungsbetrieb der US-Armee und war für die Angehörigen der Streitkräfte bestimmt. Beim Zusammenstellen seines Programms musste AFN die Anliegen der militärischen Führung berücksichtigen, sollte sich aber an den Vorlieben seines mehrheitlich aus Soldaten und Unteroffizieren bestehenden Publikums orientieren.2 Um seine Hörerschaft zu erreichen, setzte AFN auf vertraute Elemente aus dem amerikanischen Rundfunk. Mit nur einer Radiofrequenz in den meisten seiner Sendegebiete richtete er sich nach den Vollprogrammen der USNetworks, die dem Militärrundfunk auch einen großen Teil seiner Beiträge zur Verfügung stellten. In diesem kleinteiligen Schema konnte AFN Sendungen unterbringen, die sowohl für die Mehrheit seiner Hörerschaft als auch für kleinere Gruppen mit speziellen Interessen gedacht waren. Anders als die 1 2
H. G. Price, From the Commanding Officer, in: AFN Weekly Digest, 2. Mai 1953. Manfred Bauer, Wir besuchen AFN Munich-Stuttgart, in Radiospiegel, 5. Oktober 1947: „THIS IS YOUR STATION“; AFN’s Four Years Pass in Review, in: AFN’s 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947; AFN Serves YOU, in: Post-Argus, 28. März 1953; AFN Munich Anniversary Show, 8. Juni 1957, MS, AFN Historical File.
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Die Hörerschaft
kommerziellen Radiosender in den USA, die sich oft zahlreicher Instrumente zur Publikums- und Wirkungsforschung bedienten, fehlten dem Militär für ähnliche Maßnahmen meist die Mittel. Wie AFN trotzdem die Wünsche seiner Hörer zu ergründen suchte und was diese vom Programmangebot hielten, soll Thema des folgenden Kapitels sein. Es wird deutlich werden, dass die Senderkette stets seiner besonderen Situation als Militärrundfunk Rechnung tragen musste. Dies zeigte sich bei der Programmplanung und Gestaltung einzelner Beiträge ebenso wie bei der Öffentlichkeitsarbeit des Senders. Denn obwohl AFN keinen Wettbewerb zu befürchten hatte und nicht unter Quotendruck stand, sollte er doch seine Zielgruppe erreichen und stets Teil der US-Gemeinschaft in Übersee sein. Auf die Anzahl und Zusammensetzung seiner Hörerschaft hatte AFN keinen Einfluss. War der Sender bei seiner Gründung im Jahr 1943 für die in Großbritannien stationierten US-Truppen zuständig gewesen, hatte der Militärrundfunk etwa ein Jahr später auch Einheiten zu versorgen, die auf dem europäischen Kontinent kämpften. Nach dem Ende des Krieges konzentrierten sich die Aktivitäten von AFN vor allem auf die amerikanischen Besatzungszonen in Deutschland. Hier befanden sich anfangs noch über zweieinhalb Millionen US-Soldaten, ihre Zahl reduzierte sich aber auf etwa 80.000 Männer und Frauen im Jahr 1950. In der Folgezeit wurden die Streitkräfte verstärkt, so dass sich hier bis zum Ende des Kalten Kriegs immer zwischen 200.000 und 250.000 US-Soldaten befanden. Zu der Hörerschaft in Uniform kamen weitere Mitglieder der Militärgemeinschaft. Dazu gehörten etwa die amerikanischen Zivilangestellten der Streitkräfte sowie die Familienangehörigen von Offizieren und Soldaten, die ab 1946 nach Europa kamen. Da auch deren Anzahl variierte, ließ sich der Umfang des Zielpublikums von AFN nur schwer einschätzen. Im Jahr 1959 beispielsweise ging die Senderkette von etwa 500.000 amerikanischen Hörerinnen und Hörern aus.3 Die verhältnismäßig stabilen Zahlen des AFN-Publikums ab den fünfziger Jahren dürfen nicht über die ständigen Veränderungen beim US-Militär in Europa hinwegtäuschen. Zum einen fand ein kontinuierlicher Austausch von einzelnen Soldaten und Offizieren statt – wenn deren Dienstzeit geendet hatte oder sie an einen anderen Standort versetzt wurden. Aus militärischen oder verteidigungspolitischen Gründen verlegten die Streitkräfte auch immer wieder ganze Einheiten nach oder aus Deutschland. Für AFN konnten sich daraus unter Umständen ganz neue Aufgaben ergeben, beispielsweise durch die Ankunft von Gruppen mit lateinamerikanischen Wurzeln oder der Einrichtung neuer Stützpunkte. Seiner ständig wechselnden Hörerschaft musste sich der Sender immer wieder neu bekannt machen. Damit begann AFN zum Teil 3
AFN Serves 336.765 in ET, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 15 (Juli 1946); AFN Is Large Morale Factor, Non Coms Told, in: Sentinel, 8. Mai 1959. Vgl. Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 81; US-Truppenstärken in Deutschland 1945–2000, Anlage zu Zimmermann, Why They Did Not Go Home (unveröff.).
Das amerikanische Publikum
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Abb. 9: Für die Truppe und ihre Familien: So stellte AFN Ende der fünfziger Jahre in der Öffentlichkeitsarbeit sein Publikum dar.
schon in den USA, etwa durch Artikel in der Zeitung einer Militäreinheit, die demnächst nach Europa verlegt werden würde. Anderen Soldaten stellte sich AFN durch Beiträge in Publikationen vor, die einzelne Neuankömmlinge über den europäischen Befehlsbereich informieren sollten. Das jeweils aktuelle
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Die Hörerschaft
Radioprogramm und Informationen zu einzelnen Sendungen verbreitete AFN durch gedruckte Aushänge auf US-Stützpunkten und tägliche oder wöchentliche Veröffentlichungen in den Militärzeitungen.4 Mit seinem Angebot an aktuellen Informationen und amerikanischer Radiounterhaltung hatte AFN bei seiner Zielgruppe fast keine Konkurrenz. Denn für die Mehrheit der amerikanischen Hörerinnen und Hörer stellten die europäischen Rundfunkanstalten keine Alternative dar. Dies lag zunächst daran, dass nur wenige Stationen auf Englisch sendeten. Die Programme der BBC konnte das US-Publikum zwar verstehen, allerdings fand es – wie schon während des Zweiten Weltkriegs – deren Klang und Inhalte nur wenig attraktiv. Einige GIs schätzten das musikalische Angebot von Radio Luxembourg, Nachrichten aus den Vereinigten Staaten oder der US-Militärgemeinschaft in Europa konnten sie dort aber nicht erfahren. Als Monopolsender durfte sich AFN daher bis zu einem gewissen Grad seiner Zuhörerschaft sicher sein. Trotzdem galt es, sich davon nicht zu journalistischer Nachlässigkeit oder fehlender Aufmerksamkeit gegenüber den Wünschen seines Publikums verleiten zu lassen. Dies erklärte auch ein Mitarbeiter von AFN Frankfurt, als er im Jahr 1954 die Radiovorlieben von Angehörigen des Achten Infanterieregiments untersuchte: „It’s true, […] we do have a ready-made audience and no competition and for that reason alone it’s our duty at AFN to give them the best.“5 Um das Beste geben zu können, orientierten sich die AFN-Mitarbeiter an den amerikanischen Networks. Wie in den Kapiteln zum Programm gesehen, folgte der Militärrundfunk in seiner Sendestruktur und den meisten seiner Beiträge dem Vorbild der großen US-Radiostationen. Bei ihrem Aufenthalt in Übersee sollten die Staatsbürger in Uniform schließlich politisch und kulturell auf dem Laufenden bleiben und sich nicht von der Heimat entfremden. Das Publikum von AFN stellte dieses Prinzip nie in Frage, denn es hörte dadurch vertraute Klänge und hielt Anschluss an die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten. Die Aussage des Militärrundfunks, „eine Heimat fern der Heimat“ zu bieten, war keine leere Floskel. Das Publikum empfand AFN tatsächlich als heimischen Sender, der ein Stück US-Alltag in ihr Leben brachte und sie die Nähe zu anderen Amerikanern spüren ließ. Es darf nicht vergessen werden, dass Rundfunk durch seinen gesamten Klangeindruck die Emotionen seines Publikums stark anspricht. Viele Angehörige der Militärgemeinschaft fühlten 4
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Siehe etwa AFN, „Serving American Forces in Europe“, MS, o. D. [1953], AFN Historical File; German Radio Shows Offer Large Variety, in: Inside the Turret (Fort Knox, Kentucky), 6. April 1956; „This Is AFN, Europe“, in: Stars and Stripes USAREUR Orientation Edition, Sommer 1962; Presseinformationen zum 20. Jubiläum von AFN am 4. Juli 1963, Mappe S3/R284 American Forces Network (AFN), Institut für Stadtgeschichte. Pfc Ray Gilyard, AFN Takes „Grass Roots“ Survey Of 8th Inf Regt’s Program Likes, in: Ivy Leaves, 21. Oktober 1954.
Das amerikanische Publikum
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sich „ihrer Radiostation“ verbunden und berichteten mitunter auf sehr bewegte Weise über den Sender, nannten ihn etwa „lifeline to hometown America“ oder dankten ihm für die Geborgenheit, die er ihnen vermittelte. So wie sich in der Nachkriegszeit zum Beispiel in Norddeutschland stationierte GIs durch ihn weniger isoliert gefühlt hatten und gegen die Schließung von AFN Bremen protestiert hatten, schrieb auch zehn Jahre später eine amerikanische Familie in das Gästebuch des Senders: „To A. F. N. thanks for making it seem a little bit more like home“.6 Im Zentrum der Programmplanung von AFN stand der Alltag der Streitkräfte. Da die Soldaten und Offiziere hauptsächlich vor und nach ihrem Dienst und während der Mittagspause Radio hörten, verschoben sich vor allem in den vierziger Jahren die Haupteinschaltzeiten. Dies lässt sich durch ihre veränderten Lebensumstände und Arbeitsbedingungen während der Stationierung in Großbritannien, der Kämpfe auf dem europäischen Kontinent und der Besatzung in Deutschland erklären. Ende 1946 etwa schalteten die GIs vor allem zwischen sieben und acht Uhr, von zwölf bis 13 Uhr sowie nach 17 Uhr ein.7 AFN sendete dann Programme, die die größten Zustimmungsraten bei seiner Hörerschaft genossen. Dies waren vor allem Nachrichten und lokale Musiksendungen, deren Discjockeys oft Hörerwünsche erfüllten. Auch in den folgenden Jahren veränderte der Militärrundfunk seinen Sendeablauf immer wieder, um den geänderten Bedürfnissen seines Stammpublikums nachzukommen. Nach einer Umfrage im August 1952 ergänzte AFN etwa sein Angebot an aktuellen Informationen und verschob die Mittagsnachrichten um eine halbe Stunde. Da viele Mitglieder aus Kampfeinheiten sich beschwert hatten, dass sie die 15-Uhr-Sendung „Hillbilly Gasthaus“ nicht hören konnten, bekamen die Fans von Country-Musik ein 30-minütiges Frühprogramm und eine neue Wochenendshow.8 Obwohl sich das AFN-Publikum vor allem aus Militärangehörigen zusammensetzte, hatte es doch viele unterschiedliche Interessen. Sehr deutlich zeigte sich dies am Musikgeschmack, bei dem aktueller Pop in der Beliebtheit weit vorne lag, aber auch speziellere Stilrichtungen größere Gruppen von Anhängern fanden. Repräsentative Umfragen legten nahe, dass Faktoren wie Bildung, die Größe der Heimatstadt oder die geographische Herkunft die Hörvorlieben der 6
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„CTJ + Mrs. F. R. Benson + Family“, o. D. [1956], in: AFN Bremen Bremerhaven Guest Register, AFN Historical File (Zitat). Siehe etwa auch AFN Bremen Closing Evokes Protest Storm, in: Timberwolf, 15. Februar 1946; Mrs. Edward J. Fischer, „AFN Has Varied Audience“ (B-Bag), in: Stars and Stripes, 19. April 1961; Marvin Meyerhoffer, „In Reply to: Apologies, long overdue“, 18. Juni 2002: http://www.inic.org/ board/?topic=topic1&msg=214. Das Zitat „It was like a lifeline to hometown America“ stammt aus einer E-Mail an die private AFN-Yahoo-Group (10. August 2004). What the American Soldier Says About AFN in Germany, January 1947, 3–7, Anlage zu Glavin an SGS, USFET, 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP. It’s in the Air, in: Spotlight, 1. Mai 1953.
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Die Hörerschaft
GIs bestimmten. Während zum Beispiel Country-Musik bei vielen Soldaten aus ländlichen Gegenden beliebt war, schien Klassik ein eher urbanes Phänomen zu sein. Typisch war auch, dass einige Musikrichtungen (ebenso wie etwa Sportübertragungen und andere Wortbeiträge) bei der Hörerschaft höchst umstritten waren, also von einigen Gruppen ebenso geliebt wie von anderen gehasst wurden. Um möglichst vielen Hörerwünschen gerecht zu werden, strahlte AFN eine feste Mischung aus mehrheitsfähigen und zielgruppenorientierten Beiträgen aus. In dem stellenweise sehr kleinteiligen Programmschema hatten neben verschiedenen Musiksendungen zum Beispiel auch Beiträge für Frauen und Kinder Platz, die ja ebenfalls zum US-Publikum von AFN gehörten.9 Auch die Lebensumstände in der amerikanischen Militärgemeinschaft waren unterschiedlicher als man vielleicht annehmen könnte. Wie in den vorangegangenen Kapiteln gesehen, hatten die Streitkräfte eine Infrastruktur aufgebaut, die den Alltag in den USA abbilden sollte. Gemäß den eigenen Vorlieben und ihren Privilegien innerhalb des militärischen Systems, konnten die Militärangehörigen sich also in einer amerikanischen Umwelt bewegen oder, wenn sie dies wollten, sich mit fremden Sitten und Gebräuchen auseinandersetzen. Die Mehrzahl der Wehrpflichtigen lebte in Kasernen, einige nahmen sich aber auch Zimmer oder Wohnungen on the economy, also bei deutschen Vermietern. Berufssoldaten hatten Anspruch auf eine von der Regierung zur Verfügung gestellte Unterkunft, die oft auf Kasernengelände oder in mehrheitlich von Amerikanern bewohnten Nachbarschaften lag. Etliche Militärangehörige und ihre Familien lebten aber auch in einer nicht-amerikanisch geprägten Umgebung. Dies galt verstärkt für Zivilangestellte der Streitkräfte, die oft jahre- oder jahrzehntelang in Deutschland blieben.10 Die meisten Hörerinnen und Hörer verbanden ihren Radiokonsum mit ihren täglichen Aktivitäten. Ob jemand AFN einschaltete, hing also weitgehend von dessen Tagesablauf ab. Die Mehrheit des amerikanischen Publikums nutzte den Militärsender bereits früh morgens und ließ sich von ihm beim Aufstehen, Waschen und Frühstücken begleiten. Die meisten Pendler hörten AFN auch in ihrem Autoradio. Je nach beruflicher Tätigkeit blieb der Sender auch tagsüber an, sei es bei der Hausarbeit in der familiären Wohnung oder bei einem Routinedienst auf einem militärischen Posten. Situationsbedingt konnten die Hörerinnen und Hörer dem Programm nur wechselnde Aufmerksamkeit schenken. Dies bedeutet aber nicht, dass einige Inhalte nicht doch sehr genau verfolgt wurden oder man sich davon nicht in seinen Meinungen und Stimmungen be9
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Research Branch, SSD, SOS, War Dept: Radio Listening Habits of Enlisted Men, 3. September 1942 (Report Nr. 22), Box 5, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; What the American Soldier Says About AFN in Germany, January 1947, 10–16, Anlage zu Glavin an SGS, USFET, 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP. Siehe etwa Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 21–40; Höhn, GIs and Fräuleins, 75–84; Leuerer, Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 170–183.
Das amerikanische Publikum
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einflussen ließ. Auch in den Arbeitspausen und in der Freizeit war AFN für sein Publikum wichtig. Oft hörte es das Radioprogramm dann ebenfalls nebenbei und unabhängig davon, was die Militärstation gerade brachte. Es wurde aber auch gezielt eingeschaltet, etwa die Hauptnachrichten am Abend, das Lieblingshörspiel oder eine spezielle Musiksendung. Die Programme erreichten das Publikum erneut in ganz unterschiedlichen Situationen und reichten vom GI, der den Abend allein auf seiner Stube verbrachte, über ein entspanntes Zusammensein im Kreis der Familie bis zur Party mit Freunden.11 Für die Programmgestaltung waren Untersuchungen zu den aktuellen Vorlieben und Gewohnheiten seiner Hörerinnen und Hörer außerordentlich nützlich, aus Kostengründen musste der Militärsender aber weitgehend darauf verzichten. Während das US-Heer in Europa in den vierziger Jahren mehrere repräsentative Umfragen zum Radiokonsum durchführte, gab es in den beiden folgenden Jahrzehnten nur noch 1952 und 1961 größere Untersuchungen. Die AFN-Führung setzte daher auch auf kleinere Aktionen, um ihr Publikum zu erforschen. So interviewte zum Beispiel ein Mitarbeiter im Jahr 1954 die Mitglieder eines angeblich typischen Infanterieregiments und im Jahr 1962 druckte die Militärzeitung Stars and Stripes zwei AFN Listener Opinion Polls ab, bei der sich auch Zivilangestellte und Familienangehörige beteiligten.12 Feedback von seiner Hörerschaft bekam AFN auch durch zahlreiche Einsendungen. Angaben zum Volumen der Hörerpost variieren zum Teil recht deutlich und selbst genaue Statistiken, die für einige Jahre angefertigt wurden, erscheinen eher unzuverlässig. In den fünfziger Jahren beispielsweise schwankten die absoluten jährlichen Zahlen zwischen etwa 120.000 und 360.000 Zuschriften, lag aber wohl bei durchschnittlich etwa 135.000. Häufig blieb dabei auch der Anteil der amerikanischen Einsendungen unklar. Im Untersuchungszeitraum lag er bei den meisten AFN-Sendern quantitativ deutlich hinter den Briefen von europäischen Gasthörern.13 11 12
13
Siehe etwa PFC Glenn Gordon, Co ‚E‘ 39th Inf Regt, an Mr. „Night Flyer“ (Alex Sullivan), 30. November 1955, Folder: Misc. TV programming material, Box 8, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Close-ups, in: Pariscope, 11. September 1958. What the American Soldier Says About AFN in Germany, January 1947, Anlage zu Glavin an SGS, USFET, 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP. Siehe auch ETO & Bermuda Take Survey, in: AFRS Playback, 1. Oktober 1945; Dance Band Radio Programs Head GI „Crossley Ratings“, in: Stars and Stripes, 4. Oktober 1945; It’s in the Air, in: Spotlight, 1. Mai 1953; Pfc Ray Gilyard, AFN Takes „Grass Roots“ Survey Of 8th Inf Regt’s Program Likes, in: Ivy Leaves, 21. Oktober 1954; AFN Survey Reveals TCA Listener ’ Trends, in: Tabulator, 7. Oktober 1960; What Kind of Job Is AFN Doing? GIs Answer Poll, in: Overseas Weekly, 26. November 1961; Poll Shows Mitch’s „Sing Along“ Favorite AFN Feature, in: Stars and Stripes, 6. April 1962; Newscasts, „Music in the Air“ Voted Tops in AFN Poll, ebd., 9. November 1962; AFN Listener Polls, ebd., 24. August 1965. 7775th Signal Co Sends AFN $100 to Aid Dutch, in: Stars and Stripes, 16. Februar 1953 (1952: > 150.000 Briefe); 140.346 Fan Letters in 1953, in: AFN Weekly Digest, 27. März
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Die Hörerschaft
Hörer-Sender-Bindung Die Mitarbeiter von AFN wurden immer wieder dazu angehalten, die amerikanischen Hörerinnen und Hörer als Kunden zu begreifen, deren Anliegen und Wünsche ernst genommen und möglichst auch erfüllt werden sollten. „The purpose of AFN is to serve the American forces in Europe. There is no other reason for its existence“, ermahnte etwa der AFN-Chef seine Mitarbeiter im Jahr 1953.14 Zu den grundlegenden Dienstleistungen für das US-Publikum gehörten pünktliche Zeitansagen ebenso wie akkurate Wetter- und Verkehrshinweise oder die Möglichkeit, jemanden in Notfällen ausrufen zu lassen. Weiterer Hörerservice spielte sich meist auf der regionalen Ebene ab. In den verschiedenen Beiträgen der Lokalsender gab es zum Beispiel Nachrichten und Veranstaltungstipps aus den Militärgemeinden, kamen Organisationen oder einzelne Hörer zu Wort. Damit AFN zum festen Bestandteil der amerikanischen Gemeinschaft werden konnte, stellte er seine Angebote und Dienste bei seinem Zielpublikum immer wieder vor. Dies geschah vor allem im Radioprogramm und in verschiedenen Militärpublikationen. Außerdem hielten AFN-Mitarbeiter Vorträge vor amerikanischen Soldaten, Schulklassen, Clubs und Organisationen oder luden Besucher in die Rundfunkstationen ein. Etliche Moderatoren waren auch außerhalb ihrer Sendungen aktiv. Einige Discjockeys moderierten etwa Musikveranstaltungen oder schrieben Schallplattenkolumnen in den Militärzeitungen. So wurden sie als Musikexperten zu einer festen Größe im Leben ihrer Hörerschaft. Ebenso erging es den Sportmoderatoren, die zum Beispiel immer wieder Streitigkeiten unter Baseballfans schlichten mussten.15
14 15
1954; Mail for AFN Is Worldwide, in: Stars and Stripes, 9. Februar 1955 (1954: 137.279); AFN Request Survey Shows Most Interest From Germans, in: Army Times, 21. Februar 1956 (1955: 118.515); Thurston Macauley, AFN Marks 14 Years of Service to Listeners, in: Stars and Stripes, 3. Juli 1957 (1956: 132.707); AFN-Stuttgart …, in: Jayhawk, 5. April 1958 (1957: > 360.000); Armed Forces Radio Marks 15 Years Overseas Service, in: Marne Rock, 11. Juli 1958 (durchschnittlich 135.000 pro Jahr); Routine Business …, in: This Is … AFN (AFN-Eigenpublikation) (350.000); Dial Doins, in: Advance, 19. Februar 1960 (1959: 139.506). H. G. Price, From the Commanding Officer, in: AFN Weekly Digest, 2. Mai 1953. Vgl. ders., From the Commanding Officer, ebd., 7. November 1953. AFN Limits Urgent Calls, in: Stars and Stripes, 13. August 1953; AFN Is Beset With Queries Of Listeners, in: Ivy Leaves, 3. Februar 1955; AFN’s Vrotsos Here, in: HAC Post, 25. März 1955; Oldest Radio Station in Germany – 13 Years Old, in: SACom Scene, 6. Juni 1958; AF Sergeant Mixes Music and Selling, in: American Weekend, 19. April 1959; AFN To Host Info Personnel, in: Guardian, 2. Dezember 1961; Halfback Turns to Radio, in: Overseas Family, 26. Januar 1962.
Das amerikanische Publikum
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Abb. 10: „Routine Business“: Inszenierungen der Öffentlichkeitsabteilung von AFN Ende der fünfziger Jahre. Die Angabe von 350.000 Hörerbriefen scheint übertrieben zu sein.
Der häufigste Grund für US-Hörerinnen und Hörer, sich an AFN zu wenden, war die Beteiligung an den verschiedenen Wunschmusiksendungen. Obwohl deren Formate vorgegeben waren und letztlich Produzenten oder Discjockeys die Musikmischung bestimmten, waren sie bei den Hörerinnen und Hörern
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Die Hörerschaft
beliebt und vermittelten ihnen das Gefühl, das Radioprogramm mitgestalten zu können. Anders als ein kommerzieller Rundfunksender war AFN nicht von Einschaltquoten und Werbekunden abhängig. Als Auftrag- und Geldgeber hatte aber auch das US-Militär großes Interesse daran, dass die GIs AFN als ihren Sender akzeptierten, das heißt zahlreich einschalteten und seinen Inhalten vertrauten. Mehr als andere amerikanische Sender nutzte AFN Wunschmusiksendungen als Mittel der Kontaktaufnahme mit seinem Publikum und zur Stärkung der Hörer-Sender-Bindung.16 Die Ansager von AFN spielten nicht nur die Musikwünsche ihrer Hörerschaft, sondern machten die Zuschriften auch immer wieder zum Thema ihrer Moderationen. Oft wiesen die Discjockeys etwa auf den Stapel von Postkarten und Briefen hin, der neben ihnen im Studio lag. Routiniert erinnerten sie ihr Publikum auch an die Möglichkeit, die nächste Sendung mitzugestalten. So verabschiedete sich etwa Morris Tomlin in einer seiner Mittagsshows aus Frankfurt: And there goes Eleanor. If you are wondering though what happened to Eleanor, well, you just write in. We might bring up Eleanor another day. Oh, right now we gotta make with the tootsies and run off, I guess. So let’s make with the great big old theme song, just like this: [Trommelwirbel] Aha, which means it’s [Pause] the end of the Duffel Bag. [Titelmelodie] Well, that’s all we can pour out of the bag today. We’ll have a field day tomorrow again with your cards and letters plus the top tunes of today. Remember to write in to the old Duffel Bag, AFN Frankfurt, APO 757, United States Army, Germany.17
Im Idealfall konnten die Sprecher zu einigen Musikwünschen auch kleine Geschichten erzählen, die eine breitere Hörerschaft interessierte. In einer von allen AFN-Stationen ausgestrahlten Ausgabe der Sendung „Saturday Swing“ beispielsweise verband George Hudak einen indirekten Aufruf zum Schreiben von Hörerpost mit einem konkreten Musikwunsch und einem Gruß an das Berliner Publikum: You know it’s very nice to receive a card or a letter concerning the show. We say that because we received a wonderful one from – ah – Lieutenant and – ah – Mrs. Spitz in Bad Kreuznach. Lieutenant William Spitz. They say they like to hear their favorite tune on Saturday Swing, listen to the show each week. So we are mighty happy. And it’s more or less a greeting to their friends here in Berlin. Mrs. Spitz was formerly the Miss Marion Cochran. So we like to say thank you very much and pass the word on to all your friends.18
Daraufhin gab Hudak die Informationen zu den Interpreten des gewünschten Stückes und startete die Musik. Der Moderator nutzte dann eine Eigenheit dieser Aufnahme von „Slaughter On 10th Avenue“, um ein besonders intensi16
17 18
„Duffel Bag“ Fills 10-Year AFN Stint, in: Stars and Stripes, 5. Juni 1954; Noontime Record Requests Fill Up AFN’s Mail Sacks, in: Guardian, 5. November 1954; AFN Munich Anniversary Show, 8. Juni 1957, MS, 8 f., AFN Historical File. Vgl. Salge, Hörerbeteiligungssendungen im Wandel, 3, 45 f. AFN-Radio-Souvenirs (AV): „Duffel Bag“. Ebd.: „Saturday Swing“.
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ves Hörerlebnis zu schaffen. Denn nach einem furiosem Auftakt hat der Titel einige ruhige Momente, in die Hudak einfügte: „And we offer this swing classic by the Anthony band just for you“.19 Diese Ansprache richtete sich an das Ehepaar Spitz, letztlich aber nicht nur an sie. Denn solche fast schon intimen Augenblicke wirkten auch auf andere Hörerinnen und Hörer und schufen eine emotionale Verbundenheit mit dem Moderator und seinem Sender. An diesem Beispiel kann noch eine weitere Stärke des Rundfunks deutlich werden. Denn solche Radiobeiträge vermögen es, auch über geographische Entfernungen hinweg, ein Gemeinschaftsgefühl bei ihrem Publikum zu erzeugen. Die US-Streitkräfte mochten zwar über große Teile Deutschlands verteilt sein und die Zusammensetzung der Militärgemeinden sich dauernd verändern: AFN war ein Mittel, trotzdem in Kontakt zu bleiben. Ob musikalische Botschaften an neue Bekannte oder ein wehmütiger Gruß an zurückgelassene Freunde an einem ehemaligen Einsatzort, besonders Wunschmusiksendungen eigneten sich für diese Art der Kommunikation. Sogar Hörerinnen und Hörer, die keine Musikwünsche einsandten und selbst nicht gegrüßt wurden, konnten sich eingeschlossen fühlen. Da es nur einen Sender für die Soldaten und ihre Angehörigen gab, hatten alle Amerikaner in Deutschland AFN und bestimmte Hörerlebnisse gemeinsam.20 Bei einer so überschaubaren Zielgruppe wie bei AFN war es wichtig, dass die Ansager die Namen der amerikanischen Hörerinnen und Hörer, möglicherweise auch ihren Rang und ihre Einheit richtig nannten. Nachlässig agierende DJs mussten sich unter Umständen noch während ihrer Moderation verbessern und für ihren Fehler entschuldigen. In einer Ausgabe von „Hillbilly Gasthaus“ bedauerte Bill Atwood etwa, dass er mit seinen Notizzetteln raschelte und erklärte dies durch deren momentane Unordnung. Später brachte er auch einige Hörernamen durcheinander und korrigierte sich mehrfach. Fehler on air zuzugeben und dabei professionell zu bleiben, machte die Ansager menschlich. Dies war Absicht, schließlich sollten die Moderatoren (ebenso wie etwa die Sprecher der bewusst umgangssprachlich formulierten Nachrichten) auf Augenhöhe mit ihrem Publikum sein.21 In Unterhaltungsshows ließ sich besonders viel Nähe zur Hörerschaft erzeugen. Die Discjockeys von Wunschmusiksendungen durften nicht nur locker sein, sondern konnten das Publikum auch am Geschehen im Studio oder am eigenen Leben teilhaben lassen. Ob jemand zwei Tassen Kaffee für eine entspannte Sendung von „Sunday Syncopation“ mitgebracht hatte oder sich über die Geburt eines Neffen freute – für viele Hörerinnen und Hörer wurden die Moderatoren von AFN zu Bekannten oder sogar Freunden. Dies zeigte sich zum Beispiel in den Briefen mit persönlichen Inhalten, die etliche AFN19 20 21
Ebd. Vgl. Joel Whitburn’s Pop Memories, 30. Vgl. Douglas, Listening In, 231. AFN-Radio-Souvenirs (AV): „Hillbilly Gasthaus“. Vgl. They Ride the Records, in: Weekend, 23. März 1947.
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Die Hörerschaft
Ansager bekamen. „I feel I know you fairly well as I never miss your show“, schrieb etwa ein GI im Jahr 1955 an den Discjockey der Münchner Mitternachtssendung. Solche Zuschriften zeugen weniger von der Naivität des Publikums, wie manche Beobachter arroganterweise urteilen, sondern vielmehr von den Stärken des Mediums Radio.22 Die Erfahrung vieler Rundfunkstationen zeigt, dass sich stets nur ein Bruchteil der Hörerschaft aktiv an dem Format der Wunschmusikprogramme beteiligt und sich meist gerade das Stammpublikum eher zurückhält. Bei AFN bedeutete dies, dass sich bestimmte Gruppen wie etwa Jugendliche besonders stark engagierten. Deren Wünsche spiegelten aber nicht unbedingt den durchschnittlichen Musikgeschmack seines Zielpublikums wider. Hinzu kam die große Zahl an Briefen und Postkarten von europäischen Gasthörern, die bei fast allen AFN-Stationen den weitaus größten Anteil der Musikwünsche bildeten. Die Discjockeys hatten daher die Anweisung, immer zunächst die amerikanischen Einsendungen zu berücksichtigen, bevor solche von Europäern zum Zuge kamen. In einigen Jahren gab es auch Regeln, die zum Beispiel eine Stilrichtung wie Rock ’n’ Roll beschränkte, damit nicht die Vorlieben amerikanischer Teenager die Wunschsendungen bestimmten.23 Stets versuchte AFN auch außerhalb der Sendezeit, die erwachsene USHörerschaft zu aktivieren. Dafür stellte seine PR-Abteilung regelmäßig die verschiedenen Wunschprogramme und deren Moderatoren in den Militärzeitungen vor. Dort wurden auch öfter couponartige Vordrucke veröffentlicht, auf denen die Soldaten die jeweilige AFN-Sendung ankreuzen konnten und nur vier kurze Rubriken ausfüllen brauchten: Name, Einheit, Musiktitel und „Gewidmet an“. Viele Sender unterhielten in ihrer lokalen Militärgemeinde besondere Briefkästen für Musikwünsche. AFN Stuttgart zum Beispiel hatte 1958 in der Plattenabteilung des örtlichen PX-Ladens eine Informationstafel zu seinen Wunschprogrammen und einen Kasten für Mitteilungen eingerichtet. Allein dadurch erhielt die Station pro Woche 150 bis 175 Zuschriften mehr als zuvor. Auch die Discjockeys unternahmen einiges, um die amerikanische Hörerpost zu steigern. 1954 gab etwa der Ansager der Stuttgarter Frühsendung musikalische Rätsel auf. Dies steigerte die Anzahl der Einsendungen von vierzig auf bis zu dreihundert pro Woche, wobei zwei Drittel von USSoldaten kamen. Ein paar Jahre später gründete ein Frankfurter DJ den ironisch gemeinten „Nothing Club“, dessen Mitglieder zur Hälfte Amerikaner 22
23
PFC Glenn Gordon, Co ‚E‘ 39th Inf Regt, an Mr. „Night Flyer“ (Alex Sullivan), 30. November 1955, Folder: Misc. TV programming material, Box 8, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP (Zitat). Siehe auch „Night Train“ Conductor Heard All Over Europe, in: American Weekend, 29. März 1958; AFN-Radio-Souvenirs (AV): „Sunday Syncopation“. AFN-Berlin Sets Sight On 15th Year of Service, in: Berlin Observer, 7. August 1959; AFN Execs in Europe Check Deejay Payola By Close Supervision, in: Variety, 16. Dezember 1959. Vgl. Gushurst, Popmusik im Radio, 126 f.
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Abb. 11: Vordruck für Musikwünsche in einer Zeitung des US-Militärs (Juli 1958).
waren. Dieser hintersinnige Spaß steigerte auch seine Hörerpost von etwa zwanzig Briefen pro Woche auf bis zu dreißig Briefe pro Tag.24 Neben den bisher erwähnten Aufrufen, die sich an einzelne Soldaten wandten, sprach AFN mit seinen Wunschmusikprogrammen bisweilen auch Gruppen von GIs an. 1953 widmete AFN Stuttgart beispielsweise ganze Sendungen Militäreinheiten, die sich mit ihren Musiktiteln als Abteilung bei ihnen meldeten. Solche Unternehmungen waren in den Streitkräften gebräuchlich und gern gesehen, da sie zu Aktivität anspornten und den Teamgeist stärkten. Oft entwickelten solche Aktionen eine gewisse Eigendynamik, wie etwa der jährlich stattfindende March of Dimes zeigte. Bei dieser Kampagne sammelte das Amerikanische Rote Kreuz Geld für den Kampf gegen Kinderlähmung und wurde dabei vom Militär unterstützt. Auch AFN-Mitarbeiter beteiligten sich und moderierten verschiedene Veranstaltungen oder eine Spendengala. Meist dienten auch diverse Wunschsendungen dem guten Zweck und Musiktitel wurden nur gegen eine milde Gabe gespielt. Hierbei versuchten oft verschiedene Fraktionen, sich gegenseitig zu überbieten. Konkurrenzkämpfe entstanden sowohl zwischen verschiedenen Militäreinheiten einer Gegend als auch zwi24
AFN Institutes Check on AFN Bremen’s Recording Request, in: Timberwolf, 11. März 1946; Berlin Broadside, in: AFN Weekly Digest, 13. Juni 1953; Stand-by for … AFN-Stuttgart, ebd., 5. Juni 1954; Stand-by for … Stuttgart, ebd., 26. Juni 1954; Request Scheduling Explained by AFN, in: Stars and Stripes, 26. Januar 1955; AFN „Request a Song“, in: WACom Courier, 5. Juli 1958: „Dedicated to“; AFN Request System, in: Advance, 22. August 1958; Listener Meeting Stuttgart Disc Jockeys at PX, in: SACom Scene, 15. August 1958; New Request Box Gives AFN Help, ebd., 3. Oktober 1958; James Halbe, Kayo’s Nothing Club Makes the Grade, in: Stars and Stripes, 23. November 1959.
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Die Hörerschaft
schen Liebhabern einer bestimmten Musikrichtung. 1953 etwa überboten sich Country- und „Bop“-Fans für die Sendezeit in den March of Dimes-Programmen von AFN Stuttgart. Wieder andere Soldaten versuchten mit ihren Spenden, beide Musikstile zu verhindern.25 Die Moderatoren von Wunschsendungen hatten zwar Einfluss auf die Mischung und die Präsentation der Musiktitel, ihre persönlichen Vorlieben durften sie dabei aber eher selten ausleben. Idealerweise mochten die Ansager die Stücke in ihren Programmen, oft genug mussten sie aber auch Sendungen gestalten, deren Musikrichtung ihnen nicht so sehr am Herzen lag. Wichtig war vor allem, dass ihre Auswahl den Geschmack einer möglichst großen Hörergruppe traf. Dies galt für alle Formate, unabhängig davon, ob sie zum Beispiel aktuelle Hits, Country Music oder eine Mischung von verschiedenen Musikstilen brachten. Für die Mitarbeiter des Militärsenders stand fest, dass sie die Publikumswünsche bedienten, soweit ihre Vorschriften und der Nachschub an Platten dies zuließen. Wie in den vorigen Kapiteln gesehen, hatte AFN zwar einen Bildungsauftrag gegenüber seiner Hörerschaft, dieser bezog sich aber nicht auf den Bereich der Unterhaltung. Der Sender bemühte sich daher, bei der Musikauswahl seine Hörerschaft nicht zu gängeln oder zu bevormunden. Und so spielten die Moderatoren oft auch Stücke, die sie nicht – oder nicht mehr – mochten, wie ein Bericht über Mike Dewey von AFN Berlin zeigt: Diese Ansager in Uniform müssen allerdings gute Nerven haben. Es gibt Schlager, die einfach nicht „totzukriegen“ sind. Augenblicklich verzieht Mike schmerzlich das Gesicht wegen des Erfolgsschlagers „Alley vop“ [sic], den er seit Wochen nicht mehr aus dem Ohr bekommt. Jahrelang überlebten außerdem „Tante Anna“ und „The mess in here“ [sic] den sonst so kurzlebigen Geschmack.26
Bestimmte Musiktitel gingen auch dem Publikum auf die Nerven, wie eine Hörerin bestätigte: „Granted, some of the popular tunes get on some people’s nerves, but then some people request them, so who are we to kick?“27 Ebenso wie die Mitarbeiter von AFN vertrat sie die Meinung, dass Hörerwünsche unzensiert gespielt werden sollten. In einer Demokratie gehöre sich dies schließlich so. 25
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AFN Munich Boosts Paralysis Drive in E. T., in: Stars and Stripes, 26. Januar 1946; Army Talent in „Dimes“ Variety, in: Chronicle, 30. Januar 1953; Platter Parade Produces $100 a Night for Dimes, in: Sentinel, 6. Februar 1953; Stuttgart Says, in: AFN Weekly Digest, 27. Juni 1953; Listeners Map Program As AFN Plays for „Dimes“, in: Chronicle, 21. Januar 1955; B Co On AFN, in: Crusader, 4. Februar 1955; dpa, AFN sendet Wunschkonzert, in: Frankfurter Rundschau, 12.–14. Januar 1956. Die Musiktitel heißen „Alley-Oop“ und „The Mess Is Here“. Valeska Dietrich, Frolic nicht nur um fünf, in: Tag, 31. Juli 1960 (Zitat). Siehe auch K. J., Hey, hey, what do you say, in: Radio Revue, 15.–21. Februar 1953. Vgl. Whitburn, The Billboard Book of USA Top 40 Hits, 92, 157. Mrs. G. D. Bayer, Frankfurt, Nix on Culture (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 31. Juli 1960.
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Immer wieder forderte AFN sein Publikum auf, über die Musik im Programm abzustimmen. Damit konnte es zwar nicht das Sendeschema des Militärrundfunks bestimmen, wohl aber einzelne Beiträge. Im Rahmen solcher Aktionen suchte AFN zum Beispiel die aktuellen Favoriten seiner Hörerinnen und Hörer oder einen Lieblingssänger, wie in der Sendereihe „Battle of the Baritones“. Bei solchen Aufrufen waren die Anhänger eines bestimmten Musikstils oft besonders aktiv. So wetteiferten nicht nur beispielsweise die Liebhaber von Country oder Jazz häufig untereinander, manchmal schlugen vergleichsweise kleine Fangruppen auch die Hörermehrheit, die vor allem aktuelle Popmusik mochte. AFN Bremerhaven etwa wollte im Jahr 1953 wissen, ob Country oder Pop beliebter wäre. Sehr zur Überraschung der AFN-Mitarbeiter meldeten sich fast doppelt so viele Country-Fans wie Pop-Musik-Hörer. Und das waren nur die offiziell anerkannten Stimmen, denn einige allzu kreative Beiträge der „hillbillies“ musste AFN disqualifizieren. Unabhängig vom Ergebnis war eine solche Aktion für AFN Bremerhaven ein voller Erfolg, da die Militärgemeinschaft in der amerikanischen Enklave über ihren Radiosender sprach und sich mit seinem Programm auseinandersetzte.28 Toleranz für polarisierende Musikstile gefordert In seiner Öffentlichkeitsarbeit betonte AFN immer wieder, dass vor allem Sendungen für Hörerminderheiten schwer im Programm zu platzieren seien. Besondere Probleme bei der Planung bereiteten dem Militärrundfunk zum Beispiel Country- und Jazzbeiträge. Denn sie sorgten zum einen durch ihren Klang bei großen Teilen des US-Publikums für Ablehnung. Stark angefeindet wurden sie aber auch, weil sie mit einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Lebensweise in Verbindung gebracht wurden. Dies zeigte sich im Alltag der Militärgemeinschaft und in den Auseinandersetzungen der amerikanischen Hörerinnen und Hörer von AFN. Bisweilen gingen die Beteiligten spielerisch damit um. So etwa bei der Aktion von AFN Bremerhaven im Jahr 1953, bei dem ein Country-Fan einen Zettel voller Kreuze abgegeben hatte und damit auf deren Image als Hinterwäldler anspielte: „thems all the stickbuddies wut cain’t write“.29 28
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Clifford Davis, It’s bounce that does it!, in: Daily Mirror, 14. März 1953; Battle Between Pappy and Dad, in: Weekly Digest, 11. Juli 1953; We All Love Rosie, ebd.; AFN Program To Air „Battle Of Baritones“ At 2030 Hrs Tonight, in: BASEC Mission, 17. Juli 1953; Sinatra is Voted King of Baritones, in: Photogram, 16. Oktober 1953. Battle Between Pappy and Dad, in: Weekly Digest, 11. Juli 1953 (Zitat). Siehe auch Profiles, in: Stars and Stripes, 21. März 1954; Tom Aldrich, Die AFN-Sender, in: Tele-Radio, 11.–17. Januar 1955; AFN Has Worries … Trying To Please Listeners, in: American Weekend, 5. Mai 1956. Vgl. Falkenberg, Ein Interview mit dem Musiker Rolf Ermann, 33.
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Die Hörerschaft
Diese Musikrichtung wurde in den Vereinigten Staaten bis in die sechziger Jahre als hillbilly music bezeichnet. Viele ihrer Anhänger kamen in der Tat aus eher ländlichen Gegenden und hatten nicht besonders viel formelle Bildung. Für das Hinterwäldler-Etikett war aber auch die Musikindustrie verantwortlich, die bestimmte Strömungen der Musik auswählte und mit Hilfe von Bauern- und Cowboy-Images vermarktete. Oft war dies mit dem Konstrukt von Country als besonders typisch amerikanischer Volksmusik verbunden. Rundfunksender wie AFN präsentierten die Musik entsprechend dieser Stereotype. Country-Discjockeys verwendeten meist einen ländlichen Akzent, benutzten nicht immer korrekte Grammatik und sprachen ihre Hörerschaft mit Floskeln wie „howdy neigbors“ oder „all you folks“ an. In den fünfziger Jahren erlebten die USA eine Country-Welle, in der die Musik auch über die Grenzen der eigentlichen Fangemeinde hinaus populär wurde. Im Militär schien diese Musikrichtung aber ohnehin überdurchschnittlich beliebt zu sein, und auch in Europa gab es unter den Soldaten eine aktive Szene mit entsprechenden Bands und Clubs. Der Anteil von Country-Musik am Programm von AFN lag meist bei etwas über fünf Prozent, konnte bei einzelnen Stationen durch lokale Sendungen aber auch darüber liegen. Von 1953 bis 1961 gab es unter anderem die werktägliche Frühsendung „Hillbilly Gasthaus“ beziehungsweise „Hillbilly Reveille“ von 25 Minuten Dauer. In dem ebenso langen Nachmittagsprogramm „Stickbuddy Jamboree“ traten häufig einzelne Musiker oder Bands aus dem Europäischen Befehlsbereich auf. Hinzu kamen weitere AFN-Produktionen und US-Shows wie die „Grand Ole Opry“ am Samstagabend.30 Auch bestimmte Formen des Jazz polarisierten die Hörerschaft. Als Sammelbegriff stand Jazz für eine Vielzahl von ganz unterschiedlichen Stilen, die von Dixieland über Swing bis zu Bebop oder Cool Jazz reichte. Der Sound der Big Bands hatte von etwa 1935 bis 1945 einen Großteil der populären Musik in den USA ausgemacht und war, original oder als musikalische Fortentwick30
What the American Soldier Says About AFN in Germany, January 1947, 10 f., Anlage zu Glavin an SGS, USFET, 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; AFNotes, in: Stars and Stripes, 11. Mai 1953; Hillbilly Fans Prompt AFN To Add Show, ebd., 6. Juni 1953; Tom Dorsey, the record realm, in: Sentinel, 17. Dezember 1954; Number One „Stickbuddy“ Gets Most Mail at AFN, in: American Weekend, 22. Februar 1958; Announcer Recruited „Country-Style“, in: Stars and Stripes, 20. Juli 1960; Omer Anderson, Army B’dcasts Boom Overseas C&W Sales, in: Billboard, 1. August 1960; Country Music Has Biggest Year Among Forces Stationed in Europe, ebd., 25. Dezember 1961; Bill Russell, Country Music Is for Hicks, in: American Weekend, 14. Januar 1961; James H. Cassilly, Hillbilly Music Hailed as High Class (Letter to the Editor), ebd., 4. Februar 1961; Program Shift Announced By AFN Munich, in: SACom Scene, 15. September 1961; AFN Comments on Country and Western Music (B Bag), in: Stars and Stripes, 9. Juni 1963. Vgl. Dunning, On the Air, 291 f., 478 ff.; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 138–150, 219–230; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 341.
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lung, auch später noch bei einem großen Teil des Publikums beliebt. AFNSendungen mit diesem Inhalt erregten daher selten Anstoß, als Tanz- oder leichte Unterhaltungsmusik mischten sich einzelne Titel zudem unauffällig in eine Vielzahl von Programmen. Demgegenüber standen Stilrichtungen wie Bebop, Hot oder Cool Jazz, die nur bei kleineren Hörergruppen beliebt waren. Für sie brachte AFN neben einigen US-Shows im Jahr 1955 beispielsweise am späten Abend Eigenproduktionen wie „Blues for Monday“, „Mood for Moderns“ oder „Cool Castle“. Letzteres war das Folgeprogramm von „Hot House“, einer Jazz-Comedy-Show, mit der Ken Dunnagan als „Baron of Bounce“ in ganz Europa bekannt wurde. Viele seiner zumeist jungen Fans versuchten sich mit Hilfe der Musik, aber auch einer besonderen Sprache und Mode, vom amerikanischen Mainstream abzusetzen. Dies schien ihnen zu gelingen, denn einige Hörerinnen und Hörer von AFN reagierten erstaunlich heftig auf diese Nischensendung und lehnten „Bop“ (ähnlich wie später Rock ’n’ Roll) als Musik und Ausdruck einer Lebenseinstellung ab.31 In den fünfziger Jahren gab es aber auch aktuelle Jazzströmungen, die in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus gesellschaftlich anerkannt waren. Ihr – zumeist intellektuelles – Publikum verstand die in den USA entstandene und von Improvisation lebende Musikform als besonders modern, demokratisch und amerikanisch. Aus diesem Grund wurde sie von zahlreichen privaten und staatlichen Initiativen als wichtiges Kulturgut gefördert und auch nach Europa exportiert. Etliche Mitarbeiter von AFN waren selbst jazzbegeistert und engagierten sich innerhalb und außerhalb ihrer Arbeitszeit für diese Musik. In Sendungen wie „Blues for Monday“ oder „Mood for Moderns“ versuchte AFN, aktuelle Entwicklungen dieser Teile der Jazzszene einzufangen. Auf allzu spezielle Titel oder größere Experimente konnte sich der Militärrundfunk dabei aber nicht einlassen, schließlich waren die Programme auch so schon bei großen Teilen seiner Hörerschaft unbeliebt. Etliche „echte“ Fans rümpften über die AFN-Sendungen und deren massenkompatiblen „Pseudo-Jazz“ hingegen die Nase.32 31
32
„Baron of Bounce“ In New Hot House, in: Chronicle, 25. September 1953; George Hudak, Music Your Way, in: Berlin Observer, 15. Januar 1954; Arthur Oesterreicher, the record realm, in: Sentinel, 19. Februar 1954; Show Time A. F. N., in: European Radio, 7. Januar 1955. Vgl. einleitend etwa Stowe, Swing Changes; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 165–182; Willett, The Americanization of Germany, 86–98. EC Jazz Fans Satiated By „Blues for Monday“, in: Hell on Wheels, o. D. [erstes Quartal 1953], AFN Historical File; AFN Highlights May 21–27 Inclusive, in: Radio Review, 20. Mai 1955; Top Jazz Experts Will Judge Finals, in: Arrow, 26. Oktober 1956; Hans-Joachim Horn, Jazz im AFN, in: Gong, 27. Juli – 2. August 1958; Volker Schmidt, Die Ausgangssperre sorgte für Jam Sessions bis zum Morgengrauen, in: Frankfurter Rundschau, 4. September 1997. Vgl. Lange, Jazz in Deutschland, 119 („Pseudojazz“), 156 f.; Pells, Not Like Us, 85 f.; Stowe, Swing Changes, 237 ff.; Thompson/Laves, Cultural Relations and U. S. Foreign Policy, 123 f.; Willett, The Americanization of Germany, 86–98; Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg, XI, 199 f., 210–213.
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Die Hörerschaft
Die Mehrheit des amerikanischen Publikums hielt sich mit Kommentaren zum Radioprogramm eher zurück. Bei den meisten Zuschriften an AFN handelte es sich um Musikwünsche, bisweilen gingen sie mit Lob oder Tadel zu der betreffenden Sendung einher. Anonym oder unter vollem Namen schrieben Hörerinnen und Hörer aber mitunter auch Leserbriefe an die Zeitungen der Militärgemeinschaft. Wie geduldig die Stammhörerschaft des Senders in der Regel war, zeigte sich selbst in diesen Beiträgen. Etliche solcher Briefe begannen mit Formulierungen wie „This is my first letter to The Stars & Stripes or AFN“ oder „I have a few complaints that have been building up inside me for three and a half years“.33 In solchen Zuschriften wurden meist einzelne Programmelemente kritisiert, gleichzeitig erkannten die Verfasser aber oft an, dass AFN ein heterogenes Publikum bedienen musste und der Sender es daher nicht immer allen recht machen konnte. Manche Hörerinnen und Hörer teilten AFN ihre Meinung in Reimform mit. Selbst harte Kritik wurde dadurch abgemildert, wie mehrere Beiträge in der „Pup Tent Poets“-Kolumne der Zeitung Stars and Stripes zeigen. Mit einem aggressiven, aber höchst unterhaltsamen Gedicht beschwerten sich zum Beispiel drei Unteroffiziere im Jahr 1954 darüber, dass der Militärsender sie morgens mit Country-Musik wecke: I wake up at six And what do I hear? Screamin’ an hollerin’, Right in my ear. Sounds like the scream Of a dyin pig, Or maybe the roar Of a Russian MIG. So I jump out of bed, And what do I find? Hillbillies jumpin’, With: ‚Rise and Shine‘. Egad! What a way, To start the day. That stuff should be played Far, far away.34
Da es die Militärzeitung AFN in der Regel ermöglichte, noch in derselben Ausgabe auf einen Leserbrief zu antworten, hatte sich der Discjockey der kritisierten Sendung am Dichten versucht. Gene Maughan oder „Sunshine 33 34
S Sgt Ellis Williams, AFN Admirer (B Bag), in: Stars and Stripes, 27. Mai 1962: „This is my first […]“; Name Withheld by Request, Knocks Exchanges (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 12. März 1961: „I have a few […]“. Cpl Harold Badten, Cpl Troy Warren, Cpl Dick Warrington, Co I, 350th Inf Regt, Oh! That Noise (Pup Tent Poets), in: Stars and Stripes, 12. Dezember 1954. Vgl. Sfc Theodore Plonski, Hq & Sv Co, 141st Tk Bn, The Band Stand, ebd., 6. März 1953.
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Smith“ von AFN Frankfurt formulierte eine versöhnliche Antwort. So bedankte er sich zunächst bei den Freunden und Feinden von Country-Musik gleichermaßen. Denn aus den Kommentaren der Kritiker könne er ablesen, dass auch diese seine Sendungen genau verfolgten. Dann wies Maughan auf die wunderbare Vielfalt von Musik hin und auf die Aufgabe von AFN, möglichst viele unterschiedliche Hörvorlieben zu bedienen: „Remember that it takes them all // To serve the whole of you.“35 Kritik zu einzelnen Sendungen oder Musikfarben konnte AFN mit Gelassenheit begegnen, schließlich versuchte er durch seine Programmmischung, die unterschiedlichen Wünsche seiner Zielgruppe abzudecken. Da dem Sender aber nur eine Frequenz zur Verfügung stand, war er auf das Verständnis seiner Zuhörerschaft angewiesen, wenn er Sendungen für mehr oder minder große Publikumssegmente ausstrahlte. Immer wieder warb AFN daher für die Akzeptanz unterschiedlicher Programme und Musikstile. Auch die Schallplattenkolumnen der AFN-Discjockeys spiegelten diese Vielfalt wider. Manche sprachen das Problem auch direkt an, wie etwa Jim Prince 1953 im Berlin Observer: If you were to ask twenty people to define the word „music“, chances are you’d get twenty different answers. For a standard let’s take Noah Webster: „music – an art of sound in time which expresses ideas and emotions in significant forms through the elements of rhythm, melody, harmony, and color …“ That’s great, but alas and alack he didn’t say it’s by Stan Kenton, Beethoven, or Hank Williams. Cries a voice from the rear. „Then how can you say Beethoven, or Stan Kenton, or Hank Williams is the greatest?“ Answer: You can’t. Yep, let’s face it, if it entertains somebody it’s music. Ach so!36
Der Hinweis auf die Gleichwertigkeit aller Musikstile war für den „Gemischtwarenladen“ AFN nicht unwichtig. Denn nur wenn seine Hörerinnen und Hörer auch Sendungen tolerierten, die sie persönlich nicht mochten, konnte er mit diesem Programmkonzept weitermachen.37 Bei einigen Amerikanern lösten die Zwänge des Militärs und die Stationierung in Übersee ein besonderes Bedürfnis nach Zusammenhalt und Harmonie aus. In dieser Situation akzeptierten sie auch viel eher unterschiedliche Ansichten oder Wertvorstellungen als dies in einem „normalen“ Zivilleben in den Vereinigten Staaten der Fall gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund er35 36 37
Pfc Gene (Sunshine Smith) Maughan, AFN Frankfurt, My Opinion, ebd., 12. Dezember 1954. Vgl. The Voice You’ve Heard on AFN Belongs to – „Sunshine Smith“, in: Port Reporter, 13. April 1956. Cpl Jim Prince, AFN-Berlin, Music Your Way, in: Berlin Observer, 18. Dezember 1953. Einen solchen Hinweis gab es in vielen Senderporträts in amerikanischen Militärzeitungen. Typisch ist zum Beispiel folgender: „Because it is the only American network in Germany, AFN has the job of being all things to all men. High-brows, low-brows, longhairs, and hillbillys all depend on it for entertainment. AFN’s program planners are hard at work trying to please them all.“ Jean […]ght O’Malley, American Forces Network Serving GIs in Germany, in: Gateway, 1. Juni 1951.
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Die Hörerschaft
scheint es nicht weiter verwunderlich, dass die gereimte Unmutsäußerung der Country-Feinde zumindest einer Armee-Angehörigen keine Ruhe ließ. In einem weiteren Gedicht zu dem Thema lobte sie AFN für sein abwechslungsreiches Programm und rief die amerikanischen Hörerinnen und Hörer zu Toleranz und Geschlossenheit auf: You’re not the only ones overseas, Nor the only ones AFN’s trying to please. So in this Christmas season, pat your friend on the back Whether he comes from Kentucky or old Hackensack. Whether you like hillbilly, classic, or swing, AFN’s doing its best, your favorites to bring.38
Für Jo-Anne Smith und viele andere AFN-Hörer machte der Militärrundfunk das Beste aus seiner Situation. Sie unterstützten den Sender darin, die Vorlieben der Mehrheit des Publikums zu bedienen und mit zahlreichen Programmen auch auf spezielle Präferenzen und Bedürfnisse einzugehen. Streit ums „Niveau“ – Was sollen die Europäer von uns denken? Nicht alle Mitglieder der Militärgemeinschaft hatten jedoch diese Einstellung. Vor allem Offiziere und Angehörige gebildeter Schichten verbanden ihre Kommentare zu aktuellem Pop, Country-Musik, Comedy-Programmen oder Seifenopern mit einer grundsätzlichen Kritik an dem ihrer Meinung nach minderwertigen Rundfunkangebot. Sie beriefen sich auf die Errungenschaften der Hochkultur und den „guten Geschmack“ und geizten in Briefen an den Sender oder die Militärzeitungen nicht mit vernichtenden Urteilen. Sie schrieben zum Beispiel über den „Müll“ auf AFN oder die „Unterhaltung auf Kindergartenniveau“. Auch die Ablehnung bestimmter Musikrichtungen war deutlich und reichte von einem „stupid hillbilly music“ bis zur Bezeichnung von Rock ’n’ Roll als „unadulterated garbage“ oder „vulgarized jungle rhythms“.39 Öffentlich konnte AFN auf solche Kritik selbstbewusst reagieren. Die Mischung seines Programms entsprach schließlich den offiziellen Vorgaben für den US-Militärrundfunk, den Prinzipien des amerikanischen Radiosystems und den Wünschen der Mehrheit seines Publikums. In der Praxis war dies aber nicht immer ganz einfach. Die Gegner der Massenkultur hatten schließlich einigen gesellschaftlichen Einfluss und saßen nicht selten an wichtigen 38 39
Jo-Anne Smith, 12th Inf Regt, „Hats Off to AFN“ (Pup Tent Poets), in: Stars and Stripes, 29. Dezember 1954. Name Withheld by Request, What’s With AFN? (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 29. Mai 1960: „nursery-level entertainment“; Name Withheld by Request, Hates Hillbilly Music, ebd., 5. Februar 1961: „stupid hillbilly music“, „junk“; A1C Art Mathers, „Swinging Sounds“ Don’t Move Him (B Bag), in: Stars and Stripes, 11. April 1962: „unadulterated garbage“, „vulgarized jungle rhythms“.
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Stellen im militärischen System. Wie die vorigen Kapitel gezeigt haben, blieb es oft nicht ohne Folgen, wenn sich ranghohe Angehörige der Streitkräfte über AFN beschwerten. Und einige Offiziere nahmen kein Blatt vor den Mund, wenn ihnen ein Wortbeitrag nicht passte oder sie Anstoß an einem Musiktitel nahmen.40 Wurde solch massive Kritik am AFN-Programm öffentlich geäußert, entspannen sich oft wochenlang andauernde Diskussionen in den Leserbriefseiten von amerikanischen Zeitungen. Typisch war zum Beispiel eine Debatte aus dem Frühjahr 1961, die mit einer anonymisierten Zuschrift an Overseas Weekly begann. Deren Autor machte sich Sorgen um die Wirkung der vielen populären AFN-Sendungen auf die europäische Hörerschaft, die Amerikaner als hinterwäldlerisch, schlecht erzogen und ungebildet erscheinen ließen: „I believe that we should try to make a better impression on our hosts and really show them that we’re not the countrified, gum-chewing nation of uneducated nitwits AFN tries to make us out to be.“41 In den darauf folgenden Pro- und Contra-Antworten gingen die Schreiber nicht zimperlich miteinander um. Sie warfen sich zum Beispiel intellektuelle Arroganz und Engstirnigkeit oder Dummheit und fehlende Bildung vor. Außerdem reklamierten beide Seiten wahlweise den „guten“, „normalen“ oder „amerikanischen“ Geschmack für sich.42 Die Boulevardzeitung Overseas Weekly war von den US-Streitkräften unabhängig und finanzierte sich vor allem durch den Verkauf. Zur Auflagensteigerung konnte ihr dieser derbe Schlagabtausch nur recht sein, zumal das Thema kaum einen Leser kalt ließ. Ein Jahr nach dem Beginn der ersten Debatte druckte die Zeitung einen anonymen Brief ab, der in Inhalt und Wortwahl den Zuschriften von 1961 ähnelte, und startete damit eine erneute Runde des Streits.43 In den Briefen vermischten sich Argumente zu vordergründigen Themen wie Radiosendungen und Musik mit verschiedenen gesellschaftlichen Konflikten. Dabei ging es etwa um die Spannungen zwischen Hoch- und Massenkultur, Stadt und Land oder Nord- und Südstaaten. Immer wieder befassten sich 40
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What the American Soldier Says About AFN in Germany, January 1947, 11, Anlage zu Glavin an SGS, USFET, 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; Lou Frankel, Commercials in the E. T. O., in: Billboard, 12. Mai 1945; Stand by … Stuttgart, in: AFN Weekly Digest, 28. August 1954; Herb Altschull (AP), Everybody Complains About AFN But Never About Same Program, in: Bangor Daily News, 25. Dezember 1956. Name Withheld by Request, Hates Hillbilly Music (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 5. Februar 1961. Weitere Beiträge zu dieser Debatte erschienen in den Overseas Weekly-Ausgaben vom 19. und 26. Februar, vom 5., 12., 19. und 26. März sowie vom 2. April 1961. Name Withheld by Request, On Hillbilly Dodos (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 18. Februar 1962. Die zahlreichen Leserbriefe, die darauf reagierten, druckte die Boulevardzeitung am 25. Februar, am 4., 11. und 18. März sowie am 8. April 1962 ab.
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Die Hörerschaft
die Beiträge auch damit, was „amerikanisch“ bedeutete und wofür sich die USA in der Welt engagierten. Viele Briefschreiber betonten, dass für sie gerade der Pluralismus die Kultur der Vereinigten Staaten ausmache und sie unterschiedliche Ansichten und Vorlieben akzeptierten. Dies bezog sich auch auf Musik, wie zum Beispiel eine Zuschrift aus dem Jahre 1958 betonte: „You know America is the home of the free, and music is not omitted from the freedom that people there enjoy.“44 In der gesellschaftlichen Vielfalt und Toleranz sahen viele amerikanische Soldaten nicht nur den Grund für die zahlreichen unterschiedlichen Programme bei AFN, sondern auch für ihren Militärdienst in Übersee. Drei Infanteristen mit einer Abneigung gegen klassische Musik formulierten es folgendermaßen: We sincerely believe that if the majority of Americans overseas preferred symphonic and opera music, AFN would broadcast more of it. We are not saying people who prefer this type of music have bad taste. That is one reason we are over here, to protect our freedom so we are not forced to like what others prefer.45
Für sie und die Mehrheit der amerikanischen Hörerschaft war es wichtig, dass das Rundfunkprogramm den Wünschen seines Publikums entsprach. Sie wollten eben nicht von militärischen Befehlshabern, Politikern oder einer kulturellen Elite bevormundet werden, und zumindest bei der Radiounterhaltung war das System Militärrundfunk auf ihrer Seite.46 In diesen Auseinandersetzungen spiegelte sich auch wider, dass sich die amerikanische Senderkette und ihre Hörerschaft in Europa befanden. Viele Leserbriefschreiber führten deutsche Nachbarn, Kollegen oder Freunde an, vor denen man sich für bestimmte AFN-Programme schämte oder die einige Beiträge oder Musikrichtungen besonders liebten. Die Vertreter eines Rundfunks mit erzieherischem Anspruch beriefen sich auch gern auf europäische Traditionen der Hochkultur und die ihrer Meinung nach vorbildliche Programmpolitik der hiesigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Diese Fraktion sorgte sich auch verstärkt um das Ansehen der Vereinigten Staaten in Übersee. Sie bedauerte, dass die USA vor allem mit Massenkultur in Verbindung gebracht wurden, und machte AFN dafür mitverantwortlich. Als Regierungssender sollte er vielmehr die Aufgabe haben, Amerika im Ausland von seiner besten Seite zu zeigen und vor allem „hochwertige“ Programme und klassische Musik spielen.47 Eine solche Auffassung passte zu der Vielzahl von 44 45 46 47
Name Withheld by Request, Scope Booster (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 2. November 1958. Sp4 Cecil D. Vineyard, Pfc Charles A. Young, Pfc Roy A. Heck, 52 Inf, 3d Armd Div, Who’s Uneducated? (Letter to the Editor), ebd., 2. April 1961. S Sgt David R. Malcolm, Stickbuddies (Letter to the Editor), ebd., 31. Juli 1955; Mrs. M. M. Smith, Idar-Oberstein, Good Points, ebd., 9. November 1958; Readers Boost AFN For Top-Notch Job, ebd., 19. Februar 1961. Name Withheld by Request, AFN’s Music (Letter to the Editor), ebd., 26. Juni 1960; Name Withheld by Request, Hates Hillbilly Music (Letter to the Editor), ebd., 5. Feb-
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Initiativen, die das Bild der Vereinigten Staaten in Europa positiv beeinflussen sollten, etwa durch literarische Lesungen, Kunstausstellungen und Musiktourneen oder Einrichtungen wie die Amerika-Häuser. Selbst die Siebte USArmee unterhielt von 1952 bis 1962 vor allem deshalb ein eigenes Symphonieorchester, um damit europäisches Publikum beeindrucken zu können. In einem Artikel des Nachrichtenmagazins Time aus dem Jahr 1954 heißt es dazu scherzhaft: No Army brass, and little of its rank and file, thought in the spring of 1952 that the occupation forces needed a symphony orchestra. But, according to the story now favored by the orchestra members, the Seventh Army’s Lieut. General Manton S. Eddy got tired of being ribbed by his German friends about the cackle of hillbilly music that emanated daily from the Armed Forces Radio.48
AFN hatte sich diesbezüglich wenig vorzuwerfen, schließlich strahlte der Militärsender jeden Tag zahlreiche Beiträge mit bildenden und „kulturell wertvollen“ Inhalten aus. Auch klassische Musik war mit einem Programmanteil von etwa fünf bis zehn Prozent vertreten. In Sendereihen wie „Outpost Concert“ brachte AFN Aufnahmen von bekannten amerikanischen Orchestern, dem RIAS-Symphonieorchester oder dem Seventh Army Symphony Orchestra sowie weiteren Produktionen aus Europa. Die Rundfunkmitarbeiter legten Wert darauf, dass sich Beiträge von amerikanischen und europäischen Komponisten abwechselten. Damit versuchte AFN zum einen, die Gruppe von Klassikliebhabern unter seiner Hörerschaft zufriedenzustellen. Andererseits waren diese Sendungen auch für das Renommee eines Senders gut, und damit hatte der Militärrundfunk zumindest teilweise seine ausländische Gasthörerschaft im Blick. Etliche Jahre druckte AFN sogar eine eigene Vorschau seines Klassikprogramms und verschickte sie an Hörerinnen und Hörer sowie Medienvertreter in ganz Europa. Für einige Klassikfans mag allerdings der Ansatz „auch ernste Musik kann Spaß machen“ ungewohnt gewesen sein, den etliche Sendungen des Militärrundfunks vertraten. Dazu gehörte etwa die bei Puristen umstrittene Praxis, von längeren Werken nur einzelne Sätze zu spielen und klassische Highlights aneinander zu reihen. Durch ein besonderes Arrange-
ruar 1961; Sp4 David Bates, Editor, LAMC Record, No Late Riser He (Letter to the Editor), ebd., 11. März 1962. 48 Symphony in Suntans, in: Time, 19. Juli 1954 (Zitat). Siehe auch Cultural Envoys in Uniform, in: Information Bulletin, November 1952: http://images.library.wisc.edu/ History/EFacs/GerRecon/omg1952Nov/reference/history.omg1952nov.i0006.pdf; Paul Moor, Military Orchestra 7th Army Symphony Wins Europe’s Respect, in: New York Times, 5. Februar 1956. Vgl. Canarina, Uncle Sam’s Orchestra; http://7aso.org. Zur „amerikanischen Kulturoffensive“ nach dem Zweiten Weltkrieg siehe etwa HeinKremer, Die amerikanische Kulturoffensive; Gienow-Hecht, Amerikanische Kulturpolitik; Schildt, Zwischen Abendland und Amerika, 167–195; Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg, 226–232.
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Die Hörerschaft
ment konnte AFN 1956 auch Arthur Fiedler und die Boston Pops durch die Sommersaison begleiten.49 Bei der Mehrheit des amerikanischen Publikums waren die Klassiksendungen von AFN nicht gerade beliebt, wurden aber als Programm für eine bestimmte Hörergruppe toleriert. Zeigte diese Minderheit allerdings eine bildungsbürgerliche Arroganz, wie in den zitierten Leserbriefen, regte sich heftiger Widerspruch. Denn nicht nur die Liebhaber der kritisierten Sendungen nahmen Anstoß daran, mit welcher Verachtung zum Beispiel die Fans von Country-Musik als Hinterwäldler ohne Bildung und Geschmack verspottet wurden. Jeder Musikstil habe schließlich dieselbe Daseinsberechtigung, und keine sei daher besser oder schlechter als die andere. Wenn einem etwas auf AFN nicht gefalle, müsse man halt abschalten, so der Tenor vieler Antworten. Oft gingen die Briefschreiber auch auf das Argument „Was sollen die Europäer von uns denken?“ ein. Sie wiesen darauf hin, dass AFN eben kein Propagandasender sei, sondern die amerikanische Militärgemeinschaft versorgen sollte. Diskutiert wurde außerdem, welche Art von Kultur Europäer von den USA erwarteten und ob ein anderes, in seiner Vielfalt beschränktes AFN-Programm Auswirkungen auf deren gefestigte Meinungen und Vorurteile hätte. Der anonyme Beitrag eines Familienangehörigen bei einer Umfrage im Jahr 1962 fasste die Gefühle vieler AFN-Hörerinnen und -Hörer zusammen: „American Culture is American Culture. Who are you people trying to impress? Program for us dependents and not the Europeans.“50 In diesem Zusammenhang wurde auch immer wieder die inoffizielle Botschafterrolle angesprochen, die Angehörige der Militärgemeinschaft nach dem Willen ihrer Führung zu übernehmen hätten. Dieser Dauerbefehl zu tadellosem Benehmen und völkerverbindenden Aktivitäten war in der Praxis nicht nur anstrengend, sondern auch mit zum Teil unsinnigen Beschränkungen verbunden, wie eine Amerikanerin berichtete: 49
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AFN’s Concert Series Presented for Pleasure, in: Sentinel, 6. Juni 1953; Veteran Announcer Plans AFN Opera, Concert Programs, in: Stars and Stripes, 22. April 1953; AFN to Broadcast 2 Salzburg Events, ebd., 7. August 1953; AFN Lists December Classics Of „Outpost Concert“, ebd., 27. November 1953; 7th Army Concert On AFN Tomorrow, ebd., 20. Oktober 1954; AFN Concert Hour To Feature Four „Firsts“ for July, ebd., 18. Juni 1955; AFN’s Serious Records Chosen By Admirer of Modern Masters, in: Guardian, 22. April 1955; AFN Radio To Air Boston Pops Music, in: Chronicle, 27. April 1956; Seventh Army Symphony Starts 4th AFN Session, ebd., 24. Januar 1958. AFN Poll Results, MS, o. D. [April 1962], Press Releases 1960–1965, AFN Historical File [Ausstreichung im Original]. Vgl. etwa Pfc Charles C. Cavanah, 151st Ord Det (IFCR-M33), Hillbilly’s View (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 9. November 1958; Mrs. G. D. Bayer, Frankfurt, Nix on Culture, ebd., 31. Juli 1960; Sp4 Jimmy D. Bevill, Sp4 David Kasten, Postal Section, Find the Knob, ebd., 4. März 1962; A. M., Das Neueste – aus dem Alten Schloß, in: Rheinpfalz/Ludwigshafener Tageblatt, 8. März 1961, Mrs. Clarence R. Zellman, Nuernberg, „Get Out of Your Shell!“ (B Bag), in: Stars and Stripes, 11. August 1965.
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Some of the people over here seem to think we are over here just to please the Germans. Women aren’t allowed to wear slacks in public, which I think is silly. […] I believe in having good German-American relations and have found that all people are basically the same, because there are some good and some bad people in every country, but I don’t believe in changing my way of life and likes and dislikes just to make these people think I’m something I’m not.51
Die Regeln des Militärs reichten bis ins Privatleben der US-Gemeinschaften in Übersee. Einige Standortkommandaten hatten zum Beispiel Vorschriften erlassen, nach denen Frauen in der Öffentlichkeit keine Hosen tragen durften. Solche Eingriffe in das eigene Leben waren für viele nur schwer erträglich und sollten sich nicht auch noch auf die Radiounterhaltung erstrecken. Offene Zweifel an den militärischen Vorschriften oder politischen Wünschen wurden eher in den Leserbriefseiten einer von den Streitkräften unabhängigen Zeitung wie Overseas Weekly abgedruckt. Und hierbei war es ratsam, die Herausgeber um Anonymität zu bitten.52 Die Pflege der Beziehungen zu Gastgebern und Verbündeten gehörte seit seiner Gründung im Jahr 1943 zum Auftrag von AFN. Auch in Deutschland brachte der Sender zahlreiche Beiträge, die seiner Hörerschaft Land und Leute sowie Sprache und Kultur nahebringen sollten. Stets berichtete AFN auch über deutsch-amerikanische Aktivitäten in der Militärgemeinschaft und förderte sie nach Kräften. In geringerem Umfang gab es ähnliche Programme auch über andere westeuropäische Staaten. Eine Besonderheit waren die französisch-produzierten Auflagensendungen, die der Militärrundfunk während der Existenz von AFN France ausstrahlte. Wie wichtig es war, dass AFN-Redakteure den Kontinent aus einem amerikanischen Blickwinkel darstellten, zeigt ein Leserbrief an Stars and Stripes aus dem Jahr 1963. In ihm beschwerte sich ein Hörer über einen französischen Experten, der in einer Sendung des Militärrundfunks über Austern sprach: „The whole tone of this program was telling Americans about oysters, as if these marvelous sea animals are unknown to us.“53 Der Schreiber beklagte sich außerdem über einige Aussagen voll Ignoranz und französischem Eigenlob, die man mit etwas Wissen um die Küche der amerikanischen Ostküste nicht aufrecht halten könne. Nach eigener Aussage schätzte der AFN-Hörer französische Kochkünste und auch Austern, er wollte sie nur nicht als angeblichen Beweis der kulturellen Überlegenheit Europas gegenüber den USA serviert haben.54 51 52 53 54
Name Withheld by Request, Buy Records (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 4. März 1962. Siehe auch Name Withheld by Request, Who’s Occupied? (Letter to the Editor), ebd., 5. März 1961. Vgl. Alvah, Unofficial Ambassadors, 90–94, 123 f.; Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 77 f. Name Withheld by Request, Americans, Frenchmen and Bivalve Mollusks (B Bag), in: Stars and Stripes, 28. April 1963. Ebd. Vgl. AFN Survey Reveals TCA Listener ’s Trends, in: Tabulator, 7. Oktober 1960.
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Die Hörerschaft
Da AFN sein Angebot nach den Wünschen der US-Streitkräfte in Europa ausrichtete, war sein Programm auf vielfache Weise vom Standort geprägt. Zum einen war die jeweilige personelle Zusammensetzung der Militärgemeinschaft sehr speziell und entsprach keinem wie auch immer gearteten „amerikanischem Durchschnitt“. Zum anderen sorgten ihre Mitglieder durch ihre Aktivitäten und Vorlieben auch selbst dafür, dass sich ihr Alltag hier von dem in den USA unterschied. Verhältnismäßig viele GIs reisten zum Beispiel in ihrer Freizeit oder interessierten sich für eine fremde Sprache. Auch der Musikgeschmack der Amerikaner in Übersee wich von dem in den Vereinigten Staaten ab. Im Bereich aktueller Unterhaltungsmusik zum Beispiel wünschten sich viele Hörerinnen und Hörer Titel, die mehrere Monate zuvor in den US-Charts Spitzenpositionen erreicht hatten. Dies hing von etlichen Faktoren ab, die vom Schallplattenangebot im PX über Europatourneen bestimmter US-Stars bis zur Dynamik der Amateurband- und Militärclubszene reichten. Außerdem spielten auch europäische Vorlieben eine Rolle. Denn gemäß offizieller Anweisung nahmen AFN-Mitarbeiter Rücksicht auf die Interessen des Gastlandes, indem sie etwa Lieder mit NS-Bezug wegließen. In einigen Hörerbeteiligungssendungen konnte das europäische Publikum auch ganz konkret bei der Programmgestaltung mitmischen. Wie das folgende Kapitel zeigen wird, unterschieden sich ihre Musikwünsche zum Teil recht deutlich von denen amerikanischer Hörerinnen und Hörer.55 Der europäische Touch des Rundfunksenders musste stets in einem bestimmten Rahmen bleiben. Die begrenzte Zahl an Amerikanern und die schiere Masse an Einheimischen führte zum Beispiel dazu, dass viele Aktivitäten, an denen sich Deutsche beteiligen durften, von diesen überlaufen wurden. Die Mitglieder der US-Militärgemeinschaft fühlten sich nicht selten auch schlecht behandelt. Sie beklagten etwa, dass viele Deutsche zwar alles Amerikanische begehrenswert fänden, die Amerikaner selbst aber verachten würden. Dies betraf auch AFN: Denn bei dessen Wunschsendungen waren europäische Einsendungen meist zahlreicher als die von amerikanischen Soldaten. Etliche deutsche Hörerinnen und Hörer schrieben auch längere Briefe und versuchten, persönlich Kontakt mit den Discjockeys aufzunehmen. Die AFNMitarbeiter durften sich davon bei der Gestaltung ihrer Sendungen nur teilweise beeinflussen lassen, denn das US-Publikum reagierte empfindlich, wenn es sich gegenüber der Gasthörerschaft zurückgesetzt fühlte. Ähnliches galt für die Moderation der verschiedenen Sendungen. Die Aussprache von europäischen Namen oder Orten beispielsweise war nicht einheitlich geregelt. Es sollte aber vor allem darauf ankommen, dass amerikanische Hörerinnen und Hörer diese verstanden, selbst wenn dies in den Ohren von Menschen mit 55
„Bouncing in Bavaria“ Delights Soldiers and Civilians Alike, in: SACom Scene, 8. März 1957; AFN’s „Record Smashing“ Sparks Stateside Protest, in: Overseas Family, 29. Juli 1966; Jazz Disk Treasures Almost Victim of U. S. Army’s „Smash“ Order, in: Variety, 24. August 1966. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 136.
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Deutschkenntnissen sonderbar klang. Und auch Wortspiele wie das bekannte „thank you very dankeschön“ von George Hudak waren nur solange akzeptabel, wie sich selbst ein kürzlich in Europa stationierter GI davon nicht ausgeschlossen fühlte.56 Sendungen für ethnische Minderheiten Die offizielle Sendesprache von AFN war Englisch und diese Regel durfte nur in begründeten Ausnahmen gebrochen werden. Dazu gehörten vor allem die Sendungen für US-Soldaten mit lateinamerikanischen Wurzeln, die zum Teil auf Spanisch moderiert wurden. Für sie strahlte der Militärrundfunk mindestens einmal in der Woche ein 15-minütiges Programm aus, das in den fünfziger Jahren zum Beispiel „Latin-American Carnival“, „Melodia“ oder „Fiesta“ hieß. Die Musik für diese AFN-Produktionen und weitere Beiträge in dieser Richtung bekam die europäische Senderkette wie üblich von AFRS aus den USA geliefert. Dadurch wurden meist solche Titel und Interpreten präsentiert, die sich auf dem amerikanischen Markt durchgesetzt hatten, der wiederum von der angelsächsischen Mittelschicht dominiert wurde. Es ist nicht verwunderlich, dass die Mehrzahl der AFN-Hörer diese Programme mochte, während die eigentliche Zielgruppe mitunter unzufrieden war. Oft hatte der Sender auch Schwierigkeiten, einen geeigneten Moderator zu finden. Daher saßen bisweilen Muttersprachler ohne vorige Radioerfahrung am Mikrofon, dann wieder „Yankees“ mit Spanischkenntnissen. Es ging auch anders – allerdings nur durch externe Hilfe und unter erheblichem Einsatz. Als im Jahr 1953 besonders viele puerto-ricanische Soldaten und ihre Familien im Stuttgarter Raum stationiert waren, startete der dortige Lokalsender einmal in der Woche eine viertelstündige Sendung mit Berichten und Interviews aus der betreffenden Militärgemeinschaft sowie Nachrichten aus Puerto Rico. Es war wichtig, dass eine solche Sendung auf Spanisch war, da ein erheblicher Teil der anvisierten Hörerschaft nur wenig Englisch sprach. Die Idee dafür hatte ein Feldwebel aus der 28. Infanteriedivision gehabt, der auch entscheidend bei der Vorbereitung und Durchführung mitwirkte. Luis Quiles hatte sich unter anderem an den Gouverneur der Karibikinsel gewandt, der wiederum den APKorrespondenten in San Juan gewonnen hatte, einmal in der Woche einen Nachrichtenüberblick auf Spanisch zu liefern.57 56
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Name Withheld by Request, Pigheaded Germans (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 25. August 1959; Name Withheld by Request, Who’s Occupied?, ebd. 5. März 1961; AFN: Tuned To People, in: Army Times, 19. Juli 1967. Vgl. Report to AFN by American Network Representatives 1956, 4, AFN Historical File; Frank Gordon, Munich-Go-Round, in: Abendzeitung, 29. Juni 1960 [Zuordnung aus AFN Historical File]. COL O. McCormick, C/TIED, an C/Info, 25. August 1952, Box 433, Dec File 1949– 1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; COL J. L. Chamberlain, Dep C/TIED
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Die Hörerschaft
Der Umgang mit einer weiteren ethnischen Minderheit, den Afro-Amerikanern, gestaltete sich für den US-Militärrundfunk noch schwieriger. Bereits kurz nach seiner Entstehung im Zweiten Weltkrieg hatte AFRS entschieden, die legale und soziale Ungleichheit der Rassen in den Vereinigten Staaten und auch in den Streitkräften zu ignorieren. Er produzierte mit „Jubilee“ zwar eine Sendung mit einem afro-amerikanischen Moderator und schwarzen Musikern, brachte dort nach einiger Zeit aber auch weiße Künstler. Stillschweigend ließ AFRS später in einer Show wie „Command Performance“ AfroAmerikaner auftreten. Die Statuten des Militärrundfunks verbaten jegliche Form der Diskriminierung, gegen latenten oder offenen Rassismus waren seine Programme aber nicht gefeit. Dafür sorgten auch die Rundfunksshows der amerikanischen Networks, die AFRS verbreitete. Zu einer der beliebtesten Comedy-Serien in den USA gehörte jahrzehntelang „Amos ’n’ Andy“, in der weiße Schauspieler für ihre Komik bestimmte Stereotype über Schwarze ausnutzten. Auch in AFN-Produktionen gab es diskriminierende Tendenzen. Im Jahr 1944 etwa beschwerte sich ein Hörer beim Sender, dass in einer CountrySendung das Wort „Nigger“ gebraucht worden sei.58 Nach 1945 blieb die Rassentrennung ein massives gesellschaftliches Problem in den USA, die selbst da den Alltag bestimmte, wo sie offiziell bereits abgeschafft war. Dies war auch im amerikanischen Militär der Fall, in dem die Segregation 1948 aufgehoben wurde. In der Praxis verbesserte sich die Lage der Schwarzen aber erst im Laufe der fünfziger Jahre und selbst dann konnten nur wenige von ihnen einflussreiche Positionen erreichen. Auch in der Freizeit gingen schwarze und weiße GIs noch jahrzehntelang getrennte Wege, wie man in Deutschland etwa an den von US-Soldaten besuchten Lokalen und
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for the C/Info an Dir/OAFIE, Attn: CDR Cooke, 20. Februar 1953 (mit Anlagen), Box 419, ebd. Siehe auch The Latin-American Boys, Latin-American Music (B-Bag), in: Stars and Stripes, 8. Januar 1953; AFN to Broadcast Puerto Rico News In Weekly Show, ebd., 30. Oktober 1953; 112th Inf EM Praise New AFN Program, ebd., 26. November 1953; AFN „Melodia“ Program Gets New Announcer, ebd., 24. März 1954; Net Chief Visits Stuttgart, in: AFN Weekly Digest, 27. August 1955; „It’s Melody Time!“, in: SACom Scene, 18. April 1958; Ernie Weatherall, Yank Airs Program in Spanish, in: Stars and Stripes, 26. September 1958. Vgl. Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 185, 282, 289. – Weitere Ausnahmen gab es gelegentlich in anderen Musikprogrammen. Ab Oktober 1955 moderierte zum Beispiel ein ehrenamtlicher amerikanischer Mitarbeiter für AFN Kaiserlautern die Sendung „Polka Party“ auf Polnisch, Deutsch und Englisch. „Polka Party“ Broadcasts In Three Languages, in: HAC Post, 29. November 1956. Program, Negro Policy, MS, o. D. [1944], Folder: Black GI programming, Box 6, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; AFRS, Memo to: All Concerned, Subject: AFRS Editorial Policy, 1. August 1948, Folder: AFRS Combined Services, ebd.; MAJ W. P. Mullen, XO/AFRS, an MAJ Fogel, Acting OIC/AFRS, 13. März 1944, Box 306, Dec File 1942–1948, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 28; Barnouw, The Golden Web, 196 f., Dunning, On the Air, 31–36, 376 f.; Douglas, Listening In, 106–110, 235; Grull, Radio und Musik, 48–52; Hilmes, Radio Voices, 261 ff.; Lotz, The „Jubilee“ Transcription Programs.
Das amerikanische Publikum
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Clubs sehen konnte. In den Leserbriefen an amerikanische Militärzeitungen in Europa scheint Rassendiskriminierung erst Anfang der sechziger Jahre zum Thema zu werden. Ab da lassen sich auch einzelne Beschwerden über die Berichterstattung von AFN finden. Eine breitere öffentliche Debatte sollte es in den Militärgemeinden in Europa allerdings erst gegen Ende des Jahrzehnts geben.59 Ob als Soldaten oder Zivilangestellte, bei AFN arbeiteten vor allem weiße Amerikaner. Wenn man die Fotos der Öffentlichkeitsarbeit des Senders zugrunde legt, waren die wenigen Afro-Amerikaner dort vor allem in der Technikabteilung und der Verwaltung tätig. Besonders gerne wurde eine Ausnahme wie Arthur T. Walker vorgezeigt, der Anfang der fünfziger Jahre für Programme mit klassischer Musik zuständig war. Von November 1966 bis Februar 1968 hatte AFN einen afro-amerikanischen Kommandeur. Wie etliche seiner Vorgänger kam Oberstleutnant Henry L. Cody aus der Fernmeldetruppe, hatte keine Erfahrungen im Rundfunkbereich und wollte den Sender mit militärischer Disziplin (und neuartigen Management-Methoden) leiten. Damit eckte er bei einigen seiner Untergebenen an und machte auch im Verlauf der „Zensur-Affäre“ bei AFN keine gute Figur; danach wurde er auf einen anderen Posten versetzt. Bis heute geht es bei der Diskussion um Cody auch stets um seine Hautfarbe und die Frage nach Rassismus im Militär und bei AFN.60 Die amerikanische Musikindustrie unterschied bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg nach der Hautfarbe der Interpreten und erstellte zum Beispiel eigene Hitlisten für „Race Music“. Erst in den fünfziger Jahren konnten 59
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Name Withheld by Request, AFN Booboo (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 26. März 1961 (Antworten darauf: ebd., 9. April, 23. April und 28. Mai 1961); Hazel Guild, Letter to „Stars & Stripes“ Raps AFN; Alleges Lack of On-Air Negroes, in: Variety, 25. September 1968; Clyde McLean, Nuernberg, Short Cuts (Letter to the Editor), in: Stars and Stripes, 21. Oktober 1968. Vgl. Höhn, GIs and Fräuleins, 85–108, 192– 222; Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 83, 105–115; Willoughby, Remaking the Conquering Heroes, 49–72, 128–135. Siehe etwa LTC H. L. Cody, OIC/AFN-E, Subject: AFN-E Policy, Philosophy and Guidance for effective operations, o. D., Box 5, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; LTC Cody’s Welcoming Speech to Program Directors October 25, 1967, Box 11, ebd.; Suid-Interview Christman, 36–39, Box 2, Transcripts, ebd.; Suid-Interview Harlan, 29 ff., Box 4, ebd.; Suid-Interview Slatter, 17 f., Box 8, ebd.; Suid-Interview Swisher, 11 f., ebd. Siehe auch Klassische Musik, in: Nachtausgabe, 9. April 1953; Veteran Announcer Plans AFN Opera, Concert Programs, in: Stars and Stripes, 22. April 1953; Engineer Turns to Typewriter, in: Overseas Family, 16. März 1962; AFN Boss Blamed for Mickey Mouse, in: Overseas Weekly, 2. April 1967; AFN Static Alerts Washington, ebd., 12. November 1967; AFN Staffers Blast Controversial CO, ebd., 28. Januar 1968; Another AFN Boss Hits the Trail, ebd., 18. Februar 1968; ech, Wechsel beim AFN, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Februar 1968; Hazel Guild, Letter to „Stars & Stripes“ Raps AFN; Alleges Lack of On-Air Negroes, in: Variety, 25. September 1968. Vgl. Christman, Brass Button Broadcasters, 178, 180.
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Die Hörerschaft
„schwarze Originalfassungen“ auch zu Hits im US-Mainstream werden. Ebenso wie bei den Latino-Rhythmen war beim Militärrundfunk in diesem Fall der Filter des Musikmarktes und der weißen Mehrheit der amerikanischen Gesellschaft spürbar. AFN spielte die vom amerikanischen Militärrundfunk gelieferte Musik von schwarzen Künstlern und nahm auch selbst Beiträge mit afro-amerikanischen Musikern auf, seien sie Stars aus den USA oder Amateure aus dem Europäischen Befehlsbereich. Erst im Laufe der sechziger Jahre entwickelte AFN aber eigene Sendungen für sein afro-amerikanisches Publikum. Hierbei ging er nach dem Schema vor, das er zum Beispiel auch für die Hörerinnen und Hörer mit lateinamerikanischen Wurzeln anwandte: Mehr oder minder qualifizierte Angehörige der ethnischen Minderheit moderierten eine Sendung mit Musik, die laut Mainstream typisch für diese Gruppe sein sollte – in diesem Fall oftmals Soul.61 Für die USA barg die Rassentrennung nicht nur gesellschaftlichen Sprengstoff, sie hatte auch außenpolitische Nachteile. Denn sie machte die Vereinigten Staaten bei ihren Verbündeten als Vertreter von Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit unglaubwürdig und bot Gegnern eine große Angriffsfläche. 1947 startete etwa die Sowjetunion eine „There are two Americas“Kampagne, in der sie unter anderem die Rassendiskriminierung in den USA anprangerte und als Beweis gegen die demokratische Regierungsform anführte. Offizielle amerikanische Stellen erkannten das Problem meist an, verwiesen aber auf die großen Fortschritte, die bei dessen Lösung schon erzielt worden seien. Das US-Militär betonte stets seine Vorreiterrolle bei der Überwindung der Rassentrennung und spielte diesbezügliche Konflikte nach innen und außen herunter.62 Auch die Streitkräfte in Europa behandelten dieses Thema in ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf besondere Weise. Insgesamt versuchten sie, es so wenig wie möglich zu erwähnen und unterschlugen vor allem negative Aspekte. Die Militärmedien durften nur eingeschränkt über Rassenkonflikte berichten. Dies geschah in Hinblick auf die Wirkung in der eigenen Truppe, bei AFN mit seiner großen europäischen Gasthörerschaft waren die Verantwortlichen zudem um den internationalen Ruf der USA besorgt. Besonders bei lokalen militärischen Angelegenheiten ging die Führung bisweilen nach dem „Kill the Messenger“-Prinzip vor. Anstatt sich mit den negativen Fakten auseinander61
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Suid-Interview mit Milton Kemp, 16. Mai 1983, Box 5, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP (Kemp war von 1969 bis 1972 und 1979 bis 1982 bei AFN); Suid-Interview Dan Simmons, 15. März 1983, Box 8, ebd. (Simmons war zunächst von 1973 bis 1974 bei AFN). Vgl. etwa Bloemeke, Roll Over Beethoven, 55 f., 64 ff.; Kurme, Halbstarke, 153; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 178, 231, 271, 328–343. Delbert Clark, U. S. to Use Drama to Court Germans, in: New York Times, 3. November 1947; U. S. Congress, Senate, The United States Information Service in Europe, 10. Vgl. Borstelmann, The Cold War and the Color Line; Dudziak, Cold War Civil Rights; Mershon/Schlossman, Foxholes & Color Lines.
Das amerikanische Publikum
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zusetzen, beseitigte man lieber den Überbringer der schlechten Nachricht. Noch im Jahr 1970 wurde ein Redakteur von AFN Stuttgart wahrscheinlich deshalb zwei Tage suspendiert, weil er über Auseinandersetzungen zwischen weißen und schwarzen GIs berichtet hatte. Erst als Teile der militärischen Führung die Probleme für afro-amerikanische Soldaten offen(er) ansprachen, durfte auch AFN eine Frage-und-Antwort-Sendung mit einem General zum Thema Rassismus in Deutschland beisteuern.63 Programme für Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche Auch wenn Männer in Uniform den größten und wichtigsten Teil des AFNPublikums ausmachten, durften die Programmgestalter die weibliche Hörerschaft nicht außer Acht lassen. Während des Zweiten Weltkriegs veranlasste die Zahl der Soldatinnen den Militärrundfunk noch, eine Sendung wie das (skurril benannte) „WACS Museum“ zu produzieren.64 Moderatoren etlicher Sendungen sprachen auch später bisweilen noch die „service men and women“ in den Streitkräften oder im Regierungsdienst an. Als 1946 die ersten US-Familien im Europäischen Befehlsbereich eintrafen, dachte aber auch AFN beim Thema Frauenprogramme vor allem an die vorhandenen Formate der amerikanischen Rundfunkstationen. Etliche Mitarbeiter rümpften die Nase über Massenware wie Seifenopern und andere „Hausfrauen-Sendungen“, doch auch sie sollten in Zukunft das Angebot für AFN-Hörerinnen bestimmen. Der europäische Militärsender übernahm daher etliche Unterhaltungsprogramme von USNetworks und stellte kleinere, meist aktuelle Eigenproduktionen her. In Magazinsendungen wie „Woman’s World“ ging es um angeblich typisch weibliche Interessen, also etwa um Kochen und Haushaltsführung, Mode und Beauty und den neuesten Prominentenklatsch.65 63
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COL O. McCormick, C/TIED, an C/Info, DA, 12. April 1952, Folder: Class File General – 1952, Box 348, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; COL M. G. Stubbs, C/AFIED, EUCOM, an COL O. McCormick, C/TIED, DA, 16. April 1952, Box 433, ebd. Siehe auch AFN Denies CBS Report Of „Muzzling“, in: Stars and Stripes, 1. Februar 1970; G. I. Dies After Fight with Black Soldier, in: New York Times, 3. Februar 1970; Davison Calls Racism „Intolerable“, in: Stars and Stripes, 9. September 1971; AFN Will Trace Racial Harmony Moves in Military, ebd., 30. November 1971. Vgl. Höhn, GIs and Fräuleins, 85–108, 192–222, 235; Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 83, 105–115; Provan, The AFN Story, 58 f., 222 f. Für Ressourcen zu diesem Thema siehe auch http://www.aacvr-germany.org. Der Titel bezog sich auf die Kriegsfreiwilligen des US-Heeres im Women’s Army Corps, die umgangsprachlich WACs hießen. Da man bei Tonaufnahmen oft Wachsmatrizen benutzte, bezeichnete man zu dieser Zeit in den USA Schallplatten oft als wax. Wörtlich bedeutet wax museum Wachsfigurenkabinett. Siehe etwa It’s a Women’s World, in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 15 (1946); Jean Claire, AFN, ebd. Jg. 1, Nr. 20 (1946); AFN May Restort To „Soap Opera“ For ET Women,
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Die Hörerschaft
Die Moderation solcher Sendungen übernahmen bevorzugt die Soldatinnen oder weiblichen Zivilangestellten im Programmbereich von AFN – und zwar weil sie Frauen waren und nicht etwa, weil es unbedingt ihren eigenen Vorlieben und Kenntnissen entsprochen hätte. Da AFN aber stets nur wenige festangestellte Mitarbeiterinnen hatte, mussten oft ehrenamtliche Kräfte aushelfen. Diese waren vor allem deshalb Teil der amerikanischen Gemeinschaft in Übersee, weil sie mit einem Militärangehörigen verheiratet waren. Als Ehefrauen wurde von ihnen erwartet, dass sie die Karriere ihres Mannes förderten und sich um Haushalt und Kinder kümmerten. Dies hatte für die Offiziersgattinnen der Old Army gegolten, und so forderte es auch die „neue“ US-Armee von den Ehefrauen der Unteroffiziere und Soldaten. So wie es ihrem militärischen Status als dependents entsprach und lange in den Vereinigten Staaten verbreitet war, stellte AFN viele seiner Moderatorinnen in der Sender-PR mit Namen und Rang ihres Ehemannes vor. Selbst in der Öffentlichkeitsarbeit für die „Judy King Show“ war 1953 meist von „Mrs. Ben I. Funk“ die Rede und dessen Aufgabe als Kommandeur des Luftwaffenstützpunktes Erding. Wichtig war auch, dass sich die für AFN tätigen Frauen in der Militärgemeinschaft engagierten. Denn vor allem in den Produktionen der einzelnen Lokalstationen ging es häufig um die Aktivitäten der Frauenclubs und verschiedener anderer sozialer Organisationen im jeweiligen Sendegebiet.66 Anfang der sechziger Jahre berichtete beispielsweise Jean Vavrin in der lokalen Sendung „Coffee with Jean“ über die Berliner Frauenclub-Szene und gestaltete mehrere Jahre auch das im gesamten AFN-Sendegebiet ausgestrahlte Programm „What’s Cooking?“ Als Ehefrau eines Militärgeistlichen, Mutter von drei Kindern und überaus aktive Ehrenamtliche entsprach sie der ihr in der US-Militärgemeinschaft zugedachten Rolle. In einem Interview für einen Zeitungsartikel über sie kamen der lebhaften Vavrin aber wohl Bedenken, dass sie zu selbstbewusst gewirkt haben könnte. Sie betonte, sich stets dem Willen ihres Ehemannes unterzuordnen und bat die Journalistin, sie entsprechend darzustellen: „He wears the pants … So please make me humble“.67
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ebd. Jg. 1, Nr. 24 (1946); 7th Army Symphony Slates New AFN Series, in: Stars and Stripes, 24. April 1955; Lt. Col. Victor Bloecker Jr., in: Silver Jubilee Issue 1968, 15, S3/R 284, Institut für Stadtgeschichte. Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 38, 41, 67. AFN Typewriter Sketch, in: AFN Weekly Digest, 3. Oktober 1953; Sounds OK, in: Air Force Daily, 25. September 1954; Hoss, Net Reviews: Judy King, in: AFN Weekly Digest, 22. August 1953; „Junior Miss“, Bob Hope Due In AFN Lineup, in: Stars and Stripes, 4. März 1955; New AFN Mistress of Ceremonies Has Stuttgart Show for Women, in: American Weekend, 6. Dezember 1958; Versatile Vicki Pierced Iron Curtain, in: Radio and TV Review, 4. September 1959. Vgl. Alvah, Unofficial Ambassadors, 62 f., 86–90; Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 62–73; Höhn, GIs and Fräuleins, 71. Elizabeth Velen, AFN Show Tells You What’s Cooking, in: Overseas Family, 27. April 1962.
Das amerikanische Publikum
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Vavrin hätte sich keine Sorgen machen müssen, denn ihre Hörerschaft kannte sie vor allem als treusorgende Ehefrau, Mutter und Nachbarin. Die Rezepte in ihrer Kochsendung schmückte sie (oder die amerikanischen Hörerinnen, die sie eingesandt hatten) oft mit einer entsprechenden Geschichte aus. Über einen Schokoladen-Käsekuchen etwa sagte sie, dass er den Nachwuchs nach der Schule erfreue, und auch der Ehemann in ihm einen Liebesbeweis sehen könne, wenn er ihn mittags im Lunchpaket fände: And that’s a chocolate cheesecake with a gooey chocolate frosting you have a winner for the child who comes home from the school starving to the husband who remembers you kind of like him a little because you made a special effort when the lunch box is opened at noon.68
Einen anderen Kuchen empfahl die Moderatorin dafür, mit ihm eine neuangekommene Nachbarin willkommen zu heißen. In der von stetigen Umzügen geprägten Welt der US-Streitkräfte eine wichtige Aufgabe, schließlich waren Frauen der soziale Kitt der Militärgemeinschaft. Vavrins Botschaften kamen bei ihren Hörerinnen an, wohl auch wegen ihres lockeren Stils und einnehmenden Wesens. Viele Frauen ließen sich die Rezepte schicken oder schrieben während der Sendung mit. Es wird berichtet, dass es an einigen Vormittagen in vielen amerikanischen Nachbarschaften nach dem neuesten „What’s Cooking“-Rezept geduftet habe.69 Da Geschlechternormen zu keiner Zeit statisch sind, gab es im AFN-Programm auch andere und zum Teil widersprüchliche Frauenbilder. Dafür sorgten zum einen die verschiedenen Programmübernahmen aus den USA, aber auch Eigenproduktionen wie „Meet the Mrs“. Dieses mehrwöchige Renommierprojekt lief Anfang der fünfziger Jahre jeweils sonntags auf AFN und stellte eine Amerikanerin und eine Deutsche vor, die sich im selben Tätigkeitsbereich engagierten. Zu Gast waren Mütter und Diplomatengattinnen ebenso wie erfolgreiche berufstätige Frauen, etwa hohe Regierungsangestellte, Journalistinnen oder Sängerinnen. Im Studio unterhielten sich die Moderatorin Sandra Ramsey und ein männlicher Sprecher von AFN mit den beiden Studiogästen über ihre Sicht auf die Situation von Frauen in Deutschland und den Vereinigten Staaten. Dies wurde durch das Verlesen von Hörerbriefen ergänzt, die eine Frage aus der vorangegangenen Sendung beantworteten. Entsprechend dem deutsch-amerikanischen Ansatz des Programms wurden kulturelle oder staatsbürgerliche Werte erörtert, bisweilen sollte sich das Publikum aber auch mit geschlechterspezifischen Themen der Zeit beschäftigen. Dabei ging es etwa um Kindererziehung oder Fragen wie „Do you think a 68 69
„What’s Cooking?“ (AV). Jean’s Java, in: Berlin Observer, 17. März 1961; Kathy La Force, „Hi Jean, What’s Burning?“ Cooking Hostess Tells All, in: Overseas Family, 12. Juli 1968; Gespräch mit Jean Vavrin, 25. September 1999; Brief von Frank und Jean Vavrin an die Autorin, 29. September 1999.
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Die Hörerschaft
married woman has as good a chance of getting a job as a younger girl who is unmarried?“70 Für einige Mitarbeiter oder Hörer von AFN war dieser Fokus auf weibliche Belange schon zu viel des Guten und so gab es auch eine „Male Edition“ der Sendung, in der zwei männliche Polizisten auftraten.71 Bei Umfragen zeigte sich immer wieder, dass viele Soldaten die AFNSendungen für Frauen nicht besonders mochten. Die weibliche Hörerschaft wurde von diesen Untersuchungen meist nicht erfasst, gelegentlich meldete sie sich aber in Zuschriften an die Militärzeitungen zu Wort. Die wenigsten Briefe beschäftigten sich allerdings mit den für Frauen gedachten Beiträgen, sondern mischten sich in die jeweilige allgemeine Diskussion um das Programm ein. Die Amerikanerinnen ergriffen etwa in der Auseinandersetzung um bestimmte Unterhaltungssendungen oder Musikrichtungen für verschiedene Seiten Partei. Spätestens ab Anfang der sechziger Jahre scheint sich bei ihnen aber eine zunehmende Unzufriedenheit mit den extra für sie ausgestrahlten Sendungen anzudeuten. Dies hatte wohl zum einen mit dem gewandelten Selbstverständnis vieler Frauen zu tun. Andererseits standen dem Militärrundfunk durch den Einfluss des Fernsehens auf den US-Medienmarkt auch in diesem Bereich weniger aktuelle und gute Serien zur Verfügung.72 Sehr zum Vergnügen der männlichen Hörerschaft traten hingegen die zahlreichen Sängerinnen und Schauspielerinnen im Programm von AFN auf. Nicht nur bei jüngeren Soldaten zählten neben ihrem Können dabei vor allem ihre weiblichen Reize. Die PR-Fotos der amerikanischen Stars nutzten die Militärzeitungen zur Illustration des Radioprogramms und häufig auch als sogenannten cheesecake. Die Bildunterschriften zu solchen als Pin-ups gedachten Fotos waren oft eindeutig zweideutig und endeten bisweilen mit einem bedauernden „too bad AFN isn’t TV“.73 Nur selten waren die Kommentare jedoch so ehrlich wie die eines Redakteurs der Hauspublikation von AFN im Jahr 1954. Dort stand unter einem Foto einer im Badeanzug posierenden Frau: „Here’s a welcome sight to grace the pages of any newspaper. Couldn’t find
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LR-2614: Meet the Mrs., Nr. 17, Singers, 8. April 1951, AFN Historical File. LR-2604: Meet the Mrs., Nr. 13, Male Edition: Cops, 11. März 1951, ebd. Vgl. Provan/ Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 14. Siehe auch AFN Inaugurates Women’s Program, in: Information Bulletin, Januar 1951: http://images.library.wisc.edu/History/EFacs/GerRecon/omg1951Jan/reference/history.omg1951jan. i0026.pdf; Werner Sikorski, Ein bißchen AFN bleibt Berlin, in: Welt, 29. Juni 1994. Zu den deutschen und amerikanischen Frauenbildern der Zeit siehe einleitend etwa Schissler, Zwischen Häuslichkeit und Erwerbstätigkeit. AFN Survey Reveals TCA Listener ’ Trends, in: Tabulator, 7. Oktober 1960; Thomas C. Lucey, Women News Conscious, Like Music, Says AFN, in: Overseas Family, 9. November 1962; Mrs. John Turner, Frankfurt, Soap Opera Gripe (Letter to the Editor), ebd., 19. April 1963; Name Withheld by Request, Kaiserslautern, Soap Opera (Letter to the Editor), ebd., 26. April 1963. Vgl. Sterling/Kittross, Stay Tuned, 337. Bildunterschrift Piper Laurie, in: American Daily, 22. Januar 1955.
Das amerikanische Publikum
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out if Laurie Dawne sings or dances, but who cares.“74 Diese Art von Bildern war in der amerikanischen Gesellschaft zwar zunehmend umstritten, viele Publikationen für das US-Militär verwendete sie jedoch bis weit in die siebziger Jahre.75 Einige Sendungen mit weiblich besetzter Moderation wandten sich auch direkt an einsame Soldaten. Als Reaktion auf anti-amerikanische Radiopropaganda hatte der US-Militärrundfunk bereits im Zweiten Weltkrieg eine Wunschmusiksendung produziert, in der Martha Wilkerson als „GI Jill“ Soldaten auf der ganzen Welt zum Schwärmen und Träumen gebracht hatte. Auch AFN versuchte sich bisweilen an diesem Format und setzte junge, attraktive Frauen als Discjockeys ein. Wie sehr dies aber eine Gratwanderung war, lässt sich am Beispiel von „Miss Joy Nelson“ ablesen, die für sechs Monate die AFN Stuttgart-Sendung „Rhythm and Records“ gestaltete. Nach den ersten Erfolgen der 23-jährigen Britin veröffentlichte der Sender im Januar 1955 einen offenherzigen Text über die ehrenamtliche Moderatorin, ihren unkonventionellen Lebenslauf und die Wirkung ihres Sexappeals auf einige Hörer: Viele junge GIs „vergaßen“ in ihren überschwänglichen Briefen nämlich, einen Musikwunsch zu äußern. Sehr zum Bedauern dieser Fans hatte AFN die Moderatorin nur vier Monate später bereits wieder abgesetzt. Auch wenn der Sender bestritt, dass dies mit der Beschwerde einer Offiziersgattin zu tun hatte, waren doch viele Militärs und ihre Ehefrauen froh über Nelsons Abgang. Eine Frau mit derart zweifelhafter Moral passte ihrer Meinung nach nicht in die US-Gemeinschaft in Übersee. „Käsekuchen“ wurde eben nur in ganz bestimmten Formen geduldet.76 Die Sportberichterstattung für amerikanische Soldaten in Europa war mit einem seit 1942 über die BBC ausgestrahlten Sportbulletin der Sendergründung von AFN vorangegangen. Doch für die GIs in Übersee war es nicht nur wichtig, Neuigkeiten und Ergebnisse aus den Vereinigten Staaten zu bekommen. Bereits im ersten Halbjahr seines Bestehens dehnte AFN seine Berichterstattung auch auf lokale amerikanische Sportereignisse aus und schickte seine Reporter zum Beispiel zu militärischen Baseballspielen im WembleyStadion oder zu Boxkämpfen in Südengland. Die Zentrale des US-Militär74 75 76
„Seeworthy“, in: AFN Weekly Digest, 19. Juni 1954. Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 72, 106; Zumwalt, The Stars and Stripes, 138–141. Zu „GI Jill“ siehe etwa Jane and Woodrow Wirsig, Here’s Jill!, in: This Week Magazine, 22. April 1945; „GI“ Jill Re-enlists, in: AFRS Playback, 21. Januar 1945 [gemeint ist 1946]; AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 57 f.; Erenberg, Broadcasting Freedom, 281; Hilmes, Radio Voices, 261; Morley, „This Is the American Forces Network“, 73 f. Vgl. G.I.s’ Disc Jockey, in: Time, 21. Mai 1951. Zu AFN siehe Eric Tant, Soldiers in Stuttgart Area Cheered By AFN Female Platter Spinner, in: SACOM Scene, 14. Januar 1955; Lady Disc Jockey, in: Army Times, 19. April 1955; Cecil Neth, Ex-Cabaret Dancer Sparks Stuttgart Flap, in: Overseas Weekly, 15. Mai 1955. Vgl. A Friday Evening Date with Birgit, in: BASEC Mission, 1. Juli 1959.
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Die Hörerschaft
rundfunks bot Sportsendungen aus Gründen der Aktualität vor allem über Kurzwelle an. Besondere Highlights brachte AFRS sogar als Direktübertragung. Das Footballspiel zwischen Heer und Marine im Dezember 1944 konnte live in London und Paris empfangen werden. Solche Programme hatten aber in der Regel eine schlechte Sendequalität, und oft verhinderten bestimmte Wetterbedingungen sie ganz. Deshalb musste AFN selbst sportliche (und gesellschaftliche) Großereignisse wie die 1953er World Series mit einem einschränkenden Zusatz ankündigen: „Weather and atmospheric conditions permitting, the games will be broadcast in their entirety direct from the ball parks.“77 Die Zeitverschiebung zwischen den USA und Europa und die ungünstige Ansetzung vieler Begegnungen erschwerte das Einfügen von Spielen der regulären Saison in das AFN-Programm. Etliche Jahre bediente sich der Sender deshalb des damals nicht unüblichen Mittels der recreation, bei dem Sportredakteure im Studio ein Spiel mit Hilfe ihrer Notizen und Soundeffekten täuschend echt nachstellten. Ab der World Series im Herbst 1960 konnte AFN für die Direktübertragung von wichtigen Sportereignissen aus den USA immer öfter ein Transatlantik-Kabel nutzen. Dies verbesserte die Zuverlässigkeit und die Sendequalität dieser Beiträge erheblich.78 Wie bei den meisten Rundfunkstationen zählte der Sport bei AFN zu den Informationsangeboten des Senders. Gegen Mitte der vierziger Jahre machte er im amerikanischen Rundfunk ebenso wie bei AFN durchschnittlich vier Prozent der Sendezeit aus. Dieser Anteil sank später auf um die drei Prozent, war aber saisonabhängig. Vor allem während der Football- und Baseballsaison gab es erheblich mehr Beiträge. Trotz seines wichtigen Stellenwerts im Programm war der Sport auch beim AFN-Publikum nicht unumstritten. Denn so wie im Bevölkerungsdurchschnitt interessierten sich auch beim Militär nicht alle Männer für Sport, was in verstärktem Maße für deren Familienan77 78
Dodger – Yankee Series To Be Aired by AFN, in: Stars and Stripes, 28. September 1953. Vgl. Baseball – Hot Dogs – Lemonade, in: AFN Weekly Digest, 26. September 1953. COL T. H. A. Lewis, CO/AFRS, an Dir/I&E Div, ASF, 9. Januar 1945, Box 307, Dec File 1942–1948, TI&E Div, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; MAJ M. H. Work, XO/ AFRS, an Dir/I&E Div, ASF, 17. Februar 1945: Progress Report 31 December 1944, Box 4, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch Sports Network Blankets World, in: Los Angeles Examiner, 18. Februar 1951; Jean […]ght O’Malley, American Forces Network Serving GIs in Germany, in: Gateway, 1. Juni 1951; AFN Serves YOU, in: Post-Argus, 28. März 1953; AFN Scheduled For Broadcast of Stateside Games, in: Chronicle, 3. April 1953; Ten Years Ago at AFN, in: AFN Weekly Digest, 8. August 1953; AFN Crew’s Realistic Re-Creations Give Diamond Fans Play-By-Play Accounts, in: Army Times, 5. Oktober 1954; Top Announcers Slated For „Game of Week“, in: American Weekend, 9. April 1955; First Cable Use Successful: Europe’s 63 Radio Stations Heard Series Loud & Clear, in: Army Times, 8. November 1960. Vgl. Frercks, Armed Forces Radio Service (unveröff.), 14 ff.; Morley, „This Is the American Forces Network“, 3, 42; Douglas, Listening In, 199–218; Dunning, On the Air, 627– 632.
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gehörige galt. Besonders unbeliebt waren die Übertragungen von Spielen am Samstagnachmittag, die selbst etliche Sportfans als unnötig empfanden. Als AFN in einigen Städten über zusätzliche Sendefrequenzen verfügte, konnte er in diesen Stunden ab 1956 zumindest teilweise ein Kontrastprogramm ausstrahlen, zum Beispiel Sport auf Mittelwelle und Musik über UKW. Insgesamt hatte er damit aber große Probleme, und so sollten dem Militärrundfunk auch in den kommenden Jahren Hörerklagen über zu viel oder zu wenig Sport erhalten bleiben. Hinzu kam der unvermeidliche Fakt, dass in den USA inzwischen auch in diesem Bereich das Fernsehen zum Leitmedium geworden war.79 Für eine im doppelten Wortsinn kleine Zielgruppe sendete AFN auch Beiträge für Kinder. Dabei handelte es sich um Übernahmen von US-Networks, die von einem Klassiker wie „Let’s Pretend“ bis zu Hörspielserien wie „Space Patrol“ oder „The Cisco Kid“ reichten. Diese liefen meist nachmittags an Werktagen und wurden bisweilen durch AFN-Produktionen ergänzt. Dafür brauchte der Sender aber geeignetes Personal – und da Kinder zu dieser Zeit Frauensache waren – mussten dafür meist ehrenamtliche Moderatorinnen gefunden werden. Und so gestaltete zum Beispiel Anfang der sechziger Jahre die Fulbright-Stipendiatin Jan Day die Sendung „Journey with Jan“ aus Berlin oder die Offiziersgattin Doris Luce „Story Corner“ aus Stuttgart. Das wichtigste eigene Kinderprogramm kam aber am Sonntagmorgen. Im „Sunday Circus“ lasen zum Beispiel Aunt Betty und Uncle Alex Zeitungscomics und Geschichten vor. Hier konnten auch lokale Informationen erwähnt werden, darunter die Geburtstage von Kindern aus der Militärgemeinschaft, deren El79
What the American Soldier Says About AFN in Germany, January 1947, Anlage zu Glavin an SGS, USFET, 20. Februar 1947, Box 33, Dec File 1947, C/S, SGS, EUCOM, RG 338, NACP; Asst AG, EUCOM, an C/S, DA, 17. Oktober 1950 (mit Anlage), Box 419, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Analytic Survey of Broadcast Schedule A-F-N Week 27 February – 5 March 1955, 1. August 1955, in: The AFN Fact Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, ebd. (vgl. Hinweis in Kapitel 7, Fußnote 39); AFN Poll Results, MS, o. D. [1962], Press Releases 1960–1965, AFN Historical File. Siehe auch Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948; Fans Abroad Hear Contest on Radio, in: New York Times, 30. September 1954; Vince Mullahy, AFN Ball Games: Are They Needed?, in: Overseas Weekly, 17. Juli 1955; AFN To Vary Saturday Bill, in: Chronicle, 11. Mai 1956; Joachim Andrae, Ein Soldatensender, der überall Freunde hat, in: Hörfunk und Fernsehen, Oktober 1961; John Collins, Munich, AFN: Too Many Baseball Games? (Letter to the Editor), in: Overseas Family, 8. Juni 1962; Newscasts, „Music in the Air“ Voted Tops in AFN Poll, in: Stars and Stripes, 9. November 1962; Name Withheld by Request, Popularity of Sports Broadcasts (B Bag), ebd. 28. Juli 1963; Kill Local Ball Games, Sport Fans Tell AFN, in: Overseas Weekly, 17. November 1963; Spec 5 Robert Brown, Stuttgart, AM, FM Programs (B Bag), in: Stars and Stripes, 4. April 1966. Vgl. Bayless, American Forces Network, 164; Craig, Military Broadcasting, 310; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 276.
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Die Hörerschaft
tern zuvor an AFN geschrieben hatten. In etlichen Familien war das gemeinsame Hören der „Sunday Morning Kiddies Show“ zum Ritual geworden, wie etwa Major William C. Byrns in einem Brief verriet, in dem er den Geburtstag seiner Tochter Debbie ankündigte: „I am not certain whether Debbie enjoys your program more than I do. We both listen.“80 Vor allem Eltern hörten bei diesen Sendungen genau hin und beschwerten sich zum Beispiel, wenn die AFN-Moderatoren kein korrektes Englisch sprachen. Die meisten GIs schalteten bei diesen Programmen hingegen ab oder ärgerten sich sogar über den „Kinderkram“ auf ihrem Sender.81 Bei den Beiträgen für ältere Kinder und Jugendliche verfuhr der Militärrundfunk nach einem ähnlichen Rezept wie für seine Frauensendungen. Dafür gestalteten jugendliche Ehrenamtliche mit Hilfe von AFN-Redakteuren verschiedene lokale Produktionen. In ihnen stellten sie zum Beispiel die Aktivitäten Gleichaltriger vor, wiesen auf Veranstaltungen innerhalb der Militärgemeinschaft hin und spielten Musik. In den fünfziger Jahren kamen etwa die Moderatoren der Stuttgarter „Teen-Age Teen-Time“ aus der örtlichen Jugendclub-Szene, während das „Eagle’s Nest“ von AFN Frankfurt mit Schülern der dortigen High School kooperierte (die einen Adler als Maskottchen hatte). Sie sollten die besondere Sprache und Stimmung ihrer Generation treffen, waren aber keineswegs „jugendliche Abweichler“. In seiner Öffentlichkeitsarbeit stellte AFN sie in der Regel als Töchter oder Söhne eines Militärangehörigen vor, die gute schulische Leistungen brachten und sich auch in ihrer Freizeit engagierten. Durch den Turnus der Schuljahre wechselten die jungen Moderatoren recht häufig. Ließ sich gar keine Unterstützung vor Ort finden, fielen solche Beiträge oft für längere Zeit aus dem Programm.82 Nach 1945 erwiesen sich Heranwachsende auch im Bereich der Unterhaltung als ein immer bedeutenderer gesellschaftlicher Faktor. Da sie viel Zeit und Geld für den Musikkonsum verwandten, bestimmten sie zum Beispiel die 80 81
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MAJ W. C. Byrns, Info Office, Fifth Corps, an AFN Munich, 9. Dezember 1957, Box 8, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Sunday Circus Featured at AFN, in: Nurnberg Post, 15. Januar 1954; A highlight of most Sunday mornings […], in: SACom Scene, 22. April 1955; Sunday morning […], in: Overseas Weekly, 16. März 1959; AFN Offers Children New Afternoon Show, in: Stars and Stripes, 2. Februar 1960; Stuttgart Mother Is „Dori Edwards“ Of AFN Europe’s „Story Corner“, in: SACom Scene, 7. November 1963. Siehe auch AFN Listener Opinion Poll, MS, o. D. [1962], Box 10, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP; Gespräch mit Doris Luce, 30. September 2001. Vgl. Dunning, On the Air, 391 ff.; Sterling/Kittross, Stay Tuned, 274. Teenage Record Roundup Is Presented on AFN, in: Post News, 8. August 1953; Fkft Teenagers Show Air Records, News, in: Chronicle, 8. April 1955; AFN to Replace „The Eagles Nest“, ebd., 17. Juni 1955; Sandy Compher, Frankfurt Teenagers Produce and Present Radio Show, in: Overseas Weekly, 9. Dezember 1956; „Teenage Turntable“ Is Popular AFN Offering, in: Port Reporter, 22. März 1957; Henk H. Ohnesorge, Die Funkstunde der Teenager, in: Frankfurter Neue Presse, 15. Mai 1957.
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US-Charts und das Angebot etlicher Rundfunkstationen mit. Ein Radiosender wie AFN konnte den Einfluss der Teenager etwa an den eingesandten Musikwünschen wahrnehmen, bei denen jugendliche Hörerinnen und Hörer überproportional häufig vertreten waren. Die Mitarbeiter des Militärrundfunks und ihr überwiegend erwachsenes Zielpublikum fanden dies vor allem problematisch, nachdem der Rock ’n’ Roll aufgekommen war. Denn diese Musikrichtung war nicht nur klanglich ungewohnt, sondern verkörperte für viele auch einen Bruch mit bestehenden Normen und Werten. Die Auseinandersetzung der Generationen entwickelte sich in der US-Militärgemeinschaft in Europa ähnlich wie in den Vereinigten Staaten. Zunächst lehnten Eltern und Erzieher die Musik und ihr Umfeld ab und diskutierten über ihren Wert beziehungsweise Unwert. Wie in Kapitel 8 gesehen, beteiligten sich auch Mitarbeiter von AFN an der öffentlichen Debatte. Der Sender spielte Rock ’n’ Roll in Jugendprogrammen und auch in Wunschmusiksendungen, begrenzte aus Rücksicht auf die erwachsene Hörermehrheit aber dessen Sendezeit. Parallel dazu fand allerdings auch eine gesellschaftliche Vereinnahmung der Musik statt. Vereinfachend könnte man sagen: In der Zeit als Elvis Presley sich Haare und Koteletten stutzen ließ und seinen Militärdienst in Deutschland ableistete, setzte sich eine weichere Welle des Rock ’n’ Roll durch, die bei vielen Jugendlichen ankam und auch von Älteren akzeptiert werden konnte.83 Mit der Zeit vertraten immer mehr Erwachsene die Meinung, dass Rock ’n’ Roll zwar nicht qualitativ hochwertig sei, aber eine jugendliche Musikvorliebe ausdrückte und typisch amerikanisch sei. Ein Country-Discjockey von AFN etwa verglich die Musik 1958 mit einem Hamburger. Ihn werde es immer geben, selbst wenn er ein Steak nicht ersetzen könne. Viele Eltern und Erzieher sahen in den musikalischen Trends und den damit verbundenen Jugendkulturen sogar eine Möglichkeit, die jüngere Generation in die US-Militärgemeinschaft zu integrieren. Dafür organisierten sie unter anderem Veranstaltungen, auf denen Teenager in einem kontrollierten Rahmen Spaß haben konnten und beim Tanzen „überschüssige Energien“ loswerden sollten. Das Teen-Time Forum in Ramstein im November 1959 entsprach dieser Vorstellung. Bei diesem zweitägigen Event ging es vor allem um die Aktivitäten der offiziellen amerikanischen Jugendorganisationen. Während eines festlichen Essens sprach auch ein Generalmajor zu den über zweihundert Teenagern und er ermahnte sie, sich für ihre eigene Zukunft und die ihres Landes einzusetzen. Als Teil der US-Gemeinschaft in Übersee seien sie besonders gefordert, stünden sie doch unter ständiger Beobachtung der Europäer und seien damit Teil der amerikanischen Außenpolitik. In seiner Rede betonte er übrigens auch, dass er nichts gegen Rock ’n’ Roll einzuwenden habe, solange man zu83
„Top of the Morning“ Emcee Likes Popular Tunes Best, in: American Weekend, 15. Februar 1958. Vgl. Kurme, Halbstarke, 151–176, 263–280; Maase, BRAVO Amerika, 93 ff., 168 f.; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 83 f., 109–113, 186; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 269–292.
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Die Hörerschaft
sätzlich noch „gute Musik“ höre. Anschließend durften die Jugendlichen dann zu einem Record Hop auf die Tanzfläche, den ein AFN-Discjockey gestaltete.84 Diese Art von Tanzveranstaltungen hatte sich in den USA erst in den Jahren zuvor und vor allem bei einem jugendlichen Publikum eingebürgert. Bei AFN führte Jack Friel den Record Hop im September 1957 ein. Zusammen mit einem Produzenten und einem Techniker zog der Discjockey durch die Militärgemeinden in Deutschland und Frankreich und veranstaltete über siebzig Hops. Für viele kooperierende Clubs war das dreistündige Live-Event ein wichtiges soziales Highlight, das mehrere hundert Teilnehmer anzog. AFN machte davon jeweils eine halbstündige Sendung, die er überregional ausstrahlte und die nicht nur bei Heranwachsenden gut ankam. Als Friel seinen Militärdienst beendet hatte, fand AFN zunächst keinen Nachfolger für ihn und setzte die Hops ab. Auf vielfachen Wunsch von Jugendlichen und ihren Eltern nahm der Sender sie nach einer Pause wieder ins Programm. Das endgültige Aus kam aber schon im August 1959. Als Grund dafür gab AFN Kürzungen in seinem Budget an. Beim Militärsender blieben die Teens stets nur eine kleine Minderheit seiner Zielgruppe.85 Etliche Rundfunkstationen in den USA schenkten dem jüngeren Publikum inzwischen große Aufmerksamkeit. Neben Sendern mit DiscjockeyShows für Jugendliche war zum Beispiel als eines der ersten „echten“ Radioformate das Top-40-Konzept entstanden. Diese Sender wiederholten die jeweils aktuellen Hits und waren dadurch mit Rock ’n’ Roll beziehungsweise anderen, vor allem von jungen Konsumenten mitbestimmten Trends verbunden. Für Hörerinnen und Hörer mit anderen Vorlieben war dies in der Regel kein Problem, denn in den meisten Gegenden der Vereinigten Staaten konnten sie unter verschiedenen Sendern auswählen. Wie in Kapitel 5 erläutert, veränderte sich die amerikanische Radiolandschaft in den fünfziger Jahren stark durch den Einfluss des Fernsehens. Das TV-Programm bildete nun den kulturellen Mainstream ab, während sich immer mehr Radiostationen auf ein bestimmtes Segment des Publikums spezialisierten. Mit nur einer einzigen Radiofrequenz in jedem Sendegebiet und ohne Fernsehen konnte AFN dieser medialen Differenzierung nicht folgen. Zudem spürte der Militärrundfunk, dass in vielen Programmbereichen das bisherige Hörfunk-Angebot der US84
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Number One „Stickbuddy“ Gets Most Mail at AFN, in: American Weekend, 22. Februar 1958; Marthy Gershen, Gen Train Cites Youth Envoy Role, in: Stars and Stripes, 30. November 1959. Vgl. Alvah, Unofficial Ambassadors, 198–225; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 205. AFN Spins Discs For Record Hop at Local High School, Orleans Item, 19. September 1958; Joy Jones, Teen-Agers Really Hop for Jack Friel, in: American Weekend, 20. September 1958; dies., „Record Hop“ Returns to Air, ebd., 2. Mai 1959; dies., Mullen & Chornenki Team Up On AFN „Record Hop“ Program, ebd., 20. Juni 1959; L. E. C., Aren’t Teens Part Of Army’s Mission?, in: Overseas Family, 7. August 1959.
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Networks enorm nachgelassen hatte. Für ihn wurde es daher immer schwerer, ein aktuelles und qualitativ hochwertiges Vollprogramm zusammenzustellen. Erschwerend kam hinzu, dass auch die Möglichkeiten von AFN, eigene Shows herzustellen, in dieser Zeit immer weiter abnahmen. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner, die ab Ende der fünfziger Jahre nach Europa kamen, waren zunächst vom Ein-Sender-für-alle-Rezept von AFN und seinem altmodischen Sound überrascht. Wie die Leserbriefdebatten innerhalb der Hörerschaft angedeutet haben, schwankten ihre Reaktionen. Sie reichten von Lob für die traditionelle Form bis zur scharfen Kritik an dem amateurhaften Vorgehen der Programmgestalter. Wohl am häufigsten wurde allerdings die Meinung geäußert, dass sich die Mitarbeiter des Militärrundfunks viel Mühe gäben und unter den gegebenen Umständen kein besseres Programm möglich sei.86 Diese Art von Übereinkunft zwischen AFN und seinem Publikum ließ im Verlauf der sechziger Jahre allerdings spürbar nach. Dies lag zum einen daran, dass sich das Sendekonzept des Militärrundfunks in Europa immer mehr von der Entwicklung amerikanischer Medien unterschied. Während sich in den USA auch verstärkt kleinere Interessensgruppen und Subkulturen medial Gehör verschaffen konnten, versuchte AFN als einziger Rundfunksender für seine Hörerschaft, vor allem die Vorlieben der Mehrheit seines Publikums zu treffen. Dazu gehörte auch, dass die Inhalte der Spartensendungen für Minderheiten weiterhin durch den Filter der amerikanischen Mittelschichtkultur liefen. Dieser US-Mainstream war konstruiert und konnte die AFN-Hörerschaft nur zufriedenstellen, solange ihn möglichst viele verschiedene soziale Gruppen akzeptierten. Ob Bürgerrechtsbewegung oder Vietnamkrieg – je mehr der soziale Konsens in den USA bröckelte, desto mehr Hörer sahen sich nicht mehr vom Radioprogramm repräsentiert. Viele fühlten sich als captive audience des Militärrundfunks, als unfreiwilliges Publikum. Diese Veränderung deutete sich auch in einem Wortspiel unter AFN-Mitarbeitern an. Scherzhaft wandelten sie das Sendermotto „Serving American Forces in Europe“ bisweilen zu „Forcing Americans to serve in Europe“ ab. Wer gegen seinen Willen und seine politische Überzeugung in den Streitkräften Dienst tun musste, empfand AFN weniger als Sender für Soldaten, sondern als Organ der militärischen Führung.87
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Siehe etwa Don J. Brewer, U. S. Civilian Program Supervisor, AFN Europe: Keeping in Touch (Letter to the Editor), in: Broadcasting, 8. Juni 1959; Sp4 Michael J. Donnelly, Give Me the Dough (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 26. Februar 1961; Name Withheld by Request, AFN for the Troops (Letter to the Editor), ebd., 10. Januar 1965. Vgl. Douglas, Listening In, 219–255; Fornatale/Mills, Radio in the Television Age, 35–57. Siehe hierzu auch Kapitel 5 und 8. Siehe etwa Blue Air over Star Spangled Banana …, in: Serving American Forces (AFN-Eigenpublikation), 11: „Forcing Americans to serve in Europe“. Siehe hierzu auch Kapitel 5 und 6.
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Die Hörerschaft
Dass es durchaus noch schlimmer hätte kommen können, deuten die Kommentare einiger hochrangiger Offiziere und einflussreicher Zivilisten zum AFN-Programm an. Sie fanden es nicht gut, dass ein Regierungssender vor allem die Vorlieben der Bevölkerungsmehrheit abbildete und forderten vielmehr von AFN, seine Hörerinnen und Hörer mit „hochwertiger“ Musik und Unterhaltung zu erziehen und bilden. Dies sollte nicht nur zum Nutzen des amerikanischen Publikums geschehen, sondern auch bei der europäischen Gasthörerschaft für Anerkennung sorgen. AFN konnte sich solchen Wünschen vor allem deshalb weitgehend widersetzen, weil er den amerikanischen Militärrundfunk und die privatwirtschaftlich organisierten Medien hinter sich wusste. Das Prinzip, sich am Geschmack des Publikums zu orientieren, blieb daher unantastbar. Dies bedeutete jedoch nicht, dass AFN dies in der Praxis immer gelang. Denn vor allem im Laufe der sechziger Jahre ließ die Zufriedenheit amerikanischer Hörerinnen und Hörer immer mehr nach. Mit seinen begrenzten Mitteln war es für den Militärrundfunk nicht immer einfach, die Wünsche seiner Hörerschaft herauszufinden und diese dann auch zu erfüllen. Da AFN viele Instrumente der Publikumsforschung fehlten, suchte der Sender häufig den direkten Kontakt zu den Amerikanern in Übersee. Mitarbeiter der einzelnen Rundfunkstationen stellten sich dafür immer wieder bei Militäreinheiten, sozialen Einrichtungen oder Clubs der US-Gemeinschaft vor, warben um deren Aufmerksamkeit und baten um Kooperation. Die zahlreichen Wunschmusiksendungen dienten dazu, einzelne Hörerinnen und Hörer anzusprechen. Die gewünschten Titel mussten zwar in das jeweilige Format der AFN-Beiträge passen, sollten aber den aktuellen Vorlieben im Europäischen Befehlsbereich entsprechen. Mit verschiedenen kürzeren Sendungen versuchte AFN darüber hinaus, die Bedürfnisse von wichtigen Minderheiten im US-Publikum abzudecken. Mit dieser Programm-Mischung erfüllte der Sender seinen militärischen Auftrag und konnte dies auch (oftmals hochrangigen) Kritikern entgegenhalten. Viele Soldaten und Unteroffiziere sahen darin auch eine generelle Haltung von AFN, der zwar Dienstleistungsbetrieb der US-Armee, aber eben „ihr Sender“ war. Insofern sollte der europäische Militärrundfunk trotz aller Unzulänglichkeiten bei weiten Teilen seiner amerikanischen Hörerschaft populär bleiben.
11. „AFN WAR UNSER SENDER“. DIE DEUTSCHE HÖRERSCHAFT DES US-MILITÄRRUNDFUNKS Thank you very much A. F. N. for all the great music Evelyn Hesse (Oct 5, 1956) Aus dem Gästebuch von AFN Bremerhaven.1
Ey-Eff-Enn – die amerikanisch ausgesprochene Buchstabenkombination AFN weckt bei vielen Deutschen lebhafte Erinnerungen. Für Ältere steht sie zum Beispiel für fröhliche Swing-Klänge, die das Ende des Krieges und eine neue Freiheit symbolisierten. Begeistert berichten auch Angehörige der Jahrgänge 1940 bis 1950: „AFN habe ich immer eingeschaltet. Der brachte unsere Musik und war locker. Den hatten die Amerikaner für uns Jugendliche gemacht. Das war unser Sender!“ Musik war einer der wichtigsten Gründe für Deutsche, AFN zu hören. Der amerikanische Militärsender brachte aktuelle englischsprachige Unterhaltungsmusik, die es im deutschen Rundfunkprogramm nicht gab und die vor allem ein jüngeres Publikum dort vermisste. In den Wunschsendungen von AFN erlebte die deutsche Hörerschaft, dass der Militärrundfunk auf die Vorlieben seines Publikums einging und sogar europäische Zuschriften berücksichtigte. Viele junge Deutsche waren auch von der Präsentation solcher Programme beeindruckt. Nicht selten bauten sie ein emotionales Verhältnis zu den Moderatoren auf, die souverän und locker wirkten und sie persönlich anzusprechen schienen. Über die deutsche Hörerschaft von AFN lassen sich keine exakten Aussagen treffen. Die Publikumsforschung anderer Sender und die Hörerpost an den Militärrundfunk geben aber einige Hinweise darauf, wer im Verlauf des Untersuchungszeitraums AFN eingeschaltet haben könnte. Nachdem diese Informationen zusammengefasst worden sind, soll es in diesem Kapitel darum gehen, warum sich diese Hörerinnen und Hörer von AFN angezogen fühlten. Da hierbei Musik die größte Rolle spielte, werden verschiedene musikalische Entwicklungen nachvollzogen, die von Swing und Jazz über Country und Rock ’n’ Roll bis zum Beat der sechziger Jahre reichen. Diese Stile sprachen unterschiedliche Gruppen von Heranwachsenden an und halfen ihnen zum Teil dabei, eigene Identitäten zu finden. Das amerikanisch geprägte Angebot von AFN stimmte allerdings nicht immer mit den speziellen Vorlieben deutscher Fans überein. Besondere Aufmerksamkeit gilt in diesem Kapitel auch den Discjockeys des Militärsenders, deren Moderationen für das deutsche Publikum besonders attraktiv waren und zwar unabhängig von Alter und musikalischen Präferenzen. Es wird sich zeigen, dass das Verhältnis zwischen 1
AFN Bremen Bremerhaven Guest Register, AFN Historical File.
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Die Hörerschaft
amerikanischen DJs und europäischem Publikum für beide Seiten reizvoll sein konnte. Bereits vor dem Sendestart des amerikanischen Militärrundfunks in Großbritannien war allen Beteiligten bewusst, dass eine Radiostation von jedem Menschen in dessen Reichweite gehört werden kann. Auf Wunsch der Briten verzichtete AFN daher auf einen Sender in London und begrenzte die Leistung seiner Anlagen im Vereinigten Königreich. Außerdem akzeptierte der Militärrundfunk die Zensur seiner Nachrichten durch die BBC und ignorierte die Musikwünsche von britischen Hörerinnen und Hörern. Auch nach dem Krieg stand die Pflege der Beziehungen zu den amerikanischen Verbündeten im militärischen Auftrag von AFN. Doch mit dem Umzug seines Hauptquartiers nach Frankfurt im Sommer 1945 konnte sich der Sender von etlichen bisherigen Einschränkungen befreien. Eine kriegsbedingte Zensur gab es nicht mehr und die neuen starken Mittelwellensender in Deutschland (bis März 1948 auch die Kurzwelle aus München) sorgten dafür, dass sich die Reichweite des US-Militärrundfunks stark vergrößerte. Die Mitarbeiter von AFN waren fasziniert davon, Post aus so weit entfernten Ländern wie Südafrika oder Neuseeland zu bekommen. Zahlenmäßig überwogen in diesen Jahren aber weiterhin Zuschriften aus Großbritannien und Irland. Wenn es in die Programmplanung passte, durften die Discjockeys nun auch Musikwünsche von Hörerinnen und Hörern aus dem Vereinigten Königreich und anderen Staaten erfüllen. Viele Briefe kamen außerdem aus Skandinavien und den Beneluxländern sowie Ost- und Südeuropa. Deutsche Hörerpost spielte in den ersten Nachkriegsjahren noch keine große Rolle. Die wenigen überlieferten deutschen Zusendungen zeichnen sich zudem durch ihre Förmlichkeit und ihren überaus höflichen Tonfall aus.2 Der militärische Auftrag von AFN legte fest, dass die US-Soldaten im Europäischen Befehlsbereich das Zielpublikum der Senderkette waren. Andere Hörerinnen und Hörer erwähnte die offizielle Vorgabe nicht. Für sie gab es beim Militärrundfunk auch keine festgelegte Bezeichnung, und so wurden für sie in internen Briefwechseln und veröffentlichten Texten immer wieder neue Begriffe mit ganz unterschiedlichen Konnotationen verwendet. In den ersten Jahren war zum Beispiel häufig von eavesdroppers die Rede, also von Menschen, die heimlich lauschten. Später geisterte mitunter die ghost audience durch Aussagen über die europäische Hörerschaft, die meisten Beob2
BG R. B. Lovett, AG, USFET, an C/I&E Div, 2. Juli 1945, File No. 277: Radio Broadcasts, Admin Historical Reports, Historical Section ETO, RG 338, NACP; COL O. McCormick, C/TI&E, EUCOM, an C/S, 17. Januar 1949 (mit Anlagen), Box 127, Dec File 1949, C/S, SGS, EUCOM, NACP. Siehe auch Civilians Add in Movement to Save AFN Bremen, in: Timberwolf, 23. Februar 1946; „Mail Call“, in: AFN’s 4th Anniversary Review, 4. Juli 1947; Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948. Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 23 f., 27, 36, 131, 135, 140.
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achter bevorzugten allerdings das etwas sachlichere shadow audience. Beide Begriffe deuten denselben Sachverhalt an: Während die AFN-Mitarbeiter über die Zusammensetzung und die Vorlieben ihres amerikanischen Publikums weitgehend Bescheid wussten, waren andere Hörerinnen und Hörer nur schemenhaft erkennbar und blieben sozusagen „im Schatten“.3 Über die Größe der europäischen Hörerschaft von AFN kann man keine genauen Aussagen treffen. Der Militärrundfunk selbst hatte weder die Veranlassung noch die Möglichkeit, repräsentative Studien über sein „Schattenpublikum“ zu erheben. Die hohe Zahl an europäischen Nutzern schmückte den Soldatensender aber und wies ihn als konkurrenzfähige Radiostation aus. Nicht ohne Stolz schätzten AFN-Mitarbeiter daher zu verschiedenen Anlässen ihre Gesamthörerschaft. Auf welcher Grundlage dies geschah, ist unklar. Listet man die Angaben chronologisch auf, zeigen sich große Widersprüche. Im Jahr 1955 schrieb zum Beispiel der Bonner Korrespondent des Militärsenders in einem Brief an die Bundesregierung von etwa 15 Millionen Hörern in ganz Europa, während sich ein ehemaliger Nachrichtenredakteur an einem neuen Tätigkeitsort in den USA mit über fünfzig Millionen AFN-Hörern brüstete. Diese und weitere Zahlen wurden im Laufe der Zeit des Öfteren geäußert. Zum 17. Jubiläum gratulierte eine in München erscheinende amerikanische Militärzeitung ihren Kollegen von AFN sogar zu über sechzig Millionen Hörerinnen und Hörern. Letztlich war jede dieser Angaben Spekulation und wurde dem jeweiligen Kontext angepasst.4 Auch externe Untersuchungen über die Hörgewohnheiten des europäischen Radiopublikums helfen nur bedingt weiter. Die meisten deutschen Rundfunkanstalten wurden auf diesem Gebiet erst spät aktiv und gingen bis in die sechziger Jahre eher unsystematisch vor. Eine Ausnahme bildete aber der Süddeutsche Rundfunk in Stuttgart, der ab 1949 beim Institut für Demoskopie in Allensbach regelmäßige Studien in Auftrag gab. Das Sendegebiet des SDR erstreckte sich auf den Norden Baden-Württembergs, und hier waren auch die Signale mehrerer AFN-Stationen zu empfangen. In den fünfziger Jahren lagen die Angaben der Hörerinnen und Hörer, die neben dem SDR hauptsächlich AFN hörten, im einstelligen Prozentbereich und damit deutlich hinter Sendern wie dem Südwestfunk oder dem Bayerischen Rundfunk. Befanden sie sich zu 3
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In den Kursen der Defense Information School in Fort Meade, Maryland, wurde Ende der neunziger Jahre zwischen drei verschiedenen Hörerschaften unterschieden: Primary („U. S. Military Members, DoD Civilians, Family Members“), Secondary („Host Country Residents – Also known as Shadow Audience“) und Secondary Shadow („Third Country Nationals – Neighboring Countries“). Host Nation Sensitivities. Basic Broadcaster Course. Radio Skills. Anhang zu E-Mail CMS Mike Cundiff, DINFOS/BC, an die Autorin, 21. September 1998. H. H. Oehmke an Dr. Arens, Amerikareferat im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 4. November 1955, 6443, B 145, BA. Siehe auch WFAA Newscaster Served in Germany, in: Dallas News, o. D. [circa März 1955]; AFN – Born in London in WW II, in: SACom Scene, 1. Juli 1960. Vgl. Craig, Military Broadcasting, 315 f.
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Die Hörerschaft
Anfang des Jahrzehnts noch bei neun Prozent, sanken sie auf drei Prozent im Jahr 1954 ab, stiegen danach aber wieder an. Dies galt allerdings nur für den Publikumsdurchschnitt, denn zwei separate Untersuchungen über junge Hörerinnen und Hörer zeigten deutliche Abweichungen. Während zum Beispiel im Jahr 1957 nur fünf Prozent aller Hörer neben dem SDR hauptsächlich AFN einschalteten, taten dies zwanzig Prozent der 14- bis 17-Jährigen beziehungsweise 18 Prozent der 18- bis 23-Jährigen. Dies zeigt, dass der Konsum von AFN zwar kein Massenphänomen darstellte, bei einer gewissen Altersgruppe aber durchaus verbreitet war.5 Vor diesem Hintergrund sollte man auch die Ergebnisse anderer Hörerstatistiken für Deutschland bewerten. Denn sie zeigten für AFN ebenfalls Einschaltquoten im (zumeist niedrigen) einstelligen Prozentbereich. Da solch kleine Werte potentiell eher unzuverlässig sind und sie außerdem nur den Durchschnitt aller Altersklassen wiedergeben, ist die Aussagekraft solcher Angaben allerdings relativ. Keinesfalls lassen sich einzelne Umfrageergebnisse in absolute Hörerzahlen von AFN in Deutschland umrechnen, wie dies bisweilen versucht wurde. Denn dabei wird zudem außer Acht gelassen, dass die meisten deutschen Sender und auch AFN jeweils nur in bestimmten Regionen der Bundesrepublik zu empfangen waren. Gänzlich ungeklärt muss bleiben, was die Angaben für die Befragten im Alltag bedeuteten. Haben sie den Militärsender zum Beispiel nur gelegentlich eingeschaltet, mehrmals in der Woche bestimmte Programme verfolgt oder ihn täglich für mehrere Stunden gehört? 6 Einige deutsche Hörerinnen und Hörer meldeten sich schriftlich bei AFN. Der US-Militärrundfunk erfasste die eingehende Post allerdings nicht so systematisch wie es in dieser Zeit bei vielen anderen Radiostationen der Fall war. In den fünfziger Jahren scheint AFN die Postkarten und Briefe seiner Hörerschaft immerhin gezählt zu haben. Die Angaben darüber sind aber lückenhaft 5
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IfD, SDR Hörer-Befragung Dezember 1952, HBI; IfD, SDR Hörer-Befragung Frühjahr 1953, ebd.; IfD, SDR Hörer-Befragung Frühjahr 1954, ebd.; IfD, SDR. Bericht über eine Hörer-Befragung im Gebühreneinzugsgebiet, Frühjahr 1955, ebd.; IfD, SDR. Bericht über eine Hörer-Befragung im Gebühreneinzugsgebiet, Frühjahr 1956, ebd.; IfD, SDR 1957. Bericht über eine Hörer-Befragung im Gebühreneinzugsgebiet, ebd.; IfD, SDR 1958. Ergebnisse einer Hörerbefragung im Gebühreneinzugsgebiet, ebd.; IfD, Die Rundfunkhörer 1958. Stichkontrollen für den SDR, ebd.; IfD, Hörfunk und Fernsehen 1960. Trendanalysen für den SDR, ebd.; IfD, Junge Rundfunkhörer 1956. Eine Umfrage für den SDR, ebd. sowie 532, ZSg 132, BA (mit handschriftlichen Ergänzungen für die Altersgruppe der 18- bis 23-Jährigen); IfD, Junge Rundfunkhörer 1957. Eine Umfrage für den SDR, 598, ebd. Vgl. Bessler, Hörer- und Zuschauerforschung, 46–151; Lersch, Das Hörfunkprogramm, 99–102, 109, 113; Morley, „This Is the American Forces Network“, 138 f.; Schildt, Moderne Zeiten, 170. Siehe etwa IfD, BBC. Hörerforschung in Deutschland, Mai 1949, 21, ZSg 132, BA; USIA, Listening to Foreign Broadcasts in Six Countries of Western Europe, December 1964, Box 6, „R“ Reports 1964–1974, Office of Research, USIA, RG 306, NACP. Vgl. Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 44; Craig, Military Broadcasting, 316; Schildt, Moderne Zeiten, 232.
Die deutsche Hörerschaft
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überliefert, und nur für 1954 und 1955 gibt es vergleichende Statistiken, in denen nach Herkunft der Post und den einzelnen Rundfunkstationen unterschieden wurde. Doch selbst diese Zahlen sind als eher unzuverlässig einzuschätzen. Zur Ungenauigkeit trug zum Beispiel bei, dass das Zählverfahren mehrfach geändert wurde und die Konkurrenz der AFN-Stationen untereinander so manchen Wert erhöhte. Die offiziellen Angaben über den Umfang der Hörerpost an die gesamte Senderkette beliefen sich in dieser Zeit im Schnitt auf etwa 135.000 Zuschriften jährlich. Gleichzeitig stieg der Anteil der Einsendungen von deutschen Hörerinnen und Hörern an und lag zum Beispiel in der Mitte des Jahrzehnts bei über 45 Prozent. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Sendern waren aber zum Teil erheblich. So machten im Jahr 1955 deutsche Zuschriften bei AFN Berlin 68 Prozent des Postaufkommens aus, bei AFN Stuttgart jedoch nur 21 Prozent. Laut den überlieferten Statistiken bekamen die Stationen in Berlin, Nürnberg und München überdurchschnittlich viel deutsche Post, während es bei Frankfurt, Kaiserslautern und Stuttgart umgekehrt war. Dies bedeutete übrigens nicht, dass die letztgenannten Sender automatisch besonders viele amerikanische Zuschriften bekamen, AFN Stuttgart beispielsweise erhielt sehr viel Post aus Großbritannien und Irland.7 Sammelt man nun die verschiedenen verlässlich erscheinenden Angaben über die Hörerpost für den gesamten Untersuchungszeitraum, lassen sich folgende Aussagen treffen: Nach einiger Zurückhaltung in den ersten Jahren in Deutschland stieg das Volumen der Postkarten und Briefe von Einheimischen an den US-Militärrundfunk deutlich an. Spätestens ab 1953 übertraf die Anzahl der Zuschriften von deutschen Hörerinnen und Hörern die des US-Publikums. Bei den einzelnen Lokalsendern gab es allerdings mehr oder weniger große Abweichungen, die etwa von der Größe der amerikanischen Hörerschaft oder der Reichweite des Senders abhängig waren. AFN Berlin zum Beispiel bediente eine vergleichsweise kleine US-Militärgemeinschaft, hatte viele deutsche Fans und spielte auch im öffentlichen Leben der geteilten Stadt eine gewisse Rolle. Die Zunahme der deutschen Einsendungen hielt wohl bis Anfang oder Mitte der sechziger Jahre an. Danach scheint die Anzahl aller Zuschriften an AFN rückläufig gewesen zu sein, wobei der Anteil der deutschen Hörerpost ebenfalls abnahm. 1973 sagte etwa der Programmchef von AFN Munich, dass der Sender zehn Jahre zuvor noch mehr Post von Deutschen als von Amerikanern bekommen hätte, das Verhältnis nun aber ausgeglichen sei.8 7
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AFN Mail Analysis 1954, in: The AFN Sheet, Anlage zu Lyon, C/TIED, Memo for Record, 2. November 1955, Box 9, Gen Corr of the TIED 1955–1958, C/Info, Army Staff, RG 319, NACP; AFN Mail Analysis for 1955, Druckvorlage, o. D. [1956], AFN Historical File. Siehe auch 140.346 Fan Letters in 1953, in: AFN Weekly Digest, 27. März 1954; Mail for AFN Is Worldwide, in: Stars and Stripes, 9. Februar 1955; AFN Request Survey Shows Most Interest From Germans, in: Army Times, 21. Februar 1956. Ebd.; P. M. L., Fünfzig Millionen hören mit, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. Juli 1963; Hazel Guild, AFN & The No-Panic Button, in: Variety, 7. Dezember 1966; Peter
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Die Hörerschaft
Das europäische Publikum hatte unterschiedliche Gründe, dem US-Militärrundfunk zu schreiben. Viele Radioamateure baten AFN zum Beispiel um die Bestätigung korrekter Empfangsberichte (QSL), regelmäßigere Hörerinnen und Hörer fragten vor allem nach Programminformationen. Hierfür war das Information and Liaison Office des Senders zuständig. Diese kleine Öffentlichkeitsabteilung verschickte bis Anfang der fünfziger Jahre noch Programmvorschauen an Einzelpersonen (darunter auch die gesonderten Monatshefte für klassische Musik). Nachdem die Anfragen zu zahlreich geworden waren, nutzten deren Mitarbeiter standardisierte Briefe, um auf europäische Medien zu verweisen.9 Denn AFN lieferte seine Programmvorschauen nicht nur an die hier erscheinenden amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch an mehrere europäische Verlage. Die Zahl der Printmedien, die das AFN-Programm abdruckten, stieg vor allem in den fünfziger Jahren stark an. Während 1953 35 Publikationen Informationen über AFN-Sendungen veröffentlichten, waren es drei Jahre später bereits neunzig. Auch mehrere deutsche Tageszeitungen und Rundfunkzeitschriften wie Hör Zu!, Hören und Sehen, Gong oder Funk Illustrierte druckten das AFN-Programm in kurzer oder längerer Form ab. Es war allerdings nicht üblich, englischsprachige Sendungstitel zu übernehmen. Einigen dieser Publikationen lieferte die Öffentlichkeitsabteilung von AFN daher eingedeutschte Informationen wie „Die Melodeers singen“ oder „Lieder ohne Worte“. Etliche Medien übersetzten die Titel von Sendungen aber wohl selbst und so stand etwa für die lokale Wunschmusiksendung „Frolic at Five“ in der Berliner Radio Revue „Fröhlich um fünf“. Andere Medien kündigten solche Beiträge schlicht als „Schallplattenstunde“ oder mit dem Begriff „Hörerwünsche“ an.10 In der damaligen Zeit stellten Radiostationen für etliche Hörerinnen und Hörer auch Institutionen dar, an die sie sich mit vielfältigen persönlichen Anliegen wandten. „Ihr Sender“ sollte zum Beispiel Spenden an Bedürftige weiterleiten, einen Briefmarkentausch ermöglichen oder Brieffreundschaften vermitteln. Ähnlich wie der RIAS oder die VOA wurde AFN von vielen Europäern
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Bischoff, Seit 25 Jahren ist AFN „on the air“, in: Hannoversche Presse, 4. Juli 1968; Golf Dornseif, Von der Hand in den Mund, in: Christ und Welt, 26. September 1969; AFN Survey: With GI Audience, Radio’s Still in the Golden Days, in: Stars and Stripes, 15. September 1971; Sigurd B. Wittek, Musik für 80000 Stunden, in: Münchner Merkur, 1. August 1973. In den Jahren 1953 und 1954 hat das I&L Office von AFN etliche Zeitungsartikel in seiner Ausschnittssammlung auf die Rückseiten von bereits beschriebenem Papier geklebt. Darunter sind auch die erwähnten standardisierten Antworten auf Höreranfragen. AFN, „Serving American Forces in Europe“, MS, o. D. [1953], Box 9, AFIS, RG 330, NACP; Periodicals receiving AFN program schedule, Druckvorlage, o. D. [1956], AFN Historical File. Siehe auch Jean […]ght O’Malley, American Forces Network Serving GIs in Germany, in: Gateway, 1. Juni 1951; Mail Call Brings Many Strange Requests to AFN PIO, in: Stars and Stripes, 18. März 1953; AFN Quizzers Keep Mailman On the Move, ebd., 28. Januar 1955. Vgl. Grull, Radio und Musik, 63.
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vor allem als amerikanische Instanz gesehen. Ein ehemaliger Kriegsgefangener etwa forderte vom Militärrundfunk ein deutsch-englisches Lexikon, um seine Soldansprüche gegenüber amerikanischen Stellen anmelden zu können. Andere Hörer wollten wissen, wie Baseball funktioniert oder erbaten sich Hilfe bei der Einwanderung in die USA. Die Öffentlichkeitsabteilung von AFN antwortete auf fast alle diese Anfragen, auch wenn sie häufig nur auf bessere Ansprechpartner oder Informationsquellen verweisen konnte. In etlichen Fällen war aber auch das nicht möglich. Recht häufig wurde nämlich – mit beiliegendem Foto – um einen amerikanischen Ehemann gebeten. Überwiegend ging es den Briefschreibern aber um Musik. In der Regel beantwortete die Öffentlichkeitsabteilung des Senders Fragen nach bestimmten Stücken und deren Interpreten. Besonders oft ging es dabei um die immer wiederkehrenden Einleitungsmelodien von beliebten Sendungen. Den Text eines Liedes oder Angaben zum kommerziellen Plattenlabel eines Titels konnte der Militärrundfunk aber aus rechtlichen Gründen nicht verschicken.11 Die meisten Hörerinnen und Hörer wandten sich mit ihren Zuschriften direkt an den Moderator eines Programms, größtenteils also direkt an die Discjockeys der lokalen Wunschmusiksendungen. Das deutsche Publikum gehörte nicht zur Zielgruppe des US-Militärrundfunks, doch von den lockeren Ansagen der DJs und ihrer freundlichen, offenen Art fühlte es sich ebenfalls angesprochen. Und so trauten sich vor allem jüngere Deutsche bald, Postkarten oder Briefe mit Musikwünschen an AFN zu schicken. Dabei ging es um einen bestimmten Titel, den sie gerne hören wollten, und den sie bisweilen auch jemandem widmeten. Dies konnte zum Beispiel ein Soldat sein, den man bei einer Aktivität der amerikanischen Jugendorganisation GYA getroffen hatte oder dem man auf andere Weise persönlich nähergekommen war. Mit Liebesliedern grüßten auch etliche deutsche Frauen ihre amerikanischen Freunde. Bereits in den vierziger Jahren berücksichtigte AFN in seinem Programm also auch deutsche Hörerbriefe. Wie bei Zuschriften anderer Nationalitäten ging das allerdings nur, wenn alle amerikanischen Wünsche erfüllt waren und die Musik in die jeweilige Sendung passte.12 Bei ihrer Moderation behandelten die Discjockeys die Äußerungen des amerikanischen und internationalen Publikums auf gleiche Weise: Sie lasen die 11
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Rückseiten der Zeitungsausschnittssammlung 1953 und 1954, AFN Historical File. Siehe auch Mail Call Brings Many Strange Requests to AFN PIO, in: Stars and Stripes, 18. März 1953; jmb, Ein Tango für Annemarie, in: Frankfurter Rundschau, 3. Juli 1953; „Eavesdropper“ Mail Floods AFN, in: Army Times, 18. Mai 1954; Noontime Record Requests Fill Up AFN’s Mail Sacks, in: Guardian, 5. November 1954; Christl Maerz, Glenn Miller aus der Kaulbachstraße, in: Münchner Merkur, 1. April 1959; Der Sender im Schloß, in: Frankfurter Neue Presse, 4. Juli 1968. Norbert Ehrenfreund, AFN’s Audience Stretches Across Continent, in: Stars and Stripes, 14. September 1948; Carl Nützel, Dreihunderttausend Melodien, in: Neue Zeitung, 14. Mai 1949; Günther Schwarberg, „Irrenhaus“ der Jazzmusik, in: Nordsee-Zeitung, 23. April 1949.
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Die Hörerschaft
Zuschriften teilweise vor und sahen dabei über Schwächen im Englischen hinweg oder übersetzten sie sogar stillschweigend. Ihre Ansagen dazu waren mitunter recht flapsig, blieben aber doch gutmütig und grundsätzlich respektvoll. Je länger AFN ausländische Hörerinnen und Hörer solchermaßen einbezog und je mehr die Deutschen von Besiegten zu Verbündeten wurden, desto mehr verloren diese auch die Scheu, sich an den US-Militärsender zu wenden. Bald baten Musikfans wie selbstverständlich um ihre Wunschtitel und häufig grüßten Deutsche nun auch Deutsche. Zwei Beispiele führte etwa die Frankfurter Rundschau in einem Artikel aus dem Jahr 1953 an: „‚Spielen Sie bitte den ‚Blue Tango‘ für meine Braut Annemarie‘, schreibt ein junger Mann aus Darmstadt. Ingeborg wünschte den St. Louis Blues für ihren Heinz im Abendprogramm ‚Late Date‘.“13 Vor allem die vielen jugendlichen AFN-Fans der fünfziger Jahre fanden es normal, sich an den Militärrundfunk zu wenden. Immer öfter stießen sie auch in ihrer Umgebung auf Gleichgesinnte. Der Berliner AFN-Hörer Rainer Siewert berichtet von seinen Erfahrungen gegen Ende des Jahrzehnts: Dann haben wir natürlich häufig Requests bestellt, d. h. Postkarten mit einem persönlichen Musikwunsch und mit Grüßen an Freunde oder an die gesamte Schulklasse, class 11s of the Waldoberschule; Bob Lewis und auch später andere DJ’s haben immer alles vorgelesen, ein Späßchen gemacht, und das gewünschte Lied gespielt.14
Die gerade beschriebene Entwicklung lässt es sinnvoll erscheinen, für den Zeitraum dieser Arbeit zwischen zwei „Generationen“ von deutschen AFNHörern zu unterscheiden. Sowohl zeitgenössische Quellen als auch die Erinnerungen des ehemaligen AFN-Publikums legen nahe, dass es sich dabei um die Alterskohorte der um 1930 Geborenen handelt, die oft als „FlakhelferGeneration“ bezeichnet wird, und die um 1940 geborenen sogenannten Kriegskinder. Erstere hatten die NS-Zeit und den Krieg bewusst miterlebt, waren darin aber nicht so verstrickt wie die meisten älteren Deutschen. Viele freuten sich daher im Mai 1945 über ihre neugewonnene Freiheit und hofften auf eine bessere, selbstbestimmte Zukunft. In AFN fanden einige von ihnen einen Radiosender, der ihrem Lebensgefühl entsprach. Denn der amerikanische Militärrundfunk brachte Swing und andere aktuelle US-Musik, die in Deutschland zeitweise verboten gewesen war, und präsentierte sie ungewohnt zwanglos und unbekümmert. Für viele Jugendliche stand AFN daher für modernes Leben und eine Lockerheit, die sich von deutschen Traditionen unter13
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Die beiden genannten Stücke waren in ihrer Mischung aus neuem Hit und älterem Klassiker recht typisch für die deutschen Musikwünsche an AFN. „Blue Tango“ hatte ab Ende 1951 in den US-Charts Erfolg, der „St. Louis Blues“ war hingegen ein älterer und oft interpretierter Titel. jmb, Ein Tango für Annemarie, in: Frankfurter Rundschau, 3. Juli 1953 (Zitat). Vgl. Joel Whitburn’s Pop Memories, 26, 479, 584. Rainer Siewert an die Autorin, 7. März 2002 (Zitat). Siehe auch jmb, Ein Tango für Annemarie, in: Frankfurter Rundschau, 3. Juli 1953; „Örsulla and Wörner“ erobern AFN, in: Bravo, 17. März 1957; This Is … AFN (AFN-Eigenpublikation). Vgl. Eisfeld, Als Teenager träumten, 103; Grull, Radio und Musik, 67.
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schied. Die amerikanischen Sieger und Besatzer sahen deutsche AFN-Hörer der ersten Stunde aber dennoch oftmals kritisch.15 Ähnliche Vorbehalte gegenüber den US-Truppen und ihrem Herkunftsland fehlten der zweiten Generation des deutschen AFN-Publikums vielfach, auch wenn sie sich im Alltag durchaus von den US-Soldaten abgrenzten. Die nach 1940 Geborenen nahmen AFN oftmals nicht als militärische Institution wahr, sondern als den Sender, der ihre Musikvorlieben am ehesten berücksichtigte. Spätestens mit der Ankunft des Rock ’n’ Roll, den AFN als eine der wenigen in Deutschland empfangbaren Rundfunkstationen spielte, wurde der Militärrundfunk für etliche Jahrgänge zu „unserem Sender“. Darin bestärkten sie auch die vielen negativen Reaktionen älterer Deutscher, übrigens inklusive vieler um 1930 Geborener. Die „Kriegskinder“ hörten die US-Station vergleichsweise häufig, und damit vergrößerte sich das deutsche AFN-Publikum in den fünfziger Jahren erheblich. Ihnen stand allerdings eine größere Auswahl an kulturellen Angeboten und Rundfunkstationen zur Verfügung als früheren Jugendlichen, und sie nutzten auch die Programme anderer Sender. Etliche Angehörige dieser Generation haben daher eher diffuse Erinnerungen an ihren Radiokonsum und speicherten bisweilen in ihrem Gedächtnis auch andere Hörerlebnisse unter dem Oberbegriff AFN ab. Nach dieser kurzen zusammenfassenden Vorschau auf die zweite Generation des deutschen AFN-Publikums kehren wir zur ausführlichen Darstellung in chronologischer Reihenfolge zurück. Dabei geht es zunächst um die musikalischen Vorlieben der ersten Generation der deutschen AFN-Hörerschaft. Die erste Generation des AFN-Publikums und der Jazz Amerikanische Unterhaltungsmusik war in Deutschland bereits in der Weimarer Zeit populär gewesen, und auch der US-Trend zum Swing hatte deutsche Hörerinnen und Hörer zumindest teilweise erreicht. Denn selbst in den dreißiger und vierziger Jahren hatten etliche Orchester die entsprechenden Stücke im Repertoire, unter anderen Namen wurden diese sogar im Rundfunk gespielt. Offiziell lehnten die Nationalsozialisten Jazz und amerikanische Tanzmusik allerdings ab und daher wichen deren Anhänger von gesellschaftlichen Normen ab, obwohl nur wenige dies als Widerstand gegen das Regime verstanden. Liebhaber der US-Musik kamen aus verschiedenen Milieus und trafen zum Teil in der Wehrmacht aufeinander. Mit aller gebotenen Vorsicht konnten sie auch als Soldaten Swing hören, etwa durch die Rundfunkprogramme der Westalliierten. Die Musik hatte nämlich nicht nur durch die nati15
Genauere Angaben zur AFN-Hörerschaft werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels gegeben. Zum Thema Generationen siehe einleitend etwa Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert; Bude, Unser Amerika, 47 f.
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onalsozialistische Unterdrückung eine politische Bedeutung bekommen, sondern auch durch das Selbstverständnis der Amerikaner. Der seit den dreißiger Jahren in den USA populäre Swing hatte dort mitgeholfen, eine erste eigene Jugendkultur zu formen. Außerdem spielte er eine wichtige Rolle dabei, die amerikanische Gesellschaft für die Kriegsanstrengungen zu einen, und wurde zum Symbol der eigenen Kultur und Werten wie Demokratie, Freiheit und Pluralismus. Diese Auffassung transportierten amerikanische Radiosendungen auch nach Außen, etwa bei den Propagandasendungen für deutsche Soldaten mit Glenn Miller und seiner Band. Zwischen den Musikstücken fasste Miller die US-Botschaft auch in Worte: „Amerika bedeutet Freiheit, und es gibt keinen besseren Ausdruck für Freiheit als die Musik.“16 Etwas weniger programmatisch klang seine deutschsprachige Co-Moderatorin Ilse Weinberger, die nach einem Titel etwa schwärmte: „Das klang typisch amerikanisch, so beschwingt, so heiter und so frei.“17 Die vielfältige Wirkung des Swing auf deutsche Hörer deuten beide Aussagen an. Vor allem Jüngere freuten sich über die Musik, die so fröhlich war und eigene Sehnsüchte auszudrücken vermochte. Dies verband sich oft mit dem Reiz des Verbotenen, den zumindest einige Fans als geistigen Widerstand auffassten.18 Auch nach dem 8. Mai 1945 gab es für Deutsche ganz unterschiedliche Gründe, amerikanische Musik zu hören. Bereits während des Krieges hatte Jazz zum Beispiel für Oliver Hassencamp mehr als Unterhaltung bedeutet. Nun wurde er Ausdruck der neu gewonnen Freiheit und half ihm und anderen Münchnern, einen unbändigen Kulturhunger zu stillen: Wir jungen und nicht mehr ganz so jungen Jugendnachholer saßen nachts vor dem Radio, um zu hören, was wir endlich ungestraft hören durften: Swing von AFN, dem American Forces Network, wie der alliierte Soldatensender hieß. Wenn Mark White, der kleine, zierliche Discjockey mit der sonoren Stimme im Programm Midnight in Munich die Platten ankündigte und abspielte, schwelgten wir in unserem Lebensgefühl.19
Swing beeindruckte aber auch Deutsche, die die amerikanische Tanzmusik neu für sich entdeckten, wie der 16-jährige Günter Kunert in der zerstörten Reichshauptstadt. Er erinnerte sich später an sein „vordem nie gekanntes Hochgefühl“ während er ein Stück von Glenn Miller auf AFN Berlin hörte. Später resümierte er: „Das ist die Musik einer neuen Welt, die in ganz Europa wahrhaft ‚Hörige‘ schafft und sich die ganze junge Generation unterwirft, die 16 17 18
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Dies ist die deutsche Übersetzung seiner Co-Moderatorin, Glenn Miller selbst sagte: „America means freedom and there is no expression of freedom quite so sincere as music.“ Glenn Miller War Broadcasts (AV): Track 6. Zit. n. Stichtag heute: 4. Juli 1943, Bohnacker (AV). Zur Einführung in dieses Thema siehe etwa die Aufsätze von Dümling, Hoffmann und Kater in: Mäusli (Hg.), Jazz und Sozialgeschichte. Für den Einfluss von Swing in den USA siehe etwa Stowe, Swing Changes (besonders 141–179) oder Erenberg, Broadcasting Freedom. Hassencamp, Der Sieg nach dem Krieg, 31 (Zitat). Vgl. ebd., 24 ff.
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von diesem ‚Big-Band-Sound‘ nicht mehr loskommen wird.“20 Nun wurden bei Weitem nicht alle Angehörigen der sogenannten Flakhelfer-Generation zu Swing-Fans, und selbst unter den erklärten Liebhabern dieser Musik gab es Unterschiede. Die Mehrheit genoss Swing als oftmals entbehrten und etwas verspätet in Deutschland eintreffenden musikalischen Trend, den sie mochten und der Teil ihrer Jugend wurde. Einige wenige bemühten sich allerdings um eine besondere Kennerschaft der Musik.21 Der Weg zum „Musikexperten“ fand in der Nachkriegszeit unter erschwerten Bedingungen statt. Die überwiegend männlichen Jugendlichen notierten sich zum Beispiel beim Radiohören die Namen der Interpreten und Musikstücke und versuchten später, diese systematisch zu erfassen. Um die korrekte Schreibweise herauszufinden, waren oft Nachforschungen nötig, etwa in Plattenläden, durch Zeitschriften im Amerikahaus oder bei AFN selbst. Ab 1948 hörte beispielsweise der damals 16-jährige Berliner H.-W. Nahme regelmäßig den amerikanischen Militärrundfunk, und mit anderen Jugendlichen aus dem GYA-Club besuchte er auch eine Live-Sendung von AFN Berlin. Später kam er mehrfach in die Dahlemer Villa und durfte sich dort im Programmarchiv Platten anhören und Namen und Titel abschreiben. In Berlin gründete kurze Zeit später auch der AFN-Mitarbeiter und spätere Schauspieler George Kennedy den kleinen AFN Jazz-Club, damit er junge Leute in den Sender einladen und mit ihnen über Musik reden konnte.22 Die Gruppe der Musikspezialisten beteiligte sich überdurchschnittlich häufig an den Wunschsendungen von AFN und stieß dabei bisweilen auf Gleichgesinnte. Der Discjockey Jim Stratton erfüllte zum Beispiel im Jahr 1950 in der AFN Berlin-Sendung „Daybreak Serenade“ regelmäßig um 7.05 Uhr die Wünsche der damals 20-jährigen Günter Grull und Klaus Degen. Er schätzte sie als Experten für Swing und nannte sie bald nur noch „dauntless duo“. Rasch spielten sie sich mit den „fearless five“ die Bälle zu. Dies waren fünf US-Soldaten und Musik-Fans, die sich Titel für das nachfolgende Stück wünschten. Die Anerkennung durch die Amerikaner machte den jungen Deutschen Spaß und brachte ihnen zumindest im Freundeskreis soziales Prestige. Allerdings gingen nur wenige Altersgenossen ihren musikalischen Vorlieben mit ähnlicher Leidenschaft und Akribie nach. Die Fachleute für Jazz waren 20 21 22
Kunert, Erwachsenenspiele, 97. Siehe etwa Hassencamp, Der Sieg nach dem Krieg, 32 f.; Harig, Wer mit den Wölfen heult, wird Wolf, 7 f., 95, 181–184; Knef, Der geschenkte Gaul, 114, 126. Vgl. Zilling, AFN (unveröff.), 111. Gespräch mit H.-W. Nahme, 2. Februar 2002; Brief von Jürgen Jentzsch an die Autorin, 25. Januar 2002; Fragebögen Günter Lulay (Jg. 1930), Dietrich Kollmann (Jg. 1930) und Günter Ramin (Jg. 1930). Dies betrifft die in der Einleitung beschriebene Fragebogenaktion der Autorin für deutsche AFN-Hörer. Alle in dieser Arbeit zitierten Teilnehmer sind in einer eigenen Rubrik in der Bibliographie aufgeführt. Vgl. Adam/Hilkenbach, Das Lebensgefühl einer ganzen Generation, 43 f.
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Die Hörerschaft
zudem häufig eher Schüler an weiterführenden Schulen oder Studenten. Anders als zuvor in den USA wurde selbst der Swing in Deutschland niemals Teil des kulturellen Mainstream, und so fühlten sich hier auch besonders (angehende) Akademiker und Künstler zu ihm hingezogen.23 Auch in anderer Hinsicht wich die deutsche Erfahrung mit der US-Musik vom amerikanischen Vorbild ab. Denn selbst eingeschworene Swing-Fans und AFN-Hörer berichten, dass sie das Original bisweilen befremdete. Einige Jazz-Liebhaber waren zum Beispiel überrascht und enttäuscht, dass nicht alle GIs diese Musik schätzten. Andere standen dem Verhalten der Besatzer im Nachkriegsalltag kritisch gegenüber. Deutsche nutzten die amerikanische Musik daher oft auf ihre eigene Weise. Oliver Hassencamp etwa beschreibt die Zwangsräumung eines Hauses in München, bei dem Deutsche trotz gegenteiligen Befehls noch Gegenstände retten wollten: „Aus dem Radio tönte der amerikanische Soldatensender. Wer die Texte kannte, sang mit: ON THE SUNNY SIDE OF THE STREET, OLE BUTTERMILK SKY, CANDY.“24 Ihnen gab die US-Musik nicht nur Mut in einer schwierigen Situation, sondern wurde darüber hinaus zum Ausdruck ihres Trotzes gegenüber den Besatzern.25 Auch einzelne Musikstücke interpretierten die Besiegten auf ihre Art. Das Lied „Don’t Fence Me In“ zum Beispiel war zwar in den USA in den Jahren 1944 und 1945 populär, für viele deutsche Hörerinnen und Hörer gewann es aber fast existenzielle Bedeutung. Zehntausendfach wünschten sie sich etwa bei Radio München diesen Western-Song, der so treffend ihre Sehnsucht nach Freiheit auszudrücken vermochte. Mit ihm ließen sich aber auch andere Botschaften übermitteln. Im Sommer 1946 überschrieb das Münchner Kabarett „Die Schaubude“ eine ihrer Nummern mit „Don’t Fence Me In (Variationen über ein bekanntes Thema)“. In dem von Ursula Herking vorgetragenen Lied ging es um die fiktive Reise einer deutschen Frau durch die alliierten Besatzungszonen. Dabei traf sie auf Vertreter der Siegermächte und setzte sich auf humorvolle Weise mit Problemen wie Fraternisierung, Nahrungsmangel und der kommunistischen Bodenreform auseinander. Die Protagonistin war von keinem der Alliierten angetan und zog jeweils mit den Worten „Don’t fence me in“ weiter. Folgerichtig kehrte sie in der letzten Strophe ins heimische Bayern zurück, wo sie ihren Freund Sepp um Verzeihung bat: „Deine InterAma-Zone weiss jetzt erst, wie schön es ist bei dir!“ Dem Triumph der Heimat
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Gespräch mit Günter Grull und H.-W. Nahme, 2. Februar 2002; Fragebögen von Günter Grull (Jg. 1930), H.-W. Nahme (Jg. 1932) und Dietrich Kollmann (Jg. 1930). Vgl. Collier, Benny Goodman, 234–239; Grull, Radio und Musik, 65 f. Hassencamp, Der Sieg nach dem Krieg, 155. Vgl. Lange, Jazz in Deutschland, 119.
Die deutsche Hörerschaft
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und des deutschen Mannes folgte dann auch die abschließende Forderung an ihn: „Oh, fence me in!!!“26 Die unterschiedliche Bedeutung von Jazz und Swing in Deutschland und den Vereinigten Staaten sollte sich in den folgenden Jahren auch im AFNProgramm widerspiegeln. Denn in den USA ging die Big Band-Ära um 1945 zu Ende und ihr Stil entwickelte sich in verschiedene Richtungen weiter. Die Unterhaltungsmusik der Bevölkerungsmehrheit wurde zunehmend von Stücken mit einzelnen Sängerinnen und Sängern bestimmt. Die aktuellen Hits von Perry Como, Frank Sinatra oder Dinah Shore bestimmten daher auch bald die Wünsche des amerikanischen Publikums an AFN. Deutsche wollten daneben oft ältere Titel hören, was an ihrem Nachholbedarf an US-Unterhaltungsmusik aus den dreißiger und frühen vierziger Jahren lag und am Festhalten etlicher Angehöriger der Flakhelfer-Generation an der Swing-Ära. Einige Europäer hatten darüber hinaus eine besondere Vorliebe für Dixieland entwickelt, den sie für den „echten“ und „authentischen“ Jazz hielten, und entsprechend bewahren wollten. Unabhängig von der musikalischen Stilrichtung stellten die Moderatoren der Senderkette bei deutschen Einsendungen eine eher konservative Note fest, die sie verhältnismäßig viele ältere oder renommierte Stücke nennen ließ. Die meisten Discjockeys begrüßten solche Wünsche, da sie damit die Musikmischung ihrer Sendungen erweitern konnten. Außerdem entsprachen solche Titel oft auch dem Geschmack der besser gebildeten oder älteren Teile ihrer amerikanischen Hörerschaft, die sich weniger häufig an den entsprechenden Programmen beteiligten. Bis weit in die fünfziger Jahre konnte die erste Generation des deutschen AFN-Publikums daher die täglichen Wunschmusiksendungen etlicher lokaler Stationen beeinflussen. Immer öfter mussten sie aber auf spezielle Swing- und Jazzprogramme ausweichen.27 In den ersten Jahren in Deutschland brachte der Militärsender noch in etlichen seiner Programme Jazz unter. Dies galt vor allem für die Anfangszeit, in der Swing und angejazzte Unterhaltungsmusik beim US-Publikum populär waren. Nicht von ungefähr stand daher auch das Programm „Midnight in Munich“ Pate, als Radio München im Herbst 1945 seine Jazzsendung „Mitter26
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Gestern – Heute – Übermorgen. Programm der Schaubude München im Juli-August 1946 und Lied „Don’t fence me in“, Text: Herbert Witt, Musik: Edmund Nick, Deutsches Kabarettarchiv. Siehe auch Variety Show, German Style, in: Stars and Stripes Weekend, o. D. [1946], Material von Harry Whitcomb. Vgl. Badenoch, Voices in Ruins, 73 ff.; Glaser, Kleine Kulturgeschichte, 38; Greiner, „Test the West“, 18; Malte Rauch, in: Radio Star, Karnick/Richter (AV). AFN Most Popular With Berliners, in: Variety, 22. Juni 1955; Ernie Weatherall, AFN Berlin’s Teen Fans, in: Stars and Stripes, 6. November 1958; The Voice You’ve Heard On AFN Belongs To – Phil Irwin, in: Port Reporter, 13. März 1959. Vgl. Collier, Benny Goodman, 205 f., 384 ff.; Erenberg, Broadcasting Freedom, 281 ff.; Stowe, Swing Changes, 180–245; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 182–197; Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg, 238 f.
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nacht in München“ einführte. Wie im vorigen Kapitel gesehen, war „echter“ Jazz bei den meisten amerikanischern Hörerinnen und Hörern von AFN aber eher unbeliebt, und Sendungen mit Stilen wie Dixieland, Bebop oder Cool Jazz wurden höchstens als Beiträge für eine bestimmte Zielgruppe toleriert. Der Militärrundfunk begrenzte daher strikt den Programmanteil von Jazz und versuchte außerdem, keinen allzu großen Aufwand für Eigenproduktionen zu betreiben. Wie bei anderen musikalischen Beiträgen half es AFN, dass er mit den amerikanischen Militärclubs kooperieren konnte. Etliche Programme übertrug der Sender direkt aus den US-Clubs, für andere bat er dort auftretende Künstler in seine Studios.28 AFN war in mehrfacher Hinsicht für in Deutschland spielende Musiker wichtig. Zunächst diente er vielen als Informationsquelle: Da Schallplatten und Noten in der Nachkriegszeit rar waren, hörten etliche Amateure und Profis die entsprechenden Programme und spielten die Titel nach. Mit diesem Repertoire traten einige auch in Militärclubs auf und verdienten so ihren Lebensunterhalt. Hier lernten sie weitere musikalische Trends kennen und kamen unter Umständen durch AFN zu Rundfunkauftritten. Neben vielen heute unbekannten Formationen gehörten dazu so prominent gewordene Künstler wie Max Greger, Kurt Edelhagen oder Albert Mangelsdorff. Paul Kuhn hatte zeitweise sogar eine feste Anstellung bei AFN. Diese Art der Zusammenarbeit hielt auch in den fünfziger Jahren an und bekam dann für so unterschiedliche Musiker wie Caterina Valente, Jutta Hipp oder Michael Naura Bedeutung.29 Die Zusammenarbeit zwischen Musikern und dem Militärrundfunk wurde durch das besondere Interesse einiger AFN-Redakteure an Jazz erleichtert. Diese informierten sich nicht nur aus beruflichen Gründen über die amerikanische und europäische Jazz-Szene, sondern engagierten sich auch in ihrer Freizeit für die Musik. Mark White zum Beispiel gründete in den vierziger Jahren einen Jazz-Club in München, Johnny Vrotsos war in Frankfurt aktiv. Sie gaben aktuelle Informationen an interessierte Deutsche weiter und halfen mit, lokale Veranstaltungen zu organisieren. Hierbei waren sie oft als Exper-
28 29
Berendt, Ein Fenster aus Jazz, 174; Bolz, Von Radio München zum Bayerischen Rundfunk, 241; Seegers, Hör zu!, 328–333. Zu Jazz im AFN-Programm siehe Kapitel 10. Siehe etwa Munich Mike Notes, in: AFN Weekly Digest, 28. November 1953; Kastle Kaperz, ebd., 20. März 1954; AFN Features Top Jazz Combo On New Matinee, in: Chronicle, 6. August 1954; Don Davis, „Stan Kenton“ of Germany, in: Stars and Stripes, 27. Mai 1955; Klaus-Peter Heß, Es gibt doch Bier auf Hawaii, in: Münstersche Zeitung, 13. März 2001. Vgl. Grull, Radio und Musik, 94 ff.; Musikergespräch mit Michael Naura, 159–173. Interviews mit deutschen Musikern gibt es zum Beispiel auch in der Fernsehsendung Happy Birthday, AFN!, Garczyk/Gabler (AV). Zu kaum einer Musikrichtung außerhalb des Bereichs der Klassischen Musik ist so viel publiziert worden wie zu Jazz. Siehe einleitend etwa Wolfram Knauer, „Jazz, GI’s und German Fräuleins“: http://www2. hu-berlin.de/fpm/popscrip/themen/pst08/pst08_knauer.pdf; Kater, New Democracy and Alternative Culture.
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ten und Moderatoren gefragt oder traten selbst als Musiker auf wie etwa Bill Ramsey oder Charlie Hickman.30 Im Laufe der fünfziger Jahre bemühten sich immer mehr Rundfunksender in Europa um Jazz. Mittlerweile nutzten die USA die Musik nämlich verstärkt für ihre Kulturdiplomatie im Kalten Krieg. Nach anfänglicher Zurückhaltung präsentierten sie dafür auch Jazz-Stile jenseits von Swing oder Dixieland. Entsprechende Beiträge liefen im Auslandsrundfunk der Vereinigten Staaten, über lange Jahre etwa in der Sendung „Music U. S. A.“ mit Willis Conover auf der Voice of America. Das Außenministerium sponserte zudem die Europatourneen etlicher Jazzer. Davon profitierte auch AFN, denn als Radiosender für die US-Truppen war er fester Ansprechpartner für die amerikanischen Künstler. Ihm gaben sie bereitwillig Interviews oder spielten exklusiv im Studio. Kostenlos durfte der Militärrundfunk auch einige Konzerte aufnehmen, etwa solche mit Louis Armstrong, Stan Kenton oder Lionel Hampton. AFN unterstützte aber auch seinerseits die amerikanischen Verantwortlichen bei ihrem musikalischen Werbefeldzug. Seine Mitarbeiter hielten zum Beispiel Vorträge in Amerikahäusern oder beteiligten sich an Veranstaltungen, die von der USIA gefördert wurden. So trat etwa der AFN-Moderator Mal Sondock im Jahr 1959 auf Jazz Foren in Frankfurt und Berlin auf.31 Auch viele europäische Radiosender setzten sich mittlerweile für Jazz ein. Dafür hatten sie fachkundige Redakteure angestellt, engagierten Musiker oder unterhielten eigene Combos und Big Bands. Dies traf auch auf deutsche Rundfunkanstalten zu, selbst wenn die Mehrheit ihrer Hörerinnen und Hörer die Musik weiterhin ablehnte. In einflussreichen Kreisen galten bestimmte Jazz-Stile aber inzwischen als westliches Kulturgut und wurden als Aushängeschild einer demokratischen und liberalen Bundesrepublik verwendet. Durch die Förderung des Jazz im europäischen Rundfunk unterschied sich dessen Output im Laufe der fünfziger Jahre immer stärker von dem des AFN. Das Ergebnis dieser Entwicklung erstaunte manche Beobachter. Ein deutscher Journalist wunderte sich etwa im Jahr 1958: „Sonderbarerweise bringt AFN weniger reine Jazzsendungen als manche unserer eigenen Stationen.“32 30
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Siehe etwa Carl Nützel, Dreihunderttausend Melodien, in: Neue Zeitung, 14. Mai 1949; Tom Dorsey, 600 Jam Hoechst Freedom Club to Witness Europe’s Top Jazzfest, in: Chronicle, 19. November 1954; Der dicke, lustige Bill Ramsey, in: Höchster Kreisblatt, 21. April 1955; Ernie Weatherall, German-American Jazz Club, in: Stars and Stripes, 12. Januar 1959; Jazzman Charlie Pulls In The Listeners, in: Radio and TV Review, 28. August 1959. Vgl. Berendt, Ein Fenster aus Jazz, 177, 183; Mark White, Memories of AFN Munich, MS, 14. März 1988, AFN Historical File. AFN Weekly Info Report 9 March – 15 March 1959, 16. März 1959, 250/57 Command Report File, NASL. Siehe auch Ernie Weatherall, German-American Jazz Club, in: Stars and Stripes, 12. Januar 1959. Vgl. Pells, Not Like US, 85 f.; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 163 f.; Ripmaster, Willis Conover; Thomson/Laves, Cultural Relations and U. S. Foreign Policy, 123; Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg, 234–251. Hans-Joachim Horn, Jazz im AFN, in: Gong, 27. Juli – 2. August 1958.
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Der Ruf des amerikanischen Militärrundfunks als Station für Swing und Jazz war bei vielen Deutschen allerdings nur schwer zu erschüttern und zeigt sich bis heute in der Sekundärliteratur.33 Als Jazz-Sender galt AFN weiterhin auch, weil dieser musikalische Begriff meist unscharf benutzt wurde. In der öffentlichen Debatte diente er oft lediglich als vage Bezeichnung für Stücke mit ungewohnter Rhythmik, unbeliebten Instrumenten oder englischsprachigen Texten. Vor allem Ältere gebrauchten das Wort Jazz als Schmähung gegen verschiedene Musikrichtungen, die sie ablehnten. Nicht selten verbanden sie damit auch anti-amerikanische, rassistische oder anti-semitische Motive. Etliche AFN-Hörer erinnern sich zum Beispiel, von ihren Eltern die Aufforderung „Mach die Negermusik leise“ erhalten zu haben. Auch die Kritik am US-Militärrundfunk lief bis weit in die fünfziger Jahre über diese Schiene. „Irrtümlich nehmen alle Gegner des AFN an, daß er nur Jazz bringe“, prangerte etwa die Berliner Zeitung Der Tag das Missverständnis an.34 Ändern sollte sich dies allerdings erst mit der Ankunft des Rock ’n’ Roll. Er wurde in Deutschland zwar anfangs auch als Jazz wahrgenommen, galt aber bald als eigenständiger Stil und musste dann als Synonym für verhasste Musikrichtungen herhalten.35 Die kollektive Verunglimpfung des Jazz störte vor allem diejenigen Fans, die sich von amerikanischer Unterhaltungsmusik und populären Jazz-Strömungen wie Swing abgewandt hatten und um die gesellschaftliche Anerkennung des „echten Jazz“ rangen. Dafür setzten sie sich intellektuell mit der Musik auseinander und gründeten eigene Clubs und Zeitschriften. Sie waren unter anderem der Meinung, dass Jazz wahrhaft modern sei, da er ganz unterschiedliche musikalische Elemente vereine und seine Spielweise besonders demokratisch sei. Einige begeisterten sich sehr für afroamerikanische Interpreten und traten für gesellschaftliche Gleichberechtigung ein. Ein solcher theoretischer Unterbau half letztlich dabei, dass bestimmte Jazz-Stile zu einem geachteten Teil der Hochkultur wurden, die staatliche Stellen in den USA und Europa ebenso förderten wie verschiedene Rundfunkanstalten. Die „ernsthaften“ Jazz-Anhänger kamen sittsam gekleidet zu Konzerten und benahmen sich dort meist sehr diszipliniert. In der Regel empörten sie sich zwar über ignorante Jazz-Hasser, fast noch mehr störte sie aber die Mehrheit des 33
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Jack Wilson, Lot’s of Jazz on the Dial; Here’s List of Programs, in: Overseas Weekly, 17. Januar 1954; F. W. Street, Jazz on the Air, in: Melody Maker, 21. März 1959; Was ist Jazz?, in: heute – morgen – übermorgen, 195. Vgl. Badenoch, Voices in Ruins, 4, 70–75; Dussel, Bildung, Unterhaltung und Information, 471; ders., Hörfunk in Deutschland, 379 ff.; Lange, Jazz in Deutschland, 156 ff.; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 164–167, 210 ff.; Vollberg, Verklungenes Nachkriegs-Vineta am Rheinufer, 57–64. „Music in the Air“, in: Tag, 5. August 1955. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 15, 59 f., 70 f., 126; Kurme, Halbstarke, 202 f., 255; Lange, Jazz in Deutschland, 119; Maase, BRAVO Amerika, 103, 178 f.; Mäusli, Ein Tanzorchester mit Schlagzeug ist eine Jazzband; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 42, 148 f.; Schildt, Moderne Zeiten, 170.
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Publikums, das Jazz bis weit in die fünfziger Jahre noch anzog. Diesem Teil der Hörerschaft warfen sie vor, keine Ahnung von Musik zu haben und sie für niedere Zwecke zu „missbrauchen“.36 Die Jazz-Intellektuellen meinten damit zunächst einen kleinen Kern von Fans, der durch seine auffällige Kleidung und sein extrovertiertes Verhalten gegen gesellschaftliche Konventionen verstoßen wollte. Sie ähnelten den „Swing-Heinis“ aus der NS-Zeit, die sich von der anglo-amerikanischen JazzSzene hatten beeinflussen lassen. Auch nach 1945 trafen sich kleinere Gruppen, die sich besonders kleideten und gemeinsam in Tanzlokale, zu Konzerten oder ins Kino gingen. Hier reagierten sie ausgelassen auf Jazz, jubelten oder pfiffen laut, klatschten mit oder tanzten exaltiert. Damit ermutigten sie auch viele andere Jugendliche, ähnliches in der Öffentlichkeit zu wagen. Wie sehr ein solches Verhalten auffiel und provozierte, spiegelt sich in vielen Medienberichten der Zeit wider. So schrieb etwa ein Autor der Hannoverschen Presse im Jahr 1951 über die Zuschauer einer regelmäßigen nächtlichen Kino-Vorstellung mit amerikanischen Filmen: Es ist ein Publikum, das unbedingt mitmacht. Bis auf die Kleidung, die genau so „hot“ ist wie das, was von der Leinwand herunter schmettert, schrillt, pfeift, bläst und rhythmisch stampft. Übrigens: Gestampft wird auch im Parkett, und mit Leidenschaft. Es ist eine Direktübertragung, sozusagen ein Voll-Tonfilm, bei dem das ganze Kino mitwirkt. Selbst die Pausen werden von den – fast nur jugendlichen – Besuchern jazzend ausgefüllt. Vermittels eigens mitgebrachter Radiokoffer.37
Diese Darstellung bediente zahlreiche zeitgenössische Klischees über JazzFans, wobei der Begriff Jazz weit gefasst war. „Seriöse“ Anhänger der Musik sprachen daher zum Beispiel vom „Talmi-Jazz der jugendlichen Radaubrüder“.38 Unabhängig von der Stilrichtung eroberten sich Heranwachsende mit moderner Unterhaltungsmusik aus den USA eigene soziokulturelle Nischen. Da ihren Eltern diese Stücke nur selten gefielen, konnten sie fast sicher davon ausgehen, vor allem auf Gleichaltrige zu treffen. Im Schutz einer mehr oder weniger losen Gruppe Gleichgesinnter war es dann einfacher, sich 36
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Siehe etwa WeZet, Jazzfestival 1953 des AFN Nürnberg, in: Podium, Februar 1954; John Callcott, „Cool“ Jazzmen Blow Roof Off Town, in: American Weekend, 4. Juni 1955; Felix Belair, United States Has Secret Sonic Weapon – Jazz, in: New York Times, 6. November 1955; Was ist Jazz?, in: heute – morgen – übermorgen, 193. Vgl. etwa Harig, Wer mit den Wölfen heult, wird Wolf, 187 ff.; Heidkamp, It’s all over now, 13, 108; Krüger, „Exis habe ich keine gesehen“, 137 ff.; Lange, Jazz in Deutschland, 148– 163, 174–177; Maase, BRAVO Amerika, 179–185. Bing, Die „hp“ sieht heute: Nacht-Jazz, in: Hannoversche Presse, 28. Juni 1951. Welches Radioprogramm die Jugendlichen im Kino hörten und ob es sich dabei tatsächlich um Jazz handelte, geht aus dem Artikel nicht hervor. Für die Versorgung der niedersächsischen Landeshauptstadt war der NWDR zuständig, hier ließen sich aber auch der britische Militärsender BFN sowie AFN empfangen. Lange, Jazz in Deutschland, 176.
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auszuprobieren und Spaß zu haben. Die Attraktion von Jazz auf viele junge Deutsche deutet der Autor der Hannoverschen Presse an, der dem von ihm beschriebenen Publikum durchaus wohlgesonnen war. Er schließt seinen Beitrag mit der Feststellung: „Wer den Jazz hat, hat die Jugend. Hee-ba, riii-ba …“.39 Anfang der fünfziger Jahre bewegten sich die meisten jugendlichen JazzAnhänger zwischen den Extrempositionen der intellektuellen Puristen und extrovertierten Fans. Sie interessierten sich für die Musik, weil sie spannend klang und so ganz anders als die ihrer Eltern. Die Vorliebe für eine bestimmte Jazz-Richtung konnte von Faktoren wie sozialer Herkunft oder Bildung abhängig sein, letztlich waren viele Heranwachsende aber für ganz unterschiedliche Stile offen. Etliche bevorzugten eingängige, melodische Rhythmen, zu denen sie tanzen konnten, mochten aber zum Beispiel auch Dixieland oder ließen sich von einzelnen Bebop-Stücken faszinieren. Wer sein Geld für Schallplatten ausgab, legte nur in den seltensten Fällen systematische Sammlungen an. Häufig standen zum Beispiel Platten von Louis Armstrong und Dizzy Gillespie nebeneinander, gab es den Soundtrack zum Film „Die Benny Goodman Story“ ebenso wie Titel von Sidney Bechet. Die meisten Jugendlichen orientierten sich vor allem an allgemeinen Trends, lasen Zeitungs- und Zeitschriftenartikel oder ließen sich von Kino-Filmen, Live-Konzerten oder Plattenveröffentlichungen inspirieren. Im Rundfunk präsentierten oft AFN und BFN Jazz-Neuheiten zuerst. Ehemalige Hörerinnen und Hörer der alliierten Militärsender bekamen dadurch häufig einen Wissensvorsprung, der ihnen im Freundeskreis Anerkennung brachte.40 Die große Mehrheit der jazzinteressierten Jugendlichen in den fünfziger Jahren beschränkte sich zudem nicht auf diese Musikrichtung. Für sie waren die von Jazz-Puristen gescholtenen „Mischmasch Programme“ ideal, in denen AFN ohne große Erläuterungen populäre Jazz-Stücke neben anderer Unterhaltungsmusik brachte. Auch in den Wunschsendungen konnte das Publikum des Militärrundfunks eine große Bandbreite von aktuell angesagten Titeln hören – und zwar unabhängig von Qualität oder Stilrichtung. Attraktiv war außerdem die lockere Präsentation der Musik, für die etliche Moderatoren „coole“ Ausdrücke benutzten. Sie kamen oft aus dem Jazz-Jargon, waren aber während der Swing-Ära in die amerikanische Jugendsprache gelangt. Insofern nutzten sie jüngere Discjockeys ebenso wie ältere Jazz-Liebhaber. Bei AFN Berlin war zum Beispiel George Hudak dafür bekannt, dass er ein „real gone trio“ ansagte oder über ein „mad event“ sprach, wenn es sich dabei auch 39 40
Bing, Die „hp“ sieht heute: Nacht-Jazz, in: Hannoversche Presse, 28. Juni 1951. Vgl. Fuchs, Neue Menschen und Kultur der Moderne; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 145– 148; Schildt, Moderne Zeiten, 173 f., 245 f.; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 171 f. Fuchs, Neue Menschen und Kultur der Moderne, 33, 35 f.; Krüger, „Exis habe ich keine gesehen“, 147 f., 151; Maase, BRAVO Amerika, 102 f., 177–185; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 138–150.
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nur im entferntesten um Jazz-Musik handelte. Viele deutsche Hörerinnen und Hörer haben noch heute sein „hey, hey, what do you say“ aus Sendungen wie „Frolic at Five“ oder „Midnight in Berlin“ im Ohr.41 Auf ganz besondere Weise präsentierte ab 1952 die AFN-Sendung „Hot House“ modernen Jazz (später wurde sie in „Cool Castle“ umbenannt). Diese Programme moderierte Ken Dunnagan, der eigentlich als Nachrichtenredakteur beim Militärrundfunk arbeitete. Nebenbei wollte er beim AFN-Publikum für progressive music werben und hatte sich dafür ein Jazz-Comedy-Format mit dem Baron of Bounce ausgedacht. Diese Kunstfigur gestaltete er anfangs bewusst vage, um die Fantasie seiner Hörerschaft anzuregen und ihr eine möglichst große Projektionsfläche zu bieten. Als Baron vermengte Dunnagan Jazz- und Jugendsprache und gestaltete damit auch Beiträge wie „The Cool Man’s Mother Goose“, in denen er klassische Märchen in Bop Talk übersetzte. Zur Überraschung aller Beteiligten kam er mit diesem Konzept bei vielen Amerikanern und Europäern gut an. Durch die Zuschriften ermutigt (und der Mode der Zeit entsprechend), gründete Dunnagan einen Club und verschickte selbstgestaltete Ausweise und Poster. Im Oktober 1952 bedankte sich ein Kölner Fan dafür in einer Mischung aus britisch geprägtem Schulenglisch und der speziellen Sprache des Barons und bat um zusätzliche Plakate: Your Royal Highness, thank you so much for your „mad“ letter which I received this morning. […] The membershipcard is real gone. That poster is just smashing. By the way, Cologne is by no means a city of Bopistocracy, I tell you. Things ain’t what they ought to be here. So I want to ask you a favour. Would you please send me some more of these posters, so that I’m able to start a great big campaign in this here town.42
Die Vorliebe des Briefschreibers für Bebop scheint ebenso groß gewesen zu sein wie der Spaß an der erfundenen Welt der Sendung. In seiner unmittelbaren Umgebung werden wohl nur wenige Menschen seinen Musikgeschmack geteilt haben. Mit dem Baron of Bounce und anderen Hörerinnen und Hörern der Sendung hatte er nun Gleichgesinnte gefunden, mit denen er sich zudem ein exklusives Fantasie-Reich mit eigener Sprache und Ausweis teilte. Das Radioprogramm ließ eine virtuelle Gemeinschaft entstehen, die einzelne Mit41
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Gunnar Woyth, George Hudak legt die richtigen Platten auf, in: Nacht-Depesche, 24. Dezember 1952; K. J., Hey, hey, what do you say, in: Radio Revue, 15.–21. Februar 1953; O. G. Dowling, Germany Is Building, in: Radio Review, o. D. [8. Mai 1953], AFN Historical File; George Hudak, Music Your Way, in: Berlin Observer, 15. Januar 1954; Felix Belair, United States Has Secret Sonic Weapon – Jazz, in: New York Times, 6. November 1955; Hans-Joachim Horn, Jazz im AFN, in: Gong, 27. Juli – 2. August 1958: „Mischmasch Programme“; He Covered Hollywood Night Life, in: Radio and TV Review, 21. August 1959; AFN-Radio-Souvenirs (AV): „Saturday Swing“. Vgl. Collier, Benny Goodman, 234–239; Maase, BRAVO Amerika, 97 f., 103. Hans W. Keupel, Köln, an den Baron of Bounce, 1. Oktober 1952, Privatarchiv John Provan.
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glieder in ihrer Identität bestärkte und sie ermutigte, zu ihren Neigungen zu stehen.43 Neue Töne: Country-Musik und Rock ’n’ Roll Nach dem Krieg entdeckten einige Deutsche die Country-Musik für sich. Sie war vielen Kinobesuchern aus Westernfilmen bekannt und der Erfolg von Titeln wie „Don’t Fence Me In“ oder deutschen Liedern wie „Von den blauen Bergen kommen wir“ zeigte ihr grundsätzliches Potential beim heimischen Publikum. „Echter Hillbilly“ lief aber vor allem im Rundfunk und zwar bei AFN. In den vierziger und fünfziger Jahren kannte dessen Hörerschaft erfolgreiche US-Interpreten aus den Wunschmusiksendungen, manche schalteten auch spezielle Country-Beiträge wie das morgendliche „Hillbilly Gasthaus“ ein. Deutsche Hörerinnen und Hörer waren oft von den für sie ungewohnten Instrumenten Fiedel, Banjo und Steel-Guitar fasziniert und ließen sich von Liedern mit starkem Rhythmus oder hohem Tempo mitreißen. Bis etwa Mitte der fünfziger Jahre waren etliche Country-Musiker mit Crossover-Stücken wie dem „Shotgun Boogie“ von Tennessee Ernie Ford oder Songs im BluegrassStil auch in den US-Charts erfolgreich. Diese Titel unterschieden sich meist deutlich von den damals populären Balladen, die nicht selten mit schluchzender Stimme vorgetragen und von Streichern untermalt wurden, sowie den deutschen Schlagern dieser Zeit. Selbst die Swing-Fans der Flakhelfer-Generation fanden zum Teil Gefallen an Country, später geborene Deutsche kamen oft über den Rock ’n’ Roll und Bill Haley oder Elvis Presley zu dieser Musik.44 Etwa 1958 hörte der 15-jährige Berliner Rainer Siewert erstmals das AFN-Nachmittagsprogramm „Stickbuddy Jamboree“ und ließ sich ebenso wie seine Klassenkameraden von der Musikrichtung einnehmen: Stickbuddy Jamboree war also die große Entdeckung jener Tage, Country & Western, Hillbilly, Blue Grass die neuen Fachbegriffe; jeder in der Schulklasse hörte bald diese für uns so neue und faszinierende Musik, und Army Specialist Bob Lewis zelebrierte diese nur 25 minütige Show. „Gather ’round Stickbuddies, it’s just time for another Jamboreeeee …“ waren seine Einführungsworte, wenn er nach einigen Takten von „Under the Double Eagle“ von Hank Thompson die Show eröffnete.45 43
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Siehe etwa Arthur Oesterreicher, the record realm, in: Sentinel, 19. Februar 1954; Fans Jam Hoechst Club To Hear Top Jazz Men, in: Chronicle, 17. September 1954; Horst A. Glaser, „Here is the Hot House!“, in: Brennspiegel, Oktober 1954; Show Time A. F. N., in: European Radio, 7. Januar 1955. Vgl. Douglas, Listening In, 229–232, 244 f.; Maase, BRAVO Amerika, 35 f., 177–185; Morley, „This Is the American Forces Network“, 132. Fragebögen Klaus-Peter Depner, Günter Grull, Günter Lulay, H.-W. Nahme, Günter Ramin, Dieter Salemann und Rainer Siewert; Jürgen Jentzsch an die Autorin, 25. Januar 2002. Vgl. Brunhöber, Unterhaltungsmusik, 196; Fuchs, Die Geschichte der Country Music, 59–66, 165–168; Heidkamp, It’s all over now, 7 f.; Mezger, Schlager, 157 ff.; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 52, 55, 75 f. Rainer Siewert an die Autorin, 7. März 2002.
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Nicht nur die Musik, auch die Discjockeys und ihre Moderationen trugen entscheidend zur Popularität der Sendungen bei. Sie erfüllten die damaligen amerikanischen Stereotype für hillbilly music, nutzten zum Beispiel volkstümliche Ausdrücke, sprachen gedehnt und mit einem „typischen“ Akzent (etwa aus Texas oder einem der Südstaaten). Wie im vorigen Kapitel gesehen, löste dies beim US-Publikum höchst widersprüchliche Gefühle aus, die oft mit der jeweiligen geographischen Herkunft, Bildung und Schichtzugehörigkeit zu tun hatten und die zu erbitterten Streitigkeiten führen konnten. Deutschen Hörerinnen und Hörern fehlte dieser kulturelle Hintergrund, und daher nahm vor allem das junge AFN-Publikum solche Programme recht unbefangen wahr. Rainer Siewert erinnert sich nicht nur an die ungewohnte Musik, sondern auch an die Moderation von Bob Lewis: „allein die Art und der Tonfall wie er ‚Hawkshaw Hawkins‘ ankündigte: ‚Hawkshaaaaw Haaawkins singing You’ve got it again‘ ließen wohltuende Schauer über den Rücken laufen.“46 Die Sendungen boten Jugendlichen also musikalische Abwechslung und klangen in ihren Ohren aufregend anders als andere Rundfunkangebote. Auch beim deutschen Publikum kam aber eine „kulturelle Brille“ hinzu, durch die sie Country-Musik betrachteten. Denn die Programme transportierten ein Bild von den USA, das mit den Ansichten und Ideen vieler Deutscher über Amerika übereinstimmte. Befürworter und Gegner von Country waren sich zum Beispiel einig, dass sie hier die Lieder der frühen Siedler und Cowboys hörten, die wiederum „echte amerikanische Volksmusik“ sei. Hierzu passten auch die Moderatoren der AFN-Sendungen, die so auftreten und sprechen durften, wie man sich hierzulande einen „richtigen Amerikaner“ vorstellte: umgänglich und humorvoll, aber auch naiv und ungebildet. Was „Vertreter der Hochkultur“ (also etwa Eltern und Erzieher) ablehnten, zog vor allem junge Hörer zusätzlich an. Letztere mochten oft ohnehin die erfundene Welt des amerikanischen Westens, die ihnen Romane und Filme vermittelt hatten: In ihr kam es noch auf den Einzelnen an, kümmerte man sich nicht um gesellschaftliche Zwänge, ging es rauh, aber ehrlich zu. Ihre Begeisterung für dieses Fantasiereich drückten einige Jugendliche auch modisch aus. Etliche Schüler trugen zum Beispiel karierte Flanell-Hemden, die sogenannte Westernkrawatte oder Texas-Halsschmuck. Wie sehr deutsche Country-Fans an den Stereotypen vom „echten Amerika“ hingen, war übrigens auch an ihren musikalischen Vorlieben abzulesen. Denn das europäische Publikum mochte bis weit in die sechziger Jahre hinein eher ältere Spielarten und Stile, während amerikanische Fans auch an neueren Sounds Gefallen fanden.47 46 47
Ebd. Bob Groover, Fletcher ’s Five Fans, in: Radio Review, 13. März 1953; Schlurfe im Dschungel, in: Spiegel, 29. Juli 1953; Howard Beckman, The Voice You’ve Heard On AFN Belongs To Gary Harmon, Port Reporter, 12. Juni 1959; Jack Gould, A Voice That Europe Trusts, in: New York Times, 17. April 1966. Vgl. Craig, Military Broadcasting, 310; Fuchs, Die Geschichte der Country Music, 167 f., 179 f.; Kurme, Halbstarke, 186,
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Beim Country zeichnete sich in Deutschland zumindest teilweise eine Entwicklung wie beim Jazz ab. Wer als Musiker in bestimmten Militärclubs oder in Lokalen mit US-Publikum spielen wollte, hörte die AFN-Programme, um das entsprechende Repertoire zu lernen. Etliche Deutsche bekamen auch Kontakt zu den Redakteuren des Militärrundfunks und traten in ihren Sendungen auf. Für viele Künstler blieb Country aber nur eine Episode in ihrer Karriere, ebenso wie die Musik meist auch nur einen bestimmten Lebensabschnitt vieler Fans begleitete. Die deutsche Country-Szene wurde nie besonders groß und anders als beim Jazz kümmerte sich niemand um einen intellektuellen Unterbau oder gesellschaftliche Anerkennung. Die Country-Musik wurde daher kaum von staatlichen Institutionen gefördert und von deutschen Rundfunkanstalten gar nicht oder nur selten gebracht. Den Liebhabern dieser Musik galt AFN daher als europäischer Country-Pionier und als dauerhaft verlässlicher Radiopartner. Ein Lied der norddeutschen Gruppe Truck Stop aus dem Jahr 1977 drückte diese Wertschätzung aus und verankerte sie damit auch im Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit: „Ich möcht’ so gern’ Dave Dudley hör ’n, Hank Snow und Charley Pride, ’nen richtig schönen Country-Song, doch AFN ist weit“.48 Eine weitere Musikrichtung begeisterte einen Teil der deutschen AFNHörerschaft: der Rock ’n’ Roll. Er entwickelte sich über einen längeren Zeitraum hinweg und hatte seine Wurzeln etwa im afroamerikanischen Rhythm & Blues und in der Country-Musik. Ab Anfang der fünfziger Jahre gelangten einzelne Titel, die man dem Rock ’n’ Roll zuordnen kann, in die US-Charts. Sie fielen in der damals gängigen Unterhaltungsmusik aus romantischen Balladen und Schlagern auf und wurden anfangs häufig als Jazz oder Hillbilly bezeichnet. Sie sorgten aber nicht nur durch Instrumentierung und Rhythmus für Aufsehen, sondern auch durch den Vortragsstil der zumeist jungen Interpreten und die auf Jugendliche zugeschnittenen Texte. Damit forderten sie vor allem ältere Generationen und die Werte der amerikanischen Mittelschicht
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189 f.; Maase, BRAVO Amerika, 10, 88, 99, 120; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 31, 61–64; Polhemus/Procter, Pop Styles, 25, 124. Zur imaginierten Welt des amerikanischen Westens siehe einleitend für Deutschland etwa Nolan, America in the German Imagination, 10 ff. Für die USA siehe etwa Cronon u. a. (Hg.), Under an Open Sky. Berlin’s „Herr Hillbilly“ Scheduled for Stateside, in: Berlin Observer, 2. Mai 1952; Alvin Dillman, Stickbuddies Get Together, in: American Weekend, 9. Juli 1955; Hillbilly Show Held, in: SACom Scene, 10. Oktober 1958; Omer Anderson, Army B’dcasts Boom Overseas C&W Sales, in: Billboard, 1. August 1960; Country Music – A Way of Life, in: Overseas Family, 15. Dezember 1961; Peter Buri, „Es werde Radio und es ward AFN“, in: Welt, 2. Juli 1983; Alexander Schmitz, Kennedy und Rock ’n’ Roll. Erinnerungen an den Berliner AFN, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 22. Juli 1994. Siehe auch Falkenberg, Ein Interview mit dem Musiker Rolf Ermann, 30–35; Noack, Freddy Quinn in Fürth, 25 f.; http://www.truck-stop.de/songtexte/index.cfm?SongID=147 (Zitat). Vgl. Domentat, High Noon an der Havel; Fuchs, Die Geschichte der Country Music, 165– 180; Jeier, Das neue Lexikon der Country Music, 36, 111 f., 329.
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heraus. Vordergründig stritten Jung und Alt um Musik, Mode und Benehmen, letztlich ging es dabei aber um gesellschaftliche Normen, die etwa die Rollen der Geschlechter, die Sexualmoral oder die Trennung der Rassen betrafen. Die amerikanischen Jugendlichen machten Rock ’n’ Roll kommerziell erfolgreich und durch die Hitparaden-Platzierungen gelangten die Titel auch in das Repertoire von AFN. In der amerikanischen Militärgemeinschaft in Deutschland zeichneten sich ähnliche Konflikte ab wie in den Vereinigten Staaten, als Monopolsender musste und wollte AFN aber Kompromisse finden. Rock ’n’ Roll-Titel gab es daher zum Beispiel in Beiträgen für Jugendliche, in Hitparaden-Programmen oder Wunschmusik-Sendungen. Kamen Interpreten wie Lillian Briggs oder Johnnie Ray auf Europa-Tournee, interviewten AFNReporter sie genauso wie andere prominente Künstler.49 In Deutschland traf Rock ’n’ Roll vor allem bei Angehörigen der Kriegskinder-Generation auf einen Nerv. Sie waren eingebunden in das Leistungsdenken und die gesellschaftliche Enge der Wirtschaftswunderzeit, kulturell erlebten sie etwa die heile Welt der Heimatfilme und die Schlager von Margot Eskens oder Fred Bertelmann. Auf einige von ihnen wirkten Aufforderungen wie „One two three o’clock, four o’clock rock“ daher wahrhaft befreiend. Etliche AFN-Hörerinnen und -Hörer dieser Jahrgänge erinnern sich, wie sie bei bestimmten Titeln das Radio lauter stellten und sich vom Rhythmus mitreißen ließen. Und auch diejenigen, die nicht dazu tanzen wollten, berichten, dass ihnen diese Musik durch Mark und Bein ging. Dies bestätigt auch der Musiker Rolf Ermann. Durch Auftritte in US-Clubs hatte er Kontakt zu Mitarbeitern von AFN Nurnberg bekommen und diese versorgten ihn mit Tonbandaufnahmen von Neuerscheinungen. Er spielte damals vor allem CountrySongs und studierte auch Bill Haleys „Rock Around the Clock“ ein. Ermann beschreibt, wie das Lied wirkte: „Das hat dem Fass den Boden ausgerissen! Das Publikum war völlig von den Socken!“50 Dieses Stück hatte als Titelmusik des Films Blackboard Jungle für Aufsehen gesorgt, in dem es um aufrührerische amerikanische Schüler ging. Im Oktober 1955 kam er als Saat der Gewalt in deutsche Kinos. Bereits in den USA hatten sich Rock ’n’ Roll und jugendliche Rebellion in der öffentlichen Wahrnehmung miteinander verbunden und ähnliches geschah in Deutschland. Auch in der Bundesrepublik kam es zum Beispiel bei Filmvorführungen oder Konzerten zu Auseinandersetzun49
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Brunhöber, Unterhaltungsmusik, 179 ff., 183, 196 f.; Kurme, Halbstarke, 151–161. Für die im Text erwähnten Interviews siehe LR-4193 On the Scene, 8. Oktober 1957: Lillian Briggs, Singer (Rock & Roll), AFN Historical File; LR-4347 On the Scene, 11. März 1958: Mr. Johnnie Ray, touring Europe, ebd. Zu Rock ’n’ Roll bei AFN siehe auch Kapitel 8 und 10. Falkenberg, Ein Interview mit dem Musiker Rolf Ermann, 35 (Zitat). Siehe auch Rainer Siewert an die Autorin, 21. Mai 2002: „durch Mark und Bein“. Vgl. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 16 f.; Maase, BRAVO Amerika, 95 f.; Schmidt-Harzbach, Rock ’n’ Roll in Hanau, 37–40.
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gen von Teilen des Publikums mit der Polizei, störten sogenannte Halbstarke die Ordnung. Der Umfang der „Jugendkrawalle“ war aber eindeutig geringer, als die damalige gesellschaftliche Aufregung und die heutige kollektive Erinnerung vermuten lassen. Viele Heranwachsende distanzierten sich von den „Halbstarken“, wünschten sich aber mehr Toleranz gegenüber ihren Vorlieben und Entscheidungen.51 Durch seine Musik und seine Auftritte wurde Elvis Presley zu einem wichtigen Ziel jugendlicher Verehrung und erwachsener Ablehnung. Wie vorher bei bestimmten Jazz-Interpreten beanstandeten Kritiker an ihm etwa seine mehrdeutige und aggressive Sexualität, das Aufnehmen afro-amerikanischer Einflüsse und das Verhalten seiner Fans. Im Oktober 1955 hatte es in Deutschland übrigens bei Konzerten von Louis Armstrong ähnliche Tumulte gegeben wie sie mit den Rock ’n’ Roll-hörenden „Halbstarken“ in Verbindung gebracht wurden. Zur Solidarisierung von Anhängern beider Musikrichtungen kam es aber nicht. Die ein paar Jahre älteren Swing- und Jazzfreunde fanden zwar den Schlager-Mainstream ebenfalls unerträglich, zum Rock ’n’ Roll bekamen sie in der Regel aber keinen Zugang. Intellektuelle wie Joachim Ernst Berendt fürchteten zudem um den von ihnen vorangetriebenen verbesserten Ruf ihrer Musik. Sie wehrten sich gegen die Mehrheit der jugendlichen Fans und die Bezeichnung des Rock ’n’ Roll als Jazz. Zwar stellte er zu den frühen Stücken von Elvis Presley fest: „Seine Musik ist hart und vital, von einer umwerfenden rhythmischen Intensität.“52 Wie die meisten Erwachsenen hielt Berendt die Erfolge des Rock ’n’ Roll aber letztlich für „musikalisch und geschmacklich“ bedenklich.53 Auch unter Jugendlichen war die Musik umstritten. Denn ein Großteil der Heranwachsenden mochte zwar den einen oder anderen US-Titel, überwiegend gefielen ihnen aber Schlager oder andere in Deutschland aktuell erfolgreiche Stücke. Diejenigen aber, die mit den Produktionen für den deutschen Markt unzufrieden waren, fanden nicht immer im Rock ’n’ Roll eine musikalische Heimat. Vor allem Heranwachsende mit intellektuellen Ansprüchen bekannten sich nur selten zu ihm und suchten sich respektablere Nischen wie zum Beispiel Jazz.54 Die erklärten Liebhaber der neuen Musikrichtung soll51 52 53
54
Bondy u. a., Jugendliche stören die Ordnung; Kurme, Halbstarke, 161–178, 186–224; Maase, BRAVO Amerika, 89 f., 95 f., 100–104; Schildt, Moderne Zeiten, 174–177. Zit. n. Elvis, the Pelvis, in: Spiegel, 12. Dezember 1956. Ebd. (Zitat). Siehe auch Lange, Jazz in Deutschland, 131, 176. Vgl. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 58, 69, 203; Eisfeld, Als Teenager träumten, 43 f., 61–70; Harig, Wer mit den Wölfen heult, wird Wolf, 52–55; Heidkamp, It’s all over now, 29–35; Kurme, Halbstarke, 202–205; Maase, BRAVO Amerika, 177–185; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 149; dies., Rock ’n’ Roll, Kalter Krieg und deutsche Identität, 275–285; Rumpf, Pop & Kritik, 45–62. Auch in den USA hatten Jugendliche mit intellektuellen Ansprüchen Probleme mit Rock ’n’ Roll: „For those of us with intellectual pretenses, rock ’n’ roll was like masturbation: exciting, but shameful.“ Greenfield, They Changed Rock, 46.
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ten in Deutschland daher stets in der Minderheit bleiben, und selbst in dieser Gruppe gab es Unterschiede. Die zeigten sich etwa im Gästebuch des Senders AFN Bremerhaven, den etliche deutsche Schülerinnen und Schüler in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre besuchten. Im Guest Register schrieben viele Jugendliche auch ihre musikalischen Favoriten auf und erwähnten dabei zwei Rock ’n’ Roll-Interpreten besonders häufig. Viele Heranwachsende hinterließen zum Beispiel Einträge wie „I love Pat Boone“, ein anderer bezeichnete sich als „greatest Elvis-Pelvis-Fan that ever entered this whole world“. In den ersten Jahren des Rock ’n’ Roll standen „Muttis Liebling“ und der „Rebell“ für zwei verschiedene Richtungen der Musik, deren Anhänger sich gegenseitig anfeindeten. Im Gästebuch lassen sich daher auch abwertende Aussagen wie „Elvis is very crazy!“ oder „I hate Pat Boone“ finden. Letztlich sollte sich aber die „weiche Welle“ des Rock ’n’ Roll durchsetzen, bei der nun auch Elvis Presley mitmachte. Mit Titeln wie „One Night“ oder „Wooden Heart“ („Muss i denn“) konnten dann sogar Eltern und Großeltern zu ElvisBewunderern werden.55 Viele Heranwachsende hielten sich auch an deutsche Rock ’n’ Roll-Interpreten wie Peter Kraus, Conny Froboess oder Ted Herold. Peter Kraus hatte seit Anfang der fünfziger Jahre AFN gehört und zeitweise besorgten ihm Mitarbeiter von AFN Munich Tonbänder mit Neuerscheinungen und Kleidung aus den amerikanischen Militärläden. Zur Musik von US-Titeln sang er deutsche Texte mit englischen Sprachelementen. Inhaltlich waren seine Lieder oft recht harmlos, Kraus trat aber „rock-n-rollig“ auf: In Jeans und Lederjacke machte er wilde Bühnenshows, die viele Jugendliche entzückten und Erwachsene verschreckten. Obwohl vor allem „Halbstarke“ und Anhänger des rebellischen Rock ’n’ Roll über die deutschen „Epigonen“ spotteten, konnte die Musik erst dadurch ein größeres Publikum erreichen. Dazu trug auch eine entsprechende Vermarktung bei, etwa durch die Musik-, Film- und Modebranche. Die „weiche Welle“ und die deutschen Versionen des Rock ’n’ Roll halfen somit, eine eigene jugendliche Teilkultur in der Bundesrepublik zu etablieren. Diese hatte zwar an sozialer Sprengkraft verloren, gab Heranwachsenden aber erweiterte Möglichkeiten, sich auszudrücken. Durch ihr selbstbewussteres Verhalten und eigene Modevorlieben verschoben weibliche und männliche „Teenager“ bestehende gesellschaftliche Normen und Geschlechtergrenzen. Außerdem sorgten sie dafür, dass amerikanisch geprägte Unterhaltungsmusik zunehmend akzeptiert wurde. Etliche AFN-Sendungen erlebten, dass die Beteiligung durch deutsche Jugendliche in den Jahren 1956 und
55
AFN Bremen Bremerhaven Guest Register, AFN Historical File (Zitate). Siehe auch Chuck Herrmann, in: Radio Star, Karnick/Richter (AV); Fragebogen Rainer Siewert (Jg. 1943). Vgl. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 16 f., 123 f.; Eisfeld, Als Teenager träumten, 61–70; Heidkamp, It’s all over now, 36, 39; Kurme, Halbstarke, 199 ff., 307; Maase, BRAVO Amerika, 100–104; Schmidt-Harzbach, Rock ’n’ Roll in Hanau, 39 f.
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1957 erheblich und zum Teil sprunghaft anstieg. Sie bekamen auch verstärkt Zuschriften in deutscher Sprache.56 Beim jungen deutschen AFN-Publikum hatten sich bis Ende der fünfziger Jahre mehrere Gruppen mit spezifischen Musikvorlieben herausgebildet. Dazu gehörten Minderheiten wie beispielsweise die „ernsthaften Jazz-Anhänger“ oder Country-Fans, die vor allem an einem bestimmten Musikstil Gefallen fanden. Sie grenzten sich oft voneinander ab und unterschieden sich zudem etwa durch Schichtzugehörigkeit oder Bildung. Aber auch innerhalb einer Musikrichtung konnten sich Heranwachsende durch ihr Bekenntnis zu einem Interpreten oder einer Strömung sozial platzieren. Um zu einer bestimmten Gruppe Gleichaltriger dazuzugehören, entschieden sie sich zum Beispiel zwischen Elvis Presley und Pat Boone (ähnlich wie später zwischen den Beatles und den Rolling Stones). Stets gab es aber auch Jugendliche, denen solche echten oder vermeintlichen Gegensätze weniger wichtig waren. Auch solche Einträge finden sich im Gästebuch von AFN Bremerhaven. Ursel Joisten etwa zeichnete dort Mitte der fünfziger Jahre ein tanzendes Paar und versah es mit der Bildunterschrift „Tutti Frutti“. Rund herum schrieb sie Namen wie Elvis Presley, Pat Boone und Harry Belafonte und vereinigte so verfeindete Rock ’n’ Roll-Richtungen sowie den Calypso.57 Beim Konsum aktueller Musik hatten zahlreiche Heranwachsende ähnlich gemischte Hörvorlieben, selbst wenn sie diese damals nicht öffentlich vertraten. Rückblickend berichten etliche Zeitzeugen davon, dass Stilgrenzen eine weniger große Rolle spielten, wenn sie alleine vor dem Radio saßen. Die 1944 geborene AFN-Hörerin Erika Miller berichtet etwa: „Aktuelle Musik habe ich gerne gehört. Alle Musik wirklich. Rock ’n’ Roll, Country und … Weil’s amerikanisch war. Ich mochte deutsche Schlager nicht.“58 Diese Aussage scheint für einen Großteil des deutschen AFN-Publikums typisch zu sein. Denn vielfach schätzte es amerikanische Musikrichtungen, die in den Jahren populär waren, in denen sie heranwuchsen. Die meisten zeigten dabei eine große Bandbreite an Vorlieben und fühlten sich auch mit einigen späteren Entwicklungen der Rock- oder Pop56
57
58
„Bouncing in Bavaria“ Delights Soldiers and Civilians Alike, in: SACom Scene, 8. März 1957; „Örsulla and Wörner“ erobern AFN, in: Bravo, 17. März 1957; Summary of an Article on AFN Berlin Appearing in „Blickpunkt“ (Autor: Jürgen Frohner), 6. Juni 1957, AFN Historical File; JaF, Deutschlands erster Rock ’n’ Roll-Schnösel, in: Tageszeitung, 29. November 1996; Jan Feddersen, Schuld war nur der Bossa Nova, ebd., 27./28. März 1999. Vgl. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 125–131; Brunhöber, Unterhaltungsmusik, 183, 197; Der deutsche Elvis, 152–155; Kurme, Halbstarke, 263–280; Maase, BRAVO Amerika, 152, 162–175; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 190–193, 206 ff.; Siegfried, Time is on my side, 118 ff.; Wagner, POP 2000, 20. Ursel Joisten, We like to dance Rock ’n’ Roll, in: AFN Bremen Bremerhaven Guest Register, AFN Historical File. Wie das Tanzen von Rock ’n’ Roll das Selbstbewusstsein von heranwachsenden Frauen stärkte, siehe etwa Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 176; Schmidt-Harzbach, Rock ’n’ Roll in Hanau, 38 ff. Gespräch mit Erika Miller (Jg. 1944), 20. Juli 2000.
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musik wohl. Wichtig war vielen, dass sie sich damit von angepassten Gleichaltrigen und älteren „Spießern“ wie ihren Eltern unterscheiden konnten.59 An der Entwicklung von maßgeblich durch US-Musik geprägten Jugendkulturen war auch Mal Sondock beteiligt. Er hatte schon als Discjockey bei AFN Munich nebenbei Schallplatten in Münchner Lokalen aufgelegt. Nach dem Ende seiner Wehrpflicht im Mai 1959 blieb der populäre Moderator in Europa und gestaltete die bei amerikanischen Jugendlichen beliebten Record Hops für ein junges deutsches Publikum. Mit diesen Veranstaltungen, auf denen zum Teil auch Live-Bands auftraten, zog er durch mehrere Städte. Anders als die Hops von AFN für US-Teenager war Sondocks Tournee kommerziell ausgerichtet und wurde von Firmen wie Coca-Cola oder der Deutschen Grammophon gesponsert. Bei den Tanzveranstaltungen erfüllte Sondock die musikalischen Wünsche der jugendlichen Besucher, deren Vorlieben er folgendermaßen einschätzte: „The younger ones prefer popular music, rock ’n’ roll and the recordings of Caterina Valente. The so-called ‚twens‘ (post-teeners) prefer jazz.“60 Sondock teilte die jungen Deutschen, die sich von amerikanischer Musik angezogen fühlten, in zwei Altersklassen auf. Während die damals über 20-Jährigen Jazz bevorzugten, würden die Jüngeren eher populäre Unterhaltungsmusik mögen. Letztere seien für verschiedene Stile offen und hörten Rock ’n’ Roll ebenso wie Lieder von Caterina Valente. Sondocks Beobachtungen bei den Record Hops bestätigen damit die bisher getroffenen Aussagen zur deutschen AFN-Hörerschaft.61 Englischsprachige Unterhaltungsmusik oder gar Rock ’n’ Roll kam in den fünfziger Jahren im deutschen Rundfunk so gut wie gar nicht ins Programm. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten glaubten es ihrem Erziehungsauftrag schuldig zu sein, nur ganz bestimmte „leichte Musik“ zu bringen, Schlager etwa oder Operettenmelodien, und die auch nur in begrenztem Umfang. Große Teile der vor allem bei Jugendlichen beliebten US-Musik galten in den zuständigen Redaktionen als minderwertige Produkte der Massenkultur und waren dadurch nicht spielbar. Eine Ausnahme bildeten etwa die Sendungen mit dem ehemaligen BFN-Moderatoren Chris Howland beim Nordwestdeutschen beziehungsweise Westdeutschen Rundfunk. Hörerstudien aus den fünfziger Jahren zeigen, dass viele Heranwachsende mit dem Angebot deutscher Rundfunkanstalten unzufrieden waren. Auf der Suche nach ansprechen59 60 61
Gushurst, Popmusik im Radio, 43; Heidkamp, It’s all over now, 30; Kurme, Halbstarke, 199, 267 f.; Maase, BRAVO Amerika, 82, 98, 103; Schildt, Moderne Zeiten, 177; Schmidt-Harzbach, Rock ’n’ Roll in Hanau, 38, 40; Wagner, Pop 2000, 34. Ex-GI Wins Teens With Record Hops, in: Overseas Weekly, 13. Dezember 1959. Ben Wet, Former AFN Disc Jockey Puts Record Hops on the Economy, in: American Weekend, 29. August 1959; Mal Sondock an John Provan, 30. Januar 1997, Privatarchiv John Provan. Vgl. Karlheinz Gaffkus, So stellten junge Leute sich die Freiheit vor, in: Berliner Morgenpost, 16. Juli 1994; Maase, BRAVO Amerika, 103; Schildt, Moderne Zeiten, 245 f.
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den Beiträgen wechselten sie daher öfter den Sender. Etliche der damals jungen Hörerinnen und Hörer erinnern sich, wie wichtig es war, ein gutes Empfangsgerät und genaue Programmkenntnisse zu haben. Für „anständige Musik“ schalteten einige Jugendliche auch Radio Luxembourg oder die alliierten Militärsender ein.62 Im Laufe des Jahrzehnts ließen vor allem die nach 1940 Geborenen das deutsche AFN-Publikum nach und nach anwachsen. Denn ein deutlich größerer Prozentsatz der sogenannten Kriegskinder fand an amerikanischer Unterhaltungsmusik Gefallen als dies bei ihrer Vorgängergeneration der Fall gewesen war. Viele von ihnen hörten noch mit ihren Eltern zusammen Peter Alexander oder Freddy Quinn, doch alle wussten, dass sie sich mit Hilfe von amerikanischer Musik und Moden am leichtesten von Älteren unterscheiden konnten. Zumindest unter einem Teil der Jugendlichen entstand so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Nicht alle ihre Freunde hätten den USMilitärrundfunk eingeschaltet, berichtet zum Beispiel Christiane Kirchheimer aus Freiburg, trotzdem habe er „unsere Generationsmusik“ gebracht. Etliche Zeitzeugen bestätigen diese Einschätzung. Inge Stittner aus Kassel hörte den US-Sender noch bevor sie Englisch verstand und nahm damals eine Zeit lang an, dass die Amerikaner AFN extra für deutsche Jugendliche gemacht hätten. Sie erkannte rasch, dass dies nicht stimmte, trotzdem blieb sie wie viele Gleichaltrige der Überzeugung: „AFN war unser Sender!“ Ob Viel- oder Gelegenheitshörer – für etliche Angehörige der Kriegskinder-Generation spielte der US-Militärrundfunk eine wichtige Rolle in einem für sie prägenden Lebensabschnitt und viele fühlen sich AFN bis heute tief verbunden.63 Die emotionale Bindung an die amerikanische Radiostation beeinflusst mitunter die Erinnerungen an die Rundfunklandschaft der fünfziger Jahre. Unter diesen Vorzeichen sind zum Beispiel Aussagen wie „AFN hat ja als einziger Sender unsere Musik gespielt“ oder „AFN war toll, er hat von mor62
63
Heiß vom Plattenteller, in: Spiegel, 17. Dezember 1952; hke, Die Radiostation im alten Schloß, in: Frankfurter Rundschau, 3. Juli 1958: „Endlich anständige Musik.“ Siehe auch IfD, Junge Rundfunkhörer 1956. Eine Umfrage für den SDR, 22–27, 34–38, HBI; IfD, Hörfunk und Fernsehen 1960. Trendanalysen für den SDR, 72 f., ebd. Gespräche mit Christiane Kirchheimer (19. November 2000) und Erika Miller (20. Juli 2000). Vgl. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 9, 40 f.; Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, 210 ff., 218 f.; Eisfeld, Als Teenager träumten, 102, 104 ff.; Howland, Happy Days?, 183–200; Lersch, Das Hörfunkprogramm, 138, 154; Rumpf, Music in the Air; Schildt, Moderne Zeiten, 251 f.; Siegfried, Time is on my side, 322 f.; Vollberg, „Weit mehr als eine bloße Musikfabrik“; Wagner, Sounds like the Fifties, 275; Zöllner, BFBS, 50. Auf die Frage „Haben Ihre Freunde auch AFN gehört?“ antworteten alle Angehörige der Kriegskinder-Generation bei der Fragebogenaktion mit „Ja“. Dies ist bei den vor 1940 Geborenen nicht der Fall, hier antworteten einige mit „Nein“ oder „zum Teil“. Fragebogen Christiane Kirchheimer (Jg. 1946): „unsere Generationsmusik“; Gespräch mit Inge Stittner (Jg. 1942), 9. September 1998: „AFN war unser Sender!“. Vgl. Douglas, Listening In, 229–232, 244 f., 253 ff.; Gushurst, Popmusik im Radio, 30, 43, 110.
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gens bis abends nur Elvis gebracht“ einzuordnen. Sie sind zwar faktisch nicht richtig, zeugen aber von der Bedeutung des Senders für Jugendliche, die amerikanische Musik mochten und sich von den deutschen Rundfunkanstalten im Stich gelassen fühlten. In Gesprächen mit Hörerinnen und Hörern dieser Generation wird bisweilen Chris Howland spontan als AFN-Discjockey genannt. Nach einer Weile fällt den meisten von allein ein, dass Howland ein Brite war und sie ihn wohl eher beim WDR gehört haben. Letztlich kann auch dies als Zeichen dafür gedeutet werden, wie wenig Rundfunkangebote es damals für Heranwachsende gab. Gute musikalische Beiträge, zumal von einem Moderator mit Englisch als Muttersprache, werden daher in der Rückschau oft zunächst AFN zugeordnet.64 Die Hörerschaft des Westdeutschen Rundfunks kam übrigens ab Anfang der sechziger Jahre in den Genuss des ehemaligen AFN-Moderators Mal Sondock. Besonders seine Einleitung zu der Sendung „Diskothek im WDR“, hat sich bei seinem Publikum eingeprägt: „Die neuesten Hits aus aller Welt – aufgelegt und vorgestellt – von Mal Sondock. Musik für den Sofortverzehr – Diskothek im WDR.“65 Die Liebhaber einer exklusiven Musikrichtung wie „ernsthaftem Jazz“ schalteten den amerikanischen Militärsender oftmals nur gezielt ein, die meisten Hörerinnen und Hörer waren aber weniger wählerisch. In der Regel kannten sie zwar die Sendeplätze für ihre Lieblingsbeiträge, hörten aber auch darüber hinaus AFN. Viele Jugendliche ließen sich vom Radio in ihrem Alltag begleiten und standen so zum Beispiel morgens mit Country-Musik auf und erwischten nach der Schule noch Teile der mittäglichen Wunschmusiksendung. Ob ihnen dies möglich war, hing aber von der Radiosituation in ihrer Familie ab. In Haushalten mit nur einem Empfangsgerät gab es wegen der Stationswahl oft regelmäßig Streit zwischen Eltern und Kindern. Am Familienapparat konnten viele Jugendliche daher nur ab und zu den amerikanischen Rundfunksender einschalten. „Wenn abends keiner zu Hause war, habe ich AFN gehört“, erinnert sich zum Beispiel der Münsteraner Karl-Heinz Zeitz: „Bei uns stand das Radio in der Küche. Das war so ein Gerät zum Drehen. Aber ich wusste ja, wo AFN zu finden war. Zack, zack, war das eingestellt.“ 66 In etlichen Familien war die Mutter toleranter gegenüber den Wünschen ihres Nachwuchses als der Vater. Daher durften etliche junge Hörerinnen und Hörer nachmittags AFN einschalten, etwa während der Schularbeiten. Ein häufig
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Gespräche mit Frau aus Kiel (ca. Jg. 1940), 7. August 2003, und Inge Stittner (Jg. 1942), 9. September 1998; „Unsere 50er Jahre“, Folge 6 (AV). Siehe auch Der deutsche Elvis, 153. Zum Thema Gedächtnis und Erinnerung siehe einleitend etwa Kotre, White Gloves. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 40 f.; Brünjes/Wenger, Radio-Report, 176; Siegfried, Time is on my side, 322 f.; Vollberg, „Weit mehr als eine bloße Musikfabrik“, 259. Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Mal_Sondock. Gespräch mit Karl-Heinz Zeitz (Jg. 1941), 27. Juni 2002.
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genutztes und zugkräftiges Argument dafür war, durch die Sendungen sein Englisch verbessern zu können.67 Im Laufe der fünfziger Jahre nahm die Anzahl der Radioapparate in vielen Haushalten zu. Dadurch war es den Familienmitgliedern möglich, sich auf verschiedene Räume zu verteilen, wenn sie sich nicht auf ein Programm einigen konnten. Immer mehr Jugendliche verfügten auch über ein eigenes Empfangsgerät. In ihrem Zimmer war das Radio oft stundenlang eingeschaltet, während sie zum Beispiel lasen oder bastelten. „Eigentlich lief das Radio ununterbrochen“, berichtet zum Beispiel der Ost-Berliner Peter Gruhn.68 Besonders intensiv erinnern sich etliche Hörerinnen und Hörer auch an AFNSendungen, denen sie vor dem Einschlafen lauschten, zum Teil mit dem Rundfunkapparat unter der Bettdecke. Mit Hilfe kleinerer batteriebetriebener Geräte wurden Radiohörer auch zunehmend mobil. Nun konnten Heranwachsende zum Beispiel auf der Straße oder im Freibad ihren Lieblingssendungen folgen, häufig zusammen mit Freunden oder Bekannten. Unter den AFN-Fans in Berlin bürgerte sich gegen Ende der fünfziger Jahre ein besonderer Brauch ein. Immer wieder kamen Jugendliche nachmittags mit ihren Kofferradios in die Podbielskiallee 28. Vor der Villa von AFN Berlin hörten sie die Sendung „Frolic at Five“ und beobachteten gleichzeitig durch ein Fenster den Moderator im Studio, winkten ihm zu oder klatschten Beifall.69 Lässige DJs an den Mikrofonen von AFN War bislang vor allem von der Musik auf AFN die Rede, soll es nun verstärkt um ihre Präsentation gehen. Denn generationsübergreifend nennen ehemalige deutsche Hörerinnen und Hörer die Moderation als einen der wichtigsten Gründe, den Militärsender einzuschalten. Am meisten beeindruckten sie die Discjockeys, die überwiegend jung waren und locker klangen. Diese sorgten in mehrfacher Hinsicht für eine Einheit zwischen Ansagen und Musik. Zum einen waren sie für glatte Übergänge verantwortlich, indem sie zum Beispiel kaum Pausen zuließen und zum Teil auch in die Lieder hineinredeten. Außer67
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Siehe etwa Fragebögen Dieter Salemann (Jg. 1935), Rainer Siewert (Jg. 1943) und Frau aus Berlin (Jg. 1948); Gespräche mit Christiane Kirchheimer, 19. November 2000, und Erika Miller, 20. Juli 2000. Siehe auch Cornelia Sommer, in: Radio Star, Karnick/Richter (AV); Wolfram Schütte, E, Äf, En, in: Frankfurter Rundschau, 6. Juli 1993; [Horst E. Wegener,] Die Powerfunker vom AFN, in: Pavillon, November 1993. Vgl. Eisfeld, Als Teenager träumten, 101; Schildt, Moderne Zeiten, 169 f.; Walther, Morgens anti-Vietnam, abends AFN, 19. Fragebogen Peter Gruhn (Jg. 1934). Rainer Siewert an die Autorin, 21. Mai 2002; Valeska Dietrich, Frolic nicht nur um fünf, in: Tag, 31. Juli 1960. Vgl. Gushurst, Popmusik im Radio, 30; Kroes, American Mass Culture and European Youth Culture, 87; Maase, BRAVO Amerika, 78 f., 98; Schildt, Moderne Zeiten, 162, 167, 169 f., 220.
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dem sollte ihr zwangloser Plauderton und gut gelaunter Enthusiasmus auch den Inhalten der von ihnen gespielten Musiktitel entsprechen. Während das amerikanische Publikum von AFN diese Art der Radioprogramme kannte und die Ansager des Militärsenders durchaus kritisch mit den Discjockeys aus der Heimat verglich, war ein solcher Sound für viele Europäer ungewohnt und aufregend. Etliche Deutsche berichten, dass sie die schwungvollen DJ-Shows zum ersten Mal beim US-Truppenrundfunk gehört hätten. Durch das Initialerlebnis bleibt AFN für viele bis heute „das Original“, selbst wenn sie später ähnliche Sendungen auch bei Stationen wie Radio Luxembourg oder BFN einschalteten. Letztlich zeichnete sich jeder dieser Sender durch einen eigenen Stil aus. Die Moderatoren von AFN fielen zum Beispiel durch tiefe Stimmen, ihr amerikanisches Englisch und ihre lässige Freundlichkeit auf.70 Vielen Discjockeys gelang es, die Freude am eigenen Tun auf ihre Hörerschaft zu übertragen. Besucher im Studio berichteten immer wieder fasziniert über die gute Laune und das häufige Lächeln der Moderatoren und selbst kritische Beobachter registrierten ihre „frisch-fröhliche“ Art. Bei guten DJs war dies Teil ihres Lebensgefühls, ließ ihnen Scherze einfallen und auch über sich selbst lachen. Damit unterhielten sie ihr Publikum, blieben aber stets auf dessen Augenhöhe. Das Publikum registrierte dies bewusst oder unbewusst und brachte dem Moderator und seiner Sendung daher Wohlwollen entgegen. Viele deutsche Journalisten fanden es erwähnenswert, wie AFN-Mitarbeiter mit ihren Fehlern umgingen und wie ihr Publikum darauf reagierte: „Wenn sie sich einmal versprechen, dann ist das weiters nicht schlimm, sie lachen darüber und die Hörer mit.“71 Diese Art von Solidarität zwischen Moderator und Publikum gab es bei Programmen von deutschen Rundfunkanstalten eher selten. Hier verhinderten oft der erzieherische Ansatz und ein förmlicher Ton, dass ein Gemeinschaftsgefühl entstehen konnte. Dies ließ das Publikum häufig auch strenger mit den Inhalten einer Sendung und ihren Sprechern umgehen.72
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Jürgen Jentzsch an die Autorin, 25. Januar 2002; Gespräch mit und Fragebogen von Christiane Kirchheimer; Fritz Egner, in: Radio Star, Karnick/Richter (AV). Vgl. Clifford Davis, It’s bounce that does it!, in: Daily Mirror, 14. März 1953; Away, Scripts, Away! (Comment by Listener), in: Irish Weekly Independent, 20. Januar 1955; Morley, „This Is the American Forces Network“, 34 f. AFN-Sprecher brauchen kein Programm, in: Deutsches Volksblatt, 23. Januar 1954. ern, Junger Mann am Mikrofon unterhält sich mit Europa, in: Stuttgarter Nachrichten, 15. August 1953; Rudolf Jahns, AFN gegen NWDR (Leserbrief), o. O. o. J., AFN Historical File (Hoppe zitiert den Artikel auf Seite 126 f. als Kölnische Rundschau 1953); Peter H. Wagner, AFN – kleinster Sender Europas, in: Das freie Wort, 6. März 1954; JWH, Eine Million Songs im Archiv, in: Frankfurter Neue Presse, 3. Juli 1956; Werner Kienzle, Die Jugend hört lieber American Forces Network, in: Stuttgarter Zeitung, 10. Januar 1958; ech, Aus aller Welt Glückwünsche für AFN, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Juli 1968. Vgl. Badenoch, Voices in Ruins, 103.
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Ob jemandem die Discjockey-Sendungen von AFN gefielen oder er sie ablehnte, hing oft von seiner Einstellung zur amerikanischen Populärkultur ab. Kritiker warfen den Programmen vor, mit ihrer Musik den „schlechten Geschmack“ seiner Hörerschaft zu bedienen und so dem Bildungsauftrag des Rundfunks nicht gerecht zu werden. Eine solche Meinung wurde häufig indirekt geäußert, indem man den Moderatoren jegliches Können absprach. Deren Tätigkeit sah schließlich allzu mühelos aus, wie die Programmzeitschrift Hören und Sehen im Jahr 1953 zum Thema „Schallplatten-Jockey“ feststellte: „Was die nun eigentlich tun? Sie nehmen sich einen Stapel Schallplatten unter den Arm, sperren sich in ihr Mikrophon-Kämmerlein ein und nudeln im frisch-fröhlichen Stehgreif ihr Programm ab.“73 Hatten Journalisten AFN persönlich besucht, klangen ihre Beschreibungen meist weniger eindeutig negativ. Reporter waren zum Beispiel immer wieder überrascht, dass die Discjockeys keine vorgefertigten Manuskripte ablasen und auch große Teile der Technik selbst erledigten. So etwa in einem Artikel über Don Cosgrove, den damals 23-jährigen Moderator von AFN Stuttgart, den die Mitarbeiter der Stuttgarter Nachrichten ins Studio begleiten durften: [U]nd dann zog Cosgrove die großen Platten aus den Hüllen. Er spielt sie selbst. Vor ihm stehen drei große Abspielgeräte, darüber das Mikrofon. Schon sprach er hinein. Wir dachten, er probiert mal eben das Mikrofon aus, denn schließlich muß ein Sprecher, wenn’s ernst wird, doch ein Manuskript haben. Aber die Sendung läuft schon. Cosgrove hatte das mitternächtliche Europa an der Strippe und unterhielt sich mit ihm. Ohne Manuskript, wie’s ihm gerade einfiel. Er machte Wunschkonzert.74
In dieser Beschreibung deutet sich an, dass der Beobachter nicht wusste, wie er die bei einem großen europäischen Publikum beliebten DJ-Programme letztlich bewerten sollte. Denn zum einen beeindruckten ihn die Lässigkeit und offene Art des Moderators, der ihn sogar während einer Sendung mit ins Studio nahm. Andererseits war ihm so viel Lockerheit und Spaß am eigenen Tun fast schon wieder unheimlich. Er und andere deutsche Journalisten distanzierten sich daher durch flapsige Formulierungen oder ironische Bemerkungen vom Beschriebenen. Von ähnlich ambivalenten Gefühlen berichten übrigens auch Hörerinnen und Hörer von AFN, besonders diejenigen, die einen der Sender besucht haben.75 Die Mitarbeiter des Militärrundfunks gaben sich Mühe, Medienvertreter und interessierte Gäste zu empfangen. Damit entsprach AFN der Tradition amerikanischer Radiostationen, verwunderte aber etliche Europäer, die von ih73 74 75
Als Schnittmuster für Eierpfannkuchen, in: Hören und Sehen, 11.–17. Oktober 1953. ern, Junger Mann am Mikrofon unterhält sich mit Europa, in: Stuttgarter Nachrichten, 15. August 1953. Siehe etwa Clifford Davis, It’s bounce that does it!, in: Daily Mirror, 14. März 1953; km, „Er hat mich immer ‚Maikäfer‘ genannt …“, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 3. Juli 1959; Gute Laune zwischen Mailand und Bukarest, ebd., 25. Oktober 1961. Für die Erlebnisse von AFN-Hörern siehe die Angaben in Fußnote 77.
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ren Rundfunkanstalten anderes gewohnt waren. Durch die Offenheit und Flexibilität hatten etliche deutsche Hörerinnen und Hörer die AFN-Moderatoren selbst beobachten können, andere lasen in einer der zahlreichen Reportagen in Schülerzeitungen oder anderen Publikationen über sie.76 Ob nun persönlich erlebt oder durch die Medien erfahren, der männliche Teil des AFN-Publikums schätzte meist das musikalische Wissen und die Souveränität der Discjockeys. Vielen imponierte ihr technisches Können im Umgang mit dem Mikrofon und den Abspielgeräten. Denn während sie locker plauderten, mussten die DJs zahlreiche Schalter bedienen, zudem selbst die großen Schallplatten auflegen und auf ihnen – oft ohne Leerrillen – die Anfänge der gewünschten Musiktitel finden.77 Viele Männer schauten anerkennend oder neidvoll darauf, wie gut die Radiomoderatoren bei Frauen ankamen. Immer wieder betonten Zeitungsartikel die zahlreichen Zuschriften von AFN-Hörerinnen und Liebesbeweise von weiblichen Fans. Sexuelle Anspielungen ließen sich besonders einfach in Reportagen über AFN Stuttgart unterbringen, dessen DJ-Studio laut Stuttgarter Nachrichten „wie ein Boudoir aussah. Wände und Decken waren mit dickem Plüsch bespannt, rotem noch dazu!“78 Es passte ins Bild, wenn dann sogar noch weibliche Gäste anwesend waren: „Dazu saßen in dem mit rotem Plüsch ausgeschlagenen Senderaum drei ‚college-girls‘ die zuschauten, weil sie es ganz genau wissen wollten“.79 Doch es waren nicht nur „college-girls“ oder „schwärmende Backfische“, die die Discjockeys anziehend fanden. Denn durch ihre Tätigkeit begegneten den AFN-Mitarbeitern auch weibliche Promi76
77
78 79
PIO AFN, AFN Release # S-101, Draft, Rückseiten der Zeitungsausschnittssammlung, Zweites Quartal 1953, AFN Historical File; AFN-Sprecher brauchen kein Programm, in: Deutsches Volksblatt, 23. Januar 1954; Tom Aldrich, Die AFN-Sender, in: Tele-Radio, 11.–17. Januar 1955; Gernot Brümmerstädt, This is AFN – the American Forces Network!, in: Wildente, Mai 1956; Ernie Weatherall, AFN Berlin’s Teen Fans, in: Stars and Stripes, 6. November 1958; o-k, Zu Gast bei AFN, in: Frankfurter Rundschau, 6. Mai 1961; Gute Laune zwischen Mailand und Bukarest, ebd. (Landausgabe), 25. Oktober 1961; Thomas de Lates, in: Radio Star, Karnick/Richter (AV). Vgl. Die Fernsehkommission der ARD 1951 in den USA, 148 f. Gespräch mit H.-W. Nahme, 2. Februar 2002; Jürgen Jentzsch an die Autorin, 25. Januar 2002; Rainer Siewert an die Autorin, 21. Mai 2002; Grull, Radio und Musik, 62, 64. Selbst Journalisten mit ambivalenter Einstellung zu AFN berichteten anerkennend über die handwerklichen Fähigkeiten der Discjockeys. In einer Bildunterschrift hieß es etwa über einen AFN Berlin-Mitarbeiter: „‚Music-Master‘ Jim Stratton. Alles in einer Person: Ansager, Sendeleiter, Plattenheinrich, Tonmeister und Techniker. Blitzschnell wechselt er von einem Plattenteller zum andern.“ Beim AFN in Dahlem, in: Radio Revue, 14.– 20. Oktober 1951. Siehe auch K. J., Hey, hey, what do you say …, ebd., 15.–21. Februar 1953; Reveille Blows in Ireland, in: Radio and TV Review, 3. April 1959. Vgl. Hoppe, AFN Berlin, 124. ern, Junger Mann am Mikrofon unterhält sich mit Europa, in: Stuttgarter Nachrichten, 15. August 1953. AFN-Sprecher brauchen kein Programm, in: Deutsches Volksblatt, 23. Januar 1954.
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nente und Künstlerinnen. Aus beruflichen Kontakten konnte bisweilen Privates entstehen, wie etwa bei der Beziehung der schwedischen Sängerin Bibi Johns mit einem Stuttgarter Discjockey im Jahr 1953. Für seine Publicity nutzte der Sender gerne Fotos, die AFN-Reporter mit bekannten Interviewpartnerinnen zeigen oder Musikerinnen bei Aufnahmen in einem seiner Studios. Und auch bei öffentlichen Veranstaltungen schmückte sich der Militärrundfunk mit attraktiven Frauen. Zum Jubiläum von AFN Berlin im Jahr 1960, den der Sender auf dem Wittenbergplatz feierte, kam unter anderem die Schauspielerin Elke Sommer. Vor den Augen der deutschen Zuschauer – und sehr zu ihrem Vergnügen – setzte sich der Star für ein Privatfoto des AFNModerators George Hudak in Pose. Dieses Motiv ließen sich wiederum anwesende Pressefotografen nicht entgehen.80 Wie eng ein Moderator die Beziehungen zu seiner europäischen Hörerschaft gestaltete, hing von den Vorgaben des jeweiligen Senderchefs und den eigenen Vorstellungen ab. Unterschiede zeigten sich vor allem in den Wunschmusiksendungen. In ihnen sollten zwar die Vorlieben der amerikanischen Soldaten im Mittelpunkt stehen, doch bei Stationen mit einem relativ kleinen US-Publikum war es schwierig, diese zum Einsenden von Musikwünschen zu bewegen. Daher durften zum Beispiel die Ansager von AFN Berlin ausführlich auf ihr deutsches Publikum eingehen – wenn sie denn wollten: Günter Grull und andere deutsche Hörer von AFN Berlin erinnern sich etwa, dass der „Frolic at Five“-Moderator Clint Ramey Kontakt zu ihnen suchte und auch ausgefallene Musikwünsche von Deutschen erfüllte. Einer seiner Nachfolger, Johnny Creveling, legte hingegen vor allem auf aktuelle US-Hits Wert und entsprach so eher dem Geschmack der amerikanischen GI-Hörerschaft. Auch an den nachmittäglichen Plattenshows von AFN Bremerhaven beteiligten sich überwiegend junge europäische Hörerinnen und Hörer. Als Doug Wendt, der bei Schülern enorm populäre Discjockey des „5 O’Clock Club“, im Jahr 1957 einen Preis für die Klasse mit den meisten Musikwünschen aussetzen durfte, kam der Sieg einer deutschen Schulklasse nicht überraschend.81 Da der Militärrundfunk keine Einschaltquoten messen konnte und nur selten repräsentative Umfragen durchführte, blieb die eingehende Post der
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Stupifyin’ Bibi Visits AFN, in: Overseas Weekly, 1. November 1953; AFN Staffer Engaged to Swedish Celebrity, in: AFN Weekly Digest, 12. Dezember 1953; Film Stars Are His Fans, in: Weekly News, 6. November 1954; D. D., Bei den Platten-Jockeis in Dahlem, in: Telegraf, 5. August 1955; ach, Lieber AFN, mein Mann soll zurückkommen, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 3. Juli 1958; Der Sender im Schloß, in: Frankfurter Neue Presse, 4. Juli 1958; Everybody likes pictures, in: American Weekend, 24. September 1960. Vgl. Hoppe, AFN Berlin, 122. Beim AFN in Dahlem, in: Radio Revue, 14.–20. Oktober 1951; 134.000 Song Requests Flooded AFN, in: Port Reporter, 7. Juni 1957. Vgl. Grull, Radio und Musik, 66 f.
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Abb. 12: Die Klasse M 10 der Humboldtschule Bremerhaven gewinnt den Request Contest der Wunschmusiksendung „5 O’Clock Club“ (Mai 1957).
wichtigste Gradmesser für die Qualität der eigenen Arbeit. Vor diesem Hintergrund galt ein DJ mit vielen Zuschriften als besonders erfolgreich und dies strahlte auch auf seinen Lokalsender aus. Bei der – inoffiziellen – internen Konkurrenz der AFN-Stationen wurde nach der Nationalität der Einsender unterschieden, letztlich gewann aber das Programm mit der höchsten Zahl an Zuschriften das meiste Prestige. Ehrgeizige Moderatoren bemühten sich auch aus diesem Grund um zahlreiche Einsendungen jedweder Herkunft. Ein Discjockey flocht dafür in seine Mitternachtssendung immer wieder die Aufforderung „Write to me, Alex Sullivan“ ein, andere gründeten einen eigenen Hörerclub. Jim Carter von AFN Munich beispielsweise startete den Early Bird Club, der Anfang 1960 mehr als 500 Mitglieder zählte. Dadurch bekam er zahlreiche zusätzliche Musikwünsche, die zu zwei Dritteln von Europäern stammten. Bisweilen lobten Ansager auch Wettbewerbe aus, wie der bereits erwähnte Doug Wendt in Bremerhaven. Mit den 134.000 Musikwünschen, die vor allem europäische Schülerinnen und Schüler an Wendt geschickt hatten, lag er im Jahr 1957 bei den Moderatoren weit vorn. Und auch sein kleiner, stets etwas abseits vom Hauptteil der US-Militärgemeinschaft liegender Lokalsender hatte innerhalb der AFN-Familie Aufmerksamkeit erregen können. Stolz ließ sich der Discjockey mit den Schülern und dem Lehrer der siegreichen M 10
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der Humboldtschule Bremerhaven für die Publicity des Militärrundfunks fotografieren.82 Viele Hörerinnen und Hörer fühlten sich von den AFN-Discjockeys persönlich angesprochen und bauten eine emotionale Beziehung zum jeweiligen Moderator auf. Dies zeigte sich vor allem an den Zuschriften für eine Sendung. Denn neben vielen eher sachlich gehaltenen Musikwünschen gab es auch zahlreiche „ausgeschmückte“ Einsendungen. Dafür wählten die Schreiber zum Beispiel eine Bildpostkarte oder verzierten ihren Text mit kleinen Zeichnungen. Meist wurde der Moderator direkt angesprochen, oft sogar nur mit Vornamen. Hörerinnen und Hörer behandelten ihn nicht selten wie einen Freund, schickten etwa Fotos von Familienangehörigen oder Haustieren und berichteten ihm Privates. So gewährten unbekannte Menschen den Discjockeys bisweilen tiefe Einblicke in ihr Seelenleben. Andere erkundigten sich nach seinem Wohlergehen und halfen im Bedarfsfall mit Rezepten gegen Heiserkeit oder Tabletten gegen Kopfschmerzen aus. Mit ihren Moderationen konnten die DJs die Reaktionen ihrer Hörerschaft natürlich beeinflussen. Während einige AFN-Mitarbeiter einen eher sachlichen Stil pflegten und höchstens zusätzliche Informationen zur Musik gaben, beschäftigten sich andere ausführlich mit den Hörerbriefen oder gaben Privates von sich preis.83 Beim Vorbereiten ihrer Sendungen mussten die Discjockeys jede Zuschrift durchlesen und die Musikwünsche soweit möglich in ihr Programm aufnehmen. Wie sie mit den persönlich gehaltenen Teilen der Briefe umgin82
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Kurze Zeit später ersetzte AFN Bremerhaven den „5 O’Clock Club“ durch die Sendung „Swing Street“. Über die Gründe hierfür lässt sich nur spekulieren, doch vielleicht war der Erfolg des Programms bei europäischen Jugendlichen den AFN-Verantwortlichen zu viel geworden und sie versuchten, die nachmittägliche Wunschmusiksendung wieder für die Zielgruppe der erwachsenen Amerikaner attraktiv zu machen. Ab 1969 sollte übrigens eine erfolgreiche Jugendsendung des NDR „Der 5-Uhr-Club“ heißen. AFN Bremerhaven Beaming „New Look“, in: Port Reporter, Bremerhaven, 9. August 1957. Siehe auch Brünjes/Wenger, Radio-Report, 185 f. – „Örsulla and Wörner“ erobern AFN, in: Bravo, 17. März 1957; „Bouncing in Bavaria“ Delights Soldiers and Civilians Alike, in: SACom Scene, 8. März 1957; Summary of an Article on AFN Berlin Appearing in „Blickpunkt“ (Autor: Jürgen Frohner), 6. Juni 1957, AFN Historical File; 134.000 Song Requests Flooded AFN, in: Port Reporter, 7. Juni 1957; AFN Early Bird No 1 Catches … Fan Mail, in: SACom Scene, 8. Januar 1960. Vgl. Rumpf, Music in the Air, 114. Siehe etwa die Hörerbriefe an Alex Sullivan, in: Folder: Miscellaneous TV programming material, Box 8, Historical Monographs, AFIS, RG 330, NACP. Siehe auch Rudolf Jahns, AFN gegen NWDR (Leserbrief) o. O. o. J., AFN Historical File (Hoppe zitiert den Artikel auf Seite 126 f. als Kölnische Rundschau 1953); ern, Junger Mann am Mikrofon unterhält sich mit Europa, in: Stuttgarter Nachrichten, 15. August 1953; D. D., Bei den Platten-Jockeis in Dahlem, in: Telegraf, 5. August 1955; Gernot Brümmerstädt, This is AFN – the American Forces Network!, in: Wildente, Mai 1956; Martin Amode, Amerikas Stimme – gern gehört, in: Süddeutsche Zeitung, 2. November 1960. Vgl. Douglas, Listening In, 219–255; Hoppe, AFN Berlin, 126 f.; Rumpf, Music in the Air, 113.
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gen, war ihnen weitgehend selbst überlassen. Kaum ein Ansager blieb aber unberührt, wenn seine Hörerinnen und Hörer ihm für seine Beiträge dankten und ihre Zuneigung zeigten. Die Moderatoren der Wunschmusikprogramme waren häufig junge Wehrpflichtige, die in ihrer bisherigen Radiokarriere selten etwas Ähnliches erlebt hatten. Viele freuten sich daher sehr über die Zuschriften und nahmen sich oft auch Zeit, sie zu beantworten. Besonderen Fingerspitzengefühls bedurften die Liebesbriefe von Verehrerinnen. Die postalischen Annäherungsversuche waren meist vergeblich, aber nicht grundsätzlich zum Scheitern verurteilt. Der Discjockey des „Late Night Final“ von AFN Stuttgart, Don Cosgrove, heiratete 1955 eine Irin, die er ursprünglich durch einen Hörerbrief kennengelernt hatte. Ein paar Jahre später fand Bob Britsch, der damals bei AFN Berlin „Frolic at Five“ moderierte, auf ähnlichem Weg eine deutsche Ehefrau.84 Etliche Moderatoren von AFN genossen es, dass sie über die Grenzen der amerikanischen Militärgemeinschaft bekannt waren. Dies begann meist damit, dass sie etwa beim Ausgehen in deutsche Lokale oder bei Konzerten erkannt wurden. Wer besonderes Interesse oder Engagement für etwas zeigte, konnte in Deutschland auch Teil einer bestimmten Szene werden. George Hudak beispielsweise war Stammgast des Berliner Jazzclubs Badewanne und brachte immer wieder amerikanische Musiker mit. Als lokale Berühmtheiten und Experten für Unterhaltungsmusik waren AFN-Discjockeys bei vielen deutschen Partys und Feiern gern gesehene Gäste. Der Moderator Gary Bautell erinnert sich etwa, dass er Anfang der sechziger Jahre zu einem Brauereifest in Stuttgart eingeladen worden war und dort spontan auf die Bühne gebeten wurde. Hier sollte er dann zusammen mit Horst Jankowski eine Einlage geben, wie sie zeitweilig in der AFN-Sendung „Midnight in Europe“ üblich war. Dafür improvisierte Bautell mit einigen Sätzen eine romantische Szene und der deutsche Musiker spielte anschließend ein dazu passendes Stück.85 Auch außerhalb Deutschlands waren die AFN-Discjockeys bei den Fans aktueller Unterhaltungsmusik bekannt. In Nordeuropa beispielsweise konnten besonders die Abendprogramme des US-Militärrundfunks gut empfangen werden und machten vor allem die Moderatoren der Nachtsendungen populär. Wie beliebt sie hier waren, sollte etwa die amerikanische Sängerin Rosemary Clooney erfahren, als sie Mitte der fünfziger Jahre in Schottland gastierte. In Glasgow wurde sie als Schwester des „berühmten AFN-DJ“ Nick Clooney vorgestellt und etliche Zuhörer waren nur gekommen, um sich nach ihm zu 84
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They Ride the Records, in: Weekend, 23. März 1947; Dublin Joins AFN in Radio Romance, in: Radio Review, 7. Januar 1955; Record Spinner Rotates With Wife Won by „Frolic at Five“, in: Berlin Observer, 27. Februar 1959; Bob Wakes Them With Music, in: Radio and TV Review, 19. Juni 1959; AFN Early Bird No 1 Catches … Fan Mail, in: SACom Scene, 8. Januar 1960. Gespräche mit Gary Bautell (5. August 1999), Milt Fitzwater (2. August 1999) und Herb Glover (19. Oktober 2001). Vgl. Domentat, Immer sauber bleiben!, 134.
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erkundigen. Nicholas Clooney leistete seinen Wehrdienst beim europäischen Militärrundfunk ab, weil er etwas Radioerfahrung hatte und der Sender sich gerne mit der Verwandtschaft von US-Stars schmückte.86 In den Vereinigten Staaten war er zu diesem Zeitpunkt allerdings kaum bekannt und auch das amerikanische Publikum von AFN nahm ihn vor allem als „Rosies kleinen Bruder“ wahr.87 Das AFN-Programm fand zwar auch in Skandinavien und den Benelux-Ländern zahlreiche Anhänger, doch durch Geschichte, Sprache und Kultur waren die Verbindungen der Amerikaner mit Großbritannien und Irland besonders eng. Immer wieder besuchten AFN-Mitarbeiter das Vereinigte Königreich und traten dort zum Teil öffentlich auf. Im Jahr 1953 stand etwa Ken Dunnagan zusammen mit Ted Heath auf der Bühne des London Palladium. In Irland hatte AFN eine kleine, aber engagierte Hörerschaft. Die in Dublin erscheinende Radio Review kam dem Wunsch ihrer Leser nach Informationen über den amerikanischen Militärsender durch eine ausführliche Programmvorschau und die Übernahme vieler Pressetexte von AFN nach. 1953 fuhr ihr Chefredakteur sogar selbst nach Deutschland und schrieb eine Serie von Reportagen über den Sender.88 Bis Anfang der sechziger Jahre prägten vor allem amerikanische Einflüsse die Entwicklung der aktuellen Popmusik. In Europa hatte der US-Militärrundfunk daher oft einen zeitlichen Vorsprung bei neuen Stücken und galt als Trendsetter. Interessierte Hörerinnen und Hörer sahen in AFN zudem auch 86
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Aus PR-Gründen forderte AFN etwa auch Gary Crosby, den Sohn des Sängers Bing Crosby, an sowie Tommy Cash, den jüngeren Bruder des Country-Stars Johnny Cash. Siehe etwa There’s More Music in the Air As Bing’s Son Gary Joins AFN, in: Stars and Stripes, 15. November 1956; Herb Altschul, Gary Crosby: „Der Junge Bingel“, ebd., 10. Dezember 1956; Ernie Weatherall, AFN Disc Jockey Won’t Trade on Brothers Fame, ebd., 26. Juli 1960; All This And A Soldier Too!, in: Radio Review, 10. März 1961. Im Laufe seines Lebens erarbeitete sich Nick Clooney eine achtbare journalistische Karriere und der Ruhm seiner Schwester verblasste. Ironischerweise ist er Amerikanern heute vor allem als der Vater des Schauspielers George Clooney bekannt. Rosemary’s Little Brother, Nick Clooney, AFN Disk Jock, in: Overseas Weekly, 24. oder 26. Februar 1956; Thurston Macauley, Nick of the Clooney Clan, in: Stars and Stripes, 31. Juli 1956. Vgl. Blue air over Star Spangled Banana, in: Serving American Forces (AFN-Eigenpublikation), 11; Clooney, Girl Singer, 139. Siehe etwa The Editor, Calling All AFN Fans, in: Radio Review, 20. März 1953; Jockey’s Journal, in: AFN Weekly Digest, 29. August 1953; British Listeners Sum it up: Turn the Dial to AFN, ebd., 5. Dezember 1953; Irish Radio Fans Like Luxembourg, in: Stars and Stripes, 12. Juni 1954; Brite Lites, in: Chronicle, 17. September 1954; AFN’s young disc-jockey star […], in: New Musical Express, 3. Juni 1955; London Hailed AFN „Little Matinee“ Singer!, in: Radio Review, 29. April 1955; „Night Train“ Conductor Heard All Over Europe, in: American Weekend, 29. März 1958; Ernie Weatherall, Berlin S Sgt Makes „Hit“ in British Isles, in: Stars and Stripes, 28. August 1960. Siehe etwa auch Suid-Interview Bassett, 23, Box 1, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP. Vgl. Morley, „This Is the American Forces Network“, 130 ff., 135, 140; Rumpf, Music in the Air, 72 f.
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das amerikanische Original, selbst wenn sie selbst öfter das englischsprachige Programm von Radio Luxembourg oder entsprechende Beiträge ihrer nationalen Rundfunkanstalten einschalteten. AFN war in Europa also zu einer festen Größe für Radiounterhaltung geworden, als sich dies durch die zunehmende Bedeutung des Beats ändern sollte. Denn hierbei spielten vor allem britische Gruppen eine Vorreiterrolle, und europäischen Trends konnte AFN trotz seines Standorts nur teilweise folgen. Durch seine Vorschriften war er in seiner Musikauswahl fast ausschließlich auf die Lieferungen des amerikanischen Militärrundfunks angewiesen, und dieser orientierte sich an den Vorlieben des US-Publikums und am heimischen Plattenmarkt. Anfang 1964 erreichten die Beatles zwar mit „I Want To Hold Your Hand“ zum ersten Mal die Spitze der amerikanischen Charts, doch die Mühlen des Militärrundfunks mahlten langsam. So kam es, dass der Pariser AFN-Korrespondent Harold Kelley im Januar 1964 die Beatles interviewte, sein Beitrag aber zunächst nicht gesendet wurde. Erst Kelleys nachdrücklicher Hinweis auf den unmittelbar bevorstehenden Auftritt der Beatles in der amerikanischen „Ed Sullivan Show“ brachte das Exklusiv-Interview nach einigen Tagen doch noch ins AFN-Programm. Die erste kurze USA-Reise der Beatles im Februar 1964 war ein großer Erfolg und gab der Beat-Welle dort entscheidenden Antrieb. Damit begann ein musikalischer Prozess, der in den Vereinigten Staaten „British Invasion“ genannt wird, und der durch direkte Importe und indirekte Einflüsse gekennzeichnet war. Für die Amerikaner war der Beat ein willkommener Beitrag zur populären Musik, der da weitermachte, wo die Innovationskraft des Rock ’n’ Roll nachgelassen hatte. Letzterer hatte zudem nur einen Teil der Jugendlichen ansprechen können und zum Beispiel jüngere Intellektuelle abgeschreckt. Zum Beat bekannten sich hingegen breitere Schichten der amerikanischen Heranwachsenden.89 Die veränderte Lage des US-Militärsenders in Europa kann ein weiteres Interview von AFN mit den Beatles verdeutlichen. Als die englische Gruppe einige Zeit später auf dem Frankfurter Flughafen landete, erwartete sie ein ganzer Pulk von Journalisten auf dem Rollfeld. In dieser Situation wollte AFN-Reporter Nolan Kenner eigentlich keine eigenen Fragen stellen, doch Ringo Starr kam direkt auf sein Mikrofon zu und begrüßte ihn freudig mit den Worten „Hey AFN“. Kenner hatte sich bis dahin nicht für Fotos von der Band interessiert und ihre Musik bekam der Sender weiterhin in Form von AFRTSSchallplatten, die nur in neutralem braunen Papier verpackt waren. Die erste Frage seines Interviews lautete daher „Which Beatle are you?“ – über die sich der Journalist bis heute ärgert. Diese Begegnung zeigt den Widerspruch zwi89
The AFN History Project Questionnaire: Harold Kelley. Siehe auch John Collins, Nashua Man’s Radio Interview With the Beatles Pre-empted Ed Sullivan, in: Sun [New Hampshire], 31. Januar 2004. Vgl. Fifka, Von der jugendlichen Rebellion zum Protest einer Generation, 75–109; Greenfield, They Changed Rock, 44–47; Tilgner, Psalmen, Pop und Punk, 309–319; Siegfried, Time is on my side, 319–332.
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schen dem guten Ruf von AFN bei musikinteressierten Europäern und seiner besonderen Situation als amerikanischer Militärsender. AFN bildete aktuelle Entwicklungen der Popmusik stets über den Umweg des US-Marktes ab und nahm dadurch die im Verlauf der sechziger Jahre zunehmenden internationalen Einflüsse nicht immer auf. Mit einem Vollprogramm für seine disparate amerikanische Hörerschaft blieb AFN zudem für aktuelle Musik weniger Sendezeit als zum Beispiel Stationen wie Radio Luxembourg, dessen englischsprachiges Programm seinerzeit viele US-Wehrpflichtige hörten. Trotzdem brachte AFN weiterhin mehr aktuelle englischsprachige Unterhaltungsmusik als viele deutsche Rundfunkanstalten und präsentierte sie auf attraktive Weise. Insofern blieb die amerikanische Station noch immer für viele junge deutsche Hörerinnen und Hörer eine wichtige Quelle „ihrer Musik“.90 Die Beat-Fans der sechziger Jahre waren eine weitere Generation heranwachsender Deutscher, die AFN zumindest teilweise mit seinem Musikprogramm begleitete. Seit den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs hatte der US-Militärrundfunk in Deutschland ein überwiegend junges einheimisches Publikum ansprechen können. Anfangs fand eine noch recht kleine Gruppe, darunter viele Intellektuelle und Künstler, Gefallen an Swing und Jazz sowie der Art, wie AFN diese Musik präsentierte. Beides entsprach ihrem Lebensgefühl von neu gewonnener Freiheit und half einigen dabei, eigene Wege zu gehen. Im Laufe der folgenden Jahre zogen die Programme von AFN immer mehr deutsche Hörerinnen und Hörer an, die aktuelle Unterhaltungsmusik, Jazz oder Country mochten. Auch sie waren überwiegend jung und suchten Radiobeiträge, mit denen sie Spaß haben und sich von angepassten Gleichaltrigen und ebensolchen Erwachsenen abgrenzen konnten. Zahlreiche Angehörige der „Kriegskinder-Generation“ hörten AFN und beteiligten sich mit einer großen Selbstverständlichkeit an seinen Wunschmusiksendungen. Auch ihnen gefielen die lockeren Moderatoren und viele bauten eine emotionale Beziehung zu AFN und seinen Discjockeys auf. Mit dem Rock ’n’ Roll kam ab etwa Mitte der fünfziger Jahre zudem eine Musikrichtung auf, die gesellschaftliches Aufsehen erregte und der Entwicklung einer eigenen Jugendkultur entscheidende Impulse gab. Bei den meisten Menschen verändert sich die Intensität des Radiokonsums im Laufe ihres Lebens. Auch viele deutsche AFN-Hörerinnen und -Hörer berichten, dass sie nach Schule, Ausbildung oder Studium deutlich weniger Radio hörten beziehungsweise dessen Bedeutung für ihre Lebensgestaltung nachließ. Das Publikum der ersten Stunde zum Beispiel wandte sich etwa Mitte der fünfziger Jahre verstärkt von AFN ab, hörte unaufmerksamer 90
Gespräch mit Nolan Kenner, 24. September 1999. Fragebögen Frau aus Berlin (Jg. 1958), Klaus Hoyer (Jg. 1952) und Mann aus Pirmasens (Jg. 1952). Vgl. Bude, Unser Amerika, 47; Morley, „This Is the American Forces Network“, 131; Provan, The AFN Story, 50; Siegfried, Time is on my side, 319–332. Zur Entwicklung des Musikprogramms von AFN siehe auch Kapitel 5, 8 und 10.
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zu oder schaltete nur noch vereinzelt Sendungen ein. Ähnliches berichten Angehörige der „Kriegskinder-Generation“ aus den sechziger Jahren. Trotzdem blieben viele von ihnen dem Militärsender weiterhin treu, so dass nicht von einem alle paar Jahre stattfindenden kompletten Generationswechsel des deutschen AFN-Publikums ausgegangen werden kann. Obwohl sich die Hörerschaft des US-Senders also mit den Jahren zumindest teilweise summierte, erreichte AFN stets nur einen kleinen Teil des deutschen Radiopublikums. Unter der jeweiligen Gruppe der Heranwachsenden war der Militärrundfunk populärer als im Bevölkerungsdurchschnitt, jedoch nur bei einem bestimmten Teil der Jugendlichen. Wer AFN einschaltete, war nicht nur mit dem Angebot deutscher Rundfunkanstalten unzufrieden. Darüber hinaus brauchte sie oder er den Mut Neues auszuprobieren und musste für eine fremde Sprache und Kultur offen sein. Diese Heranwachsenden begleitete AFN in einer wichtigen Lebensphase, und dies erklärt auch, warum so viele ehemalige Hörerinnen und Hörer sich dem Sender noch immer tief verbunden fühlen.
12. ZWISCHEN „AMI-MIST“ UND „UNOFFICIAL AMBASSADOR“. DEUTSCHE UND AMERIKANISCHE DEUTUNGEN VON AFN Wenn ihm das „This is AFN“ entgegendröhnt, reagiert der deutsche Zeitgenosse auf sehr verschiedene Weise. Entweder wünscht er das „American Forces Network“ zum Teufel und versucht, von der Wellenlänge der Hits und Shows wegzukommen, oder er erklärt: „Endlich anständige Musik.“ Aus einem Artikel in der Frankfurter Rundschau, 1958.1
Die Wirkung eines Radiosenders hängt nicht nur von seinem Programm ab, sondern vor allem von der Deutung durch sein Publikum. Ganz gleich, ob jemand häufig zuhört oder nur gelegentlich einschaltet, letztlich entscheidet jeder einzelne darüber, welche Rolle das Hörfunkangebot in seinem Leben spielen soll und was sie oder er davon hält. Wie unterschiedlich solche Urteile ausfallen können, haben die beiden vorherigen Kapitel gezeigt. Denn weder das amerikanische noch das deutsche Publikum reagierte einheitlich auf AFN. Gemeinsamkeiten zeigten sich bei beiden Nationalitäten zum Beispiel beim Bemühen um Demokratie und bei der Abwehr des Kommunismus. Andererseits nutzten Amerikaner und Deutsche AFN oft auf unterschiedliche Weise. Die große Mehrheit des US-Publikums hörte den Militärrundfunk regelmäßig, akzeptierte seine Programm-Mischung und die Machart der meisten Beiträge. Für sie war er ein normaler amerikanischer Sender, der nach Heimat klang, bisweilen vielleicht etwas zu sehr (oder zu wenig) nach Militär. Deutsche Hörerinnen und Hörer von AFN waren hingegen eher jung und bildeten nur einen kleinen Teil der Bevölkerung. Sie mochten sein Musikprogramm und seinen Präsentationsstil und registrierten das Militärische nicht unbedingt. Viele waren zum Beispiel darüber erstaunt, dass die lässigen Discjockeys in Uniform am Mikrofon standen. Das deutsche AFN-Publikum und die große Fraktion der „Nicht-Hörer“ nahmen Beiträge des Militärrundfunks aus den Bereichen Information, Bildung oder Kultur kaum wahr. Viele lehnten ihn daher auch ab: AFN sei gar kein richtiger Radiosender, sondern eine Musikbox mit Titeln auf niedrigen kulturellen Niveau, voll von „Negermusik“ oder anderem „Ami-Mist“. Dieses Kapitel soll der Frage nachgehen, was AFN für Deutsche, Amerikaner und die deutsch-amerikanischen Beziehungen nach 1945 bedeutete. Um sich diesem komplexen Thema nähern zu können, müssen etliche Aspekte, die bereits in anderen Zusammenhängen erwähnt wurden, systematisch zusammengefasst und vertiefend untersucht werden. Es wird sich zeigen, dass sich die Sichtweisen auf den Militärrundfunk in dem Maß wandelten, in dem 1
hke, Die Radiostation im alten Schloß, in: Frankfurter Rundschau, 3. Juli 1958.
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Die Hörerschaft
sich das deutsch-amerikanische Verhältnis veränderte. Amerikanische Überlegungen zur einheimischen Bevölkerung drehten sich anfangs etwa um beiläufige Versuche, die Besetzten zur Demokratie zu erziehen. Später ging es darum, ein möglichst freundschaftliches Verhältnis zu deutschen Hörerinnen und Hörern herzustellen. Der Schwerpunkt des Kapitels soll allerdings auf den deutschen Erfahrungen mit AFN liegen, die in der bisherigen Darstellung zumeist nur kurz angedeutet oder bewusst ausgeklammert wurden. Dabei geht es zum einen darum, wie die in Kapitel 11 beschriebenen zwei Generationen des deutschen AFN-Publikums amerikanische Musik und andere Elemente populärer Kultur nutzten, um sich eine eigene Identität zu erschaffen und sich von Gleichaltrigen oder Älteren abzugrenzen. Darüber hinaus werden weitere Bevölkerungsgruppen thematisiert, die AFN in der Regel nicht intensiv hörten, aber eine dezidierte Meinung zu ihm hatten. Sie beschäftigten sich zum Beispiel mit der Machart des Rundfunkprogramms und seinen möglichen Auswirkungen auf die deutsche Kultur und Gesellschaft. Hierbei zeigten sich große Unterschiede, sowohl durch die verschiedenen Interessen der Beobachter als auch durch die veränderten deutsch-amerikanischen Beziehungen im Untersuchungszeitraum. Wurden anfangs vor allem erstaunte Bemerkungen zum ungewohnten Programmangebot von AFN veröffentlicht, gab es später auch eindeutige Thesen über den „Soldatensender“ und seinen vermeintlich schlechten Einfluss auf das Land von Bach und Beethoven, von Goethe und Schiller. Der US-Militärrundfunk strahlte sein Programm für ein genau festgelegtes amerikanisches Publikum außerhalb der Vereinigten Staaten aus. Als Gast in einem oder mehreren fremden Ländern hatten sich die Verantwortlichen von AFN von Anfang an mit der Frage „Was denken die Einheimischen?“ zu beschäftigen. Die Senderkette wollte bei der Regierung und der Bevölkerung verbündeter Staaten nicht anecken und nutzte einige Beiträge außerdem dazu, freundschaftliche Beziehungen zu pflegen. Als Sieger und Besatzer hätte der Militärrundfunk in der ersten Zeit in Deutschland einheimische Interessen nicht zu berücksichtigen brauchen. Dem stand allerdings der Anspruch der USA entgegen, die Deutschen zur Demokratie umzuerziehen. Die Berichterstattung über die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse oder die Erfolge der Militärregierung brachte AFN für seine GI-Hörerschaft, etliche Militärs und Politiker hofften aber ausdrücklich, dass auch Deutsche solche Informationssendungen verfolgten und etwas davon lernten. Wegen der Sprachbarriere betraf dies zwar nur eine Bevölkerungsminderheit, die Verantwortlichen gingen aber davon aus, dass sie der jetzigen oder zukünftigen gesellschaftlichen Elite angehörten und als Multiplikatoren wirkten.2 2
Siehe etwa MG G. P. Hays, Dep Mil Gov, an T. F. Dunn, Dir/OMG for Bremen, 1. November 1947, Folder: OMGUS 1947, Box 64, Corr & Other Records 1947–1948, Records of the PIO, OMG Bremen, RG 260, NACP; Stave/Palmer, Witnesses to Nuremberg, 181. Vgl. hierzu auch Kapitel 3.
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Nach 1945 gehörte es zum Selbstverständnis der meisten AFN-Mitarbeiter, dass sie durch ihre normale Tätigkeit Vorbild für eine demokratische Rundfunkpraxis sein könnten. In diesem Sinne begrüßte zum Beispiel der Nachrichtenchef von AFN Berlin, Spero Galanopulo, einen Reporter der Berliner Zeitung Telegraf im Juli 1946. Galanopulo erklärte dem deutschen Journalisten, wie der US-Rundfunk funktionierte, und zeigte ihm alle Abteilungen des Senders. Der Deutsche freute sich über diese Offenheit und stellte nach dem Rundgang durch die Dahlemer Villa erstaunt fest: „Galanopulo führt uns durch das ganze Haus. Keine Tür bleibt verschlossen.“3 Großen Wert legte der amerikanische Redakteur darauf, seinem Besucher die demokratischen Grundsätze der AFN-Berichterstattung zu erläutern. Als mündige Bürger sollten sich die amerikanischen GIs ihre eigene Meinung bilden können und dafür bräuchten sie möglichst umfassende Informationen: „Wir zensieren die Qualität, filtrieren aber keine Nachrichten. Der amerikanische Soldat hat das Recht, auch Negatives zu erfahren.“4 Der erst wenige Monate zuvor errungene Sieg über Deutschland und Japan hatte die Belastbarkeit der amerikanischen Demokratie eindrucksvoll bewiesen. Die Mitarbeiter des Militärfunks gingen daher von einem interessierten und engagierten US-Publikum aus und boten ihm eine differenzierte Darstellung des Weltgeschehens an. Erst später sollte die sich zuspitzende Auseinandersetzung mit der Sowjetunion und dem Kommunismus dafür sorgen, dass einige Verantwortliche zumindest teilweise Zweifel an diesem Vorgehen bekamen.5 Vor allem in den ersten Jahren in Deutschland nutzten AFN oder seine militärischen Vorgesetzten die europäische Hörerschaft des Senders als Argument in verschiedenen internen Auseinandersetzungen. Wie in den Kapiteln 2 bis 4 dargestellt, mussten die Popularität des US-Rundfunks und sein erfolgreiches Werben für den „American way of life“ zum Beispiel dafür herhalten, um gegen Sparmaßnahmen zu protestieren oder um die Münchner Kurzwellenfrequenz gegen die Ansprüche des Außenministeriums zu verteidigen. Schon bald wurde das Militär aber vorsichtiger, denn es begab sich damit auf das hart umkämpfte Terrain der Rundfunkpropaganda. Die Streitkräfte wollten aber keinesfalls, dass AFN in den zunehmenden „Ätherkrieg“ zwischen Ost und West geriet. Schließlich sollte der Militärrundfunk die US-Truppen in Deutschland und in Teilen von Westeuropa unbeeinträchtigt von östlichen Störsendern erreichen können. Außerdem musste das Militär sich vor Vereinnahmungsversuchen aus dem eigenen Lager in Acht nehmen. Insofern diente die europäische Hörerschaft den Verantwortlichen des Militärrundfunks zwar als Zierde, als Argument in inneramerikanischen Streitigkeiten setzten sie diese ab Anfang der fünfziger Jahre aber nur noch selten ein.6 3 4 5 6
Kajo, Berlin im USA-Soldatensender, in: Telegraf, 18. Juli 1946. Ebd. Siehe hierzu vor allem Kapitel 9. Siehe Kapitel 2, 3 und 4.
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Die Hörerschaft
Deutsche Reaktionen auf AFN bis Mitte der fünfziger Jahre Wie im vorigen Kapitel gesehen, zog vor allem aktuelle Unterhaltungsmusik und deren lockere Präsentation das europäische AFN-Publikum an. In den ersten Jahren bevorzugten die deutschen Hörerinnen und Hörer Stile wie Swing und Jazz und waren oft überdurchschnittlich gebildet. Die neuen Radiovorlieben stellten für einige eine Kontinuität ihres abweichenden Verhaltens dar, für andere war es der Bruch mit der eigenen NS-Vergangenheit oder eine Neuentdeckung.7 Allen war wichtig, vormals verbotene Musik hören zu können, die ihrem Lebensgefühl von Aufbruch und neu gewonnener Freiheit entsprach. Diese Begeisterung konnten viele Gleichaltrige und die meisten älteren Deutschen nicht verstehen. Gab es deswegen zum Beispiel innerhalb der Familie Streit, bezog sich dieser oft auf die Lautstärke des Radiohörens und die „fürchterliche“ Musik. Dann gab es kurze Wortgeplänkel, offenes Aufbegehren war in dieser Generation aber eher selten. Immerhin wussten die Heranwachsenden in solchen Situationen, dass mit AFN eine Institution der amerikanischen Siegermacht hinter ihnen stand.8 In der Nachkriegszeit stellten die US-Streitkräfte in vielerlei Hinsicht einen Kontrast zur Realität der meisten Deutschen dar. Die amerikanischen Soldaten waren im Krieg siegreich gewesen und glaubten auch weiterhin an die Gerechtigkeit ihrer Sache. Als Besatzer traten sie daher selbstbewusst und fordernd auf, konnten sich aber bald sogar Mitleid mit dem ehemaligen Feind leisten. Selbst im zerstörten Deutschland versorgte die US-Regierung ihre Truppen nicht nur mit Nahrung und Unterkünften, sondern verschaffte ihnen möglichst viele Annehmlichkeiten eines normalen amerikanischen Alltags. Auch die Programme von AFN spiegelten friedliche Routine, lässige Souveränität und ungebrochene Zuversicht wider. Das deutsche Publikum des Militärsenders war für solche Botschaften empfänglich. Hörerinnen und Hörer benutzten immer wieder Attribute wie lebendig, fröhlich, zwanglos und unbekümmert, um ihren Eindruck von AFN zu beschreiben. Doch nicht nur deswegen fühlten sie sich vom US-Militärrundfunk angezogen, sie setzten auch große Hoffnungen auf das dahinter stehende politische und wirtschaftliche System. Viele wünschten sich nämlich, dass so auch ihre eigene Zukunft aussehen möge. Das Programm von AFN gab also Anregungen für Veränderungen und vermittelte gleichzeitig die Zuversicht, dass diese gelingen konnten. Die Erinnerung von zwei Berliner AFN-Hörern erscheint beispielhaft:
7 8
Dies ist exemplarisch abzulesen an den bereits zitierten Erinnerungen der Literaten Harig, Hassencamp und Kunert. Fragebögen von Günter Grull (Jg. 1930): „eine fürchterliche Musik“, und Dietrich Kollmann (Jg. 1930). Vgl. Hassencamp, Der Sieg nach dem Krieg, 32, 90 f.; Heidkamp, It’s all over now, 30.
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Die Musik, die lässige Art der Diskjockeys, die objektive Qualität der Nachrichten aus aller Welt, das war neu und aufregend und gab uns das Gefühl, es geht wieder aufwärts, wir schaffen das, wir sind ein Teil der neuen Welt.9
Dies galt übrigens nicht nur für Publikum in den Westzonen, sondern auch für etliche ostdeutsche Hörerinnen und Hörer. Der amerikanische Militärrundfunk hatte etwa dem Ost-Berliner Hans Meinel Kraft gegeben und ihn von einem anderen Leben träumen lassen, denn: „Die Freiheit konnte man hören.“ Meinel nennt AFN als eine der Hauptantriebsfedern dafür, seine kommunistisch gewordene Heimat zu verlassen.10 Viele Deutsche setzten die US-Besatzungsmacht und ihren Rundfunksender mit den Vereinigten Staaten gleich. „Wir können Amerika empfangen!!“, hatte sich zum Beispiel Günter Kunert gefreut, als er zum ersten Mal AFN Berlin hörte.11 Natürlich wussten Kunert und andere Hörer, dass dem nicht so war, doch das Gefühl „AFN ist Amerika“ blieb bei den meisten bestehen. Eine deutsche Zeitung zitierte 1949 aus dem Brief eines Studenten an AFN Munich: „Ihre Sendungen sind interessant und kurzweilig, modern und konzentriert. Eine kleine aber farbige und aufschlußreiche Illustration des amerikanischen Lebens.“12 Auf die Frage, welches Image sie mit dem Militärrundfunk verbanden, geben deutsche AFN-Hörer der ersten Generation rückblickend Antworten wie „Demokratie & Freiheit“, „Modernes Leben“, „Heile und Freie Welt“ oder „Bessere, neue, weite Welt, heile, schöne, erstrebenswerte Welt“. Es ist auffällig, dass das deutsche Bild von AFN häufig älteren Vorstellungen über die USA entsprach. Wer den Militärsender gerne hörte, fand in dessen Programm vor allem positive Aspekte dieser Amerika-Projektionen, bei denen es um Begriffe wie Neue Welt, Freiheit, Wohlstand und Fortschritt ging. Andere Deutsche schalteten AFN eher selten ein, erlebten dann aber die Bestätigung ihres negativen USA-Bildes, das von Themen wie fehlender Zivilisation, Massenkultur, Materialismus und Dekadenz geprägt war.13 Das für deutsche Ohren ungewohnte amerikanische Englisch trug dazu bei, die auf die USA und AFN projizierten Sehnsüchte und Abneigungen zu verstärken. Bis dahin hatten der Schulunterricht und englischsprachige Rund9 10
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Adam/Hilkenbach, Das Lebensgefühl einer ganzen Generation, 42. Fragebogen Hans Meinel (Jg. 1938). Siehe auch die Fragebögen Günter Lulay (Jg. 1930), Peter Gruhn (Jg. 1934) und Frau aus der Mark Brandenburg (Jg. 1937). Vgl. Horst Fust, Rock around the clock, in: Welt, 29. Juni 1994. Siehe auch Merkel, Eine andere Welt; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 43 ff., 48–51, 58–67; Schnoor, Das gute und das schlechte Amerika. Kunert, Erwachsenenspiele, 96. Carl Nützel, Dreihunderttausend Melodien, in: Neue Zeitung, 14. Mai 1949. Fragebögen Mann aus Berlin (Jg. 1933): „Modernes Leben“, Günter Lulay (Jg. 1930): „Demokratie & Freiheit“, H.-W. Nahme (Jg. 1932): „Heile und Freie Welt“ und Dieter Salemann (Jg. 1935): „Bessere, neue, weite Welt, heile, schöne, erstrebenswerte Welt“. Vgl. Greiner, „Test the West“, 4 f., 9 f.; Gassert, Gegen Ost und West; Krakau, Zwischen alten Stereotypen und neuen Realitäten; Maase, BRAVO Amerika, 41–61.
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Die Hörerschaft
funkprogramme europäischer Radiosender britisches Englisch in Deutschland zum Standart werden lassen. Das strengen Regeln unterworfene BBCEnglisch war vielen deutschen Hörerinnen und Hörern daher nicht nur vertraut, dessen Wortwahl und Aussprache galten auch als „richtig“ und wurden mit Bildung und Kultiviertheit verbunden. Dementsprechend einfach konnten negative Urteile über die Wortbeiträge auf AFN angedeutet werden. Kritiker wiesen zum Beispiel darauf hin, dass deutsche Hörer „Amerikanisch“ nicht verstünden oder sie beschrieben die Moderationen auf eine Weise, die Wertungen wie trivial oder unseriös nahelegten. Erst in späteren Jahren wurden allerdings Meinungen aus dieser Zeit veröffentlicht, in der zum Beispiel offen über Nachrichten in „breitem, nölendem Amerikanisch“ gelästert wurde. Das deutsche Publikum des Militärrundfunks registrierte die Unterschiede ebenfalls, beurteilte sie aber meist positiv. Viele empfanden die Aussprache und den Tonfall der amerikanischen Sprecher als angenehm, da sie in ihren Ohren weniger steif und bevormundend klangen als Moderationen im öffentlichrechtlichen Rundfunk. (Dies galt sowohl für die BBC als auch für deutsche Sender.) Etliche waren auch fasziniert von den verschiedenen US-Akzenten. Solche Eindrücke der Lockerheit, Vielfalt und Toleranz passten wiederum zu ihren Amerika-Vorstellungen.14 Die Englischkenntnisse des deutschen AFN-Publikums waren ganz unterschiedlich. Einige Hörerinnen und Hörer beherrschten die fremde Sprache exzellent, viele Heranwachsende waren aber erst dabei, sie zu erlernen. Einige berichten zum Beispiel, dass sie auch Sendungen verfolgten, von denen sie nur Bruchteile verstanden. So wollten sie ihr Englisch verbessern und konnten an Radiobeiträgen teilhaben, die sie spannend fanden und für „modern“ und „typisch amerikanisch“ hielten. Hörer der ersten Generation erinnern sich etwa an die schnellen Schaltungen zu AFN-Korrespondenten im „Report from Europe“ oder an interessante und neuartige Soundeffekte bei Hörspielen. Ein 1935 geborener Berliner antwortete schriftlich auf die Frage, ob er auch Wortsendungen auf AFN gehört habe: „Operation Paperchase (Krimi), Nachrichten und Wetter (= wenig verstanden, aber es klang so gut!)“. Diese Aussage deutet das für das Radiohören so typische Zusammenspiel von Inhalten, Klang und Gefühlen an. Wichtig war also nicht nur, was AFN sendete, sondern auch, was deutsche Hörerinnen und Hörer daraus machten.15
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Beim AFN in Dahlem, in: Radio Revue, 14.–20. Oktober 1951; Werner Sikorski, Ein bißchen AFN bleibt Berlin, in: Welt, 29. Juni 1994: „Die in breiten, nölendem Amerikanisch verlesenden Nachrichten […]“; Karlheinz Gaffkus, AFN – so stellten junge Leute sich die Freiheit vor, in: Berliner Morgenpost, 16. Juli 1994; Heinz Ohff, Musik macht aus Soldaten Zivilisten, in: Tagesspiegel, 18. September 1994; Gespräch mit Friedrich P. Kahlenberg, 18. November 2000. Gespräch mit Günter Grull und H.-W. Nahme, 2. Februar 2002; Fragebögen Peter Gruhn (Jg. 1934) und Dieter Salemann (Jg. 1935) (Zitat). Siehe auch D. H., Welle Ther-
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Das AFN-Publikum der Flakhelfer-Generation setzte seine durch den Militärrundfunk verstärkten Bilder von den USA und die amerikanische Musik gegen unerwünschte deutsche Traditionen wie Autoritätsgläubigkeit oder militärisch geprägte Zackigkeit. Ihre Vorstellungen blieben aber eher vage und durchaus deutsch, denn in der Praxis standen sie der amerikanischen Besatzungsmacht oft skeptisch gegenüber. In der unmittelbaren Nachkriegszeit kritisierten auch sie US-Soldaten zum Beispiel für materielle Verschwendung oder sexuelle Beziehungen mit deutschen Frauen. In ihren Urteilen über bestimmte Verhaltensweisen oder Vorlieben von GIs differenzierten sie meist stärker als andere Deutsche, die Unterscheidung in „wir“ und „sie“ blieb aber gewahrt. Begeisterte Swing- und Jazzfans berichten etwa, dass sie die Kleidung der amerikanischen Szene imitierten, aber zum Beispiel weniger grelle Farben oder Muster wählten. Andere wünschten sich zwar lockere Umgangsformen, waren beim persönlichen Kontakt mit Amerikanern aber zum Beispiel von deren breitbeinigem Sitzen oder Kaugummikauen irritiert. Nur wenigen wurde bewusst, dass es sich dabei nicht nur um kulturelle Unterschiede handelte. Die überwiegend städtisch geprägten und gut gebildeten AFN-Hörer der ersten Generation stellten in Deutschland eine kleine Minderheit dar. Von der amerikanischen Armee hätten sie ebensowenig erwarten dürfen, dort ausschließlich auf Menschen mit ähnlichem sozialen Hintergrund und entsprechenden Vorlieben zu stoßen. Doch nur wer viele verschiedene Amerikaner kennen lernte oder besonders enge Beziehungen pflegte, dem erschloss sich die normale Heterogenität der US-Gesellschaft.16 Auch um 1930 geborene Frauen gehörten zur Hörerschaft von AFN. Ihre Empfindungen für dessen Programm deckten sich zum Teil mit denen gleichaltriger Männer. Als junge aufstrebende Schauspielerin bewegte sich zum Beispiel Hildegard Knef in einem ähnlichen sozialen Milieu wie der bereits mehrfach zitierte Oliver Hassencamp. Auch sie erinnerte sich an Partys mit AFN-Musik und daran, wie Glenn Miller aus dem Autoradio ihr und ihren Begleitern vor einer sowjetischen Grenzkontrolle Mut gab. Die Protektion der Alliierten ging in beiden Fällen über Einladungen zu Festen und geschenkte Lebensmittel hinaus. Beide waren „alliiert liiert“, doch für Frauen und Männer galten unterschiedliche moralische Maßstäbe. Und so musste sich Hildegard Knef wie viele andere Deutsche für ihren amerikanischen Liebhaber (und späteren Ehemann) anfeinden lassen. Bei Schmähungen wie Amiliebchen, Frollein oder Hure kam es meist gar nicht darauf an, warum die Frauen sich auf die Beziehung mit einem Besatzer eingelassen hatten. Die Gründe waren vielfältig und reichten von Prostitution über die Möglichkeit zum
16
malbad, in: Heidelberger Tageblatt, 5. Juli 1956; Adam/Hilkenbach, Das Lebensgefühl einer ganzen Generation, 43. Gespräch mit Günter Grull, 2. Februar 2002; Werner Schlierf, in: Radio Star, Karnick/ Richter (AV). Vgl. Bude, Unser Amerika, 47; Hassencamp, Der Sieg nach dem Krieg, 66, 68, 101, 143, 149 ff., 167–170; Maase, BRAVO Amerika, 33.
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Überleben bis zu echter Liebe. Die Kontakte regten die Frauen meist dazu an, sich mit der fremden Sprache und Kultur auseinanderzusetzen, und viele schalteten dafür den Militärrundfunk ein. Dies zeigte sich bereits bei einer Umfrage im Juli 1945 im Hessischen: „One young lady listens to AFN because her American soldier boy-friend likes it.“17 In vielen Köpfen koppelte sich hernach das Interesse von Frauen an amerikanischen Dingen mit einem moralisch zweifelhaften Verhältnis zu US-Soldaten. Daher konnte es für Frauen aus dieser Generation auch leicht etwas Anrüchiges haben, wenn sie sich zu ihrer Vorliebe für den US-Militärrundfunk bekannten. Noch im Jahr 1960 hielt es eine Münchnerin für angemessen, bei ihrem Lob für AFN und die Amerikaner darauf hinzuweisen, dass ihre Freundschaft zu den USA nach Kriegsende entstanden sei und moralisch einwandfreie Wurzeln hätte: „Then I started working for the Americans without being an ‚Ami-fraulein‘.“ Die Frau betonte zudem, dass ihr vor allem AFN-Sendungen mit klassischer Musik gefielen. Und auch damit zeigte sie, wie sehr ihr Lebenswandel bürgerlichen Vorstellungen entsprach.18 In den ersten Jahren nach dem Krieg hielten sich deutsche Veröffentlichungen mit Wertungen über AFN zurück, betonten aber die Andersartigkeit des amerikanischen Radioprogramms. 1946 etwa lobte ein Journalist die „Lebendigkeit der Sendungen“ von AFN und beschrieb, wie kurz die meisten seiner Beiträge seien. Seiner Meinung nach schien das „akustische Kaleidoskop“ des Militärrundfunks deutsche Hörerinnen und Hörer aber eher zu verwundern denn zu gefallen.19 Um ihre Abneigung gegenüber dem amerikanischen Sender und seinem Programm auszudrücken, nutzten Autoren oft mehrdeutige Formulierungen und schützende Anführungszeichen. Dies zeigte sich etwa in einem Artikel von Günther Schwarberg über AFN Bremen, der Ende der vierziger Jahre mit der Schlagzeile „‚Irrenhaus‘ der Jazzmusik“ erschien. Die Überschrift nahm Bezug auf den Titel der lokalen Sendung „Bedlam in Bremen“, wobei der Autor sich einer veralteten und abwertenden Übersetzung von bedlam bediente. Die Mitarbeiter von AFN machten zwar bisweilen ähnliche Witze, hatten bei der Benennung des Programms aber die spielerisch gemeinte Bedeutung Tollhaus, Tumult oder Aufruhr im Sinn. Durch das Schlagwort Jazz nutzte der Journalist zudem negative Konnotationen, die viele Deutsche mit dieser Musik verbanden (vergleiche Kapitel 11). Im Artikel konkretisierte er 17 18
19
Intelligence Section, Opinion Surveys Unit, ICD, USFET: Radio Listening in Hessen-Nassau, 28. August 1945, 5, Box 1, Info Div u. a. 1942–1946, Historical Div, USFET, RG 338, NACP. Frau Clara Kurz, Munich, A Friend Speaks Up (B Bag), in: Stars and Stripes, 8. Mai 1960 (Zitat). Siehe auch Hassencamp, Der Sieg nach dem Krieg, 33, 101, 135, 143, 167–170, 178 f.: „alliiert liiert“ (178); Knef, Der geschenkte Gaul, 111 f., 114, 126. Vgl. etwa Domentat, Amis in Berlin, 39 f.; Goedde, GIs and Germans, XXI f.; Höhn, GIs and Fräuleins, 126–154. Kajo, Berlin im USA-Soldatensender, in: Telegraf, 18. Juli 1946.
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solche Ressentiments gegen amerikanische Musik und lässt in der Sendung „die wildesten Rhythmen, die ‚schrägsten‘ Songs und ‚verrücktesten‘ JazzImprovisationen ‚in die Luft gehen‘“. Schwarberg attestierte den AFN-Beiträgen, dass sie „bunter, lebhafter und lauter“ als die deutscher Stationen seien und hielt dies für typisch amerikanisch. Während er diesen Unreife und Kindlichkeit zuschrieb, verband er Deutsche vor allem mit „gutem Geschmack“ und Hochkultur. Bereits zu Beginn des Artikels betonte er etwa, dass die tägliche Klassik-Sendung von AFN eine deutsche Stammhörerschaft hätte und dort auch viel deutsche Musik gespielt würde. Zwar erwähnte er später auch kurz die deutschen Zuschriften für die Bremer Wunschsendungen mit Unterhaltungsmusik, unterschlug dabei aber „Bedlam in Bremen“, das er ja als „‚Irrenhaus‘ der Jazzmusik“ bezeichnet hatte. Auf diese Weise konnten deutsche Autoren sich von AFN und amerikanischer Populärkultur distanzieren, ohne die Besatzer beziehungsweise Verbündeten direkt zu kritisieren.20 In zunehmendem Maße rückten die musikalischen Beiträge von AFN ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung. Im Jahr 1949 bescheinigte zum Beispiel ein Autor der Neuen Zeitung dem Militärsender ein „kurzweiliges, abwechslungsreiches Programm“ und beschrieb es in einem atemlosen Duktus: Reportagen, Bekanntmachungen, Sportberichte, Nachrichten, Interviews, Humor. Und dazu Musik, immer wieder Musik umrahmend, untermalend, Musik in jeder Form, vom ungebändigten Jazz bis zur straffen Symphonie, vom heimatlichen Volkslied bis zum sentimentalen „I love you“-Song.21
Der Autor schilderte zwar noch die Vielfalt und Unterschiedlichkeit des AFNProgramms, zeigte sich aber vor allem von der Musik beeindruckt. In den folgenden Jahren befassten sich Zeitungsartikel immer weniger mit den Informations- und Bildungssendungen des Militärrundfunks und auch die Bandbreite der Musik wurde meist nur noch kurz erwähnt. Obwohl sich am Angebot von AFN kaum etwas geändert hatte, konzentrierte sich die deutsche Berichterstattung immer stärker auf dessen unterhaltende Anteile. Als typisch erscheint etwa eine Reportage in der Radio Revue über AFN Berlin aus dem Jahr 1951. Dessen Autor übersetzte American Forces Network für seine Leserschaft mit „Amerikanische Truppenbetreuung – durch Unterhaltung“ und stellte dessen Sendetag als laufendes Musikband vor, das nur selten von Nachrichten oder Mitteilungen unterbrochen werde. Letztere seien aber allein für amerikanische Soldaten von Interesse, die „zahlreichen Comicshows“ auf AFN für Deutsche zudem unübersetzbar. Und so kam der Autor im letzten Absatz seines Artikels zu folgendem Fazit:
20 21
Günther Schwarberg, „Irrenhaus“ der Jazzmusik, in: Nordsee-Zeitung, 23. April 1949 (Zitate). Siehe auch Kurt Stubbe an AFN Bremerhaven, 26. Februar 1993, 10-5a AFN Bremerhaven (SFPA-AFN-BH), AFN Historical File; Rumpf, Music in the Air, 113. Carl Nützel, Dreihunderttausend Melodien, in: Neue Zeitung, 14. Mai 1949.
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Die Hörerschaft Ein „Programm“ dieses Senders: Nein, das gibt es nicht. Es ist einfach – eine Musikbox, und Sie brauchen an Ihrem Empfänger nur auf den Knopf drücken (und die richtige Welle einstellen), dann spielt ihnen diese Box alle trüben Gedanken aus dem Hirn.22
Die Bezeichnung von AFN als Musikbox überrascht ein wenig, wenn man bedenkt, dass die Radio Revue das Programm des Militärsenders für jeden Tag in Kurzform abdruckte und dabei Sendungen mit verschiedenen Musikrichtungen sowie zahlreiche Wortbeiträge auflistete. Mit seiner selektiven Wahrnehmung von AFN entsprach der Autor aber letztlich einer Meinung, die inzwischen in Europa weit verbreitet war.23 Dieses Bild vom amerikanischen Militärsender stimmte mit dem Anfang der fünfziger Jahre in der Bundesrepublik herrschenden Kultur- und Rundfunkverständnis überein. Es berief sich auf abendländische Traditionen und griff auf bürgerliche Formen zurück, die sich auch in der Programmgestaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zeigten. Das Radio hatte demzufolge vor allem bildende und erzieherische Aufgaben. Auch unterhaltende Beiträge durften nicht einfach die Vorlieben der Mehrheit des Publikums abbilden, sondern sollten dazu beitragen, dessen „Geschmacksniveau“ zu heben. In den Musikredaktionen wurden daher etliche aktuelle Schallplatten gleich aussortiert, andere durften nur eingeschränkt gespielt werden. Letzteres galt zum Beispiel beim Süddeutschen Rundfunk für Schlager, die den internen Vermerk „Lieschen Müller“ bekommen hatten. Mit solchen Maßnahmen wollten die Verantwortlichen verhindern, dass sich die sogenannte Massenkultur weiter ausbreitete, die sie vor allem durch Importe aus den USA gestärkt sahen. KinoFilme, Comic-Hefte oder populäre Musik galten vielen als Essenz amerikanischer Kultur und diese Überzeugung engte auch den Blick auf den US-Militärrundfunk immer stärker ein. Und so nahmen Kritiker der Populärkultur bei AFN vor allem massenwirksame Beiträge wahr und beschrieben sie etwa als seichte Musik und oberflächlichen Klamauk. Die regelmäßigen Hörerinnen und Hörer des Senders bestätigten dies insofern, als dass sie sich tatsächlich besonders von dessen Unterhaltungsmusik und lockeren Moderationen angezogen fühlten. Genau diese Elemente vermissten sie bei deutschen Rundfunkstationen und waren damit nicht allein. In Bezug auf die Musik gab ihnen nämlich selbst der Autor der Radio Revue recht: „Aber es ist nicht zu leugnen: daß dieser AFN eine fühlbare Lücke im deutschen Rundfunkprogramm angenehm schließt.“24 Viele junge und ältere Hörerinnen und Hörer fanden ihre Unterhaltungswünsche im Angebot der heimischen Anstalten nicht hinreichend erfüllt. Der amerikanische Sender war allerdings nur für wenige eine Alternative, denn die fremde Sprache und Kultur schreckte die meisten ab. In 22 23 24
Beim AFN in Dahlem, in: Radio Revue, 14.–20. Oktober 1951. Siehe etwa Clifford Davis, It’s bounce that does it!, in: Daily Mirror, 14. März 1953; Peter H. Wagner, AFN – kleinster Sender Europas, in: Das freie Wort, 6. März 1954. Beim AFN in Dahlem, in: Radio Revue, 14.–20. Oktober 1951.
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dieser Zeit konnten AFN und sein kleines deutsches Publikum also nicht ernsthaft den Glauben an das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem und dessen Programmgestaltung schmälern.25 Offizielle Bemühungen um gute Nachbarschaft Die US-Streitkräfte bemühen sich an allen Garnisonsorten um gute Beziehungen zu zivilen Nachbarn. Diese Aufgabe ist an Stützpunkten in den Vereinigten Staaten mitunter schon recht anspruchsvoll und wird in einem fremden Staat mit anderer Sprache und Kultur nicht einfacher. Die Bundesrepublik war für die USA inzwischen zu einem wichtigen Verbündeten in Europa geworden. Daher war das Militär verpflichtet, das Verhältnis zwischen beiden Ländern zu pflegen, und AFN beteiligte sich an vielen offiziellen Aktivitäten der Streitkräfte. Anlässlich der ab 1950 einmal im Jahr begangenen deutschamerikanischen Freundschaftswoche tauschte der Sender zum Beispiel einige Male mit deutschen Rundfunkanstalten Moderatoren aus. Das Foto eines AFN-Discjockeys mit einer Ansagerin des Hessischen Rundfunks findet sich in erstaunlich vielen Veröffentlichungen des Senders. Es sollte als anschaulicher Beweis dafür dienen, wie sehr sich AFN für die deutsch-amerikanischen Beziehungen einsetzte. Die Erfüllung dieses militärischen Auftrags sollte Mitte der fünfziger Jahre auch ein Schaubild mit der Überschrift „AFN Promotes German-American Relations“ zeigen. Es zählt Wohltätigkeitsaktivitäten von AFN-Mitarbeitern auf und deren Engagement in deutsch-amerikanischen Clubs oder in Amerikahäusern. Daneben stehen Programm-Inhalte des Senders, unter anderem „German customs & traditions“, „Sightseeing in Germany“ oder „Classic German music“.26 25
26
Siehe etwa HICOG, Office of Public Affairs, Reactions Analysis Staff: Germans View the Voice of America. II. Some Technical Factors in VOA Listenership, Report No. 97, Series No. 2 (nachf. zit. als HICOG, Germans View the VOA), 31. August 1951, Privatarchiv Axel Schildt. Vgl. etwa Dussel, Der Streit um das große U, 258–272; Lersch, Das Hörfunkprogramm, 95–100, 151 f.; Maase, Vom Schreckbild zum Vorbild, 573 f., 579; Merritt/Merritt (Hg.), The HICOG Surveys, 132; Schildt, Lieschen Müller als untaugliches Objekt kultureller Veredlung. MG D. Noce, C/S, EUCOM, an MG F. L. Parks, C/Info, DA, 18. August 1950, Box 347, Class File 1950, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP; Comments Proposed For General Bolte, S&S-AFN Meeting 24. September 1953, Anlage zu C/AFIED an C-in-C, 23. September 1953, 000.76 Vol. II, Box 2, Gen Corr 1953, SGS, USAREUR, RG 338, NACP; AFN Promotes German-American Relations, Druckvorlage, o. D. [1956], AFN Historical File. Siehe auch Hunt Downs, Net Reviews, in: AFN Weekly Digest, 8. August 1953: „good neighbor gimmick“. Vgl. Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 45 f. Zum Moderatorenaustausch siehe etwa William W. Marsh, AFN, Rundfunk DJ’s Trade Shows, in: Guardian, 17. Mai 1957; UP, Der Hessische Rundfunk […], in: Frankfurter Rundschau, 5. Mai 1958; This Is … AFN (AFN-Eigenpublikation); Sp5 Jim Schulze and Hanna Pheil [sic] […], in: Chronicle, 8. Mai 1959;
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Die Hörerschaft
AFN-Beiträge über Deutschland wirkten tatsächlich auf die Hörerschaft beider Nationalitäten. Im Rahmen des Truppenschulungsprogramms erklärte AFN den GIs zum Beispiel ihre Rechte und Pflichten in der Bundesrepublik und rief sie zu vorbildlichem Verhalten oder ehrenamtlichem Engagement auf. Darüber hinaus sollten Programme wie „This Is Germany“, „Sprechen Sie Deutsch?“ oder „Take a Tour“ die Soldaten anregen, sich mit der deutschen Sprache und Kultur zu beschäftigen und das Land zu bereisen. Diese Beiträge boten dem amerikanischen Publikum zahlreiche praktische Tipps und entsprachen inhaltlich meist ihren Erwartungen von Deutschland als einem Land mit jahrhundertealten Orten, bunten Volksfesten und freundlicher Gemütlichkeit. Auch vielen deutschen Hörerinnen und Hörern gefiel das Bild, das solche Sendungen transportierten. Sie waren nicht selten stolz auf die ältere Geschichte und die kulturellen Errungenschaften Europas und ihnen schmeichelte es, dass sich Amerikaner dafür interessierten. Indirekt konnte der Militärrundfunk damit auch der weitverbreiteten Meinung entgegenwirken, nach der die meisten GIs unkultiviert seien und nur wenige Kenntnisse über hiesige Traditionen hätten. Zusätzliche Sympathien konnte das US-Militär dadurch gewinnen, dass sich einzelne Soldaten oder ganze Einheiten an der „Brauchtumspflege“ beteiligten. AFN berichtete dann zum Beispiel über amerikanische Bands bei deutschen Volksfesten und engagierte sich bisweilen auch selbst. Im Jahr 1957 etwa stellte AFN Munich einen Wagen bei einem Münchner Faschingszug, und auch das Hauptquartier mischte jahrelang beim Höchster Schlossfest oder im Frankfurter Karneval mit.27 Mit viel Lokalpatriotismus schrieben deutsche Zeitungen, wenn AFN zum Beispiel über eine Ausstellung in ihrem Ort berichtete oder einheimische Künstler in seinem Programm auftraten. Das Höchster Kreisblatt etwa kommentierte die Aufnahmen mit einem Chor aus dem Frankfurter Stadtteil im Jahr 1954 mit den Worten:
27
Say It With Music, ebd., 5. Mai 1961; Freundschaftlich, in: Offenbach Post, 3. Mai 1962; German D-J Appears On AFN, in: Chronicle, 4. Mai 1962; G-A D-J’s Trade Shows, in: SACom Scene, 10. Mai 1962; Joachim Andrae, AFN – Stimme guter Nachbarschaft, in: Bayerische Staatszeitung, 18. Oktober 1963; AFN 1943–1973 (AFN-Eigenpublikation), 12. Siehe etwa Dept of State, O of Intelligence Research: Factors Adversely Affecting the Acceptance of U. S. Troops in Europe, 11. Oktober 1951 (Intelligence Report No. 5627), Box 347, Dec File 1949–1954, TIED, C/Info, C/S, USA, RG 319, NACP. Siehe auch H. Krammer, Der Himmel lacht zum Münchner Faschingszug, in: Süddeutsche Zeitung, 4. März 1957; AFN’s Float’s „Cats“ Draw More Cats, in: SACom Scene, 8. März 1957; ech, Die „Force de Papp“ des AFN, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Februar 1967; ke, Oberst vor Verhaftung, in: Frankfurter Neue Presse, 15. Februar 1968; dixi, Heiße Musik und kalte Schneebälle, in: Frankfurter Rundschau, 18. Februar 1969. Zum Engagement beim Höchster Schlossfest siehe Kapitel 6. Vgl. Höhn, GIs and Fräuleins, 67 f.; Merritt/Merritt (Hg.), The HICOG Surveys, 151 ff., 207 f., 238 f.
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Man muß es wohl als eine besondere Auszeichnung werten, wenn der amerikanische Soldatensender AFN das Höchster Männerquartett „Liederkranz“ bat‚ einige deutsche Weihnachtslieder in sein Mikrofon zu singen, die über alle Soldatensender in Europa ausgestrahlt werden sollen.28
Auch hier stimmten eigene und fremde Stereotype trefflich überein. Die einen fanden es toll, europaweit aufzutreten und dem US-Publikum deutsche Kultur in Form von Weihnachtsliedern nahebringen zu können. Für amerikanische Hörerinnen und Hörer passten solche Traditionen der „Alten Welt“ gut zu Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern. Besonders in dem gerade angeführten Fall musste der Militärrundfunk keinen großen Aufwand betreiben. Der Höchster Liederkranz probte nämlich im Gasthaus „Zur Goldenen Rose“, dem Stammlokal vieler Mitarbeiter der AFN-Zentrale.29 Auch das Klassik-Programm von AFN sollte bei der amerikanischen und deutschen Hörerschaft einen positiven Eindruck hinterlassen. Da Deutschland und andere europäische Länder in der Wahrnehmung vieler Amerikaner ohnehin für historische Traditionen und Beiträge der Hochkultur standen, unterstrichen AFN-Aufnahmen mit dem Bremer, Münchner oder Wiesbadener Symphonieorchester die Klassik-Kompetenz des Senders beim US-Publikum. Viele Europäer registrierten wohlwollend, dass der Militärrundfunk „ernste Musik“ brachte und dabei auch Aufnahmen mit einheimischen Orchestern oder von den Salzburger Festspielen präsentierte. Vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit äußerten sich deutsche Hörerinnen und Hörer mit einer gewissen Genugtuung darüber, dass „ihre Symphonieorchester“ es in das Rundfunkprogramm der Sieger geschafft hatten. Das bestätigte unter anderem die in Deutschland verbreitete Auffassung, den Verbrechen der NS-Zeit und dem verlorenen Krieg die Errungenschaften eines „alten Kulturvolks“ entgegenhalten zu können. Und auch in späteren Jahren hielten es viele Deutsche (und anderes Gastpublikum) für ausgemacht, dass Europäer den Vertretern der „Neuen Welt“ auf dem Gebiet der klassischen Musik überlegen waren. Mit der Präsentation von Klassik auf AFN waren sie häufig unzufrieden. Sie kritisierten, dass der Sender vor allem musikalische Highlights brachte und kaum ganze Symphonien. Der Militärrundfunk folgte damit dem Prinzip, seine Inhalte unterhaltsam aufzubereiten und dadurch möglichst große Teile seiner Hörerschaft anzusprechen, selbst wenn diese klassische Musik mehrheitlich nicht mochten. Deutsche Kommentatoren bewerteten dieses Vorge-
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Amerikanischer Soldatensender beim Liederkranz, in: Höchster Kreisblatt, 16. Dezember 1954. Siehe etwa AFN to Broadcast „Old World“ Christmas Activities, in: WACom Courier, 17. Dezember 1954; Perkeo bei Amerikanern, in: Heidelberger Tageblatt, 26. Januar 1956; AFN wirbt für Ottheinrich, in: Heidelberger Amtsanzeiger, 15. Juni 1956; American Forces Network Slates Eastertide Program, in: Chronicle, 19. April 1957; AFN mit deutschem Programm, in: Frankfurter Rundschau, 24. Dezember 1957.
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Die Hörerschaft
hen mitunter als „Verstümmelung“ oder sahen darin gar „das wahre Gesicht amerikanischer Kulturbarbarei“.30 Auch etliche Amerikaner teilten solche Kritik am Programm von AFN. Sie bedauerten zutiefst, dass die USA im Ausland vor allem mit Populärkultur in Verbindung gebracht wurde und machten den Militärrundfunk dafür mitverantwortlich. Wie in Kapitel 10 beschrieben, schämten sie sich zum Beispiel für die Country-Musik oder Seifenopern auf AFN und hätten den Sender am liebsten nur noch „kulturell wertvolle“ und erzieherisch wirkende Beiträge ausstrahlen lassen. Für Vertreter dieser Ansicht zählten vor allem Bildung und Hochkultur, wozu auch klassische Musik gehörte. Viele bewunderten die scheinbar ungebrochenen Traditionslinien des „Abendlandes“ und hegten diesbezüglich nicht selten einen Minderwertigkeitskomplex gegenüber den ach so kultivierten Europäern. Als gesellschaftliche Minderheit vermochten sie nicht, die Grundsätze des US-Militärrundfunks zu ändern. Da sie jedoch häufig zur militärischen Führung gehörten oder an einflussreichen zivilen Stellen saßen, konnten sie kleine Akzente setzen. Sie sorgten zum Beispiel dafür, dass die Siebte Armee ein Symphonieorchester unterhielt, das sich in der amerikanischen Kulturdiplomatie der fünfziger Jahre engagierte. Als Sender der Streitkräfte übertrug AFN Konzerte des Seventh Army Symphony Orchestra und ähnliche Aktivitäten im Bereich der klassischen Musik. Auch mit anderen Programmen wollte der Militärrundfunk dazu beitragen, den Europäern die USA als ein Land der Hochkultur zu präsentieren. So produzierte AFN etwa im Jahr 1958 eine Sendereihe mit Stücken nach anspruchsvollen Literaturvorlagen und nahm sie vor einem überwiegend deutschen Publikum im Münchner Amerikahaus auf. Solche Bemühungen waren aber nur zum Teil erfolgreich, denn das europäische Publikum hörte vor allem das, was es hören wollte. Junge Leute schalteten AFN überwiegend für populäre Musik ein, für die meisten anderen blieben die Vereinigten Staaten eine unkultivierte Nation.31 30
31
Zit. n. Hoppe, AFN Berlin, 126. Siehe auch Bremen Philharmonic Aired, in: AFRS Playback, 12. November 1945; 10.000 Names Expected On AFN Petition, in: Bremen Port Commander, 1. März 1946; Die Münchner Philharmoniker […], in: Radiowelt, 30. März 1947; Klassische Musik, in: Nachtausgabe, 9. April 1953; Dieter Döllken, Wehrdienst mit dem Mikrofon, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Februar 1957; Wolfram Schütte, E, Äf, En, in: Frankfurter Rundschau, 6. Juli 1993. Vgl. Hassencamp, Der Sieg nach dem Krieg, 34: „altes Kulturvolk“; Höhn, GIs and Fräuleins, 62 f.; Pells, Not Like Us, 181; Potter, Klassische deutsche Musik in den Vereinigten Staaten; Resch, Musik; Riller, Funken für die Freiheit, 168 f.; Schildt, Zwischen Abendland und Amerika, 167–195. Siehe etwa 7th Army Baritone to Sing on German Radio, in: Stars and Stripes, 27. Februar 1953; EMs Show Germans American Talent, in: Guardian, 13. November 1954; Musicales Open Summer Season, in: Chronicle, 24. Juni 1955; Paul Moor, Military Orchestra 7th Army Symphony Win’s Europe’s Respect, in: New York Times, 5. Februar 1956; AFN’s 2nd „Playhouse 55“ Show Set For Amerika Haus Today, in: SACom
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Auch die Mitarbeiter des US-Außenministeriums wurden auf die zahlreichen europäischen Hörerinnen und Hörer des Militärrundfunks aufmerksam und ließen diese zumindest stichpunktartig untersuchen. Laut solcher Umfragen bewegten sich die Zahlen für das deutsche AFN-Publikum außer in WestBerlin im einstelligen Prozentbereich. Dies deckt sich in etwa mit den im vorigen Kapitel erwähnten Studien und erscheint für den Bevölkerungsdurchschnitt durchaus plausibel.32 Im direkten Vergleich zur Voice of America konnte der Militärrundfunk nicht durch hohe Einschaltquoten, sondern vor allem durch seine Glaubwürdigkeit punkten. Etliche Deutsche misstrauten nämlich dem offiziellen Propaganda-Sender der USA und auch den Stimme Amerikas-Programmen, die deutsche Radiostationen bis in die fünfziger Jahre ausstrahlen mussten. Dem Militärrundfunk glaubten sie hingegen viel eher, denn ihn hörten sie gewissermaßen „heimlich“. Hier sendeten Amerikaner für Amerikaner und die, so die Annahme, würden einander nicht anlügen. Aus diesem Grund hielten etliche Deutsche AFN für die wahre „Stimme der USA“, die ihnen einen authentischen Eindruck von den Vereinigten Staaten vermitteln konnte.33 Die Mitarbeiter von AFN waren auf ihren Ruf als vertrauenswürdiges Informationsmedium stolz und erwähnten ihn bei jeder passenden Gelegenheit. Anders als die Propagandasender würden sie das wahre Gesicht Amerikas zeigen – „warts and all“ – also mit allen Fehlern und Schwächen. Kapitel 9
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Scene, 7. November 1958. Vgl. Höhn, GIs and Fräuleins, 62 f.; Pells, Not Like Us, 85 ff., 177–181, 236–243; Poiger, Commentary, 46; Poste/Spahn, The Germans Hail America; Riller, Funken für die Freiheit, 167 f.; Schildt, Zwischen Abendland und Amerika, 173 f., 184; Schildt/Siegfried, Deutsche Kulturgeschichte, 188; Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg, 226–232; Zink, The United States in Germany, 241. Siehe etwa HICOG, Germans View the VOA, 31. August 1951, Privatarchiv Axel Schildt; Am Embassy, O of Public Affairs, Research Staff: Radio Diary Study in West Germany and West Berlin May 1954, Report No. 204, Series No. 2, 29. November 1954, ebd.; Am Embassy, Radio Diary Study 1955. Report No. 235, 15. Juni 1956, ebd.; USIA, Listening to Foreign Broadcasts in Six Countries of Western Europe, December 1964, Research Report R-224-64, Box 6, „R“ Reports 1964–1974, Office of Research, USIA, RG 306, NACP. Vgl. Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 44; Craig, American Forces Network, 44; ders., Military Broadcasting, 316; Merritt/Merritt (Hg.), The OMGUS Surveys, 69 f, 140 ff., 219 f.; Schildt, Moderne Zeiten, 469. Fragebogen Mann aus Berlin (Jg. 1929): „Stimme der USA“. Siehe auch Karin Thimm, Sie haben ihn sicher auch schon gehört, in: Neue Zeitung, 4. Juli 1953; Walter Sheppard, AFN at Work, in: Saturday Review, 13. Oktober 1956; Arthur J. Olsen, Raising America’s Ratings in Europe, in: New York Times, 24. August 1958; Martin Amode, Amerikas Stimme – gern gehört, in: Süddeutsche Zeitung, 2. November 1960; Jack Gould, A Voice That Europe Trusts, in: New York Times, 17. April 1966. Vgl. Bayless, American Forces Network, 164–167; Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 46; Craig, American Forces Network, 33 f.; ders., Military Broadcasting, 314; Feibusch, The Armed Forces Radio and Television Service (unveröff.), 98–101; Schildt, Moderne Zeiten, 253 ff. Siehe hierzu auch Kapitel 4.
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Die Hörerschaft
hat jedoch gezeigt, dass einige „Warzen“ auch beim Militärrundfunk nicht allzu stark ausgeleuchtet und bisweilen ganz abgedeckt wurden. Denn auf Anweisung der militärischen Führung oder auf Anraten des Außenministeriums spielten die Redakteure heikle Themen wie zum Beispiel Kriminalität oder Rassenkonflikte herunter. Dies geschah auch und besonders bei Problemen im Europäischen Befehlsbereich. Die Verantwortlichen hatten dabei das amerikanische Publikum im Blick, aber auch deutsche Hörerinnen und Hörer. Letztlich sollten die USA und ihre Streitkräfte auf dem Militärsender so dargestellt werden, dass Unruhe in der Truppe vermieden und die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht gestört wurden. Das zumindest etwas geschönte Bild, das AFN vom Westen verbreitete, fiel seiner Hörerschaft in der Regel nicht auf und konnte daher unbewusst wirken. Dies lag auch daran, dass sich die differenzierten Grautöne in der Berichterstattung des Militärsenders stark von der Schwarz-Weiß-Malerei der Voice of America unterschieden (von den ebenso vereinfachenden und teilweise bewusst falschen sowjetischen RadioBotschaften ganz zu schweigen).34 Wie in den Kapiteln 4 und 9 bereits dargestellt wurde, war die Versuchung für amerikanische Regierungsstellen groß, die Hörerschaft der Militärsender mit heimlicher Propaganda zu versorgen. Inhaltlich nahm das Außenministerium immer wieder Einfluss auf die Berichterstattung von AFN. Nicht alle Redakteure waren darüber glücklich, doch letztlich waren die meisten militärischen Verantwortlichen damit einverstanden, auch weil sie die politischen Einschätzungen des Ministeriums teilten. Innerhalb der Streitkräfte war zudem der große Aufwand umstritten, den AFN zeitweilig für seine Informationsprogramme betrieb. Vor allem im Zuge von Sparmaßnahmen wurde dem Sender nahegelegt, enger mit der Voice of America zusammenzuarbeiten. Was auf technischem Gebiet klappte, sollte doch auch auf inhaltlicher Ebene möglich sein, so die gänzlich unjournalistische Denkweise. Wieso müsse AFN etwa zu bestimmten Ereignissen eigene Korrespondenten schicken, wenn er die Berichterstattung der VOA kostenlos übernehmen könne? Die ProgrammVerantwortlichen wiesen in solchen Fällen darauf hin, dass die Sender unterschiedliche Zielgruppen hätten und amerikanische Soldaten keiner Auslandspropaganda ausgesetzt werden sollten. Nicht immer waren solche Proteste erfolgreich. Aus den Wochenberichten des Senders für das Jahr 1959 geht etwa hervor, dass AFN zum Teil eng mit Mitarbeitern des Außenministeriums zusammenarbeitete und zudem einige Informationsprogramme von der VOA 34
Siehe etwa Vince Lambrose, in: American Forces Network (AV): NWDNM(m)-111-LC-34613; Arthur J. Olsen, Raising America’s Ratings in Europe, in: New York Times, 24. August 1958; AFN Beams Truth Throughout the Continent, in: Balog Banner, 16. Mai 1962; AFN History Project Questionnaires Daniel Allen, Harold Kelley. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 107; Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 45 f.; Craig, Military Broadcasting, 311 f., 314–318; Eisfeld, Als Teenager träumten, 130; White, The New Resistance to International Propaganda, 545.
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übernahm. Dies betraf auch aktuelle Themen wie die Berichterstattung über die internationalen Konferenzen in Genf im Sommer des Jahres. Die amerikanische Öffentlichkeit diskutierte vor allem die Serie „Today’s Analysis of Events in Washington“, die von der für Auslandsinformation zuständigen Behörde USIA produziert wurde und die von 1963 bis 1967 im Programm der deutschen AFN-Stationen lief. Diese Sendung war nicht nur wegen ihres Inhalts umstritten, sondern auch beim amerikanischen Publikum unbeliebt. Über die Wirkung auf europäische Hörerinnen und Hörer ist bislang nichts bekannt.35 Auch AFN-Programme mit Bezug zu Deutschland waren von Einschränkungen betroffen. Nachdem es die Vereinigten Staaten mit der zumindest teilsouveränen Bundesrepublik zu tun hatten, versorgte die US-Botschaft in Bonn auch die Rundfunksender der Streitkräfte mit einer „host nation sensitivity list“. Dieses Verzeichnis legte fest, was deutsche Hörerinnen und Hörer möglicherweise stören würde und die Senderkette folglich weglassen sollte. AFN hatte zum Beispiel auf Witze über Deutsche und bestimmte Referenzen zum Nationalsozialismus zu verzichten. Dies betraf auch Beiträge, die von AFRS aus den Vereinigten Staaten geliefert wurden. Aus dem Untersuchungszeitraum dieser Arbeit ließen sich keine konkreten Beispiele dafür finden, allerdings warfen AFN-Mitarbeiter viele Schallplatten mit solchen Programmen vor dem Umzug vom Höchster Schloss in die Bertramstraße im Jahr 1966 weg. Aus der Zeit danach gab es einige Platten im Archiv von AFN Frankfurt, die handschriftlich mit dem Kommentar „Restricted in Germany“ versehen waren. Dies betraf etwa einen Sketch der Komiker Hudson und Landry von 1971, in dem ein klischeehafter Deutscher behauptet, dass das Ungeheuer von Loch Ness deutsch sei und von Rudolf Hess nach Schottland gebracht worden wäre. Wie in Kapitel 8 ausgeführt, gab es ähnliche Beschränkungen auch für bestimmte Musiktitel.36 Einige AFN-Mitarbeiter hielten solche Vorschriften für übertrieben, da deutsche Hörerinnen und Hörer viel toleranter wären als vom Außenministerium angenommen. Einige hätten sich sogar Titel wie „Sink the Bismarck“ gewünscht, den AFN als deutschfeindliches Lied nicht spielen durfte. Dies 35
36
Siehe etwa AFN Weekly Info Report 27 April – 3 May 1959, 4. Mai 1959, 250/57 Command Report File, NASL; AFN Weekly Info Report 11–17 May 1959, 18. Mai 1959, ebd.; W. W. Bogie, Editor-in-Chief/AFN, an C/AFN, 15. Mai 1959, ebd.; AFN Weekly Info Report 13–19 July 1959, 21. Juli 1959, ebd. Vgl. Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 46. Siehe hierzu auch Kapitel 9. AFN’s „Record Smashing“ Sparks Stateside Protest, in: Overseas Family, 29. Juli 1966; Jazz Disk Treasures Almost Victim of U. S. Army’s „Smash“ Order, in: Variety, 24. August 1966; AFRTS MISC-498: Hudson and Landry: Hanging In There, Track 1: Loch Ness Monster, AFN Historical File; AFRTS [1256?]: Mike Wallace at Large #22, ebd. Vgl. AFIS/AFRTS, History of AFRTS, 102 f.; Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 34 ff., 47 f.; Christman, Brass Button Broadcasters, 135; Feibusch, The Armed Forces Radio and Television Service (unveröff.), 88–93.
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Die Hörerschaft
mag jedoch vor allem für das zumeist jüngere deutsche Stammpublikum gegolten haben, das den USA ohnehin eher wohlgesonnen war. Andere meldeten sich durchaus zu Wort, wenn sie meinten, dass AFN Grenzen überschritt. Im Sommer 1962 erregte zum Beispiel ein Bericht über die sogenannten Schwabinger Krawalle die Gemüter. Die mehrtägigen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei ereigneten sich in der Nähe von AFN Munich und wurden vom Militärsender mehrfach als Thema aufgegriffen. Auch für die Sendung „Weekend World“ nahm ein AFN-Reporter an einer Demonstration teil, beschrieb die Vorgänge um ihn herum und kommentierte die Härte der Polizei mit Unverständnis. Außerdem interviewte er den amerikanischen Schauspieler James Garner, der ebenfalls vor Ort war, und der die Brutalität der Staatsvertreter mit Verhältnissen in Japan und in der NS-Zeit verglich. Der Radiobeitrag war aus journalistischer Sicht vertretbar, schließlich hatte Garner in einem O-Ton nur seine persönliche Meinung geäußert. Einige Deutsche waren aber anscheinend so empört darüber, dass sich nicht nur der amerikanische Schauspieler für seine Bemerkungen entschuldigen musste, sondern auch AFN und das in München ansässige US-Hauptquartier des südlichen Befehlsbereichs. Ob es die deutsche Polizei bedauerte, dass sie im Verlauf der „Schwabinger Krawalle“ mehrere AFN-Mitarbeiter verletzt hatte, ist übrigens nicht bekannt.37 Vorfälle wie bei den „Schwabinger Krawallen“ kamen nur selten vor, ließen amerikanische Verantwortliche bei ähnlichen Themen aber noch vorsichtiger werden. Der Militärrundfunk erwähnte deutsche Angelegenheiten in verschiedenen Programmen und stellte sie meist neutral bis wohlwollend dar, schließlich war die Bundesrepublik Teil des westlichen Lagers. Daher hatte AFN Mitte der fünfziger Jahre auch den Punkt „news events in Germany“ anführen können, als er nachweisen wollte, wie der Sender die deutsch-amerikanischen Beziehungen förderte. Die Nachrichten über Deutschland hatten meist einen Bezug zur Außen- oder Sicherheitspolitik und waren nur selten ausführlich. Dem amerikanischen Publikum war das recht, weil es sich in der Regel nicht sonderlich für deutsche Themen interessierte. Indem der Sender kaum über innere Angelegenheiten des Gastlandes berichtete, konnte er sich aus vielen Kontroversen heraushalten. In späteren Jahren wurde dies sogar Vorschrift, denn es ersparte den Amerikanern Unannehmlichkeiten mit deutschen Interessensgruppen oder offiziellen Stellen der Bundesrepublik. Inwieweit Letztere die Berichterstattung von AFN verfolgten, konnte nicht abschließend geklärt werden. Im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung wurde der Mi37
Zu den „Schwabinger Krawallen“ siehe etwa: hr, In amerikanischer Sicht, in: Süddeutsche Zeitung, 25. Juni 1962; Wilhelm Saekel, Schwabinger Sommerspiele, ebd., 26. Juni 1962; AFN Staffers Clubbed During Munich Riots, in: Overseas Weekly, 1. Juli 1962; Thomas C. Lucey, Those Voices You Keep Hearing …, in: Overseas Family, 5. Juli 1963. Siehe auch Christman, Brass Button Broadcasters, 146 f.; Fürmetz (Hg.), „Schwabinger Krawalle“; Provan, The AFN Story, 46; Zilling, AFN (unveröff.), 89 f.
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litärsender bis in die achtziger Jahre hinein ausgewertet, dies scheint aber wohl nur sporadisch und auf einer inoffiziellen Ebene geschehen zu sein. Bisweilen meldete sich die Behörde aber auch bei AFN, im Jahr 1968 etwa wegen einer Meldung über die deutsche Notstandsgesetzgebung. Dabei ging es um die Bemerkung, dass diese Gesetze der Bundesregierung praktisch diktatorische Vollmachten gäben. Telefonisch und schriftlich wandte sich daraufhin ein Mitarbeiter des Bundespresseamtes an den Leiter der AFN-Nachrichtenredaktion und erläuterte ihm freundlich, aber ungemein ausführlich den Standpunkt der Bundesregierung.38 Hielten sich die AFN-Redakteure der Informationsprogramme bei deutscher Innenpolitik also eher zurück, verhielt es sich bei positiven deutsch-amerikanischen Themen genau umgekehrt. Wie andere Militärmedien berichtete AFN möglichst umfassend über binationale Kooperationen, also etwa kleine Nachbarschaftshilfen oder respektable (!) Freundschaften. Und natürlich spielte die Senderkette eine wichtige Rolle, wenn es um offizielle Veranstaltungen der German-American Friendship beziehungsweise der deutsch-amerikanischen Freundschaft ging. Denn viele US-Militärs, deutsche Amtsträger oder deutsch-amerikanische Clubs wollten ihre Bemühungen um gute Beziehungen zwischen den amerikanischen Truppen und der einheimischen Bevölkerung schließlich öffentlichkeitswirksam inszenieren. Auch die Jubiläen von AFN boten immer wieder Anlass, das gute deutsch-amerikanische Verhältnis rituell zu beschwören. Der Militärsender ließ sich dann nicht nur von externen Beobachtern gern als „Brücke zwischen zwei Völkern“ loben, sondern führte seine inoffizielle Botschafterrolle auch in eigenen Beiträgen an. Deutsch-amerikanische Interessenskonflikte schafften es hingegen nur selten ins AFN-Programm. Wie in Kapitel 9 gesehen, spielten die Nachrichten Probleme beim Zusammenleben von US-Streitkräften und Deutschen herunter oder ließen sie ganz weg.39
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AFN Promotes German-American Relations, Druckvorlage, o. D. [1956], AFN Historical File; VLR Schlagintweit, Aufzeichnung Betr. AFN-Bericht über die Notstandsgesetzgebung, 21. Mai 1968, 238/80-3 IV, 6443, B 145, BA; Paul Dinnessen, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, an die Autorin, 24. August 2001. Vgl. Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 42 f.; Ferchow, „American Forces Network“ (unveröff.), 73. Siehe etwa German Boy’s Dream Fulfilled – Gets on Show, in: SACom Scene, 19. Juni 1959: „This is another example of German-American cooperation which is characteristic of this area.“; AFN Will Air Weekly News of G-A Doings, ebd., 29. Januar 1960; American Forces Network Airs G-A Friendship Week, ebd., 22. April 1960; Martin Amode, Stimme Amerikas – gern gehört, in: Süddeutsche Zeitung, 2. November 1960: „eine Brücke zwischen zwei Völkern“. Vgl. Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 8. Siehe auch Alvah, Unofficial Ambassadors, 38, 60, 90, 103 f., 123 f.; Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 42 f.; Höhn, GIs and Fräuleins, 52–84.
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Die Hörerschaft
Für das amerikanische AFN-Publikum gehörte diese Vorgehensweise zu den „normalen“ Erziehungsbemühungen seines Arbeitgebers, die es etwa auch aus Bereichen wie Disziplin, Sparsamkeit oder Verkehrssicherheit kannte. Viele Soldaten machten Witze über das offiziöse Getöse um die deutsch-amerikanische Freundschaft und reklamierten zum Beispiel ihre sexuelle Beziehung zu einer Einheimischen ironisch als „fine example of G-A Friendship“. Und selbst Robert Cranston soll im Jahr 1960 bei seinem ersten Auftritt als Chef von AFN zu Höchster Bürgern gesagt haben: „Zum Teufel mit der deutsch-amerikanischen Freundschaft. Das Gerede macht mich krank. Wir sind Freunde und brauchen das nicht jedes Jahr neu zu betonen und zu bekräftigen.“40 Die ausführliche Berichterstattung des Senders über alle offiziellen Bemühungen um die bilateralen Beziehungen blieb trotzdem bestehen. Kritik daran wurde überwiegend mündlich geäußert, ab Ende der fünfziger Jahre gab es aber auch einige in Zeitungen veröffentlichte Beschwerden. Angehörige der Militärgemeinschaft waren zunehmend von der ihnen auferlegten Rolle als Botschafter ihres Landes genervt, und oftmals fühlten sie sich deswegen eingeschränkt oder gegenüber Deutschen zurückgesetzt.41 Reaktionen älterer Deutscher auf das Radioprogramm von AFN Auf deutscher Seite wurden die amerikanischen Bemühungen um gute Beziehungen überwiegend positiv bewertet. Der Militärrundfunk stellte die Bundesrepublik und das deutsch-amerikanische Verhältnis positiv dar und ließ vieles weg, das an konkrete Probleme erinnern konnte. Mitunter klangen die Sendungen, in denen AFN seiner GI-Hörerschaft Deutschland erklärte oder zu vorbildlichem Benehmen aufrief, allerdings für einheimische Ohren befremdlich. Deutsche wunderten sich zum Beispiel darüber, wie wenig Wissen oder Verantwortungsgefühl der Militärrundfunk bei seinem Publikum voraussetzte. Vor allem die Beiträge in Werbespot-Form waren ungewohnt und viele deutsche Hörerinnen und Hörer fanden sie witzig oder auch unfreiwillig komisch. Die meisten unterstellten dem amerikanischen Sender aber gute Absichten und lobten ihn für seinen Beitrag zur Völkerverständigung. Wie ein roter Faden ziehe sich „das Bemühen um Verständnis für deutsche Probleme, ja sogar eine freundliche Zuneigung“ durch das Programm von AFN, stellte 1958 etwa ein Journalist der Pfälzischen Volkzeitung fest.42 Zwei Jahre später 40 41 42
ech, Ein Freund kam „über den Teich“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. November 1967. The Editor ’s Notebook, Good Will Is a Two-Way Street, in: Overseas Weekly, 24. Mai 1959; Name Withheld by Request, G-A Friendship (Letter to the Editor), ebd., 15. Mai 1960; Everybody Forgot V-E Day, ebd., 13. Mai 1962. Siehe hierzu auch Kapitel 10. AFN Kaiserslautern zum 5. Geburtstag: „Weiter so!“, in: Pfälzische Volkszeitung, 13. Dezember 1958.
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beschrieb eine Frau mittleren Alters aus München, wie sie sich nach dem Krieg von einer Feindin der Amerikaner zu einer Freundin gewandelt habe. Vor allem AFN hätte ihr dabei geholfen: „Its stations show their friendship with music and blameless behavior.“43 Konkret führte die Münchnerin Klassik-Sendungen und Beiträge mit leichter E-Musik an. Damit war diese Frau typisch für diejenigen deutschen Hörerinnen und Hörer, die nicht dem bisher beschriebenen, überwiegend jungen AFN-Publikum entsprachen.44 Dieser Gruppe von Deutschen lag die Rolle der USA als Schutzmacht oder Verbündeter am Herzen, obwohl sie zum Teil große Ressentiments gegenüber den Vereinigten Staaten und populärer Kultur hegten. Wie der Brief der Münchner Hörerin zeigte, konnten aber auch sie bei AFN Beiträge finden, die ihnen gefielen und in ihren Wertekanon passten. Neben reinen KlassikSendungen gehörte dazu zum Beispiel das Programm „Music in the Air“. Die Sendung lief lange Jahre zwischen 19 und 20 Uhr, brachte eingängige Instrumentalmusik und verhalf etwa dem Moderator John Vrotsos („Johnny V“) zu einiger Bekanntheit. „Music in the Air“ war für etliche Deutsche jenseits des Jugendalters eine entspannende Alternative zu den anspruchsvollen Wortsendungen, die auf vielen heimischen Stationen in diesem Zeitraum kamen. Ähnliches galt bisweilen am Wochenende oder an Feiertagen. Denn der US-Militärrundfunk war auch „Zuflucht derer, denen die schwere Festtagskost der deutschen Sender nicht behagt“, wie es die Pfälzische Volkszeitung formulierte.45 Und so wurde AFN dann selbst in solchen Familien eingeschaltet, in denen „Ami-Mist“ ansonsten verpönt war. Im Laufe der fünfziger Jahre bekam AFN in Deutschland also auch jenseits seiner überwiegend jungen Stammhörerschaft soziale Anerkennung. Zum einen repräsentierte der Sender den wichtigsten militärischen Bündnispartner, zum anderen galt er immer mehr als Experte für angenehme Radiounterhaltung.46 43 44 45 46
Frau Clara Kurz, Munich, A Friend Speaks Up (B Bag), in: Stars and Stripes, 8. Mai 1960. Vgl. etwa Bill Russell, „Fan Letter“ Pans Russell, in: American Weekend, 22. August 1959; Haig Simonian, US Forces Network tunes into a wider public, in: Financial Times, 27. August 1987. AFN Kaiserslautern zum 5. Geburtstag: „Weiter so!“, in: Pfälzische Volkszeitung, 13. Dezember 1958. Siehe auch Werner Kienzle, Die Jugend hört lieber American Forces Network, in: Stuttgarter Zeitung, 10. Januar 1958. Im Jahr 1949 ließ die Voice of America beim US-Militär anfragen, ob AFN „Music in the Air“ nicht zeitlich verlegen könne. Die Sendung sei nämlich so populär bei Deutschen, dass diese das VOA-Parallelprogramm nicht einschalteten. COL O. McCormick, C/A-AF TI&E, EUCOM, an C/S, 27. Juni 1949, Box 127, Dec File 1949, C/S, EUCOM, RG 338, NACP. Zur Sendung „Music in the Air“ siehe auch Kapitel 8. Zur Popularität von AFN bei älteren Deutschen siehe etwa HY, Das wächserne Herz von AFN kann vier Jahre lang schlagen, in: Abendpost, 15. April 1955; AFN Most Popular With Berliners, in: Variety, 22. Juni 1955; Gernot Brümmerstädt, This is AFN – the American Forces Network!, in: Wildente, Mai 1956; ach, Lieber AFN, mein Mann soll zurückkommen, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 3. Juli 1958; Gute Laune zwischen
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Ein Zeichen für den zunehmenden Respekt gegenüber AFN war dessen Vereinnahmung durch gesellschaftlich etablierte Deutsche. Mit unterschiedlichen Formulierungen, aber gleicher Intention, betonten Zeitungsartikel nun, dass der US-Militärrundfunk „in gewissem Sinne auch ein ‚deutscher Sender‘ geworden“ sei.47 Ein solches „Deutschtum ehrenhalber“ wurde ganz unterschiedlich begründet. Neben der Beliebtheit von AFN bei vielen heimischen Hörerinnen und Hörern wurden vor allem dessen freundschaftlicher Umgang mit dem Gastpublikum und seine grundsätzlichen Sympathien für die Bundesrepublik angeführt. Auch bekannte Moderatoren wie Bill Hickinbotham oder George Hudak wurden medial eingemeindet, nachdem sie sich erfolgreich um eine erneute Dienstzeit beim Militärrundfunk in Deutschland bemüht hatten. Dieser Trend bedeutete allerdings nicht, dass die Vorbehalte gegenüber Massenkultur, Moderne und allem Amerikanischen gewichen wären, wie die mehrdeutige Bemerkung einer Journalistin über die Atmosphäre bei AFN Munich aus dem Jahr 1959 verdeutlichen kann: „Von der verpönten amerikanischen Hast ist bei AFN nichts zu spüren, schon viel eher etwas von gesunder amerikanischer Lässigkeit oder – was nach fast 13 Jahren kein Wunder wäre – von bayerischer Gemütlichkeit.“48 Das Lob für den Militärrundfunk erscheint zwiespältig, weil es mit einem Urteil über das angebliche Tempo des amerikanischen Lebens verbunden ist. Es zeigt jedoch, dass AFN bisweilen selbst die bayerische Mia-san-mia-Mentalität überwinden konnte. Die anhaltende Ambivalenz vieler deutscher Beobachter gegenüber dem amerikanischen Sender konnte sich übrigens an fast allem festmachen. In einem Artikel aus dem Jahr 1953 hieß es etwa zu dessen weithin bewunderten Programm-Archiv: „Der AFN tut also im wahrsten Sinne des Wortes das, was man bei uns gern als ‚typisch amerikanisch‘ bezeichnet: er lebt aus Konserven. Die Konserven sind in seinem Fall Tonbänder und vor allem große Schallplatten.“ 49
47
48 49
Mailand und Bukarest, ebd., 25. Oktober 1961; teha, Seine Freunde wissen es schon lange: Beim AFN liegt Musik in der Luft, in: Heimat-Rundschau für Zuffenhausen, Stammheim, Zazenhausen, 19. Januar 1963; Wolfgang Sandner, Sweet Home Rödelheim, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. März 2003. AFN Kaiserslautern zum 5. Geburtstag: „Weiter so!“, in: Pfälzische Volkszeitung, 13. Dezember 1958. Vgl. etwa K. M. Saekel, AFN. Der Sender ohne Pausezeichen ist sehr beliebt, in: Radio-Wochenschau der Sonntags-Post, 12.–18. Juli 1953; Peter H. Wagner, AFN – kleinster Sender Europas, in: Das freie Wort, 6. März 1954; Valeska Dietrich, Frolic nicht nur um fünf. Fünfzehn Jahre AFN Berlin, in: Tag, 31. Juli 1960. Christl Maerz, Glenn Miller aus der Kaulbachstraße, in: Münchner Merkur, 1. April 1959. K. M. Saekel, AFN. Der Sender ohne Pausezeichen ist sehr beliebt, in: Radio-Wochenschau der Sonntags-Post, 12.–18. Juli 1953 (Zitat). Siehe auch Schallplatten-Jockey Bill Hickinbothom […], in: Funk-Illustrierte, 10.–16. Juni 1956; Heimweh nach München, in: Hören und Sehen, 17.–23. Juni 1956; ach, „Jetzt stecke die Frankforter unser Schloß an“, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 7. Juli 1958; He Covered Hollywood Night Life But Prefers AFN Berlin, in: Radio and TV Review, 21. August 1959; Valeska Dietrich, Frolic nicht nur um fünf, in: Tag, 31. Juli 1960. Vgl. Höhn, GIs and Fräuleins,
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In vielen Gegenden war AFN für Deutsche auch als lokale Radiostation attraktiv. Manchmal geschah dies vor allem auf symbolische Weise, etwa bei den Anlagen, die der Militärrundfunk nur zur Verbreitung eines überregionalen Programms benutzte. Doch selbst über einen solchen Verstärkersender wie AFN Fulda freuten sich viele Einheimische, denn der Radiosender brachte ihnen und ihrer Stadt zumindest Prestige. Bei AFN-Einrichtungen mit eigenem Programmpersonal wie beispielsweise in Heidelberg kam durch die lokale Berichterstattung für deutsche Hörerinnen und Hörer sogar ein praktischer Nutzen hinzu. Dies galt umso mehr für Standorte wie Bremerhaven oder Kaiserslautern, an denen AFN große Studiosender unterhielt und die regelmäßig Informationen aus der Region verbreiteten. Ähnliche Schwerpunkte auf dem Lokalen waren im Programm des öffentlich-rechtlichen Hörfunks meist nicht vorgesehen. Daher bemerkte ein Journalist der Pfälzischen Volkszeitung zum fünften Jubiläum von AFN Kaiserslautern etwa: „Da kann es sogar vorkommen, daß der US-Sender ausführlicher über Lauterer Ereignisse berichtet als die deutschen Sender“.50 Das Lob der AFN-Lokalnachrichten kam nicht ohne Seitenhieb auf heimische Rundfunkanstalten aus. Wie so viele Kommentare zum Militärrundfunk verfolgte auch dieser Artikel mehrere Absichten. Zum einen würdigte er die Leistungen der amerikanischen Journalisten bei der Lokalberichterstattung und rief ihnen in der Überschrift sogar ein anerkennendes „Weiter so!“ zu. Andererseits kritisierte er damit aber auch das deutsche Hörfunkangebot und forderte indirekt eine größere Berücksichtigung der Region.51 Eine besondere Rolle spielte AFN in Berlin, denn spätestens seit der Blockade hatten sich Amerikaner und Deutsche dort auch emotional verbündet. Die USA engagierten sich stark in der „symbolischen Hauptstadt des Kalten Kriegs“, und viele Berliner nahmen die kulturellen Angebote ihrer wichtigsten Schutzmacht wahr. Im Rundfunkbereich zum Beispiel behauptete sich der von den Vereinigten Staaten gegründete RIAS von 1950 bis 1954 an der Spitze der West-Berliner Hörergunst und wurde erst danach vom neuen deutschen Sender Freies Berlin abgelöst. Laut diesen Untersuchungen erreichten die Einschaltquoten der Militärsender AFN und BFN vergleichsweise niedrige Werte, lagen aber etwa in den Jahren 1953 und 1954 bei zusammen 15 Prozent. AFN Berlin kam den amerikanischen Vorstellungen einer kleinstädtischen Radiostation sehr nahe, da er eine höchst überschaubare US-Militärge-
50 51
32; Hoppe, AFN Berlin, 119–122, 125. Zum Thema Konserven siehe auch Wildt, Technik, Kompetenz, Modernität, 91 f. AFN Kaiserslautern zum 5. Geburtstag: „Weiter so!“, in: Pfälzische Volkszeitung, 13. Dezember 1958. Ebd. Vgl. Lauterer Soldatenfunk-Jubiläum gefiel allen, ebd., 15. Dezember 1958. Siehe auch fk, Der Rundfunksender Fulda steht in der Buttlarstraße, in: Fuldaer Volkszeitung, 26. März 1955; Heidelbergs Stimme im AFN-Funk, in: Heidelberger Amtsanzeiger, 13. Juli 1956. Vgl. Badenoch, Voices in Ruins, 162–218.
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Die Hörerschaft
meinschaft zu versorgen hatte. Der Sender bemühte sich um einen möglichst engen Kontakt zu seinem amerikanischen Publikum, auch damit dessen Bedürfnisse nicht in der Masse deutscher Wünsche untergingen. Als AFN Berlin im Jahr 1955 sein zehntes Jubiläum feierte, kamen 75 Prozent der Hörerbriefe von Deutschen, zwanzig Prozent von Briten und nur fünf Prozent von Amerikanern. Viele Berliner meldeten sich wohl auch telefonisch, so dass AFNMitarbeiter in den Geburtstagsartikeln von Lokalzeitungen darum baten, sich zukünftig nur noch schriftlich zu melden.52 Für die Amerikaner blieb die intensive Zuneigung der Berliner für „ihren AFN“ eine Gratwanderung. In Reden zu dessen zehntem Jubiläum betonten zwei US-Generäle zwar, dass ihre Soldaten das Zielpublikum des Senders wären. Gleichzeitig lobten sie AFN Berlin aber auch dafür, dass er für die Vereinigten Staaten werbe und gut für die deutsch-amerikanischen Beziehungen sei. AFN gehörte zu den kontrollierbaren Kontakten zwischen Militär und Zivilbevölkerung und erwies sich als guter Sympathieträger für die US-Streitkräfte. Vor allem die lokalen Programme von AFN Berlin fanden im Laufe der fünfziger Jahre immer mehr deutsche Anhänger und zu besonderen Anlässen ging der Sender damit auch an die Öffentlichkeit. 1959 und 1960 etwa feierte die Berliner Station ihren Geburtstag mit „Frolic at Five“-Programmen vom Wittenbergplatz. Während dort genügend Raum für die vielen Zuschauer war, platzte das Amerikahaus bei einer ähnlichen Veranstaltung aus allen Nähten, und auch bei einem „Tag der offenen Tür“ wollten Tausende von Berlinern das Innere des kleinen AFN-Sendehauses in Dahlem sehen. Die US-Streitkräfte wiesen Angehörige der amerikanischen Militärgemeinschaft in Berlin immer wieder auf die spezielle Situation in der „Frontstadt“ hin und forderten von ihnen besonders viel Geduld und vorbildliches Verhalten. Bisweilen platzte einigen aber trotzdem der Kragen. „Who’s Occupied?“, fragte ein Leserbriefschreiber im Jahr 1961 und beschwerte sich etwa darüber, dass Massen von West-Berliner Besuchern amerikanische Veranstaltungen stürmten.53 52
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The GI’s Network, in: Weekend, 3. Juli 1948; Berlin Broadside, in: AFN Weekly Digest, 13. Juni 1953; AFN Most Popular With Berliners; Yanks Rate 3d Via Request Letters, in: Variety, 22. Juni 1955; D. D., Bei den Platten-Jockeis in Dahlem, in: Telegraf, 5. August 1955; „Music in the Air“, in: Tag, 5. August 1955; East Germans Flip Over U. S. Music In AFN-Berlin Coup, in: Variety, 2. Mai 1956; Valeska Dietrich, Frolic nicht nur um fünf, in: Tag, 31. Juli 1960. Siehe auch Herbst, Demokratie und Maulkorb, 200; Pells, Not Like Us, 70: „symbolic capital of the Cold War“; Schäfers, „In Berlin war eben überhaupt nichts unpolitisch“. Für Literaturangaben zum RIAS siehe Einleitung. AFN-Berlin Celebrates 10th Anniversary, in: Berlin Observer, 5. August 1955; AFN Receives Big Boost in Local Papers, ebd., 12. August 1955; F. H., Gestern nachmittag um 17 Uhr hatte die AFN-Sendung „Frolic at Five“ 14. Geburtstag, in: BZ, 8. August 1959; Alex, Beim AFN gibt’s Elvis-Presley-Haare. Am 13. April 100 000. Sendestunde, o. O. [Zeitung aus Berlin], o. D. [1960], AFN Historical File; Leonie Holz, Der AFN-Captain war fassungslos. Kleine Völkerwanderung aus Anlaß des 15jährigen Bestehens – Besucher warteten Stunden, in: Tagesspiegel, 5. August 1960; HWF, Die Gratulanten
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Mehr als in anderen deutschen Städten wurde AFN in Berlin von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Die lokalen Medien nahmen nicht nur Anteil an Jubiläen und Senderumbauten, sondern berichteten auch häufig über Moderatoren, die bei ihrer Leserschaft beliebt waren. Viele Lokalpolitiker und Bürger verfolgten zudem die vor Ort produzierten Programme und nutzten sie als eine Art Orakel dafür, wie sich ihre wichtigste Schutzmacht zukünftig verhalten würde. Die Amerikaner waren sich dessen durchaus bewusst. In Krisensituationen wurde daher nicht nur die aktuelle AFN-Berichterstattung kontrolliert, mitunter sollten auch Veranstaltungen der lokalen Militärgemeinschaft für Monate im Voraus angekündigt werden. Dies sollte dem deutschen Publikum signalisieren, dass die Vereinigten Staaten West-Berlin keinesfalls im Stich lassen würden. In vielen Berliner Familien wurden daher regelmäßig die AFN-Nachrichten und gefällige Programme wie „Music in the Air“ eingeschaltet. Und selbst die von aktueller Pop-Musik dominierten Wunschsendungen hatten nicht nur junge Hörer. Zwanzig Minuten nachdem der Discjockey des Mittagsprogramms „Open House“ im Jahr 1957 darüber geklagt hatte, dass der Teich vor dem Sender unbewohnt sei, brachte ein älterer Mann einen Goldfisch vorbei.54 Doch auch in Berlin mit seinem besonderen Verhältnis zum US-Militär bildeten junge Hörerinnen und Hörer die Mehrheit des deutschen AFN-Publikums. Noch immer zog der amerikanische Sender zahlreiche Heranwachsende an, und dieser Trend verstärkte sich durch das Herausbilden eigener Jugendkulturen etwa durch den Rock ’n’ Roll. Um die Mitte der fünfziger Jahre meldeten sich viele Angehörige der sogenannten Kriegskinder-Generation bei AFN, und das in einem bis dahin nicht gekannten Maße. Wie im vorigen Kapitel beschrieben, schickten sie unzählige Musikwünsche an den Sender und nahmen intensiv Anteil an dessen Programm. Deutsche Beobachter registrierten das starke Interesse Jugendlicher an amerikanischer Populärkul-
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kamen in Scharen nach Dahlem, in: Kurier, 5. August 1960; Name Withheld by Request, Who’s Occupied? (Letter to the Editor), in: Overseas Weekly, 5. März 1961. Vgl. Domentat, Nähe und Distanz, 78–85; dies., Amis in Berlin, 38; Heidenfelder, From Duppel to Truman Plaza, 115 f., 129, 138; Hoppe, AFN Berlin, 120–125. Gunnar Woyth, George Hudak legt die richtigen Platten auf, in: Nacht-Depesche, 24. Dezember 1952; AFN Typewriter Sketch, in: AFN Weekly Digest, 13. Juni 1953; AFN Berlin Praised For Reuter Broadcast, in: Stars and Stripes, 25. November 1953; AFN Most Popular With Berliners; Yanks Rate 3d Via Request Letters, in: Variety, 22. Juni 1955; AFN Receives Big Boost In Local Papers, in: Berlin Observer, 12. August 1955; West Berlin Dailies Laud AFN As Favorite Station on 10th Anni, in: Variety, 17. August 1955; Summary of an article on AFN Berlin appearing in „Blickpunkt“ (Autor: Jürgen Frohner), 6. Juni 1957, AFN Historical File; Dieter Stadach, 4000 Amerikaner in Berlin, in: Tag, 5. Juli 1959; AFN Airs Message, in: Berlin Observer, 23. Dezember 1960. Gespräch mit Jean Vavrin, 25. September 1999. Vgl. „Aktuelle Nachrichten und ein Kultur- und Unterhaltungsprogramm zu bieten“, 36 f.; Alvah, Unofficial Ambassadors, 72; Hoppe, AFN Berlin, 123.
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Die Hörerschaft
tur und reagierten darauf häufig mit Unverständnis oder Ablehnung. Mittlerweile äußerten sich Deutsche auch ganz offen über die „barbarischen Cowboy-Lieder im Rundfunk“, „Neger-Musik“ oder den neuen „aufpeitschenden Über-Rhythmus“. So wie AFN für seine Gegner vorher ohne Rücksicht auf sein tatsächliches Angebot zum Jazz-Sender geworden war, wurde er nun vor allem mit Rock ’n’ Roll in Verbindung gebracht. Selbst Journalisten, die dem Sender eher wohlgesonnen waren, beargwöhnten etwa „modernistische Rock’n-Roll-Exzesse“ und beschrieben das Verhalten seiner jungen Fans eher ironisch. Dann ist etwa von jugendlichen Flegeln oder schwärmenden Backfischen die Rede, die selbst AFN-Mitarbeiter nicht immer ernst nehmen würden. Mädchen und junge Frauen, die den Militärrundfunk hörten, gerieten in diesen Jahren vermehrt in den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit. Sie wurden zum Beispiel als die eifrigsten Briefschreiber an AFN bezeichnet und junge Besucherinnen gehörten zu einem beliebten Motiv bei Artikeln über den Sender.55 In der Berichterstattung zeigte sich häufig, dass Deutsche untereinander weniger um das konkrete Angebot von AFN stritten, sondern über ihre eigenen Vorstellungen von amerikanischer Kultur. In der Frankfurter Neuen Presse zum Beispiel stand 1957 ein Artikel über „Teen-time, Tune-time“, die Jugendsendung von AFN Stuttgart. Gleich zu Beginn des Beitrags drückte der Autor sein Erstaunen über das gute Benehmen und gepflegte Äußere der 16-jährigen Moderatorin des Programms aus: Man ist überrascht, wenn man Glenda Haslam zum erstenmal gegenübersteht – so wenig gleicht die charmante junge Dame dem, was man sich unter einem amerikanischen Teenager vorstellt. Keine blauen Nietenhosen, kein Cowboyhemd, keine ausgetretenen Mokassins – die junge Dame, der man nicht glaubt, daß sie in einigen Tagen erst siebzehn Jahre alt wird, benimmt sich ganz als Lady.56
Glenda Haslam war eine für AFN typische ehrenamtliche Mitarbeiterin. Die wohlerzogene Offizierstochter hatte in der Schule mehrere Jahre Schauspielunterricht gehabt, wollte nach einem Studium in den USA für das Fernsehen arbeiten und zeigte Interesse an guten deutsch-amerikanischen Beziehungen. 55
56
Habe, Off Limits, 476: „barbarischen Cowboy-Lieder im Rundfunk“; D. D., Bei den Platten-Jockeis in Dahlem, in: Telegraf, 5. August 1955; Der Über-Rhythmus, in: Spiegel, 26. September 1956: „aufpeitschenden Über-Rhythmus“; „Örsulla and Wörner“ erobern AFN, in: Bravo, 17. März 1957; Der Sender im Schloß, in: Frankfurter Neue Presse, 4. Juli 1958; Lauterer Soldatenfunk-Jubiläum gefiel allen, in: Pfälzische Volkszeitung, 15. Dezember 1958: „modernistische Rock’n-Roll-Exzesse“; Alex, Beim AFN gibt’s Elvis-Presley-Haare. Am 13. April 100 000. Sendestunde, o. O. [Zeitung aus Berlin] o. D. [1960], AFN Historical File; Valeska Dietrich, Frolic nicht nur um fünf, in: Tag, 31. Juli 1960; M. L. Müller, Eine Station mit Pfiff: 20 Jahre AFN, in: Berliner Morgenpost, 5. August 1965. Henk H. Ohnesorge, Die Funkstunde der Teenager, in: Frankfurter Neue Presse, 15. Mai 1957.
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Ihre Ideen für die Sendung und deren Umsetzung entsprachen den Absichten der Verantwortlichen bei AFN, die sie sehr eigenständig arbeiten ließen. Dies erschien dem deutschen Journalisten erneut bemerkenswert: „Eine Radiostation, die ohne Zögern für junge Hörer eine halbe Stunde ihrer kostbaren Sendezeit zur Verfügung stellt – ohne Gängelei, ohne Belehrung, ohne erhobenen Zeigefinger!“57 In der Tat wäre das in der deutschen Rundfunklandschaft zur gleichen Zeit unvorstellbar gewesen. Was bedeutete AFN für die zweite Generation der deutschen Hörerschaft? Das deutsche AFN-Publikum dieser Jahre schien um einiges selbstbewusster zu agieren als Hörerinnen und Hörer der ersten Generation. In der Alterskohorte der um 1940 Geborenen gab es insgesamt mehr Heranwachsende, die aktuelle amerikanische Unterhaltungsmusik gut fanden als in früheren Jahrgängen und dies galt nicht nur für Rock ’n’ Roll. In gewissem Sinn konnten sie davon profitieren, dass schon gleichaltrige US-Jugendliche die Musik und andere Elemente der Populärkultur dazu genutzt hatten, gegen gesellschaftliche Zwänge aufzubegehren. Etliche junge Leute in den Vereinigten Staaten wollten auf keinen Fall so angepasst und arbeitsam werden wie ihre Eltern. Mit ihren eigenständigen Vorlieben und Verhaltensweisen stellten sie daher zum Beispiel herrschende Geschlechterrollen oder die Sexualmoral in Frage. Damit sorgten sie für hitzige gesellschaftliche Auseinandersetzungen, und nach und nach erstritten sie sich eigene jugendliche Teilkulturen. Denn nach anfänglicher Hysterie um angeblich kriminelle und sittlich verdorbene Heranwachsende setzte sich in den USA eine psychologische Deutung rebellischen Verhaltens bei Jugendlichen durch und führte zu einem pragmatischen Umgang mit den sogenannten Teenagern. Dies wurde dadurch begünstigt, dass die Angehörigen dieser Generation besonders zahlreich waren und als Baby Boomer einen konsumstarken Bevölkerungsteil bildeten. Etliche Unternehmen versuchten, die Wünsche dieser Zielgruppe zu erfüllen. Im Rundfunkbereich beispielsweise entstanden Formate, bei denen unkonventionelle Discjockeys aktuelle Musik präsentierten. Solche Radiosender spielten eine wichtige Rolle im Alltag vieler Jugendlicher, begleiteten sie während einer prägenden Lebensphase und halfen ihnen dabei, eine eigene Identität herauszubilden.58 Die Trends der damaligen amerikanischen Jugendkultur waren nicht einheitlich und blieben umstritten. Auch in der US-Militärgemeinschaft in Deutschland zeigten sich die anhaltenden Kontroversen um die Vorlieben und das Verhalten von Teenagern und dies spiegelte sich in dessen Angeboten wi57 58
Ebd. Douglas, Listening In, 219–255 (besonders 227 f., 241 f, 246 ff., 252 f.); Kurme, Halbstarke, 110–176, 225–242; Maase, BRAVO Amerika, 90–95; Patterson, Grand Expectations, 369–374; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 83 f., 108–113.
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der. AFN zum Beispiel musste berücksichtigen, dass große Teile seines Publikums eine Musikrichtung wie Rock ’n’ Roll nicht nur nicht mochten, sondern als Affront gegen ihr Wertesystem verstanden. Der Militärrundfunk bildete in einem Teil seines Programms die aktuelle musikalische Entwicklung in den USA ab und erfüllte vor allem in seinen lokalen Musik-Programmen die Wünsche von Jugendlichen. Mit Discjockey-Sendungen konnte AFN zumindest teilweise den Rundfunk-Formaten nahekommen, die sich in den Vereinigten Staaten für jugendliche Zielgruppen entwickelt hatten. Bei diesen US-Stationen fanden amerikanische Heranwachsende die Musik, die ihnen gefiel und die ihre Vorstellungen und Erwartungen vom Leben ausdrückte. Beim Radiohören entstand bei Angehörigen dieser Generation oftmals eine virtuelle Gemeinschaft mit den DJs und anderen jungen Hörerinnen und Hörern. Ein ähnliches Gefühl von Geborgenheit unter Gleichgesinnten konnte AFN amerikanischen Teenagern nur höchst eingeschränkt bieten. Denn der Sender musste bei seinem kleinteiligen Vollprogramm für das gesamte US-Publikum bleiben und letztlich dienten alle Sendungen dazu, dass die militärische Zweckgemeinschaft möglichst reibungslos funktionierte. Die im gesamten Programm eingestreuten Aufrufe und Angebote betrafen eben auch die Familienangehörigen der Soldaten und Offiziere und erinnerten sie daran, sich stets konstruktiv und regelkonform zu benehmen.59 Deutsche Heranwachsende erlebten die Situation anders als die US-Teenager und hatten sogar häufig das Gefühl, dass AFN „ihr Sender“ sei. Dies lag zum einen an der selektiven Wahrnehmung des Militärrundfunks in der deutschen Öffentlichkeit. Seit Anfang der fünfziger Jahre galt das US-Radio hierzulande als Musiksender, der mit seinem Angebot vor allem junge Hörerinnen und Hörer anzog. Viele Eltern und Erzieher lehnten seine Unterhaltungsmusik als kulturell minderwertig ab und nahmen außerdem Anstoß an deren amerikanischer Herkunft. Da die meisten Deutschen in dieser Zeit die USA ohnehin mit Jugendlichkeit verbanden, machte dies AFN aus ihrer Sicht vollends zum Jugendsender. Gegen eine solche Deutung hatten viele Heranwachsende nichts einzuwenden, eher war das Gegenteil der Fall: Durch die Ablehnung vieler Erwachsener erschien das Objekt der Begierde noch attraktiver. Außerdem nahm auch das junge deutsche Publikum der fünfziger Jahre AFN oft ebenfalls nur ausschnittsweise wahr. Etliche schalteten nämlich gezielt die Wunschsendungen oder andere Musikprogramme ein und waren an kaum etwas anderem interessiert. Für sie waren die englischsprachigen Ansagen oder kurze Wortbeiträge nur insofern attraktiv, als dass sie authentisch waren und zum amerikanischen Ambiente gehörten. Die fremde Sprache ermöglichte es vielen außerdem, sich gedanklich auszublenden oder bestimmte Inhalte ein59
Douglas, Listening In, 219–255 (besonders 219 f., 229–232, 236, 252–255). Siehe hierzu auch American Graffiti, Lucas (AV). Zum Eindruck der AFN-Spots auf Hörer mit Englisch als Muttersprache vgl. etwa Rawle Knox, Death and Music On Europe’s Radio, in: New York Herald Tribune, 23. September 1962.
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fach zu überhören. Bei längeren wortlastigen Programmen wechselten viele Hörerinnen und Hörer ohnehin oft den Sender oder schalteten das Radio ab. Dies erklärt übrigens auch, warum einige Zeitzeugen aus der Generation der um 1940 Geborenen AFN als Radiostation in Erinnerung behielten, die rund um die Uhr ausschließlich Musik für Jugendliche gebracht habe.60 Bei vielen jungen Deutschen wurde die Zuneigung zum US-Sender durch verschiedene Hörerlebnisse verstärkt. Erwähnten AFN-Moderatoren deutsche Hörerinnen und Hörer in ihren Programmen, konnte das Publikum davon ausgehen, unter Gleichgesinnten zu sein. Denn in der Regel waren diejenigen, die den US-Militärrundfunk einschalteten, offen für Neues und brachten eine gewisse Affinität zu amerikanischer Populärkultur mit. Deutsche Rundfunkanstalten bedienten zu dieser Zeit solche Vorlieben kaum oder gar nicht. Bei AFN hingegen fanden Jugendliche „ihre Musik“, und diese wurde auf eine für hiesige Verhältnisse bahnbrechende Weise präsentiert. Die Ansagen der jungen, mitunter fast gleichaltrigen Discjockeys schienen sie persönlich anzusprechen und klangen so ungezwungen und fröhlich wie sie selbst gern sein wollten. Da AFN auch Musikwünsche von Nicht-Amerikanern berücksichtigte, konnte das deutsche Publikum sogar das Programm mitbestimmen. Vor allem für junge Hörerinnen und Hörer war es eine neue und ermutigende Erfahrung, gleichberechtigt zu sein und mit ihren Vorlieben ernst genommen zu werden.61 Auf vielfache Weise nutzten deutsche Heranwachsende den amerikanischen Militärsender im Konflikt mit anderen Generationen. Hier sei zum Beispiel an die im vorigen Kapitel geschilderten Streitigkeiten erinnert, wenn es um die Senderwahl am Familienradio ging oder die Lautstärke des Musikhörens am eigenen Empfangsgerät. Mit ihren musikalischen Vorlieben grenzten sich viele Jugendliche von ihren Eltern ab, denn mit der Ablehnung von deutschen Schlagern, Volks- oder Marschmusik stellten sie auch deren Werte in Frage. Inhaltlich stritten die Generationen aber wohl vor allem über die Qualität des Programms oder dessen Herkunft aus den USA. Die Rolle der Eltern in der NS-Zeit kam dabei gelegentlich zur Sprache, führte aber weniger zu ausführlichen politischen Diskussionen, sondern eher zu kurzen Schlagabtau60
61
Siehe etwa Jürgen Karwelat, Heimlich und mit schlechtem Gewissen gehört, in: Tageszeitung, (Berliner Ausgabe), 13. Juli 1994; Tilman Baumgärtel, Moderatoren in Uniform, in: Berliner Zeitung, 7. Januar 2001. Vgl. Maase, BRAVO Amerika, 87 f. Siehe hierzu auch Kapitel 11. Siehe etwa „Örsulla and Wörner“ erobern AFN, in: Bravo, 17. März 1957; km, „Er hat mich immer ‚Maikäfer‘ genannt …“, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 3. Juli 1959; Gute Laune zwischen Mailand und Bukarest, ebd., 25. Oktober 1961. Fragebögen von Frau aus Berlin (Jg. 1943), Frau aus Berlin (Jg. 1945), Christiane Kirchheimer (Jg. 1946), Rainer Siewert (Jg. 1943) und Klaus Sudau (Jg. 1942). Reinhardt Graetz an die Autorin, 26. November 2002. Vgl. Douglas, Listening In, 219, 229 ff., 244 f.; Eisfeld, Als Teenager träumten, 103; Maase, BRAVO Amerika, 73 ff., 83–88.
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Abb. 13: Junge Hörer überhäufen einen AFN-Discjockey mit Zuschriften.
schen wie „Ihr mit Eurem Ami-Gejaule“ – „Und Ihr mit Eurem Hitler!“.62 Etliche Zeitzeugen aus der Generation der sogenannten Kriegskinder berichten, dass ihre Eltern zwar nicht begeistert von ihren Hörvorlieben gewesen seien, sie aber letztlich gewähren ließen. Manchmal hätten seine Eltern ihn zwar ermahnt „Mach Deine Negermusik nicht so laut!“, erinnert sich zum Beispiel der 1941 in Berlin geborene AFN-Hörer und Jazz-Fan Klaus Schwarz, „aber ich durfte!“ In einigen Familien konnten sich die Eltern oder Großeltern sogar für einen Teil der amerikanischen Unterhaltungsmusik begeistern. Die Mehrheit der Jugendlichen zeigte bei ihren musikalischen Vorlieben eine große Bandbreite und tendierte eher der Mitte zwischen Extrempositionen zu. 62
Zit. n. Maase, BRAVO Amerika, 82: „Immer, wenn sie dann kamen und sagten ‚Ihr mit Eurem Ami-Gejaule‘, haben wir halt gesagt: ‚Und Ihr mit Eurem Hitler!‘“. Vgl. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 120; Eisfeld, Als Teenager träumten, 136 f.; Heidkamp, It’s all over now, 9.
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In dieser großen Schnittmenge fanden auch viele aufgeschlossene Erwachsene Titel, die sie akzeptieren konnten oder sogar selbst gut fanden.63 Die Musik von AFN hatte im Leben deutscher Jugendlicher ganz unterschiedliche Bedeutungen. Vielen machte sie vor allem Freude und brachte Schwung und gute Laune in ihren Alltag. Sie konnte etwa beim Aufstehen helfen oder die Langeweile bei den Schularbeiten vertreiben, veranlasste zum lauten Mitsingen oder Tanzen und gab bisweilen Kraft für schwierige Situationen. Das wichtigste an AFN sei für ihn die „Music-Power!“ gewesen, bringt es der 1946 geborene Klaus-Peter Depner auf den Punkt. Auch bei vielen Gesprächen unter Gleichaltrigen ging es um aktuelle Unterhaltungsmusik. Auf dem Schulhof oder im Freundeskreis konnte man als AFN-Hörer nicht nur mitreden, sondern auch mit besonderem Wissen punkten. Denn der Militärsender brachte häufig in Deutschland wenig bekannte Informationen zu Interpreten und Titeln und war dem Trend hierzulande um Wochen oder Monate voraus. Diesen Vorsprung nutzten auch diejenigen aus, die als Amateure selbst Musik machten und sich auf öffentliche Auftritte vorbereiteten. Die verschiedenen Musikrichtungen und Stile ließen es außerdem zu, sich von anderen Heranwachsenden abzugrenzen, wie etwa die Einträge von deutschen Jugendlichen im Gästebuch von AFN Bremerhaven zeigen. Hier verewigten sich Ende der fünfziger Jahre Besucher vom „Jazz-Club Wilhelmshaven“ ebenso wie Country-Anhänger oder Rock ’n’ Roll-Fans aus den verfeindeten Elvis Presley-Pat Boone-Lagern. Dabei konnte es um soziale Unterschiede gehen oder auch um altersbedingte Hierarchien unter Heranwachsenden. An Letztere erinnert sich etwa der Berliner AFN-Hörer Rainer Siewert. In seinem Umfeld hätten vor allem ältere Schulkameraden Sänger wie Frank Sinatra, Harry Belafonte oder die Mills Brothers gehört. Ein Schüler kurz vor dem Abitur erklärte dies dem Jüngeren gleichermaßen knapp und herablassend: „Frank Sinatra verstehst Du erst, wenn Du älter bist.“ Im Rückblick stellt Siewert dazu fest: „Er hatte Recht, und er war der erste von uns, der ein Tonbandgerät besaß.“64 Der Berliner weist damit zugleich auf eine weitere Eigenheit der deutschen AFN-Hörerschaft hin: das Mitschneiden von Musik aus dem Radioprogramm.65 63
64 65
Fragebögen Klaus Schwarz (Jg. 1941) (Zitat), D. Borgmann (Jg. 1938), Rainer Siewert (Jg. 1943), Frau aus Berlin (Jg. 1945) und Frau aus Berlin (Jg. 1948). Siehe auch D. H., Welle Thermalbad, in: Heidelberger Tageblatt, 5. Juli 1956; Bronewski, Aufgewachsen mit amerikanischen Soldaten, 74; Maase, BRAVO Amerika, 103; Siegfried, Time is on my side, 108 f. Rainer Siewert an die Autorin, 14. Februar 2002. AFN Bremen Bremerhaven Guest Register, AFN Historical File; Dieter Stadach, 4000 Amerikaner in Berlin, in: Tag, 5. Juli 1959. Siehe auch Fragebögen Klaus-Peter Depner (Jg. 1946) (Zitat) und Klaus Sudau (Jg. 1942); Reinhardt Graetz an die Autorin, 8. Dezember 2002; Gespräch mit Friedrich P. Kahlenberg, 18. November 2000. Vgl. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 17; Gushurst, Popmusik im Radio, 43; Heidkamp, It’s all
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Die Hörerschaft
Etliche deutsche Musik-Fans nahmen Beiträge des Militärrundfunks mit einem Tonbandgerät auf. Sie schnitten dabei weniger komplette Sendungen mit als vielmehr einzelne Titel; Tonbänder waren teuer. Außerdem versuchten sie, sich Sammlungen ihrer persönlichen Lieblingshits zusammenzustellen. Dies bezog sich zunächst vor allem auf Musikrichtungen wie Jazz oder Country, da diese nur in geringem Umfang in deutschen Plattenläden erhältlich waren. In den fünfziger Jahren kamen aber etwa auch die Fans des Rock ’n’ Roll oder anderer aktueller Unterhaltungsmusik hinzu. Um die entsprechenden Titel mitschneiden zu können, schickte die Fraktion der Sammler auch zahlreiche Musikwünsche an ihren AFN-Lokalsender. Mit zunehmender Vertrautheit waren diese bisweilen sogar mit dem Zusatz versehen, der Discjockey möge doch bitte nicht in den Anfang oder das Ende eines Liedes hereinreden, da sie es aufnehmen möchten. Weil das amerikanische Publikum von AFN seine Musik vor allem in Form von Schallplatten kaufte, war dies ein überwiegend deutsches Phänomen und besonders unter männlichen Hörern verbreitet. Es nahm mit der Zeit noch zu, weil die Technik besser und billiger wurde und immer mehr Menschen Aufnahmegeräte besaßen (ab den sechziger Jahren kamen auch Audiokassetten auf).66 Etliche Jugendliche drückten ihre Vorliebe für amerikanische Musik auch durch ihr Aussehen aus. Ebenso wie amerikanische Gleichaltrige orientierten sie sich meist an den modischen Vorbildern von Schauspielern und Musikern, die sie aus Kinofilmen oder von Fotos in Zeitschriften kannten. Diese posierten zum Beispiel aufreizend lässig in „proletarischen“ T-Shirts und Jeans wie Marlon Brando und James Dean oder trugen wie Elvis Presley Farben und Schnitte, die sich für einen Mann und „Weißen“ in den USA nicht gehörten. Mit der Vorliebe für bestimmte Elemente der amerikanischen Alltagskultur konnten deutsche Jugendliche eigene Vorstellungen ausdrücken und den Widerspruch Erwachsener herausfordern. Dazu bedurfte es oft nicht viel: In den Familien ging es zum Beispiel um die Länge der Haare oder ein bestimmtes Kleidungsstück, das den Nachwuchs zum rebellischen „Halbstarken“ machte. Der Münsteraner AFN-Hörer Karl-Heinz Zeitz erinnert sich: „Es reichte schon, wenn man eine Lederjacke trug. Damit erregte man Aufsehen und musste sich auch auf der Straße dumme Sprüche anhören.“67 Bewusst oder
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over now, 16 f., 30; Maase, BRAVO Amerika, 95–104; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 80, 175. Siehe etwa Jungmann-Wagner, Here is AFN Francfort, in: Transistor, 5. Mai 1964; Infratest, Musik im Hörfunk, 12; Rainer Siewert an die Autorin, 27. November 2002 und 30. Dezember 2002; Hans-Rudolf König, AFN Frankfurt eine Legende, 3. Januar 2009: http://www.myheimat.de/marburg/beitrag/67158/afn-frankfurt-eine-legende. Vgl. Fenemore, Sex, Thugs and Rock ’n’ Roll, 243; Schildt, Moderne Zeiten, 162; Siegfried, Time is on my side, 103–106; Urban, Geschichte der Tonbandaufzeichnung, 13–16; Wicke, Der Tonträger als Medium in der Musik, 73 f. Gespräch mit Karl-Heinz Zeitz (Jg. 1941), 27. Juni 2002 (Zitat). Vgl. etwa Bloemeke, Roll Over Beethoven, 117–122; Bernd Feuerhelm, in: Radio Star, Karnick/Richter
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unbewusst gingen solche modischen Provokationen bei den meisten Jugendlichen mit dem Wunsch nach mehr individueller Freiheit einher. Letztlich führten sie auch zu gesellschaftlichen Veränderungen, sorgten langfristig zum Beispiel für weniger Konformitätsdruck oder wandelten das Verhältnis zwischen Frauen und Männern. Auch die 1944 in Hessen geborene Erika Miller hörte AFN und schätzte amerikanische Mode. Ihre Haare hatte sie oft zu einem Pferdeschwanz gebunden und häufig trug sie Jeans und beispielsweise ein Sweatshirt oder ein Twin-Set in Pastellfarben. Diese hatte ihr die amerikanische Familie besorgt, auf deren Kinder sie gelegentlich aufpasste. „Die amerikanische Kleidung hat mir gefallen, die war wesentlich legerer als deutsche Kleidung. Denn das hieß ja damals Rock und Bluse und war sehr steif “, so Miller.68 Ihre Eltern bekamen später deswegen einen Brief, in dem sich ein Lehrer beschwerte, dass sie nur Hosen trage. Mit ihrem Aussehen unterschied sich die Hessin von braven Mitschülerinnen, für etliche Gleichaltrige wurde sie damit aber zum Vorbild. Mädchen oder junge Frauen, die eine Pferdeschwanz-Frisur und Hosen trugen (oder einen anderen auffällig „modernen“ Modestil pflegten), wurden in einigen zeitgenössischen Berichten über AFN oder seine junge Hörerschaft erwähnt. Auch dies zeigt, wieviel soziales Veränderungspotential darin steckte.69 Anders als Miller besaßen nur die wenigsten Deutschen Original-Kleidung aus den USA. Die Heranwachsenden waren aber erfinderisch, und ähnlich wie in den Vereinigten Staaten gingen nach einiger Zeit auch hierzulande Firmen auf die Modewünsche der Jugendlichen ein. Die Trends, die in Deutschland als amerikanisch galten, mussten auch nicht unbedingt aus den USA kommen oder hatten dort bisweilen eine andere Bedeutung. Auf Fotos aus dieser Zeit fällt immer wieder die „deutsche Prägung“ der Modestile auf. Da trifft etwa ein amerikanisch anmutender Blouson auf kurze Hosen und gemusterte Kniestrümpfe, eine Pferdeschwanz-Frisur auf ein Trachtenkleid. US-Teenager sahen anders aus, doch die fashion statements der heranwachsenden Deutschen waren deutlich genug. Außerdem entschieden die Jugendlichen damit auch, welcher Gruppe von Gleichaltrigen sie sich zugehörig fühlten. Einige Jungen trugen zum Beispiel karierte Hemden und „Texashalsschmuck“, andere eiferten mit Pomade im Haar und hochgestelltem Hemdkragen Elvis Presley nach. Allerdings machte nur ein kleiner Teil der Heranwachsenden solche „amerikanischen“ Modetrends in den fünfziger Jahren
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(AV); Wensierski, „Die anderen nannten uns Halbstarke“, 102–114, 122–128. Gespräch mit Erika Miller (Jg. 1944), 20. Juli 2000. Siehe etwa Jürgen Dobberke, Kochen mit Berliner Wasser, in: Tag, 28. Juli 1957; Ernie Weatherall, AFN’s Berlin’s Teen Fans, in: Stars and Stripes, 6. November 1958. Vgl. Bartram/Krüger, Vom Backfisch zum Teenager, 92–99; Maase, BRAVO Amerika, 131– 140, 171–175, 206–213; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 102 f., 178 f., 182; SchmidtHarzbach, Rock ’n’ Roll in Hanau; Weber-Kellermann, Mit Pferdeschwanz und Petticoat, 18 f., 22.
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Die Hörerschaft
mit. Etliche Jugendliche blieben in ihrer Umgebung daher Einzelgänger, die bestaunt oder bekämpft wurden.70 Auf ähnliche Weise konnten Heranwachsende auch die englische Sprache einsetzen. Sie bildete eine fast natürliche Barriere gegenüber Erwachsenen, die des Englischen in der Mehrzahl nicht mächtig waren. Von Jazz über USSchlager bis zum Rock ’n’ Roll: Die Texte gehörten neben der Rhythmik und Interpretation zu einem wichtigen Bestandteil des Provokationspotentials der Musik. In den fünfziger Jahren nahmen viele Heranwachsende englische Ausdrücke oder kleine Redewendungen in ihren Sprachschatz auf, doch gingen sie in der Mehrzahl ähnlich frei damit um wie mit modischen Accessoires. Eltern und Erzieher warfen den Fans amerikanischer Musik mitunter vor, dass sie die Texte ihrer Lieblingslieder nicht richtig verstünden. In der Tat bekamen viele deutsche Hörerinnen und Hörer die sprachlichen Nuancen etlicher Songs, etwa die Slangausdrücke oder sexuelle Anspielungen, nur eingeschränkt mit. Solche „Bildungslücken“ interessierten aber nur wenige. Die meisten hörten ohnehin nicht auf jedes einzelne Wort, sondern ließen den Gesamteindruck eines Musiktitels auf sich wirken. Damit verweigerten sie sich auch dem bildungsbürgerlichen Anspruch, dass man ein kulturelles Produkt verstehen und deuten muss, um es genießen zu können. So wie es bei der Mode nicht auf eine genaue Kopie des Originals ankam, musste auch ein englischsprachiges Lied für deutsche Heranwachsende nicht unbedingt dasselbe bedeuten wie für einen Muttersprachler, um in ihrer Version der TeenagerKultur bedeutsam zu werden.71 Wichtig war auch, dass es sich beim „AFN-Englisch“ um die amerikanische Variante der fremden Sprache handelte. Die mit den USA verbundenen Stereotype reichten in Deutschland meist schon allein für eine befürwortende oder ablehnende Haltung gegenüber dem Militärsender aus. In kaum einer Reportage über AFN fehlte eine Bemerkung zu dessen „Amerikanisch“ oder „breitem Ami-Englisch“. Diejenigen, die seit den fünfziger Jahren den Sender hörten, bewerteten amerikanische Akzente überwiegend positiv und beschrieben sie sogar als besonders vertrauenswürdig. Die Wahrnehmung von AFN stimmte auch bei Angehörigen dieser Publikumsgeneration häufig mit ihrem Amerikabild überein. Für viele standen die USA zum Beispiel für Freiheit, Weltoffenheit und Toleranz oder Modernität und Wohlstand. Dies deckte sich auf überraschende Weise mit ihrem Bild des Militärsenders. Auf die Frage, welches Image sie mit AFN verband, zählte eine 1945 geborene Berlinerin
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Siehe etwa Bernd Feuerhelm, in: Radio Star, Karnick/Richter (AV). Vgl. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 117 f.; Heidkamp, It’s all over now, 10, 36; Maase, BRAVO Amerika, 88, 99, 113–127, 162 f., 167–175, 208; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels, 102 f., 178 f.; Wagner, Pop 2000, 16 f. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 117; Heidkamp, It’s all over now, 30; Kurme, Halbstarke, 290; Maase, BRAVO Amerika, 150 f.
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auf: „Amerika, Freiheit, Humor, Offenheit, Lässigkeit, Nähe und Wärme, Lustigkeit, eine Art von Zugehörigkeit oder vielleicht das Wunschdenken“.72 Das amerikanische Englisch trug wesentlich zur Popularität von AFN bei seiner deutschen Hörerschaft bei. Durch verschiedene Akzente, Sprechrhythmen und Betonungen klang das US-Radio anders als die BBC, die in Deutschland als Standard englischsprachigen Rundfunks galt. Wegen der „besseren Aussprache“ sollten Jugendliche wenigstens den britischen Militärrundfunk BFN (1964 umbenannt in BFBS) einschalten, so der Tipp mancher Erwachsener. Denn auch im Schulunterricht war Queens English das Maß aller Dinge und viele Hörerinnen und Hörer von AFN erinnern sich an den erbitterten Widerstand ihrer Lehrer gegen die amerikanische Betonung einzelner Worte oder Redewendungen aus den USA. Mit dem Rundfunksender im Rücken konnten Schülerinnen und Schüler die Autorität der Pädagogen aber immerhin ankratzen. In der Praxis war die junge deutsche Hörerschaft von AFN oft hin- und hergerissen zwischen britischen Standards und dem durch intensives Radiohören vertrauten amerikanischen Sound. Dies zeigte sich vielfach in der Hörerpost an den Militärrundfunk oder etwa im Gästebuch von AFN Bremerhaven. „Thanks for your nice Programmes! Stickbady 1102 Renate“, hinterließ darin eine Schülerin nach einem Senderbesuch Mitte der fünfziger Jahre. Für die „programmes“ bedankte sich Renate noch in umgangssprachlichem Schulenglisch, doch woher sollte sie wissen, wie die in keinem Lexikon verzeichnete Wortschöpfung „stickbuddy“ geschrieben wird? Wie die Sendung „Stickbuddy Jamboree“ klang, war ihr aber bekannt, denn sie schrieb das Wort so, wie die Country-Discjockeys es aussprachen.73 Findige Pädagogen wussten die Beliebtheit von AFN aber auch auszunutzen. In Berlin etwa forderten sie gegen Ende der fünfziger Jahre ihre Schülerinnen und Schüler auf, an den amerikanischen Sender zu schreiben und so 72
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Fragebogen einer Frau aus Berlin (Jg. 1945) (Zitat). Siehe auch die Fragebögen Klaus Schwarz (Jg. 1941), Klaus Sudau (Jg. 1942), Frau aus Berlin (Jg. 1943) und Mann aus Verden/Aller (Jg. 1946); Thomas de Lates, in: Radio Star, Karnick/Richter (AV); Werner Sikorski, Ein bißchen AFN bleibt Berlin, in: Welt, 29. Juni 1994: „in breitem, nölendem Amerikanisch“; Jürgen Karwelat, Heimlich und mit schlechtem Gewissen gehört, in: Tageszeitung (Berliner Ausgabe), 13. Juli 1994: „in seinem breiten Ami-Englisch“; Karlheinz Gaffkus, AFN – so stellten junge Leute sich die Freiheit vor, in: Berliner Morgenpost, 16. Juli 1994. Vgl. Boelcke, Die Macht des Radios, 573: „AFN-Englisch“; Bude, Unser Amerika, 47; Maase, BRAVO Amerika, 83–90, 190–197; Walther, Morgens anti-Vietnam, abends AFN, 18. AFN Bremen Bremerhaven Guest Register, AFN Historical File (Zitat). Gespräche mit Christiane Kirchheimer (Jg. 1946), 19. November 2000, und Erika Miller (Jg. 1944), 20. Juli 2000; Fragebogen Klaus-Peter Depner (Jg. 1946): „bessere Aussprache“. Vgl. Stickbuddy’s Farewell, in: Port Reporter, 6. Januar 1956; Mathias Scheben, Grund für viele schlechte Englischnoten. 25 Jahre AFN, in: MS Jugendpressedienst, Juli 1968 (Kopie aus AFN Historical File); Wolfram Schütte, E, Äf, En, in: Frankfurter Rundschau, 6. Juli 1993; Walther, Morgens anti-Vietnam, abends AFN, 19.
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Die Hörerschaft
ihre Englischkenntnisse auszuprobieren. Eine Lehrerin aus Kaiserslautern nahm die Kochsendung von Jean Vavrin auf und setzte sie in ihrem Unterricht ein. Warum auch nicht? Schließlich besuchte selbst die Schulbuch-Figur Peter Pim die USA. Das Programm „What’s Cooking?“ war inhaltlich überschaubar und passte sogar zu einigen Lektionen der Lehrbücher. Außerdem sprach Jean Vavrin, die aus dem Mittleren Westen der Vereinigten Staaten stammt, mit einem gut verständlichen Akzent. Die Kochrezepte las sie sogar mehrfach und mit unterschiedlichem Tempo vor. Auch der Intendant der Berliner Oper soll die Sendung jungen Sängerinnen und Sängern zum Englischlernen empfohlen haben. Mit ähnlichen Absichten verfolgten etliche Deutsche die Hörspiele auf AFN, einige interessierten sich sogar für Kindersendungen. Denn auch Doris Luce berichtet, dass sie als Moderatorin des „Story Corner“ zum Beispiel von Heidelberger Studenten Post bekam, die sich für die Aussprache bestimmter Worte interessierten.74 Eine vielfach erinnerte Besonderheit in puncto Aussprache verkörperte Werner Lamp. Der deutsche Meteorologe war von 1948 bis 1970 beim USMilitär angestellt und vermeldete lange Jahre als externer Experte Wetterberichte bei AFN. Sein Englisch hatte einen starken hessischen Akzent, den zum Beispiel die Zeitschrift Hör Zu! folgendermaßen karikierte: „Siss iss Werner Lamp from se sekent Wesserwink […] Se wesser will be partly klaudy wiss okkeschenel ssander stormes.“ Der Meteorologe vom Second Weather Wing der Rhein Main Air Base löste bei der Hörerschaft von AFN ganz unterschiedliche Gefühle aus. Die meisten amerikanischen Soldaten amüsierte die Aussprache von Lamp und sie akzeptierten den Wetterexperten, obwohl er ihre Sprache misshandelte. Auch das deutsche AFN-Publikum konnte Werner Lamp komisch finden. Als Englisch-Lernende kannten die deutschen Hörerinnen und Hörer die Tücken der fremden Sprache, hatten damit aber meist weniger Probleme als Lamp und Angehörige der älteren Generationen. Der Meteorologe war aber auch „unser Mann bei AFN“ und wurde zu einer Art Identifikationsfigur für das deutsche Publikum. Während sein langjähriges Expertentum Anlass zu Stolz gab, war seine Sprache aber auch ein Grund, sich für ihn zu schämen.75 74
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Ernie Weatherall, AFN Berlin’s Teen Fans, in: Stars and Stripes, 6. November 1958; AFN Kaiserslautern zum 5. Geburtstag: „Weiter so!“, in: Pfälzische Volkszeitung, 13. Dezember 1958; Jack Gould, A Voice That Europe Trusts, in: New York Times, 17. April 1966. Siehe auch Gespräche mit Jean Vavrin, 25. September 1999, und Doris Luce, 30. September 2001. Vgl. Friedrichs/Spangenberg, Peter Pim and Billy Ball. 31st Weather Squadron Airs Climatic Conditions to AFN, in: Gateway, 4. Oktober 1962; Werner Lamp … Weatherman, in: Overseas Weekly, 1. Dezember 1963; ech, AFN feiert Geburtstag, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. Juli 1968; Eine silberne Leistungsplakette […], in: Frankfurter Rundschau, 22. Oktober 1968; RMS, Dekorierter „Wetter Frosch“. Werner Lamp verließ den AFN, in: Hörzu, 1.–6. November 1970 (Zitat). Vgl. Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 1, Track 47. Siehe auch Happy Birthday, AFN!, Garczyk/Gaebler (AV); Radio Star, Karnick/Richter (AV).
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Die Englischkenntnisse der deutschen Rundfunkhörerschaft variierten stark. Als im Jahr 1953 die Münchner Radio-Wochenschau fünfzig seiner Leser zu AFN befragte, hörten 17 von ihnen den Sender ausschließlich oder oft und 25 immerhin ab und zu. Doch nur sechs gaben an, dass sie gut Englisch sprächen, und neun, dass sie es gerade noch verstünden.76 Dies war keine repräsentative Umfrage, sie zeigt jedoch, dass Englischkenntnisse in dieser Zeit nicht unbedingt weit verbreitet waren, AFN aber auch ohne sie attraktiv sein konnte. Mit den Jahren und Jahrzehnten nahm die Fremdsprachenkompetenz in Deutschland im Allgemeinen zu. Für jeden Einzelnen bedeutete dies einen individuellen Lernprozess, den auch die Erinnerungen des AFN-Publikums belegen. Ein Hörer aus Oberbayern berichtet von den ersten Malen, an denen er als Jugendlicher „Luncheon in Munchen“, die Mittagssendung von AFN Munich, eingeschaltet hatte: „Das unvergessene Rätsel der ersten Tage war, gab es jeweils mittags ‚Landschön im Mondschein‘?“77 Vor allem Angehörige der sogenannten Kriegskinder-Generation erzählen, dass sie den fremdsprachigen Sender bereits in jungen Jahren gehört haben und daher den Beginn ihres Englischunterrichts herbeisehnten. Viele Heranwachsende wollten durch das US-Radio ihre Sprachkenntnisse erweitern. „Ich höre AFN, um mein Englisch zu verbessern“ war also nicht nur ein Alibi gegenüber den Eltern, um Musik hören zu können, sondern bei vielen durchaus ernst gemeint. Sie wollten die Sprache lernen, die viele Erwachsene nicht verstanden, und waren neugierig auf die Kultur, die sich dahinter verbarg.78 Rätsel gaben deutschen Hörerinnen und Hörern von AFN nämlich nicht nur die Titel mancher Sendungen auf, sondern zum Beispiel auch die Namen von Moderatoren und der von ihnen angesagten Interpreten und Musikstücke. Einige Discjockeys nannten zum Beispiel Musiker stets zusammen mit ihrem damaligen Beinamen, also etwa „Fabulous Man Johnny Cash“ oder „Rockabilly Boy Don Gibson“. Solche Klischees gingen Muttersprachlern bisweilen auf die Nerven, Deutsche kannten sie aber in der Regel zumindest anfangs nicht. Hatten sie deren Sinn begriffen, waren sie Insider geworden und konnten sich auch bei häufigeren Wiederholungen noch lange daran erfreuen. Manche AFN-Moderatoren erschienen amerikanischen Teenagern oder jungen Soldaten angepasst und bieder. Ihre „Helden am Mikrofon“ waren meist vor76 77 78
K. M. Saekel, AFN. Der Sender ohne Pausezeichen ist sehr beliebt, in: Radio-Wochenschau der Sonntags-Post, 12.–18. Juli 1953. Vgl. Munich German Paper Lauds AFN, in: AFN Weekly Digest, 11. Juli 1953. Anton Alt, Wasserburg am Inn, an AFN Munich, 12. Februar 1992, Akte 10-5a AFN Munich (SFPA-AFN-MU), AFN Historical File. Werner Kienzle, Die Jugend hört lieber American Forces Network, in: Stuttgarter Zeitung, 10. Januar 1958; o-k, Zu Gast bei AFN, in: Frankfurter Rundschau, 6. Mai 1961. Siehe auch Fragebögen Frau aus Berlin (Jg. 1945) und Rainer Siewert (Jg. 1943). Vgl. Bronewski, Aufgewachsen mit amerikanischen Soldaten, 21, 29; Walther, Morgens antiVietnam, abends AFN, 19.
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Die Hörerschaft
witzige Wehrpflichtige, die ihre Sendungen mit frechen Sprüchen und ausgefallenen Ideen gestalteten. Vieles davon überforderte jedoch das Hörverständnis deutscher Jugendlicher und so ist es nicht erstaunlich, dass einige „deutsche Lieblinge“ eine eher ruhige und durch und durch freundliche Art hatten. Dazu gehörten zum Beispiel die in Berlin populären Discjockeys George Hudak und Bob Britsch, beides Berufssoldaten jenseits der 25 Jahre. Bei Hudak kamen noch englisch-deutsche Sprachspiele wie „thank you very dankeschön“ hinzu, die besonders der einheimischen Hörerschaft gefielen. Doch selbst diese, für amerikanische Verhältnisse braven Moderatoren, wichen noch ausreichend von der öffentlich-rechtlichen Radionorm ab, damit das hiesige AFN-Publikum sich wohl fühlen und Eltern und Erzieher sich aufregen konnten.79 Zum Hören von AFN gehörte für das deutsche Publikum also dazu, sich eine neue Welt zu erschließen. Die zumeist jungen Hörerinnen und Hörer taten dies freiwillig und eigenständig, oft sogar gegen den Widerstand ihrer Eltern. Auch dies kann erklären, warum viele deutsche Jugendliche den Militärrundfunk als „ihren Sender“ betrachteten und sich ihm verbunden fühlten. Dabei half ihnen auch die Einstellung der AFN-Mitarbeiter, die sich gegenüber mangelnden Sprachkenntnissen oder Rechtschreibproblemen tolerant zeigten. Bei den Stationen der amerikanischen Streitkräfte wurde niemand ignoriert oder öffentlich bloßgestellt, nur weil seine Briefe Fehler enthielten. Dies galt für das US-Publikum, war bei deutschen Einsendungen aber noch viel häufiger nötig. Dann übersetzten Redakteure oder Sekretärinnen deutschsprachige Briefe oder fanden heraus, was Zuschriften bedeuten sollten wie „blis wud yus blingtsong for Mike Strbinski Higtolovyvo Awridy higoshom negstwig, from his gorl Annemarie F. Dencho wermach for bling.“ Dieses in einer amerikanischen Militärzeitung zitierte Beispiel war extrem. Die junge Deutsche hatte sich ihr Englisch offensichtlich selbst und nur durch Hören und Sprechen beigebracht. Doch auch der amerikanische Soldat Mike Stribinski konnte vor seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten den Musikwunsch seiner deutschen Freundin Annemarie auf AFN hören: den Nat King Cole-Hit „If I May“, der mit der Textzeile „I’d like to love you every day“ beginnt.80 Discjockeys mussten in dieser Zeit ohnehin des Öfteren um die Ecke denken. Ein Wunsch für den „Weihnachtssong mit den Tagen“ bedeutete Ende der 79
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K. J., Hey, hey what do you say, in: Radio Revue, 15.–21. Februar 1953; Record Spinner Rotates With Wife Won by „Frolic at Five“, in: Berlin Observer, 27. Februar 1959. Siehe auch Rainer Siewert an die Autorin, 7. März 2002. Vgl. Hoppe, AFN Berlin, 119– 122, 125. Zum Verhältnis des amerikanischen Publikums zu AFN-Discjockeys siehe Kapitel 5, 8 und 10. „Please would you play the song for Mike Stribinski, ‚I’d like to love you every day‘, he goes home next week, from his girl Annemarie F. Thank you very much for playing.“ [Abkürzung des Namens durch die Autorin] Zit. n. „Bouncing in Bavaria“ Delights Soldiers and Civilians Alike, in: SACom Scene, 8. März 1957.
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fünfziger Jahre zum Beispiel das Lied „The Twelve Days of Christmas“ von Connie Francis. Die Findigkeit der AFN-Mitarbeiter schien eine Berliner Journalistin zu überraschen: „Was gewünscht ist, wissen diese Ansager immer, auch wenn ein jugendlicher Hörer den Messias von Händel anforderte und eigentlich ‚The mess is here‘ von Hampton meinte.“81 Genau genommen war dies keine große Leistung, denn die AFN-Aufnahme aus einem Konzert von Lionel Hampton war über lange Jahre ein Dauerbrenner in Berliner Wunschsendungen. Das Beispiel zeigt aber eine Übereinstimmung zwischen Discjockeys und Publikum, und diese Akzeptanz und Gemeinschaft waren junge Deutsche von heimischen Sendern nicht gewohnt.82 Wie sehr AFN die Emotionen seines deutschen Publikums ansprach, zeigen auch dessen Erinnerungen an besondere und doch alltägliche Hör-Momente. Ein junges Paar im Schwäbischen hatte oftmals AFN eingeschaltet, wenn es spätabends Zeit miteinander verbrachte. Immer wieder habe sie dann die mitternächtliche Ansage „It’s midnight in Europe“ beeindruckt und sie über die Grenzen ihrer Heimat und aus der Enge des Alltags getragen. Eine ähnliche Wirkung hatte der Satz „The news were compiled from the wires of AP and UPI“ auf einen Gymnasiasten in Pirmasens, der seine Schularbeiten zum Programm von AFN Kaiserslautern erledigte. Er und andere ließen sich mitunter auch vom Klang eines amerikanischen Ortsnamens zu einer Gedankenreise inspirieren. Freiheitsdrang, Fernweh oder Abenteuerlust bewirkten aber nicht nur Fluchten in die Fantasie, sondern hatten bisweilen auch Auswirkungen auf konkrete Lebenspläne. Besonders radikal wirkte sich dies aus, wenn sie mit einer realen Flucht von Ost- nach Westdeutschland verbunden war. AFN habe ihn von Freiheit träumen lassen und ihm später die Kraft gegeben, die DDR zu verlassen, berichtet zum Beispiel der Ost-Berliner Hans Meinel. Solche Vorgänge liefen meist nicht auf einer rationalen Ebene ab und häufig waren die unbewussten Momente sogar besonders machtvoll. „Ich höre zu, aber nicht hin. Eine akustische Welle trägt mich“, beschreibt der Schriftsteller Günter Kunert die Situation, in der er in späteren Jahren beim AFN-Hören das Gefühl bekam, sein Leben selbst in der Hand zu haben.83 Solche Erfahrungen sind keine Eigenheit des amerikanischen Militärrundfunks, sondern kamen und kommen beim Hören einer Vielzahl von Radiosendern vor. Es ist allerdings erstaunlich, wie viele Deutsche bestimmter Geburtsjahrgänge ähnliche Erlebnisse mit AFN schildern.84 81 82
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Valeska Dietrich, Frolic nicht nur um fünf, in: Tag, 31. Juli 1960. Siehe etwa Berlin Broadside, in: AFN Weekly Digest, 20. März 1954; „Örsulla and Wörner“ erobern AFN, in: Bravo, 17. März 1957; Werner Kienzle, Die Jugend hört lieber American Forces Network, in: Stuttgarter Zeitung, 10. Januar 1958; Rainer Siewert an die Autorin, 30. Dezember 2002. Kunert, Erwachsenenspiele, 349. Fragebögen Dieter Salemann (Jg. 1935), Hans Meinel (Jg. 1938), Frau aus Berlin (Jg. 1945) und Mann aus Pirmasens (Jg. 1952); Inge Stittner an die Autorin, 3. August
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Die Hörerschaft
AFN ließ seine Hörerschaft an musikalischen Trends teilhaben, gab ihnen einen Eindruck von amerikanischer Kultur und gewährte ihnen Einblicke in den Alltag der US-Militärgemeinschaft. Dies waren allerdings nur Angebote, aus denen sich deutsche Hörerinnen und Hörer auf unterschiedlichste Weise bedienten. Welche Sendungen jemand einschaltete oder was sie oder er dann wahrnahm, lag an individuellen Vorlieben und Einstellungen. Immer wieder gab es dabei aber auch kollektive Vorgänge, so etwa bei dem nicht unwichtigen Punkt „Militärrundfunk“. Beim Hören von AFN vergaßen viele Deutsche nämlich, dass es sich bei ihm um eine Radiostation der US-Streitkräfte handelte. Dies sollte nicht verwundern: Die amerikanischen Soldaten klangen um einiges ungezwungener und ziviler als die damaligen Mitarbeiter des deutschen Rundfunks, die allesamt Zivilisten waren. Wenn sich ein AFN-Ansager mit einem hierzulande halbwegs bekannten Dienstgrad wie Sergeant vorstellte, kam kaum einem Deutschen der Kommiss oder ein strenger Feldwebel in den Sinn. Einige militärische Ränge waren dem nicht-amerikanischen Publikum auch schlichtweg unbekannt, so etwa der bei AFN häufig vorkommende Specialist. „Es dauerte einige Zeit bis ich herausfand, daß Specialist ein Dienstgrad bei der US-Army war“, erinnert sich etwa der Berliner Hörer Rainer Siewert.85 Wie ihm erging es zahlreichen Europäern. Der Moderator des „5 O’Clock Club“ von AFN Bremerhaven war Angehöriger der Luftwaffe und stellte sich in seinen Sendungen als „Airman Doug Wendt“ vor. Musikwünsche an ihn waren aber zum Beispiel an „Mr. Armin“, „Herman“ oder „Elman“ Doug Wendt adressiert. Und selbst Journalisten, die ja eigentlich auf den Militärrundfunk vorbereitet waren, drückten in Reportagen über AFN immer wieder ihr Erstaunen aus, dass die Discjockeys am Mikrofon Uniform trugen und neben der Radioarbeit auch soldatische Pflichten erfüllen mussten.86
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2010. Siehe auch AFN Observes 15th Year of Service, in: Sentinel, 4. Juli 1958; Horst Fust, Rock around the clock, in: Welt, 29. Juni 1994; Jürgen Karwelat, Heimlich und mit schlechtem Gewissen gehört, in: Tageszeitung (Berliner Ausgabe), 13. Juli 1994; Alexander Schmitz, Pizza, Kennedy und Rock ’n’ Roll, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 22. Juli 1994; Wolfgang Sandner, Sweet Home Rödelheim, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. März 2003. Vgl. Douglas, Listening In, 241 f., 244 f., 252–255; Gushurst, Popmusik im Radio, 26, 110; Lenk, Die Erscheinung des Rundfunks, 235 f.; Wagner, Pop 2000, 20. Rainer Siewert an die Autorin, 14. Februar 2002. Es gab übrigens auch verschiedene Zeiträume, in denen die Moderatoren einiger AFNSender im Studio keine Uniform tragen mussten. K. M. Saekel, Der Sender ohne Pausezeichen ist sehr beliebt, in: Radio-Wochenschau der Sonntags-Post, 12.–18. Juli 1953; Gernot Brümmerstädt, This is AFN – the American Forces Network!“, in: Wildente, Mai 1956; 134.000 Songs Requests Flooded AFN, in: Port Reporter, 7. Juni 1957; hke, Die Radiostation im alten Schloß, in: Frankfurter Rundschau (Stadtausgabe), 3. Juli 1958; km, „Er hat mich immer ‚Maikäfer‘ genannt …“, ebd. (Landausgabe), 3. Juli 1959; Gute Laune zwischen Mailand und Bukarest, ebd., 25. Oktober 1961; Hits und Hots und
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Bei der Wahrnehmung beziehungsweise Nichtwahrnehmung als Militärrundfunk zeigten sich allerdings auch altersbedingte Unterschiede. Die erste um 1930 geborene Generation des AFN-Publikums war sich meist von Anfang an bewusst, dass er ein Sender der US-Streitkräfte war und damit einer Siegermacht des Zweiten Weltkriegs gehörte. Dies half ihr zum Beispiel, Swing und Jazz zu legitimieren oder diente zur Abgrenzung von Nicht-Demokraten. In weiten Teilen der Bevölkerung hieß AFN ohnehin jahrzehntelang „der amerikanische Soldatensender“. Viele Ältere erinnerte diese Bezeichnung unter Umständen an den deutschen Soldatensender Belgrad, der während des Kriegs nicht nur das Lied „Lili Marleen“ bei Freund und Feind bekannt gemacht hatte, sondern auch wegen seiner improvisierenden Discjockeys und Wunschmusik-Sendungen populär gewesen war. In Friedenszeiten galten solche Inhalte allerdings nicht als vollwertiges Hörfunk-Programm, denn nach verbreiteter Auffassung gehörten dazu unbedingt bildende Elemente. Diese hatte AFN zwar, doch wurden sie von Deutschen nur selten beachtet. Und so schwang bei der Titulierung als Soldatensender bisweilen eine gewisse Voreingenommenheit und Geringschätzung mit. Das deutsche Publikum des US-Militärrundfunks benutzte diesen Begriff daher auch nicht ganz so häufig und nannte ihn lieber bei seinem Namen.87 Die Generation der ab 1940 geborenen Hörerinnen und Hörer von AFN erfuhr oft erst im Laufe ihrer „Hörkarriere“, dass er ein Sender von und für die amerikanischen Streitkräfte war. Viele von ihnen hatten ein undeutliches, aber meist positives Bild von den USA und auch von den hier stationierten GIs. Für die meisten blieben die Vereinigten Staaten für die gesamte Dauer des Kalten Kriegs die wichtigste Schutzmacht West-Deutschlands. Außerdem kamen viele Vorbilder und Idole dieser Alterskohorte aus Amerika und halfen ihr, der elterlichen Erziehung und dem gesellschaftlichen Konformitätsdruck etwas Eigenes entgegenzusetzen. Etliche hatten auch das Gefühl, sich gerade durch AFN-Sendungen eine offene und tolerante Denkweise angeeignet zu haben. Als in den sechziger Jahren das amerikanische Engagement in Südostasien zunahm und verstärkt im AFN-Programm vorkam, registrierten das zunächst nur wenige der damals jungen Hörerinnen und Hörer. Auch als daraus der Vietnamkrieg wurde, trennten manche weiterhin „ihren AFN“ von den Aktivitäten des US-Militärs. Nur ein Teil der Heranwachsenden interessierte sich für Politik und selbst von diesen wollten viele eine politische Bedeutung von AFN nicht wahrhaben: Es konnte oder durfte nicht sein, dass die Helden und
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Uniformen, in: Funk-Uhr, 12.–18. Juli 1964; Tilmann Baumgärtel, Moderatoren in Uniform, in: Berliner Zeitung, 7. Januar 2002 (er zitiert aus einem Artikel von 1949). Siehe etwa Beim AFN in Dahlem, in: Radio Revue, 14.–20. Oktober 1951; Kofferradio für „Miß Soldatensender“, in: Nordsee-Zeitung, 2. Juni 1958; Gottfried Schemm, Soldatensender AFN feiert Geburtstag, in: Bild, 5. Juli 1963. Vgl. Bude, Unser Amerika, 47; Grull, Radio und Musik, 151–162.
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Die Hörerschaft
Verbündeten ihrer Generation nun Fehler begingen, die zudem von ihren Eltern gutgeheißen und verteidigt wurden.88 Als Medium der US-Streitkräfte brachte AFN routinemäßig Nachrichten und Berichte über die Lage in Südostasien. Die europäische Senderkette des Militärrundfunks hatte durchaus kritische Stimmen im Programm, zeigte sich bei der Auswahl von Informationen aber insgesamt regierungstreu und proamerikanisch. Trotz einiger Auslassungen oder Beschönigungen versteckte AFN den Krieg keinesfalls. Christiane Kirchheimer erinnert sich etwa an minutenlang vorgelesene Listen von Namen amerikanischer Soldaten, die vermisst wurden oder „gefallen“ waren. Einige Altachtundsechziger mutmaßen rückblickend, dass zumindest die Musiksendungen von AFN aufmüpfig und gegen den Krieg gewesen seien. Wie in Kapitel 8 gesehen, schafften es einschlägige Songs aber gar nicht oder nur selten ins Programm. Wieder einmal klafften das tatsächliche Programm-Angebot und dessen Wahrnehmung beim Publikum auseinander. Zum Teil war dies wohl auch beabsichtigt. Der amerikanische Kult-Discjockey Wolfman Jack, der ab Anfang der siebziger Jahre für den US-Militärrundfunk Sendungen gestaltete, erklärte später, dass die Streitkräfte ihn geholt hätten, weil er rebellisch klang, aber es in Wirklichkeit nicht war. Beiträge dieser Art sollten auch Hörerinnen und Hörer bei AFN halten, die die amerikanische Regierungspolitik kritisch sahen. Solche Bemühungen galten dem US-Publikum, wirkten sich aber auch auf Deutsche aus. Denn in dieser Zeit schienen einige politisch aktive Linke wegen ihrer Vorliebe für AFN ein schlechtes Gewissen gehabt zu haben. Die meisten Angehörigen ihrer Generation konnten es jedoch recht gut miteinander vereinbaren, den amerikanischen Sender einzuschalten und Teile der damaligen US-Politik kritisch zu sehen. Einige realisierten die Widersprüche und hörten den Militärrundfunk „nicht mehr so ‚blauäugig‘“, wie es etwa eine 1948 geborene Berlinerin ausdrückt. Großen Teilen des Publikums wurde die Verbindung zwischen „Soldatensender“ und Vietnamkrieg aber auch erst im Nachhinein voll bewusst, etwa durch den Film Good Morning, Vietnam über einen Moderator des American Forces Vietnam Network.89 88
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Siehe etwa die Fragebögen Frau aus Berlin (Jg. 1945) und Dieter Salemann (Jg. 1935); Heinz Ohff, Musik macht aus Soldaten Zivilisten, in: Tagesspiegel, 18. September 1994. Vgl. Bude, Unser Amerika, 47 f.; Maase, BRAVO Amerika, 113–131, 215 f., 235. Zu diesem Thema siehe auch die Angaben in der folgenden Fußnote. Fragebögen Frau aus Berlin (Jg. 1948) (Zitat) und Klaus Hoyer (Jg. 1952); Gespräch mit Christiane Kirchheimer (Jg. 1946), 19. November 2000. Siehe auch R. A. König, Ein Programm, das die Hörer wollen, in: Welt am Sonntag, 14. Juli 1968; Jürgen Karwelat, Heimlich und mit schlechtem Gewissen gehört, in: Tageszeitung (Berliner Ausgabe), 13. Juli 1994; Alexander Schmitz, Pizza, Kennedy und Rock ’n’ Roll, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 22. Juli 1994; Detlef Kuhlbrodt, Marihuana, Rock ’n’ Roll und Vietnam, in: Tageszeitung (Berliner Ausgabe), 6. Januar 1996. Vgl. Heidkamp, It’s all over now, 15; Walther, Morgens anti-Vietnam, abends AFN, 19. Siehe auch Suid-Interview mit Wolfman Jack [Robert Weston Smith], 2. August 1983, 20 f.,
Deutsche und amerikanische Deutungen von AFN
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AFN in der deutschen Rundfunklandschaft Die Nachrichten von AFN zogen stets nur einen Bruchteil des deutschen Publikums an. Junge Hörerinnen und Hörer interessierten sich in der Regel anfangs vor allem für Musik. Suchten sie im Radio nach Informationen, schalteten sie meist einen deutschen Sender ein. Einige AFN-Hörer berichten, dass sie mit zunehmendem Alter und verbesserten Englischkenntnissen verstärkt auf Wortbeiträge achteten. Ihnen gesellten sich stets auch Deutsche hinzu, die viele verschiedene Nachrichtenquellen nutzen wollten und daher gezielt die Informationsprogramme des Militärsenders hörten. Wichtige internationale Ereignisse oder politische Krisen ließen die deutsche Hörerschaft von AFNNachrichten oft auch punktuell stark ansteigen. Die Gründe hierfür waren vielfältig. Zum einen reagierte der amerikanische Sender viel schneller auf aktuelle Entwicklungen als deutsche Stationen, und außerdem bot er auch viel häufiger Informationsprogramme an. Es dauerte zum Beispiel etliche Jahre, bis auch im deutschen Rundfunk jede Stunde Nachrichten gesendet wurden. Daher verfügte die deutsche AFN-Hörerschaft oft über exklusive Informationen, durch die sie bisweilen auch gesellschaftlich punkten konnte. Durch Aussagen, die mit einer Formulierung wie „Ich habe auf AFN gehört“ begannen, betonte man in Gesprächen ganz nebenbei, dass man umfassend informiert war und gebildet genug, um Nachrichten auf Englisch zu verstehen. Gelegentlich ließ sich ein Wissensvorsprung durch AFN auch spielerisch nutzen. Als junger Student hatte Paul Dinnessen im September 1966 den Boxkampf zwischen Karl Mildenberger und Classius Clay als Live-Übertragung auf dem amerikanischen Sender verfolgt. In der Berichterstattung deutscher Radiostationen hatte der Kampf jedoch noch nicht stattgefunden und so gab es noch viele Leute, die auf einen Sieg des deutschen Boxers wetten wollten.90 Die Auswahl und Präsentation der AFN-Nachrichten unterschieden sich erheblich von der deutschen Hörfunkpraxis. Überspitzt könnte man die Situation in den fünfziger und sechziger Jahren folgendermaßen zusammenfassen: Den Beginn eines Dritten Weltkriegs hätten deutsche Sender erst dann mitgeteilt, wenn ihnen eine offizielle Stellungnahme der Bundesregierung vorgelegen hätte. Die Meldung selbst wäre sehr abstrakt formuliert gewesen und
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Box 9, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Provan/Paternoster, AFN Europe 60th Anniversary (AV): CD 2, Tracks 8 und 10; Good Morning, Vietnam, Levinson (AV). Gespräche mit Paul Dinnessen (Jg. 1946), 21. August 2001, und Erika Miller (Jg. 1944), 20. Juli 2000; Fragebögen Klaus Schwarz (Jg. 1941), Klaus Sudau (Jg. 1942), Erhard Pansegrau (Jg. 1943), Rainer Siewert (Jg. 1943), Frau aus Berlin (Jg. 1945) und KlausPeter Depner (Jg. 1946). Vgl. ech, Viele schalteten auf AFN, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 26. November 1963; R. H., Fernsehghetto?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Mai 1965; Browne, The World in the Pentagon’s Shadow, 45; Cranston, Some Historical Newscasts, 395 f., 398. Siehe auch Suid-Interview Harlan, 53, Box 4, Transcripts, AFIS, RG 330, NACP; Gespräch mit Gary Bautell, 5. August 1999.
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Die Hörerschaft
beim NWDR beziehungsweise NDR hätte Karl-Heinz Köpcke sie gewohnt nüchtern und emotionslos vorgetragen. Im Gegensatz dazu klingen die wenigen überlieferten AFN-Nachrichten aus dieser Zeit so eindringlich und temporeich, als ob ein Krieg zwischen Ost und West bereits in vollem Gange wäre. Beide Stile entsprachen der jeweiligen Vorgehensweise für Informationsprogramme, doch nicht alle deutschen Hörerinnen und Hörer waren damit zufrieden. Einige Kommentatoren lobten die Nachrichten von AFN zum Beispiel dafür, dass sie aktueller waren und durch Live-Schaltungen oder Korrespondentenberichte auch Stimmungen transportieren konnten. Meldungen wurden zudem weniger umständlich formuliert und ohne „schulmeisterlichen Ton“ vorgetragen. „Etwas mehr AFN-Stil würde den deutschen Nachrichtensendungen ausgezeichnet zu Gesicht stehen“, schloss daraus zum Beispiel ein Journalist der Wochenzeitung Christ und Welt. Beliebte deutsche Informationsprogramme wie etwa das „Echo des Tages“ beim NWDR oder die „Tribüne der Zeit“ beim SWF gingen von Anfang an ohnehin in diese Richtung. Ein öffentlich geäußertes Lob für AFN war daher also meist nicht als Aufforderung gedacht, das amerikanische Vorbild zu kopieren. Vielmehr war damit der Wunsch verbunden, dass sich der deutsche Hörfunk innerhalb seiner bisherigen Rahmenbedingungen verbessern sollte.91 Einige Kommentatoren führten AFN aber auch als Argument für grundsätzliche Veränderungen in der deutschen Medienlandschaft an. Befürworter der Einführung eines kommerziellen Fernsehens nutzten Artikel über die Militärsenderkette, um Stimmung gegen das öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol zu machen. Seit Ende der Adenauerschen Pläne für einen regierungsnahen, privatwirtschaftlich organisierten Fernsehsender taten sich hierbei besonders Publikationen des Springer-Verlags hervor. In Bezug auf amerikanische Musik hatten sich Zeitschriften wie Hör Zu! oder Zeitungen wie Bild und Welt zuvor oft als Verteidiger der deutschen Kultur gegen jugendliche Geschmacksverirrungen und „Amerikanisierung“ gegeben. Als Rundfunksender der wichtigen Schutzmacht USA wurde AFN von direkter Kritik ausgenommen, aus Rücksicht auf die überwiegend erwachsene Leserschaft aber ambivalent dargestellt. 91
STU, Um sieben Uhr früh, in: Christ und Welt, 3. Dezember 1965 (Zitate). Vgl. etwa JWH, Eine Million Songs im Archiv, in: Frankfurter Neue Presse, 3. Juli 1956; Werner Kienzle, Die Jugend hört lieber American Forces Network, in: Stuttgarter Zeitung, 10. Januar 1958; Paul O. Vogel, Kann das private USA-Werbefernsehen uns ein Vorbild sein?, in: Journalist, Mai 1958; Hans-Joachim Horn, Europaberichte in AFN, in: Gong, 2.–8. August 1959; Auch ein Elektronengehirn hatte Wahlfieber, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. November 1960; R. A. König, Ein Programm, das die Hörer wollen, in: Welt am Sonntag, 14. Juli 1968. Vgl. etwa NWDR-Nachrichten vom 10. April 1954, 21.45 Uhr (Sprecher: Karl-Heinz Köpcke), Archiv-Nr. F827313, Wortarchiv, NDR. Vgl. Badenoch, Voices in Ruins, 92–109; Brünjes/Wenger, Radio-Report, 165 f.; Dussel, Hörfunk in Deutschland, 333–343; Fuge/Hilgert, Aktuell und überparteilich, aber nicht unpolitisch, 116 f., 119–122; Lersch, Das Hörfunkprogramm, 111, 155–162; Wagner, Sounds Like the Fifties, 273 f.
Deutsche und amerikanische Deutungen von AFN
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Nun lobten jedoch etwa Artikel in der Bild die geringe Zahl der Angestellten von AFN als „Wunder“, an dem sich deutsche Rundfunkanstalten ein Beispiel nehmen sollten. Weitere Beiträge beklagten mehr oder weniger direkt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender Gebührengelder verschwendeten oder die Wünsche ihrer Hörerschaft missachteten.92 In dieser Zeit kritisierten auch andere Medien in Berichten über AFN das deutsche Hörfunkprogramm und erwähnten zum Teil sogar ähnliche Fakten, etwa wenn AFN-Mitarbeiter stolz auf ihre effiziente Arbeitsweise hinwiesen. Oft ordneten die Journalisten solche Aussagen aber in den Kontext des amerikanischen Rundfunkssystems ein, denn ohne die Vorarbeit von Tausenden Rundfunkschaffenden in den USA hätte der Militärrundfunk sein Programm nicht in dieser Weise gestalten können.93 Im Laufe der fünfziger Jahre hatte allgemein das Bewusstsein dafür zugenommen, dass sich das Angebot deutscher Radiosender wandeln müsse. Die Entscheidungsträger in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten taten sich jedoch noch immer schwer damit, vom Hörfunk als überwiegend pädagogischer Institution mit kulturell „wertvollen“ Inhalten abzurücken. Seit Weimarer Zeiten forderten große Teile des deutschen Radiopublikums mehr Unterhaltung und Zerstreuung. Und auch in der Nachkriegszeit gab es immer wieder Kritik an zu viel ernster Musik und anspruchsvollen Wortbeiträgen, an herablassend wirkenden Präsentationsformen und schlechtem Programmfluss. Bislang hatten sich aber vor allem engagierte Hörer-Minderheiten auf die Suche nach Alternativen gemacht und dafür ausländische Sender eingeschaltet. Nach dem Krieg wurde dies nur dann als gesellschaftliches Problem empfunden, wenn westdeutsches Publikum ostdeutsche Radiostationen hörte. In den fünfziger Jahren waren diese attraktiv, weil sie „sehr viel flotte Musik“ und sogar Jugendprogramme brachten. Die meisten Westdeutschen hielten 92
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Siehe etwa rb, AFN-Berlin macht keine Pause, in: Bild (o. O.), 20. März 1962; rb, Jetzt 24 Stunden fröhlich mit AFN, in: Bild (Berlin-Ausgabe), 20. März 1962; Gottfried Schemm, Soldatensender AFN feiert Geburtstag, in: Bild (Hamburg-Ausgabe), 5. Juli 1963: „Wunder“; Klaus Salzwedel, AFN Berlin beliebt in Ost und West, Bild (BerlinAusgabe), 5. August 1963. Siehe auch uhl, Ein Brief flog über die Mauer, in: Welt, 23. Juli 1963; R. A. König, Ein Programm, das die Hörer wollen, in: Welt am Sonntag, 14. Juli 1968; Ohne Titel, in: Bild (Münchener Ausgabe), 12. Juni 1970, 870-5b Installation Historical Files – Gen Information, AFN Historical File: „Der Funk-Zwerg ist besser als sein großer Bruder“; Reginald Rudorf, Wie die Militär-Sender der ARD Hörer abjagen, in: Welt, 23. Oktober 1975; Helmut Rössler, Ein kleiner Sender zeigt’s den großen, ebd., 6. Juli 1978; Reginald Rudorf, Militärsender haben die Nase vorn, ebd., 20. April 1979. Vgl. Hoppe, AFN Berlin, 126; Kain, Das Privatfernsehen, der Axel Springer Verlag und die deutsche Presse, 56, 73 ff., 89–92, 95–99; Seegers, Hör zu!, 356–359. Siehe etwa Carl Nützel, Dreihunderttausend Melodien, in: Neue Zeitung, 14. Mai 1949; Beim AFN in Dahlem, in: Radio Revue, 14.–20. Oktober 1951; P. M. L., Fünfzig Millionen hören mit, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. Juli 1963; Joachim Andrae, AFN – Stimme guter Nachbarschaft, in: Bayerische Staatszeitung, 18. Oktober 1963.
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Die Hörerschaft
allerdings politische Gründe davon ab, DDR-Sender einzuschalten.94 Wie groß der Wunsch nach einem unterhaltsameren Hörfunk war, zeigte aber der Erfolg des deutschsprachigen Programms von Radio Luxembourg. Dieses startete im Juli 1957 und präsentierte auf lockere Weise aktuelle Hits, deutsche Schlager und leichte Unterhaltungsmusik. Es zog viele jüngere Hörerinnen und Hörer an, aber nicht nur sie. In bislang unbekannten Größenordnungen wanderte auch älteres Publikum von ihren bisherigen Länderanstalten zum Luxemburger „Schnulzensender“ ab.95 Fans „fetziger“ Musik hörten meist weiterhin das englischsprachige Programm von Radio Luxembourg, bestimmte Sendungen der BBC oder die alliierten Militärstationen AFN und BFN/BFBS. Diese häufig jungen und gutgebildeten „Fremdhörer“ ärgerten deutsche Rundfunk-Mitarbeiter zwar, wirkten auf sie aber letztlich nur wie ein kleiner Stachel. Mit der Ankunft des Rock ’n’ Roll und der Entwicklung amerikanisch orientierter Jugendkulturen verstärkte sich bei ihnen allerdings die Sorge um die Nachwuchshörerschaft. Nachdem sich in der Bundesrepublik die öffentliche Aufregung um die sogenannten Halbstarkenkrawalle gelegt hatte, sah man es als allgemeine Aufgabe an, mehr auf die Wünsche Heranwachsender einzugehen und sie durch private oder staatliche Angebote gesellschaftlich zu integrieren. Auch der Rundfunk durfte da nicht länger abseits stehen. Einige öffentlich-rechtliche Sender brachten nun mehr und zum Teil auch andere Unterhaltungsmusik, mitunter auch Sendungen für ein junges Publikum. Dazu zählten etwa die „Stunde für Schlagerfreunde“ mit Hanns Verres beim HR oder der „Tanztee der Jugend“ beim SDR. Solche Sendungen kamen aber oft nur einmal die Woche und wa94
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In den Umfragen des Instituts für Demoskopie im Sendegebiet des SDR gaben 1951 noch elf Prozent der Hörerschaft an, hauptsächlich „Sowjetzonen-Sender“ zu hören. Dieser Wert sank bis Ende des Jahrzehnts auf ein Prozent, war bei jugendlichen Hörerinnen und Hörern zum Teil aber noch höher. IfD, SDR Hörer-Befragung Frühjahr 1953, 8, HBI; IfD, Junge Rundfunkhörer 1956. Eine Umfrage für den SDR, 38, ebd.; IfD, Junge Rundfunkhörer 1957, Eine Umfrage für den SDR, Tabelle 6, 598, ZSg 132, BA. Siehe auch Gehöre ich auch dazu, sehr geehrter Herr Rundfunk?, in: ark Ausgabe 11 (August 1951), 8133, B 257, ebd.; Gerhard Vogel, Ansbach, an Gerhard Schröder, Bundesinnenminister, 4. Juli 1960, 809, B 106, ebd.: „sehr viel flotte Musik“. Vgl. Arnold, Ein Programm für den Westen?, 191, 199 f., 202 ff.; Dussel, Bildung versus Unterhaltung?; Schildt, Moderne Zeiten, 231 f.; Siegfried, Time is on my side, 326 f.; Stahl, Agit-Pop; Wilke, Radio im Geheimauftrag. Wer wird König der flotten Musik?, in: Bravo, o. D. [1957 oder 1958], zit. n. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 118 f.; Radio Luxemburg, Neue Zahlen von Radio Luxemburg. Funkwerbung für Deutschland. Ergebnisse von Hörerbefragungen im Februar 1959, Privatarchiv Axel Schildt; Infratest, Musik im Hörfunk, 10 f., 25 f. Vgl. Brünjes/Wenger, Radio-Report, 183 ff.; Dussel, Hörfunk in Deutschland, 138 f., 175, 400 f.; Gansauge, Radio Luxemburg – Deutsches Programm; Lersch, Das Hörfunkprogramm, 100, 102, 107, 125; Popp, Ein Irrenhaus fährt Achterbahn, 10: „Schnulzensender“, 14, 64 f., 187; Rumpf, Music in the Air, 123–128; Schildt, Moderne Zeiten, 232 f.; Siegfried, Time is on my side, 329 ff.
Deutsche und amerikanische Deutungen von AFN
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ren zum Teil nicht von Dauer. Es gab für Heranwachsende also noch viele Gründe, weiterhin ausländische Stationen einzuschalten, zu denen ab Anfang der sechziger Jahre auch Piratensender wie Radio Veronica oder Radio Caroline hinzukamen.96 Inhaltliche Veränderungen und eine verstärkte Orientierung an den Wünschen der Mehrheit seiner Hörerschaft blieben im deutschen Rundfunk stark umstritten und wurden daher auch nicht konsequent vorangetrieben, obwohl die technischen Voraussetzungen für eine Differenzierung des Angebots zunahmen. Ab Anfang der fünfziger Jahre ermöglichte es der Ausbau von UKWFrequenzen etlichen Sendern, mehr als ein Hörfunkprogramm anzubieten. Beim SDR beispielsweise präsentierten zeitweise Ansager ganze Abende in freier Rede, und der NWDR propagierte sein neues Angebot anfangs als „Wellen der Freude“. Diese Entwicklung freute zahlreiche Hörerinnen und Hörer, forderte andere aber zu lautstarkem Protest gegen das „Maximum an Anspruchslosigkeit“ oder die angeblich manipulierten Musikinteressen der Masse heraus.97 Die Beiträge auf den zweiten und später auch dritten Hörfunkprogrammen waren daher meist weiter bunt gemischt und wurden oft für Publikumsminderheiten genutzt, etwa für anspruchsvolle Kulturexperimente oder sogenannte Gastarbeiter-Sendungen. Insofern blieb bei deutschen Sendern vieles beim Alten, obwohl der mediale Umbruch auch durch das Fernsehen weiterging. Letzteres sollte sich im Laufe des Jahrzehnts zum neuen Leitmedium entwickeln und so mithelfen, dem Wunsch des Radiopublikums nach Alltagsbegleitung und Zerstreuung Nachdruck zu verleihen. 1964 startete etwa der Saarländische Rundfunk nach Luxemburger Vorbild die Europawelle Saar mit viel Musik und lockerer Moderation. Bei anderen Sendern gab es nun mehrstündige Formate wie das „Mittagsmagazin“ auf WDR 2, das ab 1965 aktuelle Informationen und internationale Musik mischte. Viele Rundfunkanstalten folgten zudem dem Trend des deutschen Musikmarkts und spielten verstärkt englischsprachigen Pop.98 96
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IfD, Junge Rundfunkhörer 1956. Eine Umfrage für den SDR, 9, HBI: „Tanztee der Jugend“; IfD, Hörfunk und Fernsehen 1960. Trendanalysen für den SDR, Bd. 1, 73–79, 95, ebd. Siehe auch Jack Gould, A Voice That Europe Trusts, in: New York Times, 17. April 1966; Walter Gutermuth, Ein Soldatensender, den Zivilisten schätzen, in: Stuttgarter Zeitung, 2. Juli 1968; Fragebogen Mann aus Verden/Aller (Jg. 1946). Vgl. Brünjes/Wenger, Radio-Report, 174; Dussel, Hörfunk in Deutschland, 400 f.; ders., Triumph of English-Language Pop Music, 136 f.; Gushurst, Popmusik im Radio, 35; Maase, Vom Schreckbild zum Vorbild, 579 f.; Roth, Piratensender; Siegfried, Time is on my side, 319–324, 327 ff.; Wagner, Sounds like the Fifties, 280–283. Siehe etwa Zenon, Gehört und gewertet, in: Hannoversche Presse, 1. Juli 1950: „Maximum an Anspruchslosigkeit“; Schlagerparade: Ende mit Dissonanzen, in: Spiegel, 9. September 1953; Schlager: Roulett im Funkhaus, ebd., 25. November 1953; Hörerwünsche wurden beachtet, in: Ansage, 10. Dezember 1953. Brünjes/Wenger, Radio-Report, 179 f.; Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, 214– 219; ders., Hörfunk in Deutschland, 329 f., 397 f.; ders., Kontinuität und Wandel des
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Die Hörerschaft
Weit über den Kreis seiner Hörerschaft hinaus hatte sich AFN bis in die sechziger Jahre einen Ruf als ein Experte für Radio-Unterhaltung erarbeitet. Wer ihn einschaltete, konnte zum Beispiel hören, wie ein Programm ohne Schalt- und Sendepausen klang, wie Hörerwünsche anstandslos erfüllt wurden oder Moderatoren eine persönliche Beziehung zu ihrem Publikum aufbauten. Durch die große Bedeutung des amerikanischen Marktes für die internationale Unterhaltungsindustrie hatte AFN auf musikalischem Gebiet weiterhin einen zeitlichen Vorsprung und konnte sich zumindest teilweise als Vorreiter behaupten. Allerdings blieb die Senderkette in dieser Zeit ein Vollprogramm mit einem gemischten Angebot für die gesamte US-Militärgemeinschaft, die von jungen Wehrpflichtigen dominiert wurde, aber auch Familien mit Kindern und ältere Offiziere samt Ehefrauen umfasste. Damit taugte AFN nur bedingt als Vorbild für die nächste in Deutschland anstehende Rundfunkentwicklung: der Entstehung von klar strukturierten Programm-Formaten, die zunächst für Autofahrer konzipiert wurden. Die erste dieser „Servicewellen“ startete der BR im Jahr 1971 und weitere Rundfunkanstalten folgten. Die bayerische Vorreiterrolle ist durch den Erfolg des österreichischen Radioprogramms Ö3 zu erklären, das seit 1967 sendete und auch in Süddeutschland zahlreichen Hörerinnen und Hörern gefiel. AFN war in diesen Jahren mit zunehmendem politischen Druck, schwindenden finanziellen Mitteln und der Übernahme des Militärfernsehens von der Luftwaffe beschäftigt. Zwar versuchte er weiterhin, aktuellen Entwicklungen zu folgen, doch mit seinen begrenzten Möglichkeiten und nur einem Hörfunkprogramm an den meisten Standorten vermochte er es kaum mehr, die Interessen seines amerikanischen Publikums zufriedenzustellen. Es wäre daher vermessen, AFN als erstes Format-Radio auf deutschen Boden zu bezeichnen, wie es Hans J. Kleinsteuber und andere Autoren getan haben.99 Die Veränderungen im westdeutschen Rundfunkangebot waren Teil von vielschichtigen gesellschaftlichen Entwicklungen in den fünfziger und sechziger Jahren, die man auch als Demokratisierung bezeichnen kann.100 Konkret zählte dazu, dass populäre Kultur einflussreicher wurde und junge Leute eigenRundfunks; ders., Triumph of English-Language Pop Music, 130–134; Geserick, Vom NWDR zum NDR, 202–218; Gushurst, Popmusik im Radio, 35 ff., 41 f.; Kursawe, Vom Leitmedium zum Begleitmedium, 32–55, 142–161, 202–211; Lersch, Das Hörfunkprogramm, 121; Riedel, Lieber Rundfunk …, 234–240; Rumpf, Music in the Air, 79–102; Siegfried, Time is on my side, 323 f., 561 f. 99 Paul Bartlett, International Broadcasting – War As Usual, in: Variety, 3. Januar 1973; Sigurd B. Wittek, Musik für 80000 Stunden, in: Münchner Merkur, 1. August 1973. Vgl. Bentele, AFN Berlin; Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, 219–225; Grissemann, Das Vorbild der alten Tante BBC, 74 f.; Gushurst, Popmusik im Radio, 35–41; Kleinsteuber, Der Weg zum Format-Radio, 542–545; ders., Hörfunk und Populärkultur, 525 ff.; Kursawe, Vom Leitmedium zum Begleitmedium, 212 ff., 226–229, 302–316; Maase, Vom Schreckbild zum Vorbild, 577–580; Roščić, „Dying is easy, but comedy is hard“. 100 Maase, Vom Schreckbild zum Vorbild, 580.
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ständiger entscheiden konnten. Solche Vorgänge gingen letztlich auf vieltausendfache alltägliche Auseinandersetzungen zurück, für die man konkrete Anlässe und handfeste Themen brauchte. Wie die vorigen Kapitel gezeigt haben, boten sich hierfür die musikalischen Vorlieben von Jugendlichen an und deren Kritiker waren breit aufgestellt. Große Teile der Bevölkerung und konservative Eliten beklagten sich über das „Ami-Gejaule“ und die „Negermusik“, fürchteten sich vor Schund, Chaos und Überfremdung. Liberalere Kommentatoren und linke Intellektuelle verfolgten die Entwicklung ebenfalls argwöhnisch, nannten sie allerdings eher kulturelle Verflachung, Verdummung und Kulturimperialismus. In einem Artikel über AFN in der Frankfurter Rundschau aus dem Jahr 1958 unterstützten sich beide Seiten gegenseitig mit ihren Vorbehalten. Der Autor führte zum einen „Volkes Stimme“ an, die über die fürchterliche Ami-Musik stöhnte, bezeichnete sie selbst aber auch als „Konservenmusik“. War hier ein elitäres Naserümpfen gegenüber der Schallplattenindustrie nur angedeutet, drückten es andere Artikel weitaus drastischer aus.101 Das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel etwa widmete sich 1963 in einer Titelgeschichte dem „Kartell der Schlagermacher“. Darin ging es unter anderem um die Entwicklung des heimischen Musikmarktes, der laut Spiegel von der amerikanischen Industrie dominiert werde. In Deutschland hätte erst die „Berieselungsanlage“ AFN dafür gesorgt, dass Schallplatten aktuelle Trends bestimmten. Amerikanische „Kolonisatoren“ würden mit ihren Platten-Charts den Rest der Welt unterjochen und sich dabei des Militärrundfunks bedienen: AFN-Disk-Jockeys verkündeten in der ganzen westlichen Welt diese Hit-Listen so absolut wie einst Missionare die Zehn Gebote bei Negerstämmen. Die westliche Welt wurde amerikanische Schlagerkolonie. Und die Deutschen, nach totalem Krieg zur totalen Kapitulation bereit, übernahmen sklavisch die Takte, die ihnen 38 Soldatensender einbleuten“.102
Wie die Autoren des Artikels auf die Zahl von 38 Sendern kamen, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Vermutlich sollte sie vor allem Genauigkeit suggerieren, ähnlich wie eine der Illustrationen des Beitrags mit der martialischen Überschrift „130 US-Stationen im Schlager-Krieg“. Die Infografik zeigte auf einer Weltkarte amerikanische Radiosender in fremden Ländern. Die sprachlichen Bilder von Missionaren und „Negerstämmen“ sind ebenfalls extrem fragwürdig. Die bisherige Untersuchung hat hoffentlich hinlänglich gezeigt, dass die Mehrheit der Deutschen AFN nicht hörte und auch diejeni101 ach, „Jetzt stecke die Frankforter unser Schloß an“, in: Frankfurter Rundschau (Landausgabe), 7. Juli 1958. Siehe auch Dussel, Hörfunk in Deutschland, 366 f., 408 ff.; Halefeldt, Weichenstellungen, 29; Maase, Grenzenloses Vergnügen, 16 und passim; Rumpf, Music in the Air, 25–30. 102 Wer ist „tu“?, in: Spiegel, 2. Oktober 1963. Siehe auch Ton-Waren vom Fließband. Schlager-Produzent Kurt Feltz, ebd., 23. November 1955. Vgl. Rumpf, Music in the Air, 31–35; Seegers, Hör zu!, 338–348.
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gen, die ihn einschalteten, keinesfalls „sklavisch“ seine Musik und Kultur übernahmen. Die amerikanischen und internationalen Einflüsse auf den deutschen Schlagermarkt, um die es in diesem Artikel unter anderem ging, hatten nur selten unmittelbar mit dem Militärrundfunk zu tun. Das Thema der kulturellen Kolonialisierung durch die USA passte gut in die Diskurse der Zeit. Immer wieder wurde sie in Medien aufgegriffen und von Vertretern unterschiedlicher politischer Richtungen vertreten. Von der linken Schülerzeitung bis zur rechtskonservativen Welt übernahmen manche Publikationen einfach die Wortwahl des Spiegel. Mal mehr und mal weniger aufwendig belegt, wurde AFN immer wieder als wichtiger Agent der Amerikanisierung oder des US-Kulturimperialismus bezeichnet. Diese vereinfachende Sichtweise hatte Vorteile, denn mit komplizierten Erklärungsansätzen kann man im öffentlichen Meinungsaustausch nicht punkten – weder an Stammtischen noch in den Medien. Und so wurde der hier ansässige AFN, dessen Programm man in alle Richtungen interpretieren konnte, zu einem beliebten Synonym für komplexe internationale Vorgänge. Jahrzehntelang war dies auch die Rolle, die der amerikanischen Senderkette in der Wissenschaft zugewiesen wurde. Und letztlich trug dies dazu bei, dass sich die Bedeutung von AFN für die kulturelle Entwicklung nach 1945 im Bewusstsein vieler Deutscher weiter verfestigte.103 Einen Teil des deutschen Radiopublikums hat AFN im Laufe der Jahre aber stets erreichen können. Häufig nutzten ihn vor allem junge Hörerinnen und Hörer, weil ihnen bestimmte Musiksendungen und sein Präsentationsstil gefielen. Anders als bei deutschen Stationen fühlten sie sich durch den USMilitärrundfunk weder bevormundet noch vernachlässigt. Für viele wurde AFN zu einem mehr oder weniger engen Begleiter in ihrem Alltag, der es ihnen auch ermöglichte, sich von Gleichaltrigen zu unterscheiden oder gegen Eltern, Lehrer oder gesellschaftliche Zwänge aufzubegehren. Bei der Legitimation der eigenen Interessen und Vorlieben half es, dass die Senderkette der Sieger- beziehungsweise Schutzmacht USA gehörte. Bei der Entstehung eigenständiger Jugendkulturen erwies sich der Militärrundfunk aber nur als ein Faktor unter vielen. Heranwachsende bedienten sich einer ganzen Reihe von 103 Siehe etwa Gerd Alzen, American Forces Network, in: Chronoskop 64, o. D., AFN Historical File; Manfred Eichhöfer, Auf der richtigen Welle, in: Welt, 4. Juli 1968. Vereinfachende Thesen vertreten auch Halefeldt, Weichenstellungen, 29; ders., Programmgeschichte, 218; Hermand, Kultur im Wiederaufbau, 332; Mezger, Schlager, 145 ff.; Nelson, U. S. Military Forces in Germany, 3 f.; Park, Der amerikanische Soldatensender (unveröff.), 161–169; Rosin, Zur Geschichte des AFRS (unveröff.), 3, 89 f., 93 f.; Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg, 351 f.; Willett, The Americanization of Germany, VIII; Zilling, AFN (unveröff.), 96, 108. Im Widerspruch dazu siehe etwa Dussel, Hörfunk in Deutschland, 330 f., 376; Lersch, Das Hörfunkprogramm, 125; Pells, Not Like Us, 205; Maase, BRAVO Amerika, 9–14; ders., Vom Schreckbild zum Vorbild, 581–585; Poiger, Commentary, 46; Schildt/Siegfried, Deutsche Kulturgeschichte, 275 f.; Siegfried, Time is on my side, 324.
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amerikanischen Ideen und Produkten, die vom Kaugummi über Kleidung bis zu Kino-Filmen reichte. Außerdem kam nicht alles aus den USA, denn letztlich griffen Deutsche auf eine Vielzahl von internationalen Vorbildern zurück und mischten diese mit ihren eigenen, „typisch deutschen“ Gewohnheiten und Vorlieben. Etliche der angeblich amerikanischen Einflüsse erwiesen sich zudem als deutsche Vorstellungen von US-Kultur. Als bloßer Sound konnte der Radiosender AFN zu einer besonders guten Projektionsfläche werden. Die einen hörten in seinem Programm zum Beispiel ihre eigenen Träume von Freiheit, modernem Leben und Wohlstand bestätigt, andere fühlten sich vom Massengeschmack und Materialismus überwältigt oder sahen gar das Ende des Abendlandes nahen. Wie sehr die eigenen Hoffnungen und Ängste auf den US-Militärrundfunk übertragen wurden, zeigte sich, wenn das im Kopf entstandene „Hörbild“ des Publikums mit der Realität bei AFN abgeglichen wurde. Immer wieder überraschte es zum Beispiel Deutsche, dass die lockeren Discjockeys als Soldaten in Uniform am Mikrofon standen oder jugendliche Moderatoren nicht dem Klischee von aufmüpfigen Teenagern entsprachen. Mit der selektiven Wahrnehmung der Vereinigten Staaten im Ausland mussten sich auch die US-Regierung und das Militär befassen. Denn in der Auseinandersetzung der politischen Systeme im Kalten Krieg konnte sich die Gegenseite allzu leicht einer Reihe von Vorurteilen gegenüber der amerikanischen Kultur bedienen. Obwohl AFN eine ganze Bandbreite von Musik in seinem Programm brachte, registrierten Europäer sein Angebot an religiösen Liedern, Militärmärschen oder Klassik kaum. Auch Informations- und Bildungssendungen drangen nicht unbedingt in das Bewusstsein der Gasthörerschaft. Für viele Deutsche war der amerikanische Militärrundfunk zunächst der JazzSender, später dann die Station für Rock ’n’ Roll oder Beat. Insofern scheiterte auch im Rundfunkbereich das Vorhaben amerikanischer Verantwortlicher, sich bei den damaligen europäischen Eliten als kulturell ebenbürtiges Land zu präsentieren. Den regelmäßigen deutschen Hörerinnen und Hörern von AFN kam dieser Umstand eher zugute. Zum einen nutzte das überwiegend junge Publikum tatsächlich vor allem die von Discjockeys präsentierten Sendungen mit Pop-Musik. Sie entsprachen ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen, und daher bauten sie diese in ihren Alltag (und ihre Lebensentwürfe) ein. Zum anderen verstärkte das allgemein verbreitete Image des Militärrundfunks dessen „Protestpotential“. Mit dem Hören von AFN konnten deutsche Heranwachsende Eltern und Erzieher provozieren oder gegen gesellschaftliche Zwänge aufbegehren. Es gehörte nicht zum militärischen Auftrag von AFN, sich ein ausländisches Gastpublikum zu schaffen, die internationalen Beziehungen sollte er aber trotzdem pflegen. Daher konnte die Senderkette nach Kriegsende dazu übergehen, in einigen Musiksendungen auch nicht-amerikanische Hörerwünsche zu erfüllen. Außerdem durfte sie Verbündete nicht vor den Kopf stoßen,
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sondern sollte mehr oder weniger gezielt die gegenseitige Freundschaft fördern. Über die Wirkung dieser Vorgehensweise lässt sich nur spekulieren. Die Probleme im Zusammenhang mit den „Schwabinger Krawallen“ haben gezeigt, dass AFN nicht allzusehr davon abweichen konnte, wollte es beim deutschen Establishment keine Verstimmungen auslösen. Bei vielen regelmäßigen Hörerinnen und Hörern hat die latente Rücksichtnahme auf deutsche Belange und die Förderung der deutsch-amerikanischen Beziehungen unter Umständen unbewusst zu einer positiven Grundeinstellung gegenüber den Vereinigten Staaten geführt. Dies hatte wohl auch Langzeitfolgen. Denn das deutsche AFN-Publikum war zwar in den vierziger bis sechziger Jahren überwiegend jung und nicht unbedingt zahlreich, etablierte sich aber in der Gesellschaft und übernahm später nicht selten wichtige gesellschaftliche Aufgaben.104 Letztlich nahmen Deutsche vor allem das an AFN wahr, was ihre eigenen Einstellungen und Werte bestätigte. Dies lag auch daran, dass auf dem Feld der Musik und des Rundfunks grundlegende gesellschaftliche Konflikte ausgetragen wurden. Hierbei ging es etwa um den Streit zwischen den Generationen oder um die Deutungshoheit von Populär- und Hochkultur. Bei den konkreten Auseinandersetzungen – ob am heimischen Abendbrottisch oder im Feuilleton – bedienten sich viele Beteiligte einfacher Argumente, und AFN kam da gerade recht. Im kleinteiligen Mischprogramm des US-Militärrundfunks fanden die einen zum Beispiel Beiträge, die ihren Wunsch nach aktueller Unterhaltungsmusik und persönlicher Ansprache befriedigte. Was so „schräg“ klang und noch dazu locker präsentiert wurde, konnte gar nicht gut sein, stellte hingegen die Gegenpartei fest. Die sprachliche und kulturelle Barriere trug außerdem dazu bei, dass viele Deutsche die Nuancen im AFN-Programm nicht mitbekamen. In ihren Ohren war der amerikanische Sender lässig, unabhängig von den verschiedenen Formen, mit denen er zum Beispiel Nachrichten, Popmusik oder Klassik präsentierte. Langfristig verschoben sich in Deutschland der musikalische Mainstream und das Hörfunkangebot in eine Richtung, die zuvor auch AFN gezeigt hatte. Der US-Militärrundfunk war dabei aber weder stetiger Vorreiter noch alleiniges Vorbild. Zahlreiche internationale Faktoren sorgten dafür, dass die deutsche Rundfunklandschaft sich änderte, unter anderem die Konkurrenz von DDR-Sendern oder des deutschsprachigen Programms von Radio Luxembourg. Trotzdem wurde AFN eine große Bedeutung für den Wandel zugesprochen, auch weil Befürworter und Gegner von englischsprachiger Populärmu104 Mathias Bröckers, AMI STAY HERE!, in: Tageszeitung, 27. März 1990; a. k., Grüne: AFN soll bleiben, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. April 1990; P. P., AFN don’t go home, in: Frankfurter Neue Presse, 11. April 1990; rtr, Grüne wollen AFN nach Truppenabzug behalten, in: Frankfurter Rundschau, 12. April 1990; „Ein unheimliches Gefühl“. Gespräch mit Außenminister Joschka Fischer, in: Spiegel, 18. Mai 2002. Vgl. Bloemeke, Roll Over Beethoven, 124; Leuerer, Stationierung amerikanischer Streitkräfte, 278; Rumpf, Music in the Air, 72 f.
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sik und einem mehr am Unterhaltungsprinzip ausgerichteten Rundfunk sich in dieser Einschätzung gegenseitig bestärkten. Denn über AFN wurde nicht nur innerhalb von Familien oder auf dem Schulhof gestritten, sondern auch in einigen öffentlich geführten Auseinandersetzungen. Deren Beteiligte erzielten inhaltlich zwar keine Einigung, bestätigten sich aber zumindest gegenseitig die Wichtigkeit ihres Streitobjekts. Zusammen sorgten sie dafür, dass sich der amerikanische Militärrundfunk bei vielen Deutschen fest im Bewusstsein verankerte.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Der Rundfunk der amerikanischen Streitkräfte entstand Anfang der vierziger Jahre auf Druck der militärischen Basis. US-Soldaten, die an abgelegenen Orten stationiert waren, wollten nicht länger auf Radiounterhaltung verzichten und starteten 1941 in Alaska die ersten, zunächst noch inoffiziellen Stationen. Auch die ersten Schritte in Richtung AFN gingen im Februar 1942 von einem US-Major aus, der sich für seine in Nordirland stationierten Soldaten amerikanische Radiosendungen wünschte. In dieser Zeit gründeten die USStreitkräfte den Armed Forces Radio Service, der die Truppen in Übersee mit Hörfunk versorgen sollte. Als zentrale Organisation des Militärrundfunks stellte AFRS Radioprogramme und Musik bereit und verbreitete diese durch Kurzwellenübertragungen oder mit Hilfe von Schallplatten. Wann immer Kommandeure dies anordneten, konnten nun an den verschiedenen militärischen Standorten Radiostationen entstehen, die mit dem gelieferten Material ein Programm gestalteten, das den Wünschen und Bedürfnissen der amerikanischen Hörerschaft vor Ort entsprach. Im Vereinigten Königreich bereiteten sich währenddessen Hunderttausende US-Soldaten auf ihren Einsatz in Nordafrika und Kontinentaleuropa vor. Hier konnten sie zwar die Programme der British Broadcasting Corporation empfangen, doch deren Inhalte und ihr Stil blieben ihnen fremd. Um das öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol nicht zu gefährden, lehnten die Briten zunächst ausländische Radiostationen in ihrem Land ab, fügten aber einzelne amerikanische Beiträge in ihre Programme ein. Da diese nicht ausreichten, um die Bedürfnisse der GIs zu befriedigen, machten die Briten ihrem wichtigsten Verbündeten weitere Zugeständnisse. Mit Unterstützung der BBC durften die Amerikaner nun mehrere schwache Mittelwellen-Sender in der Nähe ihrer Stützpunkte aufbauen. Die neue Senderkette war in die Strukturen der US-Streitkräfte vor Ort eingebettet und konnte gleichzeitig auf die Hilfe des amerikanischen Militärrundfunks zählen. Von seiner Zentrale in London ging das American Forces Network am 4. Juli 1943 erstmals auf Sendung. Anfangs gab es nur stundenweise Programm, doch AFN konnte seinen Sendetag rasch ausweiten. Der amerikanische Militärrundfunk orientierte sich an heimischen Vorbildern. Die Hörfunklandschaft der Vereinigten Staaten dominierten kommerzielle Radiostationen, die sich als unabhängige Sender oder als Teil eines Networks meist auf lokale Märkte konzentrierten. Sie finanzierten sich durch Werbung und waren darauf angewiesen, ein möglichst großes Publikum beziehungsweise bestimmte Zielgruppen zu erreichen. Die Berücksichtigung von Hörerwünschen hatte daher Priorität und auch Informationssendungen
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und andere anspruchsvolle Inhalte wurden so gestaltet, dass das Publikum gern zuhörte. Diese Grundsätze machte sich der Militärrundfunk zu Eigen, selbst wenn er als Regierungssender keine kommerziellen Ziele verfolgte. Auch den Streitkräften musste daran gelegen sein, die Vorlieben des Publikums zu treffen und viele Soldaten und Soldatinnen zu erreichen. Für die Stimmung in der Truppe war es wichtig, dass ein Radiosender sie in der Freizeit aufmunterte und ablenkte, und sie mit Informationen aus der Heimat und über den Krieg versorgte. Dies sollte einerseits die Kampfkraft der Armee stärken, andererseits war dies auch für das Funktionieren der amerikanischen Demokratie unerlässlich. Die Bürger in Uniform sollten weiterhin ihre demokratischen Rechte wahrnehmen und durften sich dem Gemeinwesen nicht entfremden. Selbst wenn einzelne Teile seines Programms bisweilen kontrovers diskutiert wurden, traf der amerikanische Militärrundfunk auf breite gesellschaftliche Zustimmung. Zunächst einmal entsprach diese Art des Hörfunks den Gewohnheiten und Wünschen der Mehrheit seines Publikums und deren Angehörigen in der Heimat. Auch die militärischen Verantwortlichen waren mit dieser Art von Radio groß geworden oder hatten gar in der Branche gearbeitet. Sehr hilfreich war zudem die Unterstützung der amerikanischen Rundfunkindustrie, ohne deren Hilfe es den Militärrundfunk in dieser Form nicht gegeben hätte. Fast alle Beteiligten hielten das amerikanische Rundfunksystem und seine Sendepraxis für das bestmögliche, und Vergleiche in Europa bestätigten diese Auffassung. Hier erlebten sie am Beispiel der Radioprogramme der NSDiktatur, wie leicht staatlich gelenkter Rundfunk missbraucht werden konnte. Der öffentlich-rechtliche Hörfunk in Großbritannien war über solchen Verdacht erhaben, allerdings gelang es der BBC nicht, ihre gesamte Hörerschaft zufriedenzustellen. Denn nicht nur die Amerikaner schalteten AFN ein, sondern auch ein kleines, aber offensichtlich dankbares britisches Publikum. Die weitere Entwicklung des US-Militärrundfunks in Europa war alles andere als vorgegeben. Noch vor AFN hatte es auf dem Kontinent verschiedene Radiosender gegeben, die amerikanische Armeen auf ihrem Vormarsch begleiteten. Die Gründung von AFN verzögerte sich wegen britischer Bedenken. Mit der BBC stießen die USA auf einen starken Verhandlungspartner, der auf genaue Grenzen und feste Abmachungen bestand. Andererseits unterstützte die BBC ihre amerikanischen Kollegen, stellte ihnen Studios, Sender und technisches Personal zu Verfügung. Diese beiden Faktoren verhalfen AFN zu einer Stabilität und Größe, die seine Zukunft positiv beeinflussen sollten. Während andere Abteilungen des amerikanischen Militärrundfunks an bestimmte Einheiten oder Sendegebiete gebunden waren und oft nur für kurze Zeit existierten, konnte AFN im Verlauf des Krieges weit über seinen ursprünglichen Zuständigkeitsbereich hinaus wachsen. Seine Expansion wurde maßgeblich vom Ehrgeiz und Sendungsbewusstsein leitender Mitarbeiter vorangetrieben. Sie sorgten dafür, dass die meisten mobilen Radiosen-
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der, die den Vormarsch der US-Truppen im nordeuropäischen Befehlsbereich begleiteten, Teil der Senderkette mit Zentrale in London wurden. Außerdem richtete AFN auf dem Kontinent selbst Radiostationen ein. In der Praxis etablierte er sich überall dort, wo es amerikanische Truppen gab und Kommandeure ihn anforderten oder zumindest duldeten. So war die ursprünglich auf Großbritannien beschränkte Senderkette im Mai 1945 auch in Frankreich und Deutschland vertreten. Nach Kriegsende blieb AFN flexibel und konzentrierte sich rasch auf die Versorgung der US-Soldaten in den deutschen Besatzungszonen. Hier gründeten seine Mitarbeiter Stationen in München, Frankfurt, Bremen und Berlin und verlegten ihr Hauptquartier in die Mainmetropole. Nach dem weitgehenden Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Großbritannien zum Ende des Jahres 1945 stellte AFN zwar seine dortigen Aktivitäten ein, doch seine Existenz als größte Einheit des Militärrundfunks in Europa war gesichert. Während des Übergangs von der Kriegs- zur Besatzungszeit bemühte sich das Personal von AFN, den Militärrundfunk unentbehrlich zu machen. Bisweilen mussten örtliche Befehlshaber von den Vorteilen eines eigenen Radiosenders überzeugt werden, die meisten waren sich der Nützlichkeit allerdings schon bewusst. Die Programme konnten Langeweile, Frustration oder Heimweh entgegenwirken und die Stimmung der Soldaten verbessern. Außerdem gaben die Sender den Soldaten Hinweise auf das vom Militär oder anderen amerikanischen Organisationen veranstaltete Freizeitangebot, hielten sie zu vorbildlichem Verhalten an und warnten vor Gefahren wie Geschlechtskrankheiten oder Alkoholmissbrauch. In dieser Zeit entdeckten militärische Verantwortliche den Rundfunk auch als Informationsmedium, das über aktuelle Entwicklungen berichtete, und als Kommunikationsmittel, mit dem sie sich direkt an ihre Soldaten wenden konnten. Die Befehlshaber schätzten auch den gemeinschaftsstiftenden Aspekt der Radiosender, denn sie halfen mit, neuankommende Soldaten zu integrieren und den stetigen Wechsel in den militärischen Einheiten zu erleichtern. Dies galt auch für die amerikanischen Familienangehörigen, die ab 1946 zu den Militärgemeinschaften in Deutschland stießen. Danach brachte AFN auch Beiträge für Hausfrauen und Kinder und näherte sich noch mehr dem Angebot von amerikanischen Radiostationen mit Vollprogramm an. Die Senderkette von AFN musste in der folgenden Zeit immer wieder an die sich ändernde Lage des US-Militärs angepasst werden. Nach dem umfangreichen Abzug von amerikanischen Truppen während der Besatzung Deutschlands verstärkten die Vereinigten Staaten ab Anfang der fünfziger Jahre erneut ihre militärische Präsenz in Europa. AFN richtete daher Radiostationen an Standorten wie Stuttgart, Nürnberg und Kaiserslautern sowie in Frankreich ein. Mit nur einer Frequenz in jedem seiner Sendegebiete musste der Militärrundfunk versuchen, die Wünsche und Bedürfnisse seiner gesamten Hörerschaft zu erfüllen. AFN bediente sich dafür eines kleinteiligen Pro-
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grammschemas, dessen Tages- und Wochenstruktur seinem Publikum aus den USA vertraut war. Nachrichten und aktuelle Unterhaltungsmusik, die der Mehrheit seiner Hörerinnen und Hörer gefiel, wechselten mit Sendungen für kleinere Zielgruppen. Der Militärrundfunk in Deutschland funktionierte als Radio-Network mit einer Zentrale in Frankfurt und mehreren lokalen Studiosendern. Je nach ihren Möglichkeiten trugen Letztere zur Produktion des überregional ausgestrahlten Programms bei und stellten Beiträge für Sendeplätze her, die für Regionales reserviert waren. Neben lokalen Nachrichten und Servicebeiträgen waren dies vor allem weniger arbeitsaufwendige Discjockey-Sendungen. Sie liefen zu den Haupteinschaltzeiten des amerikanischen Publikums am Morgen, Mittag und Abend und waren enorm populär. Anders als bei vielen Radiostationen in den USA, erfüllte AFN in den meisten dieser lokalen Schallplattensendungen die Wünsche seiner Hörerinnen und Hörer. Das Publikum von AFN war ebenso heterogen wie die amerikanische Gesellschaft und es war daher nur folgerichtig, dass sich die Mitglieder der USMilitärgemeinschaften in Deutschland mit dem Angebot ihres Radiosenders auseinandersetzten. Einige, darunter viele Offiziere und hohe Zivilangestellte, wollten über das AFN-Programm Bildung und Hochkultur vermitteln. Sie lehnten populäre Schlager oder Country-Musik ab und rümpften auch bei Seifenopern oder ähnlichem „Schund“ die Nase. Sie waren besonders auf die Außenwirkung der amerikanischen Streitkräfte bedacht und nahmen auf europäische Traditionen und Werturteile Bezug. Die andere Seite verteidigte ihre Vorlieben und verwies auf deren Massenwirksamkeit und kommerziellen Erfolg sowie auf ihre Bedeutung für die amerikanische Kultur. Letztlich setzten sich die Stimmen durch, die betonten, wie wichtig kultureller Pluralismus für die amerikanische Demokratie sei. Für das Funktionieren von AFN als Monopolsender war es unerlässlich, dass alle Angehörigen der Militärgemeinschaft zu Kompromissen bereit waren. Die Mehrheit der amerikanischen AFN-Hörerschaft ließ sich darauf ein und tolerierte auch Sendungen, die nicht ihren Vorlieben entsprachen. Die kulturbeflissene Hörerminderheit konnte sich mit ihren Vorstellungen beim Militärrundfunk also nicht durchsetzen. Ihrem Einfluss ist es aber zum Teil geschuldet, dass AFN in späteren Jahren so lange an einem veralteten Programmschema festhielt. Der amerikanische Militärrundfunk orientierte sich jeweils am Mainstream der US-Gesellschaft. Durch den Programmnachschub von AFRS bildete er das Angebot der großen Networks in den Vereinigten Staaten ab und war zudem von den amerikanischen Musikcharts beeinflusst. Beides wurde vor allem von den Hör- und Kaufgewohnheiten der weißen Mittelschicht dominiert. Die Vorlieben dieser Bevölkerungsgruppe bestimmten daher auch AFN-Beiträge für kleinere Zielgruppen. Dazu zählten Sendungen mit besonderen Musikfarben ebenso wie Programme für ethnische Minderheiten (was bisweilen identisch war). Sehr konventionelle Werte vertrat AFN auch in Be-
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zug auf die Rollen der Geschlechter oder von Heranwachsenden. Der Militärrundfunk folgte zwar stets den gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA, hielt an einigen Traditionen aber recht hartnäckig fest. Dies lag unter anderem daran, dass bei den amerikanischen Streitkräften lange Zeit Regeln galten, nach denen der Mann einer Ehe oder Familie vorstand und seine Frau ihm als Partnerin, Hausfrau oder Mutter zuarbeitete. Kinder und Jugendliche durften sich in einem vorgegebenen Rahmen ausprobieren, sollten aber letztlich brav und strebsam sein. Das System der Streitkräfte war zugleich autoritär bestimmend und paternalistisch fürsorglich und beeinflusste das Leben der Militärangehörigen und ihrer Familien oft bis ins kleinste Detail. Den Druck auf die in Deutschland lebenden Amerikaner erhöhten darüber hinaus die Stationierung in einem fremden Land und die Spannung des Kalten Kriegs. In dieser Situation rückten die Mitglieder der Militärgemeinschaften enger zusammen und häufig waren sie bereit, über Unzulänglichkeiten hinwegzusehen. Dies zeigte sich auch in Bezug auf AFN, denn die Senderkette vermochte es immer weniger, die Ansprüche seines Publikums zu erfüllen. Die Lage von AFN verschlechterte sich im Verlauf der fünfziger Jahre zunehmend. Dazu trug zunächst die Medienentwicklung in den USA bei, vor allem der Erfolg des Fernsehens und die gleichzeitige Veränderung der Radiolandschaft. Das TV übernahm für das amerikanische Publikum immer stärker die Rolle des elektronischen Leitmediums, weshalb die Networks hier verstärkt ihre Stars und finanziellen Mittel einsetzten. Der Nachschub für ein Vollprogramm alten Zuschnitts war nicht mehr gewährleistet, weil die meisten Radiosender in den USA in dieser Zeit ihr Angebot änderten. Radio wurde zum unterhaltenden Begleitmedium oder konzentrierte sich auf bestimmte Zielgruppen. AFN konnte den fehlenden Programmnachschub aus den USA zum Teil durch Eigenproduktionen ausgleichen. Dies gab seinen Mitarbeitern große Freiheiten und kreative Möglichkeiten und lässt diesen Zeitraum für viele rückblickend zu einer Art Golden Age werden. Bei Sparten wie Hörspielen oder Comedy musste sich der Militärrundfunk in Deutschland aber auch mit der Wiederholung alter Programme behelfen, zumal seine personellen und finanziellen Mittel immer stärker beschränkt wurden. In den Ohren seiner amerikanischen Hörerschaft klang sein Programm daher spätestens ab Ende der fünfziger Jahre altmodisch. Anders als die amerikanische Luftwaffe bemühten sich AFN und seine militärischen Vorgesetzten nicht, eigene Fernsehsender auf die Beine zu stellen. Die Mehrheit seines Publikums bedauerte dies zwar, blieb zunächst aber geduldig. Im Verlauf der sechziger Jahre änderte sich dies allerdings: Zum einen wurde die Diskrepanz zwischen dem Militärrundfunk in Deutschland und den Medien in den USA immer größer und zum anderen bröckelte der gesellschaftliche Konsens in den Vereinigten Staaten. Die Rassenkonflikte und der Streit um das amerikanische Vorgehen in Vietnam strahlten auch auf die Militärgemeinschaft in Europa aus. Manche Probleme waren aber hausge-
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macht. Nun rächte es sich zum Beispiel, dass die Streitkräfte für ihre Infrastruktur in Deutschland nur das Nötigste getan hatten oder bei ihren Vorstellungen von Ehe, Familie und einer funktionierenden Militärgemeinschaft nicht mehr auf der Höhe der Zeit waren. Gegen Ende der sechziger Jahre eskalierte der Streit um die Inhalte der Informationsprogramme von AFN. Das Thema der Presse- und Meinungsfreiheit beim Militärrundfunk wurde nun in einem breiteren öffentlichen Rahmen diskutiert. Als Einrichtung der Streitkräfte hatten die Radiosender dem Militär und den Sicherheitsinteressen der US-Regierung zu dienen, gleichzeitig durften und sollten sich die Redakteure aber um eine objektive und ausgewogene Berichterstattung bemühen. In der journalistischen Praxis ließ sich das nicht immer umsetzen. Das Personal von AFN war etwa angehalten, sich an den inhaltlichen Empfehlungen der amerikanischen Botschaft in Bonn zu orientieren. Bei militärischen Themen gab es Vorgaben von Seiten der Streitkräfte, die sogar verbindlich umgesetzt werden mussten. Vor allem die Wege für Informationen aus dem Europäischen Befehlsbereich waren klar vorgegeben, und hier gab es diverse Instanzen, die auf lokale Inhalte Einfluss nehmen konnten. Die militärischen Hierarchien erschwerten es zudem, sich gegen Manipulationen oder Zensur zu wehren. Wie erfolgreich jemand dabei war, hing nicht zuletzt von seiner eigenen journalistischen oder politischen Einstellung ab sowie dem Grad seines persönlichen Engagements. Die Pressefreiheit wurde gestärkt, wenn von den Streitkräften unabhängige Journalisten die Geschehnisse vor Ort und die Berichterstattung der Militärmedien kritisch begleiteten. AFN musste für seine Hörerinnen und Hörer glaubhaft bleiben. Den meisten Verantwortlichen war daher klar, dass sie Berichte über Konflikte in den USA oder in den Militärgemeinschaften nicht ganz verhindern konnten. Entsprechende Informationen wurden aber vielfach geglättet oder heruntergespielt. Man wollte weder Unruhe bei den Soldaten schüren, noch die Vereinigten Staaten bei der europäischen Hörerschaft in Misskredit bringen. Der amerikanische Militärrundfunk sollte im Kalten Krieg klar Stellung beziehen, dabei aber Rücksicht auf seine Verbündeten nehmen und die Gegenseite nicht unnötig provozieren. Dies war allgemein in den US-Streitkräften üblich, und die meisten Amerikaner in Übersee akzeptierten dies ebenso wie ihre Rolle als inoffizielle Botschafter für ihr Land. Nach Kriegsende war AFN dazu übergegangen, auch sein europäisches Publikum zu beachten und etwa Briefe zu beantworten oder Musikwünsche zu erfüllen. Mit dem Entstehen neuer Fronten im Kalten Krieg veränderte sich vor allem die Beziehung zu Deutschland. Bereits nach wenigen Jahren verbannte AFN Lieder und Wortbeiträge, die an die ehemalige Feindschaft erinnerten, und brachte Beiträge zur neuen deutschamerikanischen Freundschaft. Dabei war jedoch Augenmaß gefragt, sollte die Glaubwürdigkeit des Senders beim amerikanischen Publikum nicht leiden. Besonders vorsichtig musste das Militär agieren, wenn es darum ging, die Popularität seiner Sender bei ausländischem Publikum für Propagandazwecke
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einzusetzen. Solche Vorschläge kamen aus der amerikanischen Öffentlichkeit ebenso wie aus den eigenen Reihen. Da der Europäische Befehlsbereich AFN als ein Kommunikationsmittel im Kriegsfall eingeplant hatte, sollte sich der Militärrundfunk aus dem „Ätherkrieg“ zwischen westlichen und östlichen Auslandssendern heraushalten. Dazu bedurfte es fortwährender Bemühungen auf technischer und politischer Ebene, und nicht immer war man dabei erfolgreich. Neben vielen kleinen Einflussnahmen auf das AFN-Programm gab es zumindest einen Fall von offensichtlichem Missbrauch. Trotz Protesten strahlten fast alle Radiosender der Streitkräfte von 1963 bis 1967 eine von der Regierungsstelle USIA produzierte Sendereihe über aktuelle Politik aus. Inwieweit dadurch die Glaubwürdigkeit von AFN bei seinem amerikanischen Publikum litt, lässt sich nicht abschließend klären und auch europäische Kommentare dazu fehlen. Die ausländische Hörerschaft fand den Militärrundfunk meist deswegen überzeugend, weil er sich nicht direkt an sie zu wenden schien. Über die Größe und Zusammensetzung des deutschen AFN-Publikums gibt es kaum verlässliche Angaben. Als aufschlussreiche Quellen erwiesen sich die Hörerpost an den Militärrundfunk oder Umfragen verschiedener deutscher Sender. Danach war die Zahl deutscher Hörerinnen und Hörer von AFN direkt nach dem Krieg noch recht überschaubar, nahm im Laufe der fünfziger Jahre zu und erreichte gegen Mitte des nächsten Jahrzehnts ihren Zenit. Ab 1945 zog der amerikanische Sender zunächst eine gebildete Minderheit an, in der folgenden Dekade aber auch zunehmend andere Schichten. In diesen Jahren waren die Deutschen, die AFN intensiv hörten, überwiegend jung. Umfragen des SDR für das Jahr 1957 zeigen, dass nur fünf Prozent seines Publikums vor allem den amerikanischen Militärrundfunk einschaltete, aber immerhin ein Fünftel der Heranwachsenden zwischen 14 und 23 Jahren. Solche Zahlen lassen sich jedoch nicht für die Bundesrepublik hochrechnen. Man konnte ja nicht überall AFN empfangen, hatte unterschiedliche Angebote von deutschen und europäischen Radiosendern und war den USA und ihren Truppen gegenüber unterschiedlich eingestellt. Auch über die sechziger Jahre hinaus war AFN bei etlichen Deutschen beliebt; zum Teil wurde seine Hörerschaft mit ihm älter, zugleich zog AFN immer wieder jüngeres Publikum an. In dieser Arbeit konnte nur untersucht werden, welchen Einfluss der amerikanische Militärrundfunk auf die ersten beiden deutschen Publikumsgenerationen hatte. Dabei handelte es sich zunächst um die Alterskohorte der um 1930 Geborenen, die AFN in den Jahren nach dem Krieg eingeschalteten. Sie erlebten mit Swing, Jazz und aktueller Tanzmusik Rhythmen und Klänge, die sie mochten und die zum Teil zuvor in Deutschland verboten gewesen waren. Für viele von ihnen verkörperte diese Musik ihre neugewonnene Freiheit, den eigenen Aufbruchswillen oder ihre Hoffnungen für die Zukunft. Das unbekümmerte und selbstbewusste Auftreten der AFN-Moderatoren und andere als modern empfundene Präsentationsformen des amerikanischen Rundfunks er-
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gänzten diese Eindrücke. Die sogenannte Flakhelfer-Generation prägten solche Hörerlebnisse oft nachhaltig in ihren musikalischen Vorlieben und ihrer Lebenseinstellung. Ihre Vorstellungen unterschieden sich zum Teil stark von denen der meisten gleichaltrigen und älteren Deutschen und sorgten auch dafür, dass AFN in diesen Jahren als Jazz-Sender wahrgenommen wurde, wobei Jazz oft nur als ein negativ besetztes Schlagwort für amerikanische Unterhaltungsmusik stand. Ab den fünfziger Jahren kam die Hörerschaft der um 1940 Geborenen hinzu. Sie wurden von verschiedenen aktuellen Trends amerikanischer Unterhaltungsmusik angezogen, die von Schlagern über Country bis zum Rock ’n’ Roll reichten. Mit dieser Musik hatten sich Jugendliche in den USA eigene kulturelle und soziale Freiräume erkämpft. Auch hierzulande grenzten sich Heranwachsende mit ihren musikalischen Vorlieben, durch bestimmte Verhaltensweisen oder Kleidung von Gleichaltrigen und Älteren ab. Viele griffen dafür amerikanische Anregungen auf, die sie aus Medien, vor allem aus Filmen kannten, und adaptierten sie an ihre eigenen Ideen und Sehnsüchte. Ihre Wahrnehmung der amerikanischen Kultur stimmte mit ihren überwiegend positiven Vorstellungen von den USA überein. Gleichzeitig hatten viele andere Deutsche ein negativ gefärbtes Bild von den Vereinigten Staaten und hielten die amerikanische Kultur für minderwertig. Dadurch war das Protestpotential amerikanischer Musik und Populärkultur in Deutschland hoch. Manche Jugendliche konnten daher bereits mit dem Einschalten von AFN gegen elterliche Regeln, gesellschaftliche Zwänge oder die strengen Normen der Hochkultur aufbegehren. Während deutsche Radiosender sich lange weigerten, auf jugendliche Vorlieben oder „Massengeschmack“ einzugehen, zeigte der amerikanische Militärrundfunk, besonders in seinen lokalen Musiksendungen, solche Vorbehalte nicht. Auch diese Generation der deutschen AFN-Hörerschaft war von der Lässigkeit und Souveränität der amerikanischen Moderatoren fasziniert, die sich nach wie vor von der damaligen deutschen Rundfunkpraxis unterschied. Darüber hinaus reagierte das Personal von AFN freundlich auf das Interesse deutscher Gasthörer, beantwortete ihre Fragen und erfüllte zahlreiche Musikwünsche. Für viele Mitglieder der sogenannten Kriegskinder-Generation wurde AFN zu „ihrem Sender“, bedeutete also eindeutig mehr als Rock ’n’ Roll. Amerikaner und Deutsche haben AFN unterschiedlich genutzt und wahrgenommen. Für das amerikanische Zielpublikum war der Militärrundfunk die einzige Radiostation in Europa, die ihre Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse befriedigen konnte. Er verband sie mit ihrer Heimat und fungierte als Lokalsender für die amerikanischen Gemeinden in der Diaspora. Bei einigen Hörerinnen und Hörern entstand dadurch eine emotionale Bindung zu AFN, die aber meist zeitlich begrenzt und der besonderen Situation geschuldet war. Als Angehörige von Militärgemeinschaften in Übersee waren sie es gewohnt, sich an zahlreiche Vorgaben und Regeln halten zu müssen. Die Er-
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wartungen der US-Hörerschaft an AFN waren daher den Umständen angepasst. Solange versucht wurde, ihre Anliegen zu berücksichtigen, waren die meisten Soldaten zu inhaltlichen Kompromissen bereit. Und so ließen sie ungeliebte Mitteilungen und Belehrungen der Streitkräfte ebenso über sich ergehen wie Programme für kleinere Zielgruppen. Die Toleranz des amerikanischen Publikums schloss auch ein, dass sie AFN mit der Gasthörerschaft teilten: nämlich dann, wenn deren Wunschtitel gespielt wurden. Eine ganz andere Rolle spielte der amerikanische Militärrundfunk für sein deutsches Publikum. Die meisten von ihnen hörten einen oder mehrere heimische Sender, entschieden sich mit AFN aber auch für ein Programm, dessen Zielgruppe sie nicht angehörten und dessen Sprache und kultureller Hintergrund ihnen fremd war. Viele schalteten gezielt bestimmte Sendungen ein, doch auch wer AFN ganze Sendetage lang hörte, nahm die Radiostation anders wahr als dessen amerikanisches Publikum. Deutsche brachten ihre eigenen musikalischen Vorlieben und spezifisch europäische Informationsinteressen mit. Als akustische Zaungäste konnten sie sich leicht von Beiträgen distanzieren, die in der US-Militärgemeinschaft mitunter für Unmut oder Streit sorgten. Die Sprachbarriere ermöglichte es zudem, Musiktexte oder „das Gequatsche zwischendurch“ auszublenden. Vielfach überhörten sie auch inhaltliche Nuancen, weil ihnen die entsprechenden englischen Vokabeln fehlten oder sie die Bedeutung der verschiedenen Akzente, Vortragsstile oder Sprachebenen nicht verstanden. Für die meisten Deutschen fiel das Programm von AFN in eine einzige Kategorie und die hieß schlicht „amerikanisch“. Hierbei klangen Themen mit wie Individualität und Demokratie, Wohlstand und Moderne oder Massenkonsum und Populärkultur. Die deutschen Bilder von den USA drückten vielfach Hoffnungen – oder auch Ängste – für die eigene Zukunft aus und wurden auf den amerikanischen Militärrundfunk projiziert. Ein Radiosender bedeutet für jeden seiner Hörerinnen und Hörer letztlich etwas anderes. Für viele deutsche Jugendliche war AFN Musikquelle, Stimmungsaufheller oder Alltagsbegleiter. Manche Sendungen und Moderatoren wurden ihnen so vertraut, dass sie so etwas wie eine persönliche Beziehung zum Militärrundfunk aufbauten. Diese blieb jedoch meist einseitig und virtuell, drückte sich manchmal in Briefen aus und führte vereinzelt zu Besuchen. Im Äther oder im richtigen Leben stieß das AFN-Publikum auch auf Gleichgesinnte. Die deutsche Hörerschaft konnte sich also unter Gleichaltrigen positionieren und vor allem auch bei Älteren für Aufsehen sorgen. Im alltäglichen Ringen um sozialen Status und kulturelle Werte spielte AFN bisweilen eine prominente Rolle, war letztlich aber nur ein Faktor unter vielen. Weitaus größere Wirkung hatten beispielsweise Kinofilme und amerikanische Konsumgüter. Außerdem ließen sich Deutsche nie allein von Ideen oder Gegenständen aus den USA „amerikanisieren“, sondern mischten stets heimische Vorstellungen und unterschiedliche internationale Anregungen. Selbst die Fans der damaligen englischsprachigen Unterhaltungsmusik hörten außer AFN meist auch
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andere Radiosender, etwa das englische Programm von Radio Luxembourg oder den britischen Militärrundfunk BFN/BFBS. Diese Erkenntnisse widersprechen nicht dem Erleben einzelner deutscher AFN-Hörerinnen und -Hörer, die angaben, dass für sie der amerikanische Militärrundfunk ein wichtiger Begleiter in einem prägenden Lebensabschnitt war. Einige Beobachter der deutschen Medienlandschaft schreiben AFN entscheidenden Einfluss auf die Rundfunkentwicklung zu. Die amerikanische Militärsenderkette war in vielen Regionen Deutschlands zu empfangen und konnte dem heimischen Publikum einen direkten Eindruck vom US-Hörfunk vermitteln. Wie die deutschen Sendeanstalten hatte AFN zwar einen Bildungsauftrag zu erfüllen, bediente sich dafür aber unterhaltender, publikumsfreundlicher und serviceorientierter Formen. Insofern gab AFN wohl durchaus einzelnen deutschen Rundfunkmitarbeitern Anregungen für ihre Tätigkeit. Während des Untersuchungszeitraums dieser Arbeit blieben die Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Sender aber bei ihrem Konzept von Rundfunk als Erziehungseinrichtung und scheuten sich, „niveaulose“ Musik oder Unterhaltung ins Programm aufzunehmen. Damit ignorierten sie aber die Wünsche von großen Teilen ihres Publikums, darunter viele Jugendliche. Einige wandten sich deshalb AFN zu, doch letztlich war diese Gruppe nicht ausschlaggebend dafür, um im deutschen Hörfunk Änderungen zu erwirken. Wichtiger waren die Konkurrenz ostdeutscher Sender sowie der große Erfolg des deutschsprachigen Programms von Radio Luxembourg. Entscheidend war auch das Fernsehen, das binnen weniger Jahre viele Funktionen des Radios übernahm. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten reagierten darauf ab den sechziger Jahren durch neue Sendungen und im folgenden Jahrzehnt durch neue Programmformate. Außerdem orientierte sich der Hörfunk immer stärker am deutschen Musikmarkt, der einen Trend zu englischsprachigem Pop zeigte. Der Impuls für diese Studie war, die häufig sehr einfach gehaltenen Aussagen über AFN zu hinterfragen. Soweit die Autorin überhaupt Belege fand, konnten einige gängige Thesen verifiziert, viele aber auch widerlegt werden. Diese Arbeit ist als explorative Studie gedacht und versteht sich als Einladung zu weiterer Forschung. Welche Quellen man dafür erneut analysieren und wo man eventuell neue Quellen erschließen kann, wurde in der Einleitung und an verschiedenen Stellen im Hauptteil angedeutet. Aussichtsreich erscheint zum Beispiel, den amerikanischen Militärrundfunk auf lokaler Ebene zu untersuchen oder sich einzelne Themengebiete genauer anzuschauen, etwa den Einfluss von AFN auf den deutschen Musikmarkt. Es ist zu erwarten, dass solche Detailstudien über die Ergebnisse dieser Überblicksarbeit hinaus zahlreiche zusätzliche Erkenntnisse bringen werden. Außerdem gilt es, die historische Entwicklung der Militärsender in der Folgezeit dieser Studie, also seit Mitte der sechziger Jahre zu rekonstruieren. Die größten Veränderungen wird es wohl beim Programmangebot gegeben haben, doch auch die Institution des Militärrundfunks und sein Publikum verän-
Zusammenfassung und Ausblick
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derten sich. AFN befand sich seit Ende der sechziger Jahre in keiner einfachen Situation. Der US-Militärrundfunk war durch den Vietnamkrieg stark beansprucht, weil er immer wieder qualifiziertes Personal nach Südostasien abgeben und extrem sparen musste. Zwar konnte AFN ab 1969 an einigen Standorten ein zweites Radioprogramm anbieten, ging aber auch zur Automatisierung von Teilen seines Sendebetriebs über. Da im Jahr 1973 in den Vereinigten Staaten die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, betreuten die Militärmedien danach eine Berufsarmee und deren Familienangehörige. Daraufhin verstärkten sich Tendenzen, den Rundfunk der Streitkräfte zu vereinheitlichen und durch zentrale Stellen kontrollieren zu lassen. Seit 1982 ist AFN nicht mehr dem Europäischen Befehlsbereich zugeordnet, sondern untersteht zentralen Medieneinheiten des US-Heeres beziehungsweise des Verteidigungsministeriums. 1973 hatte AFN außerdem die Verantwortung für das Militärfernsehen in Europa übernommen. Dafür bediente er sich der Anlagen und des Personals der US-Luftwaffe, verlegte die Zentrale aus Ramstein aber zwei Jahre später in das eigene Hauptquartier in Frankfurt. Anfangs nutzte das Fernsehen der US-Streitkräfte das in Deutschland übliche PAL-Verfahren, mit dem Übergang zu Farbe im Jahr 1976 stieg es aber auf die amerikanische NTSC-Norm um. Seither ließen sich die AFN-Sendungen auf deutschen Fernsehgeräten nicht mehr ohne technische Zusatzausstattung empfangen. Die Fernsehprogramme von AFN erreichten nie ein nennenswertes deutsches Publikum. In Bezug auf die Radiosender von AFN hatten Deutsche schon seit erstaunlich früher Zeit Verlustängste. In Medienberichten zeigten sie sich erstmals verstärkt im Jahr 1968, weil das 25. Jubiläum der Senderkette von politischen Querelen und Budgetkürzungen begleitet wurde. Damals zog der Militärrundfunk neben seinen mittlerweile älteren Fans auch immer wieder neue junge Hörerinnen und Hörer an. Neben der sogenannten KriegskinderGeneration hat AFN wohl vor allem unter den um 1950 Geborenen eine größere Zahl von Anhängern gefunden. Als nach dem Ende des Kalten Kriegs ein massiver Abzug amerikanischer Truppen aus Deutschland anstand, meldeten sich viele deutsche Hörer zu Wort. „Die GIs können gehen, aber AFN sollen sie hierlassen“, war der Tenor vieler Kommentare zu Beginn der neunziger Jahre. Die amerikanischen Streitkräfte konnten und wollten sich nicht auf solche Überlegungen einlassen. Daher schloss AFN viele seiner bisherigen Stationen: 1992 kam das Ende für AFN Munich, 1993 folgte Bremerhaven und 1994 Berlin. Außerdem zogen in den neunziger Jahren mehrere Militärsender um, etwa von Stuttgart nach Heidelberg und von Nürnberg nach Vilseck. An jeder Schließung und an jedem Umzug nahmen Deutsche Anteil. Vielfach wurde der Sender zur Legende erklärt. Vor allem Angehörige der Alterskohorten der um 1940 und 1950 Geborenen erinnerten sich an ihre Jugendzeit und hatten großen Anteil an einer „AFN-Nostalgiewelle“. Das Ende des Kalten Kriegs brachte für die amerikanischen Streitkräfte und den Militärrundfunk massive Veränderungen und neue Aufgaben. Im ers-
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Zusammenfassung und Ausblick
ten Golfkrieg forderte das Heer die Hilfe von AFN an, und in den folgenden Jahren engagierten sich seine Mitarbeiter bei US-Einsätzen auf dem Balkan oder in Afrika. In dieser Zeit ordnete sich der gesamte Militärrundfunk neu und seine Sender nannten sich um: Seit 1998 heißen alle Stationen American Forces Network. Man beachte die Ironie. Als AFN sich im Zweiten Weltkrieg eigenmächtig diesen Namen gab, war er damit bei AFRS auf Ablehnung gestoßen. In den folgenden Jahrzehnten hatte sich AFN aber als einer der erfolgreichsten Sender erwiesen und war zum Aushängeschild des Militärrundfunks geworden – auch weil er sich immer stärker in dessen System einbinden ließ. Seit den neunziger Jahren gab es für AFN Europe bei den Standorten und Zuständigkeiten zu viele Veränderungen, um sie hier kurz skizzieren zu können. Die technologische Entwicklung und die Umgestaltung der Streitkräfte stellen die militärischen Hörfunksender immer wieder vor neue Herausforderungen. Doch für alle Generationen von Soldatinnen und Soldaten gilt das Versprechen des Militärrundfunks, sie in jeden Winkel der Welt zu begleiten. So bleibt trotz aller Veränderungen bei militärischen Aufgaben und im Alltag der Truppe eines gleich. Nicht nur bei Langeweile oder Stress, Einsamkeit oder Heimweh ist es gut, wenn es Radio gibt. Und da ist AFN noch immer: mehr als Rock ’n’ Roll.
NACHWORT Es ist wohl üblich, dass man seinen Prüfern zuerst dankt, und so soll es geschehen: Vielen Dank an Axel Schildt und Bernd Greiner für die Betreuung der Promotion. Herzlichen Dank an das Deutsche Historische Institut in Washington, D. C., das einen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in den National Archives finanzierte. Der Franz Steiner Preis für deutsch-amerikanische Studien des Deutschen Historischen Instituts und des Franz Steiner Verlags ermöglichte es, dass die Dissertation in der Reihe Transatlantische Historische Studien erscheinen kann. Vielen Dank an Britta Waldschmidt-Nelson, Clelia Caruso und Ricarda Berthold, Thomas Schaber und Katharina Stüdemann sowie allen weiteren an der Veröffentlichung Beteiligten. Die Autorin bedankt sich auch bei den vielen Mitarbeitern von amerikanischen und deutschen Archiven, Bibliotheken und Institutionen, die ihr bei der Recherche halfen. Dank für kollegiale Hilfe gebührt R. Stephen Craig, Kaspar Maase, Patrick Morley, Irene Neverla, Lawrence Suid, Hans-Ulrich Wagner und den Teilnehmern des Examenscolloquiums des Studienkreises Rundfunk und Geschichte (1998 und 2000). Vom Kollegen zum Freund wurde John Provan. An ihn ein besonders herzliches Dankeschön. Letztlich hätte es diese Arbeit ohne ihn nicht gegeben. Ähnliches kann man für die vielen Zeitzeugen sagen, die die Dissertation unterstützt haben. Dies gilt zunächst für jetzige und ehemalige Mitarbeiter von AFN, die den Fragen und Anliegen einer deutschen Historikerin stets offen und hilfsbereit begegneten. Hinzu kam eine Vielzahl von deutschen Hörerinnen und Hörern von AFN, die ihre Erinnerungen mit der Autorin teilten. Der Enthusiasmus aller Zeitzeugen für das Thema dieser Arbeit war ein großer Glücksfall. Herzlichen Dank! Absolut überlebenswichtig war die Hilfe von Familie und Freunden. Sie waren über all die Jahre nachsichtig, wenn sie wegen der Dissertation vernachlässigt wurden. Sie haben getröstet und ermutigt, wenn es notwendig war, und haben auch ganz praktisch die Arbeit unterstützt. Herzlichen Dank an die Zuhörer und Ratgeber, Korrekturleser und Layouter, Umzugshelfer und Geldgeber: Beate Driemer, Gerda Holste (†), Gundula Hölty, Anja Klettner, Kathrin Lappe, Andrea Michael, Oranna Naudascher-Wagner, Matthias Reiß, Alexander Schäfers, Bernardine Schäfers (†), Gerda Schäfers, Gottfried Schäfers, Marlies Schäfers, Maximilian Schäfers, Paul Schäfers (†), Peter Schäfers, Dorothea Siegle, Beate und Karl-Heinz Zeitz. Diese Arbeit ist meinen Eltern gewidmet. Und: Ja, jetzt bin ich fertig. Münster-Kinderhaus, im Mai 2013
ANHANG ABKÜRZUNGEN 1. Im Text erwähnte Dienstgrade des US-Heeres Enlisted Grades – Mannschaften – PVT PFC CPL SGT SSG SFC 1SG
Recruit Private Private First Class Corporal Sergeant Staff Sergeant Sergeant First Class First Sergeant
Soldat Gefreiter Obergefreiter Unteroffizier Feldwebel
Commissioned Ranks – Offiziere 2LT 1LT CAPT MAJ LTC COL BG MG LTG GEN
Second Lieutenant First Lieutenant Captain Major Lieutenant Colonel Colonel Brigadier General Major General Lieutenant General General
Leutnant Oberleutnant Hauptmann Major Oberstleutnant Oberst Brigadegeneral Generalmajor Generalleutnant General
Unteroffiziersränge ohne Befehlsbefugnis T/5 T/4 Sp4 Sp5
Technician 5th Grade Technician 4th Grade Specialist 4 Specialist 5
2. Weitere Abkürzungen A A1C AA ABC
Acting, Army Airman First Class Auswärtiges Amt American Broadcasting Company
wie Corporal wie Sergeant wie Corporal wie Sergeant
418 ABS Admin ADSEC AEFP AES AF AFIED AFIS AFN AFNE AFRC AFRS AFRTS AFVN AG AM Am AMRO AMZON AP APO ARC ASCAP ASF Asst Attn AU AV Avn AWOL BA BASEC BBC BDN BFBS BFN BK BMJ Bn BPE BPR Br BR BRD BStU C CBS
Anhang
Army Broadcasting Service Administration, Administrative Advance Section Allied Expeditionary Forces Programme of the BBC American Expeditionary Station Air Force Armed Forces Information and Education Division American Forces Information Service American Forces Network American Forces Network Europe Armed Forces Recreation Center Armed Forces Radio Service Armed (zeitweise American) Forces Radio and Television Service American Forces Vietnam Network Adjutant General Amplitude Modulation American American Military Relief Operation American Zone of Occupation Associated Press Army Post Office American Red Cross American Society of Composers, Authors and Publishers Army Service Forces Assistant Attention Army Unit Audiovisuelle Quellen Aviation Absent without leave Bundesarchiv Base Section British Broadcasting Corporation Blue Danube Network British Forces Broadcasting Service British Forces Network Bundeskanzler Bundesministerium für Justiz Battalion Bremerhaven Port of Embarkation Bureau of Public Relations Branch Bayerischer Rundfunk Bundesrepublik Deutschland Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Chief, Commander, Commanding Columbia Broadcasting System
Abkürzungen
CD CDR CI CinC CINCEUR C/Info CIV CG Class Co CO Com Z Conf Corr Cp C/S CWO DA D-Day DDR Dec File Def Dep Dept Det Dir Div DJ DOD Edu EES EM ET ETO ETOUSA EUCOM Exec FEN FM fr FTX G-1 G-2 G-3 G-4 G-5 G-A GEMA
Compact Disc Commander Command Information Commander in Chief Commander in Chief European Command Chief of Information Civilian employee Commanding General Classified Company Commanding Officer Communications Zone Confidential Correspondence Camp Chief of Staff (auch: Cof S, CoS) Chief Warrant Officer Department of the Army Tag X (Datum, an dem ein Unternehmen startet) Deutsche Demokratische Republik Decimal File Defense Deputy, Depot Department Detachment Director Division Disc Jockey Department of Defense Education European Exchange System Enlisted Man European Theater European Theater of Operations European Theater of Operations, United States Army European Command (1947–1952) Executive Far East Network Frequency Modulation from Field Training Exercise Personnel Section Intelligence Section Operations Section Supply Section Civil Affairs German-American Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte
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420 Gen Corr GI GYA HACom HBI HICOG HQ HR IC ICD I&E IfD IG I&L INFOD INS JAG JCS KP L LR MBS MC Memo MfS Mil Mil Gov MISC MOS MP MS MSD MTOUSA NACom NARA NACP NASL NATO NBC NCO NDR NPR NSC NTSC NWDR O OAFIE OCB OCSigO
Anhang
General Correspondence „Government Issue“ (amerikanischer Soldat) German Youth Activities Headquarters Area Command Hans-Bredow-Institut U. S. High Commission for Germany Headquarters Hessischer Rundfunk In charge Information Control Division Information and Education Institut für Demoskopie Inspector General Information and Liaison Information Division International News Service Judge Advocate General Joint Chiefs of Staff „Kitchen Police“ (Küchendienst) mit Lücke(n) Local Recording Mutual Broadcasting System Master of Ceremonies Memorandum Ministerium für Staatssicherheit Military Military Governor Miscellaneous Military Occupational Speciality Military Police Manuskript Morale Services Division Mediterranean Theater of Operations, United States Army Northern Area Command National Archives and Records Administration National Archives at College Park, Maryland National Archives at St. Louis, Missouri North Atlantic Treaty Organization National Broadcasting Company Noncommissioned Officer Norddeutscher Rundfunk National Public Radio National Security Council National Television System Committee Nordwestdeutscher Rundfunk Office, Officer Office of Armed Forces Information and Education Operations Coordinating Board Office of the Chief Signal Officer
Abkürzungen
Ofc OIC O&M OMG OMGUS Opns OPOT Ord OSD OWI P P&A PA AA PAL PAO PD PID PIO PMG POLAD Pol Adv PR PRO PT PW PWD PX QM QSL RCT Repl RFE RG RIAS RL R&R R ’n’ R RTF SACEM SACEUR SACom SDR Sec Secr Secu SEN sgd SGS
Office Officer in charge Operation and Maintenance Office of Military Government Office of Military Government for Germany, United States Operations Operations, Plans, Organization, and Training Ordnance Office of the Secretary of Defense Office of War Information Popular Personnel & Administration Division Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Phase Alternation Line Public Affairs Office/Officer Program Director Public Information Division Public Information Office/Officer Provost Marshall General Office of the Political Advisor Political Advisor Public Relations Public Relations Office/Officer Physical Training Prisoner of War Psychological Warfare Division Post Exchange Quartermaster Bestätigung korrekter Empfangsberichte Regimental Combat Team Replacement Radio Free Europe Record Group Rundfunk im amerikanischen Sektor Radio Liberation/Liberty Rest and Recreation Rock and Roll Radiodiffusion Télévision Française Societé française des Auteurs, Compositeurs et Editeurs de musique Supreme Allied Commander Europe Southern Area Command Süddeutscher Rundfunk Secretary Secret Security Southern European Network signed Secretary of the General Staff
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422 SHAEF SHAPE S&IS Sig SOFA SOP SOS S&S SS SSD SSS Supv SW SWF T TASCom TC TCA TDY Tech Telcon TI&E TIED T/O TO TSF TV UCMJ UdSSR UKW Unveröff. UP UPI USA USAF USAFE USAMHI USAREUR USFA USFET USEUCOM USIA USO V VD V E Day V J Day VOA
Anhang
Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force Supreme Headquarters Allied Powers Europe Special and Information Services Signal Status of Forces Agreement Standing Operating Procedure Services of Supply Stars and Stripes Special Service Special Service Division Special Service Section Supervisor Shortwave Südwestfunk Theater Theater Army Support Command Theater Chief Tempelhof Central Airport Temporary Duty Technical Telephone Conference Troop Information and Education Troop Information and Education Division Table of Organization Theater of Operations Theater Service Forces Television Uniform Code of Military Justice Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Ultrakurzwelle Unveröffentlichte Literatur United Press United Press International United States of America (im Text), United States Army (in den Fußnoten) United States Air Force United States Air Forces in Europe United States Army Military History Institute United States Army Europe United States Forces in Austria United States Forces, European Theater United States European Command (ab 1952) United States Information Agency United Service Organizations Vice Venereal Disease Victory in Europe Day Victory over Japan Day Voice of America
Quellen- und Literaturverzeichnis
WAC WACom WAR WDR XO ZSg
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Women’s Army Corps Western Area Command War Department Westdeutscher Rundfunk Executive Officer Zeitgeschichtliche Sammlung
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS 1. Quellen 1.1 Archivmaterial American Forces Network Europe, Frankfurt am Main (zitiert als AFN Historical File) (Zum Verbleib der Dokumente siehe Einleitung.) AFN Policy File (1943–1946). AFN Bremen Bremerhaven Guest Register (1947–1957). AFN Bremen Voice of the Enclave, Scrap Book 1 (28.7.1945–21.12.1945), Scrap Book 2 (23.12.1945–3.5.1946), Scrap Book 3 (25.5.1946–6.6.1958). AFN Bremen/Bremerhaven History, 6 Ordner, zusammengestellt von Bill Boyd (1945–1993). The American Forces Network: Serving American Forces in Europe, MS, o. D. [1953]. Druckvorlagen, o. D. [1956]. Report to American Forces Network by American Radio Network Representatives October 15 to October 31, 1956, MS. The American Forces Network, Europe: Twentieth Anniversary Program 4th of July 1963. CWO W4 R. E. Moore, Adjutant/American Forces Network, Europe, an „Distribution A“, Subject: Standing Operating Procedure, 26. April 1965. LTC H. W. Roeder Commanding/American Forces Network, Europe, Subject: Standing Operating Procedure, 22. September 1971. Mark White, Memories of AFN Munich, MS, 14. März 1988. Anniversary Programs/Misc. (1960). Press Releases 1960–1965. 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (v. a. 1963). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1965–1966). Ex-AFNers File (1967–1968). 228-08 Organization Historical Files: AFNE Historical Files (ca. 1968–1975). 228-08: AFNE History: Station Profiles (1973). 228-08 Organization History Files: AFNE Historical Files (1954–1977). 870-5b Installation Historical Files – Gen Information (1957–1984). 870-5b Installation Historical Files – Newspaper Clippings ref AFN MUN (1956–1991). 10-5a AFN Munich (SFPA-AFN-MU) (1987–1992). 10-5a AFN Bremerhaven (SFPA-AFN-BH) (1983–1993). Newspaper Clippings 1st – 4th Quarter 1953. Newspaper Clippings 1st – 4th Quarter 1954. Newspaper Clippings January – December 1955. Newspaper Clippings January – December 1956.
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Anhang
Newspaper Clippings 1957. Newspaper Clippings 1958. Newspaper Clippings 1959. Newspaper Clippings 1960. Foreign Publications (1959–1960). Schlossfest (1958–1961). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1961). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1962) (2). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1963). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1964). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1965) (2). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1966). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1967) (2). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1968) (2). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1969). 228-08 Organization Historical Files: Newspaper Clippings (1970) (3). Bundesarchiv, Koblenz (zitiert als BA) B 106 (Bundesministerium des Inneren): 809, 833. B 145 (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung): 6443. B 257 (Bundesministerium für Post und Telekommunikation): 8133, 20935. ZSg 132 (Sammlung Institut für Demoskopie Allensbach): 21, 532, 598. Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (zitiert als BStU) MfS ZAIG 9978. Deutsches Kabarettarchiv, Mainz Gestern – Heute – Übermorgen. Programm der Schaubude München im Juli–August 1946. Lied „Don’t fence me in“, Text: Herbert Witt, Musik: Edmund Nick. Frankfurter Rundschau, Frankfurt am Main Zeitungsartikel (1951–1998). Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv Mikrofilm Nr. 793-60L (Zeitungsartikel bis 1960). Mikrofiche E 15 N 34/60, 26.2.69, E15 1361 70 L (Zeitungsartikel bis 1969). Signatur E 15 n34 Sm1 (Zeitungsartikel 1981–1990, 1991–). Hans-Bredow-Institut, Hamburg (zitiert als HBI) Institut für Demoskopie: Junge Rundfunkhörer 1956. Eine Umfrage für den Süddeutschen Rundfunk, o. O. [Allensbach] o. J. [1956]. Dasselbe: Süddeutscher Rundfunk Hörer-Befragung Dezember 1952. Bericht, Allensbach o. J. [1953]. Dasselbe: Süddeutscher Rundfunk Hörer-Befragung Frühjahr 1953. Bericht, Allensbach o. J. [1953]. Dasselbe: Süddeutscher Rundfunk Hörer-Befragung Frühjahr 1954. Bericht, Allensbach o. J. [1954]. Dasselbe: Süddeutscher Rundfunk. Bericht über eine Hörer-Befragung im Gebühreneinzugsgebiet, Frühjahr 1955, Allensbach o. J. [1955].
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Dasselbe: Süddeutscher Rundfunk. Bericht über eine Hörer-Befragung im Gebühreneinzugsgebiet, Frühjahr 1956, Allensbach o. J. [1956]. Dasselbe: Süddeutscher Rundfunk 1957. Bericht über eine Hörer-Befragung im Gebühreneinzugsgebiet, Allensbach o. J. [1957]. Dasselbe: Süddeutscher Rundfunk 1958. Ergebnisse einer Hörerbefragung im Gebühreneinzugsgebiet, Allensbach o. J. [1958]. Dasselbe: Die Rundfunkhörer 1958. Stichkontrollen für den Süddeutschen Rundfunk, o. O. [Allensbach] o. O. [1959]. Dasselbe: Hörfunk und Fernsehen 1960. Trendanalysen für den Süddeutschen Rundfunk, o. O. [Allensbach] o. J. [1961]. Hessischer Rundfunk, Frankfurt am Main (zitiert als HR) Historisches Archiv Ordner AFN 1952–1960. Ordner AFN Studioneubau Juni 1958–März 1969. Ordner Intendanz: Rundfunkanstalten (1972–1984). Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main (vormals Stadtarchiv Frankfurt) S3/R 284 American Forces Network (AFN) American Forces Network Europe: Pressemappe zum 20. Jubiläum (4. Juli 1963). Silver Jubilee Issue 1968 (darin lose: AFN Program Facts). National Archives, College Park, Maryland (zitiert als NACP) RG 59 General Records of the Department of State Decimal File 1945–1949, Box 4743, 4747, 4748, 4749, 4753, 4754. Decimal File 1950–1954, Box 1671, 1672, 1673, 1674, 2437, 2438. RG 260 Records of United States Headquarters, World War II, Office of the Military Government for Germany (OMGUS) Records of Military Government, Bremen Records of the Public Information Office Correspondence & Other Records 1947–1948, Box 64, 65. RG 306 Records of the United States Information Agency (USIA) Office of Research „R“ Reports 1964–1974, Box 6. RG 319 Records of the Army Staff United States Army, Chief of Staff, Chief of Information, Troop Information & Education Division Decimal File 1942–1948, Box 306, 307, 308, 322. Decimal File 1949–1954, Box 347, 348, 349, 350. Decimal File 1949, Box 409. Decimal File 1949–1954, Box 418, 419, 423, 429, 430, 431, 432, 433, 435, 436. Security Classified Correspondence 1952–1958, Box 2. General Correspondence 1955–1958, Box 7, 9. RG 330 Records of the Office of the Secretary of Defense American Forces Information Service Historical Monographs and Related Records 1940–1987, Boxes 1–12.
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Anhang Transcripts of Oral History Interviews 1980–1987, Boxes 1–9. Draft Chapters and Notes for an AFRTS History 1982–1986, Box 1, 2. Armed Forces Radio and Television Service Histories, Reports, and Program Records [1942–1992], Boxes 1–20.
RG 338 Records of U. S. Army Commands, 1942– European Theater of Operations, United States Army (ETOUSA) Adjutant General’s Section Administration Branch Classified General Correspondence 1945, Box 325. General Correspondence 1946, Box 261. Historical Division, Program Files, USFET Information Division, I. G. Division, J. A. G. Division 1942–1946, Box 1. Historical Section, ETOUSA Administrative History Collection 1942–Jan 1946, Box 55. European Command („old EUCOM“) Secretary General Staff Decimal File 1947, Box 33. Chief of Staff Decimal File 1948, Box 79. Decimal File 1949, Box 127. Classified Decimal File 1950, Box 188. Classified Decimal File 1951, Box 268. United States Army Europe (USAREUR) Secretary of General Staff General Correspondence 1953, Box 2. Public Information Division Weekly Activity Reports 1953, Box 1, 2. Information Division USAREUR Information Bulletin 1955–1956, Box 1. National Archives, St. Louis, Missouri (zitiert als NASL) 250/57 Command Report File AFN Weekly Information Reports (1959). Department of the Army, Office of the Adjutant General, Morning Reports (1955–1966) Armed [sic] Forces Network – Germany, Rosters Officers 1954–1961. Enlisted 1954–1961. American Forces Network Germany, Rosters 1955–1959. American Forces Network Europe (Germany), Rosters 1960–1966. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (zitiert als PA AA) Bestand B 86, Best.-Nr. 452, 966. Privatarchiv Robert Cranston, eingesehen in Atlanta, Georgia Correspondence File 1953–1962.
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Correspondence File 1963. Correspondence File 1964. Privatarchiv John Provan, Kelkheim im Taunus Hans W. Keupel, Köln, an den Baron of Bounce [Ken Dunnagan], 1. Oktober 1952. Mal Sondock, Köln, an John Provan, 30. Januar 1997. Schwester M. Klara Ochlart, Theresien Kinder- und Jugendheim, Offenbach, an John Provan, 10. September 1999 (mit Anlagen). A. J. Janitschek an John Provan, 16. September 2009 (E-Mail). Privatarchiv Axel Schildt, Hamburg American Embassy. Office of Public Affairs. Research Staff: Radio Diary Study in West Germany and West Berlin May 1954, Report No. 204, Series No. 2, 29. November 1954. Dies.: Radio Diary Study 1955. Report No. 235, Series No. 2, 15. Juni 1956. Office of the U. S. High Commissioner for Germany, Office of Public Affairs, Reactions Analysis Staff: Germans View the Voice of America. II. Some Technical Factors in VOA Listenership, Report No. 97, Series No. 2, 31. August 1951. Radio Luxemburg: Neue Zahlen von Radio Luxemburg. Funkwerbung für Deutschland. Ergebnisse von Hörerbefragungen im Februar 1959, Frankfurt 1959. Privatsammlung Harry Whitcomb (zitiert als Material von Harry Whitcomb) (Diese Dokumente befinden sich heute im Besitz der Autorin, im Privatarchiv von John Provan oder im Deutschen Kabarettarchiv.) Höchst American Red Cross, Weekly Program July 7 – July 13, 1946. Laundry List, Formular AGPD 200M/9-45/917 (1945 f.). Map of Höchst by American Red Cross Club [ca. 1946]. Variety Show, German Style, in: Stars and Stripes Weekend, o. D. [1946]. Staatsarchiv Hamburg 621-1 NDR, Nr. 1252: Unterlagen des Außenreferats über einzelne Sendungen und Sender. Stadtarchiv Bremerhaven Zeitungsartikel (1968–2001). Stadtarchiv Kaiserslautern Zeitungsartikel (1954–1994). Stadtarchiv Stuttgart Zeitungsartikel (1989). U. S. Army Military History Institute, Carlisle, Pennsylvania (zitiert als USAMHI) U. S. Army, Forces in the European Theater, General Board: The Information and Education Program in the European Theater of Operations. Study Number 76 [Bad Nauheim 1946]. Zentrum für Berlin-Studien Zeitungsartikel (1957–1995).
428
Anhang
1.2 Schriftliche Befragungen The AFN History Project Questionnaire, Zeitraum 1999/2000 (zusammen mit John Provan) (nur diejenigen, die zitiert werden) Daniel Allen Edward (Blumberg) Hanna Harold Kelley William Slatter Fragebogen für das deutsche AFN-Publikum, Zeitraum 2001/2002 (nur diejenigen, die zitiert werden) D. Borgmann, Berlin-West (Jg. 1938). Klaus-Peter Depner, Berlin (Jg. 1946). Frau aus Berlin (Jg. 1943). Frau aus Berlin (Jg. 1945). Frau aus Berlin (Jg .1948). Frau aus Berlin (Jg. 1958). Frau aus der Mark Brandenburg (Jg. 1937). Peter Gruhn, Berlin-Ost (Jg. 1934). Günter Grull, Berlin-West (Jg. 1930). Klaus Hoyer, Berlin, Oberhausen, Frankfurt/Main (Jg. 1952). Christiane Kirchheimer, Freiburg (Jg. 1946). Dietrich Kollmann, Berlin (Jg. 1930). Günter Lulay, Heidelberg (Jg. 1930). Mann aus Berlin (Jg. 1929). Mann aus Berlin (Jg. 1933). Mann aus Pirmasens (Jg. 1952). Mann aus Verden an der Aller (Jg. 1946). Hans Meinel, Berlin-Ost (Jg. 1938). H.-W. Nahme, Berlin (Jg. 1932). Erhard Pansegrau, Frankfurt am Main (Jg. 1943). Günter Ramin, Berlin (Jg. 1930). Dieter Salemann, Berlin (Jg. 1935). Klaus Schwarz, Berlin-West (Jg. 1941). Rainer Siewert, Berlin (Jg. 1943). Klaus Sudau, Berlin (Jg. 1942). Korrespondenz Privat R. Stephen Craig (E-Mail), 29. Juli 1998. Walter Elkins (E-Mails), 8. Juni 2002, 9. Juni 2002 (3). Constantine Galanopulo (E-Mails), 21. August 2002, 7. September 2002, 27. September 2002. Reinhardt Graetz (E-Mails), 26. November 2002, 8. Dezember 2002. John P. Grimaldi (E-Mail), 11. Juli 2002. Günter Grull, Laubach, 29. Oktober 2001. Jürgen Jentzsch, Waiblingen, 22. Dezember 2001, 25. Januar 2002. Günter Lulay, Heidelberg, 9. Juni 2003. Samuel W. Kaplan (E-Mails), 6. November 2002, 11. November 2002, 2. Dezember 2002, 15. Dezember 2002, 9. Januar 2003, 4. März 2003, 25. März 2003.
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1.3 Interviews und Gespräche AFN Europe, Frankfurt am Main Gary L. Bautell, 5. August 1999. Milton H. Fitzwater, 2. August 1999. Herbert G. Glover, 19. Mai 1998, 3. August 1999, 23. März 2000, 17. und 19. Oktober 2001, 28. November 2001. George A. Smith, 19. Mai 1998. AFN Reunion, Atlanta, Georgia Trent E. Christman, 23. September 1999. Robert Cranston, 23. September 1999. Bob Davis, 23. September 1999. Herbert G. Glover, 25. September 1999. Nolan Kenner, 24. September 1999. Joe Neidig, 25. September 1999. Jean Vavrin, 25. September 1999. Gertrud Voss, 23. September 1999. Öffentliche Diskussion mit ehemaligen AFN-Kommandeuren: Robert Cranston, Fredwin M. Odom, Charles R. Crescioni, Zachary S. Fowler, 25. September 1999. AlliiertenMuseum, Berlin (Ausstellung „The Link with Home“) Doris Luce, 30. September 2001. Joey Welz, 2. Februar 2002. Öffentliches Gespräch von Helmut Trotnow mit Ken Dunnagan, 2. Februar 2002.
430
Anhang
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1.4 Audiovisuelle Quellen 1.4.1 Audio American Forces Network Europe, Frankfurt am Main, Programmarchiv (Zum Verbleib der Tondokumente siehe Einleitung.) AFRTS MISC-498: Hudson and Landry: Hanging in there. AFRTS [1256?]: Mike Wallace at Large #22. AFRTS Special 4 A and B: Billboard’s Rock Yearbook ’80, Hour 4 and Hour 5. LR-993: Ludwigshafen Disaster Part I [28. Juli 1948]. LR-995: Ludwigshafen Disaster Part II [28. Juli 1948]. LR-2604: Meet the Mrs., Nr. 13, Male Edition: Cops, 11. März 1951. LR-2614: Meet the Mrs., Nr. 17, Singers, 8. April 1951. LR-4108: Report from Europe, 2. Mai 1957. LR-4131: AFN 1815 News Aircheck, 2. Mai 1957. LR-4193: On the Scene, 8. Oktober 1957. LR-4347: On the Scene, 11. März 1958. LR-4605: On the Scene, 25. Mai 1959. LR-4706: On the Scene, 8. Januar 1960. Norddeutscher Rundfunk, Wortarchiv (zitiert als NDR) NWDR-Nachrichten vom 10. April 1954, 21.45 Uhr, Archiv-Nr. F827313. Die Umschau am Abend, 11. August 1955, Archiv-Nr. F831954. Nachrichtensendungen vom 8. November 1960: 1. NDR, 2. Deutschlandsender (DDR), Archiv-Nr. 6910637. Privatmitschnitte (chronologisch) AFN-Radio-Souvenirs, Sendungen zwischen 1953 und 1960, Aufnahmen von Günter Lulay. „Merely Music“ und „Music in the Air“, o. D. [1950er], Aufnahmen von H.-W. Nahme. „What’s Cooking?“, Sendungen von AFN Orléans 1963 oder 1964, Aufnahmen von Jean Vavrin. Stichtag heute: 4. Juli 1943, Walter Bohnacker, Zeitzeichen, NDR 4, 4. Juli 1998. Sie brachten uns den Rock ’n’ Roll. Wie die Soldatensender AFN und BFBS die deutsche (Radio-)Kultur prägten, Vera Linz, Studiozeit, Deutschlandfunk, 4. Oktober 2002. Veröffentlichte Tondokumente (CD) The 60 Greatest Old-Time Radio Shows of the 20th Century. Selected by Walter Cronkite, Radio Spirits, Inc. 1999.
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1.4.2 Video National Archives, Motion Picture, Sound, and Video Records Section, College Park, Maryland Armed Forces Network Story, London, England; AFN, Paris, France 06/27/1945, Department of Defense, United States Army, Office of the Chief Signal Officer, unedited. NAIL: NWDNM (m) 111-ADC-5554. American Forces Network, Frankfurt, Germany, 11/1953, Department of Defense. United States Army. Office of the Chief Signal Officer, unedited. NAIL: NWDNM (m)111-LC-34609, -34611 bis -34613, -34617. Fernseh-Sendungen Happy Birthday, AFN! Erinnerungen an seine „Golden Days“, Eckhard Garczyk/Dieter Gaebler, Arte, 2. November 1993. „Unsere 50er Jahre – Wie wir wurden, was wir sind“, Folge 6, ARD, 7. Dezember 2005. Filme American Graffiti, George Lucas, Lucasfilm Ltd., USA, 1973. The Big Picture: The Story of American Forces Network (AFN) [1962], National Archives and Records Administration, USA, 2006. Good Morning, Vietnam, Barry Levinson, Touchstone Pictures/Silver Screen Partners, USA, 1987. Radio Star. Die AFN-Story, Hannes Karnick/Wolfgang Richter, Bayerischer Rundfunk/docfilm Karnick & Richter oHG, BRD, 1994.
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2. Literatur 2.1 Eigenpublikationen von AFN 2.1.1 Einzeltitel AFN’s 4th Anniversary Review, o. O. [Frankfurt], 4. Juli 1947. This Is … AFN. The American Forces Network Europe, o. O. [Frankfurt] o. J. [1959 oder 1960]. The Broadcaster, Frankfurt, 4. Juli 1961. The AFN Broadcaster, Frankfurt, 4. Juli 1962. AFN. 20 Years of Service, o. O. [Frankfurt] o. J. [1963]. Serving American Forces. The American Forces Network Europe Information Booklet, o. O. [Frankfurt] o. J. [1968]. AFN 1943–1973. 30 years - - - and still growing, Frankfurt 1973.
2.1.2 Serienpublikationen Loudspeaker, Frankfurt Jg. 1, Nr. 1, o. D. [April 1946] – Jg. 1, Nr. 25, o. D. [November 1946] (L) AFN Weekly Digest, Frankfurt Jg. 1, Nr. 6, 2. Mai 1953 – Jg. 2, Nr. 37, 11. September 1954 (L) The AFN Digest, Frankfurt Jg. 3, Nr. 33, 27. August 1955 Jg. 3, Nr. 39, 1. Oktober 1955 The AFN Newsletter, Frankfurt Nr. 1, 14. März 1969 – Nr. 21, 18. Dezember 1970 (L)
2.2 Publikationen für Leserschaften im Umfeld des US-Militärs in Europa 2.2.1 Militärpublikationen Nicht immer ließen sich der Erscheinungsort und die verantwortliche Militäreinheit ermitteln. Bei den Jahreszahlen handelt es sich entweder um die Jahre, in denen eine Publikation an diesem Ort veröffentlicht wurde, oder um die in dieser Arbeit zitierten Jahrgänge (dann sind die Angaben in Klammern gesetzt). The 17th Reporter Bremerhaven, 17th Major Port Headquarters: 1945–1946 29 Let’s Go Bremen, 29th Infantry Division: 1945 175th Daily Bulletin Osterholz-Scharmbeck, 175th Infantry Regiment: 1945 The Advance Verdun, 4th Logistical Command: (1958–1960)
Quellen- und Literaturverzeichnis
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The Alpine Echo München, Munich Military Community: (1989) The Arrow o. O. [Bad Kreuznach?], 8th Infantry Division: (1956) Balog Banner Poitiers: (1962) The BASEC Mission La Rochelle, Base Section US Army Com Z: (1953–1959) The Berlin Observer (zunächst OMGUS Observer) Berlin, Berlin Military District und Nachfolger: 1946–1994 Bremen Blast Bremen, U. S. Naval Advanced Base: 1945 Bremen Port Commander Bremen, Bremen Port Command: 1945–1946 The Carrier Courier München, 442nd Troop Carrier Group, 464th Service Group, USAF Station Munich: (1946) The Chronicle (auch Frankfurt Chronicle, NACom Chronicle) Frankfurt, Frankfurt District und Nachfolger: (1952–1958) Chronicle Post o. O.: (1958) The Com Z Cadence Orléans, Orleans Area Command: (1953–1954) COMZ Chronicle o. O. [Worms?], US Army Communications Zone: (1967) The Crusader Kitzingen, 35th Engineer Battalion: (1955) The Dreux Review Dreux, Dreux Air Base: (1958) The Gateway Frankfurt, Rhein Main Air Base: (1951–1962) The Guardian (auch V Corps Guardian) Frankfurt, V Corps: (1954–1962) The HAC Post Heidelberg, Headquarters Area Command: (1955–1956) Hell on Wheels o. O. [Bad Kreuznach?], 2d Armored Division: 1951–1957 Ivy Leaves o. O. [Frankfurt?], 4th Infantry Division: 1951–1956 The Jayhawk Stuttgart-Möhringen, VII Corps: (1958–1962) Lilac Times Lemwerder, 227th Field Artillery Batallion: 1945 Marne Rock o. O. [Würzburg?], 3rd Infantry Division: (1958) The Nurnberg Post Nürnberg, Nurnberg District: (1954) Orleans Item Orléans, Orleans Area Command: (1958–1961) The Pariscope Paris, Seine Area Command: (1958–1961)
434
Anhang
The Photogram Toul-Rosière Air Base: (1953), Spangdahlem Air Base: (1953–1954) The Port Reporter Bremerhaven, Bremerhaven Port of Embarkation: 1947–1992 Post-Argus Würzburg, Wurzburg District: (1953) Post News (auch Stuttgart Post News) Stuttgart, Stuttgart District: (1953–1954) Raider o. O. [im Bereich des Western Area Command]: (1954) The Ramjet Ramstein Air Base, 12th Air Force: (1955) The SACom Scene München, Southern Area Command: (1955–1963) The Sentinel (auch The Seventh Army Sentinel) Vaihingen, Seventh Army: (1953–1959) Spearhead Frankfurt, 3d Armored Division: (1963) Spotlight Nürnberg, USAREUR Special Activities Division: (1953) Stars and Stripes, New Series London: 18. April 1942–15. Oktober 1945 Altdorf: 1) Southern Germany Edition: 1945–18. April 1946, 2) European Edition: 19. April –5. Dezember 1946 Pfungstadt (später Darmstadt, dann Kaiserslautern): 1) Germany Edition: 5. oder 6. April 1945–18. April 1946, 2) New European Edition: 6. Dezember 1946– The Tabulator Berlin, Tempelhof Central Airport: (1955–1960) The Tally Nordenham, Nordenham Ordnance Depot – Bremen Port Command: 1946 Timberwolf Bremen-Blumenthal, 311th Regimental Combat Team: 1945–1946 WACom Courier Vogelweh, Western Area Command: (1953–1958) Weekend Pfungstadt: Beilage zur Stars and Stripes vom 26. Juni 1946 bis zum Sommer 1948; danach eigenständiges Magazin, vom 1. Januar 1949 bis 22. Februar 1949 unter dem Titel Now Wiesbaden Post Wiesbaden: (1960) Yank Verschiedene Orte, U. S. Army: 1942–1945
2.2.2 Vom US-Militär unabhängige Publikationen AFN TV-Guide Frankfurt, International Publications GmbH (dann Hanau, MILTRENDS Verlags GmbH): 1965–ca. 1994 Air Force Daily London: (1954) Air Force Times (European Edition) Frankfurt, Army Times Publ. Co.: (1960–1967)
Quellen- und Literaturverzeichnis
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The American Daily o. O.: (1955) The American Weekend Frankfurt, Army Times Publ. Co.: (1955–1961) Army Times (European Edition) Frankfurt, Army Times Publ. Co.: (1954–1968) Overseas Family, Frankfurt Frankfurt, Overseas Media GmbH: (1959–1968) The Overseas Weekly Frankfurt, Overseas Media GmbH: 1950–1978 U. S. Lady Washington, D. C.: (1963) You & Europe Wiesbaden: 1959–1967
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Anhang
ABBILDUNGSVERZEICHNIS 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
Comic aus der Reihe „Hubert“ von Dick Wingert ................................................ In Deutschland angekommen: Weihnachtskarte aus dem Jahr 1945 ..................... Widersprüche beim Militärrundfunk I: Comic von Dick Wingert ........................ Eingang des Höchster Schlosses in den fünfziger Jahren...................................... Übersichtskarte von AFN Germany (Juli 1959) .................................................... Übersichtskarte von AFN France (Oktober 1959) ................................................ Programmvorschau für AFN (Mai 1955)............................................................... Widersprüche beim Militärrundfunk II: Karikatur von Mike Lane aus dem Jahr 1962 ................................................................................................. Für die Truppe und ihre Familien: So stellte AFN Ende der fünfziger Jahre in der Öffentlichkeitsarbeit sein Publikum dar ...................................................... „Routine Business“: Inszenierungen der Öffentlichkeitsabteilung von AFN Ende der fünfziger Jahre ........................................................................................ Vordruck für Musikwünsche in einer Zeitung des US-Militärs (Juli 1958) .......... Die Klasse M 10 der Humboldtschule Bremerhaven gewinnt den Request Contest der Wunschmusiksendung „5 O’Clock Club“ (Mai 1957) .................................... Junge Hörer überhäufen einen AFN-Discjockey mit Zuschriften .........................
47 73 84 162 172 173 201 222 267 273 277 341 378
ABBILDUNGSNACHWEIS 2: Privatarchiv John Provan. 1, 3: Der Comic „Hubert“ von Dick Wingert lief in der europäischen Ausgabe von Stars and Stripes. Nachdruck in: Loudspeaker Jg. 1, Nr. 22 (Abb. 3) und Nr. 23 (Abb. 1). 4, 5, 6, 9, 10: This Is ... AFN. The American Forces Network Europe, o. O. [Frankfurt] o. J. [1959 oder 1960]. 7: American Weekend, 28. Mai 1955. 8: Die Karikatur aus dem Jahr 1962 ist von AFN-Mitarbeiter Mike Lane. Nachdruck in: AFN TV-Guide Jg. 19, Nr. 218 (1983). 11: WACom Courier, 5. Juli 1958. 12, 13: AFN Bremen/Bremerhaven History, Ordner 1, AFN Historical File. Leider war es nicht in allen Fällen möglich, die Rechteinhaber der Abbildungen zu ermitteln. Bitte melden Sie sich, sollten Ihre Rechte als Urheber berührt sein.
VERZEICHNIS AUSGEWÄHLTER PERSONEN UND ORTE Adenauer, Konrad 176 f., 236 f., 392 Armstrong, Louis 187, 321, 324, 330 Bayreuth 67 f., 73, 75 f., 79, 131, 136 Berlin 10 f., 18 f., 24 f., 34, 48, 67 f., 72, 76, 81, 98 ff., 102, 104, 122, 127, 136–139, 143, 153, 158 ff., 178, 190, 193 ff., 198, 209, 212, 233, 236, 248 f., 274, 278, 283, 296, 301, 311 f., 314, 316 f., 321 f., 324 ff., 336, 339 f., 343, 351–354, 357, 363, 371 ff., 378 f., 382 ff., 386 ff., 390, 405, 413 Bitburg 141 f., 153 Block, Martin 219 Bonn 176, 179, 236 f., 245, 250, 253, 255, 309, 365, 408 Boone, Pat 331 f., 379 Breitkopf, Gisela 93, 198, 215 Bremen 10, 59 f., 67 f., 72, 76–79, 81, 88, 93, 103, 161, 198, 269, 356 f., 405 Bremerhaven 19, 24, 88, 103 f., 141, 143, 190, 220, 226, 237, 279, 307, 331 f., 340 ff., 371, 379, 383, 388, 413 Brewer, Don 66, 151, 249 f. Britsch, Bob 343, 386 Clay, Lucius D. 94–97, 102 f. Clooney, Nicholas 343 f. Cody, Henry L. 293 Conover, Willis 321 Cosgrove, Don 338, 343 Cranston, Robert 70, 164, 181 f., 251, 253, 368 Crosby, Bing 45, 187, 206, 344 Dunnagan, Ken 148 f., 281, 325, 344 Edelhagen, Kurt 213, 320 Eisenhower, Dwight D. 9 f., 42, 44, 51 ff., 62, 120, 125, 145 Frankfurt 10, 19, 22, 24, 63 f., 67 f., 73 f., 76 f., 79, 83, 85 f., 91, 99, 117, 121 f.,
125, 139, 141–144, 148, 153, 157 f., 161–167, 169 f., 174, 178, 181–184, 186 ff., 190 f., 195, 208, 214 f., 218, 220, 222, 226, 234 f., 237, 244, 252, 255, 257, 265, 268, 274, 276, 283, 302, 308, 311, 320 f., 345, 360 f., 365, 368, 405 f., 413 Fulda 144, 371 Galanopulo, Spero 138 ff., 193, 351 Gershwin, George 159 f. Grafenwöhr 94, 131, 140 Greger, Max 213, 320 Haley, Bill 226, 326, 329 Hampton, Lionel 321, 387 Hayes, John S. 45, 50, 54, 57, 62, 188, 254 Heidelberg 117, 133, 143, 231, 371, 384, 413 Hickman, Charles M. 198, 217 f., 321 Howland, Chris 333, 335 Hudak, George 274 f., 291, 324, 340, 343, 370, 386 Ismaning 9, 68, 95 f., 115 Kaiserslautern 141 ff., 167, 263, 311, 371, 384, 387, 405 Kassel 67, 81 f., 334 Kennedy, John F. 155, 181, 183, 239, 254 Kenton, Stan 211, 217, 224, 283, 321 Knef, Hildegard 355 Kraus, Peter 331 Kuhn, Paul 213, 320 Kunert, Günter 11, 316, 353, 387 Lambrose, Vince 238, 243, 247 f. Lamp, Werner 384 Lewis, Bob 314, 326 f. Lewis, Thomas H. A. 39, 42, 50 London 7, 9, 44 f., 48, 54 ff., 59, 67, 72 f., 110, 154, 189, 214, 218, 255, 300, 308, 344, 403, 405
454
Verzeichnis ausgewählter Personen und Orte
Mannheim 19, 24, 75, 87 f. McCarthy, Joseph R. 137 McNeill, Don 182 f. Miller, Glenn 10 f., 159, 316, 355 Mühlacker 10, 102 München 9 f., 19, 24, 66 ff., 76, 91, 95, 97 f., 105, 143, 167, 174 f., 189 ff., 207, 211, 213, 220, 226, 237, 265, 308 f., 311, 316, 318 ff., 331, 333, 341, 353, 360, 366, 369 f., 385, 400, 405, 413 Murrow, Edward R. 254
Roosevelt, Franklin D. 203, 263
Neal, Roy 57, 69 ff., 83, 199 Nürnberg 64, 131, 134, 140, 143–146, 161, 190, 196 f., 251, 311, 329, 350, 405, 413
Truman, Harry S. 96, 120
Orléans 170, 174 Paris 54, 56 f., 59, 63, 67, 69, 73 f., 174, 238, 255, 262, 300, 345 Poitiers 170, 174 Presley, Elvis 227, 303, 326, 330 ff., 335, 379 ff. Price, Harold G. 131, 134 f., 265, 272 Ramsey, Bill 321 Ramstein 153, 303, 413
Schweinfurt 144 Sinatra, Frank 319, 379 Slatter, William 151, 255 f. Sondock, Mal 321, 333, 335 Stuttgart 10, 67 f., 76, 93, 97, 102, 104, 133, 143, 167, 190 f., 193, 209, 211, 237, 245, 276 ff., 291, 295, 299, 301 f., 309, 311, 338 ff., 343, 374, 405, 413 Swain, Oren 70, 83, 85
Valente, Caterina 184, 187, 195, 213, 320, 333 Vavrin, Jean 296 f., 384 Vrotsos, John G. 47, 72, 218 f., 320, 369 Washington 44 f., 109, 146, 183, 236, 246, 253, 255, 365 Weißkirchen 121 Wendell, Bruce 66, 69, 243 Wendt, Doug 340 f., 388 White, Mark 213, 249, 316, 320 Wiesbaden 76, 153, 361 Wolfman Jack 390
t r a n s at l a n t i s c h e h i s t o r i s c h e s t u d i e n Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Washington, DC
Herausgegeben von Hartmut Berghoff, Mischa Honeck und Britta WaldschmidtNelson.
Franz Steiner Verlag
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45. Ulrike Weckel Beschämende Bilder Deutsche Reaktionen auf alliierte Dokumentarfilme über befreite Konzentrationslager 2012. 672 S. mit 22 Abb. und 4 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10113-4 46. Jan Surmann Shoah-Erinnerung und Restitution Die US-Geschichtspolitik am Ende des 20. Jahrhunderts 2012. 302 S., geb. ISBN 978-3-515-10157-8 47. Rainald Becker Nordamerika aus süddeutscher Perspektive Die Neue Welt in der gelehrten Kommunikation des 18. Jahrhunderts 2012. 424 S. mit 9 Tab. und 15 Taf., geb. ISBN 978-3-515-10185-1 48. Levke Harders American Studies Disziplingeschichte und Geschlecht 2013. 341 S. mit 11 Abb. und 9 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10457-9 49. Adelheid von Saldern Amerikanismus Kulturelle Abgrenzung von Europa und US-Nationalismus im frühen 20. Jahrhundert 2013. 428 S., geb. ISBN 978-3-515-10470-8 50. Jochen Krebber Württemberger in Nordamerika Migration von der Schwäbischen Alb im 19. Jahrhundert 2014. 317 S. mit 10 Abb., 10 Ktn. und 42 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10605-4 51. Leonard Schmieding „Das ist unsere Party“ HipHop in der DDR 2014. 267 S. mit 23 Abb. und 15 Farbtafeln, geb. ISBN 978-3-515-10663-4
Der amerikanische Militärsender AFN ist in Deutschland zur Legende geworden. Das American Forces Network soll mit populärer Musik und lässigen Moderatoren nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere Generationen junger Deutscher begeistert und „amerikanisiert“ haben. Anja Schäfers untersucht die Institutions-, Programm- und Wirkungsgeschichte des Senders bis Mitte der 1960er Jahre und kommt zu differenzierten Urteilen: Es wird deutlich, dass AFN kein reiner Musiksender war, sondern ein vielseitiges Programm mit Informationen, Bildung und Unterhaltung geboten hat. Als Sender der US-Streitkräfte war er in ein militärisches System eingebunden und in den Kalten Krieg involviert. Nur ein Bruchteil der deutschen Jugendlichen hat AFN eingeschaltet und ihn meist selektiv wahrgenommen. Trotzdem spielte der Sender eine nicht unbedeutende Rolle in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in West- und Ostdeutschland.
ISBN 978-3-515-10716-7
9
7835 1 5 107 167
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