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German Pages 112 [122] Year 2009
RENÉ DESCARTES
Meditationen
Übersetzt und herausgegeben von christian wohlers
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 596
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-1886-5
www.meiner.de © Felix Meiner Verlag Hamburg 2009. Alle Rechte vorbehalten.
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IN HA LT
vo rb e m e r k u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii Die Meditationen über die erste Philosophie des René Descartes s ch r e i be n a n d i e s orb onne . . . . . . . . . . . .
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vorwo r t a n d e n le s e r . . . . . . . . . . . . . . . .
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übe r s i c h t ü be r d ie s e ch s f o l gende n m ed itat i o n e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 e rs t e m ed itati o n . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Über das, was in Zweifel gezogen werden kann. zwe i t e m e d i tat ion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Über die Natur des menschlichen Geistes : daß er bekannter ist als der Körper. dri t t e m ed itat i on . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Über Gott, daß er existiert. vi e r t e m e d i tat i on . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Über das Wahre und Falsche. fün f t e m ed itati o n . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Über das Wesen der materiellen Dinge ; und erneut über Gott, daß er existiert. se ch s t e m e d itati on . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Über die Existenz materieller Dinge und die reale Unterscheidung des Geistes vom Körper.
ana ly ti s c h e sy n op s is . . . . . . . . . . . . . . . . 98 sac h r e g i s t e r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
V OR B EMERKU NG
Die vorliegende Ausgabe enthält die Meditationes de Prima Philosophia von René Descartes in der bereits als Band 597 der »Philosophischen Bibliothek« veröffentlichten Übersetzung, verzichtet aber auf den lateinischen Text sowie die Einleitung des Herausgebers. Sie ist für Leser gedacht, die sich allein anhand einer deutschen Übersetzung mit diesem Text vertraut machen wollen. Die Übersetzung ist text- und seitenidentisch mit der einsprachigen Ausgabe der Meditationen mit sämtlichen Einwänden und Erwiderungen (PhB 598). Das beigefügte Sachregister beschränkt sich auf die zentralen Begriffe. Für ein vollständiges Register sei auf Jean-Luc Marion u. a. : Index des »Meditationes de prima philosophia« de René Descartes (Besançon 1996) verwiesen. Auf Sachanmerkungen wird auch in dieser Ausgabe verzichtet. Die Fußnoten verweisen auf Parallelstellen und Zitate zwischen den Meditationen und den hier nicht mit abgedruckten Einwänden, jedoch nur dort, wo eine Passage ausdrücklich (wenn auch nie in einem modernen philologischen Sinne wörtlich) herangezogen wird. Die Seitenangaben in den Verweisen beziehen sich auf die Paginierung von Band VII der maßgeblichen Descartes-Gesamtausgabe von Charles Adam und Paul Tannery : Œuvres de Descartes (Paris : Cerf 1897–1913) in der vom Centre National du Livre besorgten Neuausgabe (Paris : Vrin 1996). Die Seitenzahlen von AT befinden sich mit Zeilenangaben entsprechend der – nicht von Descartes stammenden, inwischen aber standardisierten – Absatzeinteilung bei AT jeweils am Rand. Hamburg, im Juli 2009
Christian Wohlers
d i e me ditati one n ü b e r di e e r s te p h il o s o ph ie d es re né de s car tes , in d e n e n di e ex is te nz got tes u n d d ie u n t e rs ch eidung zw is ch en d er m e n s c h li c he n see le und dem körper b e w ie sen w i rd. 1
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Titel der 2. Auflage. 1. Auflage nach Descartes] wo r in di e ex istenz gottes und d i e u n s t er b li c h k ei t d e r s e el e be w i esen wi rd.
r e n é des car t es e n t bi e t e t de n ho ch gele hr t en u n d h o c hb e rüh m te n männe rn, d e m d e k an u n d de n do kto ren de r fa k u ltät d e r he i ligen th e ol ogie zu paris s ei ne n grus s ! Mich drängt eine so gerechtfertigte Ursache, Ihnen diese Schrift vorzulegen, und ich bin zuversichtlich, daß Sie, nachdem Sie die in meinem Vorhaben liegende Absicht eingesehen haben, es für nicht weniger gerechtfertigt halten werden, ihre Verteidigung auf sich zu nehmen, daß ich meine Schrift hier am besten empfehlen kann, indem ich kurz umreiße, was ich in ihr verfolgt habe. Ich bin schon immer der Ansicht gewesen, daß die beiden Fragen nach Gott und der Seele die wichtigsten von jenen Fragen sind, deren Beweis eher mit Hilfe der Philosophie als der Theologie geführt werden muß. Denn obwohl es für uns Gläubige ausreichend ist, aus dem Glauben heraus zu glauben, daß die menschliche Seele nicht mit dem Körper untergeht und Gott existiert, so scheint es, daß man die Ungläubigen ganz gewiß von keiner Religion und fast ebensowenig von irgendeiner moralischen Tugend überzeugen kann, wenn man ihnen diese zwei Fragen nicht zuvor durch die natürliche Vernunft nachweist. Denn da in diesem Leben oft den Lastern eine größere Belohnung als den Tugenden winkt, würden nur wenige dem Rechten den Vorzug vor dem Nützlichen einräumen, wenn sie Gott nicht fürchteten und kein anderes Leben erwarteten. Es ist ganz und gar wahr, daß die Existenz Gottes geglaubt werden muß, weil dies ja in den Heiligen Schriften gelehrt wird, und umgekehrt den Heiligen Schriften zu glauben ist, weil Gott sie uns gegeben hat : denn weil der Glaube eine Gottesgabe ist, kann derselbe, der die Gnade gewährt, an alles andere zu glauben, auch geben, daß wir an seine Existenz glauben ; trotzdem kann man den Ungläubigen damit nicht kommen, weil sie das als Zirkelschluß beurteilen würden. Ich habe sehr wohl bemerkt, daß Sie,
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wie alle anderen Theologen auch, nicht nur behaupten, die Existenz Gottes könne durch die natürliche Vernunft nachgewiesen werden, sondern auch, es könne aus der Heiligen Schrift sogar hergeleitet werden, daß die Erkenntnis dieser Existenz verglichen mit den Erkenntnissen, die wir von den geschaffenen Dingen besitzen, leichter zu erlangen ist, und zwar sogar so leicht, daß diejenigen, die sie nicht besitzen, dafür verantwortlich gemacht werden müssen. Das ergibt sich nämlich aus folgenden Worten Weisheit 13, 8–9 : »Dies vermag sie nicht zu entschuldigen. Wenn sie nämlich so vieles haben wissen können, daß sie sich über die zeitlichen Dinge Rechenschaft ablegen konnten, wieso haben sie deren Herrn nicht leichter angetroffen ?« Und im Römerbrief, Kapitel 1, 20, heißt es, jene seien »nicht zu entschuldigen«. Und ebenso wird dies auch durch jene Worte ersichtlich : »Was von Gott bekannt ist, ist in jenen offenbar« ; denn durch diese Worte werden wir darauf hingewiesen, daß all das, was wir über Gott wissen können, durch Überlegungen gezeigt werden kann, die wir allein unserem eigenen Geist entnehmen. Deshalb habe ich es für angebracht gehalten, zu erforschen, wie dies geschehen mag und auf welchem Weg Gott leichter und sicherer erkannt wird als die zeitlich gebundenen Dinge. Was die Seele betrifft, so haben viele Leute geurteilt, es sei schwer, ihre Natur zu untersuchen. Aber einige haben sogar zu sagen gewagt, alles menschliche Ermessen überzeuge davon, daß sie zugleich mit dem Körper vergeht, und daß nur der Glaube das Gegenteil behauptet. Dennoch habe ich nicht gezögert, dagegen anzugehen, insbesondere weil das unter Leo X. abgehaltene Lateranische Konzil in seiner 8. Sitzung diese Ansicht verurteilt und ausdrücklich befohlen hat, die Christlichen Philosophen sollten die Argumente dieser Leute entkräften und die Wahrheit nach Kräften nachweisen. Weil ich außerdem weiß, daß die einzige Ursache, weshalb einige Gottlose nicht haben glauben wollen, daß es einen Gott gibt und sich der menschliche Geist vom Körper unterscheidet, darin liegt, daß, wie sie sagen, diese zwei Dinge bislang noch von niemandem haben bewiesen werden können ; und obwohl
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ich diesen Leuten keineswegs zustimmen will, sondern ganz im Gegenteil fast allen Begründungen, die in bezug auf diese beiden Fragen von großen Männern beigebracht worden sind, Beweiskraft zugestehe – vorausgesetzt, man sieht sie hinreichend ein – ; und ich mir auch keineswegs einbilde, irgendwelche Begründungen geben zu können, die nicht bereits zuvor von irgendjemand anderem herausgefunden worden sind : deshalb bin ich der Ansicht, daß in der Philosophie keine nutzbringendere Aufgabe ansteht, als einmal sorgfältig alle besten Begründungen zu befragen und sie so bedacht und transparent zu entfalten, daß künftig allgemeine Einigkeit darüber herrscht, daß sie Beweise sind. Und weil schließlich einige Leute mich sehr gedrängt haben, mir diese Aufgabe zuzumuten, habe ich es für meine Pflicht gehalten, in dieser Sache etwas zu versuchen. Denn diesen Leuten ist sehr wohl bekannt, daß ich bei anderen Gelegenheiten einige Male durchaus erfolgreich eine Methode verwendet habe, von der ihnen bekannt war, daß ich sie ausgearbeitet hatte, um beliebige Schwierigkeiten in den Wissenschaften zu lösen – obwohl diese Methode keine neue ist, denn nichts ist älter als die Wahrheit. Alles, was ich leisten konnte, ist vollständig in diesem Traktat enthalten. Ich habe nicht versucht, in ihm alle verschiedenen Begründungen zusammenzustellen, die man beibringen kann, um diese Dinge nachzuweisen – das lohnt sich, wie mir scheint, auch nicht, es sei denn dort, wo es noch überhaupt keine hinreichend sichere Begründung gibt –, sondern ich bin nur den ersten und wichtigsten nachgegangen, so daß ich diese schon jetzt als die sichersten und evidentesten Beweise ankündigen möchte. Und ich füge hinzu : Diese Beweise sind derart, daß meiner Meinung nach der menschlichen Geisteskraft kein Weg offensteht, auf dem sie jemals bessere herausfinden könnte. Sowohl die Notwendigkeit der Sache als auch der Ruhm Gottes, auf den all dies gerichtet ist, zwingen mich, hier sehr viel freier von meinen Bemühungen zu sprechen als es meine Gewohnheit ist. Denn obwohl ich diese Beweise als uneingeschränkt sicher und evident ansehe, bin ich deswegen noch keineswegs schon
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überzeugt, daß sie geeignet sind, von allen Leuten verstanden zu werden. Auch in der Geometrie sind ja von Archimedes, Apollonius, Pappus und anderen viele Beweise zu Papier gebracht worden, die zwar einerseits von allen als evident und sicher angesehen werden, weil sie überhaupt nichts enthalten, was für sich allein betrachtet nicht ganz leicht zu erkennen wäre, und nichts, worin das Folgende nicht mit dem Vorangegangenen genau zusammenhinge ; anderseits aber werden diese Beweise dennoch nur von recht wenigen eingesehen, weil sie doch ziemlich lang sind und einen äußerst aufmerksamen Leser verlangen. Obgleich ich der Ansicht bin, daß die Beweise, die ich hier verwende, an Gewißheit und Evidenz den geometrischen entsprechen oder sie sogar übertreffen, befürchte ich, daß auch sie von vielen nicht hinreichend erfaßt werden können ; denn sie sind ebenfalls nicht nur ziemlich lang und hängen voneinander ab, sondern erfordern insbesondere auch einen Geist, der nicht nur von Vorurteilen völlig befreit ist, sondern sich auch leicht aus der Verstrickung in die Sinne lösen läßt. Außerdem trifft man in der Welt sicherlich nicht mehr Menschen an, die zu metaphysischen, als solche, die zu geometrischen Studien geeignet sind. Auch besteht ein Unterschied darin, daß Ahnungslose in der Geometrie öfter dadurch fehlgehen, daß sie Falsches billigen, als darin, daß sie Wahres zurückweisen. Denn alle sind davon überzeugt, daß man gewöhnlich nichts aufschreibt, wovon man nicht einen sicheren Beweis besitzt, die Ahnungslosen wollen aber darüber hinaus noch zur Schau stellen, daß sie es einsehen. Anders in der Philosophie. Weil man glaubt, daß es in ihr nichts gebe, worüber sich nicht für und wider disputieren ließe, untersuchen nur wenige die Wahrheit, während sehr viel mehr Leute sich den Ruf großer Geisteskraft erschleichen, indem sie sich erdreisten, gerade das Beste zu bekämpfen. Wie sicher und evident meine Begründungen auch sein mögen : Weil sie nun einmal in die Philosophie gehören, kann ich nicht hoffen, mit ihrer Hilfe große Verdienste zu erwerben, wenn Sie mir nicht mit Ihrem Schutz zur Seite stehen. Ihre Fakultät aber genießt bei allen Geistern einen solchen Ruhm und
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der Name Sorbonne besitzt eine solche Autorität, daß nach allgemeiner Ansicht nicht nur in Dingen des Glaubens keine Körperschaft unterhalb der Heiligen Konzilien eine solche Glaubwürdigkeit hat wie die Ihrige, sondern sich auch in der menschlichen Philosophie nirgendwo eine weitblickendere und eine von größerer Beständigkeit und auch keine von größerer Integrität und Weisheit im Fällen der Urteile findet. Ich zweifle nicht, daß, wenn Sie diese Schrift einer solchen Obhut für würdig halten wollen, daß sie erstens von Ihnen korrigiert wird – denn angesichts nicht nur meines Menschseins, sondern mehr noch meiner Unwissenheit behaupte ich nicht, in ihr seien keine Irrtümer – ; sodann, daß, wenn das, was entweder fehlt oder nicht vollständig genug ist oder auch weitergehende Erklärung benötigt, entweder von Ihnen selbst, oder, nachdem Sie mich dazu aufgefordert haben, zumindest von mir hinzugefügt, vervollständigt und erläutert wird ; und schließlich daß, wenn Sie, nachdem die in dieser Schrift enthaltenen Begründungen, denen zufolge es einen Gott gibt und der Geist etwas anderes als der Körper ist, nachgewiesen und zu jener Transparenz gebracht sein werden, zu der sie gebracht werden können – und ich bin zuversichtlich : einer solchen, daß sie als höchst sorgfältig ausgearbeitete Beweise gelten müssen –, genau dies erklären und öffentlich bezeugen wollen : dann, sage ich, zweifle ich nicht, daß alle Irrtümer, die jemals in bezug auf diese Fragen bestanden haben, in Kürze aus den Geistern der Menschen verschwinden werden. Die Wahrheit selbst wird nämlich leicht bewirken, daß die übrigen geistreichen und gelehrten Menschen Ihrem Urteil zustimmen. Und die Autorität wird bewirken, daß die Atheisten, die gewöhnlich eher halbwissende als geistreiche oder gelehrte Menschen sind, sich nicht mehr trauen, zu widersprechen, und sie die Begründungen, die, wie sie dann wissen werden, von allen mit Geisteskraft begabten Menschen für Beweise gehalten werden, vielleicht sogar selbst verteidigen, damit nicht der Eindruck entsteht, sie würden sie nicht einsehen. Und schließlich werden alle übrigen Menschen so vielen Zeugnissen glauben, und es wird niemanden mehr in der Welt geben, der
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es wagen wird, die Existenz Gottes, oder die reale Unterscheidung der menschlichen Seele vom Körper in Zweifel zu ziehen. Wie groß der Vorteil dieses Unternehmens wäre, können Sie angesichts Ihrer einzigartigen Weisheit von allen Menschen selbst am besten einschätzen ; und ganz ungehörig wäre es, wenn ich Ihnen, die Sie stets die stärkste Stütze der Katholischen Kirche gewesen sind, die Sache Gottes und der Religion hier mit weiteren Worten empfehlen würde.
V O RWO RT AN D EN LESER
Die Fragen nach Gott und dem menschlichen Geist habe ich bereits kurz in dem 1637 auf französisch erschienenen Discours de la Méthode pour bien conduire sa Raison et chercher la Vérité dans les Sciences berührt. Dabei war es weniger meine Absicht, diese Fragen dort sorgfältig abzuhandeln, als lediglich, sie zur Diskussion zu stellen und aus den Urteilen der Leser zu entnehmen, in welcher Weise sie später abgehandelt werden müßten. Diese Fragen schienen mir nämlich von einer solchen Wichtigkeit zu sein, daß ich urteilte, sie müßten mehr als einmal thematisiert werden ; außerdem ist der Weg, den ich einschlage, um sie zu erklären, erst so wenig begangen und liegt so weit ab von der gewöhnlichen Praxis, daß ich es nicht für angebracht gehalten habe, diese Fragen in einer auf französisch geschriebenen und allen Leuten allgemein zugänglichen Schrift eingehender zu behandeln : denn schwächere Geister sollen nicht glauben, auch sie könnten ihn einschlagen. Auf meine Bitte hin, jeder, der in meinen Schriften irgendetwas finden würde, was eines Einwandes würdig wäre, möge mich davon in Kenntnis setzen, sind freilich gegen das, was ich in bezug auf diese Fragen berührt hatte, nur zwei beachtliche Einwände gemacht worden, auf die ich hier nur kurz antworten will, bevor ich mich der genaueren Erklärung dieser Fragen zuwende. Der erste Einwand lautet : Daraus, daß sich der menschliche Geist allein als ein denkendes Ding erfaßt, wenn er auf sich selbst zurückgezogen ist, folgt nicht, daß seine Natur bzw. sein Wesen allein darin besteht, ein denkendes Ding zu sein, in dem Sinne, daß der Ausdruck allein alles übrige ausschließt, von dem vielleicht ebenso gesagt werden kann, es gehöre zur Natur der Seele. Auf diesen Einwand erwidere ich : Das wollte ich damals gemäß der Ordnung der eigentlichen Wahrheit des Sach-
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verhalts auch nicht ausschließen (das thematisierte ich damals nämlich nicht), sondern lediglich gemäß der Ordnung meiner Erfassung. Demnach ging der Sinn dieser Aussage dahin : Ich erkannte überhaupt nichts, von dem ich wußte, daß es zu meinem Wesen gehört, außer daß ich ein denkendes Ding bin,1 bzw. ein Ding, das in sich Denkvermögen besitzt. Im Folgenden aber werde ich zeigen, wie daraus, daß ich erkenne, daß nichts anderes zu meinem Wesen gehört, folgt, daß auch tatsächlich nichts anderes zu meinem Wesen gehört.2 Der zweite Einwand lautet : Daraus, daß ich die Idee eines Dinges in mir habe, das vollkommener ist als ich, folgt nicht, daß diese Idee vollkommener als ich ist,und es folgt daraus noch sehr viel weniger, daß das existiert, was durch diese Idee repräsentiert wird. Aber ich erwidere, daß hier im Ausdruck der Idee eine Äquivokation vorliegt : Dieser Ausdruck kann nämlich entweder materiell aufgefaßt werden, d. h. als Operation des Verstandes, und in diesem Sinne kann man nicht sagen, er sei vollkommener als ich ; oder objektiv, d. h. als das durch diese Operation repräsentierte Ding, und dieses Ding kann im Hinblick auf sein Wesen vollkommener sein als ich, auch wenn man gar nicht einmal voraussetzt, daß es außerhalb des Verstandes existiert. Wie aber allein daraus, daß die Idee eines Dinges in mir ist, das vollkommener ist als ich, folgt, daß dieses Ding tatsächlich existiert, wird im Folgenden ausführlich dargelegt werden. Zwar habe ich mir außerdem zwei ziemlich umfangreiche Schriften angesehen, aber in ihnen wurden weniger meine Überlegungen in bezug auf diese Dinge, als vielmehr die Schlüsse gewisser, aus Allgemeinplätzen der Atheisten entlehnter Argumente bekämpft. Weil ja nun aber solche Argumente bei denen, die meine Begründungen einsehen, sowieso keine Überzeugungskraft haben können, anderseits jedoch die Urteile vieler Leute derartig verkehrt und unselbständig sind, daß sie mehr von den Meinungen überzeugt werden, die sie zuerst übernommen haben – und seien sie noch so falsch und der Vernunft 1
Obj. IV : 199, 3–7.
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Obj. IV : 199, 10–12 ; Resp. IV, 219, 11–14.
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fremd –, als von der wahren und verläßlichen Zurückweisung dieser Ansichten, die sie später gehört haben : deshalb will ich an dieser Stelle nicht darauf antworten, um sie gar nicht erst zu Gehör bringen zu müssen. Ich möchte nur ganz allgemein anführen, daß alles, was von den Atheisten vorgebracht wird, um die Existenz Gottes zu bestreiten, stets davon abhängt, daß man entweder Gott menschliche Affekte andichtet oder unserem Geist eine solche Kraft und Weisheit zutraut, daß wir versuchen könnten, alles zu bestimmen und zu verstehen, was Gott tun könnte und müßte. Deshalb wird nichts von dem uns Schwierigkeiten bereiten, wenn wir uns nur daran erinnern, daß unser Geist als endlich, Gott aber als unergründlich und unendlich betrachtet werden muß. Nun aber, nachdem ich die Urteile der Menschen einmal so gut es ging erfahren habe, möchte ich die Fragen bezüglich Gottes und des menschlichen Geistes hier erneut angehen und zugleich die Anfänge der gesamten Ersten Philosophie abhandeln. Freilich will ich dies tun, ohne den Beifall der Alltagsmenschen und eine große Leserschaft zu erwarten. Vielmehr will ich allein diejenigen zum Lesen veranlassen, die ernsthaft mit mir meditieren1 und ihren Geist den Sinnen und zugleich den Vorurteilen entziehen können und wollen. Ich weiß sehr wohl, daß man nur sehr wenige solche Leute antrifft. Was aber diejenigen betrifft, die sich gar nicht darum kümmern, die Abfolge und die Verkettung meiner Begründungen zu verstehen, sondern, wie es bei vielen in Mode ist, darauf bedacht sind, nur gegen einzelne Textpassagen anzuschwatzen, so werden sie aus der Lektüre dieser Schrift keinen großen Gewinn ziehen.2 Und selbst wenn sie vielleicht bei vielem Gelegenheit zum Spott vorfinden mögen, so werden sie gleichwohl nur schwer irgendetwas einwenden, was mich in die Enge triebe oder einer Erwiderung wert wäre.
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Resp. VII : 475, 12–14.
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Resp. V : 378, 28–379, 2.
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Weil ich aber noch nicht einmal den ernsthaft interessierten Lesern garantieren kann, sie bereits im ersten Zugriff in allem zufriedenzustellen, und ich auch nicht so arrogant bin, mich blind darauf zu verlassen, ich könne alles voraussehen, was dem einen oder anderen Schwierigkeiten bereiten wird, möchte ich im Haupttext der Meditationen zunächst die Gedanken selbst vorstellen, mit deren Hilfe ich, wie mir scheint, zu der sicheren und evidenten Erkenntnis der Wahrheit gelangt bin, um zu erfahren, ob ich nicht vielleicht durch dieselben Begründungen, durch die ich überzeugt wurde, auch andere zu überzeugen vermag. Danach jedoch werde ich auf einige Einwände von Männern von herausragender Geistekraft und außerordentlicher Gelehrsamkeit antworten, denen diese Meditationen zur Prüfung gesandt worden sind, bevor sie in den Druck gegeben wurden. Es sind nämlich von ihnen so viele und vielfältige Einwände gemacht worden, daß ich zu hoffen wage, anderen Leuten werden nur schwerlich irgendwelche anderen Einwände einfallen, zumindest solche von einem gewissen Wert, die jene noch nicht berührt haben. Ich bitte deshalb den Leser inständig, auch die Einwände und deren Auflösung einer Lektüre für würdig zu erachten, und erst dann über die Meditationen ein Urteil zu fällen.
Ü BE R SIC HT Ü BER D I E S EC HS FO LG END EN M ED ITATION E N
In der ersten Meditation werden die Ursachen auseinandergesetzt, aufgrund derer wir an allen Dingen, insbesondere den materiellen, zweifeln können – zumindest, solange wir keine anderen Fundamente unseres Wissens besitzen als die, die wir früher besessen haben. Auch wenn der Vorteil eines solchen Zweifels zunächst noch nicht zutage tritt, so liegt sein größter freilich gerade darin, daß er uns von allen Vorurteilen befreit und den Weg ebnet, den Geist den Sinnen zu entziehen, und so letztendlich bewirkt, daß wir das, wovon wir später erfahren werden, daß es wahr ist, nicht länger bezweifeln können. In der zweiten Meditation verwendet der Geist die ihm eigene Freiheit und setzt voraus, daß all das nicht existiert, an dessen Existenz er auch nur im geringsten zweifeln kann, und bemerkt, daß das unmöglich ist, wenn er selbst dabei nicht existiert. Auch das ist von größtem Vorteil, weil er so leicht unterscheidet, was zu ihm, d. h. zu seiner intellektuellen Natur, und was zum Körper gehört. Weil aber vielleicht einige Leute an dieser Stelle Überlegungen bezüglich der Unsterblichkeit der Seele erwarten werden, meine ich hier darauf hinweisen zu müssen, daß ich versuche, nur etwas zu schreiben, wenn ich es stichhaltig beweisen kann. Ich konnte daher keiner anderen Ordnung folgen als jener, die bei den Geometrikern in Gebrauch ist, nämlich alles vorauszuschicken, von dem die fragliche Proposition abhängt, bevor ich aus dieser wiederum irgendetwas schließe. Das erste und wichtigste aber, das im Vorwege erforderlich ist, um die Unsterblichkeit der Seele zu erkennen, ist, daß wir uns von ihr einen möglichst so transparenten Begriff bilden, daß er von jedem Begriff des Körpers ganz unterschieden ist. Dies ist in der zweiten Meditation geschehen. Außerdem aber ist es auch erforderlich, zu wissen, daß alles,
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was wir klar und deutlich einsehen, in eben der Weise wahr ist, in der wir es einsehen. Das aber konnte vor der vierten Meditation nicht nachgewiesen werden. Außerdem muß man über einen deutlichen Begriff der körperlichen Natur verfügen, und dieser Begriff wird teilweise in der zweiten, teilweise auch in der fünften und sechsten Meditation gebildet. Daraus muß geschlossen werden, daß alle Substanzen, die klar und deutlich als verschieden begriffen werden, – so wie zum Beispiel Geist und Körper begriffen werden – tatsächlich real voneinander unterschiedene Substanzen sind. Dies wird in der Sechsten Meditation geschlossen. Dasselbe wird dort auch dadurch bestärkt, daß wir einen Körper nur als teilbar, einen Geist dagegen nur als unteilbar einsehen können : Denn die Hälfte eines Geistes können wir nicht begreifen, wie wir es doch bei jedem beliebig kleinen Körper können ; so daß wir ihre Naturen nicht nur als verschieden, sondern sogar als gewissermaßen entgegengesetzt erkennen. Ich habe diesen Sachverhalt in dieser Schrift nicht ausführlicher thematisiert,1 weil zum einen das Gesagte ausreicht, um zu zeigen, daß aus der Zerstörung des Körpers nicht die Vernichtung des Geistes folgt, und es demgemäß auch ausreicht, den Sterblichen Hoffnung auf ein jenseitiges Leben zu machen ; und zum anderen, weil die Prämissen, aus denen die Unsterblichkeit der Seele geschlossen werden kann, von der Erklärung der gesamten Physik abhängen. Denn erstens ist es dafür nötig, zu wissen, daß überhaupt alle Substanzen, bzw. Dinge, die von Gott geschaffen werden müssen, um zu existieren, von ihrer Natur her unzerstörbar sind, und sie niemals enden können, außer indem sie durch den Entzug der Unterstützung Gottes vernichtet werden. Außerdem ist zu beachten, daß der Körper zwar im allgemeinen aufgefaßt eine Substanz ist, und daher ebenfalls niemals vergeht, daß der menschliche Körper sich aber insofern von den übrigen Körpern unterscheidet, als er lediglich aus einer bestimmten Konfiguration der Körperteile und anderen solchen Akzidenzien zusammengesetzt ist. 1
Resp. II : 153, 1–2.
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Der menschliche Geist dagegen besteht nicht ebenso aus irgendwelchen Akzidenzien, sondern ist eine reine Substanz. Auch wenn nämlich alle seine Akzidenzien sich verändern – wie wenn er andere Dinge einsieht, andere will, andere sinnlich wahrnimmt usw. – so wird deswegen doch der Geist selbst noch nicht zu einem anderen. Der menschliche Körper aber wird allein dadurch schon ein anderer, daß die Gestalt einiger seiner Bestandteile sich verändert : woraus folgt, daß zwar der Körper sehr leicht untergeht, der Geist aber von seiner Natur her unsterblich ist. In der dritten Meditation habe ich mein Hauptargument, um die Existenz Gottes nachzuweisen, in, wie mir scheint, hinreichender Ausführlichkeit erklärt. Weil ich dabei aber keine von den körperlichen Dingen entnommenen Vergleiche verwenden wollte – nämlich um die Gemüter der Leser so weit wie möglich den Sinnen zu entziehen –, ist vielleicht vieles Unverständliche stehengeblieben, das aber, wie ich hoffe, später in den Antworten auf die Einwände völlig aufgehoben werden wird, wie unter anderem : Wie kann die Idee eines höchstvollkommenen Seienden, die in uns ist, eine solche objektive Realität haben, daß sie gar keine andere als eine höchstvollkommene Ursache haben kann ? Das wird dort durch den Vergleich mit einer sehr vollkommenen Maschine erläutert, deren Idee sich im Geist eines Technikers befindet : Ebenso, wie nämlich der objektive Gehalt dieser Idee irgendeine Ursache haben muß, nämlich das Wissen dieses oder eines anderen Technikers, von dem er sie übernommen hat, kann die Idee Gottes, die in uns ist, allein Gott selbst zur Ursache haben. In der vierten Meditation wird nachgewiesen, daß alles, was wir klar und deutlich erfassen, wahr ist, und zugleich wird erklärt, worin der Grund der Falschheit besteht. Das zu wissen ist einerseits notwendig, um das Vorhergehende zu bekräftigen, und anderseits, um das Übrige einzusehen. (Es ist dabei jedoch vorderhand zu beachten, daß ich in keiner Weise die Verfehlung oder den Irrtum thematisiere, der in der Verfolgung des Guten und Schlechten begangen wird, sondern lediglich den Irrtum,
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der in der Abgrenzung des Wahren und Falschen passiert. Auch habe ich nicht das betrachtet, was sich auf den Glauben oder die Lebensführung bezieht, sondern nur die spekulativen und allein mit Hilfe des Natürlichen Lichts erkannten Wahrheiten.)1 In der fünften Meditation wird – abgesehen davon, daß die körperliche Natur, allgemein aufgefaßt, erklärt wird – auch die Existenz Gottes durch eine neue Begründung bewiesen, in der sich jedoch vielleicht erneut einige Schwierigkeiten finden werden, die aber später in den Antworten auf die Einwände aufgelöst werden. Und schließlich wird gezeigt, inwiefern es wahr ist, daß sogar die Gewißheit der geometrischen Beweise von der Erkenntnis Gottes abhängt. Schließlich wird in der sechsten Meditation die Einsicht von der Anschauung getrennt. Die Merkmale dieser Unterscheidung werden beschrieben. Es wird nachgewiesen, daß der Geist real vom Körper unterschieden ist. Es wird gezeigt, daß der Geist gleichwohl so eng mit dem Körper verbunden ist, daß er sich mit ihm zu einem einheitlichen Etwas zusammensetzt. Alle Irrtümer, die gemeinhin aus den sinnlichen Wahrnehmungen entstehen, werden durchgegangen, und es werden Regeln aufgestellt, durch die sie vermieden werden können, und schließlich werden alle Begründungen dargelegt, aus denen die Existenz der materiellen Dinge geschlossen werden kann. Ich halte diese Begründungen nun nicht etwa deshalb für äußerst nützlich, weil sie gerade das nachweisen, was sie nachweisen, nämlich daß es tatsächlich eine Welt gibt und die Menschen Körper besitzen, und dergleichen, woran niemals irgendjemand von gesundem Geist ernsthaft gezweifelt hat,2 sondern weil man, wenn man sie betrachtet, erkennt, daß sie weder so verläßlich noch so transparent sind wie die, durch die wir zur Erkenntnis unseres Geistes und Gottes gelangen, so daß diese Begründungen die sichersten und evidentesten sind, die von der menschlichen Geisteskraft gewußt werden können. Den Nachweis dieser einen Sache habe 1
Spätere Ergänzung und Einklammerung von Descartes (an Mersenne, 18. März 1641 : AT III, 334–335) ; Resp. IV, 248, 8. 2 Resp. V : 351, 5–6.
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ich mir in diesen Meditationen zum Ziel gesetzt ; und deswegen gehe ich hier die vielfältigen anderen Fragen nicht durch, die in ihnen gelegentlich ebenfalls abgehandelt werden.
D I E E R ST E DER M ED ITATION EN Ü BE R D I E E R STE PHILO SOP HIE, I N D EN E N D I E EX ISTENZ G OTTES UN D DI E U NTERS CHEID U NG Z W I SCH EN D ER MENS CHLIC HEN S EEL E UN D D E M KÖ R PER BEWIES EN WIRD .
Über das, was in Zweifel gezogen werden kann.
Bereits vor einigen Jahren habe ich bemerkt, wie viel Falsches ich von Jugend an als wahr habe gelten lassen und wie zweifelhaft alles ist, was ich später darauf aufgebaut habe, so daß einmal im Leben alles von Grund auf umgeworfen und von den ersten Fundamenten her erneut begonnen werden müsse, wenn ich irgendwann einmal das Verlangen haben würde, etwas Festes und Bleibendes in den Wissenschaften zu errichten. Indessen schien mir das eine ungeheure Arbeit zu sein, und ich sehnte jenes Alter herbei, dem keines mehr folgen würde, das geeigneter sein würde, um sich der wissenschaftlichen Forschung zuzuwenden. Aus diesem Grund zögerte ich dann so lange, daß ich mir nunmehr zu große Verantwortung aufladen würde, wenn ich die Zeit, die mir zum Ausführen dieser Arbeit noch übrig bleibt, mit Bedenklichkeiten verplempern würde. Deshalb habe ich heute die Gelegenheit ergriffen und den Geist von allen Alltagspflichten freigemacht, habe alle Termine abgesagt, ziehe mich einsam zurück, und werde mich endlich ernsthaft und frei diesem allgemeinen Umsturz meiner Meinungen widmen. Dafür wird es indessen nicht notwendig sein, zu zeigen, daß meine Meinungen allesamt falsch sind, denn das könnte ich wohl auch niemals erreichen ; sondern weil schon allein die Vernunft dazu rät, daß dem nicht völlig Sicheren und Unzweifelhaften die Zustimmung nicht weniger gründlich entzogen werden muß als dem offenbar Falschen, wird es schon ausreichen, alles zurückzuweisen, worin ich auch nur irgendeinen Grund zum Zweifeln antreffe. Deshalb wird es auch gar nicht nötig sein,
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alles einzeln durchzugehen, was eine unendliche Arbeit wäre, sondern ich will unverzüglich auf die Prinzipien selbst losgehen, auf die sich alles stützte, das ich einst geglaubt habe ; denn wenn die Fundamente untergraben sind, fällt alles, was auf ihnen errichtet ist, von selbst zusammen. Nun habe ich alles, was ich bislang als ganz wahr habe gelten lassen, entweder von den Sinnen oder vermittelt durch die Sinne erhalten. Aber ich habe entdeckt, daß die Sinne zuweilen täuschen, und Klugheit verlangt, sich niemals blind auf jene zu verlassen, die uns auch nur einmal betrogen haben.1 Aber obwohl uns die Sinne zuweilen bei winzigen und weit entfernten Dingen täuschen, so gibt es gleichwohl doch manches andere, an dem schlichtweg nicht gezweifelt werden kann, obwohl es aus ihnen geschöpft wird : wie etwa, daß ich jetzt hier bin, beim Feuer sitze, mit einem Wintermantel bekleidet bin, dieses Papier mit meinen Händen berühre und dergleichen. Mit welcher Begründung nämlich könnte bestritten werden, daß diese Hände und der gesamte Körper der meinige ist ? Es sei denn, ich wollte mich mit ich weiß nicht welchen Kranken vergleichen, deren Gehirne ein solch durchdringender Dampf aus schwarzer Galle zermürbt, daß sie hartnäckig versichern, sie seien Könige, während sie doch ganz arme Schlucker sind, oder in Purpur gewandet, während sie doch nackt sind, oder sie hätten einen Kopf aus Ton, oder sie seien allesamt Kürbisse, oder sie bestünden aus Glas. Aber das sind Geisteskranke, und ich erschiene mir selbst als nicht weniger verrückt, wenn ich irgendetwas von diesen als Vorbild auf mich übertragen würde. Na großartig ! Als ob ich nicht ein Mensch wäre, der gewöhnlich nachts schläft, und dem in Träumen dasselbe widerfährt wie jenen wachenden Geisteskranken, oder zuweilen sogar noch weniger Wahrscheinliches ! Wie oft nämlich bin ich nachts im Schlaf von eben solchen Alltäglichkeiten überzeugt, wie etwa, daß ich hier bin, einen Mantel trage, beim Feuer sitze – wäh-
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Obj. VII : 456, 28–457, 1.
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rend ich doch entkleidet im Bett liege ! Jetzt hingegen erblicke ich dieses Papier gewiß mit wachenden Augen, dieser Kopf, den ich schüttele, ist nicht eingeschlafen, diese Hand strecke ich absichtlich und wissentlich aus und nehme es sinnlich wahr. Einem Schlafenden würde dies nicht so deutlich passieren. Fast ist es so, als ob ich mich nicht erinnern möchte, daß ich durch vergleichbare Gedanken in Träumen sonst irregeführt worden bin. Wenn ich aufmerksamer daran denke, sehe ich so unverhohlen, daß der Wachzustand niemals aufgrund sicherer Anzeichen vom Traum unterschieden werden kann, daß ich erstaune ; und dieses Erstaunen bestärkt mich fast sogar noch in meiner Meinung, zu träumen. Meinetwegen, dann träumen wir also, und es mögen weder diese Besonderheiten wahr sein – daß wir unsere Augen öffnen, den Kopf bewegen, die Hände ausstrecken –, noch vielleicht sogar, daß wir solche Hände und einen solchen Körper haben. Aber es muß doch wohl eingeräumt werden, daß die Erscheinungen im Schlaf so etwas wie abgemalte Bilder sind, die nur als Abbilder wahrer Dinge konstruiert worden sein können, und daß daher zumindest diese Allgemeinheiten – Augen, Kopf, Hände und der gesamte Körper – nicht bloß als irgendwelche vorgestellten, sondern als wahre Dinge existieren. Denn selbst die Maler können sogar nicht einmal dann, wenn sie darauf bedacht sind, Sirenen und Satyre von äußerst ungewöhnlicher Form zu konstruieren, diesen völlig neue Naturen zuweisen, sondern sie vermischen doch nur die Körperteile verschiedener Tiere. Sollten sie sich aber tatsächlich irgendetwas derartig Neues, noch nie Gesehenes ausdenken, das demnach ganz fiktiv und falsch ist : so müssen dann doch sicherlich zumindest die Farben, aus denen sie es zusammensetzen, wahre Farben sein. Auch wenn also diese bestimmten Allgemeinheiten – Augen, Kopf, Hände und dergleichen – bloß vorgestellt sein könnten, muß aus derselben Überlegung heraus eingeräumt werden, daß notwendig zumindest doch bestimmte andere äußerst einfache und universelle Allgemeinheiten wahr sein müssen, aus denen, ganz wie bei den wahren Farben, alle diese Bilder der Dinge, die in
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unserem Denken sind, nachgebildet sind, gleichgültig, ob sie wahr oder falsch sind. Von dieser Art scheinen die körperliche Natur im allgemeinen und deren Ausdehnung zu sein ; ebenso die Gestalt der ausgedehnten Dinge ; genauso die Quantität, bzw. deren Größe und (An-)Zahl ; und nicht weniger der Ort, an dem sie existieren, und die Zeit, während der sie andauern, und dergleichen. Deswegen schließen wir daraus wohl nicht ganz zu Unrecht, daß zwar die Physik, die Astronomie, die Medizin und alle anderen Disziplinen zweifelhaft sind, die von der Betrachtung zusammengesetzter Dinge abhängen, daß jedoch die Arithmetik, die Geometrie und die anderen derartigen Disziplinen, die einige der einfachsten und allgemeinsten Dinge abhandeln, etwas Sicheres und Unzweifelhaftes enthalten, und zwar ganz gleichgültig, ob diese allgemeinsten Dinge in der dinglichen Natur nun vorkommen oder nicht. Denn ob ich nun wache oder schlafe : zwei und drei miteinander addiert ergeben fünf, und das Quadrat besitzt nicht mehr als vier Seiten ; und es scheint ganz unmöglich zu sein, daß so transparente Wahrheiten in den Verdacht der Falschheit geraten. Jedoch ist in meinem Geist eine bestimmte althergebrachte Meinung verankert, nämlich daß es einen Gott gibt, der alles vermag, und von dem ich gerade so geschaffen bin, wie ich existiere. Woher weiß ich aber, daß er nicht veranlaßt hat, daß es überhaupt keine Erde, keinen Himmel, kein ausgedehntes Ding, keine Gestalt, keine Größe, keinen Ort gibt – und all dies mir trotzdem genau so wie jetzt zu existieren scheint ? Urteile ich doch auch, daß andere Leute sich zuweilen in bezug auf das irren, was sie vollkommen zu wissen meinen ; ebenso kann ich selbst mich doch immer dann täuschen, wenn ich zwei und drei miteinander addiere, oder die Seiten eines Quadrats zähle, oder in irgendetwas anderem noch leichterem, falls man sich so etwas überhaupt konstruieren kann. Vielleicht aber hat Gott nicht gewollt, mich so zu betrügen, es wird nämlich gesagt, er sei äußerst gut. Wenn es aber seiner Güte widerspricht, mich in einer solchen Weise geschaffen zu haben, daß ich mich stets täusche,
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so scheint es doch dieser Güte genauso fernzuliegen, zu erlauben, daß ich mich zuweilen täusche ; das letztere aber kann man nicht behaupten. Freilich mag es Leute geben, die lieber einen so mächtigen Gott bestreiten würden, als zu glauben, alle anderen Dinge seien ungewiß. Diesen Leuten wollen wir aber nicht widersprechen und alles über Gott Gesagte für bloß fiktiv erklären. Indessen, mögen sie voraussetzen, ich sei aus Schicksal oder durch Zufall oder die Verkettung der Umstände oder auf irgendeine andere Weise zu dem geworden, was ich bin, so wird es um so glaubhafter sein, daß ich so unvollkommen bin, mich ständig zu täuschen, je weniger mächtig der Urheber ist, dem sie meine Entstehung zuweisen ; denn sich zu täuschen und zu irren scheint ja eine gewisse Unvollkommenheit zu sein.1 Diesen Argumenten habe ich freilich nichts zu entgegnen, und ich bin zuletzt gezwungen, einzuräumen, daß es unter dem, was ich seit langem für wahr gehalten habe, nichts gibt, das nicht bezweifelt werden dürfte, und zwar nicht aus Unbesonnenheit oder Leichtsinn, sondern aufgrund triftiger und wohlüberlegter Gründe.2 Wenn ich irgendetwas Sicheres herausfinden will, muß ich deshalb vorsichtshalber bis auf weiteres auch diesem nicht weniger als dem offenbar Falschen die Zustimmung entziehen.3 Es reicht aber noch nicht aus, dies festgestellt zu haben, sondern man muß sich darum kümmern, sich daran zu erinnern. Unablässig nämlich kehren die gewohnten Meinungen zurück, und nehmen fast sogar gegen meinen Willen meine Leichtgläubigkeit in Beschlag, gleichsam als hätten sie aufgrund langer Praxis und Vertrautheit ein Recht dazu. Und niemals werde ich es mir abgewöhnen, diesen Meinungen zuzustimmen und mich blind auf sie zu verlassen, solange ich einfach voraussetze, daß sie so beschaffen sind, wie sie es tatsächlich sind, nämlich als zwar irgendwie zweifelhafte, wie gerade eben aufgezeigt wurde, aber nichtsdestoweniger sehr glaubhafte Ansichten, die zu glau1 2
Obj. II : 125, 6–7 ; Resp. II : 141, 3 ; Obj. VI : 414, 24 ff. ; Resp. VI : 4281 ff. Resp. VII : 460, 1–2. 3 Obj. VII : 468, 2–8.
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ben sehr viel besser der Vernunft entspricht als sie zu bestreiten. Deswegen handele ich, wie ich vermute, nicht verkehrt, wenn ich mich eine zeitlang selbst täusche und, indem ich meinen Willen in das glatte Gegenteil verkehre,1 konstruiere, daß diese Ansichten insgesamt falsch und vorgestellt seien, bis schließlich gleichsam die Gewichte der Vorurteile auf beiden Seiten ausgeglichen sind2 und keine verkehrte Gewohnheit länger mein Urteil von der richtigen Erfassung der Dinge abwendet.3 Denn ich weiß, daß einstweilen daraus keine Gefahren oder Fehler folgen werden,4 und ich dem Widerspruchsgeist gar nicht übermäßig nachgeben kann,5 da ich ja jetzt nicht auf die Angelegenheiten des Handelns, sondern des Erkennens aus bin.6 Ich will daher voraussetzen, nicht der wohlmeinendste Gott, die Quelle der Wahrheit, sondern irgendein boshafter Genius, ebenso allmächtig wie verschlagen, setze all seine Hartnäckigkeit darein, mich zu täuschen : ich werde meinen, der Himmel, die Luft, die Erde, die Farben, die Gestalten, die Töne und die Gesamtheit alles Äußeren seien nichts anderes als Gaukeleien der Träume, durch die er meiner Leichtgläubigkeit eine Falle gestellt hat.7 Ich werde mich selbst betrachten als ob ich keine Hände, keine Augen, kein Fleisch, kein Blut, noch irgendeinen Sinn hätte, sondern als ob ich nur fälschlich vermutete, dies alles zu besitzen. Ich werde hartnäckig in dieser Meditation verharren, und wenn es dann auch außerhalb meines Einflusses liegt, irgendetwas Wahres zu erkennen, so liegt es anderseits doch wohl innerhalb meines Einflusses, dem Falschen nicht zuzustimmen, und wenn ich mich mit standhaftem Geist davor hüte, kann mir jener Betrüger nichts eingeben, und sei er noch so mächtig und verschlagen. Aber dieses Vorhaben ist beschwerlich, und eine gewisse Trägheit zieht mich in das Alltagsleben zurück. Ich bin wie ein Gefangener, der im Traum eine Frei1
Obj. VII : 456, 12 ; 523, 19/23 ; 527, 23 ; 529, 31 ; Resp. VII : 541, 27 ; 545, 18. 2 Resp. VII : 465, 21. 3 Obj. VII : 468, 8–13 ; Resp. VII : 523, 8–24. 4 Obj. VII : 471, 10–11. 5 Obj. VII : 456, 25–26 ; 471, 9–10. 6 Resp. II : 149, 19–21 ; Resp. VII : 475, 21–22. 7 Obj. VII : 468, 23–26.
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heit lebt, die freilich bloß vorgestellt ist, und der, wenn er später den Verdacht zu hegen beginnt, daß er schläft, der schmeichlerischen Illusionen wegen die Augen geschlossen hält ; ebenso kehre ich von selbst wieder zu den alten Meinungen zurück, und scheue mich, aufgeweckt zu werden, damit nicht auf eine solche behagliche Ruhe ein beschwerlicher Wachzustand folge, der bis auf weiteres alles andere als im Licht, sondern inmitten der unentwirrbaren Schatten der aufgerührten Schwierigkeiten zugebracht werden muß.
Z W EI T E M ED ITATION
Über die Natur des menschlichen Geistes : daß er bekannter ist als der Körper.
Ich bin durch die gestrige Meditation in Zweifel gestürzt worden, die ich nicht vergessen kann ; außerdem sehe ich nicht, durch welche Überlegungen man sie auflösen kann, sondern ich bin derartig verwirrt, daß ich, gleichsam als wäre ich unvermutet in einen tiefen Strudel hineingezogen worden, weder auf dem Grund Fuß fassen, noch zur Oberfläche emporschwimmen kann. Aber ich will mich herausarbeiten und es erneut auf dem Wege versuchen, den ich gestern eingeschlagen hatte : Ich will alles beseitigen, das auch nur den geringsten Zweifel zuläßt, gerade so, als ob ich sicher erfahren hätte, daß es insgesamt falsch ist. Auch will ich solange weiter vorangehen, bis ich irgendetwas Sicheres erkannt habe, oder wenigstens dies als sicher, daß es nicht Sicheres gibt. Nichts außer einem festen und unbeweglichen Punkt verlangte Archimedes, um die gesamte Erde von ihrem Ort fortzubewegen, und es ist Großes zu erhoffen, wenn ich auch nur das Geringste herausfinden werde, das sicher und unerschütterlich ist. Ich setze daher voraus, daß alles, was ich sehe, falsch ist ;1 ich glaube, nichts von dem habe jemals existiert, was mir das trügerische Gedächtnis repräsentiert. Ich besitze überhaupt keine Sinne. Körper, Gestalt, Ausdehnung, Bewegung und Ort sind Chimären. Was wird demnach noch wahr sein ? Vielleicht nur dieses eine, daß nichts sicher ist. Aber woher weiß ich denn, daß es nicht doch noch irgendetwas gibt, das von all dem verschieden ist, das ich bereits durchgegangen bin, und das nicht den geringsten Anlaß zum Zweifeln bietet ? Gibt es etwa irgendeinen Gott, oder welchen Namen auch immer ich demjenigen geben mag, der mir diese Gedan1
Resp. V : 350, 17–18.
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ken eingibt ? Weswegen aber sollte ich dies meinen, wenn ich selbst vielleicht der Urheber dieser Gedanken sein kann ? Bin ich selbst also etwa irgendetwas ? Aber ich habe bereits bestritten, daß ich irgendwelche Sinne und irgendeinen Körper habe. Doch ich stutze ; denn was weiter ? Bin ich nicht derartig mit dem Körper und den Sinnen verbunden, daß ich ohne sie nicht sein kann ? Aber ich habe mich überredet, daß es überhaupt nichts in der Welt gibt, keinen Himmel, keine Erde, keine Geister, keine Körper – und daß demnach auch ich nicht bin ? Keineswegs : Wenn ich mich zu etwas überredet habe, bin ich selbst sicherlich gewesen. Aber es gibt einen, ich weiß nicht welchen, allmächtigen und äußerst verschlagenen Betrüger, der mich ständig mit äußerster Hartnäckigkeit täuscht. Zweifelsohne bin ich selbst also, wenn er mich täuscht ;1 und er möge mich täuschen, soviel er kann, niemals wird er bewirken, daß ich nichts bin, solange ich denken werde, daß ich etwas bin ; so daß schließlich, nachdem ich es zur Genüge überlegt habe, festgestellt werden muß, daß dieser Grundsatz Ich bin, ich existiere, sooft er von mir ausgesprochen oder durch den Geist begriffen wird, notwendig wahr ist.2 Noch sehe ich aber nicht hinreichend ein, wer ich denn nun bin,3 jenes Ich, der ich nunmehr notwendig bin. Ich muß mich von nun an vorsehen, damit ich nicht vielleicht unabsichtlich irgendetwas anderes anstelle meiner selbst annehme, und so auch in der Erkenntnis abirre, von der ich behaupte, sie sei die sicherste und evidenteste von allen. Deshalb werde ich jetzt erneut darüber meditieren, was ich einst zu sein geglaubt habe, bevor ich auf diese Gedanken verfallen bin. Davon will ich dann alles abziehen, was durch die angeführten Gründe auch nur im geringsten erschüttert werden konnte, so daß zuletzt ganz genau nur das übrig bleibt, was sicher und unerschütterlich ist.4
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Obj. IV : 198, 6–8. 2 Obj. V : 258, 26–259, 1 ; Obj. VI : 413, 1 ff. Obj. VII : 477, 27–478, 2. 3 Obj. V : 259, 6 ; Resp. V : 351, 12–13. 4 Obj. V : 259, 10–12 ; Obj. VII : 478, 13–18.
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Was also habe ich zuvor zu sein gemeint ? Selbstverständlich ein Mensch.1 Was aber ist ein Mensch ?2 Soll ich sagen ein vernünftiges Tier ? Nein, weil sogleich gefragt werden würde, was denn ein Tier sei und was vernünftig, und so würde ich von einer Frage in mehrere und zudem schwierigere geraten, und ich will meine freie Zeit nicht mit solchen Spitzfindigkeiten vergeuden. Statt dessen möchte ich lieber das berücksichtigen, was sich meinem Denken früher von selbst und von der Natur geleitet darbot, wenn ich betrachtete, was ich sei. Erstens bot sich dar, daß ich ein Gesicht, Hände, Arme und die gesamte Maschine der Körperteile habe, wie sie sich auch an einem Leichnam zeigt, und die ich mit dem Namen Körper betitelte. Außerdem bot sich dar, daß ich mich ernähre, gehe, sinnlich wahrnehme und denke, Aktionen, die ich auf die Seele bezog.3 Was aber diese Seele wäre, beachtete ich entweder nicht, oder ich stellte mir ich weiß nicht irgendetwas Winziges vor, das in meine gröberen Bestandteile eingeflossen war, vergleichbar dem Wind oder dem Feuer oder dem Äther.4 Was aber den Körper angeht, so zweifelte ich keineswegs, sondern meinte, seine Natur deutlich zu kennen, die, wenn ich vielleicht versucht hätte, sie zu beschreiben, wie ich sie durch meinen Geist begriff, so erklärt hätte : »Unter einem Körper verstehe ich alles, was fähig ist, durch irgendeine Gestalt eingeschränkt zu werden, das durch einen Ort umrissen wird und einen Raum so einnimmt, daß es aus ihm jeden anderen Körper ausschließt ; was durch den Tastsinn, das Sehvermögen, das Gehör, den Geschmacksinn oder Geruchssinn erfaßt wird, sowie auf verschiedene Weise bewegt werden kann5 – wenn auch vielleicht nicht von selbst, so doch von irgendetwas anderem, von dem es berührt wird«6 – denn ich urteilte, daß der Besitz der Kraft, sich selbst zu bewegen,7 wie ebenso die Kraft, sinnlich wahrzunehmen oder zu denken, über1
Obj. VII : 479, 5–6. 2 Obj. V : 259, 14 ; Obj. VII : 479, 17. 3 Obj. V : 259, 15–18 ; Obj. VII : 485, 5–7. 4 Obj. V : 259, 20–23 ; Obj. VII : 485, 3–5. 5 Obj. V : 259, 23–260, 2. 6 Obj. VII : 482, 18–22. 7 Obj. V : 260, 7 ; 341, 20–21.
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haupt nicht zur Natur des Körpers gehört,1 sondern ich war vielmehr geradezu überrascht, solche Vermögen in bestimmten Körpern anzutreffen. Was aber meine ich jetzt, wo ich voraussetze, irgendein äußerst mächtiger, und, wenn es gestattet ist, sich so auszudrücken, boshafter Betrüger habe mich absichtlich in allem irregeführt, soweit er kann ? Kann ich noch behaupten, ich besäße auch nur das Geringste von alldem, von dem ich zuvor gesagt habe, es gehöre zur Natur des Körpers ?2 Ich bin ganz aufmerksam, ich denke nach, überdenke es erneut – aber es findet sich nichts. Ich bin es leid, dasselbe immer wieder vergeblich zu wiederholen.3 Wie steht es aber mit dem, was ich der Seele beilegte ? Sich-Ernähren oder Gehen ?4 Da ich aber ja nun einmal keinen Körper mehr habe, sind dies auch nichts anderes als Erdichtungen.5 Sinnlich Wahrnehmen ? Allerdings geschieht auch dies nicht ohne Körper, und sehr vieles ist mir in Träumen erschienen, als ob ich es sinnlich wahrnähme, wovon ich später bemerkt habe, daß dem gar nicht so gewesen war.6 Denken ?7 Hier werde ich fündig : Das Denken ist es ; es allein kann nicht von mir getrennt werden.8 Ich bin, ich existiere ; das ist sicher. Wie lange aber ? Nun, solange ich denke ; denn vielleicht könnte es auch geschehen, daß ich, wenn ich alles Denken unterließe, sogleich völlig aufhörte zu sein. Ich lasse jetzt nichts gelten, außer dem, was notwendig wahr ist : demnach bin ich genaugenommen nur ein denkendes Ding, das heißt : Geist, bzw. Gemüt, bzw. Verstand, bzw. Vernunft9 – Ausdrücke, deren Bedeutung mir zuvor unbekannt waren.10 Ich bin ein wahres und wahrhaftig existierendes Ding ; welcher Art Ding aber ? Ich sagte es bereits, ein denkendes. Was weiter ? Ich werde mir vorstellen : Ich bin nicht das Gefüge jener Körperteile, das menschlicher Körper genannt wird ;11 1
Obj. VII : 483, 18–20. 2 Obj. V : 260, 12–14. 3 Obj. VII : 488, 14–15. 4 Obj. V : 261, 18–19. 5 Obj. V : 261, 28–29. 6 Obj. V : 262, 5–11. 7 Obj. V : 262, 17. 8 Obj. V : 264, 2. 9 Obj. III : 172, 12–17 ; Resp. III : 174, 4. 10 Resp. VII : 491, 22–23. 11 Obj. V : 264, 20–21.
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ich bin auch nicht irgendeine feine, diese Körperteile durchströmende Luft, kein Wind, kein Feuer, kein Dampf, kein Hauch,1 noch irgendetwas anderes, das ich mir konstruiere : ich habe nämlich vorausgesetzt, all dies sei nichts.2 Diese Setzung bleibt bestehen :3 und dennoch bin ich doch wohl irgendetwas. Vielleicht aber verhält es sich ja so, daß sich das, von dem ich voraussetze, es sei nichts – nämlich weil es mir unbekannt ist –, gleichwohl der Wahrheit der Sache nach gar nicht von diesem Ich – das mir bekannt ist – unterscheidet ? Ich weiß es nicht, darüber disputiere ich jetzt nicht :4 ich kann nur über das, was mir bekannt ist, ein Urteil abgeben. Mir ist bekannt, daß ich existiere ; ich frage, was ich bin, jenes Ich, das mir bekannt ist. Ganz sicher hängt die Kenntnis des genau so verstandenen Ichs nicht von dem ab, von dem mir noch unbekannt ist, ob es existiert ;5 und demnach hängt sie von nichts ab, das ich in der Anschauung ausbilde. Dieses Wort ausbilden aber erinnert mich an meinen Irrtum : denn tatsächlich würde ich bloß etwas konstruieren, wenn ich mir vorstellte, was ich sei. Denn sich etwas vorzustellen ist nichts anderes als sich in die Gestalt, bzw. in das Bild eines körperlichen Dinges zu vertiefen.6 Ich weiß aber bereits sicher, daß ich bin, und ich weiß zugleich um die Möglichkeit, daß alle diese Bilder und allgemein alles, was sich auf die Natur des Körpers bezieht, bloße Traumbilder sein können. Nachdem ich das aber bemerkt habe, scheint es mir nicht weniger albern, zu sagen : »Ich werde vorstellen, damit ich deutlicher erkenne, was ich bin«, als wenn ich sagen würde : »Ich bin zwar bereits erwacht und sehe etwas vom Wahren, weil ich es aber noch nicht evident genug sehe, möchte ich absichtlich wieder einschlafen, weil die Träume es mir wahrer und evidenter repräsentieren«. Und so erkenne ich, daß nichts von dem, was ich 1
Obj. V : 337, 1–3. 2 Resp. V : 352, 25–28 ; 386, 22–23. 3 Obj. V : 264, 23–265, 1. 4 Resp. II : 129, 11–14 ; Obj. V : 265, 6–9 ; 337, 5 ; Resp. V : 357, 7–10 ; Resp. VII : 491, 8–10. 5 Obj. III : 173, 6–8 ; Obj. IV : 198, 22–28 ; Obj. V : 265, 10–12 ; Obj. VII : 501, 17–29 ; Resp. VII : 514, 24–26 ; 521, 17–21. 6 Obj. V : 265, 15–16 ; 267, 6–7 ; 329, 11–12 ; Resp. V : 357, 21.
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mir mit Hilfe der Anschauung verständlich machen kann, die Kenntnis betrifft, die ich von mir habe,1 und daß der Geist äußerst sorgfältig davon ferngehalten werden muß, damit er seine eigene Natur möglichst deutlich erfaßt.2 Was aber bin ich demnach ? Ein denkendes Ding. Was ist das ? Nun – ein denkendes, einsehendes, behauptendes, bestreitendes, wollendes, nicht wollendes, und auch etwas sich vorstellendes und sinnlich wahrnehmendes Ding.3 Das ist in der Tat nicht wenig, wenn alles das insgesamt zu mir gehören sollte. Warum aber sollte es nicht zu mir gehören ? Bin nicht ich selbst es, der ich jetzt an fast allem zweifle, der ich gleichwohl etwas einsehe, der ich behaupte, dieses eine sei wahr, der ich das übrige bestreite, der ich das Verlangen habe, weiteres zu kennen, der ich nicht betrogen werden will, der ich mir vieles gegen meinen Willen vorstelle und der vieles bemerkt, gleichsam als komme es von den Sinnen ? Was von diesem wäre etwa nicht ebenso wahr wie, daß ich bin, selbst wenn ich ununterbrochen schlafe, und sogar wenn der, der mich erschaffen hat, mich irreführt, soweit er nur kann ? Was ist es, das man von meinem Denken unterscheiden mag ? Was ist es, von dem gesagt werden könnte, es sei von mir selbst abgetrennt ?4 Denn daß ich selbst es bin, der ich zweifle, der ich einsehe, der ich will : das ist so offenkundig, daß sich nichts findet, durch das es noch evidenter erklärt werden kann. Ich selbst bin aber auch derselbe, der vorstellt ; denn obwohl vielleicht, wie ich vorausgesetzt habe, schlicht überhaupt kein vorgestelltes Ding wahr ist, existiert die Kraft, vorzustellen tatsächlich und macht einen Teil meines Denkens aus. Und außerdem bin ich dasselbe Ich, der ich sinnlich wahrnehme, bzw. der körperliche Dinge gleichsam durch die Sinne bemerkt : ich sehe nämlich jetzt das Licht, höre das Geräusch, empfinde die Wärme. Zwar ist das falsch, ich schlafe nämlich. Sicherlich aber scheine ich zu sehen, zu hören, warm zu werden. Es ist nicht möglich, daß dies falsch ist ; dies 1
Obj. V. 265, 26–266, 1. 4 Obj. III : 177, 2–3.
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ist in eigentlichem Sinne das, was in mir Sinnliches Wahrnehmen genannt wird ; und dies genau so aufgefaßt ist nichts anderes als Denken. Hieraus beginne ich schon sehr viel bessere Kenntnis zu erlangen, wer ich bin. Bislang aber scheint es gleichwohl – und ich kann nicht umhin, das zu meinen –, daß die körperlichen Dinge, deren Bilder durch mein Denken gebildet werden, und die die Sinne allein erkunden, sehr viel deutlicher erkannt werden als jenes ich weiß nicht welches Etwas von mir,1 das nicht unter die Anschauung fällt – obgleich es in der Tat seltsam ist, daß Dinge, die ich als zweifelhaft, unbekannt und mir fremd bemerke, deutlicher von mir verstanden werden2 als das, was wahr ist, was erkannt ist, mit einem Wort : als ich selbst. Aber ich sehe wohl, was hier vor sich geht : es bereitet meinem Geist Vergnügen, abzuirren, und noch erträgt er es nicht, in den Grenzen der Wahrheit gehalten zu werden. Meinetwegen ! Lassen wir ihm noch einmal die Zügel ganz locker, damit, wenn sie bei späterer Gelegenheit wieder angezogen werden, er es leichter erträgt, gelenkt zu werden. Betrachten wir jene Dinge, von denen man gemeinhin meint, sie insgesamt am deutlichsten zu verstehen, nämlich die Körper, die wir berühren, die wir sehen ; und zwar nicht die Körper überhaupt, denn solche allgemeinen Erfassungen sind gewöhnlich ziemlich verworren, sondern einen Körper im besonderen. Nehmen wir zum Beispiel dieses Wachs :3 Gerade eben ist es aus dem Bienenstock herausgezogen worden ; noch hat es nicht allen Geschmack seines Honigs verloren ; es behält ein wenig von dem Geruch der Blumen, aus denen es gesammelt worden ist ; seine Farbe, Gestalt, Größe sind offenkundig ; es ist hart, es ist kalt, es läßt sich leicht berühren, und es gibt einen Ton von sich, wenn Du mit dem Knöchel auf es schlägst ; mit einem Wort, alles ist vorhanden, was erforderlich zu sein scheint, damit es äußerst deutlich als ein bestimmter Körper erkannt werden kann. 1
Obj. V : 275, 9. 271, 16 ff.
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Aber während ich das sage, wird es dem Feuer ausgesetzt : Der verbliebene Geschmack geht verloren, der Geruch verfliegt, die Farbe wechselt, die Gestalt verschwindet, die Größe nimmt zu, es wird flüssig, es wird warm, man kann es kaum noch berühren, und nun gibt es keinen Ton mehr von sich, wenn Du es anstößt. Bleibt es dann immer noch dasselbe Wachs ? Es muß eingeräumt werden : Es bleibt. Niemand bestreitet es, niemand meint etwas anderes. Was also war in ihm, das so deutlich verstanden worden ist ? Sicherlich nichts von dem, was ich durch die Sinne berührte ; denn alles, was unter den Geschmackssinn oder den Geruchssinn oder das Sehvermögen oder den Tastsinn oder das Gehör fiel, ist jetzt verändert : und doch bleibt es das Wachs. Vielleicht war es das, was ich nun denke : daß nämlich das Wachs selbst eben weder jene Süßigkeit des Honigs, noch der betörende Geruch der Blumen, noch die weiße Farbe, noch die Gestalt, noch der Ton gewesen ist, sondern ein Körper, der mir kurz zuvor mit jenen hervorstechenden Eigenschaften erschien, und nun mit davon verschiedenen. Was genau aber ist das, was ich mir so vorstelle ? Berücksichtigen wir das genau und schauen wir, was übrigbleibt, wenn wir alles entfernen, was nicht zum Wachs gehört : nämlich nichts anderes als ein ausgedehntes Etwas, biegsam und veränderlich. Was aber ist dieses Biegsame, Veränderliche ? Etwa das, was ich mir vorstelle, nämlich daß das Wachs sich von einer runden Gestalt in eine quadratische, oder aus dieser in eine dreieckige verändern kann ? Keineswegs ! Denn ich verstehe, daß es zu unzählig vielen solchen Veränderungen fähig ist, und ich kann wohl kaum Unzähliges vorstellend durchlaufen ; und demnach wird das Verständnis des Wachses nicht durch das Vorstellungsvermögen zustande gebracht. Was ist das Ausgedehnte ? Ist etwa auch die Ausdehnung des Wachses unbekannt ? Denn beim schmelzenden Wachs wird sie größer, noch größer beim heißen, und wiederum größer, wenn die Wärme noch weiter zunimmt. Und ich würde nicht richtig beurteilen, was das Wachs ist, wenn ich nicht zugäbe, daß es auch in bezug auf die Ausdehnung eine größere Vielfalt zuläßt,
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als ich jemals vorstellend umfaßt habe. Es bleibt mir demnach nur, zuzugeben, daß ich mir gar nicht vorstellen kann, was dieses Wachs ist, sondern es allein mit dem Geist erfasse1 – ich betone : dieses besondere Stück Wachs, denn in bezug auf das Wachs überhaupt ist das noch klarer. Was aber ist dieses Wachs, das allein mit dem Geist erfaßt wird ? Freilich dasselbe, das ich sehe, das ich berühre, das ich vorstelle, zu guter Letzt dasselbe, was ich von Anfang an meinte, daß es sei. Und doch ist seine Erfassung – darauf muß hingewiesen werden – kein Anblicken, keine Berührung, keine Anschauung, noch ist sie es jemals gewesen, obwohl es mir zuvor so erschien, sondern allein ein Einblick des Geistes,2 der unvollkommen und verworren wie am Anfang, oder klar und deutlich wie jetzt sein kann, je nachdem, ob ich weniger oder mehr berücksichtige, woraus es besteht.3 Indessen erstaune ich, wie sehr mein Geist zu Irrtümern neigt. Denn obwohl ich dies schweigend und ohne ein Wort auszusprechen betrachtet habe, klammere ich mich dennoch an die Wörter selbst und werde fast von alltäglichen Redensarten betrogen. Wir sagen nämlich : »Wir sehen das Wachs selbst«, wenn es da ist, und nicht : »Wir urteilen aufgrund der Farbe oder der Gestalt, daß es da ist«. Daraus wäre sogleich zu schließen, das Wachs werde also durch das Anblicken mit den Augen, nicht durch den Einblick des Geistes allein erkannt – wenn ich nicht zufällig gerade aus dem Fenster geblickt und Menschen die Straße hätte überqueren sehen, von denen ich nicht weniger als beim Wachs zu sagen gewohnt bin, daß ich sie sehe. Was aber sehe ich außer Hüten und Mänteln, unter denen sich Automaten verstecken könnten ?4 Ich urteile aber, daß es Menschen sind. Und so verstehe ich das, von dem ich meinte, es mit den Augen zu sehen, allein aufgrund des Urteilsvermögens, das in meinem Geist ist. Aber ich, der ich doch das Verlangen habe, mein Wissen über das gewöhnliche Maß zu erheben, sollte mich schämen, 1
Obj. III : 177, 23–24. 4 Obj. V : 272, 20 ff.
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aus alltäglichen Redensarten, die beim Volk im Umlauf sind, Zweifel gezogen zu haben. Wir wollen also den Faden unserer Gedanken wieder aufnehmen, indem wir unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, ob ich damals, als ich es zuerst angesehen und geglaubt habe, das Wachs durch den äußeren Sinn selbst zu erkennen – oder zumindest durch das, was Gemeinsinn genannt wird, d. h. durch die Anschauungskraft –, oder ob ich nicht vielmehr jetzt vollkommener und evidenter erfasse, was das Wachs ist, nachdem ich nicht nur eingehender untersucht habe, was es ist, sondern auch, wie es erkannt wird. Sicherlich wäre es albern, darüber in Zweifel zu geraten : denn was ist in der ersten Erfassung deutlich gewesen ? Was war darin, das nicht irgendein anderes Tier sich ebenfalls hätte verschaffen können ? Wenn ich das Wachs von den äußeren Formen unterscheide, und es gleichsam der Kleider beraubt nackt betrachte, kann ich es tatsächlich nicht ohne den menschlichen Geist erfassen, auch wenn immer noch ein Irrtum in meinem Urteil verbleiben kann. Was aber kann ich über diesen Geist selbst, bzw. über mich selbst sagen ? Noch lasse ich nämlich nicht gelten, daß irgendetwas anderes in mir ist außer Geist. Was, sage ich, bin ich selbst, der ich dieses Wachs so deutlich zu erfassen scheine ? Sollte ich mich selbst nicht nur viel wahrer, viel sicherer, sondern auch viel deutlicher und evidenter erkennen ? Denn wenn ich aufgrund dessen, daß ich das Wachs sehe, urteile, daß es existiert, ergibt sich doch wohl sicherlich daraus, daß ich es sehe, noch viel evidenter, daß ich selbst existiere. Es mag nämlich sein, daß das, was ich sehe, nicht wirklich Wachs ist ; es mag auch sein, daß ich nicht einmal Augen habe, durch die mir irgendetwas erscheint ; aber es kann schlicht überhaupt nicht sein, daß, wenn ich sehe, bzw. (was ich jetzt nicht unterscheide) wenn ich denke, daß ich sehe, ich selbst, der Denkende, nicht irgendetwas bin. Aus einer vergleichbaren Überlegung heraus ergibt sich wiederum dasselbe. Denn wenn ich aufgrund dessen, daß ich es berühre, urteile, daß es Wachs ist, ergibt sich ebenso, daß ich bin ; und genau dasselbe daraus, daß ich es vorstelle, oder aus irgendeiner anderen Ursache. Dasselbe, was ich in bezug auf das Wachs
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bemerke, kann aber auf alles andere angewendet werden, das außerhalb von mir vorhanden ist.1 Wenn nun die Erfassung des Wachses viel deutlicher zu sein scheint, nachdem es mir nicht durch das Sehvermögen oder den Tastsinn allein, sondern noch aus mehreren anderen Ursachen heraus bekannt geworden ist, muß eingeräumt werden, daß ich dann noch viel deutlicher mich selbst erkennen werde ; denn alle Erkenntnisgründe, die zur Erfassung entweder des Wachses oder auch irgendeines anderen Körpers beitragen können, weisen ja ohne Ausnahme zugleich auch um so besser die Natur meines Geistes nach !2 Aber es gibt im Geist selbst überdies so viele andere Erkenntnisgründe, aufgrund derer seine Kenntnis deutlicher dargetan werden kann, daß diejenigen, die vom Körper her zu ihm gelangen, im Vergleich dazu kaum ins Gewicht zu fallen scheinen. Und so bin ich letztendlich von selbst dort angelangt, wohin ich wollte. Denn da mir nunmehr bekannt ist, daß die Körper selbst nicht eigentlich durch die Sinne oder durch das Vorstellungsvermögen, sondern durch den Verstand allein erfaßt werden,3 und daß sie nicht dadurch erfaßt werden, daß sie berührt oder gesehen werden, sondern allein dadurch, daß sie eingesehen werden, so erkenne ich sehr genau, daß nichts leichter oder auch evidenter von mir erfaßt werden kann als mein Geist.4 Aber weil die Gewohnheit einer alten Meinung nicht so schnell abgelegt werden kann, ist es angebracht, hier innezuhalten, damit dieser neue Gedanke sich durch längeres Verweilen bei dieser Meditation meinem Gedächtnis tiefer einprägt.
1
Obj. V : 273, 20–274, 8. 2 Obj. V : 274, 23–275, 2. 15–16. 4 Obj. V : 275, 10–16.
3
Obj. V : 266,
33,30
D R I TT E MED ITATIO N
Über Gott, daß er existiert.
Ich will nun die Augen schließen, die Ohren zustopfen, alle Sinne abschalten und auch alle Bilder körperlicher Dinge entweder aus meinem Denken löschen, oder, weil dies kaum möglich sein wird, sie zumindest als bedeutungslos und falsch für nichts erachten. Ich werde, indem ich allein mit mir spreche und tief in mich hineinblicke, versuchen, mich mit mir selbst nach und nach bekannter und vertrauter zu machen. Ich bin ein denkendes Ding, das heißt ein Ding, das zweifelt, behauptet, bestreitet, weniges einsieht, dem vieles unbekannt ist, das will, nicht will, das auch vorstellt und sinnlich wahrnimmt. Denn wie ich zuvor bemerkt habe, bin ich mir sicher, daß alle Dinge, die ich sinnlich wahrnehme oder vorstelle, auch dann, wenn sie unabhängig von mir vielleicht nichts sind, als gedankliche Zugriffe (modi cogitandi), die ich sinnliche Wahrnehmungen und Anschauungen nenne, insofern in mir sind, als sie lediglich gedankliche Zugriffe sind. In diesem wenigen bin ich alles durchgegangen, was ich wahrhaftig weiß, oder zumindest das, von dem ich bislang bemerkt habe, daß ich es weiß. Ich will nun sorgfältiger Ausschau halten, ob es nicht vielleicht außerdem noch anderes in meinem Umkreis gibt, das ich noch nicht berücksichtigt habe. Ich bin sicher, daß ich ein denkendes Ding bin. Weiß ich also etwa auch, was erforderlich ist, damit ich irgendeines anderen Dinges sicher sei ? Denn in dieser ersten Erkenntnis ist nichts anderes enthalten als eine gewisse klare und deutliche Erfassung dessen, was ich behaupte ; und das würde freilich nicht ausreichen, mich der Wahrheit eines Dinges zu versichern, wenn es auch nur einmal irgendwann passieren könnte, daß irgendetwas falsch wäre, das ich so klar und deutlich erfassen würde. Demnach scheint es mir möglich, als allgemeine Regel aufzu-
34,12
35,3
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d r i tt e m ed itat io n
stellen, daß alles das wahr ist, das ich äußerst klar und deutlich erfasse.1 Aber früher habe ich doch vieles als ganz und gar sicher und offenkundig gelten lassen, von dem ich dennoch später entdeckt habe, daß es zweifelhaft ist.2 Welche Art Dinge waren das ? Nun – die Erde, der Himmel, die Gestirne und alles übrige, was ich mir durch die Sinne aneignete. Was aber erfaßte ich an diesen Dingen klar ? Nun – daß sie als Ideen solcher Dinge, bzw. als Gedanken meinem Geist vorlagen. Aber ich stelle auch jetzt gar nicht in Abrede, daß diese Ideen in mir sind. Etwas bestimmtes anderes aber gab es, das ich behauptete, und von dem ich überdies aus der Gewohnheit heraus, es so zu glauben, meinte, es klar zu erfassen, das ich tatsächlich aber nicht erfaßte : nämlich daß es bestimmte Dinge außerhalb von mir gebe, von denen diese Ideen herrühren, und denen sie ganz ähnlich waren. Dies aber war es, worin ich mich täuschte ; wenn ich aber wahr urteilte, passierte es zumindest nicht aus der Kraft meiner Erfassung heraus. Wie verhielt es sich aber, wenn ich irgendeinen äußerst einfachen und leichten der arithmetrischen oder geometrischen Sachverhalte betrachtete, wie etwa Zwei und drei miteinander addiert ergeben fünf, oder dergleichen :3 erblickte ich zumindest dies transparent genug, um behaupten zu können, es sei wahr ? Tatsächlich habe ich ja allein deshalb später geurteilt, daß solche Sachverhalte bezweifelt werden müßten, weil mir einfiel, es könne vielleicht irgendein Gott mir eine solche Natur verliehen haben, daß ich auch in bezug auf das betrogen würde, was mir das Offenkundigste zu sein schien. Immer wenn sich mir diese vorgefaßte Meinung über die Allmacht Gottes darbietet, kann ich nicht umhin, einzuräumen, daß, wenn er es denn will, es ihm ein leichtes wäre, zu bewirken, daß ich mich auch in dem irre, von dem ich meine, es mit den Augen des Geistes am evidentesten zu erblicken. Immer wenn ich mich jedoch den 1
Obj. I : 95, 29–30 ; Resp. I : 116, 7 ; Obj. V : 277, 14–16. 2–3. 3 Obj. V : 279, 8–10.
2
Obj. V : 279,
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Dingen selbst zuwende, die ich äußerst klar zu erfassen meine, bin ich so sehr von ihnen überzeugt, daß mir von selbst diese Worte entfahren : »Täusche mich, wer immer es wolle und soviel er kann, niemals wird er bewirken, daß ich nichts bin, solange ich denken werde, ich sei irgendetwas ; oder daß es zu irgendeinem Zeitpunkt wahr ist, daß ich niemals gewesen bin, wenn es doch jetzt wahr ist, daß ich bin ; oder vielleicht auch, daß zwei und drei miteinander addiert mehr oder weniger als fünf ergeben, oder dergleichen« – denn darin erkenne ich einen offenkundigen Widerspruch. Da ich nun sicherlich keinen Anlaß zu der Ansicht habe, daß Gott ein Betrüger ist, und bislang noch nicht einmal zur Genüge weiß, ob es Gott gibt oder nicht, ist der Grund des Zweifelns, der nur von dieser vorgefaßten Meinung abhängt, sehr dünn und, ich will einmal so sagen, metaphysisch. Um aber auch diesen Grund noch bei nächster Gelegenheit aufzuheben, muß ich prüfen, ob es Gott gibt, und, wenn es ihn gibt, ob es möglich ist, daß er ein Betrüger ist. Es scheint mir nämlich, daß ich niemals irgendeines anderen Dinges völlig sicher sein kann, solange mir dies unbekannt ist. Nun aber scheint die Ordnung zu erfordern, daß ich zuerst alle meine Gedanken in bestimmte Arten einteile und erforsche, in welchen von ihnen eigentlich Wahrheit oder Falschheit vorkommt. Einige meiner Gedanken sind gewissermaßen Bilder der Dinge, denen allein eigentlich der Name der Idee zusteht : wie wenn ich Mensch, Chimäre, Himmel, Engel oder auch Gott denke.1 Andere aber haben außerdem eine bestimmte Form : wie etwa, wenn ich will, wenn ich mich fürchte, wenn ich behaupte, wenn ich bestreite ; denn dann fasse ich zwar stets irgendein Ding als Subjekt2 auf, aber mein Denken beinhaltet auch etwas über das bloße Abbild eines Dinges Hinausgehendes ; und von diesen Gedanken werden die einen Willensakte, bzw. Affekte, die anderen aber Urteile genannt.3 1
Obj. III : 179, 12–15. 2 Subjectum ist bei Descartes nicht das Subjekt = das denkende Ich, sondern das, was dem Denken unterworfen ist, also in unserer heutigen Sprache das Objekt. 3 Obj. III : 181, 20–26.
36,30
42 37,13
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d r i tt e m ed itat io n
Was die Ideen betrifft, so können sie nicht im eigentlichen Sinne falsch sein, wenn sie allein für sich betrachtet werden, und ich sie nicht auf irgendetwas anderes beziehe ; denn ob ich mir nun eine Ziege oder eine Chimäre vorstelle, so ist es nicht weniger wahr, daß ich mir das eine vorstelle als das andere. Auch im Willen für sich selbst genommen oder den Affekten ist keine Falschheit zu befürchten ; denn ich kann noch so Schlechtes wünschen oder sogar auch irgendetwas, das es nirgends gibt, so wird es deswegen doch nicht unwahr, daß ich es wünsche. Demnach bleiben nur die Urteile übrig, bei denen ich mich vorsehen muß, mich nicht zu täuschen. Der eigentliche und häufigste Irrtum aber, der in ihnen angetroffen werden kann, besteht darin, zu urteilen, daß die Ideen, die in mir sind, bestimmten außerhalb von mir befindlichen Dingen gleich, bzw. nachgebildet seien ; denn wenn ich die Ideen selbst lediglich als bestimmte Modi meines Denkens betrachten und sie nicht auf irgendetwas anderes beziehen würde, könnten sie mir jedenfalls kaum irgendein Material zum Irren geben. Von diesen Ideen aber scheinen mir die einen angeboren, die anderen erworben und wieder andere von mir selbst erzeugt zu sein : denn daß ich einsehe, was Ding, was Wahrheit, was Denken ist, das scheine ich von nirgendwo anders her zu haben als aus meiner eigenen Natur selbst ;1 höre ich jedoch jetzt ein Geräusch, sehe ich die Sonne, empfinde ein Feuer, so habe ich bislang geurteilt, daß dies von bestimmten außerhalb von mir befindlichen Dingen herrühre ; und schließlich sind Sirenen, Hippogryphe und dergleichen von mir selbst konstruiert. Oder vielleicht kann ich auch meinen, alle seien erworben, oder alle angeboren, oder alle erzeugt : noch habe ich nämlich ihre wahre Entstehung nicht klar durchschaut.2 Freilich gilt es, an dieser Stelle zuallererst nach denjenigen Ideen zu fragen, die ich so betrachte, als seien sie gleichsam von außer mir existierenden Dingen entlehnt. Mit welcher Begründung lasse ich mich eigentlich zu der Ansicht bewegen, diese 1
Obj. V : 280, 22–23 ; 281, 12–13 ; 26–27.
2
Obj. V : 279, 18–26.
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Ideen seien jenen Dingen ähnlich ? Freilich scheine ich dies von der Natur so gelernt zu haben. Und außerdem erfahre ich, daß sie nicht von meinem Willen und demnach auch nicht von mir selbst abhängen, zeigen sie sich doch oft sogar gegen meinen Willen :1 so empfinde ich jetzt Wärme, ob ich will oder nicht, und daher meine ich, daß diese sinnliche Wahrnehmung, bzw. die Idee der Wärme, von einem von mir verschiedenen Ding zu mir gelangt, nämlich von der Wärme des Feuers, bei dem ich sitze. Und nichts liegt näher, als zu urteilen, jenes Ding sende mir eher ein Abbild seiner selbst als etwas ganz anders Geartetes zu. Ich will jetzt sehen, ob diese Begründungen ausreichend verläßlich sind. Wenn ich hier sage, ich hätte es so von der Natur gelernt, dann verstehe ich darunter, daß ein gewisser spontaner Antrieb mich dazu bringt, dies zu glauben, und nicht, daß es mir auch nur durch das geringste Natürliche Licht als wahr gezeigt worden wäre. Das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Denn alles, was mir durch das Natürliche Licht gezeigt wird – wie etwa, daß daraus, daß ich zweifle, folgt, daß ich bin, und dergleichen –, kann in keiner Weise zweifelhaft sein. Denn es kann kein anderes Vermögen geben, dem ich ähnlich vertrauen könnte wie diesem Licht, und das lehren könnte, daß dies nicht wahr sei ; was aber die natürlichen Antriebe betrifft, so bin ich längst schon zu dem Urteil gelangt, von ihnen in eine falsche Richtung gedrängt worden zu sein, wenn es sich darum handelte, das Gute zu wählen, und ich sehe nicht, weshalb ich ihnen in irgendeiner anderen Sache mehr vertrauen sollte. Außerdem : Obwohl diese Ideen nicht von meinem Willen abhängen, so ist deshalb noch keineswegs ausgemacht, daß sie notwendig von Dingen herrühren, die sich außer mir befinden. Ebenso nämlich wie jene Antriebe, von denen ich gerade sprach, von meinem Willen unabhängig zu sein scheinen, obwohl sie in mir sind, befindet sich vielleicht in mir ein noch nicht hinreichend erkanntes Vermögen als Schöpferin dieser Ideen, was sich bislang bereits daran gezeigt haben mag, daß sich jene Ideen 1
Obj. V : 283, 1–4.
38,23
39,6
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39,15
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d r i tt e m ed itat io n
ohne die Hilfe irgendwelcher äußerer Dinge in mir bilden, wenn ich träume. Und schließlich : Selbst wenn die Ideen von Dingen herrühren würden, die von mir verschieden sind, so folgt daraus noch nicht, daß sie diesen Dingen ähnlich sein müssen. Es scheint mir sogar, wiederholt bei vielen einen großen Kontrast zwischen beiden entdeckt zu haben. So finde ich zum Beispiel zwei verschiedene Ideen der Sonne in mir vor, eine gleichsam aus den Sinnen geschöpfte, die nach meiner Ansicht eindeutig zu den erworbenen gezählt werden muß, durch die die Sonne mir als sehr klein erscheint, und eine andere, den Berechnungen der Astronomie entlehnte, will sagen : aus bestimmten mir angeborenen Grundbegriffen entwickelte,1 oder auf irgendeine andere Weise von mir erzeugte, durch die sie sich als viele Male größer als die Erde darstellt. Beide Ideen können jedoch nicht derselben, außer mir existierenden Sonne gleich sein, und die Vernunft überzeugt mich, daß diejenige ihr am unähnlichsten ist, die am unmittelbarsten von ihr auszugehen scheint.2 All dies beweist zur Genüge, daß ich bislang nicht aufgrund eines sicheren Urteils, sondern lediglich aus irgendeinem geheimen Impuls heraus geglaubt habe, es existierten bestimmte von mir verschiedene Dinge, die ihre Ideen, bzw. Bilder durch die Sinnesorgane oder sonst irgendwie in mich senden. Aber es bietet sich mir noch ein anderer Weg, um zu erforschen, ob irgendwelche von den Dingen, deren Ideen in mir sind, außer mir existieren. Insofern nämlich diese Ideen lediglich bestimmte gedankliche Zugriffe sind, erkenne ich unter ihnen keine Ungleichheit, und es scheint mir, daß alle auf dieselbe Weise von mir herrühren. Insofern aber die eine das eine Ding, die andere ein anderes repräsentiert, sind sie offensichtlich sehr verschieden voneinander. Denn zweifelsohne sind diejenigen, die mir Substanzen darstellen, irgendetwas Größeres, und enthalten, um es einmal so auszudrücken, in sich mehr objektive Realität als diejenigen, die nur Modi, bzw. Akzidenzen reprä1
Obj. III : 184, 2–4.
2
Obj. V : 283, 11–16.
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sentieren. Und sicherlich hat diejenige, durch die ich mir einen höchsten Gott – ewig, unendlich, allwissend, omnipotent und Schöpfer aller Dinge, die außer ihm sind1 – einsichtig mache, wiederum mehr objektive Realität in sich, als die, durch die endliche Substanzen dargestellt werden.2 Aber es ist durch das Natürliche Licht offenkundig, daß in einer bewirkenden und hinreichenden Ursache zumindest ebensoviel enthalten sein muß wie in der Wirkung ebenderselben Ursache.3 Denn von woher könnte bitte die Wirkung ihre Realität erlangen, wenn nicht von der Ursache ? Und wie könnte die Ursache sie ihr geben, wenn sie sie nicht ebenso hätte ? Daraus aber folgt, daß weder aus dem Nichts irgendetwas entstehen kann,4 noch daß das, was vollkommener ist, das heißt : was mehr Realität in sich enthält, durch etwas entstehen kann, das weniger Realität in sich enthält. Dies ist nun nicht nur transparent wahr in bezug auf diejenigen Wirkungen, deren Realität aktuell, bzw. formal ist, sondern auch in bezug auf die Ideen, in denen lediglich eine objektive Realität betrachtet wird. Will sagen : Es ist nicht nur unmöglich, daß zum Beispiel ein Stein, der vorher nicht gewesen ist, jetzt zu sein beginnt, wenn er nicht von irgendeinem Ding produziert wird, in dem in vollem Umfang alles das entweder formal oder eminent ist, das im Stein gesetzt wird ;5 und Wärme kann nicht in ein Subjekt eintreten, das vorher nicht warm war, es sei denn durch ein Ding, das zumindest der Ordnung nach ebenso vollkommen ist wie die Wärme, und ebenso bei dem Übrigen ; sondern insbesondere auch kann die Idee der Wärme oder des Steins nicht in mir sein, wenn sie nicht von irgendeiner Ursache in mich gesetzt worden ist, in der ich zumindest ebensoviel Realität als vorhanden begreife wie in der Wärme oder im Stein. Denn auch wenn diese Ursache nichts von ihrer aktuellen, bzw. formalen Realität auf meine Idee überträgt, so darf man diese Ursache deswegen doch nicht für weniger 1
Obj. V : 286, 14–15. 2 Obj. III : 184, 19–185, 4 ; Obj. V : 284, 26–285, 3 Resp. II : 135, 11–12 ; 19–21 ; Obj. V : 288, 8–10. 3 ; 286, 21–22. 4 Resp. II : 135, 13–14. 5 Obj. V : 288, 28–289, 1.
40,21
46
41,30
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real halten, denn die Natur der Idee selbst muß man für eine solche halten, daß sie von sich aus keine andere formale Realität erfordert außer derjenigen, die sie meinem Denken entlehnt, dessen Modus sie ist. Daß aber diese Idee die eine oder andere objektive Realität mehr enthält als eine andere Idee, das muß sie in der Tat von irgendeiner Ursache haben,1 in der zumindest ebensoviel formale Realität vorliegt, wie sie selbst an objektiver Realität enthält.2 Gesetzt nämlich, es würde in irgendeiner Idee irgendetwas angetroffen, das in ihrer Ursache nicht gewesen ist, so hätte sie dies aus dem Nichts. Wie unvollkommen nun auch immer jener Modus des Seins sein mag, in dem das Ding vermittelt durch die Idee im Verstand objektiv ist, so ist er doch in der Tat nicht einfach nichts, und kann demnach nicht durch das Nichts sein.3 Wenn nun die Realität, die ich in meinen Ideen betrachte, lediglich objektiv ist, so darf ich deswegen nicht den Verdacht hegen, es sei nicht nötig, daß dieselbe Realität formal in den Ursachen dieser Ideen sei, sondern es reiche aus, wenn sie in ihnen ebenfalls nur objektiv ist. Denn ebenso, wie dieser objektive Modus des Seins den Ideen von ihrer Natur her entspricht, so entspricht von deren Natur her der formale Modus des Seins den Ursachen dieser Ideen, zumindest den ersten und hauptsächlichen. Und auch wenn vielleicht eine Idee aus einer anderen geboren werden kann, ergibt sich hier gleichwohl kein Fortgang in das Unendliche, sondern man muß letztlich zu irgendeiner ersten Idee gelangen, deren Ursache wie ein Archetyp ist, in dem alle Realität formal enthalten ist, die in der Idee lediglich objektiv ist – so daß mir durch das Natürliche Licht transparent ist, daß die Ideen gleichsam als bestimmte Bilder in mir sind, die zwar leicht hinter der Vollkommenheit der Dinge zurückbleiben, von denen sie entlehnt sind, keinesfalls jedoch irgendetwas Größeres oder Vollkommeneres enthalten.
1
Obj. I : 92, 23–26. 22–25.
2
Obj. V : 288, 11–12 ; 290, 28–291, 1.
3
Obj. I : 93,
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Je länger und sorgfältiger ich nun all dies prüfe, desto klarer und deutlicher erkenne ich, daß es wahr ist. Was aber schließe ich letztendlich daraus ? Nun, wenn die objektive Realität irgendeiner meiner Ideen so groß sein sollte, daß ich sicher sein könnte, daß sie weder formal noch eminent in mir ist, und ich selbst demnach nicht die Ursache dieser Idee sein kann, so würde daraus notwendig folgen, daß ich nicht allein auf der Welt wäre, sondern irgendein anderes Ding, das Ursache dieser Idee ist, ebenfalls existieren würde. Wenn dagegen keine solche Idee in mir angetroffen würde, dann würde ich überhaupt kein Argument besitzen, das mich der Existenz irgendeines von mir verschiedenen Dinges versichern könnte ;1 ich habe nämlich alles äußerst sorgfältig durchgesehen und bislang nichts anderes antreffen können. Abgesehen von der Idee, die mir mich selbst darstellt, und die hier keine Schwierigkeit bereiten kann, gibt es unter meinen Ideen eine, die Gott, und andere, die körperliche und leblose Dinge, wieder andere die Engel, noch andere die Tiere, und schließlich andere, die die mir ähnlichen anderen Menschen repräsentieren. Was die Ideen betrifft, die andere Menschen, Tiere oder Engel darstellen, so sehe ich leicht ein, daß sie selbst dann aus den Ideen zusammengesetzt werden können, die ich von mir selbst, von den körperlichen Dingen und Gott besitze, wenn es außer mir weder irgendwelche Menschen, noch Tiere, noch Engel auf der Welt geben sollte.2 Was die Ideen körperlicher Dinge betrifft, so findet sich in ihnen nichts, das so groß wäre, daß es nicht von mir selbst hervorgebracht worden sein könnte.3 Denn wenn ich genauer in diese Ideen hineinblicke und die einzelnen in derselben Weise prüfe, wie ich gestern die Idee des Wachses geprüft habe, bemerke ich, daß es nur sehr wenig gibt, was ich klar und deutlich in ihnen erfasse : nämlich die Größe, bzw. die Ausdehnung in Länge, Breite und Tiefe ; die Gestalt, die aus der Einschränkung 1
Obj. V : 291, 3–8.
2
Resp. II : 138, 27–139, 4.
3
Obj. V : 291, 17–24.
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dieser Ausdehnung entspringt ; die Lage, die die verschiedenen Gestaltungen zueinander einnehmen ; und die Bewegung, bzw. die Veränderung dieser Lagen ; wozu man noch die Substanz, die (An-)Dauer und die (An-)Zahl hinzufügen kann. Das Übrige aber – wie Licht und Farben, Töne, Gerüche, Geschmäcke, Wärme und Kälte, und die anderen taktilen Qualitäten – wird von mir nur äußerst verworren und dunkel gedacht, so daß mir auch unbekannt ist, ob es wahr oder falsch ist, will sagen : ob die Ideen, die ich von ihnen habe, Ideen irgendwelcher Dinge oder Undinge sind. Obwohl nämlich die Falschheit im eigentlichen Sinne, bzw. die formale Falschheit, nur in Urteilen angetroffen werden kann,1 worauf ich zuvor hingewiesen habe, so liegt gleichwohl sicherlich eine gewisse andere materielle Falschheit in den Ideen,2 wenn sie ein Unding gleichsam als Ding repräsentieren. So sind zum Beispiel die Ideen, die ich von der Wärme und der Kälte habe, so wenig klar und deutlich, daß ich aus ihnen weder lernen kann, ob die Kälte lediglich die Privation der Wärme, oder die Wärme die Privation der Kälte ist, noch ob beide reale Qualitäten sind, oder keine der beiden. Weil nun jede Idee nur darin besteht, Idee eines Dinges zu sein, würde diejenige Idee, die mir die Kälte gewissermaßen als ein reales und bestehendes Etwas repräsentiert, doch nicht zu Unrecht falsch genannt werden, wenn es wahr wäre, daß die Kälte nichts anderes als die Privation der Wärme ist ; und ebenso bei dem Übrigen.3 Es ist wirklich nicht nötig, diesen Ideen irgendeinen von mir verschiedenen Urheber zuzuweisen. Denn wenn sie falsch sind, also kein Ding repräsentieren, dann rühren sie aus dem Nichts her, wie mir durch das Natürliche Licht bekannt ist, das heißt, sie sind allein deshalb in mir, weil meiner Natur irgendetwas fehlt und sie nicht völlig vollkommen ist. Sind sie aber wahr, sehe ich nicht, weshalb sie nicht aus mir selbst sollten stammen können ; denn sie stellen mir so wenig Realität dar, daß ich dieses Wenige kaum vom Unding unterscheiden kann. 1
Obj. IV : 206, 7–8. 3 Obj. IV : 206, 12–15.
2
Obj. IV : 206, 8–9 ; Resp. IV : 231, 18–19.
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Von dem aber, das bei den Ideen der körperlichen Dinge klar und deutlich ist, scheint mir einiges von der Idee meiner selbst entlehnt werden zu können, nämlich Substanz, (An-)Dauer, (An-)Zahl und anderes dergleichen, falls es so etwas geben sollte. Denn wenn ich denke, daß der Stein eine Substanz ist – d. h. daß der Stein ein Ding ist, das fähig ist, durch sich selbst zu existieren –, und ich denke, daß ich selbst eine Substanz bin, dann begreife ich zwar, daß ich ein denkendes und nicht ausgedehntes Ding bin, daß jedoch der Stein ein ausgedehntes und nicht denkendes Ding ist, und daß demnach zwischen beiden Begriffen eine Verschiedenheit besteht ; gleichwohl aber scheinen beide in der Hinsicht übereinzukommen, daß sie Substanzen sind. Ebenso : Wenn ich erfasse, daß ich jetzt bin, und ich mich erinnere, auch vorher eine Zeitlang gewesen zu sein, und wenn ich vielfältige Gedanken habe, deren (An-)Zahl ich einsehe : dann erwerbe ich die Ideen der (An-)Dauer und der (An-)Zahl, die ich sodann auf beliebige andere Dinge übertragen kann. Alles übrige aber, woraus die Ideen der körperlichen Dinge zusammengesetzt sind, nämlich Ausdehnung, Gestalt, Lage und Bewegung,1 ist in mir nicht formal enthalten, weil ich nichts anderes als ein denkendes Ding bin. Weil sie jedoch nur bestimmte Modi einer Substanz sind, ich selbst aber eine Substanz bin, scheinen sie in mir eminent enthalten sein zu können. So bleibt also allein die Idee Gottes übrig, in bezug auf die betrachtet werden muß, ob sie irgendetwas ist, das nicht von mir selbst hervorgebracht worden sein kann. Unter dem Namen Gott verstehe ich eine bestimmte unendliche, unabhängige, höchster Einsicht fähige, allmächtige Substanz, von der sowohl ich selbst, als auch alles andere, was es auch sei, geschaffen ist, falls irgendetwas anderes vorhanden sein sollte. Dies alles ist in der Tat so viel, daß es, je sorgfältiger ich es berücksichtige, desto weniger von mir allein hervorgebracht worden sein zu können
1
Obj. V : 293, 26–27.
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scheint. Und daher muß aus dem zuvor Gesagten geschlossen werden, daß Gott notwendig existiert.1 Denn obwohl zwar die Idee der Substanz allein deshalb in mir ist, weil ich eine Substanz bin, wäre, weil ich endlich bin, die Idee einer unendlichen Substanz deshalb doch noch nicht in mir, wenn sie nicht von irgendeiner Substanz, die tatsächlich unendlich ist, herrühren würde.2 Nun darf ich nicht etwa meinen, ich erfaßte das Unendliche nicht durch eine wahre Idee,3 sondern lediglich durch die Negation des Endlichen, so wie ich die Ruhe und den Schatten durch die Negation der Bewegung und des Lichts erfasse ; denn im Gegenteil sehe ich ganz offenkundig ein, daß in der unendlichen Substanz mehr Realität als in der endlichen ist,4 und daß demnach die Erfassung des Unendlichen gewissermaßen früher in mir ist als die des Endlichen, das heißt : die Erfassung Gottes früher als die meiner selbst. Im Rückgriff auf welchen Erkenntnisgrund nämlich würde ich einsehen, daß ich zweifle, daß ich ein Verlangen habe, das heißt : daß mir irgendetwas fehlt und daß ich nicht völlig vollkommen bin, wäre nicht die Idee eines vollkommeneren Seienden in mir, im Vergleich mit der ich meinen Mangel erkennen würde ?5 Ebensowenig kann man sagen, die Idee Gottes sei vielleicht materiell falsch und daher aus dem Nichts hervorgegangen, so, wie ich es gerade eben bei den Ideen der Wärme und der Kälte bemerkt habe. Denn da sie ganz im Gegenteil ganz klar und deutlich ist und mehr objektive Realität als irgendeine andere enthält, gibt es keine, die aus sich selbst heraus wahrer ist, und die auf einen geringeren Verdacht der Falschheit trifft. Nun sage ich : Diese Idee eines höchst vollkommenen und unendlichen Seienden ist in höchstem Maße wahr. Denn obwohl man vielleicht noch so tun könnte, als ob ein solches Seiendes nicht existiert, kann man doch wohl nicht so tun, als ob mir dessen 1
Obj. II : 123, 7–10 ; Obj. III : 186, 2–10 ; Obj. V : 294, 2–11. 2 Obj. V : 295, 13–15. 3 Obj. V : 295, 28–29. 4 Obj. V : 296, 7–8. 5 Obj. V : 297, 25–29.
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Idee nichts Reales darstellt, so wie ich es zuvor über die Idee der Kälte gesagt habe.1 Diese Idee ist auch äußerst klar und deutlich. Denn in ihr ist alles enthalten, was ich klar und deutlich erfasse, alles, was real und wahr ist, und alles, was ein gewisses Maß an Vollkommenheit enthält. Dem widerspricht auch nicht, daß ich das Unendliche nicht begreife, oder daß unzähliges andere in Gott ist, das ich in keiner Weise verstehen, noch vielleicht mit dem Denken berühren kann, liegt es doch im Wesen des Unendlichen, daß es von mir, der ich endlich bin, nicht verstanden werden kann.2 Aber damit die Idee, die ich von Gott habe, von allen, die in mir sind, die wahrste und die klarste und deutlichste ist, ist es völlig ausreichend, daß ich eben dies einsehe3 – und vielleicht auch unzähliges andere, das mir unbekannt ist – und urteile, alles das sei entweder formal oder eminent in Gott, was ich klar erfasse, und von dem ich weiß, daß es irgendeine Vollkommenheit enthält. Doch möglicherweise bin ich irgendetwas Größeres als ich selbst einsehe, und alle jene Vollkommenheiten, die ich Gott beilege, sind irgendwie der Möglichkeit nach in mir, auch wenn sie sich noch nicht entfaltet haben und nicht zur Aktualität gelangen. Ich erfahre nämlich bereits, daß meine Erkenntnis sich allmählich erweitert ; und weder sehe ich, was dem entgegenstehen sollte, daß sie sich in derselben Weise mehr und mehr bis ins Unendliche vergrößert, noch, weshalb ich nicht mit ihrer Hilfe, bei einer derartig erweiteren Erkenntnis alle übrigen Vollkommenheiten Gottes erlangen sollte ; und zu guter Letzt auch nicht, weshalb, wenn die Möglichkeit zu solchen Vollkommenheiten bereits in mir ist, sie nicht ausreichen sollte, um die Idee dieser Vollkommenheiten zu produzieren. Indessen kann nichts davon sein. Denn erstens : Wenn es wahr ist, daß sich meine Erkenntnis allmählich vergrößert, und vieles der Möglichkeit nach in mir ist, was noch nicht aktuell ist, so betrifft nichts davon die Idee Gottes, in der nämlich überhaupt nichts potentiell ist. Denn gerade dies, daß meine Er1
Resp. I : 114, 20–24.
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Obj. V : 297, 7–9.
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Obj. V : 296, 21–24.
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kenntnis sich allmählich vergrößert, ist das sicherste Argument für ihre Unvollkommenheit.1 Außerdem : Auch wenn sich meine Erkenntnis beständig mehr und mehr vergrößert,2 so sehe ich demungeachtet ein, daß sie deshalb doch niemals aktuell unendlich sein wird,3 weil sie niemals einen Grad erreichen wird, in dem sie etwa keiner weiteren Zunahme fähig wäre. Ich urteile aber so, daß Gott aktuell unendlich ist, so daß zu seiner Vollkommenheit nichts hinzugetan werden kann.4 Und schließlich : Ich erfasse, daß das objektive Sein einer Idee nicht von einem nur potentiellen Sein, das im eigentlichen Sinne gesprochen nichts ist, sondern nur von einem aktuellen bzw. formalen produziert werden kann.5 In all diesem gibt es wirklich nichts, was dem, der es sorgfältig berücksichtigt, durch das Natürliche Licht nicht offenkundig wäre. Weil ich mich aber, sobald ich auch nur etwas weniger aufmerksam bin und die Bilder sinnlicher Dinge die Schärfe des Geistes abstumpfen, nicht so leicht erinnere, weshalb die Idee eines im Vergleich mit mir vollkommeneren Seienden notwendig von einem Seienden herrühren muß, das tatsächlich vollkommener ist, kann auch jetzt noch gefragt werden, ob ich selbst diese Idee besitzen könnte, wenn kein solches Seiendes existierte.6 Nun – wodurch sollte ich sein ? Doch wohl durch mich selbst, durch meine Eltern, oder durch irgendetwas weniger Vollkommenes als Gott ;7 denn man kann nichts vollkommeneres als ihn, ja noch nicht einmal etwas ebenso vollkommenes denken oder konstruieren. Wenn ich nun aber durch mich selbst wäre, würde ich weder zweifeln, noch wünschen, noch würde mir überhaupt irgendetwas fehlen, denn ich hätte mir alle Vollkommenheiten verliehen, von denen auch nur die geringste Idee in mir ist, und
1
Obj. V : 299, 2–7. 2 Obj. V : 298, 27–299, 1. 3 Obj. V : 299, 18–19. 4 Obj. V : 299, 28–300, 1. 5 Obj. V : 300, 5–6. 6 Obj. I : 94, 5–6 ; Resp. I, 106, 2–3. 7 Obj. I : 94, 8–9 ; Obj. IV : 207, 26–208, 1 ; Obj. V : 300, 11–15.
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wäre so Gott selbst.1 Auch darf ich nicht meinen, daß vielleicht das, was mir fehlt, schwerer zu erwerben sei als das, was bereits in mir ist, ist es doch ganz im Gegenteil offenkundig, daß es weitaus schwieriger gewesen wäre, daß ich aus dem Nichts auftauche, als daß ich, der ich ein denkendes Ding, bzw. eine denkende Substanz bin, Erkenntnisse2 über die vielen Dinge erlange, die mir unbekannt sind, Erkenntnisse, die doch nur Akzidenzen dieser Substanz sind. Hätte ich aber jenes Größere durch mich selbst, so hätte ich mir doch sicherlich weder das verweigert, was leichter zu erlangen ist, noch irgendetwas anderes von dem, was ich als in der Idee Gottes enthalten erfasse ; denn das scheint mir nicht schwieriger zu bewerkstelligen zu sein. Wenn es aber schwieriger zu Bewerkstellendes gäbe, würde mir das auch als schwieriger erscheinen, denn weil ich ja das andere, das ich habe, durch mich selbst hätte, würde ich erfahren, daß durch das schwieriger zu Bewerkstellende meine Macht eingeschränkt wird.3 Der Überzeugungskraft dieser Überlegungen entfliehe ich auch nicht, wenn ich voraussetze, ich sei vielleicht immer so gewesen, wie ich jetzt bin – gleichsam als ob daraus folgte, daß nicht nach einem Urheber meiner Existenz gefragt werden müßte.4 Denn weil ja die gesamte Zeit des Lebens in unzählige Teile geteilt werden kann, deren einzelne von den übrigen in keiner Weise abhängen,5 folgt daraus, daß ich kurz zuvor gewesen bin, nicht, daß ich jetzt sein muß,6 es sei denn, irgendeine Ursache erschafft mich gewissermaßen in diesem Moment erneut,7 will sagen : erhält mich. Es ist nämlich für jeden transparent, der die Natur der Zeit sorgfältig berücksichtigt, daß dieselbe Kraft und Aktion nötig ist, um ein beliebiges Ding in den einzelnen Momenten zu erhalten, während derer es andauert, die auch nötig wäre, um dasselbe Ding erneut zu erschaffen, wenn es noch nicht existierte ; und demnach gehört es zu dem, was durch das 1
Obj. I : 94, 9–13 ; Obj. IV : 208, 2–4 ; Resp. IV : 240, 27–29. Erkenntnisse] 1. Auflage Gedanken 3 Obj. V : 300, 15. 4 Obj. V : 300, 16–22. 5 Obj. V : 301, 5–6. 6 Obj. V : 301, 17–18. 7 Obj. IV : 209, 4–6. 2
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Natürliche Licht offenkundig ist, daß sich die Erhaltung allein in der Vernunft von der Erschaffung unterscheidet.1 Demnach muß ich nun mich selbst befragen, ob ich über irgendeine Kraft verfüge, durch die ich bewirken könnte, daß jenes Ich, das ich jetzt bin, auch eine Weile später noch sein werde. Denn da ich nichts anderes bin als ein denkendes Ding, oder da ich zumindest jetzt genau nur denjenigen Teil von mir thematisiere, der ein denkendes Ding ist, wäre ich mir einer solchen Kraft zweifelsohne bewußt, wenn sie in mir wäre.2 Da ich nun aber keine erfahre, erkenne ich daraus äußerst evident, daß ich von einem von mir verschieden Seienden abhänge.3 Vielleicht aber ist dieses Seiende nicht Gott, und ich bin entweder von den Eltern4 produziert oder von einer beliebigen anderen Ursache, die weniger vollkommen als Gott ist. Wie ich indessen vorher bereits gesagt habe, ist es transparent, daß zumindest ebensoviel in der Ursache sein muß, wie in der Wirkung ist.5 Da ich ein denkendes Ding bin, das eine bestimmte Idee Gottes in sich hat,6 muß eingeräumt werden, daß demnach das, was auch immer es letztlich ist, dem man meine Ursache zuweist, ebenfalls ein denkendes Ding ist und die Idee aller Vollkommenheiten besitzt, die ich Gott beilege. In bezug auf diese Ursache kann nun wiederum gefragt werden, ob sie durch sich selbst ist oder durch etwas anderes. Denn wenn sie durch sich selbst ist, so ergibt sich aus dem zuvor Gesagten, daß sie selbst Gott ist, weil sie nämlich, da sie ja die Kraft hat, durch sich selbst zu existieren, zweifelsohne auch die Kraft hat, aktuell alle Vollkommenheiten zu besitzen, deren Idee sie in sich hat, will sagen : alles, von dem ich begreife, daß es in Gott ist. Wenn sie aber durch etwas anderes ist, so fragt es sich auf dieselbe Weise erneut in bezug auf dieses andere, ob es durch sich selbst ist, oder durch etwas anderes – bis man letztendlich zu einer letzten Ursache gelangt, die Gott sein wird.7 1
Obj. IV : 210, 21–22 ; Obj. V : 301, 23–24. 2 Obj. IV : 214, 16–17 ; Resp. IV : 232, 5–6 ; 246, 10–11 ; Obj. V : 301, 26–28. 3 Obj. V : 302, 6–7. 4 Obj. V : 302, 9–10. 5 Obj. V : 302, 16–18. 6 Obj. V : 302, 12–13. 7 Obj. I : 94, 13–15.
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Denn es ist ganz offenbar, daß es hierbei keinen Fortgang in das Unendliche geben kann,1 insbesondere weil ich hier nicht nur die Ursache thematisiere, die mich einst produziert hat, sondern mehr noch die, die mich in der Gegenwart erhält. Auch kann man nicht so tun, als hätten vielleicht mehrere Teilursachen zusammengewirkt, um mich zu bewirken, und ich hätte von der einen Teilursache die Idee der einen, von einer anderen aber die Idee einer der anderen Vollkommenheiten erhalten, die ich Gott beilege, so daß zwar alle Vollkommenheiten irgendwo im Universum angetroffen würden, aber nicht alle miteinander verbunden in irgendeinem Einen, das Gott ist.2 Denn im Gegenteil ist Einheit, Einfachheit, bzw. Unabtrennbarkeit alles dessen, was in Gott ist, eine der hauptsächlichsten Vollkommenheiten, von denen ich einsehe, daß sie in Gott sind.3 Sicherlich aber konnte die Idee der Einheit aller seiner Vollkommenheiten nicht durch eine Ursache in mich gelegt werden, durch die ich nicht auch die Ideen der anderen Vollkommenheiten erhalten hätte ; denn diese Ursache hätte wohl kaum bewirken können, daß ich diese Vollkommenheiten als miteinander verbunden und unabtrennbar eingesehen hätte, ohne daß sie zugleich auch bewirkt hätte, daß ich erkannt hätte, was die anderen Vollkommenheiten sind. Was schließlich die Eltern anbelangt, so mag ja alles wahr sein, was ich jemals über sie gemeint habe, gleichwohl erhalten sie mich doch nicht eigentlich, und haben mich auch in keiner Weise bewirkt, insofern ich ein denkendes Ding bin, sondern sie haben nur gewisse Anlagen in diejenige Materie hineingelegt, von der ich geurteilt habe, daß ich in ihr sei, das heißt : der Geist, den allein ich jetzt als Ich akzeptiere. Demnach kann es hier keine Schwierigkeit geben. Insgesamt ist also zu schließen, daß allein daraus, daß ich existiere und die bestimmte Idee eines äußerst vollkommenen Seienden, will sagen : die Idee Got-
1
Obj. V : 302, 18–22 ; 303, 8–9. 16.
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Obj. V : 303, 11–15.
3
Obj. V : 304,
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tes, in mir ist, sich ganz evident beweisen läßt, daß auch Gott existiert.1 Es steht nun noch aus, zu prüfen, auf welchem Weg ich von Gott diese Idee erhalten habe. Ich habe sie nicht aus den Sinnen geschöpft ; niemals ist sie mir unerwartet erschienen, wie es die Ideen der sinnlichen Dinge zu tun pflegen, wenn solche Dinge sich den äußerem Sinnesorganen darbieten oder darzubieten scheinen. Ich habe sie auch nicht selbst ausgebildet, denn ich kann überhaupt nichts von ihr abziehen und ihr nichts hinzutun.2 Demnach bleibt nur übrig, daß sie mir angeboren ist, so wie mir auch die Idee meiner selbst angeboren ist.3 Außerdem ist es überhaupt nicht verwunderlich, daß Gott, als er mich schuf, mir diese Idee eingegeben hat, gleichsam als ein seinem Werk aufgedrucktes Kennzeichen des Technikers.4 Auch ist es nicht nötig, daß dieses Kennzeichen irgendein von dem Werk selbst verschiedenes Ding sei. Sondern es ist allein deshalb, weil Gott mich geschaffen hat, äußerst glaubhaft, daß ich gewissermaßen nach seinem Bild und als sein Abbild gemacht bin, und daß dieses Abbild, in dem die Idee Gottes enthalten ist, von mir durch dasselbe Vermögen erfaßt wird, durch das ich mich selbst erfassen kann. Solange ich also die Schärfe des Geistes auf mich selbst ausrichte, sehe ich nicht nur ein, daß ich ein unvollständiges und von einem anderen abhängiges Ding bin, und zwar ein Ding, das unbegrenzt zu immer Größerem und noch Größerem, bzw. Besseren zu gelangen versucht ; sondern ich sehe zugleich auch ein, daß der, von dem ich abhänge, alles dies Größere nicht nur unbegrenzt und der Möglichkeit nach, sondern tatsächlich unendlich in sich hat, und demnach Gott ist.5 Die gesamte Überzeugungskraft des Arguments besteht in Folgendem :6 Ich erkenne, daß ich unmöglich als die Natur existieren könnte, die ich bin – nämlich als jemand, der die Idee Gottes in sich trägt –, wenn Gott nicht auch tatsäch1
Obj. V : 304, 23–25. 2 Resp. V : 371, 8–9. Obj. III : 183, 4–12 ; Obj. V : 304, 29–305, 3. 5 Obj. V : 305, 17–306, 1 ; Resp. V : 373, 21–25.
3
Resp. II : 133, 20–21 ; Resp. II : 137, 18–19. 6 Resp. II : 133, 24–26. 4
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lich existierte, Gott, sage ich, eben derselbe, dessen Idee in mir ist1 – will sagen : der alle jene Vollkommenheiten besitzt, die ich selbst nicht verstehen, sondern nur irgendwie mit dem Denken berühren kann –, und der durch keinerlei Mängel verdunkelt ist. Damit liegt auch zutage, daß Gott kein Schwindler sein kann ; denn daß aller Schwindel und Betrug von irgendeinem Mangel abhängt, ist durch das Natürliche Licht offenkundig. Aber bevor ich dies eingehender prüfe, und zugleich die anderen Wahrheiten erforsche, die daraus gezogen werden können, ist es angebracht, an dieser Stelle eine Zeitlang in der Kontemplation Gottes selbst zu verweilen, seine Attribute bei mir zu erwägen, und die Schönheit seines unermeßlichen Lichtes zu erblicken, zu bewundern und zu verehren, so weit die Schärfe meiner vernebelten Geisteskraft es erlaubt. Denn so, wie wir aus dem Glauben heraus glauben, daß allein in der Kontemplation der göttlichen Majestät das höchste Glück des jenseitigen Lebens besteht, ebenso erfahren wir schon jetzt, daß aus derselben Kontemplation, sei sie auch sehr viel weniger vollkommen, die größte Lust gewonnen werden kann, derer wir in diesem Leben fähig sind.
1
Obj. III : 189, 6–10.
52,10
V IE RT E MED ITATION
Über das Wahre und Falsche.
Ich habe mich in diesen Tagen so daran gewöhnt, den Geist den Sinnen zu entziehen, und habe so eindringlich bemerkt, wie überaus wenig von den körperlichen Dingen wahr erfaßt, wie viel mehr jedoch vom menschlichen Geist, und sogar noch viel mehr von Gott erkannt wird, daß ich das Denken jetzt ohne irgendeine Schwierigkeit von den in der Anschauung vorstellbaren zu den nur mit dem Verstand einsehbaren und von aller Materie getrennten Dingen hinlenken kann. Und tatsächlich besitze ich eine viel deutlichere Idee des menschlichen Geistes, insofern er ein denkendes Ding und weder in Länge, Breite und Tiefe ausgedehnt ist, noch sonst irgendetwas vom Körper an sich hat, als eine Idee irgendeines körperlichen Dinges. Wenn ich jedoch berücksichtige, daß ich zweifle, also ein unvollständiges und abhängiges Ding bin, bietet sich mir eine so klare und deutliche Idee eines unabhängigen und vollständigen Seienden, will sagen : Gottes, daß ich allein aus der Tatsache, daß eine solche Idee in mir ist, bzw. ich als ein diese Idee besitzendes Ich existiere, so offenkundig schließe, daß auch Gott existiert und meine gesamte Existenz in jedem einzelnen Moment von ihm abhängt, daß ich mich ganz darauf verlasse, von der menschlichen Geisteskraft könne nichts evidenter, nichts sicherer erkannt werden. Und ich scheine bereits einen Weg zu sehen, auf dem man von dieser Kontemplation des wahren Gottes, in dem nämlich alle Schätze der Wissenschaften und der Weisheit verborgen sind, zur Erkenntnis der übrigen Dinge gelangen kann. Erstens nämlich erkenne ich es als unmöglich, daß Gott mich jemals täuscht.1 In aller Täuschung oder Betrug wird nämlich irgendeine Unvollkommenheit angetroffen, und obwohl täu1
Obj. V : 308, 1.
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schen zu können ein Argument für Scharfsinn oder Macht zu sein scheint, bezeugt täuschen zu wollen zweifelsohne entweder Schlechtigkeit oder Schwäche, und kann demnach in Gott nicht stattfinden. Außerdem erfahre ich, daß es in mir ein gewisses Urteilsvermögen gibt, das ich sicherlich von Gott erhalten habe, wie alles übrige auch, das in mir ist ; und da er mich nicht täuschen will, hat er es mir demnach als ein solches gegeben, daß ich mich niemals irren kann, solange ich es richtig verwende. Über diesen Sachverhalt bestände nicht der geringste Zweifel, wenn daraus nicht zu folgen schiene, daß ich mich demnach niemals irren kann ; denn wenn ich alles, was in mir ist, von Gott habe, und er mir keinerlei Vermögen zu irren gegeben hat, scheine ich niemals irren zu können. Dementsprechend entdecke ich auch keine Ursache des Irrtums oder der Falschheit, solange ich nur an Gott denke und ich mich völlig ihm zuwende. Sobald ich mich aber wieder mir selbst zuwende, erfahre ich, daß ich dennoch unzähliger Irrtümer ausgesetzt bin ; und wenn ich deren Ursache erforsche, bemerke ich, daß mir nicht nur die reale und positive Idee Gottes, also die Idee eines allervollkommensten Seienden, vorschwebt, sondern auch die, um es einmal so auszudrücken, gewissermaßen negative Idee des Nichts, also die Idee dessen, was von aller Vollkommenheit am weitesten entfernt ist. Ich erfahre also, daß ich gleichsam als ein mittleres Etwas so zwischen Gott und das Nichts, bzw. zwischen das höchste Seiende und das Nicht-Seiende gesetzt bin,1 daß zwar, insofern ich vom höchsten Seienden geschaffen bin, nichts in mir ist, durch das ich getäuscht oder zum Irrtum verleitet werden könnte, es aber nicht besonders verwunderlich ist, daß ich mich täusche, insofern ich gewissermaßen auch am Nichts, bzw. am Nicht-Seienden teilhabe, will sagen : insofern ich nicht selbst ein höchstes Seiendes bin, und mir außerordentlich viel mangelt.2 Und so sehe ich sicher ein, daß der Irrtum, insofern er ein Irrtum ist, kein reales Etwas ist, das von Gott abhinge, sondern 1
Obj. V : 308, 3–5.
2
Resp. V : 374, 10–14.
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nur ein Mangel. Demnach benötige ich zum Irren kein zu diesem Zweck von Gott beigelegtes Vermögen,1 sondern weil das von ihm erhaltene Vermögen, das Wahre zu beurteilen, in mir nicht unendlich ist, passiert es, daß ich mich irre. Indessen ist dies noch nicht völlig überzeugend. Der Irrtum ist nämlich keine reine Negation, sondern eine Privation, bzw. die Unverfügbarkeit einer Erkenntnis, die in irgendeiner Weise in mir sein müßte ; wenn man außerdem die Natur Gottes berücksichtigt, dann scheint es unmöglich zu sein, daß er irgendein Vermögen in mich hineingelegt hat, das nicht in seiner Art vollkommen wäre, bzw. das irgendeiner unabdingbaren Vollkommenheit beraubt wäre. Denn wenn ein Techniker um so vollkommenere Werke hervorbringt, je erfahrener er ist : was könnte von jenem höchsten Begründer aller Dinge stammen, das nicht in jeder Hinsicht vollendet wäre ? Und es besteht kein Zweifel, daß Gott mich so hätte erschaffen können, daß ich mich niemals täuschen würde ; und es besteht auch kein Zweifel, daß er stets das will, was das beste ist : Ist es demnach etwa besser, daß ich mich täusche, als daß ich mich nicht täusche ? Wenn ich dies aufmerksamer abwäge, findet sich erstens, daß es nicht verwunderlich ist, wenn durch Gott etwas geschieht, dessen Gründe ich nicht einsehe,2 und daß ich nicht deshalb an seiner Existenz zweifeln darf, weil ich vielleicht erfahre, daß es noch manches andere gibt, von dem ich nicht verstehe, weshalb oder auf welche Weise es von ihm gemacht worden ist. Denn ich weiß ja bereits, daß meine Natur sehr unzulänglich und begrenzt ist, die Natur Gottes hingegen unermeßlich, unergründlich, unendlich, und deshalb weiß ich auch bereits, daß er Unzähliges vermag, dessen Ursachen mir unbekannt sind. Ich bin aus diesem einen Grund der Ansicht, daß die gesamte Gattung der Ursachen, die aus dem Zweck entnommen werden, in der Physik unbrauchbar ist.3 Denn es gehört ein gewisser
1
Obj. III : 190, 2–5.
2
Obj. V : 308, 15–16.
3
Obj. V : 308, 25–26.
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Übermut dazu, zu meinen, die Zwecke Gottes untersuchen zu können.1 Es findet sich auch, daß immer dann, wenn wir erforschen, ob die Werke Gottes vollkommen sind, nicht irgendein einzelnes Geschöpf abgetrennt von den anderen, sondern die Gesamtheit der Dinge insgesamt betrachtet werden muß ; was nämlich vielleicht nicht ganz zu unrecht als sehr unvollkommen erscheinen würde, wenn es allein wäre, ist ganz vollkommen, insofern es in der Welt nur die Funktion eines Teiles hat.2 Obwohl ich nun deshalb, weil ich alles bezweifeln wollte, bis jetzt nichts als sicher erkannt habe, außer daß ich und Gott existieren, kann ich gleichwohl deshalb, weil ich die unermeßliche Macht Gottes bemerkt habe, nicht bestreiten, daß vieles andere von ihm erzeugt worden ist, oder zumindest erzeugt werden kann, so daß ich selbst die Funktion eines Teiles innerhalb der Gesamtheit der Dinge innehabe. Außerdem : Wenn ich mich näher mit mir befasse und untersuche, wie meine Irrtümer beschaffen sind (die eine Unvollkommenheit offenbaren, die allein in mir liegt), dann stelle ich fest, daß sie von zwei gleichzeitig zusammenwirkenden Ursachen abhängen, nämlich vom Erkenntnisvermögen, das in mir ist, und von dem Vermögen zu wählen,3 bzw. von der Freiheit der Willkür,4 will sagen : vom Verstand und zugleich vom Willen. Denn durch den bloßen Verstand erfasse ich nur die Ideen, über die ich ein Urteil fällen kann, und in ihm genau so aufgefaßt werden keinerlei Irrtümer im eigentlichen Sinne angetroffen. Auch wenn nämlich vielleicht unzählige Dinge existieren mögen, von denen keine Ideen in mir sind, darf ich gleichwohl nicht sagen, ich sei ihrer im eigentlichen Sinne beraubt, sondern nur negativ, ich sei ihrer ledig, weil ich nämlich keine Begründung beibringen kann, durch die ich nachweisen könnte, daß Gott mir ein größeres Erkenntnisvermögen hätte verleihen müssen, als er mir verliehen hat. Und obwohl ich einsehe, daß er ein unglaublich 1
Obj. V : 310, 2. 2 Obj. V : 310, 29–311, 1. 3 Fähigkeit, zu wählen] 1. Auflage Fähigkeit, einzusehen 4 Obj. III : 190, 15–18.
63
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erfahrener Techniker ist, so meine ich deswegen doch nicht, daß er in jedes einzelne seiner Werke alle Vollkommenheiten hätte hineinlegen müssen, die er in einige hineinlegen kann.1 Auch kann ich mich nicht beklagen, daß ich von Gott keinen ausreichend umfassenden und vollkommenen Willen, bzw. eine etwa nur eingeschränkte Freiheit der Willkür erhalten hätte, erfahre ich doch, daß diese Freiheit, bzw. der Wille durch überhaupt keine Grenzen eingeschränkt wird.2 Worauf aber, wie mir scheint, nachdrücklich hingewiesen werden muß, ist die Tatsache, daß nur der Wille in mir so vollkommen ist und ein solches Ausmaß besitzt. Es gibt nichts anderes in mir, von dem ich nicht einsähe, daß es noch vollkommener bzw. größer sein könnte. Denn betrachte ich zum Beispiel das Einsichtsvermögen, so erkenne ich sofort, daß es in mir äußerst gering und nur endlich ist, und zugleich bilde ich die Idee eines anderen, viel größeren, ja sogar eines größten und unendlichen,3 und erfasse allein dadurch, daß ich die Idee dieses Vermögens bilden kann, daß diese Idee der Natur Gottes zukommt. Wenn ich nun auf demselben Weg das Erinnerungsvermögen oder das Vorstellungsvermögen oder irgendein beliebiges anderes Vermögen prüfe, so finde ich schlicht keines vor, von dem ich nicht einsähe, daß es in mir schwach und eingeschränkt, in Gott aber unermeßlich ist. Es ist allein der Wille, bzw. die Freiheit der Willkür, die ich in mir als so groß erfahre, daß ich die Idee keines größeren Dinges auffassen kann – so daß es in erster Linie diese Idee ist, im Hinblick worauf ich mich gewissermaßen als Bild und Abbild Gottes verstehe. Denn obwohl dieses Vermögen in Gott unvergleichlich größer als in mir ist, sowohl im Hinblick auf die Erkenntnis und die Macht, die mit ihm verbunden sind und es sehr fest und wirksam machen, als auch im Hinblick auf das Objekt, weil es sich ja auf vieles erstreckt, scheint es gleichwohl in sich formal und genau betrachtet nicht größer zu sein.4 Denn es besteht ja lediglich darin, daß wir dasselbe tun oder lassen können (will 1
Obj. 312, 13–18. 315, 11–13.
2
Obj. VI : 416, 24 ff.
3
Obj. V : 315, 6–8.
4
Obj. V :
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58,14
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sagen : es behaupten oder bestreiten, es anstreben oder vermeiden können), oder vielmehr : es besteht lediglich darin, daß wir uns zu dem, was uns vom Verstand vorgelegt wird, um es zu behaupten oder zu bestreiten, bzw. anzustreben oder zu vermeiden, so verhalten können, daß wir empfinden, keine äußere Kraft bestimme uns zur Entscheidung. Um frei zu sein, ist es nämlich nicht nötig, daß ich mich nach beiden Seiten hin tatsächlich gleich verhalten kann, sondern im Gegenteil : Je mehr ich zu der einen Seite neige – entweder weil ich auf dieser Seite den Grund des Wahren und Guten evident einsehe, oder weil Gott mein innerstes Denken so angelegt hat – desto freier wähle ich sie. Und tatsächlich vermindern weder die göttliche Gnade noch die natürliche Erkenntnis jemals die Freiheit, sondern vergrößern und kräftigen sie vielmehr.1 Jene Indifferenz aber, die ich erfahre, wenn kein Grund mich mehr zu der einen Seite als zu der anderen drängt, ist der niedrigste Grad der Freiheit, und in ihr bezeugt sich keine Vollkommenheit, sondern lediglich ein Mangel an Erkenntnis, bzw. eine bestimmte Negation. Wenn ich nämlich immer klar sähe, was das Wahre und das Gute ist, müßte ich niemals über das, was zu beurteilen oder zu wählen wäre, einen Entschluß fassen, und könnte so niemals indifferent, obwohl doch völlig frei sein. Aufgrund dessen erfasse ich, daß weder die Kraft, zu wollen, die ich von Gott habe, für sich genommen die Ursache meiner Irrtümer ist, denn sie ist äußerst umfassend und in ihrer Art vollkommen, noch die Kraft, einzusehen ; denn alles, was ich einsehe, sehe ich zweifelsohne richtig ein, da ich es ja von Gott habe, daß ich einsehe, und es insofern unmöglich ist, daß ich mich täusche. Woraus also werden meine Irrtümer geboren ?2 Nun – allein daraus, daß ich, weil der Wille weiter auslangt als der Verstand, ihn nicht in denselben Grenzen halte, sondern auch auf das ausweite, was ich nicht einsehe ;3 da er diesbezüglich indifferent ist, weicht er leicht vom Wahren und Guten ab, und so täusche ich mich und gehe fehl. 1
Resp. II : 149, 1–2.
2
Obj. V : 314, 13–14.
3
Obj. V : 315, 18–20.
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Als ich1 zum Beispiel in diesen Tagen prüfte, ob irgendetwas in der Welt existierte, und feststellte, daß allein daraus, daß ich dies prüfe, evident folge, daß ich existiere, konnte ich gar nicht umhin, zu urteilen, daß das, was ich so klar einsah, wahr sei ; und zwar nicht, weil ich von irgendeiner äußeren Kraft dazu getrieben worden war, sondern weil sich aus dem großen Licht im Verstand eine starke Neigung im Willen ergeben hat, habe ich dies von selbst und frei um so mehr geglaubt, je weniger indifferent ich in bezug darauf gewesen bin.2 Jetzt aber weiß ich nicht nur, daß ich existiere, insofern ich ein gewisses denkendes Ding bin, sondern ich sehe mich auch der Idee einer gewissen körperlichen Natur gegenüber, und so passiert es, daß ich zweifle, ob die denkende Natur, die in mir ist, oder vielmehr : die ich selbst bin, eine von dieser körperlichen Natur verschiedene ist, oder ob beide ein und dasselbe sind. Setze ich nun voraus, daß sich bislang meinem Verstand keine Begründung dargeboten hat, die mich mehr von dem einen als von dem anderen überzeugt hätte,3 so bin ich sicherlich schon allein deswegen indifferent, das eine oder das andere zu behaupten oder zu bestreiten, oder auch nichts über diese Sache zu urteilen. Diese Indifferenz erstreckt sich ja sogar über das hinaus, von dem der Verstand schlicht überhaupt nichts erkennt, allgemein auch auf alles, was von ihm zu derselben Zeit, zu der der Wille darüber einen Entschluß faßt, nicht hinreichend transparent erkannt wird. Denn auch wenn beliebig glaubhafte Vermutungen mich auf die eine Seite ziehen, so reicht doch allein die Erkenntnis aus, daß es lediglich Vermutungen, nicht aber sichere und unbezweifelbare Überlegungen sind, um meine Zustimmung zum Gegenteil zu drängen.4 Das habe ich in diesen Tagen zur Genüge erfahren, als ich alles das, was ich zuvor als äußerst wahr geglaubt hatte,5 allein deshalb als schlicht falsch vorausgesetzt habe, weil ich entdeckt hatte, daß es in irgendeiner Weise bezweifelt werden könne. 1
Obj. V : 316, 1 ff. 2 Obj. III : 191, 16–24. 316, 15–19. 5 Obj. V : 316, 26–317, 1.
3
Obj. V : 316, 8–9.
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Obj. V :
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Wenn ich aber nicht ausreichend klar und deutlich erfasse, was das Wahre ist, ist es klar, daß ich richtig handele und mich nicht täusche, wenn ich nur davon absehe, ein Urteil zu fällen. Behaupte oder bestreite ich aber, dann verwende ich die Freiheit der Willkür nicht richtig, und ich täusche mich völlig, wenn ich mich auf die Seite dessen schlage, was falsch ist ; vertrete ich indes die andere, treffe ich zwar durch Zufall die Wahrheit, werde deshalb aber noch nicht der Verantwortung dafür entbunden sein : Denn es ist durch das Natürliche Licht offenkundig, daß stets die Erfassung des Verstandes der Bestimmung des Willens vorhergehen muß. In dieser nicht richtigen Ausübung der freien Willkür ist jene Privation enthalten, die die Form des Irrtums ausmacht.1 Ich behaupte : diese Privation liegt in der Operation selbst, insofern sie von mir selbst herrührt, jedoch weder in dem Vermögen, das ich von Gott erhalten habe, noch in der Operation, insofern sie von Gott abhängt.2 Ich habe nämlich keine Ursache, mich zu beklagen, daß Gott mir keine größere Kraft, einzusehen, bzw. kein größeres Natürliches Licht gegeben hat als er es getan hat. Denn es liegt in der Beschaffenheit des endlichen Verstandes, daß er vieles nicht einsieht, und in der Beschaffenheit des geschaffenen Verstandes, daß er endlich ist. Statt dessen sollte ich ihm, der mir niemals irgendetwas schuldig geblieben ist, für das danken, was mir geschenkt wurde,3 und nicht vermeinen, er habe mich dessen beraubt, bzw. mir weggenommen, was er mir nicht gegeben hat. Ich habe auch keine Ursache, mich zu beklagen, daß er mir einen Willen gegeben hat, der weiter reicht als der Verstand. Da der Wille nämlich nur in einem einzigen Ding, und gewissermaßen im Unteilbaren besteht, scheint seine Natur es nicht zu erlauben, daß irgendetwas von ihm weggenommen werden könnte. Und wirklich schulde ich seinem Spender um so größeren Dank, je umfassender der Wille ist. Zu guter Letzt darf ich mich auch nicht beklagen, daß Gott 1
Obj. III : 192, 14–15 ; Obj. V : 317, 6–7. 313, 10–12.
2
Obj. V : 313, 4–7.
3
Obj. V :
67
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mit mir zusammenwirkt, um jene Akte des Willens zu entwickeln, bzw. bei jenen Urteilen, in denen ich mich täusche : diese Akte sind nämlich insgesamt wahr und gut, insofern sie von Gott abhängen, und es ist dadurch in mir gewissermaßen eine größere Vollkommenheit, daß ich sie entwickeln kann, als wenn ich es nicht könnte. Die Privation aber, in der allein der formale Grund der Falschheit und der Verantwortung besteht, bedarf keiner Unterstützung Gottes, weil sie kein Ding ist, und deshalb darf man sie auf Gott als Ursache bezogen auch nicht als Privation, sondern lediglich als Negation bezeichnen.1 Denn tatsächlich ist es keine Unvollkommenheit in Gott, daß er mir die Freiheit gegeben hat, Dingen zuzustimmen oder nicht zuzustimmen, deren klare und deutliche Erfassung er meinem Verstand versagt hat, sondern es ist zweifelsohne eine Unvollkommenheit in mir, daß ich diese Freiheit nicht gut verwende, und über das ein Urteil fälle, das ich nicht richtig einsehe. Gleichwohl sehe ich, daß es Gott leicht möglich gewesen wäre, zu bewirken, daß ich mich niemals irrte, auch wenn ich frei und von endlicher Erkenntnis bliebe : nämlich indem er entweder meinem Verstand eine klare und deutliche Erfassung alles dessen verliehen hätte, worüber ich jemals einen Entschluß zu fassen hätte, oder einfach indem er meinem Gedächtnis so fest, daß ich es niemals vergessen könnte, eingeprägt hätte, niemals über irgendein Ding zu urteilen, das ich nicht klar und deutlich einsähe. Leicht sehe ich ein, daß ich, wenn ich als ein solcher von Gott erzeugt worden wäre, im Hinblick auf mich als Ganzes vollkommener geworden wäre als ich jetzt bin ; aber deswegen kann ich doch nicht bestreiten, daß in gewisser Hinsicht dadurch eine größere Vollkommenheit in der Gesamtheit der Dinge insgesamt liegt, weil bestimmte Teile von ihr gegen Irrtümer nicht gefeit sind, andere aber sehr wohl, als wenn alle völlig gleich wären.2 Kein Recht aber habe ich, mich zu beklagen, daß Gott mir in der Welt eine Rolle zuzuweisen gewillt war, die weder die vorzüglichste noch die vollkommenste von allen ist.3 1
Obj. V : 313, 15–21.
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Obj. V : 311, 11–14.
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Obj. V : 312, 3–5.
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62,8
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Außerdem : Auch wenn ich mich nicht in der Weise vor Irrtümern bewahren kann, die von der evidenten Erfassung alles dessen abhängt, worüber ein Entschluß gefaßt werden muß, so kann ich es gleichwohl in der anderen, allein davon abhängenden Weise, indem ich mich erinnere, daß man sich eines Urteils enthalten muß, solange die Wahrheit eines Dinges nicht offen zutage liegt.1 Denn obwohl ich die Unzulänglichkeit in mir erfahre, mich nicht unausgesetzt auf ein und dieselbe Erkenntnis konzentrieren zu können, so kann ich doch durch aufmerksame und oft wiederholte Meditation bewirken, daß ich mich dessen erinnere, sobald es erfordlich ist, und kann auf diese Weise so etwas wie eine Gesinnung erwerben, mich nicht zu irren. Da in dieser Sache die größte und vorzüglichste Vollkommenheit des Menschen besteht, bin ich der Ansicht, dadurch nicht wenig gewonnen zu haben, daß ich in der heutigen Meditation die Ursache des Irrtums und der Falschheit untersucht habe. Und tatsächlich kann es keine Ursache geben, die verschieden von der wäre, die ich erklärt habe. Denn solange ich den Willen beim Fällen der Urteile so im Zaum halte, daß er sich nur auf das erstreckt, was ihm vom Verstand klar und deutlich dargestellt wird, ist es unmöglich, daß ich mich irre. Denn jede klare und deutliche Erfassung ist zweifelsohne etwas, und kann demnach nicht aus dem Nichts entstanden sein, sondern hat notwendig Gott zum Urheber – jener höchst vollkommene Gott, sage ich, dem es widerspricht, ein Schwindler zu sein –, und ist daher zweifelsohne wahr. Heute habe ich nicht nur gelernt, was ich vermeiden muß, damit ich mich niemals täusche, sondern zugleich auch, was ich tun muß, damit ich die Wahrheit erlange. Denn ich werde tatsächlich die Wahrheit erlangen, wenn ich nur das, was ich vollkommen einsehe, genügend berücksichtige und es von allem übrigen trenne, das ich verworrener und dunkler auffasse.2 Genau um diese Sache werde ich mich künftig bemühen.
1
Obj. V : 312, 25–28.
2
Obj. V : 317, 25–29.
F Ü N F TE M EDITATION
Über das Wesen der materiellen Dinge ; und erneut über Gott, daß er existiert.
Mir bleiben noch viele Attribute Gottes übrig, vieles gilt es noch in bezug auf die Natur meiner selbst, bzw. meines Geistes zu untersuchen, aber das will ich vielleicht ein anderes Mal wieder aufnehmen. Jetzt aber (nachdem ich bemerkt habe, was vermieden und getan werden muß, um die Wahrheit zu erlangen) scheint mir nichts vordringlicher zu sein, als zu versuchen, mich aus den Zweifeln wieder herauszuarbeiten, in die ich in den vorangegangenen Tagen hineingeraten bin, und nachzusehen, ob sich in bezug auf die materiellen Dinge irgendetwas Sicheres gewinnen läßt. Bevor ich nun erforsche, ob irgendwelche solchen Dinge außerhalb von mir existieren, muß ich ihre Ideen betrachten, insofern sie in meinem Denken sind, und nachsehen, welche von ihnen deutlich und welche verworren sind. Nun – deutlich stelle ich mir vor : die Quantität, die die Philosophen gemeinhin kontinuierlich nennen, bzw. die Ausdehnung dieser Quantität, oder vielmehr : die Ausdehnung des so und so großen Dinges in Länge, Breite und Tiefe. In dieser Ausdehnung zähle ich vielfältige Teile, und ich weise jedem dieser Teile Größen, Gestalten, Lagen und örtliche Bewegungen, und diesen Bewegungen bestimmte (An-)Dauern zu.1 Diese Dinge sind mir aber nicht nur so im allgemeinen betrachtet völlig bekannt und durchschaut, sondern wenn ich sie berücksichtige, erfasse ich darüber hinaus auch unzählige Besonderheiten über die Gestalten, über die (An-)Zahl, über die Bewegung und dergleichen, deren Wahrheit derartig offenkundig ist und meiner Natur entspricht, daß ich, während ich sie das erste Mal aufdecke, weniger etwas Neues hinzuzulernen als 1
Obj. V : 318, 17–19.
63,4
63,12
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fü n f t e m ed itati o n
mich vielmehr dessen zu besinnen scheine, was ich zuvor bereits wußte, bzw. zum ersten Mal etwas zu beachten scheine, was zwar schon längst in mir war, freilich ohne daß ich vorher den Blick des Geistes auf es gerichtet hätte. Was hierbei meiner Meinung nach vor allem betrachtet werden muß, ist Folgendes : Ich finde in mir unzählige Ideen irgendwelcher Dinge vor, von denen auch dann nicht gesagt werden kann, daß sie nichts sind, wenn sie außerhalb von mir vielleicht nirgends existieren. Und obwohl ich sie gewissermaßen nach Willkür denke, bilde ich sie gleichwohl nicht ein, sondern sie haben ihre wahren und unveränderlichen Naturen. Wenn ich mir zum Beispiel ein Dreieck vorstelle, so ist seine Natur, bzw. sein Wesen oder auch seine Form sicherlich eine ganz bestimmte, unveränderliche und ewige,1 die weder von mir selbst ausgebildet ist, noch von meinem Geist abhängt, auch wenn vielleicht eine solche Figur nirgendwo außerhalb meines Denkens existiert, und auch niemals existiert hat. Dies wird daran offenkundig, daß vielfältige Eigenschaften dieses Dreiecks bewiesen werden können :2 Seine drei Winkel sind zwei rechten Winkeln gleich, seinem größten Winkel liegt die größte Seite gegenüber, und dergleichen, das ich, ob ich nun will oder nicht, jetzt klar erkenne, auch wenn ich vorher daran überhaupt nicht gedacht hatte, wenn ich mir ein Dreieck vorgestellt habe. Demnach habe ich diese Eigenschaften auch nicht selbst ausgebildet.3 Außerdem ist es für die Sache ohne Belang, wenn ich sage, diese Idee des Dreiecks sei vielleicht von äußeren Dingen durch die Sinnesorgane zu mir gelangt, etwa weil ich zuweilen Körper gesehen habe, die eine dreieckige Gestalt besitzen. Ich kann mir nämlich unzählige andere Figuren ausdenken, in bezug auf die kein Verdacht bestehen kann, daß sie jemals durch die Sinne in mich eingedrungen wären – und doch kann ich vielfältige ihrer Eigenschaften nicht weniger beweisen als die des Dreiecks, und zwar solche, die alle wahr sind, da sie ja von mir klar er1
Obj. I : 93, 10–13 ; Resp. I : 104, 20–23. 318, 21–319, 7.
2
Obj. III : 193, 2–9.
3
Obj. V :
fü n f te me d i tati o n
71
kannt werden. Demnach sind diese Figuren etwas, und nicht ein bloßes Nichts ; denn es ist offenkundig, daß alles, was wahr ist, etwas ist. Außerdem habe ich bereits ausführlich bewiesen, daß alles, was ich klar erkenne, wahr ist. Aber selbst wenn ich das nicht bewiesen hätte, so ist die Natur meines Geistes doch sicherlich so, daß ich gleichwohl gar nicht umhin könnte, ihnen zuzustimmen, zumindest, solange ich sie klar erfasse. Auch erinnere ich mich, daß ich immer, auch schon zu der Zeit, als ich in die Objekte der Sinne verstrickt war, solcherlei Wahrheiten evident erkannte, die Figuren oder Zahlen betrafen, oder in den Bereich der Arithmetik oder Geometrie oder im allgemeinen der reinen und abstrakten Erkenntnis (mathesis pura atque abstracta) gehörten, und sie für die sichersten von allen gehalten habe. Wenn nun aber allein daraus, daß ich die Idee irgendeines Dinges aus meinem Denken hervorholen kann, folgt, daß tatsächlich alles das dem Ding zukommt, von dem ich klar und deutlich erfasse, daß es ihm zukommt – kann daraus etwa auch ein Argument gewonnen werden, durch das die Existenz Gottes nachgewiesen würde ? Sicherlich finde ich die Idee Gottes, nämlich die eines höchstvollkommenen Seienden, nicht weniger in mir vor als die Idee irgendeiner beliebigen Figur oder Zahl. Auch sehe ich nicht weniger klar und deutlich ein, daß es zu seiner Natur gehört, immer zu existieren,1 als ich klar und deutlich einsehe, daß das, was ich in bezug auf irgendeine Figur oder Zahl beweise, auch zur Natur dieser Figur oder Zahl gehört.2 Auch wenn nicht alles wahr wäre, was ich in den vergangenen Tage meditiert habe, so müßte demnach die Existenz Gottes in mir zumindest in demselben Maße Gewißheit besitzen, wie bislang die Wahrheiten der Mathematik.3 Indessen ist dies auf den ersten Blick nicht völlig transparent, sondern erweckt einen gewissen Anflug (species) von Sophismus. Da ich nämlich gewöhnt bin, bei allen anderen Dingen die 1
existieren] 1. Auflage : aktuell zu existieren. 3 Obj. I : 97, 20–22.
2
Resp. I : 114, 24–115, 2.
65,16
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66,26
fü n f t e m ed itati o n
Existenz vom Wesen zu unterscheiden,1 rede ich mir leicht ein, daß auch die Existenz vom Wesen Gottes abgesondert werden und auf diese Weise Gott als nicht-existierend gedacht werden könne. Doch jedem, der es sorgfältiger berücksichtigt, wird offenkundig, daß die Existenz vom Wesen Gottes genausowenig abgetrennt werden kann wie die Tatsache, daß die Größe der drei Winkel eines Dreiecks zwei rechten entspricht, von dem Wesen des Dreiecks, oder wie die Idee des Tales von der Idee des Berges abgetrennt werden kann. Demnach ist es ebenso widersprüchlich, einen Gott (also ein höchstvollkommenes Seiendes) zu denken, dem die Existenz fehlt (dem also eine Vollkommenheit fehlt), als einen Berg zu denken, dem das Tal fehlt.2 Gleichwohl : Zwar kann ich Gott nur als Existierenden denken, genauso, wie ich einen Berg nur mit Tal denken kann. Aber sicherlich folgt daraus, daß ich Gott als Existierenden denke, noch nicht, daß Gott existiert, ebensowenig, wie daraus, daß ich einen Berg mitsamt Tal denke, ja nicht folgt, daß es überhaupt irgendeinen Berg auf der Welt gibt. Mein Denken verleiht den Dingen nämlich keine Notwendigkeit. Ebenso, wie man sich ein geflügeltes Pferd vorstellen mag, obwohl doch kein Pferd Flügel besitzt, ebenso kann ich vielleicht auch Gott Existenz andichten, obwohl kein Gott existiert.3 Hier aber verbirgt sich der Sophismus : Denn daraus, daß ich den Berg nicht denken kann außer zusammen mit dem Tal, folgt nicht, daß irgendwo ein Berg und ein Tal existieren, sondern nur, daß Berg und Tal, sie mögen existieren oder nicht, nicht voneinander abgesondert werden können. Dagegen folgt daraus, daß ich Gott nicht denken kann außer als Existierenden, daß die Existenz unabtrennbar von Gott ist, und er demnach tatsächlich existiert4 – nicht etwa, weil mein Denken dies bewirkte, oder es irgendeinem Sachverhalt irgendeine Notwendigkeit verliehe, sondern ganz im Gegenteil, weil die Notwendigkeit des Sachverhalts selbst, nämlich die Notwendigkeit der Existenz Gottes 1
Obj. V : 324, 1–2. 2 Obj. I : 97, 22–25 ; Obj. V : 322, 13–20. 324, 8–11. 4 Obj. I : 98, 30–99, 3.
3
Obj. V :
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fü n f te me d i tati o n
mich bestimmt, dies so zu denken. Denn es steht mir nicht frei, Gott ohne Existenz (also das höchstvollkommene Seiende ohne die höchste Vollkommenheit) zu denken, wie es mir freisteht, mir ein Pferd entweder mit oder ohne Flügel vorzustellen.1 Auch darf man hier nicht sagen : »Es ist zwar notwendig, Gott als Existierenden zu setzen, nachdem ich gesetzt habe, daß er alle Vollkommenheiten besitzt ; denn die Existenz ist eben eine dieser Vollkommenheiten. Hingegen ist diese erste Setzung ja keineswegs notwendig gewesen. Denn es ist ja ebensowenig notwendig, zu meinen, alle vierseitigen Figuren könnten einem Kreis eingeschrieben werden ; denn gesetzt, daß ich dies meinte, würde es notwendig werden, einzuräumen, ein Rhombus könne einem Kreis eingeschrieben werden, was doch wohl offenbar falsch ist.«2 Nun – auch wenn es nicht notwendig ist, daß ich jemals irgendeinen Gedanken über Gott anstelle, so ist es dennoch notwendig, ihm immer dann alle Vollkommenheiten zu verleihen, wenn ich darauf verfalle, an ein erstes und höchstes Seiendes zu denken, also die Idee eines solchen Seienden gleichsam aus der Schatztruhe meines Geistes hervorhole, auch wenn ich dabei weder alle Vollkommenheiten aufzähle, noch alle einzelnen berücksichtige. Diese Notwendigkeit reicht völlig aus, damit ich später, wenn ich bemerke, daß die Existenz eine Vollkommenheit ist, richtig schließe, daß ein erstes und oberstes Seiendes existiert.3 Es ist nämlich auch nicht notwendig, daß ich mir überhaupt jemals ein Dreieck vorstelle ; sooft ich aber eine geradlinige Figur betrachten will, die lediglich drei Winkel besitzt, ist es notwendig, ihm solche Winkel beizulegen, aus denen richtig hergeleitet werden kann, daß seine drei Winkel nicht größer als zwei rechte sind, auch wenn ich dies dann noch nicht beachte.4 Prüfe ich aber, welche Figuren eigentlich einem Kreis eingeschrieben werden können, so ist es keineswegs notwendig, zu meinen, alle vierseitigen Figuren gehörten zu dieser Gruppe,
1
Obj. V : 324, 22–25. 4 Obj. V : 325, 17–22.
2
Obj. V : 325, 28–326, 4.
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Obj. V : 325, 7–8.
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fü n f t e m ed itati o n
ganz im Gegenteil : Solange ich nur das gelten lassen will, was ich klar und deutlich einsehe, kann ich genau das noch nicht einmal konstruieren. Demnach besteht also ein großer Unterschied zwischen solchen falschen Setzungen und den in mir verwurzelten wahren Ideen, deren erste und oberste die Idee Gottes ist. Denn daß sie tatsächlich kein fiktives, von meinem Denken abhängendes Etwas, sondern das Bild einer wahren und unveränderlichen Natur ist, sehe ich auf viele verschiedene Weisen ein : Erstens, weil ich mir kein anderes Ding ausdenken kann, zu dessen Wesen die Existenz gehört, außer Gott allein. Sodann, weil ich nicht zwei oder mehrere solche Götter einsehen kann ; und weil, gesetzt, daß einer bereits existiert, es offen als notwendig zutage liegt, daß er sowohl ewig existiert hat, als auch ewig Bestand haben wird.1 Und zuletzt, weil ich vieles andere in Gott erfasse, von dem ich nichts fortnehmen oder verändern kann.2 Welchen Beweisgrund auch immer ich letztlich verwenden mag, stets läuft es darauf hinaus, daß allein das mich völlig überzeugt, was ich klar und deutlich erfasse. Wenn sich auch von dem, was ich in dieser Weise erfasse, etliches jederman geradezu aufdrängt, wird etliches andere jedoch nur von denen aufgedeckt, die genauer in es hineinblicken und es sorgfältiger untersuchen. Nachdem es jedoch aufgedeckt ist, sind alle der Ansicht, daß letzteres nicht weniger sicher ist als jenes. So fällt es nicht so leicht in die Augen, daß im rechtwinkligen Dreieck das Quadrat über der Grundlinie den Quadraten über den Seiten entspricht, wie daß diese Grundlinie dem größten Winkel dieses Dreiecks gegenüberliegt ; dennoch glauben alle ersteres nicht weniger, wenn sie es erst einmal durchschaut haben. Was aber Gott betrifft, so würde ich nichts früher und leichter erkennen als ihn, wäre ich nicht mit Vorurteilen überschüttet und würden die Bilder sinnlicher Dinge mein Denken nicht größtenteils mit Beschlag belegen ; denn was ist aus sich selbst
1
Obj. IV : 211, 18–20.
2
Obj. V : 326, 8–13.
fü n f te me d i tati o n
75
heraus offenkundiger, als daß es ein höchstes Seiendes gibt, bzw. daß ein Gott existiert, dem Existenz allein schon deswegen zukommt, weil sie in seinem Wesen liegt ? Obwohl eine aufmerksame Betrachtung nötig gewesen ist, um eben das zu erkennen, bin ich mir dessen nicht nur genau so sicher wie alles anderen, das mir äußerst sicher zu sein scheint, sondern ich bemerke darüber hinaus auch, daß die Gewißheit der übrigen Dinge genau davon so abhängt, daß ohne es nichts jemals vollkommen gewußt werden kann.1 Auch wenn ich nämlich eine solche Natur habe, daß ich gar nicht umhin kann, zu glauben, etwas sei wahr, solange ich es äußerst klar und deutlich erfasse, so habe ich anderseits auch eine solche Natur, daß ich den Blick des Geistes nicht unentwegt auf dasselbe Ding richten kann, um es klar zu erfassen. Mitunter aber bringt das Gedächtnis ein zuvor gefälltes Urteil wieder zurück, und wenn ich dann die Gründe nicht mehr berücksichtige, aufgrund derer ich Dinge so beurteilt habe, wie ich es tat,2 können andere Gründe beigebracht werden, die mich leicht von meiner Meinung abbringen würden, wenn mir Gott unbekannt wäre, so daß ich niemals ein wahres und sicheres Wissen über irgendein Ding hätte, sondern nur unbestimmte und veränderliche Meinungen. Betrachte ich zum Beispiel die Natur des Dreiecks, dann erscheint es mir zwar solange als ganz evident, daß seine drei Winkel zwei rechten entsprechen, wie ich den Beweis berücksichtige und mir die Prinzipien der Geometrie vertraut sind, und ich kann nicht umhin, zu glauben, es sei wahr ; sobald ich aber die Schärfe des Geistes davon abgelenkt habe, kann es ganz leicht vorkommen, daß ich, wenn Gott mir unbekannt ist, zweifle, ob es wahr ist, obwohl ich mich immer noch erinnere, es äußerst klar durchschaut zu haben. Ich kann mir nämlich einreden, ich sei von der Natur so eingerichtet, daß ich mich mitunter in dem täusche, das ich am evidentesten zu erfassen meine, insbesondere wenn ich mich erinnere, daß ich oft
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Obj. V : 326, 16–19.
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Resp. II : 140, 12–16.
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vieles für wahr und sicher gehalten habe, von dem ich bald darauf, durch andere Gründe verleitet, geurteilt habe, es sei falsch. Seitdem1 ich jedoch erfaßt habe, daß es einen Gott gibt, und ich damit einhergehend eingesehen habe, daß alles Übrige von ihm abhängt und er kein Schwindler ist, und ich daraus gefolgert habe, daß alles, was ich klar und deutlich erfasse, notwendig wahr ist : dann läßt sich kein Gegengrund anführen, der mich zum Zweifeln drängt, sondern ich besitze selbst dann ein wahres und sicheres Wissen darüber, wenn ich die Gründe nicht mehr berücksichtige, aufgrund derer ich geurteilt habe, daß es wahr ist, solange ich mich nur erinnere, es klar und deutlich durchschaut zu haben – und nicht nur darüber, sondern auch über alles Übrige, von dem ich mich erinnere, es irgendwann einmal bewiesen zu haben, wie geometrische Lehrsätze und dergleichen.2 Was nämlich kann man mir jetzt noch entgegenhalten ? Etwa, ich sei so eingerichtet, daß ich mich oft täusche ? Aber ich weiß bereits, daß ich mich in dem, was ich transparent einsehe, nicht täuschen kann. Etwa, daß ich vieles andere für wahr und sicher gehalten habe, von dem ich später entdeckt habe, daß es falsch ist ? Aber nichts von dem hatte ich klar und deutlich erfaßt, sondern dies hatte ich in Unkenntnis der Regel der Wahrheit aus anderen Ursachen heraus geglaubt, von denen ich später aufgedeckt habe, daß sie weniger verläßlich sind. Was also könnte man sagen ? Etwa (wie ich mir neulich vorgehalten habe) daß ich vielleicht träume, bzw. daß alles, was ich jetzt denke, nicht wahrer sei als das, was sich einem Schlafenden darbietet ? Indessen ändert auch das nichts ; denn sicherlich ist etwas, wenn es für meinen Verstand evident ist, durchaus wahr, auch wenn ich träume. So sehe ich, daß also ganz offenbar alle Gewißheit und Wahrheit des Wissens von der einen Erkenntnis des wahren Gottes abhängt, so daß ich über kein Ding irgendetwas wissen konnte, bevor er mir bekannt war. Jetzt aber kann mir Unzähliges 1 2
Resp. II : 146, 14–28 ; Obj. IV : 214, 8–10 ; Resp. IV : 245, 26–27. Obj. V : 326, 19–327, 17.
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bekannt und gewiß werden, nicht nur über Gott selbst und die anderen intellektuellen Dinge, sondern auch über die gesamte körperliche Natur, die das Objekt der reinen Erkenntnis ist.
SE C H STE MED ITATION
Über die Existenz materieller Dinge und die reale Unterscheidung des Geistes vom Körper.
Es steht noch aus, daß ich prüfe, ob materielle Dinge existieren. Zumindest weiß ich bereits, daß sie existieren können, insofern sie Objekt der reinen Erkenntnis sind,1 da ich sie ja klar und deutlich erfasse. Denn es besteht kein Zweifel, daß Gott fähig ist, alles das zu bewirken, das ich klar und deutlich erfassen kann ; und ich habe nur dann geurteilt, etwas könne von ihm nicht getan werden, wenn es widersprüchlich wäre, daß es von mir deutlich erfaßt wird. Daß materielle Dinge existieren, scheint zudem aus dem Vorstellungsvermögen zu folgen, von dem ich erfahre, daß ich es verwende, wenn ich mich den materiellen Dingen zuwende. Denn wenn man aufmerksamer betrachtet, was Anschauung eigentlich ist, zeigt sich, daß sie nichts anderes ist als eine bestimmte Anwendung des erkennenden Vermögens auf den ihr unmittelbar vorliegenden und demnach existierenden Körper. Damit dies offenkundig wird, prüfe ich erstens den Unterschied zwischen Anschauung und reiner Einsicht.2 Denn wenn ich mir zum Beispiel ein Dreieck vorstelle, sehe ich nicht nur ein, daß es eine Figur ist, die drei Linien beinhaltet, sondern ich erblicke zugleich auch mit der Schärfe des Geistes diese drei Linien als vorliegend – und dies ist das, was ich vorstellen nenne.3 Will ich jedoch an ein Tausendeck denken, so sehe ich freilich ebenso gut ein, daß es eine aus tausend Seiten bestehende Figur ist, wie ich einsehe, daß das Dreieck eine aus drei Seiten bestehende Figur ist ; aber ich stelle mir diese tausend Seiten nicht auf dieselbe Weise vor, bzw. erblicke sie gleichsam als vorliegend. Obwohl ich mir in diesem Fall aufgrund der Gewohnheit, 1
Obj. V : 328, 25–329, 1 : Resp. V : 384, 20–21. 3 Obj. V : 329, 13–14.
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Obj. V : 329, 5–6.
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immer irgendetwas vorzustellen, wenn ich an ein körperliches Ding denke, vielleicht irgendeine Figur verworren repräsentiere, so ist diese Figur dennoch offenbar kein Tausendeck ; denn sie ist in nichts von der verschieden, die ich mir repräsentieren würde, wenn ich an ein Zehntausendeck oder eine beliebige andere Figur mit vielen Seiten dächte, und sie trägt nichts dazu bei, die Eigenschaften zu erkennen, aufgrund derer sich das Tausendeck von anderen Vielecken unterscheidet. Wenn sich die Frage aber auf ein Fünfeck richtet, kann ich seine Figur ebenso wie die Figur des Tausendecks ohne die Hilfe der Anschauung einsehen ; aber ich kann mir darüber hinaus das Fünfeck eben auch vorstellen, nämlich indem ich die Schärfe des Geistes auf seine fünf Seiten und zugleich auf die in ihnen enthaltene Fläche anwende. Und an dieser Stelle bemerke ich, daß ich offenkundig zum Vorstellen eine bestimmte besondere Anstrengung des Gemüts benötige, die ich zum Einsehen nicht benutze.1 Diese neue Anstrengung des Gemüts zeigt klar den Unterschied zwischen Anschauung und reiner Einsicht.2 Demgemäß betrachte ich diese in mir vorhandene Kraft, vorzustellen, insoweit sie sich von der Kraft, einzusehen unterscheidet nicht als zum Wesen meiner selbst, d. h. zum Wesen meines Geistes erforderlich.3 Denn auch wenn sie mir fehlte, bliebe ich zweifelsohne genau derselbe, der ich jetzt bin ; woraus zu folgen scheint, daß sie von irgendeinem von mir verschiedenen Ding abhängt. Wenn nun irgendein Körper existiert, mit dem der Geist so verbunden ist, daß er sich ihm vermöge der Willkür zuwenden kann, um gleichsam in ihn hineinzublicken, so sehe ich es leicht als möglich ein, daß ich mir die körperlichen Dinge durch eben diesen Körper vorstelle. Demnach unterscheidet sich also dieser gedankliche Zugriff lediglich darin von der reinen Einsicht, daß sich der Geist, wenn er einsieht, gewissermaßen auf sich selbst richtet und irgendwelche der Ideen betrachtet, die in ihm selbst enthalten sind, während er, wenn er vorstellt, sich dem Körper zuwendet, und in ihm etwas erblickt, 1
Obj. V : 329, 16–19.
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Obj. V : 329, 19–330, 6.
3
Obj. V : 331, 19–20.
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was entweder der von ihm eingesehenen oder der sinnlich erfaßten Idee gleichförmig ist.1 Ich behaupte : Ich sehe leicht ein, daß Anschauung sich so vollziehen kann – sofern ein Körper existiert. Weil sich nun keine andere, vergleichbar angemessene Weise findet, um Anschauung zu erklären, vermute ich glaubhaft, daß ein Körper existiert – aber ich halte es eben nur für glaubhaft,2 und obwohl ich alles sorgfältig untersuche, sehe ich gleichwohl noch nicht, daß aus der deutlichen Idee einer körperlichen Natur, die ich in meiner Anschauung vorfinde, irgendein Argument entnommen werden könne, aus dem notwendig geschlossen würde, daß irgendein Körper existiert. Gewöhnlich stelle ich mir aber außer dieser körperlichen Natur, die das Objekt der reinen Erkenntnis ist, vieles andere vor, wie Farben, Töne, Geschmäcke, Schmerzen und dergleichen, aber nichts davon so deutlich.3 Weil ich diese genauer durch den Sinn erfasse, durch den sie mit Hilfe des Gedächtnisses in die Anschauung gelangt sind, muß ich, um sie angemessener thematisieren zu können, mit derselben Konzentration auch den Sinn thematisieren, und nachsehen, ob ich aus dem, was ich aufgrund jenes gedanklichen Zugriffs erfasse, den ich sinnliche Wahrnehmung nenne, irgendein sicheres Argument für die Existenz körperlicher Dinge gewinnen kann. Zuerst möchte ich hier für mich wiederholen, was es war, das ich zuvor, gleichsam als sinnlich erfaßt für wahr gehalten habe, und aus welchen Ursachen ich dies gemeint habe. Danach will ich auch die Ursachen erwägen, aufgrund derer ich dies später in Zweifel gezogen habe ; und schließlich werde ich betrachten, was ich jetzt über sie glauben muß. Anfänglich also empfand ich, daß ich einen Kopf, Hände, Füße und die übrigen Körperteile besitze, aus denen jener Körper besteht, den ich gewissermaßen als Teil von mir, oder vielleicht sogar gleichsam als Gesamtheit meiner selbst ansah. Ich empfand, daß sich dieser Körper zwischen vielen anderen Körpern befindet, durch die er auf vielfältige angenehme oder un1
Obj. V : 331, 23–25.
2
Obj. V : 332, 9–10.
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angenehme Weisen affiziert werden kann, und ich bemaß die angenehmen Weisen mittels der Empfindung der Lust, und die unangenehmen mittels der Empfindung des Schmerzes. Abgesehen von Schmerz und Lust empfand ich in mir außerdem auch Hunger, Durst und andere derartige Triebe, und ebenso gewisse körperliche Neigungen, wie die zur Heiterkeit, zur Traurigkeit, zum Zorn und andere vergleichbare Affekte. Abgesehen von den Ausdehnungen der Körper, Gestalten und Bewegungen empfand ich außerhalb von mir an diesen Körpern auch Härte, Wärme und die anderen taktilen Qualitäten, sowie darüber hinaus Licht, Farben, Gerüche, Geschmäcke und Töne, aufgrund deren Vielfalt ich den Himmel, die Erde, die Meere und die übrigen Körper voneinander unterschied. In Anbetracht der Ideen aller dieser Qualitäten, die sich meinem Denken darboten, und die allein ich eigentlich und unmittelbar empfand, meinte ich nicht ohne Grund, bestimmte, von meinem Denken völlig verschiedene Dinge zu empfinden, nämlich die Körper, von denen diese Ideen herrührten ; ich erfuhr nämlich, daß sie mir ganz ohne meine Einwilligung erschienen, so daß ich, wenn dem Sinnesorgan nichts vorlag, auch nicht das geringste Objekt empfinden konnte, auch wenn ich es wollte, und daß ich, wenn es vorlag, gar nicht umhin konnte, es zu empfinden. Weil die sinnlich erfaßten Ideen sehr viel lebhafter und eindrucksvoller und auf ihre Art viel deutlicher waren als irgendwelche von denen, die ich absichtlich und wissentlich meditierend ausbildete, oder von denen ich festellte, daß sie meinem Gedächtnis eingeprägt waren, schien es unmöglich zu sein, daß sie von mir selbst herrührten, und so blieb nur übrig, daß sie von irgendwelchen anderen Dingen stammten. Da ich von diesen Dingen allein aufgrund eben dieser Ideen Kenntnis besaß, konnte mir gar nichts anderes einfallen, als daß die Dinge den Ideen gleich seien. Weil ich mich außerdem auch erinnerte, die Sinne früher als die Vernunft verwendet zu haben, und sah, daß die Ideen, die ich selbst ausbildete, nicht so eindrucksvoll wie die waren, die ich sinnlich erfaßte, und weil vieles aus den Bestandteilen dieser Ideen zusammengesetzt war, fiel es mir leicht, mir einzu-
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reden, daß nichts in meinem Verstand sei, das nicht zuvor im Sinn gewesen wäre. Ebenso meinte ich nicht ohne Grund, daß jener Körper, den ich mit einem gewissen besonderen Recht den meinigen nannte, mehr zu mir gehörte als irgendein anderer : ich konnte mich nämlich niemals von ihm absondern wie von den anderen ; alle Triebe und Affekte empfand ich in ihm und vermittelt durch ihn ; und schließlich stellte ich den Schmerz und den Kitzel der Lust in seinen Teilen fest, nicht aber in anderen, außer ihm befindlichen. Auf welche Weise aber sich aus dieser irgendwie gearteten Empfindung des Schmerzes eine bestimmte Traurigkeit des Gemüts, und aus der Empfindung des Kitzels eine bestimmte Freude ergibt ; oder auch : auf welche Weise das irgendwie geartete Stechen im Magen, das ich Hunger nenne, mich daran erinnert, Essen zu mir zu nehmen, die Austrocknung der Kehle aber an das Trinken, und ebenso mit dem übrigen – dafür hatte ich freilich keine andere Begründung als : weil ich dies so von der Natur gelernt habe. Zwischen diesem Stechen einerseits und anderseits dem Willen, Essen zu sich zu nehmen, bzw. zwischen der Empfindung des Schmerz erregenden Dinges, und dem von dieser Empfindung her entstandenen Gedanken der Traurigkeit besteht nämlich schlicht überhaupt keine Verwandtschaft (zumindest keine, die ich einsehen kann). Aber auch alles übrige, was ich über die Objekte der Sinne urteilte, schien ich von der Natur gelernt zu haben ; denn daß dies sich so verhalte, hatte ich mir schon eingeredet, bevor ich irgendwelche Begründungen hätte erwägen können, durch die dies nachgewiesen worden wäre. Das gesamte Vertrauen, das ich den Sinnen entgegengebracht hatte, ist später jedoch durch viele Experimente nach und nach erschüttert worden.1 Denn zuweilen erschienen Türme, die von ferne rund ausgesehen hatten, von nah als viereckig, und die doch ziemlich großen Statuen, die auf ihren Giebeln stehen, schienen von der Erde aus betrachtet gar nicht so groß zu sein. Und so entdeckte ich, daß bei unzähligen anderen Dingen die 1
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Urteile der äußeren Sinne täuschten – und nicht nur der äußeren, sondern auch der inneren : denn was kann innerlicher sein als der Schmerz ? Hingegen hatte ich zuweilen von Leuten gehört, denen man ein Bein oder einen Arm abgenommen hatte, und denen es gleichwohl schien, daß sie zuweilen immer noch Schmerz in dem Teil des Körpers empfänden, der ihnen fehlte.1 Daher schien es auch bei mir selbst nicht mehr völlig sicher zu sein, daß mir ein Körperglied Schmerz verursachte, selbst wenn ich in ihm einen Schmerz empfand. Diesen Experimenten habe ich unlängst zwei äußerst allgemeine Ursachen des Zweifelns hinzugefügt. Die erste war : Während ich wache, habe ich niemals irgendetwas sinnlich wahrzunehmen geglaubt, von dem ich nicht ebenso auch im Schlaf vielleicht einmal glauben kann, es sinnlich wahrzunehmen. Da ich nun nicht glaube, daß das, was ich in Träumen sinnlich wahrzunehmen meine, von Dingen zu mir gelangt, die außerhalb von mir sind, konnte ich nicht feststellen, weswegen ich dies mit größerem Recht in bezug auf das glauben sollte, was ich wachend sinnlich wahrzunehmen meinte. Die andere war : Weil mir der Urheber meiner Entstehung bislang unbekannt war – oder ich zumindest so tat, als sei er mir unbekannt2 – schien mir nichts dagegen zu sprechen, von Natur aus so eingerichtet zu sein, mich auch in dem zu täuschen, was mir als das Wahrste überhaupt erschien. Und was die Gründe betrifft, durch die ich mir zuvor die Wahrheit der sinnlichen Dinge eingeredet hatte, so war es nicht schwierig, ihnen entgegenzutreten. Ich sah nämlich, daß ich von Natur aus zu vielem gedrängt wurde, dem die Vernunft widerriet, und so meinte ich, daß dem, was von Natur gelehrt werde, nicht sehr vertraut werden dürfe. Auch wenn nämlich die Sinneswahrnehmungen nicht von meinem Willen abhingen, meinte ich nicht, daraus folgern zu dürfen, daß sie von Dingen herrührten, die von mir verschieden seien, weil ja vielleicht in mir ein Vermögen vorhanden sein kann, das die Schöpferin dieser Sinneswahrnehmungen ist, auch wenn ich dieses Vermögen noch nicht erkannt habe. 1
Obj. V : 333, 7 ff.
2
Obj. IV : 215, 12–14.
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Jetzt aber, seitdem ich beginne, mich selbst und den Urheber meiner Entstehung besser zu kennen, meine ich, daß ich zwar nicht alles, was ich von den Sinnen zu bekommen scheine, blindings gelten lassen muß, daß aber ebensowenig alles in Zweifel gezogen werden darf.1 Erstens : Weil ich ja weiß, daß alles, was ich klar und deutlich einsehe, genau so von Gott erzeugt werden kann, wie ich es einsehe, ist es ausreichend, daß ich ein Ding ohne ein anderes klar und deutlich einsehe,2 um sicher zu sein, daß das eine von dem anderen verschieden ist,3 weil es zumindest von Gott getrennt gesetzt werden kann.4 Für die Ansicht, daß sie verschieden sind, ist es ganz unerheblich, durch welche Macht das geschieht ;5 allein daraus also, daß ich weiß, daß ich existiere, und ich bemerke, daß einstweilen schlichtweg nichts anderes zu meiner Natur, bzw. zu meinem Wesen gehört, außer dem einen, daß ich ein denkendes Ding bin, schließe ich zurecht, daß mein Wesen allein darin besteht, ein denkendes Ding zu sein.6 Und obwohl ich möglicherweise (oder vielmehr, wie ich später sagen werde : sicherlich) einen Körper besitze, der mit mir äußerst eng verbunden ist – denn ich besitze einerseits eine klare und deutliche Idee meiner selbst, insofern ich ein denkendes, kein ausgedehntes Ding bin, und anderseits die deutliche Idee des Körpers, insofern er lediglich ein ausgedehntes, kein denkendes Ding ist7 –, ist es sicher, daß ich von meinem Körper tatsächlich unterschieden bin, und ohne ihn existieren kann.8 Außerdem finde ich in mir Vermögen vor,9 die sich durch besondere gedankliche Zugriffe auszeichnen, nämlich das Vorstellungsvermögen und das Vermögen der Empfindung, ohne die ich mich ganz klar und deutlich einsehen kann, jedoch nicht umgekehrt sie ohne mich, das heißt ohne die einsehende Substanz, in der sie enthalten sind. Denn beide beinhalten in ihrem 1
Obj. V : 334, 8–12. 2 Resp. IV : 224, 16–18. 3 Resp. II : 131, 22–25 ; Resp. IV : 225, 26–226, 2. 4 Obj. IV : 202, 12–16. 5 Obj. IV : 202, 12–16. 6 Obj. V : 335, 7–12. 7 Obj. V : 337, 11–15. 8 Resp. II : 131, 25–132, 3 ; Obj. IV : 199, 25–200, 1 ; Obj. V : 335, 15–23 ; 342, 12–13 ; 17. 9 Resp. IV : 224, 19–20.
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formalen Begriff eine nicht unerhebliche Einsicht, woraufhin ich erfasse, daß sie von mir unterschieden werden wie Modi von einem Ding. Überdies erkenne ich auch bestimmte andere Vermögen, wie den Ort zu wechseln, vielfältige Gestalten anzunehmen, und dergleichen, die zwar ebensowenig wie die vorhergehenden ohne irgendeine Substanz, in der sie enthalten sind, eingesehen werden, und demnach auch nicht ohne sie existieren können ; jedoch ist es offenkundig, daß sie, falls sie existieren, in einer körperlichen, bzw. ausgedehnten Substanz enthalten sein müssen, nicht jedoch in einer einsehenden, weil nämlich in ihrem klaren und deutlichen Begriff einige Ausdehnung, aber nicht die geringste Einsicht enthalten ist. Nun ist freilich ein bestimmtes passives Vermögen der Empfindung in mir, bzw. ein Vermögen, Ideen sinnlicher Dinge aufzunehmen und zu erkennen. Dieses Vermögen wäre aber völlig unbrauchbar, wenn nicht ebenfalls ein bestimmtes aktives Vermögen, diese Ideen zu produzieren oder zu bewirken, entweder in mir oder in einem anderen existierte. Dieses Vermögen kann nun aber nicht in mir selbst enthalten sein, weil es überhaupt keine Einsicht voraussetzt, und diese Ideen ohne mein Zutun, oft aber sogar gegen meinen Willen produziert werden. Also bleibt nur übrig, daß es in irgendeiner von mir verschiedenen Substanz ist. Weil ja in dieser Substanz alle Realität entweder formal oder eminent enthalten sein muß, die objektiv in den von diesem Vermögen produzierten Ideen ist (wie ich oben bereits bemerkt habe), ist diese Substanz entweder ein Körper, bzw. eine körperliche Natur, in der nämlich alles formal enthalten ist, das in den Ideen objektiv enthalten ist – oder sie ist statt dessen Gott, oder irgendein anderes edleres Geschöpf als der Körper, das sie eminent enthält. Da Gott nun aber kein Schwindler ist, liegt es auf der Hand, daß er mir diese Ideen weder unmittelbar durch sich, noch vermittelt durch irgendein Geschöpf eingibt, in dem ihre objektive Realität nicht formal, sondern etwa nur eminent enthalten wäre. Da Gott mir jedoch nicht das geringste Vermögen verliehen hat, zu erkennen, wie es wirklich geschieht, statt dessen aber eine starke Neigung, zu glauben, daß die Ideen von
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körperlichen Dingen ausgehen, sehe ich nicht, mit welcher Begründung man sich einsichtig machen könnte, daß Gott kein Schwindler ist, wenn die Ideen von irgendwo anders her als von körperlichen Dingen ausgehen würden. Demnach existieren körperliche Dinge.1 Indessen existieren vielleicht nicht alle insgesamt genau so, wie ich sie mir durch den Sinn verständlich mache, weil ein solches Verständnis aufgrund der Sinne vielfach äußerst dunkel und verworren ist. Zumindest ist aber alles das in den körperlichen Dingen vorhanden, das ich klar und deutlich einsehe, d. h. allgemein betrachtet alles, das im Objekt der reinen Erkenntnis verständlich gemacht wird. Was aber das Übrige betrifft, so ist es entweder nur eine Besonderheit – wie etwa, daß die Sonne eine solche Größe oder Gestalt besitzt –, oder es wird weniger klar eingesehen – wie Licht, Geräusch, Schmerz und dergleichen. Gleichwohl : Auch wenn all das äußerst zweifelhaft und unsicher ist, so weckt allein die Tatsache die sichere Hoffnung, auch darin die Wahrheit zu erlangen, daß Gott kein Schwindler und es deshalb unmöglich ist, daß in meinen Meinungen irgendeine Falschheit angetroffen würde, ohne daß nicht ebenso auch in mir ein von Gott beigelegtes Vermögen wäre, diese Ansicht zu verbessern. Und tatsächlich besteht kein Zweifel, daß alles das, was ich von der Natur lerne, einen gewissen Anteil an Wahrheit aufweist. Ich verstehe nämlich unter Natur allgemein betrachtet nunmehr nichts anderes als entweder Gott selbst, oder die von Gott eingerichtete Koordination der geschaffenen Dinge ; und unter meiner Natur im besonderen nichts anderes als den Inbegriff alles dessen, was mir von Gott beigelegt worden ist. Es gibt aber nichts, was diese Natur mich eindrucksvoller lehrt, als daß ich einen Körper habe, dem es schlecht geht, wenn ich Schmerz empfinde, der nach Essen oder Trinken verlangt, wenn ich Hunger oder Durst leide und dergleichen ; und demnach darf ich nicht zweifeln, daß darin ein gewisser Anteil von Wahrheit liegt. 1
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Durch diese Empfindungen des Schmerzes, des Hungers, des Durstes usw. lehrt die Natur auch, daß ich zu meinem Körper nicht etwa nur so hinzugefügt bin, wie ein Seemann sich auf einem Schiff aufhält, sondern daß ich mit ihm auf engste verbunden und gewissermaßen vermischt bin, so daß ich mit ihm zu einem einzigen Etwas zusammengesetzt bin. Andernfalls würde ich, der ich nichts anderes als ein denkendes Ding bin, auch dann keine Schmerzen empfinden, wenn der Körper verletzt wird, sondern ich würde die Verletzung durch den reinen Verstand erfassen, so wie der Seemann durch das Sehvermögen erfaßt, wenn am Schiff irgendein Schaden entsteht ; und wenn der Körper nach Essen oder Trinken verlangt, würde ich dies ausdrücklich einsehen und nicht die verworrenen Empfindungen des Hungers und des Durstes haben. Denn sicherlich sind diese Empfindungen des Durstes, des Hungers, des Schmerzes usw. nichts anderes als gewisse verworrene gedankliche Zugriffe, die aus der Vereinigung und gewissermaßen der Vermischung des Geistes mit dem Körper herrühren.1 Außerdem lehrt mich die Natur, daß im Umfeld meines Körpers vielfältige andere Körper existieren, von denen ich einige anstreben, andere aber vermeiden muß. Und ich schließe doch wohl sicherlich zurecht daraus, daß ich sehr verschiedene Farben, Töne, Gerüche, Geschmäcke, Wärme, Härte und dergleichen empfinde, daß es in den Körpern, von denen diese vielfältigen Sinneswahrnehmungen herkommen, irgendeine ihnen korrespondierende, wenn auch den Sinneswahrnehmungen vielleicht nicht ähnliche Vielfalt gibt ; und weil bestimmte von diesen Sinneswahrnehmungen mir angenehm, andere aber unangenehm sind, ist es völlig sicher, daß mein Körper, bzw. vielmehr ich insgesamt, insofern ich aus Körper und Geist zusammengesetzt bin, von den um ihn herum liegenden Körpern auf vielfältige angenehme und unangenehme Weisen affiziert werden kann. Es gibt aber vieles andere, das ich, auch wenn die Natur es mich zu lehren scheint, tatsächlich nicht von ihr erhalten, 1
Obj. V : 343, 8–20.
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sondern aus einer gewissen unreflektierten Gewohnheit des Urteilens heraus akzeptiert habe. Daher kann es leicht passieren, daß es falsch ist. Hierzu gehören zum Beispiel : Jeder Raum, in dem sich überhaupt nichts findet, das meine Sinne bewegt, ist ein Vakuum ; In einem beispielsweise warmen Körper befindet sich irgendetwas, das der Idee der Wärme, die in mir ist, völlig gleicht ; In einem weißen oder grünen Körper befindet sich dieselbe weiße oder grüne Farbe, die ich sinnlich wahrnehme ; In etwas Bitterem oder Süßem befindet sich eben derselbe Geschmack, und ebenso bei dem Übrigen ; Gestirne, Türme und beliebige andere weit entfernte Körper weisen dieselbe Größe und Gestalt auf, die meine Sinne mir darstellen, und anderes dergleichen. Damit ich nun in diesem Zusammenhang alles ausreichend deutlich erfasse, muß ich genauer definieren, was ich eigentlich darunter verstehe, wenn ich sage, daß mir etwas von Natur gelehrt werde. Hier nämlich nehme ich Natur in engerem Sinne als Inbegriff alles dessen, das mir von Gott beigelegt worden ist. Nun ist in diesem Inbegriff vieles enthalten, was allein zu meinem Geist gehört, wie etwa, daß ich erfasse, daß das, was geschehen ist, nicht ungeschehen sein kann, und alles Übrige, das durch das Natürliche Licht bekannt ist, wovon hier aber nicht die Rede ist. Auch ist in diesem Inbegriff vieles enthalten, was sich allein auf den Körper bezieht, wie daß ein Körper nach unten tendiert und dergleichen, das ich hier ebenfalls nicht thematisiere ; sondern ich spreche hier allein über das, was mir von Gott beigelegt wurde, insofern ich aus Geist und Körper zusammengesetzt bin. Diese Natur lehrt zwar, vor dem zu flüchten, was eine Empfindung des Schmerzes, und das anzustreben, was eine Empfindung der Lust erregt, und dergleichen. Aber sie scheint uns keineswegs darüber hinaus auch noch zu lehren, wir dürften aus irgendwelchen solchen Sinneswahrnehmungen ohne vorhergehende Prüfung durch den Verstand auf außerhalb von uns vorhandene Dinge schließen. Denn es scheint dem Geist allein, nicht aber dem Zusammengesetzten zuzukommen, darüber etwas Wahres zu wissen. Auch wenn also ein Stern mein Auge nicht stärker affiziert als das Feu-
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er einer kleinen Funzel, liegt darin für sich genommen noch keine reale bzw. positive Neigung, glauben zu müssen, das Gestirn sei nicht größer als die Funzel, sondern dies habe ich ohne Begründung von Jugend an so beurteilt. Ebenso : Wenn ich Wärme empfinde, wenn ich mich einem Feuer nähere, oder sogar Schmerz, wenn ich mich ihm zu sehr nähere, gibt es wirklich keinen Grund, der darauf hindeutete, daß im Feuer irgendetwas dieser Wärme oder gar des Schmerzes Gleiches sei, sondern nur, daß im Feuer irgendetwas ist, was auch immer es letztlich sein mag, das in uns die Empfindung der Wärme oder des Schmerzes bewirkt. Auch wenn sich also in einem Raum nichts befindet, das den Sinn bewegt, so folgt daraus noch nicht, daß in diesem Raum kein Körper sei. Aber ich stelle fest : Ich bin gewohnt, in diesen und äußerst vielen anderen Fällen die Ordnung der Natur umzukehren. Denn die Sinneswahrnehmungen sind uns von der Natur eigentlich nur gegeben, um für den Geist kenntlich zu machen, wenn etwas für das Zusammengesetzte, von dem er ein Teil ist, angenehm oder unangenehm ist. Und insofern sind die Sinneswahrnehmungen klar und deutlich genug. Ich aber verwende sie gleichsam als sichere Regeln, um unmittelbar herauszufinden, was das Wesen der außerhalb von uns befindlichen Körper ist ; und das zeigen die Sinneswahrnehmungen freilich nur sehr dunkel und verworren an. Nun habe ich aber bereits früher hinlänglich durchschaut, auf welchem Weg es ungeachtet der Güte Gottes passiert, daß meine Urteile falsch sind. Hier findet sich aber eine neue Schwierigkeit in bezug auf das, was mir von der Natur gleichsam als zu verfolgen oder zu vermeiden dargestellt wird, und nicht weniger auch in bezug auf die inneren Sinne, in denen ich Irrtümer entdeckt zu haben meine : wie etwa, wenn jemand durch den angenehmen Geschmack eines Essens irrgeführt das darin verborgene Gift verzehrt. Nun – in diesem Fall wird er von der Natur nur dazu gedrängt, das zu begehren, worin ein angenehmer Geschmack enthalten ist, nicht aber das Gift, das ihm völlig unbekannt ist. Das einzige aber, was man hieraus schließen kann, ist, daß diese Natur nicht allwissend ist. Das ist aber nicht verwunderlich ;
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denn weil der Mensch ein begrenztes Ding ist, kommt ihm nur eine begrenzte Vollkommenheit zu. Indessen irren wir aber nicht selten auch in dem, wozu uns die Natur drängt, wie etwa, wenn Kranke ein Getränk oder ein Essen begehren, das ihren Zustand sehr schnell verschlechtern würde.1 Nun wird man hier vielleicht behaupten, daß diese Leute deswegen irren, weil ihre Natur beschädigt ist ; aber das hebt die Schwierigkeit nicht auf, weil ein kranker Mensch nicht weniger wahrhaftig ein Geschöpf Gottes ist als ein gesunder, und demnach scheint es nicht weniger widersprüchlich zu sein, daß ein kranker Mensch von Gott eine sich täuschende Natur erhalten habe ; wie ja auch eine aus Rädern und Gewichten angefertigte Uhr nicht weniger genau allen Gesetzen der Natur folgt, wenn sie schlecht hergestellt ist und die Stunden nicht richtig anzeigt, als wenn sie in jeder Hinsicht der Vorstellung des Technikers entspricht. Wenn ich nun den Körper des Menschen als eine aus Knochen, Nerven, Muskeln, Adern, Blut und Haut so ausgerüstete und zusammengesetzte Maschine betrachten würde, daß sie auch dann, wenn in ihr kein Geist existierte, dennoch genau dieselben Bewegungen aufwiese, die auch jetzt bereits nicht von einem Gebot des Willens und demnach nicht vom Geist herrühren : dann erkenne ich leicht, daß, wenn diese Maschine zum Beispiel von der Wassersucht befallen ist, sie dann an der Austrocknung des Rachens leidet, die gewöhnlich im Geist die Empfindung des Durstes erregt. Es wird für diese Maschine ebenso natürlich sein, die Nerven und die übrigen Teile genau so anzulegen, daß sie ein Getränk zu sich nimmt, aufgrund dessen sich die Krankheit vergrößert, wie sie von derselben Trockenheit des Rachens bewegt wird, ein ihr zuträgliches Getränk zu sich zu nehmen, wenn sie keinen solchen Fehler aufweist. Freilich könnte ich im Hinblick auf den Verwendungszweck der Uhr sagen, sie weiche von ihrer Natur ab, wenn sie die Stunden nicht richtig anzeigt, und in derselben Weise könnte ich – wenn ich die Maschinerie des menschlichen 1
Resp. II : 143, 18 ff.
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Körpers gleichsam als für die Bewegungen ausgerüstet betrachte, die gewöhnlich in ihr geschehen – meinen, die Maschine des menschlichen Körpers weiche von ihrer Natur ab, wenn ihr Rachen austrocknet, obwohl das Trinken nicht zur Erhaltung des Körpers beiträgt. Aber ich bemerke sehr wohl, daß sich die eine Auffassungsweise der Natur von der anderen sehr unterscheidet. Die letztere ist nämlich nichts anderes als eine von meinem Denken abhängende Benennung, durch die der kranke Mensch und die schlecht hergestellte Uhr mit der Idee des gesunden Menschen und richtig gebauten Uhr verglichen wird – und diese Benennung ist den Dingen, auf die sie angewandt wird, äußerlich. Durch die andere Auffassung hingegen mache ich mir etwas einsichtig, was tatsächlich in den Dingen angetroffen wird, und demnach einen Anteil an Wahrheit aufweist. Wenn es nun auch sicherlich im Hinblick auf den an Wassersucht leidenden Körper nur eine äußerliche Benennung ist, wenn man sagt, seine Natur sei beschädigt, weil sein Rachen trocken ist, ohne daß er ein Getränk benötigt, so ist es im Hinblick auf das Zusammengesetzte, bzw. auf den mit dem Körper vereinten Geist keine bloße Benennung, sondern ein wirklicher Irrtum der Natur, daß er Durst verspürt, wenn ein Getränk ihm schädlich ist. Es bleibt hier daher zu erforschen, inwiefern die Güte Gottes nicht hindert, daß die so verstandene Natur täuschend ist. Hierzu stelle ich Folgendes fest. Erstens : Zwischen dem Geist und dem Körper besteht ein großer Unterschied darin, daß der Körper von seiner Natur her stets teilbar ist, der Geist aber völlig unteilbar. Denn wenn ich den Geist, bzw. mich selbst betrachte, insofern ich lediglich ein denkendes Ding bin, kann ich tatsächlich in mir keine Teile unterscheiden, sondern ich sehe ein, daß ich ein durchaus einziges und vollständiges Ding bin. Und obwohl der gesamte Geist mit dem gesamten Körper vereint zu sein scheint,1 erkenne ich, daß auch dann dem Geist nichts entzogen ist, wenn ein Fuß, ein Arm oder ein beliebi1
Obj. V : 339, 18–20.
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ger anderer Teil des Körpers abgetrennt ist. Auch kann man das Vermögen des Wollens, das Vermögen der Empfindung, das Einsichtsvermögen usw. nicht als seine Teile ansprechen, weil es ein und derselbe Geist ist, der will, der sinnlich wahrnimmt, der einsieht. Dagegen kann ich mir aber kein körperliches, bzw. ausgedehntes Ding denken, das ich nicht leicht im Denken in Teile teilen könnte. Eben dadurch aber sehe ich ein, daß es teilbar ist. Dies allein würde ausreichen, mich zu lehren, daß der Geist vom Körper völlig verschieden ist, wenn ich dies nicht bereits von woandersher hinlänglich wüßte. Zweitens stelle ich fest : Der Geist wird nicht von allen Teilen des Körpers unmittelbar affiziert, sondern lediglich durch das Gehirn, vielleicht sogar auch nur von einem winzigen Teil des Gehirns,1 nämlich von dem, in dem sich, wie man sagt, der Gemeinsinn befindet. Dieser Gemeinsinn stellt dem Geist immer dann, wenn er auf dieselbe Weise angelegt ist, dasselbe dar, und zwar auch dann, wenn die übrigen Teile des Körpers sich davon unabhängig vielleicht auf ganz verschiedene Weisen verhalten, was unzählige Experimente nachweisen, die hier durchzugehen nicht nötig ist. Drittens stelle ich fest : Es ist die Natur des Körpers, daß keiner seiner Teile von irgendeinem der weiter außen befindlichen Teile bewegt werden kann, ohne daß derselbe Teil nicht auch auf dieselbe Weise von irgendeinem der dazwischen liegenden Teile bewegt werden könnte, selbst wenn der weiter außen befindliche Teil gar nicht auf ihn einwirkt. Zum Beispiel : Wenn man bei dem Strick A, B, C, D dessen letzten Teil D zieht, dann wird der Teil A genau so bewegt, wie er sich auch bewegen würde, wenn man einen der dazwischen liegenden Teile B oder C zieht, und D ganz unbewegt wäre. Die Physik lehrt mit einer durchaus vergleichbaren Begründung, daß, wenn ich im Fuß Schmerz empfinde, diese Empfindung mit Hilfe der im Fuß verteilten Nerven geschieht, und daß diese Nerven, weil sie sich vom Fuß ununterbrochen gleichsam wie ein Strick bis 1
Obj. V : 339, 11–13.
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zum Gehirn erstrecken, wenn sie im Fuß gezogen werden, auch die innersten Teile des Gehirns ziehen, bis zu denen sie sich erstrecken, und in ihnen eine bestimmte Bewegung auslösen, die von der Natur so eingerichtet ist, daß sie im Geist die Empfindung eines gleichsam im Fuß existierenden Schmerzes affiziert. Weil diese Nerven jedoch durch den Unterschenkel, das Bein, die Lenden, den Rücken und den Hals hindurchgehen müssen, um vom Fuß bis zum Gehirn zu gelangen, kann es passieren, daß auch dann, wenn der im Fuß befindliche Teil dieser Nerven gar nicht berührt wird, statt dessen aber einer der dazwischenliegenden, sich im Gehirn eben dieselbe Bewegung vollzieht wie durch einen erkrankten Fuß – und deshalb wird der Geist notwendig denselben Schmerz empfinden, und dasselbe gilt für alle anderen Empfindungen. Und zuletzt stelle ich fest : Jede einzelne der Bewegungen, die sich in jenem Teil des Gehirns vollziehen, der unmittelbar den Geist affiziert, erregt im Geist jeweils nur eine einzige Empfindung. Deshalb kann man sich in diesem Zusammenhang nichts besseres ausdenken, als daß diese den Geist unmittelbar beeinflussende Bewegung in ihm von allen Empfindungen, die sie erregen kann, gerade die erregt, die am meisten und häufigsten zur Erhaltung der Gesundheit des Menschen beiträgt. Die Erfahrung aber bezeugt, daß alle uns von der Natur eingegebenen Empfindungen von dieser Art sind ; und demnach trifft man in ihnen nichts an, was nicht die Macht und Güte Gottes bezeugen würde. Zum Beispiel : Wenn die im Fuß befindlichen Nerven heftiger und mehr als gewöhnlich bewegt werden, gibt diese durch die Wirbelsäule bis in das Innerste des Gehirns fortlaufende Bewegung dem Geist das Signal, etwas zu empfinden, nämlich einen gleichsam im Fuß existierenden Schmerz, durch den im Geist ausgelöst wird, dessen Ursache, da sie dem Fuß schadet, nach Möglichkeit zu entfernen. Freilich hätte die Natur des Menschen von Gott auch so eingerichtet werden können, daß dieselbe Bewegung im Gehirn dem Geist irgendetwas anderes darstellen würde : nämlich entweder diese Bewegung selbst, insofern sie im Gehirn ist, oder im Fuß, oder in irgendeinem der
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dazwischenliegenden Orte ; oder schließlich auch irgendetwas beliebiges anderes. Nichts davon hätte jedoch vergleichbar gut zur Erhaltung des Körpers beigetragen. Auf dieselbe Weise entsteht in der Kehle eine die Nerven der Kehle und mit deren Hilfe die inneren Nerven des Gehirns bewegende Trockenheit, wenn wir trinken müssen. Diese Bewegung affiziert im Geist die Empfindung des Durstes, weil nichts in dieser ganzen Angelegenheit nützlicher für uns ist, als zu wissen, daß wir zur Erhaltung der Gesundheit trinken müssen, und ebenso mit dem Übrigen. Aufgrund all dessen ist es ganz offenkundig, daß die Natur des Menschen, insofern sie aus Geist und Körper zusammengesetzt ist, ungeachtet der unermeßlichen Güte Gottes gar nicht anders als zuweilen täuschend sein kann. Denn wenn irgendeine Ursache, die keineswegs im Fuß liegt, sondern in irgendeinem von den Teilen, vermittels derer sich die Nerven vom Fuß bis zum Gehirn erstrecken, oder die sogar im Gehirn selbst liegt, genau dieselbe Bewegung auslöst wie gewöhnlich ein erkrankter Fuß, dann empfindet man einen Schmerz gleichsam als ob er im Fuß ausgelöst würde, und diese Empfindung täuscht natürlich. Denn weil dieselbe Bewegung im Gehirn im Geist immer nur dieselbe Empfindung erregen kann, diese Empfindung aber gewöhnlich sehr viel häufiger durch eine Ursache entsteht, die den Fuß verletzt, als durch irgendeine sonstwo existierende, entspricht es der Vernunft, daß sie dem Geist zunächst immer den Schmerz des Fußes darstellt als den irgendeines anderen Teils. Und wenn irgendwann einmal die Austrocknung des Rachens nicht wie gewöhnlich deswegen entsteht, weil Trinken für die Gesundheit des Körpers nötig ist, sondern aus irgendeiner entgegengesetzten Ursache, wie es bei einem Wassersüchtigen passiert, ist es weitaus besser, daß die Empfindung in diesem Fall täuscht, als wenn sie statt dessen immer täuschte, wenn der Körper in einer guten Verfassung ist ; und ebenso bei dem Übrigen. Diese Betrachtung trägt nun nicht nur viel dazu bei, alle Irrtümer zu bemerken, denen meine Natur ausgesetzt ist, sondern
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sie trägt auch dazu bei, daß ich sie entweder leicht verbessern oder ganz vermeiden kann. Denn tatsächlich : Da ich weiß, daß alle sinnlichen Wahrnehmungen in bezug auf das, was den Vorteil für den Körper betrifft, sehr viel häufiger das Wahre als das Falsche anzeigen,1 und ich fast immer mehrere sinnliche Wahrnehmungen verwenden kann, um dasselbe Ding zu prüfen, und darüber hinaus auch das Gedächtnis, das das Gegenwärtige mit dem Vorhergehenden verknüpft, sowie den Verstand, der nunmehr alle Ursachen des Irrens durchschaut hat : so muß ich mich nicht länger mit Bedenklichkeiten herumplagen, ob etwa das, was mir täglich durch sinnliche Wahrnehmungen dargestellt wird, falsch sei.2 Statt dessen können die hyperbolischen Zweifel3 der vorangegangenen Tage als lächerlich verworfen werden, und zwar insbesondere jener höchstmögliche Zweifel über den Traum, den ich nicht vom Wachzustand unterschied. Denn jetzt stelle ich fest, daß zwischen Traum und Wachzustand darin ein sehr großer Kontrast besteht, daß die Traumbilder niemals mit allen übrigen Aktionen des Lebens so durch das Gedächtnis verbunden werden,4 wie die, die sich den Wachenden darbieten.5 Tatsächlich würde ich doch, wenn mir, während ich wache, jemand urplötzlich erscheint und sofort danach wieder verschwindet – nämlich so, wie es in Träumen geschieht, daß ich weder sehe, von woher er kommt, noch, wohin er fortgeht – doch wohl nicht zu Unrecht urteilen, daß dies eher eine bloße Vorspiegelung oder ein in meinem Gehirn selbst ausgebildetes Trugbild als ein wahrer Mensch sei. Wenn sich mir aber Dinge darbieten, von denen ich deutlich feststelle, von woher, wo und wann sie mir erscheinen, und deren Erfassung ich ohne irgendeinen Bruch mit dem gesamten übrigen Leben verknüpfe, bin ich völlig sicher, daß sie sich nicht in Träumen, sondern dem Wachenden darbieten. Auch darf ich ihre Wahrheit nicht im Geringsten bezweifeln, wenn mir, nachdem ich alle Sinne, das Gedächtnis und den Verstand in Anspruch genommen habe, 1
Obj. V : 345, 13–16. 4 Obj. III : 195, 16–19.
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um sie zu prüfen, von keinem von diesen irgendetwas gemeldet wird, was den übrigen widerspräche. Daraus nämlich, daß Gott kein Schwindler ist, folgt, daß ich mich in solchen Dingen überhaupt nicht täusche.1 Weil aber die Notwendigkeit, Dinge zu tun, nicht immer den Aufschub einer solch sorgfältigen Prüfung gestattet, muß eingeräumt werden, daß das menschliche Leben in bezug auf besondere Dinge oft Irrtümern ausgesetzt ist, und man muß die Unzulänglichkeit unserer Natur anerkennen.2
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ANA LY TISC HE S YNOP SIS
Die Seitenangaben verweisen auf die Seitenzahlen und Zeilenangaben von AT. Schreiben an die Sorbonne : Abgrenzung von Philosophie, Theologie und Glaube ; Notwendigkeit, die Ungläubigen durch Beweise von der Unsterblichkeit der Seele und der Existenz Gottes zu überzeugen [1,6] – Beweis der Unterschiedenheit von Seele und Körper ; Verknüpfung der Frage nach Gott mit der Frage nach der Unterschiedlichkeit von Geist und Körper ; die Haltung der Ungläubigen dazu ; Descartes’ Motivation und Methode [2, 31] – Stichhaltigkeit der Cartesischen Beweise ; Vergleich von Metaphysik und Geometrie im Hinblick auf die Verständlichkeit ihrer Beweise und Beweisverfahren [4,1] – Descartes bittet die Professoren der Sorbonne um Unterstützung [5,10] Vorwort an den Leser : Gott und der menschliche Geist sind die Themen der Meditationes, und zwar in Wiederaufnahme des Abrisses im Discours de la Méthode [7,1] – Zwei Einwände gegen das, was Descartes bereits im Discours zu diesen Themen gesagt hat [7,14] ; (1) Die Selbstbestimmung des Geistes als Denken ist nicht gleichbedeutend mit dem Aufweis, daß das Wesen des Geistes Denken ist. Antwort Descartes’ darauf [7,20] ; (2) Die Existenz der Idee Gottes ist nicht gleichbedeutend mit dem Nachweis seiner Existenz. Antwort Descartes’ darauf [8,16] – Verhältnis Descartes’ zu den Schriften anderer zu diesen Themen und sein Umgang damit ; das grundsätzliche Verfahren der Meditationes ; die Einwände und Erwiderungen [8,29] Übersicht über die sechs folgenden Meditationen : Die von Descartes selbst verfaßte thematische Inhaltsübersicht über die Meditationes
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1. Meditation : Günstige Gelegenheit zum Umsturz der Meinungen [17,2] – Umsturz der Prinzipien [18,4] – Zweifelhaftigkeit dessen, was durch die äußeren Sinne vermittelt ist [18,15] – Unterscheidung von entfernten und nah bei mir liegenden Dingen ; Zweifelhaftigkeit auch der nah bei mir liegenden Dinge [18,19] – Traumargument : Empirische Nichtunterscheidbarkeit von Traumund Wachzustand [19,8] – Unterscheidung von konkreten empirischen Erscheinungen und universellen Allgemeinheiten [19,23] – Wahrheit der Kategorien [20,15] – Unterscheidung empirischer und mathematischer Wissenschaften und ihrer Verläßlichkeit [20, 20] – Idee eines allmächtigen Gottes beinhaltet die Möglichkeit, daß er mich immer täuscht [21,1] – Fiktivität des täuschenden Gottes ; je weniger mächtig das Wesen ist, das mich geschaffen hat, desto wahrscheinlicher ist es, daß ich mich immer täusche [21,17] – Radikaler Zweifel : Willentliche Verkehrung des gewohnten Grundsatzes, daß die alten Ansichten zwar zweifelhaft, aber glaubhaft sind, in sein Gegenteil ; theoretische Ausrichtung des radikalen Zweifels, Ausschluß der Praxis [22,3] – Genius Malignus [22,23] 2. Meditation : Rückblick auf die 1. Meditation [23,22] – Erneute Einnahme der Position des radikalen Zweifels [24,14] – Der Grundsatz Ich bin, ich existiere ist immer dann wahr, wenn ich ihn ausspreche oder denke [24,19] – Wer bin ich ? [25,14] – Rückblick auf das frühere Selbstverständnis als Kompositum von Körper und Seele ; Bestimmung der Seele als feiner Stoff, Bestimmung des Körpers als räumliche Gestalt, die sich bewegt oder bewegt werden kann [25,25] – Gegenwärtige Auffassung meiner selbst : Ausschluß alles Körperlichen und Bestimmung meiner selbst als denkendes Ding [26,24] – Was ich bin, kann nicht durch Anschauung bestimmt werden [27,18] – Ausdifferenzierung der Bestimmung als denkendes Ding [28,20] – Unterscheidung von inhaltlicher Wahrheit dessen, was gedacht wird (und falsch sein kann), und dem Akt des Denkens selbst (der unbestreitbar ist) [28,23] – Diskrepanz zwischen der detaillierten Kenntnis der körperlichen Dinge und der inhaltlichen Unbestimmtheit des Denkens [29,
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19] – Wachsbeispiel 1 : Wenn alle konkreten, sinnlich erfaßbaren Eigenschaften des Wachses wechseln, und es trotzdem als Wachs bestimmt werden kann, wird das Wachs nicht durch die Sinne als solches bestimmt [30,3] – Wachsbeispiel 2 : Auch über die abstrakten sinnlichen Eigenschaften des Wachses (Gestalt) läßt sich das Wachs nicht bestimmen, also nicht durch Anschauung, sondern nur durch Einblick [30,26] – Die allgemeine Ansicht, Dinge würden durch Ansehen bestimmt, ist bloß eine ungenaue Redensart [31,29] – Der Einblick des Geistes ist deutlicher als die sinnliche Auffassung [32,13] – Auswertung des Wachsbeispiels für die Selbsterkenntnis des Geistes : Jede empirische Erkenntnis ist immer auch Selbsterkenntnis des Geistes [33,13] – Nichts kann leichter und evidenter erfaßt werden als der Geist [33,30]. 3. Meditation : Beginn der inhaltlichen Selbsterkenntnis des Geistes, seine Tätigkeiten und die prinzipielle Zugehörigkeit aller empirischen Erkenntnis zu ihm [34,12] – Frage nach einer Regel, derzufolge ich mir der Wahrheit von Dingen gewiß sein kann : Alles ist wahr, das ich äußerst klar und deutlich erfasse [35,3] – Aufweis der Ansicht als Vorurteil, daß die Ideen der Dinge von den Dingen außerhalb von mir stammen und deshalb ihre Existenz beweisen [35,16] – Der Zweifel an den mathematischen Wahrheiten beruht auf dem hyperbolischen Zweifel, daß ein böswilliger Dämon mich täuscht ; Aufwurf der Frage nach der Existenz Gottes und ob er ein Betrüger sein kann [35,30] – Einteilung der Gedanken in Ideen und Formen, der Formen in Willensakte und Urteile [36,30] – In den Willensakten gibt es keine Falschheit, sondern nur in den Urteilen ; die häufigste Falschheit : Das Urteil, daß den Ideen außerhalb des Denkens Dinge entsprechen, denen sie ganz gleichen [37,13] – Einteilung der Ideen in angeborene, erworbene und von mir selbst erzeugte [37,29] – Herleitung der falschen Ansicht von der Ähnlichkeit der Ideen mit äußeren Dingen : Sie hängen nicht vom Willen ab [38,11] – Unterscheidung zwischen natürlichem Antrieb, etwas zu glauben, einerseits und : etwas durch das Natürliche Licht erkennen anderseits ; der natürliche Antrieb führt in die Irre [38,23] – Daß die Ideen nicht von
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meinem Willen abhängen, beweist nicht, daß sie von äußeren Dingen herkommen [39,6] – Selbst wenn sie von äußeren Dingen herkommen, müssen sie ihnen nicht notwendig ähnlich sein ; Beispiel der beiden Ideen der Sonne [39,15] – Zusammenfassung [39,30] – Die Ideen unterscheiden sich nicht, insofern sie meine Ideen sind, wohl aber, insofern sie Unterschiedliches repräsentieren ; die Realität (Sachgehalt) der Ideen [40,5] – Eine hinreichende bewirkende Ursache muß dieselbe Realität beinhalten wie ihre Wirkung ; aktuelle und formale Realität ; formales oder eminentes Enthaltensein ; objektive Realität [40,21] – Die objektive Realität in meinen Ideen verweist auf eine Ursache, in der diese Realität formal vorliegt ; deshalb kann keine Idee irgendetwas Größeres oder Vollkommeneres enthalten als ihre Ursache [41,30] – Wenn die objektive Realität einer meiner Ideen so groß sein sollte, daß sie nicht mich als Ursache haben kann, dann muß ihre Ursache außerhalb von mir liegen [42,16] – Kandidaten für eine solche Idee : die Ideen von Ich, Gott, nicht-lebendigen Körpern, Engeln, Tieren, Menschen [42,29] – Ausschluß der Ideen von Menschen, Tieren und Engeln [43,5] – Ausschluß der Ideen von körperlichen Dingen ; Unterscheidung von deutlich und undeutlich Erfaßtem an diesen Ideen : alles den Kategorien zuzuordnende ist deutlich, alles Empirische undeutlich [43,10] – Selbst wenn die Ideen körperlicher Dinge nichts repräsentieren, können sie von mir stammen, weil sie dann auf einen Mangel meinerseits zurückführbar sind [44,9] – das an den Ideen körperlicher Dinge deutlich Erfaßte (Kategoriale) kann von der Idee meines Ichs entlehnt worden sein [44, 18] – die Idee Gottes [45,9] – Gott als unendliche Substanz kann nicht von mir, einer endlichen Substanz, entlehnt sein [45,19] – das Unendliche wird durch eine wahre Idee erfaßt, nicht bloß durch die Negation des Endlichen [45,23] – die Idee Gottes kann nicht aus dem Nichts hervorgegangen sein, da sie ganz klar und deutlich ist und mehr objektive Realität enthält als irgendeine andere [46,5] – Aufwurf der Möglichkeit, daß mein Ich mehr enthält, als ich gegenwärtig erkenne [46,29] – Abweis dieser Möglichkeit. Meine Erkenntnis ist nur potentiell unendlich, die Idee Gottes aber ist aktuell unendlich [47,9] – Aufwurf der Frage, ob ich die
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Idee Gottes besitzen könnte, wenn Gott nicht existierte [47,24] – Kandidaten für den Ursprung meiner Existenz : Ich selbst, meine Eltern oder etwas, das nicht so vollkommen ist wie Gott [48,3] – Wenn ich durch mich selbst wäre, hätte ich mir alle Vollkommenheiten verliehen, die mir jetzt fehlen [48,7] – Zeitargument : Da die Abschnitte der Zeit nicht kausal miteinander verkettet sind, ist für meine Erhaltung in der Zeit ein ständige Neuerschaffung notwendig [48,25] – Ich verfüge nicht über die Kraft, mich ständig neu zu erschaffen [49,12] – Wenn ich durch etwas geschaffen bin, das weniger vollkommen ist als Gott, ergibt sich ein Regreß, der letztlich bei Gott endet [49,21] – Es kann hierbei keinen unendlichen Regreß geben [50,7] – Abweis der Vorstellung des Zusammenwirkens mehrerer Teilursachen [50,11] – die Eltern sind lediglich materielle Ursache meiner Existenz, jedoch nicht als denkendes Ding [50,25] – die Idee Gottes ist angeboren [51,6] – die Idee Gottes in mir ist gleichsam wie ein Kennzeichen des Technikers an seinem Werk ; Zusammenfassung des Hauptarguments : Ich könnte niemals als jemand existieren, der über die Idee Gottes verfügt, wenn es Gott nicht gäbe ; deshalb kann Gott auch kein Betrüger sein [51,15] – Ausklang [52,10] 4. Meditation : Resumé des bislang Erreichten und erster Aufwurf der Frage, wie man von der gesicherten Erkenntnis des Ichs und Gottes zu der Erkenntnis anderer Dinge gelangen kann [52, 23] – Das kann durch Gott geschehen, denn Gott betrügt nicht [53,23] – Mein Urteilsvermögen stammt von Gott [53,10] – Einwand : Dann muß der menschliche Irrtum erklärt werden. Der menschliche Irrtum als Mangel [54,4] – Konkretisierung : Der Irrtum ist keine Negation, sondern eine Privation. Das Problem der Vereinbarkeit von menschlicher Fehlerhaftigkeit mit der Güte Gottes [54,31] – Gottes Beweggründe sind letztlich nicht einsehbar ; Abweis der Teleologie [55,14] – Man muß Gottes Werk insgesamt beurteilen, nicht bloß einen Teil [55,27] – Erklärung des Irrtums aus der Unterschiedlichkeit von Erkenntnisvermögen und Willkür ; Problem der Vereinbarkeit von Freiheit und In-derErkenntnis-gezwungen-Sein ; Indifferenz als niedrigster Grad der
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Freiheit [56,9] – Ursprung des Irrtums in der unterschiedlichen Extension von Verstand und Wille [58,14] – Beispiel dazu : Der hyperbolische Zweifel ; Freiheit und Indifferenz des Willens sind einander gegenläufig [58,26] – Deshalb ist der Wille umso indifferenter, je mehr sich sein Gegenstand dem Verstand entzieht [59,15] Urteilsenthaltsamkeit ist eine Maßnahme im Zustand der Indifferenz ; Irrtum ist die Umkehrung des Prinzips, daß die Erfassung des Verstandes der Bestimmung des Willens vorangehen muß ; diese Umkehrung ist nicht auf Gott zurückzuführen [59, 28] – Vereinbarkeit des Irrtums mit Gott [60,11 ff.] – Abschluß [62,8] 5. Meditation : Erneuter Aufwurf der Frage nach der Existenz anderer Dinge [63,4] – Einteilung der Ideen nach Deutlichkeit/ Verworrenheit [63,12] – Deutlichkeit der Prädikabilien, denen die äußeren Dinge unterliegen [63,16] – Deutlich sind auch die Einzelheiten, die in diesen Prädikabilien jeweils mitgedacht werden [63,22] – Es gibt Ideen, die selbst dann wahr sind, wenn ihnen keine Gegenstände außerhalb des Geistes entsprechen sollten [64, 6] – Dazu zählen alle Gegenstände der Mathesis abstracta [64,25] – Übertragung auf die Idee Gottes [65,16] – Widerlegung des 1. Gegenarguments : In bezug auf Gott ist der Unterschied zwischen Wesen und Existenz nicht statthaft ; die Berg-und-Tal-Metapher [66,2 f.] – Widerlegung des 2. Gegenarguments : Wer Gott denkt, spricht ihm unausweichlich Existenz zu [67,12] – Vorurteile und Verhaftetsein in den Sinnen als Grund, weswegen Gott wie ein beliebiges anderes Ding gedacht wird [68,21] – Abhängigkeit der Gewißheit anderer Dinge von der Erkenntnis Gottes [69,10] – Begründung aus dem Unvermögen des Geistes, sich immer alle Begründungen gegenwärtig zu halten [69,16] – Gott als Garant der Gewißheit alles klar und deutlich Erfaßten [70,10 f.] 6. Meditation : Letzter Aufwurf der Frage nach der Existenz materieller Dinge [71,13] – Unterscheidung von Anschauung und reiner Einsicht anhand des Beispiels eines verworren angeschauten, aber deutlich eingesehenen Polygons [72,4] – Die Kraft, vorzu-
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stellen gehört nicht zum Wesen meines Geistes, sondern resultiert aus dessen Verbundenheit mit dem Körper [73,5] – Aufwurf der Frage nach der sinnlichen Wahrnehmung [74,1] – Alte Ansichten über die sinnliche Wahrnehmung [74,17] – Gründe, die das Vertrauen in die Wahrheit naiver sinnlicher Urteile erschüttert haben [76,21] – Gegenwärtige Haltung zu diesem Thema : Ich habe eine klare und deutliche Idee meiner selbst als denkendes Ding und eine klare und deutliche Idee des Körpers als ausgedehntes Ding [77,28 f.] – Herleitung der Existenz körperlicher Dinge aus dem Auftreten von Ideen sinnlicher Dinge : Sie können nicht aus mir stammen, aber, vermittelt durch die Wahrhaftigkeit Gottes, aus den sinnlichen Dingen selbst [78,21] – Wahrheitsgehalt empirischer Besonderheiten ; Naturbegriff [80,11] – Vereinigung von Geist und Körper (Seemann-Schiff-Metapher) [80,27 f.] – Existenz anderer Körper, die ich als angenehm oder unangenehm wahrnehme [81,15] – Unreflektierte Allgemeinplätze aufgrund von Sinneswahrnehmungen und ihre Motivation [82,1] – Erklärung der Handlungen, durch die der Mensch sich selbst ungewollt schadet ; 1. aus der Unvollkommenheit des Menschen [83,24] – 2. aus dem Vergleich des Menschen mit einer Maschine [84,8] – Vereinbarkeit des Der-Täuschung-unterworfen-Seins mit der Güte Gottes [85,18] – 1. Der Körper ist teilbar, der Geist nicht [85, 28] – 2. Rolle der Zirbeldrüse und des Gemeinsinns [86,16] – 3. Mechanische Erklärung der Sinneswahrnehmung [86,24] – Verkettung eines (mechanischen) Aktes der Sinneswahrnehmung mit genau einer standartisierten (geistigen) Wahrnehmung [87,19] – Unausweichlichkeit der Täuschung im Falle einer Beschädigung [88,19] – Zusammenfassung ; Widerlegung des Traumarguments [89,8].
S AC HREGIS TER
(An-) Dauer (duratio) 43–45, 63. Abbild (similitudo) 9, 37, 38, 51, 57. A Absicht (ratio) 1. Affekt (affectus) 9, 37, 74, 76. Akt (actus) 60. Aktualität (ad actum reducere = zur Aktualität gelangen) 47. Akzidenz (accidens) 14, 40, 48. Alltagsleben (consuetudo vitae) 23. allwissend (omnicus) 40, 84. Anblicken (visio) 31, 32. andauern (durare) 20, 49. angeboren (innatus) 37–39, 51. Anlage (dispositio) 50. Anschauung (imaginatio) 15, 28, 29, 31, 34, 71–74 ; in der Anschauung vorstellbar (imaginabilis) 53. Anschauungskraft (potentia imaginatrix) 32. Anschein (species) 66. Äquivokation (aequivocatio) 8. Archetyp (archetypon) 42. Argument (argumentum) 3, 8, 9, 21, 42, 47, 51, 53, 65, 73, 74. Arithmetik (Arithmetica) 20, 65 ; arithmetischer Sachverhalt (res arithmetica) 35. Art (genus) 20, 37, 55, 58. Astronomie (Astronomia) 20, 39. Atheist (Atheus) 6, 8, 9. Attribut (attributum) 52, 63. Ausdehnung (extensio) 20, 24, 31, 43, 45, 63, 74, 79. ausgedehnt (extensus) 20, 21, 31, 44, 53, 78, 79, 86, 87. Ausübung (usus) 60. Automat (automatum) 32. Bedeutung (significatio) 27. Begriff (conceptus) 13, 44, 78, 79. Be- B gründung (ratio) 3–6, 9, 10, 15, 18, 38, 56, 76, 80, 83, 87. Benennung (denominatio) 85. Berechnung (ratio) 39. Berührung (tactio) 31. bestimmen (determinare) 9, 57, 64, 67. Bestimmung (determinatio) 60. Betrachtung (consideratio) 20, 69, 89. Betrug (deceptio) 52, 53. Betrüger (deceptor) 23, 25, 26, 36. Beweis (demonstratio) 3–6, 70. beweisen (demonstrare) 1, 3, 13, 15, 39, 51, 64, 65, 70. bewußt (conscius) 49. Bild (imago) 19, 20, 28, 29, 34, 27, 40, 42, 47, 51, 57, 68, 69. Blick (obtutus) 64, 69. boshaft (malignus) 22, 26. Chimäre (chimaera) 37.
christlich (Christianus) 3.
C
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s ac h r eg is t e r
D definieren (definire) 82.
Denken (cogitatio) 20, 26, 27, 29, 34, 37, 38, 41, 46, 53, 58, 63–69, 75, 85, 86 ; durch das Denken antippen (cogitatione attingere) 46, 52. Disziplin (disciplina) pl. 20.
E Eigenschaft (proprietas) 64, 65, 72. Einblick (inspectio) 31, 32. Einfluß (potestas) 23. Einheit (unitas) 50. Einschränkung (terminatio) 43. Einsicht (intellectio) 15, 72, 73, 78, 79. Einwilligung (consensus) 75. Eltern (parentes), Elternteil (parens) 48–50. eminent (eminens, eminenter) 41, 42, 45, 46, 79. empfinden (sentire) 29, 38, 57, 74–77, 80, 81, 83, 87, 88. Empfindung (sensus) 74, 76, 81–84, 87, 88. endlich (finitus) 45, 46. Endliche, das 45. Entstehung (origo) 21, 38, 77. erblicken (intuere) 19, 36, 52, 72, 73. Erdichtung (figmentum) 27. Erfahrung (experientia) 87. Erfassung (perceptio) 8, 22, 30–33, 35, 45, 60–62, 90. Erhaltung (conservatio) 49, 85, 87, 88. Erkenntnis (cognitio) 2, 10, 15, 16, 25, 34, 35, 47, 48, 53, 55, 57–59, 61, 62, 71. Erkenntnis, endliche (cognitio finita) 61 ; reine und abstrakte Erkenntnis (pura et abstracta mathesis) 65 ; reine Erkenntnis (pura mathesis) 71, 74, 80. Erklärung (explicatio) 5, 7, 13. Ermessen, menschliches (ratio humana) 3. Erschaffung (creatio) 49. Erscheinung (visum) 19. evident (evidens) 4, 10, 16, 25, 28, 29, 32–34, 36, 49, 51, 53, 58, 61, 65, 69–71. Evidenz (evidentia) 4. Existenz (existentia) 2, 6, 9, 12, 14, 15, 42, 48, 53, 55, 65–69, 71, 74. Experiment (experimentum) 76, 87. F Falschheit (falsitas) 15, 20, 37, 43, 46, 54, 61, 62, 80. Farbe (color) 20, 22, 30, 32, 43, 74, 75, 81. fehlgehen (peccare) 5, 58. Figur (figura) math. 64, 65, 67, 68, 72, 80. finden/vorfinden (invenire) 10, 39, 57, 64, 65, 73, 78 ; fündig werden 27. Form (forma) 20, 32, 37, 60, 64. formal (formalis, formaliter) 41–43, 45–47, 57, 61, 78, 79. Freiheit (libertas) 12, 23, 58, 61. Freude (laetitia) 76. Fundament (fundamentum) 12, 17, 18. Funktion (ratio) 56. G Gattung (genus) 55. Gaukelei (ludificatio) 22. Gebot (imperium) 84. Gedächtnis (memoria) 24, 34, 61, 69, 74, 75, 89, 90. Gedanke (cogitatio) 10, 19, 24, 25, 35, 37, 44, 48, 67, 76. Gefüge (compages) 27. Gegenteil (contrarium) 3, 22, 59. Gegenwart (tempus praesens, praesens) 50. Gehalt (artificium) 14. Gehirn (cerebellum) 19 ; (cerebrum) 86–88, 90. Gehör (auditus) 26, 30. Geist, endlicher (mens
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fina) 9. Geist (ingenium) (der Mensch als Träger der Geisteskraft) 7. Geist (mens) 2, 4–6, 9, 12–17, 21, 23, 25, 27–29, 31–36, 50, 52, 63–65, 67, 69, 71, 73, 81–89 ; menschlicher Geist (humana mens) 3, 7, 9, 32, 53 ; einfallen (venire in mentem) 10, 36, 75. Geisteskraft (ingenium) 4–6, 10, 16, 52, 53. geistreich (ingeniosus) 6. Gelehrsamkeit (doctrina) 10. Gemeinsinn (sensus communis) 32, 86. Gemüt (animus) 14, 27, 73, 76. Genius (genius) 22. Geometrie (Geometria) 4, 5, 20, 65, 69. Geometriker (Geometra) 13. Geräusch (strepitus) 29, 38. Geruch (odor) 30, 43, 75, 81. Geruchssinn (odoratus) 26, 30. Gesamtheit der Dinge (universitas rerum) 55, 56, 61. Geschmack (sapor) 30, 43, 74, 75, 81–84. Geschmackssinn (gustus) 26, 30. Geschöpf (creatura) 55, 79, 84. Gesetz (lex) 84. Gestalt (figura) phys. 14, 20–22, 24, 26, 28, 30–32, 43, 45, 63, 64, 74, 78, 82. Gesundheit (valetudo) 88, 89. Gewißheit (certitudo) 4, 15, 65, 69, 71. Gewohnheit (consuetudo) 4, 22, 34, 35, 72, 82. Gift (venenum) 83, 84. Glaube (fides) 2, 3, 5, 15, 52. Gläubige, der (fidelis) 1. Glück (foelicitas) 52. Gott (Deus) 1–7, 9, 14–16, 21, 22, 24, 34, 36, 37, 40, 43, 45– 58, 60–63, 65–71, 78–80, 82–85, 87, 88, 90. göttlich (divinus) 52, 58. Gottlose, der (impius) 3. Grenze (limes) 29, 56, 58. Größe (magnitudo) 20, 21, 30, 43, 63, 66, 80, 82. Grund (ratio) 15, 18, 21, 25, 36, 55, 58, 60, 69, 70, 75, 77, 83 ; Erkenntnisgrund 33, 45 ; Gegengrund (ratio contraria) 70 ; Zweifelsgrund/Grund des Zweifelns (ratio dubitandi) 36 ; Beweisgrund (ratio probandi) 68. Grundbegriff (notio) 39. Grundsatz (pronuntiatum) 25. Grundsatz (ratio) 18. Gut nur substantivische Bedeutungen das Gute, das Gut, die Güte i. S. v. »Gutheit« (bonus) 15, 39, 58. Güte (bonitas) 21, 83, 85, 87, 88. Hauch (halitus) 27. Hauptargument (argumentum praecipuum) 14. H Heiterkeit (hilaritas) 74. herausfinden (invenire) 3, 4, 22, 24. Hoffnung (spes) 13, 80. hyperbolisch (hyperbolicus) 89. Idee (idea) 8, 14, 15, 35, 37–54, 56, 57, 59, 63–68, 73, 75, 78, 79, 82, 85. I Illusion (illusio) 23. Impuls (impulsus) 40. Inbegriff (complexio) 80, 82. indifferent (indifferens, indifferenter) 58, 59. Indifferenz (indifferentia) 58, 59. irreführen (deludere) 19, 26, 29, 83. Irrtum
(error) 5, 6, 15, 22, 28, 31, 32, 37, 54–56, 58, 60–62, 83, 85, 89, 90.
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K Kälte (frigus) 43, 44, 46. Kenntnis (notitia) 27, 28, 33, 75. Kennzeichen (nota) 50. Kitzel (titillatio) 76. klar (clarus) 31, 36, 38, 46, 58, 59, 64, 65, 69, 70, 73, 80 ; klar und deutlich (clarus & distinctus) 13, 15, 31, 35, 42–44, 46, 53, 59, 61, 62, 65, 68–71, 78–80, 83. Klugheit (prudentia) 18. Konfiguration (configuratio) 14. Kontemplation (contemplatio) 52, 53. Koordination (coordinatio) 80. Körper (cor-
pus) 1, 3, 5, 6, 12–16, 18, 19, 23–28, 30, 33, 34, 53, 64, 71–75, 77–86, 88, 89. Körperteil (membrum) 14, 20, 26, 27, 74, 77. Kraft (vis)
A. im Zusammenhang mit Argumenten, Beweisen und Darlegungen pro viribus/totis viribus (nach Kräften) 3. vis demonstrationis (Beweiskraft) 3. vis (Überzeugungskraft) 9, 48, 51. B. als im Gemüt wirkende Energie vis (Kraft) 9, 49. vis seipsum movendi (Kraft, sich selbst zu bewegen) 26. vis sentiendi (Kraft, sinnlich wahrzunehmen) 26. vis cogitandi (Kraft, zu denken) 26. vis imaginandi (Kraft, vorzustellen) 29, 73. vis intelligendi (Kraft, einzusehen) 58, 60, 73. vis perceptionis (Kraft der Erfassung) 35. C. in das physikalische hineinspielende Bedeutungen (Kraft Gottes usw.) vis (Kraft) 49, 50. D. im Zusammenhang mit Willensfreiheit vis externa (äußere Kraft) 57, 59. vis volendi (Kraft, zu wollen) 58. L Lage (situs) 43, 45, 63. Leben (vita) 2, 13, 17, 48, 52, 89, 90. Lebensführung (vita agenda) 15. Licht (lumen) 43, 52, 75, 80 ; natürliches Licht (lumen naturale) 15, 38, 40, 42, 44, 47, 49, 52, 60, 82 ; (lux) 23, 29, 45, 59. Lust (voluptas) 52, 74, 76, 82. M Macht (potentia) 48, 53, 56 ; Allmacht (summa potentia) 36. mächtig (potens) 21, 23, 26 ; allmächtig (summe potens) 22, 25, 45. Maschine (machina) 14, 26. Maschinerie (machinamentum) 84, 85. Material (materia) 37. Materie (materia) 50, 53. materiell (materialis, materialiter) 12, 15, 43, 46, 63, 71. Mathematik (Mathematica) 66. meditieren (meditare) 9, 25, 65, 75. Medizin (Medicina) 20. Meinung (opinio) 9, 18, 19, 21, 22, 34, 36, 69, 80. Mensch (homo) 6, 9,
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16, 19, 25, 32, 37, 43, 62, 84, 85, 87, 88, 90. Merkmal (signum) 15. Mode (mos) 10. Modus (modus) prägn. 40, 41, 73, 78 ; M. des Seins (modus essendi) 41, 42 ; gedanklicher Zugriff (modus cogitandi) 34, 35, 40, 73, 74, 78, 81 ; M. des Denkens (modus cogitationis) 37 ; M. der Substanz (modus substantiae) 45 ; hervorstechende Eigenschaft (modus conspicuus) 30 ;. Möglichkeit (potentia) 46, 47, 51, 57, 78, 87. moralisch (moralis) 2. Nachweis (probatio) 16.
Natur (natura) 2, 8, 12–15, 20, 23, 25, 26, N
28, 33, 36, 38, 41, 42, 44, 49, 52, 55, 57, 59, 60, 63–65, 68–71, 73, 74, 76–87–89, 90. natürlich (naturalis) 2, 15, 38–40, 42, 44, 47, 49, 52, 58, 60, 82, 84, 88. Negation (negatio) 45, 55, 58, 61. Nichts, das (nihil) prägn. das 40, 41, 44, 46, 54, 62. Objekt (objectum) 57, 65, 71, 74–76, 80. objektiv (objectivus, objec- O tive) 8, 14, 40–42, 46, 47, 79. omnipotent (omnipotens) 40. Operation (operatio) 8, 60. Ordnung (ordo) 8, 13, 36, 41, 83. Ort (locus)
phys. 7, 21, 24, 26, 78, 88. Pflicht (officium) 3. Philosoph (Philosophus) 3, 63. Physik (Physica) P 13, 20, 87 ; (res physicae) 55. potentiell (potentialis) 47. Prämisse (praemissus ; eig. Substantiv : praemissio) 13. Praxis (usus) 7, 22. Prinzip (principium) 18, 69. Privation (privatio) 44, 55, 60, 61. Proposition (propositio) 13. Qualität (qualitas) 44, 75 ; taktile Qualität (qualitas tactilis) 43, 75. Q Quantität (quantitas) 20, 63. Raum (spatium) 26, 82, 83. real, das Reale (realis, realiter) 6, 13, 15, R 41, 44, 46, 54, 71, 83. Realität (realitas) 14, 40–42, 44–46, 79. Recht (jus) 22, 61, 75. Regel (regula) 35, 70, 83. Religion (religio) 2, 6. Ruhe (quies) 23, 45. Ruhm (opinio) 5. Sache Sache Gottes (causa Dei) 6. Scharfsinn (acumen) 53. Schicksal S (fatum) 21. Schlaf (quies) 19. schlafen (dormire) 19, 20, 23, 28, 29 ; schlafend/im Schlaf (dormiendum) 77 ; der Schlafende (dormiens) 19, 70. Schlechtigkeit (malitia) 53. Schluß (conclusio) 8. Schmerz (dolor) 74, 76, 77, 80–83, 87–89. Schöpfer (creator) 40. Seele (ani-
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ma) 1, 2, 6, 8, 12, 13, 26, 27. Sehvermögen (visus) 26, 30, 33, 81. Seiende, das (ens) 14, 46, 47, 48, 49, 51, 53, 54, 65–67, 69. Signal (signum) 88. Sinn (sensus) prägn. Fähigkeit, Reize aufzufassen 4, 9, 12, 14, 18, 23–25, 28–30, 32, 34, 35, 39, 51, 52, 64, 65, 74–77, 80–83, 90. Sinnesorgan (organum sensu) 40, 51, 64, 75. Sinneswahrnehmung (perceptio sensus) 77, 81–83. sinnlich (sensibilis)/sinnliches Ding (res sensibilis) 47, 51, 69, 77, 79. sinnlich wahrnehmen (sentire) 14, 19, 26–29, 34, 77, 82, 86. Sophismus (sophisma) 66. spekulativ (speculativus) 15. Spender (dator) 60. spontan (spontaneus) 38. Sterbliche, der (mortalis) 13. Subjekt (subjectum) 37, 41. Substanz, endliche (substantia fina) 40, 45. Substanz/unendliche Substanz (substantia infinita) 45. Substanz (substantia) 13, 14, 40, 43–45, 48, 78, 79. T Tastsinn (tactus) 26, 30, 33.
täuschen (fallere) 18, 21, 22, 25, 35–37, 53–55, 58–60, 62, 70, 76, 77, 88–90. Täuschung (fallacia) 53. Techniker (artifex) 14, 51, 55, 56, 84. Theologie (Theologia) 1. Ton (sonus) 22, 30, 43, 74, 75, 80, 81. Traum (somnus) 19, 22, 23, 27, 28, 77, 89, 90. Traumbild (insomnium) 28, 89. träumen (somniare) 19, 39, 70, 71. Traurigkeit (tristitia) 74, 76. Trieb (appetitus) 74, 76.
U Überlegung (ratio) 2, 8, 12, 20, 23, 33, 48, 57, 59. Übermut (temeritas) 55. Uhr (horologium) 84, 85. unabhängig (independens, independenter) 45, 53. unbegrenzt (indefinitus) 51. Unbesonnenheit (inconsiderantia) 21. unendlich, das Unendliche (infinitus) 9, 18, 40, 45–47, 51, 54, 57 ; Fortgang ins Unendliche (progressus in infinitum) 42, 50. unergründlich (incomprehensibilis) 9, 55. Ungläubige, der (infidelis) 2. universell (universalis) 20. Universum (universum) 50. Unsterblichkeit (immortalitas) 12, 13. unteilbar, das Unteilbare (indivisibilis) 13, 60, 86. Unterscheidung (distinctio) reale U. von
menschlicher Seele und Körper 6, 17 ; reale U. von Geist und Körper 71 ; zwischen intellectio und imaginatio 15. Unterschied (differentia) 5, 68, 72, 73, 85. Unterstützung (concursus) 14, 61. Urheber in der Bedeutung von »Urheber der Welt« (author) 21, 24, 44, 48, 62, 77. Urteil (judicium) 5–7, 9, 10, 22, 27, 32, 37, 39, 43, 56, 59, 60–62, 69, 76, 83. Ursache (causa) 1, 4, 12, 14, 15, 33, 40–42, 49, 50, 54–56, 58, 60–62, 70, 74, 77, 88, 89 ; bewirkende Ursache (causa efficiens) 40 ;
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letzte Ursache (causa ultima) 50 ; hinreichende Ursache (causa totalis ; causa sufficiens) 40 ; Teilursache (causa partialis) 50. Verantwortung (culpa) 17, 60, 61. Vereinigung (unio) 81. Verfeh- V lung (peccatum) 15. Vergleich (comparatio) 14, 16 ; unvergleichlich (absque comparatione) 58. Verletzung (leasio) 81. Vermischung (permistio, permixtio) 81. Vermutung (conjectura) 59. Vernunft (ratio) 2, 9, 22, 27, 39, 49, 75, 77, 88. Verschiedenheit (diversitas) 44. Verstand (intellectus) 8, 27, 34, 41, 56–62, 71, 75, 81, 82, 89, 90 ; Verstand, endlicher (intellectus finitus) 60 ; mit dem Verstand einsehbar (intelligibilis) 53. Verständnis (comprehensio) 31, 80. vertiefen, sich in etw. (contemplari) 28. Vertrauen (fides) 76. von selbst (sponte) 23, 25, 33, 36, 59. Vorbild (exemplum) prägn. : 19. Vorteil (commodum) 89 ; (utilitas) 6, 12. Vorurteil (praejudicium) 4, 9, 12,
22, 69. Vermögen (facultas)
a) allgemein facultas [undifferenziert] (Vermögen) 26, 38, 39, 51, 54, 55, 60, 77–80. facultas recordandi (Erinnerungsvermögen) 57. facultas errandi (Vermögen, zu irren) 54. facultas locum mutandi (das Vermögen, den Ort zu wechseln) 78. facultas varias figuras induendi (Vermögen, vielfältige Gestalten anzunehmen) 78. b) Ästhetik facultas sentiendi (Vermögen der Empfindung) 78, 79, 86. facultas imaginandi (Vorstellungsvermögen) 31, 34, 57, 71, 78. c) intellektuelle Fähigkeiten facultas cognoscendi (Erkenntnisvermögen) 56. facultas cognoscitiva (erkennendes Vermögen) 72. facultas cogitandi (Denkvermögen) 8, 78. facultas judicandi (Urteilsvermögen) 32, 53. facultas verum judicandi (das Vermögen, das Wahre zu beurteilen) 54. facultas intelligendi (Einsichtsvermögen) 57, 86. d) praktische Fähigkeiten facultas volendi (Vermögen des Wollens) 86. e) Fähigkeiten in bezug auf Gott und die Ideen facultas ideas rerum sensibilium recipiendi & cognoscendi (das Vermögen, Ideen sinnlicher Dinge aufzunehmen und zu erkennen)
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79. facultas ideas producendi vel efficiendi (das Vermögen, Ideen zu produzieren oder zu bewirken) 79. W wachen/wach sein (vigilare) 19, 20, 77, 89, 90. Wachs (cera) 30–33, 43. Wachzustand (vigilia) 19, 23, 89. wählen (eligere) 39, 56, 58. Wahrheit (veritas) 3, 5, 6, 8, 10, 15, 20, 22, 27, 29, 35, 37, 38, 52, 60, 62, 63, 65, 66, 70, 71, 77, 80, 85, 90. Wahrnehmung, sinnliche (sensus) 15, 34, 38, 74, 89. Wärme (calor) 29, 31, 38, 41, 43, 44, 46, 75, 81– 83. Weisheit (sapientia) 5, 6, 9, 53. Welt (mundus) 4, 6, 16, 25, 42, 43, 56, 58, 61, 66. Wesen (essentia) 8, 63, 64, 66, 68, 69, 73, 78, 83. Wesen (ratio) 46. Wille (voluntas) 22, 37–39, 56–60, 62, 76, 77, 84 ; gegen den Willen (invitus) 22, 28, 38, 79 ; widerwillig VII, 525. Willensakt (voluntas) pl. 37. Willkür (arbitrium) 56, 57, 59, 60, 64, 73. Wissen (scientia) 12, 14, 70, 71. Wissenschaft (scientia) 3, 17, 53, 69. wohlüberlegt (meditatus) 21. Z Zahl, Anzahl (numerus) 20, 43–45, 63, 65. Zeit (tempus) 7, 20, 48–50, 59, 65. Zerstörung (corruptio) 13. Ziel (scopus) 16. zögern (dubitare) 3. Zorn (ira) 74. Zustimmung (assensio) 18, 22, 59. Zweck (finis) 54, 55. Zweifel (dubitatio) 12, 23, 24, 32, 89 ; in Zweifel geraten (dubitare) 32. zweifeln, bezweifeln (dubitare) 5, 6, 12, 16, 18, 21,
24, 26, 28, 29, 34, 36, 38, 45, 48, 53, 55, 56, 59, 70, 77, 80, 90.