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German Pages 34 [123] Year 1928
DEUTSCHE LANDE / DEUTSCHE KUNST H E R A U S G E G E B E N V O N BURKHARD M E I E R
D E R D O M VOM
I.KICHHOF
MAINZ AUFGENOMMEN
STAATLICHEN
VON D E R
BILDSTELLE
BESCHRIEBEN
VON
W. F. V O L B A C H
A INI
DEUTSCHER KUNSTVERLAG B E R L I N / 19 2 8
FÖRDERER DES BUCHES: Der Herr Staatspräsident v o n Hessen Der Herr Reidisminister für die besetzten Gebiete Der Herr Oberbürgermeister der Stadt Mainz und Herr Professor Ernst N e e b
Drudi des Textes: E m s t Hedridi Nadif., Leipzig Drudt der Bilder: A . Wohlfeld, Magdeburg Papier: Sdieufelen, Oberlenningen Drudistöcke: Angerer ' S ) Gösdil, Wien Entwurf zum Einband und Umschlag: Prof. Ernst Böhm, Berlin
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IT dem »goldenen Mainz« können sich nur wenige Städte Deutschlands an Eigenart des Stadtbildes und an Reichtum der Vergangenheit vergleichen. Z u den Füßen der Stadt rauscht der mächtige Rheinstrom. Jenseits des Flusses aber erheben sich die waldigen Taunusberge, die wie ein Rah« men das Bild abschließen. Die weichgeschwungenen Linien dieses Gebirgszuges gleichen den Florentiner Bergen. N u r noch schöner wirkt das Bild hier durch den Gegensatz der Berge zum breiten Strom. E s scheint der Norden dem Süden die Hand zu reichen. Diese heitere, ausgewogene Landschaft mit ihrem milden Klima formt sich die Menschen nach ihrem Bilde. Stolz und selbstbewußt, dabei aber voller Lebensfreude und lebhaft sind die Bewohner der Stadt. Der Zauber der Natur, die sonnendurchflutete Luft duldeten keine Kopfhänger. In F r ö h lichkeit haben die Menschen zu allen Zeiten hier geschaffen und Großes vollbracht. A u s diesem Geiste der Landschaft und ihrer Bewohner entsteht eine e i n h e i t l i c h e M a i n z e r K u n s t . Die besondere Lage an dem Strom, der W e s t und O s t trennt, der gleichzeitig die Völkerstraße von Süden nach Nor= den zu allen Zeiten bildet, brachte es mit sich, daß hier Anregungen von allen Seiten zusammenströmten. Aber mochten die Einflüsse aller der Kulturen, welche im Laufe der Jahrhunderte in Mainz eindrangen, wie der keltischen, irischen, byzantinischen, französischen — um nur einige herauszugreifen — noch so stark sein, sie befruchteten zwar die Mainzer Kultur, unterlagen aber bald dem starken Wesen dieses Landes und nahmen seine Züge an. Ober die Bevölkerung der vorgeschichtlichen Zeiten sind wir kaum unterrichtet. Rasse und Herkunft der Menschen, die damals Mainz bewohnten, ist uns unbekannt. Ihre ersten Spuren aus dem Ende der letzten Eiszeit fand man in einer Siedlung am Linsenberg. Um 5 0 0 ungefähr vor Christus treffen wir keltische Siedler. Ihnen folgen am Ende des 2. Jahrhunderts G e r m a n e n . Mit der r ö m i s c h e n H e r r s c h a f t erscheinen im Gefolge des Heeres neben den Italienern Angehörige fast aller bekannten Rassen / wir lesen auf den G r a b steinen die Namen von Syrern,Span iern, Dalmatinern und Galliern. V o m 4 . Jahrhundert nach Christus mit dem Niedergang der römischen Herrschaft sind wieder Germanen die Bewohner der Stadt. Mehrere germanische Stämme nehmen die Stadt in ihren Besitz, bis im 6. Jahrhundert unter der merovinglsdien Herrschaft sich die F r a n k e n als endgültige Herrscher in Mainz niederlassen. Überblicken wir das Bild der Mainzer Kunst im Laufe der Jahrhunderte bis zu unserer Zeit, so sehen wir einen einheitlichen Zug, eine ausgesprochene M a i n z e r E i g e n a r t , allen wechselnden Ereignissen zum Trotz sich durchsetzen. E s ist die Verbindung zwischen dem Formalen, das sonst dem R o manen zu eigen ist, und dem seelischen Gehalt, der als deutsch gilt. W i e nun das soziale und politische Leben der Stadt aber wechselt und stets neue F o r men annimmt, so ändern sich, hierdurch bedingt, auch die äußeren Formen des
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künstlerischen Ausdrucks. Römische Soldatenkultur, mittelalterlidi^kirdilidie Weltanschauung, bürgerliche Freiheitsbestrebungen und aristokratisch=höfische Zeiten drücken der Mainzer K u n s t jeweils ihren besonderen Stempel auf. D i e wechselnden Schicksale der Stadt prägen sich aber auch in ihrer Anlage aus. Ihr Grundriß verändert sich je nach den sozialen und militärischen B e dürfnissen. Doch läßt noch der moderne Stadtplan die ursprüngliche Anlage der römischen Z e i t erkennen. M a n wählte einen Platz, der schon durch seine natürliche L a g e möglichst gesichert war, so daß Menschenhand nur wenig nachzuhelfen fand. E i n e solche L a g e aber bot die Mainzer Siedlung durchaus. D i e Basis stellte der breite Rheinstrom dar. A n ihn lehnt sich die Stadt an und zieht sich in weitem Bogen den Hügel empor. D o r t aber, auf der Höhe, mit dem freien Blick nach allen Seiten, lagen die frühesten Siedlungen. D i e R ö m e r waren es, welche diese A n l a g e nicht nur im Sinne ihrer hervor» ragenden Strategie ausbauten, sondern mit dem Prinzip der Sicherheit ein neues vereinten, das ästhetische. D i e ursprüngliche römische Anlage war freilich nur eine rein militärische, das große Legionslager aus Holz und E r d e a u f der H ö h e des heutigen K ä s t » richs . Drusus hatte diesen wichtigen Punkt gegenüber dem Zu-» sammenfluß der beiden Ströme sowohl für den Schutz des Hinterlandes, wie als Ausfalltor zur E r o b e r u n g des rechtsrheinischen Germaniens gewählt. Bald siedeln sich an den Hängen des Kästrichs und Linsenbergs bis zum Rhein hinunter zahlreiche Zivilisten an. Die Straßen, die vom Lager nach der Stadt und der Rheinbrücke sich herabziehen und die von außen eintretenden kreu= zen und verbinden, bedingen den Stadtplan. Bestimmend für das Straßen» bild waren vor allem die großen römischen Tempel. D i e Kultur und K u n s t der Stadt war zunächst eine rein römische. Mit dem Heere kamen Handwerker und Künstler aus Italien und dem Orient und sorgten für die Bedürfnisse der Garnison. Daneben führt man auch G e = brauchsgegenstände und kleine kunstgewerbliche Arbeiten, wie Gläser, K e r a » mik und W a f f e n vom Süden ein. S o liefert A r e z z o herrliche G e f ä ß e in T e r r a sigillata als E r s a t z für Edelmetall. D a s W e s e n dieser Kunst entspricht dem internationalen Charakter des römischen Imperiums, sie zeigt den Stil der »Reichskunst«. S o könnte das Ehrenmonument für Drusus in seiner monu» mentalen blockhaften Plastik auch in Italien stehen. A u f der Höhe über dem Theater und dem Kriegshafen überragte es weit die Stadt. Auch die Pfeiler der Wasserleitung zeigen die charakteristisch römische Bauweise. Die Reliefs für den Ehrenbogen des Claudius und die ausgezeichneten Darstellungen an der Jupitersäule (Bild 1> sind ganz aus dem Geiste der etwas trockenen, aber doch prägnanten römischen Kunst geschaffen. E b e n s o findet man unter den Grabsteinen manch technisch ausgezeichnetes W e r k , das den praktischen Sinn des Römers für die Realität des Lebens widerspiegelt. D i e Darstellungen
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DAS RÖMISCHE MAINZ (AUS SCHUHMACHER SIEDL. U. KULTURGESCH. D. R H E I N L . II)
dieser Grabsteine vermitteln außerdem in glänzender Weise ein Bild des alltäglichen römischen Lebens in Mainz. Das militärische Treiben der großen Garnison wird lebendig. Militärmusiker, einfache Legionäre, Sklaven gehören zu den Toten, die hier in fremder Erde bestattet sind. W i r lesen die Namen von Angehörigen der fernsten Nationen, hohen Offizieren, die hier in den Legionen dienten. Seltener sind die Zeugnisse eines bürgerlichen Lebens/ denn zunächst ist die römische Kultur in Mainz eine rein militärische, und die Kunst paßt sich dem an. Aber langsam wird auch die bürgerliche Ansiedlung im Anschluß an das Lager stärker, und damit tritt auch die bürgerliche Kultur und ihre Kunst mehr in den Vordergrund. Die Bedürfnisse der Bevölkerung wachsen, so daß die einheimische Produktion stärker wird. So kann man vom 3. Jahrhundert an deutlich die Entwicklung einer einheimischen Kunst ver» folgen, die beachtenswerte Leistungen hervorbringt, ihren hellenistisdwömi» sehen Charakter aber bewahrt. Schon im Beginn des 3. Jahrhunderts hören wir von den ersten gefährlichen Angriffen der Germanen gegen den Limes und seine Kastelle. Die Aleman» nen sind im Vordringen gegen den Rhein begriffen. Bald muß der Limes auf»
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gegeben und die Rheinlinie stärker befestigt werden. Damals, etwa zu Beginn des 4. Jahrhunderts, beschließt man, das Legionslager zu verlassen und das M i litär zum Sdiutz in die Stadt zu verlegen. N u n wird Mainz durch feste Mauern und Türme gesichert. Diese Grenzlinie verlief vom Kästrich ausgehend beiderseits im Bogen abwärts und traf den Rhein ungefähr am Holzturm und am kurfürstlichen Schloß. Unter der Bevölkerung sind nun schon zahlreiche Germanen anzutreffen, so daß auch in der Kunst ein germanischer Einschlag zu spüren ist. Neben den politischen Ereignissen, vor allem der Dezentralisation des Reiches, die zur Umgestaltung der Kultur führen, ist das größte Ereignis das Werden der neuen Religion, des C h r i s t e n t u m s . Sie bedingt vor allem den Wandel der Anschauungen. W a n n diese neuen Ideen in Mainz ihren E i n zug halten, ist nodi nicht bekannt. Auch sind wir leider über die Lage der frühesten christlichen Kirchen in Mainz nicht unterrichtet. Die ersten Anhänger der neuen Lehre werden wohl unter den einfachen Legionären des Heeres und den Proletariern der Zivilbevölkerung zu suchen sein. Möglicherweise brachten Orientalen die neue Lehre aus ihrer Heimat an den Rhein. In dem ärmlidien Hafenviertel vor der Stadt, dem heutigen Gartenfeld, scheinen im 4. Jahrhundert Christen ansässig gewesen zu sein. Dafür spricht, daß sich schon 368 in diesem Stadtteil eine Kirche erhob.
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DIE MEROVINGISCHE UND KAROLINGISCHE ZEIT
E R Zerfall des römischen Reiches am Ende des 4. Jahrhunderts bedeutet auch in Mainz das E n d e der römischen Herrschaft. Schon 368 drangen die Alemannen unter Rando in die Stadt ein. Die endgültige Eroberung ändert zwar politisch das Bild, im übrigen aber sehen wir ein Weiterleben der alten römischen Kultur, vor allem in den wenigen Bauten, die sich im Stil an die römische Mittelmeer-Kultur anschließen. In der Kleinkunst dagegen setzt sidi nun ein einheitlicher Stil durch. Die Verzierungsformen bevorzugen das germanische Fleditband. Die großen fränkischen Gräberfelder in und um Mainz geben zahlreiche Proben dieses hochentwickelten Kunstgewerbes. Die Art der Bevölkerung und ihrer Tätigkeit bestimmten die Form des Schaffens. Sie bestand vor allem aus einfachen Ackerbauern und einer starken kriegerischen Besatzung, die ein größeres Luxusbedürfnis nicht kannten. Die unruhigen Zeiten verboten größere feste Prunkbauten,- nur einige Klöster, vor allem St. Alban, wurden Pflegestätten einer künstlerischen Betätigung. Jedoch hat man Werke dieser klösterlichen Kunstübung noch nicht wiedergefunden. In der Stadtanlage scheint sich gegenüber der römischen Zeit keine große Änderung vollzogen zu haben. Das Eigentum des römischen Staates, vor allem die Tempelbezirke und Regierungsgebäude, geht an die merovingischen
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gegeben und die Rheinlinie stärker befestigt werden. Damals, etwa zu Beginn des 4. Jahrhunderts, beschließt man, das Legionslager zu verlassen und das M i litär zum Sdiutz in die Stadt zu verlegen. N u n wird Mainz durch feste Mauern und Türme gesichert. Diese Grenzlinie verlief vom Kästrich ausgehend beiderseits im Bogen abwärts und traf den Rhein ungefähr am Holzturm und am kurfürstlichen Schloß. Unter der Bevölkerung sind nun schon zahlreiche Germanen anzutreffen, so daß auch in der Kunst ein germanischer Einschlag zu spüren ist. Neben den politischen Ereignissen, vor allem der Dezentralisation des Reiches, die zur Umgestaltung der Kultur führen, ist das größte Ereignis das Werden der neuen Religion, des C h r i s t e n t u m s . Sie bedingt vor allem den Wandel der Anschauungen. W a n n diese neuen Ideen in Mainz ihren E i n zug halten, ist nodi nicht bekannt. Auch sind wir leider über die Lage der frühesten christlichen Kirchen in Mainz nicht unterrichtet. Die ersten Anhänger der neuen Lehre werden wohl unter den einfachen Legionären des Heeres und den Proletariern der Zivilbevölkerung zu suchen sein. Möglicherweise brachten Orientalen die neue Lehre aus ihrer Heimat an den Rhein. In dem ärmlidien Hafenviertel vor der Stadt, dem heutigen Gartenfeld, scheinen im 4. Jahrhundert Christen ansässig gewesen zu sein. Dafür spricht, daß sich schon 368 in diesem Stadtteil eine Kirche erhob.
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DIE MEROVINGISCHE UND KAROLINGISCHE ZEIT
E R Zerfall des römischen Reiches am Ende des 4. Jahrhunderts bedeutet auch in Mainz das E n d e der römischen Herrschaft. Schon 368 drangen die Alemannen unter Rando in die Stadt ein. Die endgültige Eroberung ändert zwar politisch das Bild, im übrigen aber sehen wir ein Weiterleben der alten römischen Kultur, vor allem in den wenigen Bauten, die sich im Stil an die römische Mittelmeer-Kultur anschließen. In der Kleinkunst dagegen setzt sidi nun ein einheitlicher Stil durch. Die Verzierungsformen bevorzugen das germanische Fleditband. Die großen fränkischen Gräberfelder in und um Mainz geben zahlreiche Proben dieses hochentwickelten Kunstgewerbes. Die Art der Bevölkerung und ihrer Tätigkeit bestimmten die Form des Schaffens. Sie bestand vor allem aus einfachen Ackerbauern und einer starken kriegerischen Besatzung, die ein größeres Luxusbedürfnis nicht kannten. Die unruhigen Zeiten verboten größere feste Prunkbauten,- nur einige Klöster, vor allem St. Alban, wurden Pflegestätten einer künstlerischen Betätigung. Jedoch hat man Werke dieser klösterlichen Kunstübung noch nicht wiedergefunden. In der Stadtanlage scheint sich gegenüber der römischen Zeit keine große Änderung vollzogen zu haben. Das Eigentum des römischen Staates, vor allem die Tempelbezirke und Regierungsgebäude, geht an die merovingischen
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Könige über, die es ihrerseits mit der Zeit der Kirche überweisen. So sdieint sich auf dem alten Tempelbezirk die Hauptkirche zu Ehren des hl. Martin, der spätere Dom, erhoben zu haben. Die alte römisdie Mauerlinie bleibt/ nur die Zahl der Einwohner sdimolz zusammen, und diese wenigen drängten sich enger zum schützenden Rheinstrom hin. Der Abhang zum Kästridi hinauf bleibt von nun an fast unbesiedelt. Im 6. Jahrhundert beginnt ein neuer Aufschwung der Stadt unter dem tatkräftigen Bischof Sidonius. E r richtet die Mauern wieder neu auf und reguliert den Rheinstrom. Linter ihrem Schutz beginnt er auch mit der W i e d e r herstellung der schon bestehenden christlichen Kirchen. Nach der Zeit des Bischofs Sidonius verdankt die Stadt vor allem den in Mainz regierenden Gaugrafen reiche Kloster- und Kirchenstiftungen. W i r hören von Kirchen, die heute noch stehen, die Vorgänger von St. Quintin, St. Christoph, St. Emmeran, das Altmünster, St. Stefan und St. Alban. In dieser Zeit ersteht auch eine Siedlung der Schottenmönche auf ehemalig römisch-fiskalischem Boden an den Stadttoren. E s ist charakteristisch, daß diese frühmittelalterlichen Kirchen an den früheren römischen Hauptstraßen liegen, die also damals noch in Gebrauch gewesen sein müssen. Mittelpunkt der Stadt aber wurde der Dom und die Residenz des Bischofs. Hier war das Herz der mittelalterlichen Stadt, so wie in der römischen Zeit das Lager der Ausgangspunkt war, von dem der Grundriß der Stadt abhing. Die Stadt bleibt in der Merovingerzeit königlicher Besitz/ durch Karl den Großen erhält sie eine höhere Bedeutung dadurch, daß der König in nädi« ster Nähe, in Ingelheim seine Residenz aufschlägt und in Mainz seine Reichstage abhält. Bischof Hatto