Lux. Schulung für die juristische Praxis. Abteilung 5, Teil 2 Arbeits-, Steuer- und Verwaltungssachen Rechtsanwaltschaft, Oberlandesgericht, Teil 2: Bezirksverwaltungsgericht - Verwaltungsgerichte und Beschutzbehörden [3. Aufl. Reprint 2021] 9783112451724, 9783112451717

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Lux. Schulung für die juristische Praxis. Abteilung 5, Teil 2 Arbeits-, Steuer- und Verwaltungssachen Rechtsanwaltschaft, Oberlandesgericht, Teil 2: Bezirksverwaltungsgericht - Verwaltungsgerichte und Beschutzbehörden [3. Aufl. Reprint 2021]
 9783112451724, 9783112451717

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Schulung für die

juristische Praxis Ein induktives Lehrbuch von

Dr. Walter Lux Rechtsanwalt in BreSlau

3. vollständig neubearbeitete Auflage

v. Abteilung: Arbeits-, Steuer- und Verwaltungssachen. Rechtsanwaltschaft. Oberlandesgericht 2. Teil: Beim Bezirksverwaltungsgericht. Beim Rechtsanwalt. Beim Ober­ landesgericht. Nachträge und Berichtigungen. (Schluß). Preis RM. 6.20

Berlin und München 1936

Verlag von 5>. W. Müller

Bezirksverwaltungsgericht. — Verwaltungsgerichte und Beschlußbehörden.

1143

26. Kapitel.

Beim Bezirksverwaltungsgericht. Erstinstanzliches Urteil in einer Staatsangehörigkeitssache. Feststellungsllage im BerwaltnngSstreitverfahren. Enumerationsmethode. „Geschäftsnummer: B.V.G. St. I 127.36. Im Namen des Deutschen Volkes! In der Berwaltungsstreitsache des Konditoreibesitzers Guido Ranke in Breslau, Sand­

straße 18, Klägers, Prozeßbevollmächtigter: Kaufmann Hermann Kroker in Breslau, Weißgerberohle 39,

wider

den Polizeipräsidenten in Breslau,

Beklagten,

wegen Feststellung der Staatsangehörigkeit hat das Bezirksverwaltungsgericht in Breslau in seiner Sitzung vom 7. Oktober 1936, an welcher

teilgenommen haben:

1. Richter I, Berwaltungsgerichtsdirektor, als Vorsitzender, 2. Richtern, Oberregierungsrat, 3. Richter III, Regierungsrat, 4. Rittergutsbesitzer Großkopf&taolinenlpf, 5. Gutsinspektor Körnersncut,

6. Fabrikbesitzer und Handelsgerichtsrat La-nwr-Breslau, 7. Werftbesitzer MatzkeJbx\t§,

als Mitglieder, für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens und die erforderlichen und erstattungsfähigen baren Auslagen des Beklagten werden dem Kläger auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5000 JO festgesetzt."

Früher waren Kreis-, Stadt-, Bezirksausschuß Instanzen der Verwaltungs­ gerichtsbarkeit (§7 ALVG.)*) und zugleich Organe des, zwischen Berwaltungsstreitverfahren und formlosem Berwaltungsverfahren stehenden, „Beschlußver­ fahrens" (88115 f.). Durch 81 AnpassG.*2) sind sie als Beschlußbehörden beseitigt und führen seitdem die Bezeichnungen „Kreisverwaltungsgericht", „Stadtverx) Pr. Ges. über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (GS. 195), dazu Ges. vom 13. Mai 1918 (GS. 53), Pol.Berw.G. vom 1. Juli 1931 (GS. 77), BO. zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung vom 3. September 1932 (GS. 283). 2) Pr. Ges. über die Anpassung der Landesverwaltung an die Grundsätze des national­ sozialistischen Staates vom 15. Dezember 1933 (GS. 479). Lux, Schulung.

3. Aufl.

1144

Bezirksverwaltungsgericht. — Prozeßbevollmächtigte.

waltungsgericht" und „Bezirksverwaltungsgericht" (§2). Eine „beschließende" Tätigkeit üben sie nur noch dort — bis auf weiteres — aus, wo nach reichsrechtlicher Bestimmung in erster oder zweiter Instanz eine Kollegialbehörde außer­ halb des Verwaltungsstreitverfahrens zu entscheiden hat und die reichsrecht­ liche Vorschrift sonst nicht zu erfüllen sein würde, z. B. in den Fällen der §§ 20, 21 GewO. (Rekurs im Verfahren wegen Genehmigung von Anlagen, die erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Nachbarschaft mit sich bringen können, vgl. S. 606). § 12 AnpassG. An die Stelle der gewählten Mitglieder (§§ 28ni—v, 37, 38 ALVG., 131 KreisO., oben S. 225) sind auf Zeit ernannte getreten (§ 41 AnpassG.). Was insbesondere das Bezirksverwaltungsgericht an­ langt, so besteht es jetzt aus dem Regierungs- (bzw. Vize-)präsidenten, der meistens durch den Verwaltungsgerichtsdirektor vertreten wird, ferner einem lebensläng­ lich bestellten hauptamtlichen Mitglied mit Fähigkeit zum höheren Verwaltungs­ dienst, einem ebensolchen mit der Fähigkeit zum Richteramt, und vier auf je 4 Jahre ernannten Mitgliedern. §§ 281,n ALVG., 5 AnpassG. Trotz der Titel „Regierungs­ rat", „Oberregierungsrat" usw. ist die Tätigkeit und Stellung der hauptamtlichen Mtglieder eine rein richterliche. Aber auch die auf Zeit ernannten Mitglieder ge­ nießen in dieser Eigenschaft richterliche Unabhängigkeit und unterstehen der DienstStrO. f. d. richterl. Beamt, (oben S. 1045) § 4111 AnpassG. Während bei den ordentlichen Gerichten, Arbeits- und Kriegsgerichten die Zahl der Richter genau feststeht, bestimmt das Gesetz für Kreis-, Stadt- und Be­ zirksverwaltungsgericht lediglich eine „Beschlußfähigkeits"ziffer (§§ 33 \ 40 ALVG., 1381 KrO.), ähnlich dem Quorum politisch-parlamentarischer Korporationen. Für das Bezirksverwaltungsgericht beträgt diese Mindestzahl 5, bei Streitigkeiten zwi­ schen Fürsorgeverbänden (unten S. 1148) 3. Falls, was hiernach vorkommen kann, eine gerade Zahl von Mitgliedern mitwirkt, gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. § 6 AnpassG. Als Prozeßbevollmächtigte kommen neben den bei irgend einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälten vor allem die sog. „Verwaltungsrechtsräte" in Frage. Dieses Institut beruht auf dem pr. Ges. vom 25. Mai 1926 (GS. 163). Die Verwaltungsrechtsräte müssen die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst oder zum Richteramt besitzen und eine mehrjährige Verwaltungspraxis nachweisen. Sie werden vereidigt und in eine beim Oberverwaltungsgericht geführte Liste ein­ getragen und sind lediglich zur berufsmäßigen Parteivertretung vor Verwaltungs­ gerichten befugt. Die Parteien können aber in allen Instanzen des Berwaltungsstreitverfahrens, sogar vor dem Oberverwaltungsgericht, sich auch selbst vertreten oder sich durch beliebig gewählte Dritte vertreten lassen. Jedoch darf das Gericht „geschäftsmäßige" Parteivertreter — mit Ausnahme der Rechtsanwälte und Ver­ waltungsrechtsräte — zurückweisen. § 731,11 ALVG. „Gründe. Der Kläger ist am 22. Juni 1901 zu Neubabelsberg bei Berlin als Sohn der ledigen Bortragskünstlerin Therese Nemeth, einer nach Wien zuständigen österreichischen Staatsange­ hörigen, geboren. Therese Nemeth hatte im Jahre 1898 in Kiel den preußischen Staatsange­ hörigen Gottschall geheiratet, doch war die Ehe 1900 rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Am 13. September 1907 schloß sie in Berlin mit dem, ebenfalls preußischen, Theatermeister Georg Ranke eine zweite Ehe, die 1911 geschieden wurde. Am 9. März 1913 verheiratete sie sich zum dritten Male mit dem preußischen Staatsangehörigen Kaufmann Gustav Ranke in Potsdam, einem Better des Georg Ranke. Gustav Ranke nahm den Kläger, der sich bis

Bezirksverwaltungsgericht. — Ehe und Staatsangehörigkeit.

1145

dahin in Neubabelsberg in Wege befunden hatte, in sein Haus, gab ihm seinen Namen und

ließ sich als Vormund bestellen. 1920 zog die Familie nach Glatz, wo Gustav Ranke 1926,

die Frau 1928 starb. Im Jahre 1929 ist auch Georg Ranke verstorben. In Glatz wie in Breslau, wohin der Kläger 1931 übersiedelte, wurde er in den polizeilichen

Listen zunächst als Preuße geführt. Im April 1936 wurde ihm jedoch von der Breslauer Polizei eröffnet, daß er als Deutsch-Österreicher angesehen werde und demgemäß keinen deutschen Paß erhalten könne."

Der Gedankengang der Polizei ist klar: Therese Nemeth hat durch ihre Ver­ heiratung mit Gottschall nicht nach § 33 RAngehG?) die preußische Staatsangehörig­ keit erworben, weil diese Vorschrift — ebenso wie die parallele Vorschrift über den Verlust der deutschen Nationalität durch Verheiratung mit einem Ausländer (§ 176) — eine wirksam zu stände gekommene Ehe voraussetzt. Da uneheliche Kinder der Mutter folgen (§ 41), ist der Kläger als Österreicher geboren. Seine Mutter wurde allerdings nachher durch die Ehe mit Georg Ranke Preußin und hat diese Staats­ angehörigkeit trotz der späteren Scheidung behalten, denn die Ehe war rechtsgültig geschlossen. Das berührte jedoch die Staatsangehörigkeit des Klägers nicht. Auch durch die spätere Namensgebung seitens des Gustav Ranke und die Übernahme der Vormundschaft durch ihn hat sich am Personenstand des Klägers und mithin an seiner Staatangehörigkeit nichts geändert. Vgl. oben S. 77. „Der Kläger behauptet, daß Georg Ranke sein Vater gewesen sei. Schon vor der Eheschlie­

ßung und insbesondere während der Empfängniszeit habe seine Mutter mit Georg Ranke geschlechtlich verkehrt. Daher sei der Kläger durch nachfolgende Ehe legitimiert und habe mit der Legitimation die preußische Nationalität seines Vaters erlangt. Für ihn bestehe ein dringen­ des rechtliches Interesse, die Frage seiner Staatsangehörigkeit alsbald durch Richterspruch

zu klären. Er hat daher die vorliegende Klage erhoben und beantragt:

festzustellen, daß der Kläger deutscher Reichsangehöriger ist."

Daß Legitimation die Staatsangehörigkeit überträgt, ist in §38 (Erwerb) und § 176 (Verlust) bestimmt. Zwischen Legitimation durch nachfolgende Ehe und Ehe­ lichkeitserklärung wird dabei kein Unterschied gemacht. Die Legitimationswirkung des § 1719 BGB. hängt, wie wir bereits wissen (oben S. 93) nicht von irgend welchen formalen Anerkenntniserklärungen ab. Durch die BO. von 1934 (vgl. Anm. 3) ist die frühere preußische, bayrische usw. Staatsangehörigkeit beseitigt. Es gibt nur noch eine unmittelbare deutsche Staatsangehörigkeit (§ 1 VO.), und wenn die Landesregierungen Entscheidungen auf dem Gebiet der Staatsangehörigkeit treffen (z. B. bei Einbürgerungen, §§ 3®, 8 f. RAngehG.), so handeln sie im Namen und Auftrag des Reiches (§ 2 VO.). Des­ halb verlangt der Kläger Feststellung seiner „Reichs"angehörigkeit, d. h. seiner Zu­ gehörigkeit zum Schutzverbande des Deutschen Reiches mit den daraus folgenden besonderen Verpflichtungen (§ l1 RBürgG. vom 15. September 1935, RGBl. I, 1146). Hiervon zu trennen ist das Reichsbürgerrecht, dessen Inhaber die alleinigen Träger der vollen politischen Rechte sind (§ 2IU). „Zum Beweis für die tatsächliche Vaterschaft Georg Rankes führt der Kläger folgendes an:

Waren diese Anführungen notwendig? Das Berwaltungsstreitverfahren kennt keine Beweislast im Sinne des Zivilprozesses (S. 398 f.), weil der Beweislastbegriff ») Fassung vom 22. Juli 1913 (RGBl. 583), 5. Februar 1934 (RGBl. I 85) und 15. Mai 1935 RGBl. I 595).

1146

Bezirksverwaltungsgericht. — Rechtsmittel in Ausweisungssachen.

mit der den bürgerlichen Rechtsstreit beherrschenden Parteidisf/osition („Verhand­ lungsmaxime") zusammenhängt, während für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wegen des hier stets im Spiel befindlichen öffentlichen Interesses, die Offizialmaxime gilt. Gleichwohl müssen aus praktischen Gründen die Parteien die Tatsachen, an deren Berücksichtigung sie interessiert sind, selbst dem Gericht vortragen und ihm mit Beweismitteln an die Hand gehen. Das Verwaltungsgericht ist nicht gehindert, zur Erforschung der Wahrheit auch andere als die von den Parteien vorgeschlagenen Beweise zu erheben. Bietet die Partei gar kein Beweismittel an, so kann das Gericht nach pflichtmäßigem Ermessen sich auf den Standpunkt stellen, daß für Ermitte­ lungen von Amts wegen kein Anlaß gegeben und die Partei daher beweisfällig sei. So hat sich für gewisse Fragen eine der Beweislast ähnliche Rechtslage herausge­ bildet. Vgl. z.B. OBG. 4, 270; 10,260; 14,137; 25,300. „Der Beklagte beantragt:

die Klage abzuweisen. Eine Berwaltungsklage auf Feststellung des Staatsangehörigkeit sei im Gesetz nicht vorgesehen

und folglich unzulässig. Wäre aber eine solche Klage statthaft, so würde sie gegen den Regie­

rungspräsidenten, nicht gegen den Polizeipräsidenten zu richten sein. Denn gegen eine Aus­ weisungsverfügung des beklagten Polizeipräsidenten, welche der Kläger offenbar befürchte und mit seiner Feststellungsklage im Voraus abwehren wolle, könne er lediglich Beschwerde

an den Regierungspräsidenten, und erst gegen dessen Entscheidung Klage im Verwaltungs­ streitverfahren erheben."

Vgl. §§ 45, 47, 49, 51, 54 PolBerwG. (S. 1142 Anm. 1), 41, 42, 44 pr. Ausl.PolVO. vom 27. April 1932 (GS. 179). Mit der Ausweisung, von der der Beklagte spricht, ist die Verweisung aus dem Reichsgebiet („Reichsverweisung") gemeint, da Verweisungen aus dem Gebiet eines einzelnen Landes seit dem RVerweisG. vom 23. März 1934 (RGBl. 1213) nicht mehr ausgesprochen werden. Formell stellt sich die Ausweisungsverfügung als Spezialfall der polizeilichen Verfügung (§§ 40f. PolVerwG., oben S. 923) dar. Das ältere Recht gab dem von einer Polizeiver­ fügung Betroffenen wahlweise die Beschwerde an die vorgesetzte Stelle mit nach­ folgender „Anschlußklage" im Berwaltungsstreitverfahren, oder die alsbaldige Ber­ waltungsklage. Jetzt kann er zunächst ausschließlich Beschwerde, und erst gegen den Beschwerdebescheid Klage im Berwaltungsstreitverfahren erheben, welche dann selbstverständlich gegen diejenige Behörde gerichtet werden muß, die in der Be­ schwerdeinstanz entschieden hatte, in dem hier unterstellten Fall also gegen den Regierungspräsidenten. Wie wir wissen, wird mit einer Beschwerde sowohl die Rechtmäßigkeit wie die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Verfügung, mit einer Klage nur ihre Rechtmäßigkeit angefochten (S. 858/9,923). Letzteres erläutert § 50 näher dahin, daß die Klage gegen polizeiliche Verfügungen (bzw. Beschwerde­ bescheide) bloß darauf gestützt werden dürfe, die Verfügung habe entweder durch falsche Rechtsanwendung oder wegen Fehlens der das behördliche Einschreiten rechtfertigenden Tatsachen geltendes Recht verletzt und dadurch den Kläger in seinen Rechten beeinträchtigt. Ausländern wird nun gegenüber Entscheidungen, die in Sachen der Ausländerpolizei ergangen sind, die Anschlußklage überhaupt versagt! arg. §§ 41, 44 AuslPolVO., vgl. OBG. in IW. 32, 2328\ Will also jemand gegen den, die Beschwerde gegen eine Ausweisungsverfügung zurückweisenden, Beschwerdebescheid Verwaltungsklage erheben, so gibt es nur eine einzige schlüssige Begründung: die Darlegung, daß der Kläger deutscher Reichsangehöriger sei. Wer sich als Ausländer bekennt, ist auf den Beschwerdeweg beschränkt.

Bezirksverwaltungsgericht. — Enumerationsmethode.

1147

„In der Sache bestreitet der Beklagte die behauptete Vaterschaft des Georg Ranke. (folgen nähere Darlegungen)."

Damit schließt die Wiedergabe des Parteivorbringens ab. Das ALBG. schreibt nicht (wie § 3133,4 ZPO.) eine Trennung von Tatbeständen und eigentlichen Ent­ scheidungsgründen vor. Infolgedessen wird unter der Überschrift „Gründe" beides zusammengefaßt. Vielfach ist es üblich, den Übergang zu den Gründen durch die Worte: „es war, wie geschehen, zu erkennen" oder eine ähnliche stereotype Formel zu markieren (über die ähnliche Praxis in Beschwerdebeschlüssen vgl. S. 607).—Die für den Aufbau des Strafurteils maßgebenden Regeln (S. 919 f., 955, 972 f., 1002 f.) sind auf Urteile von Berwaltungsgerichten, trotz der in beiden Fällen herrschenden Offizialmaxime, nicht anwendbar. Für den Verwaltungsrichter gilt nämlich der zivilprozessuale Satz „ne eat judex ultra petita partium" (arg. § 79 S. 3 ALBG.). Mithin hat seine Kognition nicht, wie die des Strafrichters, von den festgestellten Tatsachen auszugehen, sondern von den gestellten Anträgen und den Anführungen der Parteien. „Die Klage war, ohne daß es eines Eingehens auf die Frage der Passivlegitimation oder auf den streitigen Sachverhalt bedarf, als prozessual unzulässig abzuweisen. Nach preußischem Recht findet, wie sich insbesondere aus § 711 ALBG. ergibt, ein Berwaltungsstreitverfahren nur in den gesetzlich besonders bestimmten Fällen statt. Eine Klage auf Feststellung der Staatsangehörigkeit ist nirgends vorgesehen. Auch aus allgemeinen Er­

wägungen läßt sich kein dem § 256 ZPO. analoger Berwaltungsrechtschutz durch Feststellungs­

klage herleiten. OBG. 23, 399; 78, 306; 79,131; B.A.f.d.Heimatw. 51, 79; Schultzenstein im »Recht' 10, 490."

Das Verhältnis von Recht und Rechtsschutz ist in Verwaltungsstreitsachen ein ganz anderes als auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts (S. 448/9). Manche Staaten unterwerfen freilich alle Streitigkeiten öffentlich-rechtlicher Art der Berwaltungsgerichtsbarkeit: sog. „Generalklausel". Dagegen steht das preußische Recht auf dem Boden der „Enumerationsmethode", d. h. die Kontrolle der Verwaltungsorgane durch die Verwaltungsgerichte wird als Ausnahmefall be­ trachtet, welcher ausdrücklicher Zulassung durch das Gesetz bedarf, oder anders aus­ gedrückt: das Aktionensystem gilt für sämtliche Klagarten. Dadurch, daß polizeiliche Verfügungen letzten Endes stets mit Berwaltungsklage angefochten werden können, wird der Rechtszustand dem der Generalklausel stark angenähert, denn ein großer Teil aller Betätigungen der Staatsgewalt vollzieht sich in der Form von Polizei­ verfügungen (Sicherheit-, Bau-, Feuer-, Wege-, Wasser-, Gewerbe- usw. Polizei). Das Reichsrecht kennt Berwaltungsstreitverfahren ebenfalls nur in den gesetzlich bestimmten Fällen. Es hat sogar für die verschiedenen Materien jedesmal verschiedene Verwaltungsgerichte: für

Steuersachen Finanzgericht und Reichsfinanzhof; für Ansprüche aus der Sozialversicherung Bersicherungsamt, Oberversicherungsamt und Reichsversicherungsamt; für Liquidations-, Verdrängungs-,

Tumult- und gewisse andere Schäden das Reichswirtschaftsgericht; für Kartellstreitigkeiten das Kartell­ gericht usw. Nach dem sachlichen Inhalt lassen sich die Berwaltungsklagen des preußischen Rechts in

vier Typen zerlegen: 1. Eine Privatperson oder Körperschaft des öffentlichen Rechts verlangt gegen den Widerspruch

einer Behörde die Verleihung einer subjektiven Berechtigung, z. B. einer gewerblichen Konzession. 2. Eine Behörde verlangt die Entziehung der einer Privatperson oder Körperschaft des öffentlichen Rechts zustehenden subjektiven Berechtigung, z. B. einer Konzession oder Approbation (unten

1150 s).

1148

Bezirksverwaltungsg.

Leistungs-, Feststellungs- u. Rechtsgestaltungsklage.

3. Eine Privatperson oder Körperschaft des öffentlichen Rechts wehrt mit der Klage den Eingriff

einer Behörde in ihre Rechtsstellung ab. 4. Zwei einander als Gleichberechtigte gegenüberstehende Privatpersonen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts streiten über vermögensrechtliche Ansprüche: sog. „echte Parteistreitigkeiten".

Beispiel: Fürsorgeverbände, die gemäß §39 ZuständG.4) vor dem Bezirksverwaltungsgericht über die interne Abwälzung der Fürsorgelast prozessieren; die Berufung geht in diesem Falle

an ein besonderes Reichs Verwaltungsgericht, nämlich das Bundesamt für das Heimatwesen. Die Abgrenzung von öffentlichem und Privatrecht ist für die Zuständigkeit der Ber-

waltungsgerichte nicht absolut maßgebend. Auf der einen Seite können privatrechtliche Ansprüche der Kompetenz der Berwaltungsgerichte unterstellt werden und zwar auch durch das Landesrecht. Wenn nach § 13 GBG. vor die ordentlichen Gerichte alle „bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten" gehören,

für welche „nicht die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet

ist", so hindert nichts die Landesgesetzgebung eine Materie, die wegen ihres privatrechtlichen Inhalts

bürgerliche Rechtsstreitigkeit sein müßte, den ordentlichen Gerichten zu entziehen und der verwaltungs­ gerichtlichen Zuständigkeit zu überweisen. Das hatte z. B. das frühere preußische Jagdrecht bezüglich

der Wildschadensansprüche (§ 835 BGB.) getan. Das jetzt maßgebende RJagdG. vom 3. Juli 1934 (RGBl. 1549), dazu AusfVO. vom 27. März 1935 (RGBl. 1431), hat das beseitigt: zwar muß der Schaden immer noch binnen drei Tagen der Ortspolizei angemeldet werden, welche nach Anhörung von Schätzern einen „Vorbescheid" erläßt, aber die Klage der mit dem Vorbescheid unzufriedenen Partei geht nunmehr an das Amtsgericht (§§ 49,50 vn,x,M AusfVO.). Immerhin erfolgt die Voll­ streckung aus dem Vorbescheid oder einer vor der Polizei abgeschlossenen gütlichen Einigung in dem unten S. 1163 behandelten Verwaltungszwangsverfahren (§ 50IX), obgleich es sich materiell um einen einwandfreien Anspruch des bürgerlichen Rechts handelt (sedes materiae für Wild- und Jagd­

schäden sind nach der in § 711 RJagdG. angeordneten Aushebung des § 835 BGB. jetzt die §§ 44/8

RJagdG.). Vgl. ferner den Anspruch auf Erstattung von Fürsorgeerziehungskosten, welcher auf der dem Regreßschuldner gegenüber dem Fürsorgezögling obliegenden Unterhaltspflicht beruht und gleichwohl im Verwaltungsstreitverfahren entschieden wird (oben S. 965). — Andrerseits eröffnet das positive Recht für manche Forderungen öffentlich-rechtlicher Natur den ordentlichen Rechtsweg, vor allem für die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten und ihrer Hinterbliebenen (Art. 1291

S. 4 RVerf.). Betrachten wir die preußischen Verwaltungsstreitsachen an Hand des S. 448/9 aufgestellten

Systems der Klagearten, so finden wir überwiegend den Fall, daß in Form der erstinstanzlichen Klage Aufhebung eines behördlichen Verwaltungsaktes begehrt wird, also Konstitutivklagen prozes­ sualen Inhalts („Rechtsmittelklagen"). Hierzu zählt die ganze Gruppe 3 der materiellen Einteilung S. 1147/8: Anschlußklage in Polizeiverfügungssachen (S. 923, 1146), Klage gegen den Einspruchs­ bescheid des Gemeindevorstands in Kommunalabgabesachen (S. 1161) und vieles andere. Statt „Klage

im Verwaltungsstreitverfahren" verwendet das Gesetz bisweilen gleichbedeutend die Formel, daß „die mündliche Verhandlung der Angelegenheit im Verwaltungsstreitverfahren" beantragt wird. — Bei den Gruppen 1 und 2 handelt es sich um Konstitutivklagen auf Änderung der materiellen öffentlichen

Rechtslage. — Leistungsklagen kommen vornehmlich bei den echten Parteistreitigkeiten (Gruppe 4) vor. Weitere Beispiele für sie liefert das Reichsrecht (Verfahren aus der RVO.). — Feststellungsklagen

ergeben sich insbesondere aus dem Schul-, Wege- und Wasserrecht (Streitigkeiten der Beteiligten

darüber, wem von ihnen die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Bau oder zur Unterhaltung einer

Schule, zur Anlegung oder Unterhaltung eines öffentlichen Weges, zur Unterhaltung eines Wasser­ laufs oder seiner Ufer obliegt, §§ 47™ 56 v ZuständG., 1301 pr. WassG. vom 7. April 1913, GS. 53).

Kann Guido Ranke auf anderem Wege eine verbindliche Entscheidung über seinen Personenstand bzw. seine Staatsangehörigkeit herbeiführen? 1. Wäre Georg 4) vom 1. August 1883 (GS. 237).

Bezirksverwaltungsgericht. — Rechtsmittel im öffentlichen Interesse.

1149

Ranke noch am Leben, so würde die Klage auf Feststellung des Eltem- und Kindes­ verhältnisses (§ 640 ZPO.) helfen. Das in einem solchen Prozeß ergehende Urteil wirkt nämlich, sofern es bei Lebzeiten der Parteien rechtskräftig wird, für und gegen alle (§ 643) und würde auch von den Ausländerpolizeibehörden anerkannt werden, weil es auf einem zivilprozessualen Verfahren beruht, für das in weitem Umfang die Offizialmaxime gilt. Nachdem Georg Ranke verstorben ist, fällt diese Möglichkeit weg. Der Kindschafts- oder Filiationsprozeß (§§640f.) bildet in allen Punkten das Gegen­

stück zum Eheprozeß (oben S. 552 f.). Bei der Ansechtung der Ehelichkeit oder der Anerkennung der Ehelichkeit eines Kindes ist die Verhandlungsmaxime nur hinsichtlich der der Ehelichkeit feindlichen

(§ 641), bei der Feststellung des Eltern- und Kindesverhältnisses oder der elterlichen Gewalt auch zu Gunsten der Ehelichkeit eingeschränkt (§ 640). Der in § 629 von dem Grundsatz der absoluten Rechts­

kraftwirkung gemachten Ausnahme (S. 553) entspricht eine parallele Einschränkung in § 643. Vgl.

dazu oben S. 118. Kindschaftsprozesse mit einseitiger und mit doppelseitiger Osfizialmaxime dürfen nicht mit einander verbunden werden, auch nicht durch Mderklage. §§ 640", 641™.

2. Die Anordnung der Beischreibung eines Legitimationsvermerks auf der Geburtsurkunde durch das Bormundschaftsgericht (S. 94/5) wird weder durch die Volljährigkeit des Klägers noch durch den Tod des Georg Ranke gehindert. Der Vermerk hat aber keine materielle Wirkung. Er bezieht sich ausschließlich auf den Familiennamen Ranke, der dem Kläger durch die Namensgebung seitens des Georg Ranke ohnehin gesichert ist. 3. Wird später eine Reichsverweisung ausgesprochen, so steht Guido Ranke gegen die Beschwerdeentscheidung des Regierungspräsidenten selbstverständlich die Klage beim Bezirksausschuß mit der S. 1146 angegebenen Begründung zu. „Die Kosten und baren AMagen des Verfahrens sowie die erforderlichen baren AMagen des Beklagten sind dem Kläger als unterlegenen Teil nach § 1031 S. 1ALBG. auferlegt wor-

den. Gemäß § 103" hat das Gericht den Wert des Streitgegenstands aus 5000 JUl festgesetzt.

Richter I,

Richter III,

Körner"

Urteile des Bezirksverwaltungsgerichts brauchen nur die Unterschriften des Vorsitzenden, eines hauptamtlichen und eines auf Zeit ernannten Mitglieds zu tragen. Die Ausfertigung unterzeichnet der Vorsitzende allein. Eine Rechtsmittel­ belehrung ist für Urteile nicht vorgeschrieben. §§ 15/6 Regul. vom 28. Februar 1884 (MBl. i. V. 37). Gegen (erst- oder zweitinstanzliche) Urteile des Bezirksverwaltungsgerichts ist seit § 27 VereinfVO. (S. 1143 Anm. 1) bloß noch das Rechtsmittel der Revision mit einer Revisionssumme von 1000 RM. gegeben. Rechtsmittelfrist: zwei Wochen seit Zustellung (§§ 85, 95 ALBG.). Hiervon besteht jedoch eine wichtige Ausnahme. Außer den Parteien kann nämlich auch der Vorsitzende des Kreis-, Stadt- oder Bezirksverwaltungsgerichts gegen das Urteil seines eigenen Kollegiums aus Grün­ den des öffentlichen Interesses das an sich zulässige Rechtsmittel einlegen (§§ 82,93). Für die Revision des Vorsitzenden gilt die Revisionssumme nicht (§ 93™). Will der Vorsitzende des Kollegiums von seinem Berufungs- bzw. Revisionsrecht Gebrauch machen, so hat er das sofort zu erklären. Die Urteilsverkündung wird alsdann auf längstens 3 Tage ausgesetzt und erfolgt nachher mit der Eröffnung, daß im öffent­ lichen Interesse Berufung (Revision) eingelegt worden sei. Wird diese Bestimmung nicht beachtet, so findet eine Berufung (Revision) im öffentlichen Interesse in dieser Sache nicht mehr statt (§ 82"). Zur Vertretung des vom Vorsitzenden des unteren

Bezirksverwaltungsgericht. — Zurücknahme einer Pfandleiherkonzession.

1150

Gerichts eingelegten Rechtsmittels ist vor dem Bezirksverwaltungsgericht vom Regierungspräsidenten, vor dem Oberverwaltungsgericht vom Ressortminister ein besonderer Kommissar zu bestellen (§ 84). Von der Verkündung des Urteils in öffentlicher Sitzung kann übrigens abge­ sehen werden (§ 81 S. 3). Deshalb ist die Verkündung, falls sie stattgefunden hat, nicht auf der Urteilsurschrift zu vermerken. Immer aber wird das Urteil den Parteien von Amtswegen zugestellt. Die zugestellte Ausfertigung muß die Gründe enthalten (§ 81 S. 2).

Erstinstanzliches Verfahren wegen Zurücknahme einer Pfandleiherkonzession.

Klage. Waldenburg i. Schles., dem 10. Oktober 1936.

„An das Bezirksverwaltungsgericht Breslau.

Klage

Klägers,

des Polizeipräsidenten in Waldenburg i. Schles.,

gegen

den Pfandleiher Emil Treu in Waldenburg i. Schles., Hochwaldstraße 18,

Beklagten,

wegen Zurücknahme einer Pfandleiherkonzession. Der Beklagte betreibt auf Grund der ihm am 23. April 1921 erteilten Erlaubnis in Walden­

burg das Gewerbe eines Pfandleihers. Bereits im Jahre 1932 schwebte gegen ihn ein Ermitt­ lungsverfahren wegen gewerbsmäßiger Hehlerei (§§ 259, 260 StGB.), weil er Sachen, die von dem Haushälter Rabe den Eigentümern entwendet waren, zum Pfande genommen und

beliehen hatte. Dieses Verfahren wurde eingestellt. Beweis: die Strafakten der Staatsanwaltschaft in Schweidnitz gegen Rabe und Andere,

4(3) KL 36.32. In den Monaten Juli und August 1936 hat der Beklagte wiederum gestohlene bzw. ver­ untreute Waren im Gesamtwert von fast 5000

zum Pfande genommen und mit zusammen

2320 JUL beliehen, nämlich:

(folgt Aufstellung).

Der Beklagte hat dabei gewußt, zum Mindesten mit der Möglichkeit gerechnet, daß die Verpfänder Klau und Stritzke die Pfandstücke auf unredliche Weise erworben hatten

und daß sie die Verpfändung vornahmen, um die Früchte ihrer Straftaten in Gestalt der

empfangenen Darlehen zu realisieren. Das ergibt sich insbesondere daraus

(folgte eine Reihe von Verdachtsmomenten). Deshalb ist das beim Landgericht Schweidnitz anhängige Boruntersuchungsverfahren auch auf

den Beklagten ausgedehnt worden. Beweis: 1. die Strafakten der Oberstaatsanwaltschaft in Schweidnitz gegen Klau und

Andere, 2 J 207.36, 2. die Zivilprozeßakten Doß gegen Treu, Eckhold gegen Treu, Haubner gegen Treu und Kuttner gegen Treu, 3. 0.185.36 bzw. 207.36 bzw. 210.36 bzw. 220.36 des Landgerichts in Schweidnitz. Aus diesen Handlungen des Beklagten erhellt klar der Mangel derjenigen Eigenschaften, welche

bei Erteilung der Erlaubnis vorausgesetzt werden mußten, nämlich seiner Zuverlässigkeit in

Bezug auf den Gewerbetrieb als Pfandleiher, und es ist daher die Zurücknahme der Erlaubnis geboten (§§34, 53 GewO.>.

Bezirksverwaltungsgericht. — Gewerbliche Genehmigungen.

1151

Gemäß § 119* ZuständG. erhebe ich Klage beim Bezirksverwaltungsgericht in Breslau und beantrage: die dem Beklagten erteilte Erlaubnis zum Betriebe des Gewerbes als Pfandleiher zu­

rückzunehmen. Abschrift der Klage für den Beklagten liegt bei.

Der Polizeipräsident.

Henrichs."

Unser Gewerberecht beruht auf dem Prinzip der Gewerbefreiheit. Wer ein Gewerbe beginnen will, bedarf dazu grundsätzlich keiner Erlaubnis, sondern er hat lediglich seinen Betrieb der Gewerbepolizeibehörde anzumelden, welche ihm über die Anmeldung ein schriftliches Empfangsbekenntnis ausstellt. §§ 1,141,151 GewO?) In einer großen Zahl von Fällen verlangt jedoch das Gesetz eine besondere Genehmi­ gung, die sich bezieht: a) entweder auf eine bestimmte Anlage, dergestalt daß die erteilte Genehmigung auf Rechtsnachfolger des ursprünglichen Inhabers ohne weiteres übergeht, während andrerseits der Konzessionsinhaber, sobald er eine Verlegung der bisherigen Betriebsstätte beabsichtigt, einer neuen Erlaubnis bedarf (§ 25), b) oder auf eine bestimmte Person. Beispiele genehmigungspflichtiger Anlagen: §§ 16 f., vgl. S. 606. Bei den personellen Genehmigungen unterscheidet man Approbationen und Konzessionen im engeren Sinne. Die „Approbationen" sind an die Voraussetzung einer beruflichen Vorbildung und Prüfung geknüpft und müssen erteilt werden, wenn der Bewerber den gesetzlichen Erfordernissen genügt. Beispiele: Apotheker, Hebammen, Hufschmiede, Lotsen, §§29, 30™, 31. Der ärztliche Beruf ist, wie §lu RÄrztO.6)7klarstellt, kein Gewerbe. Er darf nur von den durch die zuständige Behörde als Arzt bestallten Personen ausgeübt werden (§ 21 S. 1). Die Bestallung wird, ähnlich wie gewerbliche Approbationen, auf Grund einer persönlichen und fachlichen Qualifikation erteilt (§ 3). Dabei bezieht sich das Vorrecht der bestallten Ärzte nicht auf die Tätigkeit als solche, sondern auf die Bezeichnung als Arzt (§ 21 S. 2), d. h. zur Ausübung der Heiltätigkeit ist jedermann befugt („Kurierfreiheit"), der Nicht-Arzt darf sich aber nicht „Arzt" nennen. Soweit Behörden und öffentlichrechtliche Körperschaften Aufgaben auf dem Gebiet der Heilkunde oder ärztlichen Wissenschaft zu erfüllen haben, müssen sie sich bestallter Ärzte bedienen (§ 2“), eine wichtige Ausnahme gilt für Krankenkassen hinsichtlich der Zahntechniker (§§ 122/3 RVO., oben S. 596). — Die eigentlichen „Konzessionen" sind nicht auf Fachkennt­ nisse und Prüfungsergebnisse, sondern in der Regel auf die für das auszuübende Gewerbe bestehende Zuverlässigkeit abgestellt, bisweilen wird außerdem Vorhanden­ sein eines Bedürfnisses gefordert. Beispiele: Gaststätten, Privatkrankenanstalten, Schauspiel- und Vergnügungsunternehmungen, Pfandleiher, Bewachungsgewerbe und Vieles andere. §§ 301, 32, 33a, 33b, 34, 34a GewO., 1 GaststättG?) Zu einem Berwaltungsstreitverfahren führt das Genehmigungs-ErteilungsVerfahren nur dann, wenn eine Behörde widersprochen oder der Antragsteller das Berwaltungsstreitverfahren besonders beantragt Hail. Dagegen ist für die Zurück­ nahme von Genehmigungen (§§ 53 GewO., 12 GaststättG.), weil sie einen besonders einschneidenden Eingriff darstellt, durchweg Verwaltungsklage vorgeschrieben. 6) vom 21. Juni 1869, Neufassung vom 26. Juli 1900 (RGBl. 871), mit zahlreichen Novellen. ") vom 13. Dezember 1935 (RGBl. 1 1433). 7) vom 28. April 1930 (RGBl. I 146).

1152

Bezirksverwaltungsgericht. — Vorbescheid.

§§ 109—121 ZuständG., Art. II der pr. VO. vom 18. Juni 1930 (GS. 117). Die Verwaltungsklage auf Erteilung fällt in Gruppe 1, das Verwaltungsverfahren wegen Rücknahme in Gruppe 2 des S. 1147/8 aufgestellten Systems. An einer Legaldefinition des Pfandleihergewerbes fehlt es, doch steht der Be­ griff in der Praxis fest. Pfandleihe ist das gewerbsmäßige Ausleihen von Geld gegen Verpfändung von Gebrauchsgegenstäiäen im Gegensatz einmal zu gelegentlichen Pfanddarlehen, sodann zur Beleihung von Handelswaren, Wertpapieren, Edelmetallen und Hypotheken (sog. „Lombardgeschäft"). § 10n pr. PfandlG?) scheint allerdings auch die Beleihung von Wertpapieren als Pfandleihergeschäft zu betrachten (vgl. RG. 39, 350), doch spielt sie bei den typischen Pfandleihern keine Rolle. Ein Bankier, der ständig Geld gegen Ver­ pfändung von Möbeln u. bergt ausleiht, wird dadurch zum Pfandleiher mit allen sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen: Konzessionszwang, Anwendung der privatrechtlichen Sonderbestimmungen des PfandlG., polizeiliche Reglemen­ tierung und Beaufsichtigung des Gewerbebetriebs (§ 38 GewO.). Prüfung und Vorbescheid. Vorbereitung der mündlichen Verhand­ lung. Klagebeantwortung. Die Formen des Verwaltungsstreitverfahrens sind elastischer als die des Zivilprozesses mit seiner Verhandlungsmaxime und seinem starren Mündlichkeitsprinzip. Jede eingelaufene Klage soll zuvörderst darauf ge­ prüft werden, ob der erhobene Anspruch sich als absolut unbegründet oder als zweifelsfrei begründet erweist. Im ersten Falle kann (nicht: muß) durch „Vorbe­ scheid" des Gerichts oder seines Vorsitzenden die Klage a limine abgewiesen, im zweiten dem Beklagten die Klaglosstellung des Klägers aufgegeben werden. In dem Vorbescheid ist den Parteien zu eröffnen, daß sie befugt finb innerhalb 2 Wochen seit Zustellung entweder die Anberaumung der mündlichen VerhaMung zu be­ antragen — was zur Folge hat, daß der Vorbescheid als nicht erlassen gilt und der Prozeß in das Stadium zurückversetzt wird, in dem er sich vorher befand (ähnlich der Wirkung des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil, §342 ZPO.) — oder aber gegen den Vorbescheid dasjenige Rechtsmittel einzulegen, welches gegen das Urteil dieser Instanz gegeben sein würde. Geschieht keines von beiden, so hat der Vorbescheid die Wirkung eines „endgültigen", d. h. rechtskräftigen Urteils. Das Recht der Entscheidung durch Vorbescheid haben Verwaltungsgericht und Vorsitzen­ der auch später, so lange nicht eine der Parteien die Anberaumung eines Verhand­ lungstermins gefordert hat. §§ 64, 67 ALVG. Ferner können Gericht und Vorsitzender geeigneten Falls schon vor der münd­ lichen Verhandlung Beweise aller Art — einschließlich eidlicher Zeugen- und Sach­ verständigenvernehmungen — anordnen und erheben, gleichviel ob der Beweis von einer Partei angetreten ist oder ex officio für erforderlich erachtet wird (§ 77). Verfügung nach §§ 65, 77: „1. Klage dem Beklagten zustellen mit der Aufforderung, seine Gegenerklärung in doppelter

Ausfertigung binnen 3 Wochen einzureichen. 2. O.St.A. Schweidnitz um Übersendung der Strafakten 3. LG. Schweidnitz um Übersendung der Zivilprozeßakten

ersuchen. ersuchen.

4. Nach 3 Wochen." —

Im Laufe der dritten Woche reicht RA. Violet-Waldenburg folgende Klage­ beantwortung ein: ») vom 17. März 1881 (GS. 265).

Bezirksverwaltungsgericht. — Pfandbuch. Pfandschein.

1153

„In der Berwaltungsstreitsache Polizeipräsident Waldenburg gegen Treu

beantrage ich als Prozeßbevollmächtigter des Beklagten:

die Klage abzuweisen.

Begründung. Daß im Jahre 1932 und nochmals in den Monaten Juli-August 1936 gestohlene und ver­ untreute Sachen in großer Menge beim Beklagten gefunden wurden, soll nicht bestritten werden. Die Gefahr solcher Vorgänge liegt jedoch in der Natur des Pfandleihergeschäfts be­

gründet. Dem Beklagten darf nicht der Borwurf mangelnder Sorgfalt oder Zuverlässigkeit gemacht werden. Er hat vielmehr alles getan, was billiger Weise von ihm verlangt werden

konnte: 1. Sämtliche Verpfändungen sind ordnungsmäßig ins Pfandbuch eingetragen worden."

Um den Mißbrauch des Pfandleihergeschäfts zu Hehlerzwecken nach Möglich­ keit zu unterbinden, bestimmt § 5 PfandlG., daß der Pfandleiher ein Pfandrecht an den ihm übergebenen Gegenständen erst durch Eintragung des Geschäfts ins Pfandbuch erwirbt. Das Buch enthält in zeitlicher Reihenfolge und unter fort­ laufender Nummer das Datum, Namen des Verpfänders, die Bezeichnung des Pfandes, Höhe des Darlehns sowie der Zinsen und Fälligkeit. Außer der Eintragung müssen selbstverständlich die im allgemeinen bürgerlichen Recht für die Entstehung eines Pfandrechts aufgestellten Vorschriften (§§ 1205 f. BGB.) erfüllt sein. Erfolgt lediglich eine Verpfändung nach §§ 1205 f., aber keine Eintragung ins Pfandbuch, so steht dem Pfandleiher kein dingliches Recht an der als Sicherheit übergebenen Sache zu, sondern er hat lediglich das obligatorische Zurückbehaltungsrecht aus § 273, kann sich also insbesondere nicht durch Pfandverkauf aus ihr befriedigen. Der Pfandschein ist ein vom Pfandleiher unterschriftlich vollzogener wörtlicher Auszug aus dem Pfandbuch, auf den der Verpfänder ein gesetzliches Recht hat (§6 PfandlG.). Gegenüber dem Pfandleiher und sonstigen Dritten ist der Inhaber des Pfandscheins zur Ausübung der Verpfänder­ rechte befugt, ohne die Übertragung dieser Rechte nachweisen zu müssen (§ 17) und die Einlösung des

Pfandes findet grundsätzlich nur gegen Rückgabe des Scheines statt (§ 81). Dagegen kommt ihm für

den Erwerb von Rechten am Pfande oder an den dem Verpfänder aus dem Verpfändungsvertrag zu­ stehenden Rechten keine Bedeutung zu, vielmehr werden diese Rechte — ohne Übergabe (Wegnahme) des Pfandscheins — lediglich gemäß §§ 398, 931, 1280 BGB., 829 ZPO. übertragen, ver- und ge­ pfändet (vgl. S. 12, 638, 640). Mithin ist der Pfandschein weder Inhaber- noch Orderpapier noch

bloße Quittung, sondern eine Urkunde sui generis. Am nächsten steht er dem Legitimationspapier

(hinkenden Jnhaberpapier), unterscheidet sich aber von ihm durch die für den Fall des Verlustes getroffene Regelung. Nach §8n PfandlG. kann nämlich der Verpfänder auch ohne Vorlegung des Scheines die Einlösung des Pfandes oder Herauszahlung der hyperocha (§ 1247 S. 2 BGB.) fordern, sobald 3 Wochen seit Fälligkeit verstrichen sind. Der Verpfänder hat es also nicht nötig, wenn er den Pfandschein verliert, ihn im Aufgebotsverfahren (S. 353 f.) für kraftlos erklären zu lassen. Ratio legis: gerade bei den kleinen Leuten, welche die Stammkundschaft der Pfandleiher bilden, tritt ein

solcher Verlust nicht selten ein und die Kosten des Aufgebotsverfahrens würden außer Verhältnis zu

dem meist geringen Wert der Pfänder stehen. Wie zu entscheiden ist, wenn nach Ablauf der 3 Wochen­ frist sowohl der ursprüngliche Verpfänder wie ein Präsentant des Pfandscheins das Pfand einlösen wollen, sagt das Gesetz nicht.

Nimmt die Polizei eine Revision des Betriebes des Pfandleihers vor, oder forscht sie nach dem Verbleib gestohlener Sachen, so sieht sie in erster Reihe das Pfandbuch ein. Die Eintragung ins Pfandbuch spricht deshalb in der Tat dafür, daß der Pfandleiher bei dem Geschäft ein reines Gewissen hatte.

Bezirksverwaltungsgericht. — Sonderrecht der Pfandleiher.

1154

I „2. Die in Betracht kommenden Sachen sind vom Beklagten fast bis zum vollen Wert beliehen worden.

(wird im Einzelnen dargelegt)."

Werden gestohlene Sachen verkauft, so bildet der dem Diebe gezahlte unver­ hältnismäßig niedrige Preis, der „Hehlerpreis", das praktisch wichtigste Indiz für die Bejahung des subjektiven Hehlerei-Tatbestandes, daß der Erwerber „weiß oder den Umständen nach annehmen muß", die Sachen seien mittels einer strafbaren Handlung erlangt (§ 259 StGB.). AnLers liegen die Dinge, wenn das „Ansichbringen" in der Annahme der entwendeten Gegenstände als Pfand gefunden wird. Der Pfandgläubiger hat ja an dem Pfandstück nur ein Recht auf Befriedigung wegen seiner Forderung und er muß seine Befriedigung im Wege des öffentlichen Psandverkaufs bewirken (§§ 1228 f. BGB.). Das PfandlG. (§§ 9 f.) bringt sogar noch Erschwerungen des Psandverkaufs und § 15 schreibt vor, daß der Pfandleiher die hyperocha, falls sie nicht innerhalb 14 Tagen seit dem Verkauf vom Verpfänder (Pfandscheininhaber) abgeholt sind, bei der Ortsarmenkasse hinterlegen muß, welcher sie nach Ablauf eines Jahres endgültig verfallen. Selbst wenn der Verpfänder sich nicht meldet, um den ihm gebührenden Mehrerlös in Empfang zu nehmen, kann sich dennoch der Pfandleiher nicht an ihm bereichern. Schutz der Darlehnsnehmer gegen Ausbeutung ihrer Notlage: Für Darlehen bis

30 RM. dürfen höchstens 30%, für den Mehrbetrag höchstens 18% als Zinsen vereinbart werden (AB. vom 26. Dezember 1933, GS. 34,10). Die Sätze erscheinen hoch, werden jedoch durch die hohen

Generalunkosten des Geschäfts gerechtfertigt. Alle sonstigen Sondervergütungen (Provisionen, Berwahrungsgebühren u. dgl.) sind unstatthaft (§ 31 PfandlG.). Damit die Pfänder möglichst nicht verfallen, stellt § 4 die zwingende Vorschrift auf, daß die

Fälligkeit des dem Schuldner gewährten Darlehns frühestens nach 6 Monaten eintritt. Der Pfandver­ kauf darf nicht früher als 4 Wochen nach Fälligkeit des Darlehns bewirkt werden (§11 S. 2). Die

Bekanntmachung des Bersteigerungstermins geschieht in einem durch die Ortspolizeibehörde dazu bestimmten Blatt (§ 121). Der Pfandleiher ist, übereinstimmend mit § 12391 S. 1 BGB., zum Mitbieten berechtigt (§ 10m PfandlG.). Infolge der angeführten Gesetzesvorschriften wird es aber nicht leicht vorkommen, daß

er Pfandstücke unter dem Wert ersteht und dadurch einen Sondergewinn erzielt. Die typische Erscheinung, daß viele Schuldner zunächst ihre Wertsachen beim Pfandleiher ver­ pfänden und alsdann „den Pfandschein verkaufen", hängt mit der Vorsicht zusammen, die von den Pfandleihern gewöhnlich bei der Bemessung des Darlehns geübt wird. Juristisch handelt es sich dabei um Verkauf und Übereignung der mit dem Pfandrecht belasteten Sache durch Vindikationszession

(§ 931 BGB.).

Die vom Beklagten unter Beweis gestellte hohe Beleihung der Pfänder fällt jedenfalls zu seinen Gunsten ins Gewicht. „3. Im Fall Rabe hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Beklagten mit guten

Gründen eingestellt. Schon deshalb darf die vorliegende Klage nicht auch aus den Fall Rabe gestützt werden."

Unrichtig! Die staatsanwaltliche Einstellung steht bekanntlich nicht einmal einer Fortsetzung oder Neueinleitung des Strafverfahrens entgegen (S. 858). Das Ver­ waltungsgericht würde aber sogar durch gerichtliche Außerverfolgungssetzung (S. 909) oder Freisprechung nicht gehindert sein, die dem Angeklagten im Strafprozeß zur Last gelegte Tat als erwiesen anzusehen. Denn es hat die materielle Wahrheit von Amtswegen zu erforschen, und ist dabei von den Ergebnissen anderer Verfahren völlig unabhängig.

Bezirksverwaltungsgericht. — Verpfändung gestohlener Sachen.

1155

„4. Daß wegen der Fälle Klau und Stritzke die gerichtliche Voruntersuchung gegen den Be­

klagten eröffnet wurde, ist belanglos, da der Untersuchungsrichter dem Antrag der Staats­ anwaltschaft ohne sachliche Stellungnahme entsprechen mußte."

Vgl. S. 895. „Zur Verurteilung des Beklagten wegen Hehlerei oder auch nur zur Eröffnung des Haupt­

verfahrens gegen ihn wird es keinesfalls kommen. Bei der Verpfändung haben Klau und

Stritzke dem Beklagten solche Angaben gemacht, daß er sich daranfhin im besten Glauben

auf das Geschäft einlassen konnte. (wird näher ausgeführt). Meine Prozeßvollmacht sowie Abschrift dieser Klagebeantwortung für den Kläger liegen bei.

Für den Beklagten: Violet, R.-A."

Inzwischen sind auch die angeforderten Akten aus Schweidnitz eingegangen und der Referendar trägt dem Berichterstatter vor: Der bisherige Inhalt der beiden Strafaktenstücke gestattet noch keine zuverlässigen Schlußfolgerungen über Treus Schuld oder Unschuld. Er hat von Rabe, Klau und Stritzke Gegenstände der aller­ verschiedensten Art: Stoffe und Teppiche, gestohlene Uhren und Ringe, Schreib­ maschinen und künstliche Zähne, als Pfand genommen. Doch erklärt sich das, wenn man den — vorläufig uneidlich abgegebenen — Aussagen der Pfandhausangestellten folgen darf, aus dem sicheren und gewandten Auftreten der Verpfänder und den plausiblen Erklärungen, welche sie dafür gegeben haben, daß sie in der Lage seien so verschiedenartige Objekte zu versetzen. Rabe hatte bei seiner ersten verantwortlichen Vernehmung angegeben, von Treu zur Begehung der Mebstähle ermuntert worden zu sein. Später hat er das widerrufen, und die Staatsanwaltschaft hat die frühere Aussage für unglaubwürdig gehalten und das Verfahren gegen Treu eingestellt. In der Strafsache gegen Klau und Andere ist behauptet worden, ein früherer Haus­ genosse des Beklagten namens Nohl habe erzählt, daß er Stritzke wiederholt in der Privatwohnung des Beklagten gesehen hätte. Das legt den Verdacht nahe, Treu habe mit den Dieben im Einvernehmen gestanden. Nohl wird z. Zt. von den Be­ hörden gesucht. Auch abgesehen hiervon dürfte sich die gerichtliche Voruntersuchung noch ziemlich lange hinziehen, da der Aufenthalt mehrerer Zeugen ermittelt werden muß. Der Richter: Und wie stehen die Zivilprozesse? Referendar: Die Kläger verlangen Herausgabe der ihnen gehörigen, von Klau bzw. Stritzke dem Beklagten verpfändeten Sachen. Der Beklagte beantragt wegen seines gutgläubig erworbenen, ihn zum Besitz berechtigenden Pfandrechts Klage­ abweisung, hilfweise will er nur Zug um Zug gegen Rückerstattung der an die Ver­ pfänder gewährten Darlehen nebst Zinsen zur Herausgabe verurteilt werden. In sämtlichen Prozessen ist Aussetzung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Straf­ verfahrens gemäß § 149 ZPO. beantragt. Eine mündliche Verhandlung hat bis jetzt nicht stattgefunden. M. E. wird Treu, vielleicht mit Ausnahme eines Prozesses, ohne Beweiserhebung zur unbedingten Herausgabe verurteilt werden müssen. Denn nach § 1207 BGB. ist auf den Erwerb eines Pfandrechts vom Nichteigen­ tümer § 935 entsprechend anzuwenden. Da es sich um gestohlene Sachen handelt, kann sich also der Beklagte auf seinen angeblichen guten Glauben nicht berufen und hat kein Pfandrecht an den übergebenen Gegenständen erlangt. Es steht ihm aber wegen der ausgezahlten Darlehnssummen auch kein Zurückbehaltungsrecht zu. Die Darlehensforderungen richten sich gegen Klau und Stritzke, nicht gegen die mit der

1156

Bezirksverwaltungsgericht. — Gutgläubiger Erwerb und § 254 BGB.

rei vindicatio (§ 985) klagenden Eigentümer, mithin fehlt es an !ber in § 2731 vor­ ausgesetzten Gegenseitigkeit. Ebenso wenig sind die Darlehen „Verwendungen" „aus" die verpfändeten Sachen im Sinne von §§ 273n, 994 f. Der im Prozeß Doß erhobene weitere Einwand, dieser Kläger habe durch grob fahrlässige Aufbewahrung der streitigen Gegenstände dem Stritzke ihre Entwendung erleichtert, ja „geradezu herausgefordert" und müsse darum „den ihm entstandenen Schaden selbst tragen", scheint mir unerheblich, weil Doß keinen Schadensersatzanspruch sondern die ding­ liche Vindikation geltend macht, für welche § 254 nicht gilt. Lösungsanspruch: Art. 94n

zum BGB. erhält die landesrechtlichen Bestimmungen auf­

recht, nach denen öffentlichen Pfandleihanstalten das Recht zusteht die ihnen verpfändeten Sachen

dem Berechtigten nur gegen Bezahlung des auf die Sache gewährten Darlehns herauszugeben. Treu ist aber privater Pfandleiher, und man hat mit voller Absicht den privaten Pfandleihern das Privileg

vorenthalten, weil sie sonst der Versuchung unterliegen könnten in der Prüfung der Legitimation ihrer Verpfänder nachlässig zu werden. Historisch stellt sich das Lösungsrecht öffentlicher Pfandleihanstalten als Überrest der landesrechtlichen Regelung dar, daß der redliche Erwerber einer gestohlenen Sache

zwar nicht Eigentümer wurde, aber vom vindizierenden Eigentümer die Erstattung alles dessen, was er dafür gegeben oder geleistet hatte, fordern konnte (§§ 25,26115 ALR.).

Mitwirkendes Verschulden gegenüber dinglichen Ansprüchen? Die Rechtsprechung hat das Anwendungsgebiet des § 254 BGB. weit über den Wortlaut der Vorschrift ausgedehnt —

u. A. aus den Regreß unter Gesamtschuldnern, Unmöglichkeit, Schadensersatzansprüche aus § 945 ZPO. (oben S. 433/4), Rücktritt, Wandelung — und damit zu einem allgemeinen Grundgedanken des Gesetzes erhoben. RG. 54, 225; 56, 267; 71, 187; 93, 96; IW. 04, 140«; 07,485“; vgl. oben

S. 489. In RG. 93, 281 wurden gestohlene Wertpapiere gegen einen Bankier vindiziert, der nach

allgemeinen Grundsätzen gutgläubig gewesen sein würde, infolge der Fiktion des § 367 HGB. jedoch als bösgläubig behandelt werden mußte (oben S. 351), und der sich nun mit der Behauptung vertei­ digte, daß der bestohlene Eigentümer infolge eigener grober Fahrlässigkeit den Diebstahl nicht früher

entdeckt und verfolgt habe. Der Einwand wurde zugelassen, indessen nur deshalb, weil der Klagean­

trag auf Herausgabe der vom beklagten Bankier angekauften Original-Pfandbriefe „oder gleichartiger Pfandbriefe" lautete. Das Reichsgericht trug Bedenken die Anwendbarkeit des § 254 BGB. gegen­ über dinglichen Ansprüchen allgemein anzuerkennen. Die Klage sei aber kein eigentlicher Herausgabe­ sondern, weil tantundem eiusdem qualitatis verlangt war, ein Schadensersatzanspruch, und damit

die Voraussetzung für die Erheblichkeit des mitwirkenden Verschuldens gegeben. Andrerseits weist das Urteil zutreffend darauf hin, daß der Herausgabeanspruch des bestohlenen Eigentümers seiner wirt­ schaftlichen Natur nach immer auf Ausgleich eines Schadens gerichtet ist. Seitdem scheint sich die

Judikatur nicht mehr mit dem Problem beschäftigt zu haben. Wird der Grundgedanke der Entscheidung verallgemeinert, so würden die Gerichte in der Lage sein mit Hilfe des elastischen § 254 auch bei sachen­ rechtlichen Streitigkeiten den wirtschaftlichen Schaden ganz nach den Verhältnissen des Einzelfalles

zu verteilen. So wie die Vorschriften des BGB. über den gutgläubigen Erwerb gefaßt sind, ist die

Verfügung des Nichtberechtigten entweder in vollem Umfang wirksam, oder gänzlich unwirksam. Einen Mittelweg gibt es nicht. Die Unbilligkeit dieses „Alles- oder Nichts"-Prinzips zeigt sich beson­ ders, wenn die Entscheidung von geringfügigen Umständen abhängt, durch die z. B. die Grenze zwischen

leichter und grober Fahrlässigkeit (§ 93211) überschritten wird, oder wenn (wie bei abhandengekom­ menen Sachen mit Ausnahme von Geld und Jnhaberpapieren, § 935) sogar der absolut gutgläubige Erwerber keinen Schutz genießt.

Eine besondere Komplikation besteht noch im Prozeß Eckhold gegen Treu. Klau hatte nämlich Eckhold'sches Eigentum in seiner Obhut, welches er an Treu verpsändet hat, und die Parteien streiten darüber, ob Klau Besitzdiener des Eckhold (§ 855) oder ob er Besitzmittler (§ 868) für ihn war. Im ersten Fall sind die der-

Bezirksverwaltungsgericht. — Mündliche Verhandlung.

1157

pfändeten Sachen als dem Eigentümer Eckhold abhanden gekommen anzusehen (vgl. S. 423), im zweiten würde § 935 aufcer Betracht bleiben und Treu sich auf seinen guten Glauben berufen können. Richter: Auf Grund welches Rechtsverhältnisses hatte Klau die Sachen Eckholds in seinen Händen? Referendar: Er war Agent, vertrat außer Eckhold eine Reihe anderer Firmen und unterhielt in seinem Geschäftslokal ein Lager von Waren seiner Auftraggeber. Richter: Dann halte ich ihn nicht für den Besitzdiener, sondern für den unmittel­ baren Besitzer des Eckhold. Zur Besitzdienerschaft gehört ein rechtliches und soziales Abhängigkeitsverhältnis, während der Handlungsagent seinem Geschäftsherrn als selbständiger Kaufmann gegenübersteht (oben S. 813). In jedem Falle ist es ganz ungewiß, ob und wann die für unser Verwaltungsstreitverfahren grundlegende Frage der Gutgläubigkeit des Beklagten Treu in einem der andern Prozesse zur Klärung gelangen wird. Ich werde also dem Vorsitzenden Ansetzung des Verhand­ lungstermins Vorschlägen. Mündliche Verhandlung. Beweisaufnahme. Urteil. „Öffentliche Sitzung des Bezirksverwaltungsgerichts.

Breslau, den 4. Dezember 1936.

B.V.G. St. 1167.36. Anwesend:

1. Richterif Verwaltungsgerichtsdirektor, als Vorsitzender,

2. Richtern, Oberregierungsrat, 3. Richterin, Regierungsrat, 4. Rittergutsbesitzer G-^Mo/>/-Karolinenhof, 5. Gutsinspektor Lo>-r^-Hünern, 6. Fabrikbesitzer und Handelsgerichtsrat Lamrn^xt&au, 7. Werftbesitzer MatzkeJ8xte§t

als Mitglieder, Regierungsinspektor Pfleger als Protokollführer. In der Verwaltungsstreitsache

Polizeipräsident zu Waldenburg i. Schles. wider Treu wegen Zurücknahme einer Pfandleiherkonzessiorr erschienen nach Aufruf:

1. für den Kläger Polizeirat Alvenbeck aus Waldenburg, Vollmacht überreichend, 2. für den Beklagten R-A. Violet aus Waldenburg

und der Beklagte in Person."

§§ 71, 72, 75 ALVG., § 12 Regul. (oben S. 1149). Wie wäre beim Ausbleiben der Parteien oder einer von ihnen zu verfahren gewesen? Der Berwaltungsprozeß kennt weder das zivilprozessuale Institut des Versäumnisurteils, noch ein Ruhen des Verfahrens im Falle des Nichterscheinens (S. 457), noch Kontumazialfolgen wie einzelne besondere Arten des Strafprozesses (oben S. 934). Die Parteien werden zum Termin unter der Verwarnung geladen, daß beim Ausbleiben „nach Lage der Verhandlung" werde entschieden werden

1158

Bezirksverwaltungsgericht. — Beweisaufnahme.

(§ 681 ALBG.). Daraus folgt: Im Falle des Nichterscheinens findet die Verhand­

lung in der üblichen Weise, beginnend mit dem Vortrag des Berichterstatters, statt, und die Entscheidung, welche nachher ergeht, ist eine kontradiktorische, nur mit den gewöhnlichen Rechtsmitteln anfechtbare. Wenn also keine Berufung gegeben ist, so hat die ausgebliebene Partei die Geltendmachung aller noch nicht angeführten Tatsachen und Beweismittel endgültig verloren. Behauptungen der erschienenen Partei können — nicht: müssen — nach freiem Ermessen des Gerichts als von der ausgebliebenen Gegenpartei zugestanden erachtet werden (§ 79 S. 2). Das Gericht kann auch das persönliche Erscheinen einer Partei zur besseren Aufklärung des Sach­ verhalts anordnen (§ 68n), doch gibt es keinen wirklichen Erscheinungszwang. „Die in der Terminsvorladung bezeichneten Akten lagen vor.

Das Sachverhältnis wurde von dem Berichterstatter vorgetragen.

Neue Anträge wurden seitens der Parteien nicht gestellt, auch keine neuen Erklärungen abgegeben."

Die Parteien können in der mündlichen Verhandlung ihre tatsächlichen und rechtlichen Anführungen ergänzen oder berichtigen und die Klage abändern, sofern nicht durch die Änderung das Verteidigungsrecht der Gegenpartei ungebührlich geschmälert oder eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens herbeigeführt wird (8 7111 @. 1). „Borgelesen, genehmigt.

Nach erfolgter Beratung des Gerichts verkündete der Vorsitzende folgenden Beschluß: Es soll Beweis erhoben werden nach Maßgabe eines noch näher abzusetzenden und den

Parteien zuzustellenden Beweisbeschlusses.

Rich ter I.

Pfleger."

Der Beweisbeschluß sieht u. A. die Zeugenvernehmung des Personals des Beklagten und des Nohl vor, ferner die Vernehmung von Sachverständigen dar­ über, ob der Beklagte die von Klau und Stritzke verpfändeten Sachen zu einem hohen Bruchteil ihres Wertes beliehen hatte. Sämtliche Vernehmungen sollen eid­ lich durch Ersuchen des Amtsgerichts in Waldenburg erfolgen (§ 77 I S. 1). Das Beweisverfahren ist im ALBG. nur in ganz großen Zügen geregelt. Ergänzend wendet die Praxis meist die Vorschriften der ZPO. an, aber mit einer gewissen Freiheit und unter Berück­

sichtigung der Eigenart des Verwaltungsprozesses. Nach Wahl des Gerichts wird die Beweisaufnahme entweder vor dem Kollegium in der mündlichen Verhandlung, oder durch eines der Mitglieder als

beauftragten Richter (besonders bei Ortsterminen in Verbindung mit einer Augenscheinseinnahme

üblich) oder durch eine ersuchte Behörde ausgeführt (arg. §§77I ALBG.). Die Vereidigung der Zeugen und Sachverständigen steht im Ermessen des Gerichts (arg. § 76); die Vereidigung bildet die Regel. Der Parteieid — einschließlich des Urkunden-Editionseides (§426 ZPO.) — gilt als unzulässig,

weil der Ausdruck der Berhandlungsmaxime sei, während das Verwaltungsstreitverfahren unter dem Zeichen der Offizialmaxime stehe. OVG. 9,82; 10,331; 23,39; 24, 276; 25,253; 44,199. Dem wird

zuzustimmen sein, soweit es sich um den zugeschobenen Eid des früheren Zivilprozesses handelt. Die Parteivernehmung des neuen Verfahrens (unten S. 1171/2), die in ihren Grundgedanken durchaus

dem richterlichen Eide entspricht, könnte sehr wohl in das Verwaltungsstreitverfahren übernommen werden; war doch selbst im Statusprozeß der richterliche Eid von jeher statthaft (oben S. 556/7).

Die Beweisaufnahme ergibt gegen Treu nichts wesentlich Belastendes. In der Schlußverhandlung werden die Beweisergebnisse vorgetragen:

Bezirksverwaltungsgericht. — Gemeindeverfassung.

1159

„Nach erfolgter Beratung des Gerichts verkündete der Vorsitzende unter mündlicher Mit­

teilung des wesentlichen Inhalts der Gründe folgendes Urteil: Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens und die erforderlichen und erstattungsfähigen baren Auslagen des Beklagten werden dem Kläger auferlegt. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10 000

festgesetzt."

Berufungsurteil in einer Kommunalabgabenfache. „Geschäftsnummer: B.V.G. st. II 56.36. Im Namen des Deutschen Volkes! In der Verwaltungsstreitsache der Gemeinde Silberberg, vertreten durch den Bürgermeister,

Beklagten und Berufungsklägerin."

— Durch die DGO.°) ist eine einheitliche Organisation des Gemeindewesens ge­ schaffen worden. Die bisher als „Städte" geltenden Gemeinden führen diese Be­ zeichnung weiter, im übrigen kennt das Gesetz bloß „Gemeinden", vorbehaltlich anderweiter Anordnung des zuständigen Reichsstatthalters (§ 9). Die Kommunalverfassung beruht auf dem Führerprinzip. Es gibt weder kollegiale Gemeindevorstände (Magistrate) noch gewählte Vertretungen der Bürger­ schaft. Die Gemeinde wird von dem ernannten „Bürgermeister" geleitet, neben dem als seine Stellvertreter für die Geschäfte im allgemeinen oder für einzelne Arbeits­ gebiete ein oder mehrere „Beigeordnete" stehen. In Stadtkreisen heißt der Bürger­ meister „Oberbürgermeister", der erste Beigeordnete „Bürgermeister", die übrigen „Stadtkämmerer", „Stadtschulrat", „Stadtbaurat", „Stadtrechtsrat", „Stadtrat" usw. Der Bürgermeister hat das ins devolutionis, jede Sache aus dem Dezernat eines Beigeordneten an sich zu ziehen. In kleineren Gemeinden (unter lOOOO Ein­ wohner) sind Bürgermeister und Beigeordnete der Regel nach ehrenamtlich, in den größeren hauptamtlich tätig. §§ 61, 32", 34, 35, 39. Als Verbindungsleute mit der Bürgerschaft sind die „Gemeinderäte" (in Städten: „Ratsherrn") bestimmt. Ihr Amt ist ein Ehrenamt. Sie werden vom Beauftragten der NSDAP, im Benehmen mit dem Bürgermeister berufen. Manche Angelegenheiten muß, andere kann der Bürgermeister mit ihnen beraten. Sie haben aber keine beschließende Stimme und es finden im Gemeinderats­ kollegium überhaupt keine Abstimmungen statt. §§48, 51, 55, 57. Die Vertretung der Gemeinde liegt allein in den Händen des Bürgermeisters. Erklärungen, durch welche die Gemeinde „verpflichtet" werden soll, bedürfen der Schriftform und sind vom Bürgermeister mit Angabe der Amtsbezeichnung hand­ schriftlich zu vollziehen. Mrd der Bürgermeister vertreten, so müssen zwei ver­ tretungsberechtigte Beamte oder Angestellte unterschreiben (§36). Die für die frühere Gesetzgebung oben S. 225 besprochenen Einzelfragen sind nicht ausdrücklich geregelt; sie werden unverändert zu entscheiden sein. Rechtsgeschäfte der Gemeinde, zu denen eine Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde erforderlich ist: § 62. Ansprüche der Gemeinde gegen den Bürgermeister werden in ihrem Namen von der Aufsichtsbehörde geltend gemacht (§115). — *) Dtsch. GemO. vom 30. Januar 1935 (RGBl. I, 49), dazu I. DfVO. vom 22. März 1935 (RGBl. I 393), AusfVO. zu § 118 vom 26. März 1935 (RGBl. I 470), pr. ÜberleitBO. vom 30. März 1935 (MBl. i. B. 491), AusfVO. vom 30. März 1935 (MBl. t. V. 493). Lux, Schulung.

3. Aufl.

1160

Bezirksverwaltungsgericht. — Kommunalbeiträge. „wider den Logierhausbesitzer Martin Spohr in Silberberg, Kalvarienberg 6,

Kläger und Berufungsbeklagten, wegen Kommunalbeitrags hat das Bezirksverwaltungsgericht in Breslau in seiner Sitzung vom 14. Oktober 1936, an

welcher teilgenommen haben: für Recht erkannt: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Kreisverwaltungsgerichts in Franken­

stein vom 21. Juli 1936 wird als unzulässig verworfen. Die Kosten der Berufungsinstanz und die dem Kläger in der Berufungsinstanz erwachsenen

erforderlichen und erstattungssähigen baren Auslagen werden der Beklagten auferlegt. Der Wert des Gegenstandes der Berufungsinstanz wird auf 350JUC festgesetzt. Gründe: Auf Grund des Gemeindebeschlusses vom 16. Dezember 1935 ist in der beklagten Gemeinde

eine Kanalisation angelegt worden. In dem Beschluß ist bestimmt, daß die Kosten der Anlage

zur Hälfte gemäß § 9 KAG.") von den Grundstückseigentümern nach einem näher bestimmten Verhältnis, zur anderen Hälfte durch eine von der Beklagten bei der Provinzial-Hilsskasse aus­

zunehmende Anleihe aufgebracht werden sollen. Plan und Kostennachweis sind ordnungsmäßig offengelegt worden, auch die vorgeschriebene Bekanntmachung des Gemeindebeschlusses erfolgt. Einwendungen sind nicht erhoben und dies öffentlich bekannt gemacht worden. Auf

Grund des Beschlusses hat die Beklagte den Kläger als Eigentümer des Grundstücks Kalvarien­ berg 6 zu einem Beitrag von 1012 JUl herangezogen."

Abgesehen von den Einkünften des Gemeindevermögens verwenden die Ge­ meinden zur Deckung ihres Finanzbedarfs Gebühren und Beiträge, indirekte und direkte Steuern und Naturaldienste (§ 1). Diese Reihenfolge ist keine zufällige, denn Steuern sollen grundsätzlich nur insoweit erhoben werden, als die Einnahmen aus Gemeindevermögen, Gebühren, Beiträgen und den von Reich und Land angeördneten oder den Gemeinden überwiesenen Steuern (vgl. z. B. S. 21, 22, 1108, 1109 nicht ausreichen, wobei wiederum die direkten Steuern hinter den indirekten an die Reihe kommen (§ 2). „Steuern" sind nach § l1 AbgO. einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen denen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (Einkommen, Vermögen, Umsatz, Schenkung, Erbschaft, Gesellschaftsgründung, Einfuhr zollpflichtiger Güter, Inverkehrbringen verbrauchs­ steuerpflichtiger Waren usw.). Im Gegensatz dazu werden „Gebühren" für eine besondere Inanspruchnahme der Verwaltung (§ l1 AbgO.) oder, wie es § 41 KAG. ausdrückt, für die Benutzung der von der Gemeinde im öffentlichen Interesse unter­ haltenen Veranstaltungen erhoben (Gerichts- und Verwaltungsgebühren, Schul­ gelder, Schlachthofgebühren u. dergl.). Die „Beiträge" stehen zwischen beiden in der Mitte: sie setzen voraus, daß der Beitragspflichtige von einer im öffentlichen Interesse geschaffenen oder unterhaltenen Institution besondere Vorteile hat, ohne daß er sie jedoch geradezu zu benutzen braucht, und treffen daher auch diejenigen, welche durch Auferlegung einer „Gebühr" nicht oder nicht voll erfaßt werden würden. Zu Beiträgen können insbesondere herangezogen werden: nach § 15 FluchtlG. vom 2. Juli 1875 (GS. 561) Anlieger wegen der Kosten der Straßensreilegung 10) Pr. Komm. AbgG. vom 17. Juli 1893 (GS. 152) mit zahlreichen Novellen.

1161

Bezirksverwaltungsgericht. — Rechtsmittel in Kommunalabgabesachen.

und -Unterhaltung (bis zur Höchstdauer von 5 Jahren); nach §§ 1 f. BO. vom 25. November 1923 (GS. 540) Halter von Fahrzeugen, welche befestigte öffentliche Wege über das gemeinübliche Maß hinaus benutzen, wegen der Wegeunterhaltungs­ kosten; endlich nach unserem §9 KAG. Grundeigentümer oder Gewerbetreibende, wenn ihnen aus der Herstellung oder Unterhaltung einer durch das öffentliche Interesse erforderten „Veranstaltung" „besondere Vorteile" erwachsen. Die An­ lage einer Kanalisation stellt eine solche Veranstaltung dar. Kurtaxen dürfen in Badeorten, klimatischen und sonstigen Kurorten als „Vergütung für die zu Kurzwecken getroffenen Veranstaltungen" von den Gemeinden eingeführt werden (§ 12). Sie sind

aber keine echten Gebühren, weil sie ohne Rücksicht auf die tatsächliche Benutzung der Veranstaltungen schon wegen der Möglichkeit dieser Benutzung geschuldet werden. Man charakterisiert sie als „uneigent­

liche Gebühren" öffentlich-rechtlicher Natur.

§ 9 sieht ein umständliches Verfahren vor. Zunächst ist über die Erhebung der Beiträge ein Gemeindebeschluß (Gemeindesatzung) zu fassen. Es wird ein Plan der Veranstaltung aufgestellt und mit einem Nachweis der Kosten offen gelegt. Der Gemeindebeschluß muß unter Hinweis auf Auslegung von Plan und Kostennach­ weis in ortsüblicher Weise mit dem Bemerken bekannt gemacht werden, daß Ein­ wendungen innerhalb bestimmter Frist beim Bürgermeister anzubringen seien. Über solche Einwendungen entscheidet die Aufsichtsbehörde, gegen den Beschluß gibt es Beschwerde. Sind die Einwendungen rechtzeitig erledigt oder keine erhoben, so gibt das der Bürgermeister wiederum in ortsüblicher Weise bekannt. Mit dieser Bekanntmachung hat der Beitragsbeschluß Rechtswirksamkeit erlangt und es können nunmehr die einzelnen Abgabepflichtigen durch Steuerbescheid zu Beiträgen ver­ anlagt werden. „Gegen den am 5. März 1936 zugestellten Beitragsbescheid vom 2. März 1936 hat der Kläger am 19. März 1936 Einspruch beim Bürgermeister der beklagten Gemeinde eingelegt.

Durch Bescheid vom 30. März, zugestellt am 1. April 1936, hat der Bürgermeister den Einspruch zurückgewiesen. Nunmehr hat der Kläger beim Kreisverwaltungsgericht in Frankenstein die am 13. April 1936 eingegangene Klage mit dem Antrag auf völlige Freistellung erhoben."

Gegen jede Veranlagung zu kommunalen Steuern, Gebühren, Beiträgen oder Naturaldiensten steht dem Abgabepflichtigen der Einspruch an den Bürgermeister innerhalb 4 Wochen und gegen die Einspruchsentscheidung des Bürgermeisters innerhalb weiterer 2 Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren zu (§§ 69, 70 KAG.). Entsprechend ist das Rechtsmittelverfahren gegen Kreis- und Provinzial­ abgaben geregelt (§ lln,IV, 28™,IV, 31 pr. Kreis- u. ProvAbgG. vom 23. April 1906, GS. 159). „Nach Eingang der Klagebeantwortung und der Kanalisationsbeitrags-Akten der Be­ klagten hat das Kreisverwaltungsgericht durch Vorbescheid vom 14., zugestellt am 15. Mai 1936

den Beitrag des Klägers auf 662 JXX herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen. Der Vorbescheid erklärt die vom Kläger gegen den Beitragsbeschluß erhobenen gmndsätzlichen Ein­

wendungen für unbegründet, weicht aber in der Berechnung von der Veranlagung und dem Einspruchsbescheid insofern ab, als er die dem Kläger gehörige, hinter seinem Hause liegende Wiese in Größe von 82a 60 qm, weil nicht bebauungsfähig, außer Ansatz läßt."

Inwieweit werden Einwendungen, die sich gegen den Beitragsbeschluß als solchen richten, im Veranlagungsverfahren noch berücksichtigt? Mit der zweiten Bekanntmachung war der Beschluß als Gemeindesatzung unanfechtbar und zu einer Quelle des objektiven Rechts geworden, so daß der Berwaltungsrichter lediglich 73*

1162

Bezirksverwaltungsgericht. — Rechtsmittel nach vorangegangenem Vorbescheid.

auf die formelle Ordnungsmäßigkeit seines Zustandekommens und auf die An­ wendung im konkreten Einzelfall einzugehen hat. Ob der Beschluß zweckmäßig war, ob er dem Grundstück des Klägers tatsächlich Vorteil bringt, ob der Beitrag des Klägers im Verhältnis zu den Vorteilen steht, ist unerheblich. Der Beschluß wird aber als Grundlage einer wirksamen Veranlagung nur anerkannt, wenn der in ihm aufgestellte Verteilungsmaßstab wenigstens in abstracto der Höhe der dem Einzelgrundstück zugewandten Vorteile entsprechen kann. OVG. 32, HO; 34,70; 42,19; 46,81; 51,64; 62,146, 238; 69,183 ; 70,161; 89,88; 90,139. Daß Beiträge zu Kanalisationsanlagen auf bebauungsfähige Grundstücke zu beschränken sind, weil die nicht bebauungsfähigen keinen Vorteil von der Anlage haben, steht in der Rechtsprechung fest. OVG. 55, 77. „Der Kläger hat innerhalb 2 Wochen seit Zustellung des Vorbescheides mündliche Verhand­

lung beantragt, während die Beklagte weder mündliche Verhandlung verlangt noch ein Rechts­ mittel eingelegt hat. Auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 1936 ist dann das

mit der Berufung angefochtene Urteil des Kreisverwaltungsgerichts ergangen, welches die in dem Vorbescheid enthaltene Entscheidung bestätigt. Die Beklagte hat gegen das ihr am 30. Juli 1936 zugestellte Urteil am 22. August 1936 Berufung eingelegt."

Vgl. S. 583. Der Urteilsverfasser hat hier sämtliche Daten ins Urteil ausge­ nommen, weil die Berufung der Beklagten — wenn auch nicht wegen Fristver­ säumnis — als unzulässig verworfen wird. „Sie beantragt: die Klage auch in Höhe der durch den Vorbescheid ermäßigten 350 MC abzuweisen, indem sie unter Angabe von Beweismitteln geltend macht, daß die Wiese tatsächlich bebauungs­

fähig sei. Der Kläger hat:

Zurückweisung der Berufung erbeten. Die Berufung der Beklagten ist zwar in gehöriger Frist und Form eingelegt, scheitert aber daran, daß die Beklagte sich bei dem Vorbescheid des Kreisverwaltungsgerichts beruhigt hatte. Die Wirkung des Antrags auf mündliche Verhandlung, daß die Rechtslage so anzusehen ist,

als ob der Vorbescheid niemals erlassen worden wäre, tritt nämlich nur zu Gunsten der Partei ein, welche den Antrag gestellt hat, hier: des Klägers. Nur über den durch den Vorbescheid

abgewiesenen Teil der Klage war daher zu verhandeln und zu entscheiden, während der der Klage stattgebende Teil des Vorbescheides nach §§64^, 67 ALVG. die Bedeutung eines

rechtskräftigen Urteils erlangt hat. OVG. 58, 460; DStZ. 35, 1345. In der mündlichen Ver­

handlung des ersten Rechtszuges hat die Beklagte insoweit auch keine Anträge gestellt. Da das angefochtene Urteil ihren damaligen Anträgen voll entspricht, wird sie durch das Urteil nicht beschwert und konnte mangels einer Beschwer keine Berufung einlegen. Die Kosten der Berufungsinstanz hat die unterlegene Beklagte nach § 1031 S. 1 ALVG. zu tragen. Gemäß § 103n ist der Wert des Gegenstandes der Berufungsinstanz auf 350 MC fest­

gesetzt worden. (Unterschriften)."

Da die Revisionssumme (S. 1149) nicht erreicht wird, ist ein weiteres Rechts­ mittel gegen das Urteil nicht gegeben.

Bezirksverwaltungsgericht. — Kostenfestsetzung. Berwaltungszwangssachen.

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Kostenfestsetzung. BerwaltungSzwangsverfahren. Die Kostenerstattung und Kostenfestsetzung weicht von den Gmndsätzen des Zivilpro-

zesses (S. 435 f.) in manchen Punkten ab: 1. Kosten eines Rechtsanwalts oder Berwaltungsrechtsrats (S. 1144) werden im Verfahren vor den Kreis- und Stadtverwaltungsgerichten überhaupt nicht, vor dem Bezirks- und Oberver­ waltungsgericht nur insoweit erstattet, als sie für Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung vor diesen Gerichten zu zahlen sind (§ 1031 S. 2). Eine Prozeßgebühr darf also dem Gegner grundsätzlich nicht in Rechnung gestellt werden; doch kommt neben der Verhandlungsgebühr auch die Gebühr aus

§ 43 S. 1, 2 GebO.f.RA. und, falls die Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht stattgefunden hat, die Beweis- und weitere Verhandlungsgebühr in Betracht. Hat die Partei, ohne daß ihr persönliches

Erscheinen angeordnet war, einer Verhandlung vor dem Prozeßgericht beigewohnt, so darf sie dafür an Reise- und sonstigen Unkosten keinesfalls mehr liquidieren, als ein am Sitz des Bezirks(Ober)Berwaltungsgerichts wohnhafter Anwalt zu erhalten gehabt hätte (§ 1031 S. 3 ALBG.). 2. Die Festsetzung erfolgt durch das in erster Instanz tätig gewesene Verwaltungsgericht, und zwar durch den Vorsitzenden (§ 10811). 3. Sie setzt die Rechtskraft des die Kostenentscheidung enthaltenden Urteils voraus, da das Ver­ waltungsstreitverfahren eine vorläufige Vollstreckbarkeit nicht kennt (s. unten).

4. Der Festsetzungsbeschluß wird im Verwaltungszwangsverfahren vollstreckt (f. unten). Das Preußische BerwaltungSzwangsverfahren ist in der kgl. BO. bett, das Verwal­

tungszwangsverfahren wegen Beitteibung von Geldbettägen vom 15. November 1899 (GS. 545) mit Rahmengesetz vom 12. Juli 1933 (GS. 252) geregelt. Es findet nach § 60 ALBG. auf alle im Wege des Berwaltungsstteitverfahrens oder des Beschlußverfahrens zugesprochenen Geldleistungen

Anwendung. Berwaltungsgerichtliche Urteile und Kostenfestsetzungsbeschlüsse werden also ex officio im BerwaltungSzwangsverfahren vollstreckt, auch wenn sie Ansprüche privattechtlicher Natur betteffen

(S. 1148). Dabei muß, da die Rechtsmittel des Berwaltungsstteitverfahrens Suspensiveffekt haben und eine vorläufige Vollstreckbarkeit nirgends vorgesehen ist, immer die Rechtskraft des Urteils abge­ wartet werden. Hauptanwendungsgebiet des Verwaltungszwangsverfahrens sind die staatlichen und kommu­

nalen Abgaben, Gerichtskosten und Geldstrafen preußischer Gerichte. Ferner gilt es für Forderungen

des Staates und der unter Aufsicht gewisser behördlicher Stellen stehenden Stiftungen und Anstalten aus der laufenden Bewirtschaftung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, namentlich Domänen (§ l8 Ges. von 1933), sowie für Forderungen des Staates aus der Vermietung oder Ver­ pachtung von Grundstücken und Räumen, sofern die Forderungen bei Beginn der Zwangsvollsttekkung unbestritten sind (§ l4). In diesen beiden Fällen unterwirft man zivilrechtliche Ansprüche aus

Zweckmäßigkeitsgründen dem einfachen und schnellen BerwaltungSzwangsverfahren, behält jedoch

wenigstens den Schuldnern bei (Streit über den Bestand der Forderung die Anrufung des ordent­ lichen Rechtsweges vor (§ l11). Die Grundzüge des Berwaltungszwangsverfahrens sind nach der BO. von 1899 die gleichen wie in der AbgO. (oben S. 1120 f.). Kein vollstreckbarer Schuldtitel und keine Vollstreckungsklausel,

sondern Anordnung der Vollstreckung durch die Bollstteckungsbehörde; Ausführung der Vollstreckung durch Vollziehungsbeamte und Bollstteckungsbehörden; gerichtliche Mitwirkung uno gerichtliches Eingreifen nur in den aufgeführten Ausnahmefällen. Der Offenbarungseid wird aber im preußischen Verwaltungszwangsverfahren niemals von der Bollstteckungsbehörde selbst, sondern stets durch das Amtsgericht abgenommen (§ 21 VO.). Infolge der Mannigfalttgkeit der beizutteibenden Ansprüche gibt es eine große Vielzahl von „Vollstteckungsbehörden", insbesondere kommen als solche auch die

verschiedenen Kommunalverbände in Bettacht.

1164

Rechtsanwalt. — Maschinenlieferungsbedingungen.

27. Kapitel.

Beim Rechtsanwalt. Maschinenlieferungsvertrag

mit Nachbesserungsklausel. abreden.

Mündliche

Neben­

Mandatseingang. „Grünhübel, den 18. Oktober 1936. Herrn Rechtsanwalt Voß Breslau.

Ich bitte Sie meine Vertretung in der beiliegenden Klagesache zu übernehmen und die Klage abweisen zu lassen, da die Zentrifuge nicht zu brauchen ist. Manches Mal kommt die Milch genau

so heraus, wie sie hineingegossen worden ist, dann wieder treten Verstopfungen und andere Störungen ein. Ich habe deshalb schon nach 4 Tagen der Fabrik den Apparat zur Verfügung

gestellt. Darauf wurde ich aufgefordert die Maschine zur Untersuchung und Reparatur in die Fabrik zu bringen. Das tat ich und ließ dabei durch meinen Schaffer Vogt bestellen, daß ich

die Abnahme endgültig verweigere, falls die Zentrifuge nicht in einer Woche tadellos hergestellt wird. Nach 6 Tagen erhielt ich sie zurück und es ging etwa 10 Tage lang ganz gut. Dann kamen

wieder die alten Stömngen. Durchschnittlich bei jedem dritten oder vierten Male arbeitet die

Maschine nicht glatt. Der Molkereidirektor Dankwirth in Drachenbrunn hat mir gesagt, daß die Zentrifuge falsch konstruiert ist und zu enge Bohrungen hat. Reparaturen haben deshalb keinen Zweck.

Ms ich die Maschine beim Kläger bestellte, sagte ich zu ihm: .Auf Lieferungsbedingungen lasse ich mich nicht ein. Einer meiner Nachbarn (ich meinte den Bauern Hartwig aus Jakobs­ dorf, für den Sie den Prozeß gegen Schliebitz wegen der Drillmaschine verloren haben), hat mit einer Firma deshalb Differenzen gehabt. Am besten ist es, Sie liefern mir die Zentrifuge zunächst einmal auf 2 Wochen zur Probe/ Der Kläger erwiderte: »Das geht leider nicht, denn

Sie wollen eine Größe haben, die nicht vorrätig ist, und ich muß die Maschine extra für Sie anfertigen lassen. Sie können den Bestellschein ruhig unterschreiben. Ich will nur, wie alle Maschinensabrikanten, mich davor schützen, von der Kundschaft wegen jeder Kleinigkeit schikaniert zu werden. Wenn eine Maschine einen erheblichen Mangel hat, so nehme ich sie natürlich an­ standslos zurück, darauf können Sie sich verlassen. Außerdem gebe ich Garantie auf ein volles

Jahr, statt der gesetzlichen Frist von 6 Monaten/ Wir sprachen dann über Leistungsfähigkeit,

Preis usw., und ich unterzeichnete zum Schluß den Bestellschein. Ich bitte Sie das Verhalten des Klägers gebührend zu beleuchten, indem ich mich für das schlechte Funktionieren der Maschine auf meine Frau, Schaffer Vogt und die Magd Fongier

als Zeugen berufe. Meine bisherigen Kosten und Schäden betragen 122 JUl. (folgt Spezifikation unter Angabe von Beweismitteln) Am 9. Oktober habe ich die Zentrifuge dem Kläger definitiv zur Verfügung gestellt und darauf­ hin die Klage erhalten. Ich muß Ihnen die Information schriftlich geben, weil ich wegen eines

1165

Rechtsanwalt. — Maschinenlieferungsbedingungen.

verstauchten Fußes das Zimmer hüte und weil der Termin schon am 25. Oktober ansteht. Teilen Sie mir mit, was ich als Vorschuß zu zahlen habe und schicken Sie mir bald Abschrift

Ihrer Klagebeantwortung. Walter Diebitsch

Gutspächter."

Die Klage ist eine landgerichtlichex) Formularklage auf 550 RM. Restkauf­ preis nebst Zinsen. Der Bestellschein lautet: „An die Spezialfabrik für landwirtschaftliche und Molkereimaschinen Willy Donath

Breslau. Hierdurch bestelle ich Unterzeichneter eine Milchzentrifuge mit Tellereinsatz, Modell »Alm',

für Hand- und elektrischen Betrieb eingerichtet, Milchgefäß

Liter, nebst eisernem Untersatz.

Lieferung: sofort nach Fertigstellung. Preis: 650 JUL

Der Preis ist zahlbar: 100 JUt sofort, Rest innerhalb 10 Tagen seit Abnahme.

Erfüllungsort für beide Teile: Breslau. Garantie: Die Fabrik leistet für Mängel, die nachweislich zur Zeit des Gefahrübergangs vor­ handen waren, ein Jahr lang in der Weise Garantie, daß die Maschine, wenn sie nicht

ordnungsmäßig funktionieren sollte, kostenlos in Ordnung gebracht wird und schadhafte Teile ausgewechselt werden. Die Kosten des Hin- und Rücktransports zur Fabrik zwecks

Instandsetzung bzw. Auswechselung hat der Besteller zu tragen. Ist das schlechte Arbeiten

der Maschine die Folge unsachgemäßer Behandlung, so werden für die Reparatur die Selbstkosten (mit den üblichen Aufschlägen für Generalunkosten) berechnet. Ansprüche des Bestellers auf Schadensersatz, Preisminderung oder Rücknahme der Maschine sind

unbedingt ausgeschlossen. Mündliche Abmachungen haben gegenüber diesen Bedingungen keine Gültigkeit. Breslau, den 29. Juni 1936.

(Bor- und Zuname)

Walter Diebitsch

(Stand und Beruf) (Wohnort)

Gutspächter Grünhübel."

Der Termin wird im Terminskalender vermerkt und die Sache dem Re­ ferendar zur Bearbeitung übergeben. Prüfung. Der Referendar erklärt den Prozeß für so gut wie aussichtslos: Da die Zentrifuge vom Kläger aus von ihm zu beschaffenden Stoffen nach den Wünschen des Mandanten besonders hergestellt wurde, ist sie keine vertretbare Sache (§ 91 BGB.). Es liegt also ein Werklieferungsvertrag im Sinne des § 6511 S. 2 zweiter Satzteil vor. Gemäß §§ 634, 635, 6391, 478, 479 stehen Diebitsch—die Richtigkeit der von ihm angeführten sachlichen Bemängelungen unterstellt — Rechte auf Wandelung, Minderung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung sowie die entsprechenden Einreden und Aufrechnungsbefugnisse zu, denn er hat durch Bogt zur Mängelbeseitigung eine Frist von einer Woche mit der Erklärung bestimmt, daß nach Ablauf der Frist die Beseitigung abgelehnt werden würde und die Ma­ schine wurde nicht in Ordnung gebracht. Doch kann die gesetzliche Regelung durch Vertrag abgeändert werden und das ist hier durch die Garantieklausel des Bestell­ scheins geschehen. Nun werden zwar formularmäßige Bedingungen im Zweifels*) Zuständigkeitsgrenze: 500 RM., § 1 Ges. vom 13. Dezember 1935 (RGBl. 1, 1469).

1166

Rechtsanwalt. — Nachbesserungsklausel.

fall zu Gunsten der Partei ausgelegt, welche sie nicht aufgestellt hat (S. 390). Der Donath'sche Bestellschein sagt aber mit absoluter Deutlichkeit, daß Schadens­ ersatz, Minderungs- und Wandelungsrecht „unbedingt" ausgeschlossen sind und der Besteller auf die kostenlose Instandsetzung beschränkt ist. Tttpenmaschinen, die massenhaft hergestellt und im Verkehr nur nach Zahl bezeichnet werden, wie Fahrräder, Schreibmaschinen, Kraftwagen gewisser Marken, sind „vertretbar". Der Vertrag über Lieferung einer vom Lieferanten herzustellenden vertretbaren Sache wird in § 6511 S. 1 erster

Satzteil schlechthin als Kauf behandelt, weil es für den anderen Teil gleich ist, ob er eine solche Maschine auf besondere Anfertigung oder vom Lager erhält. Der Unterschied zwischen den Vertragsformen des Kaufes und des, in unserem Falle gegebenen, Werklieferungsvertrags zeigt sich bei der Gewähr­ leistung. Ein Käufer kann nämlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur bei Zusicherung oder im Falle der Arglist fordern (S. 587), während beim (Werk- und) Werklieferungsvertrag schon ein­

faches Verschulden des Unternehmers genügt (§ 635). Andrerseits hat der Besteller des Werk- und

Werklieferungsvertrags der Regel nach zunächst bloß das Recht auf Nachbesserung (§ 633n S. 1) und erlangt Wandelungs-, Minderungs- oder Schadensersatzansprüche erst durch Ablauf der von ihm zu stellenden Frist (§ 634-, n). Da gerade Maschinen fast immer unter Zugrundelegung von Formularbedingungen gehandelt

werden (S. 389), kommt es für die praktische Behandlung weniger auf die Natur des Bertragsverhält­

nisses als vielmehr darauf an, inwieweit die besonderen Bedingungen den gesetzlichen Gewährleistungs­

ansprüchen entgegenstehen. In dieser Beziehung sucht die Rechtsprechung, wie immer, dem Erwerber der Maschine zu helfen. BeiNachbesserungsklauselndeduziertmanz.B.: aus dem Inhalt derBestimmung ergebe sich, daß sie bloß für solche Mängel gelte, die durch Reparatur bzw. Auswechselung überhaupt

behoben werden können; bei Fehlern andrer Art, namentlich grundlegenden Konstruktionsfehlern,

würde die Klausel auf eine unmögliche Leistung gerichtet und demgemäß unwirksam (§ 325), zum mindesten durch Fristsetzung nach § 326 zu beseitigen, und alsdann die gesetzlichen Bestellerrechte in vollem Umfang wiederhergestellt sein. RG. 87, 335; 96, 266; IW. 16, 362, 134", 255®. In den dort

entschiedenen Fällen hatte allerdings die Vorschrift des Formulars bloß besagt, daß „weitergehende Ansprüche des Bestellers ausgeschlossen" seien oder der Lieferant „für Fracht- und sonstige Kosten sowie Schäden nicht hafte". Dagegen schließen in den Donath'schen Bedingungen Wandelungs-,

Minderungs- und Schadensersatzrechte „unbedingt" aus. Wird im Werk- oder Werklieferungsvertrag eine Garantiefrist vereinbart, so stehen dem Besteller wegen aller innerhalb der Garantiefrist hervorgetretenen Mängel Gewährleistungsansprüche

zu, die in den Fristen des § 638 verjähren. Beide Fristen laufen unabhängig von einander. Ist die Garantiefrist länger als die gesetzliche Verjährungsfrist, so liegt in der Vereinbarung der Garantiefrist

zugleich die Verlängerung der Verjährungsfrist. Über die Garantiefrist hinaus gilt in analoger An­

wendung von § 639n die Verjährung als gehemmt, bis der Lieferant dem Besteller gegenüber den Mangel für beseitigt erklärt oder die Fortsetzung der Reparaturarbeiten verweigert. RG. 128, 211. Wann verjährt die in einem Kaufvertrag als Nebenpflicht übernommene Verpflichtung» den ordnungsmäßigen Einbau sowie die Nachbesserung etwaiger Fehler auszusühren? Nach RG^

144,162 nicht in 6 Monaten (§ 477), sondern in 30 Jahren (§195). Vgl. dagegen für den Schadens­ ersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung oben S. 587.

Wenn Diebitsch sich darauf berufen will, daß durch die der Unterzeichnung des Scheines vorangegangenen Vereinbarungen seine gesetzlichen Gewährleistungs­ rechte für den jetzt eingetretenen Fall aufrecht erhalten seien, so steht dem die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde entgegen. Ob zur Entkräftung der Vermutung der vom Mandanten behauptete Sachverhalt genügt, halte ich für zweifelhaft. Vielleicht wird das Gericht sagen: Diebitsch habe nach seiner eigenen Darstellung zwar zu Beginn der Verhandlung Bedenken gegen die

Rechtsanwalt. — Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit.

1167

gedruckten Bedingungen geäußert, schließlich aber vorbehaltlos unterzeichnet, weil er sich durch die beruhigenden Erklärungen des Klägers und durch seinen Hinweis auf die, gegenüber dem Gesetz verlängerte, Garantiefrist dazu bestimmen ließ, die Lieferungsbedingungen in vollem Umfang zum Bertragsinhalt zu machen. Ist über einen an sich nicht formbedürftigen Vertrag eine Urkunde errichtet, so wird dadurch in erster Reihe die Beweislast beeinflußt: wer etwas von der Urkunde Abweichendes geltend macht, muß seine Behauptung beweisen. Darüber hinaus hat das Vorhandensein der Urkunde auch materiell­ rechtliche Wirkung. Bekanntlich wird bei jedem wichtigerenVertragsschluß zunächst viel hin-und hergeredet,

die Parteien bringen alle möglichen Punkte zur Sprache, machen Vorschläge und Gegenvorschläge.

Wird dann zum Schluß der Vertrag schriftlich fixiert, so kann man nach den Erfahrungen des Lebens im allgemeinen davon ausgehen, daß sich die Kontrahenten zuletzt auf den Inhalt der Urkunde, und nur auf diesen, geeinigt haben und daß die bei den vorhergegangenen Verhandlungen geäußerten Wünsche, soweit der schriftliche Vertrag ihnen widerspricht oder sie übergeht, fallen gelassen sind. Hierauf beruht die sog. „Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit". Bevor der Beweis des anders verabredeten als beurkundeten Vertrags erhoben werden kann,

hat die Partei nach § 292 ZPO. die Vermutung durch den Nachweis besonderer Umstände zu wider­

legen, aus denen hervorgeht, daß das mündlich Besprochene trotz Nichtausnahme in den Vertragstext gelten sollte. Ein solcher besonderer Umstand ist es z. B., wenn bei der Unterzeichnung gesagt wurde: „Unterschreiben Sie ruhig, es bleibt bei dem, was wir mündlich besprochen haben, der schriftliche Vertrag

ist bloße Formsache." Oder das Schriftstück nimmt auf die Unterredung Bezug. Oder die Parteien sind

darüber einig, daß die Urkunde nur die Hauptpunkte enthält und die mündlich besprochenen Einzel­ heiten daneben gelten sollen. Oder sie halten die Verbindlichkeit der mündlichen Abmachung für selbst­

verständlich. RG. 52, 23; 68,15; 77, 403; 88, 370; IW. 15, 506«. Günstiger ist die Rechtsstellung der widersprechenden Partei, sofern die mündlichen Erklärungen

der Urkunde nicht widersprechen, sondern sie vielmehr erläutern. Der Auslegungsbeweis geht der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit vor. Die Heranziehung mündlicher Äußerungen zum Zwecke der Auslegung setzt jedoch voraus, daß die behauptete Auslegung mit der schriftlichen Fassung

noch vereinbar ist.

Macht die mündliche Nebenabrede den ganzen Vertrag gemäß § 125 BGB. nichtig, falls die

Parteien gewillkürte Schriftform vereinbart hatten? RG. 130, 143 will aus der Tatsache, daß mündliche Nebenabreden getroffen sind, die Folgerung ziehen, daß die Parteien für das Gebiet der mündlichen Vereinbarung die rechtsgeschäftliche Anordnung der Schriftform ausschließen wollten (§ 125 S. 2 schreibt bloß „im Zweifel" Nichtigkeit vor). Vgl. dazu Ruth IW. 32,371.

Weiterhin war zu prüfen, ob Diebitsch wenigstens befugt ist den noch unbe­ zahlten Werklohn so lange zurückzuhalten, bis der Kläger die Zentrifuge in brauch­ baren Zustand gebracht hat (§§ 320, 322, 633" S. 1). Sein Zurückbehaltungsrecht wird durch die Nachbesserungsklausel des Bestellscheins nicht ausgeschlossen. Wohl aber hat es Diebitsch dadurch verloren, daß er die Maschine, wie er schreibt, dem Kläger „definitiv" zur Verfügung stellte. Wer sich endgültig vom Vertrage lossagt, ist auf Gewährleistungsansprüche (§§ 634f.) beschränkt, die Einrede des Zurück­ behaltungsrechts soll nur die Durchführung der beiderseitigen Leistungen, also die Erfüllung des Vertrages, sichern. RG. 58, 174; 69, 381. Der Rechtsanwalt: Was schlagen Sie vor? Referendar: Ich will das Mandat ablehnen und Diebitsch empfehlen die Klage­ forderung sofort zu bezahlen, damit ihm keine überflüssigen Kosten entstehen. Rechtsanwalt: Obwohl ich gegen Ihre Darlegung, rein juristisch genommen, nichts Wesentliches einzuwenden habe, bin ich dennoch mit dem Ergebnis gar nicht einverstanden. Sie betrachten die Sache, wie Neulinge in der anwaltlichen Tätig-

1168

Rechtsanwalt. — Beratung der Partei.

feit es gern tun, unter der gerichtlichen Perspektive. Sie sagen: als objektiver Richter würde ich zur Verurteilung gelangen, folglich ist der Prozeß für Diebitsch aussichtslos. Die Aufgabe des Anwalts verlangt aber eine abweichende Einstellung. Sie werden hier sehen, daß die Dinge vielfach ganz anders laufen, als wir geglaubt haben. Ein guter Teil der Prozesse, zu denen der Anwalt auf Grund gewissenhaftester Prüfung geraten hat, geht verloren, und Sachen, die man als schwach betrachtet hat, werden gewonnen. Und zwar nicht bloß, weil Zeugen überraschende Bekun­ dungen machen, weil der Mandant uns Teile des Tatbestandes — ungünstige und günstige — bei der Information vorenthalten hat, die er für unerheblich hielt, oder weil neue rechtliche Gesichtspunkte auftauchten: sondern oft genug auch, weil das Gericht die Tat- und Rechtsfragen nicht so würdigt, wie wir es erwarteten. Stünde die Anwaltschaft allgemein auf Ihrem Standpunkt, nur vermeintlich „sichere" Sachen zu übernehmen und Alles abzulehnen, was der sogenannten „ständigen Rechtsprechung" zuwiderläuft, so wären die Entscheidungen, auf denen die Weiterentwicklung des Rechts beruht, niemals ergangen. Vielleicht behalten Sie mit Ihrer Prognose des Rechtsstreits Donath gegen Diebitsch Recht. Man kann aber die Rechtsfragen, auf die es ankommt — ob die Ausschließung des Wande­ lungsrechts sich überhaupt auf Konstruktionsfehler bezieht, ob der Beweis des anders verabredeten als beurkundeten Vertrages schlüssig angetreten ist, und ob der Besteller durch endgültige Zurverfügungstellung seines Zurückbehaltungsrechts auch dann verlustig geht, wenn er in concreto gar keine Gewährleistungsansprüche hat — sehr wohl zu Gunsten unseres Mandanten entscheiden. Ein formalistischer Richter wird sich an den Wortlaut der Nachbesserungsklausel halten und verurteilen, ein Gericht mit starkem Billigkeitsgefühl, das dem kleinen Manne helfen will, die Einwendungen zulassen. Der Prozeß ist für Diebitsch nicht aussichtslos, sondern er ist zweifelhaft. Referendar: In welcher Form soll ihm das mitgeteilt werden? Rechtsanwalt: Bei der Beratung und Belehrung unserer Klienten müssen wir die unter ihnen bestehenden großen Verschiedenheiten beachten. Ein Geschäfts­ mann, der mit dem Gericht öfter zu tun hat und sich nicht viel daraus macht einmal eine Sache zu verlieren, verlangt eine andere Behandlung als ein Rentner oder eine ängstliche alte Dame, für die selbst ein gewonnener Prozeß wegen der mit seiner Führung verbundenen Aufregungen schädlich wirkt. Bankiers und Groß­ kaufleute möchten über alle Feinheiten der Rechtslage aufgeklärt sein, unerfahrene Parteien würden längere juristische Darlegungen nur verwirren. Diebitsch weiß, daß der Nachbar auf Grund einer Nachbesserungsklausel seinen Prozeß verloren hat, will aber die Sache trotzdem durchführen, weil er hofft, daß Donaths münd­ liche Erklärungen der Klausel vorgehen. Ich reiche also die Klagebeantwortung als­ bald ein, mache aber den Mandanten kurz auf die Gefahrenpunkte aufmerksam, damit er Veranlassung nehmen kann seinen Entschluß zu ändern. In der Klagebeantwortung beantragt der Anwalt: „die Klage abzuweisen, Hilfsweise: den Beklagten zur Zahlung nur Zug um Zug gegen Instandsetzung der dem Beklagten vom Kläger gelieferten Milchzentrifuge mit Tellereinsatz, Modell ,Mm', zu verurteilen, im Falle einer ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Verurteilung: dem Beklagten die Abwendung der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung vorzubehalten.

Rechtsanwalt. — Klagebeantwortung.

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Begründung. 1. Die Zentrifuge ist vollkommen unbrauchbar. Manches Mal kommt die Milch genau so

heraus, wie sie hineingegossen worden ist, dann wieder treten Verstopfungen und andere Störungen ein. Der Beklagte hat deshalb schon 4 Tage nach Empfang den Apparat dem

Kläger zur Verfügung gestellt. Darauf wurde er aufgefordert die Maschine zur Unter­ suchung und Reparatur in die Fabrik zu bringen. Das tat er und ließ dabei durch seinen Schaffer Vogt bestellen, daß er die Abnahme endgültig verweigere, falls die Zentrifuge

nicht in einer Woche tadellos hergestellt werde. Nach 6 Tagen erhielt er sie zurück und sie funktionierte etwa 10 Tage lang in leidlicher Weise. Dann setzten wieder die alten Störun­ gen ein. Durchschnittlich bei jedem dritten oder viertem Male arbeitet die Zentrifuge

nicht glatt. Beweis: 1. die Ehefrau des Beklagten,

2. Schaffer Vogt,

3. Dienstmagd Fengier, sämtlich beim Beklagten in Grünhübel. Die Mängel bemhen darauf, daß die Zentrifuge falsch konstruiert ist und die Bohrungen

zu eng sind. Beweis: Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen. Als solcher wird Molkerei­ direktor Dankwirth in Drachenbrunn vorgeschlagen.

Am 9. Oktober 1936 hat deshalb der Beklagte, wie der Kläger nicht bestreiten wird, die Maschine dem Kläger endgültig zur Verfügung gestellt.

2. Nach § 634i S. 3 BGB. ist der Beklagte zur Wandelung des geschlossenen Vertrages berechtigt. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, daß die auf dem Bestellschein abge­

druckten allgemeinen Lieferungsbedingungen die Wandelung ausschließen und dem Be­ steller nur das Recht kostenloser Instandsetzung gewähren. Aus Inhalt und Zweck der Garantieklausel folgt, daß ihre Geltung sich auf solche Mängel beschränkt, deren Beseitigung durch Nachbesserung überhaupt möglich ist. Den Besteller auf Nachbesserung zu verweisen,

wenn sie, wie im vorliegenden Falle, technisch unausführbar ist, wäre im höchsten Grade

unbillig. Die Klausel würde dann aus eine unmögliche Leistung gerichtet und der Vertrag nach § 325 BGB. zu behandeln sein. Außerdem hat der Beklagte dem Kläger gemäß § 326 BGB. eine Nachfrist zur ordnungsmäßigen Instandsetzung gestellt, die nicht ein­ gehalten worden ist. Es kommt dazu, daß nach feststehender Rechtsprechung formular­

mäßige Verträge im Zweifelsfall zum Nachteil der Partei auszulegen sind, welche sie einseitig aufgestellt hatte. Überdies hat der Kläger, als der Beklagte Bedenken trug einen Bestellschein mit so weitgehenden Einschränkungen zu unterzeichnen, erklärt: der Beklagte könne unbesorgt unterschreiben, der Kläger wolle sich durch die Lieferungsbedingungen nur davor schützen, von der Kundschaft wegen Kleinigkeiten schikaniert zu werden; falls

dagegen die Maschine einen ernstlichen Mangel habe, nehme er sie natürlich trotz des Bestellscheins anstandslos zurück. Beweis: Parteivernehmung des Klägers; die Benennung von Zeugen bleibt Vor­

behalten. Es ist also auch aus diesem Grunde klar, daß bei den hier gegebenen erheblichen Kon­ struktionsfehlern dem Besteller alle gesetzlichen Befugnisse zustehen müssen. RG. 87, 332; 92, 55; 96, 266; IW. 16, 362, 134", 255», 571V

Die beiden rechtlichen Gesichtspunkte der restriktiven Auslegung von Nachbesse­ rungsklauseln entsprechend ihrem Zweck sowie der Auslegung zweifelhafterschriftlicher Abmachungen auf Grund mündlicher Erklärungen sind im Schriftsatz mit Absicht nicht auseinander gehalten, weil sie sich gegenseitig stützen. Daß der Anwalt die

1170

Rechtsanwalt. — Verlust des Wandelungsrechts durch Benutzung.

Rechtsfragen nicht als zweifelhaft hinstellt, versteht sich von selbst. Wer Bedenken gegen die eigene Ansicht äußert, wird niemals das Gericht überzeugen. „3. Zum mindesten steht dem Beklagten bis zur vollständigen Instandsetzung der Zentrifuge ein Zurückbehaltungsrecht aus §§ 320, 322, 633« S. 1 BGB. zu.

Ergänzungen dieses Schriftsatzes werden Vorbehalten. Der Beklagte war infolge eines Unfalls verhindert persönlich zum Anwalt zu kommen und hat deshalb die Information

bloß auf brieflichem Wege erteilen können. Für den Beklagten: Voß

Rechtsanwalt."

Die Verfügung zur Klagebeantwortung lautet: „Eilt! 1. Gebührenregister Nr. 470.36.

2. Telefonische Nachricht Herrn Rechtsanwalt Schwarz, daß ich den Beklagten vertrete. 3. Termin notieren. 4. Abschrift des Schriftsatzes dem Landgericht. 5. Beglaubigte und einfache Abschrift Herrn R.-A. Schwarz zustellen. 6. An Mandanten: In Sachen Donath gegen Sie bestätige ich Eingang und Übernahme des Mandats. Ich habe eine Klagebeantwortung gefertigt, von der ich Abschrift beifüge.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß es trotz der zu 2 angeführten Tatsachen ungewiß bleibt, ob das Gericht gegenüber der Garantieklausel des Bestellscheins auf die mündlichen

Erklärungen eingehen wird. In jedem Falle müssen Sie alle von Ihnen aufgestellten

Behauptungen voll beweisen. Sie wollen mir umgehend schreiben, ob und welche Personen bei der Bestellung zugegen waren, damit ich sie im Termin als Zeugen benennen kann. Sonst würde als Beweismittel nur die Parteivernehmung des Klägers übrig bleiben.

Wenn Sie es mit den Bedürfnissen Ihres Betriebes irgendwie vereinbaren können, rate ich Ihnen dringend bis zur Entscheidung der Sache die Zentrifuge in keiner Weise zu benutzen, damit Sie nicht Ihr Recht auf Rücknahme (Wandelung) verlieren. Ferner bitte ich Sie das anliegende Vollmachtsformular zu unterzeichnen und ein­ zusenden, sowie mir einen Gebühren- und Auslagenvorschuß von 60.00 JUL zu überweisen.

7. Am 24. Oktober (Vollmacht, Information, Vorschuß)."

Die telephonische Mitteilung an NN? Schwarz soll verhindern, daß der Anwalt der Klägerin Versäumnisurteil nimmt, falls sich die Zustellung des Schriftsatzes an ihn aus irgendwelchen Gründen verzögert. Von den beiden zuzustellenden Schriftsatz­ exemplaren ist die einfache zur Weitergabe an die Partei des RA. Schwarz bestimmt. Die Warnung, die Zentrifuge bis auf weiteres möglichst nicht zu benutzen, hat ihren guten Grund. Zwar läßt das BGB. den Verlust des Wandelungsrechts nur durch eine vom Käufer (oder seinem Abkäufer) herbeigeführte Verarbeitung oder wesentliche Veränderung eintreten (S. 586). Die Rechtsprechung nimmt aber an, daß der Käufer schon durch eine dauernde Benutzung, die zu keiner erheblichen Wertverminderung führt, auf die Wandelung verzichtet, weil eine solche Benutzung mit der erklärten Zurverfügungstellung und dem Wandelungsverlangen nach Treu und Glauben unvereinbar erscheint. RG. 22, 78; IW. 04, 290u. Daher können rechtsunkundige Käufer durch eine nicht unbedingt notwendige Fortsetzung des Gebrauchs im Laufe des Prozesses leicht um ihr Wandelungsrecht kommen. Eine schriftliche Vollmacht läßt sich der Anwalt grundsätzlich in allen Sachen geben, auch wenn er sie — wie in gewöhnlichen Landgerichtsprozessen — zunächst

Rechtsanwalt. — Parteivernehmung.

1171

nicht braucht. Sie kann jederzeit zufolge Mge des Gegners, für Zwangsvoll­ streckung, Arrest und einstweilige Verfügung erforderlich werden. Vgl. S. 424, 540, 555, 617. Außerdem schützt der Besitz der Vollmacht den Anwalt vor dem Ein­ wand, daß die Partei ihn nicht mit Führung der Sache betraut habe. Recht des Anwalts auf Vorschuß: S. 1091. In streitigen Prozessen werden in der Regel zwei Gebühren (Prozeß- und Verhandlungsgebühr) zuzüglich Umsatz­ steuer und voraussichtlichen Portoauslagen, nach oben abgerundet, erhoben. Vgl. S. 435/6. — Der Referendar: Fällt die Beweislast, nachdem die ZPO. in ihrer neuen Fassung?) den Parteieid abgeschafft und durch die Parteivernehmung ersetzt hat, noch so sehr ins Gewicht, daß es notwendig war den Auftraggeber besonders auf sie hinzuweisen? Der Rechtsanwalt: In erster Reihe habe ich an Wirkungen der Beweislast gedacht, die mit Parteieid oder Parteivernehmung nichts zu tun haben (oben S. 401/2) und die in unserer Sache sehr leicht praktisch werden können. Nehmen Sie z. B. an, daß mehrere Sachverständige gehört werden, von denen der eine die Zentrifuge für irreparabel erklärt, während der zweite meint, sie könne auf ziemlich einfache Weise in brauchbaren Zustand versetzt werden. Oder ein Sach­ verständiger ist überzeugt, daß die Mängel der Maschine bereits zur Zeit des Gefahr­ übergangs vorhanden waren (vgl. dazu unten S. 1178,1182), der andere hält sie für Folgen unsachgemäßer Behandlung im Betriebe des Klägers. Dann würde Diebitsch, wenn kein stichhaltiger Grund vorliegt dem einen Gutachten den Vorzug vor dem andern zu geben, den Prozeß lediglich deshalb verlieren, weil er die Beweislast trägt. — Wegen der Äußerungen beim Vertragsschluß wird es wohl zur Partei­ vernehmung kommen, denn es sieht nicht so aus, als ob der Kläger die Behaup­ tungen unseres Mandanten zugeben würde, und Diebitsch hat in seiner Information keine Zeugen benannt, die dabei zugegen gewesen sind. Auch die Parteivernehmung ist keineswegs ganz von der Beweislastverteilung losgelöst. Deutlich unterscheidet das Gesetz zwei Fälle, von denen der eine dem zugeschobenen, der andere dem richterlichen Eide des früheren Verfahrens entspricht. Der erste (§ 445 ZPO.) setzt den Antrag einer Partei voraus, welche „den ihr obliegenden Beweis mit anbeiett Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht" hat. Darin liegt die Notwendigkeit, daß gerade die beweispflichtige Partei die Vernehmung des Gegners beantragt und gleichzeitig die Subsidiarität des Beweismittels (vgl. S. 396). In der Vorschrift des § 447, nach welcher das Gericht auch die beweispflichtige Partei vernehmen kann, „wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist", erkennen wir unschwer die einstige Zurückschiebung des Eides wieder (vgl. S. 400/1). Die zweite Art der Parteivernehmung beruht auf dem Gedanken der Offizialmaxime, sie findet „auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast" statt, falls das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen (§ 448). Ebenso wie einst beim richterlichen Eide (S. 564/5), muß also für die streitige Behauptung schon eine gewisse Wahr­ scheinlichkeit, jedoch noch kein voller Beweis erbracht sein. Die Auswahl der nach § 448 zu vernehmenden Partei wird unter dem gleichen Gesichtspunkt zu erfolgen 8

vom 8. November 1933 (RGBl. I, 821).

1172

Rechtsanwalt. — Parteivernehmung.

haben, der früher für Auferlegung eines richterlichen Eides maßgebend war, daß es nämlich die Partei sein muß, durch deren Bekundung bzw. Eid das Gericht am ehesten die Überzeugung vom wahren Sachverhalt gewinnen kann: also wer an sich glaubwürdiger ist, oder wessen Angaben sich im Prozeß als zuverlässiger er­ wiesen haben. Vgl. Kommentare zum alten § 475. Entsteht die Frage, ob eine vernommene Partei (welche nach dem neuen Verfahren zunächst immer uneidlich auszusagen hat) beeidigt werden soll, so wird hierüber — sowohl im Falle des § 445 wie des § 448 — immer von Amts wegen, ohne Rücksicht auf gestellte Anträge und auf die Beweislast, entschieden (§ 452), ähnlich wie bei der Beeidigung von Zeugen nach § 391. Parteivernehmung und Parteieid: „Parteivernehmung" im technischen Sinne ist nur

die als Beweismittel gemäß §§445f. durch Beweisbeschluß (§ 450) angeordnete. Im Gegensatz dazu steht die einfache „Anhörung" der Partei nach §§ 137IV, 141, die zwecks Aufklärung des Sachverhält­ nisses erfolgt, lediglich vorbereitende Natur besitzt und gerade den Anlaß zu einer wirklichen Partei­

vernehmung geben kann. IW. 36, 4512. Was hat sich nun außer den bereits besprochenen Punkten und der Terminologie geändert?

1. Beschworen wird nicht mehr eine feste Formel, sondern die ganze Aussage. Doch muß immer noch ein bestimmtes Beweisthema der Parteivernehmung im Beweisbeschluß formuliert werden

(§§ 3591, 450i S. 1). 2. Die Leistung des Eides begründet nicht „vollen Beweis" der beschworenen Tatsache, wird vielmehr vom Gericht frei gewürdigt (§§ 286, 4531). 3. Lehnt die Partei ab sich vernehmen zu lassen (§ 446), oder verweigert sie den Eid (§ 453n), so

entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung der gesamten Sachlage, insbesondere der für die Weigerung vorgebrachten Gründe, nach freier Überzeugung, ob es die behauptete Tatsache als wahr ansehen will, während früher kraft gesetzlicher Fiktion das Gegentell des Eidesthemas als bewiesen galt. 4. Erst recht wird bei Ausbleiben der Partei im Vernehmungs- oder Beeidigungstermin nach freiem Ermessen entschieden (§ 4541). Für eine mit oder ohne Antrag eintretende Fiktion der Eides­ weigerung und eine Aussetzung der Verkündung (oben S. 401) ist kein Raum mehr. 5. Gibt die zu vernehmende Partei trotz gerichtlichen Befragens keine Erklärung ab (oben S. 397), so gilt jetzt das Gleiche wie bei Weigerung (446).

6. Keine Beschränkung auf Handlungen und Wahrnehmungen der Partei, ihrer Rechtsvorgänger und Vertreter (S. 502), keine Unterscheidung von Beritäts-, Credulitäts- und Jgnoranzeid.

Die Eidesnorm geht einheitlich dahin, daß die Partei nach bestem Gewissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe (§ 452n). 7. §§ 453, 454 a. F. (oben S. 396) sind gestrichen. Daraus wird zu folgern sein, daß der Antrag auf

Parteivernehmung bei gleichzeitiger Benennung anderer Beweismittel ungeachtet der Sub­

sidiarität weiter besteht. 8. § 448 gestattet die Vernehmung beider Parteien. Beeidigt wird aber immer nur eine Partei (§ 452i S. 2). 9. Parteivernehmung und -beeidigung werden ausnahmslos durch Beweisbeschluß angeordnet

(§ 4501 S. 1), das bedingte Endurteil ist — auch im Falle der quasi-richterlichen Parteivernehmung — beseitigt. Vgl. auch Volkmar IW. 33, 2285, 2427 f.; Schmidt IW. 33, 2284.

Verschlechterung der Vermögenslage des Käufers. Prokurist Pommer von der Posamenten-Großhandlung M. Hering & Co.: Unser Reisender Timm hat im September an das Kaufhaus Manthey Nachfolger

Rechtsanwalt. — Kreditkauf.

1173

Eugen Wallroth in Spremberg Ware für 655 RM. verkauft, zahlbar 6 Wocheu nach Datum der Faktura. Der erste Teil des Schlusses im Betrage von 410 RM.^ den wir auf Lager hatten, wurde am 27. September geliefert. Die übrigen Artikel mußten neu hergestellt oder zugerichtet werden, sind aber jetzt versandbereit. Nach­ träglich habe ich noch eine Spezialauskunft *) über Wallroth eingeholt, weil es unser erstes Geschäft mit ihm war. Die Auskunft ist heute vor einer Woche, am 14. Oktober eingegangen und leider sehr ungünstig ausgefallen: „Der Angefragte hat sein Geschäft von dem Borbesitzer Manthey ohne erhebliche eigene Mittel erworben und die Anzahlung auf den Kaufpreis aus dem Vermögen seiner Ehefrau geleistet. An der Laden- und Kontoreinrichtung soll ein Eigentumsvorbehalt des Verkäufers Manthey bestehen, dessen Restkaufgeldforderung auf 8 bis 10000 JUt geschätzt wird. Wallroth

ist ein tüchtiger Fachmann und hat den Umsatz des Geschäfts, das als das erste am Platze gilt,

sehr gesteigert. Neuerdings soll er durch Glücksspiel und Börsenspekulationen mehrere Tausend Mark verloren haben. Er hat Differenzen mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse sowie mit ver­

schiedenen Lieferanten und ist häufig auf dem Gericht zu sehen. Bei Krediten über 100 SMC ist Sicherheit anzuraten."

Herr Hering fürchtet nun sein Geld zu verlieren. Nach seiner Meinung ist durch die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Käufers der ganze Kauf­ preis sofort fällig geworden. Er will wegen der 410 RM. einen Arrest ausbringen und die Restlieferung von 245 RM. nur unter Nachnahme schicken. Am liebsten möchte er die gelieferten Waren zurückholen. Der Rechtsanwalt: Haben Sie sich an den gelieferten Waren das Eigentum Vorbehalten? Glauben Sie, daß der Käufer auf einen nachträglichen Eigentums­ vorbehalt eingehen würde? Pommer: In unseren Lieferungsbedingungen steht der erweiterte Eigentums­ vorbehalt vorgedruckt. Wallroth hat ihn jedoch in der Kommissionskopie (S. 511) durchstrichen mit der Begründung, daß er sich bei seinen bisherigen Lieferanten auf nichts derartiges eingelassen habe. Da Timm viel daran lag mit Wallroth ins Geschäft zu kommen, hat er sich dabei beruhigt. Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Der Verkäufer behält sich nicht bloß das Eigentum an der gelieferten Ware vor sondern bedingt sich auch aus, daß im Falle des Verkaufs dieser Ware

an Dritte (zu welcher der Käufer berechtigt ist) die Kaufpreisforderung ipso jure auf den Erstverkäufer übergeht bzw. im Voraus auf ihn übertragen wird. Vgl. S. 9f., 377,819. Sind die verkauften Sachen zur Verarbeitung bestimmt, so lautet die entsprechende Vereinbarung dahin, daß der Verkäufer „in allen Stadien der Verarbeitung" das Eigentum behält, d. h. der spezifizierende Käufer soll (in Abänderung des § 950 BGB.) nicht für sich sondern für den Verkäufer Eigentumsrechte erwerben.

Gerade beim Verkauf an Ladengeschäfte hat übrigens der erweiterte Eigentumsvorbehalt keinen großen Wert, da hier die Kaufsache in der Regel gegen sofortige Barzahlung weiterveräußert wird.

Nachträglicher Eigentumsvorbehalt: Sind Waren ohne Eigentumsvorbehalt geliefert und dadurch bereits ins Eigentum des Käufers übergegangen, so kann es der Verkäufer zurückerlangen, indem er mit dem Käufer nachträglich den Eigentumsvorbehalt vereinbart. Der nachträgliche Eigen­ tumsvorbehalt begründet nämlich zwischen den Beteiligten ein „ähnliches Verhältnis" im Sinne von $ 868, das den Verkäufer zum mittelbaren Besitzer macht und gemäß § 930 die Übergabe ersetzt. IW. 15, 445».

3) Die Auskunfteien haben über die meisten Firmen in ihren „Archiven" Angaben liegen, auf Grund deren bei Anfrage Auskunft erteilt wird: sog. „Archivauskunft". Die „Spezialaus­ kunft" wird auf Grund besonderer Erkundigungen durch die Vertrauensleute der Auskunftei, gegen erhöhte Gebühren gegeben.

1174

Rechtsanwalt. — § 321 BGB.

Auf Grund des (ursprünglichen oder nachträglichen) Eigentumsvorbehalts kann der Verkäufer

intervenieren bzw. aussondern. Nimmt er im Einverständnis mit dem Käufer die Kaufsache in seine

Verwahrung, so braucht darin nicht notwendig ein Rücktritt vom Vertrage zu liegen. Denn § 5 AbzahlG. (oben S. 377) gilt bloß beim echten Abzahlungsgeschäft, also beim Verkauf mit ratenweiser Tilgung der Kauspreisschuld, nicht bei jedem Verkauf unter Eigentumsvorbehalt.

Der Rechtsanwalt: Sie gehen davon aus, daß Wallroth's Vermögenslage sich seit dem Verkauf verschlechtert habe. Indessen könnte es auch sein, daß die in der Auskunft geschilderten Verhältnisse bereits zur Zeit des Abschlusses bestanden. Dann würde es sich nicht um nachträglichen Vermögensverfall handeln, sondern Sie hätten sich über die Kreditwürdigkeit Ihres Gegenkontrahenten im Irrtum befunden. Ein solcher Irrtum berechtigt zur Anfechtung (§ 119" BGB.), die frei­ lich „unverzüglich" nach Entdeckung des Irrtums, d. i. ohne schuldhaftes Zögern (§ 1211 S. 1), ausgesprochen werden muß. Die erste Frage würde also sein, ob Sie nicht seit Einholung der Auskunft die Ihnen zuzubilligende Überlegungsfrist vielleicht schon überschritten haben. Nun zu den Wirkungen der Anfechtung. Es kommt keine isolierte Anfechtung des dem Käufer eingeräumten Zahlungsziels in Frage. Wir können nicht beweisen, daß Wallroth die Waren auch gegen sofortige Kasse gekauft hätte. Folglich beseitigt die Anfechtung, wenn sie überhaupt begründet ist, den ganzen Kaufvertrag (§ 139), und Wallroth schuldet Ihnen nicht den ver­ traglichen Kaufpreis, vielmehr gehen Ihre Ansprüche auf sofortige Herausgabe der gelieferten Waren und Ersatz des Wertes der fehlenden nach den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812, 818"). Sollte sich nachweisen lassen, daß Wallroth sich einer arglistigen Täuschung ihres Reisenden Timm schuldig gemacht hat, so beträgt die Anfechtungsfrist ein volles Jahr (§§ 123, 124), und Wallroth haftet Ihnen aus seiner unerlaubten Handlung (§§ 823,826) auf das volle Interesse, nicht bloß auf die Bereicherung. Ob aber die Anfechtung des obligatorischen Kaufvertrages zugleich den Übergang des Eigentums an den bereits gelieferten Waren auf Wallroth rückgängig macht, ist — sowohl bei Irrtums- wie bei Arglist­ anfechtung — zweifelhaft. Vgl. dazu oben S. 818, ferner IW. 31, 817 (Köln) mit Anm. von Kleinfeller. Resultat der Anfechtung: Sie haben Forderungen, die zwar sofort fällig, der Höhe nach jedoch weit schwerer zu begründen sind, als wenn Sie beim Vertrage stehen bleiben, und dabei steht nicht einmal fest, daß die ge­ lieferten Waren in Ihr Eigentum zurückfallen und Sie in einem etwa ausbrechenden Konkurse gesichert sind. — Gehen wir jetzt von der zweiten Möglichkeit aus, daß Wallroth bei Abschluß des Geschäfts noch gut war. Die nachträgliche Verschlechte­ rung der Vermögenslage des Gegenkontrahenten bei einem Kreditgeschäft regelt § 321 dahin, daß der andere Teil seine Leistung verweigern darf, bis die ihm zu­ kommende Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit für sie gestellt wird. Soweit Sie bereits erfüllt haben, also in Höhe der 410 RM., nützt Ihnen das Leistungsweige­ rungsrecht überhaupt nichts. Wegen der 245 RM. schützt es Sie vor der Gefahr, selbst ohne ausreichende Sicherheit leisten zu müssen, wenn Wallroth die aus­ stehenden Waren fordert. Ob und wie Sie aber gegen ihn mit Hilfe des § 321 auf Zahlung der 245 RM., oder auf Abnahme der Restlieferung gegen Zahlung bzw. Sicherstellung klagen, oder ihn Verzug setzen und zu einem Schadensersatz­ anspruch gemäß § 326 gelangen können, ist eine höchst gänzlich ungeklärte Frage. Das Recht, die Restlieferung mit einer Nachnahme zu belegen, haben Sie keinesfalls. Denn bei der Nachnahme muß der Empfänger die Sendung einlösen, ohne ihre Beschaffenheit geprüft zu haben. Wenn dagegen Lieferung und Zahlung Zug um Zug vorzunehmen sind (§§ 320,

Rechtsanwalt. — Vermögensverschlechterung als Arrestgrund?

1175

322), so braucht der Käufer erst zu zahlen, nachdem ihm Gelegenheit zur Untersuchung geboten war.

In Fällen der zweiten Art Pflegt der Verkäufer einen am Wohnort des Käufers ansässigen Spediteur

einzuschalten, der die Anweisung erhält dem Käufer die Ware anzudienen, Besichtigung und Probe­ ziehung zu gestatten, die Aushändigung jedoch von der Bezahlung des Kaufpreises abhängig zu machen.

Zur Tragweite des § 321: Die herrschende Meinung — RG. 50, 255; 51, 170; 53, 62; Könige in Staubes Komm. 40, 44 vor § 373 — hält sich an den Wortlaut des Gesetzes und gibt dem

an sich vorleistungspflichtigen Verkäufer bloß das Leistungsweigerungsrecht, während im übrigen der Inhalt des Schuldverhältnisses unverändert bleiben soll. Damit wird auch § 326 ausgeschlossen.

Um dem Schwebezustand ein Ende zu machen, verweist man den Verkäufer auf den Selbsthilfeverkauf wegen Annahmeverzugs (§§ 373 BGB., vgl. S. 527), wobei der Verkäufer, um den Annahmeverzug zu begründen, die Ware dem Käufer realiter ohne Sicherheit für den Kaufpreis anbieten muß! —

Dem Verkehrsbedürfnis entspricht besser die Ansicht von Staub (DIZ. 03, 388), daß durch die Ver­ schlechterung der Vermögenslage aus der Vorleistung überhaupt eine Zug-um-Zug-Leistung wird.

Vermögensverschlechterung im Wechselrecht: Hätte Wallroth der Firma Hering sein Akzept gegeben, so würden alle Schwierigkeiten behoben sein. Dem Inhaber des Papiers steht nämlich

schon vor Verfall der (früher so genannte) „Sicherheitsregreß" zu, sofern über das Vermögen des Be­

zogenen — gleichviel ob er den Wechsel angenommen hat oder nicht—Konkurs oder Vergleichsverfahren

eröffnet wird, oder er seine Zahlungen einstellt, oder eine fruchtlose Zwangsvollstreckung gegen ihn vorgenommen wird. Der Regreß geht auf sofortige Zahlung der Wechselsumme mit Nebenforderungen, jedoch unter Abzug des Zwischenzinses bis zum eigentlichen Fälligkeitstermin. Art. 43n Ziff. 2, 481 Ziff. 1, Abs. II WechsG.*).

Pommer: Und der Arrest? Rechtsanwalt: Daß die Fälligkeit Ihrer Forderung noch aussteht, würde für den Arrest nicht stören (arg. § 91611 ZPO ). Fraglich ist dagegen, ob der Arrest­ grund für ausreichend befunden werden oder das Gericht wenigstens eine Sicher­ heitsleistung von Ihrer Seite als Surrogat für volle Glaubhaftmachung annehmen wird (vgl. S. 425). Sie wollen mir entgegenhalten: wenn Wallroths übrige Gläu­ biger der Firma Hering mit Pfändung zuvorkommen, gehen wir leer aus, folglich liegt die Gefahr vor, daß die Vollstreckung meines Anspruchs ohne Erlaß des Arrestes vereitelt wird. Die in § 9171 vorausgesetzte Gefahr der Vollstreckungsvereitelung muß aber in einer Verringerung der zugriffsfähigen Aktiva bestehen, während die drohende Konkurrenz anderer Gläubiger nicht als Arrestgrund anerkannt wird (RG. 3, 416). Für eine Absicht Wallroths, Bestandteile seines Vermögens zu ver­ schieben, ergibt die Auskunft nichts. Und dann noch eins: wird der Arrest — mit oder ohne Sicherheit — angeordnet und erweist er sich später als ungerechtfertigt, so ist Ihre Firma Wallroth für den entstandenen Schaden ersatzpflichtig (S. 433/4)! Pommer: Sind wenigstens die Pfändungen anderer Gläubiger, die uns zuvor­ kommen, anfechtbar? Rechtsanwalt: Nur wenn Konkurs oder Vergleichsverfahren eröffnet ist und nur zu Gunsten der gemeinsamen Masse. Vgl. S. 753/4,769/70. Für das Vergleichsverfahren sind jetzt §§ 28,87,104 BerglO.5) maßgebend. Anfechtung von Pfändungen außerhalb des Konkurses: Außerhalb von Konkurs­ und Vergleichsverfahren gibt es keine par conditio creditorum (S. 761/2). Mithin kann der Umstand, daß einzelne Gläubiger durch Vollstreckungsmaßregeln gesichert und vor den übrigen bevorzugt sind, hier keinen Arrestgrund bilden. Zudem beschränkt § 1 AnfG. die Anfechtbarkeit auf Rechtshandlungen 4) vom 21. Juni 1933 (RGBl. I, 399). 6) vom 26. Februar 1935 (RGBl. I, 356). Lux, Schulung.

3. Aufl.

1176

Rechtsanwalt. — Klage auf künftige Leistung.

„eines Schuldners", während § 29 KO. der Anfechtung schlechthin Rechtshandlungen unterwirft,

die „vorgenommen sind", auch wenn der Schuldner nicht aktiv handelndes Subjekt war. Daraus folgt: Pfändungen sowie sonstige Maßnahmen der Zwangsvollstreckung und Arrestvollziehung sind außerhalb des Konkurses nur anfechtbar, wenn sie gewissermaßen als Rechtshandlungen „des Schuldners" erscheinen, weil sie durch Kollusion des Schuldners mit dem pfändenden Gläubiger zu stände gebracht wurden. Beispiel: Die Forderung, die vollstreckt wurde, war im Einverständnis mit dem Schuldner

fingiert; der Schuldner hat dem Gläubiger den Wink gegeben Zahlungsbefehl gegen ihn zu beantragen, gegen den er keinen Widerspruch erhoben hat, während die Klagen anderer Gläubiger von ihm durch

unbegründete Einwendungen hingehalten wurden; er hat den Gläubiger selbst aus geeignete Boll­ streckungsobjekte aufmerksam gemacht. RG. 47, 223; 69, 163.

Pommer: Was raten Sie mir zu tun? Rechtsanwalt: Schicken Sie Timm nach Spremberg und lassen Sie ihn in erster Reihe feststellen, ob ein wirklicher Arrestgrund vorliegt und glaubhaft gemacht werden kann. Glaubt Timm etwas Positives ausfindig gemacht zu haben, so soll er mich an­ rufen. In zweiter Reihe soll Timm versuchen Wallroth zur Unterzeichnung eines nachträglichen Eigentumsvorbehalts zu bestimmen, wobei wir uns allerdings klar darüber sein wollen, daß die Rückübereignung der gelieferten Waren unter Um­ ständen anfechtbar ist, falls es in nächster Zeit zum Konkurse kommt (S. 769). Kann Ihre Forderung weder durch Arrest noch durch nachträglichen Eigentumsvorbehalt gesichert werden, so stehen zwei Wege offen: Entweder wir erheben beim hiesigen Amtsgericht, das nach Ihren Lieferungsbedingungen als Gerichtsstand des Er­ füllungsortes zuständig ist, sofort Klage auf Zahlung der 410 RM. am 8. November mit der Begründung, daß angesichts des Bermögensverfalls des Beklagten die Ge­ fahr vorliegt, er werde sich der rechtzeitigen Erfüllung seiner Zahlungspflicht ent­ ziehen (§ 259 ZPO.). Der Termin wird noch vor dem 8. November angesetzt werden. Sie haben dann am Fälligkeitstag einen Schuldtitel in der Hand und können Voll­ strecken; das Risiko ist bloß, daß Wallroth anerkennt und beantragt Ihnen die Prozeß­ kosten aufzulegen, weil ein Anlaß zur Klage auf künftige Leistung nicht bestanden, und weil er die Schuld nach Fälligkeit sofort anerkannt habe (§ 93). Oder aber—und das würde ich tun, falls man nach Timms Erkundigungen die Situation so beurteilen muß, daß Wallroth tatsächlich zahlungsunfähig ist — es wird beim Amtsgericht Spremberg Konkurs beantragt, damit Ihnen wenigstens kein Dritter mit Pfändung zuvorkommt und damit die vorhandene Masse unter sämtliche vorhandene Gläu­ biger gleichmäßig aufgeteilt wird. Zum Konkursantrag sind Sie schon vor Eintritt der Fälligkeit berechtigt (S. 743). Haben Sie ganz besonderes Glück, so zahlt Wall­ roth Ihre Forderung voll aus, um die Eröffnung des Konkurses abzuwenden (S. 765). Den Konkursantrag sowie den Entwurf der Erklärung über den nachträglichen Eigentumsvorbehalt werde ich aufsetzen und Timm mitgeben. Wegen der Rest­ lieferung von 245 RM. warten Sie vorläufig ab.

Rechte des Käufers bei Ankunft schwimmenden Gnies mit Mängeln. BeweiSsicherung. Streitverkündung. Information. Am 24. Oktober 1936 schreibt die Ol- und Fettwarenhandlung Leopold Möller-Breslau dem Anwalt: „Wir kauften am 6. d. M. von Harder & Co. in Stettin einen Posten von 100 Faß zu 250 kg

prima norwegischen Fischtran in guten haltbaren Fässern zum Preise von 58 5UC je 100 kg, Kasse gegen Dokumente. Wir haben den Kaufpreis von 14540 $MC am 10. Oktober an Harder

—h geltend macht. Sowohl die Kündigung wie die Ausnahmetatbestände des § V b—h sind nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen vom Gläubiger zu beweisen. Hier hilft nun die Bewilligung der Schuldnerin. Zwar gehört die Zwangsvollstreckung dem öffentlichen Recht an, und „ins publicum privatorum pactis mutari non potest". Es handelt sich jedoch im Grunde bloß um eine vertragliche

Regelung der Beweislast, die zweifellos zulässig ist. Der Sinn der Erklärung geht dahin: wenn über

die Fälligkeit der Schuld oder die Höhe der Nebenleistungen Streit entsteht, so übernehme ich, die

Schuldnerin, die Beweislast für die Unrichtigkeit der vom Gläubiger angeführten Fälligkeitsgründe usw. Mithin folgt die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen ohne sonstigen Nachweis unmittelbar aus

§ 726i. Vgl. Oberneck, Notariatsrecht § 52, 3 (S. 292); Stein-Jonas V zu § 726. Daß Schallwig den Einwand der Stundung angekündigt hat, bildet kein Hindernis für die Erteilung der Klausel, so lange Jllgen die Stundung bestreitet. Es handelt sich um nachträgliche

Stundung und eine solche muß stets vom Schuldner bewiesen werden (S. 398). Der Einwand wird

erst in einem späteren Stadium erheblich, vgl. unten S. 1224. Urkundlicher Nachweis des Güterstandes: Aus der Eheschließung folgt ohne Weiteres

der Eintritt des gesetzlichen Güterstandes der Verwaltung und Nutznießung. Trotzdem begnügt sich die Praxis nicht mit der Heiratsurkunde sondern verlangt außerdem eine Bescheinigung des Güter­

rechtsregisters, daß die Verwaltung und Nutznießung nicht ausgeschlossen ist („Negativbescheinigung"). KG. 49, 20. Vorlegung des Hypothekenbriefs? §1160i, nBGB. gibt dem Schuldner-Eigentümer ledig­

lich eine Einrede, die besonders geltend gemacht werden muß und z. B. dem Erlaß eines Versäumnisurteils

nicht entgegensteht. Die Briefvorlegung ist daher zur Erwirkung der Vollstreckungsklausel nicht erforder­ lich. Überdies schließt § VIII der Darlehnsbedingungen das Borlegungsrechte des Eigentümers aus. Später im Verteilungstermin der Zwangsversteigerung bedarf es des Briefes, falls Kapital-

beträge zur Hebung gelangen (S. 708). Zuständigkeit zur Erteilung

der

Vollstreckungsklausel:

Die vollstreckbare Aus­

fertigung vollstreckbarer notarieller Urkunden wird von dem Notar erteilt, in dessen Verwahrung

1223

Rechtsanwalt. — Umgeschriebene Klausel aus § 726 ZPO.

sich die Urschrift befindet. Dabei entscheidet der Notar im Mgemeinen selbst, nur für zweite oder weitere vollstreckbare Ausfertigungen (§ 733 ZPO.) bedarf er einer Anordnung des Amtsgerichts

seines Amtssitzes (§ 797n,m). — Ist die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in einer, später

angenommenen, Vertragsofferte enthalten, so gibt der Notar, von dem die Offerte beurkundet wurde, die vollstreckbare Ausfertigung; vorher ist ihm die Annahme gemäß § 7261 nachzuweisen, es sei denn, daß sie gleichfalls vor ihm erllärt wurde. RG. 132, 6. — Hat ein Anwalts-Notar als Rechts anwalt den Bollstreckungsauftrag des Gläubigers übernomnme, so ist er von der weiteren Amtstätigkeit in dieser Sache ausgeschlossen (§ 64 RFGG., Art. 84 PFGG.) und darf die Klausel

nicht mehr erteilen, muß die Sache vielmehr seinem Amtsgericht abgeben. Stellt er dennoch die Klausel selbst aus, so ist sie darum nicht etwa nichtig: denn abgesehen von den für das Urkundenwesen gel­ tenden Vorschriften der §§ 170/2 RFGG., 2234/6 BGB. (vgl. oben S. 56,57) hat die Mitwirkung einer „ausgeschlossenen" Amtsperson keine Unwirksamkeit zur Folge (§ 7 RFGG.). Sie kann aber im

Rechtsmittelwege angefochten werden. RG. 145, 199.

Schreiben des Anwalts an Jllgen: In Sachen Schallwig nehme ich den mir übertragenen Auftrag gern an. Wie der Hypo­

thekenbrief ergibt, hat sich die Schuldnerin s. Zt. der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der

von Herrn Notar Siegel in Breslau aufgenommenen vollstreckbaren Urkunde unterworfen. Es ist daher möglich die Zwangsvollstreckung in das Grundstück und in das sonstige Vermögen der Frau Katharina Schallwig auf Grund einer vollstreckbaren Ausfertigung der Schuldurkunde ohne Klage vorzunehmen. Zur Erwirkung der Vollstreckungsllausel sind noch folgende urkund­ lichen Unterlagen notwendig:

Ich lege Ihnen Briefentwürfe zu Schreiben an die »Sekuritas', das Neißer Standesamt und die Registerabteilung des hiesigen Amtsgerichts bei, die Sie sofort unterzeichnen und

absenden wollen. Für die rückständigen Zinsen haftet Ihnen der Ehemann Adolf Schallwig auch persönlich.

Diese Haftung kann aber nicht mittels Umschreibung der Vollstreckungsllausel geltend gemacht werden, sondern es bedarf hierzu einer besonderen Klage gegen ihn. Falls Sie die Klage

wünschen, bitte ich um Nachricht."

In den beigefügten Briefen ersucht Jllgen um nachträgliche Beglaubigung der Hypothekenabtretung von Ende 1935 und Überlassung eines Handelsregister­ auszugs, um eine Heiratsurkunde des Schallwig'schen Ehepaares bzw. um eine Bescheinigung, daß das Güterrechtsregister keinen Ausschluß der gesetzlichen Ver­ waltung und Nutznießung des Ehemanns enthält. Alle Schriftstücke sollen ihm zu Händen von R.-A. Voß übersandt werden. Nachdem sie eingegangen sind, beantragt der Anwalt beim Notar die vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels. Sie wird antragsgemäß mit folgender Klausel ausgestellt: „Vorstehende, in das Register unter Nummer 541 für 1932 eingetragene Verhandlung wird hiermit für den Tischlermeister Franz Illgen in Peterwitz, Landkreis Breslau, vertreten

durch den Rechtsanwalt Voß in Breslau, als Rechtsnachfolger der .Sekuritas' Lebensver-

sicherungs-Mtiengesellschaft in Hamburg ausgefertigt: 1. gegen die Schuldnerin, jetzt verehelichte Frau Katharina Schallwig geborene Zabel in Breslau, Kantstraße 185, wegen 12000 (L SB.) Goldmark, die Goldmark zum Werte von

1 kg

(i. W.) Feingold gerechnet, nebst 210 (i. W.) Goldmark Zinsen für das dritte Viertel­

jahr 1936 und 704 (i. W.) Goldmark Entschädigung für vorzeitige Fälligkeit des Kapitals gemäß Ziffer VI der Bedingungen, zum Z wecke der Zwangsvollstreckung in das Grundstück Neiße Band XII Blatt Nummer 351 sowie in ihr sonstiges Vermögen,

Lux, Schulung. 3.Aufl.

77

1224

Rechtsanwalt. — Umgeschriebene Klausel aus § 726 ZPO. 2. gegen den Ehemann der Schuldnerin, Kaufmann Adolf Schallwig in Breslau, Kant­

straße 185, zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut seiner Ehefrau wegen der zu 1 bezeichneten Ansprüche. Die Ausfertigung erfolgt auf Grund a) der beglaubigten Abtretungserklärung vom 17. No­

vember 1935, Not.Reg. 642.36 des Notars Siegel in Hamburg, b) des Zeugnisses des Amts­ gerichts Hamburg vom 26. Juni 1936, Geschäftsnummer 93 HR. B. 2632, c) der Heirats­ urkunde vom 25. August 1935, Nummer 240 für 1935 des Standesamts Neiße, d) des Zeug­

nisses des Amtsgerichts Breslau vom 14. November 1936, Geschäftsnummer 80 GRR 1536.

Breslau, den 18. November 1936. Justus Siegel (Siegel)

Notar."

Die beizutreibende Summe wird in der Klausel in Goldmark bezeichnet und erst in der Zwangsvollstreckung nach dem dann maßgebenden Goldpreis in Reichs­ mark umgerechnet (§§ 10 f. EntlastBO.). Die Aufzählung der öffentlichen und öffentlich beglaubigten Urkunden, welche die Grundlage der Klausel bilden, in der Klausel ist nicht vorgeschrieben, aber ratsam, weil nach § 75011 ZPO. diese Urkunden vor Beginn der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zugestellt werden müssen (S. 619). Vermerk auf der Urschrift des Titels nach §§ 734, 795: „Vollstreckbare Ausfertigung über 12000GM., 210 GM. Zinsen für das 3. Vierteljahr 1936

und 704 GM. Entschädigung für vorzeitige Fälligkeit dem Tischlermeister Franz Illgen in Peterwitz 1. gegen die Schuldnerin zur Zwangsvollstreckung in Grundstück und sonstiges Vermögen, 2. gegen den Ehemann der Schuldnerin, Kaufmann Adolf Schallwig in Breslau,

Kantstraße 185 zur Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut seiner Ehefrau erteilt auf Grund von a) begl. Abtretungserklärung vom 17. November 1935, b) Zeugnis des AG. Ham­ burg vom 26. Juni 1936, c) Heiratsurkunde vom 25. August 1935, d) Zeugnis des AG. Breslau

vom 14. November 1936. Breslau, den 18. November 1936.

Siegel."

Für die Erteilung der Klausel erhebt der Notar 6/10 der vollen Gebühr (§§ 26, 125 der, an die Stelle von pr. GKG. und GebO. f. Not. getretenen, „Kostenord­ nung" vom 25. November 1935, RGBl. I 1371). Vollstreckbare Ausfertigungen, die nicht auf Grund der §§ 726/9, 733, 742 ZPO. erteilt werden, sind gebührenfrei. Die Eheleute Schallwig können ihre Einwendungen gegen die Klausel beim Amtsgericht des Amtssitzes des Notars anbringen, statt dessen aber auch beim Land­ gericht ihres allgemeinen Gerichtsstandes Bollstreckungsgegenklage gegen Illgen er­ heben (§§ 732, 767, 768, 797™,IV) und einstweilige Einstellung der Zwangsvoll­ streckung beantragen (§769). Das werden sie insbesondere dann tun, wenn sie sich von dem Stundungseinwand Erfolg versprechen. — Illgen würde im Falle der Ablehnung die Wahl gehabt haben, entweder die für den Amtssitz des Notars zuständige Zivilkammer anzurufen (Art. 51" PFGG., keine Frist!) oder auf Er­ teilung der Vollstreckungsklausel zu klagen (oben S. 1221/2). — Die vollstreckbare Ausfertigung mit den in ihr bezeichneten vier Urkunden wird dem Gerichtsvollzieher zur Zustellung an die Eheleute Schallwig übergeben. Frühestens eine Woche nach Zustellung kann mit der Zwangsvollstreckung begonnen werden (§ 798, vgl. oben S. 614).

1225

Oberlandesgericht. — Geschichtserzählung.

28. Kapitel.

Beim Oberlandesgericht. Das Kapitel führt an Hand einer verwickelten Berufungssache in die Arbeit des Oberlandes­

gerichts ein und entwickelt an dem praktischen Falle zugleich die Lehre von der Referier- und Urteils­ technik. Hierzu sind die in den früheren Kapiteln enthaltenen Muster mit den beigegebenen methodischen Erläuterungen lauf welche im Einzelnen nicht mehr verwiesen wird) zu vergleichen:

Zivilurteile Taschner gegen Aigner (S. 365 f.), Bredow gegen Bredow (©.402 f.), Brandler

gegen Freitag (S. 439 f.), Schenk gegen Klotz und Kolbe (©.500 f.), Grosche gegen Grosche (S. 576 f.), Kummer gegen Drach Mehl sich besonderer Beliebtheit erfreute.

3. Adolf Böttcher hätte den Kauflustigen bei der Versteigerung ein minderwertiges Muster

gezeigt. Wenn auch die Versteigerung nicht „nach Muster" erfolgte, so wäre es trotzdem möglich, daß die Auslegung eines Musters von schlechter Qualität die Höhe des erzielten Erlöses un­ günstig beeinflußt hat. Die Behauptung ist daher aus dem gleichen Grunde wie die zu 2 erheblich.

4. Außer in der Qualitätsbezeichnung des versteigerten Mehls (zu 2) weichen die Be­ dingungen des Selbsthilfeverkaufs von denen des Schlusses noch insofern ab, als die Beklagte

Lieferbar Juni—September 1932 auf Abruf' und ,Kasse gegen Frachtbriefduplikat' gekauft hatte, während bei der Versteigerung die Erfüllungszeit Lieferbar auf Abruf' schlechthin lautete

und bezüglich der Zahlungsweise nichts Besonderes bestimmt war. Eine Untersuchung über die

Zulässigkeit der Abweichungen und ihren Einfluß auf das Versteigerungsergebnis erübrigt

sich indessen, weil die Beklagte nicht geltend gemacht hat, daß die Versteigerung gerade aus

diesem Grunde ungünstiger ausgefallen sei."

Der Grundsatz „iura novit curia“ verpflichtet das Gericht von Amtswegen alle rechtlichen Gesichtspunkte zu beachten, die sich bei richtiger Anwendung des Gesetzes auf das vorgetragene Sachverhältnis ergeben. Die Anführung der Tat­ sachen bleibt Aufgabe der Parteien. Nun beruht die Berücksichtigung der beim Deckungsgeschäft gemachten Fehler auf § 254 BGB. (S. 531), zu dessen Tat­ bestand gehört, daß das Verschulden des Gläubigers ganz oder teilweise für seinen

Oberlandesgericht. — Jura novit curia.

1251

Schaden kausal war. Dies zu behaupten, wäre Sache der Beklagten gewesen. Übrigens handelt es sich bei der Lieferzeit um eine bloß scheinbare Abweichung, denn am Tage des Selbsthilfeverkaufs war die ursprüngliche Lieferzeit längst ab­ gelaufen und das ganze Restquantum auf einmal abzunehmen. Die Weglassung der Klausel „Kasse gegen Frachtbriefduplikat" aber — bei welcher der Käufer, abweichend von der gesetzlichen Regelung (S. 1174/5), zahlen muß, ohne die Ware gesehen zu haben — bedeutete geradezu eine Erleichterung für den Käufer und konnte daher den durch den Deckungsverkaus ausgewiesenen Schaden höchstens verringern. „III. Abstrakte Berechnung: Die Behauptung des Klägers, daß der Marktpreis für

gesundes, Helles schlesisches Lupinenmehl am 21. Dezember 1932 keinesfalls 8.50 30 für 100 kg überstiegen habe, stellt keine ausreichende Substanziierung des Schadens nach abstrakter Berechnungsweise dar. Die Rechtsprechung läßt dem Gläubiger die Wahl, ob er bei abstrakter Berechnung des

Schadensersatzes wegen Nichterfüllung im Falle des Verzuges von dem bei Eintritt des Ver­ zuges maßgebenden Marktpreis ausgehen will (der Schuldner muß ihn so stellen, wie wenn der Vertrag rechtzeitig erfüllt worden wäre), oder vom Preise z. Zt. des Ablaufs der Nachfrist (denn dies ist der späteste Zeitpunkt, zu welchem der Gläubiger noch Anspruch auf die Vertrags­ erfüllung besaß, § 3261 S. 2, zweiter Satzteil). Wird der Schadensersatz wegen Nichterfüllung

aus positiver Vertragsverletzung des Schuldners, z. B. Erfüllungsverweigerung, hergeleitet, so behält der Gläubiger den Erfüllungsanspruch so lange, bis er dem Schuldner erklärt, daß

er sein Verbalten als Grund betrachte die Erfüllung des Vertrages abzulehnen: nur darf er mit seiner Entscheidung nicht übermäßig lange warten, nicht wider Treu und Glauben die

Situation ausnutzen, um auf Kosten des Schuldners zu spekulieren. RG. 91,99 c. cit. Da der

Kläger keine Rechte aus positiver Vertragsverletzung gegen die Beklagte hat (oben zu B12),

kommt in unserem Falle nur der Eintritt des Verzuges (1. Oktober 1932) oder das Ende der Nachfrist in Betracht. Die Nachfrist ist mit dem 15., wenn aber die Behauptung der Beklagten

über die Länge der angemessenen Frist (oben zu B11) zutrifft, mit dem 18. Dezember abge­ laufen. Den 21. Dezember kann der Kläger in keinem Falle zu Grunde legen. Wahrscheinlich hat der Kläger den 21. Dezember nur versehentlich angegeben und meint

in Wahrheit den Ablauf der Nachfrist. Ich rate daher — obwohl zweifelhaft sein kann, ob die Voraussetzungen des § 139 ZPO. zutreffen — den Kläger zu befragen. Ändert er seine Be­ hauptung dahin ab, daß der Marktpreis am 15. und 18. Dezember 8.50 JO" betragen habe, so ist sie erheblich. Behauptet er den Marktpreis von 8.5030" bloß für den 15. Dezember, so ist die Behauptung erheblich, gleichzeitig aber auch die Behauptung der Beklagten, daß die

angemessene Nachfrist 10 Tage betrage. Die in der Klagesumme enthaltenen 299.4030" Kosten des öffentlichen Verkaufs können

als abstrakter Schaden nicht gefordert werden. IV. Nach der in der Berufungsinstanz neu aufgestellten Behauptung der Beklagten soll Wichmann, der Meistbietende des öffentlichen Verkaufs vom 21. Dezember 1932, die Ware

als vorgeschobene Person für Gebr. Böttcher erworben und im Januar 1933 zu mehr als

11.5030 weiter verkauft haben. Hieraus folgert die Beklagte, daß der Zedentin des Klägers ein Schaden aus der Nichterfüllung des Vertrags nicht erwachsen sei. Der Kläger hat erwidert, Wichmann habe sein Gebot für eigene Rechnung abgegeben, sei nachträglich an Gebr. Böttcher mit der Anfrage herangetreten, ob sie sich am Weiterverkauf der Ware zur Hälfte beteiligen

wollten, und es sei dann der Verkauf als gemeinschaftliches Geschäft von beiden durchgeführt worden. Den hierbei erzielten über dem Vertragspreis liegenden Preis von 11.5030 be­

streitet er nicht. Bei der Würdigung dieses Vorbringens werden abstrakte und konkrete Be­

rechnungsweise auseinanderzuhalten sein:

1252

Oberlandesgericht. — Behandlung theoretischer Streitfragen im Gutachten. 1. Der abstrakte Schaden beruht beim Verkäufer auf der Vermutung, daß er, wenn der Käufer erfüllt hätte, in der Lage gewesen wäre sich die Ware zum billigeren Marktpreis zu beschaffen und sie zum höheren Vertragspreis an den Käufer abzusetzen (beim Käufer: daß

er die Ware vom Verkäufer zum niedrigeren Vertragspreis geliefert erhalten und zum höheren Marktpreis weiterverkauft haben würde). Wird die Vermutung durch den besonderen Sach­ verhalt entkräftet, so entfällt die Möglichkeit der abstrakten Berechnung. Unter diesem Gesichts­

punkt wurde z. B. dem Militärfiskus, Kommunalverbänden und Behörden als Käufern nicht

gelieferter Waren, die sie im Falle der Lieferung zum Selbstkostenpreis an die Mannschaften bzw. die Bürgerschaft abgegeben hätten, in manchen Fällen der abstrakte Schaden versagt.

RG.90,423; 99,49; 100,112; 101,217; 105,287. Was der Verkäufer mit der Ware, die er in­

folge der Nichterfüllung der Verkäufers behalten hat, später anfängt, interessiert nicht: denn die abstrakte Berechnung sieht ja gerade von der tatsächlichen Gestaltung der Dinge ab (RG. 89, 282). Verdient also der Verkäufer später beim anderweiten Verkaufe, so beeinträchtigt das

seinen abstrakten Schadensersatzanspruch in keiner Weise. Oertmann 5 zu §326 (der diese Chance des Verkäufers sogar als Argument gegen die Differenztheorie verwertet).

2. Für die entsprechende Frage beim konkreten Schaden werden in Rechtsprechung und Literatur drei verschiedene Meinungen vertreten: Manche wollen das Mitbieten des nichtsäumigen Teils bei dem zur Berechnung des Schadens

aus §326 BGB. in Form öffentlicher Versteigerung vorgenommenen Deckungsgeschäft in

gleicher Weise zulassen, wie das Gesetz dies für das Deckungsgeschäft im Falle des Handels­ fixkaufs (§376™ S.l HGB.), den Selbsthilfeverkauf (§373™ HGB.), Pfandverkauf und Versteigerung gepfändeter Mobilien (§§ 1239 BGB., 816™ ZPO.) ausdrücklich vorschreibt und wie Börsen- und Schlußscheinbedingungen der Großhandelsverbände es in der Regel

gestatten. Erhält der Veranstalter der Versteigerung den Zuschlag, so soll das Deckungsgeschäft für die Schadensberechnung unbedingt maßgebend sein. RG. im „Recht" 16 Nr. 646.

Die gegenteilige Ansicht erklärt ein Deckungsgeschäft mit sich selbst außerhalb der gesetzlich besonders anerkannten Fälle für unmöglich. Erhalte der Verkäufer, der die Ware zur öffent­

lichen Versteigerung gestellt habe, den Zuschlag, so liege kein Deckungsgeschäft sondern „ledig­

lich der fehlgeschlagene Versuch eines solchen" vor, und der Zuschlag sei für das Verhältnis zum Käufer bedeutungslos. OLG. Hamburg (»Recht' 17 Nr. 22); v. Tuhr, IW. 25, 127811.

Andere erkennen den Deckungsverkauf mit Selbsteintritt des Verkäufers im Prinzip an, schränken jedoch seine Bedeutung ein. Der Verkäufer könne in einem solchen Falle »nicht ohne

Weiteres' den Unterschied zwischen Vertragspreis und Versteigerungserlös fordern, müsse sich vielmehr den Einwand entgegenhalten lassen, daß er im Besitz der Ware verblieben und daher im Stande gewesen sei, sie zum ursprünglichen Vertragspreis an einen Dritten zu ver­ äußern (RG. 110,155; RGR.-Kommentar 5n vor § 249, la™zu § 325; Staub 13b zu § 373,30

Anh. zu § 374). Oder es wird dem »bloß auf dem Papier stehenden' Deckungsgeschäft, das keine Bermögensverschiebung zur Folge gehabt hat, die Wirksamkeit abgesprochen; darnach muß der Käufer, der bei einem von ihm veranstalteten Deckungskauf den Zuschlag erhalten hat,

sich für die Ware effektiv eindecken, der Verkäufer (wenn er bei seinem Deckungsverkauf Meist­ bietender geblieben ist) sie weiter verkaufen (RG. in LeipzZtschr. 20,484*). Falsch wäre es, die Zulässigkeit und Erheblichkeit des Selbsteintritts von vornherein aus

juristisch-konstruktiven Gesichtspunkten zu verneinen. Allerdings saßt das Gesetz die Versteige­ rung — mit Ausnahme der, in Form einer gerichtlichen Verhandlung und eines gerichtlichen Staatsakts gekleideten, Jmmobiliarversteigerung — als Vertrag, und zwar als Kauf, auf

(arg. §§ 155, 456/7, 461 BGB.). Zum Vertrag gehören begrifflich zwei verschiedene Partner. Es liegt daher das argumentum e contrario nahe, daß, abgesehen von den gesetzlich besonders zugelassenen Fällen, der Zuschlag an den Veranstalter der Versteigerung wirkungslos sein

Oberlandesgericht. — Behandlung theoretischer Streitfragen im Gutachten.

1253

müsse. Nun stellen aber die Fälle, in denen der Selbsteintritt vom Gesetz (oder den maßgeben­ den Geschäftsbedingungen) gestattet wird, zwar theoretisch eine Ausnahme, praktisch jedoch

die überwiegende Mehrzahl aller überhaupt vorkommenden Versteigerungen dar. Es fehlt an einem inneren Grunde, warum eine Voraussetzung, die das Gesetz für die wichtigsten An­

wendungsfälle ausschaltet, in einem verhältnismäßig seltenen Fall auf einmal die Bedeutung eines notwendigen Begriffsmerkmals haben soll. Der kaufmännischen Auffassung ist ein solch fundamentaler Gegensatz zwischen den beiden Gruppen öffentlicher Versteigerungen sicherlich

fremd, und es wäre ein unbefriedigendes Ergebnis, wenn der Verkäufer statt der Fristsetzung

den Weg des Angebots der Ware mit anschließendem Selbsthilfeverkauf nach § 373 HGB. beschreiten müßte (wie v. Tuhr a. a. O. es ihm tatsächlich empfiehlt), um sich die Möglichkeit eines Extragewinns zu verschaffen, der beim Deckungsverkauf gemäß § 326 BGB. für unstatt­

haft erklärt wird. Der Verkehr verlangt bei Versteigerungen lediglich absolute Unparteilichkeit

und Uninteressiertheit des Versteigerers und seiner Gehilfen (§§ 456/7 BGB.), dagegen spielt die Person des Meistbietenden keine Rolle. Wenn jeder bieten darf, besteht kein Anlaß gerade den Veranstalter der Versteigerung auszuschließen. Man wird daher aus § 373IV HGB. usw. per analogiam folgern müssen, daß auch bei einer lediglich zur Berechnung des konkreten Schadens bewirkten Versteigerung Verkäufer und Käufer als voUwertige Mtbieter gelten.

Auf der anderen Seite läßt sich nicht verkennen, daß der Verkäufer — falls nicht der Käufer oder ein von ihm beauftragter Geschäftsfreund mitbietet und den Preis treibt — die Ware

oftmals weit unter dem wirklichen Wert zugeschlagen erhält, weil die übrigen Angehörigen der Branche trotz der öffentlichen Bekanntmachung sich nicht genügend an der Versteigerung

beteiligten. Das bemht bisweilen darauf, daß die besonderen Bedingungen hinsichtlich Quan­ tum, Lieferzeit und -ort, Zahlungsweise usw., die das Deckungsgeschäft entsprechend dem ursprünglichen Kauf aufweist, unbequem sind. Oder man will nicht gern in einen Schluß eintreten, der schon einmal zu Differenzen geführt hat. Bisweilen ist die allgemeine Passivität

daxauf zurückzuführen, daß man weiß, der Verkäufer wünsche selbst den Zuschlag zu bekommen,

und daß man ihm aus Kollegialität diesen Vorteil gönnt.

Die Rechtsprechung hat stets daran festgehalten, daß meistbietende Deckungsgeschäfte der hier in Rede stehenden Art für die Ermittlung des Schadens nicht bindend sind, sondern nur

die Bedeutung eines Elements der Schadensberechnung besitzen. RG. 53,14; 57, 107; 110,

155; Leipz. Ztschr. 10,460*. Besteht also im Einzelsall ein besonderes Mißverhältnis zwischen Zuschlagspreis und wirklichem Wert, so steht nichts im Wege den Schaden des Verkäufers entsprechend zu kürzen. Ob man das als Vorteilsausgleichung"

— vgl. über diese S. 487, 488, 730, 731 — „bezeichnen will (so RGR.-Komm. 5 vor § 249), oder als freie Würdigung der Schadensmomente (so für verwandte Fragen bei der abstrakten Berechnung RGR.-Komm. 3 zu § 252), soll dahin­ gestellt bleiben. Wichtig ist aber Folgendes: a) Der geschäftliche Verkehr verlangt eine gewisse Erleichterung und Schematisierung des

Schadensnachweises. Deshalb wird der Schaden des Verkäufers durch einen öffentlichen Deckungsverkauf, bei dem er selbst den Zuschlag erhalten hat, prima facie ausgewiesen,

und der Käufer hat die besonderen Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, daß ein Schaden nicht vorhanden oder daß er geringer sei. b) Nicht der vom Verkäufer beim Weiterverkauf schließlich erzielte Preis, sondern der Wert

der ihm zugeschlagenen Ware z. Zt. der Versteigerung kommt in Bettacht (so auch RG. 110, 155). Der hierüber hinausgehende Verdienst des Verkäufers verbleibt ihm, ebenso

wie das anerkanntermaßen der Fall ist, wenn der Verkäufer die Ware beim Selbsthilfe­ verkauf nach § 373 HGB. zurückgekauft har (Staub 33 zu § 373). c) Der dem Verkäufer entgegengehaltene höhere Wert darf kein theoretisch geschätzter oder

1254

Oberlandesgericht. — Behandlung theoretischer Streitfragen im Gutachten. errechneter, sondern er muß ohne besondere Schwierigkeiten recilisierbar sein. In diesem

Sinne legt RG. 110,155 a. E. Gewicht darauf, daß in dem dort entschiedenen Fall zwischen

Vertragsabschluß und Versteigerung die maßgebenden Konventionspreise sich nicht ge­

ändert hatten und daß um die Zeit der Versteigerung herum Verkäufe zu Konventions­

preisen tatsächlich erfolgt waren. d) Weiter ist zu Gunsten des Verkäufers zu berücksichtigen, daß im Zurückkäufen der Ware ein Risikomoment enthalten ist. Man kann nicht wissen, ob die Preise sich nach oben oder

nach unten entwickeln werden, ob der Käufer, den man später für die Ware findet, zahlungs­

fähig sein wird usw. Außerdem braucht der Verkäufer, um den Weiterverkauf abzuschließen

und durchzuführen, seinen geschäftlichen Apparat. Vgl. OLG. Hamburg . W. Müller.

Druck von Dr. F. P. Datterer & Cie., Freising-München.

Vorwort zur dritten Auflage. Die dritte Auflage ist wiederum völlig neu bearbeitet und weist verschiedene grundsätzliche Änderungen auf. Es wurden neue Kapitel „Kriegsgericht", „Arbeits­

gericht", „Finanzamt" und „Bezirksverwaltungsgericht" eingefügt. Die Kapitel sind nicht mehr nach den Stationen des früheren preußischen Vorbereitungsdienstes,

sondern nach dem Stoffe geordnet und in 5 Abteilungen — freiwillige Gerichts­ barkeit, Zivilprozeß, Zwangsvollstreckung und Konkurs, Strafsachen und Sonder­ materien — zusammengefaßt. Die Mehrzahl der bisherigen Anmerkungen unter dem Strich wurde in „Textanmerkungen", über dem Strich in kleinem Druck, um­ gewandelt, und dem alphabetischen Schlagwortregister zum erstenmal ein ausführ­ liches Paragraphenregister beigegeben. Mtten in das Erscheinen der Auflage fiel die nationalsozialistische Revolution. In der 3. Abteilung konnten das Zwangsvollstreckungs-Notrecht vom Mai 1933

und der, inzwischen zum Gesetz erhobene, Entwurf der neuen Vergleichsordnung wenigstens in Anmerkungen berücksichtigt werden. Die Ausarbeitung der Straf­ rechtskapitel 17—23 erfolgte, als mit der Strafrechtsnovelle vom Mai 1933 und dem preußischen Strafvollstreckungs- und Gnadenrecht vom August 1933 die erste

Etappe der Reform abgeschlossen war. Bon Kapitel 23 A (Kriegsgericht) ab ist der neue Rechtszustand zu Grunde gelegt. Bei dieser Sachlage erlangt der Nach­

trag diesmal besondere Bedeutung. Es empfiehlt sich, vor Benutzung des Buches an allen im Nachtrag erwähnten Stellen des Buches Hinweise zu machen, damit der Leser weiß, ob der Text noch richtig, oder ob er durch neue Gesetze und Rechts­

anschauungen überholt ist.

Breslau, im Mai 1936.

Dr. Lux.

Inhaltsverzeichnis. Erste Abteilung: Freiwillige Gerichtsbarkeit einschl. Notariat und Aufgebotsverfahren. Seite

1. Kapitel. Beim Notar..................................................................................................................... Beglaubigung einer Hypothekenabtretung. Akten-, Kosten- und Stempelwesen S. 2. — Sicherungsvertrag S. 8. — Grundstückskaufvertrag S. 15. — O.H.G.-Vertrag S. 28. — Vollstreckbare Schuldverschreibung und Hypothekenbestellung S. 37. — 1500 Mk.-Vertrag. Gesamte Hand. Unzulässige Verträge S. 41. — Ehevertrag S. 45. — Testament S. 49. — Wechselprotest. Haftung des Notars S. 59. Anhang: Sonstige Organe des Urkundswesens und ihre Haftung S. 65.

1

2. Kapitel. Beim Bormundschaftsrichter........................................................................................ Prüfung der neuen Eingänge. Familienrechtliche Gewalten S. 68. — Büro- und Kanzleiordnung. Aktenregister. Aktenzeichen. Kosten in Vormundschaftssachen S. 84. — Uneheliche Vormundschaft S. 87. — Inventar. Auseinandersetzungspflegschaft S. 95. — Vormundschaft mit Vermögensverwaltung S. 101. — Elterliche Gewalt der Mutter. Vermögensbeistand S. 110. — Annahme an Kindesstatt S. 113. — Kinder geschiedener Eltern. Religiöse Kindererziehung S. 118. — Vorläufige Vormundschaft S. 126. — Pflichtteilspflegschaft S. 134. — Deszendenzpflegschaft S. 136.

68

3. Kapitel. Beim Nachlatzrichter..................................................................................................... Sicherung des Nachlasses. Erbschaftsausschlagung. Nachlaßpflegschaft S. 138. — Nach­ laßverwaltung S. 147. — Jnventarsrist S. 151. — Testamentseröffnung S. 153. — Testamentsanfechtung S. 158. — Erbschein bei gesetzlicher Erbfolge. Einziehung und öffentlicher Glaube des Erbscheins S. 160. — Erbschein bei testamentarischer Erbfolge. Beschwerde S. 168. — Testamentsvollstreckerzeugnis S. 172. — Berliner Testament S. 175. — Vermittlung der Erbauseinandersetzung S. 180.

138

4. Kapitel. Beim Grundbuchrichter................................................................................................ Grundbuchblatt eines Vorortgrundstücks S. 191. — Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit S. 211. — Konstitutive und berichtigende Löschungen. Grundbuch und eheliches Güterrecht. Lebenslängliche Berechtigungen S. 215. — Parzellierung S. 226. — Eintragung einer Hypothek auf Grund Rangvorbehalts. Zwischenverfügung. Zwangshypothek S. 237. — Umwandlung einer Höchstbetrags­ hypothek in eine Grundschuld S. 244. — Rückverwandlung einer Eigentümergrund­ schuld in eine Hypothek. Tod des Vollmachtgebers S. 247. — Teilabtretung. Ord­ nungswidrig zustande gekommene Eintragungen S. 251. — Verzinsung nach dem Diskontsatz. Beschwerde. Antragsrücknahme. Rangvertauschung S. 256. — Auf­ lassungsvormerkung S. 261. — Sicherungsnießbrauch S. 267. — Aufwertung und Grundbuchbereinigung S. 269. — Pachtinventarregister S. 281.

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5. Kapitel. Beim Registerrichter.................................................................................................... Einzelfirma. Registerzwang. Prokura S. 284. — Zweigniederlassung. Umschreibung auf den Erben S. 293. — Kommanditgesellschaft S. 295. — Gläubiger-G.m.b.H. S. 299. — Sanierung einer A.G. durch Herabsetzung des Grundkapitals, verbunden mit Ausgabe neuer Aktien S. 310. — Liste des Genossen S. 317. — Eintragung eines Vereins ins Vereinsregister S. 323. — Ermächtigung zur Einberufung einer Mit­ gliederversammlung S. 328. — Entziehung der Schlüsselgewalt S. 330. — Binnen­ schiffsregister S. 332. — Geschmacksmustereintragung S. 338.

284

6. Kapitel. Beim AufgevotSrichter................................................................................................ Todeserklärung S. 343. — Kraftloserklärung von Vollmachten S. 346. — Kraftlos­ erklärung verzinslicher Jnhaberschuldverschreibungen S. 347. — Aufgebot eines Spar­ kassenbuchs S. 353. — Aufgebot der Nachlaßgläubiger S. 356.

343

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Inhaltsverzeichnis. Seite

Zweite Abteilung: Zivilprozeß. 7. Kapitel. Beim Prozetzrichter deS Amtsgerichts.................................................................... Güte- und Streitverfahren. Schiedsurteil. Haftung für Auskunft, Rat, Empfehlung S. 361. — Mahnverfahren. Sachlegitimation und Schuldenhaftung im gesetzlichen Güterstand S. 369. — Abzahlungssache. Versäumnisverfahren S. 376. — Streitige Mietsache. Schriftliche Entscheidung. Beweisbeschluß S. 382. — Eidesbeweis. Be­ weislast für Stundung S. 396. — Bedingtes Urteil in einer Unterhaltssache S. 402. — Scheckprozeß S. 414. — Arrestverfahren. Verarbeitung gestohlener Sachen S. 423. — In der Geschäftsstelle S. 434. 8. Kapitel. In der Zivilkammer..................................................................................................... Hypothekenurteil. Betrug beim Grundstückskauf S. 439. — Verlöbnissache. Fest­ stellungsklage. Armenrecht S. 446. — Einzelrichterverfahren. Notwendige Streit­ genossenschaft S. 452. — Gutachten in einer Jnterventionssache S. 459. — Mäkler­ prozeß. Zedent als Zeuge. Aussetzung nach § 148 ZPO. S. 469. — Vortrag in einer Unfallsache. Eisenbahn-, Kraftfahrzeug- und Kraftposthaftung. Vorabentschei­ dung über den Grund des Anspruchs S. 474. — Prozeßvergleich S. 489. — Einst­ weilige Verfügungssache wegen Patentverletzung S. 493. — Freigabe von Sicher­ heiten S. 497. 9. Kapitel. In der Kammer für Handelssachen........................................................................ Wechsel-Borbehaltsurteil S. 500. — Kaufmännische Warenklage. Urkunden im ge­ schäftlichen Verkehr. Unzuständigkeitseinrede S. 506. — Schadensersatz wegen Nicht­ erfüllung eines Sukzessivlieferungsvertrags S. 515. — Unterbrechung und Aus­ setzung. Erbenhaftung im Prozeß S. 538. — Vollstreckbarkeitserklärung eines Schieds­ spruchs S. 543. 10. Kapitel. In der Ehekammer..................................................................................................... Scheidungsklage und -widerklage. Mitschuldigerklärung S. 553. — Bösliche Ver­ ladung. Ehebruch und Zerrüttung. Eheanfechtung S. 566. — Kostenurteil nach Tod einer Partei S. 576. 11. Kapitel. In der BernfnngS- und Beschwerdekammer....................................................... Berufungsurteil in einem Pferdeprozeß S. 580. — Spiel-Darlehn. Berufung. Anschlußberufung S. 588. — Deliktsanspruch zwischen Arbeitnehmer und Arbeit­ geber. Gesetzlicher Forderungsübergang auf Versicherungsträger S. 595. — Gast­ wirtshaftung. Schaden eines Dritten. Klageänderung. Versäumnisverfahren in der Berufungsinstanz S. 600 — Beschwerdebeschluß. Zwangsvollstreckung aus einem Jmmissionenurteil S. 605.

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Dritte Abteilung: Zwangsvollstreckung und Konkurs. 12. Kapitel. Beim Gerichtsvollzieher..................... Pfändung für mehrere Gläubiger. Vollstreckung eines Herausgabeanspruchs. Voraus­ setzungen der Zwangsvollstreckung S. 611. — Sachen im Gewahrsam eines Dritten. Mindestgebot. Ergänzungspfändung S. 631. — Vollstreckung gegen eine Geschäfts­ frau S. 634. — Vollstreckung gegen einen Landwirt. Beschränkte Erbenhaftung in der Zwangsvollstreckung S. 636. — Vollstreckung eines Zug-um-Zug-Urteils. Wechsel­ pfändung S. 639. 18. Kapitel. Beim IwangSvollstreckungSrichter......................... Offenbarungseid S. 642. — Hypothekenpfändung S. 649. — Vollstreckung in Anteils- und Nacherbenrechte S. 656. — Hinterlegungsbeschluß S. 659. — Er­ innerung gegen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung S. 664. — Verteilungs­ verfahren S. 669. 14. Kapitel. Beim ZwangSversteigerungSrichter ............................................................................ Zwangsversteigerung eines Mühlengrundstücks S. 674. — Zwangsversteigerung gegen den nicht eingetragenen Erben S. 713. — Einstellung des Verfahrens nach Schluß der Versteigerung S. 715. — Versteigerung mehrerer Grundstücke. Gesamt­ hypothek S. 717. — Amortisationsraten- und Zinsrückstandshypothek. Pfändung von Eigentümergrundschulden. Aufrechnung des Erstehers S. 722. — Zwangs­ verwaltung eines städtischen Mietgrundstücks bei gleichzeitiger Zwangsversteigerung S. 731.

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15. Kapitel. Beim KonkurSrichter

.........................................................................................

743

Vergleichsverfahren S. 743. — Konkurseröffnung S. 759. — Erste Gläubiger­ versammlung S. 766. — Prüfungstermin S. 771. — Zwangsvergleich S. 782. — Schlußverfahren nach Zwangsvergleich S. 795. — Schlußrechnung und Schluß­ verzeichnis in einem Nachlaßkonkurs S. 797.

16. Kapitel. Beim Konkursverwalter

805

Bestellung und erste Maßnahmen S. 805. — Erfüllung der Verträge S. 807. — Feststellung der Teilungsmasse S. 814. — Konkursprozesse S. 826. — Verkauf des Geschäfts an die Ehefrau S. 830. — Ausschüttung der Masse S. 832.

Vierte Abteilung: Strafsachen

einschl. Schutzaufsicht und Fürsorgeerziehung. 17. Kapitel. Beim Staatsanwalt

839

Urheber- und Verlagsrechtsverletzung. Verweisung auf die Privatklage S. 839. — Ermittlungsverfahren wegen Wechselfälschung. Einstellungsverfügung. Gerichtliche Entscheidung S. 845. — Untreue- und Unterschlagungsfall (Schöffengerichtssache). Durchsuchung, Beschlagnahme, Postbeschlagnahme S. 859. — Strafkammeranklage wegen Tötung im Zweikampf S. 872. — Strafvollstreckung. Begnadigung und Strafaussetzung S. 875. — Strafregister S. 885.

18. Kapitel. Beim Untersuchungsrichter

891

Brandstiftungssache. Haftverfahren. Beobachtung des Geisteszustandes S. 891. — Voruntersuchung in einer bereits aufgeklärten Bankrottsache S. 908. — Unzulässiger Antrag auf Voruntersuchung S. 909.

19. Kapitel. Beim Einzelrichter für Strafsachen

911

Vorbereitung der Hauptverhandlung. Hausfriedensbruch, Bedrohung, Widerstand und ruhestörender Lärm S. 911. — Strafbefehlverfahren und Urteil wegen Jagd­ vergehens S. 915. — Verfahren nach polizeilicher Strafverfügung S. 922. — Privat­ klagesache wegen Beleidigung S. 927.

20. Kapitel. Beim Schöffenrichter

941

Eröffnungsverfahren. Versuchte Erpressung S. 941. — Schnellverfahren. Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Hehlerei S. 946. — Urteil in einer Beamtenbestechungs­ sache S. 953.

957

21. Kapitel. Beim Jugendrichter Schutzaufsicht S. 957. — Fürsorgeerziehung S. 959. — Jugendstrafsache S. 966.

977

22. Kapitel. In der Strafkammer Erstinstanzliche Hauptverhandlung wegen Rückfallbetrugs S. 977. — Berufungs­ verfahren. Siegel- und Arrestbuch, Vollstreckungsvereitelung und Pfandkehr S. 992. — Berufungsurteil in einer Pressebeleidigungssache S. 1001. — Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Abtreibungssache S. 1010.

23. Kapitel. Beim Schwurgericht

1020

Hauptverhandlung wegen Meineids (Erster Tag) S. 1020. — Zweiter Tag S. 1025.

23 A. Kapitel. Beim Kriegsgericht

1033

Anklage wegen Kameradendiebstahl, unerlaubter Entfernung und Zechprellerei S. 1033. — Hauptverhandlung S. 1038. — Freisprechung wegen Ausführung eines Befehls in Dienstsachen S. 1042.

Fünfte Abteilung: Arbeits-, Steuer- und Berwattuugssachen. Rechtsanwaltschaft,

Oberlandesgericht. 24. Kapitel. Beim Arbeitsgericht

1049

Urteil über Tarifansprüche S. 1049. — Kündigungsprozeß S. 1062. — Betriebs­ risiko S. 1073. — In der Rechtsantragstelle S. 1077.

25. Kapitel. Beim Finanzamt............................................................................................ Einkommensteuerveranlagung eines Krankenhausarztes mit Eigenpraxis und Haus­ besitz, Familienbesteuerung S. 1081. — Einspruchsentscheidung. Berichtigung von Veranlagungen. Besteuerung nach dem Verbrauch S. 1110. — Sicherungsverfahren.

1081

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Liquidationssteuer S. 1115. — Beitreibungsverfahren. Vereinbarungen über Steuer­ ansprüche S. 1119. — Unterwerfungsverfahren und Strafbescheid S. 1129. 26. Kapitel. Beim BezirkSverwaltungSgericht................................................................................ Erstinstanzliches Urteil in einer Staatsangehörigkeitssache. Feststellungsklage im Verwaltungsstreitverfahren. Enumerationsmethode S. 1143. — Erstinstanzliches Ver­ fahren wegen Zurücknahme einer Pfandleiherkonzession S. 1150. — Berufungs­ urteil in einer Kommunalabgabensache S. 1159. — Kostenfestsetzung. Verwaltungs­ zwangsverfahren S. 1163.

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27. Kapitel. Beim Rechtsanwalt.......................................................................................................... Maschinenlieferungsvertrag mit Nachbesserungsklausel. Mündliche Nebenabreden S. 1164. — Verschlechterung der Vermögenslage des Käufers S. 1172. — Rechte des Käufers bei Ankunft schwimmenden Gutes mit Mängeln. Beweissicherung. Streitverkündung S. 1176. — Tierhalterhaftung. Verjährung S. 1187. — Außer­ gerichtlicher Akkord. Besserungsschein S. 1193. — In der Sprechstunde S. 1196. — Bauhandwerkervormerkung S. 1209. — Schwarzkauf S. 1214. — Umschreibung der Vollstreckungsklausel S. 1220.

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28. Kapitel. Beim OberlandeSgericht Bericht S. 1225. — Gutachten 1238. — Urteil S. 1260. Anhang: Zur Technik der juristischen Arbeiten S. 1272.

1225

Nachträge und Berichtigungen. . .

1275

Sachregister .

1294

Gesetzesregister

1335

Dalcke, Dr. A., weil. Oberstaatsanwalt. Strafrecht und Strafprozeß. Eine Sammlung der wichtigsten das Straf­ recht und das Strafverfahren betr. Gesetze. Zum Handgebrauch für den Praktiker. Mit den Entscheidungen des Reichsgerichts. 28. neubearb. Aufl. von Oberstaatsanwalt Dr. E. Fuhrmann, Oberstaatsanwalt Dr. K. Krug und Oberlandesgerichtsrat Dr. K. Schäfer. Im Druck.

Franüe H., Amtsgerichtsrat. Das Ingendgerichtsgesetz vom 16. Februar 1923. 2. Auflage. 8°. 133 S. 1926. RM. 4.—.

} V°rweilde d. Anerbengerichts München.

Handkommentar zum Reichserbhofgesetz. 8°. vi, 194 S. 1935. In Leinen geb. RM. 5.—. Jmifttsche Wochenschrift 1935, Heft 86/37. Die Verfasser sind Männer, die sich seit dem Erscheinen des RErbhofG. mit seiner Anwendung praktisch zu befassen und dabei sichtlich schon große und vielgestaltige Erfahrungen gesammelt haben. So ist es kein Wunder, daß das Merkchen gerade die Bedürfnisse der Rechtspraxis in ganz besonderer Weise berücksichtigt. Es bringt den Text des RErbhofG. und den seiner reichsrechtlichen Aus- und DurchfBest. vollständig und außerdem eine Übersicht über die ergangenen landesrechtlichen Ausführungsvorschriften.

Ritter, Dr. Carl, Vizepräsident des Hanseat. Oberlandesgerichts. Kommentar zum Handelsgesetzbuch mit Ausschluß des Seerechts. 2. vollständig neubearbeitete Auflage. XII, 902 Seiten. RM. 28.—, in Ganzleinen geb. RM. 30.50.

Geh. in 4 Lieferungen

TeMralblatt für Handelsrecht 1932, Nr. 2: ... Wie es geschieht, ist geradezu meister» hast. Ebenso wie bei der erschöpfend wiedergegebenen Rechtsprechung ist der Kem der Meinung schlagwortartig in unübertrefflicher Kürze herausgeschält. Die Einteilung ist von beispielgebender Übersichtlichkeit. Die Formuliemngen, die gewählt werden, sind ungemein glücklich. Mit einer Wendung wird oft der Streitfall erleuchtet und geklärt. Mit gespanntemJnteresse sieht man dem Erscheinen der weiteren Teile entgegen.

Der das Aktienrecht umfassende Teil erscheint als ErgSnznngsband «ach Erlaß des neuen Aktiengesetzes.

Willenbücher, well. Oberlandesgerichtsrat.

Das Kostenfestsetzungsverfahren und die Deutsche Gebühren­ ordnung für RechtsanmAte nebst den landesgesetzlichen Vorschriften in Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen. Mit Erläut. 11., völlig neubearbeitete Aufl. von OLGR. Fischer und RA. Dr. W. Kraemer. Gr. 8°. 590 S. und 16 S- Tabellen. 1931. Geb. 21.-'-.

H. W. Müller, Berli«W8, München 2 RW Druck von vr. F. P. ®ottem & Cie., Freising-München.