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German Pages 472 [468] Year 1811
Leben und Thaten des scharfsinnigen Edlen
Don Quixote von la Mancha von
Miguel de Cervantes Saavedra übersetzt
Ludwig
T
Erster Band-
Berlin,
I 8 i o.
i e ck.
Vertrauen auf die gute Aufnahme und Ehre, die Ew. Excellenz allen Pro
dukten der Literatur erweist, als ein Fürst,
der geneigt ist, die schönen Künste zu be
günstigen, vorzüglich diejenigen edlen die stch nicht zum Dienste und Vortheile des Pöbels herabla^fen,
den
bin ich entschlossen
scharfstnnigen Edlen Don Quixote
von la Manch« an das Licht treten zu
lassen, unter dem
Schirme von
Excellenz ruhmvollen Nuhmen,
Ew.
der ich
mit der Ehrfurcht, die ich Ihrer Größe
schuldig bin, bitte, ihn in Ihrem Schat
ten aufzunehmen,
wenn ihm gleich die
schöne Zier der Eleganz und Gelehrsam
keit mangelt, die gewöhnlich die Werke zu bekleiden pslegt, die in den Häusern gelehrter Männer geschrieben
werden:
er wird dann auch dreist vor den Nicht
stuhl einiger zu erscheinen
wagen,
die
nicht in den Schranken ihrer lluwisten-
heit zurückgehalten,
mit vieler Strenge
und weniger Gerechtigkeit fremde Arbei
ten zu verdammen pflegen.
Wenden Erv.
Excellenz das Auge Ihres Geistes auf
meinen guten Willen, so werden diesel ben die Ergebenheit eines
so geringen
Dieners nicht verschmähen.
Miguel de Cervantes de Saavedra.
0O«MM>MP>’
Prolog.
yjiü ssiger Leser. — Ohne Schwur
magst
du mir glauben, daß ich wünsche, dieses Buch, das Kind meines Gehirns, wäre das schönste, lieblichste und verständigste, bad man fid) nur vorstellen kann.
Ich habe aber unmöglich
dem Gesetze der Natur zuwider handeln kön nen, daß jedes Wesen sein Ähnliches hervor bringt.
rer,
Was konnte also mein unfruchtba
ungebildeter Geist anders erzeugen als
die Geschichte eines dürren und welken Sohnes,
der wunderlich und voll seltsamer Gedanken
ist, die vorher noch Niemand beigefallen sind:
wie erzeugt sich's auch gut in einem Gefäng nisse, wo jede Unbequemlichkeit zu Hause ist,
und alles traurige Geräusch seine Wohnung hat? Nuhe, ein angenehmer Aufenthalt, die
Lieblichkeit der Gesilde,
die Heiterkeit des
Himmels, das Gemurmel der Quellen,
die»
die
un-
se
Begünstigungen
machen
selbst
fruchtbarsten Musen fruchtbar,
und theilen
der Welt Werke mit, die Bewunderung und
Frucht erregen.
Ein Vater hat wohl einen
häßlichen unliebenswürdigen Sohn, aber die
Liebe,
die
er zu
ihm trägt,
eine Binde um die Augen,
sie
allen
ihm
daß er seine
oder sie wohl für An
Fehler nicht sieht,
nehmlichkeit und
so
knüpft
geistreiche Züge hält und
seinen
Freunden
Scharfsinn anrechnct.
für
Witz
Ich aber,
und
wenn ich
auch der Vater scheine, bin nur der Gevat ter des Don Quixote und will nicht dem Strome der gewöhnlichen Sitte folgen, dich
nicht, geliebter Leser, wie wohl andre thun, mit Thränen in den Augen bitten,
daß du
die Fehler, die du an diesem Kinde wahr
nimmst,
vergeben
oder übersehen
mögest:
denn du bist ja weder fein Verwandter, noch sein Freund, du hast deine Seele für dich in
deinem Körper, so uneingeschränkten Willen,
daß einem das Herz im Leibe lacht, du bist in deinem Hause und darinn fo unumschränk
ter Herr, wie der König in seinen Domänen, und du weißt das Sprichwort recht gut zu
schätzen,
daß jeder in
dec Klügste ist.
seinen vier Psählen
Dies zusammengcnommen
IX
befreit und erlöst dich von jeder Achtung und
Verpflichtung,
und du kannst also von die
ser Geschichte sagen, waS dir gut dünkt, ohne
Furcht,
daß man dich für das Bose,
das
du sprichst, schelten, noch für das Gute, wel ches du von ihr redest, belohnen wird. Ich wollte dir diese Geschichte nackt und bloß überreichen, Prologs,
ohne den Schmuck eines
ohne die
herkömmlichen
nnzahliche Schaar der
Sonnette,
Epigramme und
Empfehlungsgedichte, die man vor den An
fang der Bücher zu setzen pflegt.
Denn ich
muß dir sagen, ob mir das Buch auözuarbeiten wohl einige Mühe kostete, ich doch die
für die größte halte, diese Vorrede zu machen,
die du jetzt liesest.
Ich habe ost die Feder
genommen, um zu schreiben, und sie eben so oft wieder hingeworfen, weil ich nicht wußte,
was
ich
schreiben
sollte:
indem
ich
nachdenkend bin, das Papier vor mir,
nun
die
Feder hinter dem rDhre, den Ellenbogen ai f dem Tische und die Hand au
der Mange,
wohl sinnend, was ich sagen solle, ü i£t ein
Freund von mir, der munter und verständig ist, herein, und wie er mich so schwermüthig
sieht, fragt er nach der Ursach; ich verheelte
sie ihm nicht,
sondern sagte,
wie ich auf
den Prolog sönne, den ich zur Geschichte des Don Quixote niachen wolle,
und daß mich
dies so anstrenge, daß ich ihn gar nicht ma chen und eben so wenig die Thaten dieses edlen Ritters an’ö Licht stellen wolle.
Soll
ich denn nun nicht darüber in Sorgen sein, der Haufen ge
was der alte Gesetzgeber,
nannt, sagen wird, wenn er nun sieht, wie nach
so
vielen Jahren,
Stillschweigen
habe,
einer
in
denen
und Vergessenheit
ich
im
geschlafen
ich nun nach so manchem Jahre mit
Lektür hervortrete,
trocken
wie eine
Binse, öhne Erfindung, mit schlechtem Stil, arm an Ideen und gänzlich ohne Gelehrsam
keit und Literatur,
ohne Bemerkungen
am
Rande und ohne Anmerkungen am Ende deö
Buchs, wie ich doch sehe, daß andre Bücher eingerichtet sind, auch fabelhafte und weltli che, die voller Sentenzen des Aristoteles, Pla
to und der ganzen Schaar
der Philosophen
stecken, worüber sich alsdann die Leser ver wundern und die Verfasser für belesene, ge
lehrte und
beredte Männer halten!
Wenn
sie dann aber gar die Heilige Schrift ziti-
rcn! Dann muß man sie vollends für Sankt
Xl Th am ässe oder andre Lehrer der Kirche hal ten, indem sie eine so treffliche Schicklichkeit
beobachten, daß sie in einer Zeile einen Ver liebten schildern und
in der folgenden eine
christliche Predigt galten, so daß es eine Lust
ist, cs zu Horen oder zu lesen.
mangelt meinem Buche,
Alles dieses
denn ich habe am
Rande nichts bemerkt und am Ende nichts
angemerkt, noch weniger weiß ich, welchem Autor ich folge, um sie, wie es alle machen,
vor dem Anfänge nach dem A B S zu ord
nen, und
indem sie beim Aristoteles
mit dem Tenophon
Zenlis endigen,
Anfängen,
und ZoyluS oder
wenn jener auch
ein Vcr-
laumder und dieser ein Mahler war.
Auch
wird eS meinem Buche vor dem Anfänge an
Sonnetten fehlen, wenigstens an solchen Sonnetten,
die Herzöge,
Marguesen,
Grafen,
Bischöfe, Damen und weltberühmte Poeten zu Verfassern haben.
Wenn ich freilich zwei
oder drei meiner vertrauten Freunde bäte, so
weiß
ich wohl,
daß ich Verse bekommen
könnte und zwar solche, daß ihnen jene nicht gleich kämen, die von den angesehensten Ver fassern in unserm Spanien Herruhren.
Kurz, mein liebster Freund, so fuhr ich
fort, ich bin entschlossen, daß der Herr Don Quixote in den Archiven von la Mancha be
graben bleibe, bis der Himmel ihn mit allen diesen Dingen schmückt,
die ihm jetzt rnans
geln, denn meine blnerfahrenheit und wenige
Wissenschaft machen mich unfähig, ihm alles dies zu verschaffen, auch weil ich von Natur zu furchtsam und £u träge bin, das in Au
toren aufzusuchen,
die das nehmliche sagen,
was ich ohne sie sagen kann.
Dies alles er«
zeuHt in mir jene Angst und tiefe SchwerMuth, in der Du mich gefunden hast:
und
das, was ich Dir so eben erzählt habe, ist dazu mehr als hinreichende Ursach. Als mein Freund dies hörte,
schlug er
stch vor die Stirn, brach in das lauteste Ge lächter aus, und sagte:
Bei Gott, erst jetzt
komme ich aus meinem Irrthum, in dem ich so lange gelebt habe,
seit ich Euch kenne,
indem ich Euch nehmlich nach allen Euren
Handlungen immer für einen vernünftigen
und verständigen Menschen Aber jetzt sehe ich,
gehalten habe.
daß Ihr eben so weit
davon entfernt seid, wie es der Himmel von
der Erde ist.
Wie ist es möglich, daß so geringfügige
Dinge, die so leicht zu machen find, stark ge nug sein sollen, einen so reifen Geist, wieder Eurige ist, zu binden und zu verwirren, dem
es ein Leichtes ist, durch weit größere Schwie rigkeiten zu brechen? Wahrlich, dies ist nicht Mangel
an
Geschicklichkeit,
überflüssige Trägheit. darüber führen?
weis
sondern
nur
Soll ich Euch den Be Nun
so
hört mir
aufmerksam zu und Ihr werdet sehn, ich, indem man eins Spanb umrvenbet,
wie alle
Eure Schwierigkeit hebe, allen Mangel, von dem Ihr sprecht,
ersetze,
der Euch so ver
wirrt und beängstigt, weshalb f^hr sogar der
Welt nicht Euren berühmten Don Quixote schenken wollt,
das Licht und den Spiegel
der ganzen irrenden Ritterschaft. Nun so sagt doch,
erwiederte ich,
wie
wollt Ihr die Leere meiner Furcht ausfüblen,
und das Chaos meiner Verwirrung in lichte Ordnung bringen ? Worauf er antwortete: Zuerst, was die
Sonnetten, Epigramme und Lobgedichte be trifft,
die vor Eurem Buche fehlen und die
von würdigen, angesehenen Leuten sein müs
sen, so macht sich dies bald, denn Ihr dürft
Euch nur selbst einige Muhe geben,
sie zu
schreiben und sie nachher taufen, und Nah men vorseheu, welche Ihr nur immer wollt, Ihr könnt ja gar den Priester Johann von
Indien,
oder
den Kaiser
von Trapezunt
adoptiren, von denen ich weiß, daß sie be Sind sie es nicht ge
rühmte Poeten find.
und
wesen
eS kömmt
oder Darralaurus, und
die
Wahrheit
irgend
ein Pedant
die Euch deshalb necken
bezweifeln wollen,
so
sollt Ihr das nur verachten, denn wenn sie
Euch selbst der Luge überfuhren können, so
dürfen pe Euch doch die Hand nicht abhauen, womit Ihr eS geschrieben habt. In Ansehung der Bucher und Autoren,
die Ihr auf dem Rande zitiren wollt, und
auS denen Ihr Sentenzen Euer Buch
und Phrasen in
ausgenommen habt,
dürft Ihr
nur einige Sentenzen und lateinische Brocken, die Ihr auswendig
wißt,
durch
einander
werfen, oder die Euch wenigstens nicht viele
Mühe machen, sie auszustichen, wie Zum Bei spiel, wenn Ihr von Freiheit oder Sklaverei
sprecht:
Non bene pro toto libertas venditur auro.
Gleich nennt Ihr ouf dem Nande den Horafind. oder wer es sonst gesagt hat. Sprecht
Ihr von der Macht des Todes,
so besinnt
Euch nur geschwinde auf das: Pallida mors aequo pulsat pede Pauperum tabernas, regumque turres. Sprecht Ihr von der Freundschaft und Liebe, die Gott auch gegen den Feinden befiehlt, fo
dürft Ihr nur gleich in die Heilige Schrift einbrechen,
ja Ihr könnt fo keck fein und
die göttlichen Worte selbst aufsiifyeen:
Ego aut em dico vobis diligite inimicos vestras.
Handelt Ihr von
schlechten
Gedanken,
dürft Ihr nur das Evangelium
De
corde
Kommt Ihr
exeunt
so
anführen;
cogitationes
malae.
auf die Unzuverlässigkeit
der
Freunde, so ist gleich Cato da, der Euch sein Distichon anbietet: Donec eris felix,
multos numerabis
amicos,
Tempora si, fuerint nubila solus eris.
Und mit diesen
und ähnlichen
Brocken
sie
halten
Euch schon
Lateinischen für
einen
Grammatiker, welches in unsern Tagen etwas
Ansehnliches und Treffliches ist.
Was aber
XVI
die 2snnierFnngen am (Snbe des Buches be trifft,
so dürst Ihr es nur ganz dreiste so
machen.
Nennt ihr irgend einen Niesen in
fairem Buche,
so fallt nur auf den Niesen
Goliat, und bloß mit diesem, der Euch doch so gut wie gar keine Unkosten macht, könnt Ihr schon eine große Anmerkung anösüllen,
denn Ihr dürst nur schreiben: Riefer Riesc Goliat oder Goliath war einPhi-
lister, " den der (3 d> äs er R an iel mit einem (5 teinrourf, im RI) ale Receb i ns tnS tü Mete, wie eS im Buche derKönigc erzählt wird, in demselben Ka
pitel, welches davon handelt. Damit Ihr Euch aber auch als Mann zeigen könnt,
einen
der in den weltlichen
Dingen und der CoSmographie bewandert ist, so dürst ihr eS nur so einrichken,
in
Eurem
Buche
einmahl
den
daß Ihr
Tagofluß
erwähnt, augenblickü könnt Ihr wieder eine herrliche Anmerkung niederschreiben: Dieser Fluß Dago führt seinen Nahmen von
einem Könige von Spanien, er ent springt da und da und ergießt sich hi den Orean,
indem er vorher die
Mauren der berühmten Stadt Lissa
bon
6 Dn
küßt,
Goldsand
auch meins man,
daß er
mit
u.
si ch
führe,
sw.
Sprecht Ihr von Räubern, so will ich Euch
schenken, die
gleich die Geschichte des CaruS
ich auswendig weiß.
Wenn liederliche Wei
ber vorkommen, so habt Ihr ja den Bischoff von
Mondonnedo,
LaiS
und
Floria
der Euch
liefert,
Lamia,
diö
deren Anführung
Euch in ziemliches Ansehn setzen wird.
Nennt
Ihr Grausame, so bietet Euch OvidiuS die
Medea an.
Nennt Ihr Zauberinnen, so Ijat
HomeruS die Calypso und Birgiliuö die Cir ce.
Sollen es tapfre Feldherrn sein, so giebt
Julius Cäsar Euch selbst in seinen Commenta rien, und Plutarch giebt Euch gleich tausend
Alexander.
Wollt Ihr von Liebe etwas ab-
handeln, so trefft Ihr,
wenn Ihr nur ein
Quentchen Italiänisch wißt,
auf
dem
Leo
HebräuS, der Euch ein ganzes Maaß vollzap fen wird.
Mögt Ihr Euch aber nicht nach
fremden Gegenden bemühen, so habt Ihr ja
den Fonsera von der Liebe GotteS zu Hause,
wo Ihr und der Scharssimiigste so viel über
diese Materie finden wird, als sein Herz nur wünscht.
Kurz, Ihr braucht nichts weiter zu
thun, als diese Nahmen zu nennen, oder diese
b
Geschichten, die ich so eben genannt habe, in die Eurigen/aufzunehmen, und dann laßt niich nur für die Bemerkungen und Anmerkungen sorgen, deim ich schwöre (Sud), daß ich den ganzen Rand vollschreiben und wohl vier Bogen am Ende des Buches verderben will. Jetzt bleibt uns nur noch die Citation der Autoren übrig, die man in andern Bü chern findet und die in den Eurigen fehlen. Diesem abzuhelfen giebt es ein sehr beguemeS Mittel, denn Ihr braucht nur eins von denen Buchern zu nehmen, in denen sie alle, wie Ihr sagt, von A bis 3 Zitirt sind. DaS nehmliche ABC könnt Ihr nun auch Eu rem Buche anheften: sieht man auch die Lu ge ganz deutlich, so thut Euch das nichts, da Ihr alle diese Autoren nicht braucht, und vielleicht ist doch einer oder der andre so einfältig, daß er glaubt, Ihr hättet sie wirklich alle bei Eurer einsacheu sehlichten Erzählung gebraucht. Überdies wird es Nie mand untersuchen, ob Ihr ihnen gefolgt seid, oder nicht, denn keiner kümmert sich darum Ihr habt aber gar, wenn Ihr die Sache genau nehmt, aller der Sachen nicht nöthig, die, wie Ihr sagt. Eurem Buche mangeln.
freun das ganze Buch ist gegen die Ritterbü
cher gerichtet,
die Aristoteles
nicht
kannte,
die der heilige Basilius nicht erwähnt
und
Cicero niemals ansührt; auch gehört in die
Erzählung erdichteter Narrheiten keine pünkt liche Wahrheit, oder Beobachtungen aus der
Astrologie;
auch
die Geometrischen Maasse
sind hier unnütz, so wie die Widerlegung fr er
Argumente, deren sich
die Rhetorik bedient;
auch soll, keinem eine Predigt gehalten
wer
den, indem das Weltliche mit freni Göttlichen
vermischt wird, eine Art Mischung, die kein
christlicherVerstaud billigen sollte. EuerHanptzweck ist das darzustellen,
was Ihr schrei
ben wollt, und je mehr Ihr das erreicht, je vorzüglicher wird Euer Buch sein,
Euch
auch
vorsetzt,
in Eurem Buche
da Ihr
nichts
weiter
als das Ansehn zu stürzen, in dem
bei der Welt und dem Hausen die Ritterbü
cher stehn, so gehn Euch auch die Sentenzen der Philosophen, die Ermahnungen der hei ligen Schrift, die Fabeln der Poeten,
die Fi
guren der Redner, die Wunder der Heiligen gar nichts an, sondern Euer Augenmerk ist,
Eure Erzählung
in
einem
einfachen,
aus,
drucksvollen, edlen unfr geziemenden Stil zu
b 2
XX
verfassen, daß Eure Perioden sich wohlklin gend und anständig fortbewegen, und daß
Ihr nach Eurer Absicht alles
deutlich
dar-
ftellt, ohne Eure Ideen durch Spitzfindigkeit
oder Dunkelheit zu verwirren.
Bewirkt, daß
beim Lesen Eures Buches der Melancholische zum Lachen bewegt, der Lacher noch aufgeräum ter werde, daß der Einfältige sich ergötze und
der Verständige
die
Ersiiidung
bewundre,
daß der Erliste sie nicht verwerfe und der
Klügere sie n’\d)t verachte.
Kurz, richtet es
in'S Werk, daß Ihr das schlecht gegründete
Ansehn dieser Ritterbücher zerstört, die von so vielen gehaßt und von noch mehreren ver
ehrt werden; gelingt Euch dies, so ist Euch
nichts Kleines gelungen.
Mit andächtigem Stillschweigen hörte ich den Rath meines Freundes zu und feine Ge
danken waren mir fo einleuchtend, daß ich sie alle, ohne mit ihm zu difputiren, billigte,
ja mir selbst vornahm, aus ihnen diesen Pro log zu bilden; in welchem du nun, freundlicher
Leser, seinen Verstand sindest, so wie inein Glück, daß ich ihn zu einer Zeit antraf, da mir guter Rath fo nöthig war, zugleich aber auch
eine Freude für dich entdeckst, indem dir nun
XXL
die aufrichtige und unverstellte Historie des be
rühmten Don Ouchote von
schenkt wird,
der
la Mancha ge
wie alle Einwohner auf
dem Gefilde Montiel behaupten, der keusche
ste Verliebte, so wie der tapferste Ritter ge
wesen ist,
den man wohl seit vielen Jahren
dort herum bemerkt hat.
Ich will dir den
Dienst nicht sehr hoch anrechnen, den ich dir damit erweise, daß ich dich mit einem so merk würdigen und ehrenvollen Ritter bekannt ma
che; aber das verlange ich von d/r, daß du mir für die Bekanntschaft feines Stallmeisters Sancho Pansa danken sollst, in welchem ich
alle
stallmeisterliche Lieblichkeit,
die in den
Schaaren der unnützen Ritterbücher zerstreut ist,
habe vereinigen
wollen.
Und
hiemit
beschütze dich Gott und vergiß mich nicht. Lebe wohl.
«ooo
er für sein Pferd
cn (stall und
kam daun zurück,
um
zu sehen was sein Gast
befähle, den indeß die Jungfrauen entwaffneten,
mit denen er
sich wieder versöhnt hatte.
Sie
lößten den Brust- und Nückenharnifch ab, konnten
es aber mit aller Arbeit nicht dahin bringen, die Kehle frei zu machen und den nachgeahmten Helm
abzunehmen, der mit grünen Bändern unter dem Halse sestgebunden war und
von
denen sie die
Knoten ohne Schnitt nicht aufzulösen vermochten.
Oarinn aber wollte er keineswegeö einwilligen, ec
blieb also den ganzen Abend in seinem Helme und stellte die unmuthigste, seltsamste Figur dar, die
man sich nur einbilden kann.
Er meinte,
daß
diejenigen, die ihn entwaffneten, vornehme Damen Und Gebieterinnen aus einem Schlaffe wären, und
fugte daher mit vielem Anstandes
?7ieii'.rtU ward ein edler 25ofe
So bedient iwn Oauien füfi,
73ie der große Don Quixote Atü er seine Heimath ließ»
Zarte Mädchen pflegten ihn,
Prinzesstn'n sein Rösseliu. O
Rozinante!
dies,
meine
Gebieterinnen
ist der Dtüine meines Pferdes, und ich heiße Don Quixote von la Mancha.
3rfj sollte mich nicht-
zu erkennen geben, bis meine Thathandlungen in Eurem Dienste mich kenntlich machten, aber diese
alte Romanze von Lanzarote, die stch aus meinen gegenwärtigen Zustand schickt, hat mich bewogen,
meinen Nahmen vor der Zeit zu nennen: aber es wird die Zeit kommen, wann Eure Hoheit mit
gebieten und ich gehorchen soll, wann die Tapfer,
keit meines Arms, den^Willen Euch dienstbar zu. fein, beurkunden wird.
Die Mädchen, die solcher
rhetorischen Figuren ungewohnt waren, antwor-
teten nicht daraus, sondern fragten ihn nur, ofr er nicht etwas zu essen begehre.
Wann ich etwaö-
zu genießen haben kann, antwortete Don Quixote;
denn so viel ich einsehe, bedars iis) dessen unge mein. zen
Es war gerade Freitag, und in der gan
Schenke
nichts
als etwas
Stockststh,
die Leute in dieser Gegend Föhr nannten.
den
Man.
fragte ihn also, ob er vielleicht beliebe, Forchen zu speisen, denn man könne ihm keinen andern
Fisch zu essen reichen.
Don Quixote, der an go*
reffen dachte, antwortete: Wenn ed viele Forellchen sind,
denn
so können sie eine Forelle vorstellen,
ed laust aus eins hinaus,
ob mir jemand
acht Realen einzeln giebt, oder ein einziges Cstüd? von Achten; es kann überdies wohl gut reffen, daß
es sich mit einem Forellchen verhält, wie mit einem jungen Kalbe, welches dem Rinde vorzuziehn, so wie auch das Zicklein zarter ist als der Dock : aber
es sei, was es wolle, so erscheine ed sogleich, denn die Beschwer und Waffenlast können nur durch Erquickung des Innern ertragen werden. — Sie
setzten also den Tisch, der Frische wegen, vor der
Thür der Schenke, und der Wirth führte ein Stück des schlecht geweichten und übel gekochten Stock
fisches auf, nebst einem Brodt, schwarz und schmu
tzig wie seine Waffen.
Ed war ungemein lächer,
lich ihn essen zu sehn, denn da ihn der Helm und das Distr hinderten, konnte er mit den Handen
nichts zu Munde führen, wenn es ihm nicht ein andrer gab und hinein steckte. bediente ihn auf diese Weise.
Eine der Damen Ihm aber zu trin
ken zu reichen war unmöglich, und wäre unmög lich geblieben,
wenn der Schenkwirth
nicht ein
Rohr ausgehöhlt, ihm das eine Ende in den Mund
gesteckt und durch das andere den Wein eingegos
sen hätte.
Dies alles ertrug er geduldig, um nicht
die Bänder seines Helmes zerschneiden zu lassen.
Indem
die Sachen so standen, geschahe es,
da); ein Schweinschneider in die Rähe der Schenke kain, und indem er stch näherte, vier oder fünf mal auf feiner Pfeife blies.
Dies bestätigte Don
Quijote völlig darinn, daß er sich in einem be*
rühmten Castell befinde, daß man ihn mit Musik
bediene, der Stockstfch Forelle fei, daö Brod feineSemmel,
die Huren Damen, und der Schenk-
Wirth Castellan des Castells; und somit hielt er den Anfang seines Auszugs für glücklich genug. Was ihn nur quälte war, daß er noch nicht zum
Ritter geschlagen, und er stch mithin nicht gesetz mäßig in
ein Abentheuer einlaffen dürfe, ohne
den Orden der Ritterschaft empfangen zu haben.
Drittes. Kapitel. Wird erzählt die zierliche Weise,, wie Don Quijote zum Ritter geschlagen wurde.
25on
magre
diesen Gedanken beunruhigt ließ er seine und
schlechte Abendmahlzeit nicht lange
währen; als er sie geendigt, rief er den Wirth, mit dem er sich im Stalle verschloß, sich vor ihm
auf die Knie niederließ
und
sprach:
Riemalen
werde ich mich von hier aufheben, tapferer Ritter,
bis Eure Gütigkeit mir eine Gabe bewilligt hat, um die ich stehe und die Euch zum Ruhme und der ganzen Menschheit zmä Ruhen
gereichen, wird.
24 Als der Wirth seinen Gast zu seinen Füßen sah und dergleichen Ne den vernahm, betrachtete er ihn
mit Verwunderung, ohne zu wissen, was er thun oder sagen solle.
Ec bat ihn,
daß er ausstehn
möchte, welches jener aber versagte, bis der Wirth
ihm die Gabe bewilligte, uni die er stehte.
Ich
erwartete von Eurer Großmüthigkeit nichts an ders, mein gnädiger Herr, antwortete Oon Qui jote, ich verkünde Euch also, daß die Gabe, um
die ich gesteht habe, und die mir Euer liebreicher Sinn
srüh
bewilligt,
darin
besteht,
daß Ihr mich
vor Tage zum Ritter schlagen mögt, und.
daß ich in dieser Nacht in dec Capelle EuceS Ca stells die Waffen bewachen dürfe; mit der Frühe
wird dann mein höchlichster Wunsch erfüllt, da mit ich, wie es sich gebührt, in alle vier Theile
der Welt ziehen könne, Abentheuer aufzüsuchen zum
Nutzen
der Hilfsbedürftigen, wie es
das
Amt der Ritterschaft und der irrenden Ritter ist, zu denen ich mich bekenne, und dessen Sinn zu solchen Thaten gerichtet ist.
Oer Wirth, der wie schon gesagt, ein Schelm
war, und wohl einigen Verdacht über die Ver
standesabwesenheit seines war jetzt völlig davon
Reden hörte.
Gastes
überzeugt,
haben mochte, da
er diese
Um stch für die Nacht eine Lust zu
machen, nahm er stch vor, seiner Laune zu fol
gen.
Er sagte also: daß er sehr gut das verstehe.
was
er wünsche und flehe, und daß dergleichen
Begehren sehr natürlich und schicklich für einen so trefflichen Ritter sei,
als er schiene und sein
heldenmürhiger An stand verkünde; er selbst habe
sich in seinen Jugendjahren einigen
ehrenvollen
Übungen ergeben, sey gleichfalls verschiedene Theile der Welt durchzogen, seine Abentheuer aufzusu
chen, sey in den Herbergen von Malaga bewan dert, in den Inseln von Riaran, in der Gegend von Sevilla, auf dem kleinen Markte von Ss-
govia, in dem Olivengarten von Valenzia, im-
gleichen auf dem ])sa£e von Grenada, am Ilser von San Lucar, unter den Rittern von Cordova, den Schenken von Toledo und andern verschie-
denen Gegenden, wo er die Gewandheit seiner
Füße iinfr die Geschicklichkeit seiner Hände sehen las sen, dort sey ihm vieler Unglim^s geglückt, dort habe er manche Wittwen gewonnen, einige Jungfrauen
berückt und wenige Unmündige betrogen; kurz er habe sich tausend Menschen und vielen vornehmen
GerichtShösen durch ganz Spanien bekanntgemacht; letzlich
aber habe
er
sich
entschloffen,
sich in
dieses sein Castell zurückzuziehn, wo er mit feinem Vermögen und fremden Haushalte, alle irrenden
Ritter ausnehme, von was Art und Stand sie autfy sein möchten,
und darum auch
aus großer Liebe zu ihnen,
seine Haabe mit ihnen theile,
um ihre guten Absichten zu belohnen.
Er fuhi;
fort, daß er in feinem Castelle keine Capelle habe,
wo man die Waffen bewachen könne, weil er sie
mebergeriffen, um eine neue aufzuführen, daß er aber wisse,
daß man die Wache im Falle
der
Roth an jedwedem Orte halteri dürfe, und daß
ei’ also in dieser 97acht Hofe des
Schlosses
das Wachen in einem
verrichten
könne;
mit der
Frühe wolle er unter Gottes Beistand die nöthi
gen Ceremonien so vornehmen, daß er ihm auf eine Weise den Ritterschlag geben wolle, wie ihn noch kein Stifter in der gangen Welt erhalten.
Er
fragte ihn ferner, ob er Geld mit stch führe? —
Don Quixote antwortete,
daß er keinen Heller
führe, weil er in den Gefchichtbüchern von fah renden Rittern niemals gelesen, daß irgend einer Geld
mit sich geführt habe.
Hierauf sagte der
Schenkwirt!), daß er sich irre, daß wenn es in -en Geschichtbüchern nicht stehe, eö den Autoren
geschienen, daß es nicht nöthig sey, von der Füh rung so unentbehrlicher Dinge zu schreiben, als Geld
und
reine Hemden waren,
daß
sie aber
darum niemals gezweifelt, ob die Ritter derglei
chen bei stch gehabt: es sei auch zuverläßig und ausgemacht, daß alle irrenden Ritter (von denen so viele Bücher angefüllt sind) auf den Fall der
Roth immer eine gute Börse bei stch hatten, in gleichen Hemden, wie auch eine kleine Büchse mit Salben, um die Wunden zu heilen, die ste em-
pfangen
möchten;
denn
in
den
Feldern und
Wüsten, wo sie kämpften ifnb die Wunden em pfingen , war nicht immer jemand, der sie heilte,
wenn sie nicht irgend einen weisen Zauberer zum Freunde hatten, der sogleich zu Hülfe eilte, und durch die Lust in einer Wolke eine Jungfrau oder einen
Zwerg
mit
einem
so
köstlichen Valsam
schickte, daß man nur einen Tropfen davon zu
kosten brauchte,
um von
allen
Schmerzen und
Wunden so völlig zu genesen, als wenn man gar
keine Unpäßlichkeit empfunden.
Diejenigen aber,
die dergleichen Freunde nicht hatten, bei diesen
wandernden Rittern ist es als eine gewisse Sache anzunehmen, daß ihre Edelknaben mit Geld und
andern Nothwendigkeiten versehn gewesen, wozu
besonders Scharpie und Salben zum Verbinden
gehören: wenn es aber geschah, daß diese Ritter
ohne Edelknaben
waren (welches
aber in
der
That nur sehr selten der Fall war), so hatten sie
selber alles in sehr subtilen Schnappsäcken, die sie hinten auf dem Pferde hatten, daß es aussah, als
wär' es ein ander Ding von Wichtigkeit, denn aus obigen Gründen war es unter den irrenden Rittern nicht sonderlich üblich, selber Schnappsäcke zu füh
ren.
Der Wirth rieth ihm noch einmal (da er ihn
schon wie seinen
angenommenen Sohn
ansähe,
welcher er auch binnen kurzem würde), daß er
nicht reisen solle, ohne Geld und die oorerwähn-
28
fen Nothwendigkeiten Bei sich zu haben» er würde sehen, von welchem Nutzen sie fein , wenn er es
am wenigsten gedächte. Oon Quixote versprach seinen Rath auf das
pünktlichste zu befolgen, und sogleich wurde auSgeniacht, daß er die 23 affen in einem Hofe be wachen
solle,
der zur (Seite
der Schenke
lag.
Oon Quixote nahm sie alle und legte sie auf einen Trog,
der neben
einem Brunnen
stand,
dann
nahm er seinen Schild, faßte die Lanze und sing
vor dem Troge an, mit edlem An stände auf und
abzugehn:
indem er diesen Spatziergang cm fing,
fing die Nacht an völlig hereinzubrechcn.
Oer Schenkwirth erzählte allen
die in der
Schenke waren, von der Thorheit seines Gastes, wie er die Sassen bewache und Hoffnung hege,
Lum Ritter geschlagen zu werden.
Alle verwun
derten sich über diese seltsame Art von Narrheit, und betrachteten ihn von
weitem, wie
er mit
friedlichen Geberden einmal vorüberging, zurück
schritt, stch auf die Lanze stützte und feine Augen auf die 23 affen heftete, ohne stch weit von ihnen zu entfernen.
Es war völlig Nacht, aber so Hel
ler Mondschein^ daß alles, was der neue Ritter vornahm, ganz deutlich von allen gesehn wurde.
Es stel einem von den Maulthiertreibern, die in der Schenke waren, ein, seinen Thieren Was
ser zu geben.
Er mußte dazu nothwendig Oon
29
Ouipotes 2Bafjren wegnehmen, die auf dein Troge stauben; ab et atü bi'efer ihn nahe kommen sah, rief er mit lauter Stimme: £) du, wer bu auch seist, übermüthiger Nitter, der du dich nahst, die Waffen des allertapfersten Irrenden anzurühren, den je ein Schwerdt umgürtete, stehe wohl zu, lvas du thust, berühre sie nicht, wenn du nicht dein Leben als Strafe deines Übermutheü vertie ren willst. — Oer Eseltreiber kümmerte stch um diese Neben nicht (aber für sein Wohlbestnden wäre eS bester gewesen, wenn er stch darum ge kümmert hatte), sondern nahm die Waffen herun ter und lvarf ste eine große Strecke weit von stch. Als Oon Quirote dieses erblickte, schlug er die Augen zum Himmel und richtete draus seine Gedanken wie es schien zu feiner Gebieterinn Ouleinea, und sprach: Helft mir, Gebieterinn, in dieser ersten Gefährdung, die stch dem Euch unterworfenen Herzen darbeut; entzieht mir nicht in diesem ersten Wtagestück Eure Gunst und Hülfe. Indem er dies und andre dergleichen Dinge sprach, warf er den Schild weg, faßte mit beiden Händen die Lanze und gab den Eseltreiber einen so gewal tigen Schlag auf den Kopf, mit welchem er ihn so behende auf den Loden hinlegte, daß, wenn noch
ein zweiter Schlag gefolgt wäre, jener keines Wundarztes zu seiner Heilung bedurft hätte.
Nachdem dies gethan war, sammelte er die Waffeu
aO wieder auf und fuig wieder an, mit derselben Ge müthsruhe,
auf und abzugehn.
wie erst,
Kurz
nachher, ohnezu wissen was sich Zugetragen (denn der erste Eseltreiber lag
noch
ohne Bewußtseyn
auf dein Boden), kam ein Andrer, in der nemlichen Absicht, seinen Maulthieren Wasser zu geben; er
machte Anstalt, die Waffen herab zu werfen, um
den Trog frei zu machen. ein Wort zu
sprechen
Oon Quixote, ohne
irgend jemand
und
um
seine Gunst zu stehen, warf zum zweitenmale den Schild weg, ergriff zum zweitenmale die Lanze,
und
ohne
zweiten
weitere
Umstande
Eseltreiber mehr als
schlug
dreimal
er
dem
auf den
Kopf, und eröffnete ihn an vier unterschiedlichen
Stellen.
Auf das Geschrei
Schenke
zusammen und
der Schenkwirth.
liefen alle aus der
unter diesen
war auch
Als Don Quixote sie sah, faßte
er seinen Schild, legte die Hand aus seinen Degen
und sprach: O Herrinn der Schönheit! Kraft und Starke meines schwachen Herzens! zu dieser Frist
wende die Augen deiner Größe auf deinen gefan
genen Nitter, dem ein furchtbares Abentheuer be vorsteht! — Hiedurch wurde, nach seinem Urtheil,
sein Gemüth so erfüllt, daß er nicht einen Fuß breit gewichen Ware, wenn ihn auch alle Eseltrei
ber in der Welt angegriffen hätten. Als die Geführten der Verwundeten derglei chen sahen, singen sie an nach Oon Quixote au»
der Ferne mit Ctcmcn zu werfen, wogegen er
fi'rfj soviel es ihm möglich war mit seinem Schilde
verwahrte, eS aber dabei nicht wagte, Den Trog zu verlassen, um seine Waffen nicht unbeschirmt zu lassen.
Oer Schenkwirth rief, um sie abz uh al
ten, dazwischen, er habe es ihnen vorher gesagt,
daß er narrisch sei, und daß ihn seine Narrheit frei sprechen würde, wenn er sie auch alle um
brächte.
Oon Quijote aber schrie noch lauter un
nannte sie alle Verräther und Nichtswürdige, der Herr des Eaffells aber sei ein seiger und schlecht
gearteter Ritter, weit er eS dulde, daß man also
gegen irrende Dufter verführe; sobald er den Or
den der Ritterschaft empfangen,
wolle er auch
über seine Vrrratherei mit ihm Rücksprache neh men ; — was aber Euch übrigen betrist, fuhr er
fort, so seid ihr gemeines Gesindel, auf welches ich gar nicht weiter achte, werft,
nähert Euch,
kommt heran und beleidigt mich, soviel ihr könnt,
ihr sollt den Lohn empfangen, der eurem Unsinn
und Aberwitz gebührt. so vieler Kühnheit,
Oiese Worte sprach er mit
daß alle die
von Furcht befallen wurden. die
Überredungen
des
ihn an griffen,
Hiedurch, und durch
Echenkwirths
bewogen,
hörten sie auf zu werfen, er aber erlaubte den Verwundeten sich wegzubegeben und kehrte dann
zur Bewachung seiner Waffen mit eben der Ruhe und Friedlichkeitzurück, mit welcher er sie begonnen.
Dem Scheukwirthe mißfielen die Possen seines Gastes, er beschloß also, sie abzukürzen und ihm lieber sogleich den fatalen Ritterorden zu ertheilen,
ehe noch mehr Unheil daraus erwüchse.
Er ging
also zu ihm und entschuldigte sich über die Belei digung einiger pöbelhaften Menschen, die sie ganz
ohne sein Mitwissen verübt, weshalb er sie auch gezicn'.lich ihres Ubermuthcs halber gestraft habe.
Er wiederhohlte, was er ihm schon gesagt hatte, daß er in seinem Eastelle keine Capelle habe, daß
sie aber zu dem, was noch zu thun, wenig von
nöthen sey;
alles was zur Feierlichkeit gehörig,
bestehe hauptsächlich im Nackenschlage Hand,
mit
der
und im Schulterschlage mit dem Degen,
so viel ihm von den Eeremonien deS Ordens mit-
wissend sei, und daß dies mitten aus dem Felde vollbracht werden könne; mehr als genug habe er in der Bewachung der Massen gethan, zu
z,wei Stunden hinreichend wären,
der
aus welche er
aber mehr als vier aufgewandt habe.
Don Qui
jote glaubte dies alles und antwortete,
daß er
sogleich bereit sei zu gehorchen und daß er alles so schnell als möglich
beendigen
möchte,
denn
wenn man ihn wieder an griffe und er schon zum bitter geschlagen sei, er keine Person im ganzen Castell lebendig zu lassen gedenke, diejenigen auSgenonimcn, die er ihm nennen würde, und die er
aus Achtung gegen ihn verschonen wolle.
Dieser
Dieser kluge und vorsorgliche Eastellan nahm
sogleich ein Buch, in welchem er seinen Häcksel und die Gerste für die Eseltreiber anschrieb, und ging so
und mit einem Jungen,
der ein Endchen Licht
trug, und mit den beiden oben genannten Jung frauen zu Don Quijote hin.
Diesem gebot er,
stch auf die Kniee nieder zu lassen, und indem er in seinem Manuale las (als wenn er ein andäch tiges Gebet hersagte), erhub er unter dem Lesen
die Hand und gab ihm einen guten Schlag an den Hals,
hierauf einen zierlichen Nückenfchlag
mit seinem eigenen Schwerdte,
indem er immer
zwischen den Zähnen murmelte, als wenn er et was hersagte.
Dann befahl er der einen Dame,
ihm das Schwerdt umzugürten, die es auch mit
vieler Artigkeit und ziemlichem Anstande that, ob sie gleich große Mühe hatte, bei diesen Eeremonien nicht in ihr erstes Lachen wieder zu verfal
len;
doch hielten die Tapferkeiten,
die sie den
neuen Nil ter verüben gesehn, die Lachlust in ihre
Schranken zurück.
Indem sie ihm das Schwerdt
umgürtete, sprach die wackre Dame: Gott mache Eure Gnaden zu einem
glücklichen
gebe Euch glückliche Kämpfe.
dritter und
Don Quijote fragte
nach ihrem Gramen, um zu wissen, wem er für die empfangene Vergünstigung verbindlich, weil
er gesonnen, ihr einen Theil der Ehre, die ihm die Tapferkeit seines Arms erwerben würde, abDon Quijote. I.
E
J4
zutreten. man
Cie antwortete mit vieler Demuth, daß
e Tolosa nenne, sie sei die Tochter eine-
Pfand - Lehnerü
zu
Toledo
gebürtig,
den Bleichen von Eanchobienaya daß sie ihm in allen, nen, und
worin
jetzt aus
ansäßig, und
er befehlen,
ihn für ihren Herrn
die
erkennen wolle.
Don Quixote antwortete, daß sie sich aus Liebe zu ihm künftig Fräulein möge nennen lassen, und
das Lehn vor ihrem Nahmen setzen, mithin sich
also Lehnsräulein zu Tolosa nennen
solle.
Sie
versprach eö ihm, und die andre befestigte ihm die Sporen, mit der dasselbe Gespräch, wie mit
der Schwerdt-Oame begann. Er fragte nach ihrem Nahmen, und sie sagte, daß man sie die Müllerinn
nenne, denn ihr Vater sey ein angesehener Müller zu Antequera.
Don Quixote bat sie gleichfalls,
daü Don vorzusetzen, und sich Donna Müllerinn zu nennen, indem er ihr Dienste und Dankbar
keit anbot. schnell und eilig diese unerhörten
Nachdem Ceremonien
beendigt
waren,
konnte Don Qui
xote die Zeit nicht mehr erwarten, sich auf dem
Pferde zu sehn, um auszuziehn und Abentheuer
aufzusuchen. stieg
ihn
er ihm so
Er lief sogleich zum Nozinante, be und
umarmte
seinen Wirth,
wunderliche Dinge sagte,
indem
und seine
Verbindlichkeit, daß er von ihm zum [Ritter ge
schlagen, so erhöhte, daß es stch nicht wiederholen
und
erzählen
Oer Schenkwirts), um
läßt.
ihn
nur bald aus seiner Schenke zu wissen, antwor tete eben so rhetorisch, aber kürzer, und ließ ihn,
ohne seine Zehrung zu verlangen, auf gut Glück fortziehn.
Viertes Was
Kapitel.
unserm butter begegnete, als er die Schenke derlieft.
Mt Tagesanbruch
verließ Don Quijote
die
Schenke, so zufrieden, vergtiügt und hoch erfreut,
sich als Diitter zu sehn, daß er fast vor Entzücken
seines Pferdes zerriß.
den Sattelgurt
Er erin
nerte sich aber des Raths seines Wirthes, in An sehung
mit
der nothwendigen
sich
Hemden,
führen und
solle,
beschloß
Erfordernisse, die er vorzüglich
Geld
und
also nach Hause zurück
zu gehn, um sich Zugleich mit einem Edelknaben
zu versorgen, wozu er einen Bauer, seinen Rach-
bar, bestimmte, der arm war und Kinder hatte,
ihm aber zum Dienste eines Edelknaben der Rit terschaft vorzüglich tauglich schien. Mit diesen Vorstellungen lenkte er den Ro-
zinante nach der Gegend seines Dorfes zu, der,
sls wenn er diese Abstcht verstünde, mit solcher C 2
Bereitwilligkeit zu laufen anfing, daß es schien,
als wenn seine Leine den Loden nicht berührten. Er war noch nicht weit geritten, als es ihm vor
kam,
wenn
als
rechts aus einem Gebüsche die
schwache Stimme einer Person ertöne, die Klagen
führe.
Kaum
hatte
er fie
vernomnien, als
ec
sprach: Ich danke dem Himmel für die Gnade, die er mir wiederfahren
läßt,
indem er mir so
schnell Gelegenheiten vorführt, die Pflichten mei nes Standes zu erfüllen,
und die Früchte mei
nes edlen Entschlusses einzusammeln; ohne Zwei
fel rühren diese Klagen von einem Genothdrängten
oder einer Icothgeängsteten her, die meiner
Liebe und Hülfe benöthigt find. —
Er lenkte zu
gleich deü Zügel und ritt mit dem Nozinanre da
hin, woher ihm die Stimme zu konimen schien.
Als er im Gebüsche nur wenige Schritte gemacht hatte,
sah
an einem
er
eine
Stute
an
einer
Eiche,
andern Eichbaume aber einen Jun
gen gebunden, der von den Schultern bis zu den Hüften nackt war, ohngefähr fünfzehn Jahr alt
sein mochte und eben derjenige war, der Klagen geführt hatte, und das nicht ohne Grund, denn
ein Dauer von starkem Ansehn gab ihm mit einem ledernen Riemen häufige Streiche und begleitete
jeden Streich mit einer Warnung und einem Ra the, indem er sagte r Oie Zunge laß still bleiben, aber die Augen müssen munter sein.
Oer Junge
antwortete:
Ich will cd nicht wieder thun, lie
ber Herr, um Gottes Barmherzigkeit, ich will es nicht wieder thun, ich verspreche, künftig auf das
Vieh mehr Acht zu geben.
Als Don Quiz-ote sah was vorging, rief ec mit
erhabener
(stimme:
Ungezogner
Ritter!
schlecht geziemt es sich, diejenigen zu bekämpfen die sich nicht vertheidigen können; besteigt schnell
Euer Roß und ergreift Eure Lanze (denn für eine
Lanze sah er daö an, was er an der Eiche ge< lohnt fand, an der die Stute festgebunden toür)>
damit ich Euch zeige daß es Schändlichkeit sei, also zu verfahren. — Oer Bauer, der diese ganz gehar
nischte Gestalt über sich erblickte, die ihm mit der
Lanze vor dem Gesichte focht, hielt sich schon für todt und antwortete mit bittender Stimme: Herr
Ritter, der Junge, den ich da abstrafe, ist mein Knecht, der eine Heerde Schafe hüten soll, die
ich hier in der Gegend halte; aber er ist so un
achtsam, daß mir jeden Tag ein Stück fehlt, und darum bestrafe ich seine Unachtsamkeit und Bos denn er sagt, ich thue es aus Geiz, um
heit,
ihm den Lohn nicht zu bezahlen,
schuldig bin, aber bei Gott und
den ich ihm
meiner Seele, er
lügt es. Lügen!
Bube?
in meiner Gegenwart, du gemeiner
ries Oon Quipote aus, bei der Sonne,
die uns bescheint, ich renne dich durch und durch
mit dieser Lanze, wenn du ihm nicht ohne Wider spruch bezahlst, oder bei dem Gotte, der unS schirmt und schützt, ich vernichte dich augenblicklich; sogleich binde ihn los! Oer Bauer hing den Kopf, und band, ohne ein Wort zu sagen, seinen Knecht IoDiesen fragte Don Quirote, wie viel sein Herr ihni schul dig sei, worauf dieser antwortete: Neun Wonate, und jeden Rkonat sieben Realen. Don Ouizwte rechnete eö zusammen und fand daß die Summe drei und sechzig Realen betrug, er befahl hierauf dem Bauer, sie sogleich auszuzahlen, falls ec nicht umkommen wolle; der erschrockne Bauer ant wortete, so gewiße er da stehe und geschworen habe (ob ec gleich gar nicht geschlvoren halte), es betrage nicht so viel, denn man müsse die Kosten von drei Paar Schuhen abrechnen, die er ihm gegeben, eben so einen Real für zwei Ader kasse, die er ausgelegt habe, als er unpaß gewe sen. Dein niag also sein, antwortete Don Ouifote, aber was die Schuhe und die Aderlässe be trifft, so magst du ste für die Streiche abrechnen, die du ihm unverschuldet gegeben hast; hat er das Leder deiner von dir bezahlten Schuh zerrissen, so hast du dafür dasjenige seines Körpers zerris sen; hat der Barbier ihni Blut abgezapft, da er krank war, so hast du es ihni in seiner Gesundheit abgezapft; dafür ist er dir also nichts schuldig.
3iJ
OaS Unglück, Herr Ritter, ist nur, daß ich
kein Geld bei mir habe, tpifl aber Andres nur mit mir nach Hause kommen, so ivill ich ihm einen
Real auf dem andern bezahlen. R?it ihm
gehn!
rief der Junge,
schönen
Dank; nein, mein Herr, daran ist nicht zu den ken, denn wenn er mich allein hatte, so wurde
er mich schinden wie einen Sanrt Bartholomäus.
Furchte
nichts,
antwortete
Don
Quipote,
genug, daß ich cs ihm bei seiner Ehrfurcht gegen mich gebiete, er soll mir bei dem Orden der Rit-
terschast, den er empfangen, schwören, dich srei
zu lassen und den Lohn gewiß zu bezahlen. Seht wohl
zu,
gnädiger Herr, was Ihr
sprecht, antwortete der Bursche, denn mein Herr ist kein Ritter,
und hat auch gar keinen Orden
der Ritterschaft empfangen,
denn
er ist ja der
reiche Hans Oickbauch, der Rachbar von Quin
ta na r. Das hindert wenig, antwortete Don Quipote,
auch Oickbäuche können Ritter sein, um so mehr, da jedermann der Sohn seiner thaten ist.
Das ist wahr, jagte Andres, aber Dun was für Thaten ist mein Herr
ein
Sohn,
der
mir
meinen Lohn, meinen sauer verdienten Schweiß verweigert?
Ich verweigre dir ihn nicht, Freund Andres, antwortete der Bauer, und wenn du nur mit mir
4° kommen willst, so schwör ich dir bei allen Orden
der Ritterschaft in der Welt, ich will dir bezah len wie ich gesagt habe, einen Real auf den an dern, und obenein (unter blank geschliffene.
Auf die Gefchliffcnheir bestehe ich nicht, sagte Don Ouirote, wenn Ihr ihm nur Realen gebt,
so bin ich
damit zufrieden;
trachtet aber,
daß
Ihr es vollsührt, wie 3s;r geschworen habt, sonst schwöre ich bei dem
nehmlichen
Eide,
das;
ich
Euch wieder aufsuche und züchtige, und das ich
und
Euch wiederstnden werde,
wenn Ihr Euch
auch bester als eine Eidechse verbergen
könntet.
Wenn ihr aber wissen wollt, wer Euch dies ge beut, um desto mehr Grund zu haben Euer Ver
sprechen zu vollführen, so erfahrt:
Ich bin der
tapfere Don Quixote von la Mancha, der Ver nichter jeglicher Ungebühr und Beschwer und so
mit Gott befohlen: vergiß nicht, was du verspro chen und geschworen, bei Strafe der angekündig-
ten (Strafe. Mit diesen Worten gab er seinem Rozinante
die Sporen und verließ sie.
Oer Bauer folgte
ihm mit den Augen, und da er bemerkte, daß er das Gehölz verlassen und nicht mehr zu ersehen
war, wandte er stch zu
seinem Knechte Andres
und sagte: Run komm, mein Sohn, daß ich dir bezahle was ich dir schuldig bin, wie es mir der
Dernichter
aller
Ungebühr
geboten
hat.
Ich
4*
schwöre Euch, sagte Andres, thut Ihr nicht, was der gnädige Herr, der wackre Sutter Euch bejoh-
len hat (der tausend Jahre leben möge) und der
eben
so
tapfer als verständig ist,
beim Csanct
NochuS schwör ich Euch, bezahlt Ihr nicht, so such' ich ihn wieder ans, damit er das thut, was
Ich schwöre dir ebenfalls, sagte
er gesagt hat der Dauer,
daß ich für das Gute,
das ich dir
Wunsche, noch die Echuld zu vergrößern Wunsche, um die Bezahlung zu vergrößern.
Er nahm ihn
zugleich beim Arm und band ihn wieder an die
Eiche, worauf er ihm so viele Hiebe gab, daß er ihn halb todt schlug.
Sinn Freund Andres, sagte
er dabei, ruft doch nun t>en Vernichter jeglicher Ungebühr,
und
seht,
wie er diese
vernichten
wird, ich glaube Euch geschieht noch nicht genug;
denn ich habe fast Lust, Euch das Fell abzuzieh??. wie Ihr sagtet.
Endlich band er ihn doch foj,
und gab ihm die Erlaubniß, seinen Nichter auf
zusuchen,
strecken.
um
daS gesprochene Urtheil zu
voll
Andres ging erbost hinweg und schwur,
sogleich den tapfern Don Quixote von la Mancha aufzusuchen, ihm alles, was vorgefallen fei, aufs
genaueste zu erzählen, um stch alles siebenfach be zahlen zu lassen.
Aber er ging dennoch weinend
fort und sein Herr lachte. Also vernichtete der tapfre Don Quixote die Ungebühr und war über diesen glücklichen En'olg
Ungemein vergnügt, er glaubte feine Ritterschaft auf die schönste und edelste Weise nngetreten zu
haben, und indem er mit großer Selbstzufrieden heit den Weg nach feinem Dorfe sortsetzre, sagte rr mit halblauter Stiw.me: Ösiid’sid) kannst du dich vor allen preisen , die auf der chrde leben, o
du, vor allen Schönen schönste Dulrinea von Xobofo, da dir unternwrfen und gän stich zu Ge bote ist ein so tapfrer und überaus berühmter Ritter, wie ist und seist, wird Don Dnirote von la Mascha, der, wie i)ie QBest lveiß, den Ritteror den erst empfangen, und schon das schwerste Un recht und Ungebühr gemildert hat, -das jemals die Unvernunft ersann und die Grausamkeit auüübte! Ich schlug die Geißel aus der Hand die ses unmenschlichen Feindes, der ganz ohne llrsach den zarten Knaben zerfleischte.
Unser diesen Betrachtungen kam er auf eine Stelle, wo stch der Weg in vier andre theilte, und sogleich stelon ihm die Kreuzwege ins Ge dächtniß, an denen die irrenden Ritter still hiel ten, um zu überlegen, welche Straße sie nehmen sollten; in Nachahmung ihrer, hielt er gedan kenvoll still, und nachdem er genug, geson nen , ließ er dem Rozinante den Zügel, um dem Willen seines Gaules feinen eigenen zu unterwer fen , der auch feiner vorigen Absicht folgte, sich nehmlich nach seinem Stalle zu begeben. Als
Don Quixote
ohngefähr zwei
Nl-.'isen
geritten
war, crbliiEtc er eine Anzahl Menschen, die, wie sich nachher auswies, Kausieute ans Toledo wa ren, die nach Murzia gingen, uni Seide einzu Es waren sechs 32idnncr, die mit Son
kaufen.
nenschirmen reiften, ihnen folgten vier Bediente,
ebenfalls beritten, und drei Burschen |u Fuß für
die Maulesel. entdeckt,
Kaum hielt
so
neues Abentheuer.
hatte
er dies
Er
sie Don Quixote
auch
schon
besirebte
sich,
für
ein
sv
viel
ihm möglich, alle Denkwürdigkeiten, die er in fei nen Büchern gelesen, nachzuahmen, und endlich
traf
lich
er
auf
ein Ding,
angebracht schien.
das
ihm
hier schick
Er setzte sich also mit
edlem und kühnen Anstande in den Steigbügeln hielt
fest,
die Lanze bereit,
bedeckte mit dem
Schilde die Brust und lagerte sich dann in der
Mitte
des Weges,
weil er glaubte,
daß dort
die irrenden Ritter vorbeikommen müßten, denn daß sie dergleichen sein müßten, zweifelte er nicht.
Als sie so nahe gekommen, daß sie ihn sehn und
hören konnten, erhub Don Quixote die Stimme und sprach mit kecker Eeberde: alle Welt sei hier angehalten, wenn nicht alle Welt bekennt, daß
in aller Welt keine schönere Dame lebe, als die Kaiserinn von la Mancha ist, die unvergleichbare
Oulrinea von Tobpso.
Oie Kausieute hielten still nm die Worte zu
44 hören und die seltsame Gestalt zu beschauen, die
sie her fugte, und au 6 Dieser Gestalt und den 2i3on
ten merkten sie sogleich Die Rarrheit Dessen, dem bei Des angehörte
Sie wollten aber gern erfah
ren, warum ihnen Dergleichen
fordert werde,
estanDniß abge-
und einer von ihnen,
Der
gern
spottete und dabei wchig war, sag.-e: HerrRitter, wir alle kennen Die g^te Oame nicht, von Der ihr sprecht, zeigt sie
uns, und
ist sie so schön wie
Ihr behauptet, so wollen wir sreitvillig unD ohne
allen Zwang Die Wahrheit bekennen, die Ihr von
unü fordert.
Oon Ouipote, was hättet ihr dann gethan, eine so 213enii ich sie Euch
zeigte,
bekannte Wahrheit zu gestehn?
antwortete
Es ist von Nö
then, Das; Ihr es ohne zu sehn glaubt, gesteht,
behauptet, beschwört und Dafür kämpft; wo nicht,
so beginnt Der Streit, ungezognes und stolzes Volk, einen nach Dein unDcrn will ich bestrafen, wie es sich nach Den NittergeseHen ziemt,
oder
Euch alle zugleich bekämpfen, wie es Sitte und übler Gebrauch unter Gesindel von Eurem Gelich
ter ist,
als wofür ich Euch halte und erkenne,
indem ich der guten Sache vertraue, Die auf mei
ner Seite ist.
Herr Ritter,
antwortete Der Kaufmann, ich
flehe Euch im Rahmen aller Dieser Prinzen, wel ches wir stnD, daß Ihr unser Gewissen nicht be-
schweren mögt, und uns eine Sache, die wir nie sahen, nie hörten, bekennen laut, die so sehr zum
Nachtheil aller Kaiserinnen und Königinnen Dom
platten Land und GfirimaiDura aus fallen dürste; aber Euer (Gnaden sei nur von der Güte, uns ein
Dildniß
dieser J." ante zu zeigen,
tuiire es auch
nur so g oß als ein Waizenborn, denn wenn man dem Faden
nachgeht,
so
slndet man auch den
Knäuel, und damit woll n wir uns dann zufrie den stellen,
und auch Euch Genüge leisten; ich
glaube selbst, daß wir alle schon für sie st'nd, und
wenn man auch aus dem Dädniße sahe, daß das
eine Auge schief sei,
und
ihr aus dem andern
3iniipber und Schweself!ein triefe, so wollen wir
demungeachtet, um Euch gefällig zu sein, alles zu ihrem Gunsten sagen, was Ihr nur verlangen
werdet. ,
Juchts fließt l niederträchtige Bestie, rief Don
Quijote im Zorne en bräunt,
nichts fließt, sag'
ich dir, was du behauptest,
außer Ambra und
Z beth
zlvischen
Seiden,
nichts ist schief,
oder
tucktich, sondern sie ist gerader als eine Spindel von Guadarrama; aber Ihr sollt die schreckliche
Lästerung
bezahlen,
die Ihr gegen
die große
Schönheit meiner Dame ausgestoßen habt.
Mit diesen Worten legte er die Lanze gegen
den, der gesprochen hatte, ein, und rannte mir
solcher Wildheit und Wuth auf ihn zu, daß wenn
46
es sich nicht so glücklich getroffen hätte, daß Rozinante mitten im Wege gestolpert uni) gefallen
wäre,
es wohl dem
übermüthigen Kaufmanns
übel ergangen fein möchte. rollte feinen Herrn
hinein.
Nozinante stürzte und
eine gute Strecke ins Feld
Dieser gab sich Mühe aufzustehn, aber er
vermochte es nicht, so hinderte ihn die Lanze, der Schild, die Sporen, der Helm und daü Gewicht
der alten Rüstung.
Indem er sich bestrebte auf
zustehn, und es doch nicht konnte, rief er: Flieht nicht, feiges
Gesindel,
elendes
Gesindel!
ver
nehmt, daß ich nicht durch meine Schuld, sondern
durch Schuld meines Pferdes hier liege.
Als einer
von den Maulthierjungen, der nicht sonderlich auf
geräumt war, den armen Umjefnllnen diese Schmä hungen sagen hörte, konnte er dies nicht leiden,
ohne ihm eine Antwort auf die Schultern zu geben. Er ging hin zu ihm, nahm feine Lanze, zerbrach sie in mehrere Stücke und mit dem einen davon sing
er an, unserm Don Ducote so viele Schläge zu
geben, daß er ihn unter der Last und dem Drucke
feiner Waffen wie Getreide mahlte.
Seine Her
ren riefen ihm zu, daß es genug fei und er ihm lassen möchte, aber der Junge war einmal erbit tert, und wollte das Spiel nicht verlassen, ohne alle feine Forcen
also auch
die
rein
übrigen
auszufpieten, Stücke
er nahm
Der Lanze und
zerschlug sie alle auf den elenden Niedergestürzten,
der während des UngewitterS von Schlägen, das auf ihn nieuerficl, nicht das Maul hielt, sondern
dem Himmel, der Erde, und den Straßenräubern drohte, wofür er sie hielt. Oer Junge wurde inüde und
die Kaufleute
setzten ihren Weg fort und halten noch viel von
Als dieser
dem armen' Geprügelten zu sprechen.
sich allein sah, versuchte er es von neuem, sich
aufzuheben; aber da es ihm unmöglich siel, als
er gesund und wacker war, wie konnte er es jetzt,
so zermahlen und zerprügelt ausrichten?
Dabei
aber pries er sich doch glücklich, denn er hielt dies für ein Unglück,
das
nur den irrenden 5'cittern
eigenthümlich sei, wobei er alle Schuld auf sein Er konnte sich aber durchaus nicht
Pferd schob.
aufheben, denn er war am ganzen Körper zer schlagen.
Fünftes
Kapitel.
Fährt fert von item Unfälle unsers Inders zu erzählen.
Da
er sich
nun
gar
nicht
konnte,
bewegen
so versiel er endlich auf sein gewöhnliches Mit tel,
nehmlich
Büchern zu
eine
an irgend eine Stelle denken.
vom Balduin
Sein
Zorn
in
brachte
ins Gedächtniß,
und
seinen ihm
vorn
48
Markese von Mantua, als Earlok den Balduin Diese Geschichte ken
verwundet im Gebirge ließ.
nen die Kinder, die Jugend weiß sie, die Alten rühmen und glauben sie, und sie ist auch außer
dem so wahrhaftig, als die Wunderwerke Mahomets
Dieser Umstand schien
find.
es
ihm
auf
seine Lage am meisten passend zu sein, er walzte sich daher mit deni Ausdrucke eines großen Schmer
zes auf der Erde herum, und sagte mit schwacher Stimme alles
was
der
verwundete Ritter im
Walde sagt: Wie kömmt es doch, Gebiet'rinn mein
Daß dich mein Leid nicht schmerzt?
Du magst wohl ohne Kunde sein, O'r hast die Treu verscherzt.
So
fuhr
er in
der Romanze bis zu den Ver
sen fort: O du Marques von Mantua fein. Mein Ohm, verwandtes Herz?
Es traf sich, daß bei diesen Versen ein Dauer aus seinem Dorfe und
fein
Rachbar,
vorüber
ging, der einen Sack Korn zur Mühle gebracht
hatte.
Als dieser einen Maiin auf dem Doden
lieg n sah, ging er zu ihm hin, und fragte ihn, wer er sei und was überaus betrübt
ihm
anstelle.
fehle, daß er sich so
Don Quirote glaubte
fest, daß dieser der Marques von Mantua, sein Ohm sei, und antwortete also nichts weiteres, als
daß
49 daß er in der Romanze fortfuhr, in der er fein Unglück und die Liebe des Kaiserssohns zu feinem Gemahl oortrug, ganz so, wie es die Ro manze besingt Oer Lauer stand verwundert da, als er dergleichen Unsinn hörte; er machte das Distr los, das von den Schlagen in Stücke ge gangen war, und reinigte ihm dann das Gesicht, das voll Staub lag. Er hatte ihn kaum ge säubert, als er ihn erkannte und ausrief: Ei Herr Qinxada! (dies war also sein Rahme, als er bei Verstände war, und stch aus einem fried liebenden Edelmanne noch nicht in einen irrenden Ritter verwandelt hatte) wer hat Euer Gnaden denn so zugerichtet? — Jener aber fuhr immer fort, auf alle Fragen mit der Romanze zu ant worten. Da dies der gute Mann sah, machte er ihm, so gut er es konnte, Brust und Rücken frei, um nachzusehn, ob er verwundet sei, aber er fand weder Blut noch eine Verletzung. Er bestrebte sich, ihn vom Boden aufzuheben, und mit vieler Mühe brachte er ihn auf seinen Esel, weil er dies für die bequemere Art von Reiten hielt. Oie Waf fen suchte er bis auf die Stücke der Lanze zusam men, und band sie auf den Rozinante, den er beim Zügel faßte, seinen Esel aber an einem Stricke führte, und so den Weg nach seinem Dorfe
antrat, sehr nachdenklich über den Unsinn, den er Don Quixote. I. O
Don Quixote sagen hörte.
Übler noch befand sich
Don Quixote, der sich zerschlagen und gequetscht kaum auf dem Lastthiere hatten konnte, und dann
Und wann einige Seufzer gen Himmel schickte, so
daß
der Dauer dadurch
von
neuem
wurde ihn zu fragen, was ihm fehle.
bewogen Es schien,
daß der Satan ihm alle Geschichten ins Gedächt
niß brachte, die sich auf seinen Zustand paßten, denn nun vergaß er den Valduin und erinnerte
sich des Mohren Abindarraez, den der Comman
dant von Antequera, Rodrigo de Rarvaez, stng und als Gefangenen nach feiner Festung führte.
Als ihn der Dauer also von neuem fragte, was ihm fei und wo eS ihm weh thue, antwortete er ihm mit den nehmlichen Redensarten, die der ge
fangene Abencerraje gegen Rodrigo de Rarvaez führte, gerade so, wie ec die Geschichte in der Diana des Georg de Montemayor gelesen hatte, wo ste erzählt wird; er gebrauchte sie so zu seinem
Besten, daß der Dauer des Teufels werden wollte, so ein Gewebe von Albernheiten anhören zu müs
sen.
Ec merkte abec daraus, daß sein Machbar
närrisch sei, und eilte behende nach dem Dorfe zu,
um nur des Verdrusses los zu werden, den ihm Don Quixote mit seiner weitläuftigen Geschichte
erregte.
Am Schluß derselben sagte dieser: Wis
sen demnach mein gnädiger Herr Don Rodrigo
de Narvaez, daß diese ofterwähnte schöne Larisa
51
guc Stund
die fu/je Oulcinea von Toboso
nannt wird, um
derentwillen ich thue,
ge
gethan
und thun will die berühmtesten Ritterthaten, die
die Welt je gesehn, steht und sehen wird! hieraus:
Dauer antwortete
Der
Sehn doch nur der
gnädige Herr, daß ich, bei meiner armen Seele! nicht Don Rodrigo de Rarvaez bin, auch nicht
der Wargues von NIantua, sondern Pedro Atonzo
Euer Machbar, so seid Ihr auch nicht Datduin und
Abindarraez,
sondern
der ehrenfeste Herr
Quijada. — Ich weiß, wer ich bin, antwortete Don Quijote, und weiß auch, daß ich nicht nur
was ich sagte sein kann, sondern auch alle zwölf
Pairs von Frankreich, und noch dazu alle neun Helden; denn alle ihre Thaten, die ste alle zusammen und jeder einzeln für sich gethan haben,
vergleichen stch nicht den meinigen. Unter diesen und ähnlichen Gesprächen kamen
sie gegen Abend an das Dorf, aber der Dauer
wartete, bis es stnster würde, damit man nicht den zerschlagenen Edlen als einen so übten Rit
ter sehn möchte. däuchte,
zog
Als ihm nun die Zeit günstig
er in
das Dors hinein und nach
Don Quizwte's Wohnung, wo alles in Verwir
rung Ortes,
war.
Oer Pfarrer und
der Darbier des
die Don Ouipote'g gute Freunde waren,
befanden stch dort, und die Haushälterinn sagte eben mit lauter Stimme:
Was sagt nun Eure O 2
52
Ehrwürden, Herr Licentiat Pedro Perez (so hieß
der Pfarrer), zu
meines
Herrn Unglück?
Seit
sechs Sagen ist er nicht zu sehen, nicht sein Pferd,
nicht die Lanze
und Schild,
Ich will nicht gesund
nicht die Waffen!
hier stehn,
wenn ich
eS
nicht weiß, und es ist eben so wahr, wie geboren werden um zu sterben, daß ihm seine verstuchten Nrrterbücher, die er immer laS, den Verstand ver
rückt haben! Ich erinnere mich jetzt, daß ich ihn oft chabe sagen hören, wenn er für sich sprach, daß cc irrender Jutter werden möchte, und auöziehn, um
in
der
ganzen
Welt
Abentheuer
aufzusuchen.
Hole doch Satan und DarrabaS alle dergleichen
Bücher! denn sie haben den feinsten Kopf in der ganzen
la
Mancha
um
seinen
Verstand
ge
bracht.
Oie Nichte sagte daS nehmliche und fügte
noch
hinzu:
Wißt, Meister Nicolas
(denn so
hieß der Barbier), daß mein Herr Oheim, wenn
er manchmal in
diesen unmenschlichen Unglücks-
büchern zwei Nächte und zwei Tage las,
am
Ende das Buch wegwarf, den Degen nahm und
auf die Mauer losfchlug, wenn er dann ermüdet war, sagte er, er habe vier Niesen, so groß wie
die Thürme, umgebracht, der Schweiß, den er
von der Anstrengung vergoß, behauptete er, sei
Blut aus den Wunden, die er in der Schlacht
empfangen
habe;
dann
trank
er schnell einen
großen Becher kaltes Wasser auS und
war gc
die er jetzt verließe, eine Insel gewon nen würde, über die er ihn 5um Statthalter setzen
wolle.
Auf diese und
ähnliche Versprechungen
(f°
verließ GknckS Pütts»
h^ß
der Dauer)
grtiu und Kinder und ward der Edelknabe seines
Don Quijote sorgte
Nachbars.
Geld anzuschaffen,
er
verkaufte
ferner
dafür,
also ein Stück,
verpfändete ein andres, alles aber in eiliger Un ordnung, und brachte so eine ansehnliche Summe
zusammen.
Er versah sich auch mit einen, Schilde,
den er von einen. Freunde borgte, verfestigte, ftr gut er konnte, seinen zerschlagenen Helm,
und
bestimmte seinem Edelknaben Sancho Sng
und
Stunde, wann er sich auf den Weg machen wolle, damit dieser
könne; vor
sich
mit allem Nöthigen versehen
allen Dingen
ab^ befahl er ihm,
einen Echnappsack mitzunehmen.
Jener versprach
ihn nicht zu vergessen, und daß er selbst einen Esel
mitnehmen wolle, der sehr wacker fei, denn er besitze nicht die Gabe,
viel zu Fuß zu laufen.
Oaü mit dem Esel verschnupfte Don Quipote ein
wenig, denn er überlegte sogleich, ob er st'ch ei
nes irrenden Ritters entsinnen könne, der seinen Edelknaben
eselweise
beritten
mit sich
geführt,
aber nicht ein einziger kam ihm in die Gedanken:
doch bewilligte er demohngeachtet, ihn mitzunehnten, mit dem Vorsatze, ihn bald ehrenvoller be
ritten zu machen, weil er Gelegenheit habe, dem
ersten unhöstlthen Ritter, der ihm aufstieße, sein Pferd zu
nehmen-
Er versorgte sich
auch
mit
Hemden und andern Dingen, dem Rathe zu folge.
7S
den ihm der Schenkwirth gegeben hatte. alles gethan und vollbracht,
Als nun
zogen sie in einer
Stacht, ohne daß Sancho von Frau und Kindern, oder Oon Quixote von Haushälterinn und Richte Abschied genommen, aus dem Dorfe aus, wobei sie kein Auge bemerkte, und sie so eilig reisten, daß sie mit Tagesanbruch sicher waren, nicht eingeholt
zu werden, wenn man sie auch aufsuchen sollte. Sancho Pansa zog auf seinem Thiere mit Schnapp sack und Schlauch wie ein Patriarch einher, in dem
er sich
schon
in seinen Gedanken als den
Statthalter der Insel sah, die ihm sein Herr ver
sprochen hatte. Don Quixote war bemüht, wieder
einzuschlagen,
Steife genommen hatte, das Feld Montiel;
dieselben Wege
die er auf feiner ersten
und diese
gingen über
auf diesem zog er auch jetzt
fort und mit weniger Gefährlichkeit als das vo rige mal, denn da es früh Morgens war, so tra
fen ihn die Sonnenstrahlen nur von der Seite und ermüdeten ihn nicht.
Indem sprach Sancho
Pansa zu seinem Herrn: schaut auch, Herr irrend
der Ritter wohl zu, daß Ihr des nicht vergeßt, was Ihr mir von wegen der Insel versprochen habt, ich will st'e gewiß statthaltern und wäre sie
noch so groß.
Hierauf erwiederte Oon Quixote:
Du mußt verstehn, Freund Sancho Pansa, daß es eine sehr gewöhnliche Sitte der alten irrendes
Autter war, ihre Edelknaben zu Statthaltern von Inseln oder Neichen zu machen, ö.e sie gewan nen, und ich bin fest entschlossen, daß durch mich
ein so edler Gebrauch nicht erlöschen soll, lieber denke ich darauf, ihn zu verbessern, denn oft, ja
vielleicht meistentheilü warteten sie, bis ihre Edel knaben alt waren, schon müde im Dienst und dec
bösen Tage und
der noch bösern Nächte über
drüssig, dann gaben sie ihnen die Würde eines
Herzogs oder mindestens eines Markgrafen von
irgend einer Mark oder einer Provinz, nachdem jie groß oder klein war.
Aber wenn du lebst und
ich leben bleibe, so kann es wohl geschehn, daß ich innerhalb acht Tagen ein Neich gewinne, das
andre, daran hängende in sich begreift, und es mag dann zutreffen, daß du in dem einen von
diesen als König gekrönt wirst:
dieses ist auch
nichts Sonderliches, denn nachdem, was und wie alles den irrenden Nittern begegnet, das man weder
je gesehn noch sich vorstellen kann, kann es sich
gar leicht fügen, daß ich noch mehr gebe, als ich dir verspreche. Auf die
Art,
antwortete Sancho
Pansa,
wenn ich nun durch ein solches Wunderwerk, wie
Euer Gnaden da sagt, König würde, so würde Hanne Gutierrez,
meine Alte,
Königinn,
und
meine Kinder Jnfanten? Wer zweifelt denn daran? antworttte Don
Qui'rote.
Ich zweifle, sagte Sancho Pansa, denn wie eS mir vvrkömmt, wenn Gott auch KönigreichL
auf die Erde herunter regnen ließe, so paßte doch
keinS davon auf den Kopf der Marie Gutierrez. I7ein, Herr, nicht für einen Dreyer paßt sie sich zur Königinn, Grastn mag eher gehn, und auch
daS nur mit Gottes Beistand. Laß du alles Gott empfohlen fein, Sancho, antwortete Don Quixote,
dir geben,
der wird
was dir am besten zu steht, aber erniedrige dein Gemüth nicht so sehr,
Geringerm,
als
daß
du dich mit etwas
der Stelle eines
Gouverneurs
zufrieden flelltefl.
Das soll nicht geschehn, mein gnädiger Herr, antwortete Sancho, da ich vollends einen so treff lichen Herrn in Euer Gnaden
habe, der schon
weiß, was er mir geben soll, daü mir heilsam und zuträglich ifl.
Achtes Don dem guten
fpfe in
dem
Glücke,
Kapitel. welches
graulichen
der tapfre Don Qui«
und unerhörten
mit den Windmühlen hatte,
Abentheuer
nebst andern
Glücks«
füllen, die der Aufbewahrung würdig.
Indern sahen sie wohl dreissig bis vierzig Wind
mühlen, die hier auf dem Felde stunden, und so
wie sie Don Quixote erblickte, sagte er zu seinem
Edelknaben: das Glück führt unsre Cache besser als wir es nur
wünschen
konnten,
denn siehe,
Freund Sancho, dort zeigen sich dreißig oder noch
mehr ungeheure Niesen, mit-denen ich eine Schlacht zu halten gesonnen bin und ihnen allen das Le
ben zu nehmen; mit der Deute von ihnen wollen
wir den Anfang unsers Reichthums machen, denn
dies ist ein trefflicher Krieg und selbst ein Gottes dienst,
diese Brut vom Angesichte der Erde zu
vertilgen. Welche Riesen? fragte Sancho Pansa.
Die dn dorten siehst, antwortete sein Herr,
mit den gewaltigen Armen,
die zuweilen wohl
zwei Weilen lang find.
Seht doch hin, gnädiger Herr, sagte Sancho,
daß das,
was da steht,
keine Riesen, sondern
Windmühlen sind, und was
haltet,
für die Arme
sind die Flügel, die der Wind umdreht,
Ivodurch der Mühlenstein in Gang gebracht wird.
Es
scheint wohl,
antwortete Don Quixote,
daß du in Abentheuern nicht sonderlich bewandert
bist, es sind Riesen, und wenn du dich fürchtest, so gehe von hier und ergieb dich in einiger Ent
fernung dem Gebete, indeß ich die schreckliche un ungleiche Schlacht mit ihnen beginne.
Mit diesen Worten gab
Rozinante die Sporen,
er
seinem Pferde
ohne auf die Stimme
ßo
seines Edelknaben
Sancho zn achten,
der ihm
noch immer nachrief, daß es ganz gewiß Wind mühlen und nicht Niesen waren, was er angrctV fen wollte.
Aber er war so fest von den Niesen
überzeugt, daß er weder nach der Stimme seines Stallmeisters Sancho hörte, noch stch zu sehn be mühte, bis er dem Orte, wo ste standen,
nahe
worauf er mit lauter Stimine
gekommen war,
rief: entstieht nicht, ihr feigherzigen und nieder
trächtigen Creaturen!
ein einziger Nitker ist es,
der Euch die Stirn bietet.
Zugleich erhob stch
ein kleiner Wind, der die großen Flügel in Be
wegung ward,
fetzte;
als Oon Quijote dies
fuhr er fort:
gewahr
Strecktet Ihr auch mehr
Arme aus, als der Riefe Vriareuü, so sollt Ihr
es dennoch bezahlen!
Und indem
er dies sagte
und stch mit ganzer Seele seiner Gebieterinn Oulcinea empfohl, die er stehte, ihm in dieser Ge
fährlichkeit zu helfen, wohl oon seinem Schilde
bedeckt, in der Rechten die Lanze, sprengte er mit
dem Nozinante im vollen Gallopp auf die vor derste Windmühle los und gab ihr einen Lanzen
stich in den Flügel, den der Wind so heftig herum drehte, daß die Lanze in Stücke sprang, Pferd
und Reuter aber
eine große Strecke über das
Feld weg geschleudert wurden.
Sancho Pansa trabte mit der größten Eilfer
tigkeit seines Esels herbei, und als er hinzu kam, fand
ö'
fant) er, daß Oon Quixote sich nicht rühren konnte, so gewaltig war der Sturz, den Nozinante gethan hatte.
Gott steh uns bei!
sagte
Sancho,
sagte ich's Eure Gnaden nicht, daß Ihr zusehn
möchtet was Ihr thätet, und daß es nur Wind mühlen muß,
wären,
wer
nicht
die
auch
ja
jeder
kennen
selber welche im Kopfe hat!
*-t Gieb dich zur Nuhe,
Freund Sancho, ant«
wartete Oon Quixote, das ist Kriegeüglüek, das Jini meisten von allen Dingen einem ewigen Wech
sel unterworfen ist; um so mehr, da ich glaube,
und es auch gewiß wahr ist, daß eben der weise Freston, der mir mein Zimmer und meine Dächer
geraubt hat, mir auch jetzt diese Niesen in Müh len verwandelt, um mir den Nahm ihrer Desie-
gung Zu entreissen. die er zu mir trägt! er
So groß ist die Feindschaft,
Aber endlich, endlich wird
doch mit allen seinen
bösen Künsten,
nichts
gegen die Tugend meines Schwerdtes vermögen!
Gott mag es so Pansa,
fügen, antwortete Sancho
indem er sich bemühte ihn aufzurichten;
worauf ec ihn auf den Rozinante setzte,
dessen
Glieder ausgerenkt waren und so verfolgten ste,
indem sie sich von dem überstandenen Abentheuer unterhielten, den Weg nach dem Hafen Lapiee.
Dort,
meinte Oon Quixote, müsse es viele und
mancherlei Abentheuer geben,
weil es ein so be
suchter Ort sei; über den Verlust seiner Lanze war
Don ÜuifPCe- I
F
er sehr betreten und inbcm er darüber mit seinem Edelknaben sprach, sagte er: gelesen zu
haben,
daß
ein
Ich
erinnere neich
Spanischer
Diego Perez de DargaS genannt,
üB
bitter,
in einer
Schlacht sein Cchwerdt zersprang, er einen gewal tigen Zweig oder Ast von einer Eiche riß,
und
mit diesem am selbigem Tage solche Thaten ver richtete und so viele Mohren zerschlug, den
Zunahmen
daß
annahm,
des Zerschlägers
er von
welcher Gegebenheit sich auch späterhin seine Nach kommen Dargas und Zerschlägcr nannten. seS wird darum
erzählt,
Oie«
weil auch ich von der
ersten Steineiche einen Zweig abzureißen gedenke, der gerade so aewaltig ist,
wie jener,
und mit
welchem ich mir solcherlei Thaten zu thun in den Sinn gesetzt, daß du dich glücklich preisen wirst,
dazu auserlesen zu sein, sie änzuschauen. und ein
Zeuge von Oingen zu werden,
die man kaum
wird glauben können. OaS gebe Gott!
sagte Sancho, ich
glaube
auch alles, wie es Eure Gnaden da erzählt, aber setzt Euch
doch
ein
bischen
gerade,
denn
mir
dünkt, Ihr hängt so auf der Seite; das ist ge wiß noch ein Mahlzeichen von dem Falle.
Es ist wahr, antwortete Don Quixote, und
wenn ich aus Schmerz nicht klage, so geschieht es nur,
weil es irrenden Rittern
nicht ziemlich
ist, über irgend eine Wunde zu klagen und wenn
selbst die Eingeweide hindurch kämen.
Wenn dem so ist, so läßt sich nichts dagegen sagen, antwortete Sancho, aber das weiß Gott,
daß Ihr mir eine Liebe thatet, wenn Ihr klag«
tet, falls es Euch irgendwo weh thut;
von mir
kann ich versichern, daß ich mich über den aller
kleinsten Schmerz beklage, wenn es stch nicht auf die Stallmeister der irrenden Ritter ebenfalls er streckt, daß sie nicht klagen dürfen.
Don Quipote.mußte über die Einfalt feines Stallmeisters lachen und antwortete, daß er stch
beklagen könne, wie und wie oft es ihm beliebe, denn er habe bis dahin noch nichts vom Gegen
theil in den Vorschriften der Ritterschaft gelesen.
Sancho sagte, essen.
er bemerke,
daß es Zeit sei zu
Sein Herr erwiederte, daß er es noch nicht
bedürfe, daß er aber essen könne, so viel er wolle.
Wit
dieser Erlaubniß richtete stch Sancho
auf
seinem Thiere so bequem ein, als er nur konnte, er nahm aus dem Schnappsacke was er hineinge-
packt hatte und so folgte er reitend und estend seinem Herrn eine große Strecke, indem er von Zeit zu Zeit den Schlauch mit so vielem Anstande
an den Wund setzte, daß ihn der ausgelernteste Gastwirth von Walaga hatte beneiden
können.
Wie er nun so fortzog, und die Schlückchen im
mer schneller wiederholte, gedachte er keines Ver sprechens mehr, das ihm sein Herr gethan hatte, hielt es auch für keine Beschwerde, sondern für
F->
84
eine große Ergötzung,
herumzu irren und Aben
theuer aufzusuchen, wenn sie auch noch so gefähr
lich sein sollten. Sie mußten endlich dieRacht unter einigen Dau men Zubringer^ und von dem einen 23 au nie brach
Don Quixote einen trocknen Zweig ab,
der ihm
zur Lanze dienen sollte, an den er auch das Eisen befestigte, das ihm von der zerschlagenen übrig
geblieben war.
Don Quixote schlief die ganze
Rächt hindurch nicht, sondern gedachte an seine um es nachzuthun,
Gebieterinn Dulcinea,
was
er in feinen Dächern gelesen, wie die Ritter ohne Schlaf
viele Rächte
den Waldungen
in
und
Einöden zubrachten und sich mit dem Andenken ihrer Herrscherinnen unterhieltencs'Sancho Pansa, der,
Richt also trieb
da er den Rcagen, und
zwar mit keinem Habersüppchen ungefüllt hatte,
die ganze Rächt
aus
einem Stücke schlief und
auch nachher nicht erwacht wäre, wenn ihn sein
Herr nicht aufgeweckt hätte, denn die Strahlen der Sonne, die ihm auf das Gcstcht schienen, so
wie der Gcsang der Vögel, die von allen Zwei
gen mit jubelndem Gesänge die Einkunft des neuen
Tages feierten, ermuntert
hatte,
eine Umarmung,
vermochten cs nicht. schenkte
er seinem
Als er stch Schlauche
wobei er ihn viel eingefallner
fand, als den Abend vorher, und stch von Her
zen darüber betrübte, weil es nicht aussah, als
wenn sie ouf diesem 2Vege feine Aufzehrung wür
den heilen können.
Oon Quijote begehrte nid^t
Zu fn ih-stücken> weil er sich,
wie schon gesagt,
mit nahrhaften Vorstellungen unterhalten hatte. Sie ritten aus der Straße nach dem Hasen
Lapico- weiter,
den sie auch drei Stunden nach
Sonnen-Ausgang
•Quirlte,
entdeckten.
Hier,
ries
Oon
als er ihn erblickte, Druder Sancho,
hier können wir die Hände bis an die Ellenbogen hinaus in
das
tauchen,
n>aü
man Abentheuer
nennt, aber vernimm, daß wenn du mich auch in
der- allergrößten Gefahr erblicken solltest, du doch niemalen
die Hand
an den Degen legen sollst,
um mich zu vertheidigen,
außer du müßtest ge
wahr werden, daß ich vom Pöbel oder gemeinen Volke beleidigt würde, in einem solchen Falle ist es dir gestattet, mir beizustshn: sind es ober Rit
ter, so ist es dir nach den Rittergesetzen keineSwegeS- erlaubt oder vergönnt, mir zu helfen, Vxfc
du selbst zum Ritter geschlagen E>ifL Seid versichert,
gnädiger Herr,
antwortete
Sancho, daß ich Euch darinne pünktlich Gehor sam leiste, vollends da ich sehr sriedliebend bin
und mich nicht gern in Schlägereien und Händel einmenge; aber freilich, wenn einar meine eigne Person angreisen wollte, da würde ich-nach Euren Gesetzen nicht fragen, denn göttliche und mensch
liche Gesetze erlauben, daß stch jedermann wehren darf, wenn ihm was zu Leide geschieht.
Das läugne ich auch gar nicht, antwortete
Don Quijote, nur in dem Umstande, daß du mir
nicht gegen Ritter beistehn darfst, sollst du deine
natürliche Hitze bändigen.
Ich sage ja auch,
daß ich es thun will, ant
wortete Sancho, und daß ich diese Vorschrift so genau halten will, wie den Sonntag.
Als sie so redeten, zeigten sich auf dem Wege
zwei Brüder von dem «Orden des heiligen Bene dict, die auf zweien
ritten, denn
Dromedaren
viel kleiner waren die Maulthiere nicht, auf de
nen ste saßen; ste trugen Brillen und Sonnen«
Ihnen folgte eine Kutsche,
schirme.
von vieren
oder fünfen zu Pferde, und zwei Eseltreiberjungen zu Fuße begleitet.
In der Kutsche war, wie
man nachher erfuhr, eine Discajische Dame, die
nach Sevilla zu einem
ihrem
Gemahl reiste, der in
ehrenvollen Geschäfte nach Indien
ging.
Die Paters reisten nicht mit ihr, ob söe gleich die
selbe Straße zogen,
Quiz-ote gesehn,
aber kaum
als er zu
hatte sie Don
seinem Stallmeister
sagte: Wenn ich mich nicht trüge, so ist dieses das berühmteste Abentheuer, worden,
das jemalen gesehn
denn diese schwarzen Dinge, die dort
kommen, mögen wohl sein, und stnd auch gewiß
zwei Zauberer, die in jener Kutsche eine geraubte Prinzessinn fortführen, und es ist also von noth en,
diesem Ungebühr nach meinem vollen Vermögen zu steuern.
s?
OaS wird noch schlimlnec gehn, wie mit den
Windmühlen, sagte Sancho, seht gnädiger Herr, das sind Brüder des heiligen Benedict, und in
Hört,
der Kutsche sind wohl andre reisende Leute. was ich sage,
und seht was es ist,
daß Euck
der Teufel nicht einen Irrthum macht.
Ich habe dir, Sancho, schon gesagt,
antwor
tete Don Quijote, daß du wenig von der Natur der Abentheuer verstehst, was ich sage ist Wahr-'
heit, wie du sogleich gewahr werden sollst. Mit diesen Worten ritt er fort und stellte sich in die Mitte des Weges, den die Patres kamen,
und als er so nahe war, daß. sie seine Rede ver
nehmen konnten,
sagte er mit lauter Stimme:
Teuflisches und heidnisches Gesindel! sogleich, gebt
die erhabene Prinzessinnen frei, die Ihr mit Ge
walt in jener Kutsche fortführt? wo nicht, so seid
gefaßt,
plötzlich
den Tod
als gerechte Strafe
Eurer Übelthaten zu empfangen! Oie Patres
sich
sowohl
auch über
über
hielten
an
und verwunderten
Oon Oui