223 80 2MB
German Pages 692 [691] Year 2015
MA RT I N O PI T Z L AT E I NI SC H E W E RKE 3
AU SGA B E N DE U T SC H E R LITER ATUR DE S XV. B I S XV I I I . JA H RH UN D ERTS
herausgegeben von Hans-Gert Roloff
MA RT I N O PI TZ L AT E I NI SC H E WER KE
DE GRU Y T E R
M ART I N OPITZ L AT E I NI S CH E W ERK E Band 3 1631–1639
In Zusammenarbeit mit W I L H E L M KÜ H L M A NN, HA NS-G ERT ROLOF F und zahlreichen Fachgelehrten herausgegeben, übersetzt und kommentiert von V E RO N I KA MA RSC HA L L und ROBERT S EID EL
DE GRU YT ER
ISSN 0179-0900 ISBN 978-3-11-037110-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-036637-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039238-8
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Vorbemerkung
V
Vorbemerkung Mit dem dritten Band wird die Ausgabe der Lateinischen Werke von Martin Opitz abgeschlossen. Er umfaßt diejenigen Schriften, die zwischen 1631 (nach dem Druck der Silvae) und seinem Tod (1639) entstanden sind, also von der Endphase seiner Anstellung bei Karl Hannibal von Dohna über die Zeit seines Dienstes bei den Herzögen von Liegnitz und Brieg bis zu seinem Exil in Polen und der (lockeren) Anbindung an das dortige Königshaus als bestallter Hofhistoriograph. Zu den Schwerpunkten von Opitzens lateinischer Produktion seines letzten Lebensjahrzehnts gehören die Schriften im Zusammenhang mit dem dänischen Prinzen Ulrich (die Vorrede zu dem ihm gewidmeten Trostgedichte in Widerwertigkeit Deß Krieges und der Nachruf auf ihn), das Kleinepos Ratispona in libertatem vindicata, die programmatischen Widmungsvorreden zu zentralen Werken wie dem Vesuvius oder der Antigone-Übertragung, die philologischen Arbeiten (Variae lectiones, Annolied ) sowie die großen Würdigungsschriften auf Angehörige des polnischen Adels unter Einschluß der Königsfamilie, die Opitz seit 1635 in Thorn und später in Danzig schrieb. Die insgesamt bemerkenswerte Anzahl lateinischer Prosapanegyrici, die Opitz auf adlige Personen beiderlei Geschlechts verfaßte, liefert ein bedeutendes Korpus für textsortenspezifische Spezialstudien. In sachlicher Hinsicht vermitteln die im Danzig-Thorner Kontext entstandenen Schriften einen hervorragenden Einblick in die konfessions- und kulturpolitischen wie auch militärischen und dynastischen Verhältnisse im Grenzgebiet polnischer, schwedischer und deutscher (habsburgischer, sächsischer usw.) Einflußsphären. Aus regionalhistorischer und prosopographischer Perspektive ermöglichen die späten Texte Opitzens ein facettenreiches Bild der Situation schlesischer Protestanten vor und nach dem Prager Frieden (1635), als sich die Kräfteverhältnisse einmal mehr zuungunsten der Schlesier verschoben. Angesichts des Umstandes, daß die historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke Opitzens mit dem Jahr 1631 zum Stillstand gekommen ist, können die nun präsentierten lateinischen Texte zusammen mit der seit 2009 gesammelt vorliegenden Korrespondenz generell eine Schneise durch den noch weithin unerforschten Bereich des ‚späten‘ Opitz schlagen, und dies um so mehr, als vor allem für die polnischen Jahre seit 1635 die Rezeption der (spärlichen) Forschung zusätzlich mit der polnisch-deutschen Sprachbarriere zu kämpfen hat. Bei den Variae lectiones und beim Annolied mußten wir uns dazu entschließen,
VI
Vorbemerkung
lediglich die Paratexte abzudrucken und zu kommentieren, obgleich die von Opitz veranstalteten Editionen selbst entweder lateinische Anmerkungen enthalten (Annolied ) oder in Textbestand und Annotationen durchweg lateinisch abgefaßt sind (Variae lectiones). Für das Annolied liegt freilich eine vollständige Ausgabe aus der Feder von Graeme Dunphy vor, die Variae lectiones hingegen bedürfen ausführlicher interdisziplinärer Studien, die das gesamte – von Opitz nicht abschließend bearbeitete – Projekt der Dacia antiqua behandeln müßten. (Unsere Kommentare verweisen hier wie anderswo stets auf die dringendsten Forschungsdesiderate.) Jenseits dieser Sonderfälle ist zu berücksichtigen, daß in den letzten Jahren die internationale Humanismusforschung den Paratexten – und hier speziell den Dedikationen – eine verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet hat. Unsere Edition wird diesem in vielfacher Hinsicht plausiblen Interesse dadurch gerecht, daß sie grundsätzlich alle lateinischen Vorreden (also gerade auch solche zu deutschsprachigen Schriften) einbezieht. Häufig geben diese Vorreden wertvolle Hinweise auf die Bedeutung der teilweise noch kaum erforschten Schriften selbst oder auf das intellektuelle Netzwerk, in dem Opitz agierte, zuweilen stellen sie darüber hinaus eigenständige, in sich geschlossene gelehrte Abhandlungen dar, denen zumindest partiell ‚Werkcharakter‘ zuzuschreiben ist. Auch im dritten Band sind wieder einige Neufunde enthalten und parallele Überlieferungen neu berücksichtigt, ferner konnten manche Unklarheiten in den verschiedenen Opitz-Bibliographien ausgeräumt werden. Von noch größerer wissenschaftlicher Bedeutung ist freilich die definitive Zuschreibung der Ratispona in libertatem vindicata an Opitz, die zeitgleich durch die Wolfenbütteler Gruppe um Klaus Conermann und unsere eigenen Forschungen vorgenommen werden konnte: Vormals unbeachtete Briefzeugnisse belegen zweifelsfrei, daß die Qualifikation der Ratispona als ‚unecht‘ nicht zu halten ist. Indem George Schulz-Behrend, Gerhard Dünnhaupt und andere Opitz dieses Werk absprachen, verhinderten sie eine nähere Beschäftigung mit dem 255 Hexameter umfassenden Gedicht, das die Eroberung Regensburgs durch Herzog Bernhard von Weimar im Jahre 1633 schildert und konfessionspolitisch instrumentalisiert. Der Text bildet Opitzens Beitrag zur lateinischen (Klein)ependichtung und stellt zugleich sein umfangreichstes literarisches Werk in lateinischer Sprache dar. Eine umfassende und großzügig kommentierte Edition – auch wenn es sich nicht um eine Gesamtausgabe handelt – hat eo ipso den Anspruch, die wissenschaftliche Einschätzung des behandelten Autors auf solidere Füße zu stellen und damit in Teilen auch zu verändern. Es ging uns allerdings nicht darum, einen Paradigmenwechsel von der Art zu formulieren, wie es vor 25 Jahren Klaus Garber tat, als er in einem vielbeachteten Lexikonartikel den sogenannten ‚Vater der deutschen Dichtung‘ nunmehr in der Reihenfolge ‚Diplomat, Gelehrter, Dichter‘ klassifizierte und damit in erster Linie die kultur- und konfessionspolitische
Vorbemerkung
VII
Bedeutung Opitzens markierte. Selbstverständlich mißt eine prosopographisch dichte Kommentierung der Position Opitzens innerhalb des Netzwerkes der internationalen respublica litteraria relativ großes Gewicht bei, zugleich wird aber in Zusammenfassungen und Einzelstellenkommentaren auch immer wieder ein Fokus auf die Vielfalt gelehrter, poetologischer, sprachpatriotischer, konfessioneller oder politisch-dynastischer Diskurse gelegt, in die sich Opitz mit seinen poetischen wie prosaischen Texten einschrieb. Die Editions- und Kommentierungsgrundsätze sind die gleichen geblieben wie in den ersten beiden Bänden. Mit Blick auf die berücksichtigte Forschung ist hier pauschal darauf hinzuweisen, daß seit dem im Vorwort zu Bd. 1 enthaltenen Forschungsbericht nicht wenige Studien zum ‚lateinischen‘ Opitz erschienen sind. In den Kommentaren ist der jeweils neueste Stand nach Möglichkeit berücksichtigt und großzügig dokumentiert. Zwei weitere Details seien außerdem festgehalten: Angesichts der großen Anzahl in diesem Band vorkommender polnischer Personennamen und einer – auch in der Forschung – teilweise divergenten Namensansetzung haben wir uns darauf beschränkt, nur innerhalb eines Kommentars einheitliche Schreibvarianten zu wählen. Innerhalb des ganzen Bandes hingegen wechselt die Schreibweise zuweilen, ohne daß das Auffinden der Namen im Gesamtregister beeinträchtigt würde. Bei der chronologischen Anordnung der Texte haben wir uns, wo keine genaue Datierung vorgenommen werden konnte, um eine möglichst treffende Verortung bemüht. Dies gilt auch für zwei Beiträge aus der postumen Ausgabe der Deutschen Poemata von 1641, für welche ein Erstdruck vermutet wird, aber bislang nicht nachgewiesen werden konnte. Lediglich zwei Texte, für deren Abfassungszeit es kaum Anhaltspunkte gibt, sind gleich am Anfang des Bandes (als Nr. 156 und 157) abgedruckt. Zum Abschluß der Ausgabe möchten wir all jenen Personen und Institutionen danken, die uns bei der Erstellung des letzten Bandes und bei der Durchführung des Gesamtprojektes unterstützt haben. Zunächst sind hier wieder die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die unsere Arbeit fünf Jahre lang gefördert hat, sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des De Gruyter Verlages zu nennen, namentlich Herr Dr. Jacob Klingner, der in der Nachfolge von Prof. Dr. Heiko Hartmann die fachliche Betreuung der Edition übernommen und ihren Fortgang mit gleichem Wohlwollen wie sein Vorgänger begleitet hat, außerdem Herr Andreas Vollmer, der für die reibungslose technische Abwicklung verantwortlich zeichnet. Ein sehr herzlicher Dank gilt sodann allen bei den Übersetzungen und Kommentaren im einzelnen aufgeführten Kolleginnen und Kollegen, unter denen Herr Prof. Dr. Graeme Dunphy (Würzburg) besonders hervorzuheben ist, ohne dessen altgermanistische Kenntnisse die Vorrede des Annoliedes nicht angemessen zu bearbeiten gewesen wäre. Erneut durften wir Herrn Dr. Harald
VIII
Vorbemerkung
Bollbuck (Wolfenbüttel) als Mitherausgeber der Opitz-Briefausgabe bei mancherlei diffizilen Problemen konsultieren. Auch noch in der Schlußphase der Projektarbeit waren diverse Bibliotheken und Archive um Unterstützung zu bitten, hier möchten wir stellvertretend den Angestellten der Universitätsbibliothek Wrocław (Breslau), der Bibliothek des Nationalmuseums in Prag, der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, des Deutschen Literaturarchivs in Marbach und der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien für ihre unbürokratische Hilfe danken. Von den Frankfurter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei Frau Dr. Sandy Scheffler, Frau Simone Eckert, Frau Bianca Hufnagel M.A. und Herrn Andreas Teppe für zahlreiche wertvolle Dienste gedankt, vor allem aber Herrn Dennis Messinger M.A., der – neben seiner eigenen Kommentierungstätigkeit – auch bei der kritischen Überprüfung mehrerer Übersetzungen und Kommentare großes Geschick bewies. Die Endredaktion aller Bestandteile der Ausgabe lag auch diesmal in der Hand der Herausgeber, die bisweilen ergänzend, streichend oder harmonisierend in die Kommentare eingriffen, ohne freilich die individuelle Handschrift der jeweiligen Bearbeiter verwischen zu wollen. Gerade bei den umfangreicheren und komplexeren Texten sind gewisse Schwerpunktbildungen bei der Kommentierung erkennbar und waren durchaus erwünscht. Frankfurt am Main, im Februar 2014
Veronika Marschall Robert Seidel
IX
Inhalt
Inhalt Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Bearbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur . . . . . . . . . . . . . . . Texte und Übersetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156. Queis non dehinc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157. Libertas animi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158. Dum patriam Musae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159. ORATIO FUNEBRIS Honori et Memoriae B ARBARAE A GNETIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160. PA rva Boleslaviae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161. DU m nos lubrica temporum malorum . . . . . . . . . . . . . 162. CARMINA perrumpunt animos . . . . . . . . . . . . . . . . . 163. Dum charo Natam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164. WE inrichia ante tibi. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165. ET tu, Langiade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166. LI bertas tibi, sed tuae loquela . . . . . . . . . . . . . . . . . 167. BU rghusi, Musis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168. Quod rerum Annales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169. CO nsulte legum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170. AM biguis belli. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171. Sarmaticas tecum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172. AEgrotum cui nihil doleat [Widmungsvorrede zum Vesuvius] . 173. TR edecim fermè anni sunt – SI justas mediter [Widmungsvorrede zum Trostgedichte in Widerwertigkeit Deß Krieges] . . . . . 174. LAUDATIO FVNEBRIS MEMORIAE AC HONORI VLDERICI – BE llonae fratrem – PA rendi mora nulla – JL le tuum, Gradiue, decus – SI Justas mediter . . . . . . . . . 175. Virgilij genium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176. RATISPONA IN LIBERTATEM VINDICATA – SV mme Ducum – VI cerat arte sua . . . . . . . . . . . . . . . 177. IT a quidem doctrina [Widmungsvorrede zu den Quatrains von Pibrac] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
V XIV XV 1 2 2 2
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4 26 28 30 30 32 32 34 34 36 38 38 40 40
.
50
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54 98
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100
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116
X
Inhalt
178. Haec est divini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179. Inter taedia tot molestiasque. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180. Astreae soboles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181. NO n est, docte, meis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182. Vatis amica dies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183. Non his carminibus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184. IN sontis patriae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185. SU nt cum publicae tum priuatae caussae [Vorrede zum Lobgeticht auf König Władysław IV.] . . . . . . . 186. QV àm vellem fieri mei Phaleuci – SA lve, ô Lignicium . . . . . . 187. PL enum prudentiae illud [Widmungsvorrede zur Antigone] . . . 188. OR bem nauta novum – VI rginium, Sponsa . . . . . . . . . . . 189. DU m pacem Moscus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190. Vrbs curae superum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191. PANEGYRICVS P RINCIPIS ANNAE . . . . . . . . . . . . . . 192. LAVDATIO FVNEBRIS FABIANI LIB. BARONIS A CEMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193. PANEGYRICUS Inscriptus HONORI ET MEMORIAE RAPHAELIS Comitis Lesnensis . . . . . . . . . . . . . . . . 194. QU id potius agam – DV m tibi pro Patriae [Widmungsvorrede zu den Zwölff Psalmen Davids] . . . . . . . . 195. Caetera cuncta patrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196. Jambi Paraenetici AD CHRISTIANUM HOFMANUM. . . . . 197. NO n satis illud erat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198. TE rrae, quas aditu suo beatas . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199. SO lenne scriptoribus est – H AE c est Z AMOSC I facies – DI gne viro fili [Widmungsvorrede zum Variarum lectionum liber ] 200. FELICITATI AVGVSTAE HONORIQVE NVPTIAR. VLADISLAI IV. – RE gum maxime, spes decusque rerum – QV od solum hactenus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201. Nvnquam diffiteor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202. Annum credebant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203. QV em non ferratae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204. Quamlibet auditus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205. NON haec vota tui . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206. OR bem per totum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207. QV os aevi dederas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208. QV i tibi doctrinae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209. Acceptissimum apud omnes [Widmungsvorrede zum Florilegium variorum epigrammatum, Buch 1] . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
122 122 124 124 126 126 128
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130 138 140 146 148 150 150
. 174 . 192 . . . . .
222 226 228 236 238
. 242
. . . . . . . . .
250 272 274 274 276 278 280 282 282
. 284
XI
Inhalt
210. DU m laxant tetricas [Widmungsgedicht zum Florilegium variorum epigrammatum, Buch 2] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211. SC ribendi mihi si . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212. S. P. Ornatissime amicorum – IN clita Musarum . . . . . . . . . 213. SAE pe tuae diversa fuit – NO n tellus, Crügere . . . . . . . . . . 214. QU od exteris omnibus tuam opem – SI prioribus libris [Widmungsvorrede zum Annolied ] . . . . . . . . . . . . . . . . 215. Quod Lygiae Princeps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216. SU mmum esse luctum tuum – FE lix animi . . . . . . . . . . . . 217. FE stivos Epigrammatum libellos . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156. Queis non dehinc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157. Libertas animi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158. Dum patriam Musae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159. ORATIO FUNEBRIS Honori et Memoriae B ARBARAE A GNETIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160. PA rva Boleslaviae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161. DU m nos lubrica temporum malorum . . . . . . . . . . . . . 162. CARMINA perrumpunt animos . . . . . . . . . . . . . . . . . 163. Dum charo Natam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164. WE inrichia ante tibi. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165. ET tu, Langiade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166. LI bertas tibi, sed tuae loquela . . . . . . . . . . . . . . . . . 167. BU rghusi, Musis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168. Quod rerum Annales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169. CO nsulte legum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170. AM biguis belli. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171. Sarmaticas tecum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172. AEgrotum cui nihil doleat [Widmungsvorrede zum Vesuvius] . 173. TR edecim fermè anni sunt – SI justas mediter [Widmungsvorrede zum Trostgedichte in Widerwertigkeit Deß Krieges] . . . . . 174. LAUDATIO FVNEBRIS MEMORIAE AC HONORI VLDERICI – BE llonae fratrem – PA rendi mora nulla – JL le tuum, Gradiue, decus – SI Justas mediter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175. Virgilij genium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176. RATISPONA IN LIBERTATEM VINDICATA – SV mme Ducum – VI cerat arte sua . . . . . . . . . . . . . . . 177. IT a quidem doctrina [Widmungsvorrede zu den Quatrains von Pibrac] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
290 292 296 296 298 310 312 320
. . 323 . 325 . 326 . 326 . . . . . . . . . . . . . .
330 339 342 346 347 350 351 354 356 359 360 363 366 369
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384
. .
389 403
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406
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427
XII
Inhalt
178. Haec est divini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179. Inter taedia tot molestiasque. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180. Astreae soboles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181. NO n est, docte, meis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182. Vatis amica dies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183. Non his carminibus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184. IN sontis patriae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185. SU nt cum publicae tum priuatae caussae [Vorrede zum Lobgeticht auf König Władysław IV.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186. QV àm vellem fieri mei Phaleuci – SA lve, ô Lignicium . . . . . . . 187. PL enum prudentiae illud [Widmungsvorrede zur Antigone] . . . . 188. OR bem nauta novum – VI rginium, Sponsa . . . . . . . . . . . . 189. DU m pacem Moscus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190. Vrbs curae superum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191. PANEGYRICVS P RINCIPIS ANNAE . . . . . . . . . . . . . . . 192. LAVDATIO FVNEBRIS FABIANI LIB. BARONIS A CEMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193. PANEGYRICUS Inscriptus HONORI ET MEMORIAE RAPHAELIS Comitis Lesnensis . . . . . . . . . . . . . . . . . 194. QU id potius agam – DV m tibi pro Patriae [Widmungsvorrede zu den Zwölff Psalmen Davids] . . . . . . . . . 195. Caetera cuncta patrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196. Jambi Paraenetici AD CHRISTIANUM HOFMANUM. . . . . . 197. NO n satis illud erat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198. TE rrae, quas aditu suo beatas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199. SO lenne scriptoribus est – H AE c est Z AMOSC I facies – DI gne viro fili [Widmungsvorrede zum Variarum lectionum liber ] . 200. FELICITATI AVGVSTAE HONORIQVE NVPTIAR. VLADISLAI IV. – RE gum maxime, spes decusque rerum – QV od solum hactenus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201. Nvnquam diffiteor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202. Annum credebant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203. QV em non ferratae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204. Quamlibet auditus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205. NON haec vota tui . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206. OR bem per totum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207. QV os aevi dederas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208. QV i tibi doctrinae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209. Acceptissimum apud omnes [Widmungsvorrede zum Florilegium variorum epigrammatum, Buch 1] . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
435 439 442 443 445 447 450 453 459 462 467 470 473 474 490 499 517 523 526 534 538 542
549 559 561 564 567 571 575 578 581 584
Inhalt
XIII
210. DU m laxant tetricas [Widmungsgedicht zum Florilegium variorum epigrammatum, Buch 2] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211. SC ribendi mihi si . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212. S. P. Ornatissime amicorum – IN clita Musarum . . . . . . . . . 213. SAE pe tuae diversa fuit – NO n tellus, Crügere . . . . . . . . . . 214. QU od exteris omnibus tuam opem – SI prioribus libris [Widmungsvorrede zum Annolied ] . . . . . . . . . . . . . . . . 215. Quod Lygiae Princeps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216. SU mmum esse luctum tuum – FE lix animi . . . . . . . . . . . . 217. FE stivos Epigrammatum libellos . . . . . . . . . . . . . . . . .
604 615 618 622
Addenda et Corrigenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
627 629
592 595 597 601
XIV
Inhalt
Verzeichnis der Bearbeiter B.H. D.M. G.B. G.D. H.B. J.E. L.M. M.F. R.-G.C. R.N. R.S. U.S. V.M. W.K. W.L.
PD Dr. Beate Hintzen Dennis Messinger Georg Burkard (†) Prof. Dr. Graeme Dunphy Dr. Harald Bollbuck Dr. Jost Eickmeyer Dr. Lothar Mundt Martin Fruhstorfer Prof. Dr. Ralf-Georg Czapla Dr. Rüdiger Niehl Prof. Dr. Robert Seidel Prof. Dr. Ulrich Seelbach Dr. Veronika Marschall Prof. Dr. Wilhelm Kühlmann Prof. Dr. Walther Ludwig
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
XV
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 1. Opitz-Drucke Teutsche Poëmata
M ARTINI O PICII . | Teutsche Pöemata [sic!] | vnd | A RISTARCHVS | Wieder die verachtung Teutscher Sprach, | Item | Verteutschung Danielis Heinsij Lobgesangs | Iesu Christi, | vnd | Hymni in Bachum | Sampt einem anhang | Mehr auserleßener geticht anderer | Teutscher Pöeten [sic!]. | Der gleichen in dieser Sprach | Hiebeuor nicht auß kommen. | Straßburg |In verlegung Eberhard Zetzner‚. | Anno 1624. [Ndr. des Exemplars der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Hildesheim / New York 1975]
Acht Bücher Deutscher Poematum
M ARTINI O PITII | Acht Bücher, | Deutscher Poematum | durch Jhn selber herau‚ gege=|ben/ auch also vermehret vnnd | übersehen/ da‚ die vorigen | darmitte nicht zu uer=|gleichen sindt. | Jnn Verlegung Dauid | Müller‚ Buchhandler‚ | Jnn Breßlaw. | 1625. [Yale University Library collection of German baroque literature; reel 49, no. 204]
Deütscher Poëmatum Erster Theil
MARTINI OPITII | Deütscher Poëmatum |Erster Theil: | Zum andern mal ver=| mehrt vnd vbersehen | herauß gegeben. | In verlegung Dauid | Müller‚ Buchhänd=|ler‚ in Breßlaw. | M D C XXVIIII. | Cum Gr. et Priuileg. Caes: Mai. [Yale University Library collection of German baroque literature; reel 50, no. 213]
Deütscher Poëmatum Anderer Theil
MARTINI OPITII | Deütscher Poëmatum | Anderer Theil; | Zuevor nie beysam=|men, theil‚ auch |noch nie herauß |gegeben. | Cum Gr. et Priuileg. | Caesar. Maiest. | In verlegung |Dauid Müller‚ Buch=| hendler‚ in Breßlaw. |1629. [Yale University Library collection of German baroque literature; reel 50, no. 213]
Silvae
M ART. O PITII | SILVARVM | LIBRI III. | EPIGRAMMATVM | LIBER VNVS. | E Museio B ERNHARDI G VILIELMI | N ÜSSLERI . | FRANCOFVRTI , | Impensis D AVIDIS M ÜLLERI , | Anno M. DC. XXXI. [Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen: 8 P LAT REC II, 3053]
XVI
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Geistliche Poëmata
MARTINI | OPITII | Geistliche Poëmata, | Von jhm selbst anjetzo |zusammen gelesen/ verbes=|sert vnd absonderlich her=|auß gegeben. | Jn Verlegung David Mül=|ler‚ Buchhändler‚ S. |Erben. | M. DC. XXXVIII. [Ndr. des Exemplars der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, hrsg. von Erich Trunz. Tübingen 1966 (= Deutsche Neudrucke, Reihe Barock 1)]
Deütsche Poemata (1641)
MARTINI
| OPITII | Deütsche | Poëmata, | Auff‚ new übersehen vnd | vermehret. | Dantzig/ | Gedruckt vnd Vorlegt durch Andream | Hünefeld/ Buchhändler. | A NNO M.DC.XLI. [Yale University Library collection of German baroque literature; reel 52, no. 227]
Weltliche Poemata, Bd. 1
Martini Opitij | Weltliche Poemata | Zum Viertenmal ver=|mehret vnd vbersehen | herrau‚ [sic!] geben, | Franckfurt am mayn | bey | Thoma‚ Matthia‚ | Götzen – o. J. [1644] [Ndr. des Exemplars der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Unter Mitwirkung von Christine Eisner hrsg. von Erich Trunz. 2., überarbeitete Auflage. Tübingen 1975 (= Deutsche Neudrucke, Reihe Barock 2)]
Weltliche Poëmata, Bd. 2
MARTINI | OPITII | Weltliche | Poëmata. | Der Ander Theil. | Zum vierdten mal vermehret | vnd vbersehen herauß ge=|geben. | Franckfurt/ | Jn Verlegung T HOMAE M AT-| THIAE Götzen / Jm Jahr | M. DC. XXXXIV. [Mit einem Anhang:] FLORILEGIVM | VARIORVM | EPIGRAMMATVM | MART . OPITIVS | Ex vetustis ac recentioribus Poetis | congessit | et versibus Germanicis reddidit. | FRANCOFVRTI , | Typis excusum Wolffgangi Hoffmanni, | Impendio Thomae Matthiae Götzii, | Anno M. DC. XXXXIV. [Ndr. des Exemplars der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Unter Mitwirkung von Irmgard Böttcher und Marian Szyrocki hrsg. von Erich Trunz. Tübingen 1975 (= Deutsche Neudrucke, Reihe Barock 3)]
Bodmer/Breitinger
Martin Opitzens Von Boberfeld Lobgedichte. Von J. J. B[odmer] und J. J. B[reitinger] besorget. Zürich 1755
Witkowski (1888)
Martin Opitzens Aristarchus sive de contemptu linguae Teutonicae und Buch von der Deutschen Poeterey, hrsg. von Georg Witkowski. Leipzig 1888
Witkowski (1889)
Georg Witkowski: Briefe von Opitz und Moscherosch, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 21 (1889), S. 16–38 und S. 163–188
Oesterley (1889)
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, hrsg. von Hermann Oesterley. Berlin / Stuttgart 1889 (= Deutsche National-Litteratur 27)
Witkowski (1902)
Martin Opitz: Teutsche Poemata. Abdruck der Ausgabe von 1624 mit den Varianten der Einzeldrucke und der späteren Ausgaben, hrsg. von Georg Witkowski. Halle 1902
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
XVII
GW 1; 2.1; 2.2; 3.1; 3.2; 4.1; 4.2
Martin Opitz: Gesammelte Werke. Kritische Ausgabe, hrsg. von George Schulz-Behrend. Bd. 1. Stuttgart 1968 (= Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 295); Bd. 2.1. Stuttgart 1978 (= BLV 300); Bd. 2.2. Stuttgart 1979 (= BLV 301); Bd. 3.1. Stuttgart 1970 (= BLV 296); Bd. 3.2. Stuttgart 1970 (= BLV 297); Bd. 4.1. Stuttgart 1989 (= BLV 312); Bd. 4.2. Stuttgart 1990 (= BLV 313)
Fechner
Martin Opitz: Jugendschriften vor 1619. Faksimileausgabe des Janus Gruter gewidmeten Sammelbandes mit den handschriftlichen Ergänzungen und Berichtigungen des Verfassers, hrsg. von Jörg-Ulrich Fechner. Stuttgart 1970 (= Sammlung Metzler G 88)
Poeterey / Jaumann
Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey (1624). Studienausgabe. Mit dem Aristarch (1617) und den Opitzschen Vorreden zu seinen Teutschen Poemata (1624 und 1625) sowie der Vorrede zu seiner Übersetzung der Trojanerinnen (1625), hrsg. von Herbert Jaumann. Stuttgart 2002 (= Reclams Universal-Bibliothek 18214)
Opitz, Psalmen
Martin Opitz: Die Psalmen Davids. Nach den Französischen Weisen gesetzt [1637], hrsg. von Eckhard Grunewald und Henning P. Jürgens. Hildesheim u. a. 2004
Conermann / Bollbuck
Martin Opitz: Briefwechsel und Lebenszeugnisse. Kritische Edition mit Übersetzung. An der Herzog August Bibliothek zu Wolfenbüttel hrsg. von Klaus Conermann unter Mitarbeit von Harald Bollbuck. 3 Bde. Berlin / New York 2009
LW 1; LW 2; LW 3
Martin Opitz: Lateinische Werke. 3 Bde. Berlin/New York 2009 ff., in Zusammenarbeit mit Wilhelm Kühlmann, Hans-Gert Roloff und zahlreichen Fachgelehrten hrsg., übersetzt und kommentiert von Veronika Marschall und Robert Seidel. Bd. 1: 1614–1624. Berlin/ New York 2009. Bd. 2: 1624–1631. Berlin/New York 2011. [Bd. 3: 1631–1639]
2. Quellen und Forschungsliteratur ADB
Allgemeine Deutsche Biographie, hrsg. durch die Historische Commission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 56 Bde. Leipzig 1875–1912; Ndr. Berlin 1967–1971
v. Albrecht
Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur von Andronicus bis Boethius. Mit Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Neuzeit. 2 Bde. Bern / München 1992
Alewyn
Richard Alewyn: Opitz in Thorn (1635/36), in: Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins 66 (1926), S. 169–179
XVIII
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Alexander
Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Aktualisierte und erweiterte Ausgabe. Stuttgart 2008 (= Reclams Universal-Bibliothek 17060)
Altpreußische Biographie
Altpreußische Biographie, hrsg. im Auftrage der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung von Christian Krollmann. Fortgeführt von Kurt Forstreuter u. a. Königsberg bzw. Marburg 1941 ff.
Dornau, Amphitheatrum
Caspar Dornavius (Dornau): Amphitheatrum Sapientiae Socraticae Joco-Seriae. Schauplatz scherz- und ernsthafter Weisheiten. Neudruck der Ausgabe Hanau 1619, hrsg. und eingeleitet von Robert Seidel. Goldbach 1995
Aurnhammer
Achim Aurnhammer: Tristia ex Transilvania. Martin Opitz’ OvidImitatio und poetische Selbstfindung in Siebenbürgen (1622/23), in: Kühlmann / Schindling, S. 253–272
Bach / Galle
Inka Bach und Helmut Galle: Deutsche Psalmendichtung vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Untersuchungen zur Geschichte einer lyrischen Gattung. Berlin / New York 1989 (= Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker; N.F. 95=219)
Barner
Wilfried Barner: Barockrhetorik. Untersuchungen zu ihren geschichtlichen Grundlagen. Tübingen 1970
BBKL
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. [Bd. 1–2 hrsg. von Friedrich-Wilhelm Bautz, ab Bd. 3 hrsg. von Friedrich-Wilhelm Bautz, fortgeführt von Traugott Bautz]. Hamm / Herzberg / Nordhausen 1975 ff.
Becker-Cantarino
Martin Opitz. Studien zu Werk und Person, hrsg. von Barbara Bekker-Cantarino. Amsterdam 1982 (= Daphnis 11, H. 3, 1982)
Bibliografia Estreichera
Bibliografia polska, hrsg. von Karol Estreicher. 33 Bde. Kraków 1870–1933. Ndr. Warszawa 1977 ff.
Borcherdt
Hans Heinrich Borcherdt: Augustus Buchner und seine Bedeutung für die deutsche Literatur des siebzehnten Jahrhunderts. München 1919
Borcherdt, Tscherning
Hans Heinrich Borcherdt: Andreas Tscherning. Ein Beitrag zur Literatur- und Kultur-Geschichte des 17. Jahrhunderts. München / Leipzig 1912
Borgstedt / Schmitz
Martin Opitz (1597–1639). Nachahmungspoetik und Lebenswelt, hrsg. von Thomas Borgstedt und Walter Schmitz. Tübingen 2002 (= Frühe Neuzeit 63)
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
XIX
Bornemann
Ulrich Bornemann: Anlehnung und Abgrenzung. Untersuchungen zur Rezeption der niederländischen Literatur in der deutschen Dichtungsreform des siebzehnten Jahrhunderts. Assen / Amsterdam 1976 (= Respublica Literaria Neerlandica I)
Buchner (1720)
AUGUSTI BUCHNERI | EPISTOLARUM | PARTES TRES | CONJUNCTIM EDITAE SINGULIS | EPISTULIS ARGUMENTA PERSPICUIS | AC CONCINNIS VERBIS | PRAEPOSITA | ET TOTUM OPUS AMENDIS PURGATUM | OPERA | M. JOH. JACOBI STÜBELII, | ILLUSTRIS AFR. MISN. RECTORIS | PRAEFATIO | DE | SCRIPTORIBUS VARIIS EPISTOLA|RUM PRAEMISSA, | ADJECTI SUNT INDICES NECESSARII | CUM PRIVILEGIO REGIS POLON. ET | ELECT. SAXON. | FRANCOF. ET LIPSIAE, | Apud GODOFREDUM LESCHIUM. | ANNO M. DCC. XX.
Bürk/Wille
Die Matrikeln der Universität Tübingen. Band 2: 1600–1710. Bearbeitet von Albert Bürk und Wilhelm Wille. Tübingen 1953
Burkhardt
Johannes Burkhardt: Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt am Main 1992 (= edition suhrkamp 1542)
Caesar
Iulius Caesar: Catalogus studiosorum Scholae Marpurgensis, ed. Iulius Caesar. Pars prima: Viginti annorum spatium ab anno MDXXVII usque ad annum MDXLVII complectens. Marburg 1875; Ndr. Nendeln 1980. [Personen- und Ortsregister zu der Matrikel und den Annalen der Universität Marburg 1527–1652, bearbeitet von Wilhelm Falckenheiner. Marburg 1904]
Calvin
Joannis Calvini Opera Selecta, ed. Petrus Barth, Wilhelm Niesel, Dora Scheuner. 5 Bde. München 1926–1952. Bd. 3–5: Institutio Christianae religionis 1559
CIL
Corpvs Inscriptionvm Latinarvm. Editio altera. Cura Theodori Mommsen et al. Bd. 1 ff. Berlin 1893 ff.
Coler, Laudatio
Laudatio Honori et Memoriae V. CL. MARTINI OPITII paulò post obitum ejus A. M D C. XXXIX. in Actu apud Uratislavienses publico solenniter dicta à C HRISTOPHORO C OLERO, Praeter continuam Opitianae vitae narrationem complectens multorum quoque Principum atque celebrium Virorum, cum quibus Opitio consuetudo et amicitia fuit, memorabiles notitias. Publici juris fecit Melchior Weise Vratislav. LIPSIAE, Sumptibus PHILIPPI FUHRMANNI imprimebat JOHANNES WITTIGAU A. M DC. LXV.
Conermann (1998)
Klaus Conermann: Opitz auf der Dresdner Fürstenhochzeit von 1630. Drei satirische Sonette des Boberschwans, in: Daphnis 27 (1998), S. 587–630
XX
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Conermann, Fruchtbringende Gesellschaft
Klaus Conermann: Briefe der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen: Die Zeit Fürst Ludwigs von Anhalt-Köthen 1617–1650. Unter Mitarbeit von Dieter Merzbacher hrsg. von Klaus Conermann. Bd. 1 ff. Tübingen 1992 ff. (= Die Deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts. Fruchtbringende Gesellschaft. Kritische Ausgabe der Briefe, Beilagen und Akademiearbeiten. Reihe I, Abt. A: Köthen)
Conermann, Mitglieder
Klaus Conermann: Die Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft 1617–1650. 527 Biographien. Transkription aller handschriftlichen Eintragungen und Kommentare zu den Abbildungen und Texten im Köthener Gesellschaftsbuch. Leipzig [zugl. Weinheim] 1985. (= Fruchtbringende Gesellschaft. Der Fruchtbringenden Gesellschaft geöffneter Erzschrein. Das Köthener Gesellschaftsbuch Fürst Ludwigs I. von Anhalt-Köthen 1617–1650, hrsg. von Klaus Conermann; Bd. 3)
Conermann / Herz / Ahrens
Klaus Conermann und Andreas Herz, unter Mitarbeit von Olaf Ahrens: Der Briefwechsel des Martin Opitz. Ein chronologisches Repertorium, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 28 (2001), S. 3–133
Conrady
Karl Otto Conrady: Lateinische Dichtungstradition und deutsche Lyrik des 17. Jahrhunderts. Bonn 1962 (= Bonner Arbeiten zur deutschen Literatur 4)
Curtius
Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. 7. Auflage. Bern / München 1969
DBA
Deutsches Biographisches Archiv. Mikrofiche-Edition. München 1986
DBE
Deutsche Biographische Enzyklopädie, hrsg. von Walther Killy und Rudolf Vierhaus. 10 Bde. München / New Providence / London / Paris 1995–1999
DBG
Deutsches biographisches Generalregister: Fundstellen-Nachweis für mehr als 1000 biographische Nachschlagewerke, die zwischen 1950 und 2000 erschienen sind, hrsg. von Willi Gorzny. Pullach i. Isartal 2001
Depner
Maja Depner: Das Fürstentum Siebenbürgen im Kampf gegen Habsburg. Untersuchungen über die Politik Siebenbürgens während des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 1938 (= Schriftenreihe der Stadt der Auslandsdeutschen 4)
Deutsche Geschichte im Osten Europas, Bd. 4
Deutsche Geschichte im Osten Europas. Bd. 4: Schlesien, hrsg. von Norbert Conrads. Berlin 1994
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
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Deventer
Jörg Deventer: Gegenreformation in Schlesien. Die habsburgische Rekatholisierungspolitik in Glogau und Schweidnitz 1526–1707. Köln / Weimar / Wien 2003 (= Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte 8)
Die Donin’s I; Die Donin’s II
Die Donin’s. Aufzeichnungen über die erloschenen Linien der Familie Dohna. Als Manuskript gedruckt, hrsg. von Siegmar Graf Dohna. Berlin 1876
DLL
Deutsches Literatur-Lexikon, begründet von Wilhelm Kosch, hrsg. von Bruno Berger und Heinz Rupp. 3., völlig neubearbeitete Auflage. Bern / München 1968 ff.
DNP
Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hrsg. von Hubert Cancik u. a. Stuttgart / Weimar 1996 ff.
Dreyfürst
Stephanie Dreyfürst: O virilem in tam tenero corpore animum, Welch mannhafter Geist in einem so zarten Körper. Martin Opitzens lateinische Trauerreden auf adelige Frauen im sozial- und funktionsgeschichtlichen Kontext. Magisterarbeit Frankfurt am Main 2004
Drux (1976)
Rudolf Drux: Martin Opitz und sein poetisches Regelsystem. Bonn 1976 (= Literatur und Wirklichkeit 18)
Drux (2003)
Rudolf Drux: Beschworene Mußestunden. Über ein zentrales Anliegen der Panegyrica des Martin Opitz auf Karl Hannibal von Dohna, in: Memoria Silesiae, S. 259–269
Du Cange
Du Cange: Glossarium mediae et infimae Latinitatis. Graz 1954 (Ndr. der Ausgabe 1883–1887)
Dünnhaupt
Gerhard Dünnhaupt: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. 2., verbesserte und wesentlich vermehrte Auflage des Bibliographischen Handbuchs der Barockliteratur. 6 Bde. Stuttgart 1990–1993 (= Hiersemanns bibliographische Handbücher 9)
Enchiridion
Rukovˇet humanistického básnictví v Cechách a na Moravˇe / Enchiridion renatae poesis Latinae in Bohemia et Moravia cultae, hrsg. von Antonín Truhlár u. a. 5 Bde. Prag 1966–1982
Entner (1982)
Heinz Entner: Zum Kontext von Martin Opitz’ Aristarchus, in: Germanica Wratislaviensia 47 (1982), S. 3–58
Erler
Die Jüngere Matrikel der Universität Leipzig 1559–1809. Als Personen- und Ortsregister bearbeitet und durch Nachträge aus den Promotionslisten ergänzt. Im Auftrage der Königlich Sächsischen Staatsregierung hrsg. von Georg Erler. I. Band: Die Immatrikulationen vom Wintersemester 1559 bis zum Sommersemester 1634. Leipzig 1909
Erler, Königsberg
Die Matrikel der Albertus-Universität zu Königsberg i. Pr. I. Band: Die Immatrikulationen von 1544 bis 1656, hrsg. von Georg Erler. Leipzig 1910
XXII
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Europäische Hofkultur
Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert. Vorträge und Referate gehalten anläßlich des Kongresses des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung und des Internationalen Arbeitskreises für Barockliteratur in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 4. bis 8. September 1979, hrsg. von August Buck, Georg Kauffmann, Blake Lee Spahr und Conrad Wiedemann. 3 Bde. Hamburg 1981
Ezechiel
[Ezechiel]: Schreiben an einen Gelehrten in Schlesien, das Leben und die Schriften Martin Opitzens von Boberfeld betreffend, in: Beyträge zur Critischen Historie der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit, hrsg. von einigen Liebhabern der deutschen Litteratur. Siebenter Band. Fünf und zwanzigstes Stück. Hildesheim / New York 1970 (Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1741)
Faber du Faur (1954)
Curt von Faber du Faur: Der Aristarchus: Eine Neuwertung, in: Publications of the Modern Language Association of America 69 (1954), S. 566–590
Fechner (1966)
Jörg-Ulrich Fechner: Der Antipetrarkismus. Studien zur Liebessatire in barocker Lyrik. Heidelberg 1966 (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte, 3. Folge, Bd. 2)
Fechner / Kessler
Martin Opitz 1597–1639. Fremdheit und Gegenwärtigkeit einer geschichtlichen Persönlichkeit, hrsg. von Jörg-Ulrich Fechner und Wolfgang Kessler. Herne 2006 (= Martin-Opitz-Bibliothek Schriften 3)
Findeisen
Jörg-Peter Findeisen: Der Dreißigjährige Krieg. Eine Epoche in Lebensbildern. Graz / Wien / Köln 1998
Fleischer
Manfred P. Fleischer: Späthumanismus in Schlesien. Ausgewählte Aufsätze. München 1984 (= Silesia 32)
Flood
John L. Flood: Poets Laureate in the Holy Roman Empire. A Bio-bibliographical Handbook. 4 Bde. Berlin / New York 2006
Friedländer
Aeltere Universitäts-Matrikeln. I. Universität Frankfurt a.O. Erster Band (1506–1648), hrsg. von Ernst Friedländer. Leipzig 1887 (= Publicationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven 32)
Fuchs
Juliane Fuchs: HimmelFelß und Glückes Schutz. Studien zu Bremer Hochzeitsgedichten des 17. Jahrhunderts. Frankfurt am Main u. a. 1994 (= Helikon 22)
Garber (1984)
Klaus Garber: Martin Opitz, in: Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts. Ihr Leben und Werk, hrsg. von Harald Steinhagen und Benno von Wiese. Berlin 1984, S. 116–184
Garber (2006)
Klaus Garber: Das alte Buch im alten Europa. Auf Spurensuche in den Schatzhäusern des alten Kontinents. München 2006
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
XXIII
Geiger (1876a)
Ludwig Geiger: Ungedruckte Briefe von Martin Opitz, in: Archiv für Litteraturgeschichte 5 (1876), S. 316–370
Geiger (1876b)
Mittheilungen aus Handschriften. Beiträge zur deutschen Literaturgeschichte, hrsg. von Ludwig Geiger. Heft 1. Leipzig 1876
Gellinek
Janis Little Gellinek: Die weltliche Lyrik des Martin Opitz. Bern / München 1973
Griechische Epigramme
Griechische Epigramme und andere kleinere Dichtungen in deutschen Übersetzungen des XVI. und XVII. Jahrhunderts, mit Anmerkungen und ausführlicher Einleitung hrsg. von Max Rubensohn. Weimar 1897 (= Bibliothek älterer deutscher Übersetzungen 2–5)
Grotefend
H. Grotefend: Stammtafeln der schlesischen Fürsten bis zum Jahre 1740. 2., verbesserte Auflage. Breslau 1889
Grünhagen, Bd. 2
C[olmar] Grünhagen: Geschichte Schlesiens. Zweiter Band: Bis zur Vereinigung mit Preussen (1527 bis 1740). Mit einem Bändchen Quellennachweisungen. Gotha 1886; Ndr. Osnabrück 1979
Häfner (2005)
Ralph Häfner: Das Subjekt der Interpretation. Probleme des Dichtungskommentars bei Martin Opitz, in: Geschichte der Hermeneutik und die Methodik der textinterpretierenden Disziplinen, hrsg. von Jörg Schönert und Friedrich Vollhardt. Berlin / New York 2005, S. 97–118
Halsted
Poetry and Politics in the Silesian Baroque. Neo-Stoicism in the Work of Christophorus Colerus and his Circle. Wiesbaden 1996 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 26)
Handbuch Gelehrtenkultur
Herbert Jaumann: Handbuch Gelehrtenkultur. Bd. 1: Bio-bibliographisches Repertorium. Berlin / New York 2004
Harms
Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, hrsg. von Wolfgang Harms u. a. Kommentierte Ausgabe. 7 Bde. München 1980, Tübingen 1985–2005
Hartwig
Album Academiae Vitebergensis ab a. Chr. MDII usque ad a. MDCII. Volumen secundum [bearbeitet von Otto Hartwig]. Halle 1894
Heinsius, Ed. Becker-Cantarino
Daniel Heinsius. Nederduytsche Poemata. Faksimiledruck nach der Erstausgabe von 1616, hrsg. und eingeleitet von Barbara BeckerCantarino. Bern / Frankfurt am Main 1983 (= Nachdrucke deutscher Literatur des 17. Jahrhunderts 31)
Heldt
Kerstin Heldt: Der vollkommene Regent. Studien zur panegyrischen Casuallyrik am Beispiel des Dresdner Hofes Augusts des Starken. Tübingen 1997 (= Frühe Neuzeit 34)
Helk
Vello Helk: Martin Opitz in Dänemark, in: Wolfenbütteler BarockNachrichten 5 (1978), S. 143–150
XXIV
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Heltai
János Heltai: Martin Opitz und sein intellektuelles Umfeld in Siebenbürgen, in: Fechner / Kessler, S. 79–103
Henkel / Schöne
Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, hrsg. von Arthur Henkel und Albrecht Schöne. Taschenausgabe. Stuttgart / Weimar 1996
Hippe
Max Hippe: Christian Cunrad, ein vergessener schlesischer Dichter (1608–1671), in: Silesiaca. Festschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens zum siebzigsten Geburtstage seines Präses Colmar Grünhagen. Breslau 1898, S. 253–288
Hippe, Köler
Max Hippe: Christoph Köler, ein schlesischer Dichter des siebzehnten Jahrhunderts. Sein Leben und eine Auswahl seiner deutschen Gedichte. Breslau 1902 (= Mittheilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau 5)
Hoffmeister
Gerhart Hoffmeister: Petrarkistische Lyrik. Stuttgart 1973 (= Sammlung Metzler 119)
Hofmann / Szantyr
Lateinische Syntax und Stilistik von J. B. Hofmann […], neubearbeitet von Anton Szantyr […] München 1972 (= Handbuch der Altertumswissenschaft II.2.2)
HPG
Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven, im Zusammenwirken mit der Forschungsstelle Literatur der Frühen Neuzeit und dem Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück hrsg. von Klaus Garber u. a. Hildesheim / Zürich / New York 2001 ff.
Humanistische Lyrik
Humanistische Lyrik des 16. Jahrhunderts. Lateinisch und deutsch […], ausgewählt, übersetzt, erläutert und hrsg. von Wilhelm Kühlmann, Robert Seidel und Hermann Wiegand. Frankfurt am Main 1997 (= Bibliothek deutscher Klassiker 146)
Die deutschen Humanisten, Bd. I/1; Bd. I/2
Die deutschen Humanisten. Dokumente zur Überlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur in der Frühen Neuzeit, hrsg. und bearbeitet von Wilhelm Kühlmann, Volker Hartmann und Susann El Kholi. Abt. 1: Die Kurpfalz. Bd. I/1: Marquard Freher; Bd. I/2: Janus Gruter. Turnhout 2005
van Ingen (1966)
Ferdinand van Ingen: Vanitas und Memento mori in der deutschen Barocklyrik. Groningen 1966
Jaski
Magnorum quorundam eruditissimorumque virorum epistolae ad Martinum Opitium, V. Cl. ex Museio Jaskiano. Dantisci, Typis Rhetianis, A. MDCLXX.
Jessen
Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, hrsg. und eingeleitet von Hans Jessen. 3. Auflage. München 1975
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
XXV
Jöcher
Allgemeines Gelehrten-Lexicon: Darinne die Gelehrten aller Stände sowohl männ- als weiblichen Geschlechts, welche vom Anfange der Welt bis auf ietzige Zeit gelebt, und sich der gelehrten Welt bekannt gemacht, nach ihrer Geburt, Leben, merckwürdigen Geschichten, Absterben und Schrifften aus den glaubwürdigsten Scribenten in alphabetischer Ordnung beschrieben werden, hrsg. von Christian Gottlieb Jöcher. Hildesheim u. a. 1960 ff. (Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1750 f.)
Jöcher/Adelung
Allgemeines Gelehrten-Lexikon: Fortsetzung und Ergänzungen zu Christian Gottlieb Jöchers allgemeinem Gelehrten-Lexico, worin die Schriftsteller aller Stände nach ihren vornehmsten Lebensumständen und Schriften beschrieben werden, von Johann Christoph Adelung. 7 Bde. [Bd. 3–6] von Heinrich Wilhelm Rotermund. [Bd. 7] von Otto Günther. Leipzig [et al.] 1784–1897
Kaminski
Nicola Kaminski: EX BELLO ARS oder Ursprung der „Deutschen Poeterey“. Heidelberg 2004 (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte 205)
Kemper
Hans-Georg Kemper: Deutsche Lyrik der frühen Neuzeit. 6 Bde. Tübingen 1987–2006
Kiesel
Helmuth Kiesel: „Bei Hof, bei Höll“. Untersuchungen zur literarischen Hofkritik von Sebastian Brant bis Friedrich Schiller. Tübingen 1979 (= Studien zur deutschen Literatur 60)
Killy
Literatur-Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, hrsg. von Walther Killy. 15 Bde. Gütersloh / München 1988–1993
Killy, 2. Aufl.
Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, hrsg. von Wilhelm Kühlmann in Verb. mit Achim Aurnhammer u. a. Begründet von Walther Killy. 2., vollst. überarbeitete Auflage. Bd. 1 ff. Berlin / New York 2008 ff.
Knod
Die Alten Matrikeln der Universität Straßburg 1621 bis 1793, bearbeitet von Gustav C. Knod. Zweiter Band: Die Matrikeln der medicinischen und juristischen Facultät. Straßburg 1897; Ndr. Nendeln 1976
Kosellek (2001)
Die oberschlesische Literaturlandschaft im 17. Jahrhundert. Im Auftrag der Stiftung Haus Oberschlesien hrsg. von Gerhard Kosellek. Bielefeld 2001 (= Tagungsreihe der Stiftung Haus Oberschlesien 11)
Krause
Maria Krause: Studien zur deutschen und lateinischen Gelegenheitsdichtung von Martin Opitz. Diss. Breslau 1942
Krebs, Rat und Zünfte J(ulius) Krebs: Rat und Zünfte der Stadt Breslau in den schlimmsten Zeiten des 30jährigen Krieges. Breslau 1912 (= Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte 15) Kudla
Hubertus Kudla: Lexikon der lateinischen Zitate. München 1999 (= Beck’sche Reihe 1324)
XXVI
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Kühlmann (1978)
Wilhelm Kühlmann: Militat omnis amans. Petrarkistische Ovidimitatio und bürgerliches Epithalamium bei Martin Opitz, in: Daphnis 7 (1978), S. 199–214
Kühlmann (1982)
Wilhelm Kühlmann: Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat. Entwicklung und Kritik des deutschen Späthumanismus in der Literatur des Barockzeitalters. Tübingen 1982 (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 3)
Kühlmann (2001)
Wilhelm Kühlmann: Martin Opitz. Deutsche Literatur und deutsche Nation. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Heidelberg 2001
Kühlmann (2002)
Wilhelm Kühlmann: Martin Opitz in Paris (1630). Zu Text, Praetext und Kontext eines lateinischen Gedichtes an Cornelius Grotius, in: Borgstedt / Schmitz, S. 191–221
Kühlmann (2005)
Wilhelm Kühlmann: Von Heidelberg zurück nach Schlesien. Opitz’ frühe Lebensstationen im Spiegel seiner lateinischen Lyrik, in: Regionaler Kulturraum und intellektuelle Kommunikation vom Humanismus bis ins Zeitalter des Internet. Festschrift für Klaus Garber, hrsg. von Axel E. Walter. Amsterdam / New York 2005 (= Chloe 36), S. 413–430
Kühlmann / Schindling
Deutschland und Ungarn in ihren Bildungs- und Wissenschaftsbeziehungen während der Renaissance, hrsg. von Wilhelm Kühlmann und Anton Schindling unter Mitarbeit von Wolfram Hauer. Stuttgart 2004 (= Contubernium 62)
Latte
Kurt Latte: Römische Religionsgeschichte. München 1960 (= Handbuch der Altertumswissenschaft; Abt. 5; Teil 4)
Lausberg
Heinrich Lausberg: Handbuch der literarischen Rhetorik. 3. Auflage. Stuttgart 1990
LCI
Lexikon der christlichen Ikonographie, hrsg. von Engelbert Kirschbaum in Zusammenarbeit mit Günter Bandmann u. a. 8 Bde. Rom / Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 1994
Leitsch
Walter Leitsch: Das Leben am Hof König Sigismunds III. von Polen. 4 Bde. Wien 2009
Lindner
Kaspar Gottlieb Lindner: Umständliche Nachricht von des weltberühmten Schlesiers, Martin Opitz von Boberfeld, Leben, Tode und Schriften, nebst einigen alten und neuen Lobgedichten auf Ihn. Teil 1 und 2. Hirschberg 1740/41
Lipsius, De Constantia
Justus Lipsius: De Constantia. Von der Standhaftigkeit. LateinischDeutsch. Übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort von Florian Neumann. Mainz 1998
Lipsius, Politica
Justus Lipsius: Politica. Six Books of Politics or Political Instruction. Edited with translation and introduction by Jan Waszink. Assen 2004 (= Bibliotheca Latinitatis Novae 5)
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
XXVII
Lohmeier
Anke-Marie Lohmeier: Beatus ille. Studien zum „Lob des Landlebens“ in der Literatur des absolutistischen Zeitalters. Tübingen 1981 (= Hermaea N.F. 44)
LThK
Lexikon für Theologie und Kirche. 3., völlig neubearbeitete Auflage, hrsg. von Walter Kasper mit Konrad Baumgartner u. a. 12 Bde. Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 1993–2001
Luther, WA
D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Weimar 1883 ff.
Maner
Hans-Christian Maner: Martin Opitz in Siebenbürgen (1622–1623) – Traum und Wirklichkeit fürstlicher Machtpolitik unter Gabriel Bethlen. Darstellung und Rezeption, in: Borgstedt / Schmitz, S. 154–168
Maske und Mosaik
Maske und Mosaik. Poetik, Sprache, Wissen im 16. Jahrhundert, hrsg. von Jan-Dirk Müller und und Jörg Robert. Münster 2007 (= Pluralisierung und Autorität 11)
Mauser
Wolfram Mauser: Dichtung, Religion und Gesellschaft im 17. Jahrhundert. Die ‚Sonnete‘ des Andreas Gryphius. München 1976
Max
Hugo Max: Martin Opitz als geistlicher Dichter. Heidelberg 1931 (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte 17)
Memoria Silesiae
Memoria Silesiae. Leben und Tod, Kriegserlebnis und Friedenssehnsucht in der literarischen Kultur des Barock. Zum Gedenken an Marian Szyrocki (1928–1992). Breslau 2003 (= Acta Universitatis Wratislawiensis 2504)
Mende
Richard Mende: Katalog der Leichenpredigten-Sammlungen der Peter-Paul-Kirchenbibliothek und anderer Bibliotheken in Liegnitz. Marktschellenberg 1938 (= Bibliothek familiengeschichtlicher Quellen 9)
Mentz
Die Matrikel der Universität Jena. Band I: 1548 bis 1652, bearb. von Georg Mentz in Verbindung mit Reinhold Jauernig. Jena 1944
Nahler
Horst Nahler: Das Lehrgedicht bei Martin Opitz. Diss. Jena 1961 (masch.)
NDB
Neue deutsche Biographie, hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1953 ff.
Neumeister
Erdmann Neumeister: De poetis germanicis, hrsg. von Franz Heiduk in Zusammenarbeit mit Günter Merwald. Bern / München 1978
Noack
Lothar Noack: Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616– 1679). Leben und Werk. Tübingen 1999 (= Frühe Neuzeit 51)
Oesterley (1885)
H[ermann] Oesterley: Bibliographie der Einzeldrucke von Martin Opitz’ Gedichten und sonstigen Schriften, in: Centralblatt für Bibliothekswesen 2 (1885), S. 383–416.
XXVIII
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Opitz und seine Welt
Opitz und seine Welt. Festschrift für George Schulz-Behrend zum 12. Februar 1988, hrsg. von Barbara Becker-Cantarino und Jörg-Ulrich Fechner. Amsterdam 1990 (= Chloe 10)
Orte und Gedichte
Martin Opitz (1597–1639): Orte und Gedichte. Fotografien: Volker Kreidler. Auswahl, Konzeption und Kommentare: Walter Schmitz, Anja Häse, Eckhard Gruber, Jochen Strobel (Mitarbeit). Dresden 1999
Otto
Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer, gesammelt und erklärt von A. Otto. Leipzig 1890; Ndr. Hildesheim 1965
Palm
Hermann Palm: Beitraege zur Geschichte der deutschen Literatur des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Breslau 1877; Ndr. Leipzig 1977
Palm, Opitiana
Hermann Palm: Opitiana aus dem Nachlasse von Christophorus Colerus, in: Schlesische Provinzialblätter N. F. 2 (1863), S. 394–400
Parker
Geoffrey Parker: Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt am Main / New York 1987
Parnassus Palatinus
Parnassus Palatinus. Humanistische Dichtung in Heidelberg und der alten Kurpfalz. Lateinisch – Deutsch, hrsg. von Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand. Heidelberg 1989
Paulus / Seidel
Julian Paulus und Robert Seidel: Opitz-Bibliographie 1800–2002. Heidelberg 2003
Petry
Ludwig Petry: Politische Geschichte unter den Habsburgern, in: Petry/Menzel, S. 1–99
Petry / Menzel
Geschichte Schlesiens. Band 2: Die Habsburger Zeit 1526–1740. Mit Beiträgen von Hermann Aubin, Fritz Feldmann, Dagobert Frey, Hans Heckel, Hans M. Meyer und Ludwig Petry. Im Auftrag der Historischen Kommission für Schlesien hrsg. von Ludwig Petry und Josef Joachim Menzel. 3. Auflage. Stuttgart 2000
Pfotenhauer
Paul Pfotenhauer: Schlesier als kaiserliche Pfalzgrafen und schlesische Beziehungen zu auswärtigen Pfalzgrafen, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 26 (1892), S. 319–363
Pietrzak
Ewa Pietrzak: Nova Opitiana. Unbekannte Drucke mit Texten von Martin Opitz, in: Memoria Silesiae, S. 379–395
Pisanski
G. C. Pisanski’s Entwurf einer preußischen Literärgeschichte in vier Büchern. Mit einer Notiz über den Autor und sein Buch hrsg. von Rudolf Philippi. Königsberg 1886
PL
Patrologiae cursus completus […]; […] accurante J.-P. Migne. Series Latina. 221 Bde. und 5 Suppl. Paris 1844–1974
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
XXIX
Polski Słownik Biograficzny
Polski Słownik Biograficzny, hrsg. von Władysław Konopczy´nski u. a. Wrocław u. a. 1935 ff.
Prätorius
Karl Gotthelf Prätorius: Thorner Ehrentempel oder Verzeichniß der Bürgermeister und Rathmänner der Stadt Thorn von den frühesten Zeiten bis zur Gegenwart errichtet, und mit geschichtlichen Notizen versehen von Karl Gotthelf Prätorius. Nach dessen Tode hrsg. […] von Wilhelm Theodor Lohde. Berlin 1832
Press
Volker Press: Calvinismus und Territorialstaat. Regierung und Zentralbehörden in der Kurpfalz 1559–1619. Stuttgart 1970 (= Kieler Historische Studien 7)
Psalter
Der Genfer Psalter und seine Rezeption in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden: 16.–18. Jahrhundert, hrsg. von Eckhard Grunewald, Henning P. Jürgens und Jan R. Luth. Tübingen 2004
Pusch
Oskar Pusch: Die Breslauer Rats- und Stadtgeschlechter in der Zeit von 1241 bis 1741. 5 Bde. Dortmund 1986–1991
RAC
Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt […] hrsg. von Theodor Klauser. Bd. 1 ff. Stuttgart 1950 ff.
RE
Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung […], hrsg. von Georg Wissowa. Stuttgart [später München] 1893 ff.
Reifferscheid
Briefe G. M. Lingelsheims, M. Berneggers und ihrer Freunde […], hrsg. und erläutert von Alexander Reifferscheid. Heilbronn 1889 (= Quellen zur Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland während des siebzehnten Jahrhunderts 1)
RGG
Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, hrsg. von Kurt Galling u. a. 7 Bde. 3. Auflage. Tübingen 1957–1965
Rhode
Gotthold Rhode: Geschichte Polens. Ein Überblick. Darmstadt 1980
RL
Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte […], hrsg. von Klaus Weimar. 3 Bde. Berlin / New York 1997–2003
Ritter, Bd. 3
Moriz Ritter: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges (1555–1648). Dritter Band: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Darmstadt 1962. Unveränderter fotomechanischer Nachdruck der 1. Auflage, Stuttgart und Berlin 1908
Robert
Jörg Robert: Martin Opitz und die Konstitution der Deutschen Poetik. Norm, Tradition und Kontinuität zwischen „Aristarch“ und „Buch von der Deutschen Poeterey“, in: Euphorion 98 (2004), S. 281–322
XXX
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Röhrich
Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. 3 Bde. 3. Auflage (7. Gesamtauflage). Freiburg / Basel / Wien 2006.
Roloff (2002)
Hans-Gert Roloff: Martin Opitz – 400 Jahre!, in: Borgstedt/Schmitz, S. 7–30
Roscher
W. H. Roscher: Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. 6 Bde. und 4 Suppl. Hildesheim 1865; Ndr. Leipzig 1884–1937
Rubensohn (1895, 1899)
Max Rubensohn: Der junge Opitz, in: Euphorion 2 (1895), S. 57–99; 6 (1899), S. 24–67, 221–271; Neudruck: Max Rubensohn: Studien zu Martin Opitz. Mit einem wissenschaftshistorischen Nachwort hrsg. von Robert Seidel. Heidelberg 2005 (= Beihefte zum Euphorion 49)
Salmonowicz
Stanisław Salmonowicz: Martin Opitz und das Thorner intellektuelle Milieu in den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts, in: Fechner / Kessler, S. 105–126
Scaliger
Julius Caesar Scaliger: Poetices libri septem. Sieben Bücher über die Dichtkunst. Unter Mitwirkung von Manfred Fuhrmann hrsg. von Luc Deitz und Gregor Vogt-Spira. 5 Bde. Stuttgart-Bad Cannstatt 1994–2003
Schlesisches Musiklexikon
Institut für deutsche Musik im Osten e.V.: Schlesisches Musiklexikon, hrsg. von Lothar Hoffmann-Erbrecht. Augsburg 2001
Schnabel
Werner Wilhelm Schnabel: Das Stammbuch. Konstitution und Geschichte einer textsortenbezogenen Sammelform bis ins erste Drittel des 18. Jahrhunderts. Tübingen 2003 (= Frühe Neuzeit 78)
Schöne (1976)
Stadt, Schule, Universität, Buchwesen und die deutsche Literatur im 17. Jahrhundert. Vorlagen und Diskussionen eines Barock-Symposions der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1974 in Wolfenbüttel, hrsg. von Albrecht Schöne. München 1976
Schönwälder
K. F. Schönwälder: Die Piasten zum Briege oder Geschichte der Stadt und des Fürstenthums Brieg. 3 Bde. Brieg 1855–1856
Schwennicke
Europäische Stammtafeln. Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten. Neue Folge, hrsg. von Detlev Schwennicke. Bd. 3,1: Herzogs- und Grafenhäuser des Heiligen Römischen Reiches; andere europäische Fürstenhäuser. Marburg 1984
Segebrecht
Wulf Segebrecht: Das Gelegenheitsgedicht. Ein Beitrag zur Geschichte und Poetik der deutschen Lyrik. Stuttgart 1977
Seidel (1994)
Robert Seidel: Späthumanismus und Schlesien. Caspar Dornau (1577–1631). Leben und Werk. Tübingen 1994 (= Frühe Neuzeit 20)
Seidel (2006a)
Robert Seidel: Latein oder Deutsch? Überlegungen zur Sprachenwahl in der deutschen Lyrik des frühen 17. Jahrhunderts, in: Strenae Nataliciae. Neulateinische Studien. Wilhelm Kühlmann zum 60. Geburtstag, hrsg. von Hermann Wiegand. Heidelberg 2006, S. 203–218
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
XXXI
Seidel (2006b)
Robert Seidel: Zwischen Architextualität und Intertextualität. Überlegungen zur Poetik neulateinischer Dichtung am Beispiel von Martin Opitzens Hipponax ad Asterien, in: Parodia und Parodie. Aspekte intertextuellen Schreibens in der lateinischen Literatur der Frühen Neuzeit, hrsg. von Reinhold F. Glei und Robert Seidel. Tübingen 2006 (= Frühe Neuzeit 120), S. 171–207
Seidel (2011)
Robert Seidel: Von Atheisten und nüchternen Prinzessinnen. Martin Opitzens Schriften auf Angehörige des polnischen Königshauses, in: Realität als Herausforderung. Literatur in ihren konkreten historischen Kontexten. Festschrift für Wilhelm Kühlmann zum 65. Geburtstag, hrsg. von Ralf Bogner, Ralf Georg Czapla, Robert Seidel und Christian von Zimmermann. Berlin / New York 2011, S. 211–232
Senftleben
[Andreas Senftleben]: ANDREAE SANFTLEBII, PEPLUS Bonorum Ingeniorum Boleslaviensium. ex Ultima Voluntate S EBASTIANI A LISCHERI . Boleslav!iensi" P.L.C. edit M. HENRICUS Alischer Lygius. LIGNICII. Typis Mariae Willigin excudit Johann Matthias Gichtelius, Factor. ANNO 1674
Sinapius, Bd. 1
Schlesischer Curiositäten Erste Vorstellung, Darinnen die ansehnlichen Geschlechter Des Schlesischen Adels, Mit Erzehlung Des Ursprungs, der Wappen, Genealogien, der qualificirtesten Cavaliere, der Stamm=Häuser und Güter beschrieben, […] Ausgefertiget von Johanne Sinapio, Des vereinigten Gymnasii zu Lignitz Rectore. Auf Verlag des Autoris. … Leipzig, gedruckt in der Fleischerischen Drukkerey, 1720
Sinapius, Bd. 2
Des Schlesischen Adels Anderer Theil/ Oder Fortsetzung Schlesischer Curiositäten, Darinnen Die Gräflichen, Freyherrlichen und Adelichen Geschlechter/ So wohl Schlesischer Extraction, Als auch Die aus andern Königreichen und Ländern in Schlesien kommen […] ausgefertiget von Johanne Sinapio. Leipzig und Breßlau, bey Michael Rohrlach, 1728
Sommer
Ferdinand Sommer: Handbuch der lateinischen Laut- und Formenlehre. Heidelberg 1902
Stein
Rudolf Stein: Der Rat und die Ratsgeschlechter des alten Breslau. Hrsg. vom Göttinger Arbeitskreis. Würzburg 1963
Steinmeyer
Die Matrikel der Universität Altdorf, hrsg. von Elias von Steinmeyer. 2 Bde. Würzburg 1912; Ndr. Nendeln 1980
van Stekelenburg
Dick van Stekelenburg: Michael Albinus ‚Dantiscanus‘ (1610–1653). Eine Fallstudie zum Danziger Literaturbarock. Amsterdam 1988 (= Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur 74)
Steppich
Christoph J. Steppich: Numine afflatur. Die Inspiration des Dichters im Denken der Renaissance. Wiesbaden 2002 (= Gratia 39)
XXXII
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Strehlke
Friedrich Strehlke: Martin Opitz. Leipzig 1856
Széll
Ute Széll: Martin Opitz und Straßburg. Magisterarbeit Osnabrück 1981
Szyrocki
Marian Szyrocki: Martin Opitz. Berlin 1956 (= Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft 4)
Szyrocki, 2. Aufl.
Marian Szyrocki: Martin Opitz. 2., überarbeitete Auflage. München 1974
Theatrum Europaeum
THEATRVM EUROPAEVM,/ Oder/ Warhafftige Beschreibung aller Denck=/ würdigen Geschichten/ so hin vnd wieder, fürnemblich/ in Europa […] vom Jahr Christi […] biß auff das Jahr […] sich zugetragen. 21 Bde. Frankfurt am Main 1633–1738
Thebesius, Bd. 1
Georg Thebesius: Geschichte der Liegnitz-Brieger Piasten, hrsg. 1733 von Gottfried Balthasar Scharff, bearbeitet und ergänzt von Georg Jaeckel. Erster Band: Die geschichtliche Entwicklung bis zu Herzog Georg II. von Liegnitz-Brieg-Wohlau (1547–1586). Lorch 1980 (= Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 10)
Thebesius, Bd. 2
Georg Thebesius: Geschichte der Liegnitz-Brieger Piasten, hrsg. 1733 von Gottfried Balthasar Scharff, bearbeitet und ergänzt von Georg Jaeckel. Zweiter Band: Joachim Friedrich von Liegnitz-BriegWohlau (1586–1602) bis zum Ende des Piastengeschlechts. Lorch 1982 (= Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 12)
Thieme/Becker
Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. 38 Bde. Leipzig 1907–1954
ThLL
Thesaurus Linguae Latinae. Bd. 1 ff. Leipzig 1900 ff.
Toepke
Die Matrikel der Universität Heidelberg von 1386 bis 1662, bearbeitet von Gustav Toepke. 2. Teil: 1554–1662. Heidelberg 1886
TRE
Theologische Realenzyklopädie, in Gemeinschaft mit Horst Robert Balz u. a. hrsg. von Gerhard Krause und Gerhard Müller. 26 Bde. Berlin / New York 1977–2004
Venator
Balthasar Venator: Gesammelte Schriften, hrsg. von Georg Burkard und Johannes Schöndorf. 2 Bde. Heidelberg 2001 (= Bibliotheca Neolatina 9)
Wackernagel
Die Matrikel der Universität Basel. Im Auftrage der Universität Basel hrsg. von Hans Georg Wackernagel unter Mitarbeit von Marc Sieber, Hans Sutter und Andreas Tammann. Bd. 3: 1601/02–1665/66. Basel 1962
Walter
Axel E. Walter: Späthumanismus und Konfessionspolitik. Die europäische Gelehrtenrepublik um 1600 im Spiegel der Korrespondenzen Georg Michael Lingelsheims. Tübingen 2004 (= Frühe Neuzeit 95)
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
XXXIII
Wäschke
Hermann Wäschke: Anhaltische Geschichte. 3 Bde. Köthen 1912 f.
Weczerka
Handbuch der historischen Stätten: Schlesien, hrsg. von Hugo Weczerka. Stuttgart 1977 (= Kröners Taschenausgabe 316)
Wedgwood
C. V. Wedgwood: Der Dreißigjährige Krieg. Mit einer bibliographischen Note von Dieter Albrecht. München 1972
Weissenborn
Album Academiae Vitebergensis. Jüngere Reihe, Teil 1 (1602–1660). Textband, bearbeitet von Bernhard Weissenborn. Magdeburg 1934
Wels (1914)
K. H. Wels: Opitzens politische Dichtungen in Heidelberg, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 46 (1914), S. 87–95
Wernicke
Ewald Wernicke: Chronik der Stadt Bunzlau von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Bunzlau 1884
Wotschke, Gymnasium
Theodor Wotschke: Das Lissaer Gymnasium am Anfange des siebzehnten Jahrhunderts, in: Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen 21 (1906), S. 161–197
Zedler
[Johann Heinrich Zedler]: Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. 68 Bde. Halle / Leipzig 1732–1754
Zeeden, Hegemonialkriege
Ernst Walter Zeeden: Hegemonialkriege und Glaubenskämpfe 1556–1648. Frankfurt am Main u. a. 1977 (= Propyläen Geschichte Europas 2)
Zernecke
Thornische Chronica in welcher die Geschichte dieser Stadt von MCCXXXI . bis MDCCXXVI . aus bewehrten Scribenten und glaubwürdigen Documentis zusammen getragen von Jacob Heinrich Zernecke. Zweyte vermehrte Auflage. Berlin bey Ambrosius Haude MDCCXXVII
Zimmermann
Album Academiae Helmstadiensis, bearb. von Paul Zimmermann. Band I: Album Academiae Juliae. Abteilung I: Studenten, Professoren etc. der Universität Helmstedt von 1574–1636. Hannover 1926
Zonta
Claudia Zonta: Schlesier an italienischen Universitäten der Frühen Neuzeit 1526–1740. Diss. Stuttgart 2000
XXXIV
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
1
Texte und Übersetzungen
2
Dum patriam Musae
Queis non dehinc sedebit (Et queis sedebit?) patriam vel extorres Aliam sibi extra patriam licet quaerant.
*** In ALBUM cujusdam. Libertas animi gemmas contemnit et aurum, Et contenta suâ sat sibi vivit ope. At contra imperii duris mens subdita claustris, Cùm nil non habeat, se quoque serva caret.
*** Dum patriam Musae, pietas dum deserit orbem, Heermannus docta sistit Vtrasque manu, Hîc quem, Lector habes; quas si non sistere posset, Scriptis quae legimus redderet ille suis. Mart. Opitius.
***
Dum patriam Musae
3
Wer von nun an nicht fest entschlossen ist, unter einer Tyrannei zu leben (und wer wird es sein?), mag sich als Vertriebener eine andere Heimat außerhalb seiner Heimat suchen. [R.S.]
*** In jemandes Stammbuch. Geistige Freiheit verachtet Juwelen und Gold; mit den eignen Schätzen zufrieden genug, lebt sie bescheiden für sich. Aber dagegen ein Geist, den die Herrschsucht strenge verriegelt, Hat, ein Sklav’, nicht sich selbst, auch wenn er alles besitzt. [G.B.]
*** Die Andacht leßt die Welt/ die Musen vnser Landt/ Herr Heermann helt sie auff mit der gelehrten Handt. Der hier steht: wann sie dann auch solten schon verschwinden/ So würden wir sie doch in seinen Schrifften finden. M. O.
***
4
ORATIO FUNEBRIS B ARBARAE A GNETIS
ORATIO FU= NEBRIS, Honori et Memoriae CELSISSIMAE PRINCIPIS B ARBARAE A GNETIS Ducis Silesiae Lignicensis ac Bregensis, Conjugis SchaffGotschianae, etc. AD ILLUSTRISSIMUM EJUS MARITUM. Auctore M ARTINO O PITIO. V RATISLAVIAE , ex Officina Georgij Baumanni. Ann. M . DC XXXI . [A1v] ILLUSTRISSIMO DN. DN. JOHANNI ULRICO SCHAFF GOTSCH DICTO, DE ET IN KINASTO, GREIFFENSTEINIO ET KEMNICIO; SACRI ROM. IMPERII SEMPERLIBERO; BARONI TRACHENBERGAE ET PRAUSNICII, SCHMIDEBERGAE, GIRSDORFII, HERTWIGSWALDAE AC RAUSCHKAE DOMINO; D. CAESARIS CUBICULARIO ET BELLI DUCI; HANC LAUDATIONEM CONJUGIS EXCELSAE MEMORIAE ET ALLOCUTIONEM SUAM NON EX VOTO DEDICAT MARTINVS OPITIVS.
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[A2r] Nihil unquam tristius tibi excessu Celsissimae Principis Conjugis Tuae, de qua nullum antehac dolorem acceperas alium, Domine Illustrissime, renunciatum fuisse, nemini esse dubium credo, cui de amore illo compertum est, quo tenerrimo eam fidissimoque prosecutus es. Vt verò in tanti moeroris consortionem omnes illi, quos aut fortuna tua et virtus tibi amicos, aut bene merita clientes fecerunt, tecum rapti sunt: ita mei etiam, quem tu tot beneficiis tuum reddidisti,
ORATIO FUNEBRIS B ARBARAE A GNETIS
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Leichenrede zum ehrenvollen Andenken an die erhabene Fürstin Barbara Agnes, Herzogin von Schlesien-Liegnitz-Brieg, verheiratete Schaffgotsch usw. für ihren erlauchten Ehemann. Verfaßt von Martin Opitz. Breslau in der Druckerei von Georg Baumann, im Jahr 1631.
Dem erlauchten Herrn, Herrn Johann Ulrich, genannt Schaffgotsch von und zu Kynast, Greifenstein und Kemnitz, des Heiligen Römischen Reiches Semperfreien, Baron von Trachenberg und Prausnitz, Herrn von Schmiedeberg, Giersdorf, Hertwigswalde und Rauske, kaiserlichen Kammerherrn und Obristen; widmet diese Lobrede auf seine Gattin erhabenen Andenkens und seine Trostschrift nicht nach Wunsch Martin Opitz. Daß Euch niemals etwas Traurigeres als das Dahinscheiden der erhabensten Fürstin, Eurer Gattin, von der Ihr vorher keinen anderen Schmerz erfahren hattet, gemeldet wurde, bezweifelt, so glaube ich, niemand, der einmal von jener überaus zärtlichen und treuen Liebe erfuhr, mit der Ihr sie begleitet habt. Wie aber all jene, die Euch Euer Schicksal und Euer guter Charakter zu Freunden oder Eure Verdienste zu Klienten machten, mit Euch in so großer Trauer gewalt-
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ORATIO FUNEBRIS B ARBARAE A GNETIS
muneris erat, carmine quopiam vel scripto alio, quod et Principi Optimae honori, et tibi nonnihil levamento esset, animi mei tristitiam pariter et voluntatem obstrictissimam, prout possem testificari. Ac quamvis et gravissimum vulnus tuum leviore medicina vix coi-[A2v]turum et horum, quae ab eruditis proficiscuntur solatiorum rationem minoris identidem aestimari propterea scirem, quod ipsi qui mortem tantoperè commendant, moriendi caussas primi plerunque fugiant, nullasque me porrò res quae novae, quae magnae sint et augustae, quasque nunquam legeris ante, nunquam audieris, allaturum viderem: inter vestes tamen atratas, inversa insignia, forenses fletus, aliaque scenae lugubris ornamenta, quibus aliter quam tu affecti dolorem suum vel simulant, vel consumunt, laudibus etiam publicis et alloquio ejusmodi locum fore aliquem ratus, caussas reliquas neglexi. Tantum verò abest, ut acerbissimam hanc jacturam tuam (si jacturae nomen sufficit) elevare verbis aut deprimere velim: etiam quantum perdideris ostendam, et sub oculos ponere conabor aequissimum squaloris tui argumentum. Apage verò tritum illud et pervulgatum: Rem lachrimis dignam, pulcherrimum virtutum domicilium, nobilissimum animal hominem, vivum paullò [A3r] ante ac sensibus integris, elingvem nunc efferi ac immobilem, caligare igneos pridem oculos, nec manus officium suum facere nec pedes, et quae alia vulgus declamatorum ostentat. Neque de patria Principis Ornatissimae hîc adeò, aut familiae splendore laboramus; quamvis ad Utrumque si eundum est, paucae illam harum regionum provinciae exaequent, genus verò illius tot Reges suos, tot Principes numeret, quot alii in gente sua vix homines. Non ego, Silesia, divitias tuas, non agrorumne dicam, an ingeniorum? fertilitatem, non oppida splendidissima ac urbes, et reginam urbium Vratislaviam, caeterasque dotes, quae singula singulae regna commendarent, multis recensebo: post bella tot annos pugnata, post impressiones ac obsidia, post stationes militum perpetuas, frumentationes, stipendia et commeatus, post partium sive studia sive errorem, post famem et pe-
ORATIO FUNEBRIS B ARBARAE A GNETIS
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sam vereinigt wurden, war es auch meine Aufgabe, da Ihr mich durch so viele Wohltaten zu dem Euren gemacht habt, durch ein Gedicht oder eine andere Schrift, die sowohl zur Ehre der trefflichsten Fürstin als auch ein wenig zu Eurem Trost dienen sollte, gleichermaßen die Traurigkeit meines Herzens wie meine vollständig verpflichtete Gesinnung zu bezeugen, soweit ich es könnte. Obwohl ich wußte, daß Eure überaus schwere Wunde sich durch ein leichtes Heilmittel kaum schließen würde und daß die Art derjenigen Trostmittel, die von den Gebildeten ausgehen, deshalb immer weniger geschätzt wird, weil gerade diejenigen, die den Tod so sehr empfehlen, meist als erste die Ursachen des Sterbens fliehen, und obwohl ich sah, daß ich Euch außerdem nichts bringen würde, was neu, groß und erhaben wäre, was Ihr niemals vorher gelesen, niemals gehört hättet, meinte ich dennoch, daß unter schwarzen Gewändern, umgedrehten Insignien, öffentlichem Weinen und anderer Ausstattung einer Trauerszene, womit – anders als Ihr – Betroffene ihren Schmerz vortäuschen oder auskosten, auch für öffentliches Lob und Trost dieser Art ein Platz wäre, und habe die übrigen Gründe beiseite gelassen. Weit davon entfernt, diesen Euren bittersten Verlust (wenn das Wort Verlust ausreicht) mit Worten mildern oder verringern zu wollen, werde ich vielmehr zeigen, wieviel Ihr verloren habt, und versuchen, vor Augen zu führen, daß das, worum Ihr trauert, Eurer Trauer völlig angemessen ist. Fort aber mit diesem abgegriffenen und allbekannten „etwas, was der Tränen würdig, der schönste Sitz der Tugenden, das edelste Geschöpf, ein Mensch, der vor kurzem noch lebte und seine Sinne unversehrt besaß, wird nun, da er ohne Sprache und Bewegung ist, hinausgetragen; seine ehemals feurigen Augen sind blind, seine Hände und Füße versagen ihren Dienst“ und, was sonst die Masse der Redner anführt. Auch mit der Heimat der vortrefflichsten Fürstin oder gar mit dem Ruhm ihrer Familie mühen wir uns an dieser Stelle nicht ab. Wenn man jedoch auf beides eingehen soll, kommen wenige Provinzen dieser Gegend ihr gleich, zählt ihr Geschlecht so viele Könige, so viele Fürsten unter die Seinen wie andere kaum Menschen in ihrer Verwandtschaft. Ich werde, Schlesien, deinen Reichtum nicht nennen, nicht die Fruchtbarkeit, ob nun der Äcker oder der menschlichen Begabungen, nicht die berühmten Orte und Städte und die Königin der Städte, Breslau, und ich werde auch nicht die übrigen Gaben wortreich herzählen, die, jede einzeln für sich, einzelne Reiche auszeichnen würden. Nach den Kriegen, die so viele Jahre geführt werden, nach Überfällen und Belagerungen, nach der dauernden Stationierung von Soldaten, deren Fouragieren, Soldforderungen und Durchmärschen, nach dem, wonach die Parteien strebten oder worin sie irrten, nach Hunger und Pest und – was noch schlimmer als die Pest ist – Betrug und Schlechtigkeit der Münzer, nach der Erschütterung der privaten und öffentlichen Finanzen regst du, du Gute, nicht weniger deine Arme und zeigst durch deine große und notwendige Leidensfähigkeit und den ebenso gro-
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stem, ac peste ipsa graviores monetariorum fraudes et nequitiam, post solicitatas privatorum ac publicas rationes; lacer-[A3v]tos, o bona, non minus moves, et ruinas tuas rebus multorum adhuc integris virtute Dei firmiores esse, magna equidem ac necessaria patientia tua, nec minori invidia ostendis; hoc uno infelicior, quod reliquis malis tuis obitus tantae Principis accessit. Haec ut de patria salvis verecundiae legibus meritò dicuntur: ita lumina quaedam clarissimi generis, cui vitae quondam tuae sociam et decus unicum, Domine Illustrissime, debemus praeterire citra pudorem scientes vix possumus. Magnum Piastum imprimis, qui ante octingentos amplius annos et succrescentis familiae suae spem à contemptu, et libertatem publicam socordia priorum regum ac dissidiis labantem ab injuria homo licet novus, invicto tamen animo parique successu, vindicavit et asseruit. De sanctissima verò et rarissimi exempli faemina Diva Hedvvige quid memorem? cujus illatam sideribus incomparabilem pietatem nonnulli sacris colimus, aestimamus omnes. Eadem Henricum orbi dedit, qui ob merita sua et ex consensu ho-[A4r]minum Pii cognomentum adeptus est, cujusque caesi quamvis in acie tanta felicitas fecit, ut victores hostes fatali quadam animorum conversione haud secus ac victi trepidaverint, et tantum non turpi fuga retrocesserint. Sequitur hunc intervallo, si annos spectes, longo, si virtutem, exiguo socer tuus, Princeps tranquillitatis amantissimus, qui, cum virtutibus praeditus esset ingentibus, vel ob hoc gloria omni et praedicatione dignus est, quod inanes de religione disceptationes, quibus religio haud rarò amittitur, aut dissuasit suis, aut inhibuit veriùs ac sustulit. Illa sidera patriae serenissima, Celsissimos Fratres Johannem Christianum et Georgium Rudolphum, non tango; cum et merita eorum verbis etiam amplissimis complecti nequeam, et de vivis aliquid proferre sine blanditiarum suspicione ideò minus possim, quod alter gratiae me suae, alter aulae etiam ac convictus sui participem diu est cum fecerunt. Liberior de ea loquendi campus se aperit, quae sublata ex oculis mortalium nec a-[A4v]dulationi,
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ßen Neid auf dich, daß deine Trümmer durch Gottes Kraft immer noch robuster sind als der bislang noch unbeschädigte Besitz vieler, daß du nur in dem einen Punkt unglücklicher bist, daß nämlich zu deinen übrigen Leiden der Tod einer so bedeutenden Fürstin hinzugekommen ist. Wie dies mit Recht über das Vaterland gesagt wird, solange die Gesetze der Ehrfurcht ihre Geltung besitzen, so können wir an einigen leuchtenden Gestalten des höchst berühmten Geschlechtes, dem wir die Gefährtin und einzige einzigartige Zierde Eures bisherigen Lebens verdanken, durchlauchtigster Herr, wissentlich kaum ohne Verletzung des Respekts vorübergehen. An dem großen Piast insbesondere, der vor mehr als achthundert Jahren die Hoffnung seines nachwachsenden Hauses vor der Verachtung und die öffentliche Freiheit, die durch die Fahrlässigkeit früherer Könige und Spaltungen ins Wanken geriet, vor Unrecht bewahrte und rettete, vielleicht ein Emporgekommener, aber ein Mann von unbeugsamem Geist und ebensolchem Erfolg. Was soll ich an die reinste Frau von ungewöhnlichstem Vorbildcharakter erinnern, die heilige Hedwig? Deren unter die Sterne versetzte unvergleichliche Frömmigkeit verehren einige von uns im Gottesdienst und schätzen wir alle. Sie schenkte der Welt Heinrich, der wegen seiner Verdienste nach einhelligem Urteil der Menschen den Beinamen „der Fromme“ erhielt und dessen überaus großes Glück es bewirkte, obwohl er in der Schlacht fiel, daß die siegreichen Feinde durch einen schicksalhaften Stimmungsumschwung zitterten wie Besiegte und fast in schändlicher Flucht zurückwichen. Ihm folgte, wenn Ihr auf die Jahre seht, in großem, wenn Ihr auf die Tugend seht, in geringem Abstand Euer Schwiegervater, der Fürst, der den Frieden sehr liebte und der, obwohl er mit bedeutenden Fähigkeiten begabt war, besonders deswegen jedes Ruhmes und jeder Preisung würdig ist, weil er seinen Untertanen von den nutzlosen Erörterungen über die Religion abriet, durch welche die Religion nicht selten verloren geht, oder sie vielmehr verhinderte und verbot. Jene hellsten Sterne des Vaterlandes, die erhabensten Brüder Johann Christian und Georg Rudolf erwähne ich nicht, da ich ihre Verdienste selbst mit den gewaltigsten Worten nicht erfassen kann und über sie zu ihren Lebzeiten schon deshalb nichts vorbringen kann, ohne den Verdacht der Schmeichelei zu erregen, weil der eine mich an seiner Gunst, der andere an seinem Hof und seiner Tischgesellschaft bereits lange teilhaben ließ. Uneingeschränkter öffnet sich das Feld, über diejenige zu sprechen, die, nachdem sie den Augen der Sterblichen entschwunden ist, niemandem Raum zu Schmeichelei bietet, deren mich niemals jemand beschuldigt hat, und auch nicht zu Neid. Aber was soll ich tun? Wo soll ich bei einer so großen Menge so vieler Werte anfangen? Sollen wir, wie diejenigen, die irgendeine Stadt betreten, zuerst die Kirchen und heiligen Gebäude besuchen, so zunächst die Frömmigkeit der besten Fürstin betrachten, jenes Gefühl der Gerechtigkeit gegenüber Gott und die immer gewissenhafteste Verehrung, die sie dem höchsten Gott darbrachte?
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de qua me nemo unquam accusavit, patere ulli potest, nec invidiae. Sed quid faciam? Et unde in tanta tot bonorum copia ordiar? An ut urbem aliquam ingressi templa primum aedesque sacras, sic nos Principis Optimae pietatem, illam justiciam adversus Deum, prius contemplemur, et exhibitum Numini summo cultum semper religiosissimum? Certè haec laus adeò illi propria fuit, ut si quod nomen ex more usuque potentiorum accipere debeat, Piissimae titulum suffragio publico mereatur. Quae verò humanitas illius erat, quae mansuetudo et comitas? quantum aberat indulgentissima Principum à tetricitate eorum et fastidio, qui rarò nisi adulatoribus patent aut scelerum suorum consciis, nec aliter quam machinae bellicae adeundi sunt et tormenta, quorum usus igne ex pertica eminus admoto solicitandus est? Adde superbiae odium et frontem in tanta luce adhuc privatam; quae res cum omnes homines gratiosos reddat, fastigium hoc splendoris blanda humilitatis specie extollit. [B1r] Hanc porrò modestiam ipso corporis cultu exhibebat, splendido quidem eo ac foemina Principe digno, sed nec ad fastum et insolentiam, nec ad ingenium semper aut peregrinarum quibus levitas sua, aut nostratium quibus imitandi stultitia novam luxuriae faciem quotidie suggerit. Auxerat hanc morum suavitatem non mediocriter librorum amor, quos ut legant viri necessitate saepius, mulieres honesti subinde otii invitamento adducuntur. Horum illa tot ac tam varii argumenti cum nostro tum Gallico sermone conscriptos acri cura neque puellari judicio evoluerat, ut non iis solum quibus sive ignorantia, sive odio veritatis, sive contemptu rerum pulcherrimarum studia doctrinae sordent, verum etiam literas sectantibus admirationi esse potuisset ac exemplo. Sed nec magnanimitatem illius omiserim et constantiam singularem, quae cum genio sexus haud frequenter adhaereat, Princeps probitate caeterisque etiam virtutibus rarissima, sive à generis eam dignitate traxerat, sive ex te potius didicerat. Nam ut reges Musis dedi-[B1v]ti eruditos, avidi ferarum venatores, temulentos vinosi efficiunt: ita conjunx mariti amans, mores ejus, quos in oculis
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Sicherlich war ihr dieser Ruhm so sehr eigen, daß sie, wenn sie nach Sitte und Gebrauch der Mächtigen einen Beinamen annehmen müßte, den Titel „die Frömmste“ nach dem Urteil der Öffentlichkeit verdiente. Welch ein liebreiches Wesen besaß sie, welch eine Sanftmut und Freundlichkeit! Wie weit war die gütigste Fürstin entfernt von der abweisenden Haltung und dem Hochmut derer, die selten jemandem Zutritt gewähren außer Schmeichlern oder Mitwissern ihrer Verbrechen und denen man sich nicht anders nähern darf als Kriegsmaschinen und Geschützen, von denen man nur Gebrauch machen kann, indem man von fern mit Hilfe eines langen Stockes Feuer anlegt? Hinzu kommt noch ihre Abneigung gegen Stolz und eine Miene, die selbst in solchem Licht keinen fürstlichen Ausdruck annahm, eine Sache, die zwar alle Menschen angenehm macht, aber diesen Gipfelpunkt des Glanzes durch die liebliche Zier der Demut hervorhebt. Diese Bescheidenheit ließ sie außerdem in ihrer Garderobe erkennen, die zwar prächtig war und einer fürstlichen Frau angemessen, aber weder bis hin zum Hochmut oder zur Übertriebenheit noch zum Erfindungsreichtum der Ausländerinnen, denen ihre Leichtfertigkeit, oder unserer Frauen, denen ihr dümmlicher Nachahmungstrieb täglich eine neue verschwenderische Toilette anrät. Diese Süßigkeit ihres Charakters hatte in nicht unbeträchtlichem Maße ihre Liebe zu Büchern vergrößert. Sie zu lesen, dazu werden Männer häufiger durch die Notwendigkeit, Frauen aber oft durch den Anreiz einer ehrenvollen Muße gebracht. Von ihnen hatte sie so viele und so verschiedenen Inhalts in unserer, besonders jedoch in französischer Sprache verfaßte mit scharfsinniger Sorgfalt und nicht mit kindlichem Urteilsvermögen studiert, daß sie nicht nur denjenigen, für die, sei es aus Unwissenheit, sei es aus Abneigung gegen die Wahrheit, sei es aus Verachtung der schönsten Dinge, die Beschäftigung mit der Wissenschaft keinen Reiz besitzt, sondern auch denjenigen, die sich eifrig mit der Wissenschaft beschäftigen, zur Bewunderung und als Beispiel dienen konnte. Aber ich will auch nicht ihre Großherzigkeit übergehen und ihre einzigartige Standhaftigkeit, welche die in ihrer Redlichkeit und den übrigen Tugenden einzigartige Fürstin besaß, obwohl sie dem Genius des weiblichen Geschlechtes nicht oft anhaftet, und die sie sich entweder aus der Tüchtigkeit der Familie angeeignet oder vielmehr von Euch gelernt hatte. Denn wie Könige, die sich den Musen verschrieben haben, Gebildete hervorbringen, solche, die nach Wild begierig sind, Jäger, und Freunde des Weins Betrunkene, so nimmt auch eine Gattin, wenn sie ihren Ehemann liebt, seinen Charakter, den sie anfänglich nur vor Augen hatte, wenig später in ihr Herz auf. Diese unbeugsame Kraft ihres Herzens zeigte sie auch bei anderer Gelegenheit, ganz besonders aber in der überaus schwierigen Lage der Heimat, als sie die Staatsgeschäfte mehr mit Bitten und Gebeten als mit weiblichen Tränen begleitete. Mit welcher Duldsamkeit ertrug sie zu ein und derselben Zeit, als unser erhabener unbesiegbarster und siegreichster Kaiser Euch mit
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ferre cepit, paullò post admittit in animum. Hoc infractum pectoris sui robur cum aliàs, tum difficillimis praesertim patriae temporibus ostendit, precibus ad Deum potius et votis, quàm muliebribus lachrimis rempublicam prosecuta. Eadem qua patientia uno tempore ac eodem, cum rebus gerendis Augustus Noster, Invictissimus et Victoriosissimus Princeps, te sufficeret, et absentiam tuam tulit et suum morbum, lentum eum ac quotidie viribus aliquid decerpentem? Inter res tam dubias, dum peregrè tibi militiae, ut fit, incerta, illi nihilo remissius, atque etiam multò vehementius, domi valetudo instaret, quid dictum est ab illa aut factum cum indignatione ac gemitu? quid non prudenter, non moderatè eoque animo, ut conjugis quidem ac fideliter amantis affectum non exueret, tuam se tamen conjugem et virtutum tuarum in quantum patitur sexus aemulam simul esse cogitaret ac perpenderet? [B2r] Ita dum tu in armis animum habes, dum castra obis et vallum, dum ducem imperio te, militem exemplo praestas, ipsa langvoris interea sui taedium et molestiam, amorem vitae ac metum mortis, qui solus hostis facilius vincitur si contemnatur, expugnat, subigit, in triumpho ducit. Cum autem urgeret illud ultra quod vivis nihil reliquum est, quibus illa machinis, quo fulmine precum ac impetu coelum perrupit? quanta imperatrix fortissima allocutione obsequia circa se suorum solata, quantis vocibus quantoque nutu, cum praeter halitum nihil restaret, ad extorquendam sibi ab Optimo rerum Parente arcis illius editissimae deditionem, hortata est? Sic vincebat, dum exspiraret, et hoc quod mori vocamus, quodque tam benè diuque didicerat, eadem qua vixerat constantia absolvebat. Heu, Princeps Celsissima, quae si talis genere non esses, virtute fieres! heu tanti herois conjunx incomparabilis, anima merentissima! heu non liberorum modò tuorum, sed fidissima tot hominum ac patriae poenè ipsius alumna et mater, [B2v] illustrium matronarum decus et Ornamentum? Quis non oderit hanc animi mei inhumanitatem, si quid aliud quàm deflere nunc possem, non te, Barbara Agnes, quae ut laudes humanas nec quaeris nec curas, ita extra
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der Ausführung von Kriegstaten betraute, sowohl Eure Abwesenheit als auch ihre schleichende Krankheit, die täglich etwas von ihren Kräften fortnahm? In einer so unsicheren Lage, als schwankendes gesundheitliches Befinden Euch wie üblich außer Landes und sie zu Hause um nichts weniger, ja sogar noch heftiger bedrängte, was wurde da von ihr mit Unmut oder Seufzern gesagt oder getan? Was nicht klug, nicht bescheiden und in der Stimmung, daß sie zwar die Leidenschaft der treusorgenden Gattin nicht ablegte, aber gleichzeitig bedachte und erwog, daß sie Eure Gattin war und Euren Stärken nacheiferte, soweit dies das weibliche Geschlecht zuläßt? Während Ihr also Eure Überlegungen auf den Krieg gerichtet habt und Euch im verschanzten Lager aufhaltet, während Ihr Euch durch Euren Befehl als Führer und durch Euer Vorbild als Soldat auszeichnet, bekämpft sie unterdessen den Überdruß und die Gedrücktheit über ihre krankhafte Mattigkeit, die Liebe zum Leben und die Furcht vor dem Tod, dem einzigen Feind, der leichter besiegt wird, wenn man ihn verachtet, überwindet sie und führt sie im Triumph mit sich. Als aber der Zustand erreicht war, daß außer dem schieren Leben nichts mehr übrig war, mit welchen Geschützen, mit welcher Kraft und welchem Ansturm von Bitten bahnte sie sich den Weg in den Himmel! Mit welchem Zuspruch tröstete die tapfere Befehlshaberin das Gefolge der Ihren um sich herum, mit wie eindringlichen Worten und Winken, als nur noch ein Röcheln übrig war, feuerte sie dazu an, dem besten Vater der Welt die Übergabe jener höchsten Burg an sie abzutrotzen! So erfocht sie ihren Sieg, indem sie ihr Leben aushauchte, und vollbrachte das, was wir Sterben nennen und was sie selbst so gut und so lange gelernt hatte, mit der gleichen Standhaftigkeit, mit der sie gelebt hatte. Ach erhabenste Fürstin, wenn du es nicht der Abstammung nach schon wärst, wärest du es durch deine Tugend geworden! Ach unvergleichliche Gattin eines so großen Helden, verdienstvollste Seele! Ach treueste Nährerin und Mutter nicht nur deiner Kinder, sondern so vieler Menschen und beinahe des Landes selbst, Zierde und Schmuck der angesehensten Frauen! Wer haßte nicht die Gefühllosigkeit meines Herzens, wenn ich jetzt etwas anderes tun könnte als beweinen, aber nicht dich, Barbara Agnes, die du menschlichen Ruhm nicht suchst und dich auch nicht darum kümmerst und so außerhalb der Trauer stehst und, wenn auch zu früh, dann doch zu dem dir bestimmten Zeitpunkt glücklich aus dem Leben geschieden bist, sondern deinen Ehemann, der, nachdem er ein beispielhaft angenehmes Leben ohne jede Klage an deiner Seite geführt hat, nun nach dem Verlust seiner Lebensstütze für uns nur noch Tränen, für sich aber nur ein Schweigen, das schwerer lastet als Tränen, und entsetzlichen Schmerz übrig sieht; sondern die tief ersehnte Hoffnung deiner fünf Kinder, deren jüngeren wir um so größeres Mitleid schulden, als sie den Verlust, daß du, ihre gute, liebevolle und treusorgende Mutter, ihnen entrissen wurdest, noch nicht wahrnehmen oder nicht hinreichend einschätzen können; sondern so viele
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luctum posita, quamvis morte immatura, tuo tamen tempore felix decessisti; sed maritum, qui cum ad exemplum suaviter et sine querela omni tecum advixerit, nunc amisso vitae suae allevamento nobis lachrimas, sibi lachrimis majus silentium et immanitatem doloris relictam videt; sed quinque liberorum spem desideratissimam, quorum aetate minoribus misericordiam magis debemus, quod erepta te matre tam bona, pia, fideli, jacturam tantam sive nondum sentire, sive aestimare satis non possunt; sed tot subditos, quos affectu quam pro magistratu majore fovebas, amabas, tuebaris; sed tot pauperes ac egenos, quorum tu refugium extitisti et asylum; sed omnium ordinum homines, quibus virtute exemplo, patientia in adversis solatio eras? De eruditis hominibus dicendum extra ordinem est, quos [B3r] aut ipsos clementia tua et affatu dignabaris, aut quorum in scriptis quantum foeminae datum est multa eras et diligentiae sanè accuratae. Quo in numero, quamvis hoc adjici et dignitas tua et mea modestia vix patitur, quod et mei ingenioli hallucinationes atque conatus iuveniles habere ac loco quidem non postremo volueris, Domina, hanc ego partem felicitati, si qua est meae aliquam esse jure semperque duxi. Have, have, anima beatissima, et aeternum vale! Nos eo ordine, quo Deus et Natura jusserit, sequemur. Interea gratam tui memoriam, quod possumus, et desiderium damno tam flebili dignum nunquam non fovebimus. Ita quippe Principem Optimam de iis quos aut generis illi necessitudo, aut fortunae bonitas, aut clementia ipsius et humanitas junxerat, ita, inquam, de singulis eam ac universis meruisse libentes meritoque confitemur. Si quis sensus inesse rebus ejusmodi potest, ipsi hi campi et agelli, hi oculi Silesiae praedia domestica, haec supercilia distantium procul montium, hae silvae, haec prata [B3v] Dianam suam, matrem, dominam, spem, decus, et quid non? pallenti aspectu moestoque prosequi, nec magis autumni adultioris vitio, quam discessu ejus decoris sui expertes ac nudati; hae thermae verò, suasu ejus potissimum et auspiciis, nympheo novo et facie nitidiori exornatae, calidas, non aquas, sed lachrimas protrudere largius et effundere videntur. Ad te, Domine Illustrissime, libe-
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Untergebene, die du mit Wohlwollen hegtest, liebtest, schütztest, als ob es eine höhere Aufgabe wäre; sondern so viele Arme und Bedürftige, deren Zuflucht und Asyl du warst; sondern Menschen aller Stände, denen du durch deine Vollkommenheit Vorbild, durch deine Duldsamkeit im Unglück Trost warst! Über die Gebildeten ist außer der Reihe zu sprechen, die du entweder persönlich deiner Milde und Ansprache für Wert hieltest oder mit deren Schriften du dich viel, soweit es einer Frau gegeben ist, und mit recht großer Sorgfalt beschäftigt hast. Daß du zu dieser Zahl, und zwar nicht an letzter Stelle, – jedoch dulden deine Würde und meine Bescheidenheit kaum, dies hinzuzufügen – auch die Phantastereien und jugendlichen Versuche meines geringen Talents zählen wolltest, Herrin, dies habe ich zu Recht und immer für einen bedeutenden Teil meines Glückes gehalten, wenn es denn eines gibt. Gesegnet, gesegnet seist du, glückseligste Seele, und lebe wohl auf ewig! Wir werden in der Reihenfolge, in der es Gott und die Natur befehlen, nachfolgen. In der Zwischenzeit werden wir, wie wir es vermögen, die angenehme Erinnerung an dich und die Sehnsucht, die einem so beklagenswerten Verlust angemessen ist, beständig bewahren. Jawohl, wir werden gern und zurecht verkünden, daß sich die trefflichste Fürstin so sehr um diejenigen, welche die Familienzusammengehörigkeit oder die Güte des Schicksals oder ihre eigene Milde und Menschlichkeit mit ihr in Verbindung gebracht hatten, so sehr, sage ich, um einzelne wie um alle zusammen verdient gemacht hat. Wenn Dingen dieser Art eine Empfindung innewohnen kann, scheinen selbst diese Felder und Grundstücke, diese Augensterne Schlesiens, die privaten Landgüter, diese Anhöhen weit auseinanderstehender Berge, diese Wälder und diese Wiesen ihre Diana, Mutter, Herrin, Hoffnung, Zierde und, was nicht alles, mit bleichem und traurigem Aussehen zu Grabe zu tragen, wobei sie weniger wegen eines allzu frühen Herbstes als wegen deren Tod ihres Schmucks entkleidet und entblößt sind, scheinen aber diese Thermen, die vorzüglich auf deren Rat und unter deren Leitung ein neues Brunnenhaus und ein glänzenderes Aussehen erhielten, nicht heißes Wasser, sondern heiße Tränen allzu reichlich hervorströmen und -sprudeln zu lassen. Auf Euch, erlauchtester Herr, und auf Eure Kinder, die zur Hälfte schon Waisen sind, richtet sich dieser Schmerz besonders. Ihr seid einer Gattin beraubt, die ein leuchtendes Vorbild gab, Ihr seid vereinsamt und verlassen von der Gefährtin Eures Lebens und Eurer einzigen Freude und habt dadurch eine solche Wunde empfangen, wie sie selbst die stärksten und dem Euren ähnliche Gemüter in jedem Fall beugen muß, wie sie Trostgründe und -regeln nicht zuläßt oder durch die Größe und die Ursachen ihres Schmerzes niederhält und zurückweist. Welches Maß sollte es für die Trauer geben, wenn Ihr jene Annehmlichkeit im Umgang, jene gleichermaßen anmutigen und klugen Gespräche, jene Augen, die ganz auf Euch gerichtet waren, jene Sanftmut und Bescheidenheit, jenen männlichen Geist in einem weiblichen so
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rosque tuos, parte jam dimidia pupillos, dolor hic imprimis spectat. Tu privatus conjuge insignis exempli, socia vitae et deliciis unicis orbatus ac destitutus, tale vulnus accepisti, quale et maximos tuoque similes animos non debet non incurvare, et rationes solatii ac leges aut non admittit, aut doloris sui pondere caussisque premit ac refutat. Quis enim modus sit luctui, cum illam convictus suavitatem, illos sermonis lepores pariter et prudentiam, illos tui observantissimos oculos, illam mansuetudinem ac modestiam, illum in corpore muliebri, venusto eo ac delicato, virilem animum, in sum-[B4r]ma omnia virtute plenissima, cogitatione seria complecteris? Certè istuc nihil dolere non sine nota contingeret immanitatis, à qua tu longissime semper abfuisti. Potuit et hoc tristitiam tuam nonnihil augere, quod adesse valedicenti, viribus labefactam vel consilio reficere vel alloquio solari, voluntatem ejus novissimam et monita excipere, ac errantem deficientis spiritum legere, cum ob necessariam absentiae conditionem, tum quod morbi remissio meliora promittere videbatur, non contigerit; et quae alia exulceratis mentibus tristitiae ingenium partim, partim amissi desiderium facilè suggerit. Huic tanto et tam aequo moerori tuo ut ex satietate illius et ex die longa, quae dolorem etiam contumacissimum absorbet, remedium tibi aliquod, majus ab animi tui fortitudine promittimus: ita et reliqua quibus in argumentum uti hîc solemus, quaeque finem luctus faciendum potius quam exspectandum suadent, ante oculos tibi propones, et meditatione profutura cogitabis. A clemente vos nimirum Dei Optimi Maximi manu, cujus beneficio et illam tenuisti, et [B4v] caeteris rebus auctus es, disparatos esse. Audire eum vota equidem nostra, sed in quantum nobis utile: et de hoc illi unicè constare. Ideò nos intrasse in hanc scenam, ut exiremus. Et quot millia omnibus momentis nascuntur, quot moriuntur? Non magis profectò idem nos aër, quam eadem involvit Necessitas, cuius Deae colus ex adamante exhibetur apud divinum Platonem; – cujus cursus aversi impetum Voluerunt multi effugere, nemo potuit; quae cum lex temporis sit, omnique arte efficacior, omni ratione fortior, nec rationes humanas nec leges ullas admittit. Revocatis sub censum viritim capitibus, aut tributis pro republica paullò vehementius impositis, nonne illi succenseamus, qui aut muneris sui, aut ordinis beneficio, aequam se caussam, cur dantibus cunctis immunis esse velit, invenire posse credat ac autumet? Atqui vectigal hoc vitae non minus ad Principes pertinet quam ad eos, qui si vobiscum ex rerum humanarum usu comparentur, vix numeri sunt. [C1r] Quot verò existunt, qui non mortem solum non fugiunt, sed et qui optant ac, quod majus est, provocant? aut quibus non modis abire non discimus, sed tentamus? Helluones
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reizenden und verführerischen Körper, kurz: alles in größter Vollkommenheit, in ernsthaftem Nachdenken erfaßt. Darüber keinen Schmerz zu empfinden wäre sicherlich ohne das Schandmal der Unmenschlichkeit nicht möglich, von der Ihr Euch schon immer ganz weit entfernt hieltet. Auch der Gedanke konnte Eure Trauer noch vergrößern, daß es Euch nicht vergönnt war, ihr beizustehen, als sie davonging, sie, die von ihren Kräften verlassen war, durch klugen Rat aufzurichten und durch Zuspruch zu trösten, ihren letzten Willen und ihre Mahnungen zu empfangen und den schwindenden Atem der Sterbenden aufzufangen, zum einen wegen der unbedingt erforderlichen Abwesenheit, zum anderen aber, weil das Nachlassen der Krankheit Besserung zu verheißen schien, und, was sonst verwundeten Seelen leicht teils die natürliche Neigung zur Trauer, teils die Sehnsucht nach dem Verstorbenen eingibt. So wie wir Euch für Eure große und so gerechtfertigte Trauer aus ihrer Sättigung und der langen Dauer, die selbst den beharrlichsten Schmerz aufzehrt, eine gewisse Linderung, eine größere aber von der Stärke Eures Herzens versprechen, werdet Ihr Euch das übrige, was wir hier zur Überzeugung anzuführen pflegen und das dazu rät, das Ende der Trauer lieber zu setzen als abzuwarten, vor Augen führen und in nützlicher Betrachtung durchdenken: Daß Ihr natürlich durch die gütige Hand des höchsten und besten Gottes getrennt worden seid, durch dessen Wohlwollen Ihr sie auch erhalten habt und mit den übrigen Vorzügen überhäuft worden seid. Daß er zwar unsere Gebete erhört, aber nur, insoweit es für uns nützlich ist, und daß hierüber er einzig befindet. Daß wir diese Bühne zu dem Zweck betreten haben, um sie wieder zu verlassen. Und wieviele Menschen werden auch jeden Augenblick geboren, wieviele sterben! Genauso wie dieselbe Luft umgibt uns nach meiner festen Überzeugung dieselbe Notwendigkeit, die Göttin, deren diamantene Spindel beim göttlichen Platon beschrieben wird: Dem Schwung ihrer gegenläufigen Drehung wollten viele entkommen, aber keiner vermochte es. Weil dieses Gesetz der Zeit wirksamer als jede Kunst und stärker als jede Vernunft ist, läßt es weder menschliche Vernunftgründe noch Vorschriften zur Anwendung kommen. Wenn die Männer einzeln zur Zählung aufgerufen und die Abgaben für den Staat etwas zu hoch festgesetzt wurden, sind wir dann etwa nicht einem böse, der kraft seines Amtes oder seines Standes glaubt und meint, einen gerechten Grund finden zu können, weshalb er steuerfrei sein will, während alle anderen geben? Gleichwohl trifft diese Abgabe des Lebens nicht weniger die Fürsten als diejenigen, die, wenn man sie nach dem Gebrauch der menschlichen Güter mit Euch vergleicht, kaum von Bedeutung sind. Wieviele aber gibt es, die den Tod nicht nur nicht fliehen, sondern sogar herbeiwünschen und, was noch schwerer wiegt, herausfordern! Oder auf welche Weise – ich will nicht sagen: lernen wir zu sterben, sondern: probieren wir es aus!
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vinum, frugales aqua strangulat. Et nonne qui clam inimici sunt, poculis urgent ut alteri malè faciant; qui amici, ut bene: Utrique verò necant, et necantur? Quid autem cum illis agas, quibus totum vitae spacium aut ludo, aut somno, aut inerti silentio transigitur? quibus animus inter uvas hybernas et glaciem aestivam, inter quietem ac laborem voluptatis, hac assuetudine deliciarum adeò obbrutuit, ut stentne an sedeant alteri credant? Mihi verò hi mortui omninò videntur antequam vivere desierunt; et eò magis quidem, quod de morte plerumque non cogitant. Adde carceri perpetuo aut voluntariae solitudini mancipatos: adde quos vel alienum arbitrium exilio, vel suum peregrationibus continuis destinavit, qui à patria ac conspectu suorum aequè remoti sunt ac illi qui amplius non sunt. Adde qui navigant, qui-[C1v]bus in aqua vita est, quos Bias neque inter mortuos esse neque vivos ajebat, quorumque sors, quantum corpus concernit, vel ideò flebilior videtur, quod monstrumne piscis pro sepulchro, an arenam et littus habituri sint ignorent. Quid de vobis militiam sectantibus dicam, qui, dum sedentarius aliquis ac umbraticus domi et intra parietes suos de virtute vestra ex fortuna belli, aut de belli caussis ex eventu judicat, dum de mora, cur castra in hunc diem non moveantur, aut de consilio, cur oppidum unum dedatis ut capiatis alterum, rei gnarus scilicet ac prudens censor, calculum ponit, vos sudore vestro ac sangvine libertati patriae litatis, et publicam morte spontanea tranquillitatem repraesentatis. Et hac sive eminendi prurigine, sive rerum novarum studio, sive, qui tuus animus est, amore patriae ac libertatis, ne clades privatorum militum incredibiles referam, quam magni duces interciderunt, quot principes familiae sublatae, aut circumscriptae et ad spem posteritatis exiguam redactae sunt? [C2r] Nec integrorum tibi populorum exempla referam, qui et suorum mortem tulerunt modestissimè, et in suam despectu vitae pariter ac spe immortalitatis magno ac excelso animo consenserunt: quales è Pythagorae ac Zamolxidis sui schola Dacos videre in columna Trajana expressos Romae potuisti. Et profectò parum abest, quin quem mortuum esse querimur, queramur et hominem fuisse; cum non alia lege
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Die Prasser erstickt der Wein, die Biederen das Wasser. Setzen nicht falsche Freunde einem Mitmenschen mit Weinbechern zu, um ihm zu schaden, Freunde aber, um ihm Gutes zu tun? Und töten nicht in Wahrheit beide und werden auch getötet? Wie aber verfährt man mit denen, die ihre gesamte Lebenszeit mit Spiel oder Schlaf oder untätigem Schweigen verbringen, deren Verstand bei Trauben im Winter und Eis im Sommer, bei der Ruhe und der Mühsal ihrer Lust durch diese Gewöhnung an das Vergnügen so sehr an Kraft verloren hat, daß sie die Entscheidung, ob sie stehen oder sitzen, einem anderen übertragen? Mir aber scheinen sie gänzlich tot zu sein, bevor sie zu leben aufgehört haben, und zwar um so mehr, als sie über den Tod meist nicht nachdenken. Nimm die hinzu, die lebenslanger Haft oder selbstgewählter Einsamkeit anheimgegeben sind, nimm diejenigen, die fremder Richterspruch zu Verbannung, oder die, welche eigener zu fortwährenden Reisen verurteilte. Sie sind dann von ihrer Heimat und dem Anblick der Ihren ebenso weit entfernt wie diejenigen, die nicht mehr leben. Nimm die hinzu, die zur See fahren, deren Leben vom Wasser abhängt, die Bias weder zu den Toten noch zu den Lebenden zählen wollte und deren Schicksal, soweit es den Körper betrifft, deswegen bejammernswerter erscheint, weil sie nicht wissen, ob sie in einem Seeungeheuer oder in Sand und Gestade begraben sein werden. Was soll ich über euch sagen, die ihr Kriegsdienst leistet? Während irgendjemand, der zu Hause in seinen vier Wänden im Schatten sitzt, über eure Tapferkeit nach dem Kriegsglück oder über die Kriegsgründe nach dem Ausgang urteilt, über die Verzögerung, weshalb man zu einem bestimmten Termin nicht aufbricht, oder über die Überlegung, weshalb ihr eine Stadt preisgebt, um eine andere einzunehmen, – natürlich als kundiger und kluger Kritiker – eine Berechnung anstellt, kämpft ihr mit eurem Schweiß und eurem Blut für die Freiheit der Heimat und gewährleistet die öffentliche Ruhe durch euren freiwilligen Tod. Welch große Führer gingen – ich werde nicht das unfaßbare Unglück einzelner Soldaten aufzählen – durch diesen Reiz sich auszuzeichen oder den Drang zu Umsturz oder, wie es Eurer Gesinnung entspricht, die Liebe zu Heimat und Freiheit zugrunde! Wieviele fürstliche Familien wurden dadurch ausgelöscht oder dezimiert oder auf eine geringe Hoffnung auf die Zukunft reduziert? Ich werde Euch nicht Beispiele von ganzen Völkern anführen, die sowohl den Tod der Ihren höchst gelassen hinnahmen als auch gleichermaßen aus Verachtung des Lebens wie aus Hoffnung auf Unsterblichkeit mit großem, ja außerordentlichen Mut in den eigenen einwilligten, wie Ihr die Daker aus der Schule des Pythagoras und seines Zamolxis, die auf der Trajanssäule dargestellt sind, in Rom habt sehen können. Tatsächlich fehlt nur wenig daran, daß wir, wenn wir beklagen, daß jemand gestorben ist, zugleich beklagen, daß er ein Mensch war, obwohl wir ja unter keinem anderen Gesetz geboren wurden als unter dem, daß wir sterben. Dieselbe Vernichtung macht ganze Städte und Staaten dem Erdboden
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nati simus, quam ut moriamur. Idem interitus urbes integras et civitates solo aequat, ac cum ipso saepè nomine etiam memoriae mortalium eximit. Neque tibi vel Carthaginem aliquam, vel Hierosolymas, vel ambarum victricis Romae cadaver, aut quicquid hujus apud veteres sive bellis, sive hiatibus, sive pace noxia et rebus secundis exitiosa luxurie perditum fuit, proponere decrevi. Earum mihi urbium casus ac vices contemplare, quibus vel per haec nostrae tempestatis bella post homines natos acerrima aut reipublicae facies mutata est, aut imminuta libertas, vel quae ipsae pessundatae omninò, abolitae [C2v] ac eversae sunt. Quod si Santonum portus Rupellae, post famem, pestem ac immane tormentorum fulmen aggere stupendi operis fatigatae, si aut Hispanorum Silva Ducis, aut Breda Batavorum, si gemma Italiae Mantua vel remotius distant quàm ut ad nos pertinere censeantur, vel fatum mitius expertae sunt; quis non miretur, illam Saxonum nuper florentissimam ad Albim coloniam, tantis spatiis porrectam, tot templis ac aedificiis exornatam, tanto fortitudinis nomine claram ac divitiarum, nullum hujusmodi casum tantoperè exspectantem, die non integro, strage civium ac praesidij maxima, afflictam adeò misere feralis vastatione cladis atque prostratam esse, ut agnitione sui ex omni parte perdita non aliud deinde celebrius exemplum fragilitatis humanae extiturum usquam gentium putemus? Aut si urbes tibi nondum satisfaciunt, quantum regiones integrae, integrae provinciae mutare soleant, eadem haec tempestas nostra argumento erit non obscuro. Haec lusoria Dei pila, haec communis omnium mater, [C3r] quae nascentes nos excipit, natos alit, mortuos tegit, quam avaritia nostra lacerat, immanitas cruentat, cui Mathematicorum nostrorum ingenia facultatem standi omnem ac otium exemerunt, Oceani et ignis injurias, vices varias et quasi morbos sentit, damnumque quod tremoribus saepe suis facit ac motu, ipsa accipit. Nec iis quae supra nos cernimus invideamus: aër ventorum, nubium ac pluviae spolium est: Sol oritur et occidit: Luna deficit, interdum etiam laborat: sidera et sedem pristinam amittere videntur et splendorem, utque allevamento nobis aliquo sint, divina etiam mori-
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gleich und löscht sie sogar oft zusammen mit ihrem Namen aus dem Gedächtnis der Menschen. Ich habe mich auch entschlossen, Euch kein Karthago oder Jerusalem und auch nicht den Leichnam Roms, das beide besiegte, oder etwas von dem vor Augen zu führen, was bei den Alten durch Kriege oder Einsturz oder durch einen schädlichen Frieden und verderbliche Verschwendung in glücklichen Zeiten zugrunde ging. Betrachtet mir das unglückliche Schicksal der Städte, für die sich durch diese Kriege unserer Zeit, die bittersten seit Menschengedenken, die Form der staatlichen Ordnung veränderte oder die Freiheit verringerte oder die selbst vollständig zugrunde gingen, vernichtet und zerstört wurden! Wenn aber der Hafen der Santonen, La Rochelle, das nach Hunger, Pest und dem entsetzlichen Feuer der Geschütze durch die Aufschüttung eines staunenswerten Schanzwerkes zermürbt wurde, wenn das spanische Herzogenbusch oder das niederländische Breda, wenn Mantua, die Perle Italiens, zu weit entfernt sind, als daß man meinen könnte, sie gingen uns etwas an, oder ein allzu mildes Schicksal erfahren haben, wer sähe dann nicht mit Staunen, daß jene einst blühendste Ansiedlung der Sachsen an der Elbe, die sich über eine so große Fläche erstreckte, so viele Kirchen und Gebäude besaß, durch solchen Ruhm ihrer Tapferkeit und ihres Reichtums bekannt war, ohne jede Vorahnung eines solchen Unglücks, an nicht einmal einem ganzen Tag in einem wilden Gemetzel an den Bürgern und der Besatzung durch die Verheerung einer verderblichen Niederlage so elend zugerichtet und niedergeworfen wurde, daß wir, da die Möglichkeit, das Eigene wiederzuerkennen, gänzlich verloren war, vermuten, daß es niemals mehr irgendwo auf der Welt ein deutlicheres Beispiel menschlicher Vergänglichkeit geben wird? Oder wenn Euch Städte noch nicht genügen, wird diese unsere Zeit keineswegs undeutlich zeigen, wie sehr sich ganze Gegenden, ganze Provinzen zu verändern pflegen. Dieser Spielball Gottes, diese allen gemeinsame Mutter, die uns bei der Geburt aufnimmt, nach der Geburt ernährt, nach dem Tod zudeckt, die durch unsere Gier verletzt und durch unsere Bestialität verwundet wird, der die Einfälle unserer Astronomen jede Möglichkeit zu festem Stand und jede Ruhe genommen haben, muß das Toben des Meeres und des Feuers, Wechselfälle verschiedener Art und gleichsam Krankheiten hinnehmen und fügt sich den Schaden, den sie häufig durch Erschütterung und Beben für ihre Kinder erzeugt, selbst zu. Auch das, was wir über uns erblicken, können wir nicht beneiden: Die Luft ist die Beute der Winde, der Wolken und des Regens. Die Sonne geht auf und unter. Der Mond nimmt ab, manchmal wird er sogar verdeckt. Die Sterne scheinen ihren angestammten Platz und ihren Glanz zu verlieren und sterben, obwohl sie göttliche Wesen sind, um uns irgendwie zu trösten. Aber von wem wurde nicht Hylas gerufen? Dies wird stärker in Euer Herz eindringen, erlauchtester Herr, wenn Ihr das Elend des Jahrhunderts, durch dessen Anblick Eure erhabenste Gattin gequält wurde, das wir spüren oder sogar fürch-
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untur. Sed Cui non dictus Hylas? Illud fortius animum intrabit, D!omi"n!e" Ill!ustrissi"me, si mala saeculi, quorum aspectu Celsissima Conjunx tua macerabatur, quaeque aut sensimus aut adhuc timemus, agitabis animo ac contemplaberis. Fuit, fuit illud tempus, cum sera nostrorum aetas inter vota nostra eminebat, cum pulcherrimum bonorum quae alter alteri precabamur fastigium erat senectus. Nunc quorum morti aut necessitudinis, [C3v] aut conjugii, aut humanae amicitiae lege non favemus; illi saltem quo minus reservati in haec tempora invideamus satis caussae est. Nam dic, per Deum te oro, quis vitae vel amor vel usus esse nunc amplius potest, postquam hic furor armorum non improbis solum et de malo publico viventibus, sed et quos studiosos ac bonos viros judices, odiis internecivis invasit? postquam aliis bellum inferentibus, aliis illatum defendentibus, humana atque divina, publica et privata miscentur, convelluntur? postquam totus orbis terrarum una arena est? Et quid anima innocentissima per proximos duodecim annos, grande vitae suae spatium, non vidit? quis tot clades, tot studia pacem miserè nolentium, tot artes malas (quas Politici rationem status praesentis, Christiani neglectum salutis aeternae vocant) cautè satis ac ex vero descripserit? Vbique doloris, ubique indignationis ac querelarum argumenta sunt. Tacita primò suspicionum nec caussae satis apertae ultra custodes prae[C4r]diorum tuorum montes Hercinios ad bellum sese ejusmodi erumpentes, ut Deus in omne nomen inde Germanum poenas immisisse videatur. Obsessi fluviorum nostrorum principes Rhenus ac Danubius, et circa hunc captivi multa millia liberorum capitum abducti in colonias ejus tyranni, qui quod nondum in partes traductus fuit, cum Persae debemus, tum fatis hoc adhuc vetantibus. Caetera abundè sive hostium, sive auxiliariorum. Motus tempestivè Dacus, ac per istum Pannonia. Acceptae à Sarmatis suppetiae, ac ad eos missae. Hinc Hispani fortitudo; inde molitio Britanni; Galli domi turbae, foris conflictus, utrobique circumspectio: quos magnos Reges sive sangvinis vincula, sive rationes aliae, ma-
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ten, durchdenkt und betrachtet. Es gab, es gab einmal eine Zeit, als ein langes Leben der Unsrigen in unseren Gebeten eine herausragende Rolle spielte, als das schönste und höchste der Güter, die wir einer für den anderen erbaten, ein hohes Alter war. Daß wir nun aber zumindest diejenigen, denen wir den Tod aus Gründen der Verwandtschaft, der Ehe oder der Freundschaft unter Menschen nicht wünschen, um den Tod beneiden, dafür haben wir jetzt ausreichend Grund, da wir für diese Zeiten aufgespart wurden. Denn sagt, ich bitte Euch um Gottes willen, wie kann es weiterhin Liebe zum Leben oder seine Fortführung geben, nachdem dieser Waffenwahn nicht nur die Bösen und die, welche vom allgemeinen Unglück leben, sondern auch die, welche man für eifrige und anständige Männer hält, mit tödlichem Haß erfaßte? Nachdem den einen, weil sie den Krieg beginnen, den anderen, weil sie sich gegen einen Angriff verteidigen, alles Menschliche und Göttliche, alles Öffentliche und Private in eins gemengt und wieder auseinandergerissen wird? Nachdem die ganze Welt ein einziger Kampfplatz ist? Und was hat die unschuldigste Seele die letzten zwölf Jahre hindurch, einen großen Abschnitt ihres Lebens, nicht gesehen? Wer könnte so viele Verluste, so viel Eifer von Leuten, die den Frieden nicht wollen, so viele üble Künste (welche die Staatstheoretiker als eine Angelegenheit des bestehenden Zustands, Christen aber als eine Mißachtung des ewigen Heils bezeichnen) vorsichtig genug und wahrheitsgemäß beschreiben? Überall sind Gründe für Schmerz, überall Gründe für Entrüstung und Klagen. Zunächst sind da Verdachtsmomente, über die man nicht spricht, und Angelegenheiten, die noch nicht recht erkennbar sind, die aber jenseits der Wächter Eurer Ländereien, den Hercynischen Bergen, in einen Krieg solcher Art ausbrechen, daß Gott von dort Strafen auf alles herabgeschickt zu haben scheint, was deutschen Namen trägt. Besetzt sind unsere beiden bedeutendsten Flüsse Rhein und Donau, und zu beiden Seiten der Donau sind viele tausend freie Menschen als Gefangene dem Machtbereich jenes Tyrannen zugeführt worden. Daß er noch nicht zur Kriegspartei gemacht wurde, verdanken wir dem Perser, besonders aber dem Schicksal, das dies bisher verhindert. Alles Übrige ist voll von feindlichen und verbündeten Truppen. Früh hat sich der Siebenbürger erhoben und seinetwegen Ungarn. Von den Polen wurde Beistand akzeptiert und zu ihnen geschickt. Hier die Tapferkeit des Spaniers, dort die Rüstung des Engländers. Beim Franzosen gibt es im Land Unruhen, außerhalb Konflikte, auf beiden Seiten vorsichtiges Taktieren. Diese bedeutenden Könige führten Blutsbande oder andere bedeutende und gewichtige Gründe hierher. Damit nicht über die Kroaten und Ungarn gesprochen wird, setzen wir den Norden in Bewegung und, als ob die Scharen unserer Völker nicht für Tod und Verwundung ausreichten, atmet selbst das Eismeer Krieg aus. Auch verbleiben wir nicht bei den lebenswichtigen Teilen Deutschlands. Angegriffen wurden die Niederländer, und das Volk, das Gefah-
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gnae eae gravesque, huc invitarunt. Neque de Croatis dicatur ac Hunnis Thulen movemus, et, tanquam nostrarum gentium manus ad caedes et vulnera non sufficiant, ipse glacialis Oceanus Martem spirat. Nec in vitalibus Germaniae haesimus. Tentati Batavi, et populus discriminum con-[C4v]temptor in maximum conjectus: erepta Chersonesus Cimbrica: vallis Telinae fauces, et pylae Rhaetorum captae ac juga: ductae in Italiam legiones, quas volasse dicas, non iter fecisse; aliaque de quibus credere Posteritati, cui successus praegloriosissimi Imperatoris ante caetera commendabuntur, arduum erit ac difficile. Inter has ruinas patriae, inter bella ad quae impetu nunc etiam prorumpimus quanto possumus maximo, inter usurpationes victis ac victoribus graves, quid fuisse credis, Domine Illustrissime, quod charissimam conjugem tuam, Principem beatissimam, ad vivendum amplius allicere potuisset? An vita ipsa? Ut scilicet casus simul ejus et molestias morborum, ac quicquid nullis divitiis, virtute nulla ac artibus effugimus, diutius experiretur. Male Maecenas: Vita si superest, benè est: Hanc mihi, vel acutam, Si das, sustineo crucem. Malè Domitius Tullus, qui cum vi morbi omnibus membris extortus et fractus, [D1r] ne in lectulo quidem nisi manu aliena moveretur, ac digitos servorum suorum, ut ajebat ipse, quotidie lingeret, caussas tamen cur vivere vellet inveniebat. At nec felicissimis vita suavis est, nec probissimis innoxia. An verò tu tuique, si hoc in potestate nostra situm esset, detinere ipsam debuissetis? Scimus excessu illam suo orbitatem tibi et curas reliquisse gravissimas: Scimus liberis dulcissimis, illi flori patriae, morum ac virtutis unicum exemplar et plus quàm matrem ereptam esse: Sed nec optare pro amore erga illam tuo voluisses puto, ut ad luctum et gemitum relicta tibi hoc faceret quod tu illi; nec pupilli esse putandi sunt, quibus et talis pater est, et memoria maternarum virtutum ac amplissimi generis sui, quantum in aetatem hanc cadit, incentivum semper erit efficacissimum. Ipsa verò deposita hac animi veste debilitates, luctus, valetudinem et quicquid nos torquet ac inflat, semel evasit, viamque hanc, quam nobis quoque serius vel ocius ingre-
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ren verachtet, wurde in die größte getrieben. Entrissen wurde die Halbinsel Jütland. Die Schlucht des Veltlintals und die Pässe und Berge der Rhäter wurden besetzt. Nach Italien wurden Legionen geführt, von denen man sagen kann, sie seien geflogen, nicht marschiert. Auch anderes gibt es noch, an das zu glauben der Nachwelt, der man vor allem die Erfolge des überaus ruhmreichen Feldherrn in Zukunft anvertrauen wird, sehr schwer fallen wird. Bei diesem Unglück des Vaterlandes, bei den Kriegen, zu denen wir nun mit größtmöglicher Gewalt vorwärts drängen, bei Besatzungen, die für Besiegte und Sieger bedrückend sind, was hätte es Eurer Meinung nach, erlauchtester Herr, geben können, was Eure teuerste Gattin, die hochselige Fürstin, verlockt hätte, noch weiter zu leben? Das Leben selbst? Natürlich um zugleich dessen Wechselfälle und die Beschwernisse der Krankheiten und alles, dem wir weder durch Reichtum noch Tugend noch irgendwelche Künste entgehen können, noch länger auszukosten! Verkehrt sagt Maecenas: Wenn nur das Leben bleibt, ist es in Ordnung. Wenn du mir das gibst, ertrage ich sogar das harte Kreuz. Verkehrt handelte auch Domitius Tullus, der, obwohl er durch die Gewalt seiner Krankheit an allen Gliedern verkrüppelt und zerbrochen war, sich selbst im Bett nicht ohne fremde Hilfe bewegen konnte und, wie er selbst zu sagen pflegte, täglich die Finger seiner Sklaven leckte, trotzdem Gründe fand, weshalb er leben wollte. Aber weder ist das Leben für die Glücklichsten angenehm noch für die Anständigsten ohne Trübsal. Oder hättet Ihr und die Euren, wenn dies in unserer Macht läge, sie zurückhalten dürfen? Wir wissen, daß sie Euch durch ihr Fortgehen Einsamkeit und schwerste Sorgen hinterließ. Wir wissen, daß den süßesten Kindern, der Blüte der Heimat, ein einzigartiges Vorbild an Charakterstärke und allen guten Eigenschaften und mehr als eine Mutter entrissen wurde. Aber ich glaube nicht, daß Ihr angesichts Eurer Liebe zu ihr hättet wünschen wollen, daß sie, zu Trauer und Seufzen zurückgelassen, für Euch das täte, was Ihr für sie tut. Man darf auch diejenigen nicht für Waisen halten, die einen solchen Vater haben, und die Erinnerung an die Tugenden der Mutter und an ihr überaus bedeutendes Geschlecht, soweit es in diese Zeit reicht, wird immer ein höchst wirksamer Ansporn sein. Nachdem sie aber dieses Kleid der Seele abgelegt hat, ist sie der Schwäche, Trauer, Krankheiten und allem, was uns quält und aufbläht, ein für allemal entronnen und hat den Weg, den auch wir später oder früher antreten müssen, mit großem Ruhm und wachem Geist hinter sich gebracht. Sie lebt dort, wo sie Euch, wenn jener Tag kommt, der Euch ihr und sie Euch zurückgibt, um so teurer sein wird, je bekannter sie Euch ist, wo sie nicht, wie der berühmte Grieche hoffte, von den Philosophen Pythagoras, von den Geschichtsschreibern Hekataios, von den Musikern den Olympos, von den Dichtern Homer, sondern
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diendum est, magna cum laude prae-[D1v]sentique animo confecit. Vivit eo loci ubi cum venerit illa dies, quae te illi, et tibi eam restituet, tanto tibi charior, quanto notior erit: ubi, non ut Arcas ille sperabat, ex Philosophis Pythagoram, ex Historicis Hecataeum, ex Musicis Olympum, ex Poëtis Homerum, sed summum illud bonum, cui seria se poenitentia fidèque tradidit, quod visu clarius, tactu purius, sensibus majus est, aspicit, comprehendit, aestimat: quae felicitas cum cogitationes ipsas excedat, sermone et coloribus verborum nequicquam exprimetur. Tu veró, Domine Illustrissime, cui sortem deinceps laetiorem, ac domi militiaeque successus tanta virtute dignos patriae ac reipublicae bono votis omnibus optamus, amissae charitatem ita extendes, ut ad veri amoris tui argumentum et memoriam perpetui nominis ejus nihil quidem reliquum fecisse, non tamen et de magnitudine tua ac firmitate animi remisisse videaris, qua et fortunam utramque, et hostes, et quicquid invictis mentibus objicitur ferre semper ac vincere consuevisti.
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Maenia, libertas quando superstes erat, [A2r] Pierides Marti, magnis aequare minuta Si licet, Iliaci fata refertis agri. Arx Priami tibi nulla, nec ullum, Patria jactas Hectora, Neptuni nec fabricata manu es: Numina te pacis, te pulcher Phaebus amavit, Et par, Castaliis limpha rigavit aquis. Pluribus hinc doctis hucusque oppleta fuisti Milite quam Trojam qui superavit equus. Nunc ubi, non Ithaci verbis, nec rebus Achillis, Sed recti ignaro tempore, victa jaces, Spargimur in partes, ceu cum vaga littora circum Turbine quassatas disjicit unda trabes. Senftlebi, tibi Bresla, meae stationis alumna, Speratos offert, ceu solet illa, sinus Nec septem pluvia lucent urgente sorores, Dum micat Hermannae flamma serena tuae. Nec tabulae subeunt lacerae, nec lintea damnum; Illa tibi stella est, illa mare, illa ratis. Crede animum Ventis, o amice; carina puellae Cum visa est rimis hiscere, vita subest. M ARTINUS O PITIUS.
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jenes höchste Gut, dem sie sich mit ernsthafter Reue und Treue verschrieben hat, das zu hell für den Anblick, zu rein für eine Berührung, zu groß für die Sinne ist, erblickt, erfaßt, erkennt. Da dieses Glück sogar das Denken übersteigt, wird man es mit einfachen wie mit kunstvollen Worten vergebens ausdrücken. Ihr aber, erlauchtester Herr, dem wir in Zukunft ein glücklicheres Los und Erfolge in Krieg und Frieden, die solcher Tatkraft würdig sind, zum Wohle des Vaterlandes in allen Gebeten wünschen, werdet die Hochachtung vor der, die Ihr verloren habt, in der Weise andauern lassen, daß sichtbar wird, daß Ihr zum Beweis Eurer wahren Liebe und zur beständigen Erinnerung an ihren Namen nichts ungetan gelassen, aber trotzdem in der Größe und der Festigkeit Eures Herzens nicht nachgelassen habt, mit der Ihr gewöhnlich immer Glück und Unglück und Feinde und alles, was sich unbesiegbaren Seelen in den Weg stellt, ertragt und überwindet. [B.H.]
*** Ihr nicht gerade hochragenden, aber für uns einstmals, als es noch Freiheit gab, teuren Mauern unseres Bunzlau, führt (wenn man die Musen dem Mars, Winziges dem Großen an die Seite stellen darf) das Schicksal des Gebietes von Ilion wieder vor Augen. Eine Burg des Priamos hattest du nicht und kannst dich keines Hektors rühmen, meine Vaterstadt, und bist auch nicht von der Hand Neptuns errichtet worden. Die Götter des Friedens liebten dich, dich liebte der schöne Apollo, und ein Gewässer, den kastalischen Wassern gleich, netzte dich. Von mehr Gelehrten warst du daher bis jetzt erfüllt (10) als das Pferd, das Troja überwältigte, von Soldaten. Jetzt, wo du, nicht durch die Worte eines Odysseus, noch durch die Taten eines Achill, sondern durch eine Zeit, die nicht weiß, was recht ist, besiegt darniederliegst, werden wir in alle Gegenden zersprengt, wie wenn die unbeständige Woge die im Sturm zertrümmerten Schiffe ringsherum an die Küsten schleudert. Senftleben, dir bietet Breslau, die Gewährerin auch meiner Bleibe, ihren erhofften Schutz, wie die Stadt das zu tun pflegt. Und die sieben Schwestern leuchten nicht unter heranbrausendem Regen, wenn die heitere Flamme deiner Herrmannin funkelt, und deine Planken gehen nicht in Stücke gerissen unter noch erleiden deine Segel Schaden: (20) Sie ist dir Stern, sie ist dir Meer, sie ist dir Schiff. Vertraue dich den Winden an, mein Freund! Wenn das Schiff deiner Braut ein Leck zu bekommen scheint, ist Leben darunter. Martin Opitz. [W.L.]
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DUm nos lubrica temporum malorum
DUm nos lubrica temporum malorum, Et belli rabies metusque rerum, A taeda removent adhuc jugali, Svetos nil nimium diuque velle; Tu connubia, tu thorum manentem, Et castas petis implicationes, Quali cum pater obvolutus haesit, O Sinnere, tuus, meusque quondam; [B2v] Conjunx se gravidam pudica sensit, Et post quatuor atque quinque Lunas Istud quod sumus haud negavit orbi. Quare nunc epigramma nuptiale Dilecto tibi poscis à Poëta, Tam non amplius hoc tamen Poëta Quam nondum neque patre, nec marito. Est Phoebo modus, est suus Thaliae Quidam ceu Veneri subinde languor, Nec mordax calor alitis caballi Sessorem patitur nimis frequentem Quod si Teutonicam lyram requiris, Cujus dicimur auspices fuisse, Tot Silesia verminat Poëtis Quot silvae frutices, quot Hybla flores, Quot coenosa parit lacuna ranas. Quare quicquid id est Phalaeciorum, Quos illevimus ocyus papyro Quam quisquam asparagos coquat salaces, Instar carminis aestima venusti, Et vires stabiles, negare Musam Quas cernis mihi, noctibus facetis, At parcis quoque, nec dehinc luendis, Foecundam tibi postula Dionem. MARTINUS OPITIUS.
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Während uns das Ungewisse der schlechten Zeiten und das Toben des Krieges und die Angst vor den Ereignissen bis jetzt von der Hochzeitsfackel fernhalten, gewohnt, nichts zu sehr und lange zu wollen, erstrebst du die Vermählung, erstrebst du eine Ehe, die Bestand hat, und keusche Verflechtungen wie die, in denen einst, mein lieber Sinner, dein Vater und ebenso der meinige verwickelt hingen; die züchtige Gattin fühlte sich schwanger, (10) und nach vier und fünf Monden verweigerte sie das, was wir sind, nicht dem Erdkreis. Deshalb verlangst du jetzt ein Hochzeitsepigramm von dem dir teuren Dichter – der jedoch so sehr nicht mehr dieser Dichter ist, wie er noch nicht Vater oder Ehemann ist. Es gibt eine Grenze für Apollo, und es gibt für Thalia eine gewisse Erschöpfung wie bald darauf für Venus, und die beißende Hitze des geflügelten Pferdes läßt keinen allzu häufigen Reiter zu. (20) Wenn du deutsche Dichtkunst begehrst, deren Anreger wir gewesen sein sollen, so wimmelt Schlesien von so vielen Dichtern, wie die Wälder Sträucher, wie Hybla Blumen und wie ein morastiger Tümpel Frösche hervorbringen. Deswegen, wieviel diese Phalaekeen auch immer wert sind, die wir rascher auf das Papier geschmiert haben, als einer geil machenden Spargel kocht, so nimm sie wie ein liebliches Gedicht, und fordere für dich die festen Kräfte, (30) die, wie du siehst, die Muse mir verweigert, für lustige, aber auch maßvolle und nachher nicht zu büßende Nächte von der fruchtbar machenden Dione. Martin Opitz. [W.L.]
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Dum charo Natam
IN CL. VIRI IOHANNIS H EERMANNI P RECES S A cras, versibus Germanicis ab ipso praescriptas.
CA RMINA perrumpunt animos, oratio coelum:
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Quid rerum hic ingens fortius orbis habet? Auspiciis vtrumque bonis coniungis, amice, Ipse vtrinque bonus praeco, poeta bonus. Hoc loquitur vatum quicunque intelligit artes, Hoc summo norunt corda dicata Deo. Si quid laudis amas, tua semper carmina tota Heermanne, excipiet terra, sed astra preces. M ART. O PITIVS.
*** AD BALTHAS. THOMAM de obitu Sponsae Hedwigis Vechneriae, qvae ipso die nuptiis dicto sepulta fuit Aurimontii.
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Dum charo Natam Thomae, qvam possidet unam Vechnerus spe non destinat ambiguâ, Et promissus Hymen castum solatur amorem, Mors haec vota rapax irrita cuncta facit. Triste qvidem fateor: sed si tibi filia cordi est, Docte parens, Thoma si tua Sponsa tibi, Non tamen et thalamum tumulo praefertis amici: Ille homines homini copulat, iste DEO.
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Dum charo Natam
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Auf des sehr berühmten Mannes Johannes Heermann gottesdienstliche Gebete, die er selbst in deutschen Versen geschrieben hat. Verse wirken sehr stark auf den Geist, das Gebet auf den Himmel: Unsre gewaltige Welt, was hat sie Stärkeres noch? Diese beiden verbindest du, Freund, unter günstigen Zeichen, Bist als Prediger gut, gut auch als Dichter zugleich. Wer auch immer die Dichtkunst versteht, bestätigt dir dies, und Herzen, die Gott, den Herrn, ehren, sie wissen es auch. Liebst du ein wenig das Lob? Deine Verse wird immer die ganze Erde vernehmen, doch Gott, Heermann, vernimmt dein Gebet. Martin Opitz. [G.B.]
*** An Balthasar Thomas über den Tod seiner Braut Hedwig Vechner, die genau an dem für die Hochzeit vorgesehenen Tag in Goldberg begraben wurde. Während aus sicherer Hoffnung heraus dem liebwerten Thomas Vechner die Tochter bestimmt, die seine einzige ist, und die versprochene Hochzeit sittsamer Liebe zum Trost wird, Da macht zunichte der Tod räuberisch jeglichen Wunsch. Traurig fürwahr, ich gesteh’s, aber wenn dir die Tochter, gelehrter Vater, am Herzen liegt, Thomas, und dir deine Braut, Zieht ihr das Brautbett, Freunde, doch nicht dem Grab vor, denn jenes Bindet Mensch und Mensch, dieses die Menschen an Gott. [G.B.]
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WEinrichia ante tibi, jam nunc Bucretia, Francki,
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Ducitur, haec carnis dives, at illa meri. Bubula sed nobis avidum prius explet omasum; Post epulas pateris bella movere juvat. [B2r] Est Baccho modus, et norunt quoque pocula metam; Sola Venus lex est ac sua norma sibi. Illa tuo pariter fines haud ponat amori: Sit caro, sit vinum, laetaque prole domus. MARTINUS OPITIUS.
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ET tu, Langiade, mores non natus ad istos,
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AEvi relliquiae sed melioris eras. Novimus hoc, olim qui te quoque novimus, illic Nondum captivis qua Nicer ibat aquis. Nil te candidius docti videre sodales, Dixisset sobolem te Themis ipsa suam. Excepit reducem patriae favor omnis amicae, Sed simul et patrii tota catena mali. [B2v] Hic dum perpetuas voluis pro Caesare curas, Quaque potes sollers auxiliaris ope, Hinc patriae lachrimis, hinc luctu stante tuorum, Iniicit audaces mors tibi dura manus, Dura; sed et vivo quam rerum fata quietem Publica non dederant, rectius ista dabit. MARTINUS OPITIUS.
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ET tu, Langiade
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Die Weinrichin hattest du, mein lieber Frank, vorher geheiratet, nunmehr jetzt die Rindfleischin. Diese ist reich an Fleisch, doch jene war es an Wein. Aber das Rindfleisch füllt uns zuerst die gierigen Kaldaunen. Nach dem Essen macht es dann Spaß, mit den Trinkgefäßen Schlachten zu schlagen. Es gibt ein Maß für Bacchus, und auch die Becher kennen ihre Grenze. Nur Venus ist sich selbst Gesetz und ihre eigene Richtschnur. Möge sie ebenso deiner Liebe keine Schranken setzen: Es gebe Fleisch, es gebe Wein und ein Haus, das sich über Nachkommenschaft freut. Martin Opitz. [W.L.]
*** Auch du, Abkömmling der Langes, warst nicht für diese Zeit mit ihren Sitten geboren, sondern aus einem besseren Zeitalter übriggeblieben. Wir wissen dies, die wir auch dich einst dort kennen gelernt haben, wo der Neckar noch nicht mit im Krieg eroberten Wassern dahinfloß. Nichts Strahlenderes als dich sahen die gelehrten Gefährten, Themis selbst hätte dich als ihren Sohn bezeichnet. Den Heimkehrer empfing die ganze Gunst des ihm gewogenen Vaterlandes, doch zugleich auch die ganze Kette des heimischen Unheils. Hier legte, während du dich unablässig um die Angelegenheiten des Kaisers kümmertest, (10) geschickt und hilfreich mit aller dir möglichen Kraft, und als auf der einen Seite das Vaterland litt, auf der anderen Seite fortwährend die Deinigen trauerten, der grimmige Tod frech seine Hand an dich; grimmig ist er wohl, doch die Ruhe, die dir zu Lebzeiten die unheilvollen Ereignisse im Staat nicht gewährt hatten, wird er dir in gebührenderem Maße gewähren. Martin Opitz. [M.F.]
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BUrghusi, Musis
LIbertas tibi, sed tuae loquela Ex nostra dolor indidit Beatae Diversum nimis, o amice, nomen. Si matrem tamen aspicis patremque, Patrem Urbis columen decusque nostrae, Si totam semel excutis puellam, (Atque hanc excuties) doloris ansam Hac illacque licet videre nullam. Quis de nomine nunc laboret ergo, Freiwaldi, o soboles novem sororum? Quamvis tempore vivimus dolendo, Libertas cui ferme nulla rerum est, Sis qui diceris attamen, sit illa Nunquam PEINIA, sed BEATA semper. MARTINUS OPITIUS.
*** INAUGURATIO PERILLVSTRIS DN . DN .
N ICOLAI BARONIS A BURGHAUS
et Stoltz; Iohnsdorffii, Schildbergae, Petrovicii ac Liebensteinii Domini, SAC . CAES . MAJESTATIS Consiliarij ac Cubicularii, Ad Ducatus Monsterbergici et Territorii Francosteinensis PRAEFECTURAM . Auctore MARTINO OPITIO . [A1v]
BUrghusi, Musis dilectum ac nobile nomen, Quem patris, ac patrui, quem nitor ornat avi, At virtus privata magis, cui digna rependi Sola Deus, solus praemia Caesar habet,
BUrghusi, Musis
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Nach unserer Sprache gab die Freiheit dir, aber deiner Beate der Schmerz allzu verschiedene Namen, mein Freund. Wenn du jedoch die Mutter betrachtest und den Vater, den Vater, die Säule und Zierde unserer Stadt, wenn du einmal das ganze Mädchen genau untersuchst (und du wirst sie genau untersuchen), dann ist es nicht möglich, hier und dort einen Anhaltspunkt für Schmerz zu sehen. Wer sollte sich also jetzt um einen Namen scheren, (10) mein lieber Freiwald, du Sprößling der neun Schwestern? Obgleich wir in einer schmerzlichen Zeit leben, in der es fast keine Freiheit in der Welt gibt, so magst du doch so sein, wie du genannt wirst, aber jene sei niemals eine PEINIA, sondern immer eine BEATA. Martin Opitz. [W.L.]
*** Zur Amtseinführung des in großem Ansehen stehenden Herrn, Herrn Nikolaus Baron von Burghaus und Stoltz; Herrn von Johnsdorf, Schildberg, Peterwitz und Liebenstein, seiner geheiligtsten Majestät, des Kaisers, Rats und Kammerherrn, in die Präfektur des Herzogtums Münsterberg und des Weichbildes von Frankenstein, verfaßt von Martin Opitz.
Burghaus, ein den Musen teurer und edler Name, Burghaus, den des Vaters und Onkels, den der Glanz des Großvaters schmückt, aber noch mehr die persönliche Tugend, der würdige Belohnungen nur Gott und der Kaiser zuerkennen können. Nicht als neuer Dichter gratuliere ich dir jetzt zu dem neuen Amt; der
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Quod rerum Annales
Non novus ipse novo tibi nunc de munere vates Gratulor; obsequium res decet ista meum. Sed meliora tuus conscribet Henelius, illud Et legum, et patriae Castalidumque decus, Me dare verba, vafer ridenti qualia Romae Flaccus, at innocuo sublita felle, juvat. Scilicet opposita vitii caligine, lumen Splendida virtutum gloria majus habet. At tu lustra oculis hunc libertatis amorem Compositis, hoc est, magne Patrone, tuîs. Cui tua semper amans veri prudentia nota est, Haud ficto tecum debuit ore loqui.
*** Perillustris summique Viri NICOLAI BURGHUSII, sub initium detestandi hujus belli ad meliora sublati, MEMORIAE.
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Quod rerum Annales, quod libri mille loquntur, AEtas quod docuit prisca, nec ista negat: Interitus creber, morsque importuna bonorum, Haud vana imperii signa ruentis habet. Surripiunt tantis illos sua fata procellis: Et dulce est, curis ne moriâre, mori. Ultime priscorum, B URGHUSI , paene virorum, Qui populi rebus postposuêre suas, [R2r] Non aetas te feßa beatis tradidit umbris: Hoc patriae senium triste cadentis erat. Omnia sunt vulgata, nec ipse haec vulnera tango, Vix hominis medicâ nunc solidanda manu. Hanc faciem tamen haud debebas cernere belli, Nec quae non solitus tu dare consilia. Tecum rectè agitur: de nobis viderit ille, Cujus opem in tanto turbine nemo videt. M ARTINUS O PITIUS.
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Quod rerum Annales
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Sache selbst gebührt meine Dienstwilligkeit. Aber Besseres wird dein Henel aufsetzen, jene Zierde der Gesetze, des Vaterlands und der kastalischen Musen. Mich freut es, Worte zu äußern, wie sie der verschmitzte (10) Horaz dem lachenden Rom, aber mit harmloser Galle bestrichen, verabreichte. Natürlich hat, wenn man die Finsternis des Lasters dagegenhält, der glänzende Ruhm der Tugenden eine größere Leuchtkraft. Doch prüfe du diese Liebe zu freimütiger Aussage mit ruhigem, das heißt, großmütiger Patron, mit deinem Blick. Der, dem deine immer die Wahrheit liebende Klugheit bekannt ist, durfte nicht in unaufrichtiger Sprache mit dir reden. [W.L.]
*** Dem Andenken des hochberühmten und -bedeutenden Herrn Nikolaus von Burghaus, der zu Beginn dieses verachtenswerten Krieges in eine bessere Welt entrückt worden ist. Was die Geschichtswerke, was tausend Bücher berichten, was die Zeit der Alten lehrte und auch unsere bekräftigt: Das fortwährende Sterben, der Tod der Besten zur Unzeit sind deutliche Zeichen für den Untergang eines Reiches. Jene Menschen reißt ihr Schicksal in solchen Stürmen fort, und es ist schön zu sterben, um nicht von den Sorgen hinweggerafft zu werden. Dich, Burghaus, du fast der letzte der echten, alten Männer, die ihr Wohl dem des Volkes hintanstellten, dich überantwortete nicht das erschöpfte hohe Alter den seligen Schatten: (10) Es war die Altersschwäche des ins Unglück stürzenden Vaterlandes. All das ist weithin bekannt, und ich selbst rühre nicht an diese Wunden, können sie heute doch kaum durch die heilende Hand eines Menschen geschlossen werden. Doch du mußtest dieses Antlitz des Krieges nicht sehen, auch nicht Rat geben, wo du es nicht gewohnt warst. Mit dir steht es recht, auf uns möge der sehen, dessen Hilfe in solchem Sturm niemand sieht. Martin Opitz. [W.L.]
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AMbiguis belli
COnsulte legum, Phoebi amor, Dalingere,
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Formas tot inter aureas puellarum, Quas mater elegantiae fovet Bresla, Amoena rectrix vrbium Venustarum, Tot bellaque inter dîs volentibus tuta, Tibi relictis virginum tamen taedis Viduae catum Cupido pectus intravit, Viduae virentis, castae et integri floris, Cedere puellis nesciae vel annorum Vigore, dulcis vel modestiae cultu. Quid liberorum suave pondus? hoc certum His nuptiis faecunditatis est pignus. Faustum siet quod occipis, nec exhausto Thori prioris lectus indigens fructu. Mart. Opitius.
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AMbiguis belli dum caussa latebat in umbris,
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Nec Mavortis erat tessera, Relligio. Seidelius validis alibi qvaesivit ab armis Laudemqve, et qvod nunc nobile nomen habet. At postqvam cultumqve Dei, nostramqve salutem, Et qvae concernunt sidera, vidit agi, Transiit ad partes, proqve illis vivere certus, Et certus, jubeant si sua fata, mori. Facta, voluntati, virtus sermonibus aeqva est; Successu juvenis fecit utrumqve parî. Mors lugenda tamen, qvae rectiùs incubet illis, Hàc qvi mente dehinc vivere noluerint. Martinus Opitius.
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AMbiguis belli
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Rechtsgelehrter, Liebling Apolls, Tallinger, zwischen so vielen goldenen Mädchenschönheiten, die Breslau, die Mutter der Eleganz, hegt – die anmutige Regentin über liebliche Städte, die zwischen so vielen Kriegen durch den Willen der Götter sicher ist – ließest du dennoch die Hochzeitsfackeln der Jungfrauen zurück, und die Liebe zu einer Witwe zog in dein kluges Herz ein, zu einer Witwe voller Lebensfrische, keusch und von unversehrter Blüte, die nicht daran denkt, den Mädchen nachzustehen (10) in der Tatkraft der Jahre oder in der Pflege ihrer angenehmen Bescheidenheit. Was ist mit der süßen Last der Kinder? Die sind für diese Ehe ein sicheres Unterpfand der Fruchtbarkeit. Vom Glück begleitet sei, was du beginnst, und nachdem eine frühere Ehe Früchte hervorgebracht hat, bleibe auch dieses Ehebett nicht unfruchtbar. Martin Opitz. [W.L.]
*** Während der Grund für den Krieg noch von unklarem Dunkel verdeckt war, Noch die Parole des Kriegs „Glaubensbekenntnis“ nicht hieß, Damals suchte sich Seidel woanders Ruhm in den starken Waffen, erwarb, was noch jetzt glänzenden Namen besitzt. Aber nachdem er gesehen, es gehe um Gottes Verehrung, Gehe um unser Heil und was die Sterne betrifft, Da ergriff er Partei; entschlossen, dafür zu leben, Und, wenn sein Schicksal es woll’, dafür zu sterben bereit. Seinem Willen entsprach, seinen Worten die tapfere Leistung, Ja, der Jüngling vollzog beides mit gleichem Erfolg. Doch ist sein Tod zu betrauern; er fiele besser auf jene, Denen ein Leben mißfällt, das dieses Denken bestimmt. Martin Opitz. [G.B.]
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AEgrotum cui nihil doleat
Sarmaticas tecum positus decessit ad oras Filius, eximium natus ad omne, tuus. Nollem equidem, Mucci, cum tam praeclara minari Ceperit, ille tui pectoris acer amor. Si tamen egregios tantae virtutis honores, Et maiora annis aspicis acta suis, Est bene, jam caeli traductum ad templa, doloris Dum caussam, lachrimas qua tuearis, habes. Absit ut illorum terram subeamus adinstar, Desiit a quorum patria morte mori. Triste nimis carmen: Iacet hic quo stante, Viator, Publica res altis pressa jacebat aquis. Dum mores nostri, dum vita probatur, amice, Quis neget hoc? dulce est vivere, dulce mori est. M ART . O PITIUS Bregae perscripsi.
*** [Titelblatt] MARTINI OPITII
VESVVIVS. Poëma Germanicum. [):( 2r] ILLUSTRISSIMO CELSISSIMOQUE PRINCIPI AC DOMINO, DOMINO
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IOANNI CHRISTIANO DVCI SILESIAE LIGNICENSI ET BREGENSI . AEgrotum cui nihil doleat, animo laborare, Hippocratis sententia est, Princeps Celsißime. Ita insanire omnino ac furere videntur illi, qui neque factorum suorum conscientia vlla tanguntur aut sensu, et monita divini Numinis malorumque praesagia vel mente pariter oculisque aspernantur, vel arctis nimium Naturae caußis earumque finibus circumscribunt: remotorum vero incuriosi, caelum mathematicum non aestimant. Commenta sane superstitionis, auguria eorumque iecur qui ex animantium iecore sapiunt, ridere merito ac detestari solemus: legibus autem stellarum, quas dispositor mundi sapientißimus illis credidit, aut plu-
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Dein mit dir ins sarmatische Land versetzter Sohn, der zu allem Hervorragenden geboren war, ist gestorben. Ich wollte, mein Muccius, es wäre nicht geschehen, da er so Herrliches zu tun im Begriffe war, diese heiße Liebe deines Herzens. Aber wenn du die besonderen Auszeichnungen für seine Fähigkeiten und seine Taten, die größer waren als seine Jahre, betrachtest, dann ist es gut, daß er schon zu den Tempeln des Himmels hinübergeführt wurde, während du Grund für Schmerz hast, durch welchen du deine Tränen rechtfertigen kannst. Es sei ferne, daß wir gleich jenen unter die Erde gehen, (10) durch deren Tod das Vaterland zu sterben aufgehört hat. Allzu traurig ist mein Gedicht: Wanderer, hier liegt einer, zu dessen Lebzeiten das Gemeinwesen von hohen Wassern gedrückt am Boden lag. Wenn unser Verhalten, wenn unser Leben preisende Zustimmung erfährt, mein Freund, wer kann dann leugnen, daß es süß ist zu leben und süß auch zu sterben. Ich, Martin Opitz, habe dies in Brieg niedergeschrieben. [W.L.]
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Martin Opitzens Vesuvius. Ein deutsches Gedicht.
Dem erlauchten und hocherhabenen Fürsten und Herrn, Herrn Johann Christian, Herzog von Schlesien zu Liegnitz und Brieg. Daß ein Kranker, der keine physischen Schmerzen hat, seelisch leidet, das ist ein Ausspruch des Hippokrates, hocherhabener Fürst. Und so scheinen jene ganz und gar seelisch krank, ja wahnsinnig zu sein, die von keinen Gewissensbissen oder Skrupeln im Hinblick auf ihre Taten berührt werden und die mahnenden Weisungen Gottes wie auch das, was den Bösen vorhergesagt ist, entweder sich aus dem Sinn und ebenso aus den Augen schlagen oder sie nur für allzu eng gefaßte Fälle in der Natur und in deren Grenzen gelten lassen. Alles weiter Entfernte aber kümmert sie nicht, den Himmel im „mathematischen“ Sinne würdi-
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rimorum casus et eventa rerum divinitus praecurrentium certitudini detrahere prorsus velle, non hominis modo, ratione praediti, sed ne satis quidem Christiani est. Pulcherrimorum coeli luminum Solis et Lunae minorumque astrorum quae aut [):( 2v] male, ut Plato vult, errantia, aut fixa nominamus, id muneris esse, ut vel illa dies et annos tempusque vniversum discernant, vel haec ornatum nocti praebeant ac lumen, quis neget? vires tamen agendi maiores etiam Supremam caussarum caussam stabili eorum revolutioni cursuumque vicibus inscripsisse, ut alia desint, ipsa nobis Astronomiae mater observationis certitudo bona fide inculcat. Cuius certitudinis beneficio, a qua tamen necessitatem Stoicam, menti liberrimae Deo compedes iniicientem, abesse iubemus longißime, tot et in nostrae aetatis temporibus, et ab omni aevo praedictionum quasi miracula praesto sunt, ut in ipsa vrbe tua extiterit nuper, qui de fatali Herois fortißimi periculo multo ante ac saepenumero amicis retulerit. Iidem Naturae consulti, cum suppreßiones magnorum illorum siderum ac defectus regulis nunquam fallentibus comprehendant, maius tamen eos aliquid orbi terrarum quam breves vmbras inferre, libenter concedunt. Neque cometas quid pariat alatque, cognitio doctrinae pulcherrimae ignorare nos sinit; quos licet quidam eadem qua Vespasianus securitate contemplentur, qui urgente jam suprema valetudine, stellam quae tum apparebat crinitam [):( 3r] ad Parthorum regem capillatum pertinere dicebat; hos tamen et ipsos quosdam irae divinae nuncios esse, omnibus adeo literarum monumentis et fide publica testatum est, vt res etiam in Proverbium abierit. Quod si ex tot malorum sensu corpore nondum obriguimus toti, neque ipsam quoque cum libertate libertatis memoriam amisimus, quantum rerum omnium facies post ferale eiusmodi ante annos hos decem ac quatuor sidus mutaverit, quis nostrum est qui non sentiat ac ingemiscat? Praelia certe haec post homines natos atrocißima, odium intestinum ac conspirationes, Respublica quaestui habita, cultus divini aut acerba defensio, aut simulatus utcunque defensionis color,
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gen sie nicht. Zwar pflegen wir die Erfindungen des Aberglaubens, die Augurien und die Leber derer, die aus der Leber von Tieren ihre Einsichten beziehen, mit Recht zu verlachen und zu verwünschen. Aber die Gesetzmäßigkeiten der Sterne, die der hochweise Ordner der Welt jenen anvertraute, oder die Gewißheit, daß sehr viele Begebenheiten durch göttliche Fügung den Wechselfällen und Ereignissen im Leben vorausgehen, geradezu in Abrede stellen zu wollen, das kommt nicht nur dem Menschen als vernunftbegabtem Wesen nicht zu, es kommt erst recht nicht einem Christen zu. Wer wollte denn auch leugnen, daß die Aufgabe der schönsten Leuchten am Himmel, der Sonne und des Mondes, sowie der kleineren Sterne, die wir entweder zu Unrecht, wie Plato es will, „Wandelsterne“ oder aber „Fixsterne“ nennen, darin besteht, daß jene die Tage und die Jahre und die Zeit in ihrer Gesamtheit regeln und daß diese der Nacht Schönheit und Licht geben? Daß aber die höchste Ursache aller Ursachen deren dauerhafter Umdrehung und deren wechselnden Umläufen auch noch größere Wirkungskräfte eingeschrieben hat, wenn anderes fehlt, das prägt uns die Mutter der Astronomie, die sichere Beobachtung, mit fester Überzeugung ein. Dank dieser Gewißheit – mit der wir aber die „Notwendigkeit“ der Stoiker, die dem allerfreiesten Geist, nämlich Gott, Fesseln anlegt, auf keinen Fall zusammenbringen wollen – haben wir sowohl in der heutigen Zeit als auch schon seit jeher so viele gleichsam Wunderdinge an Vorhersagen vorliegen, wie ja auch in Eurer Stadt vor nicht allzu langer Zeit einer auftrat, der schon weit vorher oft zu seinen Freunden über eine verhängnisvolle Gefahr für einen überaus tapferen Helden sprach. Eben diese Naturkenner gestehen, obwohl sie das Zurücktreten und Verschwinden jener großen Gestirne aus untrüglichen Regeln begreifen, dennoch gerne zu, daß diese dem Erdkreis etwas Wichtigeres als nur vorübergehende Schatten mitteilen. Auch darüber, was die Kometen hervorbringt und anwachsen läßt, läßt uns das Erkennen dieser wunderbaren Lehre nicht in Unkenntnis. Mögen einige diese mit derselben Sorglosigkeit wie Vespasian betrachten, der, als ihm schon die tödliche Krankheit drohte, von einem Haarstern, der sich damals zeigte, zu sagen pflegte, der beziehe sich auf den langhaarigen Partherkönig – daß gleichwohl auch diese etwas wie Boten des göttlichen Zorns seien, das ist durch alle schriftlichen Denkmäler und die allgemeine Überzeugung derart beglaubigt, daß es sprichwörtlich geworden ist. Wenn wir nach dem Wahrnehmen so vieler Übel körperlich noch nicht völlig starr geworden sind und mit der Freiheit nicht auch die Erinnerung selbst an die Freiheit verloren haben, wer von uns kann dann daran denken, ohne tief zu seufzen, wie sehr sich das Aussehen der Welt nach einem solchen unheilvollen Himmelszeichen vor 14 Jahren verändert hat? Diese Schlachten, bestimmt die schlimmsten, seit es Menschen gibt, im Innern Haß und Verschwörungen, Schacher um das Gemeinwesen, entweder erbitterte Verteidigung des Gottesdienstes oder ein wie auch
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actae in exilium artes, exciti ad euertendum opes ac robur Germaniae tot populi, afflictae cladibus ac praesidiorum insolentia tot provinciae, tot vrbes solo aequatae, interempti ferro tot Principes magnique viri quot aliis bellis vix milites, alios mores, aliud tempus expectant quam hoc nostrum, quo fateri vera non dicendo praestat, quam disertis verbis eloqui quae sentias. Adde propiora omina et apud nos nata, quae ut familiaria cum vix aestimentur, impune tamen spectari raro solent. Ne quis sternutationi nos aut [):( 3v] tinnitui aurium, vel singultui illi sonoro qui apud gentes non barbaras morum soloecismus est, ac similibus muliercularum vaticiniis dare aliquid existimet; moveri terram et credimus et sentimus: ventos flare, turbinumque vi arbores evelli nemo opinor dubitavit unquam: flumina campos superstagnare, ac in alveos suos redire possunt: haec tamen ipsa divinitus pro signis proponi futurorum, abunde observatum est. Saxum ex aedificio aut tegulam ruere, quis miraculum dixerit? At reiecto Lignicii olim eiusmodi omine cum decus maiorum tuorum incomparabile Henricus Pius praelium fecisset, victoriam obtinuit, vitam amisit. Aetomas templorum quidem ac turres vel aetate convitium facere, vel ipsa mole sua ruere, tam verum est, ut cum de binis alibi haud ita diu simul collapsis, Angelorum id opera factum esse, perscripsisset quidam; de Angelis se crediturum, alius diceret, si illae humo prostratae substructioni suae insiluissent; nunc ad evertendum illarum statum coelestes animas non requiri: sed par casus ut plerumque alibi, ita celeberrimae ad Albim vrbi eum portendit diem, quem nefastis addi suadet Pietas. Adeo ut religionibus eiusmodi moneamur, Sol et Luna deliqui-[):( 4r]um patiuntur, nubes, id quod attoniti diebus superioribus vidimus, fulmina tormentorum caelo sereno ac fremitus imitantur, aer miracula parturit, ripas suas aquae relinquunt, tellus concutitur, plana vallium extuberant, montes fumum ac flammas vomunt, ipsaque rerum Natura vim inferre sibi videtur ac iniuriam. Haec mihi attentius consideranti, Princeps Illustrißime, Vesuuius, conflagrationem ante annum Campaniae vniversae mina-
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immer vorgetäuschter Anstrich dieser Verteidigung, Kunst und Wissenschaft in die Verbannung vertrieben, so viele Völker aufgehetzt zur Vernichtung des Vermögens und der Kraft Deutschlands, so viele Provinzen verwüstet durch die Niederlagen und die Unverschämtheit der Besatzer, so viele Städte dem Erdboden gleichgemacht, so viele Fürsten und hohe Herren durch das Schwert aus dem Weg geschafft, wie in anderen Kriegen kaum einfache Soldaten – all diese Umstände hoffen auf andere Sitten, eine andere Zeit als diese unsere, in der es besser ist, die Wahrheit nicht durch Reden kundzutun als mit beredten Worten auszudrücken, was man meint. Man nehme noch die Vorzeichen dazu, die uns näher sind und sich bei uns gezeigt haben; auch wenn diese als geläufige Vorzeichen kaum gewürdigt werden, pflegen sie dennoch selten ungestraft betrachtet zu werden. Es soll keiner glauben, daß wir auf Niesen, Ohrenklingeln oder dieses laute Aufschlucken, das bei zivilisierten Völkern als ein Verstoß gegen die gute Lebensart gilt, und ähnliche Prophezeiungen armseliger Weiber irgend etwas geben – daß die Erde sich bewegt, das glauben wir und bemerken wir; daß die Winde wehen und daß Bäume durch die Gewalt von Wirbelstürmen entwurzelt werden, hat, denke ich, niemand jemals bezweifelt; Flüsse können die Felder überschwemmen und wieder in ihr Bett zurückkehren – daß aber genau dies von Gott zum Zeichen künftiger Entwicklungen vor Augen geführt wird, das hat man schon allzu oft bemerkt. Wer würde es ein Wunder nennen, wenn aus einem Gebäude ein Stein oder ein Ziegel herausbricht? Als jedoch damals in Liegnitz Heinrich der Fromme, die unvergleichliche Zierde Eurer Vorfahren, unter Mißachtung eines solchen Vorzeichens in die Schlacht gezogen war, gewann er zwar den Sieg, verlor aber sein Leben. Daß jedenfalls die Giebel von Kirchen und Türme entweder wegen ihres Alters einen lauten Lärm beginnen oder aufgrund ihrer eigenen Masse zusammenbrechen, das steht so fest, daß einmal, nachdem einer über zwei fast gleichzeitig an verschiedenen Orten eingestürzte Türme geschrieben hatte, das sei das Werk von Engeln gewesen, ein anderer sagte, er wolle das von den Engeln glauben, wenn jene, zu Boden gestreckt, auf ihren Unterbau gesprungen wären, so aber seien zur Erschütterung ihrer Festigkeit keine himmlischen Geister erforderlich. Aber ein gleicher Einsturz kündigte, wie oft andernorts geschehen, so auch der weitberühmten Stadt an der Elbe den Tag an, den die Pietät zu den schwarzen zu zählen gebietet. Damit wir uns also durch solche Zeichen des Göttlichen warnen lassen, nehmen Sonne und Mond eine Verfinsterung hin, ahmen Wolken – das haben wir in früheren Tagen wie vom Donner gerührt erlebt – bei heiterem Himmel das Blitzen von Geschützen und deren Dröhnen nach, gebiert die Luft wunderliche Zeichen, verlassen Gewässer ihre Ufer, wird die Erde erschüttert, schwellen die ebenen Flächen in Tälern auf, speien Berge Rauch und Feuer und scheint sich die Natur selbst Gewalt und Mißhandlung anzutun. Als ich mir das recht aufmerksam überlegte, durchlauch-
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tus, dignum argumentum visus est, cuius et caussas incendii alias, ex veterum maxime Philosophorum sententia, et hanc quae circa praesagia versatur imprimis, versibus includerem, proque virili a me descriptas Celsißimo Nomini Tuo quanta possem animi devotione dicarem. Ad te quidem ut irem, tot me publicae pariter privataeque rationes impulerunt, ut iis ex merito adducendis si vacare velim, Proëmium Poëmatis Poëma ipsum numero verborum longe excessurum sit. Sed nec obiter laudandae sunt sideribus proximae dotes tuae, quibus regium genus tuum et prosapiam vetustißimam, tot Imperatoribus, tot monarchis Europae adfinem, ita exornas, ut celsum hoc in quo Deus te ac nascendi felicitas locarunt fastigium a virtutibus tuis, an hae ab illo plus [):( 4v] splendoris accipiant, recte vix quisquam dixerit. Hanc certe circa cultum divinum piam ingenuitatem tuam, hoc consiliorum tempore tam difficili robur ac in utraque sorte constantiam, hunc amorem ac patrocinium eruditionis, has moderationis atque justitiae artes, si plerique tuae conditionis alii secuti fuissent, non res Christiana, non Germaniae libertas, non studia doctrinae, non fortunae cuiusvis denique et vita, non arae, inquam, ac foci tantis tamdiu in naufragiis summoque hactenus periculo fluctuassent. Dicendum et de liberis tuis erat, quos ad eam spem exemplo juxta tuo, ac institutione tanto stemmate digna, virtutibus quae in mortales cadunt omnibus peregre ac domi educas, ut Principes Juventutis dici poßint antequam se Principes esse intelligant, et columina Patriae ac ornamenta seculi illos haud dubie olim habitura sit Posteritas. Mores vero universos tuos, mansuetudinem, integritatem, modestiam, candorem, et quicquid animo concipere facilius, quam ratione complecti possumus, ita aulae tuae infudisti, ut exemplar quoddam eius Reipublicae, quam Philosophi saniores finxerunt, tempus nullum formavit, quoties oculos hic circum fero, intueri mihi semper videar. Tam [):( ):(1r] honesta, tam concors et delationum expers qua stipatus es familia, tot Equestris pariter ac alterius Ordinis decora, adeo eruditi, adeo ciuiles praeclarisque rebus ornati viri,
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tigster Fürst, schien der Vesuv, der vor einem Jahr ganz Kampanien in Brand zu setzen drohte, ein geeigneter Gegenstand zu sein, um sowohl die sonstigen Ursachen seines Feuerspeiens nach der Meinung vor allem der alten Philosophen als auch besonders diejenige, die mit den Vorausdeutungen für die Zukunft zu tun hat, in Verse zu fassen und, nachdem ich sie nach besten Kräften beschrieben hatte, Eurer hocherhabenen Person mit aller möglichen Ergebenheit zu widmen. Daß ich mich gerade an Euch wandte, dazu drängten mich so viele allgemeine und persönliche Gründe, daß – falls ich mich damit beschäftigen wollte, sie nach Gebühr darzustellen – das Vorwort dieses Gedichtes weit wortreicher wäre als das Gedicht selbst. Aber man darf Eure an die Sterne reichenden Gaben nicht nur so nebenbei rühmen, Gaben, mit denen Ihr Eure königliche Ahnenreihe und Eure uralte Familie, die so vielen Kaisern und Monarchien Europas durch Verwandtschaft verbunden ist, derart auszeichnet, daß kaum jemand mit Sicherheit sagen kann, ob die erhabene Stellung, auf die Euch Gott und eine glückliche Abstammung gehoben haben, durch Eure Tugenden oder Eure Tugenden durch diese mehr Glanz erhalten. Es ist sicher: Wenn die meisten anderen Eures Standes diesem Eurem gottgefälligem Edelmut in religiösen Fragen, dieser Entschlußkraft in so schwieriger Zeit und dieser Unerschütterlichkeit im Glück und im Unglück, dieser schutzgewährenden Liebe zur Bildung, diesen geschickten Bemühungen, Maß zu halten und Gerechtigkeit zu üben, gefolgt wären, dann hätte nicht die christliche Sache, nicht die Freiheit Deutschlands, hätten nicht die gelehrten Studien, nicht die Güter und überhaupt das Leben jedes Menschen, hätten auch nicht, behaupte ich, Altäre und Familiensitze so lange solchen Schiffbruch erlitten und bis heute in der höchsten Gefahr geschwebt. Es wäre auch über Eure Kinder zu reden, die Ihr zugleich durch Euer Vorbild und einen Unterricht, der sich bei einer solchen Ahnenreihe gebührt, in allen Fähigkeiten, die den Menschen zukommen, außer Hause und in der Familie so erzieht, daß die Hoffnung besteht, sie könnten schon „Fürsten der Jugend“ genannt werden, bevor sie noch bemerken, daß sie Fürsten sind, und eine spätere Zeit werde sie zweifellos dereinst als stützende Säulen des Vaterlandes und Zierden ihrer Zeit ansehen. Eure Charakterzüge insgesamt aber, Eure Milde, Euer Anstand, Besonnenheit, Redlichkeit und überhaupt alles, was wir eher im Gemüt spüren als mit Verstandeskräften erfassen können, habt Ihr in solchem Maße Eurem Hof „eingegossen“, daß es mir, wenn ich hier Umschau halte, immer so vorkommt, als sähe ich ein Muster jenes Gemeinwesens, das die verständigeren unter den Philosophen ersonnen haben, das aber noch keine Zeit verwirklicht hat. So ehrenvoll, so einträchtig und frei von übler Nachrede ist die Hausgenossenschaft, von der du umringt bist, so viele Zierden des Ritter- wie des Herrenstandes, so viele Gelehrte, so viele gewinnende und durch herrliche Taten ausgezeichnete Männer sind ein genügend deutliches Zeichen dafür, wer das sei,
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argumento satis illustri sunt, quis sit ille cui fidem praestant et obsequium. Nunquam sordes ministeriorum et probra bono Principi, nunquam boni malo placuerunt: et pares plerumque aut eliguntur judicio, aut redduntur exemplo. Circa Claudium ac Neronem, dominos Populi Romani, seruos libertorum, Pallantes et Spori, pantomimi et gladiatores sunt: Traianum Optimum tuique similimum Principem optimi quique sectabantur. Sed et eandem probitatem, eundem viuendi vsum ciuibus tuis omnibus ac subditis ita tradidisti, ut quaedam similitudo tui per vniversum ditionis tuae corpus appareat, neque magis ut Princeps a tuis recipias obseruantiam, quam ut caput, quod valetudinem adeo bonam in membra sua deriuat, impetres amorem, qui solus, ut alia, imperari subiectis non potest. Ceterum, quo studio literas prosequi soles, qua facilitate ac clementia me Celsissimi Principis Fratris Tui veterem, novumque Tuum clientem, tractare cepisti, Poëmation hoc serenis, hoc est, prorsus tuis oculis inspicies, locumque ei aliquem concedes inter [):( ):(1v] mundam tuam selectamque supellectilem librariam, cui pretium ipse fecisti maximum, L EGENDO. Plinius olim, familiaris tantopere Vespasiano, ut Incundissimum eum Imperatorem ille ac suum appellare non dubitaverit, ad exploranda Vesuuii incendia vitam ipsam cum impenderit; mihi neque descriptio eius operae malae locatae, neque dedicatio culpam audacia conciliabit, sat scio. Et qui literas sic amas, ut nemo vehementius, sic intelligis ut pauci penitius, quique tot horas bonis auctoribus dare consueuisti, vel unam lectione carminis huius consumes, quod ad te proprie destinatum est. Deum Immortalem Patriae omniumque eius amantium nomine supplex etiam et etiam veneror, ut qua benignitate hactenus erga te usus est, constantiam tibi in adversis, consilia in dubiis rebus, incolumitatem aetati tuae ac annos, clementer suggerat; tuos et tranquillitatis publicae hostes peius perdat, quam perire per eos quicquid uspiam mortalibus charum est quotidie sentimus; augustam domum tuam protegat, tueatur, conseruet; denique faxit, ut quicquid Ecclesiae ac Reipublicae
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dem sie Treue und Gehorsam erweisen. Niemals haben Niederträchtigkeiten und Vergehen der Untergebenen einem guten Fürsten, niemals haben anständige Menschen einem schlechten gefallen; und meist wählt man aufgrund einer Beurteilung Gleichartige aus oder macht sie durch das eigene Vorbild dazu. Rings um Claudius und Nero, die Herren des römischen Volkes, die Sklaven ihrer Freigelassenen, tummelten sich Männer wie Pallas und Sporus, Pantomimen und Gladiatoren; Trajan, den besten und Euch ganz ähnlichen Fürsten, umgaben gerade die Besten. Aber Ihr habt auch eben diese Rechtschaffenheit, eben diese Art zu leben allen Euren Mitbürgern und Untertanen in dem Maße nahegebracht, daß eine gewisse Ähnlichkeit mit Euch sich überall im Körper Eures Herrschaftsbereichs zeigt und Ihr ebenso als Fürst von Euren Untertanen Gehorsam erwiesen bekommt, wie Ihr als ein Haupt, das seine so treffliche Gesundheit in die Glieder ausstrahlt, Liebe empfangt, die als einzige man nicht, wie anderes, den Untertanen befehlen kann. Im übrigen: Mit demselben Eifer, mit dem Ihr der Wissenschaft Euer Geleit zu geben pflegt, und mit derselben Freundlichkeit und Milde, mit der Ihr mich, einen alten Schützling des hocherhabenen Fürsten, Eures Bruders, und Euren neuen Schützling, zu behandeln begonnen habt, werdet Ihr auf diese kleine Dichtung einen freundlichen, das heißt den Euch ganz eigenen Blick werfen und werdet ihr einen Platz in dem reinlichen und auserlesenen Hausrat Eurer Bibliothek anweisen, der Ihr selbst den höchsten Wert gegeben habt: durch L ESEN . Während Plinius einst, der mit Vespasian auf so vertrautem Fuße stand, daß er ihn ohne Bedenken seinen lieben Kaiser und seinen Freund nannte, sein Leben geopfert hat, um den Ausbruch des Vesuvs zu erforschen, wird mich allerdings weder die Beschreibung dieser zum Unglück ausgeschlagenen Bemühung noch meine Widmung vom Vorwurf der Vermessenheit freisprechen; das weiß ich gut genug. Und Ihr, der Ihr die Wissenschaft und Literatur glühender liebt als jeder andere, sie so gründlich wie nur wenige versteht und der Ihr so viele Stunden guten Schriftstellern zu widmen pflegt, Ihr werdet doch eine einzige für die Lektüre dieser Dichtung aufwenden, die ganz eigentlich für Euch bestimmt ist. Den unsterblichen Gott bitte ich im Namen des Vaterlandes und aller, die es lieben, immer und immer wieder voll Demut, er möge mit der Güte, mit der er Euch bisher behandelt hat, Euch Festigkeit im Unglück, staatsmännische Besonnenheit in Zweifelsfällen, Gesundheit für Euer Leben und eine lange Lebenszeit gnädig gewähren. Eure Feinde und die der öffentlichen Ruhe möge er schlimmer untergehen lassen, als ihretwegen alles, was den sterblichen Menschen irgendwo teuer ist, untergeht, wie wir jeden Tag bemerken. Eure erhabene Familie möge er schützen, bewahren und erhalten. Schließlich möge er bewirken, daß alles, was Ihr zum Wohl der Kirche und des Gemeinwesens unternehmt, bald zu einem Erfolg kommt, wie er Eurer Vorzüglichkeit und den Wünschen aller guten Menschen entspricht; dann
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bono moliris, successum virtuti tuae bonorumque votis consentientem, gaudente gaudium tuum Provincia vniuersa, et applaudente Orbe Christiano, Princeps Illustrißime, brevi sortiatur.
*** [3] SERENISSIMO PRINCIPI VLDERICO, Potentißimi Daniae Regis Filio, Haeredi Norvvegiae, Summo Copiarum Equestrium Praefecto ac belli Duci, Optimo ac Fortißimo Principi.
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TRedecim fermè anni sunt, Princeps Serenissime, cùm has in adversitate belli consolationes perscripsi, eâ quidem aetate meâ, quâ tu nunc oculos jampridem omnium ac expectationem in te convertisti. Itaque libelli hi vel ideò dedicandi tibi erant, ut, quoties juventutem tuam perpendes, simul cogites et illud, clementiam divini Numinis non stirpem tibi magis regiam dedisse, quàm indolem, cujus beneficiô aequales omnes tuos majorî virtutum intervallô post te relinquis, quàm generis, isto licet maximo. Haec eruditio certè, haec memoriae miracula, hoc tàm acre exactumque judicium, ingentes hae, quibus imbutus es, [4] artes, ut omnem facundiae conatum excedunt; Ita modestia tua, sobrietas, contemptor voluptatum animus, virtus bellica inprimis, cujus in tot periculis tanta hactenus specimina dedisti, novas te generis humani delicias fore spem Orbi faciunt amplissimam. Martem togatum si quis te dicat, mea sententia non erret; minùs ille, qui
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würde das ganze Land sich mit Euch freuen und die ganze Christenheit, Euch, hocherlauchter Fürst, Beifall spenden. [G.B.]
*** Dem durchlauchtigsten Fürsten Ulrich, Sohn des hochmächtigen Königs von Dänemark, Erben Norwegens, dem Oberbefehlshaber der Reiterei und Führer im Krieg, dem besten und tapfersten Fürsten. Es ist jetzt etwa 13 Jahre her, durchlauchtigster Fürst, daß ich diese Tröstungen in Widerwärtigkeit des Krieges verfaßte, und zwar war ich damals in demselben Alter, in dem nun Ihr schon lange Zeit die Augen aller, die Erwartung aller auf Euch gelenkt habt. Und so mußte ich diese Seiten schon deswegen Euch widmen, damit Ihr, sooft Ihr Eure Jugendlichkeit bedenkt, zugleich auch dieses erwägt: Die Gnade Gottes hat Euch nicht nur die königliche Abstammung, sondern ebenso eine Veranlagung gegeben, dank deren Ihr alle Eure Altersgenossen mit einem noch größeren Vorsprung Eurer Fähigkeiten wegen hinter Euch laßt als mit dem Vorsprung, den Euch Eure Abstammung, so hoch sie sein mag, verschafft. Es ist gewiß: Wie diese Eure Bildung, Eure wunderbaren Gedächtnisleistungen und Eure scharfsinnige und genaue Urteilskraft, diese gewaltigen Fähigkeiten, mit denen Ihr gesegnet seid, jeden Versuch einer rhetorischen Würdigung übersteigen, so geben Eure Besonnenheit, Vernünftigkeit, Geringschätzung von Vergnügungen und besonders Eure kriegerische Tapferkeit, die Ihr in so vielen Gefahren schon so herrlich bewiesen habt, der Welt die feste Zuversicht, daß Ihr eine neue Wonne der Menschheit werdet. Wenn man Euch etwa einen Mars in Zivil nennt, geht man nach meiner Meinung nicht fehl; noch weniger, wenn man Euch einen Apoll in Waffen nennt. Ihr seid ja geradezu die Verheißung einer sorglosen Zukunft für Deutschland, das entweder unter Willkürherrschaft oder unter wechselseitiger Rivalität und Betrügereien im Inneren leidet, und tragt alle Zierden der Musen in dem Maße an Euch, daß Ihr, der Ihr dem göttlichen Julius an Tapferkeit nicht nachstehen werdet, ihm jetzt schon an Gelehrsamkeit gleichzukommen scheint. Außerdem ist dieser poetische Sprößling hier auf der kimbrischen Chersones, einer Provinz des Königreichs Eurer Ahnen, zur Welt gekommen, so daß er mit Recht zu dem zurückkehrt, dessen
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Phoebum armatum: adeò prorsus et securitatem oppressae aut dominandi libidine, aut aemulationis mutuae studiô fraudibusque domesticis Germaniae polliceris, et Musarum decora omnia sic exprimis, ut, qui D. Julio fortitudine vix futurus es inferior, par ei jam videaris esse doctrinâ. Caeterùm et in Chersoneso Cimbrica, regni paterni provincia, natus est hic foetus; adeo ut jure ad eum redeat, cujus quasi auras primum hausit. Tu, Princeps Indulgentissime, eô illum ut vultu excipias, quô me illius auctorem, nullo equidem merito tibi commendatum, vel Poëticus te scripti character, in quo et ipse versatus es egregiè, vel argumentum invitabit, cujus pars dexteritate armorum ac fortitudine felicissimâ esse jamdudum cepisti. Si quid insubidum illic ac hiulcum, si quid auribus tuis indignum erit, illud vix excuso: Cum et censorem te nôrim benignissimum, et sine ullo [5] librorum subsidio, eâque hiemis durissimae inclementiâ libellos hos deproperavim, ut nihil eos aut â jejunitate studiorum, aut â frigore loci traxisse, impossibile sit. Addidi et carmen ad te nuper conscriptum; quod, cum publicè jam legatur, excusare serum est. Vale, Princeps Florentissime, ac patriae meae libertatisque tutelam invicto, quod facis, animo suscipe. E Museo, XI. Kal. Septembres. [6] SI justas mediter tibi, sanguis regie, laudes, Icaria merito crimine mergar aqua. Caelestes volitant supra mortalia mentes, Tam gracilem quaerunt nec tua facta tubam. At quòd amas Musas, Princeps inuicte, simulquè Digna canis fieri, digna facisque cani, Carminibus nostris cujusdam est numinis instar, Reddentur vultu vel meliora tuo. Quam benè, quos oculos hostes perferre gravantur, Hos Phoebi noster grex putat esse sui!
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Luft sozusagen er zuerst atmete. Daß Ihr, allergnädigster Fürst, ihn mit derselben Miene entgegennehmt, mit der Ihr mich, seinen Schöpfer, den Euch kein eigenes Verdienst empfiehlt, aufnehmt, dazu bietet Euch die poetische Form des Werks, in der Ihr selbst Euch ja schon mit großem Erfolg betätigt habt, oder sein Stoff Anlaß, mit dem Ihr dank Eurer erfolgreichen Kriegsführung und äußerst glückhaften Tapferkeit schon lange verbunden seid. Wenn darin etwas Ungeschicktes und Klaffendes vorkommt, etwas, das Eurer Ohren nicht würdig ist, suche ich kaum nach Entschuldigungen. Denn ich kenne Euch als höchst gnädigen Gutachter und habe diese Seiten ohne irgendwelche Hilfe von Büchern und in einem derart unerbittlich strengen Winters eilig niedergeschrieben, daß sie unmöglich vom Mangel an Literatur oder von der Kälte dieses Ortes unbeschadet geblieben sein können. Ich habe noch ein vor kurzem an Euch gerichtetes Gedicht hinzugefügt; da es schon veröffentlicht ist, kommt eine Entschuldigung für dieses Gedicht zu spät. Alle guten Wünsche, Ihr blühendster Fürst, und nehmt Euch auch weiterhin meines Vaterlandes und der Freiheit unbesiegten Herzens als Vormund an. Aus meinem Musensitz, am 22. August. Wollt’ ich, Ihr Sproß eines Königs, im richtigen Maße Euch rühmen, Stürzt’ ich wie Ikarus ab, hätt’ einen Vorwurf verdient. Seelen von himmlischem Rang überfliegen das Treiben der Menschen; Derart schwaches Getön mag Euer Heldentum nicht. Aber Ihr liebt ja die Musen, Ihr siegreicher Herrscher, bedichtet, Was zu geschehen verdient, schafft auch zu Rühmendes selbst; Deshalb ersetzt meine Dichtung vielleicht ein göttliches Zeichen, Wenn auch bessere wohl Eurem Gesichte sich zeigt. Trifft sich ja gut! In den Augen, in die es die Feinde zu blicken Schaudert, erblickt unsre Schar Augen des eignen Apoll! [G.B., D.M.]
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[Titelkupfer] LAVDATIO FVNEBRIS MEMORIAE AC HONORI SERENISSIMI PRINCIPIS
VLDERICI POTENTISS . DAN. REGIS F . HAEREDIS NORVAGIAE SVMMI COPIAR . EQVESTRIVM SAXONICAR . PRAEFECTI DVAR . LEGION. DVCIS DICATA A MARTINO OPITIO.
F RANCOF.
AD
M OEN .
APVD MAT. MERIANVM . M . DC . XXXIII .
[2 vacat] [3] SERENISSIMO AC POTENTISSIMO PRINCIPI
CHRISTIANO IV. DANIAE NORVAGIAE GOTHORVM VANDALORVMQ . REGI SLESVICI HOLSATIAE STOR MARIAE AC DITMARSIAE DVCI OLDENBVRGI AC DEL MENHORSTAE ETC . COMITI REGI AC DOMINO SVO CLE MENTISSIMO IN SOLATIVM PATERNI DOLORIS ET TESTANDAE DEVOTIONI D. D. D. MART. OPITIVS. FRANCOF. AD MOENVM .
A NN. M . DC . XXXIII . K AL . O CTOBR.
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Leichenrede zum ehrenvollen Andenken an den durchlauchtigsten Prinzen Ulrich, den Sohn des großmächtigen Königs von Dänemark, den Erben Norwegens den obersten Befehlshaber der sächsischen Reitertruppen, den Führer zweier Legionen, gewidmet von Martin Opitz. Frankfurt am Main bei Matthäus Merian 1633.
Dem durchlauchtigsten und mächtigsten Fürsten Christian IV., König von Dänemark und Norwegen, der Goten und der Wandalen, Herzog von Schleswig-Holstein, Stormarn und Ditmarschen, Graf von Oldenburg und Delmenhorst usw., seinem König und gnädigsten Herrn widmet dies zum Trost des väterlichen Schmerzes und zur Bezeugung seiner Unterwürfigkeit Martin Opitz. Frankfurt am Main am 1. Oktober des Jahres 1633.
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[4 vacat] [5] INter haec bella Germaniae et calamitates inauditas spectaculum atrox nobis exhibitum est nuper, caedes indignissima, qua Princeps Iuuentutis Vldericus, Potentissimi Daniae Regis Filius, nihil hostile et cogitans et metuens eo tempore periit, quo imminentes quibuscunque ex caussis induciae securitatem castris, quietem omnibus promittere videbantur. Scilicet hoc vnum restabat deploratissimis rebus nostris, vt ad summa genitus et, perfidiae artes ac dolum si excipias, caetera inuictus heros, in viridi aetate sua, qua oculos iam omnium et exspectationem in se conuerterat, per fallaciam ac fraudes, è medio ingentium factorum cursu, et opera quidem vltimi mancipij, abriperetur. Quid dicam, fides supremi Numinis! aut quid non dicam? atrocitatemne facti accusem et morte ipsa mortis genus longe acerbius? At quamuis tantum in me esset eloquentiae, quantum moeroris est verissimi, iustamque hominis ac qualem adolescens innocentissimus merebatur aetatem huic soli meditationi impenderem; parricidium tamen hoc publicum, hanc necem tristissimam, capitale hoc facinus nullis verborum co-[6]loribus, nullo conatu satis vnquam expresserim. An vero momenta vitae deplorem ac incerta mortalium, quorum spes omnis et quicquid vspiam illis charum est, vnius horae fortuna perit multoties ac euanescit? Et parcius equidem reliqui de fragilitate nostra quereremur, si, quoties tam rarus decor, tam insigne virtutis ac ingenij specimen coelo delebitur, eousque illi rebus humanis interesse contingeret, donec et felicitate tanta ad satietatem, si qua esse hic debet, frui, et exemplo eius allecti optima quaeque sectari possemus ac discere. Verum cum non ea solum conditio nostra sit, vt voluptatem ex iis fere quibus maxime oblectamur rebus percipiamus breuissimam; sed et divinas mentes memoriam beneficiorum suorum et laudem magis quam inanem planctum, à quo sibi hostes ipsos etiam post patratum hoc facinus (magnitudine credo eius sera licet aestimatione perspecta) non temperasse nouimus, requirere à nobis credibile sit: relictis hic
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Während dieser Kriege in Deutschland und unerhörter Verluste hat sich uns kürzlich ein grausiges Schauspiel dargeboten, ein überaus abscheulicher Mord, durch den der Vornehmste der Fürstensöhne, Ulrich, der Sohn des großmächtigen Dänenkönigs, als er an keinen feindlichen Angriff dachte und keinen befürchtete, zu dem Zeitpunkt zugrunde ging, an dem ein aus irgendwelchen Gründen bevorstehender Waffenstillstand den Soldaten Sicherheit und allen Menschen Frieden zu versprechen schien. Dies allein freilich fehlte noch in unserer äußerst bejammernswerten Lage, daß der zu Höherem geborene und, wenn man die Künste der Treulosigkeit und die List ausnimmt, ansonsten unbesiegte Held in der Blüte seiner Jugend, in der er schon die Augen und die Erwartung aller auf sich gerichtet hatte, durch Täuschung und Betrug mitten aus der Bahn bedeutender Taten gerissen würde, und zwar durch die Hand des allerletzten Sklaven. Was soll ich sagen, guter Gott, oder was soll ich nicht sagen? Soll ich die Grausamkeit der Tat anklagen und die Art des Todes, die noch weit bitterer ist als der Tod selbst? Aber selbst wenn ich über soviel Redekunst verfügte, wie ehrlichste Trauer in mir ist, und die einem Menschen zukommende Lebenszeit, die auch dieser unschuldigste Jüngling verdient hätte, allein für diese Betrachtung aufwendete, könnte ich wohl trotzdem diesen Hochverrat, diesen überaus scheußlichen Mord, dieses Kapitalverbrechen durch keinen Wortschmuck und keine Bemühung jemals angemessen ausdrücken. Oder aber soll ich die Schwankungen des Lebens beweinen und die unsicheren Verhältnisse der Sterblichen, deren ganze Hoffnung und, was immer ihnen teuer ist, häufig durch das Geschick einer einzigen Stunde zugrunde geht und dahinschwindet? Auch würden wir Zurückgebliebenen uns weniger über unsere Hinfälligkeit beklagen, wenn, sooft eine so seltene Zierde, ein so herausragendes Beispiel von Tugend und Begabung vom Himmel zerstört werden soll, es diesem gelänge, so lange am Menschenleben teilzunehmen, bis wir dieses gewaltige Glück bis zur Sättigung, wenn es die hier geben kann, genössen, und durch sein Vorbild angelockt gerade dem Besten nacheifern und es lernen könnten. Da aber unsere Lage nicht nur derart ist, daß wir das kürzeste Vergnügen aus den Dingen ziehen, an denen wir die größte Freude haben, sondern göttliche Seelen von uns wahrscheinlich auch die Erinnerung an ihre Wohltaten und Lob mehr als unnützes Wehklagen verlangen, dessen sich, wie wir wissen, selbst die Feinde auch nach Vollbringung dieser Tat nicht enthalten haben (nachdem sie meiner Ansicht nach seine Größe, wenn auch zu spät, erkannt haben), wollen wir diese Klagen beiseite lassen oder wenigstens aufschieben und lieber die Natur- und Geistesgaben und diejenigen Schönheiten des vollkommensten Jünglings betrachten, durch die er das Leben zwar nicht retten konnte, aber einen ewigen Ruhm, der mehr wiegt als ein ver-
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querimoniis, aut saltem dilatis, naturae potius animique dotes eaque iuuenis consummatissimi ornamenta contemplemur, quibus vt vitam redimere non potuit, ita fragili vita potiorem famam aeternam et seculorum omnium praeconia iure meritus est optimo. Vtinam vero veteris instituti illius, Romanorum imprimis, quo defunctos laudare aut magistratuum ferme aut propinquorum erat, nunc quoque iam ratio haberetur: certe argumento rei, quod splendorem omnem orationis ac copiam interuallo excedit longissimo, ab auctoritate saltem laudatorum atque maiestate grauitas accederet illustrior: nunc ego, et nullo neque conditionis neque literarum pretio clarus, et hoc quidem tempore ab instrumentis doctrinae omnibus ac patria, inter curas ob ruinam [7] illius iustissimas, diuulsus, et minor tandem longe quam vt dictorum inuidiam, grassante tanta inter homines peruerse interpretandi quicquid loquimur vspiam aut scribimus licentia, declinare valeam aut elidere; ego, inquam, quid in medium adferam quod aut meritis beatissimae illius animae respondeat, aut expectationi de proposito hoc meo satisfaciat? Cum tamen non viuus modo Princeps Optimus tanta me clementia fouerit, tanto amore nullo merito meo prosecutus fuerit, vt verborum officium, quod solum hinc sublatis praestari potest, deuotio gratitudinis meae prorsus à me postulet; verum etiam memoriam mihi suam absenti moriens commendari iusserit, obsequio ipso et professione pietatis si non laudari, tamen, vt spero, excusari apud benignos aestimatores merebor. A patria igitur praegloriosissimi Principis, id quod Rhetores iubent, exordium sumere non possumus, nisi simul et sumamus à regno. Caeteri mortales ortum suum vni loco debent aut vrbi: Regum ac Principum ea fors est, vt nasci per tot spatia terrarum videantur, per quot vel parentes imperant, vel imperaturi sunt ipsi. Gaudium hoc non priuatum est, nec vnius cubiculi ambitu concluditur: Soles eiusmodi simul oriuntur, simul omnia late radiis sui splendoris ac serenitate collustrant. Daniam vero ita vti decebat commendare velle, hoc esset idem pelagus volae manus includere, quod illam perpetua custodia tuetur ac ambit. Quid Zelandia eiusque capite Hafnia opulentius? quid foecundius Scania? quid Fionia pulchrius? quid armentorum ac apium
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gängliches Leben, und die Verherrlichung in allen Zeiten mit dem größten Recht verdient hat. Wenn doch jener alte Brauch, der Römer zumal, nach dem es gewöhnlich Aufgabe von Beamten oder Verwandten war, die Verstorbenen zu loben, auch jetzt noch Gültigkeit hätte! Dann wüchse sicherlich der Sache, die weit wichtiger ist als aller Prunk der Rede und alle Wortfülle, wenigstens vom Ansehen und der Würde der Lobredner her bedeutenderer Glanz zu. Was soll ich nun, der ich durch keine Auszeichnung des Standes oder der Bildung berühmt und wenigstens zu diesem Zeitpunkt von allen Hilfsmitteln der Wissenschaften und – unter berechtigtesten Sorgen wegen ihres Untergangs – von der Heimat abgeschnitten und schließlich viel zu schwach bin, als daß ich die Mißgunst der Worte abwenden oder zerschlagen könnte, da ja unter den Menschen eine solche Dreistigkeit grassiert, was immer wir irgendwo sagen oder schreiben, zu mißdeuten, – was soll ich, sage ich, vorbringen, das den Verdiensten seiner ins Paradies eingegangenen Seele entspricht oder der Erwartung hinsichtlich dieses meines Vorhabens Genüge leistet? Da jedoch der trefflichste Prinz mich nicht nur zu seinen Lebzeiten mit solcher Gnade unterstützte und, ohne daß ich es verdiente, mit solcher Liebe begleitete, daß einen Dienst mit Worten – ein anderer kann den von hier Geschiedenen nicht geleistet werden – meine unterwürfige Dankbarkeit geradezu von mir fordert, sondern da er mir auch im Sterben während meiner Abwesenheit das Gedenken an ihn auftragen ließ, werde ich gerade durch meinen Gehorsam und das Bekenntnis meiner Anhänglichkeit wenn nicht Lob, so doch, wie ich hoffe, bei den gnädigen Beurteilern Nachsicht finden. Mit der Heimat des überaus glorreichen Prinzen, wie es die Redelehrer vorschreiben, können wir nun aber nicht beginnen, wenn wir nicht zugleich mit dem Reich beginnen wollen. Die übrigen Sterblichen verdanken ihren Ursprung einem einzigen Ort oder einer Stadt, das Schicksal von Königen und Fürsten ist es, daß sie anscheinend in so vielen Landstrichen geboren werden, wie ihre Eltern beherrschen oder sie selbst beherrschen werden. Dieser Jubel ist nicht privat und beschränkt sich nicht auf den Umfang eines einzigen Zimmers. In dem Augenblick, in dem solche Sonnen aufgehen, erleuchten sie alles weithin mit den Strahlen ihres Glanzes und mit ihrer Durchlauchtigkeit. Dänemark aber so, wie es sich gehörte, preisen zu wollen, bedeutete, das Meer mit der hohlen Hand einzuschließen, das dieses Land mit beständiger Wacht schützt und umgibt. Was ist reicher als Seeland und seine Hauptstadt Kopenhagen? Was fruchtbarer als Schonen? Was schöner als Fünen? Was wegen ihrer Menge an Vieh und Bienen nützlicher als die kimbrische Halbinsel? Wenn ich die übrigen Gegenden und Provinzen, die den Gesetzen dieses Reiches unterstehen, ebenfalls anführen wollte, fände ich hier dieselbe Grenze, welche die Alten dieser großen Mutter setzten, die uns ernährt. Wahrhaftig: Hinter welchem Erdteil sollten diese Vorteile des Kattegat, dieser Küstenzoll, dieses Angriffen von außen sich widerset-
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copia vtilius Chersoneso Cimbrica? Reliquas enim Regiones et Prouincias quae legibus imperij huius tenentur adducere simul si cuperem, eundem hic limitem inuenirem quem antiqui posuerunt [8] magnae huic quae nos alit matri. Haec profecto sinus Codani commoditas, hoc littorum vectigal, hic oppositus incursui externo Oceanus cui terrarum parti concedat? Ipsum gelu ac bruma, quam gentes aliae fugiunt, cum hostes saepe ab incolis arcet, tum hos contra illorum lenius robur munit, animat, indurat. Ex his oris progressa toties olim est natio illa, quae suas omnes expeditiones victoriis, orbem vniversum metu impleuit ac terrore: cuius virtutem verbis extulerunt quos domuit: de qua triumphum aliquando Romani egerunt, sed ipsi paene victi. Vetustatem vero regum ab inundatione mundi, aut originem, quod speciose magis possemus quam vere, vltra Istrum arcessere quid opus est? Equidem gloriosius duxerim, dare regem, quam accipere. Sed nec caetera illa virtutum potius quam hominum nomina Hiarnos, Frothones, Canutos aliosque longo ordine recenseam. Quippe sua qui familia clarus est, cur adoptari in alienam velit caussam non habet. Et principis quidem nostri stemma tot domesticis imaginibus, tot belli ac togae ornamentis enitet, vt qui facta tantorum regum ac monarcharum complecti velit, totidem sibi optare secula debeat, quot illi regnauerunt. Si proximos saltem aspicimus, quid decennio Friderici I. sanctius? qua modestia, quo subditorum amore, tutela tranquillitatis firmissima, regnum sibi muniuit? qua deuotione, abolitis cultus parum diuini deliriis, munimentum suae maiestatis ab illa suprema impetrauit? Pietatem vero an prudentiam Christiani II. magis commendes, haud facile dispicias: his tamen ob domitas rusticorum tumultuantium cohortes, ac prouincias recepta per obsidium acerrimum Hafnia pacatas, aliasque magnanimitatis palmas, addenda maxime est et for-[9]titudo. Friderici autem II. res terra marique gestae, subacti Ditmarsi, vicinia hostilis armorum vi ad conditiones vocata, clemens domi ac militiae seueritas, disciplina castrorum, et ingens laudum rarissimarum examen instar omnium esse possent, nisi Filium regno dedisset, huius non magis quam virtutum quarumvis haeredem dignissimum: Christianum Quartum dico, ma-
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zende Meer zurücktreten? Gerade das Eis und die Kälte, vor der andere Völker fliehen, hält nicht nur oft die Feinde von den Bewohnern fern, sondern stärkt, belebt und härtet letztere gegen deren geringere Kraft ab. Aus diesen Gegenden brach einst so oft jenes Volk auf, das all seine Feldzüge mit Siegen, den gesamten Erdkreis mit Furcht und Schrecken erfüllte, dessen Tapferkeit diejenigen mit Worten in den Himmel hoben, die es unterwarf, über das die Römer einmal einen Triumph errangen, wobei sie aber selbst beinahe besiegt worden wären. Wozu aber ist es nötig, eine lange Ahnenreihe der Könige von der Sintflut oder ihren Ursprung, was wir eher der Wahrscheinlichkeit als der Wahrheit gemäß tun könnten, von jenseits der Donau herzuleiten? Ich für meinen Teil hielte es für ruhmreicher, einen König zu stellen, als ihn zu bekommen. Aber auch die übrigen Namen von Tugenden eher als von Menschen, die Hiarnos, Frothos, Knuts und andere will ich nicht in langer Reihe aufzählen. Denn wer durch seine eigene Familie berühmt ist, hat keinen Grund, weshalb er in eine fremde adoptiert werden wollte. Der Stammbaum unseres Prinzen jedenfalls glänzt durch so viele Ahnenbilder und Auszeichnungen in Krieg und Frieden, daß derjenige, der die Taten so vieler Könige und Monarchen erfassen wollte, sich ebensoviele Jahrhunderte wünschen müßte, wie sie regierten. Denn wenn wir nur die letzten anschauen, was ist gottgefälliger als das Dezennium Friedrichs I.? Mit welcher Bescheidenheit, welcher Liebe zu den Untertanen, dem zuverlässigsten Schutz für den Frieden, sicherte er sich sein Reich! Mit welcher Demut erlangte er, nachdem er dem Wahn des Götzendienstes ein Ende gesetzt hatte, die Festigung seiner Majestät von jener höchsten! Ob man aber die Frömmigkeit oder die Klugheit Christians II. mehr preisen soll, wird man nicht leicht entscheiden können. Diesen beiden Tugenden ist jedoch, da er die Haufen der aufständischen Bauern bezwang, Kopenhagen durch hartnäckigste Belagerung zurückeroberte und dadurch die Provinzen befriedete sowie weitere Siegespalmen seines hohen Mutes davontrug, ganz besonders auch die Tapferkeit zur Seite zu stellen. Die Taten Friedrichs II. zu Lande und zu Wasser aber, die Unterwerfung der Dithmarscher, seine Leistung, die feindlichen Nachbarn mit Waffengewalt zur Annahme von Verträgen zu zwingen, seine milde Strenge in Krieg und Frieden, seine Zucht im Lager und die ungeheure Menge seltenster Vorzüge könnten eine Vollkommenheit bilden, wenn er dem Reich nicht seinen Sohn geschenkt hätte, den würdigsten Erben des Reiches wie aller guten Eigenschaften, ich meine Christian IV., den großen Vater seines zu Höchstem geborenen Sohnes Ulrich, einen König sowohl durch das Los seiner Geburt als auch durch die Verdienste seines ungeheuren Mutes, den ich wegen seiner tapferen Verteidigung bzw. rechtmäßigen Ausdehnung der Reichsgrenzen, wegen der Förderung der Schiffahrtskunst, wegen der Ausstattung der Städte mit Kirchen, Hallen und Schutzwehren, wegen der gütigen Aufnahme der Wissenschaften, die anderwärts mit Füßen getreten
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gnum Filij ad suprema nati Vlderici parentem, et sorte nascendi, et ingentis animi meritis Regem, quem ob fines imperij aut defensos fortiter aut iuste dilatatos, ob propagatam nauigandi solertiam, exornatas templis, porticibus, propugnaculis vrbes, suscepta benigne conculcata alias ac euersa doctrinae studia, ciues clementer habitos, liberalitatem ac munificentiam singularem, aliaque quibus chariorem se suis reddit indies beneficia, Patrem Patriae vocarem, nisi et foederatorum suorum, belli auxiliis ac Pacis (quantum libertas publica et religio permittit) studio, Pater, tutor, assertor dici iure debeat iustissimo. Ad genus tandem maternum Principis Nobilissimi si transeamus, sunt qui magno illud annalium consensu à Columniis Romanis, horum vero prosapiam à veterrimo vsque Camillorum sanguine repetunt. Stirps profecto Brandenburgica tot Principum frequens, tot heroum foecunda est, vt à multis seculorum voluminibus splendidiorem aliam Germania vix viderit. De septemuiratu solum creandis Imperatoribus si quaerimus, decimus nunc viuit, viuatque diu, ille tranquillitatis publicae defensor acerrimus, constantissimus optimusque Princeps Georgius Guilielmus, ad quem haereditaria illa dignitas cursu perpetuo deuoluta est. Ex tanta ac tam insigni domo matrem cum habuerit noster, Annam Catharinam, ingentis ani-[10]mi prorsusque heroicam Principem, quis inficias ibit, vel sorte nascendi et à parentibus eum regiam indolem illam, illos vigoris diuini igniculos, quos cum stupore et admiratione summa suspeximus, traxisse: Est quippe, est magna sanguinis potentia, et magister non ex occulto Deus bonorum plerumque parentum seminibus inseuit id quod in liberis bonam naturam mortales vocamus. Itaque rapax adeo et ex se fertile ingenium noster nactus, res honestas omnes quibus puerilis aetas impertiri debet toto statim pectore arripuit. De amore saltem studiorum et charitate quid dicam, quam natura illi in ipsis statim vitae principiis inoleuerat? Optimo ingenio optime vsus adeo diligens literarum fuit, vt satis ostenderit, sciuisse se, hominem generis quantumlibet ac fortunae bonis cumulatissimum, si doctrinam auersetur, pecudem auream esse, cuius pretium cutem non excedat. Equidem mirari satis non possum, adeo stolidos quosdam ac ve-
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und zunichte gemacht wurden, wegen der milden Behandlung der Bürger, wegen seiner einzigartigen Freigebigkeit und Wohltätigkeit und anderer Wohltaten, die ihn den Seinen von Tag zu Tag teurer werden lassen, Vater des Vaterlandes nennen würde, wenn er nicht wegen der Hilfsleistungen für seine Bundesgenossen im Krieg und seines Eifers für den Frieden (soweit ihn die öffentliche Freiheit und die Religion zulassen) Vater, Schützer und getreuer Begleiter mit dem größten Recht genannt werden müßte. Wenn wir schließlich zur Familie der Mutter des edelsten Prinzen übergehen, führen einige deren Abstammung in großer Übereinstimmung mit den Geschichtsbüchern auf die römische Familie Colonna, deren Geschlecht aber bis auf die uralte Familie der Camilli zurück. Das brandenburgische Haus weist sicherlich eine so große Zahl an Fürsten, einen solchen Reichtum an Helden auf, daß Deutschland seit vielen Kreisläufen der Jahrhunderte kaum ein glänzenderes gesehen hat. Wenn wir nur an das Kurfürstenkollegium denken, das die Kaiser wählt, lebt nun der zehnte und möge lange leben, jener energischste Verteidiger des allgemeinen Friedens, der standhafteste und beste Fürst Georg Wilhelm, auf den jene Erbwürde in ununterbrochener Folge übergegangen ist. Da nun unser Prinz eine Mutter aus so bedeutendem und ausgezeichnetem Haus hat, Anna Katharina, eine großmütige und geradezu heldenhafte Fürstin, wer wird da in Abrede stellen, daß er vom Los seiner Geburt selbst und von den Eltern diese königliche Begabung, diese Funken göttlicher Kraft bezogen habe, zu denen wir mit Staunen und höchster Bewunderung aufgeschaut haben. Es gibt nämlich, ja es gibt eine große Macht des Blutes, und Gott, der unverborgene Schöpfer, pflanzte den Samen guter Eltern meist das ein, was wir Sterbliche bei den Kindern gute Anlage nennen. Weil also unser Prinz eine so auffassungsbereite und aus sich schöpfende Begabung mitbekommen hat, erfaßte er sofort mit ganzem Herzen alle ehrenhaften Gegenstände, in denen das jugendliche Alter unterwiesen werden muß. Was soll ich über die Liebe zumindest zur Wissenschaft und die Hochachtung vor ihr sagen, welche die Natur ihm gleich zu Beginn seines Lebens eingepflanzt hatte! Indem er hervorragenden Gebrauch von seiner hervorragenden Begabung machte, liebte er die Wissenschaften so sehr, daß er seinem Bewußtsein hinreichend Ausdruck verlieh, daß, wie sehr auch ein Mensch von den Gütern der Abstammung und des Glücks überhäuft sei, er, wenn er sich von der Gelehrsamkeit abwende, ein goldenes Schaf sei, dessen Wert über den seines Fells nicht hinausgehe. Ich meinerseits kann mich nicht genug wundern, daß einige so töricht und wahnwitzig sind, daß sie, um das Ansehen ihrer Ahnentafeln zu erhöhen und um diejenigen, die von bescheidener Abkunft sind, zu beleidigen, zwei ganz verschiedene Arten von Menschen zu bestimmen sich erdreisten, nämlich solche von edler Abkunft und Gebildete oder, wie diese Epigonen sie nennen, Schulmeister. Gerade als ob der adlig wäre, der – mit Ausnahme der Tugend – alles besitzt, oder
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cordes animi esse, vt ad evehendam imaginum suarum auctoritatem, et respuendos originis modicos, diuersa duo mortalium genera constituere audeant, nobiles et eruditos siue, vt nepotes isti vocant, scholasticos. Quasi aut nobilis sit, qui, virtutem si excipias, quiduis possidet, aut non nobilis, qui vel generis ornamenta quae habet studiis amplificat, vel quae non habet iisdem facit primus atque extendit. Conspiraverat porro cum ingenio Principis nostri sufficiens supra vsum etiam memoria, cuius tanta felicitas erat, vt Themistocli hac etiam parte haud inferior, res quascunque non tam legere quam ipse ex se parere videretur, ac nemo quisquam alius citius aut quae velit discat, aut quae didicit retineat. Recitantem ipsum audiui integra variorum auctorum loca, paginas integras, imperturbato prorsus ac facili ordine, [11] quique ostenderet ipsum non verba minus aliorum in promptu habere quam suum ingenium. Accedebat augusta quaedam oris commendatio ac in dicendo erecta alacritas, cuius beneficio id efficiebat, vt oculis verba recitantis non auribus solum dixisses irrepere, quas lenissimo dicendi flumine perfundebat. Persij satyras imprimis, poëma tam obscurum, vt vel doctissimo cuique negotium exhibeat, quam inoffensa lingua ex promptuario illo rerum optimarum memoria diuina proferebat? qua loquendi venustate, modesto cum risu, id quod hoc scripti genus requirit, coniuncta, sententiam auctoris et verba reddebat pariter ac commendabat? Nemo hominum suam mentem adeo diserte explicat, ac ille alienam. Hac consuetudine Poetas legendi et colores sermonis artemque non mediocriter imbiberat, et sese ad studium hoc positione ipsa siderum, quae nascenti illuxissent, astrisque duci autumabat, ac vates diuini aliquid ex alto trahere, neque tam fieri quam nasci, vel ex suo ingenio credi libenter volebat. Tantum vero abfuit, vt quicquid huius est dedecori sibi esse crederet, vt etiam Caesarum, Regum et Principum plurimorum exemplo, Neronis ipsius ac Domitiani (adeo virtus et eruditio vel tyrannis pretij sui testimonia exprimunt) commendari ob eiusmodi elegantias laudi sibi duceret non postremae. Libellum quoque iuris publici fecit, cui Strigili Vitiorum nomen indidit, numeris quidem solutum, caetera argumento Satyrae proximum, in quo animaduertere est, neque
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nicht adlig, der die Ehre der Abkunft, die er besitzt, durch Studien erhöht bzw., wenn er sie nicht besitzt, durch dieselben als erster schafft und ausweitet. Mit der Begabung unseres Prinzen wirkte überdies auch ein Gedächtnis zusammen, das weit mehr als die üblichen Dienste leistete, dessen Fassungsvermögen so groß war, daß er – dem Themistokles auch in dieser Beziehung nicht unterlegen – beliebige Dinge nicht so sehr zu lesen als aus sich selbst hervorzubringen schien, und kein anderer schneller als er lernt, was er will, oder im Gedächtnis behält, was er gelernt hat. Ich hörte, wie er ganze Passagen, ganze Seiten verschiedener Autoren vortrug, in völliger Ruhe und in ungezwungener Abfolge, die auch bewies, daß er über die Worte anderer nicht weniger verfügte als über seinen eigenen Verstand. Es trat noch eine gewissermaßen majestätische Stimme hinzu, die für ihn einnahm, aufrechte Lebhaftigkeit beim Sprechen, wodurch er es fertigbrachte, daß man hätte sagen können, seine Worte schmeichelten sich beim Vortrag den Augen, nicht nur den Ohren ein, die er mit angenehmstem Redefluß übergoß. Die Satiren des Persius insbesondere, diese so dunkle Dichtung, die selbst den Gelehrtesten Schwierigkeiten bereitet, wie trug er sie ohne Stocken aus jener Schatzkammer des wertvollsten Besitzes, seinem göttlichen Gedächtnis, vor! Mit welcher Anmut beim Sprechen, verbunden mit einem leisen Lächeln, das diese Art der Literatur fordert, gab er Gehalt und Worte des Dichters wieder und brachte sie gleichermaßen nahe! Kein Mensch erläutert sein eigenes Denken so beredt wie er fremdes. Durch diese Gewohnheit, die Dichter zu lesen, hatte er Redeschmuck und -kunst in nicht unbeträchtlichem Maße in sich aufgesogen und behauptete, daß er zu diesem Studium durch die Stellung der Sternbilder, die ihm zu seiner Geburt geleuchtet hatten, und die Gestirne gebracht werde, und wollte gern als Dichter etwas Göttliches aus der Höhe des Himmels empfangen und nicht so sehr zum Dichter ernannt werden denn als solcher geboren oder nach seiner Begabung eingeschätzt werden. So weit war er aber davon entfernt, zu glauben, irgendetwas dieser Art könne für ihn schändlich sein, daß er es sich nicht als geringstes Lob anrechnete, wegen dieser Geschicklichkeit nach dem Beispiel zahlreicher Kaiser, Könige und Fürsten, namentlich des Nero und des Domitian ausgezeichnet zu werden. (So sehr bezeugen Tüchtigkeit und Bildung sogar Tyrannen ihren Wert.) Er veröffentlichte auch ein Büchlein, dem er den Titel „Fehlerschaber“ gab, zwar in ungebundener Sprache, aber sonst der Sache nach der Satire sehr ähnlich, in dem zu bemerken ist, daß es ihm zu diesem überaus schönen Gegenstand weder an Begabung noch an genauester Kenntnis gefehlt hat. Deutsche Gedichte, die heute die meisten mit größerem Eifer als Erfolg verfassen, machte er ohne jede Mühe und Anstrengung und schrieb sie nieder, als ob die Musen diktierten. Denn diese Sprache hatte er durch Übung so sehr zu der seinen gemacht, daß er durch die Reinheit und den Glanz seines Ausdrucks oft jene erröten ließ, die nicht nur zu
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ingenium ei ad disciplinam hanc pulcherrimam, neque scientiam vel exactissimam defuisse. Versus autem Germanicos, ad quos conscribendos animum nunc impetu maiori quam successu plerique applicant, sine cura [12] vlla faciebat nulloque negotio, et tanquam dictantibus Musis excipiebat. Linguam enim hanc ita vsu suam fecerat, vt puritate orationis ac nitore illos saepe in ruborem daret, qui populares non modo hic sunt, verum etiam ornate dicendi facultatem vnice affectant. Idem de Gallico sermone, quem domestica institutione ac occasione peregrinationis addidicerat (Italicum enim suo Marte ita apprehenderat, vt et quicquid legebat intelligeret, et quantum opus erat loqueretur) affirmare possum, de cuius munditia controuersiam illi mouere nemo facile ausus fuisset. Et horum etiam Poëtarum praestantiorum (nam musteos illos nuperque adeo natos cum tumore suo ampullisque verborum non morabatur) insigniora loca et quasi gemmas scriptorum cum tenebat optime, tum feliciter imitabatur. Accedebat rarus ingeniositatis, rarior iuuentae comes, iudicium excellens, acre, maturum, cuius norma quid de quoque auctore sentiendum, accurate sane atque ex ipsis literatorum legibus perspiciebat. Librorum vt amabat optimos, ita conseruare malebat etiam plures malos, ne noceret bonis paucioribus; neque in sententia eorum manebat, qui furere in opera ingeniorum et instrumenta doctrinae factum illustre ac victoriam putant. Nunquam medius fidius, nunquam posteritati excusabimus hanc barbariem nostram, hos mores iniquissimos, hoc petulantissimum peruicaciae genus, quo in tot priscae Ecclesiae monumenta, tam eruditas animas, tot annales maiorum, et quicquid diuitiis nullis, nulla industria restaurari potest, tam inclementer saeuimus. Quid enim Gothos veteres accusamus aut Hunnos, qui rudes artium ac solius gloriae militaris appetentes aut non aestimarunt scripta quorum desiderio ad-[13]huc tenemur, aut non intellexerunt? quid Patribus Byzantinis imputamus, quorum peruersa pietate Graeca pariter ac Romana eruditio immane quondam naufragium fecit? Nostra haec virtus, nostra nunc gloria est; et quoniam desiimus facere laudanda, literas delemus, vt nec pudenda describi possint. Nequicquam tamen, o boni! sudatis: semper suus professioni doctrinae
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diesem Volk gehören, sondern auch in besonderem Maße auf die Fähigkeit, gewählt zu sprechen, Anspruch erheben. Dasselbe kann ich hinsichtlich der französischen Sprache behaupten, die er in häuslichem Unterricht und bei der Gelegenheit einer Reise gelernt hatte und über deren Reinheit es keiner leicht gewagt hätte, mit ihm in ein Streitgespräch einzutreten. (Die italienische hatte er sich nämlich auf eigene Faust in dem Maße angeeignet, daß er alles verstand, was er las, und sprechen konnte, soweit es nötig war.) Auch behielt er die herausragenden Passagen der besten Dichter (denn an jenen Frischlingen und gerade eben erst Geborenen, mit dem Schwulst und dem Bombast ihrer Worte hielt er sich nicht auf) und gleichsam die Edelsteine der Literatur bestens im Gedächtnis, ahmte sie vor allem aber geschickt nach. Hinzu kam ein seltener Begleiter reicher Begabung und ein noch seltenerer der Jugend, nämlich ein hervorragendes, scharfes und reifes Urteilsvermögen, anhand dessen er ganz genau und nach den Regeln der Gebildeten selbst sah, was von jedem Autor zu halten sei. Von den Büchern schätzte er zwar stets nur die besten, zog es jedoch vor, ziemlich viele schlechte aufzubewahren, um nicht den allzu wenigen guten zu schaden. Auch verharrte er nicht in der Ansicht derer, die es für eine glorreiche Tat und einen Sieg halten, gegen Werke von begabten Menschen und Werkzeuge der Gelehrsamkeit zu wüten. Niemals, bei Gott, niemals werden wir vor der Nachwelt diese unsere Barbarei rechtfertigen, dieses höchst ungerechte Benehmen, diese mutwilligste Art von Starrköpfigkeit, mit der wir gegen soviele Monumente der alten Kirche, so gebildete Seelen, so viele Aufzeichnungen der Vorfahren und, was alles weder durch Geld noch durch Fleiß wiederhergestellt werden kann, so unbarmherzig wüten. Denn warum beschuldigen wir die alten Goten oder Hunnen, die ohne Kenntnis der Wissenschaften und allein auf militärischen Ruhm bedacht den Wert der Schriften, die wir bis heute vermissen, nicht einschätzen oder die Schriften nicht verstehen konnten? Welche Schuld schreiben wir den byzantinischen Kirchenvätern zu, durch deren verkehrte Frömmigkeit die griechische Bildung einst genauso furchtbaren Schiffbruch erlitt wie die römische? Solcherart ist jetzt unsere Tüchtigkeit, unser Ruhm, und weil wir aufgehört haben, Lobenswertes zu vollbringen, zerstören wir die Wissenschaften, damit das, dessen man sich schämen muß, auch nicht schriftlich festgehalten werden kann. Vergeblich aber, ihr guten Leute, müht ihr euch ab: Dem Bekenntnis zur Gelehrsamkeit wird man immer die gebührende Ehre widerfahren lassen, euch aber erwartet eine andere Ehre, daß man euch nämlich einmal den Titel verleiht: Feinde der öffentlichen Freiheit und der Bildung. Von anderer Denkungsart, anderer Gesinnung war unser gnädigster Prinz, jener Herakles der Musen, der dem Ptolemaios Philadelphos nacheiferte, der wiederum, wie man sich erzählt, Bibliotheken mit staunenswerter Freigebigkeit zusammenkaufte, vergrößerte, bewahrte und die Studien der Gelehrsamkeit mit solcher Liebe verfolgte, daß er
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honos stabit, et vos alter expectat vt dicamini olim: Libertatis publicae ac humanitatis hostes. Alia mente, alio animo praeditus erat Princeps noster Indulgentissimus, Hercules ille Musarum, ille aemulus Ptolemaei Philadelphi, qui, vt fama est, et bibliothecas stupenda liberalitate coëmit, auxit, conseruauit, et studia doctrinae eo amore prosecutus est, vt vno tempore ac eodem clarissimos Graeciae Poëtas, qui Pleiadum nomen à numero nacti sunt, aleret comiter ac sustentaret. Eadem aut similia excelsus Vlderici animus subinde meditabatur, ac si quando sibi olim curarumque maiorum vacuus vixisset, allecta virorum toto orbe celebrium turba haud dubie effecisset. Placet quippe in alio sua vnicuique natura, et doctrinae fulgor, pulchritudinis instar, in quouis corpore collocatus, amorem vbique sibi vel reperit, vel conciliat. Haec vero literarum auiditas inueterata studendi consuetudine adeo Principi optimo in naturam verterat, vt seria quaeuis ac remissiora pariter lectione pertinaci mutaret ac interstingueret. Nocte multa, in itinere, in castris, (at quam rarum nunc doctrina sub paludamento!) inter occupationes et officia, inter fremitus militares ac clangorem tubarum contentione summa, studio incredibili legebat, lecta adnotabat, memoriam atque ingenium exercebat, et tanquam lege aliqua ac imperio adactus omne illud tempus literis tribuebat, [14] quod alij crapulae, lusui, comissationibus, et quicquid bonam mentem vocant qui menti bonae nunquam litauerunt. Caeterum non me latet, in virtutibus magnorum virorum scienter eos fidibus cantasse, minime commemorari, musicenque nostris moribus à persona fere Principis abesse: sed si quies aliqua negotiis danda, si strenua liberalique inertia animus remittendus est, quid restat quo nihil abiectum, nihil humile ac sordidum cogitans ingenium oblectare se magis cum venia possit, quam ea arte, qua et laborum onus transmittitur procliuius, et ardores affectuum humanorum facilius componuntur, et Achilles ac fortissimus ille Graeciae imperator Epaminondas, virique alij maximi doctissimè eruditi fuerunt, quam denique ad virtutem ipsam pertinere caussis non vanis autumauit diuina mens Aristotelis? Quid quod veteres Theologi Deorum etiam manibus instrumenta musica affinxerunt; credentes quippe, nihil coelo magis af-
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zu ein und derselben Zeit die berühmtesten Dichter Griechenlands, die von ihrer Zahl den Namen Plejaden erhielten, gütig unterhielt und unterstützte. Dasselbe oder Ähnliches hatte der erhabene Ulrich unablässig im Sinn und, wenn er einmal für sich und ohne größere Sorgen gelebt hätte, hätte er es zweifellos in die Tat umgesetzt, indem er eine große Schar von berühmten Männern aus dem ganzen Erdkreis an sich gezogen hätte. Freilich gefällt an einem anderen Menschen jedem seine eigene Natur, und der Glanz der Gelehrsamkeit, der gleichwertig mit Schönheit ist, findet oder verschafft sich überall Liebe, in welchem Körper er sich auch befindet. Dieses eingewurzelte Verlangen nach Wissenschaft jedoch war dem besten Prinzen durch die Gewohnheit zu studieren so sehr zur Natur geworden, daß er bei gleich gründlicher Lektüre jedweden ernsten Lesestoff immer wieder gegen einen leichteren austauschen konnte und umgekehrt. Mitten in der Nacht, auf dem Marsch, im Lager (aber wie selten ist heute die Gelehrsamkeit im Feldherrnmantel!), zwischen Beschäftigungen und Pflichten, unter dem Geschrei der Soldaten und dem Schmettern der Trompeten las er mit höchster Aufmerksamkeit und unglaublichem Eifer, glossierte das Gelesene, übte Gedächtnis und Verstand, verwandte wie durch ein Gesetz oder einen Befehl geleitet alle Zeit für die Wissenschaft, die andere für Rausch, Spiel, Gelage und all das aufwenden, was diejenigen rechte Denkungsart nennen, die niemals auf die rechte Denkungsart Rücksicht nahmen. Im übrigen ist es mir nicht verborgen geblieben, daß es überhaupt nicht zu den Tugenden großer Männer gerechnet wird, wenn sie kundig die Laute gespielt haben, und daß die Musik nach unserem Verständnis kaum zur Stellung eines Fürsten paßt. Aber wenn man von Anstrengungen ausruhen und die Seele sich durch tätige und edle Muße erholen muß, was bleibt dann übrig, woran ein Geist, der nicht auf Kleinmütiges, Niedriges und Schmutziges gerichtet ist, sich mit größerer Berechtigung erfreuen darf als an jener Kunst, durch welche die Last von Mühen sich ziemlich leicht tragen läßt und das Brennen menschlicher Leidenschaften sich ziemlich rasch legt, in der Achilleus und jener tapferste Stratege Griechenlands, Epameinondas, und andere sehr bedeutende Männer ganz vorzüglich ausgebildet waren, die schließlich zur Vollkommenheit selbst gehört, wie der göttliche Geist des Aristoteles mit sehr stichhaltigen Gründen behauptet? Wie steht es damit, daß die alten Theologen auch den Göttern Musikinstrumente in die Hände gaben, natürlich in dem Glauben, daß dem Himmel nichts näher, nichts angemessener sei als dieser Einklang der ungleich langen Saiten und der süßeste harmonische Wohlklang? Es soll also niemand glauben, der vollendetste Jüngling, da er sich auf diese Kunst ganz vorzüglich verstand, habe es gelernt, geschickter die Laute zu spielen, als es für den Sohn eines so bedeutenden Königs und jemanden, der alle Geschäfte eines Königs wahrnahm, nötig gewesen wäre. Denn jene himmlischste Seele
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fine, magis proprium esse, quam concordiam hanc neruorum disparem et suauissimam harmoniae consonantiam? Ne quis igitur existimet, iuuenem consummatissimum, quod artis huius apprime sciens erat, fidib!us" elegantius canere doctum, quam et Regis tanti filio, et regia quaeque molienti necesse fuerit. Coelestissimus n!am" ille animus astris suis propius se beneficio musicae accedere putabat, quod musica concinnos siderum motus et harmoniam, si Philosophorum quorundam sententia standum est, exquisitissimam vnice aemulatur. Ne pictoriam quidem et geminas huic artes liberales, tali vnde nomen sortitae sunt ingenio dignas, sibi indecere existimauit, adeoque in illam sese penetrauerat, vt cum eleganter similitudines quas volebat ac ex vero effingeret, tum de aliorum operibus perfecte iudicaret. Insignis equidem artifex, ac quidam veluti Parrha[15]sius Germaniae, imaginem quandam suam, notae caetera minimè protritae, non absque ratione ab aestimatore hoc talium optimo reprehensam fuisse libenter fatebatur. Eundem quoque, cum augustam illam ac serenam faciem suam depingi iussisset, quid emendare, quid exprimere, quo corporis statu, qua lateris obuersione facere singula deberet, praeuio penicillo scite admodum atque ex legibus artis admonebat. Commendabant ista mores cultissimi et exacta in hoc lubrico iuuentae virtutum omnium conuenientia. Pietas imprimis, quam qui remouendam à Principibus autumant, ab hominum consortio remouendi sunt. Summum n!am" illud et aeternum, ille omnia prouidens et animaduertens Deus, res secundas imperiis eorum largiri non potest, quicunque negligunt suum. Hunc votis Princeps pientissimus ac suppliciis toto animo semperque venerabatur, hunc solum timebat, huic momenta negotiorum commendabat ac successus. Adde illam quae Deo tantopere placet, aulis fere inuisa est, castitatem, cuius rationem adeo habere noster solebat, vt nec querendi de se locum aliis relinqueret, et, libertate sua optime dispensata, in maxima fortuna minimam licentiam esse vel exemplo suo satis ostenderet. Pura mens, purus animus, verecundia, probitas hilaris, modestia semper cum illo versari, introductiones muliercularum et ludibria nescire, pudicitiae suae nec prodigus esse, nec insidiator alienae; caeterum
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glaubte, sich mit Hilfe der Musik ihren Sternen zu nähern, da die Musik die symmetrischen Bahnen der Sterne und, wenn man einigen Philosophen Glauben schenken darf, die vorzüglichste Harmonie nachahmt. Nicht einmal von der Malkunst und den ihr verwandten freien Künsten, die eines solchen Geistes würdig sind, von dem sie den Namen erhielten, glaubte er, daß sie für ihn unziemlich seien, und hatte sich so in sie vertieft, daß er, wie er wollte, geschmackvoll und wahrheitsgetreu Porträts anfertigen, besonders aber ein vollkommenes Urteil über die Werke anderer abgeben konnte. Ein ausgezeichneter Künstler jedenfalls, gewissermaßen der Parrhasios Deutschlands, bekannte gern, daß eines seiner Bilder von einer sonst keineswegs alltäglichen Qualität nicht ohne Grund von diesem besten Richter in solchen Dingen getadelt worden sei. Als er ebendemselben den Auftrag erteilt hatte, sein erhabenes heiteres Antlitz zu malen, mahnte er ihn, indem er mit dem Pinsel den Weg wies, ganz kundig und nach den Gesetzen der Kunst, was er korrigieren, was er hervorheben, mit welcher Körperhaltung und mit welcher Hindrehung der Seite er das Einzelne ausführen müsse. Diese Liebhabereien empfahlen ein sehr feiner Charakter und eine trotz seines noch ungefestigten jugendlichen Alters ausgeprägte Harmonie aller Tugenden. Hier ist besonders die Frömmigkeit zu nennen, und diejenigen, die behaupten, daß sie von Fürsten fernzuhalten sei, sollten aus der Gemeinschaft der Menschen entfernt werden. Denn das Höchste und Ewige, der allsehende und allwissende Gott, kann der Herrschaft derer kein Glück schenken, die seine eigene mißachten. Ihn verehrte der frömmste Prinz von ganzem Herzen und beständig mit Gebeten und Bitten, ihn allein fürchtete er, ihm widmete er die Dokumente seiner Taten und seine Erfolge. Hinzu kam das, was Gott sehr gefällt, in Fürstenhöfen aber geradezu verhaßt ist, die Keuschheit, die unser Prinz in dem Maße pflegte, daß er anderen nicht einmal die Möglichkeit eröffnete, sich über ihn zu beklagen, und, indem er seine Freiheit sorgsam abwog, auch durch sein eigenes Vorbild deutlich zeigte, daß die höchste Stellung die geringste Freizügigkeit bedeutet. Ein reiner Sinn, ein reines Herz, Zurückhaltung, eine heitere Anständigkeit und Bescheidenheit waren immer bei ihm zu finden. Das Zuführen von Huren und Vergewaltigung kannte er nicht. Weder verschenkte er seine eigene Keuschheit noch stellte er fremder nach. Im übrigen hielt er die Lust für ein Gut des zum Fressen geborenen Viehs, nicht der Menschen und schon gar nicht eines Prinzen. Wein trank er nur diesseits der Sättigungsgrenze und ganz sparsam; während andere betrunken zum Essen kamen, ging er nüchtern von dort weg. Der Natur gab er nur wenig Freiraum. Auch lief er nicht jenen Blutsaugern des Geldbeutels nach, den anderen Reiterobersten, die in Bordellen und Kneipen ihre Stellungen und Wachposten beziehen, die Wein, Huren und Würfel, dem sie mit ungeheurer Gleichgültigkeit, Gewinn oder Verlust zu machen, frönen, für Kriegswerkzeuge halten und schließlich das, was sie durch
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voluptatem nati pabulo pecoris, non hominum, nedum Principis bonum putare, vino citra saturitatem et parcissime vti, aliis ad cibum ebriis venientibus, ipse sobrius ab eodem recedere, naturam paruo dimittere, neque hirudines illas crumenarum praefectos militares alios sectari, qui in lustris ac ganeis stationes suas locant ac vigilias, qui merum, scorta, aleam, cui [16] lucrandi perdendiue temeritate indulgent immanissima, inter belli instrumenta habent, denique id quod per scelus adepti sunt, per luxuriam effundunt. Caeterum oculi pudici, sermones ingeniosi, elegantes, vrbani magis quam lasciui: nam probra verborum ita aversabatur, vt aliis prandium petulantia linguae ac iocis obscoenissimis, quae nunc ferculorum condimenta sunt, extendentibus, fronte haec adducta, vultu demisso, neque tanquam auscultans transmitteret. Vestes illi atque corporis cultus qualis et Principem et militem decebat; mundus magis quam de capsula totus ac qui digito praetereuntium notaretur. Neque enim enerues illos ac pumicatos imitabatur, qui mollitie corporis ac obtuitu impudico cum puellis saepius quam virtute cum hostibus certant, qui aut suas comas frangunt aut superbiunt alienis, qui de barba cum speculo deliberant, nunquam denique viri sunt nisi cum ad foeminas ventum est. Morum cerimonias et anxios salutationum honores grauabatur, facilimus longe atque humanissimus. Gloriae ut auidus, ita pecuniae adeo liberalis erat, vt omnes circa se largissime prosequeretur. Vt enim lucri ergo (id quod magno seculi dedecore apud hostes simul ac foederatos passim faciunt ii, quibus iustissima praedationis caussa est praeda ipsa) vt, inquam, priuatim ac publice quiduis diriperetur, vt delubra vastarentur ac templa, vt sepulchra, etiam Principum, et exuuiae disiicerentur, nulloque adeo discrimine fierent quae miserrima videre indies cogimur ac pati, mandato eius aut saltem indulgentia nunquam accidit. Ex paterna porro fortuna nihil magis quam clementiam vsurpabat, factus ad eam à natura, assuefactus à studiis literarum, quae ingenia etiam ferocissima in gyrum rationis ducunt. Culpam [17] quidem benignitatis, honestam tamen illam ac excusandam, ob suos paullo indulgentius interdum habitos, effugere apud nonnullos vix potuit. Praeter tot tantasque dotes naturam, quam amicam in largiendis
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Verbrechen erworben haben, durch ihren luxuriösen Lebensstil verschwenden. Außerdem waren seine Augen schamhaft, seine Gespräche eher geistreich, geschmackvoll und gebildet als anzüglich. Denn von unzüchtigen Reden nahm er auf die Weise Abstand, daß er anderen, die eine Mahlzeit mit kecker Zunge und schmutzigsten Witzen ausdehnten, die heute Würze der Speisen sind, dies mit gerunzelter Stirn und gesenktem Blick nicht einmal als Zuhörer durchgehen ließ. Seine Kleidung und Körperpflege waren so, wie sie sich für einen Prinzen und Soldaten ziemten, eher reinlich als ganz fein und derart, daß die Vorübergehenden mit dem Finger nach ihm gezeigt hätten. Auch eiferte er nicht jenen schlaffen und gestriegelten Wesen nach, die häufiger hinsichtlich der Weichheit ihres Körpers und ihres schamlosen Blickes mit Mädchen als hinsichtlich ihrer Tapferkeit mit Feinden wetteifern, die ihr eigenes Haar in Flechten teilen oder sich mit fremdem brüsten, die sich über ihren Bart mit dem Spiegel auseinandersetzen, die schließlich niemals Männer sind, außer wenn es zu den Frauen geht. Die feierliche Ausübung der Bräuche und die ängstliche Einhaltung der Ehrenbezeigungen bei der Begrüßung fand er lästig, da er der bei weitem Leutseligste und Freundlichste war. In dem Maße, wie er begierig nach Ruhm war, war er auch freigebig mit Geld, so daß er alle in seinem Umkreis reichlichst versorgte. Daß nämlich des Gewinns wegen (was zur großen Schande der Zeit bei den Feinden und ebenso auch bei den Verbündeten hier und dort diejenigen tun, für die der rechtmäßigste Grund einer Plünderung die Beute selbst ist) – daß, sage ich, privat und öffentlich irgendetwas geplündert wurde, daß Kirchen und Kapellen verwüstet, daß Gräber sogar von Fürsten und ihre Kleidung zerstört wurden und schließlich ohne jeden Unterschied entsetzlichste Dinge geschahen, wie wir sie täglich sehen und dulden müssen, das ist auf seine Anordnung oder nur mit seiner Billigung niemals geschehen. Ferner eignete er sich aus dem väterlichen Vermögen nichts mehr an als die Milde, zu der er von Natur aus geschaffen und an die er durch das Studium der Wissenschaften gewöhnt war, die selbst die wildesten Gemüter in den Kreis der Vernunft führen. Dem Vorwurf der Gutmütigkeit jedenfalls, der jedoch ehrenhaft und entschuldbar ist, konnte er, da er die Seinen etwas zu nachsichtig behandelte, bei einigen kaum entgehen. Abgesehen von so vielen und großen Gaben fand er die Natur, die sich ihm durch die freigebige Ausstattung mit inneren Werten freundlich gezeigt hatte, hinsichtlich des Körpers nicht weniger günstig gesonnen. Sein Antlitz, in dem sich jedoch auch deutliche Zeichen seiner Milde und Freundlichkeit fanden, spiegelte seine Würde wider, seine Augen waren groß, edel und heiter, sein Haar, schwarz und dicht, war auf elegante Weise struppig und in Nachahmung des französischen Chics lang herabfallend, sein Körper war behende und hochgewachsen, groß war die Beweglichkeit seiner Füße und Hände, seine Kraft war nicht nur die eines Anführers, sondern auch die eines Soldaten. Auch war er ganz gesund, außer
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animi virtutibus habuerat, non minus fautricem nactus est in corpore. Vultus dignitatis index, in quo tamen aperta clementiae pignora et humanitatis, oculi magni, nobiles, sereni, capillus, niger ille ac densus, eleganter horridus et Gallicae venustatis imitatione demissus, corpus habile ac procerum, magna pedum, magna manuum agilitas, robur non ducis modo sed et militis, valetudo integra, nisi quod supremis vitae mensibus, siue pulmonum vitio, vt visceribus per medicos post excessum eius inspectis cognitum fuit, siue ob acres, vt ipse fatebatur, inter hunc belli rancorem curas, maciem plusculum contraxerat; caetera ita, vt longe lateque Principem ostenderent. Sed ea tandem nos vocant, sine quibus nec regum auctoritas, nec quies gentium, nec sacri quippiam aut profani vsquam tutum est: vsus, inquam, armorum et quae scire illum oportet in cuius consilio virtus militum posita aliquando erit. Exercitiis istis bellique praeludiis eam sibi artem, ista arte eum parauerat decorem, vt adolescens admodum inter aequales, si aequales hoc nascendi fastigium habet, superior semper discederet. Conuenticula sectentur alij et cauponas, pilam ac fritillum inter artes imperandi numerent, venentur ex suo ingenio, sapiant ex alieno, abutantur otio eousque, vt vigilentne an dormiant alteri credant: Principem nostrum ipse labor, qui alios frangit, nutriebat ac solabatur. A studiis in equum, in palaestram à naualibus, ex arena in campum sese transferre, rudimenta castrorum domi experiri, frigus lacessere in aestum, [18] conferre docentibus, prouocare discentes, sudore perfundi, saepe et sanguine, velitationes lusorias moliri, sed veris proximas, irruptiones fingere ac obsidia, iacere hastilia, saltu pedes exercere aut cursu, nihilque adeo facere quod discendum erat iacenti, oblectamenta illius non fuerunt minus quam exercitatio. Itaque iuuenis admodum praeesse copiis equestribus, cum cepisset, quem non virtutis statim gustum ac audaciae hostibus dedit; idem tiro simul et imperator. Vocent hoc temeritatem feroces in castris, in acie pauidi mortales, quos ad verba vbi ventum est plus quam viros censeas, ad aciem minus quam foeminas: ille et militem ducere quam sequi, et quaerere hostem quam praestolari malebat, vel Traiani exemplo, quem bonitate, vel magni, heu! nuper Regis, quem animo expri-
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daß er in den letzten Monaten seines Lebens sei es durch eine Lungenkrankheit, welche die Ärzte nach seinem Ableben beim Sezieren seiner Eingeweide feststellten, sei es wegen der, wie er selbst sagte, quälenden Sorgen in diesem Kriegsgroll etwas magerer geworden war. Alles andere war so, daß es ihn voll und ganz als Prinzen zeigte. Aber nun endlich rufen uns die Fähigkeiten auf den Plan, ohne die weder das Ansehen von Königen noch der Friede der Völker noch irgendetwas Religiöses oder Weltliches sicher bestehen kann: Die Fähigkeit, Waffen zu führen, meine ich, und was derjenige wissen muß, in dessen Verantwortung einmal die Tapferkeit der Soldaten gelegt sein wird. Durch jene Übungen und Vorspiele des Krieges hatte er eine solche Fertigkeit und durch diese Fertigkeit eine solch herausragende Stellung erworben, daß er in seiner Jugend unter Gleichen, wenn dieser höchste Geburtsrang Gleichheit zuläßt, immer als der Überlegene vom Platz ging. Andere mögen zu unbedeutenden Versammlungen gehen und in Kneipen, mögen Ball- und Würfelspiel zu den Herrscherkünsten rechnen, mögen entsprechend ihrer eigenen Begabung auf die Jagd gehen, entsprechend einer fremden Einsicht Geschmack besitzen und ihre Muße so weit mißbrauchen, daß sie einem anderen die Entscheidung darüber überlassen, ob sie wachen oder schlafen. Unseren Prinzen nährte und tröstete geradezu die Mühsal, die andere zerbricht. Von den Studien weg aufs Pferd zu steigen, in die Ringhalle aus dem Hafen, aus der Reithalle aufs Feld zu gehen, die erste Probe des Lagerlebens zu Hause zu machen, Kälte in Hitze zu verwandeln, den Lehrern zu helfen, die Lernenden zum Wettkampf herauszufordern, von Schweiß zu triefen und oft auch von Blut, als Leichtbewaffneter spielerisch zu kämpfen, aber in einer der Wirklichkeit sehr ähnlichen Weise, Einfälle und Belagerungen nachzustellen, Lanzen zu werfen, beim Springen und Laufen die Beine zu üben, letztlich nichts zu tun, was man im Liegen hätte lernen können, all das bedeutete für ihn nicht weniger Vergnügen als Übung. Als er in noch jungen Jahren die Führung der Reitertruppen übernahm, was für einen Vorgeschmack von seiner Tapferkeit und seinem Mut gab er da nicht sogleich den Feinden – ein junger Rekrut und im selben Moment schon Feldherr. Tollkühnheit mögen dies diejenigen Sterblichen nennen, die im Lager zwar tapfer, in der Schlacht aber furchtsam sind, die man, wenn es ans Reden geht, für mehr als Männer, wenn es aber in die Schlacht geht, für weniger als Frauen hielte. Er aber wollte lieber ein Heer führen als ihm folgen, den Feind lieber aufspüren als erwarten, sei es nach dem Beispiel des Trajan, dem er in seiner Güte, sei es nach dem Beispiel des ach so großen Königs der jüngsten Vergangenheit, dem er in Mut und Tapferkeit glich. Damit wir aber wissen, daß ihm auch Umsicht und Vernunft, die Güter, die bei alten Männern gleichsam an die Stelle der Kraft treten, nicht gefehlt haben, muß auch erwähnt werden, daß er einen Feind kaum jemals angegriffen hat, ohne daß dieser Verluste erlitt, und daß er seine Reiterschwadronen und Fußtruppen immer
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mebat ac fortitudine. Vt vero consilium etiam atque rationem, quae bona senibus ferè in locum virium succedunt, illi non defuisse sciamus, et hostem sine aliquo eius damno vix vnquam aggressus est, et alas suas ac legiones absque caede ac ignominia semper reduxit. Caeterum speculatum ipse egredi, metari castra, princeps aciem inuadere, vltimus exire, gloriam strenuis, imbellibus alleuamentum, cunctis sese ipsum prudentia ducem ostendere, aequali labore commilitonem, testis virtuti sociorum ac exemplum esse, hostes denique fundere, aut trepidantes in fugam conuertere, saepe manu, multoties et nomine solo ac aduentu. Inde timor cohortibus eius nullus; Vldericum sequebantur: nulla pugnae detrectatio; sequebantur et patrem. Talis enim vt haberetur, vrbanitate, beneuolentia, amore prolixo effecerat. O fallaces autem et ir-[19]ritas mortalium cogitationes! O fata spes nostras ex aduerso semper turbantia! Quid de tam senili iuuenta, de aetate hac quae nihil cum adolescente commune habebat, de tantis haud conatibus, sed factis, polliceri nobis non poteramus? Princeps diuino ingenio, virtute admiranda, fortitudine incomparabili praeditus, de cuius sola magnitudine inimici querebantur, scelerato, crudeli, inaudito parricidio trucidatur ac interimitur. At quo tandem tempore? Dum ex castris vtrinque conuenitur, dum conditiones induciarum aut scribuntur, aut ventilantur, dum pacem omnia spectant vel pacis imaginem. Inter ferias armorum scilicet, ne nihil ageretur, Principem Optimum, proh dolor! interfici oportuit. Romani cuiusdam verba sunt, infelici monumento eius inscripta, vti iusserat: Turba se medicorum periisse. Hic induciis inductus perit, quarum se mentione satis tutum arbitratur. Effundit itaque cum paucis se in agrum, equo insidens pridie, vt aiunt, à quodam partis alterius donato, nullo, quod maximum in periculis praesidium est, nocendi animo, neque autumans se pro hoste fore, cum hostem id temporis exuisset. Securitati suae equidem consuluisset melius, si tentorio se suo aut laribus continuisset. At acer et inuictus laboris, neque otij vllius patiens Iuuenis, morem animo suo gerere cur minus deberet, non videbat. Aues quae in spem gulae nostrae saginantur, angustiis cauearum includuntur ac tenebris: ita segnitie torpentes morticinam carnem viui, mentem
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zurückbrachte, ohne daß sie Tod und Schande davontrugen. Darüber hinaus ging er selbst auf Kundschaft aus, maß das Lager ab, ging als erster in die Schlacht und kehrte als letzter zurück, verwies die Entschlossenen auf den Ruhm, tröstete die Furchtsamen, zeigte sich allen durch seine Umsicht als Führer, durch das Ertragen der gleichen Mühsal als Kamerad, war Zeuge und Vorbild für die Tapferkeit der Verbündeten, trieb schließlich die Feinde vor sich her oder schlug sie in die Flucht, daß sie zitterten, und zwar oft durch sein tätiges Eingreifen, mehrmals aber auch durch seinen bloßen Namen und seine Ankunft. Daher gab es in seinen Truppen auch keine Furcht. Sie folgten Ulrich, ohne sich irgendwie dem Kampf zu verweigern; denn sie folgten auch einem Vater. Daß er in einem solchen Ruf stand, hatte er durch Umgänglichkeit, Güte und umfassende Liebe bewirkt. O trügerische und vergebliche Gedanken der Sterblichen! O Schicksal, das unsere Hoffnungen stets feindlich zunichte macht! Was konnten wir uns nicht von dieser so reifen Jugend versprechen, von einem Alter, das nichts mit einem Jünglingsalter gemeinsam hatte, von so gewaltigen nicht Versuchen, sondern Taten! Ein Prinz, der mit göttlicher Geisteskraft, bewundernswürdiger Tatkraft, unvergleichlicher Tapferkeit begabt war, über dessen bloße Größe die Feinde klagten, wird durch verbrecherischen, grausamen, unerhörten Mord gemeuchelt und niedergestreckt. Aber zu welchem Zeitpunkt auch noch! Als man von beiden Seiten aus den Lagern zusammenkommt, als die Bedingungen des Waffenstillstands niedergeschrieben oder besprochen werden, als alles nach Frieden oder dem Schein von Frieden aussieht. Natürlich, als die Waffen schwiegen, mußte, damit doch irgend etwas geschah – o welcher Schmerz! –, der trefflichste Prinz getötet werden. Es gibt den Ausspruch eines Römers, der nach dessen Anordnung seinem unglückseligen Grabmal aufgeprägt ist: daß er durch die Schar der Ärzte zugrunde gegangen sei. Dieser hier aber ging durch den Waffenstillstand zugrunde, durch dessen Ankündigung er sich sicher genug glaubte. Mit einigen wenigen begab er sich daher aufs freie Feld, wobei er ein Pferd ritt, das ihm, wie man sagt, tags zuvor von einem Angehörigen der Gegenpartei geschenkt worden war, ohne, was in Gefahren der größte Schutz ist, Schaden anrichten zu wollen und ohne zu glauben, daß er für einen Feind gehalten werden könne, da er die Rolle des Feindes zu diesem Zeitpunkt abgelegt hatte. Er hätte sicherlich besser für seine Sicherheit gesorgt, wenn er sich in seinem Zelt oder im Haus aufgehalten hätte. Als junger Mann aber, ungestüm, unbezwungen von der Strapaze und unfähig, Nichtstun zu ertragen, sah er nicht ein, weshalb er seiner Stimmung nicht nachgeben dürfe. Vögel, die für unseren späteren Genuß gemästet werden, sperrt man in der Enge und der Dunkelheit von Käfigen ein: So nähren wir, durch Nachlässigkeit erschlafft, lebendig totes Fleisch und des Verstandes beraubt den Geist eines Tieres. Und wer hätte auch vermutet, auf gewöhnliche Art und Weise angegriffen
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brutam fouemus ratione perditi. Et quis solitis nos artib!us" tentari cogitasset? Vbique fraus, vbique dolus: nisi quod tutius domi quam sub dio, magis impune verbis quam armis fallimur. Caeterum quaerere, factumne sit facinus hoc nefarium gratuito scelere an praemiis [20] propositis, leuitate scurrili an architecto aliquo ac machinatore, qui auctori caedis, homini post homines natos vilissimo, vaesanam hanc mentem iniecerit, haud est meum. Sed et libenter fatebor, non modo me tunc absentem, sed ne illos quidem qui cadenti adfuerunt, exacte omnia prorsus nouisse. Solis vero auditionibus, ac disseminato dispersoque sermoni, temere auctoritatem non tribuerim. Illud vix quisquam dubitat. Principem innocentissimum, cuius fronti nemo impunè occurrit, non aduerso corpore, sed dum vnius comitis monitu respicere seque versare cepit, globo plumbeo, qui et in corpore mansit, hominis histrionis manu, qua feras transfigere solitus erat, ex insidiis traiectum esse. Perhibent etiam, tanto vulnere afflictum arma quidem arripuisse, quae tamen corporis non amplius potenti exciderint, adeoque ad hostem, praeda quantumlibet exilis, peruenerint. Inimici quidem, quos surgentes tanto fulgore spes sine exemplo magni Principis haud dubie vrebant, rationem comminisci facile possunt, cur nullam reddant: nam alienationem mentis infami percussori quod affingunt, quis hoc persuaserit illis, qui propudium hominis, quiduis audere quasi per dementiam soliti, satis nouerunt? Consciis certe, si qui sunt, sceleris, quamuis non arma nostra, tortor tamen ingens malus animus et flagitia sua in supplicium vertent. Dabunt nimirum, dabunt poenas vltori Deo qui meruerunt: at perfidiam quod sanguine Principis etiam cumulauerunt, quod postremus flagitiosorum omnium neque luce dignus ornamentum seculi, columen libertatis luce priuauit, quod victima tam nobilis induciarum initium fuit, illud corrigere humana arte nulla, nullis vocibus ac lamentis deplorare satis vnquam possumus. [21] Ad Maiestatem tuam imprimis, Rex serenissime, hic dolor pertinet. Tu amisso filio charissimo, qui te et vt Regem deuote semper veneratus est, et vt Parentem sanctissime coluit, vulnus accepisti grauissimum, neque cogitatione vlla satis aestimandum. Lugente Germania, Cimbria spem suam ac
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zu werden? Überall Betrug, überall Hinterlist. Nur daß wir zu Hause gefahrloser getäuscht werden als unter freiem Himmel, durch Worte mit geringerem Schaden als durch Waffen. Im übrigen ist es nicht meine Aufgabe zu untersuchen, ob diese gottlose Tat unbezahlt oder für Geld begangen wurde, ob durch die Charakterlosigkeit eines Possenreißers oder ob jemand sie geplant und ersonnen hat, der dem ausführenden Mörder, diesem seit Menschengedenken nichtswürdigsten Menschen, den wahnwitzigen Gedanken eingab. Vielmehr gebe ich gern zu, daß nicht nur ich, der ich damals nicht dabei war, sondern nicht einmal diejenigen, die ihm im Tode beistanden, alles ganz genau wissen. Allein aber dem, was ich gehört habe, und ausgestreutem und verbreitetem Gerücht will ich nicht ohne Prüfung Bedeutung zumessen. Dies aber stellt kaum jemand in Frage, daß der unschuldigste Prinz, dem sich niemand ungestraft in den Weg stellte, nicht von vorne, sondern als er auf den Zuruf eines Begleiters gerade zurückschaute und sich umdrehte, von einer Bleikugel, die auch im Körper steckenblieb, aus der Hand eines Schauspielers, mit der dieser gewöhnlich nur Wild erlegte, aus dem Hinterhalt getroffen wurde. Man berichtet auch, daß er, obwohl er so schwer verwundet war, zwar noch die Waffen ergriffen habe, diese ihm jedoch entfielen, da er nicht mehr Herr über seinen Körper war, und sogar als – wenn auch kleine – Beute zum Feind gelangten. Die persönlichen Gegner jedenfalls, die durch die so glänzend sich erhebenden Hoffnungen ohne das Gegenstück des großen Prinzen entflammt wurden, können leicht rechtfertigen, weshalb sie sich nicht rechtfertigen. Denn was das angeht, daß sie dem schändlichen Mörder eine Geistesabwesenheit andichten, wer könnte davon diejenigen überzeugen, welche die Schamlosigkeit dieses Menschen genau kennen, der gleichsam aus einem Wahn heraus gewohnt war, alles zu wagen. Wenn es Mitwisser des Verbrechens gibt, werden ihnen wenn auch nicht unsere Waffen, so doch sicherlich als ungeheure Qual das schlechte Gewissen und ihre eigenen Vergehen zur Strafe ausschlagen. Sie werden ganz unfehlbar dem rächenden Gott die Strafen zahlen, die sie verdient haben. Daß sie aber ihre Falschheit durch das Blut des Prinzen vollkommen machten, daß der schlimmste unter allen Verbrechern, der des Tageslichtes nicht würdig ist, die Zierde unserer Zeit, die Stütze der Freiheit des Lebenslichtes beraubte, daß ein so edles Opfer der Beginn des Waffenstillstands war, das können wir durch keine menschliche Kunst rückgängig machen, mit keinem Klagen und Jammern jemals genug beweinen. Eure Majestät, durchlauchtigster König, trifft dieser Schmerz besonders. Ihr habt durch den Verlust des teuersten Sohnes, der Euch als König immer demütig verehrte und Euch als Vater ehrfürchtig diente, eine überaus schwere Wunde empfangen, die in Gedanken keinesfalls hinreichend ermessen werden kann. Während Deutschland trauert, Dänemark seine Hoffnung und Zier mit jammernder Stimme beklagt, die Anständigen traurig sind und nicht einmal die Schlechten die Tat billigen,
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decus voce lamentabili deplorante, moerentibus bonis, neque malis factum probantibus, ad te tamen tanto magis hic casus pertinet, quanto grauius est filium amisisse quam amicum. Quam ille nunc procul à destinatione tua cecidit! quam non dolenda solum, verum vlciscenda etiam morte sublatus est! quam longe aliter neque sic ad regios lares tuos reuersurum putasti! Nouimus equidem, nouimus, qua illum mente, Rex idem et Pater indulgentissimus, in militiam abire passus sis: non vt stipendia militaret vlla, aut praeiret pugnantibus; sed vt oculis potius ac animo perciperet, quae manu aliquando ac virtute perficienda essent, momentaque belli ac rationes addisceret, quo et facta tua imitari olim, et populis tuis praesidio, et solatio afflictis esse ac oppressis posset. At ignosce, Rex Clementissime, non illi, qui te, qui sacrosanctam potestatem tuam cultu ad supremum vsque halitum prosecutus est deuotissimo; sed inuictae, sublimi, augustae naturae tuae, quam exuere nisi cum vita non potuit. Filius tuus erat; hoc est, eius, qui viridi adhuc iuuenta terrore hostes, regnum quiete, gloria orbem adimpleuit vniversum: eius, qui pugnam nullam molitus est, nisi et imperator esset ipse et miles: eius, qui ventis nunquam se credit ac mari, quin gliscenti procella, hiemantibus identidem aquis, ipse malum conscendat, tempestates exploret, vela contrahat aut laxet, eadem denique alacritate in alto gubernaculis nauigij assideat, qua regni [22] in regno. Ignorassene Filium putas quod omnes scimus, quibus nempe verbis adolescens adhuc, cum in erranti dissitis littoribus nimbi ac turbines periculum minitarentur ac mortem, nautam officia sua spe omni abiecta deserentem, in cuius locum ipse succedebas, Caesaris animo, verbisque aemulus, allocutus sis: Me vehis et meam fortunam: atque haec quidem nunquam concedet, vt Rex animam fluctibus debeam? Tuus itaque Filius, Princeps Augustissime, tanti patris soboles et imago, tot heroum ac regum inuictissimorum sanguis, sic natus, sic educatus, sic institutus, bellum demissis manibus videre quiuit ac sectari? Catulum leonis si spectare iubeas, aliis in arena fortiter facientibus, dentes expediet, laxabit vngues, fremet, erumpet. Aquilam hanc ipse genueras: impar esse tui non potuit, nec dissimilis sibi. Si audaciae virtutem illi obiicimus;
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trifft Euch dieses Geschick dennoch um soviel mehr, als es schlimmer ist, einen Sohn zu verlieren denn einen Freund. Wie weit fort von dem Ort, den Ihr ihm bestimmtet, ist er gefallen! In welchem nicht nur beklagenswerten, sondern auch nach Rache heischenden Tod ist er hinweggenommen worden! Wie ganz anders als so glaubtet Ihr, daß er in Euren königlichen Palast zurückkehren werde! Wir wissen es jedenfalls ganz genau, in welcher Absicht Ihr, König und gütigster Vater zugleich, ihn in den Krieg ziehen ließet: nicht damit er irgendeinen Kriegsdienst leistete oder den Kämpfern voranschritt, sondern eher damit er mit den Augen und dem Verstand erfaßte, was er eines Tages durch Tat und Tapferkeit vollbringen müßte, und die Entwicklungen und Arten des Krieges kennen lernte, um so einmal Euren Taten nacheifern, Eure Völker schützen und die Unglücklichen und Niedergeschlagenen trösten zu können. Aber verzeiht, mildester König, nicht ihm, der Euch, der Eurer unantastbaren Macht bis zum letzten Atemzug ehrfürchtige Verehrung erwies, sondern Eurer eigenen unbesiegbaren, hohen und erhabenen Natur, die er nur gleichzeitig mit dem Leben ablegen konnte. Er war Euer Sohn, das heißt desjenigen, der in immer noch blühender Jugend die Feinde mit Schrecken, das Reich mit Frieden, mit Ruhm den ganzen Erdkreis erfüllte; desjenigen, der keine Schlacht begann, wenn er nicht selbst sowohl Feldherr als auch Soldat war; desjenigen, der sich niemals Winden und Meer anvertraut, ohne daß er selbst, wenn Sturm sich erhebt und unaufhörlich die Wogen stürmen, auf den Mast klettert, die Witterung prüft, die Segel refft oder setzt, schließlich mit derselben Geistesgegenwart auf hoher See am Steuer des Schiffes sitzt wie im Reich am Steuer des Reiches. Glaubt Ihr, daß Euer Sohn nicht gewußt hat, was wir alle wissen? Mit welchen Worten Ihr nämlich damals in noch jugendlichem Alter, als Ihr die Orientierung verloren hattet, die Küsten weit entfernt waren und Regen und Sturm Euch Gefahr und Tod androhten, den Seemann anspracht, der, da er die Hoffnung aufgegeben hatte, seine Pflichten im Stich ließ und an dessen Stelle Ihr selbst tratet, an Mut und Worten Cäsar nacheifernd: „Du fährst mich und mein Schicksal, und das wird jedenfalls niemals dulden, daß ich als König mein Leben an die Fluten verliere.“ Konnte daher Euer Sohn, erhabenster Fürst, der Sproß und das Abbild eines so bedeutenden Vaters, Fleisch und Blut so vieler Helden und unbesiegbarer Könige, der so geboren, so erzogen, so ausgebildet wurde, dem Krieg mit den Händen im Schoß zusehen und ihm nachfolgen? Wenn Ihr ein Löwenjunges zusehen laßt, während sich andere auf dem Kampfplatz tapfer verhalten, wird es seine Zähne blecken, seine Krallen ausfahren, fauchen, losspringen. Diesen Adler habt Ihr selbst gezeugt. Er konnte Euch nicht ungleichwertig sein und sich selbst nicht unähnlich. Wenn wir ihm die Tugend der Verwegenheit zum Vorwurf machen, müßten wir ihm auch seine Anlage vorwerfen. Diesen Alexander konnte sein Makedonien, obwohl es ein großes und bedeutendes Reich war, überhaupt nicht halten. Wenn
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obiiciamus et indolem. Alexandrum hunc Macedonia, vastum quantumuis ac nobile regnum, plane non capiebat. Sufflaminandus equidem si erat, cohibendus etiam ignis est, ne flammas suas et lucem sursum spargat. Mite praeterea et clemens illud pectus, quoties dirutum ius sacrorum, euersum Silesiae statum, fulcra libertatis Principes consanguineos, et perturbatas immane quantum res nostras perpendebat, licet discessum saepe meditaretur, facere tamen non poterat, quin et illud sibi proponeret subinde, eos iniuriam ipsos inferre, qui non auertunt cum possunt. Itaque non animositas illi sua mortem properauit, cuius in tali quo occidit tempore minus egere videbatur: non adolescentia et aetas, cui non modo inuidetur alias, verum etiam fauetur; sed siue casus, quorum tam multi rebus mortalium de improuiso incidunt; [23] siue metus hostium, dum nouus in illo libertatis assessor, vindex bonorum, restitutor exulum timebatur. Tantam spem tuam, Rex Potentissime, tot populorum gaudia, deliciae seculi caput desideratissimum, eheu! secum abstulit. At tu Fortunae Reduci votum haud dubie faciebas, quae illum, proh dolor! aliter quam optabas remittit. Non narrabit Maiestati Tuae quae vidit, quae audiuit, quae fecit: non commendabit tibi suspiria oppressorum, direptiones prouinciarum et incendia, timorem publicae seruitutis, securam denique Germaniae quietem aut pace dolosa bellum tranquillius. Merebantur fortia eius facta virtusque militaris vel ingentem triumphum: nunc funus pro illo ducendum, tanto tristius, quanto maius calamitati huic pondus adiicit nouitas mortis et atrocitas. Potuisses vtinam illum audisse valedicentem, quam sollicite de Maiestate tua cogitauerit! quanta portio ex illo quem traxerat spiritu in suum redierit auctorem! Percepisses puto illa Filij optimi verba: Hoc solum, Rex et Pater Clementissime, excuso: insidiis pereo, non virtute ferri. Vt morem tibi gererem, semper studui: vt fato morem non gererem, studere non potui. Ita visum est Deo Immortali, cui animam hanc seria conuersione, precibus seriis commendo. Ipse Maiestati tuae eos vitae annos largietur, qui meae negati sunt. Ipsi tecum fratres mei, charissimi ac desideratissimi, regnumque tuum curae erunt. Ipse te conseruet: nam de me, qui Liberatori meo ac Conseruatori generis humani spiritum
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man ihn hätte hemmen müssen, müßte man auch das Feuer daran hindern, seine Flammen und sein Licht emporlodern zu lassen. Sooft überdies sein weiches und mildes Herz die gewaltsame Abschaffung des Kirchenrechts, die Umwälzung in den schlesischen Verhältnissen, als Stützen der Freiheit die verwandten Fürsten und unsere über die Maßen in Unordnung befindlichen Angelegenheiten erwog, vielleicht auch oft darüber nachdachte fortzugehen, konnte er doch nicht umhin, sich gleich auch immer wieder vorzuhalten, daß diejenigen, die ein Unrecht nicht abwenden, wenn sie es können, es selbst begehen. Daher beschleunigte seinen Tod nicht sein Mut, an dem es ihm in dem Augenblick, in dem er starb, offensichtlich nicht mangelte, nicht sein jugendliches Alter, dem sonst nicht nur Neid, sondern auch Gunst entgegengebracht wird, vielmehr entweder die Zufälligkeiten, von denen so viele über das Leben der Menschen unerwartet hereinbrechen, oder die Angst der Feinde, solange man in ihm einen neuen Helfer der Freiheit, Rächer der Anständigen und Rückführer der Verbannten fürchtete. Eure so große Hoffnung, mächtigster König, und die Freude so vieler Völker nahm der Liebling des Jahrhunderts, das – ach! – geliebteste Haupt mit sich fort. Aber Ihr habt zweifellos zu Fortuna, die die Heimkehr gewährt, gebetet, die ihn Euch – welcher Schmerz! – anders zurückschickt, als Ihr es wünschtet. Er wird Eurer Majestät nicht erzählen, was er sah, was er hörte, was er tat. Er wird Euch die Seufzer der Unterdrückten, Plünderungen und Brandschatzungen in den Provinzen, die Furcht vor der allgemeinen Knechtschaft, die endlich sorgenfreie Ruhe Deutschlands und einen Krieg, der ruhiger ist als der trügerische Friede, nicht übermitteln. Seine tapferen Taten und seine Tüchtigkeit im Krieg verdienten sogar einen riesigen Triumphzug. Statt dessen müssen wir nun seinen Leichenzug begehen, der um so trauriger ist, als die beispiellose Gräßlichkeit seines Todes diesem Unglück ein größeres Gewicht gegeben hat. Hättet Ihr ihn doch hören können, als er Lebewohl sagte, wie besorgt er an Eure Majestät dachte, wie viele seiner letzten Atemzüge seinem Erzeuger galten! Ihr hättet, so glaube ich, folgende Worte des besten Sohnes vernehmen können: „Für dies allein, König und gütigster Vater, muß ich mich entschuldigen: Durch einen Hinterhalt gehe ich zugrunde, nicht durch die Kraft des Schwertes. Dir zu Willen zu sein, habe ich mich immer bemüht. Mich darum zu bemühen, dem Schicksal nicht zu Willen zu sein, lag nicht in meiner Macht. So hat es der ewige Gott beschlossen, dem ich meine Seele hier mit aufrichtiger Hinwendung und aufrichtigen Bitten empfehle. Er wird deiner Majestät diejenigen Lebensjahre schenken, die meiner verwehrt wurden. Ihm werden zusammen mit dir auch meine Brüder, die teuersten und geliebtesten, und Dein Reich am Herzen liegen. Er möge dich bewahren. Denn um mich, der ich meinem Befreier und dem Bewahrer des Menschengeschlechts diese Seele von Herzen übergebe, bin ich ohne Sorge. Das Ende zu fürchten, war nicht meine Sache, nicht die eines Christen und nicht die
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hunc ex animo trado, securus sum. Excessum timere, meum et Christiani hominis, et tanti Regis Filij non fuit. Sed neque [24] ita inter arma versabar, vt nescirem mortem mihi in procinctu habendam. Repetat vitam, excipiat animam hanc qui dedit; Auctor salutis meae, ac indignae huius necis indubitatus vltor. Caeterum, lingua cum viribus deficiente id solum te rogo, vt amantissimis Manibus meis hostium Libertatis sanguine lites potius quam lachrimis. Qua quidem allocutione, Rex tam constans, tam fortis et sapiens, dolori tuo non parum medeberis: quem dolorem si sperare potuisti cum ad arma filium dimitteres, debes etiam perferre postquam illi accidit quod accidere humanum est. Hac lege bella constant, vt mortes mortibus succedant quotidie ac cumulentur. Et nescio quo fato infelix haec et funesta Germaniae inflammatio tot Reges, tot Principes abripuerit hactenus, vt simile quid aetas nulla, nullae historiae loquantur. Sed compares moeroris habere aliorum solatia sunt: tua Maiestas cum perpendet quid Patri conueniat, cogitabit etiam quid Regi. Non minus et Filiorum Tibi adhuc superstitum virtute ac vigore te eriges: quorum alterum Te ad coeleste illud regnum (sera sit dies illa!) sublato Tui haeredem, alterum ad regia quaeque non minus natum, amores tuos, spem populorum, Castores aeui nostri et lucida sidera, cum videas, tantum leuationis accipere potes de relictis, quantum tristitiae de illo qui vixit. Non in minorem autem et vos, Principes serenissimi, luctus partem vocati estis, quorum, praeter acerbitatem huiusmodi Fratris erepti, qui vos plus quam fraterno affectu dilexit, amauit, vnice charos habuit, moestitiam augere credibile est maxime, quod non excipere halitum illius extremum, non manus vestras ad vltimum operiendorum oculorum officium aduocare, non reliquias eius et transfixa misere [25] viscera lachrimis et opobalsamo vda sarcophago tradere, non satiari nouissimis sermonibus contigit. Nunc amoris ille sui vobis et virtutum maximarum memoriam reliquit, vt quoties lugebitis vos fratrem amisisse, consolatione simul illa sustentemini, talem vos fratrem habuisse. At te, magni Parentis magne imposterum successor, Fratremque tuum, de cuius dotibus ac naturae excellentia tanta, tamque praeclara narrantur, Deus protegat immortalis, lectum genialem
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des Sohnes eines so bedeutenden Königs. Aber ich habe mich auch nicht so im Krieg bewegt, daß ich nicht wußte, daß ich immer auf den Tod gefaßt sein mußte. Mein Leben möge zurücknehmen, meine Seele möge aufnehmen er, der sie gab, der Urheber meines Heils und der unbezweifelbare Rächer dieses unwürdigen Totschlags. Im übrigen bitte ich dich, da meine Zunge ebenso wie meine Kräfte den Dienst versagt, nur um dies eine, daß du meiner vielgeliebten Seele lieber mit dem Blut der Feinde der Freiheit als mit Tränen opferst.“ In dieser Ansprache werdet Ihr jedenfalls, der Ihr ein so standhafter, so tapferer und weiser König seid, keine geringe Heilung für Euren Schmerz finden, einen Schmerz, den Ihr, wenn Ihr ihn erwarten konntet, als Ihr Euren Sohn in den Krieg schicktet, auch ertragen müßt, nachdem ihm das zugestoßen ist, was Menschen zustößt. Auf diesem Gesetz gründen die Kriege, daß täglich Tod auf Tod folgt und sich aufhäuft. Durch irgendein Verhängnis hat dieser unglückselige und verderbliche Brand Deutschlands bis zum heutigen Zeitpunkt bereits so viele Könige, so viele Fürsten hinweggerissen, daß keine andere Zeit, keine Geschichtsbücher Ähnliches erzählen können. Aber Gefährten in der Trauer zu haben bedeutet zwar für andere Trost, Eure Majestät jedoch wird, wenn sie erwägt, was einem Vater geziemt, auch bedenken, was einem König geziemt. Nicht weniger werdet Ihr Euch auch an der Tüchtigkeit und der Kraft der Söhne aufrichten, die Euch noch am Leben geblieben sind. Wenn Ihr Eure geliebten Söhne anschaut, die Hoffnung der Völker, Dioskuren unserer Zeit und leuchtende Sterne, den einen als Euren Erben, wenn Ihr ins Himmelreich erhoben seid (möge dieser Tag spät kommen!), den anderen nicht weniger für jegliche königliche Aufgabe geboren, könnt Ihr von den Übriggebliebenen soviel Trost empfangen wie Trauer von dem, der nicht mehr lebt. Nicht zu einem geringeren Anteil am Leid seid aber auch Ihr, erlauchteste Prinzen, aufgerufen, deren Trauer abgesehen von der Bitterkeit, einen solchen Bruder zu verlieren, der Euch mit mit mehr als brüderlichem Gefühl geschätzt, geliebt und für außerordentlich teuer gehalten hat, höchstwahrscheinlich auch die Tatsache vergrößert, daß es Euch nicht vergönnt war, seinen letzten Atemzug aufzufangen, Eure Hände zu dem letzten Liebesdienst aufzurufen, seine Augen zu schließen, seine Überreste, das heißt seinen jämmerlich durchschossenen Leichnam naß von Tränen und Balsam dem Sarg zu übergeben, Euch an seinen letzten Worten zu ergötzen. Nun hat er Euch die Erinnerung an seine Liebe und seine großartigen Vorzüge hinterlassen, damit Ihr, sooft Ihr den Verlust Eures Bruders betrauert, Euch zugleich durch diesen Trost aufrichtet, einen solchen Bruder gehabt zu haben. Aber Euch, großer künftiger Nachfolger eines großen Vaters, und Euren Bruder, über dessen Gaben und hervorragende Anlage so viel und so Herrliches erzählt wird, möge der ewige Gott beschützen, Euer Brautgemach, für das eine unvergleichliche Gattin aus der erlauchtesten Familie Deutschlands bestimmt
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tuum, cui Coniux ex familia Germaniae serenissima incomparabilis destinatur, laetitia omni ambiat ac rebus florentibus, vota denique pro te, pro salute tua, bonorum omnium in felicem exitum prouehat. Caeterum tuum hoc damnum non minus, Germania, tuus hic luctus est: vix vnum excipiam aut alterum; nemo Principum extraneorum tranquillitatem tuam dilexit verius, nemo fortius defendit. Vester est hic dolor, septemuiri legendo Imperatori, Duumuiri tuendae Libertati, Iohannes Georgi, Georgi Guilielme, Potentissimi Optimique Principes: alterius vestrum signa duxit, vtrique militauit. Si lapsis rebus, quod facitis, subuenietis, si fines vestros ac sociorum tuebimini, si arma hostium et armis nocentiorem fallaciam ab aris arcebitis ac focis, cineribus eius innocentissimis gratiam, si non quantam meritus est, certe quantam potestis abunde referetis. Vester est hic dolor, Celsissimi Principes Fratres, Iohannes Christiane, Georgi Rudolphe. Vestram ille Bregam, vestrum Lignicium, illos oculos Silesiae, vestras vrbes ac ditiones, desolatas eas et publicis iniuriis expositas, nunquam accedebat, quin maceraretur et ex animo doleret, vos tantorum Regum à tot seculis nepotes, tot Principum, inter quos et ipse [26] erat, consanguineos et affines, tam flagrantia boni publici amore pectora, restitui ope sua ac virtute in statum ac quietem illam non posse, quam fide erga Rempublicam meruistis. Vester est hic dolor, Principes Germaniae ac Proceres Illustrissimi, quotquot eodem animo caussae communi patrocinamini. Amisistis in hoc vno capite, amisistis sanguine cognatum, socium armis, fortitudine perfectissimum exemplar. Vester est, milites, erepto oculis castrorum, simile quid forte non visuris, eo duce, quem maximam semper vobiscum partem periculi sustinentem vidistis, qui operum magnitudine saepe hostem, clementia et beneficiis animos vestros expugnauit saepius ac affectum, quemque non tam excubiae ac peila, quam amoris vestri praesidium tutabatur. Nunc quid agendum, commilitones? Honorariosne illi tumulos et memorias excitabitis? aut diuisis aciebus ad simulachrum pugnae decurretis? Hoc facere illi etiam possunt, quos minor quam pro re moeror incessit: à vobis, à virtute vestra sanguis hostium potius exigitur, quam vestrae lachrimae. Decessit, abiit, ô Dani,
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ist, mit allen Freuden und Glück umgeben und schließlich aller Anständigen Gebete für Euch und Euer Wohl zu einem glücklichen Ausgang bringen. Und schließlich ist dies nicht weniger dein Verlust, Deutschland, und deine Trauer. Kaum könnte ich den einen oder anderen ausnehmen. Kein auswärtiger Fürst liebte deinen Frieden wahrhafter, keiner kämpfte tapferer dafür. Dies ist Euer Schmerz, Ihr Siebenmänner für die Wahl des Kaisers, Ihr Zweimänner für den Schutz der Freiheit, Johann Georg und Georg Wilhelm, Ihr mächtigsten und trefflichsten Fürsten. Das Banner des einen von Euch führte er, für Euch beide war er im Krieg. Wenn Ihr dem Untergang des Staates entgegentretet, wie Ihr es tut, wenn Ihr Euer und der Verbündeten Territorium beschützt, wenn Ihr die Waffen der Feinde und den Betrug, der schädlicher ist als Waffen, von Kirchen und Häusern fernhaltet, werdet Ihr seiner unschuldigsten Asche Dank erweisen, – nicht so viel, wie er verdient, aber sicherlich in reichlichem Maße, so viel Ihr könnt. Dies ist Euer Schmerz, erhabenste fürstliche Brüder, Johann Christian und Georg Rudolph. Er betrat niemals Euer Brieg und Euer Liegnitz, diese Augensterne Schlesiens, Eure Städte und Herrschaftsgebiete, die verlassen und öffentlichen Mißhandlungen ausgesetzt sind, ohne daß es ihn quälte und er es von Herzen bedauerte, daß Ihr, die Nachfahren so bedeutender Könige seit so vielen Jahrhunderten, die Blutsverwandten und Schwager so vieler Fürsten, zu denen er selbst zählte, deren Herzen von der Liebe zum allgemeinen Wohl so sehr brennen – daß Ihr durch seine Hilfe und seine Tüchtigkeit nicht wieder in den Stand gesetzt und zu der Ruhe gebracht werden konntet, die Ihr auf Grund Eurer Treue zum Reich verdientet. Dies ist Euer Schmerz, Ihr Fürsten Deutschlands und vornehmsten Adligen, soviele Ihr mit demselben Sinn die gemeinsame Sache verteidigt. In dieser einen Person habt Ihr wahrhaftig einen Blutsverwandten verloren, einen Genossen im Krieg und ein in seiner Tapferkeit vollkommenes Vorbild. Es ist euer Schmerz, Soldaten, da dem Feldlager, das etwas Ähnliches wohl nicht mehr erleben wird, der Anführer entrissen wurde, den ihr immer den größten Teil der Gefahr zusammen mit euch habt aushalten sehen, der häufig durch die Größe seiner Taten den Feind, häufiger durch seine Milde und seine Wohltaten eure Herzen und euer Gemüt besiegte, den nicht so sehr Wachen und Spieße als die Wehr eurer Liebe schützte. Was ist nun zu tun, Kameraden? Werdet ihr ihm Ehrengräber und Denkmäler errichten? Oder werdet ihr ihm zu Ehren in zwei Schlachtreihen ein Scheingefecht aufführen? Das können auch diejenigen tun, die eine geringere Trauer treibt, als es dem Anlaß entspricht. Von euch, von eurer Tapferkeit wird eher das Blut der Feinde gefordert als eure Tränen. Er ging weg, verschied, ihr Dänen, er, für dessen Heil ihr bis jetzt oft zu Gott gebetet habt, der in seiner Heimat oder zumindest für seine Heimat hätte sterben müssen, und das in ferner Zukunft. Rechne auch dies deinem übrigen Unglück hinzu, Schweidnitz, daß er vor deinen Augen, auf dem
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pro cuius salute hactenus Deum multa venerati estis, qui in patria, aut si forte pro patria, mori, sed olim, debuisset. Hoc etiam calamitatib!us" tuis aliis adde, Suidnicium; in oculis tuis, in campo suburbano, non animositate inimicorum, sed perfidia eum cecidisse, qui difficilimo tempore tuo, cum exercitus hostium immensus, excidium tibi ac cladem extremam minatus, quaqua versum agros insideret, et mortariis fulminalib!us" atque tormentis mirae virtutis ignem tectis tuis ferrumque ponderis stupendi immitteret, ipse legionum equestrium ductor inter caeteras copias tempestiue aduolauit, atque obsidium [27] nobilissimi praefecti prudentia, constantia militum, ope diuina imprimis, strenue aliquandiu toleratum, vt solueretur caussa fuit non postrema. Quae vero aduersa rerum, quam afflictae fortunae faciem tu non videras hactenus, ô Silesia? Quanto impetu, quo saeuitiae ingenio, quibus artibus leges credendi ea, quae exactores legum ipsi non satis credunt, oppidis impositae sunt plurimis ac vrbibus? Et vt sciat orbis quibus magistris profecerimus; militibus id negotij datum est, qui expilationib!us" aedium, iniuriis, verberibus animos cogere, verbis lustra ac ructus olentib!us" et execrationibus Deorum infandis rudiores cultum coelestem docere conati sunt. Noctu etiam alicubi bona adhuc fide dormientes adoriebantur: vt noctem profundam mentibus ac tenebras superfundi facile animaduerteres. His accense abrogatas leges ac priuilegia, imminutam auctoritatem Procerum, procurationem Reipublicae Ordinibus ademptam, bona plurimorum aut data, aut non voto magis tacito quam publica destinatione nouis hominib!us" dicta, vectigal adeo insolitum, vt necesse fuerit etiam cessare consuetum. Aerem excipiam ac vmbram; caetera nullum genus rerum, cui non tributi aliquid imponeretur. Adde et bellatum per tot annos, et ne nunc quidem exitum vllum spectans lachrimabile bellum, statiua castra, conscriptiones militum, hiberna non ad vsum, sed ad luxuriem sumpta, suppetiarum aut segnitiem aut fugam (tam n!am" remediis laboramus quam morbis) cohortes spe immunitatis, maxima peccandi illecebra, licenter vagas, lixarum ac scortorum exercitus, dissensiones praefectorum aeque ac concordiam Prouinciae noxiam, villas expugnatas, pecoris et armentorum praedas
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Feld vor der Stadt nicht durch eine mutige Tat der Feinde, sondern durch Heimtücke gefallen ist, er, der in einer für dich höchst bedrohlichen Situation, als ein riesiges feindliches Heer, das dich mit Untergang und völliger Niederlage bedrohte, das Gebiet, wohin man sich auch wandte, besetzt hielt und aus Feuermörsern und Geschützen von erstaunlicher Reichweite Feuer und Eisen von staunenswertem Gewicht auf deine Häuser schoß – der also selbst als Führer der Kavallerie mit den anderen Truppen rechtzeitig herbeieilte und so nicht der geringste Grund dafür war, daß die Belagerung beendet wurde, der man eine Zeitlang durch die Klugheit des überaus edlen Kommandeurs, durch die Standhaftigkeit der Soldaten, nicht zuletzt durch göttliche Hilfe entschlossen getrotzt hatte. Aber welchen Umsturz der Verhältnisse, welches Antlitz eines elenden Schicksals hattest du bis dahin nicht gesehen, Schlesien! Mit welcher Gewalt, mit welchem Geschick zur Grausamkeit, mit welchen Kunstgriffen sind sehr vielen Orten und Städten Bestimmungen auferlegt worden, das zu glauben, woran selbst die nicht hinreichend glauben, welche die Bestimmungen vollstrecken. Und damit die Welt weiß, unter welcher Anleitung wir das erreicht haben: Diese Aufgabe ist Soldaten übertragen worden, die versucht haben, durch Plünderungen von Häusern, Übergriffe und Schläge die Menschen zu zwingen und durch Worte, die nach Bordell und Rülpsen stanken, und unsägliche Verfluchungen der Götter die weniger Gebildeten in der Verehrung Gottes zu unterrichten. Bei Nacht griffen sie wiederholt auch Menschen an, die bis dahin in treuem Glauben schliefen, damit man bemerke, daß sich tiefe Nacht und Dunkelheit auch leicht über den Geist breiten kann. Rechne dazu, daß Gesetze und Privilegien abgeschafft wurden, die Autorität des Adels vermindert wurde, den Ständen die Verwaltung der Gemeinwesen weggenommen wurde, die Güter vieler Leute weniger durch heimliches Versprechen als durch öffentliche Bestimmung Emporkömmlingen übergeben oder zugesagt wurden, daß die Abgaben so ungewöhnlich hoch wurden, daß man sogar mit den üblichen in Verzug geraten mußte. Die Luft und den Schatten will ich ausnehmen, sonst aber gab es nichts, worauf keine Abgabe erhoben wurde. Füge auch den jammervollen Krieg hinzu, der so viele Jahre lang geführt wird und sich nicht einmal jetzt einem Ende zuneigt, die Standquartiere, die Aushebungen von Soldaten, die Winterlager, die nicht nach dem Nutzen, sondern nach der Möglichkeit zur Prasserei gewählt wurden, die Trägheit oder Flucht der Hilfstruppen (in gleichem Maße leiden wir nämlich an den Heilmitteln wie an den Krankheiten), die Truppen, die in der Erwartung, straflos zu bleiben – der stärksten Verlockung, Verbrechen zu begehen –, zügellos umherstreifen, die Heere von Marketendern und Dirnen, die Streitigkeiten der Amtsleute und ihre Einigkeit, die dem Land gleichermaßen schädlich sind, die eroberten Dörfer, die Beute an Schafen und Rindern, die um die Wette fortgetrieben wird, den Proviant, der mutwillig von den Hufen der
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certatim actas, conculcatum petulanter equorum vngulis commeatum dum commeatus petitur, in pacato in hostico eandem rapiendi [28] libidinem, extincta solis ruinis incendia, vastitatem postremo, caedes, stupra, et faciendi quicquid non licet liberrimam licentiam. Paganorum vetus formula est: Secus qui fecerit, mitem Isidem iratam sentiat, et suorum ossa eruta atque dispersa videat. Nos etiam ob culpam nostram hoc supplicij genus et vindictam supremi Numinis vere et acriter sensimus, sepulchris adeo violatis, templis adeo expilatis ac irreuerenter habitis, vt à foederatis quoque talia fieri (duces ac praepositos, quos stipendiorum imprimis penuria perpeti multa cogit, libenter et ex animo excusamus) erubescendum sit. Post agros frugum, pagos longe lateque colonorum vacuos, post egestatem ac probra, post pestilentiam nunc eam, vt plurima passim per oppida (te cogito imprimis, ô flos vrbium et mater elegantiae Vratislauia, studiorum meorum desideratissima quies) multa funerum millia in rationem Libitinae tempore exiguo relata sint, post omnia quaecunque dici aut fieri queunt mala, innocentissimus Principis Optimi sanguis tuam, ô Prouincia infelicissima, humum inficit, quae, si votis eius ac menti reliqua etiam rerum momenta respondissent, iam diu ex totius belli ore ac faucibus erepta esses. Vbi nunc nobis ille vindex tuus, ô Libertas! quae funesto hoc funere efferri ipsa videris ac sepeliri, quae rebus omnibus venalibus quasi non minus publicata gemis, et inter spem metumque suspensa exitum turbinis ac fluctuum Reipublicae praestolaris. Nemo dolorem nostrum gaudet nisi qui te odit; lugent ipsi, aut moerorem ostentant, qui insidiis clades nostras duplicant et instaurant, qui te, quod capiti illorum sit, exstirpare funditùs conantur ac euertere. Ego vero (nam vt mei facere mentionem audeam, Ipse mansuetudine aduersus me sua effecit et indul-[29]gentia) quantas complorationis caussas habeam, quantum spei amiserim ac praesidij, cogitatione assequi nulla possum, ac si assequerer, verbis exprimere absque culpa iactantiae non possem. Testes sint literae, Latinae illae ac sine cura elegantes, postremae huius generis, vt puto, quas sua manu, clementi illa ac erudita, ex castris perscripsit, vnoque ante fatalem eius ac infelicissimum nobis diem ad me allatae. Illas
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Pferde zertrampelt wird, obwohl er Mangelware ist, bei Freund und Feind dieselbe Gier zu plündern, die Brände, die allein durch den Einsturz der Gebäude verlöschen, schließlich Verwüstung, Morde, Vergewaltigungen und die äußerste Hemmungslosigkeit, alles zu tun, was man nicht tun darf. Es gibt ein altes heidnisches Sprichwort: Wer nicht recht handelt, soll den Zorn der sanften Isis fühlen und die Gebeine der Seinen ausgegraben und verstreut erblicken. Auch wir haben ob unserer Schuld diese Art der Strafe und die Rache des höchsten Gottes wahrlich und heftig gefühlt, da unsere Gräber so geschändet, unsere Kirchen in solchem Maße geplündert und entweiht wurden, daß man schamrot werden muß, daß solches auch von seiten der Bundesgenossen geschieht, wobei wir die Führer und Vorgesetzten, die vor allem aus Mangel an Sold vieles dulden müssen, gern und von Herzen entschuldigen. Nachdem die Äcker ohne Früchte, die Dörfer weit und breit von ihren Bewohnern verlassen sind, nachdem Armut und Schande herrschten, nachdem nun eine solche Pest gewütet hat, daß überall an sehr vielen Orten (an dich zuvörderst denke ich, Breslau, du Blüte der Städte und Mutter des guten Geschmacks, heißersehnter Ruheort meiner Studien) in kurzer Zeit viele tausend Tode auf die Rechnung der Libitina gesetzt worden sind, nachdem alle Übel eingetreten sind, die genannt werden oder geschehen können, hat das völlig unschuldige Blut des trefflichsten Prinzen deinen Boden gefärbt, du über die Maßen unglückliche Provinz, die du, wenn seinen Wünschen und seinem Sinn die übrigen Entwicklungen entsprochen hätten, schon längst dem Maul und dem Rachen des ganzen Krieges entrissen worden wärest. Wo ist jetzt dein Beschützer, Freiheit, die du bei dieser jammervollen Bestattung offensichtlich selbst zu Grabe getragen und in die Erde gelegt wirst, die du, da alles käuflich ist, gleichsam ebenso öffentlich feilgeboten seufzt und schwankend zwischen Hoffen und Bangen auf das Ende des Sturms und der Wogen für die politische Ordnung harrst? Niemand hat Freude an unserem Schmerz, außer, wer dich haßt. Es trauern selbst oder stellen Trauer zur Schau, die durch ihre Ränke unser Unglück verdoppeln und erneuern, die dich, was auf ihr Haupt zurückfallen möge, von Grund auf zu vernichten und zu zerstören suchen. Wieviele Gründe mitzuweinen ich aber habe (denn, daß ich mich erwähne, hat er selbst durch seine Milde und Huld mir gegenüber bewirkt), wieviel Hoffnung und Schutz ich verloren habe, vermag ich mir nicht auszudenken, und wenn ich es vermöchte, könnte ich es nicht in Worte fassen, ohne mir den Vorwurf der Prahlerei zuzuziehen. Als Zeuge mag mir der Brief dienen, jener lateinische Brief, unangestrengt elegant und der letzte dieser Art, wie ich glaube, den er mir mit eigener Hand, dieser gütigen und gebildeten Hand, aus dem Lager schrieb, und der mir einen Tag vor dem für ihn schicksalsträchtigen und für uns höchst unglücklichen Tag überbracht wurde. Denn daß ich ihn zitiere, dazu werde ich nicht nur durch das Vorbild der Griechen und Römer aufgefordert, sondern dies
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enim vt adducam, non exemplo solum Graecorum ac Romanorum inuitor; verum etiam ad prodendam humanitatem Principis Sacratissimi ac ingenij elegantiam interest. Sic enim loquitur: Omnes de aduentu tuo hic in castris certiores feci, doctissime Opiti. Gaudebant hoc plurimi, plurimi exoptabant. Cognitis summa exinde nascebatur laetitia, incognitis vero talem visendi virum, cuius fama impleuerat aures, spes dabatur maxima. Cum autem plerique se tali frustratos spe arbitrabantur, me conuenire, rogare, vnde diutina haec mora proficisceretur mirari ceperunt. Quapropter promissum tuum in memoriam tibi reuocare volens, paucula haec exaraui, simul et amoris in te mei testandi caussa calamum admoui, rogans ne diutius tua nos priuari praesentia sinas, quin potius prima ad nos occasione aduoles. Vale, et vt haec curentur effice. T. Addictissimus Vldericus. Non percurram verba tua, Princeps Piissime, quibus magnitudinem clementissimi affectus erga me tui explicas. Principem de me, loricatum de toga, inter tubas de literis cogitare, sola diuini Genij tui ac dexteritatis insolitae res erat. Ego non parere me tibi, non frui sere-[30]nissimo vultu tuo, non adesse supremis sermonibus tuis potuisse, cum angor impatienter ac doleo; tum laudibus, quod solum superest, virtutum tuarum indefessis, quantum mihi restabit annorum, quos orbitate, luctu, aerumna, solitudine acerbiores mors tua mihi reddidit, exigam ac sustentabo. Nunc terris omnibus altiorem tumulum tuum quod aggestu hoc humili, hac gleba vilissima, cursim neque cum cura veneratus sum, bona beatissimorum Manium tuorum venia factum puto. Te enim ac operum tuorum et naturae merita satis commendare velle, vt nemo audeat nisi spei de ingenio suo immodicus, virtutum vero tuarum ignarus: ita si tantum doctrinae ostentare possem ac eloquentiae, quantum moestitiae mihi ac aegritudinis obsedisse animum sentio, vel deuotioni meae studioque aliquatenus satisfacerem. At tu, anima sanctissima, laudum humanarum non indiga, diuinas meditans, abunde gloriae dum nobis-
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ist auch wichtig, um die Freundlichkeit des göttlichsten Prinzen und die Feinheit seiner Begabung öffentlich zur Kenntnis zu bringen. Er schreibt nämlich folgendermaßen: Ich habe alle über Deine Ankunft hier im Lager benachrichtigt, gelehrtester Opitz. Sehr viele freuten sich darüber, sehr viele sehnten sie herbei. Unter denen, die Dich kennen, verbreitete sich sofort die größte Freude, für diejenigen aber, die Dich nicht kennen, bot sich die größte Hoffnung, einen Mann zu sehen, dessen Ruhm ihre Ohren erfüllt hatte. Als aber die meisten glaubten, daß sie in einer solchen Hoffnung getäuscht worden seien, begannen sie, zu mir zu kommen, zu fragen und sich zu wundern, woher diese lange Verzögerung komme. Weil ich Dir daher Dein Versprechen ins Gedächtnis zurückrufen wollte, habe ich rasch diese wenigen Zeilen niedergeschrieben und zugleich meine Feder dazu benutzt, meine Liebe zu Dir zu bezeugen, indem ich Dich bitte, daß Du nicht zuläßt, daß wir noch länger Deine Anwesenheit entbehren müssen, und vielmehr bei der ersten Gelegenheit zu uns eilst. Lebe wohl und trage Sorge dafür. Der Dir ganz zugetan ist, Ulrich. Ich werde nicht deine Worte durchgehen, frömmster Prinz, mit denen du die Größe deines gnädigsten Gefühls mir gegenüber zeigst. Als Prinz an mich zu denken, im Brustpanzer an das Friedenskleid, unter Trompetenklang an die Wissenschaft, war allein deinem göttlichen Genius und deiner ungewöhnlichen Souveränität möglich. Ich empfinde nicht nur in unerträglicher Weise Beklemmung und Schmerz, daß ich dir nicht gehorchen, den Anblick deines strahlend-heiteren Antlitzes nicht genießen, deinen letzten Gesprächen nicht beiwohnen konnte, sondern ich werde auch, was allein mir vergönnt ist, ausschließlich mit dem unermüdlichen Lob deiner Tugenden die mir verbleibenden Jahre verbringen und ertragen, die mir dein Tod durch Verlust, Trauer, Drangsal und Einsamkeit bitterer gemacht hat. Höher als alle Lande ist nun, wie ich glaube, dein Grabhügel, den ich mit diesem schäbigen Auswurf, dieser wertlosen Scholle flüchtig und ohne Sorgfalt gewürdigt habe, durch die geneigte Nachsicht deiner glückseligsten Seele geworden. Denn dich und die Verdienste deiner Taten und deiner Natur angemessen preisen zu wollen, dürfte sich zwar wohl nur derjenige erdreisten, der unbescheidene Erwartungen an seine Begabung stellt, deine Tugenden aber nicht kennt, doch wenn ich soviel Gelehrsamkeit und Redekunst beweisen könnte, wie nach meinem Gefühl Trauer und Kummer mein Herz besetzt hat, könnte ich sogar in gewissem Maße meiner Ergebenheit und meinem innigen Wunsch Genüge tun. Aber du, heiligste Seele, die du menschlichen Lobes nicht bedurftest, an göttliches dachtest, während du noch ruhmreich bei uns weiltest, bist nun in den Himmel gelangt, der sterblichen Ruhm verachtet und eine Begrenzung des himmlischen nicht kennt. Besiegt, Prinz, besiegt hast du nicht den Feind, wie du es gewohnt warst, und die Haufen der heranrückenden und kurz
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cum eras, nunc coelum adepta es, quod gloriam mortalem respuit, finem aeternae non habet. Vicisti, Princeps, vicisti, non hostem, vt solebas, et agmina instantium ac paullo post fugientium inimicorum; sed fortibus plerunque formidabilem, molestam fortunatis, cui tamen tu paratus semper fuisti, mortem. Nunc, relicto nobis grandi desiderio per memoriam virtutis tuae, ipse triumphum nactus es trophaeis omnib!us" ac victoriis nobiliorem. Non vrbs male [31] aeterna, domina gentium, ancilla libidinum Roma, sed coelum te conspicit, miratur, felicitati tuae fauet, ac applaudit. Quid reges captos, vinctos ante currum duces, opima prouinciarum et instrumentum humanae luxuriae aurum requiras? imbecillitatem mortalium, miseriam, vanitatem, inania rerum, errores ac fraudem, et quicquid corpuscula haec mentesque vel oblectat vel lancinat, beate moriendo euertisti, fregisti, profligasti. Tunicam pictam indumento innocentiae splendidissimo mutasti, lauream corona iustitiae aeternum viridi quam non Iupiter aliquis, pretium armorum hostilium et dicatarum manubiarum, sed capiti tuo Deus Deorum imposuit, munus quod ipse solus dare potest, tu accipere integritate vitae ac pietate illi gratissima meruisti: Euectus es ad Capitolium immortalitatis, nec stipatus tribunis et militum agminibus: incolae coeli spiritus et asscriptae numero illorum animae gaudentes te excipiunt, ambiunt, comitantur. Si commerciis sodalitij sancta post hanc vitam pectora fruuntur, si sublatos extra mortalitatem mortalium cura tangit, credibile est narrare magno te Regi, patria olim vicino, virtute pari, qui tot orbes ac prouincias in libertatem vindicauit dum vixit, qui hostem cecidit dum mortuus est, cuius quoque iam fatum retracta tunc ab interitu Germania sentit ac deplorat, quam lentis seditiosi [32] atque discordiosi sub maxillis edamus, quamque verum sit illud: Rege incolumi mens omnibus vna; et quae sequuntur. Auete, animae innocentissimae: nos, moesti non vestram vicem, quas vera libertas et pax aeterna complectitur, ad vltimum dimicationis et sortem asperrimam redacti sumus. Sed respiciet nos tandem misericors ac clemens rerum humanarum Arbiter, et suppliciis bonorum fatigatus concor-
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darauf fliehenden Gegner, sondern den Tod, der für tapfere Männer meist grausig, beschwerlich für glückliche ist, für den du dennoch immer bereit warst. Nun, da uns durch die Erinnerung an deine Vollkommenheit nur eine heftige Sehnsucht übrig ist, hast du selbst einen Triumph errungen, der denkwürdiger ist als alle Trophäen und Siegeszeichen. Nicht die allzu ewige Stadt, die Herrin der Völker und Magd der Lüste, Rom, sondern der Himmel blickt auf dich, bewundert dich, ist deinem Glück gewogen und klatscht ihm Beifall. Was solltest du nach der Gefangennahme von Königen streben, danach, Herzöge an einen Wagen zu ketten, nach der Beute der Provinzen oder dem Mittel zu menschlicher Verschwendung, dem Gold? Menschliche Schwäche, Elend, Eitelkeit, Wertlosigkeit, Irrtum und Betrug und, was immer diese unbedeutenden Körper und Sinne reizt oder verletzt, hast du durch deinen seligen Tod über den Haufen gestürzt, zerstört, überwunden. Das bunte Kleid hast du mit dem hellglänzenden Gewand der Unschuld vertauscht, den Lorbeerkranz mit der ewig grünen Krone der Gerechtigkeit, die nicht irgendein Jupiter als Entgelt für feindliche Waffen und versprochene Kriegsbeute, sondern der allerhöchste Gott auf dein Haupt setzte, ein Geschenk, das er allein verleihen kann, das du durch die Unbeflecktheit deines Lebens und die Frömmigkeit, die ihm so lieb ist, verdient hast zu empfangen. Du bist emporgefahren zum Kapitol der Unsterblichkeit, nicht umringt von Offizieren und Soldatenhaufen. Die Engel, die den Himmel bewohnen, und die Seelen, die zu ihrer Zahl gehören, nehmen dich mit Freuden auf, umringen und begleiten dich. Wenn heilige Seelen nach dem hiesigen Leben noch Umgang mit den Kameraden haben, wenn menschliche Sorge noch diejenigen rührt, die der Sterblichkeit enthoben sind, erzählst du wahrscheinlich dem großen König, der dir, was die Heimat angeht, einst benachbart, an Tapferkeit gleichwertig war, der zu Lebzeiten so viele Länder und Provinzen in die Freiheit führte, im Tod den Feind niederschlug, dessen Tod Deutschland, das damals dem Untergang entrissen wurde, immer noch fühlt und beweint – ihm erzählst du also, wie wir zwischen den langsam mahlenden Kiefern des Aufstands und der Zwietracht zerrieben werden und wie wahr das bekannte Wort ist: Solange der König lebt, sind alle eines Sinnes und so weiter. Glück euch, unschuldigste Seelen. Wir, die wir nicht euer Schicksal betrauern, da euch wahre Freiheit und ewiger Friede umfängt, sind zum letzten Entscheidungskampf und zu einem bitteren Los gedrängt worden. Aber endlich wird auf uns doch der mitleidige und gütige Richter über die menschlichen Schicksale blicken und, erweicht von den flehentlichen Bitten der Anständigen, uns Eintracht, Vertrauen und eine Gesinnung schenken, die nach Aufgabe der Schattengefechte und nichtigen Verdächtigungen, die von berechnenden Menschen heimlich genährt werden, private Angelegenheiten und eigene Vorteile hinter der öffentlichen Sicherheit, die später vergebens wieder geschaffen
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diam nobis, fidem ac animos eos largietur, qui missis sciomachiis ac vanis suspicionum, quae à callidis clam fouentur, priuatas caussas suas rationesque securitati publicae frustra postea recuperandae posthabeant, inflammationem, cruciatus, ignominiam, caedes, proscriptiones à sociis et patria communi propulsent, sacra ab exilio subtrahant, et honestamenta pacis ac praemia belli toto animo quaerant, totis viribus meditentur. Caeterum immaturum excessum tuum, Princeps sanctissime, deplorent qui debent, debent autem omnes boni, extenuent qui volunt, non doleant mortuum quem viuum timuerunt, de virtutibus tuis sileant qui de suis gloriari non possunt: nos, qui felicitatis nostrae partem tecum ac spem amisimus maximam, te sublato, exilia, contemptum, calamitates et quodcunque miseriarum onus irruet, constanter feremus; memoriam vero tui summarumque virtutum tuarum iusto quidem desiderio, magis tamen honore omni ac cultu et grata ad Posteritatem commendatione prosequemur. FINIS.
[33] IN EVNDEM EPIGRAMMATA EIVSDEM. I.
BEllonae fratrem simul Aonidumque parentem,
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Grande decus saguli deliciasque togae, Praetulerat fictae semper qui bella quieti, Qui metus hostis erat, nullius ipse timens, Inuictum iuuenem, facies saeuißima pugnae Quem non sustulerat pacis imago necat. II. Ex verbis fere morientis. PArendi mora nulla, solum ferale relinquam, Indigno quamuis obruar interitu. Est bene si fletis, seu me non fletis, amici: Vt desint homines sat Deus vltor erit.
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werden müßte, zurückstellt, die Brandschatzung, Folter, Schande, Mord und Ächtung von den Verbündeten und der gemeinsamen Heimat abwehrt, die den rechten Gottesdienst aus der Verbannung zurückholt und den Schmuck des Friedens und den Lohn des Krieges von ganzem Herzen fordert, mit aller Kraft im Blick hat. Im übrigen, göttergleicher Prinz, sollen diejenigen dein frühzeitiges Hinscheiden beweinen, die es müssen; das müssen aber alle Anständigen. Dein Hinscheiden mögen die herabsetzen, die es wollen, über deinen Tod mögen die keinen Schmerz empfinden, die dich zu deinen Lebzeiten fürchteten, über deine Tugenden mögen die schweigen, die sich eigener nicht rühmen können. Wir hingegen, die wir mit dir einen Teil unseres Glücks und eine sehr große Hoffnung verloren haben, werden, da du uns genommen bist, Verbannung, Verachtung, Verderben und, welche Unglückslast immer über uns hereinbricht, standhaft ertragen, die Erinnerung aber an dich und deine herausragenden Fähigkeiten jedenfalls mit berechtigter Sehnsucht, mehr jedoch mit allem Respekt, aller Verehrung und dankbarer Empfehlung an die Nachwelt begleiten. ENDE.
Epigramme ebenfalls auf ihn vom selben Autor. I. Den Bruder der Kriegsgöttin und zugleich den Vater der Musen, die bedeutende Zier des Kriegmantels und den Liebling der Friedenstoga, der Krieg immer einem falschen Frieden vorgezogen hatte, der vom Feind gefürchtet wurde, selbst niemanden fürchtete, den unbesiegten Jüngling, den der grimmigste Anblick einer Schlacht nicht dahingerafft hatte, tötet der Anschein des Friedens.
II. Ungefähr nach den Worten des Sterbenden. Ich zögere nicht zu gehorchen, nur einen Leichnam lasse ich zurück, obgleich ich durch einen unwürdigen Tod vernichtet werde. Ich bin zufrieden, ob ihr mich nun beweint oder ob ihr mich nicht beweint, Freunde. Wenn Menschen fehlen sollten, wird Gott mich angemessen rächen.
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[34] III.
JLle tuum, Gradiue, decus, tua, Phoebe, voluptas. Vldricus, magni spes et imago Patris, Fraude peremptus obit: qui cum debebat obire Occulta poterat non nisi caede peti.
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IV. Dies aliquot ante obitum Principis perscriptum. SI Justas mediter tibi, sanguis regie, laudes, Icaria merito crimine mergar aqua. Coelestes volitant supra mortalia mentes, Tam gracilem quaerunt nec tua facta tubam. At quod amas Musas, Princeps inuicte, simulque Digna canis fieri, digna facisque cani, Carminibus nostris cuiusdam est numinis instar, Reddentur vultu vel meliora tuo. Quam bene, quos oculos hostes perferre grauantur, Hos Phoebi noster grex putat esse sui! [35] [Kolophon:] Francof. ad Moenum, Typis W OLFGANGI H OFFMANNI .
*** Virgilij genium, Ciceronis rostra requiris Buchneri Lector nobile pectus adi Centum alias decus hoc aeui quas possidet artes Nec Maro nec Cicero dixerit ipse tibi.
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III. Deine Zier, Mars, Deine Wonne, Phöbus, Ulrich, die Hoffnung und das Abbild eines großen Vaters, starb, durch List getötet. Als er sterben mußte, konnte er nur durch einen heimlichen Mordanschlag getroffen werden.
IV. Einige Tage vor dem Tod des Prinzen verfaßt. Wenn ich, königliches Blut, über angemessene Loblieder für Euch nachdenken sollte, dürfte ich wohl mit berechtigtem Vorwurf im Ikarischen Meer versinken. Himmlische Seelen bewegen sich oberhalb menschlicher Gefilde und Eure Taten verlangen nicht nach so einer schwachen Trompete. Aber weil Ihr die Musen liebt, unbesiegbarer Prinz, und gleichermaßen Dinge besingt, die wert sind zu geschehen, und Taten vollbringt, die würdig sind, besungen zu werden, gibt es in unseren Gedichten das Ebenbild eines Gottes und werden die Gedichte unter Eurem Blick besser. Wie recht glaubt unsere Dichterschar, daß die Augen, welchen die Feinde nur mit Mühe standhalten, diejenigen unseres Phöbus sind.
[Kolophon:] Frankfurt am Main, in der Druckerei von Wolfgang Hoffmann. [B.H.]
*** Suchst du den Geist Vergils und Ciceros Redebegabung? Tritt, mein Leser, ans Herz Buchners, das edle, heran. Hundertfach weiteres Wissen, das diese Zierde der Zeit hat, Könnte dir weder Vergil künden, noch Cicero selbst. [G.B.]
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RATISPONA IN LIBERTATEM VINDICATA
[A1r] RATISPONA IN LIBERTATEM VINDICATA. AUCTORIS INCERTI CARMEN. [A1v] SERENISSIMO PRINCIPI
BERNHARDO SAXONIAE AC FRANCONIAE DUCI VINDICI PUBLICAE LIBERTATIS BONO GERMANIAE NATO OPTIMO ET FORTISSIMO HEROI D !AT " D !ONAT " D !EDICAT " Q !UE "
DEVOTUS SUMMIS VIRTUTIBUS EIUS AUCTOR.
FRANCOFURTI AD MOENUM PRID. KAL. DECEMBR. A NN. M DC XXXIII . [A2r] DEDICATIO.
SVmme Ducum, quem temporibus bona sidera preßis
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Misere, et nostri provida cura Dei, Si vacat inter onus pro libertate laborum, Factaque mortali non superanda manu, Accipe queis steriles nuper transmisimus horas, Tu tamen es quorum pars mihi prima, modos. Haec equidem, tam digna cani, Mavortia virtus Carmina poscebat splendidiora meis; Nec me, squallentem pavido moerore ruinas Ob patriae miseras, grande vocabat opus: Sed (non falsa loquar) quonam os Harpocratis, hostes Si bona prosternit, si mala turba juvat? Natura ingenium nobis licet aequa negasset, Nunc facerent patrii damna nefanda soli:
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Das befreite Regensburg. Dichtung eines ungenannten Verfassers.
Dem durchlauchtigsten Fürsten Bernhard, Herzog von Sachsen und Franken, dem Retter der allgemeinen Freiheit, dem zum Wohle Deutschlands geborenen ausgezeichneten und äußerst tapferen Helden, gibt, schenkt und widmet dieses Werk der dessen allerhöchsten Tugenden ergebene Verfasser. Frankfurt am Main, am 30. November 1633.
Widmung. Höchster der Fürsten, den in bedrängten Zeiten gute Gestirne und die Vorsehung unseres Gottes schickten, nimm, wenn Zeit bleibt zwischen der Last der Mühen für die Freiheit und den Taten, die mit sterblicher Hand nicht zu leisten sind, die Verse an, mit denen ich jüngst fruchtlose Stunden zugebracht habe und von denen du mir gleichwohl das Wichtigste bist. Diese Tatkraft im Krieg allerdings, einer Rühmung so wert, forderte eine Dichtung, die glänzender ist als meine, und nicht mich rief, da ich erstarrt war vor ängstlichem Kummer angesichts der elenden (10) Zerstörung des Vaterlands, die große Aufgabe. Aber – ich will nichts Falsches sagen – wozu das Schweigen, wenn die Wackeren die Feinde bezwingen, die Schlechten sie aber unterstützen? Wenn die gerechte Natur mir die Begabung verweigert hätte, würde das schlimme Unglück des Vaterlands sie jetzt schaffen. Während deine Rechte, Bernhard, gestärkt durch einen Wink des höchsten Vaters, dieses Unglück mit solcher Ehre aufwiegt, wird es mich – das Herz dir und jenem verpflichtet – schon freuen, mein wenn auch kleines Schiff-
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Quae tua dum tanto, Bernharde, rependit honore Auspicio summi dextera fulta Patris, Nos, tibi devotas mentes illique, juvabit Parva licet vasto credere vela mari. Hoc nempe erigimus servata ex urbe trophaeum, Quam modo non famulis alluit Ister aquis. Salvete, ô bona, tuque bonae spes, Optime Princeps, Per te sub rigido non gemet orba jugo; Nec veteris fuit, ut perhibent, opus illa TiberI, Sed tua Trajani laus erit ampla novi. [A2v] RATISPONA IN LIBERTATEM VINDICATA.
VIcerat arte sua, nostris erroribus, hostis,
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Et specie aestatem totam lucratus amica Fuderat ingentes non ullo Marte cohortes. Iam sociam duris relicta Silesia fatis Ne quicquam quaerebat opem, jam turpiter arces Tradi infausta urbesque suas lugebat iisdem Queis erepta fuit. Certum hoc ratus esse triumphum Insultabat agris victor, variasque phalanges Ad Viadri crescentis aquas, Albimque timentem, Ac non id meriti ducebat Saxonis arua. Cum pater omnipotens, hostis quem rarus adorat, Ac solum implorat supplex respublica, mentes, Quas melior ratio justas arrexit in iras, Consilio ingentem jußit tentare salubri Danubium, et positas illic sibi subdere gentes. Vota placent, tuaque in dubiis notißima virtus, O patriae vindex, timor, o Bernharde, malorum, Quem servire negans dominos mens egit in hostes. [A3r] Non hoc laudis enim, non lucri abjecta cupido, Sed natura tua est. Majorum summa tuorum Cura fuit fines patrios et sacra tueri Incertis majora bonis, nec credere, quicquid Ficta hominum pietas, aut ignorantia jußit. Hinc tibi divinae à teneris comes adstitit annis
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chen aufs weite Meer zu schicken. Dieses Siegeszeichen allerdings errichte ich für die Befreiung der Stadt, (20) die von der Donau geradezu mit dienstbaren Fluten berührt wird. Seid gegrüßt, du, wackere Stadt, und du, bester Fürst, Hoffnung der wackeren: Durch dich wird sie nicht mehr verwaist unter hartem Joch seufzen – und nicht war sie, wie man berichtet, ein Werk des alten Tiberius, vielmehr wird sie dein, des neuen Trajan, herrlicher Ruhm sein.
Das befreite Regensburg. Durch seine List und unsere Irrtümer hatte der Feind gesiegt, hatte unter dem Anschein der Freundschaft den ganzen Sommer genutzt und ohne eine Schlacht gewaltige Truppen geschlagen. Schon suchte Schlesien, seinem hartem Geschick überlassen, vergeblich die Hilfe von Bundesgenossen, beklagte unglücklich, daß seine Burgen und Städte schändlich an dieselben wieder gelangten, denen es selbst zuvor entrissen worden war. Das hielt der Sieger für einen sicheren Triumph, er sprang auf den Feldern umher und führte verschiedentlich Truppen zu den schwellenden Wassern der Oder, zur ängstlichen Elbe (10) und auch zu den Fluren des Sachsen, der das nicht verdient hatte – da befahl der allmächtige Vater, den kaum ein Feind verehrt und den allein unser Gemeinwesen kniefällig anfleht, den Menschen, die eine bessere Vernunft zu gerechtem Zorne bewegte, mit einem heilsamem Rat, zur gewaltigen Donau den Krieg zu bringen und die dortigen Völker sich zu unterwerfen. Dem stimmte man zu, auch gefiel deine in schwierigen Lagen wohlbekannte Tatkraft, Bernhard, du Befreier des Vaterlands und Schrecken der Schlechten, den ein Sinn, der das Dienen verwirft, antrieb gegen die Herrschaft der Feinde. Das ist freilich keine verwerfliche Gier nach Ruhm oder Gewinn, (20) sondern deine Natur. Die wichtigste Sorge deiner Vorfahren war es, das Vaterland und den heiligen Glauben – mehr wert als vergängliche Güter – zu schützen und nichts zu glauben, was die erheuchelte Frömmig-
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Relligionis honos, dirisque exosa tyrannis Libertas imis inoleuit tota medullis. Hinc, juvenis laudes etiam praegressus avitas, Per vix tentatas tam longe tempore belli Audax ire vias, nunquam patiere feresque Vt Teuto Mauris, et Boeti supplicet Ister. Ergo Ratisponam, male amicas tempore multo Principis aversi leges sufferre gravatam, Armorum felix fortunatusque laboris, Paßibus aßiduis primo petit. Illa, vetustam Incorrupta fidem, vinci sine sanguine vellet, Gauderetque capi; sed iniquum militis obstat Praesidium, et validi sollers custodia valli. Imprimis, domini chartis mandata severis Jussa legens, Vrbi Praefectus atrocia secum Voluit, et exilio cives vinclisque Senatum Destinat innocuum, tectis quoque subjicit ignem Quae nocitura putat, seseque per omnia versat. At simul et venit, et trepidum dux advena vallum [A3v] Fulmineo clangore quatit, dant littora plausum Immanes mirata sonos, muralia saxi Pondera et aggesti reboantia cespitis in se Fragmina tota ruunt. Quid agis, servire coacta? Quo mille excubiae? quo tot fastigia turres, Tot delubra tibi? quo manibus illa bonorum Templa prius sacrata? Deus tibi certior instat, Quo firmante pios invicti Principis ausus Vinceris et vinci gaudes. Sic casta puella, Quae sibi furtivae tendenti retia flammae Non nisi verba proco dedit, et tamen illa pudica Hactenus, ac vetitas nunquam laudantia noctes, Cum rediit cui legitimos addixit amores, Mixto cum lachrimis, proh dulcia gaudia! risu, Multa gemente proco, totis amplectitur ulnis Non exstinguendos hominum conatibus ignes. O nunquam autumnos adversis partibus aequos! Vix duo transierant horis labentibus anni, Cum saevum atque urbis miserae de clade calentem (Albi pater, tu sensisti lachrimabile fatum!) Lipsia Tilliaden, mulctatum verbere multo,
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keit der Menschen oder ihre Dummheit gebot. Von daher trat die Ehrung des rechten Gottesglaubens dir im zartesten Alter als Begleiterin zur Seite, und tief im Herzen erwuchs ganz die Liebe zur Freiheit, schlimmen Tyrannen verhaßt. Von daher hast du als Jüngling den Ruhm der Vorfahren übertroffen, hast es gewagt, Wege zu gehen, die in der Kriegszeit so lange kaum noch beschritten wurden, und wirst es niemals hinnehmen oder ertragen, (30) daß der Deutsche vor Mauren, die Donau vor dem Baetis niederkniet. Deshalb eilt er, erfolgreich im Waffengang und mit Glück bei der Mühsal, zunächst in ununterbrochenen Märschen nach Regensburg, das lange Zeit ungern die unfreundlichen Gesetze eines feindlichen Fürsten ertrug. Die Stadt, standhaft im alten Glauben, würde gern besiegt werden, ohne daß Blut flösse, und wäre froh, eingenommen zu werden, doch dem stehen die üble militärische Besatzung und die geschickte Bewachung des starken Walles entgegen – hauptsächlich: Als der Stadtkommandant in den strengen Schreiben die Befehle des Herrn liest, überlegt er bei sich Grausames (40) und plant für die Bürger die Verbannung, für den schuldlosen Stadtrat den Kerker, läßt auch schon Feuer an diejenigen Bauwerke legen, die er für hinderlich hält, und macht sich mit allem zu schaffen. Doch kaum angekommen, trifft der Herzog den Wall, der erzittert, mit Donnergetöse, die Ufer, verwundert über den gewaltigen Lärm, geben Beifall. Die Steine der Mauer und die Stücke des Erdwalls fallen mit Krachen ganz in sich zusammen. Was nun, du zum Dienen gezwungen Stadt? Wozu nützen die tausend Wachen? Wozu auch die vielen Dächer, die Türme? Die vielen Kapellen? Die einst den Heiligen (50) geweihten Kirchen? Gott tritt nun in größerer Gewißheit zu dir; er unterstützt das fromme Wagnis des siegreichen Fürsten, und dadurch wirst du besiegt und freust dich, besiegt zu werden. So ähnlich ein keusches Mädchen, das einem Freier, der ihr Netze verborgener Gluten spannte, nur Worte gab, doch schamhafte, Worte, die niemals verbotene Nächte lobten, – als aber der zurückkommt, dem sie Liebe und Ehe versprochen, gibt sie sich unter einem mit Tränen vermischten Lachen (oh süße Freuden!) und während der Freier heftig seufzt, nun mit offenen Armen den Gluten hin, die der Menschen Bemühungen nicht auslöschen können. (60) Ein Hoch auf die Herbstzeit, die nie die Seite unserer Gegner begünstigte! Kaum sind im Laufe der Jahreszeiten zwei Jahre vorübergegangen, seit Leipzig sah, wie Tilly, wild und noch erhitzt vom Blutrausch in der jammervollen Stadt (du, Vater Elbstrom, spürtest das beweinenswerte Schicksal), nun vielfach geschlagen mit einem Male tausend Kohorten beklagte. Kaum – füge nur einen Tag hinzu – hat der Sonnengott einmal zwölf Tierkreiszeichen durchlaufen, seit
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Deplorare una vidit vice mille cohortes. Iam per signa semel Titan duodena cucurrit, Solum his adde diem, cum non mansuetior hostis, [A4r] Ingenioque loci fisus numeroque suorum, Abjecit clypeum tamen, ac tormenta virosque Frendentesque minas in vili perdidit agro, Parvaque claratas aequavit Luzia Cannas. Atque utinam pretio non et victoria tanto Constaret, nigris neque laurea mixta cupreßis Amisso hinc victos omnes absolveret uno! Nunc jacet augustum semper caput, unica nostri Servitii mora, cunctorum tutela salusque, Rex cui nulla parem tulit aetas, nulla secundum. Hoc damnum tamen, hanc caedem, quod possumus unum, Fortibus infractae mentes pensabimus ausis, Iurataque fide, qua nunc viduata suarum Hactenus urbs legum prisco velut ante decori Restaurata nitet, servire timentibus ipsis Qui patriae nobisque gravem indixere catastam. Quare, non illa quam fecerat ante ruina Murorum, at portis bene jam famulantibus intrat Egregius juvenis, rerum spes maxima, victi Par oculis victor, nec qualem dura minantem Cuncta modo fibris acer Teubrezius imis Horruit, et leges sensit sibi ferre magistras. Illum Mars positis quo ritu agit otia bellis, Et pia Relligio, et semper nova pondera questam [A4v] Libertas patriam reddens sibi, Paxque decora, Ac tutus comitatur Honos. Favet ore, ducisque Mores miles habet, devotaque pectora morti Vitam et pacatos promittunt civibus annos. Curritur ad venientem, amplarum strata viarum Effusa sub plebe latent, urbs tota figuram Deponit veterem, vultusque imitatur amici Hospitis; acclamant laeti patresque tribusque: Venisti, bone, spes sobolis votumque parentum, Venisti tandem multum expectatus? egebat Vindice te status hic, qui nec mutare, nec, hoste Converso in pretium, per munera morte pianda Subrueris misere, aut vana illaquearis honoris
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der nicht minder wilde Feind, obwohl er auf die Lage des Ortes und die Zahl seiner Leute vertraute, dennoch den Schild wegwarf, die Geschütze, Soldaten (70) und seine grimmigen Drohungen auf dem unbedeutenden Feld aufgab und das kleine Lützen dem berühmten Cannae gleichkam. Ach, würde ein Sieg doch nicht einen so hohen Preis kosten, würde der Lorbeer sich nicht mit der schwarzen Zypresse verbinden und den Sieg über die Feinde nicht mit dem Verlust des einen Mannes aufwiegen! Nun liegt das ewig erhabene Haupt darnieder, das einzige Hemmnis unserer Knechtschaft, der Schutz und die Rettung für alle, ein König, wie keine Zeit einen entsprechenden hervorbrachte, keine einen zweiten. Diesen Verlust jedoch, diesen Tod werden wir mit gebrochenem Herzen – das allein können wir – durch tapferes Wagen (80) und durch den geschworenen Glauben ausgleichen, durch den, gleichsam in ihrem früheren Glanz wiederhergestellt, die ihrer Gesetze bis dahin beraubte Stadt erstrahlt, während die, die dem Vaterland und uns schlimme Qualen auferlegten, selbst die Knechtschaft fürchten. Deshalb tritt er nicht durch die Bresche der Mauern ein, die er zuvor geschlagen hatte, sondern durch schon ganz dienstbare Tore, ein Jüngling herrlicher Art, der Welt größte Hoffnung, ein Sieger, der einem Besiegten im Antlitz gleicht, nicht wie einer, der ganz nur mit Grausamkeiten droht – so fürchtete es von ihm der grimmige Teybertz tief im Herzen und merkte, dass der ihm Gesetze als Lehrmeisterinnen brachte. (90) Ihn nun geleitet Mars in der Art, in der er nach Kriegsende ruht, auch frommer Glaube, die Freiheit, die das Vaterland, das stets über neue Last klagte, sich selbst zurückgibt, der schöne Friede und sichere Ehre. Er schweigt still, hat als Soldat die Art eines Führers, und sein Herz, zum Tode bereit, verspricht den Bürgern Leben und friedliche Jahre. Als er kommt, läuft man hinzu; das Pflaster der breiten Straßen liegt unter der herbeiströmenden Menge verborgen; die ganze Stadt legt ihr altes Aussehn ab und nimmt die Miene eines vertrauten Gastfreundes an; fröhlich rufen ihm zu die Väter der Stadt und die Zünfte: (100) „Bist du, Wackerer, von deinen Eltern ersehnt und Nachwuchs verheißend, gekommen, bist du, vielfach erwartet, nun endlich gekommen? Unsere Lage hier forderte dich als Retter, du änderst dich nicht, du wirst nicht, auch wenn der Feind sich verkauft, durch Geschenke, die nur der Tod sühnt, erbärmlich gestürzt, und du wirst nicht durch den eitlen Schein versprochener Ehre umgarnt, so daß du schändlich überliefest oder noch
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Promißi specie, ut vel turpis transfuga fias, Vel magis hoc noceas persona tectus amici; Quale hominum semper parvum genus ille redemptor Dedecorum notus nostra inter viscera quaerit, Inque suos transfert nobis pereuntibus usus. O qua terrarum nunc tandem parte moratur, Aut quos Simplicitas Germana aufugit ad Indos! Iupiter (haud alio haec nam culpa reciditur unquam Supplicio, quidvis temere indulgentibus illis [B1r] Quos penes est sacra nobilium custodia legum) Tunc etiam rerum haec opprobria fulminis igne Non jaculare tui, clemens nimis? ignibus illis Quos Cocytus alit melius ni forte reservas. At tu, praesidium nostrae et spes optima vitae, Tu, Princeps, es noster amor, tibi laeta triumpho In lachrimas urbs omnis eat: non illa venire In tua jussa timet. quonam arma? potiris amicae. Ipsa tibi properat Victoria posse placere, Quodque alii multo non effecere paratu, Hoc iter est, Bernharde, tuum. Cape praemia frontis Digna tuae, patula dum de Iovis arbore summi Civica ob assertos tibi festinatur amicos, Civica Gabretae donum spectabile silvae, Heic ubi Sudetum praerupta cacumina vires Eminus aspexere tuas, votoque silente (Nam quis aperta facit dominum perferre coactus?) Auspiciis, Dux magne, tuis, solidamque quietem Et tutae spondent sibi libertatis honores. Hos inter plausus dum sic te stipat euntem Vulgus, Ioque simul canit omnis turba triumphe, Ingeminat resonis Echo alma, triumphe, triumphe, Vallibus: ipse rapax tercentum ductor aquarum Gramine densatum viridi caput exerit alveo [B1v] Danubius, pontemque diu indignatus herilem Mavult esse tuum, et totum tibi destinat omnem Quem septemgeminis demittit in aequora rivis, Et tot per populos ac dißita littora voluit. Exemplar magno fluviorum larga minorum De patre turba capit; pineti Nabus alumnus, Et Laberis gyro currens breviore, feraxque
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schlimmeren Schaden anrichtetest, verborgen unter der Maske eines Freundes – solch eine niedere Art von Menschen sucht der allbekannte Schandenerlöser stets in unserer Mitte und führt sie in seine Gewalt, wobei wir den Untergang finden. (110) Ach, in welchem Teil der Erde verweilt denn jetzt die deutsche Redlichkeit, zu welchen Indern ist sie geflohen! Jupiter (denn durch keine andere Bestrafung wird diese Schuld jemals getilgt, was auch immer diejenigen leichthin gewähren, denen der heilige Schutz der ehrwürdigen Gesetze obliegt) – Jupiter, triffst du denn – allzu milde! – jetzt diese Schande der Welt nicht mit dem Feuer deines Blitzes? Vielleicht bewahrst du sie aber – besser so! – für die Feuer auf, die Cocytus ihr bereitet. Dich aber, Schutz unsres Lebens und seine herrlichste Hoffnung, Fürst, dich lieben wir, für dich vergießt, froh über den Triumph, (120) die ganze Stadt Tränen: sie fürchtet es nicht, unter deinen Befehl zu kommen. Wozu die Waffen? Du gewinnst ja eine Geliebte. Victoria selbst sucht dir zu gefallen, und was andere trotz hohen Aufwands nicht erreichten, das, Bernhard, ist dein Einmarsch. Nimm den Lohn an, der deiner Stirn würdig ist, jetzt, wo dir vom breiten Baume des höchsten Jupiters eilig der Bürgerkranz für die Rettung der Freunde gebracht wird, die Civica, die herrliche Gabe vom Grabeta-Wald, hier, wo die steilen Gipfel des Sudetengebirges von weitem dein Heer erblickten, und mit stillem Wunsch (130) – denn wer, der gezwungen ist, einen Herrn zu ertragen, spricht es offen aus? – versprechen sie sich unter deiner Führung, o großer Führer, stete Ruhe und die Ehre der gesicherten Freiheit.“ Während das Volk dich unter diesem Beifall auf deinem Einzug umdrängt, ruft zugleich die ganze Schar „Triumph!“, die göttliche Echo verdoppelt durch die widerhallenden Täler: „Triumph, Triumph!“, und der Donaugott selbst, der reißende Anführer der dreimal hundert Wasser, erhebt sein mit grünem Gras dicht umwundenes Haupt aus dem Flußbett und wünscht, über die Brücke lange schon verärgert, sie solle lieber dir als ihrem Herrn gehören, und gibt dir die ganze Flut zu eigen, (140) die er in sieben Armen ins Meer hinab strömen läßt und die er durch so viele Völker und weite Ufer dahinwälzt. Eine breite Schar kleinerer Flüsse nimmt den großen Vater zum Vorbild: die Naab, genährt vom Fichtelgebirge, und die in engerem Bogen fließende Laaber, der Fruchtbarkeit
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Reginus, de quo Reginis nomina castris. His praeceps accedet Isar, Clanis amne recepto Vindelici, rapidasque Aenus qui torquet arenas, Et qui bacciferas Ilsus fert gurgite conchas, Quorum te calidis creber vocat accola votis, Indocilesque animo dominis servire coloni. Poscentesne vides tua tela, ut dextera, falces Quae tulerat curvas, gladios tibi gestet acutos, Et libertatem sanctae pietatis ademptam, Quod precibus nequiit, vel ferro vindice quaerat? Macte, experta tuas satis ante est Rhetia vires, Deplorat Bojus, timet Austria, Pannones optant. Quicquid agis vero, properes licet amnis ut alta Qui scatebras ex caute trahit, spumante susurro Littora littoribus raucis collidit, et agros Permeat irriguos undis majore procella, Tardus ades, rapidis Princeps velocior astris, [B2r] Ante tubas alias si claßica nominis ibunt, Praeripietque tibi cunctos tua fama triumphos. Perge, quid, instantis caussatus frigora brumae, Militibus timeas? non possunt membra rigere, Sole refecta tuo, et vagus ille binominis Istri Amnis, periuro quem posthac sanguine tinges, Ligna tuis ignesque vehet: mons Cetius ipse Nil veritus, multum vicinae quamlibet urbis, Moenia Vindominae, in silvam tibi durat inemptam Pervigilesque focos, radient ut noctibus iisdem, E coelo stellae, hostili tuus ignis ab agro; Donec te validis auctum, Bernharde, catervis, Ver ubi molle locum castris ostendet aperto Aëreque et lymphis et multo gramine laetum, Magnae ad molis opus non longa hyberna remittent, Et fessos belli mortales strage vel una Illorum absolves quos non cernemus amicos Ante lupus quam raptor ovem, tigris aspera cervum Diliget, et teneram proles milvina columbam. Nonne vides adamanteis ut nexa catenis Hostica vis coëat, quosque inconfessa simultas Atque suus non unit amor, lis publica placet? Heic immansuetae nobis lethale minatur
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bringende Regen, nach dem Regensburg den Namen hat. Zu diesen kommt noch die reißende Isar, nachdem sie die vindelische Glonn aufgenommen hat, der Inn, der den Sand reißend aufwirbelt, und die Ilz, die mit ihrer Strömung Perlmuscheln herbeiträgt. Dich rufen die Anwohner dieser Flüsse oft mit heißen Wünschen herbei (150) und die Bauern, die in ihrem Sinn es nicht annehmen, Herren zu dienen. Siehst du, wie sie deine Waffen fordern, damit ihre Rechte, die die gebogene Sichel getragen hatte, für dich das scharfe Schwert führt und die verlorene Freiheit des heiligen Glaubens, da man es mit Gebeten nicht vermochte, gar mit dem befreienden Schwert wieder erringt? Heil dir! – deine Kraft hat Rätien zuvor genug erfahren; der Bayer beklagt, Österreich fürchtet und die Ungarn ersehnen sie. Was auch immer du aber tust, du magst eilen wie der Fluß, der von der Bergesklippe sein Wasser erhält, unter schäumendem Rauschen Ufer mit dröhnenden Ufern entzweit und (160) die von den Wogen überfluteten Felder mit größerem Sturm durchfließt: Zu spät bist du da, Fürst – wärst du auch schneller als die rasch eilenden Sterne –, wenn die Fanfaren deines Namens vor anderen Trompeten ertönen, wenn dein Ruhm dir schon alle Siege vorwegnimmt. Auf denn, warum fürchtest du unter dem Vorwand der Fröste des nahenden Winters um die Soldaten? Von deiner Sonne gewärmt, können ihre Glieder nicht erstarren, und der schwellende Strom mit den zwei Namen, die Donau, die du später mit dem Blute der Eidbrecher tränken wirst, wird deinen Männern Holz und Feuer bringen: Das Cetiusgebirge selber fürchtet nichts, viel (wie nah auch immer die Stadt ist) (170) die Mauern Wiens – er wird zu einem Holzvorrat, den du nicht kaufen mußt, und zu stets wachsamen Feuern, so daß in denselben Nächten vom Himmel die Sterne und vom Lande des Feindes deine Feuer erstrahlen, bis dich, Bernhard, mit kräftigen Scharen verstärkt, sobald der sanfte Frühling einen Platz für ein Lager im Freien zeigt, üppig durch Luft, Naß und reiches Gras, das kurze Winterlager wieder zu dem gewaltigen Werk entläßt und du die kriegsmüden Menschen erlöst, gar einzig durch die Vernichtung derer, die wir nicht als Freunde ansehen werden, bevor der Wolf, dieser Räuber, das Schaf liebt, der rohe Tiger den Hirsch und (180) der Nachwuchs des Falken die zarte Taube. Siehst du nicht, wie die feindliche Macht sich sammelt, verbunden durch stählerne Ketten, Leute, die ihre uneingestandene Feindschaft und Eigenliebe nicht eint und denen der Streit im Staate gefällt? Hier bedrohen uns mit Tod der Be-
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Accola Parthenopes, et junctus Feria Boiis [B2v] Strenuus implacidis: illic tua monstra trucesque, Impie Drave, feras, hominum sola ora gerentes; Aurum alibi, nostro discrimine larga suoque, India fomentum belli nimis utile mittit. Caetera si rerum spectes, ad Erynnies atras, Ex imo quae nunc in nos Acheronte cientur, Medeae accedat pars ut quoque justa cruentae, In raptum â profugo juratur Iasone vellus Infestis animis, et quae diademata mundi Sperat Ibera domus quasi voto destinat illi (Huic semel obstandum, aut semper sub fasce gemendum est) Agrippinensis foedus mirabile Rheni, Grexque petens liquidam Gallo indignante Mosellam. Hic furor, haec extrema placet pereuntibus ira, Hoc non imbelli pereunt fera pectora letho; Vt per odorisequos extra sua lustra molossos Raptus aper certusque mori, venabula saltu Excipit impavido rigidis minitantia setis, Et formidatos Spartanis imprimit ungues, Instantesque fugit simul, et fugientibus instat, Tandemque hostili absolvit sua fata cruore. Quare agite, hanc patriamque laresque et sacra tueri [B3r] Queis studium est, vigiles in facta attollite mentes, Iusque sub ense latens vestros servate per enses. Anne laceßitis toties extorta nefando Bella modo aequa minus bellorum caussa videntur? Aut pia, tam mites animae, arma negatis, in una Virtute armorum quando spes tota relicta est? Quo mora, si tacita haec etiam suspiria clamant, Mavortisque metus pejor Mavorte? fugatis A caussa meliore Deum, dum spernitis illam Qua vos donat opem, ac, si fas est vera fateri, Bellum alios, pax vos certe facit ipsa nocentes. Nunc equidem totis animis ausuque coire Tempus erat, si quid Germani sanguinis usquam est, O generosa cohors, armisque repellere fraudem, Ac libertati cognatas reddere gentes. Anne manus vestras infectis sanguine vestro Iungetis manibus? meliora minantur amici,
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wohner des ungezügelten Neapels und der tüchtige Feria, mit den wilden Bayern verbunden; dort schickst du, gottlose Drau, deine Ungeheuer und wilde Tiere, die nur das Antlitz von Menschen tragen, anderswo Indien, gleichgültig gegenüber der Gefahr für uns und sich selbst, Gold, den allzu nützlichen Zündstoff des Krieges. (190) Wenn du die restliche Welt anschaust: damit zu den schwarzen Erinnyen, die jetzt aus der Tiefe des Acheron gegen uns gerufen werden, auch die passende Seite der blutdürstigen Medea hinzukommt, deshalb schwört man feindlichen Sinnes auf das vom flüchtenden Jason geraubte Vlies, und Spaniens Herrscherhaus, das sich die Krone der Welt erhofft, weiht wie aufgrund eines Gelübdes ihm (einmal ihm widerstehen oder immer unter der Knute seufzen!) die wundersame Bündnistreue des Kölner Rheins, und so auch die Truppe, die nach der heiteren Mosel greift zum Zorn des Franzosen. Dieses Rasen und äußersten Zorn dieser Art lieben die, die zugrunde gehen, (200) solch einen Kriegstod sterben die wilden Männer, wie der Eber, von Molossern aufgespürt und außerhalb seiner Suhle gestellt, sicher ist zu sterben und mit einem furchtlosen Satz und aufgestellten Borsten die drohenden Spieße empfängt, und er presst die gefürchteten Klauen in die Spartanerhunde, flieht zugleich vor den Angreifern und greift die Fliehenden an, erfüllt schließlich sein Schicksal mit dem Blut seiner Feinde. Deshalb auf, ihr, denen es am Herzen liegt, dieses Vaterland, die Heimstätten und die geweihten Orte zu schützen: Richtet den wachen Sinn auf die Taten und bewahrt mit euren Schwertern das unter dem Schwert verborgene Recht! (210) Oder scheinen die Kriege, die den so oft Gereizten auf ruchlose Weise abgetrotzt wurden, ein weniger gerechter Kriegsgrund zu sein? Oder verweigert ihr so sanftmütig im Herzen die gottgefälligen Waffen nun, da allein auf der Macht der Waffen die ganze Hoffnung ruht? Wozu der Aufschub, wenn danach auch stille Seufzer rufen und die Furcht vor dem Kriegsgott schlimmer ist als er? Ihr trennt Gott von der besseren Sache, indem ihr die Hilfe mißachtet, die er euch schenkt, und wenn es erlaubt ist, die Wahrheit zu sagen: Andere macht der Krieg schuldig, doch euch gewiß der Friede selbst. Jetzt, du edle Schar, wäre es in der Tat Zeit, von ganzem Herzen und mutig sich zu vereinen, (220) wenn irgendwo etwas brüderlich-deutsches Blut noch vorhanden ist, mit Waffen die Hinterlist zu vertreiben und die verwandten Völkern wieder in die Freiheit zu führen. Oder wollt ihr etwa eure Hände mit Händen verbinden, die von euerm Blut besudelt sind? Etwas Besseres verheißen die
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Gens Batava, et Batavum felix concordia fratres (Felix si mißis quas relligio obtulit iris Vnum nomen erit, Maurumque indigna volentem Heic et apud positos longe populabitur Indos) Et non divulsi caussa, licet orbe, Britanni [B3v] Quid consultando suspensi perditis horas, An Gallum semel, an semper foveatis Iberum? Illum facta ratis vobiscum foedera pactis, Vicinique nimis suspecta potentia regni, Regnorum sitis at multorum hunc armat, et orbis Non unius amor. Si vos fida hostia juvit Rex terra melior, nec quem lugetis ademptum Ne vixisse quidem vestros velletis in usus, Vaenales animas et dono speque redemptas, Partaque probra malo dignis excindite poenis. Ite simul, nulla unitos vis hostica vincet; Vincat et interdum, rebus non fine probamur, Quem solum praestare potest ille omnia solus, Praestabitque libens; nec enim sua sacra tueri Non homines legumque decus pia Numina nolunt, Quae saepe exiguas conferta in tela phalanges Misere, et paucis magnos cessere triumphos: Ferro hostes melius, quam vos livore, peribunt. Id petite, ut causa quos dudum junxit eadem Iungat mente Deus, gratisque arrideat astris Imposito miseris per fanda nefandaque bello, Donec, vel gladio quaesita ultore quiete, [B4r] Reddantur Cereri sua jugera, pascua Pani, Horti Pomonae, castis vaga flumina Nymphis, Tutaque pax agros, libertas ambiat aras, Et nunquam dominum timeat Germanus Iberum.
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Freunde: Hollands Volk und die Brüder der Holländer, eine glückliche Eintracht (glücklich, wenn der Streit, den der Glaube brachte, verschwunden ist und ein Bekenntnis bestehen und den Spanier, der Unrechtes im Sinn hat, hier und auch bei den ferne wohnenden Indern vernichten wird), und ihr Briten, nicht getrennt in der Sache, wenn auch durch die Lage eures Landes – (230) warum vergeudet ihr Zeit, während ihr unentschlossen beratschlagt, ob ihr einmal den Franzosen oder immer den Spanier unterstützen wollt? Ersteren bewaffnet das mit euch durch gültige Verträge geschlossene Bündnis und die allzu verdächtige Macht des benachbarten Reiches, diesen dagegen der Durst nach vielen Reichen, die Liebe zu mehr als einer Welt. Wenn euch das treue Opfer willkommen war, ein König, besser als die Welt, und wenn ihr nicht wolltet, dass er, dessen Ableben ihr beklagt, nicht einmal zu eurem Vorteil gelebt hätte, dann vernichtet mit würdiger Strafe die feilen, durch Geschenke und Versprechungen erkauften Seelen und die Schande, vom Bösen geboren! (240) Zieht gemeinsam los, keine Feindesmacht wird Geeinte besiegen! Mag sie auch bisweilen siegen, wir werden nach Taten beurteilt, nicht nach dem Ausgang, den allein jener in allem Einzigartige geben kann, und gern wird er ihn geben; denn daß die Menschen ihre heiligen Stätten und die Würde ihrer Gesetze beschützen, das wollen die gnädigen Gottheiten sehr, die schon oft wenige Heerreihen gegen dicht gedrängte Waffen schickten und wenigen große Triumphe gewährten: Besser, die Feinde werden durchs Schwert umkommen als ihr durch die Mißgunst. Darum betet, daß Gott die, die er längst in der einen gemeinsamen Sache verbunden hat, auch in ihrem Herzen verbinde und mit günstigen Sternen den Unglücklichen zulächle (250) im Krieg, der ihnen, zu Recht oder zu Unrecht, auferlegt ist, bis, und sei es, daß die Ruhe mit rächendem Schwerte errungen wurde, Ceres ihre Äcker zurückerhält, Pan die Weiden, Pomona die Gärten, die keuschen Nymphen die schwellenden Flüsse und bis sicherer Frieden das Feld, Freiheit die Altäre umgibt und der Deutsche nimmermehr die Herrschaft des Spaniers fürchtet! [M.F.]
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ITa quidem doctrina VIDI FABRI PIBRACII in supremo senatu Parisiensi praesidis olim TETRASTICHA GALLICA , Germanicis versibus expressa, auctore MARTINO OPITIO. DANTISCI , Typis H ÜNEFELDIANIS, Anno M . DC . XXXIV.
[A1v vacat] [ 1 r] JAC. AVGVSTVS THVANVS lib. II. de vita sua.
ERat in eo viro (Vido Fabro) incorrupta probitas, verus pietatis et de Repub. sensus, generosus et ad magna natus animus, ab omni avaritia alienus, morum comitas, et oris species ac totius corporis gestus ad elegantiam compositus, mitis facundia. Ad haec â pueritia ingenium puriore literatura sub Petro Bunello et postea juris antiqui scientia sub Jac. Cujacio non modo excultum sed plane subactum, sed quod segnitie et desidia plerumque torpescebat, ut nihil merito in illo desiderares praeter excitatiorem et minus obnoxium animum. Cum purißime scriberet Latine, poëticam facultatem exercuerat patria lingua, nostri Ronsardi aemulatione, meruitque ut a quo, (Florente Christiano) sicuti et ante eum Ronsardus, aculeate petitus fuerat, odio in amorem, quod inter Virtutis via grassanteis fieri amat, verso, deinceps ab eodem summa observantia coleretur, exterisque gentibus ubicunque literae vigent commendaretur, quaternionibus vernaculis graece latineque tanta elegantia redditis, ut qui vulgo apud nos puerorum ingeniis domi formandis usurpantur versus, iisdemque in schola in utramque linguam erudiendis haud sine fraude discentium in posterum adhiberi poßint. [ 1v vacat]
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Des Guy du Faur de Pibrac, dereinst Vorsitzender in der Großen Kammer des Parlaments von Paris, französische Quatrains, in deutsche Verse übersetzt von Martin Opitz. Danzig, gedruckt bei Hünefeld, im Jahre 1634.
Jacques-Auguste du Thou Buch 2 Über sein Leben. Dieser Mann (Guy du Faur) besaß unbestechliche Rechtschaffenheit, ein echtes Gespür für Frömmigkeit und im Blick auf das Gemeinwesen, einen großzügigen und zu Großem geschaffenen Charakter, dem jede Habgier fremd war, und ein angenehmes Wesen. Sein Gesichtsausdruck und seine ganze Körperhaltung neigten zur Eleganz, sein Redestil war angenehm. Hierzu war sein Talent von Kindheit an unter Pierre Bunel in den feineren Wissenschaften und später unter Jacques Cujas in der Kenntnis des alten Rechts nicht nur gefördert, sondern regelrecht gedrängt worden, allerdings erlahmte es häufig durch Trägheit und Tatenlosigkeit, so daß man an ihm billigerweise nichts hätte vermissen können außer einem lebhafteren und weniger unselbständigen Geist. Obwohl er fehlerfrei Latein schrieb, übte er seine dichterische Fähigkeit im Wetteifer mit unserem Ronsard in der Volkssprache und er erwirkte, daß er von dem (Florent Chrestien), von dem er wie schon vor ihm Ronsard scharf angegriffen worden war, schließlich, nachdem sich dessen Haß in Zuneigung gewandelt hatte, was unter denen, die sich auf dem Weg zur Vollkommenheit bewegen, zu geschehen beliebt – daß er also von jenem mit größter Verehrung bedacht und den auswärtigen Nationen, so weit die Wissenschaften blühen, ans Herz gelegt wurde, indem er dessen volkssprachliche Quatrains mit solcher Eleganz ins Griechische und Lateinische übersetzte, daß die Verse, die man gewöhnlich bei uns benutzt, um die Anlagen der Knaben zu Hause zu formen und sie in der Schule für beide Sprachen auszubilden, wohl nicht ohne Schaden für die Lernenden fürderhin verwendet werden könnten. [R.S.]
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Generosißimo Viro HENRICO A REICHENBACH ET RUDELSDORFF, SIEBENEICHAE , OT TENDORFFII , DOMANZAE , WÜRGS DORFFII , etc. DOMINO. MART. OPITIUS S . D.
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ITa quidem doctrina literarum comparata est, Vir Nobilissime, ut homines sui studiosos tempore quovis ac loco feliciores reddat et beatiores: nunquam tamen auxilium ejus opemque magis experimur, quam in hac rerum omnium perturbatione, et statu patriae tam lubrico, tam ancipiti dubioque, ut quid de conversionibus his quotidianis ac familiari hac hostilitate, deque rumoribus omnino mirificis sentire domo divulsi aut credere saltem debeamus, statuere satis nemo nostrum possit. A studiis certe si non vel anxii et suspensi consilium, vel in discrimine constituti praesidium, vel in adversis denique levamen percipimus et solatium, quanquam ea simul percipiamus omnia; id eorum tamen beneficio consequimur, ut animus cogitationibus eruditis involutus ab aerumnarum tantarum sensu non minus abstrahatur, quam a vitae discrimine illi, quorum absentium et injuste aliquando damnatorum effigies flammis man-[A2v]dantur aut cruci. Ego quidem cum nuperum iter meum jucunditate lectionis, id quod Generosissimus etiam Zedlicius et Langius noster Amplissimus, mißi magnis de rebus uterque, prolatis interdum negotiis faciebant, haud mediocriter, ut ille ait, edulcavi: tum nunc in hac urbe, aut ubicunque clementi Celsissimorum Principum meorum jussu constitutus ero, donec reditum brevi ad lares nostros aut inveniamus ipsi, aut armis foederatorum ac subsidio, coelesti maxime, nobis faciamus, vel ista ratione curis ob tempestatem publicam aequissimis parem me fore spero confidoque. Cujus oblectationis meae et refugii consortem ut te quoque faciam, Reichenbachi Nobilissime, ecce tibi Germanice a me expressas magni in tempo-
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Dem hochedlen Herrn Heinrich von Reichenbach und Rudelsdorf, Herrn auf Siebeneichen, Ottendorf, Domanze, Würgsdorf usw. entbietet Martin Opitz seinen Gruß. Mit der Gelehrsamkeit und Kunst steht es, hochedler Herr, so: Sie macht Menschen, die sich um sie bemühen, zu jeder Zeit und an jedem Ort erfolgreicher und glücklicher. Niemals aber spüren wir ihre Hilfe und Kraft mehr als in dieser völlig verworrenen Lage, bei diesem Zustand des Vaterlandes, der so schwankend, so unsicher und so zweifelhaft ist, daß sich niemand von uns genügend klarmachen kann, was wir, von zu Hause weggerissen, von diesen täglichen Umwälzungen, dieser schon gewohnten Feindseligkeit und diesen ganz und gar erstaunlichen Gerüchten denken oder wenigstens vermuten sollen. Wenn wir auch von den gelehrten Studien in unserer Angst und Anspannung keinen Rat, in der Gefahr keinen Schutz, im Unglück schließlich keine Erleichterung, keinen Trost erhalten (und doch: wir erhalten all das zugleich), so erreichen wir doch sicher das eine dank dieser Studien: Ein Mensch, der sich mit gelehrten Überlegungen beschäftigt, wird davon abgelenkt, solche Betrübnisse zu spüren, ebenso, wie einer die Lebensgefahr nicht spürt, der irgendwann in Abwesenheit zu Unrecht verurteilt wurde und nun „in effigie“ verbrannt oder ans Kreuz geschlagen wird. Ich jedenfalls habe mir meine kürzlich unternommene Reise durch eine angenehme Lektüre – und das pflegten auch der hochedle Zedlitz und unser hochachtbarer Langen, wenn sie in wichtigen Angelegenheiten auf Reisen waren, mit vorübergehender Aufschiebung ihrer Pflichten zu tun, – außerordentlich, wie jener Autor sagte, „versüßt“. Jetzt hier in dieser Stadt oder wo mich der gnädige Befehl meiner erhabenen Fürsten hinstellen wird, hoffe ich zuversichtlich, daß ich bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir die baldige Rückkehr in unser Heim entweder selbst erlangen oder sie uns mit den Waffen der Verbündeten und vor allem mit Hilfe Gottes verschaffen – daß ich also bis dahin mindestens dank des genannten Verfahrens meinen Sorgen, die wegen der politischen Stürme höchst angebracht sind, gewachsen sein werde. Um auch Euch, hochedler Herr von Reichenbach, an diesem meinem Vergnügen, dieser meiner Zuflucht Anteil zu geben, überreiche ich Euch hier meine deutsche Übersetzung der Sentenzen und Tetrasticha des zu seinen Lebzeiten hochbedeutenden Guy du Faur, in denen er im Wetteifer mit den Pythagoreern und der ganzen gebildeten Antike
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ribus aetatis suae viri Vidi Fabri sententias eas et tetrasticha quibus doctrinam vitae praecipuam ac leges, nationis Pythagoricae ac totius eruditae Antiquitatis aemulus, rotundo, quod Galli possunt, sermone et aptissima huic instituto brevitate complexus est, quaeque tanti facere populares ejus solent, ut et liberis passim suis ediscenda proponant, et ipsi auctoritate eorum tanquam testimonio quodam saepissime utantur. Adde Q. Septimii Florentis Christiani doctissimi hominis de iis judicium, qui Graecis ea reddere ac latinis versibus pretium operae omnino putavit; idque tanto successu effecit, ut ego exemplum ejus sequi facilius, quam felicitatem asse-[A3r]qui me potuisse, libenter fatear. Tibi vero libellum hunc ut inscriberem, si nihil aliud, comitas illa tua jubebat et humanitas, qua me inter tuos eosque adsciscere cepisti, quos amicorum nomine dignari libenter soles. Sed sunt imprimis egregia fortunae ac animi bona, quorum illa ut jactare nunquam soles, ita haec dum dissimulas, virtutem illis aliam, humilitatem non affectatam, comitem nobilitatis haud adeo frequentem, dulci contubernio adjungis. Constantiam vero tuam magis, an prudentiam commendem? quarum altera per ambitionem te vel timorem, id quod tui ordinis nonnemini apud nos accidit, de statu moveri ne latum quidem unguem hucusque passa est: ista tanquam augurio quodam belli infausti mala anno superiore tibi praedixit, adeo ut, nobis ab ingenti promissorum hiatu quidvis sperantibus, tu mature vasa colligeres, et quid faciendum cautis esset provida perspicacitate tua ostenderes. Neque idcirco aut subditorum, quorum malis paterno affectu ingemiscis, aut charitatem patriae tibi derogo, quam nescio quomodo nonnulli magis amare videntur, quia ab ea absunt. Taceo probitatem inculpatam tuam, lenitatem animi, amorem eruditorum, sales compositos ac inter conventum amicorum urbanissimam familiaritatem, et partam hac integritate vitae, his moribus erectis eam famam, ut rumorem dexterum ubique collegeris, et bene a bonis omnibus audias. Alia non addo, [A3v] qui mentem tuam satis novi, laude quavis vel ideo majorem, quod laudem nec quaerit nec aestimat. Id a te etiam atque etiam peto, ne alio me proposito illustre nomen tuum ad vestibulum hoc praescribere credas, quam ut publice ostendam, qua gratitudine propensam erga me voluntatem tuam, homo ingenuus et otii
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die wichtigsten Lebensregeln und -gesetze im „runden“ Stil, wie ihn die Franzosen beherrschen, und zwar in der diesem Ziel höchst angemessenen Kürze niedergelegt hat. Seine Landsleute schätzen diese Verse so hoch, daß sie sie sogar ihren Kindern überall auswendig zu lernen aufgeben und sich selbst sehr oft auf deren Autorität als eine Beglaubigung berufen. Nehmt noch das Urteil des Florent Chrestien über diese Lebensregeln dazu: Er hielt es durchaus für der Mühe wert, sie in griechische und lateinische Verse zu übertragen, und tat das mit solchem Erfolg, daß ich gerne gestehe: Es fiel mir leichter, seinem Muster zu folgen, als daß ich seine Geschicklichkeit hätte erreichen können. Daß ich nun aber dieses Büchlein Euch gewidmet habe, dazu drängte mich, von allem anderen abgesehen, Eure bekannte Leutseligkeit und Freundlichkeit, mit der Ihr mich zu den Eurigen und zu denen, die Ihr gern der Benennung „meine Freunde“ zu würdigen pflegt, hinzuzuziehen begonnen habt. Es sind aber vor allem die besonderen Güter des Schicksals und des Geistes; wie Ihr mit jenen niemals zu prahlen pflegt, so fügt Ihr, indem Ihr diese verleugnet, ihnen eine weitere Tugend, eine ungekünstelte Demut, wie man sie im Adel nicht allzu oft findet, in angenehmer Gesellschaft hinzu. Vollends: Soll ich mehr Eure Standhaftigkeit oder mehr Eure Klugheit rühmen, von denen die eine es bisher nicht zugelassen hat, daß Ihr aus Ehrgeiz oder Furcht, was ja bei manchem Eures Standes bei uns vorkommt, von Eurer festen Stellung auch nur eine Fingerbreite abgewichen wäret. Diese dagegen hat Euch im letzten Jahr geradezu prophetisch die Leiden des unglückseligen Krieges vorhergesagt, so daß Ihr – während wir uns wegen großmäuliger Versprechungen alles Mögliche erhofften – rechtzeitig Euer Gepäck nahmt und durch Euren vorausschauenden Scharfsinn vorführtet, was bedachtsame Menschen tun müssen. Deshalb spreche ich Euch aber nicht die Liebe zu Euren Untergebenen ab, über deren Leiden Ihr ja mit dem Gefühl eines Vaters seufzt, noch die Liebe zum Vaterland, das ja eigenartigerweise einige mehr zu lieben scheinen, weil sie von diesem entfernt leben. Ich übergehe Eure unbescholtene Rechtschaffenheit, Eure Sanftmut, Eure Liebe zu den Gelehrten, Euren feinen Witz, Euren geistreichen Umgangston im Kreis der Freunde und Euren Ruhm, den Ihr Euch durch diese Redlichkeit Eurer Lebensführung und diesen aufrechten Charakter erworben habt, so daß Ihr überall in günstigem Ruf steht und alle Guten gut von Euch reden. Weiteres füge ich nicht hinzu; ich kenne ja zur Genüge Eure Gesinnung, die mindestens darin über jedes Lob erhaben ist, daß sie Lob weder sucht noch hochschätzt. Das erbitte ich von Euch eindringlich, daß Ihr nicht annehmt, ich stellte Euren berühmten Namen in einer anderen Absicht an den Eingang meines Büchleins, als um öffentlich kundzutun, mit welcher Dankbarkeit ich Euren mir erwiesenen guten Willen anerkenne – ich bin ja ein aufrichtiger Mensch und nicht auf Nichtstun und Begünstigung aus – und mit welcher Ergebenheit ich Eure au-
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perinde ac gratiae securus, agnoscam, quove cultu venerer ac suspiciam eximias virtutes tuas, quales auctor hic noster paginis omnibus inculcat. Vale. Thorunii Borussorum, VII. Calend: April. A NNO M . DC . XXXIV.
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Haec est divini soboles et imago parentis, Spes regni, matris deliciae, Orbis amor. Tam teneram, Lector, Germania pressa requirit, Et Libertati gens inimica timet. At tu, nata, patrem vultu quae reddis, et ausis Redde bonis, annos vive sed ipsa tuos. Mart. Opitius.
*** CHRISTIANO THEODORO SCHOSSERO, Phaleuci extemporanei.
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Inter taedia tot molestiasque, Et Mavortia tela, qvaeque nobis Multas terra facit paterna curas, Ob certam nimium, DEus benignus Ni nos sustineat, sui ruïnam, An Schossere tuis perite Musis Illis suavibus aureisque Musis Respondere qveam, velut decebat Et gratum, et tibi debitum Poëtam? Haec Soles mihi dent sereniores, Et Sors à dubio remota bello, Ac qvam Pierides catae reqvirunt. Nunc hanc offero dedicoque (sola Haec ferme superest) amice, mentem, Qvam per Martia tela perque curas
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ßerordentlichen Tugenden verehre und bewundere, Tugenden, wie sie dieser unser Autor auf jeder Seite immer wieder predigt. Alle guten Wünsche! Thorn in Preußen, am 26. März im Jahre 1634. [G.B.]
*** Dies ist der Sproß und das Abbild eines göttlichen Vaters, die Hoffnung des Reichs, das Entzücken der Mutter, die Freude der Welt. Nach einem so zarten Kind, mein Leser, verlangt das bedrängte Deutschland, und die der Freiheit feindlichen Scharen fürchten es. Aber du, Tochter, die du in deinen Zügen den Vater widerspiegelst, sei auch sein Spiegel in großen Unternehmungen, doch lebe deine Lebensjahre als eigene Person. Martin Opitz. [V.M.]
*** Für Christian Theodor Schosser extemporierte Hendekasyllabi. Unter soviel Verdruß, Beschwerlichkeiten Und des Kriegsgottes Pfeilen, all den vielen Sorgen, welche die Heimat uns bereitet, Wegen sicheren Untergangs, wenn Gott nicht Uns in seiner Güte, die Seinigen schützte, Kann ich da, mein gelehrter Schosser, Euren Musen, lieblichen, goldnen Musen, Antwort Geben, so, wie sich’s ziemte für den Dichter Der Euch dankbar sich weiß und seine Schuld sieht? Mögen heitrere Tage dies mir gönnen, Ein vom unsichren Krieg entferntes Lebenslos, das auch die gewitzten Musen suchen. Jetzt verehre und weih’ ich, Freund, Euch diese Art zu denken, die fast allein verblieben; Diese werd’ ich durch Mars’ Geschosse, Sorgen,
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NOn est, docte, meis
Et tot taedia, tot molestiasque Illaesam: tibi semper exhibebo. . Leutomeritii Bohemor. a d. XVI. Sept. A. C. M DC XXXIIII.
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Astreae soboles, Phoebi fidissime cultor, W EINRICHI , et toto pectore noster amor, Dum vestrum Jano nomen fugiente reducunt Et proprium C AROLIS fata benigna diem, [C1v] Vellem equidem patriae per dura negotia nostrae Te solida laetum posse quiete frui, Sed curae, bellique timor rerumque malarum, Plurima de nostris demit, amice, bonis. Quod fas est tamen, et quantum permittitur, omnem Ad fera conemur mittere castra metum. Nos animae innocuae, nos Musis dedita turba Curae erimus summo, qui tua cura, DEO. Testando amori et observantiae quamvis ex tempore scripsi M ARTINUS O PITIUS.
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NOn est, docte, meis quae quondam gratia Musis,
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Reicheli, quamvis gratia nulla fuit, Quae tamen ingenii tum non erat optima damno, Pejorem culpa temporis esse vides. Et quis amet numeros haec inter taedia rerum, Quas, si homines cernas, spes quasi nulla fovet? [A3r] Quare sufficiant animi tibi pondera nostri, Et pia pro thalami vota salute tui. Quicquid mille aliis unquam ratione precatus Officii es, reddent nunc bona fata tibi. MARTINUS OPITIUS.
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NOn est, docte, meis
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Viel Verdruß und Beschwerlichkeiten immer Euch, mein Freund, unvermindert weiter zeigen. Leitmeritz in Böhmen, am 16. September des Jahres 1634. [G.B.]
*** Du, Weinrich, der Astraia Sproß, des Apollon treuester Verehrer und von ganzem Herzen unsere Liebe! Während das gnädige Schicksal im weichenden Januar euren Namen und den allen Karlen eigenen Tag wiederbringt, wünschte ich, daß du bei der drückenden Lage des Vaterlandes froh sichere Ruhe genießen könntest, aber die Sorgen und die Angst vor dem Krieg und den üblen Dingen nimmt das meiste, mein Freund, von dem, was uns etwas bedeutet. Laßt uns jedoch, was rechtens ist, und soweit es gestattet wird, (10) versuchen, alle unsere Furcht in die wilden Militärlager zu schicken. Für uns harmlose Seelen, für uns, die den Musen ergebene Schar, wird der höchste Gott, der auch deine Sorge ist, sorgen. Um meine Liebe und Hochachtung zu bezeugen habe ich dies – obschon aus dem Stegreif – geschrieben. Martin Opitz. [W.L.]
*** Nicht besitzen, gelehrter Reichel, meine Musen die Gefälligkeit, die sie einstmals besaßen, obschon es keine Gefälligkeit war; die du, die schon damals wegen meiner mangelnden Begabung bereits nicht die beste war, durch die Schuld der Zeitumstände als noch schlechter gewordene siehst. Und wer sollte auch Verse lieben mitten in diesem allgemeinen Ekel über die Verhältnisse, die, wenn du auf die Menschen siehst, so gut wie keine Hoffnung besser macht? Deshalb mögen dir die Beständigkeit meines Herzens genügen und meine frommen Wünsche für das Wohlergehen deiner Ehe. Was immer du für tausend andere aufgrund deines Amtes erbeten hast, (10) das möge ein gutes Schicksal jetzt dir zurückgeben. Martin Opitz. [W.L.]
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Non his carminibus
Vatis amica dies nostri, et tu conscia rerum Nox quas virgineus dum timet optat amor, Debentur numeri vobis, Heliconia quales Cadmaeo quondam gens modulata thoro est. Hoc Sponsi lepor, et faciles in carmina vires, Hoc dotes Sponsae grataque forma jubent: [A3v] Sed me torpentem curarum culpa malarum, Et patriae casus altius ire vetant. Et sane excutiam sopitae munera venae, Longe infra Sponsum quae meditabor erunt. Illius ingenii fieret Freieria partu Aemula, taeda magis congrua nulla foret. M ART. O PITIUS.
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Non his carminibus tibi mens absentis amici, Si precibus faveant astra, probanda foret. Sed quoniam et lachrimis sua creditur esse voluptas Et tuus officium tale requirit amor, En moestas, alio vir fato digne, querelas, Et non falsa parit quos Elegia modos. Hos docuit nos longa dies, hos publica damna; Ne quis privatos nos modo flere putet. Moeonidae redeat, redeat divina Maronis Musa, tui vatis Graecia, Roma tui, AEquabit nostros facundia nulla labores, Omnia sunt tantis verba minora malis. [C1r] Augetur magno tamen hic tibi vulnere luctus: E dulci conjunx optima rapta thoro est; Compare qua tibi vita fuit jucundior olim, Tempora dum nobis fata serena dabant: Quae non vilis erat justo medicina dolori, Nequicquam patriae quem pariebat amor. Jam non illa tibi curarum demere partem, Alloquioque potest te recreare suo. Aret lingva tuo longè gratissima cordi: Ad superos rediit spiritus, unde fuit.
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Du, unserem Dichter freundlich gesinnter Tag, und du, Nacht, Mitwisserin bei den Dingen, die die jungfräuliche Liebe wünscht, während sie sie fürchtet: euch werden Verse geschuldet, wie sie die Schwestern vom Helikon einst dem ehelichen Lager des Kadmos gesungen haben. Das gebieten die Liebenswürdigkeit des Bräutigams und seine Befähigung, leicht Verse zu verfassen, das gebieten auch die Gaben der Braut und ihre willkommene Schönheit: Aber die schlimmen Sorgen (sie sind schuld daran) und der Untergang des Vaterlandes verbieten mir in meiner Erstarrung, höher zu steigen. Freilich möchte ich Gaben aus meiner erstarrten poetischen Ader herauspressen, (10) aber was ich ersinnen werde, wird weit unter den Fähigkeiten des Bräutigams bleiben. Würde aber die Freierin in bezug auf ihre Leibesfrüchte mit seinen Geistesgaben wetteifern, würde keine Hochzeitsfackel passender sein. Martin Opitz. [W.L.]
*** Nicht an diesen Versen müßtest du die Gesinnung des abwesenden Freundes prüfen, wenn die Gestirne für unsere Gebete günstig stünden. Aber da man glaubt, daß auch Tränen ihr ganz eigenes Vergnügen bereiten, und deine Liebe eine solche Aufgabe zur Pflicht macht: Hier sind die traurigen Klagen, du eines anderen Schicksals würdiger Mann, und die Weisen, die eine aufrichtige Elegie hervorbringt. Diese Weisen lehrte uns die lange Zeit, diese lehrte uns das Unheil für das Gemeinwesen – damit keiner glaube, daß wir nur als Privatleute weinen. Mag auch die göttliche Muse Homers zurückkehren, mag auch zurückkehren die göttliche Muse Vergils, (10) deines Dichters, Griechenland, und des deinigen, Rom – keine Redegabe wird unseren Leiden gerecht werden können. Alle Worte sind zu schwach für das so große Leid. Diese Trauer wird jedoch für dich vermehrt durch eine große Wunde: Deine vorzügliche Gattin ist dir vom süßen ehelichen Lager entrissen worden. Mit dieser Gattin war dir einst das Leben sehr angenehm, als uns das Schicksal heitere Zeiten gewährte. Sie war dir keine geringe Medizin für den berechtigten Schmerz, den dir die Liebe zum Vaterland unverdienterweise bereitete. Aber jetzt kann sie dir nicht mehr einen Teil deiner Sorgen abnehmen (20) und dich mit ihrem Zuspruch neu beleben. Die Zunge, die deinem Herzen am willkommensten war, ist vertrocknet. Zu den Himmlischen
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Nunc desiderium, absentis nunc restat imago, Quaeque fugit leges funeris una fides. Ista et adhuc ex parte tua est; sunt caetera summi, Quem spe nos, oculis sed videt ipsa, Dei. Hic tibi, ne dubita, meliores suggeret annos: De rapta quaeris conjuge? moeror abi. Seu pejora malis instant, seu laeta, nec illa Admittit tumulus, nec cupit ista polus. M ARTINUS O PITIUS.
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INsontis patriae dum F REUDENBERGIUS oras,
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Et mala vix ullis aequiparanda fugit, Nobilis haec equidem tranquilla ad littora sedes Illum Fortunae spe meliore fovet. Sed visum est aliter non hoc voluentibus astris, Sic potius summo, qui regit ista, Deo. Felix sorte sua, superis asscribitur ipsis, Et promissa pijs praemia magna capit. Ne tamen et nobis jam nulla parte supersit, Hoc Mochingeri perficit acer amor. Sic illum Deus et pietas insignis amici, Haec equidem terris asserit, ille polo. Martinus Opitius.
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kehrte ihr Geist zurück, woher er stammte. Jetzt bleibt die Sehnsucht, jetzt bleibt das Bild der Abwesenden zurück und allein der Glaube, der die Gesetze des Todes verwirft. Sie ist noch immer zu einem Teil die Deine; das Übrige gehört dem allmächtigen Gott, den wir nur mit unserer Hoffnung sehen können, den sie selbst aber mit ihren eigenen Augen jetzt sieht. Er wird dir, zweifle nicht, bessere Jahre bescheren. Du suchst nach der dir entrissenen Gattin? Trauer, geh weg! Sei es, daß noch Schlechteres dem Bösen folgt, sei es, daß Frohes: Weder (30) läßt jenes das Grab zu noch begehrt dieses der Himmel. Martin Opitz. [W.L.]
*** Während Freudenberg die Regionen unseres unschuldigen Vaterlandes und die Übel, die kaum mit irgendwelchen anderen vergleichbar sind, flieht, hegt und pflegt ihn fürwahr dieser edle Sitz an ruhigen Gestaden mit besserer Hoffnung auf Glück. Aber ganz anders beliebte es den Sternen, die nicht dies verhängten, vielmehr so gefiel es dem allmächtigen Gott, der sie lenkt: Glücklich er mit seinem Los! Den Himmlischen selbst wird er zugeschrieben und er empfängt die großen Belohnungen, die den Frommen versprochen wurden. Daß er dennoch auch für uns nicht mit keinem Teil mehr vorhanden sei, (10) dies bewirkt die starke Liebe Mochingers. So beanspruchen ihn Gott und die außerordentliche Anhänglichkeit seines Freundes: Diese spricht ihn der Erde zu, jener dem Himmel. Martin Opitz. [W.L.]
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SUnt cum publicae tum priuatae caussae S ERENISSIMO P OTENTISSIMO que POLONIAE ET SVECORUM REGI
VLADISLAO SIGISMVNDO DOMITORI GENTIUM BARBARARVM SECVRITATIS PVBLICAE AVCTORI; OPTIMO AC FELICISSIMO PRINCIPI D. D. D. MAJESTATI EJUS AC CLEMENTIAE DEVOTISSIMUS
M ART. O PITIUS.
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[1] SUnt cum publicae tum priuatae caussae, Rex Clementißime, cur promiscuis Orbis Christiani de bellorum tuorum pacisque felicitate gratulationibus meam quoque jungere debeam. Publicas nemo à me exiget, qui fundatorem te domi, foris spem esse ac fiduciam Securitatis Publicae, adeoque Venerandum ubivis Principem, cogitabit: privatas autem dicere et splendor Maiestatis Tuae maximus prohibet, et indulgentißimi animi tui clementia non requirit. Arripienti itaque stilum mihi ut neque Latini aliquid conari ipsa ratio suadebat; cum non regnum hoc tuum modo, instar Vrbis AEternae coloniarum olim, linguam illam usu perpetuo sibi domesticam fecerit; verum etiam tot circa te Sacrorum Praefecti, tot equites splendidißimi ac ornamenta aulae tuae, illam Caesaris Augusti non minus eloquentia exprimant ac literarum fulgore, atque tu ipsum immortalitate pulcherrimorum factorum: ita Musis Germanicis, sicut alias consveveram, litare, res non
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Dem durchlauchtigsten und hochmächtigen König Polens und der Schweden Wladislaus Sigismund, dem Bezwinger barbarischer Völker, dem Begründer allgemeiner Sicherheit, dem besten und gesegnetsten Fürsten, widmet dieses Werk in tiefster Ergebenheit vor dessen Majestät und Gnade Martin Opitz. Es gibt politische und persönliche Gründe, gnädigster König, dafür, daß ich zu den allgemeinen Glückwünschen der Christenheit zu Euren Erfolgen in Krieg und Frieden auch meinen hinzufügen muß. Nach den politischen Gründen wird mich niemand fragen, der bedenkt, daß Ihr im Inland der Begründer der öffentlichen Sicherheit seid, im Ausland die feste Hoffnung darauf erweckt und ein eigentlich überall zu verehrender Fürst seid. Die persönlichen Gründe aber zu nennen, daran hindert mich der gewaltige Glanz Eurer Majestät, und die Milde Eures so nachsichtigen Denkens fragt auch nicht danach. Als ich nun die Feder ergriff, riet mir die Vernunft selbst ab, irgend etwas in der lateinischen Sprache zu versuchen, denn Eure Herrschaft hat nicht nur gleichsam eine neue Ansiedlung der Ewigen Stadt geschaffen und diese Sprache durch beständige Verwendung bei sich heimisch gemacht, sondern außerdem pflegen die Sprache des Kaisers Augustus so viele hohe Geistliche in Eurer Umgebung, höchst ansehnliche Magnaten und Zierden Eures Hofes durch die Redekunst und den Glanz ihrer Schriften nicht weniger, als Ihr diesen selbst in der Unvergänglichkeit herrlicher Taten abbildet. Gleichfalls erschien es mir nicht nötig, den deutschen Musen zu opfern, wie ich es sonst zu tun pflegte, denn nicht einmal die Zuverlässigkeit der Geschichtsschreibung könnte Eure Verdienste genügend ausdrücken, eine Zuverlässigkeit, der gewöhnlich gegenüber der dichterischen von denjenigen der Vorzug gegeben wird, die von Geschichtsschreibern Verläßlichkeit, von Dichtern aber, auf deren Freiheit auch die Rhetoriklehrer nicht selten Angriffe richten, einen glänzenden Stil und ein anmutiges Talent fordern. Denn wer – er mag noch so sehr immer Glück gehabt haben – hat jemals seine Ruhmeslaufbahn so beendet, wie Ihr die Eure begonnen habt: Ihr, sogleich Schiedsrichter im Heerlager, Anführer und zugleich Soldat, dem Alter nach ein Rekrut, der
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necessaria ideo videbatur, quia ne historica quidem fides merita tua satis expresserit, quam praeferre Poëticae solent ii, qui ab annalium conditoribus fidem, à Poëtis vero, quorum libertatem et Oratores haud raro involant, colores verborum et ingenii elegantiam poscunt. Quis enim, rebus secundis quantumlibet semper usus, ita gloriam suam unquam finiit ac tu coepisti, arbitrator statim castrorum, dux ac miles, aetate tiro, virtute veteranus, quique adolescens admodum non Divi Patris solum expeditionibus gravißimis adfuisti; verum ab eodem etiam in Moscoviam cum exercitu missus, obstructis licet bruma geluque itineribus, inter saeva ventorum et rigorem coeli incolis duriorem, alacri animo et erecto hostem saevißimum debellasti, et fortitudine ac providentia expectationem parentis maximi votaque omnium superasti? Quantopere festinavit Deus immortalis virtutem tuam rebus arduis admovere, dum intervallo temporis modico tyranni Byzantini robur universum, totiusque Asiae ac Orientis vires, in Dacia tibi objecit: ubi fortißimos viros non paucos ac veluti florem regni aut deletum aut vinculis traditum nobilißima victoria ita ultus es, ut rebus adeo praecipitantibus, interque fluctus bellorum maximos, tanquam sidus quoddam salutare tempestates omnes depuleris et devictoris gentium barbararum ac liberatoris Reipublicae Christianae titulum vel invidia fatente tibi acquisiveris? Quam fortiter turbantes iterum Moscos ejusdem divinitatis instinctu, patientia laborum eadem, ad Borysthenem non ita diu agressus es? quam ex praeceptis scientiae militaris longe lateque agros illorum caede, flammis et terrore, misso leviori equitatu, pervasisti? qua diligentia hiberna tua contra eruptiones hostiles, annonae difficultatem, injuriam hiemis asperrimae, secura praestitisti? quanta dexteritate hostes obsidioni Smolenscij intentos custodijs castrorum inclusisti, intraque se furentes ac rerum omnium egenos pacem petere, seque ac signa sua et belli apparatum universum [2] voluntati tuae exponere coegisti, nomenque adeo omne Moscoviticum semel domuisti? Quam clementer autem tantis successibus
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Tapferkeit nach ein Altgedienter, als noch ganz junger Mann habt Ihr nicht nur an den so schwierigen Feldzügen Eures verewigten Vaters teilgenommen, Ihr habt auch, als er Euch mit einem Heer gegen die Moskowiter sandte, wohlgemerkt auf Marschrouten, die die Winterkälte unbegehbar gemacht hatte, unter schrecklichen Stürmen und bei einer Witterung, die noch härter als die Einwohner war, mit lebhaftem, ungebeugtem Sinn einen grausamen Feind niedergekämpft und durch Eure Tapferkeit und Klugheit die Erwartung Eures großen Vaters und die Wünsche aller übertroffen. Wie eilig hatte es der unsterbliche Gott, Eurer Tapferkeit schwierige Aufgaben zu geben, stellte er Euch doch nach kurzer Frist in Dakien die ganze Streitmacht des byzantinischen Gewaltherrschers, die Kräfte ganz Kleinasiens und des Orients entgegen. Dort habt Ihr in einem glänzenden Sieg Rache genommen dafür, daß viele tapfere Männer, gleichsam die Blüte des Königreichs, gefallen oder in Gefangenschaft geraten waren. Und so habt Ihr, als die Dinge einem üblen Ausgang zueilten, in der gigantischen Brandung des Krieges wie ein heilbringendes Gestirn alle Stürme niedergeschlagen und Euch den Namen eines Besiegers barbarischer Völker und Befreiers der Christenheit erworben, wie sogar der Neid zugibt. Wie tapfer habt Ihr vor nicht allzu langer Zeit die wieder Unruhe stiftenden Moskowiter, getrieben von demselben göttlichen Drang und mit derselben Bereitschaft zu Mühseligkeiten, am Dnjepr angegriffen! Und wie habt Ihr nach den Regeln der Kriegskunst deren Gebiet mit Niederstechen, Niederbrennen und Schrecken verbreitend nur durch die Aussendung der leichten Kavallerie kreuz und quer durchzogen! Mit welcher Sorgfalt habt Ihr Euer Winterlager gegen die Ausbrüche der Feinde, gegen die Schwierigkeit der Nahrungsmittelzufuhr und gegen die Unbilden eines ganz strengen Winters abgesichert! Mit welcher Geschicklichkeit habt Ihr die Feinde, die mit der Belagerung Smolensks beschäftigt waren, durch Bewachung ihres Lagers eingeschlossen und sie, als sie untereinander heftigen Streit hatten und an allem Not litten, genötigt, um Frieden zu bitten, sich selbst, ihre Feldzeichen und ihre ganze Kriegsrüstung Eurer Gnade auszuliefern, und derart mit einem Mal die ganze Moskowiterei überwunden. Wie milde Ihr aber so große Erfolge nutztet und den kniefällig Bittenden auf die Köpfe zu treten verschmähtet! Vielmehr ließet Ihr in außerordentlicher Großzügigkeit den Unglücklichen ihr Leben und hinterließet ebendadurch Ruhm: nicht nur als Sieger über alle Feinde, mit denen Ihr je in einer Schlacht gekämpft habt, sondern auf diese Weise zugleich über Euch selbst, den ruhmreichsten Sieger! Welch einen gewaltigen Krieg habt Ihr, als auch die Türken wieder auf Unruhen aus waren, allein durch das Gerücht, Ihr kämet herbei, aufgehalten, ja begraben! Wie oft habt Ihr vorrückende Tataren, aufrührerische Russen oder Soldaten, die sich diesseits des Schwarzen Meeres gesammelt hatten und aus Abneigung gegen das Nichtstun und Schlaffwerden nicht selten ziemlich unruhig
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usus, insultare capitibus supplicum noluisti; sed vitam miseris ac famam liberalitate eximia remisisti: non omnium modo cum quibus unquam praeliis decertasti hostium victor, verum et sic victor tui, victoris gloriosissimi? Quanti ponderis bellum, Turcis etiam res novas rursus molientibus, solo adventus tui rumore stitisti, sepelivisti? Quoties aut Tartaros mouentes, aut tumultuantes Russos, aut consistentes cis Pontum Euxinum milites, odio desidiae ac languoris haud raro inquietiores, vel armis, vel auctoritate nominis tui ad quietem et modestiam compulisti? Quanta cum salute reipublicae, quo commodo incolarum, quibus laudibus tuis regnum ex summis multoties periculis et difficultatibus opera tua expeditum et conservatum est? Quo studio, qua felicitate fines imperij tui vindicasti, protulisti, amplificasti? Porrò ut fortunam semper, ita in Borussia nuperrime bellum aut quietem in tua potestate habebas. At quas tibi gratias securitas publica referet, quae praemia pietati tuae, Rex indulgentissime, reddet, quod plerisque tum intra metum, aliis in expectatione resurrecturi belli constitutis, longarum induciarum conditionibus rem sanari, quam ferro dijudicari maluisti? Quid dicam, fortissime Princeps ac super omnes felicissime, aut quid non dicam? Certe nisi te sors generis tui et suffragiorum gentis florentissimae tam unanimis conspiratio ad fastigium hoc rerum extulissent, hac tamen factorum tuorum majestate, his beneficiis reipublicae praestitis, imperium te ac regna meritum fuisse, populorum omnium consensus fatebitur. Ut vero, certantibus invicem fortunae tuae et mentis magnitudine, arte bellica et successu, regum ante te maximorum glorias; ita togae decoribus ac positis extra laudem armorum virtutibus teipsum etiam supergressus es. Hae autem cum tantae sint quantas humana conditio vix recipit, nemoque animo satis concipere potest: verbis eas complecti velle temerarij hominis esset, neque de majestatis tuae culmine cogitantis. Justitiam imprimis, qua mortales ad Deum proximè accedimus, tuam fecisti, regibus tanto magis colendam, quanto amplior illis campus patet eam domi forisque exercendi. Hanc dum
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wurden, entweder durch Waffengewalt oder durch die Wirkung Eures Namens zu Ruhe und Zurückhaltung gezwungen! Mit welch großem Segen für das Gemeinwesen, welchem Nutzen für die Bewohner, welchem Ruhm für Euch ist das Königreich dank Eurer Bemühungen so oft aus höchster Gefahr und Not befreit und gerettet worden! Wie eifrig, wie erfolgreich habt Ihr die Grenzen Eures Reiches geschützt, hinausgeschoben und erweitert! Weiter: Wie Ihr immer das Schicksal in Eurer Hand hattet, so vor kurzem in Preußen auch Krieg und Frieden. Aber wie wird das nun gesicherte Gemeinwesen Euch danken, wie wird es, Allergnädigster König, Euch für Eure Vaterlandsliebe belohnen, nämlich dafür, daß Ihr – während damals die meisten fürchteten, andere erwarteten, der Krieg werde von neuem beginnen – es vorzogt, daß der Streit durch die Bedingungen eines langjährigen Waffenstillstands beruhigt, nicht durch die Waffen entschieden werde! Was soll ich erwähnen, tapferster und allererfolgreichster Fürst, was soll ich nicht erwähnen? Es ist gewiß: Wenn Euch nicht das Schicksal Eurer Abstammung und die so einmütige und einhellige Wahl durch eine blühende Nation auf diesen Euren Gipfel der Macht gebracht hätten, so hättet Ihr doch, wie alle Völker übereinstimmend anerkennen werden, durch diese Großartigkeit Eurer Taten und durch diese dem Gemeinwesen erwiesenen Wohltaten die Herrschaft über die Königreiche verdient. Wie Ihr aber dadurch, daß in Euch die Größe Eures Geschicks und die Größe Eures Denkens, die Kriegskunst und ihr Erfolg miteinander wetteifern, den Ruhm der größten Könige vor Euch übertroffen habt, so habt Ihr durch Eure Leistungen im Frieden und durch die Werte, die mit militärischem Ruhm nichts zu tun haben, Euch sogar selbst übertroffen. Da aber diese Werte so große sind, wie menschliches Leben sie kaum faßt und niemand geistig genügend erfassen kann, wäre es der Versuch eines unbesonnenen und die Höhe Eurer Majestät nicht bedenkenden Menschen, sie in Worte fassen zu wollen. Besonders habt Ihr die Gerechtigkeit – durch die kommen wir Sterblichen ganz nahe an Gott heran – zu Eurer Eigenschaft gemacht, eine Eigenschaft, die die Könige desto mehr pflegen müssen, je größer das Feld ist, auf dem sie sie im Inland und im Ausland üben können. Dadurch, daß Ihr Euch von ihr lenken laßt, tretet Ihr so sehr als der Schöpfer eines allgemeinen Wohls hervor, daß – nachdem der Krieg auswärts überall beendet und der Bürgerkrieg vereitelt ist, nachdem den Feinden Verzeihung, den Nachbarn ein Leben in Ruhe, den Königreichen Frieden gegeben ist und die Untertanen zur Beachtung der Gesetze und zur Befolgung Eures Vorbilds durch Vorschlag veranlaßt oder durch Zwang verpflichtet sind – daß nun die Wünsche des Gemeinwesens nicht noch höher steigen können oder die Hoffnung noch mehr den Wünschen entsprechen könnte. Weil Ihr Euch um diese Gerechtigkeit bemüht, verdanken Euch Eure schwächeren Untertanen, die immer wieder mit Gewalt behandelt worden waren, ihr Leben, die Wanderer, die immer wieder von Räu-
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respicis, communis omnium salutis auctor adeo existis, ut extincto undique bello externo, civili omisso, hostibus venia, finitimis tranquillitate, regnis pace data, subditis ad legum sanctimoniam et morum tuorum exemplar vel adductis proposito, vel adstrictis necessitate, nec vota Reipublicae in majus extendi possint, nec spes votis magis respondere. Huic dum studes, oppressi identidem subditi imbecilliores vitam tibi, latrociniis petiti viatores bona fortunasque, omnes passim securitatem suam debent; cum fines libertatis non excedere sinas illos, apud quos petulantia et audaciae furor nomen libertatis induere caeperant. Hujus dum rationem habes, privilegia civium tuorum ac impertitas à superioribus regibus immunitates et custodis et amplias; conversusque ad bonum exterorum etiam, quorum malis ingemiscis, perfugium sibi apud te quaerentibus adeo hospi-[3]tales recessus, adeo beatum exilium concedis, ut patriam laresque suos sese non reliquisse, sed in ditiones tuas transtulisse sibi videantur. Eosdem quantopere solatio tuo allevare, auctoritate tueri, praesidio fovere gestis? Ac ne aut verecundius illi rogent, aut tu tardius largiaris, dubitantium vota saepe occupas; pia quadam ambitione, ne modestiâ alienâ clementiae tuae, comitatis, deque omni hominum genere meritißimi animi tui facilitas delitescere cogatur situmque pati. Quo vero scelere illud de justitia tua, divinae aemula, omiserim, quod, subditorum tuorum fide erga te ac rempublicam contentus, liberam cuivis circa divina sententiam relinquis, neque manum inijcis animabus, quae nec dominis adscriptae sunt, nec ut corpora legibus contineri, aut supplicio poenisque subijci possunt? Gratum hac moderatione mentis tuae officium Numini supremo exhibes, Princeps optime, in cujus jura nullum tibi arrogas: proximè sic coelo accedis, dum permittis, ut populi tui manus suas impunè ad coelum tendant, eumque ritu suo invocent, qui cum liberrimus ipse sit, invocari rite non potest nisi à volentibus. Is te in regnum olim suum recipiet, postquam hoc tuum non minori, ut soles, justitia rexeris, quam pace illud et tranquillitate publica felix reddidisti. Debebunt tibi quippe,
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bern angefallen worden waren, ihr Hab und Gut und alle überall ihre Sicherheit; denn Ihr laßt es nicht zu, daß diejenigen das Maß der Freiheit überschreiten, bei denen Unverschämtheit und rasende Dreistigkeit den Namen ‚Freiheit‘ anzunehmen begonnen hatten. Weil Ihr diese Gerechtigkeit berücksichtigt, bewahrt und erweitert Ihr die Vorrechte Eurer Bürger und die von früheren Königen gewährten Abgabenfreiheiten. Aber Ihr wendet Euch auch dem Wohl der Ausländer zu, über deren Leiden Ihr seufzt, und bietet ihnen, die ihre Zuflucht zu euch nehmen, so gastfreundliche Rückzugsmöglichkeiten, ein so erfreuliches Exil, daß es ihnen so vorkommt, als hätten sie ihre Heimat und ihr Haus nicht verlassen, sondern in Euer Herrschaftsgebiet verlagert. Wie sehr seid Ihr bestrebt, diese Menschen durch Euren Trost aufzurichten, mit Eurem Einfluß zu schützen und in Eure Obhut zu nehmen! Und damit sie nicht allzu schüchtern bitten oder Ihr zu spät Hilfe gewährt, nehmt Ihr oft die Wünsche der Zögernden vorweg. Das tut Ihr mit einem liebenswürdigem Ehrgeiz: Die Bereitwilligkeit Eurer Milde und Leutseligkeit und Eurer um alle Arten von Menschen hochverdienten Denkweise soll nicht, weil die anderen zu bescheiden sind, gezwungen sein, ins Dunkel zu geraten und zu vermodern. Wie verfehlt aber wäre es von mir, über Eure Gerechtigkeit, die mit der göttlichen wetteifert, nicht auch zu sagen, daß Ihr Euch mit der Treue der Untertanen gegenüber Euch und dem Gemeinwesen begnügt, jedem seine religiöse Überzeugung freistellt und nicht die Hand an die Seelen legt; die sind ja nicht ihrem weltlichen Herrn unterworfen und können nicht, wie die Leiber, von Gesetzen eingeschränkt oder einem Urteil und Strafen unterworfen werden. Durch dieses maßvolle Denken leistet Ihr Gott, dem Höchsten, einen erwünschten Dienst, Ihr vortrefflicher Fürst, Ihr maßt Euch ja kein eigenes Recht gegen seine Rechte an. Auf diese Weise kommt Ihr dem Himmel ganz nahe, indem Ihr erlaubt, daß Eure Völker ihre Hände straflos zum Himmel erheben und Gott auf ihre eigene Weise anrufen, der, weil er selbst ganz frei ist, nur von denen, die es auch wollen, gehörig angerufen werden kann. Er wird Euch einst in sein Reich aufnehmen, nachdem Ihr dieses Euer Reich, wie Ihr zu tun pflegt, ebenso gerecht regiert habt, wie Ihr es durch Frieden und Ruhe im Innern glücklich gemacht habt. Denn Euch werden nach und nach die Kirchen ihre Ansehnlichkeit verdanken, die Schulen ihre Gelehrsamkeit, die Bibliotheken ihren Glanz, die geistlichen und weltlichen Gerichte ihre Integrität; und alles, was die Nachlässigkeit früherer Zeiten hatte verkommen lassen, wird Euch seine Wiederherstellung und Wertschätzung verdanken. Von Euch werden die Gremien der Städte, die Zusammenschlüsse der Handeltreibenden und die Zünfte der Handwerker immer reden. Für Euch werden die gelehrten Studien, die sich anderswo eilig dem Untergang, ja der Barbarei zuneigen, hier mehr und mehr aufblühen. Für Euch werden die Bauern säen, für Euch werden die Getreidehändler sich um die Ernte kümmern, für Euch werden die Seeleute und Ree-
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debebunt deinceps templa celebritatem, scholae doctrinam, bibliothecae nitorem, conciliabula et curiae judiciorum sanctitatem, ac restaurationem suam et cultum quaecunque negligentia superiorum temporum corruperat. Te ordines civitatum, corpora negotiantium, artificium collegia nunquam non loquentur. Tibi studia literarum, alibi ad exitium et barbariem properantia, magis hic magisque efflorescent. Tibi serent agricolae, frumentarij annonae consulent, nautae et ratium exercitores navalia repetent, vela explicabunt, ex oris tuis solvent, ut ditiores revertantur ex alienis. Tibi urbes, tibi muri et aedificia vetustate consumpta in meliorem faciem opere et cultu restituentur. Te agri, te saltus, te flumina imperij tui, te beata tuo munere tot regionum tellus resonabit. Ingentia vero facta tua, Rex Victoriosissime, quoniam non versibus aliquot, ijsque celeriter ac quodam festinandi pruritu effusis, ut ego divinae potius clementiae tuae, mihi satis cognitae, quam ulla ingenij fiducia, facere ausus sum, delibanda sunt, sed majori cum cura dicenda, adeoque memoriae hominum sempiternae et monimentis doctorum virorum immortalibus commendanda: id tibi vovemus unice, ut quandoquidem hae quibus saeculum illustras coelestissimae dotes tuae verbis nullis describi satis, nullis coloribus depingi, nullo aere aurove exprimi possunt, beneficio saltem scriptorum suorum excellentia doctrinae studiis ingenia evectas supra celsitudinem fortunae tuae et quorumvis diademata virtutes tuas vetustati nuntient, Posterisque ostendant, extitisse etiam hoc aevo, pessimo eo bonarumque omnium rerum vacuo, exactum Optimi ac Fortunatissimi Principis exemplar.
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Vt praesens tibi gratularer ipse Ob queis dignus es hos novos honores, Lucane optime, in optimo Senatu! Hanc horam mihi nunc satis remoto Grati veris amoenitas reducat. At tu qui tibi post sequentur anni (Vt longo numero sequantur opto) Successu facili, annuente Coelo, Impendas Patriae, Deo, tibique.
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der wieder Schiffe in Gang setzen und die Segel ausspannen, von Euren Küsten werden sie ablegen, um mit größerem Reichtum von fremden Küsten zurückzukehren. Für Euch werden Städte, Mauern und Gebäude, die im Laufe der Zeit verfallen sind, durch Bauarbeiten und Verschönerungen wieder zu einem besseren Aussehen gebracht werden. Von Eurem Namen werden die Felder, Wälder und Flüsse Eures Reiches, wird der Boden so vieler Landschaften, der dank Eurer Leistung gesegnet ist, widerhallen. Da aber Eure Heldentaten, siegreichster König, nicht mit einigen Versen, noch dazu eilig und gewissermaßen gehetzt hingeschriebenen – so habe ich es ja mehr im Vertrauen auf Eure mir genügend bekannte Milde als im Vertrauen auf meine Begabung gewagt –, kümmerlich abgetan werden dürfen, sondern mit größerer Sorgfalt zu besingen und sogar dem ewigen Gedächtnis der Menschen und den unvergänglichen Werken der Gelehrten anheimzustellen sind, wünschen wir Euch ganz besonders dies: Da ja nun einmal Eure himmlischen Gaben, mit denen Ihr unser Zeitalter erleuchtet, mit keinen Worten angemessen ausgedrückt, mit keinen Farben gemalt, nicht in Erz oder Gold abgebildet werden können, so sollen wenigstens mit ihren Schriften die herausragenden Gelehrten Eure hohen Werte, die über die Erhabenheit Eures Ranges und die Kronen wessen auch immer hinausragen, den spätesten Zeiten vermelden und der Nachwelt zeigen, daß es auch in unserer Zeit, einer ganz schlechten und von allem Guten weit entfernten Zeit, das vollkommene Muster eines vorzüglichen und glücksgesegneten Fürsten gegeben hat. [G.B.]
*** Wie sehr wünschte ich, ich könnte zu meinen Hendekasyllaben werden, daß ich dir selbst anwesend gratulieren könnte zu diesem neuen Amt, dessen du würdig bist, bester Lucanus, in dem besten Rat. Diese Stunde möge mir, der ich jetzt ziemlich weit entfernt lebe, die Lieblichkeit des angenehmen Frühlings wieder bringen. Du aber sollst die Jahre, die für dich noch folgen werden (ich wünsche, daß sie in langer Reihe folgen), mit mühelosem Erfolg und unter dem Schutz des Himmels (10) für die Heimat, für Gott und für dich selbst verwenden.
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PLenum prudentiae illud ALIUD, EJUSDEM .
SAlve, ô Lignicium, ô longè gratissima tecta,
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Et desiderij portio magna mei: Salvete ô, nobis quos sors relliquit, amici, Restituetque suo tempore grata dies, Et tu, Baudisi, nova nostri gemma Senatus, Cui dedit hunc Princeps optimus ipse locum, Vive, sed ex animo, et curarum oblite priorum Pro patria laetus volve diuque novas. Martinus Opitius Gedani deproperavit.
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Perillustri et Generosissimo Domino, GERHARDO DOENHOFIO Praefecto Berntae ac Velini, Curatori Regio territorij Mariaeburgensis, M ARTINUS O PITIUS.
PLenum prudentiae illud rerumpublicarum quarundam institutum est, Vir generosissime, legibus reliquis ac morum censurae hoc etiam adijcere, ut otij sui non minus rationem quam negotiorum reddere cives pariter ac advenae cogantur: cum iniquum videatur, conquisitis labore diligentiorum vivendi praesidijs eos frui, qui et inertiae suae exemplo nihil agere doceant alios, et soluto curis honestioribus animo turbare haud rarò ac malè agere discant ipsi. Ego, exactor dierum non ignavus, qui calamitate patriae adductus, regni hujus tranquillitate, auspicijs divinis, felicitate regia, consilio Procerum parta, invitatus, pedem apud vos ponere coepi, ita saltem hoc vitae meae silentium absque insigni pigritiae nota transacturum me confido, si, quod solum fermè mihi nunc iam relictum esse video, partem temporis maximam in literis ac doctrinae studijs consumam. Horum specimen Germanica his diebus à me facta Antigone est, divina Sophoclis viri
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Ein anderes. Von demselben. Liegnitz, sei mir gegrüßt! Bei weitem behaglichste Häuser! Wichtiger Teil unter dem, was meine Sehnsucht begehrt! Freunde, seid mir gegrüßt, die das Schicksal uns übriggelassen, Und die ein lieblicher Tag rechtzeitig wieder mir gibt. Baudis, auch du, ein neues Juwel in unserem Rate, Dem diesen Platz der Fürst selbst, der vorzügliche, gab, Lebe, jedoch nach Lust, vergiß die vergangenen Sorgen, Nimm für die Heimat dich froh lange der neueren an! Martin Opitz Danzig, in Eile. [G.B.]
*** Dem erlauchten und edlen Herrn Gerhard Dönhoff, Starosten von Berent und Fellin, königlichen Verwalter des Marienburger Landes, Martin Opitz. Sehr klug ist jene Einrichtung einiger Gemeinwesen, edler Herr, den sonstigen Gesetzen und der Prüfung der Sitten noch dies hinzuzufügen, daß die Bürger gleich wie die Fremden gezwungen werden, von ihrer Mußezeit genauso wie von den öffentlichen Tätigkeiten Rechenschaft abzulegen, da es unrecht zu sein scheint, daß diejenigen den durch den Einsatz der Fleißigen erworbenen Schutz des Lebens genießen, die durch das Beispiel ihrer Trägheit andere dazu verleiten, nichts zu tun, und mit ihrem der ehrenhafteren Sorgen entledigten Sinn nicht selten selbst soweit kommen, Unruhe zu stiften und übel zu handeln. Ich, der ich meine Tage nicht untätig verbringe, sondern durch das Unheil meines Vaterlandes veranlaßt und von der Ruhe in diesem Königreich angezogen, die durch göttliche Fügung, durch königliches Glück und durch den Rat der Stände hergestellt worden ist – der ich also begonnen habe, bei euch heimisch zu werden, bin überzeugt, daß ich so zumindest mein Leben hier in Stille, aber ohne den deutlich erkennbaren Makel der Trägheit führen werde, wenn, was mir offenkundig so ziemlich als einziges übrig bleibt, ich den größten Teil meiner Zeit mit Wissenschaft und gelehrten Studien verbringe. Als Probe davon habe ich in diesen
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summi Tragoedia, ac reliquarum ejus, si argumenti dignitatem et sententiarum pondus spectemus, extra controversiam princeps. Hanc [A2V ] quidem Atheniensibus exhibitam placuisse adeò ferunt, ut praemij loco praefectura Sami donatus fuerit auctor gravissimus, quam et rebellantem ipse, collega Periclis, obsidione arcta ad deditionem compulit. Digna illa merces, quam urbs florentissima redderet; digna, quam acciperet nobilissimus auctor: nisi quae tanti honoris caussa illi tum fuit, eadem extiterit et mortis. Ajunt enim, cum hanc ipsam Antigonen aetate maturissima legeret et non nisi absoluta periodo longiore spiritum remittere voluisset, eo planè intercluso apem hanc Atticam expirasse. Quanquam acino uvae devorato strangulatum esse virum praestantissimum scribant alij: quasi Poëtarum accusationi vinum non sufficiat; sed ipsi etiam folliculi et vinacea advocanda sint: si locus hic jocum admittit. Ut verò Atheniensium de hac tragoedia judicium meo, quod illam nostris verbis reddiderim, satis patrocinatur: ita caussae mihi non minus aliae fuerunt, quas Lectori non oscitanti dictabit Argumentum. Vobis in hoc inclito regno constitutis imprimis, Doenhofi Generosissime; qui cum tristissimum belli Civilis exitum, sublatos caede mutua fratres, falsa simulationum Creontis et latentem sub imagine pietatis tyrannidem pestiferam, adulationes etiam bonorum, casusque varios hic intuebimini: beatitudinem vestram, ob exoptatam hanc pacem, concordiam civium ac amorem, inculpatam invicti Regis Vestri, Optimi rerum humanarum Principis, justitiam, libertatem rectè sentiendi, adeoque res undiquaque secundas, quibus diuturnitatem annorum adijciat supremum Numen, facilè deprehendetis. Et huic fini Tragicorum scripta imprimis producuntur, ut ex contemplatione nimirum fortunae, qualiscunque ea est, alienae, nostram sive florentem bonis artibus retinere diligentius, sive adversam ac jacentem moderatius erectoque animo ferre discamus. Delirant igitur et ineptiunt, qui ad luxum haec excogitata esse credunt aut voluptatem, seseque haud parum profecisse sapientia sua existimant, ista si contemnunt. Quare et solo contemptu dimittendi sunt: praesertim cum aliter longè Graeci olim ac
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Tagen eine Antigone auf Deutsch verfaßt, jene göttliche Tragödie des hochberühmten Sophokles und, wenn man die Würde des Stoffes und die Bedeutung der Sentenzen betrachtet, von seinen überlieferten zweifelsohne die beste. Diese freilich soll bei ihrer Aufführung den Athenern so sehr gefallen haben, daß der bedeutende Autor als Preis die Statthalterschaft über die Insel Samos erhielt, die er bei einem Aufruhr als Kollege des Perikles ja selbst mit einer harten Belagerung zur Aufgabe gebracht hatte. Angemessen war es, daß die blühende Stadt ihm diesen Lohn zuteil werden ließ, angemessen, daß der edle Dichter ihn empfing, wenn man davon absieht, daß jene Tragödie, die ihm damals Grund solcher Ehrung war, auch Ursache für seinen Tod wurde. Man sagt nämlich, daß er, diese attische Biene, als er in weit fortgeschrittenem Alter gerade diese Antigone las und erst nach Beendigung einer ziemlich langen Phrase Atem holen wollte, gänzlich die Luft verlor und verschied. Wenn auch andere schreiben, dieser vortreffliche Mann sei beim Verschlucken einer Weinbeere erstickt – so als würde der Wein als Vorwurf an die Dichter nicht genügen, sondern müßten sogar noch die Beerenschalen und Kerne hinzugezogen werden (wenn dieser Ort einen Scherz gestattet). Wie zwar das Urteil der Athener über diese Tragödie meinem Vorsatz, sie in unserer Sprache wiederzugeben, genug Autorität verleiht, so hatte ich doch durchaus auch andere Gründe, die dem aufmerksamen Leser die Inhaltsangabe nennen wird. Und euch besonders, edler Dönhoff, der ihr in diesem bedeutenden Reich im Einsatz seid: Wenn ihr den unglückseligen Ausgang des Bürgerkrieges, die in gegenseitigem Schlachten hingerafften Brüder, die Falschheit von Kreons Verstellungen und seine unter dem Mantel der Staatsräson verborgene todbringende Tyrannei, die Schmeicheleien auch der Guten und die vielfältigen Unglücksfälle dort betrachtet, werdet ihr leicht – aufgrund dieses ersehnten Friedens hier, der Eintracht und Liebe der Bürger, der untadeligen Gerechtigkeit eures unbesiegbaren Königs, des besten Fürsten des Menschengeschlechts, und der Freiheit, offen für das Richtige zu stimmen – euer Glück erkennen und schließlich auch das allgemeine Wohlergehen, dem die höchste Gottheit eine langjährige Dauer verleihen möge. Und gerade zu diesem Zweck werden die Schriften der Tragiker vor allem hervorgeholt, damit wir durch die Betrachtung eines fremden Schicksals, wie auch immer es sei, lernen, unsere durch die schönen Künste blühenden Umstände sorgfältiger zu bewahren oder die unglücklichen und darniederliegenden Geschicke maßvoller und mit standhaftem Sinn zu erdulden. Verrückt und närrisch sind daher diejenigen, die glauben, diese Stücke seien zu Prunk und Vergnügen erfunden, und die der Meinung sind, sie hätten es mit ihrer Weisheit gar weit gebracht, wenn sie sie verachten. Deshalb soll man sie auch mit nichts als Verachtung ziehen lassen, zumal die Griechen und die Römer einst ganz anders urteilten, für die solche Stücke so großen Aufwand wert waren, der ihre eigene Bewunderung hervorrief und die
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Romani judicaverint, quibus tantis sumptibus, stupendis ijs ac aestimationem nostri temporis omninò [A3r] excedentibus, talia constiterunt. Ut belli duces maximos, ut Reges praeteream ac Imperatores: inter quos ipse Augustus, cum Tragoediam magno impetu exorsus, stilum non adeò succedere judicasset, abolere eam, ac Ajacem suum in spongiam incumbere, quam obelis Criticorum confodi maluit. Caeterum amplissimo nomini tuo, heros splendidissime, Antigonen hanc, qua parte nostra nunc esse coepit, offerimus dicamusque; ob caussas praesertim eas, quas cum tu, quae modestia tua est, dissimulare malis ipse, nemo tamen hominum apud exteros etiam facile potest ignorare. In nobilissimi generis tui vetustatem ac splendorem, res gestas majorum et immortalia in Rempublicam facta, non inquiram; et hoc ipsum annales loquentur et Historiae: hanc verò prudentiam tuam, longo peregrinationum pariter ac negotiorum maximorum usu comparatam, hos in pacandis circa sacra profanaque dissentientium animis salutares conatus, fidem et industriam, hanc admirandam naturae tuae bonitatem, tam exactam lingvarum aliquot notitiam, tantam morum innocentiam, tot virtutum tuarum, abstinentiae, pietatis et constantiae, decora qui perpendet, ornamento te majoribus, posteris exemplo esse vel invitus fatebitur. Adde legationes, quibus functus es, gravissimas: adde celeberrimas, quarum occasione fortitudo tua ac dexteritas enituit, contra Turcas, Walachos ac Tartaros expeditiones, et hos clarissimae militiae gradus, ad quos unica mentis tuae magnitudine conscendisti. Civitas verò haec Thoruniensium, quam oculum Borussiae vestrae ac delicias meritissimò vocaverim, quantum tibi debeat quis nescit? quam cum annis superioribus hostiles copiae non exiguae impetu peterent maximè repentino, adeoquè spe ac opinione quadam paenè jam suam fecerant, ardentibus villis suburbanis, civibus in munimenta vallumque non segniter aut timidè effusis, trepidante vulgo, rebus admodum dubijs, solo adventu tuo, legione nulla, praesidio nullo instructus, id effecisti, ut postquam intra moenia te esse miles peregrinus intellexerat, contuitu virtutis et vigilantiae tuae receptum, quam obsidionem pro-
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Wertschätzung unserer Zeit bei weitem übersteigt. Ganz zu schweigen von den großen Heerführern, von Königen und Kaisern, unter denen selbst Augustus, als er mit großem Schwung eine Tragödie begonnen hatte, aber der Ansicht war, daß ihm die Formulierungen nicht recht glückten, diese lieber aufgeben und seinen Ajax sich lieber in den Schwamm stürzen als ihn von den Spießen der Kritiker durchbohren lassen wollte. Doch davon abgesehen: Deinem hochbedeutenden Namen, glänzender Held, übereignen und widmen wir diese Antigone, soweit sie jetzt die unsere zu sein begonnen hat, vor allem aus den Gründen, die du, wie es deine Bescheidenheit ist, selbst lieber verbergen möchtest, über die aber kein Mensch – auch bei den Ausländern – leicht hinwegsehen kann. Auf das Alter und den Glanz deines edlen Geschlechts, die Taten deiner Vorfahren und ihre unsterblichen Leistungen für den Staat will ich nicht eingehen, und genau das werden ja die Annalen und Geschichtsbücher berichten. Wer aber deine Klugheit, erworben durch die über lange Zeit unternommenen Reisen und bedeutenden Geschäfte, deine heilsamen Versuche einer Befriedung der über heilige und weltliche Dinge streitenden Gemüter, Treue und Fleiß, die bewunderungswürdige Güte deines Wesens, deine genaue Kenntnis mancher Sprachen, deine große Rechtschaffenheit, den Glanz deiner zahlreichen Tugenden – Zurückhaltung, Frömmigkeit und Beständigkeit – abwägt, der wird sogar gegen seinen Willen gestehen müssen, daß du den Vorfahren eine Zierde, den Nachkommen ein Vorbild bist. Nimm dazu die wichtigen Gesandtschaften, die du ausgeführt hast, nimm die zahlreichen Kriegszüge gegen die Türken, Walachen und Tartaren, bei deren Gelegenheit deine Tapferkeit und Gewandtheit hervorstachen, und die glänzenden militärischen Ränge, die du durch die einzigartige Größe deiner Gesinnung erklommen hast. Diese Stadt Thorn hier aber, die ich mit vollem Recht Augapfel und Kleinod eures Preußens nennen darf – wer wüßte nicht, wieviel sie dir schuldet? Als in den vergangenen Jahren starke feindliche Truppen sie mit einem ganz unvermuteten Angriff heimsuchten und sogar in Hoffnung und Glauben fast schon in ihre Gewalt gebracht hatten, als die Gehöfte vor der Stadt brannten, die Bürger sich, nicht träge oder furchtsam, auf Wall und Schanzen verteilt hatten, das Volk zitterte, die Lage schon unsicher war, da hast du allein durch deine Ankunft ohne Heer oder Schutztruppen erreicht, daß die fremden Soldaten, nachdem sie dich innerhalb der Stadtmauern bemerkt hatten, beim Anblick deiner Tapferkeit und Wachsamkeit den Rückzug der Belagerung vorzogen, mit ihrem Mut zugleich ihr Zögern ablegten und die Stadt verließen, die niemals, wenn unseren Gebeten Erfolg beschieden ist, wieder so bestürmt werden sollte. Und jener Tag allerdings, für diesen Ort gleichsam ein zweiter Geburtstag, dürfte kaum in dessen Festkalender eingetragen werden, wenn nicht aufrichtig zugleich auch dein Name eingeschrieben würde. Während ich also diese deine frommen Pflichterfüllungen, diese herausragen-
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baverit, et abjecta simul cum animo cun-[A3v]ctatione Urbem reliquerit nunquam, si votis nostris exitus congruat, sic repetendam. Et dies quidem illa, loco huic tanquam alter natalis, addi Fastis ejus vix poterit, nisi bona fide simul inscribatur et tuum nomen. Haec igitur pia officia, has eximias dotes tuas et illustria merita, quibus gratiosum Regi, acceptum Regno, omnium ordinum hominibus amicum te reddidisti, cum caussae instar publicae dicationis hujus meae habeam: de me tacendum mihi jure autumo. Quamvis enim tot argumentis perspecta mihi fuerit ac explorata Gedani nuper singularis illa et propensa animi erga me tui voluntas, ut non possim non ejus semper et ubique meminisse: tamen ea doctrinae meae obscuritas, fortunaeque ac conditionis tenuitas est, ut pro tanta in me benevolentia et affectione dignas tibi gratias referre nequeam. At referat, qui tot virtutes in te congessit, Deus immortalis, eamque annis tuis felicitatem largiatur, ut nunquam beneficiorum publicè ac privatim exhibendorum inopiam, exhibitorum toedium aut poenitentiam sentias. Vale, Vir Perillustris, et amare nos perge. Thorunij, Idibus Martijs, Anni M. DC XXXVI.
*** AD SPONSUM.
ORbem nauta novum quaerat; te Sponse, manentem In nostro excipiat littore Virginia. AD SPONSAM.
VIrginium, Sponsa, est varium et mutabile nomen; Hoc hodie duret, cras cape Foemineum.
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VIrginium, Sponsa
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den Gaben und berühmten Verdienste, mit denen du dich dem König wohlgefällig, dem Reich angenehm, den Menschen aller Stände lieb gemacht hast, als Grund für meine öffentliche Widmung hier erachte, meine ich, daß ich über mich selbst mit Fug und Recht schweigen sollte. Denn auch wenn ich jüngst in Danzig deine einzigartige und mir gewogene Gesinnung an so vielen Beweisen erkannt und erprobt habe, daß ich ihrer immer und überall gedenken muß, so sind doch die Bedeutungslosigkeit meiner Bildung und die Dürftigkeit meines Vermögens und meiner Verhältnisse derart, daß ich dir für solche Güte und Zuneigung mir gegenüber nicht hinreichend Dank abstatten kann. Doch möge ihn der abstatten, der so viele Tugenden in dir vereint hat, der ewige Gott, und deinen Jahren solches Glück schenken, daß du niemals Mangel an öffentlich oder privat noch zu erstattenden Wohltaten spürst noch Verdruß oder Reue für die bereits erstatteten. Lebe wohl, erlauchter Herr, und sei uns weiter gewogen. Thorn, den 15. März 1636. [M.F.]
*** An den Bräutigam. Neue Erdteile suche der Seemann; dich, Bräutigam, harrend Hier an unserm Gestad’, nehme Virginia auf. An die Braut. „Jungfrau“, dies Wort, liebe Braut, ist schillernd und leicht zu verändern; Heute gelte es noch; morgen nimm an das Wort „Frau“. [G.B.]
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DUm pacem Moscus Generosissimo Viro E LIAE A B A RCISCHOW ARCISZEWSKY Sacrae Regiae Poloniae ac Sveciae Majestatis Cubiculario et Praefecto bellico, Amorum et conjugii caussa in Holsatiam eunti, M ARTINUS O PITIUS. T HORUNII , Apud Franciscum Schnellboltz/ 1636.
DUm pacem Moscus petiit, dum Svecia servat,
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Nec, cautus gladium ponere, Turca negat, Sarmaticis nihil est usquam felicius aruis: Aurea sunt illis otia; sintque diu. At quid Bellonae comes Arcischovius heros? Huic pro Marte suo Martis amica placet, Diva Paphi, sed casta tamen, sed tota pudica, Jurato socians pectora chara toro. Holsaticis ergo spes tantas imputat oris: Has, taedam stabilem quaerere certus, adit. Femineum decus Alaefeldia praemia belli Et dabit, et merces ipsa laboris erit. Tela situ pereant, galeaeque ensesque quiescant: Haec artes alias poscit et ausa dies. Heic alia est pugnae facies: gerit arma Thalassus, Castra Cupido movet, classica sumit Hymen. Huc ades, ô bone dux, et cum tua fata sequeris, Vincere qui nosti, tunc quoque victor abi. Hoc Venus, hoc Veneris dicit Gradivus: ut hostes Sternere, sic cives progenerare, viri est. Thorunij, Prid. Non. Apriles; Ann. M. DC. XXXVI.
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DUm pacem Moscus
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An den hochedlen Herrn Elias von Arciszow Arciszewski, der heiligen königlichen Majestät von Polen und Schweden Kammerherrn und Kriegspräfekten, als er der Liebe und der Ehe wegen nach Holstein reiste, Martin Opitz. Thorn, bei Franz Schnellboltz, 1636. Da nun Moskau den Frieden erbat und Schweden ihn einhält, Da auch der Türke, gewitzt, Stillstand der Waffen verspricht, Findet sich nirgends ein Land, das Polen an Glück überträfe. Goldener Friede erfüllt’s; daure er längere Zeit! Aber Bellonas Gefährte, der Held Arcischovius, was denn Treibt er? Anstelle von Mars liebt er die Liebste des Mars, Paphos’ Göttin, jedoch eine keusche, ganz züchtige Venus, Die im versprochenen Bett liebend Umarmung gewährt. So hat er große Hoffnung auf Holsteins Lande gerichtet, Diese sucht er nun auf, fester Vermählung gewiß. Ja, die Zierde der Frau’n, eine Ahlefeld, wird ihm den Kampfpreis Geben und wird dann auch selbst seiner Bemühungen Lohn. Mögen die Waffen verrosten und ruhen die Helme und Schwerter; Heute gilt’s andere Kunst, jetzt wird ein andres gewagt. Hier gibt’s ein andres Gefecht: Thalassus ist Träger der Waffen, Hier rückt Cupido vor, Hymens Trompete ertönt. Komm hierher, guter Führer, und indem du dein Lebenslos antrittst, Zeige dich siegreich auch jetzt, Siegen ist das, was du kannst. Venus und Mars, ihr Gradivus, verlangen’s: Es schickt sich für Männer, Feinde zu schlagen im Kampf, Bürger zu zeugen doch auch. Thorn, am 4. April 1636. [G.B.]
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Vrbs curae superum vastique Borysthenis undae Et tu felicis conscia terra mali. Quae tunc mens vobis erat aera Moschus obibat Cum tonitru Campos caedibus igni domos. At vincit divum bonitas et proxima divis Rex anima ille soli Gloria Sarmatici. Castrorum populus fit supplex queisque furebat Principis ad tanti proiicit arma pedes. Hic miseris vitam poterat quam demere reddit Et Victor victis hostibus ipse sui est. Martinus Opitius. S.ae R.ae M.tis Historiograph et Secret:
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Suecorum, Gothorum ac Vandalorum PRINCIPIS ANNAE, Heroinae Praestantissimae, Honori Piaeque Memoriae consecratus A M ARTINO O PITIO. THORVNII, Ex Officina Schnellboltziana, Ann. M.DC.XXXVI.
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Epigramm Stadt, von der Gottheit gerettet! Des mächt’gen Borysthenes Wogen! Land, welches weiß, wie das Leid schließlich zum Glück sich gewandt! Ach, wie ging es euch schlecht; der Moskauer brachte Geschütze Donnernd heran, dem Feld Blutbäder, Häusern den Brand. Aber der gnädige Gott, die fast göttliche Seele des Königs, Welcher des polnischen Lands Ruhm ist, gewinnet den Sieg. Flehentlich bitten die Krieger, sie senken die Waffen, mit denen Vorher sie rasten, zum Fuß dieses so herrlichen Herrn. Ja, er könnte den Armen das Leben nehmen, doch schenkt er’s Ihnen, und nach dem Sieg siegt er noch über sich selbst. Martin Opitz, der geheiligten Königlichen Majestät Historiograph und Sekretär. [G.B.]
*** Lobrede zu Ehren und frommem Andenken der erlauchten Prinzessin der Schweden, Goten und Vandalen, Anna, der vortrefflichen erhabenen Frau, gewidmet von Martin Opitz. Thorn, Druckerei Schnellboltz, im Jahre 1636.
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S ERENISSIMO · P OTENTISSIMO · V ICTORIOSISSIMO · P RINCIPI · V LADISLAO IV. P OLONIAE · S VECIAEQVE · R EGI · F VNDATORI · P VBLICAE · Q VIETIS · M AXIMO · P IO · F ELICI · DICAT. DEDICATQVE . SACRATISSIMO. NOMINI . AC . MAIESTATI . EIVS. DEVOTISSIMVS. M ARTINVS · O PITIVS · [1] SI ab excessu statim Serenissimae Principis, cuius reliquias terra quas solas potest nunc custodiet, hoc dicendi officium suscepissem, nec composita ad miserationem verba mihi, nec bonis omnibus lachrimae defuissent verusque comploratus, quibus luctum suum ac dolorem ob amissum decus virtutum, optimam et rarissimam heroinam, certatim expressissent. Nunc planctu et gemitibus nihil profuturis tempore, cuius in omnes affectus mortalium aequè ac in caetera magnum imperium est, vel consumptis, vel partem non exiguam decennii spatio et amplius mollitis ac temperatis, laudes defunctae restare ac memoria sola videtur, digna illa, quae, cineribus sarcophago ipsorum instar fragili traditis viuacior, Mausoleo quouis altior, corda Posterorum oculosque, simile virtutum exemplar vix dein-[2]de visuris, iugi desiderio et contemplatione perpetua moretur. Liberius autem tutiusque vel ideò vasto huic praedicationis ac gloriae mari vela committemus, quod rerum dominos laudare mortuos tàm extra suspicionem adulationis, quàm culpare viuos ac redarguere, non extra discrimen esse nouimus ac periculum. Est enim ea ferè Regum multorum ac Principum conditio, vt in ipsius quantumlibet felicitatis ac humanarum rerum fastigio constituti, per suos tamen
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Dem erlauchten, mächtigen, siegreichen Fürsten Władisław IV., König von Polen und Schweden, Begründer des allgemeinen Friedens, dem Großen, Frommen, Glücklichen weiht und widmet dies seinem heiligen Namen und seiner Majestät ergebenst Martin Opitz. Wenn ich diese Aufgabe, eine Rede zu halten, sogleich nach dem Hinscheiden der erlauchten Prinzessin auf mich genommen hätte, deren sterbliche Überreste jetzt die Erde als das einzige, worüber sie Macht hat, behüten wird, hätten weder mir die geeigneten Worte für eine ergreifende Schilderung gefehlt noch allen guten Menschen die Tränen und die aufrichtige Klage, mit denen sie ihrer Trauer und ihrem Schmerz über den Verlust dieser Zierde der Tugenden, dieser erhabenen und ganz besonders vortrefflichen Frau wie im Wettstreit Ausdruck verliehen hätten. Jetzt, nachdem die Wehklagen und Seufzer, die doch nichts nützen, durch die Zeit, die über sämtliche menschliche Gefühlsregungen ebenso wie über alle übrigen Dinge große Macht besitzt, entweder aufgebraucht oder zu einem beträchtlichen Teil in den mehr als zehn Jahren gemildert und besänftigt wurden, scheinen das Lob der Verstorbenen und die Erinnerung allein noch Bestand zu haben – jene würdige Erinnerung, die, lebendiger als deren Asche, die dem gleichermaßen vergänglichen Sarg anvertraut wurde, höher als jedes Mausoleum, die Herzen und Augen der Nachwelt, denen ein ähnliches Beispiel an Tugenden kaum hiernach vor Augen treten wird, mit steter Sehnsucht und beständigem Gedenken an sich zu binden vermag. Freier aber und sogar sicherer werden wir deshalb diesem gewaltigen Meer der Lobpreisung und des Ruhms unser Segel anvertrauen, weil wir wissen, daß verstorbene Herrscher zu loben so jenseits des Verdachts auf Schmeichelei steht, wie lebende anzuklagen und zu kritisieren nicht jenseits von Verdacht und Gefahr steht. Denn die Stellung vieler Könige und Fürsten bringt es in der Regel mit sich, daß sie, wie sehr sie auch an die Spitze des Glücks und der menschlichen Belange selbst gestellt sind, dennoch durch ihren eigenen ebenso wie durch den Charakter derer, denen entweder die Hoffnung auf Erlangung von Gunst oder die Furcht, diese zu verlieren, die Notwendigkeit des Zustimmens oder Schweigens auferlegen, sehr häufig dazu gezwungen werden, auf den doch so notwendigen Gebrauch ihrer Ohren
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pariter ac eorum mores, quibus gratiae vel impetrandae spes, vel amittendae timor necessitatem assentiendi tacendique imponunt, necessario maximè aurium vsu carere saepissime cogantur. Ita fit, vt dum in apricum quaecunque dicunt aut faciunt producuntur omnia, dum recessûs eorum intimos curiositas vulgi et latebras Palatiorum explorat, dum illam quae hactenus legis instar occupauit et conualuit opinionem, de Principibus viris nisi bene loqui non licere, fama publica susque deque habet; ipsi hoc imprimis potentiae suae pretium fe-[3]rant, vt et iustis laudibus suis raro intersint, et à iucundissima verum audiendi voluptate plerumque excludantur. Viueret tamen illa cuius memoriam hic celebramus, viueret adhuc et superstes esset Princeps innocentissima: certè acta illi honestissimè vita, probitas inimitabilis, facti ad genium pietatis antiquae mores, vnicuique potestatem dicendi quaecunque vellet (non autem posset nisi optima) daret libenter ac permitteret. Nunc postquam terrestre illud astrum olim, anima purissima, stellis omnibus superior immortalium se numerò mistam nouit, postquam is eam status excepit, in quo nec Oratorum colores, nec Poëtarum ingeniositas, nec adulatorum aut rumoris vllius mendacia locum habent, quid restare nobis amplius potest, quam vt contemplatione tot virtutum gratam saltem earum nobis memoriam retinere, illi verò eas impertire laudes conemur, quas coelestibus occupata quantumuis non requirat, moribus tamen grauissimis, bonitate diuina, summisque quotquot non in hunc sexum modo, verum [4] in omnes etiam homines cadunt dotibus, omninò merita est? Ego verò quod commendatione hac publica exemplar ac veluti lumen, quod sectentur, sustollere posteris audeo, rem quidem egregiam me, grauem tamen ac propè superbam, maioremque quam pro viribus meis aggredi fateor. Sed quam alii ab eloquentia et nitore verborum gloriam polliceri sibi ac sperare audent; eam si veritas orationis mihi, si fides ac libertas conciliauerit, illud quod solum hinc quaero abundè nanciscar. Discernamus autem à propriis statim heroinae ornamentis ea, sine quibus vt talis nasci non potuit, ita maximam earum virtutum partem adsciscere sibi potuit, quas hic imprimis commendamus. Ac quoniam à gente et patria capiendum est initium,
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zu verzichten. So geschieht es, daß – während alles ans Licht gebracht wird, was auch immer sie sagen oder tun, während die Neugier der Menge ihre privaten Rückzugsorte und die verborgenen Winkel der Paläste durchstöbert, während der Klatsch des Volkes sich um die Ansicht nicht schert, die bisher so stark war, daß sie gleichsam den Rang eines Gesetzes einnahm, nämlich, daß man von Fürsten nur Gutes reden dürfe – ihnen als Lohn ihrer Macht vor allem dies zuteil wird, daß sie einerseits selten anwesend sind, wenn sie zu Recht gelobt werden, andererseits von dem äußerst angenehmen Vergnügen, die Wahrheit zu hören, zumeist ausgeschlossen sind. Doch wäre sie noch am Leben, sie, deren Gedächtnis wir hier begehen, wäre diese rechtschaffene Fürstin noch am Leben und unversehrt: Gewiß würden ihre so ehrbare Lebensführung, ihre unnachahmliche Rechtschaffenheit, ihr im Geiste althergebrachter Frömmigkeit gebildeter Charakter einem jeden gerne die Möglichkeit geben und gewähren, zu sagen, was er wollte (könnte er doch nichts als das Beste vorbringen). Jetzt, nachdem diese reinste Seele, einst ein Stern auf Erden, sich höher als alle Gestirne der Zahl der Unsterblichen hinzugesellt sieht, nachdem sie jenen Zustand erreicht hat, in dem weder die blumigen Worte der Redner noch der Erfindungsreichtum der Dichter noch die Lügen der Schmeichler oder irgendeiner Nachrede Platz haben, was kann uns da noch bleiben, als zu versuchen, im Andenken an so viele Tugenden wenigstens die dankbare Erinnerung daran für uns zu erhalten, ihr aber dieses Lob zuteil werden zu lassen, das sie, die sich mit himmlischen Dingen beschäftigt, nicht im geringsten vermißt, doch durch ihren hehren Charakter, ihre unvergleichliche Güte und die höchsten Gaben, so viel nicht nur diesem Geschlecht, sondern auch allen Menschen zukommen können, vollkommen verdient hat? Ich muß allerdings gestehen, daß ich, indem ich es wage, mit diesem öffentlichen Lob ein Beispiel und gleichsam ein leuchtendes Vorbild für die Nachwelt aufzustellen, nach dem sie sich richten soll, eine zwar ehrenvolle, aber doch auch schwierige und beinahe vermessene Aufgabe, die größer ist, als es meinen Fähigkeiten entspricht, angehe. Doch wenn mir den Ruhm, den sich andere von ihrer Beredsamkeit und ihrem glanzvollen Ausdruck zu versprechen und zu erhoffen wagen, die Wahrheit meiner Rede, ihre Aufrichtigkeit und Freimütigkeit verschafft, werde ich das einzige, was ich daraus erhoffe, im Überfluß erlangen. Wir wollen aber sogleich unterscheiden zwischen den persönlichen Vorzügen dieser hehren Frau und denjenigen, ohne welche sie, wie sie nicht so hätte geboren werden können, ebenso auch nicht den größten Teil der Tugenden hätte erwerben können, die wir hier besonders hervorheben. Da man dabei tunlichst mit der Familie und der Heimat anfängt, wollen wir, damit wir uns nicht gleich in der Eingangshalle verlaufen und so den Regeln der Redner Gewalt antun, den (im übrigen gelehrten und hervorragenden) Männern ihre Meinung lassen, die auf den Spuren des Jornandes und anderer Autoren gleicher Prägung
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ne in vestibulo statim erremus ac vim legibus Rhetorum faciamus, habeant sibi sententiam suam docti caetera et excellentes viri, qui Thraciam cum Suecia, Getas cum Gothis, Iornandis ac eiusmodi notae scriptorum vestigiis insistentes, quasi quaerendum amplius non sit, audacter [5] coniungunt. Certissimis argumentis alia dudum omnia ostendit, vt reliquos praeteream, ornamentum Gedani sui Cluuerius: nosque idem facere et plurimis, neque leuioribus in opere iam affecto rationibus, si qua conatus nostros tranquillitas vitae exceperit, pro virili tentabimus. Non opus hic conditis fabularum vrbanitate Amazonum historiis: non ex antro instar Trophonii dictante praecepta sapientiae ac morum Zamolxide: non succumbente tandem Principis Optimi, cuius virtutum imaginem, Vladisläe, Rex Victoriosissime, tu nunc refers, Traiani armis Decebalo: sufficiant Gothorum gloriae peragrata triumphis tot antiquitus terrarum spatia, prolatum vndique imperium, raptus sub iugum Danubius, captae post insessam Daciam (vnde error Historicorum de Getis, quorum Daci soboles sunt, initium duxit) cum Maesiis Pannoniae, acquisitae iure belli prouinciae Galliarum vberrimae, retenta sub potestate regia seculis aliquot Hispania, subacta Italia et Orbis ipsius caput Roma, quae, cum secundum [6] ante nihil habuerat, par Gothico robori esse non potuit. Nec post Fridigernos, Athanaricos, Alaricos, Athaulfos ac Theodoricos, ingentia nomina, heroës incomparabiles, senium virtus illa gentis clarissimae traxit, ac effoetae instar arboris exaruit; aut cum illis coloniam et ipsa mutauit, ac patriam deseruit. Non externis equidem viribus, sed labe consiliorum ac motibus domesticis summam rerum ad peregrinos deuolutam esse identidem haud diffitemur: libertate tamen sibi constante, finibus nullam partem imminutis, salua legum maiestate regnum ipsum sui simile, hoc est, integrum, illaesum, immobile semper extitit. Adeò qui ausibus stupendis, spiritu inuicto, animorum corporumque robore incredibili, contentione fortitudinis accerrima tot regiones, tot gentes tractûsque Orbis terrarum nobilissimos victoriarum suarum monumentum statuerunt, delibandi aliquid de pristinâ libertate sua gratiam nulli hactenus mortalium fecerunt. Caeterorum porrò Regum seriem attexere vt
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kühn, und als ob das letzte Wort darüber schon gesprochen wäre, Thrakien mit Schweden und die Geten mit den Goten verbinden. Mit untrüglichen Beweisen hat Clüver, die Zierde seiner Heimatstadt Danzig (um die übrigen Autoren zu übergehen), längst alles andere dargelegt; und wir werden dasselbe und mit vielen und nicht weniger gewichtigen Argumenten in einem bereits begonnenen Werk nach Kräften zu leisten versuchen, wenn einmal ein ruhiges Leben unsere Bemühungen begünstigt. Es bedarf hier weder der Geschichte der Amazonen, die mit dem Einfallsreichtum von Märchen niedergeschrieben ist, noch eines Zamolxides, der wie Trophonius aus einer Höhle heraus Lehren zu Weisheit und Sittlichkeit diktiert, noch muß Decebalus den Waffen Trajans erliegen, des ‚Princeps Optimus‘, dessen Abbild seiner Tugenden du, Władisław, siegreichster König, jetzt zurückbringst: Den Ruhm der Goten zu künden mögen die vielen gewaltigen Landstriche genügen, die sie in alter Zeit im Triumphzug durchmessen haben, die Erweiterung ihrer Herrschaft nach allen Seiten, die Unterjochung der Donau, dann, nach der Besetzung Dakiens (von der der Irrtum der Geschichtsschreiber über die Geten, deren Nachfahren die Daker sind, herrührt), die Eroberung Moesiens und Pannoniens, der Erwerb der üppigsten Provinzen Galliens nach Kriegsrecht, die Behauptung der Königsherrschaft in Spanien über einige Jahrhunderte, die Unterwerfung Italiens und selbst Roms, der Hauptstadt der Welt, hinter der zuvor nichts auch nur den zweiten Platz beanspruchen konnte, die aber der Stärke der Goten nicht gewachsen war. Und auch nach Männern wie Fritigern, Athanarich, Alarich, Athaulf und Theoderich, gewaltigen Namen, unvergleichlichen Helden, vergreiste diese Tapferkeit des ruhmvollen Volkes nicht, noch vertrocknete sie wie ein altersschwacher Baum oder verließ zugleich mit diesen Männern auch selbst Sitz und Heimat. Denn wir stellen nicht in Abrede, daß es nicht an äußeren Mächten lag, sondern an Fehlentscheidungen und inneren Unruhen, daß die Macht wiederholt auf ausländische Herrscher überging. Doch die Freiheit blieb unverändert, die Grenzen allseits unbeschnitten, die Hoheit der Gesetze ungetrübt, und so wahrte das Königreich selbst seinen Charakter, das heißt, es blieb stets ganz, unversehrt und unverrückbar, und zwar in solchem Maße, daß sie, die mit staunenswerter Kühnheit und unbesiegbarem Mut, mit unglaublicher Kraft des Geistes und des Körpers, mit äußerster Anstrengung ihrer Tatkraft so viele Gebiete, so viele Völker und die vorzüglichsten Länder des Erdkreises zum Denkmal ihrer Siege gemacht haben, bis heute keinem Sterblichen erlaubt haben, ihre angestammte Freiheit im mindesten anzutasten. Des weiteren die Reihe der übrigen Könige anzuführen, mag hier überflüssig sein; doch Gustav, den Großvater der erhabenen Fürstin, kann und darf ich nicht übergehen. Schwer ächzte damals der Staat, von der Grausamkeit der äußeren Feinde und den verwerflichen Taten, zu denen sich böse Menschen erdreisteten, in größte Gefahr gestürzt, vom Unrecht ver-
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huc nihil attinet: ita Gustauum Principis augustae auum praeterire nec [7] possum, nec debeo. Ingemiscebat Respublica, hostium crudelitate, prauis malorum ausibus in discrimen coniecta extremum, ac compressa per iniuriam et labefactata. Ille prudentia summa, animo infracto et sustentauit nutantem, et in eam faciem restituit, vt, nisi negotium sanguine tot ciuium constitisset, paenè tanti fuerit concidisse. Qua vero moderatione pacatis rebus, quanta clementia et virtute fasces imperij totos octo et triginta annos sustinuit? Qua continentia pomerijs regni sui contentus alienum non affectauit, ac Liuoniam, quo illum inuitare occasiones temporum nonnullae videbantur, intactam reliquit? De patre vero Iohanne quid senserit Respublica, applausu suo, laetitia et mirifico consensu, cum Principatui ac Regno admoueretur, Proceres omnes statim et Ordines testificati sunt. Neque spes eos tam explorata, tam honestum de illo iudicium fefellit. Nam et diuturna magnaeque molis bella, quae illi cum Mosco imprimis fuerunt, successu confecit auspicatissimo: et re-[8]gnum domi, quod foris armorum dexteritate tuebatur, quietè ac ex animi sententia continuit. Catharinam verò matrem qua incuria omiserim, quae vtrique parenti tot maiorum trophaea, tantam sceptrorum gloriam debet ac ornamenta? Patri quidem Sigismundo I. stirpis Jagellonicae nitorem, cuius imperio, vt ante benemeritissimo illi ac diuino propè Piasteo, gloriosissima incliti Poloniae Regni Respublica beata tot annis, felix, inuicta et inconcussa stetit. Matri autem Bonae, cum propter patrem Johannem Galeacium Ducem Mediolanensem familiae Sforziae decus, virtute militari et rerum gestarum beneficio partum: tum propter Isabellam Aragoniam, reginam Neapolitanam, matrem regum plurimorum ac Principum imagines, de quibus tot annales ac monumenta ingeniorum praeconio nunquam intermorituro loquuntur. Venio ad fratrem Sigismundum, Optimum ac Prouidentissimum Principem: quem fidelissima, obsequentissima, carissima soror admiranda adeò [9] pietate affectuque incomparabili prosecuta est, vt deposita dulcissimi patriae nominis memoria comitari eum ac intra hoc regnum manere, quam illic annos suos extrahere maluerit, vbi ex legibus huius Reipublicae aspectu eius haud dubiè sibi ca-
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gewaltigt und erschüttert. Er hielt mit äußerster Klugheit und unbeugsamem Mut das schwankende Gemeinwesen aufrecht und führte es zu einer solchen Form zurück, daß, hätte die Affäre nicht das Blut so vieler Bürger gekostet, der vorherige Zusammenbruch beinahe wiedergutgemacht worden wäre. Wie maßvoll, mit welcher Güte und Tapferkeit trug er nach der Befriedung des Landes volle achtunddreißig Jahre lang die gesamte Macht im Reich auf seinen Schultern? Mit welcher Mäßigung gab er sich mit den Grenzen seines Reiches zufrieden, begehrte nie das Land anderer und ließ Livland, wohin ihn gerade aus den Zeitläuften herrührende Umstände einzuladen schienen, unversehrt? Was das Gemeinwesen für ihren Vater Johann empfand, haben alle Adligen und alle Stände sogleich mit ihrem Beifall, ihrer Freude und wundersamen Eintracht bezeugt, als er mit dem Herrscheramt und den Regierungsaufgaben betraut wurde. Und diese sichere Hoffnung, dieses ehrenvolle Urteil über ihn trogen sie keineswegs. Denn er beendete die langwierigen und aufwendigen Kriege, die er vor allem mit dem Moskowiter zu führen hatte, mit dem wünschenswertesten Erfolg, und zugleich hielt er das Reich, das er nach außen mit dem Geschick seiner Waffen schützte, im Inneren in Ruhe und ganz in seinem Sinne. Doch wie nachlässig müßte ich sein, um ihre Mutter Katharina zu vergessen, die ihren beiden Eltern so viele Siegeszeichen ihrer Vorfahren, so viel Ruhm und Zier der Szepter verdankt? Ihrem Vater Sigismund I. verdankt sie den Glanz des Jagiellonenhauses, unter dessen Herrschaft das ruhmreiche Staatswesen des weitgerühmten polnischen Reiches wie zuvor unter der fast göttlichen Herrschaft der Piasten, die sich um jenes überaus verdient gemacht hatten, so viele Jahre lang blühend, unbesiegt und unerschüttert stand. Ihrer Mutter Bona aber verdankte sie zum einen wegen deren Vater Gian Galeazzo, des Herzogs von Mailand, die mit militärischer Tapferkeit und großen Taten erworbene Würde der Familie Sforza, zum anderen wegen Isabella von Aragón, der Königin von Neapel, deren Mutter, die Abstammung von den meisten Königen und Fürsten, von denen so viele Geschichtswerke und Denkmale des Geistes mit unvergänglichem Lobpreis künden. Ich komme nun zu ihrem Bruder Sigismund, dem hervorragenden und vorausschauenden Fürsten, den sie als treue, gehorsame, geliebte Schwester mit solch bewundernswerter Liebe und unvergleichlicher Zuneigung begleitet hat, daß sie lieber die Erinnerung an den lieben Namen ihres Vaterlandes ablegen, ihn begleiten und innerhalb dieses Königreiches bleiben wollte, als dort die Jahre ihres Lebens zu verbringen, wo sie nach den Gesetzen dieses Staates auf seinen Anblick ohne Zweifel hätte verzichten müssen. Aber wie könnte man ihn genug loben, wie seiner nach Verdienst gedenken, dem noch als jungem Mann, obwohl die Meinungen so verschieden, die Wünsche so ungewiß waren, Polen sein Szepter und Herz zu Füßen legte und, obwohl er jenseits des Meeres wohnte, die Herrschaft über seine Lande und die Ehre der höchsten Majestät übertrug und
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rendum erat. At quid de illo praedicari satis, quid commemorari ex merito potest, cui, sententijs quamuis tam diuersis, votis tam dubijs, iuueni adhuc fasces suos Polonia summisit et animos, ac trans mare posito terrarum suarum imperium et maiestatis supremae honorem detulit; delatum tanta magnanimitate asseruit contra ambitum ac tutata est? Properauit benignitas fatorum, annuit coelum, ratio et vtilitas publica consensit, vt heros excellens, acer cunctisque naturae ac virtutum bonis perfectissimus, populo simili; regno non dispari praeficeretur. Populo, inquam; illi, qui viribus bellicosissimis quosuis insultus, studio libertatis nationes omnes alias hospitalitate verò, splendore nobilitatis, doctrinarum cultu, eloquentia et comitate [10] etiam seipsum vincit: cuius sapientiam in consultis, magnanimitatem in factis hostes metuunt, experiuntur, sed cum emolumento suo, amici, praesentes commendant, stupent externi et admirantur: quem laudare ex merito nemo praesumit, nisi de temeritate sua idem argui velit ac vituperari. Regno illi, cuius per vastissimas vndique oras tot prouinciae existunt, quot à regnis plerisque vix vrbes ostentari possunt ac oppida; quodque coeli temperie, salubritate aëris, vbertate agrorum, copia frugum, armentorum, pecorum gregumque abundantia, pernicitate equorum, ferarum innocentia, opacitate nemorum, fluuiorum oportunitate, celebritate portuum, gratissimo denique maris commertio, et sibi ad omnia quaecunque vita mortalium flagitat ipsi sufficit, et tot vtensilia opulentiaeque suae bona in plurimas quaquauersum oras ac regiones distribuit, vt granarium Orbis Christiani, mater gentium et alumna benignissima, consentientibus cunctorum quotquot nutrit fouetque [11] suffragijs, dici mereatur. Tam vastum, tam nobile et gloriosum virtutis suae theatrum nactus S IGISMVNDVS III . toto imperij sui tempore prouidentia singulari, fortitudine inuicta, successu rerum prosperrimo adeò enituit, ita de omni hominum genere meritissimum sese reddidit, vt nihil annis felicissimis adstruere amplius supremum Numen potuisse videatur, nisi filium regno admouisset V LADISLAVM , qui vt paternarum virtutum illustre exemplum est, ita suarum nullum habet. Quis autem Homerus dignè cecinerit hunc Achillem? quis Apelles hunc Alexandrum, sed
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nach der Übertragung diese Herrschaft gegen Ränke um das Amt so hochherzig bekräftigte und schützte? Die Güte des Schicksals eilte herbei, der Himmel gab seinen Segen, Staatsräson und Gemeinwohl stimmten zu, daß dieser hervorragende, energische und in allen Vorzügen der Natur und der Tugend vollkommene Ehrenmann einem gleichartigen Volk und einem ebensolchen Königreich an die Spitze gestellt werden sollte. Jenem Volk, sage ich, das mit seiner großen Kampfkraft alle Angriffe, mit seinem Freiheitsdrang alle anderen Nationen und mit seiner Gastfreundschaft fürwahr, dem Glanz seines Adels, seinem Bildungseifer, seiner Beredsamkeit und Freundlichkeit sogar sich selbst übertrifft. Dessen Weisheit im Rat und Hochherzigkeit in der Tat die Feinde fürchten, die Freunde aber zu ihrem Gewinn erfahren, die Anwesenden loben, die Ausländer staunend bewundern: niemand wird sich herausnehmen, dieses Volk nach seinem Verdienst zu loben, es sei denn, er wollte wegen seiner Leichtfertigkeit an den Pranger gestellt und getadelt werden. Diesem Reich, das in seinen nach allen Seiten unermeßlichen Grenzen so viele Provinzen birgt, wie die meisten Reiche kaum an Städten und Marktflecken vorweisen können, das mit seinem gemäßigten Klima, seiner gesunden Luft, der Fruchtbarkeit seiner Felder, seinen gewaltigen Ernteerträgen, seinem Überfluß an Rindern und Schafherden, der Schnelligkeit seiner Pferde, der Harmlosigkeit seines Wilds, seinen schattigen Wäldern, günstig verlaufenden Flüssen, betriebsamen Häfen, schließlich dem hochwillkommenen Seehandel sowohl sich selbst für alles, was das menschliche Leben erfordert, genügt als auch so viele nützliche Dinge und Gaben seiner Wohlhabenheit in alle Himmelsrichtungen an die meisten Küsten und Gegenden austeilt, daß es nach Übereinkunft aller Menschen, die es nährt und hegt, den Titel der Getreidekammer der christlichen Welt, der Mutter und gütigen Nährerin der Völker mit Recht verdient. Solch eine gewaltige, solch eine edle und ruhmreiche Bühne für seine Tugend hat S IGISMUND III . erlangt, und hier glänzte er während der gesamten Dauer seiner Herrschaft so sehr mit seiner einzigartigen Voraussicht, unbeugsamen Tapferkeit und glücklichstem Erfolg, machte sich so verdient um die Menschen jedes Standes, daß Gott der Allmächtige diesen seligen Jahren offensichtlich nichts weiter hinzufügen konnte, als seinen Sohn W LADISLAUS zum König zu machen, der ein leuchtendes Abbild der Tugenden seines Vaters ist, aber keinen findet, der Abbild der seinigen wäre. Doch welcher Homer könnte diesen Achilles würdig besingen? Welcher Apelles diesen Alexander – aber einen friedlichen und keinen Trunkenbold – in wahrhaftigen Farben wiedergeben? Mit welcher Tapferkeit hat er nicht – noch in jugendlichem Alter – als Begleiter seines Vaters und Gefährte von dessen Mühen dichtgedrängte Kriegsvölker zerstreut, besiegt und in die Flucht geschlagen? Mit welcher Tatkraft hat er nicht auf seinen heiligen Feldzügen skythische Fröste, die Kälte am Dnjepr, die Unbilden des Sommers und des Winters und alle Härten
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placidum, neque temulentum, veris coloribus expresserit? Quanta fortitudine, comes parentis ac laborum socius, refertas adolescens adhuc multoties cohortes fudit, cecidit, fugauit? qua alacritate sacris expeditionibus suis pruinas Scythicas, rigorem Borysthenis, iniurias aestatis et brumae ac quicquid durum castris proponitur pertulit ac contempsit? quo impetu, qua celeritate ingentes hostium acerrimorum copias saepè vix visas [12] prostrauit, saepè etiam nondum visas solo terrore nominis sui ac interuentu? quoties imperatorum maximorum glorias supergressus regno vicit et iam ante regnum, et Patris simul triumphos duxit ac suos? qua indulgentia tranquillitatem ac quietem dedit alijs, dexteritate fecit suis ac peperit? quo amore augustos Fratres suos, serenissima aeui sidera, prosequitur, quaque affectione ac studijs amplectitur? quo iudicio, qua benignitate de se ac Republica virtute bellica, fide consiliorum aut aliàs benemeritos dignitatibus, praefecturis, facultatibus donat, exornat et ad maiora omnibus modis excitat? quanta disceptantium altercationes patientia audit, ius cum aequitate dicit ac diiudicat? qua clementiae ac humanitatis fama quaerentes vitae tranquillitatem ac extorres ad clientelam suam inclitaeque reipublicae petendam allicit? Sed quis tanta Patris Patriae opera artesque, cum insertae sint oculis cunctorum ac mentibus, amplificatos nempe regni terminos, ciues seruatos, liberatas metu [13] aras et focos, restitutam pacem, factas in tot annos inducias, remissum aut ad modum et leges redactum vectigal, redditam naualibus ac mercium accessui securitatem aliaque per partes eloquatur? aut cur sacratissimum nomen eius ac merita, moderatio, praestantia, fides, efficacia, et contubernalis nati bono publico regis indiuulsa iustitia commissionibus verborum meorum obsolefieri debeat? Sed nec vni describendae pietati suffecerim, qua amitae optimè de se meritae cineribus, hoc nepote felicibus, sepulturam fieri constituit, eosque honores decreuit, quos incerta rerum hactenus et temporum iniuria distulerant. Nam et hoc extremum aduersus Principis beatissimae reliquias officium externis alijs addamus, quae fortunae nascendi ac regiae illius familiae imputanda sunt: mentionem eorum iam facturi, quae ipsa virtute Dei, sola sibi debuit, ac inter sua maximè possedit.
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des Lagerlebens ertragen und verachtet? Mit welch heftigem Ansturm, mit welcher Schnelligkeit hat er nicht, oft kaum daß sie in Sicht gekommen waren, oft sogar bevor sie noch gesichtet wurden, durch den bloßen Schrecken, den sein Name verbreitete, und die Tatsache seines Einschreitens die ungeheuren Truppen der wütendsten Feinde niedergeworfen? Wie oft hat er nicht, den Ruhm der größten Feldherren übertreffend, als König gesiegt – und das schon bevor er König war – und Triumphzüge angeführt, die zugleich die seines Vaters und die seinen waren? Mit welcher Güte hat er nicht anderen Ruhe und Frieden gewährt, mit welchem Geschick den Seinen dies geschaffen und erzeugt? Mit welcher Liebe begleitet er nicht seine erhabenen Brüder, die leuchtendsten Sterne unseres Zeitalters, und mit welcher Zuneigung und welchem Eifer umfängt er sie dabei? Wie überlegt, wie gütig beschenkt er nicht die, welche sich um ihn und den Staat durch Tapferkeit im Krieg, treuen Rat oder anderweitig verdient gemacht haben, mit Ehrenämtern, Statthalterschaften und Geldmitteln, zeichnet sie aus und ermuntert sie auf jede Weise zu Höherem? Mit welcher Geduld hört er nicht die Streitereien von Prozeßparteien an, spricht Recht und schlichtet unparteilich? Mit welchem Ruf von Güte und Freundlichkeit verlockt er nicht diejenigen, die ein ruhiges Leben suchen, und Flüchtlinge dazu, den Dienst für ihn und sein berühmtes Gemeinwesen anzustreben? Aber wer könnte die gewaltigen Werke und sinnreichen Pläne dieses Vaters des Vaterlandes, die doch den Augen und Herzen aller eingepflanzt sind, nämlich die Erweiterung der Reichsgrenzen, die Rettung von Bürgern, die Sicherung der Altäre und heimischen Herde, um die man zuvor fürchtete, die Wiederherstellung des Friedens, den Waffenstillstand, den er für so viele Jahre geschlossen hat, die Abschaffung von Steuern oder ihre Reduzierung auf ein gesetzlich festgelegtes Maß, die Gewährleistung der Sicherheit von Werften und Wareneinfuhr und anderes – wer könnte dies alles im einzelnen aufzählen? Oder warum sollten sein geheiligter Name und seine Verdienste, seine Mäßigung, Vortrefflichkeit, Treue, sein Durchsetzungsvermögen und die untrennbare Gefährtin eines für das Gemeinwohl geborenen Königs, die Gerechtigkeit, im Pomp meiner Worte an Ansehen verlieren? Sind doch meine Fähigkeiten nicht einmal hinreichend, um nur seinen von Pietät geprägten Familiensinn zu schildern, der ihn für die Asche seiner Tante, die sich so sehr um ihn verdient gemacht hatte und die um dieses Neffen willen glücklich zu preisen ist, ein Begräbnis beschließen und ihr die Ehren zuerkennen ließ, die bisher die Unsicherheit und Widrigkeit der Umstände und des Zeitgeschehens aufgeschoben hatten. Denn auch diesen letzten Dienst an den sterblichen Überresten der seligen Prinzessin wollen wir zu den anderen äußeren Gütern hinzufügen, die der glücklichen Fügung ihrer Geburt und ihrer königlichen Familie zuzurechnen sind, um nun endlich zu den Vorzügen überzugehen, die sie, durch Gottes Gnade, allein sich selbst verdankte und unter dem, was ihr gehörte, am meisten
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Quod si tam numerosam gloriam inde ordiri debemus, vnde Christiani meritò omnia, à precibus [14] nempé, à metu summi Numinis et amore coelestium, quid illa sanctius? quid antiquius? quid religiosius? Judicent inter haec studia persuasionum de cultu sacrorum ac ritibus qui debent, transeant ad partes qui possunt, carpant aliud persuasum habentes qui volunt: Illa sententiam alienam vt pectore ferebat lenissimo, ita suam, qua olim imbuta fuerat, firmissimo retinebat. Nec vincendi hoc ardorem dixisses aut pertinaciam, quae vbi sexui molliori semel inuasit, altiores plerumque, vt naeui alij, quam in nobis radices agit. Sed quia et Principis et Christianae esse iudicabat, nouis tum demum insistere, cum mens alia in quibus conquiescat non habet; illa et literarum sacrarum diligentissima erat, et acerrimo quaecunque legerat iudicio expendebat, et viros eruditos ac scientiae sanctioris veteres, vtut pleraque secum dissentientes, ad alloquium et disceptationes placidas non admittebat modò, sed et euocabat saepenumero ac literis inuitabat humanissimè scriptis: detestata subinde [15] mores illorum ac vehementiam, qui cum doctrinam à Conseruatore generis humani vnico relictam iactitent maximè, professo tamen in fratres suos, qui vt credere idem cum illis non possunt, ita credere illos quod volunt non vetant, odio charitatem ac amorem, quem ipse suis, morti etiam proximus, tanta solicitudine curaque commendauit, abiectè habent ac negligenter, et tribunali nouissimo, quod nec fallet nec falletur, iudicandi potestatem, in hac caussa soli illi debitam, non pro pietate quam ostentant, aemulatione discordiosa praeripiunt. Cum vero sciret optimè ac cogitaret Domina et virgo religiosissima, Principibus ac Regibus, quorum profusam nonnunquam liberalitatem mirantur alij, alij, saepe et immerentes, experiuntur, à potestate rerum humanarum absolutissima Deo Optimo Maximo, vt caeteris mortalibus, impetranda esse omnia; supplicijs ac precationibus ardentissimis cum illo de rebus quibusvis ac negotijs semper transigebat. Sic quo[16]ties Frater fulminauit in hostico, Nepos signa iussit canere, Respublica in acie stetit, Nostra votis suis in partem praelii venit, et tormentis precum fortissimis quibus solis manum dat aeternus Imperator, coelum ipsum perrupit, vicit ac de
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besaß. Da wir aber die Aufzählung ihrer so zahlreichen Ruhmestitel an dem Punkt beginnen müssen, den Christen zu Recht allem voranstellen, nämlich ihren Gebeten, der Ehrfurcht vor dem allmächtigen Gott und der Liebe zu den himmlischen Dingen: Was war gottgefälliger, was schlichter, was religiöser als sie? In diesem Ringen der Überzeugungen um Gottesdienst und Ritus mögen die urteilen, deren Aufgabe das ist, mögen die auf die andere Seite übergehen, die es vermögen, Andersgläubige kritisieren, die das wollen: Wie jene eine andere Meinung mit größter Sanftmut duldete, so blieb sie dabei mit großer Festigkeit der Überzeugung treu, in der sie einst erzogen worden war. Doch konnte man dies nicht Rechthaberei oder Verstocktheit nennen – Laster, die, wenn sie vom sanfteren Geschlecht einmal Besitz ergriffen haben, zumeist, wie auch andere Charakterfehler, tiefere Wurzeln schlagen als bei uns. Weil sie es vielmehr für die Pflicht einer Fürstin und Christin hielt, sich erst dann auf Neues einzulassen, wenn die Seele nichts anderes mehr hat, worin sie Ruhe fände, studierte sie mit größter Sorgfalt die Heilige Schrift, wog mit schärfster Urteilskraft, was sie gelesen hatte, und gewährte gebildeten und in der Theologie erfahrenen Männern, wie sie auch immer in den meisten Punkten anderer Meinung sein mochten, zu Gesprächen und friedlichen Diskussionen nicht nur Zugang, sondern rief sie zu solchen Gesprächen oft zu sich und lud sie mit freundlichen Briefen ein. Zuweilen verwünschte sie das Benehmen und die Heftigkeit derer, die, obwohl sie stets lauthals predigen, daß ihre Lehre vom einzigen Retter des Menschengeschlechts stamme, nichtsdestotrotz durch ihren erklärten Haß gegen ihre Brüder, die, wenn sie auch nicht das gleiche glauben können wie sie, ihnen doch nicht verbieten zu glauben, was sie wollen, Achtung und Nächstenliebe, die er selbst, noch unmittelbar vor seinem Tod, den Seinen mit solcher Sorge und solchem Nachdruck aufgetragen hat, mit Füßen treten und mißachten und dem Jüngsten Gericht, das weder irren wird noch betrogen werden kann, das Recht zu urteilen, das in dieser Sache ihm allein zusteht, ganz gegen die Frömmigkeit, die sie zur Schau tragen, in zwieträchtiger Mißgunst vorwegnehmen. Doch da die fromme Herrin und Jungfrau genau wußte und bedachte, daß Fürsten und Könige, deren außerordentliche Großzügigkeit zuweilen die einen bewundern, die anderen, oft auch unverdient, erfahren, genau wie die übrigen Sterblichen alles von der unumschränkten Macht über die menschlichen Dinge, dem größten und besten Gott, erlangen müssen, wandte sie sich stets in glühenden Bitten und Gebeten in bezug auf alle möglichen Dinge und Angelegenheiten an ihn. So nahm unsere Herrin, sooft ihr Bruder im Feindesland seine Blitze schleuderte, ihr Neffe das Kriegshorn blasen ließ und der Staat in Gefechtsordnung stand, mit ihren Gebeten an der Schlacht teil, und mit den starken Geschossen ihrer Bitten, denen allein der ewige Herrscher Zugang gewährt, durchdrang sie den Himmel selbst, siegte und hieß ihn dem Sieg der Ihren zustimmen.
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victoria suorum consentire iussit. Et quomodo haec oris puritas, haec castitas animi, tanta sanctimonia, tam venerabilis morum disciplina Deum inefficacem aut surdum experta esset vnquam? Quippe cum sanctissimus, purissimus, plenissimusque pietatis ipse sit, integras, pudicas, illibatas et voces et mentes solas admittit. Praesens igitur ac benignus aderat his sacris: quia faciebat ea, ignemque deuotionis perpetuum fouebat, Vestalis innocentissima. Suscipiebat has orationes: quoniam instar dotis illi assignabantur à virgine incorruptissima. Accedebat hoc templum; nam et templum ipsa erat, et pudicitiam aedituam suam fecerat ac antistitam. Et quis diuinam castitatem non primo statim aspectu deprehendisset? quis quaesiuisset de [17] hac virtute, cuius istic tot argumenta inueniebat, tot videbat exempla? Nihil molle, nihil otiosum, nihil lasciuum et quod ad luxuriem animum vel possidentis componeret, vel prouocaret alienum. Aspexisses vultum: ille vt maiestates ac regiam in quam nata erat sortem diffiteri non poterat, sic pudicitiam rubor, verecundiam oculi loquebantur. Considerasses incessum: nulla illarum sanctius ingreditur quae repudium mundi consortio renunciarunt. Inquisiuisses in vitam: sic aetherias mentes viuere illic credibile est, vbi ipsa animo habitabat dum adhuc nobiscum esset. Neque tacita pietate solum: cantu etiam, hymnis, laudibus diuinis illas imitabatur et carminibus. Hinc in conclaui, in atrio passim tot organa pneumatica, tot musica instrumenta, quae et digitis Deo soli placere doctis emendatè ac ex arte pulsabat, et voce temperabat suauissima. Ita mortalis viua in coelum abibat, cuius machinam et ipsam canere cum Theologi paganorum ac gentes quaedam persuasum haberent, illi sa-[18]crificiis ad permulcendos superos, istae sepulturis etiam cantum adhibebant, quod animas ad originem dulcedinis musicae, id est, ad coelum, reuerti credebant. Ita os suum, purum et verbi nullius licentia contaminatum, Deo porrigebat, qui iam possederat animum, quem et ipsum nec cogitatio voluptatis vnica intrauerat. Haec qui audis, quid aliud est quod requiras? An humilitatem et in Principibus tam gratiosam comitatem, quam in tenuioribus molesta superbia est? Illa verò ex tanto fortunae strepitu ac fulgore diadematum et titulorum nihil sibi nisi tempe-
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Und wie hätte diese Reinheit ihrer Rede, diese Keuschheit ihres Herzens, ihr so tugendhafter Lebenswandel, ihre so verehrungswürdigen sittlichen Grundsätze Gott je träge oder taub finden können? Denn da er selbst der Reinste, Heiligste und Treueste ist, schenkt er nur lauteren, züchtigen und untadeligen Worten und Herzen Gehör. Daher war er in diesem Gottesdienst stets gnädig und gütig gegenwärtig: War es doch eine vollkommen unschuldige Vestalin, die das tat und die Flamme ihrer Gottergebenheit unablässig am Brennen hielt. Stets nahm er diese Gebete an: Wurden sie ihm doch von einer vollkommen reinen Jungfrau gleichsam als ihre Mitgift anvertraut. Stets kam er zu diesem Tempel: War doch sie selbst der Tempel und hatte sie doch die Keuschheit zur Hüterin und Vorsteherin gemacht. Und wer hätte nicht gleich auf den ersten Blick die göttliche Reinheit erkannt? Wer hätte die Tugendhaftigkeit in Frage gestellt, von der er dort so viele Merkmale finden, so viele Beispiele sehen konnte? Nichts Verweichlichtes gab es dort, nichts Müßiges, nichts Frivoles, nichts, was ihren eigenen Geist an Genußsucht gewöhnt oder den anderer dazu verführt hätte. Hätte man ihr Gesicht angesehen: Konnte es auch die Hoheit und die königliche Stellung, in die sie geboren war, nicht verleugnen, so sprachen doch ihr Erröten von ihrer Schamhaftigkeit, ihre Augen von ihrer Scheu. Hätte man ihr Auftreten betrachtet: Keine von jenen, die gemeinschaftlich der Welt entsagt haben, schreitet frömmer einher. Hätte man ihr Leben durchforscht: Man mag glauben, daß so die himmlischen Geister dort leben, wo sie selbst mit ihrem Herzen wohnte, solange sie noch bei uns war. Und nicht nur in stiller Frömmigkeit folgte sie dem Beispiel dieser Geister, sondern auch mit Gesang, Hymnen, Gotteslob und Musik. Darum hatte sie im Gemach, in der Halle überall so viele Orgeln, so viele Musikinstrumente, die sie mit Fingern, die allein Gott zu gefallen gelernt hatten, fehlerfrei und kunstfertig zu spielen und mit süßer Stimme zu begleiten pflegte. So wurde sie als Sterbliche noch im Leben in den Himmel entrückt, von dem die heidnischen Theologen und einige Volksstämme annahmen, daß sein Aufbau selbst Musik erzeuge, weshalb die ersteren bei den Opfern zur Besänftigung der himmlischen Mächte, die letzteren sogar bei Begräbnissen zu musizieren pflegten, weil sie glaubten, die Seelen kehrten zum Ursprung der Süße der Musik, das heißt zum Himmel, zurück. So brachte sie ihren Mund, rein und von keinem übermütigen Wort entweiht, Gott dar, der schon ihr Herz in Besitz genommen hatte, in das ebenfalls nicht ein einziger Gedanke an Wollust gedrungen war. Was gibt es sonst noch, was du verlangen könntest, der du diese Worte hörst? Vielleicht Demut und Umgänglichkeit, die man an Fürsten in dem Maße schätzt, in dem man bei Angehörigen der niederen Stände an Hochmut Anstoß nimmt? Jene aber beanspruchte für sich von dem gewaltigen Getöse ihres Geschickes und dem Glanz der Kronen und Titel nichts als eine durch bürgerliches Auftreten gemilderte Würde, von den Siegen und Triumphen der Ihren nichts als
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ratam fronte priuata dignitatem, ex victorijs suorum ac triumphis nihil nisi gaudium vendicabat et capacem humanae conditionis laetitiam. An frugalitatem? Vestes intra priuatum larem, vel sacrarium potius, mundae, elegantes: in publico regiae, atratae tamen ferè ac citra luxum. Mensa conuiuas excipienti non superba, sed benigna, liberalis et instructa grauitate: frugi aliàs epulae, cibusque nec aerario publico grauis nec stomacho. Gynae-[19]ceum ac famularum operae intra modestiae numerum; piae, veraces, pudicae. Tales enim et recipiebat solum, et exemplo suo magis faciebat. Nihil quidem suspecti, aut famae solum non optimae, cuius quidem conscia esset, circa se vnquam retinuit. Quam verò dulce illud, quam gloriosum, contubernium! Quanta illic censura morum, quis pudor, quod silentium, quae tranquillitatis imago et modestiae! Ita qui lucem aulae quaerebant, disciplinam domus priuatae inueniebant, et associatum principatui rigidum in vitia omnia dominatum. Temporis porrò rationem cum alteri reddere non cogeretur, à se ipsa exigebat, vt confidentius posset à suis. De precibus assiduis, de cantu et hymnis, de lectione in qua multa erat, nihil hic repeto. Caeterum horto inambulare, conserere arbustum, educare flores, herbas voluntarias legere, curam requirentes plantare, non ad vtilitatem minus quam ad diuerticulum animi ac oblectationem. Horum ingenia vsumque explorare, de ijs cum peri-[20]tis medicae artis, Italo quodam frequentius, sermonem conferre, alia flammis, alia condituris in alleuamentum infirmorum, qui eo tanquam ad sanitatem suam ac salutem indies prorepebant, cogere, succumque inde extrahere ac animam. Hoc autem thesauro suo, cui partem diei potius impendere, quam nugis et silentio perdere malebat, quantam liberalitatem exercuit ac munificentiam! Nullis hic precibus opus, nullo desiderio; et hoc primum egentibus dabatur, ne peterent. Gestiebat quippe promere, vocabat venire dubitantes, et, qui per valetudinem adesse non poterant, absentes iuuabantur. Praedicare sanè conscii rerum satis nequeunt, quam inusitata promptitudine et aegrotantibus remedia, et validis, sed inopibus, cibos largita sit, regium hoc subinde ingeminans: Lucrari sese munera sua, et inter gazam suam imprimis reponere, quodcunque necessitati
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Freude und den menschlichen Umständen angepaßte Heiterkeit. Verlangst du Mäßigkeit? Ihre Kleidung war in ihrem Haushalt, besser gesagt, ihrem Tempel, rein und elegant, in der Öffentlichkeit königlich, doch meist schwarz und ohne Prunk. Ihr Tisch war, wenn sie Gäste empfing, nicht prunkvoll, sondern einladend, großzügig und feierlich gedeckt; ansonsten waren ihre Mahlzeiten bescheiden, ihre Speise weder der Staatskasse noch dem Magen eine Last. Der weibliche Haushalt und die Zahl der Dienstmädchen lagen in den Grenzen der Bescheidenheit, und sie waren fromm, ehrlich und sittsam. Denn nur solche nahm sie auf, und durch ihr Beispiel verstärkte sie diese Züge noch. Nichts Anrüchiges oder was auch nur nicht im besten Ruf stand, jedenfalls soweit sie davon wußte, behielt sie jemals in ihrem Umfeld. Und wie wahrhaft angenehm, wie ehrenvoll war das Leben in dieser Hausgemeinschaft! Welche Sittenstrenge herrschte dort, welche Sittsamkeit, welche Stille, welches Bild der Ruhe und Bescheidenheit! So fand, wer das Licht eines königlichen Hofes suchte, die Lebensweise eines Bürgerhauses und, verbunden mit der fürstlichen Stellung, eine unbeugsame Herrschaft über alle Laster. Obwohl sie keinem anderen über ihre Zeit Rechenschaft schuldig war, verlangte sie diese Rechenschaft stets von sich selbst, damit sie sie mit größerem Selbstbewußtsein auch von ihrer Dienerschaft verlangen konnte. Von ihren beständigen Gebeten, ihren Liedern und Hymnen sowie ihrer Lektüre, der sie viel Zeit widmete, wiederhole ich hier nichts. In der übrigen Zeit spazierte sie im Garten, legte eine Baumpflanzung an, zog Blumen, sammelte wild wachsende Kräuter und pflanzte andere, die Pflege benötigen, nicht weniger des Nutzens wegen als um sich zu zerstreuen und zu erfreuen. Gerne untersuchte sie die Eigenarten und Nutzanwendungen dieser Kräuter, besprach sich über sie mit Heilkundigen, besonders häufig mit einem bestimmten Italiener, gewann aus ihnen, teils durch Verbrennen, teils durch Einlegen, Linderungsmittel für die Kranken, die sich täglich wie zu ihrer Heilung und Rettung dorthin schleppten, und extrahierte aus ihnen Saft und Lebenskraft. Doch wie großzügig und freigebig ging sie mit diesem ihrem Schatz um, dem sie lieber einen Teil des Tages widmen wollte, als diese Zeit mit Nichtigkeiten und in Muße zu vergeuden. Keine Bitten waren hier vonnöten, kein Wunsch; zuvor schon wurde es den Bedürftigen gewährt, damit sie nicht darum zu bitten brauchten. Sie sehnte sich geradezu danach, ihre Heilmittel hervorzuholen, sie rief die, welche noch zu kommen zögerten, zu sich, und wer wegen seiner Krankheit nicht erscheinen konnte, dem wurde von ferne geholfen. Wer mit diesen Abläufen vertraut war, kann gar nicht genug die seltene Bereitwilligkeit loben, mit der sie an die Kranken Medizin und an die Gesunden, aber Armen Essen verschenkte, wobei sie gelegentlich dieses Königswort wiederholte: Ihre Geschenke seien ihr eigener Gewinn, und zu ihrem Schatz rechne sie vor allem all das, was sie für die Bedürftigkeit der Armen aufwende. Auch die gelehrten Studien förderte sie, die
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pauperum applicaret. Studia etiam doctrinae, ipsa linguarum aliquot, ac inter eas Latinae, minimè ignara, largitionibus [21] sacris prosecuta est, et cultores literarum egregie charos habuit ac eximiis multoties liberalitatibus adiuuit. Hoc quoque pro mente qua praedita erat pientissima: neque circumspectè minus et prudenter. Nam cum gratitudinis modus sit non vnus: à Musis, quae diuitias quidem quas iactitent non habent, ea benefici ac amantes illarum expectare possunt, quae raro adsunt vel opulentissimis. Me auctore quidem vindicare sese eruditae animae satis possent, si eorum, à quibus vel omnes vel singuli opprimuntur aut ludibrio et despectui habentur, in monimentis ingenii sui mentionem pari fastidio nunquam facerent. Sed plerumque quibus literae sordent de existimatione etiam sua, et quid post excessum suum de se dicturi sint homines, parum laborant. Donabat denique et aliis, aut merentibus, aut bonis, aut quòs reddere se bonos posse confidebat. In domesticos etiam suos nullum largitionis et beneficentiae, genus vnquam omisit. Nobiles [22] praesertim puellas suas, super alias donationes, amplissima dote ad coniugia nonnunquam prouexit: quarum vna, forma et generis antiquitate conspicua propè lectulum decumbentis, in nouissima quamuis valetudine, iungi suo ac dicari voluit. Sed quis heroicas Principis exactissimae virtutes, quibus admirabilia veteris probitatis exempla multis modis superauit, quis iustitiam eius, sapientiam, aequitatem, abstinentiam, eundem in vtraque fortuna vultum, et tot tantasque dotes includere verborum angustiis audeat? Me et numerus et magnitudo absterret, gnarum iis quae sermone exprimi non possunt, venerationem rectius deberi et religiosum silentium. Patientiae imprimis suae et fortitudinis, morbo tandem corporis implicata diuturno ac pertinaci, documentum insigne dedit. Decerpebat quotidie ex viribus aliquid febris molesta primò, remissior inde aliquandiu, sed quam languores alii vertente anno et pericula sequebantur. [23] Illa tamen solita munia non deserere, non aut assiduitati lectionum aut officijs deesse: accedere templum, virecta petere, instruere pharmacopolium, interque cogitationes adeò de sua morte infirmitati alienae consulere, medicorum vt opem ac consilia non aspernari, ita, cum ab initio sta-
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selbst mehrerer Sprachen, darunter des Lateinischen, keineswegs unkundig war, mit Schenkungen; Liebhaber der Wissenschaften schätzte sie sehr und unterstützte sie oft mit außergewöhnlicher Großzügigkeit. Auch das entsprach dem frommen Geist, mit dem sie begabt war, und war zugleich nicht weniger umsichtig und klug. Denn da es ja nicht nur eine Art von Dankbarkeit gibt, können von den Musen, auch wenn sich diese keiner Reichtümer brüsten können, deren Wohltäter und Verehrer dies erwarten, was gerade den Wohlhabendsten selten zur Verfügung steht. Meiner Meinung nach jedenfalls könnten sich die Gelehrten hinreichend rächen, wenn sie derer, von denen sie entweder alle oder als einzelne niedergehalten oder verspottet oder verachtet werden, in den Denkmälern ihres Geistes mit gleicher Schnödigkeit niemals Erwähnung täten. Aber meistens kümmern sich diejenigen, welche das geschriebene Wort verschmähen, auch so gut wie gar nicht um ihren Ruf und darum, was die Menschen nach ihrem Tod über sie sagen werden. Unsere Fürstin jedenfalls beschenkte auch andere Menschen, verdiente, gute oder solche, von denen sie zuversichtlich war, daß sie sie zu guten machen könnte. Auch gegenüber ihrer Dienerschaft ließ sie keine Gelegenheit zur Freigebigkeit und Wohltätigkeit jemals ungenutzt. Besonders ihren adligen Mädchen verhalf sie zuweilen, über die anderen Geschenke hinaus, mit einer üppigen Mitgift zu einer Heirat. Eine von ihnen, die sich durch ihre Schönheit und das Alter ihrer Familie auszeichnete, wollte sogar noch neben der Lagerstatt der in ihrer letzten Krankheit Darniederliegenden ihrem Gatten verbunden und zugesprochen werden. Doch wer würde wagen, die heldenhaften Tugenden dieser vollendeten Fürstin, mit denen sie die bewundernswerten Beispiele althergebrachter Rechtschaffenheit auf viele Weise übertraf, in dürre Worte zu fassen, wer ihren Gerechtigkeitssinn, ihre Weisheit, ihre Geduld, ihre Uneigennützigkeit, ihre Gefaßtheit in Freud und Leid und ihre vielen anderen Gaben? Mich läßt ebenso deren Zahl wie ihre Größe davor zurückschrecken, da ich weiß, daß man Dingen, die mit der Sprache nicht auszudrücken sind, eher Ehrfurcht und frommes Schweigen schuldig ist. Besonders ihre Leidensfähigkeit und Tapferkeit bezeugte sie in hohem Maße, als sie schließlich von einer langwierigen und hartnäckigen physischen Krankheit heimgesucht wurde. Täglich zehrte das Fieber an ihren Kräften, das, zuerst beschwerlich, dann eine Zeitlang nachließ, dem aber nach Jahresfrist andere Schwächungen und Gefahren folgten. Trotzdem ging sie weiter ihren gewohnten Aufgaben nach und entzog sich weder ihrer regelmäßigen Lektüre noch ihren Pflichten: Sie ging in die Kirche, suchte ihre Pflanzungen auf, bestückte ihre Apotheke, und inmitten zumal der Gedanken an ihren eigenen Tod sorgte sie sich um die Gesundheit anderer. Wenn sie auch Hilfe und Rat der Ärzte nicht veschmähte, so war sie doch, da sie sofort von Anfang an das vermutet hatte, was dann eintrat, vor allem auf das Eine bedacht: Sie folgte mit dieser Standhaftigkeit dem Beispiel derer, die auf
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tim id quod euenit suspicaretur, in vnum maximè intenta esse: eorum hac constantia exemplum imitata, qui in altum prouecti inter minantes interitum fluctus, incumbentibus pelago remigibus, satagentibus nautis ac artem suam omnem aduocantibus, sereno tempestatum aduersa vultu excipiunt, ac id quod fors cogit magno animo expectant et patiuntur. Nec illam tot pretia viuendi, honores, dignitas, rumor honestissimus, conscientia optima, successus suorum et auctoritas regia morabantur: nihil quippe illi longius, quam vt videret hanc diem, qua per mortem omnium rerum postremum beatissimo spirituum aethereorum, quos sanctimonia vitae hic expresserat, consortio et societati iungeretur. [24] Ad Deum itaque, supplicationibus suorum vinci semper adsuetum, tota conuertit, secura dehinc de humanis, quae meditata illi dudum fuerant omnia. Ac ne quid ad promptitudinem hinc abeundi deesse videretur, corollam, quam capiti suo post efflatam animam applicari vellet, auxilio vnius ex puellis honoratioribus, contexuit suis ipsa manibus ac concinnauit. O virilem in tam tenero corpore animum! O validum pectus in extremo languore! Scias illam victoriae certam fuisse, quae certaminis ornatum ante ipsum assignare sibi tanta fiducia et decernere potuit. At quò fila haec aurata, Princeps felicissima? quò hi elenchi vnionum? hae delitiae gemmarum et insertae? Aliter constant haec sacra, ô beata! Ecce editorem horum Agonaliorum Deum, cui virtutem tuam semper probasti! Ecce sodalitium tuum, factionem albatam, animas coelo asscriptas, et ab omni agitatorum officio, nisi qua parte summus Munerarius laudandus est, aeternum exemptas! Ecce victoriam de vanitate humana, de [25] inuidia, de morbis, de mortalitate, cuius nullum in te amplius imperium est! Ecce praemium tuum, gloriam nulli oculo visam, nulli auri perceptam, nulli voci redditam, nec menti humanae vlli comprehensam! Vicisti, ANNA, vicisti, eoque nunc regno frueris, cuius sors extra impotentiam dominandi, fraudes ac conspirationes, aemulationem, armorumque et pacis iniurias longe posita est. Inspicis iam felicem illum librum, cui inscripta inter haeredes coeli, nomina sanctissima, dudum fuisti. Plantata es in hortum immortalitatis, inserta arbori salutis, propagata ad scaturigines aquarum
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hoher See in den lebensbedrohlichen Fluten, während die Ruderer sich der See entgegenstemmen und die Matrosen alle Hände voll zu tun haben und ihre ganze Kunst aufbieten, das Rasen des Sturmes mit heiterer Miene aufnehmen und das, was das Schicksal erzwingt, hochherzig erwarten und erdulden. Nicht einmal die vielen Belohnungen, die das Leben für sie bereit hielt, wie ihre Ehrentitel, ihre würdevolle Stellung, ihr untadeliger Ruf, ihr reines Gewissen, der Erfolg ihrer Familie und das hohe Ansehen des Königtums konnten sie zurückhalten: Erschien ihr doch nichts länger als die Ausschau nach dem Tag, an dem sie durch den Tod aller irdischen Teile endlich der seligen Gemeinschaft und Gesellschaft der himmlischen Geister, die sie uns durch die Reinheit ihres Lebenswandels schon hier vor Augen gestellt hatte, hinzugesellt würde. So wandte sie sich ganz an Gott, der sich stets von den Bitten der Seinen erweichen läßt, ohne daß sie sich um ihr menschliches Los Sorgen machte, auf das sie sich schon längst im Geiste zur Gänze vorbereitet hatte. Und damit ihr nichts an der Bereitschaft, von hier zu scheiden, zu fehlen scheine, flocht und formte sie selbst einen kleinen Kranz, von dem sie wollte, daß er ihr, nachdem sie ihre Seele ausgehaucht hatte, auf das Haupt gesetzt würde, mit der Hilfe nur einer ihrer Ehrendamen mit ihren eigenen Händen. Welch mannhafter Geist in solch zartem Leib! Welch starkes Herz in der letzten Schwäche! Man mag daraus erkennen, wie gewiß sie ihres Sieges war, da sie sich mit solcher Zuversicht den Siegespreis noch vor dem Kampf zuerkennen und erteilen konnte. Doch wozu diese Goldfäden, glückselige Fürstin? Wozu diese Perlenketten? Diese eingewebten erlesenen Steine? Diese Mysterien sind anderer Art, du Selige! Schaue auf Gott, den Stifter dieser Wettkämpfe, dem du stets deine Tugend bewiesen hast! Schaue auf deine Kampfgefährten, die Gruppe in Weiß, die dem Himmel schon zugeschriebenen Seelen, die von jeder Pflicht der Wagenlenker befreit sind, außer insoweit, als der höchste Stifter des Spiels auf ewig zu loben ist! Schaue auf deinen Sieg über die Eitelkeit der menschlichen Dinge, über den Neid, die Krankheiten, die Sterblichkeit, die über dich keine Macht mehr haben! Schaue auf deinen Lohn, den Ruhm, den kein Auge gesehen, kein Ohr vernommen, keine Stimme wiedergegeben und kein menschlicher Geist erfaßt hat! Gesiegt hast du, ANNA, gesiegt, und nun genießt du das Königtum, dessen Geschick weit außerhalb der Zügellosigkeit des Herrschens, außerhalb der Betrügereien und Verschwörungen, der Mißgunst und des Unrechts in Krieg und Frieden gerückt ist. Du liest bereits in jenem seligen Buch, in das du schon längst unter den Erben des Himmels, den heiligen Namen, eingetragen warst. Du bist gepflanzt in den Garten der Unsterblichkeit, dem Baum des Heils aufgepropft, fortgepflanzt zu den Quellen der Wasser des Lebens. Du besitzt jetzt die Güter, die, wie der, der sie austeilt, unwandelbar und ewig sind. Doch wenn deine Asche und was an sterblichen Überresten vorhanden ist auf Befehl des umsichtigsten der bisherigen Könige,
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viuentium. Ea nunc bona possides, quae, sicut ipse qui tribuit, immutabilia sunt et sempiterna. At cineres ac quantum tui superest quod iussu prouidentissimi retro Regum, Nepotis tui, qui absens etiam memoria tui gratissima exequias tuas ducit, marmorato teque digno monumento inferuntur, honori tuo pariter et pietati suae prospicit, ac quoniam qua se cura dilexeris recordatur, amicum etiam defunctae agit. [26] Illustrissimos quidem hos heroas, hos Proceres ac viros splendidissimos, hanc nobilissimorum amplissimorumque hominum concionem sepulturae tuae, pulcherrimo atque memorabili spectaculo, adesse quod voluit, hoc pignus esto obseruantiae, illius ac amoris quo te, necessitudine amitam, parentem affectu, vnicè ac ex animo prosequebatur. Nos autem quoties in florentissima vrbe ista, in hac basilica reliquiis tuis dehinc superbiore, arcam et requietorium tuum ac circumstructam illi aediculam intuebimur, toties et virtutum tuarum, et gratitudinis inuicti Regis, et fragilitatis nostrae memores erimus.
*** [A1r] LAVDATIO FVNEBRIS I LLVSTRISSIMI D OMINI FABIANI LIB. BARONIS A CEMA Castellani Culmensis ac Praefecti Stumensis: Auctore M ARTINO O PITIO THORVNII, Ex Officina Schnellboltziana, Ann. M . DC . XXXVI .
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deines Neffen, der sogar abwesend in dankbarster Erinnerung an dich deinen Leichenzug anführt, in ein marmornes und deiner würdiges Grabmonument gebracht werden, so sieht er damit gleichzeitig auf deine Ehre und seine Familienpflicht, und weil er sich daran erinnert, mit welcher Sorge du ihn umhegt hast, tut er es auch als Liebesdienst für die Verstorbene. Daß er wollte, daß diese erlauchten Herrschaften, diese Vornehmen und diese ruhmvollen Männer, diese Versammlung der edelsten und bedeutendsten Menschen an deiner Bestattung, dem ruhmvollsten und denkwürdigen Schauspiel, teilnehmen, sei dir ein Beweis seiner Ehrerbietung und Liebe, mit welcher er dich, der Verwandtschaft nach eine Tante, der Zuneigung nach eine Mutter, in einzigartiger Weise und aus ganzem Herzen geleitete. Wir aber werden, sooft wir in dieser blühenden Stadt, in dieser Basilika, die hinfort dank deiner Reliquien noch erhabener sein wird, deinen Sarg und deine Ruhestätte und die darum erbaute Kapelle erblicken, deiner Tugenden, der Dankbarkeit des unbesiegbaren Königs und unserer eigenen Hinfälligkeit gedenken. [R.N.]
*** Leichenrede zu Ehren des hocherlauchten Herrn Fabian Freiherrn von Cema Kastellan von Kulm und Präfekten von Stuma verfaßt von Martin Opitz. Thorn, aus der Druckerei Schnellboltz. Im Jahre 1636.
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[A1V ] I LLVSTRISSIMO D OMINO SIGISMVNDO GVLDENSTERN LIBERO BARONI in Fogeluick et Lündelholm, P OTENTISSIMI P OLON. S VECIAEQVE R EGIS CVBICVLARIO, Consecrat Splendidissimo Nomini Eius dicatissimus M ART. O PITIVS.
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[1] PRraestantissimum esse, quod nobilissimum est, non heri demum aut ex opinione paucorum ac apud paucos fidem inuenit: sed et ab omni aeuo, et iudicio mortalium Censorio, et consensu populorum clarissimorum hactenus creditum fuit. Errare tamen viris sapientibus nonnulli, nescio quomodo, semper visi sunt, quibus blandum hoc fortunae humanae donum intra solos titulorum ac originis suae limites contineri videtur, quique, dum majorum splendorem superciliosè ac insolenti nouorum hominum, quorum nobilitas potissimum intra virtutem consistit, fastidio ostentent, auctoritati sese gloriaeque stemmatis sui satisfacere, sibi pariter ac alijs persuadere conantur. Nam vt in potestate nostra situm non est, quos sortiri quisque parentes velit, cum, vt forma, diuitiae atque id genus reliqua, sorte fato-[2]que dentur ipsi: ita, nisi animum natalibus exaeques, ac honores fortitudine maiorum, prudentia, factis egregiis partos meritis tuis conserues, augeas, propages, neque retines quod accepisti, neque acquiris ipse quod supersit post te ac aetatem ferat. Illos verò dignos sese auitis laudibus reddere, ac generositatis suae patrocinium suscipere optimum, extra controuersiam est, qui aut non suam minus quam parentum gloriam nominis sui haeredibus, si quos ha-
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Dem hocherlauchten Herrn Sigismund Güldenstern Freiherrn in Foglavick und Lindholmen Kammerherrn des hochmögenden Königs von Polen und Schweden weiht dies in tiefster Ergebenheit vor dessen so glanzvoller Person Martin Opitz. Daß das Erlauchteste ist, was das Adeligste ist, fand nicht erst seit gestern oder aufgrund der Überzeugung weniger und bei wenigen Glauben; sondern sowohl von jedem Zeitalter, als auch nach dem kritischen Urteil der Sterblichen und den übereinstimmenden Äußerungen der berühmtesten Völker wird dies bis heute so angenommen. Dennoch scheinen für die Weisen manche Leute in gewisser Weise zu irren; und zwar solche, denen dieses angenehme Geschenk menschlichen Glücks auf die alleinigen Bereiche von Titeln und ihrer Abstammung begrenzt zu sein scheint, und die, während sie den Glanz der Vorfahren mit Anmaßung und mit rücksichtsloser Verachtung der gesellschaftlich Aufgestiegenen, deren Adel vor allem in Leistung besteht, zeigen, sich selbst wie anderen einzureden versuchen, sie verhielten sich ihrem Ansehen und ihrem ruhmreichen Stammbaum gemäß. Denn wie es nicht in unserer Macht steht, uns unsere Eltern auszusuchen, wie uns körperliche Beschaffenheit, Reichtum und die anderen Dinge dieser Art durch Los und Geschick zugeteilt werden; so hältst du, wenn du nicht dein Inneres auf die Höhe des angeborenen Standes hebst und die durch Tapferkeit, Klugheit und außerordentlichen Taten der Vorfahren erworbenen Ehren durch deine eigenen Verdienste bewahrst, vermehrst, erweiterst, weder fest, was du erworben hast, noch fügst du selbst etwas hinzu, was dich überdauern und der Vergänglichkeit trotzen könnte. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß jene sich des ererbten Ansehens würdig erweisen und die beste Obhut für ihre adlige Abstammung bieten, die entweder nicht weniger ihren eigenen als den Ruhm der Eltern den Erben ihres Namens, wenn sie welche haben, hinterlassen, oder, wenn sie keine haben, sich wenigstens durch eifriges Streben nach Beifall und ehrenhafte Lebensführung einzig und allein darum bemühen, daß der Tod nichts des ihren, außer der uralten Ahnenbilder, was er zusammen mit dem Körper vernichten könnte, finde, er, der weder Herkunft, noch Rang, Vermögen, oder was auch immer wir gemeinhin rühmen und bewundern, zu schätzen und zu beachten pflegt. Wenn der erlauchte Herr, dessen Begräbnis wir
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bent, relinquunt; aut, si nullos habent, eò saltem laudis studio vitaeque honestate unicè contendunt, ne quid sui, praeter imagines auitas, quod vna cum corpore abolere possit mors, inueniat, quae neque genus, neque dignitatem, neque opes, aut quicquid iactamus vulgo et miramur, aestimare solet ac respicere. Hanc nisi rationem et Vir Illustrissimus, cuius exequias nunc celebramus, et proavi eius splendidissimi secum subduxissent, gloriosum à tot annis Cemarum in his oris nomen eidem quo ossa haec ac reliquiae sepulchro, profundaeque adeò nocti, mandaretur. Sed [3] benè habet. Viuunt gestarum rerum beneficio magni maiores, vigent meritis in rempublicam, versantur inter nos iugi recordatione, ac quorum cineres communis omnium parens tellus obruit, eorum gloria per annosos longè temporum tractus latéque extenditur. Non exspatiabor in vastum hunc dicendi campum, et vetera familiae ornatissimae decora, quae cùm alias nota, tùm in Annalibus huius Prouinciae testata sunt, conquiram, aut à positis nunc inter bonum pacis et armorum aleam Hermunduris, vnde fontem antiquitus illa trahit, operoso conatu petam: ne dum laudare defunctum constitui, summam praeconii in eiusmodi ponere videar rebus, quae inter aliena ipse, inter inania, vanaque semper numerauit. Ad propiora igitur veniendum est. Auum paternum ac patrem, cognominem suum, Mariaeburgenses Palatinos; Pomeraniae verò Patris ac suum Patruum habuit: quae dignitas vt summae in hoc Regno potestati proxima, ita sub bonis regibus, ac quales Principatum à multis hucusque annis rara [4] Reipublicae felicitate obtinuerunt, virtutum, fidei atque illustrium domi militiaeque meritorum pretium ac testimonium est. A Matre Catharina, insignis exempli ac pudicitiae fœmina, Pissinsciani generis, equestri nobilitate vetustissima clari, nitorem duxit. Sed hoc minimum est eorum quae parentibus debuit. Quippe cum ea naturae praestantia illum ac ingenij dotibus praeditum esse cernerent, vt et aetatem iis primam et quemuis statim aequalium facilè excederet, praeter solicita pietatis monita (de qua ne dicendum quidem autumo, cum teterrimos esse oporteat, qui liberorum hic rationem non habent) omni eum statim cultu optimarum
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jetzt begehen, und seine glanzvollen Ahnen diesen Gedanken nicht bei sich erwogen hätten, dann würde der seit so langer Zeit in der hiesigen Gegend berühmte Name der Familie Czema demselben Grab wie diese Gebeine und sterblichen Überreste anheimgegeben werden, und damit gar der tiefen Nacht. Aber damit hat’s keine Not. Dank ihrer Taten leben die großen Vorfahren weiter, sie stehen in Ansehen durch ihre Verdienste gegenüber dem Staat, sie weilen unter uns durch beständige Vergegenwärtigung, und sie, deren Asche unser aller gemeinsame Mutter, die Erde, überdeckt hat, deren Ruhm dehnt sich durch die vieljährigen Läufe der Zeit weit und breit aus. Aber ich will keinen Ausflug in dieses für eine Darstellung unermeßliche Feld unternehmen, und den alten Ruhmestiteln dieser glanzvollen Familie nachspüren, die zum einen ohnehin bekannt sind, zum andern auch in den Annalen unserer Provinz beglaubigt werden, oder von den nunmehr zwischen das Glück des Friedens und das Glücksspiel des Krieges geworfenen Hermunduren, woher jene Familie von alten Zeiten her ihren Ursprung herleitet, in mühsamem Versuch erfragen, damit ich nicht, während ich im Begriff stehe, den Verstorbenen zu rühmen, den Hauptpunkt meiner Lobrede auf Dinge solcher Art zu legen scheine, die er selbst immer unter die ihm fremden, nichtigen und wertlosen gezählt hat. Ich muß also auf die jüngere Vergangenheit zu sprechen kommen. Sein Großvater väterlicherseits und sein Vater, mit ihm gleichen Vornamens, waren Woiwoden von Marienburg, der Onkel seines Vaters und sein eigener Onkel waren Woiwoden von Pommerellen. Diese Würde ist nicht nur die nächste nach der höchsten Macht in diesem Königreich, sie ist auch unter guten Königen und solchen, die im Lauf vieler Jahre bis heute zu seltenem Wohlergehen der Allgemeinheit die erste Stelle innehatten, Belohnung und Beweis für besondere Vorzüge, für Zuverlässigkeit und hervorragende Verdienste in Krieg und Frieden. Von Katharina, seiner Mutter, einer ganz musterhaften, ganz sittsamen Frau aus der Familie Pissinsky, die sich seit ältesten Zeiten durch ihre Zugehörigkeit zum Ritterstand auszeichnet, hatte er das glänzende Äußere. Aber das ist das Geringste von all dem, was er seinen Eltern verdankte. Denn weil sie sahen, wie er mit so großer natürlicher Vortrefflichkeit und so großen Verstandesgaben ausgestattet war, daß er damit über seine kindlichen Jahre hinausgriff und sogleich jeden beliebigen seiner Alterskameraden mit Leichtigkeit übertraf, erzogen sie ihn – außer besorgten Ermahnungen zum Pflichtgefühl (über das, meiner Meinung nach, zu reden nicht nötig ist, da ohne Zweifel diejenigen äußerst widerwärtig sind, die hier nicht an ihre Kinder denken) – sogleich auch durch jeden Unterricht in den artes liberales und durch (soweit diese bei Knaben schon möglich ist) Disziplin, und zwar gleichermaßen durch ihre eigene Vorbildlichkeit und genaueste Anweisungen. Es gab damals, und sie hat auch bis jetzt nicht aufgehört zu existieren, eine Stadt, die wegen außerordentlicher Zierden, nämlich der dort ansässigen Familien
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artium ac, quanta cadere in pueritiam potest, virtute, exemplo pariter suo et praeceptis accuratissimis, imbuerunt. Erat tum, neque nunc existere desijt, ob egregia quaedam decora ac ciues suos Rhedigeros, Fersios, Monauios, Vrsinos pluresque alios, et singularem in ludis literarijs dexteritatem docendi ac solertiam, clara imprimis, gemma nobilium Germaniae vrbium, quot-[5]quot tales adhuc atrocissima belli iniuria esse sinit, Vratislauia. Huc missus tantum breui in literis processum fecit, vt ingenii ac industriae suae amorem palam omnibus excitaret. Quae existimatio etiam in tranquillum illud olim Musarum domicilium, nunc hostium amicorumque diuersorum stationibus ac obsidiis feraliter vastatum, Franconofurtum ad Viadrum, socio studiorum ac comite Iohanne Czimmermanno, Proconsule iam Thorunensium ciuitatis Amplissimo, viro optimè de patria merito, adeò eum comitata est, vt non consideratione minus tantae virtutis, quam ex more Academiarum Rectoris officium illi collatum fuerit, cuius administratione annua tam honestae de se opinioni modis omnibus respondit. Quoniam verò peregrinatione cauta non mediocre earum quas affectabat virtutum emolumentum acquiri, Italiam verò matrem prudentiae communi quodam consensu haberi, animaduertebat, perlustratis prius regionibus aliquot aliis, eo potissimum se contulit, tanto quidem cum fructu suo, vt con-[6]tracta cum viris illic praecipuis notitia, cognito rerumpublicarum statu ac diuersitate, exploratis variis mortalium ingeniis, moribus, iudiciis, excellentes naturae suae dotes insigni rerum experientia vsuque, praeter perceptam ex contemplatione ruderum vetustatis, et tot populorum ac vrbium, honestissimam voluptatem, auxerit immane quantum ac exornauerit. Fuerat parens eius à multis annis apud optimum rerum humanarum Principem, Conseruatorem Libertatis, Rudolphum eius nominis secundum, non tam ex solita diuinae domus Austriacae clementia, quam meritis suis longè gratiosissimus. Cum itaque in Germaniam noster rursum concessisset, ac aulam illius salutasset, qui parentis intuitu ad salutationem Imperatoris, admissionis aliàs rarae, introductus fuerat, suarum mox virtutum beneficio non secus atque ille
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Rhediger, Fersy, Monau, Ursini und vieler anderer und wegen der einzigartigen didaktischen Gewandtheit, ja Geschicklichkeit ihrer Gymnasien besonders angesehen war, das Juwel unter den hervorragenden Städten Deutschlands, wie viele davon die schreckliche Gewalttätigkeit des Krieges noch bestehen läßt: Breslau. Hierhin gesandt, machte er innerhalb kurzer Zeit so große Fortschritte in seiner Bildung, daß er öffentlich vor allen Leuten Liebe zu seiner Begabung und seinem Lerneifer erweckte. Diese Hochachtung begleitete ihn so sehr auch an jenen einstmals beschaulichen Sitz der Musen, der jetzt durch Einquartierungen und Belagerungen von verschiedenen feindlichen und verbündeten Truppen gräßlich verwüstet ist, nach Frankfurt an der Oder – sein Studiengenosse und Begleiter war Johannes Czimmermann, nunmehr hochgeachteter ehemaliger Bürgermeister von Thorn, ein um seine Vaterstadt hochverdienter Mann – mit dem Erfolg, daß ihm nicht weniger in Erwägung seiner Vorzüglichkeit als nach akademischer Sitte das Amt des Rektors übertragen wurde, in dessen ein Jahr dauernder Verwaltung er der ehrenvollen Meinung über ihn in jeder Beziehung entsprach. Weil er aber einsah, daß sich durch eine wohlüberlegte Reise ein beträchtlicher Gewinn an Fähigkeiten, die er anstrebte, erreichen lasse, daß aber bei allen übereinstimmend Italien als Mutter des Wissens gelte, begab er sich – nachdem er zuvor durch einige andere Gegenden gereist war – dorthin als zu seinem wichtigsten Ziel, und das wahrhaftig mit so großem Erfolg, daß er, nachdem er dort die Bekanntschaft mit hervorragenden Männern gemacht hatte, sich mit dem Zustand und der Verschiedenheit der Staaten vertraut gemacht hatte, die unterschiedlichen Charaktere, Sitten und Meinungen der Menschen erkundet hatte, die herausragenden Gaben seiner Natur durch ausgezeichnete Erfahrung und Gebrauch in bezug auf alle Gegenstände, nächst dem aus der Betrachtung antiker Ruinen und so vieler Völker und Städte gewonnenen ehrbaren Vergnügen, ungemein vermehrte und verzierte. Sein Vater war seit vielen Jahren bei dem vortrefflichen Herrn der Welt, dem Beschützer der Freiheit, Rudolf, seines Namens der zweite, nicht so wegen der überkommenen Milde des erhabenen Hauses Österreich als vielmehr wegen der eigenen Verdienste. Nachdem also der Mann, über den wir sprechen, wieder in Deutschland eingetroffen war und an dessen Hof seine Aufwartung gemacht hatte, der mit Rücksicht auf den Vater zur Audienz beim Kaiser – eine Erlaubnis, die sonst selten erteilt wird – zugelassen worden war, wurde er bald dank seiner Vorzüge dem gründlichen Erforscher der Herzen ebenso teuer wie jener, und er blieb auch eine Zeitlang dort, hingezogen vor allem zur Bewunderung der wegen ihrer Kenntnisse auf militärischem oder zivilem Gebiet hochangesehenen Männer, die aus der ganzen Welt die wohlwollende Wißbegier des verewigten Kaisers, die alle Merkwürdigkeiten zu erforschen suchte, zu sich berufen hatte. Als er seiner Heimat wiedergeschenkt und bei dem verewigten König S IGISMUND eingeführt worden war,
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charus exploratori iudiciorum acerrimo factus est, ac temporis etiam aliquantum illic posuit, raptus imprimis in admirationem celeberrimorum ob belli pacisque artes virorum, quos ex toto [7] Orbe terrarum benigna Diui Caesaris, insolita quaeque rerum conquirentis, curiositas, ad se pertraxerat. Patrio cœlo redonatus, ac Diuo S IGISMVNDO Regi insinuatus, à cubiculo ei esse statim cepit, ac non mediocrem in eius gratia locum tenuit. Fidem verò suam industriamque cum expeditione Liuonica, periculosa ea grauique, tum Republica non leuius turbis ciuilibus ac motu intestino exercitata, Regi Optimo imprimis probauit, ac ad partes, neglecto vitae fortunarumque discrimine, neutiquam transiit. Itaque Rex, de cuius ingratitudine nemo vnquam questus est, praestitae animo firmissimo operae industriaeque non immemor, et Satrapia eum Stumensi donauit, et alijs super alias liberalitatibus prouexit. Hoc integritatis, fidei ac diligentiae pretium fuit: at prudentia etiam sua cum exsplendesceret, meritus est et maiora. Nam vt illa respublicae nullae carere possunt, ita haec in inclita ista republica nec vendi, nec dari solent immerentibus. Intra ipsa aetatis primordia penetrauerat se [8] in literas altissimè, peregrinationibus varijs ac consuetudine multorum perspicacitatem hauserat singularem, subtile natura iudicium artibus aulae ac intentione sedula limatius reddiderat, adeò vt illi in consilijs nec dandis ingenua calliditas, nec exequendis dexteritas vlla defutura videretur. B ONVM F ACTVM hoc Regi visum: exornatur legationibus, adhibetur cum Prouincialium curiatis tum regni ac omnium Ordinum comitijs, sacris Tribunalium cognitionibus adesse iubetur. Tanta verò et prouidentia quod voluit obtinuit, et sapientia sententiam suam protulit, et grauitate ius dixit, vt magnitudinem omnium horum locorum pro dignitate semper impleuerit. Huius vigilantiae, integritatis ac sanctimoniae ergò in Senatorium Ordinem splendidissimum allectus, ac Praefecturam Culmensem consecutus est. Videbatur iam ad solidam paenè felicitatem nihil eius deesse quod mortalibus imputari solet: accedebat igitur ea quoque, quam Numini summo, cui quidem et re-[9]liqua, imprimis tamen debemus. Assumitur in partem tori rarissimi exempli
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wurde er sogleich sein Kammerherr und nahm in seiner Gunst einen hohen Platz ein. Aber seine treue Ergebenheit und Tatkraft bewies er diesem vortrefflichen König sowohl bei der livländischen Expedition, einem gefährlichen und schwierigen Unterfangen, und noch mehr, als das Land ebenso schwer von Aufständen und inneren Unruhen bedrängt war, und ging ohne Rücksicht auf Gefahren für sein Leib und Leben, Hab und Gut, auf keine Weise zu einer der Parteien über. Daher schenkte ihm der König, über dessen Undankbarkeit sich niemand je beklagt hat, im Gedenken an die mit unwandelbarem Sinn bewiesene Einsatzbereitschaft und Eifer die Präfektur von Stuhm und erhob ihn mit immer neuen Beweisen seiner Großzügigkeit über die anderen. Das war die Belohnung für seine Integrität, seine Treue und seine Sorgfalt; da er aber auch durch seine Klugheit glänzte, bekam er zu Recht noch höhere Ämter. Denn wie keine Staaten ohne jene Tugenden auskommen können, so pflegen diese Ämter in diesem angesehenen Staat weder verkauft noch an Unwürdige vergeben zu werden. In seiner frühesten Jugend hatte er sich gründlichst in die Wissenschaft vertieft, durch verschiedene Auslandsaufenthalte und beständigen Umgang mit Vielen hatte er sich einen einzigartigen Scharfsinn erworben, sein von Natur aus feinsinniges Urteilsvermögen durch die Fähigkeiten, die man bei Hofe erwirbt, und durch angestrengten Fleiß verfeinert, so daß es offensichtlich war, ihm werde weder im Erteilen von Ratschlägen die edle Gewandtheit noch in der Ausführung die Geschicklichkeit auch nur im geringsten Maße fehlen. Darin sah der König ein G UTES O MEN : Er beauftragt ihn mit glanzvollen Gesellschaften, beruft ihn sowohl in die Landtage der Provinzen als auch in erster Linie in die Versammlungen des Reichs und aller Stände und bestimmt ihn zum Beisitzer in den geistlichen Gerichten. Er setzte aber seine Absichten mit so großer Klugheit durch, trug seine Überzeugungen mit so großer Weisheit vor und sprach Recht mit so großer Würde, daß er der Höhe all dieser Ämter je nach ihrem Rang immer in vollem Maße gerecht wurde. Aufgrund dieser unermüdlichen Tätigkeit, dieser Integrität und Gewissenhaftigkeit wurde er in den glanzvollen Rang eines Senators erhoben und bekam die Präfektur Kulm. Es schien, daß nunmehr zum fast vollkommenen Glück nichts an dem fehle, was den Menschen gewöhnlich zugewiesen wird. Nun aber trat noch dasjenige hinzu, das wir doch besonders Gott dem Allmächtigen verdanken, dem wir allerdings auch das Übrige verdanken: Er nimmt zur Ehefrau ein Mädchen von seltener Musterhaftigkeit und von einzigartiger Sittsamkeit, Katharina, eine Tochter des hocherlauchten Herrn Andreas, Grafen Leszczy´nski, Woiwoden von Brest, dessen militärische Tüchtigkeit und Ruhm, der bereits zu Zeiten der Herrschaft des Königs Stephan entstanden war, den Gipfel höchster Anerkennung übertraf. Sie war eine Schwester Raphaels, des Woiwoden von Belz, eines bedeutenden Mannes, welcher der Hand ein Verweilen gebietet, sosehr man sich um knappe Schreibweise bemü-
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et singularis pudicitiae puella Catharina, Illustrissimi Comitis Lesnensis ac Brestensis Palatini Andreae, cuius virtus militaris et gloria, sub Principatu S TEPHANI Regis cœpta, maximorum honorum fastigia transcendit, filia: Soror Raphaëlis Palatini Belzensis, viri magni ac qui manum quamuis scribendi compendia sectanti iniicit, neque sine cura dicendus est. Generosissima familia ac venerandae vetustatis: Comitum dignitas à F RIDERICO III. Imperatore, si memini, in maiores nobilissimorum factorum ergò collata. Ipse iudicio purissimo, doctrina vltra consuetudinem tanti culminis, ingenio propè diuino praeditus. Famae insuper gloriosissimae, atque praecipuis saeculi ac Europae viris, Caesaribus etiam, Regibus, Principibus ob virtutes et ingentia merita commendatissimus. De functionibus autem eius benè et è Republica semper actis quid dicam? Qua moderatione, quo vigore mentis, quanto sapientiae [10] praeconio tempore difficilimo negotijs omnibus adfuit? Qua comitate fugientes alibi barbariem et contemptum Musas inuitauit, quaeque beneficia in eos, quorum eruditio ac studia literarum solae diuitiae sunt, munificentia largissima contulit? Quid illo ad diuersa volentes animos conciliandos gratiosius? quid ad patriam iuuandam felicius? quid ad auertendos siue armorum siue quietis consilio hostes expeditius, fortius, efficacius? De humanitate verò, qua proscriptos ob religionem aut voluntario exilio patriam fugientes suscepit, fouit, tutatus est, si nos taceamus, ipsi agelli ac tecta illa loquentur, quae secessum hucusque extorribus tranquillum sedesque tutissimas hospitalitate mirifica praebuerunt. Vt tamen, ereptus ipse Reipublicae luctu bonorum verissimo, non virtutum minus praeclarissimarum, ac huius etiam beneficentiae, quàm patrii nominis haeredes reliquit filios illustrissimos: ita famam eius laudesque nullus mortalium liuor, nulla annorum malignitas vnquam [11] comprimet. Ex tantorum virorum filia et sorore, parente, fratre ac marito dignissima, liberos duos Raphaëlem ac Annam tulit: quorum ille, dulcissimo et supra annos ingenio nobilissimo puer, in primo aetatis flore praereptus est. Filiam ita educauit, vt quicquid in sexum istum dici laudis potest, in hanc collatum esse
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hen mag. Er muß ausführlich besprochen werden. Seine Familie gehört zum höchsten Adel und ist verehrungswürdig alt: Die Grafenwürde wurde seinen Vorfahren von Kaiser F RIEDRICH III., wenn ich mich richtig erinnere, wegen ihrer überaus ruhmvollen Taten verliehen. Er selbst zeichnete sich durch ein unbestechliches Urteilsvermögen, durch eine Gelehrsamkeit, die über das auf solchen Höhen Übliche hinausging, und durch nahezu himmlischen Verstand aus. Er genoß dazu höchsten Ruhm und war bei den wichtigsten seiner europäischen Zeitgenossen, Kaisern sogar, Königen und Fürsten wegen seiner Vorzüge und seiner gewaltigen Verdienste hochangesehen. Wie rühme ich aber dessen gut und immer zum Nutzen des Gemeinwesens verrichtete Amtsobliegenheiten? Mit welchem Sinn für das rechte Maß, mit welcher geistigen Kraft und Frische, mit welchem Ruhm ob seiner Weisheit erfüllte er in schwierigster Zeit alle seine Aufgaben? Mit welcher Freundlichkeit bot er den Musen Asyl, die anderswo vor der Barbarei und der Mißachtung flohen und welche Wohltaten erwies er denen, deren Reichtum allein in ihrer Bildung und ihren wissenschaftlichen Kenntnissen besteht, mit großzügigster Geberfreude? Wer führte anmutiger als er Menschen, die Gegensätzliches wollten, dazu, daß sie sich einander zuwandten? Wer brachte erfolgreicher als er seiner Heimat Hilfe? Wer war entschlossener, tatkräftiger und wirkungsvoller als er, wenn es darum ging, Feinde fernzuhalten, ob durch den Beschluß, Krieg zu führen, ob durch den Rat, den Frieden zu wahren? Schweigen wir aber etwa von der Menschenliebe, mit der er diejenigen, die aus konfessionellen Gründen geächtet worden waren oder, von sich aus ins Exil gehend, ihre Heimat verließen, aufnahm, hegte und pflegte und beschützte, dann werden die Grundstücke, die Häuser das Wort ergreifen, die in wunderbarer Gastlichkeit bis dahin Heimatlosen eine ungestörte Zurückgezogenheit, einen ganz ungefährdeten Wohnsitz boten. Aber er hinterließ, als er seinem Land zu tiefster Trauer aller guten Menschen entrissen war, erlauchte Söhne, Erben nicht nur seines Namens, sondern gleichfalls seiner glänzenden guten Eigenschaften, insbesondere auch dieser Wohltätigkeit. Ebenso wird keine menschliche Mißgunst, keine Bosheit über die Jahre hin jemals seinen Ruhm verdunkeln oder sein Lob unterdrücken können. Die Tochter und Schwester so großer Männer, die ihres Vaters, ihres Bruders und ihres Gatten im höchsten Maße würdig war, gebar ihm zwei Kinder, Raphael und Anna, von denen jener, ein Junge von sehr angenehmer Veranlagung und für sein Alter äußerst bemerkenswertem Verstand, in der frühesten Blüte seines Lebens dahingerafft wurde. Seine Tochter erzog er so, daß alles, was man zum Lob des weiblichen Geschlechts sagen kann, in ihr vereinigt wurde, wie alle, die davon Kenntnis haben, versichern. Besonders die Frömmigkeit und die Ehrfurcht vor dem Allmächtigen: Auf die war auch der hochedle Czema immer von ganzem Herzen und mit höchster Anstrengung bedacht, da er sich mit vollem Recht überlegte, daß wir ganz grundlos mit unserer
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conscii rerum affirment omnes. Pietatem imprimis ac timorem summi Numinis: cuius et Cema generosissimus toto animo ac contentione summa rationem habebat, cogitans secum optimè, nequicquam nos beatitudinem humanam iactare, si contemnamus aeternam. Ac ne de cultu Dei serio ambiges, vel vnum hoc satis potest fidei fecisse, quod, intra priuatum larem modo deuotionem continere non contentus, in fundo haereditario noui templi fabricam cum grandi sumptu à solo sua pecunia, exemplo aeui rarissimo, excitauit. Aliarum porro quibus enituit virtutum mentionem facere, iniuria fuerit eius de qua diximus pietatis. Nam nec [12] pietas sine virtutibus reliquis est, nec virtutes reliquae sine pietate. Haec quidem et vitia vt in eodem pectore contubernium simul constituant, non magis possibile est, quam vt vnus homo idemque bonus et malus sit. Liberalitate quidem tanta in egenos est vsus, eam abstinentiam, lenitatem ac temperantiam semper ostendit, vt nihil circa haec desiderare amplius potuisses. Quoties verò rebus prolatis curarum quas negotia publica flagitabant vacuus erat, nihil illi gratius quàm otiosa liberalique occupatione sibi se vindicare, animo niue candidiori intra se recedere, ac quiete ea frui, quae et caput ad benè viuendum est, et litare Deo ac bonae conscientiae fide optima consueuit. Sic cum officiorum molestias hilaritate temperabat suauiter atque edulcabat, tum iisdem alacrior sese fortiorque reddebat. Vt virtutis etiam alienae admirator erat ingenuus: ita vicissim benè ab omnibus audiebat. Habuerat eum hactenus in delicijs Arbiter supremus: tentanda erat et ani-[13]mi fortitudo, cuius in rebus secundis minor et vsus et gloria est. Primus quem de carissima et sincerissimae fidei coniuge accipiebat dolor, excessus ipse Anno M.DC.XXV. ac mors illius immatura erat: cuius amissione orbatus grauiori se vulneri patere vix posse credebat. Sed crudo ac recenti adhuc eo, plagam accipit non leuiorem vastatione prouinciae ac bello molis grauissimae. Vt verò mœrore suo ac desiderio ob ereptam sibi animam innocentissimam bonum sese maritum exhibebat: ita influentibus in omnem Prussiam tot copiis, ciuis non minus bonus, tantum abfuit vt mutaret, vt etiam, quam sancta custodia
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menschlichen Glückseligkeit prahlen, wenn wir die ewige mißachten. Und damit man nicht über die Ernsthaftigkeit seiner Gottesverehrung im unklaren sei, kann wenigstens dies eine den Zweifel genügend zerstreuen, daß er nämlich nicht damit zufrieden war, seine Andacht auf sein eigenes Haus zu beschränken, sondern auf einem zu seinem Erbe gehörigen Grundstück mit großem Aufwand das Gebäude einer neuen Kirche von Grund auf errichten ließ, auf eigene Kosten. Das taten zu seiner Zeit nur ganz wenige. Noch weitere seiner glänzenden Eigenschaften zu erwähnen wäre wohl eine Herabsetzung seiner eben besprochenen Frömmigkeit. Denn weder besteht Frömmigkeit ohne die übrigen Tugenden noch die übrigen Tugenden ohne die Frömmigkeit. Daß diese zwar und die bösen Neigungen in ein und demselben Herzen zugleich eine Wohnstatt haben, ist ebenso unmöglich, wie daß ein und derselbe Mensch zur gleichen Zeit gut und böse ist. Seine Freigebigkeit nämlich gegen Bedürftige war so groß, er legte immer so viel Enthaltsamkeit, Sanftmut und Sinn für das richtige Maß an den Tag, daß man in diesen Beziehungen kein Mehr hätte wünschen können. Sooft er aber die anstehenden Aufgaben erledigt hatte und dadurch von den Sorgen, die seine Staatsämter ihm aufluden, frei war, fand er nichts erwünschter, als sich einer geruhsamen edlen Beschäftigung zu widmen, sich mit einem Geist, weißer als Schnee, in sich selbst zurückzuziehen und die Ruhe zu genießen, die sowohl der Ausgangspunkt für ein gutes Leben ist, als auch gewöhnlich Gott und dem guten Gewissen eine vortreffliche Treue entgegenbringt. So pflegte er, indem er die Unannehmlichkeiten seiner Pflichten auf angenehme Weise durch heitere Entspannung linderte und ihnen sogar Erfreulichkeit abgewann, sich für ebendiese Unannehmlichkeiten zu erfrischen und zu rüsten. Auch hatte er, ebenso wie er Vorzüge anderer edelmütig bewunderte, seinerseits bei allen einen guten Ruf. Bis dahin hatte der höchste Richter ihn als seinen Günstling behandelt: Nun war auch seine seelische Stärke auf die Probe zu stellen, deren man im Glück weniger bedarf und die im Glück weniger Ruhm einträgt. Der erste Schmerz war der, den er wegen seiner geliebten Gattin erlitt, dieser Frau von treuester Ergebenheit, nämlich ihr Dahinscheiden im Jahre 1625, ein gar vorzeitiger Tod. Durch ihren Verlust vereinsamt, glaubte er, daß er kaum eine schwerere Wunde ertragen könne. Doch als diese Wunde noch frisch blutete, erlitt er einen ebenso heftigen Schlag durch die Verwüstung seines Amtsbereichs, also durch den schlimm bedrückenden Krieg. Wie er sich aber durch seine sehnsüchtige Trauer, weil ihm die ganz reine Seele entrissen war, als guter Ehemann erwies, so lag ihm als ebensogutem Staatsbürger beim Eindringen derart vieler Truppen ins ganze Preußenland ein Wechsel der Seite so fern, daß er vielmehr allen deutlich vorführte, wie heilig-wachsam das Vaterland gegen den Angriff Fremder geschützt werden müsse. Er gab seinen Leuten Kraft, suchte auf seine Nachbarn Einfluß auszuüben, arbeitete durch sein Vorbild und durch Worte gegen Streitigkeiten,
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ab externorum impetu patria esset tuenda, palam omnibus ostenderet. Confirmare suos, adire vicinos, discessiones exemplo verbisque dissuadere, nihilque adeò omittere, quod Deus ac conscientia requirere videbantur. Inter dubia haec rerum legatione vrbica pro republica fungens et auctoritate regia ad potentissimam ac insignis fidei Gedanensium ciuitatem, postea ad Septemuirum Imperii Georgium Guilielmum Brande-[14]burgicum ac Ordines Prussiae missus, expectationi Regis et votis omnium cumulatè maximèque satisfecit. Ingemiscebat cum militis alieni depopulandi libidine, tum nonnullorum ex suis etiam ac suppetiarum imprimis insolentia eò redacta Prouincia, vt agnitionem sui ex omni ferè parte perdiderit: stabant agri frugum, pagi colonorum vacui: quorundam peregrini lares, neque paucorum animos occupauerant: cernebat demum in manu aliena Cema Generosissimus et credita sibi bona regia et sua: ita verò constantia se et magnitudine mentis erexit, vt ea quae ex arbitrio instabilis fortunae pendent ad se non pertinere satis ostenderet. Vidit tamen adhuc beatum illud tempus, quo nutu diuino, clementia Regis Optimi Maximi, robore consiliorum ac felicitate publica res tranquillatae, libertas Prussiae restituta, regnumque ex tot difficultatibus expeditum et conseruatum est. Cum itaque rebus pacatis domum remigrasset, neque tamen, monentibus vitae annis lentaeque tabis malo, stabilem inter haec terrena sedem diutius sibi polliceri [15] posset, condito testamento, stabilita cultus diuini securitate, domo ritè disposita ita vitae moram sustinuit, tanquam momentis singulis discessurus. Instante autem decretorio illo die, qui quicquid nostri mortale est semel aufert, eundem sibi praeire verbis sacrarum precum voluit, cuius allocutione olim et solatio coniunx desideratissima hinc excedens vsa erat. Is Vir Reuerendus et omni virtute ac eruditione praestans Albertus Niclassius est, qui vt instinctu pietatis vnico annos non paucos Cemae Illustrissimo à concionibus sacris fuit: ita Euangelico Polonorum cœtui, pretium operae à cœlo cuius doctrinam spargit expectans, pari fide ac industria Gedani prodesse eodem officio non desinit. Sic professo vitae fastidio, persuasione im-
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vielmehr: unterließ nichts, was Gott und das Gewissen offenkundig forderten. In dieser unsicheren Zeit wirkte er durch eine städtische Gesandtschaft für sein Land, wurde durch Ordre des Königs zu der mächtigen, hervorragend treuen Stadt Danzig, später zum Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg und den preußischen Ständen geschickt und entsprach dabei den Erwartungen des Königs und den Wünschen aller voll und ganz. Sein Amtsbereich litt erbärmlich, weil er durch die zügellose Verwüstungslust der fremden Soldaten, aber auch durch die Unverschämtheit einiger seiner Einwohner und besonders der „Helfer“ so weit heruntergekommen war, daß er fast in keiner Hinsicht mehr wiederzuerkennen war: Die Felder standen ohne Frucht, die Dörfer ohne Bauern; Fremde hatten die Häuser mancher Menschen und die Herzen vieler Menschen in Beschlag genommen. Der hochedle Herr Czema mußte schließlich erleben, daß sich die ihm anvertrauten Güter des Königs und seine eigenen in fremder Hand befanden. Aber, weil er standhaft und nicht kleinmütig war, richtete er sich zu solcher Höhe auf, daß er hinlänglich zeigte, daß das, was von der Entscheidung der wankelmütigen Fortuna abhängt, ihn nichts anging. Er erlebte jedoch noch die glückliche Zeit, zu der sich durch den Willen Gottes, durch die Milde des besten, größten Königs, durch kräftige Entschlüsse und günstige politische Umstände die Lage beruhigte, die Freiheit Preußens wiederhergestellt und das Königreich aus so vielen Schwierigkeiten erlöst und gerettet wurde. Als er demnach in friedlicher Zeit nach Hause zurückgekehrt war, ohne sich jedoch länger einen beständigen Wohnsitz auf dieser Erde versprechen zu können (denn sein Alter und seine Krankheit, eine allmähliche Auszehrung, warnten ihn davor), machte er sein Testament, sorgte für die Sicherheit des Gottesdienstes, bestellte ordnungsgemäß sein Haus und verbrachte den Rest seines Lebens wie einer, der jeden Augenblick abreisen muß. Als sich aber der entscheidende Tag näherte, der auf einen Schlag alles wegschafft, was an uns sterblich ist, hatte er den Wunsch, daß ihn derselbe Mann mit den Worten der kirchlichen Gebete geleite, dessen trostreiche Ansprache damals seiner über alles geliebten Frau auf dem Sterbebett zuteil geworden war. Das ist Seine Hochwürden, Herr Albert Niclas, ausgezeichnet durch alle guten Eigenschaften und Bildung. Er war nicht wenige Jahre mit ganz besonderem Eifer für die Frömmigkeit Prediger bei dem hocherlauchten Czema und dient jetzt in demselben Amt, immer mit gleicher Zuverlässigkeit und Energie, der polnischen evangelischen Gemeinde in Danzig, wobei er sich den Lohn seiner Arbeit vom Himmel erwartet, dessen Gebote er verkündet. Also gab er, Czema, nachdem er seinen Überdruß am Leben bekundet hatte, im festesten Glauben an die Unsterblichkeit, unter den Gebeten der Seinen und den eigenen unserem Heiland seine Seele zurück und vollbrachte mit erhobenem Antlitz und heiterem Gemüt in sanftem Dahinscheiden das, was zu vollbringen war. So nahm dieser hochverdiente Mann von uns Abschied, den wir,
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mortalitatis certissima, inter vota suorum et sua, Conseruatori nostro animam reddidit, et vultu erecto, pectore sereno, discessu placido fecit quod faciundum fuit. Ita valedixit nobis vir magnorum meritorum, et quem, si nos respicimus, desideramus iure ac requirimus. Cum ipso verò actum est optimè, cuius felicitati cum [16] fortuna nihil hic adstruere amplius potuerit, ea Deus immortalis inter beatas aetheriarum mentium sedes aeterno munere addidit, ad quae vt votis ipsi aspiramus, ita cogitatione nulla pertingimus. Publicis certè illius priuatisque desiderijs, quod ante obitum suum optare poterat, Parens rerum Optimus abundè satisfecit. Tulit nempè hoc solatium suae mortis, bello Regis et Reipublicae cum hostibus acerrimis perniciosissimisque confecto, triumphatis Moschis, Turca summoto, paccata per Inducias Prussia, patriam metu periculorum liberatam, eamque temporum felicitatem redditam esse, vt à cœlo nihil amplius quàm continuatio huius muneris ac perpetuitas expeti possit ac desiderari. Filiae quoque vnicae, gaudio suo ac delicijs, se viuo adhuc, auspicijs suasuque Regis inuicti clementissimo, destinari maritum vidit eum, de quo dicere ex merito nec numerus virtutum eius, nec humanitas illa permittit ac modestia, qua se tantum abest vt deprimere possit; enitescit etiam magis atque assurgit. Nolo equidem singulas laudes tuas recensere, G VLDENSTERNI [17] I LLVSTRISSIME , neque ea tibi ingerere, quae oculis omnium inhaerent ac animis. Sufficit, quicquid dixerim, illi veritatem famamque publicam satis superque patrocinari. Alia si velim, non eo ingenio vel tu es, vt debeam; vel ego, vt possim adulari. Nec me aut patriae aduersitas aut fortuna priuata eò detrusit, vt prostituere cogar Musas meas, insontes hactenus et libertatis suae tenacissimas. Sed nec tibi detrectandum est quod ratio dictat, nec mihi tacendum quod omnes loquuntur. Magnae tuae ac vetustae prosapiae glorias non tango: tuae enim propriè non sunt. Tua est, raro cœli munere, exacta illa quam in te miramur ingenij bonitas, iudicium vt natura excellens, ita peregrinationibus variis ac vsu rerum cultum magis et expolitum, fides qua neglecta patria fortunisque tuis in regia te semper tenuisti, exacta plurimarum
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wenn wir auf uns schauen, mit Recht vermissen und wiederhaben wollen. Für ihn selbst aber ist alles aufs Beste bestellt: Da Fortuna seiner hiesigen Glückseligkeit nichts mehr hinzufügen konnte, gab ihm der unsterbliche Gott in den seligen Wohnungen der himmlischen Seelen als immerwährendes Geschenk all das, was wir zwar in Gebeten erhoffen, mit unserem Denken aber nicht erreichen können. Was er vor seinem Tod erbitten konnte, all seine öffentlichen und privaten Wünsche, hat der allgütige Vater der Welt in reichem Maße erfüllt. Er bekam ja als Trost für seinen Tod, daß der Krieg des Königs und des Landes mit hitzigen, hochgefährlichen Feinden beendet, die Russen besiegt, der Türke zurückgedrängt, Preußen durch einen Waffenstillstand befriedet und sein Vaterland von der Furcht vor Gefahren befreit war und diesem so glückliche Zeiten zurückgegeben waren, daß man vom Himmel nichts weiter als das Fortbestehen, ja den dauernden Bestand dieses Geschenks erbitten und ersehnen konnte. Auch erlebte er noch, wie seiner einzigen Tochter, seiner Wonne und seinem Entzücken, auf allergnädigstes Geheiß und Anraten seines unbesiegbaren Königs derjenige zum Ehemann bestimmt wurde, über den angemessen zu sprechen weder die große Zahl seiner Vorzüge erlaubt noch seine freundliche Bescheidenheit, durch die er sich durchaus nicht verkleinern kann, sondern sich sogar noch strahlender hervortut und sich zu voller Höhe erhebt. Ich habe wirklich nicht die Absicht, Eure Ruhmestitel, HOCHERLAUCHTER H ERR G ÜLDENSTERN , im einzelnen durchzugehen und Euch mit dem zu überschütten, was ja in aller Augen und Herzen liegt. Es genügt, daß alles, was ich sagen könnte, von der Wahrheit und vom Urteil der Allgemeinheit ganz und gar bestätigt wird. Wenn ich anders vorgehen wollte, dann wäret Ihr nicht so veranlagt, daß ich es müßte, oder ich so veranlagt, daß ich schmeicheln könnte. Aber weder das Mißgeschick der Heimat noch mein eigenes Unglück konnten mich so niederstoßen, daß ich mich gezwungen sähe, meine Musen die bisher ihre Unschuld noch nicht verloren haben und an ihrer Freiheit entschlossen festhalten wollen, zu käuflichen Weibern zu machen. Doch dürft weder Ihr von Euch weisen, was der Menschenverstand laut und deutlich sagt, noch darf ich verschweigen, was alle sagen. Die Ruhmestitel Eurer bedeutenden und weit zurückreichenden Familie will ich nicht ansprechen, denn sie sind nicht eigentlich Eure. Euer Ruhmestitel ist, dank einer seltenen Gabe des Himmels, die vollkommen gute Veranlagung, die wir an Euch bewundern, das von Natur hervorragende Urteilsvermögen, das durch verschiedene Reisen und praktische Erfahrung noch weiterentwickelt und geschärft wurde, die Zuverlässigkeit, mit der Ihr Euch ohne Rücksicht auf Euren Heimatort und Eure Güter immer bei Hofe aufgehalten habt; die gründliche Kenntnis sehr vieler Sprachen, die Liebe, mit der Ihr die den Menschen näher angehenden Wissenschaften so betreibt, daß keiner Euch übertrifft; ein Gelehrtenfleiß, dank dem Ihr Euch in diesen Wissenschaften so auskennt, wie sich kaum diejenigen
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linguarum notitia, amor quo literas humaniores ita amplecteris vt nemo magis, studium cuius beneficio easdem ita intelligis, vt vix illi qui tempus omne suum iis consumunt, lectio varia et auctorum cognitio, rara facundia, [18] vitae integritas, et coniuncta eximijs corporis dotibus omnia animi decora, quae vt in te cadere possint, benignitas Numinis tibi concessit, vt ego commendare satis aut eloqui possim, mihi non concessit. Quod si aliqua rerum humanarum cura hinc sublatos adhuc tangit, adest tibi iam votis, quae viuus hic susceperat suis beatissimus socer tuus, et te genero filiam, cur de surrepto Parente queratur, non habere immortaliter gaudet. At nos cum exequijs mœstitiam simul omnem, luctum et planctus finiamus, quibus nec indiget qui vitam inter superos degit felicissimam, nec turbandum est id quod tu et tua, G ULDENSTERNI , applaudentibus sideribus, congratulantibus bonis omnibus, paratis.
*** PANEGYRICVS Inscriptus HONORI ET MEMORIAE
Illustrissimi Domini RAPHAELIS Comitis Lesnensis, Palatini Belsensis, Herois praestantissimi. In quo vita eius praecipuè ad fidem historicam summatìm refertur. Auctore M ARTINO O PITIO. THORVNII, Ex Officina Schnellboltziana, Ann. M.DC.XXXVI.
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darin auskennen, die all ihre Zeit auf sie verwenden; eine vielseitige Belesenheit und Kenntnis der Schriftsteller, eine seltene Beredsamkeit, die vorbildliche Lebensführung; und überhaupt – verbunden mit außerordentlichen körperlichen Gaben – alle Schmuckstücke des Inneren; daß Euch all das zuteil werden konnte, hat Euch die Güte Gottes zugestanden; daß ich all das zur Genüge herausstreichen oder vermelden könnte, hat sie mir nicht zugestanden. Wenn die, die von hier erhoben worden sind, noch von Sorgen um das, was bei den Menschen geschieht, irgendwie berührt werden können, hilft Euch jetzt schon Euer hochseliger Schwiegervater mit den Gebeten, die er zu seinen Lebzeiten hier auf Erden formuliert hatte, und freut sich in der Weise der Unsterblichen, daß seine Tochter, weil Ihr sein Schwiegersohn seid, keinen Grund hat, darüber zu klagen, daß ihr der Vater entrissen ist. Wir aber wollen mit den Begräbnisfeierlichkeiten zugleich alle Betrübnis, alle Trauer, alles Klagen beenden. Denn er, der jetzt ein hochbeglücktes Leben unter den Himmlischen führt, braucht das nicht. Außerdem dürfen wir nicht stören, was Ihr, Herr G ÜLDENSTERN , und Eure Braut unter dem Beifall der Sterne und den Glückwünschen aller guten Menschen vorbereitet. [G.B., D.M.]
*** Lobschrift geschrieben zum ehrenden Gedenken an den hocherlauchten Herrn Raphael, Grafen von Lissa, Woiwoden von Bels, den vortrefflichen Helden. Darin wird vornehmlich sein Leben historisch getreu zusammenfassend dargestellt. Verfaßt von Martin Opitz. Thorn, aus der Druckerei Schnellboltz, im Jahre 1636.
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[A1v] ILLVSTRISSIMIS GENEROSISSIMIS DO M I NI S ANDREAE, RAPHAELI, BOGVSLAO, VLADISLAO, COMITIBVS LESNENSIBVS, PALATINIDIS BELSENSIBVS, Paternarum virtutum maximique nominis eius haeredibus verissimis M ART. O PITIVS testandae misericordiae et dolori suo D ICAT D EDICATQVE .
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[1] QVod plerique in principio orationum suarum facere solent, vt dicendi rationem solicitè magnoque verborum identidem ambitu reddant, de eo minimè nunc omnium laborandum esse mihi censeo. Nam si antiquissimum Romanorum institutum, quo fato functos laudare aut magistratuum, aut necessitudinum, aut officiosorum etiam aliorum erat, nemo non et aequissimum esse dixerit; cum hac memoria et quantam possumus eorum qui decesserunt partem nobis conseruemus, et honorem illis ac gratitudinem quam viui merebantur exhibeamus, et praeclaro eorum exemplo ad insistendam virtutis et gloriae semitam superstites inuitemus: ecquisnam causam quaerere ausit, quamobrem super egregij herois Raphaelis Palatini Belsensis obitu cum augustae Reipublicae, tum filiorum illustrissimorum, bonorum denique [2] omnium nomine nihil non dici debere autumemus, illa ciuem incomparabilem, istis parentem maximum, his non nostri temporis, sed omnis aeui praestantissimum optimumque virum luctuoso desiderio prosequentibus? Vt verò commendationem ingentium quibus praeditus fuit
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Den hocherlauchten, hochedlen Herren Andreas, Raphael, Boguslaw, Wladislaw, Grafen von Lissa, Söhnen des Woiwoden von Bels, den wahrhaftigen Erben der glänzenden Eigenschaften ihres Vaters und seines großen Namens widmet und weiht dies, um sein Beileid und seinen Schmerz auszudrücken, Martin Opitz. Was die meisten am Anfang ihrer Reden zu tun pflegen, daß sie nämlich sorgfältig und mit großem Aufwand an Worten wiederholt Rechenschaft von ihrem Sprechen ablegen, darum muß ich mich jetzt, so glaube ich, am allerwenigsten bemühen. Denn wenn wahrscheinlich jeder die uralte Einrichtung der Römer, derzufolge es Aufgabe der Beamten, der Verwandten oder auch anderer Verpflichteter war, auf die Verstorbenen eine Lobrede zu halten, auch für ganz angemessen erklärt – da wir doch durch dieses Gedenken uns, soweit es möglich ist, einen Anteil an den Abgeschiedenen bewahren, ihnen Ehre und Dank erweisen, die sie sich zu Lebzeiten verdienten, und die Hinterbliebenen durch ihre herrliche Vorbildlichkeit ermuntern, den Pfad zur Vollkommenheit und zum Ruhm zu beschreiten –, wer wird dann wohl wagen, nach dem Grund zu fragen, warum wir überzeugt sind, daß über den Tod des vortrefflichen Helden Raphael, des Woiwoden von Bels, sowohl im Namen des erhabenen Staatswesens als auch besonders der hocherlauchten Söhne und schließlich aller guten Menschen alles Erdenkliche gesagt werden muß, da doch jenes einem unvergleichlichen Mitbürger, diese einem großartigen Vater, die letzteren dem vorzüglichsten und besten Mann nicht unserer Zeit, sondern aller Zeiten mit sehnsuchtsvoller Trauer das Geleit geben? Zwar überlassen wir die Rühmung der ungemeinen Tugenden, mit denen er begabt war, da wir uns unserer Schwäche sehr wohl bewußt sind, zu Recht denen, die uns an Beredsamkeit und geistiger Größe überlegen sind. Wenn wir jedoch immerhin die Darstellung seines Lebenslaufs, soweit wir davon Kenntnis haben, als unsere Aufgabe annehmen, werden wir uns durch unsere Ehrerbietigkeit, wie ich hoffe, Lob oder doch durch unsere Bemühtheit die Verzeihung verdienen, die wir selbst auch anderen gerade nach dem gemeinsamen
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virtutum, imbecillitatis nostrae non ignari, eloquentia nobis et ingenij magnitudine superioribus meritò relinquimus: ita vitae saltem illius expositionem, pro notitia quam de ea habemus muneri nostro si asseramus, aut pietate nostra laudem, vt spero, aut studio veniam merebimur, quam ipsi etiam alijs dare vel communi humanitatis lege libenter consueuimus. Collocandae autem in atrio hic nostro statim imagines erant et eminentissimi excelsissimae familiae viri, quorum quasi manibus honos, quem suis relinqueret, ad ipsum demissus est; nisi ea quae fortunae debentur, ac felicibus nihil veri boni adijciunt, infelices vero, qui vana originis suae memoria miseriam suam solantur, etiam ridiculos faciunt, ad se ac solidam laudem suam pertinere nunquam existimasset. [3] Quod si tanti ista fecisset, ac summam gloriae in ceris veteribus longaque stemmatis serie posuisset, quis illo vel antiquitate generis insignior, vel maiorum virtute meritisque clarior extitit? Septingenti ferè anni sunt, cum eques nobilissimus Philippus Vieniauius (hoc enim tunc celeberrimae in Morauia stirpi nomen fuit) Dambrouicam Bohemam in Poloniam secutus est: adeò vt eodem tempore et religio Christiana, quam suasu Dambrouicae coniugis summum Piastei nominis ornamentum Mesico Princeps suscepit primus ac intra ditiones suas propagauit, et familia haec religioni atque cultui diuino penitus semper dedita, sedem in his oris ac domicilium inuenerint, Eiusdem Originis et Barones Perstenij, siue corrupto ad genium linguae nostrae vocabulo Bernstenij erant, ab annulo naribus bisontis, cuius caput insignia gentilitia ostentant, inserto lingua Slauonica dicti; quorum vltimus Vratislaus, ad summos militiae gradus haud dubiè peruenturus, nisi fatum spes tantas praecidisset, inuadente superioribus annis fortissimo re-[4]gum Gustauo stationes Tillianas ad Albim, strenuè occubuit. A tanto quod diximus tempore qui se ex illo sanguine in regnum hoc contulerunt, artata numero fortuna aut dignitatibus Senatoriis plerique omnes functi sunt, aut curatores rerum diuinarum et sacrorum Antistites fuerunt. Recensere verò ex horum numero Bosutae Gnesnensis Archiepiscopi, Rudgeri et VVerneri Vladislauiensium, ac Philippi Posnaniensis Episcoporum decora, quibus Ioannes Dlugossus Cracouiensis Ca-
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Gesetz menschenfreundlicher Gesinnung zu gewähren uns gerne angewöhnt haben. Es müßten aber hier in unserer Vorhalle schon gleich Ahnenbilder aufgestellt werden, und zwar die der hervorragendsten Männer aus dieser ausgezeichneten Familie, aus deren Händen gleichsam die Ehre, auf daß er sie den Seinen hinterlasse, zu ihm gelangt ist – wenn er nicht geglaubt hätte, daß das, was man Fortuna verdankt und was den Glücklichen nichts an wahrem Gut hinzufügt, die Unglücklichen aber, die sich mit wertloser Erinnerung an ihre Herkunft über ihr eigenes Unglück hinwegtrösten, sogar noch lächerlich macht, sich auf ihn und seinen wohlbegründeten Ruhm niemals beziehe. Wenn er dies aber so hoch geschätzt und den Gipfel seines Ruhmes in die altehrwürdigen Wachsbilder und die lange Abfolge seines Stammbaums gelegt hätte, wer wäre dann im Vergleich mit ihm ausgezeichneter durch das Alter seines Geschlechtes oder berühmter durch die Tüchtigkeit und Verdienste seiner Vorfahren? Etwa 700 Jahre ist es her, daß der hochedle Ritter Philipp Wieniawa (diesen Namen trug nämlich die damals in Mähren angesehenste Familie) Dubravka, einer Frau aus Böhmen, nach Polen folgte, so daß zur selben Zeit sowohl die christliche Religion, die auf Anraten seiner Gattin Dubravka die schönste Zier des Piastennamens, Fürst Miezsko, als erster annahm und in seinen Territorien verbreitete, als auch diese immer ganz der Religion und der Gottesverehrung ergebene Familie in dieser Gegend Wohnsitz und Residenz fanden. Derselben Herkunft waren auch die Freiherren von Persten, oder mit Entstellung ihres Namens nach den Vorstellungen unserer Sprache „Bernstein“, die nach einem in die Nase des Auerochsen, dessen Kopf ihr Familienwappen zeigt, eingezogenen Ring in slawischer Sprache so genannt wurden. Der letzte von ihnen, Wratislaw, der zweifellos zu den höchsten militärischen Rängen aufgestiegen wäre, wenn das Fatum so weitgehende Hoffnungen nicht vereitelt hätte, starb in tapferem Kampf, als vor einigen Jahren der tapferste aller Könige, Gustav, die Stellungen Tillys an der Elbe angriff. Von der obengenannten Zeit an hatten so gut wie alle, die sich aus jener Familie in dieses Königreich begeben hatten, bei beschränkten Vermögensverhältnissen entweder senatorischen Rang inne oder waren Pfleger gottesdienstlicher Handlungen und Aufseher über die Religion. Der Reihe nach aber aus deren Zahl den Ruhm Bozustas, des Erzbischofs von Gnesen, der Bischöfe Rudger und Werner von Władysław und Philipp von Posen ausführlich zu schildern, denen Jan Długosz, Kanonikus von Krakau, ein Sohn von Johannes Wieniawa, dem verwegenen Ritter, und Begründer der polnischen Geschichtsschreibung, gemäß den Verdiensten seiner außerordentlichen Gelehrsamkeit durchaus hinzugefügt werden muß, würde zuviel Zeit in Anspruch nehmen. Aber ich glaube auch nicht, daß ich aus dieser Familie Bronisius, den Erbauer des „Paradies“ genannten Klosters, oder Jan Obiechow, den Kastellan von S´rem, der von Władysław Jagiełło wegen des Ehebündnisses mit Anna, der Tochter des Grafen
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nonicus, Ioannis Vieniauii equitis acerrimi filius, annalium Polonicorum conditor, pro meritis eximiae doctrinae adiungi omninò debet, longa mora esset. Sed nec ex illis aut Bronisium monasterii quod Paradisum vocitant aedificatorem, aut Ioannem Obiechouium Castellanum Sremensem, à Vladislao Iagellone coniugii cum Anna Guilielmi Ciliae Comitis filia ergò in Hungariam missum, aut mirae audaciae virtutisque ducem Boleslaum Buchalam aliosque quorum titulis domus ornatissima refulget producendos autumo; cum Historicos sibi hoc ne-[5]gotium et rerum scriptores postulet. Praedislaus tamen Praefectura maioris Poloniae motus olim ab Elisabetha Ludouici matre quod fuerit, id illum pariter ac felicitatem nonnihil prosapiae percussisse censeri posset, nisi optimi quique ciuium, quantoperè hanc dominandi per absentiam distenti bello Dacico filii impotentiam auersarentur, quamque citra et leges regni et merita viri Reipublicae amantissimi Otto Pilecius, quamuis nec is munere tanto indignus, in locum illius sufficeretur, modis omnibus contestati fuissent. Desiti erant jam ex parte Perstenii ac Vieniauii vocari, et Goluchouii ab arce illius nominis dicebantur, quam is qui, reliquis necessariorum in Morauia, Bohemia et Silesia colentibus, Poloniam habitare perrexerat, à solo primitus excitauit. Sed neque Lescinii nominis, quod Posteris nunc adhaeret, alia ratio est; cum et id auitis bonis locoque, Dominorum suorum splendore ac indulgentia maiora indies incrementa capienti, debeatur. Horum pristinis imaginibus nouum decus Raphaël ille attulit, quem Fridericus III Cae-[6]sar, ob laboriosam erga se fidem ac industriam causasque suas vbiuis gentium constanter defensas, ac illustria planè merita, et Comitis titulo, superposito galeae clypei gentilis leone ensifero, exornauit, et abundantissimis largitionibus prosecutus est. Merebatur equidem hoc vir maximus cum dotibus animi praecellentissimis, tum officiis quae dixi plurimis: quiduis tamen ei se debere Imperator optimus sine dubio vel contuitu eius legationis ratus est, qua, neglectis quae sibi à Matthia Coruino struebantur insidijs, amicitiae foederisque negotium apud Casimirum Poloniae regem dexteritate singulari, successibus non irritis procurauerat. Et potuisset iter tam periculosum non temerè detrectare,
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Wilhelm von Cilia, nach Ungarn geschickt wurde, oder Bolesław Buchala, den Heerführer von wunderbarer Kühnheit und Tapferkeit, und andere auftreten lasse, von deren Ruhmestiteln diese glänzende Familie strahlt, da diese Aufgabe Historiker und Geschichtsschreiber erfordert. Daß jedoch Predisław einstmals von Elisabeth, der Mutter Ludwigs, als Präfekt von Großpolen abgesetzt wurde, das habe, könnte man meinen, ihn und zugleich das Glück seiner Familie in gewissem Maße erschüttert, wenn nicht gerade die besten seiner Mitbürger auf jede Weise bezeugt hätten, wie sehr sie diese Unfähigkeit beim Herrschen während der Abwesenheit ihres mit dem Krieg in Siebenbürgen vollauf beschäftigten Sohnes verabscheuten, und wie sowohl unter Mißachtung der Gesetze des Königreiches als auch der Verdienste eines Mannes, dem das Land außerordentlich am Herzen lag, ein Otto Pilecius – obwohl auch er eines solchen Amtes nicht unwürdig war – an seine Stelle gesetzt wurde. Ihre Namen Persten und Wieniawa kamen nun zum Teil außer Gebrauch, und man nannte sie Goluchow nach der Burg dieses Namens, die anfangs derjenige von Grund auf errichten ließ, der weiter in Polen geblieben war, während die übrige Familie in Mähren, Böhmen und Schlesien wohnte. Aber auch mit dem Namen Leszczy´nski, den die Nachkommen jetzt tragen, hat es keine andere Bewandtnis; denn auch er geht auf alten Familienbesitz zurück, nämlich auf einen Ort, der durch den Glanz und die Huld seiner Besitzer von Tag zu Tag bedeutender wird. Deren alten Bildern gab der berühmte Raphael neuen Glanz, den Kaiser Friedrich III. wegen der ihm erwiesenen mit viel Mühe verbundenen Treue und Einsatzbereitschaft, wegen der beständigen Verteidigung seiner Interessen bei allen Völkern und wegen der völlig vor Augen stehenden Verdienste sowohl mit dem Grafentitel auszeichnete (wobei über den Helm des Wappenschildes ein schwerttragender Löwe gesetzt wurde) als auch mit überreichen Schenkungen bedachte. Das hatte der große Mann wahrlich verdient, einerseits durch seine überragenden geistigen Gaben, andererseits durch die vielen, vielen erwähnten Dienste. Alles auf der Welt glaubte jedoch der beste Kaiser ihm zu verdanken, ohne Zweifel ganz besonders im Blick auf dessen Gesandtschaftsreise, durch die er, nachdem er den Fallen, die ihm von Matthias Corvinus gestellt worden waren, ausgewichen war, seine Aufgabe, ein freundschaftliches Bündnis mit König Kasimir von Polen herzustellen, mit einzigartiger Gewandtheit und vortrefflichem Erfolg ausgeführt hatte. Auch hätte er eine so gefährliche Reise mit guten Gründen ablehnen können, nicht nur, weil andere, die dorthin reisen sollten, sich entzogen, sondern auch, weil Matthias, den er bei einem spielerischen Manöver mit Leichtbewaffneten verletzt hatte, ihm schon lange ganz feindlich gesinnt war. Der König, der im übrigen in der Tat durch sein Geschick in Krieg und Frieden den Ruhm größter Fürsten übertraf, aber dann und wann seinen Jähzorn nicht beherrschen konnte, reiste sofort, ohne vom Kaiser Abschied zu nehmen, von Wien ab, sei
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subducentibus sese non aliis solùm qui eo destinabantur; verum etiam Matthia, quem decursione cum hastis velitaribus ludicra vulnerauerat, dudum sibi infensissimo. Rex profecto caetera maximorum Principum glorias pacis bellique artibus supergressus, irae tamen subinde impotens, insalutato Caesare Vienna statim discessit, siue abitum hac causa prae-[7]texens, ne offensionis aut simultatis quae illi cum Friderico intercedebat manifestus foret, siue quod imaginaria pugna sese victum doleret, dum verum bellum Austriae, id quod exitus docuit, animo iam faceret. Caeterum amisso domino Augustoque suo cum in patriam Raphaël concessisset, post collatos sibi a regibus honores amplissimos ac tres et decem praefecturas, exemplo ferè inaudito, coëmptaque aut illorum liberalitatibus acquisita praedia non pauca, aetate prouecta decessit, Brestae Cuiauiorum apud Sodales Dominicanos sepultus. Sed ad propiora tandem veniendum est. Auus eius de quo sermonem instituimus Raphaëlis, et ipse Raphaël (hoc enim nomen peculiare Lescinijs vt plurimum fuit) ob meritum eloquentiae, ingenij ac prudentiae, quam postea cum semper alias, tum pars legationis ad Ioannem Basilidem, tyrannorum omnium ante nostram memoriam facile Principem, imprimis ostendit, Brestensis Palatinus adolescens admodum factus est. Quia tamen extra hanc dignitatem viuendi multas se grauesque causas habere crederet, equestri or-[8]dine contentus sponte et vltrò cessit. Fieri autem solet, vt qui à fastigio rerum cum discrimine coniuncto procul absunt, sibi interdum suisque plus commodi ac dignitatis adferant, quam si proxime illi adessent: lunae adinstar, quae quo longiori spatio à sole distat, eo clariori lumine renitet ac splendescit. Praefecturae Calisiensi serò denique admotus illud loetitiae moriens secum abstulit, relinquere sese Andream filium, magna virtute, fama insigni, bonique publici cupidissimum, eodem Palatinatu Brestensi quo se olim ipse abdicauerat decoratum. Huic ex rari exempli et sincerissimae fidei coniuge, generosissimae domus Firleianae, Raphaël in remotiori Lithuania, quo salutatum propinquos diuerterant, editus est. Puer quantus postea fuit sperari mox cepit, et ingenij igniculos ostendit eos, vt parentibus solicite ipsum ac in fiduciam magnarum virtutum
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es, daß er diese Abreise damit bemäntelte, er wolle das Mißverhältnis oder die Spannung, die zwischen ihm und Friedrich bestand, nicht offenbar werden lassen, sei es, daß er noch an seiner Niederlage in einem Scheingefecht litt, während er doch schon, wie der Ausgang gezeigt hat, einen wirklichen Krieg gegen Österreich im Schilde führte. Im übrigen: Als Raphael seinen Herrn, den Kaiser, verloren hatte und in sein Heimatland zurückgekehrt war, wurden ihm von den Königen die glänzendsten Ehrenämter und (ein wohl noch nie dagewesener Fall) 13 Präfekturen übertragen; er kaufte nicht wenige Landgüter oder gewann sie durch Schenkungen jener, starb in schon vorgerücktem Alter und wurde zu Brest in Kujawien bei den Dominikanern bestattet. Doch wir müssen endlich auf zeitlich Näheres zu sprechen kommen. Der Großvater desjenigen Raphael, über den wir hier sprechen, auch ein Raphael (denn dieser Name pflegt den Leszczy´nskis zumeist eigen zu sein), wurde wegen der Bedeutung seiner Rednergabe, seines Geistes und seiner Klugheit, die er später, wie immer schon auch bei anderen Gelegenheiten, besonders als Mitglied der Gesandtschaft zu Johannes Basilides, dem vor unserer Zeit weitaus schlimmsten aller Tyrannen, an den Tag legte, bereits als ganz junger Mann Woiwode von Brest. Weil er jedoch überzeugt war, viele gewichtige Gründe für ein Leben ohne dieses Amt zu haben, trat er freiwillig, aus eigenem Entschluß zurück und begnügte sich mit seiner Zugehörigkeit zum Ritterstand. Es kommt aber häufig vor, daß Männer, die vom gefährlichen Gipfel der Macht entfernt leben, dann und wann sich selbst und den Ihren mehr Vorteil und Ansehen verschaffen, als wenn sie diesem ganz nahe stünden. Damit gleichen sie dem Mond, der, je weiter er von der Sonne entfernt ist, mit desto hellerem Licht leuchtet und glänzt. Nachdem er schließlich doch spät mit einer Präfektur, der von Kalisch, betraut worden war, nahm er im Sterben noch die Freude mit ins Grab, daß er seinen Sohn Andreas, einen Mann von großer Tüchtigkeit und hervorragendem Ruf, der ganz begierig war, dem Allgemeinwohl zu dienen, mit ebender Woiwodschaft von Brest ausgezeichnet hinterließ, auf die er selbst seinerzeit verzichtet hatte. Diesem gebar seine Gattin, eine Frau von mustergültiger Vorbildlichkeit und aufrichtiger Treue, aus dem hochadligen Hause Firlej, unseren Raphael im ferner gelegenen Litauen, wohin sie zum Besuch von Verwandten gereist waren. Der Junge begann schon bald hoffen zu lassen, von welcher Größe er später sein würde, und er ließ schon solche geistigen Funken sprühen, daß sich seine Eltern dazu verpflichtet sahen, ihn sorgfältig und im Vertrauen auf seine großen Anlagen erziehen zu lassen. Zuerst wurde er in Koschmin in eine Schule geschickt; dort faßte er sehr schnell auf, was in zartem Alter gelernt werden muß. Danach wurde er eine Zeitlang zu Hause, dann in Glogau an der Oder in den Lehrfächern unterrichtet, in denen er sich binnen kurzer Zeit auf die akademischen Vorlesungen vorbereitete. Er verbrachte dann also drei Jahre in Straßburg und Basel, wobei er dort den größten Teil des Win-
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educandi curam inijceret. Cosmini primum in ludum missus, ea quae in aetatem tenellam cadunt perceleriter arripuit. Hinc domi aliquandiu, post Glogouiae ad Viadrum iis praeceptorum disciplinis innu-[9]tritus fuit, quibus Academicis inauditiunculis maturum sese tempore exiguo reddidit. Triennium itaque Argentorati ac Basileae extraxit, illic partem maximam hiemare, hic ob amoenitatem, vt ipse iudicabat, aestiua ponere adsuetus. Basileae inter praecipuos doctorum, Grynaeum Theologum rarae pietatis, ac iuuenem adhuc Ludouicum Lucium, Argentorati Dasypodium, Melchiorem Iunium, et Dionysium Gothofredum imprimis coluit omnes beneficio scriptorum suorum clariores quàm vt me notore indigeant. Inde reuocatus, in theatrum illud virtutum ac rerum toto Orbe celebrium, Rudolphi Caesaris aulam, paternorum et familiae negotiorum causa, ex illa ad patrem, nam matrem anno insigni ad Bicinium praelio amiserat, concessit. Neque tamen in complexu eius ita haesit, quin Galliam desiderio peteret impatientissimo. Capiebat eum imprimis Lutetia, vrbs ingentium populorum capax, mater elegantiae et compendium omnium eorum quae vbiuis contemplatione digna censemus. Hic verò quo ardore, qua felicitate quicquid praeceptis complexum discitur arripuit? [10] quo ingenio arcana aulae et artes perscrutatus est? qua suauitate morum, quos docere in vnica illa talium officina non apprehendere videbatur, praecipuos omnium ordinum homines in amorem sui ac admirationem rapuit? Ne de magistris eorum exercitiorum dicam, quae nobilia, vt opinor, dicuntur, quod multi nobilium ab his solis artibus spiritus sumunt, eundem efflictim amabant ex Academia vir purissimae Latinitatis, eloquentiae suauissimae Ianus Passeratius, è foro Iacobus Augustus Thuanus, quo neque integriorem Praesidem illa curia, neque candidiorem Historicum seculum hoc metu et adulationibus corruptum aspexit; ex aula denique Villaregius, qui et sanctitatem consiliorum suorum patriae Regique inuicto, et coniunctam cum doctrina liberali prudentiam edito opere perquàm erudito literatis valdè probauit. Sunt quidam mortalium, quibus admissio vnica soepè ad Principes, quorum parcae et ad latus retractae manui digitos vt elephanto stipem daturi eminùs admouent, morbum
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ters zubrachte, hier wegen der lieblichen Lage, wie er selbst urteilte, gewöhnlich sein Sommerlager aufschlug. In Basel hielt er sich unter den Koryphäen der Universität vor allem an Grynäus, einen Theologen von außerordentlicher Frömmigkeit, und den damals noch jugendlichen Ludovicus Lucius, in Straßburg an Dasypodius, Melchior Junius und Dionysius Gothofredus, alles Männer, die dank ihrer Bücher zu berühmt sind, als daß sie meiner als eines Herolds bedürften. Von dort abberufen, begab er sich wegen Angelegenheiten, die seinen Vater und überhaupt seine Familie betrafen, auf jene Schaubühne der auf der ganzen Welt berühmten Talente und Taten, an den Hof Kaiser Rudolfs, von dort zum Vater, denn seine Mutter hatte er in jenem denkwürdigen Jahr der Schlacht bei Pitschen verloren. Dennoch hing er an dem Zusammensein mit diesem nicht so, daß er nicht voller ungeduldiger Sehnsucht nach Frankreich zu reisen gewünscht hätte. Besonders nahm ihn Paris für sich ein, die ungeheuer volkreiche Stadt, die Quelle aller Eleganz und der Inbegriff alles dessen, was wir überall auf der Welt für sehenswert halten. Hier aber, mit welcher Inbrunst, mit welchem Erfolg eignete er sich hier alles an, was man an Regeln lernen mag? Mit welcher Klugheit erforschte er die Geheimnisse und Schliche des Hoflebens? Wie riß er durch die Liebenswürdigkeit seines Benehmens, das er in jener einzigartigen Ausbildungsstätte für dergleichen zu lehren und nicht zu lernen schien, die herausragenden Personen aller Stände dazu hin, ihn zu lieben und zu bewundern? Gar nicht zu reden von seinen Ausbildern in jenen Übungen, die, wie ich glaube, „die adeligen Übungen“ genannt werden, weil viele Adelige allein auf die entsprechenden Fertigkeiten ihr Selbstbewußtsein gründen; an ihm fanden an der Universität außerordentlich Gefallen ein Mann, der das reinste Latein zu schreiben und wunderbar einschmeichelnd zu reden verstand, nämlich Janus Passeratius, und unter den Juristen Jacobus Augustus Thuanus, der charakterfesteste Vorsitzende, den das Parlament, und unbestechlichste Geschichtsschreiber, den dieses unser Zeitalter gesehen hat, das von der Angst und der allgemeinen Schmeichelei ganz verdorben ist; unter den Hofleuten schließlich Villaregius, der sowohl die Redlichkeit seiner Ratschläge seinem Land und dem unbesiegten König als auch seine mit würdiger Gelehrsamkeit verbundene Klugheit durch ein überaus geistreiches Werk den Gebildeten deutlich bewiesen hat. Es gibt Menschen, denen eine einzige Audienz bei den Fürsten, deren knauseriger und zur Seite zurückgezogener Hand sie ihre Finger von fern nahebringen, wie wenn sie einem Elefanten eine Gabe reichen wollten, oft eine Krankheit verschafft, die die Jünger der Medizin eine eingebildete nennen und mit der sie so sehr infiziert sind, daß sie sich und anderen einreden, daß sie von jenen ebenso hoch geliebt wie geschätzt werden; dabei sind sie sich zu wenig bewußt, daß weder die Tyrannen, unabhängig von dem, was sie insgeheim denken, mit Schmeicheleien, noch die Stolzen bisweilen an Gesprächsbereitschaft sparen und die Machthaber nichts leichter ge-
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quem medicorum filij imaginosum vocant tantoperè conciliat, [11] vt amari se ab illis nimium quantum ac suspici cum sibi tum aliis persuadeant; parum memores, nec tyrannos, saluo eo quod occultius cogitant, blanditiis, nec alloquio superbos interdum parcere, rerumque dominos nihil facilius dare posse quam verba. At Henricus Magnus, propugnator nominis Gallici incomparabilis, non coram modò gratiosissimum apud se Raphaëlem esse, multoties ac argumentis plurimis ostendit: verum absentem etiam ea clementia amplexus est, vt instrumentum quoddam mathematicum, cuius compar ab eo in hortis ad Luparam arcem conspectum in manu sua regia et laudatum fuisse meminerat, testandae beneuolentiae dono per tot terrarum spatia in Poloniam vsque miserit. Cum verò, perlustratis ante Belgii Hispano subiecti prouinciis, et amicitia cum Iusto Lipsio aliisque ea dignis contracta, Britannia eum paullò post excepisset, non minorem gratiam apud Elisabetham sapientissimam post homines natos reginam obtinuit; licet an salutanda illa esset, quod offensae nonnihil ob sermonem Oratoris regij pridem habitum, [12] retinere erga nationem hanc credebatur, subdubitaret. Hinc traiecto cum Northumbriae Comitibus mari tertio post praelium ad Neoportum die in castris Foederatarum Prouinciarum, interque ipsa tot heroum ac fortissimorum militum cadauera, victricem Mauritij Principis dexteram contigit, ac sesquimensem apud eum, cui carissimus esse ceperat, commoratus larem paternum repetiit. Sed neque tum subsistens, Italiam magnis itineribus adijt. Nec temerè hic aut eorum more iuuenum versatus est, quibus discursare, vagari et multa agendo nihil agere, peregrinari est. Vt verò scias cuius rei contuitu ea quorum gratia coelum mutare iussi sunt omittant, quóue pretio veram doctrinam gloriae munifici, virtutum inopes contemnant, ne ineruditè helluentur ad carptorem itur, vt ex arte hostem feriant noui Aiaces palaestra petitur et aliptes, phonasco datur opera vel citharaedo, partem diei saltatiunculae, partem equus ligneus, ne Ilium scilicet diutius resistat, partem Sphaeristerium eaque demum sibi vendicant, quorum labore maximo reddimur compotes, nullo obliuiscimur. Et haec cum in ijs qui meliora pluris faciunt laudanda, [13] in reliquis etiam ferenda
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ben können als Worte. Aber Heinrich der Große, der unvergleichliche Kämpfer für den Namen Frankreichs, zeigte nicht nur öffentlich, daß Raphaels Anwesenheit ihm höchst erwünscht war, immer wieder und mit sehr vielen Zeichen, sondern bedachte ihn auch, als er abgereist war, mit dem Gunstbeweis, daß er ein bestimmtes mathematisches Instrument, dessen eine Ausfertigung von diesem, wie er sich erinnerte, in den Gärten beim Louvre in seiner königlichen Hand erblickt und bewundert wurde, als Gabe zum Zeichen seines Wohlwollens durch so viele dazwischen liegende Länder bis nach Polen schickte. Als ihn aber, nachdem er vorher die Provinzen des dem Spanier unterworfenen Belgiens bereist und Freundschaft mit Justus Lipsius und anderen dieser würdigen Männern geschlossen hatte, bald darauf Britannien aufgenommen hatte, fand er nicht geringere Gunst bei Elisabeth, der weisesten Königin, seit es Menschen gibt; allerdings war er ein wenig unsicher gewesen, ob er ihr seine Aufwartung machen solle, weil man glaubte, daß um einer Beleidigung willen wegen einer Rede, die der königliche Hofprediger vor längerer Zeit gehalten hatte, sie dieser Nation noch etwas reserviert gegenüberstehe. Nachdem er von hier mit den Grafen von Northumberland über das Meer gesetzt war, ergriff er am dritten Tag nach der Schlacht bei Nieuwpoort im Lager der Vereinigten Provinzen und unter so vielen Leichnamen der Helden und tapfersten Soldaten den siegreichen Prinzen Moritz mit seiner Hand, und nachdem er sechs Monate bei ihm, dem er sehr lieb zu sein begonnen hatte, geblieben war, strebte er wieder in heimische Gefilde. Aber auch dann hielt es ihn nicht lange dort, er reiste eilig nach Italien. Da lebte er nicht in den Tag hinein oder nach der Art derjenigen jungen Leute, für die ein Aufenthalt im Ausland darin besteht, dauernd den Ort zu wechseln, bald hier, bald dort zu sein und vor lauter Betriebsamkeit nichts wirklich zu betreiben. Auf daß man aber wisse, im Hinblick worauf sie das, um dessentwillen sie geheißen wurden, ins Ausland zu gehen, vergessen, oder um welchen Preis sie die wahre Gelehrsamkeit, da sie zwar freigebig mit ihrem Ruhm, aber arm an Tugenden sind, zurückweisen: Um nicht unkultiviert zu prassen, geht man zum Tranchierer, um kunstgerecht den Feind zu töten als neue „Ajaxe“, sucht man die Ringschule auf und den Einsalber; man widmet sich einem Gesangslehrer oder einem Sänger zur Gitarre; einen Teil des Tages fordern gezierte Tänzchen, einen Teil ein hölzernes Pferd, damit Troja nur nicht länger Widerstand leiste, einen Teil das Ballspiel, und letztlich fordern sie das für sich, was wir nur mit größter Mühe beherrschen lernen und ohne die geringste Mühe vergessen. Und selbst wenn das, was an denen, die Besseres höher schätzen, lobenswert wäre, auch an den anderen hinnehmbar ist: Welcher Art von Tugend soll man das Übrige zuschreiben, ohne das, wenn sie als Tugendschwätzer nach Hause zurückkehren, sie ganz besonders fürchten, den Anschein zu erwecken, daß sie die Meinung zu Hause, die Torheit im Ausland und den Geldbeutel ihrer Eltern geringgeschätzt hätten?
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sint: cui virtutis generi caetera asscribas, sine quibus domum aretalogi si reuertantur, magnopere metuunt, ne male de iudicio patriae, de stultitia peregrina, deque crumena parentum sensisse videantur? Has comas, inquam, in frontem adductas quam vix habent, hos cirros à laeua, tanquam timendi e Gallia sideris bellum exitiabile minitantis, hanc plumam in capite illa leuiori, has braccas mirificae expectationis, et adscititia omnia praeter ipsos, cum secum semper peregrinati sint. Non laxabo frena ingenii, neque in vitia non hominum sed saeculi assurgam: affirmare nos satis est fide optima, Raphaëlem vel sola virtute illustrissimum, quique nihil cum adolescentia commune habuit, has abiectorum animorum ostentationes et delicias nugarum, nisi quatenus cum furentibus delirandum est, etiam in ipso iuuentae lubrico, tanti nunquam fecisse. Caeterum ille comitem secum quoquouersus deducere prudentiam, moderari linguae, rimari hominum ingenia, consectari bonos, malos cautè ferre, instituta gentium ritusque inuestiga-[14]re, leges rerum publicarum perdiscere, grauitatem morum domesticarum comitate externa temperare, facies vrbium, situs locorum, rudera prisci temporis, admirator antiquitatis et aemulus, acerrimè contemplari, quiduis autem animaduersione dignum in vsus patriae ac suos cum cura reponere. Non sanè magis solicitè alibi haec omnia quam in Italia, quod illic inter acria, pura suoque coelo similima ingenia et plurimum sibi discendum et moderatione animi atque abstinentia imprimis vtendum esse, sciret luculenter ac perpenderet. Anno quo eo peruenit, Christianissimus Galliarum Rex qui nunc imperio praeest in lucem editus est: quod tanta cum festinatione studioque Romam renuntiatum fuisse dicebat, vt cum e duobus cursoribus alter casu equi crus fregisset, vulnere tamen obligato et continuato itinere alterum etiam praeuerterit. Patauii studiis literarum, exercitiis equestribus Florentiae vacauit, pari successu, vtroque maximo. In principe hac vrbium Hetruriae cum noctu aestus nimij impatiens super ore putei se refrigeraret, [15] propè erat vt contracto laterum dolore in discrimen vitae incideret, sed quod fideli medicorum opera statim euasit. Redux in patriam regiae primò adhaesit: matrimonium verò cum Anna Radziminia lectissima virgine et exempli
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Ich meine diese Haare, die in die Stirn (sie haben kaum eine) gekämmt sind; diese Locken auf der linken Seite – wie von einem aus Frankreich kommenden furchtbaren Gestirn, das einen vernichtenden Krieg androht –, diese Feder auf dem Kopf, der noch leichter als diese ist; diese Hosen, die wunder was erwarten lassen; und überhaupt die ganze Accessoirerie, nur sie selbst nicht, obwohl sie doch nicht ohne sich selbst gereist sind. Ich will meinem Geist nicht die Zügel schießen lassen, will auch nicht gegen Fehler zu Felde ziehen, die nicht Fehler der Menschen, sondern des Zeitgeists sind; es genügt, wenn ich aus verläßlichster Überzeugung versichere, daß Raphael schon allein aufgrund seiner Tugend herausragend war und nichts mit einer solchen Jugend gemein hatte, diese Protzereien verachtenswerter Menschen und die Freuden wertloser Tändeleien, insofern man nicht mit den Rasenden verrückt sein muß, auch in der Unsicherheit seiner jungen Jahre nie geschätzt hat. Im übrigen führte er als seine Begleiterin überallhin die Klugheit mit sich, hielt seine Zunge im Zaum, erforschte die Denkweise der Menschen, schloß sich den Guten an, ging mit den Schlechten vorsichtig um, interessierte sich gründlich für die Einrichtungen und Gewohnheiten der Völker, studierte die Gesetze der einzelnen Staaten, milderte den Ernst der heimischen Sitten durch die Liebenswürdigkeit der ausländischen, besichtigte als ein Bewunderer des Altertums, der mit diesem in Wettstreit treten wollte, äußerst wißbegierig die Anlage der Städte, die Lage der Orte, die Überbleibsel der alten Zeit, bewahrte alles Bemerkenswerte aber zum Nutzen der Heimat und zu seinem eigenen sorgfältig auf. Das alles tat er gewiß nirgends eifriger als in Italien, weil er bestimmt wußte und gründlich erwog, daß er dort, unter Menschen mit scharfem Verstand, klaren, dem Himmel über ihnen ganz ähnlichen Menschen, sehr viel zu lernen hatte und vor allem Bescheidenheit und Zurückhaltung üben mußte. In dem Jahr, in dem er dort ankam, wurde der Allerchristlichste König von Frankreich, der jetzt regiert, geboren: eine Nachricht, die, wie er zu erzählten pflegte, mit solchem Eifer nach Rom gebracht worden sei, daß der eine der beiden Kuriere, als er sich durch einen Sturz seines Pferdes ein Bein gebrochen hatte, sich unbeeindruckt einen Verband anlegte, seinen Ritt fortsetzte und den anderen sogar noch überholte. In Padua widmete Raphael sich der Wissenschaft, kavalleristischen Übungen in Florenz, da wie dort mit demselben Erfolg, nämlich dem größten. Als er sich eines Nachts in dieser vornehmsten aller Städte der Toskana, weil er die allzu große Hitze nicht mehr ertragen konnte, über den Auslauf eines Brunnens beugte, um sich abzukühlen, fehlte nicht viel, daß er, weil er sich dabei Schmerzen in den Seiten zuzog, in Lebensgefahr geraten wäre; dieser Gefahr entrann er aber sehr rasch dank der treulichen Bemühung der Ärzte. Ins Vaterland zurückgekehrt, hielt er sich zunächst am Hof seines Königs auf, schloß aber wenig später die Ehe mit Anna Radzimi´nska, einem Mädchen von höchstem Wert und seltenster Musterhaftigkeit,
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rarissimi, quam ante peregrinationem Italicam sibi desponderat, paullò post contraxit. Pater illi Stanislaus Radziminius fuit, Podlassiae Palatinus, vir praegloriosissimi nominis optimeque de Republica semper meritus, qui legatione in Moscouiam prospere functus, postero die quam reuersus de illa retulisset, morte quamuis beatissima patriae suisque praereptus fuit, bonis omnibus non secus atque in domestico moerore lugentibus. Hic reliquias suas cognomine oppido, mater Theodora Sanguscia, praestantissimae memoriae femina, quae ab Olgerdo vsque Principe Lithuaniae ante trecentos aut circiter annos bellica laude clarissimo nobilitatem suam ac progeniem traxit, VVlodauiae in templo quod sumptibus suis curaque fabricata est, inferri voluit. Raphaël autem biennio post coniugium patrem amisit, negotio [16] pulcherrimo ereptum, quod eum Sigismundus Rex arbitrum statuere eius rei volebat, quae in controuersiam inter ipsum ac Ordinum nonnullos adducta erat. Illum Baranouiae praecipuo pietatis officio apparatissimo funere extulit. Reipublicae cum se dedidisset, ob promptitudinem in comminiscendis pariter et gerendis rebus incredibilem illicò enituit. De sella ordinariorum regni cognitorum ac tribunali octies pronuntiauit, quamuis munus hoc causarum per suffragia prouincialium non nisi post aliquot annorum interualla, alternatis subinde successoribus, eidem rursum obuenire soleat. In illo constitutus vt offensionum pro bono publico minimè pauidus erat, sic item a cursu iustitiae quae vnicuique debetur non modo praemijs, quae impune illi offerre nemo ausus fuisset, sed ne discrimine quidem vllo compulsus deflexit. Sciunt quibus familiariter vsus est, quantopere ministeria aulae vel praefectos iuri dicundo, qui corrupti muneribus indulgentia Principum abutuntur, aut leges [17] fori in fraudem bonorum scelere nefario interuertunt, soepissimè detestatus sit. Censitor negotiorum ac recuperator datus de ratione vectigalium, aerario augustali, pretijs vtensilium, procudendae monetae norma rebusque alijs ita semper egit, vt sententia eius nihil aequius, nihil concinnius iudicaretur. Primus illi honorum gradus Vislicensis, inde Calisiensis Satrapiae fuerunt: tandem Palatinus Belsensis creatus est. Animo etiam agitabat ante annos hos quindecim Rex
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mit dem er sich vor seiner Reise nach Italien verlobt hatte. Ihr Vater war Stanisław Radzimin, der Woiwode von Podlachien, Träger eines überaus glänzenden Namens, immer im höchsten Maß um das Land verdient, der, als er eine Gesandtschaft nach Moskau mit günstigem Erfolge erledigt hatte, einen Tag, nachdem er zurückgekehrt war und über diese berichtet hatte, durch einen allerdings hochseligen Tod dem Vaterland und den Seinen entrissen wurde, so daß alle guten Menschen nicht weniger betrübt waren, als wenn sie einen Trauerfall in ihrer Familie gehabt hätten. Er wollte in der gleichnamigen Stadt begraben werden, doch ihre Mutter, Teodora Sanguszko (eine Frau vorzüglichsten Angedenkens, die ihre vornehme Abstammung und ihre Herkunft bis auf Algirdas, den Großfürsten von Litauen, zurückführen konnte, der sich vor etwa 300 Jahren durch Kriegstaten höchlich ausgezeichnet hatte), wünschte, daß er in Włodawa in der Kirche bestattet werde, die sie auf ihre Kosten und unter ihrer Aufsicht hatte bauen lassen. Raphael aber verlor zwei Jahre nach seiner Eheschließung seinen Vater, der ihm bei der Erfüllung einer höchst ehrenvollen Aufgabe entrissen worden war: König Sigismund hatte ihn zum Schiedsrichter in der Sache bestimmt, die zwischen ihm und einigen von den Ständen strittig geworden war. Sein Sohn ließ ihn in Baranów unter größten Feierlichkeiten beisetzen und erfüllte so seine Pietätspflicht in beispielhafter Weise. Als er in den Staatsdienst getreten war, stach er sofort hervor durch seine unglaubliche Fertigkeit, Pläne zu ersinnen und auszuführen. Vom Stuhl der erwählten Richter des Reichtstribunals hat er achtmal Recht gesprochen, obwohl diese juristische Aufgabe durch Abstimmung unter den Provinzialen gewöhnlich nur im Abstand einiger Jahre ein und demselben Mann übertragen wird, wobei die Nachfolger schnell wechseln. Als er in dieses Amt eingesetzt war, trug er keinerlei Bedenken, zum Wohl der Allgemeinheit Ärgernisse zu erregen, und wäre weder für Belohnungen – die hätte ihm niemand ungestraft anzubieten gewagt – noch aus Rücksicht auf irgendwelche Gefahren vom Pfad der Gerechtigkeit abgewichen, die jedem Menschen zusteht. Die, die ihm nahestanden, wissen, wie heftig er sehr oft die Hofbeamten oder auch die obersten Richter verwünschte, die, weil sie bestochen sind, mit der Gnade der Fürsten Mißbrauch treiben oder in unsäglichem Frevel die juristischen Vorschriften zum Schaden der guten Menschen verdrehen. Als oberster Handels- und Finanzbeamter entschied er bezüglich der Berechnung der Steuereinnahmen, des königlichen Etats, der Preise von Lebensmitteln, der Vorschriften für die Münzprägung und anderer Angelegenheiten immer so, daß man nichts als gerechter, nichts als passender beurteilte denn seine Entscheidung. Die erste Stufe seiner ehrenvollen Ämter war die Präfektur von Wi´slica, dann die von Kalisch, zuletzt wurde er zum Woiwoden von Bels ernannt. Vor 15 Jahren hatte der König in seiner großen Weitsicht auch die Absicht, das Reichssiegel seiner zuverlässigen Handhabung anzuvertrauen, doch hinderte ihn
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prouidentissimus, curae fideique eius sigillum regni concredere; nisi et studium religionis obstitisset, et ille priori dignitate contentus manum ipse sibi iniecisset. Summus vigiliarum eius pro Republica fructus, quod nemo neget, vigiliae vltimae fuerunt; factae nimirum eo collega pacificatorum a Republica hac et maiestate inuictissimi clementissimique retro Regum cum Suecia sua longae induciae, et posita feliciter perpetuae tranquillitatis fundamenta. Recrudescebat iam lachrimabile bellum eò fortiori impetu, quo maius temporis spatium colligendi vires et robur armorum [18] vtrinque hactenus relictum fuerat: praecipitare videbantur res maximè: canebant signa, et vterque vtrique exercitus in conspectu erat. Ille verò quanta solicitudine animos suorum ingentes quidem, sed quid impraesentiarum expediret haud satis memores continuit? quo iudicio cum Legatis externorum Regum ac Prouinciarum versatus est? qua consiliorum potentia, quo fulmine verborum districtos in alternam necem gladios retudit? quam caute, quam sapienter ac circumspectè conditiones aut patriae protulit, aut alteras examinauit? quo vulto, qua constantia mentis inter ipsa disceptationum momenta incomparabilis ac desideratissimae Coniugis excessum tulit, et curis nullam partem intermissis commoda publica luctui priuato anteposuit? Quae omnia maiori ei molestiae fuerint an gloriae ac ornamento, iudicare non in procliui est: gratia quidem quam resurgens ad speciem pristinam terra Prussia, quam restituti patrimoniis suis ciues, quam fortunata isto munere Respublica bonique omnes memoriae illius sanctissimae iustis laudibus [19] et praedicatione debita referunt, vigebit, superstes erit, et cum cursu annorum, si preces ac vota coelo manus inserentium aliquid possunt, semper dehinc quietorum incrementa sumet. De praestantissimis porro virtutibus eius et vita interiore ad exemplum suauissima honestissimaque dicere si velim, verba me prius deficiant quàm materia verborum et rerum dignissimarum cumulus. Sanctimonia imprimis cultuque aduersus Deum conspicuus fuit, et insanientis eos sapientiae sectatores esse autumauit, qui persuasione execrabili aut ex praeceptis vafri ab Hetruria doctoris non nisi per impietatem artesque prauas Rempublicam ritè gubernari, aut negotia cum
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seine konfessionelle Ausrichtung daran, und er selbst gebot ihm Einhalt, weil er mit dem vorigen Amt zufrieden war. Die schönste Frucht seiner Anstrengungen für das Land war, das leugnet wohl niemand, seine letzte Anstrengung, nämlich der unter seiner Mitwirkung bei den Friedensverhandlungen von diesem Land und Seiner Majestät, dem allerunbesieglichsten und allergnädigsten aller bisherigen Könige, mit seinem Lande Schweden vereinbarte langfristige Waffenstillstand und damit die erfolgreiche Grundlegung für beständige Ruhe. Schon brach der betrübliche Krieg von neuem aus, mit um so größerer Heftigkeit, je mehr beide Seiten inzwischen Zeit gehabt hatten, ihre Kräfte zu sammeln und aufzurüsten. Man sah, daß die Lage sich zuspitzte, Trompetenstöße ertönten, und die beiden Heere standen sich in Sichtweite gegenüber. Da aber – mit welcher Sorgsamkeit hielt er die Angriffslust seiner Leute im Zaum, die zwar gewaltig war, aber zu wenig daran dachte, was bei der gegenwärtigen Lage der Dinge zuträglich sei. Mit welchem Urteilsvermögen ging er mit den Gesandten der auswärtigen Könige und der Provinzen um! Mit welcher diplomatischen Kraft, mit welchen Donnerworten stieß er die Schwerter weg, die man schon gezogen hatte, einander zu töten! Wie vorsichtig, wie weise und umsichtig brachte er die Bedingungen seines eigenen Landes vor, prüfte er die der Gegenseite! Mit welcher Gefaßtheit, welcher seelischen Standfestigkeit ertrug er mitten in den Schwankungen der Verhandlung das Hinscheiden seiner unvergleichlichen und über alles geliebten Gattin, stellte er das Gemeinwohl über den persönlichen Trauerfall, ohne seine Pflichten auch nur im geringsten zu versäumen! Ob ihm das alles eher als Belastung oder als Quelle für Ruhm und Ehre erschien, das zu entscheiden ist nicht leicht. Auf jeden Fall wird der Dank, den Preußen, das zu seinem früheren Ansehen emporwächst, den seine Mitbürger, die ihr ererbtes Hab und Gut zurückbekommen haben, den sein mit diesem Geschenk gesegnetes Land und alle guten Menschen seinem heiligen Andenken mit der angemessenen Ehrerbietung und der schuldigen Rühmung erweisen, leben und weiterleben und im Lauf der Jahre, wenn die Bitten und Gebete derer, die ihre Hände zum Himmel strecken, etwas bewirken können, durch die Stimmen derer, die bisher schweigen, immer noch zunehmen. Wenn ich nun aber über seine herausragenden Eigenschaften und sein so beispielhaft liebenswürdiges und ehrenhaftes Wesen sprechen wollte, gingen mir wahrscheinlich eher die Worte aus als der Stoff für Worte und die Fülle an würdigen Gegenständen. Vor allem zeichnete er sich durch Frömmigkeit, also Verehrung Gottes, aus und erklärte alle für Anhänger einer tollwütigen Philosophie, die – sei es aufgrund einer fluchwürdigen Überzeugung, sei es aufgrund der Theorien des durchtriebenen toskanischen Doktors – der Meinung sind, Staaten könnten nur amoralisch und mit bösartigen Tricks richtig gelenkt, Geschäfte nur so gewinnbringend betrieben werden. Und da er wußte, daß die Natur des Menschen es absolut nicht zuläßt, daß man
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emolumento tractari posse, opinantur. Cumque naturam pati minimè sciret, vt idem bonus ciuis ac vitae impiae sit, omnium rerum principia ab eo ducebat, sine cuius ope ac praesidio nihil sumus miseri mortales, nihil possumus. Inuidiam quoque, cupiditatem, auaritiam procul habuit, et dignitate fortunisque suis sanctissimè vsus est. Comis non sine grauitate, seuerus non sine humanita-[20]te, natura beneficentissimus, studij erga clientes incredibilis, neque fortunae sed illorum amicus, accepta iniuria statim exorabilis, promissorum suorum tenacissimus et, vt paucis multa, demerendis hominibus genitus. Indulgentiam verò hanc suam et caritatem vt in omnes bonos promiscuè partiebatur: ita exulibus eam ac in sinu eius perfugium quaerentibus affectione prorsus paterna effusoque pectore exhibebat. Potuisset sane absterreri ab hospitalitate tanta et domesticis eisque caussis, quas timidè officiosi callidè magis et custodiose quam pie attendunt: suscipere tamen profugos, proscriptos, sed innocentes, iuuare, ditiones illis suas aperire et animum inter ea ponebat, quibus mortales ad superorum benignitatem proximè accedimus. Hac itaque beneuolentia et gratitudinem multorum bonorum, laudes omnium meritus est, et ingens simul, spreto timore ac quicquid commodorum priuatorum ratio suadere solet, ex diuino hoc beneficio suo haud dubiè intra se gaudium ac imperturbatam mentis serenitatem tulit. Nam vt [21] corpusculum hoc quo induti sumus, solidam robustamque voluptatem tum demum capit, cum temperatum benè ac valetudine integra praeditum est: ita utprimum animus noster spem gratiae aut discriminis odiique metum proiecit, statim sua etiam veraque voluptate frui, et pretium sibi sanitatis suae fieri incipit opulentissimum. Sed sequetur quoque, vnà cum aliis augustissimae huius Reipublicae Proceribus et incolis, eadem facilitate palantes bonos excipientibus, Filios eius generosissimos, haeredes istius non minus quam reliquae laudis paternae certissimos, Dei hominumque consensu sua gratia: sequetur virum illustrem et exactissimarum virtutum Ioannem Schlichtigium, inter caetera honorum ornamenta Praefectum Lesnae gratissimi peregrinorum domicilij, qui beneuolentiam hanc Patroni dum vixit optimi solicitè imitatur, et oppressis ac egentibus singu-
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zugleich ein guter Staatsbürger und ein gottlos lebender Mensch wäre, bezog er die Grundsätze für alle seine Entscheidungen immer wieder von dem, ohne dessen Hilfe und Schutz wir armen Sterblichen nichts sind und nichts vermögen. Auch hielt er Neid, Begehrlichkeit und Geiz von sich fern und machte von seinem Rang und seinem Vermögen nur den rücksichtsvollsten Gebrauch. Er war freundlich nicht ohne Nachdruck, streng nicht ohne Umgänglichkeit, von Natur aus ganz zu Wohltaten geneigt, unglaublich bemüht um seine Leute und deren, nicht seines Vermögens Freund, sofort zum Verzeihen bereit, wenn man ihn beleidigt hatte, äußerst gewissenhaft in der Einhaltung seiner Zusagen und, um mit wenigen Worten viel zu sagen: dazu geboren, sich um seine Mitmenschen verdient zu machen. Wie er aber diese seine Menschenfreundlichkeit und Menschenliebe ohne Unterschiede allen guten Menschen zukommen ließ, so erwies er sie Vertriebenen und allen, die in seinen Armen Zuflucht suchten, mit geradezu väterlicher Liebe und weit geöffnetem Herzen. Gewiß hätten ihn von dieser großen Gastfreundlichkeit häusliche Gründe abbringen können, also die Gründe, die die nur aus Angst Hilfsbereiten mehr aus Schlauheit und übergroßer Besorgnis als aus frommer Rücksicht beachten; er aber rechnete die Aufnahme von Flüchtlingen, die Hilfe für ohne Schuld des Landes Verwiesene, die Öffnung seines Besitzes und seines Herzens für sie zu den Wegen, auf denen wir Sterblichen ganz nah an die Güte der Himmlischen herankommen. Mit diesem Wohlwollen aber gewann er die Dankbarkeit vieler guter Menschen und das Lob aller; zugleich wurde ihm durch diese seine gottähnliche Wohltätigkeit – er wies ja Furcht und alles, was die Berechnung des persönlichen Vorteils anzuraten pflegt, weit von sich – zweifellos eine große innere Freude und ungestörte Heiterkeit des Herzens zuteil. Denn wie dieser armselige Leib, der uns umkleidet, erst dann tiefe, starke Fröhlichkeit findet, wenn er wohlbeherrscht und vollkommen gesund ist, so beginnt auch unsere Seele, sobald sie die Hoffnung auf Dank oder die Furcht vor Gefahr und Haß abgeworfen hat, sofort das ihr zukommende echte Vergnügen zu genießen, beginnt sich ihr überreiche Belohnung für ihre Gesundheit zu entwickeln. Aber, zusammen mit anderen Adligen und Einwohnern dieses erhabenen Landes, die herumirrende gute Menschen mit demselben Entgegenkommen aufnehmen, werden auch seine hochedlen Söhne unter dem Beifall Gottes und der Menschen den ihnen gebührenden Dank erhalten, haben sie doch ganz gewiß die erwähnte nicht weniger als alle anderen guten Eigenschaften ihres Vaters geerbt. Denselben Dank wird auch Johannes Schlichting finden, ein hochangesehener Mann mit ganz ausgeprägten Vorzügen, neben anderen ehrenvollen Aufgaben Verwalter von Lissa, dem ersehnten Asyl der Vertriebenen, der der Gutmütigkeit dessen, der, solange er lebte, sein vortrefflicher Herr war, eifrig nachstrebt und nicht aufhört, Verfolgten und Bedürftigen mit seiner einzigartigen Freundlichkeit und überhaupt auf jede Weise gefällig zu
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lari comitate modisque omnibus gratificari non desinit. Plura ne dicam cum pudor viri ipsa modestia modestioris, tum perspectus ille amor prohibet, quo ingenioli mei cona-[22]tus meque ipsum supra meritum prosequitur. Sit longum miseris tale beneficium, inolescat ciuibus benignus aliquis genius hoc vetus, humani nihil a quoquam alienum esse, et plana fiat illis Constitutio supremi Parentis, quo conscio absentium a suis fortuna procuratur, quo conditore eosdem iuuantium dextra paratur. Munificus praeterea et memorandae liberalitatis cum esset, sumptuosissimam putabat temporis iacturam, cuius nullam partem in male agendo, exiguam in nihil agendo collocabat. Actione rerum praecipue ac officijs ciuilibus optimum ei pretium ponebat. Dandum etiam de die aliquid responsis ad eos erat, quorum literis absens colebatur. Inter hos quidem cum quibus illi scribendi commercium erat, Imperatores, Reges ac Principes, ipsumque qui nunc rerum potitur Pontificem Maximum habuit. Qua claritate etiam Patris et nomine celeberrimo permotus tertio è Filijs illustrissimis Boguslao, ornamento Ordinis sui, eminentissimus Cardinalis Barbarinus Vrbani nepos in Vrbe nuper omne humanitatis officium et beneuo-[23]lentiam tribuit non vulgarem. Sensit itaque senex beatissimus, collocata in tuto fama sua, viuus adhuc venerationem eiusmodi, qualis post fata praestari solet vel rarissimis. Animi laxandi caussa amaenitates nemorum, lucos virentes et illam vndiquaque circumspiciendi liberrimam facultatem interdum quaerebat. Venabatur etiam, sed intra modum, neque illorum instar, qui dum feras inexhausta libidine sectantur et bruta animantia, id propemodum fiunt quod capiunt, Lycaones foris, Actaeones domi. Apud mensam cum animum remiserat, vrbanitate magna erat et communissimus. Nam et coenae adhibitos ac de rebus varijs fabulantes cupidè audiebat, et aut taciturnos aut submissim colloquentes suis ipse sermonibus ad exporrigendam frontem inuitabat. Sententias loquebatur non quaesitas, neque colore verborum fucatas; sed simplices, venustas et quales albas Pollio Asinius nominare solitus est. Geographiae studium et Genealogiae duo Historiae crura appellabat, quibus illa sustineretur: morem quo studiosi adolescentes Album suum viris [24] claris in-
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sein. Mehr zu sagen verbietet mir die Schamhaftigkeit dieses Mannes, der bescheidener ist als die Bescheidenheit selbst, verbietet mir aber vor allem auch die offenkundige Liebe, mit der er die Versuche meiner geringen Begabung und mich selbst, mehr als ich verdiene, begleitet. Hoffentlich wird Menschen in Not solche Wohltätigkeit lange Zeit zuteil, hoffentlich pflanzt irgendein guter Geist meinen Mitbürgern den alten Satz ein: „Menschliches Schicksal kann jeden treffen“; hoffentlich begreifen sie das Gesetz des Vaters im Himmel, mit dessen Wissen für das Schicksal derer, die das Ihrige haben verlassen müssen, gesorgt wird und auf dessen Veranlassung ihnen eine helfende Hand geboten wird. Während er außerdem freigebig und von denkwürdiger Großzügigkeit war, hielt Raphael den Verlust von Zeit für die größte Verschwendung, Zeit, von der er keinen Anteil auf böse Taten und nur einen geringen auf das Nichtstun verwandte. Vornehmlich bei Amtshandlungen und in der Erfüllung seiner Bürgerpflichten maß er ihr den größten Wert zu. Auch mußte er einen Teil seiner Stunden für Antworten an die aufwenden, die ihm, weil er fern weilte, durch Briefe die Ehre erwiesen. Tatsächlich hatte er unter denen, mit denen er in Briefwechsel stand, Kaiser, Könige und Fürsten und sogar den jetzt regierenden Papst. Wegen dieser Bekanntheit, dieser Berühmtheit des Vaters erwies dem dritten der hocherlauchten Söhne, Bogusław, einer Zierde seines Standes, Seine Eminenz Kardinal Barberini, der Neffe Urbans, vor kurzem in Rom jeden freundlichen Gefallen und ungewöhntliches Wohlwollen. So bekam der nun hochselige alte Herr, nachdem sein Ruf unzweifelhaft geworden war, noch zu Lebzeiten eine Ehrerbietung zu spüren, die gewöhnlich nur Verstorbenen, und auch diesen nur sehr selten, zuteil wird. Um sich zu entspannen, suchte er manchmal die Lieblichkeit der Wälder, grünende Haine und freie Aussichtspunkte auf. Dann und wann jagte er auch, aber maßvoll und nicht wie die, die mit unerschöpflicher Lust Tiere, also vernunftlose Lebewesen, verfolgen und darüber beinahe das werden, was sie fangen. Außer Haus wie Lycaon, zu Hause wie Actaeon. Wenn sich bei Tisch seine Anspannung gelöst hatte, war er sehr geistreich und ausnehmend umgänglich. Denn er hörte den Tischgenossen, die sich über mancherlei unterhielten, wißbegierig zu und ermunterte durch eigene Worte die Schweigsamen oder solche, die nur zurückhaltend sprachen, die Stirn zu entfalten. Seine Sätze waren nicht gesucht, nicht mit rhetorischen Mitteln aufgeputzt, sondern schlicht und schön, Sätze von der Art, die Asinius Pollio „weiß“ zu nennen pflegte. Das Studium der Geographie und das der Genealogie bezeichnete er als die beiden Beine der Geschichtswissenschaft, die sie trügen; daß die jungen Studenten berühmten Männern ihr Stammbuch vorlegen, damit diese ihren Namen hineinschreiben, nannte er, weil diese Sitte bei den Deutschen ziemlich verbreitet ist, einen „Germanismus“, Bellarmin „eine Bibliothek der Wahrheit“, denn er stelle die Argumente seiner Gegner richtig dar, beantworte sie falsch. Die gelehrten
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scribendi nominis sui ergò tradere consueuerunt, quia hoc Germanis frequentius in vsu est, Germanismum: Bellarminum veritatis bibliothecam; argumenta enim à se dissentientium rectè proponere, perperam respondere. Studia doctrinarum acri cura, cupiditate summa exercuit, ac non in itineribus modò, verum etiam in medio soepè amplissimorum laborum aestu, rebus ab alijs somni, conuiuiorum, fori aleatorij causa prolatis, labores suos lectione scriptorum elegantium, vetustorum imprimis, solatus est. Scientiae verò pulchritudine et experientia rerum eminentes viros familiariter amauit, ac inter caeteros Ioannem VVundergastium excellentem virum et in omni genere officij diligendum, cuius doctrina fideque captus filiis eum natu grandioribus moderatorem studiorum ac peregrinationum comitem, et negotiorum sibi variorum participem consciumque ab annis non paucis adsciuit. Eloquentiae quantum tribueret, oratio eius prodebat literatam sapientiam redolens, conspersa floribus earum de quibus antea sententiarum, omnibusque numeris absoluta. [25] Poëtas cum legebat diligenter, tum verò etiam exactissimè de ijs sententiam ferebat, quam quidem partem eruditionis non exiguam duco. Videmus enim, et cum risu ac commiseratione videmus, postremae soepè notae versificatores et scurras de triuio a viris caetera iudicij non vulgaris omne punctum ferre: ingenia verò splendidissima, limatissimique studij opera vix leui oculo transmitti. Pangebat et ipse carmina, sed rarenter et parcè; quod miseros versus facere ineptum esse, tolerabiles inglorium, egregios difficilius putabat quam a se alibi occupato praestari posset. Epigrammata equidem ludebat lepida, arguta et quorum admirationem Legatus Regis Galliarum Claudius Memmius vir summus quique patriae suae ac literarum amorem a maioribus suis et sanguine nobilissimo traxit, apud ipsum non potuit dissimulare. Scripsit quoque sermone materno huius generis quaedam et suppresso nomine suo edi passus est, quibus neque ingenij acumen, neque facilitatem numerorum, neque rerum dignitatem deesse audio. Adolescens et Musicam attigit, geminam Poëticae, testudine praesertim iucundè et scienter canere doctus. Nam et ista quod refero, leue non putabunt nisi quorum [26] mores hac nulli pudenda
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Studien betrieb er mit großer Sorgfalt und höchstem Eifer; und nicht nur auf Reisen, sondern oft auch mitten im Feuer umfangreichster Arbeiten tröstete er sich – während andere ihre Angelegenheiten aufschoben, um zu schlafen, zu tafeln oder zum Glücksspiel zu gehen – über seine Mühen mit der Lektüre gewandter Schriftsteller hinweg, vor allem der antiken. Männer aber, die durch den Glanz ihres Wissens und durch praktische Erfahrung hervorragten, liebte er freundschaftlich, unter andern Johannes Wundergast, einen außerordentlichen, auf allen Gebieten seines Dienstes schätzenswerten Mann, den er, eingenommen von dessen Gelehrsamkeit und treuer Ergebenheit, für seine älteren Söhne als Hofmeister und Reisemarschall und für sich selbst als Mitwirkenden und Mitwissenden in verschiedenen Amtsgeschäften vor etlichen Jahren heranzog. Wie hoch er die Redekunst schätzte, erwies sich durch seine Sprechweise: Sie verriet Gelehrsamkeit und Weisheit, war bestreut von den Büten jener Sätze, von denen ich oben gesprochen habe, war in jeder Hinsicht vollkommen. Wenn er die Dichter sorgfältig las, dann gab er aber auch ein höchst gründliches Urteil über sie ab, das ich für einen keineswegs geringfügigen Teil der Bildung halte. Wir sehen nämlich, und sehen es mit Gelächter und Bedauern, wie elende Verseschmiede und banale Possenreißer bei Männern, die sonst recht gut urteilen können, allen Beifall finden, glanzvollste Begabungen aber und ausgefeilteste, ehrgeizigste Werke nach flüchtigem Hinsehen der Mißachtung anheimfallen. Er verfaßte auch selbst Gedichte, aber nur selten und wenig, denn er war überzeugt, schlechte Verse zu machen sei närrisch, mittelmäßige unrühmlich, hervorragende schwerer, als daß er es, bei seinen anderweitigen Beschäftigungen, leisten könne. Immerhin verfertigte er manchmal spielerisch witzige Epigramme voller Scharfsinn; die Bewunderung für sie konnte Claude de Mesmes, der Gesandte des französischen Königs, ein großartiger Mann, der die Liebe zu seinem Land und zur Literatur von seinen Vorfahren her, also aus edelster Quelle, in sich trug, ihm gegenüber nicht verbergen. Außerdem schrieb er einiges solcher Art in seiner Muttersprache und ließ zu, daß es anonym veröffentlicht wurde; auch diesen Arbeiten fehlt, wie ich mir habe sagen lassen, weder der Scharfsinn noch die Leichtigkeit der Versifikation noch ein angemessener Inhalt. Als ganz junger Mann versuchte er sich auch in der Musik, der Zwillingsschwester der Poesie, und konnte besonders angenehm und fachmännisch Laute spielen. Daß ich dies berichte, werden nur die für unbedeutend ansehen, deren Charakter dieses Vergnügen nicht verdient, dessen sich niemand schämen muß. Deutsch, Französisch und Italienisch beherrschte er vollkommen, Spanisch einigermaßen. Auch dem Griechischen wandte er sich zu; Latein aber sprach er so, daß man glauben konnte, er sei unter Männern wie Cicero, Caesar und Sallust erzogen worden. Ständig bemühte er sich um politisches Wissen und Kenntnis der Geschichte, da er sehr wohl wußte, daß vor allem jenes Wissen nötig ist, wenn man richtig herr-
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voluptate indigni sunt. Germanicam, Gallicam, Italicam linguas penitus, Hispanicam mediocriter tenebat. Aggressus est et Graeca: sed Latine sic loquebatur, vt inter Tullios, Caesares et Sallustios educatus videretur. Disciplinae ciuili ac historiarum cognitioni operam dabat assiduam, gnarus illam ad rectè gubernandum et constituendam rempublicam vnice requiri; hanc vero speculum prudentiae, praemium virtutum, nunciam veritatis, omnisque boni exempli magistram esse fidissimam. De rebus in regno Neapolitano gestis, ob miram earum subinde mutationem ac vicissitudines, ita sentiebat, qui earum lectione luculenter imbutus esset, eum haud parum profecisse. Parthenopen ipsam verò, dulcem olim etiam Maronis alumnam, foecundam omnium deliciarum, et iuxta hanc ocellum littoris Phocaici Massiliam, adeò charas habebat, vt si more quorundam à patria abesse, et in portum gratioris vitae procul negotiis euadere deberet, in alterutra istarum stabili sese hospitio vsurum affirmaret. In Mathematica doctrina iuuenis adhuc eousque eminuit, vt eum his studiis ad summam gloriam prouectus Galilaeus, obortae sibi ob nobilem quaestionem cum erudito Sodalitatis Iesuiticae Patre, cui illustrissimus Comes Tencinius, iti-[27]dem Polonus, assistebat, litis arbitrum eligere Florentiae, si memini, voluerit. Quid plura? cum etiam, ne instrumentum sibi deesse pateretur vllum, quo eum virum se redderet qualem vt optare rarum, ita fieri planè insolitum est, aetate iam inclinata Russiam, Volhiniam, Podoliam vicinasque prouincias delineare, et exactas locorum distantias tabulis proponere ceperit; victus eo quo semper exardescebat amore patriae, ac Iodoci Hondij precibus, cuius diligentiae in his artibus multum debemus. Nunc quoniam amissione eius opera tanta interrupta pendent, Gloscouij, Broschij aliique praeclari et scientes harum literarum viri lampada sibi traditam credant, suamque patriam huius etiam curae beneficio exornent. Tot scientias viri omni virtute actisque ad exemplum praecipui, tot dotes cum laudauerimus, qua incuria, imò quo flagitio illius studii obliuiscamur, quo vitae tanta cum gloria cultae summam manum septimo et quinquagesimo anno beatissimè imposuit? Vltimo quippe ante excessum suum biennio imprimis, quamuis id facere semper solitus fuerit, meditationum
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schen und den Staat richtig aufbauen will, daß diese Kenntnis aber ein Spiegel der Klugheit, ein Lohn edler Anstrengungen, eine Heroldin der Wahrheit und die zuverlässigste Lehrmeisterin für jedes vorbildliche Handeln ist. Über die Entwicklung im Königreich Neapel dachte er wegen ihrer häufigen raschen Veränderungen und Wechsel folgendermaßenn, daß, wer sich durch Lektüre gründlich darüber informiert habe, nicht wenig vom Fleck gekommen sei. Neapel selbst aber, einst auch Vergils geliebte Herberge, reich an Verlockungen aller Art, und ebenso Marseille, die Perle der phokäischen Küste, hatte er so lieb, daß er zu versichern pflegte: Wenn er wie manche anderen sein Vaterland verlassen und in den Hafen eines wünschenswerteren Lebens, „fern von den Pflichten“, entschlüpfen müsse, wolle er sich in einer dieser beiden Städte als Dauergast niederlassen. In der Astronomie hatte er schon als junger Mann einen derartigen Ruf, daß ihn der durch diese Forschungen zu höchstem Ruhm gelangte Galilei wegen des Streits, der ihm wegen einer wichtigen Frage mit einem gelehrten Jesuitenpater erwachsen war, für den auch der erlauchte Graf Tenczyn focht, ebenfalls ein Pole, als Schiedsrichter in Florenz (wenn ich mich recht erinnere) auswählen wollte. Was soll ich mehr darüber sagen? Hat er doch in schon vorgerücktem Alter – er wollte eben keines Mittels ermangeln, sich zu einem Mann zu machen, wie selten einer werden will und noch seltener einer wird – begonnen, Karten von Rußland, Wolhynien, Podolien und den angrenzenden Gebieten zu zeichnen und die genauen Entfernungen zwischen den einzelnen Orten auf diesen Karten anzugeben. Dazu trieb ihn seine Vaterlandsliebe, von der er immer glühte, trieben ihn die Bitten Jodocus Hondius’, dessen Sorgfalt wir auf diesem Wissensgebiet viel verdanken. Da nun, seitdem wir ihn verloren haben, diese so wichtigen Arbeiten unvollendet liegen, sollten Männer wie Gloscovius, Broschius und andere ausgezeichnete, in diesem Wissensgebiet fachkundige Männer davon überzeugt sein, daß ihnen eine Fackel übergeben ist, und sollten ihrem Vaterland auch mit der guten Tat dieser Arbeit zu Ruhm verhelfen. Da wir nun so viele Kenntnisse eines Mannes, der in allen seinen Werten und Taten ein bis zur Musterhaftigkeit besonderer Mann war, so viele Begabungen an ihm gerühmt haben, von welcher Pflichtvergessenheit, ja sogar Frevelhaftigkeit wäre es da, wenn wir die Sorgfalt nicht erwähnen würden, mit der er an sein mit so großem Ruhm geführtes Lebenswerk die letzte Hand im 57. Lebensjahr auf glücklichste Weise anlegte? Pflegte er doch ganz besonders in den letzten beiden Jahren vor seinem Tod – obwohl er immer schon gewohnt war, das zu tun – zu Hause und unterwegs, bei Tag und Nacht Andachts- und Gebetbücher zu lesen! Sang er doch täglich, vor allem nach dem Aufstehen, mit demütiger Stimme und frommem Sinn die Psalmen Davids, in Verse seiner Muttersprache, in französische und deutsche Verse übersetzt, und versah nicht wenige selbst geschmackvoll mit eigenen Melodien, nach seiner eigenen Frömmigkeit, aber der Denk-
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sacrarum et precum libellos domi peregreque nocturna diurnaque manu versabat: tum Dauidis hymnos maternis, Gallicis ac Germanicis versibus redditos ore animoque deuotissimo quotidie, [28] praesertim experrectus, cantitabat, neque paucos suis ipse numeris, suo cultu ad mentem auctoris coelestissimi eleganter induebat. Sic astra superscandebat adhuc mortalis, et a quo tot tantaque bona perceperat, eum poscebat illud demum, quod et finis reliquorum et sine fine erit. Inter haec mentem diuinissimam, tanquam extra corpus, illud velamentum sui, habitaret, ad se atque in se ardore maximo reflectebat, et tranquillitatem eam fiducia aeternitatis firmissima sibi formabat, vt excedens non accepisse quietem speratam, sed continuasse videatur. Quantoperè vero morti paratus fuerit, qua promptitudine in procinctu magnus steterit animus, iussa summi Imperatoris momentis omnibus expectans, vel verba illa de mortalitatis nostrae terminis grauissima sanctissimaque, quae somnum petens qui vltimus illi fuit sua manu perscripta in adstante mensa reliquerat, argumento sunt certissimo. Idem liber meditationum Gerardi, viri pii, singularis, neque a concordia fraterna et pace auersi, indicat, eo in loco, ita vt eum in paginarum faciem, eamque ipsam quae de fato constanter excipiendo loquitur, inuerterat, itidem repertus. Reddidit nunc coelo coelestem animam, reddidit de Republica, de cultus diuini libertate, de [29] bonis omnibus benemerentissimum spiritum aeterno eius auctori, et diuinam lucem, veram beatitudinem, Deum denique ipsum sideribus iisque sedibus receptus aspicit, quae eductis ex contubernio vanitatis voluptatem immensam, gaudium inenarrabile, gloriam incredibilem exhibent. Hic quoque hoc pretium suae mortis tulit, durare fidam sui memoriam et partam tot virtutibus existimationem, neque sese ignobili tumulo recondi. Reposita felici anima in ipso sinu aeternitatis, illibata etiam nullaque vitae labe conspurcata fama eius in tuto atque extra iniuriam temporis collocata est. Efflorescet in cordibus bonorum, incrementa cum annis sumet, ipsiusque serae Posteritatis praeconio consecrabitur. Referuntur imprimis ad fortunam Q. Metelli prosperrimam relicti post obitum quatuor filii, consulares et consules omnes. Totidem illi etiam, vnà cum Theodora, illu-
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weise dieses himmlischen Dichters entsprechend. So stieg er, noch als Sterblicher, hinauf, höher als die Sterne, und forderte von dem, der ihm so viele und so große Wohltaten erwiesen hatte, schließlich das, was allem anderen ein Ende setzt, ohne selbst ein Ende zu haben. Unterdessen wandte er seine wahrhaft göttliche Seele, als wenn sie außerhalb des Leibs, ihrer Verhüllung, wohnte, mit größtem Eifer auf sich und in sich selbst hinein zurück und schuf sich durch sein unerschütterliches Vertrauen auf das ewige Leben eine so große Gelassenheit, daß es schien, er habe sterbend nicht eine erhoffte Ruhe gefunden, sondern seine Ruhe fortgesetzt. Wie sehr er aber für den Tod gerüstet war, mit welcher Entschlossenheit seine hohe Seele zum Kampf schlagfertig bereitstand und jeden Augenblick die Befehle des höchsten Feldherrn erwartete, dafür sind zumal die höchst bedeutungsvollen und ehrwürdigen Worte über die Grenzen unserer Sterblichkeit, die er, als er den Schlaf erstrebte, der für ihn der letzte war, eigenhändig niedergeschrieben und auf einem nahe stehenden Tisch liegengelassen hatte, der sicherste Beweis. Dasselbe beweisen Gerhards Meditationen, das Buch eines frommen, besonderen, brüderlicher Eintracht und Friedfertigkeit zugeneigten Mannes, das ebenso an der erwähnten Stelle gefunden wurde, so wie er es aufgeschlagen hatte, gerade auf der Seite, die davon spricht, daß man das Fatum unerschütterlich hinnehmen muß. Nun hat er seine dem Himmel gehörende Seele dem Himmel zurückgegeben, hat sein um das Land, um die Freiheit des Gottesdienstes, um alle guten Menschen hochverdientes Leben dessen ewigem Schöpfer zurückgegeben und sieht das göttliche Licht, die wahre Glückseligkeit, mit einem Wort: Gott selbst. Denn er erhielt einen Platz auf den Sternen, auf den Wohnsitzen, die allen aus dem Zusammenhang mit der Nichtigkeit Herausgeführten unermeßliche Lust, unbeschreibliche Freude, unglaubliche Herrlichkeit gewähren. Auch hier auf Erden bekam er eine Entschädigung für seinen Tod, nämlich die, daß die treuliche Erinnerung an ihn und die Hochschätzung, die er sich durch so viele Vorzüge verdient hat, bestehen bleiben und er nicht in einem ruhmlosen Grab verborgen wird. Nachdem seine begnadete Seele im Schoß der Ewigkeit ihre Ruhe gefunden hat, ist auch sein unberührter Ruf, den er in seinem Leben nie befleckt hat, in Sicherheit, und die Mißgunst der Zeit kann ihm nichts mehr anhaben. Dieser Ruhm wird in den Herzen der guten Menschen aufblühen, mit den Jahren noch zunehmen, und die späteste Nachwelt wird ihn wie ein Herold feierlich verkünden. Man betrachtet es als Hauptsache am außerordentlichen Glück des Q. Metellus, daß er nach seinem Tod vier Söhne hinterließ, die alle Konsuln waren oder gewesen waren. Ebensoviele hat Raphael lebend hinterlassen, daneben Theodora, die hocherlauchte, musterhafte Frau. Von diesen Söhnen haben die älteren, ausgerüstet mit so großen Gaben der Bildung, der Tugenden und der Weisheit, die hochedler Menschen würdig sind, ausgebildet durch so vielfältige Reisen und praktische Erfahrung, den
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strissima et insignis exempli foemina, superstites sunt: è quibus vt maiores natu tantis doctrinae, virtutum ac sapientiae dotibus praediti, tot artibus generosissimis pectoribus dignis ornati, tanta peregrinatio-[30]num varietate vsuque rerum exculti, splendorem maiorum, aetatis spatium ipsumque desiderium Parentis dudum excesserunt; ita iunior eos ad magna quaeque indies processus facit, vt spem et ipse de se Patriae ac suis praebeat amplissimam. Reliquit demum heros beatissimus, subactis alibi successu armorum inuidendo hostibus acerrimis, factis opera etiam sua, fideque ac studio maximo inducijs, Regnum inclitum eiusmodi in statu, ac sub eo Victoriosissimi Optimique Regis principatu et imperio, vt restaurato agris cultu, acquisita pace hominibus, reperta sacris libertate, cunctisque rebus feliciter constitutis compos votorum omnium suorum abundè factus sit. Maneant in vestigio suo fundamenta haec tranquillitatis, finita sint bella externa, ciuilia non succrescant, recidant consilia praua in auctorum caput, vigeat sanctitas legum, quies Rempublicam libertas conscientias, amor ciues, concordia Proceres ambiat, cogitata denique salus, vita et incolumitas Regis cordi sint Deo immortali, quem ille iustitia, bonitate et clementia imitatur.
*** [3] Nobilißimo Amplißimo Viro GOTFRIDO BAUDISIO, CELSIS!S"IMO PRINCIPI LIGNICENSI à Consilijs, et Ducatus Eiusdem Cancellario, Martinus Opitius. S.
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QUid potius agam, aut quid aliud à me poscatis, Vir Nobilissime, quàm ut labantibus miserè hinc inde rebus, bonisque jpsis [4] pejus quotidie habentibus quàm vel habere interdum se sentiunt, litus hoc literarum absens premam, et in secessus mei qualibuscunque scriptionibus identidem vobiscum loquar, quorum commendatione Celsissimi Optimique Principes nostri cum negotiorum mihi labores hactenus remittant, non tamen et renuntiant ea quae officijs ac diligentia imprimis meremur? Bona hoc igitur fide ago, et desiderium vestri patriaeque non
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Glanz ihrer Vorfahren, ihr jugendliches Alter und sogar den Wunsch ihres Vaters schon lange übertroffen. Ebenso macht der jüngere täglich so große Fortschritte zu allen edlen Zielen hin, daß sein Vaterland und seine Familie sich auch von ihm Herrliches versprechen können. Schließlich hat der nun hochselige große Mann, nachdem anderswo durch beneidenswerten militärischen Erfolg höchst bedrohliche Feinde niedergeworfen worden sind und dank seiner zuverlässigen Bemühung und seines unübertrefflichen Einsatzes ein Waffenstillstand geschlossen ist, das ruhmvolle Königreich in einem solchen Zustand und unter einer derartigen Führung des siegreichen, besten Königs zurückgelassen, daß er – der Ackerbau hat wieder begonnen, die Menschen haben wieder Frieden, die religiöse Freiheit ist wiedergewonnen, alles ist glücklich geregelt – überreiche Erfüllung aller seiner Wünsche erlangt hat. Mögen diese Grundlagen friedlichen Lebens an ihrem Platz bleiben! Mögen die Kriege mit dem Ausland beendet sein, Bürgerkriege nicht aufflammen! Mögen böse Absichten auf ihre Urheber zurückschlagen! Es lebe die Heiligkeit der Gesetze! Ruhe umarme das Land, Freiheit das Gewissen, Liebe die Einwohnerschaft, Eintracht den Adel! Möge schließlich das erwünschte Wohlergehen des Königs, sein Leben, seine Unversehrtheit dem unsterblichen Gott am Herzen liegen, dem jener durch seine Gerechtigkeit, Güte und Milde nacheifert. [G.B., D.M.]
*** Dem hochedlen, hochbedeutenden Herrn Gottfried Baudis, des hocherhabenen Fürsten von Liegnitz Rat und Kanzler dieses Herzogtums, entbietet Martin Opitz seinen Gruß. Was könnte ich Besseres tun oder was könntet ihr anderes von mir verlangen, hochedler Herr, als daß ich – während alles erbärmlich hin und her schwankt und es selbst den Guten täglich schlechter geht, als sie manchmal merken – davon entfernt an diesem literarischen Gestade wandle und in den wie auch immer gearteten schriftlichen Erzeugnissen meiner Zurückgezogenheit immer wieder mit Euch spreche, da durch deren Empfehlung unsere hocherhabenen und vortrefflichen Fürsten mir bis jetzt die Mühen der Amtsgeschäfte erlassen, doch
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dimittere ex animo, (istud quippe nunquam erit) lenire studijs doctrinae ac perferre, donec mutuo rursum aspectu fru-[5]amur, viriliter disco. Hoc proposito meo, hac inertiae constantia quantum profecerim, equidem nescio: id jactare ausim, me dum Helicona Pieridum, sed Christianarum, dum Sacra illarum antra et fontes acervatim frequento, nec quid distentae alibi bello saevissimo partes moliantur requirere, nec negotiorum ad me privatim non pertinentium caussa trepidare. Viderit suprema rerum mortalium potestas, bonitas infinita quem statuere calamitatibus tantis modum velit; neque enim aut esse desinet quod fuit antequam nihil esset praeter i-[6]psam, aut preces ac suspiria bonorum etiam paucorum diutius, propter plures malos, destituet. Interea, dum tu consiliis quanta ab humana dexteritate proficisci possunt optimis fideque inculpata prodesse Patriae non cessas, dum totum te commodis, siqua supersunt, publicis impendis, ipse ad te otii mei, quod tua quoque opera mihi factum est, fructum hunc contendere volui, Psalmos aliquot, versibus Germanicis à me redditos, usque dum, jussa praesertim Principis Clementissimi secutus, volumen integrum ad hanc faciem absolutum brevi, si con-[7]cesserit ille cujus laudes opus hoc solas celebrat, mittere vel, quod malim, offerre possim. Scio quot nominibus in aere tuo sim, quae ut dispungantur aliae mihi rationes ineundae sunt: sed tibi et hic libellus jam nunc ingratus non erit, qui et de scriptis ejusmodi, Poëta ipse inter tot decora qua praeditus es eruditionis diffusissimae prorsus egregius, accuratè graviterque judicas; et quaecunque ab ingeniolo meo profecta sunt vel propter auctorem amas, quem olim amplexari famil!i"ariter ac diligere cepisti. Quo facilius excusatus tibi ero, vir et amice summe, pa-[8]rum me si argumentum excipiam, tibi misisse, à quo benevolentiae, affectionis et amicitiae plurimum spero. Vale. Gedani. Non. Novemb. Ann. M.DC.XXXVI.
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nicht gleichfalls das aufkündigen, was wir vor allem durch Pflichterfüllung und Aufmerksamkeit erwerben? Ich tue das also in gutem Glauben und lerne es mannhaft, die Sehnsucht nach euch und der Heimat nicht aus meinem Herzen zu verlieren (das wird allerdings niemals geschehen), sondern sie durch gelehrte Studien zu lindern und weiter zu ertragen, bis wir uns daran freuen können, einander wiederzusehen. Wieviel ich durch diesen meinen Vorsatz, durch dieses Festhalten an der Tatenlosigkeit gewonnen habe, weiß ich zwar nicht: Das aber wage ich zu rühmen, daß ich, während ich den Helikon der Pieriden, aber der christlichen, während ich die heiligen Grotten und Quellen jener häufig immer wieder aufsuche, weder danach frage, was die anderswo in einem furchtbaren Krieg einander gegenüberstehenden Parteien treiben, noch in Unruhe bin wegen der Amtstätigkeiten, die mein privates Leben nicht berühren. Möge die höchste Macht über alles Sterbliche, die unendliche Güte zusehen, welches Maß sie solchen Katastrophen setzen will; denn sie wird weder aufhören, das zu sein, was sie war, bevor nichts war außer ihr selbst, noch wird sie die Gebete und Seufzer der Guten, wenn es auch nur wenige sind, wegen der größeren Zahl der Bösen noch länger ungehört lassen. Inzwischen, während du nicht aufhörst, mit den besten Ratschlägen, die aus menschlicher Geschicklichkeit hervorgehen können, und mit untadelhafter Treue der Heimat nützlich zu sein, während du dich ganz dem Nutzen der Allgemeinheit, wenn es den noch gibt, widmest, wollte ich selbst inzwischen, daß dieser Ertrag meiner Muße, die ich auch durch deine Bemühung erlangt habe, eilig zu dir komme: einige Psalmen, die ich in deutsche Verse gebracht habe – bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich, zumal dem Geheiß des gnädigsten Fürsten folgend, das ganze Buch nach diesem Muster ausgearbeitet habe und in kurzer Zeit, falls der es zuläßt, dessen Lob das ganze Werk ausschließlich singt, zuschicken, oder, was ich lieber möchte, darbringen kann. Ich weiß, mit wie vielen Posten ich in deiner Schuld stehe, welche anderen Wege ich einschlagen muß, damit sie gestrichen werden: Aber dir wird auch dieses kleine Buch schon jetzt nicht unwillkommen sein, denn du bist ja, neben so vielen Auszeichnungen für die höchst vielfältige Bildung, die dir eigen ist, auch ein geradezu hervorragender Dichter und kannst daher über Schriften dieser Art sorgfältig und bedeutsam urteilen. Außerdem schätzt du alles, was aus meiner geringen Begabung hervorgegangen ist, sogar wegen des Verfassers, den du einst ins Vertrauen zu ziehen begonnen und liebgewonnen hast. Um so eher werde ich bei dir, hoher Herr und hoher Freund, Entschuldigung dafür finden, daß ich dir etwas, vom Inhalt abgesehen, Geringes geschickt habe, dir, von dem ich sehr viel Wohlwollen, Zuneigung und Freundschaft erhoffe. Leb wohl! Danzig, am 5. November 1636.
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Caetera cuncta patrum
AD EUNDEM.
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Et somnum, et totas surripit una dies, Nos libros inter requies, sed nobilis otij; Detinet, et sacrae carmina grata lyrae, Hic ubi, Sarmaticae non infima gloria terrae, Vistula ditatas ad mare volvit aquas. Quare, donec erit quam spe mens praecipit hora Tecum versiculis me juvet esse meis: Et Latios aliàs quos tu quoque condis amico Numine, cum posito plectra labore rapis. Nunc tibi fatidici placeant pia carmina Regis, Teutonicis reddit quae mea Musa modis. Non hic ingenium, doctos nec quaere calores; Doctrinae summa est concelebrare Deum.
*** Ornatißimo Iuueni et ad egregia nato Christiano Hofmanno suo.
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Caetera cuncta patrum quae nobis cura relinquit Sors vaga, nunc alii nunc mihi blanda, regit. Te viuentis adhuc virtus et fama parentis Aduocat in lucri non pereuntis opes. Ipse diu viuat, sed tu vestigia tanta, Quod facis, audacter, me monitore, preme. At ne magnorum sis haeres solus, amicos Inter habe semper me, velut ille, tuos. Martinus Opitius a Boberfelda. Gedani, V. Idus Nouembr. Ann. M. DC. XXXVI.
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Caetera cuncta patrum
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An denselben. Während einzig die Sorge zugunsten des Lands und des Fürsten Nicht nur den Schlaf, sondern auch gänzlich die Tage dir raubt, Hält unter Büchern die Ruhe mich fest, doch die Ruhe der edlen Muße und Dichtung, mir lieb, heiliger Lyra Getön, Hier, wo die Weichsel, sarmatischen Lands besondere Ehre, Ihre bereicherte Flut hinwälzt zur Mündung ins Meer. Daher, bis die Stunde sich naht, die der Geist schon voraushofft, Mag’s mir behagen, bei dir mit meinen Verslein zu sein. Und die lateinischen Verse, die du sonst mit Zustimmung Gottes Schaffst, wenn die Arbeit ruht und du das Plektron ergreifst. Mögen dir nun gefallen des wahrheitkündenden Königs Fromme Worte, die deutsch jetzt meine Muse gereimt. Suche hier nicht nach Geist und nicht nach der Glut der Gelehrtheit, Höchste Gelehrsamkeit ist, Gott zu verherrlichen, nur. [G.B., V.M.]
*** Dem ganz vortrefflichen und zu Außerordentlichem geborenen jungen Mann, seinem Christian Hoffmann. Alles übrige, was uns die Sorge der Väter hinterläßt, lenkt ein unstetes Geschick, das bald einem anderen schöntut, bald mir. Dich rufen die Tugend und der Ruhm des noch lebenden Vaters zum Reichtum eines Gewinns, der nicht untergeht. Er selbst möge lange leben, du aber wandle kühn in solch großen Fußstapfen, was du ja auch tust, mit mir als Ratgeber. Aber damit du nicht allein der Erbe der Großen seist, zähle mich immer unter deine Freunde, wie jener. Martin Opitz von Boberfeld. Danzig, 9. November im Jahre 1636. [H.B., V.M.]
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Jambi Paraenetici AD
CHRISTIANUM HOFMANUM Nobilis, et Amplissimi viri, Joannis Hofmani, ab HoffmanßWaldaw/ Sacae. Caesae. M!aies"t!a"tis Consiliarii, et Camerae utriusque Silae. Secretarii, F. Autore Martino Opitio â Boberfelda .
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[A2r] NOn alipes calcaribus duris equus, Non tu loquelis incitandus es catis, Ut nobilem virtutis occupes viam, Speique nostrae fructibus respondeas, In quos nec ullum sors iniqua jus habet, Nec secla legem: dicta Musarum tamen, A queis amaris, et vicissim quas amas, O Christiane, fomitem aptamus tibi, Gratum ut juventae lumen exeras magis, Et facere pergas, mente quod cupida facis. Hoc ergo primo noveris à limine, Non esse laudem patris ac patriae tuam, Regina quamvis Urbium, artium parens, Ac universi Bresla sit compendium: Et rebus illum, tota quas virtus parit, Seu sacra, seu profana, priva, publica, Vix aequet ullus, nemo superet uspiam, Pulchrum et decorum, amice, nascier probis, Probum esse plus est. Patriae fac sis decus, Patremque discas, qui Jovis magni velut Invictus ales solis ad radios sui Explorat aciem mentis ac genium tuae, Et te suum esse amore virtutum videt, Sed nec caducis in bonis ullam spei Repone summam: levor iste corporis,
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Jambi Paraenetici an Christian Hoffmann, Sohn des vornehmen und hochbedeutenden Mannes Johann Hoffmann von Hoffmannswaldau, seiner heiligen Majestät, des Kaisers, Rat und beider Schlesien Kammersekretär, von Martin Opitz von Boberfeld. Nicht wie ein schnellfüßiges Pferd mit spitzen Sporen, nicht mit gewandten Reden mußt du angetrieben werden, den edlen Pfad der Tugend einzuschlagen und unserer auf dich gesetzten Hoffnung durch Früchte Genüge zu leisten, auf die weder das ungerechte Geschick ein Recht hat noch die Zeit ihr Gesetz anwenden kann. Dennoch widmen wir dir Worte der Musen, von denen du geliebt wirst und die du deinerseits liebst, als Anreiz, mein Christian, auf daß du das liebliche Licht deiner Jugend stärker hervorleuchten läßt (10) und weiterhin tust, was du leidenschaftlichen Sinnes tust. Das also hast du wohl von Anfang an erkannt, daß des Vaters und der Heimat Ruhm nicht der deine ist, obgleich Breslau Königin der Städte, Mutter der Künste und Schatz der Welt ist und jenem an Gütern, die ganz die Tugend hervorbringt, sei es im religiösen, weltlichen, privaten oder öffentlichen Bereich, kaum einer gleichkommt, keiner ihn irgendwo übertrifft. Edel und ehrenvoll ist es, mein Freund, von Rechtschaffenen geboren zu sein, doch selbst rechtschaffen zu sein, ist mehr. Sei eine Zierde der Heimat (20) und gehe bei deinem Vater in die Lehre, der wie des großen Jupiters unbesiegbarer Vogel bis zu den Strahlen seiner Sonne die Schärfe und den besonderen Genius deiner Verstandeskräfte erkundet und aufgrund deiner Liebe zu den Tu-
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Quo gloriantur foeminae: aut parum viri, [A2v] Inane magnum est, quodque puncto tempore Ut flos solet perire veris filius. Implendus artibus sibi quisque est bonis: Opes vomit Fortuna mendax cum lubet, Et cum lubet resorbet. Hoc tempus vide, Haec bella contemplare, patriam aspice, Seu patriae cadaver, et funus sui; Nostrasne nos putare res ullas sinit Honestus ille latro miles, ac fugae Plus quam tyranna saepius necessitas? Et quid moremur velleris pecu aurei, Cui anima nummus, arca pro prudentia est, Tam divitem aeris, quam rudem Phoebi virum? Tu non inane corpus absque pectore es: Formam tibi dedere DI; dabunt opes Quot usui mentique sufficient bonae; Dabunt honores, ut parenti moribus Par, dignitate laudis haud impar sies. Admitte saltem dulce ridentes tibi, Ter tres sorores, nec laboris improbi Nec parcus horae, momine omni quae ruit, Nil sat volenti, non volenti nil parum est Laboris unquam, strennuorum opsonium Quem melleo ore Musa dixit Attica. Absit situ perire vires ingenI, Dotesque tantas, quas benignus Jupiter Plena manu largitus aetati est tuae. Hic, juvenis, ingens dulcium orbis artium, Per spacia currens tanta doctrinae salum, [A3r] Arena vestra est. Cerne daedalum genus Apum volantum, nectar humanum legens: Non illud uni semper intybo insidet, Rosario uni; non Hymetti finibus, Non dulcis Hyblae carceres claudit suos, Pestoque bifero: at roscidi ambrosiam favi Praepetibus alis mille per flores petit, In mille colles, mille fertur littora, Multoque cellas opere distendit suas. Sic et tibi nil sit modi pervadere
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genden sieht, daß du der Seine bist! Aber lege keine allzugroße Hoffnung in vergängliche Güter! Diese Glätte des Körpers, deren sich die Frauen rühmen oder nicht sonderlich die Männer, ist ein großes Nichts, das in einem Augenblick zu vergehen pflegt wie eine Blüte, ein Kind des Frühlings. Jeder muß sich für sich mit wertvollen Eigenschaften ausrüsten. (30) Reichtum speit die trügerische Fortuna aus, wenn es ihr beliebt, und wenn es ihr beliebt, schlürft sie ihn wieder ein. Sieh diese Zeit, betrachte diese Kriege, blick’ auf das Vaterland oder eher den Leichnam des Vaterlandes und sein Leichenbegängnis! Daß wir glauben, daß irgendetwas uns gehöre – lassen das jener ehrenhafte Räuber, der Soldat, oder häufiger noch der mehr als tyrannische Zwang zur Flucht zu? Was sollen wir uns um das Vieh mit dem goldenen Fell kümmern, das statt der Seele Geld und statt der Klugheit eine Kasse hat, um den Mann, der ebenso reich an Geld wie arm an Geist ist? (40) Du bist kein hohler Körper ohne Herz. Deine Gestalt gaben dir die Götter; sie werden dir soviel Reichtum geben, wie für deine Bedürfnisse und einen anständigen Sinn ausreicht. Sie werden dir Ehrentitel verleihen, damit du, dem Vater an Charakter gleich, ihm an ruhmvoller Auszeichnung nicht ungleich bist. Laß zum wenigsten sie, die dir süß zulächeln, die dreimal drei Schwestern, zu dir – und sei mit rastlosem Fleiß nicht sparsam und nicht mit der Stunde, die in jedem Augenblick dahineilt. Wenn einer will, gibt es nicht genug, wenn einer nicht will, gibt es mehr als genug Arbeit, welche die attische Muse (50) mit honigsüßem Mund Zukost der Tüchtigen nannte. Es sei fern, daß die Kräfte der Begabung durch Untätigkeit zugrunde gehen und solch große Gaben, die Jupiter gnädig mit vollen Händen deiner Jugend schenkte. Dieser ungeheure Kreis der lieblichen Künste, Jüngling, das Meer der Wissenschaft, das sich über weite Räume ausbreitet, ist euer Kampfplatz. Sieh das kunstfertige Geschlecht der fliegenden Bienen, das den irdischen Nektar sammelt! Jenes wird sich nicht immer auf einer einzigen Zichorie niederlassen, nicht auf einem einzigen Rosenstrauch; es versperrt seine Kammern nicht dem Gebiet des Hymettos, (60) nicht dem Gebiet des süßen Hybla und dem zweimal Frucht tragenden Paestum, sondern es sucht das Ambrosia der betauten Honigwabe mit eiligem Flügelschlag in tausend Blüten; es begibt sich zu tausend Hügeln, zu tausend Küsten und füllt mit viel Mühe seine Zellen. So solltest auch du ohne jede Einschränkung das rei-
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Scientiarum dives omnium mare, Donec beatos vela portus occupent, Doctaeque locuples mercis ad sacrarium Virtutis almae haud lubricum figas pedem, Nec timidus alta audere, nec pati piger. Laxa lupatum, sequere qua tuus vigor, Idoneus arti cuilibet, gressum facit; Et nunc Poëtas, agile coelitum genus, Aggredere nostros, seu sophocleus tibi Placet cothurnus, sive socci castitas Terentiani, seu Catullus, seu Maro, Vel quicquid aliud annuentibus canunt Vates Camoenis. Nunc ad eloquentiae Spaciare campum, in verba Tullii quidem Jurare certus, sic tamen solum hunc ducem Latinitatis ne putes, sed maximum. Sit sermo verbis purus, arte splendidus, Et ceu Quirini natus intra moenia, Nimis vetustum nil trahens, nimis novum, [A3v] Et casca miscens Ennii vel Solliis, Vel Appuleiis, ejus aut filum sequens, Qui, nam fatebor vera, Romanae bonus Antiquitatis auctor, haud lingvae mihi est. Sed os rotundum Graecia ut tellus tibi, Hoffmanne, fingat, etiam atque etiam vide, Illoque totum fonte pectus prolue, Non canis adinstar, qui simul bibit, simul fugit. Hinc pulchra fari quando recte noveris, Et sapere disce, teque libero artium Permitte vento, ac omne scriptorum genus, Qui nostra, qui divina, supera et infera, Et quicquid homines scimus uspiam docent, Donec paternis imbuare legibus, Forumque tentes, ac quod olim te rei Donare civem possit unum publicae. Haec inter et modestiae viam preme, Caelum simul sed liberum ut possis pati; Nec aemulere nesciunt qui quod sciunt, Quod nesciunt sciuntqve, pavones domi, Foris columbas. Aëri gens Musica
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che Meer aller Wissenschaften durchfahren, bis das Schiff in einem glücklichen Hafen landet und du, reich an gelehrtem Lohn, ohne zu wanken deinen Fuß fest in den Tempel der holden Tugend setzt (70), weder zu furchtsam, Großes zu wagen, noch zu träge, es zu erdulden. Lockere die festen Zügel, folge, wohin deine Kraft, die zu jedweder Kunst taugt, ihren Schritt lenkt. Und nähere dich bald unseren Dichtern, dem rührigen Himmelsgeschlecht, sei es, daß dir der Kothurn des Sophokles gefällt oder die Keuschheit von Terenzens Soccus oder Catull oder Vergil oder, was anderes Dichter besingen mit dem Segen der Musen! Schreite bald zum Feld der Redekunst, zwar fest entschlossen, auf die Worte des Tullius (80) zu schwören, doch solltest du ihn trotzdem nicht für den einzigen Lehrer in der Latinität halten, sondern nur für den größten. Deine Rede sei rein in den Worten, glänzend in ihrer Formulierung und so, als ob sie in des Quirinus Mauern hervorgebracht worden wäre, ohne etwas zu Altes oder zu Neues anzunehmen und die uralten Worte des Ennius mit denen des Sollius oder des Apuleius zu mischen oder der Manier dessen zu folgen, der – da werde ich wohl etwas Wahres bekennen – für mich ein guter Autor in bezug auf das römische Altertum ist, aber nicht hinsichtlich des Sprachgebrauchs. Aber daß dir Griechenland eine gerundete Sprache forme, (90) mein Hoffmann, darauf achte immer wieder und tränke deinen Geist ganz aus jener Quelle, aber nicht wie ein Hund, der, sobald er getrunken hat, sich auch schon wieder davonmacht! Wenn du aus ihr richtig gelernt hast, schön zu sprechen, dann lerne ebenso zu verstehen – und überlasse dich hierbei dem freien Wind der Künste – sowohl jede Art von Schriftstellern, die das Unsere, die das Göttliche, Über- und Unterweltliches, und, was auch immer wir Menschen wissen, an irgendeinem Ort lehren, bis du dich vertraut machst mit den vom Vater vermittelten Gesetzen und dich in die Öffentlichkeit wagst, als auch, was dich einstmals dem Staat (100) als einzigartigen Bürger schenken kann. Dabei beschreite auch den Weg der Bescheidenheit, aber so, daß du dich zugleich dem freien Himmel aussetzen kannst! Ahme die nicht nach, die nicht wissen, was sie wissen, und wissen, was sie nicht wissen, die zu Hause Pfauen, draußen Tauben sind! Für die Luft und für den
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Coeloque nati, non inertiae sumus, Fandi peritus, ne tacere nescias: Flumen loquelae saepe mentis guttulam Vix stillat unam; sed silentium refert Aut eruditum, aut eruditi imaginem, Quales videri saepe vel mali, volunt. Dandum subinde et corpori quid otii Negotiosi est, ingenI nervos tui [A4r] Quod leniter remittat, haud laxet nimis. Qui regna vini ludere, aut cum foeminis Solent solere, nulla cui certaverit Pestis veneno, qui Voluptati litant, Ventremque solum mente posthabita colunt, Dum ferrum in igne est, dum juventutis calet Primaevus ardor genua blandum dum virent, Prodesse nec sibi queunt, nec alteri. Dicenda pietas, juvenis, adversus polum Primo fuit; curis sed illam jugibus Sectere primo, sic sequentur coetera, Sic coelitus clementiam Deo exprimes, Et hic bonis amorem, et invidiam malis. Deo volente, vanus omnis livor est, At non volente, vanus omnis est labor.
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Himmel, nicht zur Trägheit sind wir, die Musenkinder, geboren. Sei fähig zu sprechen, ohne das Schweigen zu verlernen! Ein Redefluß läßt oft kaum einen einzigen Tropfen Verstandes fallen, aber Schweigen spiegelt (110) einen Gebildeten oder das Bild eines Gebildeten, nach der Art, wie oft selbst Schlechte erscheinen wollen. Zuweilen muß auch dem Körper ein wenig tätige Muße zugestanden werden, welche die Spannung deines Geistes etwas lockern, aber nicht allzu schlaff machen soll. Diejenigen, die sich im Reich des Weines vergnügen oder mit Frauen Umgang zu haben pflegen – keine Seuche dürfte wohl mit diesem Liebes-Gift in Wettstreit treten –, die der Wollust opfern und nur ihren Magen pflegen, den Geist aber hintansetzen, solange das Eisen im Feuer ist, solange (120) das erste Feuer der Jugend brennt, solange die Knie schön kräftig sind, können weder sich selbst noch einem anderen nützen. Zuerst hätte man, junger Mann, die Frömmigkeit dem Himmel gegenüber nennen müssen; ihr aber folge zuerst mit unablässiger Sorgfalt. So wird sich auch das Übrige einstellen, so wirst du Gott vom Himmel her Gnade abringen und hier den Guten Liebe, den Schlechten aber Neid abnötigen. Wenn Gott will, bleibt aller Neid wirkungslos, wenn er aber nicht will, ist jede Mühe wirkungslos. [R.-G.C.]
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NOn satis illud erat Ad Amplißimum Virum HENRICVM ESKIVM Reipublicae Thoruniensis Consulem benemerentissimum, Excellentißimo Viro SAMVELI MAKOVIO Medic. et Philos. Doctori. Lectißimam et rarae virtutis puellam CATHARINAM F. Ipsis Calendis Januarijs Anni M.DC.XXXVII. elocantem M ART. O PITII carmen.
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[1v] NOn satis illud erat, praesentem nuper amare, Sancte senex, patriae gloria longa tuae; Diligis à vobis (sed nunquam mente) remotum, Et canum sequitur te quoque cana fides. Litera testis adest nobis, perdocta, Latina, Dulcis, et ut paucis eloquar, illa tua. Hac me quod grato, quis enim neget istud? honore Ad natae festum connubiale vocas, Quas possum refero non segni pectore grates; Sed iam quod tantam me negat ire viam, Non solum est frigus, non implacabilis Auster, Quem vaga concretis Vistula sentit aquis: Vnica Macouii Catharina petatur amori, Me diuae retinent numina blanda, nouem. [2r] His totas animus noster nunc imputat horas, Has colit, his seruit possit vt esse suus. At sacris aderunt istis insigne paterni Praesidium et vindex Prussius ille soli. Et tu, chare Coi (sic et vocitare puellis) Quo nil candidius noster hic orbis habet. Tuque cui arboribus nomen dat consitus hortus, Historiae Clio munera, iura Themis. Vosque alii quorum rara virtute fideque Publica res multa non sine laude viget. Felicem Deus hunc vobis indulgeat annum, Et plures, et det quae sibi quisque vouet.
NOn satis illud erat An den hochbedeutenden Herrn Heinrich Esken, den höchst verdienstvollen Bürgermeister der Stadt Thorn, als er mit dem herausragenden Herrn Samuel Makovius, Doktor der Medizin und der Philosophie, ein vorzügliches Mädchen von seltener Tugend, nämlich seine Tochter Catharina, am 1. Januar des Jahres 1637 vermählte, ein Gedicht von Martin Opitz. Also, das war nicht genug, mich zu lieben, solange ich da war, Würdiger alter Herr, lang schon der Ruhm deiner Stadt. Nein, du liebst mich auch nun, da ich (innerlich niemals) euch fern bin; Treue von Alters her bleibt auch im Alter in dir. Das bezeugt mir ein Brief, gelehrt, in lateinischer Sprache, Freundlich, mit einem Wort: das ist ein Schreiben von dir. Daß du mich darin lädst mit willkommener Ehrung – wer könnte Das nämlich leugnen? – zum Fest, da du die Tochter vermählst, Dafür dank’ ich, so gut ich’s vermag, aus eifrigem Herzen. Aber es hindert mich nun, so weite Wege zu gehn, Nicht nur die Kälte und nicht der unversöhnliche Südwind, Den die Weichsel verspürt: fließend bisher, ward sie Eis. Mag Catharina allein von Makovius’ Liebe begehrt sein, Mich halten Musen, die neun, schmeichelnde Göttinnen, fest. Diesen widmet mein Geist nun sämtliche Stunden, er ehrt sie, Pflegt sie, damit er allein sich zu gehören vermag. Doch wird an euerem Feste des Heimatbodens Beschützer Teilnehmen, Prussius ist’s, einstehend für eure Stadt. Auch du, lieber Coy (so nennen dich gleichfalls die Mädchen), Einer, den hierzuland’ niemand an Glanz übertrifft, Ebenso du, dem ein Garten voll Bäumen den Namen, dem Themis Wissen juristischer Art, Clio geschichtliches gibt, Auch ihr anderen all, durch deren seltene Kraft und Treue der Staat gedeiht, nicht ohne vielfaches Lob. Schenke euch Gott, daß dieses Jahr und weitere glücklich Werden, und gebe all das, was sich ein jeglicher wünscht.
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At te, sponse, suis Ianus monet ipse Calendis Impunè effugiat ne tibi tempus iners. Cerne puellarum decus, ignea lumina cerne, Et tua poscentes oscula sola genas. [ 2v] Hae sed cur tacito iam sint pallore notatae, Hoc tua dictabit vel Panacea tibi. Si tamen et medicus vatem, innuptumque maritus Audis, nescio quae vena requirit opem. Excute quicquid habes: neque te, mihi crede, pigebit Formosae audaces applicuisse manus. Succedat quodcunque nouo hoc tentatis, et ampla Prole ferax vobis quilibet annus eat. Deproperatum Gedani, XIII Cal. Ianuar. [Kolophon:] T HORVNII , Excudebat F RANCISCVS Schnellboltz.
*** PROPEMPTICON I LLUSTRISSIMI C ELSISSIMIQVE P RINCIPIS BOGVSLAI RADZIVILII D VCIS B IRZARVM D VBINC korum Sluciae et Kopilli, S ACRI R OM . I MPERII P RINCIPIS. Gedani apud A NDREAM H ÜNEFELDIVM . Anno M. DC. XXXVII.
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Reddet Principis illa RadziuilI Spes dignissima gente patriáque, Invicta meritis et hac et illa, Rarum Sarmatici (fauete!) coeli Vobis Fata decus benigna mittunt, Rarum depositum: nec hoc negabit Si quis relligionis, aut auitae
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Dich aber, Bräutigam, warnt Gott Janus an seinen Kalenden, Straflos verginge dir wohl Zeit ohne Tätigkeit nicht. Sieh diese Zierde der Mädchen und sieh ihre feurigen Augen, Auch ihre Wange, sie will Küsse von dir nur allein. Aber warum diese Wangen von stiller Bleichheit gefärbt sind, Das macht in Zukunft vielleicht dir deine Heilgöttin klar. Hörst du jedoch als Arzt auf den Dichter, als Ehemann auf den Unvermählten: es braucht eine der Adern den Dienst. Schüttele ab, was du hast: es wird dich, so glaub mir, nicht reuen, Wenn du die schöne Frau kühn mit den Händen berührst. Glücke euch jeder Versuch im neuen Jahre, und jedes Jahr soll euch fruchtbar vergehn, fruchtbar mit manch einem Kind. In Eile, Danzig, am 20. Dezember [1636]. Thorn, gedruckt bei Franz Schnellboltz. [G.B.]
*** Geleitgedicht für den sehr erlauchten und sehr erhabenen Fürsten Bogusław Radziwiłł, Fürst zu Birse, Dubinki, Słuck und Kopyl, Fürsten des Heiligen Römischen Reiches. Danzig bei Andreas Hünefeld im Jahre 1637. Ihr Länder, die jene im Fürsten Radziwiłł verkörperte Hoffnung durch dessen Besuch beglücken wird, eine Hoffnung, die seiner Familie und Heimat, die beide unübertroffen sind in ihren Vorzügen, am allerwürdigsten ist, das gütige Schicksal sendet Euch (seid ihm gewogen!) eine außerordentliche Zier des sarmatischen Himmelsstrichs, ein seltenes Unterpfand. Und dies wird nicht ablehnen, wer den Glauben und die ererbte Freiheit liebt und nicht will, daß sie und er zu-
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Libertatis amans, per has iniqui Artes mille dolosque mille secli Ipsas seque simul perire non vult. Sed quae Numina publicae salutem Sunt largita suam rei tot annos, [ 2r] Illi non deerunt, tuum serenis, O lux et decus aureum juventae, Quacunque ibis, iter sequentur astris. Aude ergo, comites tuos et inter Ut degat Pietas, ut alma recti Dux Prudentia, totus allabora. Sirenum mala nutrit omne littus, Circe nunc etiam venena miscet, Servant Massica quas adibis orae: Pernox alea, risus, (at dolendus) Dulces illecebrae, nec innocentes, Deses strenuitas, gravesque nugae, Et quicquid fugias, vbique regnat. [ 2v] At te magna decent et apta tanti Ausus ad genii: excitat volentem Maternum simul et genus Paternum, Tot dotes animique corporisque, Et virtus alio canenda versu. Hoc te Patria fortiter tuique Dimittunt pretio, bonis levantes Nobiscum toleranda damna votis. PRINCIPI JVVENTVTIS BONO REIP. NATO Testandae devotioni suae perscripsit M ART. O PITIUS.
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gleich zugrunde gehen durch die (10) tausendfachen Schliche und den tausendfachen Trug dieser schlechten Zeit. Aber Gott in seiner Macht, der dem Staat so viele Jahre hindurch Wohlergehen verliehen hat, wird ihm auch in Zukunft seinen Beistand nicht entziehen, wird deinen Weg, du Licht und goldene Zier der Jugend, mit glückverheißenden Gestirnen begleiten, wohin immer du gehen wirst. Wag’s also und strebe mit aller Mühe danach, daß unter deinen Gefährten Pietas, daß Prudentia, die erhabene Führerin zum Rechten, sich aufhalten. (20) Jede Küste nährt die Übel der Sirenen, Kirke mischt ihr Gift auch heute, den massischen Wein verwahren die Länder, die du bereisen wirst: Würfeln bis zum Morgen, Lachen, (das man bereuen muß), süße Reize, doch beileibe keine unschuldigen, müßige Geschäftigkeit und gewichtige Nichtigkeiten – und was man sonst noch meiden soll, herrscht allenthalben. Doch für dich ziemt sich Großes und für die Unternehmungen eines solchen Genius Angemessenes: Es rufen dich, wenn du bereit bist, der Mutter hohe Abkunft wie die des Vaters auf, (30) so viele Gaben des Verstandes wie des Körpers und eine Tatkraft, die in anderem Versmaß besungen werden müßten. Mit dieser Aussicht entlassen Dich tapfer die Heimat und die Deinen, die gemeinsam mit mir durch Segenswünsche den Verlust lindern, den sie mit uns ertragen müssen durch deine Abreise. DEM FÜRSTEN DER JUGEND, GEBOREN ZUM WOHL DES STAATES, zum Beweis seiner Ergebenheit schrieb dies Martin Opitz. [V.M.]
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SOlenne scriptoribus est MARTINI OPITII VARIARVM LECTIONVM LIBER, In quo praecipue SARMATICA. DANTISCI. Ex officina Andreae Hünefeldij. M . DC . XXXVII .
[a2r] ILLVSTRISSIMO CELSISSIMO DOMINO . DOMINO THOMAE DE ZAMOSCIO COMITI IN TARNOW SVPREMO REGNI POL . CANCELLARIO, GENERALI CRACOVIENSI , 0
KNYSSYNENSI RABSTINENSI SOKA LIENSI PRAEFECTO.
SOlenne scriptoribus est, neque citra decorum, Domine Celsissime, rationem
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dedicationum suarum illis reddere, quibus ingenii sui monimenta offerre audent. Ego verò cur gloriosissimum Celsitudinis Tuae nomen paginae huic inscripserim, neque publicè et coram omnibus, neque priuatim et apud te, nisi qua parte munusculi tenuitas excusanda est, caussam mihi admodum dicendam existimo. Nam et eorum quae neminem fugiunt imprudentes esse, et literas aut nescire aut
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Von Martin Opitz ein Buch mit verschiedenen Lesefrüchten, darunter vor allem Sarmatisches. Danzig Gedruckt bei Andreas Hünefeld. 1637.
Dem überaus edlen und hocherhabenen Herrn, Herrn Tomasz Zamojski, Grafen in Tarnów, Großkanzler des Königreichs Polen, Generalstarosten von Krakau, Starosten von Knyszyn, Rabsctzyn und Sokal. Es ist eine Gewohnheit der Schriftsteller und nicht unschicklich, hocherhabener Herr, daß sie eine Begründung für ihre Widmungen denjenigen geben, denen sie die Zeichen ihres Geistes anzutragen wagen. Doch den Grund, weshalb ich den überaus ruhmreichen Namen Eurer Erhabenheit dieser Seite voranstellte, müßte ich doch wohl, wie ich meine, weder öffentlich vor den Augen aller noch privat vor Euch nennen, wenn die Armseligkeit der kleinen Gabe nicht in irgendeiner Hinsicht entschuldigt werden müßte. Denn solcher Dinge, die niemandem unbekannt sind, unkundig sein und die gelehrten Studien völlig verkennen oder hassen müssen ja diejenigen, die neben all dem gewaltigen Glanz Eures Geschlechts und der angestammten Verdienste auch Euer Patronat über die Wissenschaft und die Liebe zu ihr – Dinge, die Euch mit dem Erbe selbst und gleichsam von Hand zu Hand vom hochbedeutenden Vater übergeben worden sind – entweder nicht kennen oder verleugnen. Dieser vollkommenste Held – nicht zufrieden damit, das Ansehen und die Würde des Königtums sichergestellt zu haben, den Staat kraft seiner Waffentaten und seiner glücklichen Pläne wiederholt aus den größten Schwierigkeiten befreit zu haben und die einzig in diesem blühenden Königreich lebendige Freiheit bewahrt zu haben – förderte überdies die Studien als Werkzeug seines Ruhms, errichtete eine Akademie als
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odisse oportet eos, qui inter ingentia stirpis tuae auitorumque me-[a2v]ritorum ornamenta, patrocinium etiam studiorum et amorem cum ipsa haereditate ac quasi per manus à Parente maximo Tibi tradita vel ignorant, vel dissimulant. Qui exactissimus Heros Regiam autoritatem decusque asseruisse; Rempublicam virtute armorum, consiliorum dexteritate ex summis identidem difficultatibus expediuisse; spirantemque vnicè in Regno hoc florentissimo libertatem vindicasse non contentus, instrumenta gloriae literas insuper fouit, pacis opus Academiam inter bella exstruxit, libros inter castrorum supellectilem habuit, et promerentia aeternitatem cum scripsit ipse, tum vt scriberentur Scaligeros, Muretos, Lipsios et singulares viros alios largitionibus, humanitate, beneuolentia omni pellexit, inuitauit. Tu verò, Domine Illustrissime, passibus magnis AEneam Tuum secutus, splendorem Principalis familiae [a3r] tuae, famam Patris immortalem, certissimam de naturae tuae bonitate et animo, tantarum ad quas natus eras rerum capacissimo, fiduciam qua celeritate, quibus ausibus inter ipsa aetatis initia impleuisti? Spectatum rara quaeque, egregia, monstrabilia, denique te digna in regiones extraneas missus, spectaculum ipse pulcherrimum vbiuis gentium edidisti mirificae ac praeclarae indolis tuae, mentesque omnium beneficio virtutum tuarum ad amorem tui ac reuerentiam adeò pertraxisti, vt praestantissima quaeque in nostris temporibus ingenia Amplissimo Nomini Tuo obstricta reddideris et vectigalia. Redonatus tandem Reipublicae ac tuis, conspirante non magis cum Fortuna Regio judicio Regnique suffragijs, quam illustribus meritis Tuis, amore Patriae, defensione libertatis vt dignitates alias, easque eminentissimas peruasisti: ita ad hanc, cui [a3v] dignitas ex te augetur, annuente coelo, applaudente Republica, cuius bono natus es, feliciter accessisti. Ne quis itaque miretur, libellum hunc meum ad Tuae potissimum Clementiae aram à me deponi, Domine Celsissime, qui cum in eo rerum fastigio collocatus sis, vnde mera spargentes beneficia radij splendoris clarissimi collustrant omnes, fieri non potest quin et strictura benigna perueniat ad singulos. Sed et silentio inuoluenda non est comitas illa tua et
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Werk des Friedens inmitten von Kriegen und hatte Bücher unter den Gerätschaften des Feldlagers. Er schrieb selbst ewige Anerkennung verdienende Werke und lud, auf daß solche geschrieben würden, Männer vom Schlage eines Scaliger, Muretus, Lipsius und andere hervorragende Gelehrte ein, die er mit Geschenken, Freundlichkeit und Wohlwollen jeglicher Art an sich zog. Ihr aber, überaus edler Herr, der Ihr mit großen Schritten Eurem Aeneas folgtet, mit welcher Geschwindigkeit, mit welchen kühnen Unternehmungen habt Ihr gerade zu Beginn des Erwachsenenalters den Glanz Eurer Fürstenfamilie, den unsterblichen Ruhm Eures Vaters, das überaus sichere Zutrauen in den Wert Eurer Anlagen und in Euren Mut bestätigt, der den vielen Anforderungen völlig gewachsen war, zu denen Ihr geboren wart. In fremde Länder wurdet Ihr geschickt, um alle die seltenen, herausragenden, bemerkenswerten und schließlich: Eurer würdigen Dinge zu sehen, und gabt selbst bei allen Völkern den schönsten Anblick Eurer wunderbaren, herrlichen Anlagen, lenktet die Herzen aller durch Eure ausgezeichneten Wohltaten dahin, Euch zu lieben und zu verehren, und zwar so, daß Ihr gerade die vortrefflichsten Geister unserer Zeit Eurem höchstgeehrten Namen verbunden und verpflichtet machtet. Als Ihr schließlich dem Staat und den Euren wiedergeschenkt wart und da das Urteil des Königs und die Zustimmung des Königreichs ebenso mit Fortuna in Einklang stand wie mit Euren glänzenden Verdiensten, der Vaterlandsliebe, der Verteidigung der Freiheit, da erreichtet Ihr ebenso, wie Ihr auch andere, und zwar die herausragendsten Ämter durchlaufen hattet, durch den Willen des Himmels und unter dem Beifall des Staates, zu dessen Wohl Ihr geboren seid, glücklich auch die Ehrenstellung, deren Ansehen durch Euch vermehrt wurde. Damit sich also keiner wundert, daß mein Büchlein hier von mir gerade am Altar Eurer Gnade niedergelegt wird, hocherhabener Herr: da Ihr auf solch einem Gipfel der Weltendinge steht, von dem aus die Strahlen des hellsten Glanzes, die reine Wohltaten aussenden, alle Menschen erhellen, kann es nicht anders sein, als daß einzelne auch eine heilsame Beklemmung erfaßt. Doch auch Eure bekannte Freundlichkeit und Menschlichkeit darf nicht mit Schweigen übergangen werden: Aus ihr heraus wolltet Ihr mich in Eurer unglaublichen Zuneigung zu den Liebhabern der gelehrten Studien vor jetzt fünf Jahren glücklich machen und unter Eure Gefolgsleute aufnehmen. Ich überlegte daher, auf welche Weise ich mich Eurer Erhabenheit, die an dem jetzt leidenschaftlich wogenden Reichstag (dem das Walten Gottes auch seine Ratschlüsse mitteile) teilnehmen wird, in gnädige Erinnerung rufen kann. Und so habe ich, um wenigstens etwas zu schicken, in einiger Eile diese Überlegungen innerhalb von so vielen Tagen (ich will nämlich die Wahrheit sagen und dies wissen auch die Freunde) zusammengestellt und hingeworfen, wie uns an Jahren unsere Schriften nach dem Willen des Horaz, des Lieblingsdichters Eures verstorbenen Simonides, beschäftigen sollen. Mit dem
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humanitas, qua me pro affectione aduersus amantes literarum incredibili, ante hoc quinquennium iam beare et inter clientes tuos recipere voluisti. Cogitaui itaque, qua me ratione Celsitudini Tuae Comitijs, quibus sua quoque consilia Numen diuinum adijciat, nunc feruentibus interfuturae in memoriam benignam reuocarem, et, ne nihil mitterem, animaduersiones has intra [a4r] tot dieculas (nam verum fatebor, et sciunt amici) quot annos premere nos scripta nostra Simonidis olim tui Horatius vult, quadam festinandi voluptate congessi ac deproperaui. Argumento tamen placere volui; quia non potui doctrina vel scripti maturitate. Sed et hoc ipsum, mixtis etiam paucis studiorum amoenitatibus alijs, ita percursaui, vt hanc minimam eorum partem esse concedam, quae hoc agentibus dicenda restant. Qui enim opus tanta materia et Sarmatico nomine dignum moliri velit, vniuersum Antiquitatis mare nauiget, Auctores poenè omnes euoluat, temporum momenta perpendat, migrationes gentium ac confusa saepè domicilia paullò quam ab alijs factum exactiùs inuestiget, longitudines regionum ac distantias situsque vrbium et oculis et animo metiatur, prisca cum nostris, haec cum illis componat, judicium [a4v] denique et laborem acri studio et vigilantia conjungat necesse est. Tu tamen, vt, siue patriae caussa, cujus laudi meritò faues, siue studiorum, quae et successu eximio ipse sectatus es, et benignè semper habes, mansueto, clementi tuoque vultu quicquid hoc libelli est suscipias, meisque conatibus praesidio tuo, tua beneuolentia patrocinari pergas, quantum possum oro. Deum verò qui est Maximus toto animo veneror, quemadmodum sopito armorum tumultu, fusis hostibus aut summotis, inuictam hanc Rempublicam beatitudine Pacis et tranquillo rerum statu caelitùs donauit, deinceps hinc etiam Victoriosissimi Clementissimique Regis nostri Maiestatem bono Orbis Christiani florentem diu diuque ac incolumem praestet, Inclitorum Procerum et sic Tuis etiam, Domine Illustrissime, factis consilijs, cogitatis euentus publicè priuatimque salutares largiatur, Regni denique Potentissimi Regnis alijs negatae libertati libertatis perpetuitatem adstruat clementer illamque ex voto conseruet. Dantisci, Pr[idie] Cal[endas] Februarias, Ann[o] M . DC . XXXVII . Clementiae Celsitudinique Tuae semper dicatißimus M ARTINVS O PITIVS. […]
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Thema wollte ich dennoch gefallen, da ich es mit Gelehrsamkeit und Reife des Werks nicht konnte. Doch auch eben dieses Gebiet – auch einige wenige andere schöne Gefilde der Wissenschaft wurden hinzugenommen – durchstreifte ich so, daß dies hier, wie ich gerne gestehe, nur ein ganz kleiner Teil von dem ist, was die sagen müssen, die sich damit beschäftigen. Wer nämlich ein Werk in Angriff nehmen möchte, das des umfangreichen Materials und des Wortes „Sarmatien“ würdig ist, muß das gesamte Gebiet des Altertums bereisen, muß fast alle Schriftsteller studieren, muß die Epochen genau untersuchen, muß die Wanderungen der Völker und ihre oft durcheinander liegenden Wohnstätten etwas sorgfältiger erforschen, als andere es getan haben, muß die Ausdehnung der Gebiete sowie die Entfernungen und Lage der Städte mit Augenschein und Verstand emessen, muß das Alte mit unserer Zeit, die Verhältnisse hier mit jenen vergleichen und muß schließlich Urteilskraft und Anstrengung mit leidenschaftlichem Einsatz und Sorgfalt verbinden. Doch daß Ihr um des Vaterlands willen, dessen Ruhm Ihr zurecht fördert, oder der Wissenschaft wegen, der Ihr Euch auch mit größtem Erfolg selbst gewidmet habt und immer wohlwollend gegenübersteht, mit Eurem gnädigen, sanftmütigen Antlitz empfangt, was auch immer dieses Büchlein enthält, und daß Ihr meine Versuche mit Eurem Schutz und Eurem Wohlwollen weiterhin beschirmt, darum bitte ich, soweit ich kann. Zu Gott aber, der der Höchste ist, bete ich aus vollem Herzen, er möge, wie er, als der Waffenlärm verstummt war und die Feinde zerschlagen oder vertrieben waren, diesen unbesiegbaren Staat mit glückseligem Frieden und ruhigen Verhältnissen vom Himmel her beschenkt hat, so auch künftig die Majestät unseres siegreichsten und gnädigsten Königs, die zum Wohl der christlichen Welt blüht, immerdar und wohl erhalten, möge den Taten, Plänen und Vorhaben der ruhmreichen Stände und so auch den Deinen, überaus edler Herr, öffentlich und privat heilbringenden Erfolg schenken, möge der Freiheit schließlich des mächtigsten Königreichs, die anderen Königreichen verwehrt ist, gnädig die ewige Freiheit anfügen und erstere nach dem Wunsch aller bewahren. Zu Danzig, am 31. Januar 1637, schrieb dies der Eurer Gnade und Erhabenheit immer treuest ergebene Martin Opitz. [M.F.]
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HAEc est Z AMOSC I facies: cum libera iura
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Assereret patriae, non sibi, talis erat. Quod si, ceu meritis viuit, vixisset et annis, AEternas traheret salua senecta moras. Nunc cum sancta negent hoc rerum fata, renasci In nato melius debuit ille suo. [71]
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AD ILLVSTRISSIMVM HEROA THOMAM ZAMOSCIVM Ejusdem [Opitii]. DIgne viro fili, qui te nisi prole beasset Se patriamque, parem non habiturus erat, Tu quoque me donas genitoris imagine, quondam Qua se Muretis Scaligerisque dabat? Sic Phoebus terrae licet edita lustret et arces, Alma tamen paruis non negat ora casis. Agnosco rarum, quo me dignaris, amorem; Pectoris indicium nobile munus habet. Materies aurum est, facies generosior auro, Sed pretium à pretio dantis vtrumque capit. Lamna minor facie, facies exsanguis; at in te Spirantem sentit patria tota patrem. Sentiat, et felix; tu sospes congrua magni Viue patris meritis tempora, viue tuis.
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DIgne viro fili
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Martin Opitz. Das ist Zamoscius’ Bild; solang’ für die Heimat er FreiheitsRechte, doch nicht für sich, sicherte, sah er so aus. Hätt’ er nach Jahren so lange gelebt, wie er lebt nach Verdiensten, Ewige Zeit brächt’ er dann hin als ein rüstiger Greis. Da das heilige Schicksal ihm das nun nicht gönnte, so mußt’ er – Das war besser – aufs neu leben im eigenen Sohn.
An den hochedlen Helden Thomas Zamojski. Ebenfalls von Martin Opitz. Würdiger Sohn eines Mannes, der seinesgleichen nicht hätte, Hätt’ er der Heimat und sich dich nicht als Sprößling beschert. Du auch schenkst mir das Bild deines Vaters, mit welchem er einstmals Einem Muretus sich selbst, auch einem Scaliger gab? Ähnlich Apoll: er erhellt zwar die Höhen des Landes und Burgen, Weigert auch Hüttchen jedoch nicht seinen gütigen Blick. Ja, ich erkenne die Liebe, die du mir gewährst – sie ist selten –, Dieses edle Geschenk weist auf dein Inneres hin. Gold ist das Material, das Antlitz edler als Gold noch, Beides erhält seinen Wert doch von des Schenkenden Wert. Kleiner als sein Gesicht – es ist blutlos – das Bild, doch die ganze Heimat fühlt es: in dir atmet dein Vater noch fort. Glücklich mag sie das fühlen, doch du lebe lange gesund noch, Wie’s deines Vaters Verdienst, wie’s deinem eignen entspricht. [G.B.]
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FELICITATI AVGVSTAE
FELICITATI · AVGVSTAE HONORIQVE · NVPTIAR. SERENISSIMOR. PRINCIPVM VLADISLAI · IV · POL · SVEC · QVE · REGIS. ET CAECILIAE RENATAE ARCHIDVCIS AVSTRIAE. D. D. MART · OPITIVS MAIEST · EOR · DEVOTISS. GEDANI. APVD · A · HVNEFELDIVM. [3] SERENISSIMO POTENTISSIMO PRINCIPI VLADISLAO IV. REGI POLONIAE MAGNO DVCI LITHVANIAE, R VSSIAE , P RVSSIAE , M ASOVIAE , SAMOGITIAE, LIVONIAE, SMOLENSC IAE , S EVERIAE C ERNIHOVIAEQVE NEC NON
SVECORVM, GOTHORVM VANDALORVMQVE H AEREDITARIO R EGI I NCLITO. P IO. F ELICI .
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REgum maxime, spes decusque rerum, Quo nos sospite sospites vigemus, Heroas numeros, grauesque fastos, Et qui ferre diem queant labores, Tunc conabimur ore non minuto Quando, si Scytha perfidum rebellet, Si vecors Asiae fremat tyrannus, Victor laurigeros ages triumphos. Nunc curis grauioribus remotis, Dum quae casside ferrea nitebant
FELICITATI AVGVSTAE
Dem erhabenen Glück und der Hochzeitsehre der durchlauchtigsten Fürsten, Władysławs IV., Königs von Polen und Schweden, und Caecilia Renatas, Erzherzogin von Österreich, weiht dies Martin Opitz, ergebenster Diener Ihrer Majestäten. Danzig, bei A. Hünefeld.
Dem durchlauchtigsten, mächtigsten Fürsten Władysław IV., König von Polen, Großfürsten von Litauen, Rußland, Preußen, Masowien, Samogitien, Livland, Smolensk, Severien und Tschernigow, und zugleich durch Erbrecht König der Schweden, Goten und Vandalen, dem Ruhmreichen, Frommen, Glückhaften. Größter König, Du Hoffnung, Zier der Länder, Geht es Dir gut, ist unser Leben glücklich. Verse heldischer Art, erhabne Dichtung, Werke, welche die Zeiten überdauern, Werde dann ich versuchen lauten Mundes, Wenn der Russe sich etwa treulos auflehnt, Wenn, verblendet, der Sultan etwa aufmuckt, Du als Sieger Triumphe führst, mit Lorbeer. Jetzt sind Sorgen von schwerem Druck uns ferne, Denn du setzt auf Dein Haar, auf dem der Helm aus
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Vincis innocua comas corona, Dum plaudit sacer Ordo, dum Senatus, [4] Dum magni Proceres, et vna totum Spectandi populum tenet voluptas, Inter gaudia mille, nuptiarum Inter nobile ludicrum tuarum, Circum, delicias, dapes, choreas, Inter dona venustiora chartis, Regnorum domina capesse dextra, Et vultu placido Tuoque, testem Deuoti Tibi pectoris libellum, Festinataque non laboriosae Nobis munera gratulationis: Sic longa serie fruaris aeui, Felix et numero beatus omni: Sic Regesque, patresque auique Regum Nascantur Tibi de Tua Renata: Sic Te Filia Caesaris Sororque Possit reddere Caesarum Parentem. [5]
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AD S. REGIAM MAIESTATEM.
QVod solum hactenus, Rex Sacratissime, ad summam felicitatis Tuae votorum-
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que publicorum restare videbatur, vt similes Tui Principes, quoniam vix reperiuntur, sperari beneficio coniugij tui possint, illud quoque custos Tuae diuina Maiestas amplissimè iam, vt omnia, largitur. Et gratulabuntur Tibi in hoc praeclara tantumque infra magnitudinem Tuam posita ingenia, [6] explicabunt in argumento nobili vires suas disertissimi ac Latini planè oris viri, quorum Sarmatia nostra non minus quam rerum omnium foecunda existit; ipsa verò quantacunque est, laetitia, clamore, plausu resultabit: ego, clementer adeò ac benignè in gratiam Tuam receptus, vt fidem Tibi semper, silentium vbi opus est, debeo: ita, nisi acclamatione votiua nunc verbisque vel paucissimis (neque enim in gaudia publia peccabo) et [7] pristinam Tibi Tuam repraesentarem et recentem felicitatem, mea, quam Tu mihi fecisti, indignus essem. Permittes autem, Rex Indulgen-
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Eisen blitzte, des Friedens Krone nunmehr; Jeder Bischof stimmt zu, der Reichstag, Auch die Stände; das ganze Volk hat einzig Nur Vergnügen ergriffen, zuzuschauen; Unter tausenden Freuden, bei dem edlen Festspiel Deiner Vermählung, unter all den Zirkusspielen, Genüssen, Mählern, Tänzen Und Geschenken, die schöner sind als Bücher, Nimm mit Händen, die Königreiche lenken, Nimm mit Deinem so sanften Antlitz dieses Büchlein an als Beweis für Dir ergebnes Denken, eilig geschriebne Gabe eines Glückwunschs, welcher mir nicht beschwerlich wurde. Lange Reihen von Jahren sollst Du leben, Glücklich, segenbeschenkt in jeder Hinsicht; Möge Könige Dir Renata schenken, Königsväter und -ahnen, Deine Gattin. Derart könnte die Kaisertochter, KaiserSchwester Dich wohl zum Kaiservater machen.
An die geheiligte königliche Majestät. Das, was bisher, hochheiliger König, als einziges noch zu fehlen schien, Ihr Glück und die Wünsche aller zu vollenden, daß nämlich Fürsten von Ihrer Art, da man ihrer kaum welche findet, dank Ihrer Eheschließung erhofft werden können, auch das gewährt nun, wie alles andre, die Majestät Gottes, Eurer Majestät Beschützerin, im reichsten Maße. Es werden Ihnen dabei große Geister gratulieren, die einzig Ihrer Größe untergeordnet sind; es werden über dieses außerordentliche Thema die redegewandtesten, ganz mit römischer Zunge sprechenden Männer all ihre Kräfte entfalten, mit denen unser Polen ebenso wie mit allem gesegnet ist; Polen selbst wird, so groß es ist, hüpfen vor Freude, mit Jubelschreien und Händeklatschen. Was mich betrifft, der ich so gütig und gnädig in Ihre Gunst aufgenommen worden bin, ich schulde Ihnen einerseits immer Ergebenheit und, sobald es nötig ist, Schweigen; ich wäre andererseits, wenn ich jetzt in meiner Glückwunschansprache nicht wenigstens mit ganz kurzen Worten (ich will ja die allgemeine Fröhlichkeit nicht stören) Ihnen Ihr schon lange bestehendes und nun auch frisches Glück vor Augen führen würde, ich wäre des Glücks, das Sie mir geschaffen haben, unwürdig. Sie werden aber, allergnädigster
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tissime, vt ostendam Te Tibi, vt commendem faustitatem hanc Tuam quam extollunt omnes; et declamatiunculam, spiritu rerum, argutijs quae nunc regnant sententiarum, verborum elegantia destitutam, tamen felicem reddes, Legendo. Felicitas in hac vita coniuncta virtuti rerum honestarum [8] prosperitas dicitur, dante mortalibus eam Deo Optimo Maximo, qui felicitas ipsa est, et sine quo nulla est. Vt verò supra summam illam felicitatem, quae omnia in se, omnia à se habet, nihil existit: ita felices in his terris maximè censendi sunt, quorum Illa fastigium suo proximum esse voluit. Viderint alij, quibus imperare gentibus, bella pacemque moderari contingit, quomodo partes suas ac dignitatem ritè tueantur, et fortunati esse [9] pergant, quia ceperunt: nulla Te ambitio, voces adulantium nullae, vsus adhuc nullus cognomenti FELICEM appellat: sed diuino nutu sors nascendi, gloriae cumulus, dexteritas consiliorum et successus Principe tanto digni faciunt, ac si quid virtus Tua, si vota nostra possunt, inoffenso annorum cursu facient. Paternum genus Tuum à Regibus, maternum à Caesaribus ortum est: quorum illo Reges alios exaequas, hoc et superas; fe-[10]licitate rara eorum iudicio quibus maiorum imagines pro merito sunt. At diuinus heros, Prouidentissimus retrò Principum, Parens Tuus genuisse Te talem non contentus, educari in oculis suis, Maiestate omni plenissimis illis longèque grauissimis, ac formari ad summa quaeque salubriter adeò curaque tam anxia, studio tam solicito voluit, vt quamvis in hanc fortunam natus non fuisses, dotibus tamen ingentibus quantoque in homines cadit animi cultu facere Tibi genus ac [11] splendorem regalem potuisses, Tuisque relinquere. Quae verò in Te specimina aetatis, quanta protinus naturae felicitas eluxit? Vt ignis vento concitus in verticem surgit, incrementa sumit, ac stare loco nescit: ita viuidum, acre, excellens ingenium Tuum multa doctum erat paenè antequam doceretur, neque Te commune cum adolescentia patiebatur habere quicquam, sed talem ostendebat statim qualis sperabaris. Idem frons Tua promit-[12]tebat, idem hic vultus Tuus, hoc augustum animi diuini do-
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König, gestatten, daß ich Sie Ihnen selbst darstelle, daß ich dieses Ihr von allen gepriesenes Glück preise. Und Sie werden meine ärmliche Rede, die ohne den großen politischen Atem, ohne die scharfsinnigen zugespitzten Sätze, die jetzt in Mode sind, und ohne elegante Wortwahl auskommen muß, dennoch zu einer glücklichen Rede machen: indem Sie sie lesen. Ein Glück, das in diesem Leben mit dem Wert ehrbar erworbenen Besitzes verbunden ist, wird Wohlhabenheit genannt, sie wird den Menschen von Gott, dem Besten, dem Größten, gegeben, der das Glück selbst ist und ohne den es kein Glück gibt. Wie aber über diesem höchsten Glück, das alles in sich enthält, alles von sich erhält, nichts existiert, so muß man auf dieser Erde besonders diejenigen Menschen glücklich schätzen, deren Glückshöhe jenes eine Glück möglichst auf seiner Höhe haben wollte. Andere, denen es zufällt, Völkern zu befehlen und über Krieg und Frieden zu entscheiden, mögen zusehen, wie sie ihre Rolle, ihren Rang recht bewahren und weiter in günstigen Umständen leben können, weil sie damit nun einmal angefangen haben – Ihnen gibt bis heute kein Karrierestreben, kein Schwätzen der Schmeichler, keine bloße Gewohnheit den Beinamen „DER GLÜCKLICHE“, sondern das gottgewollte Los Ihrer hohen Geburt, die Berge Ihres Ruhms, Ihre günstigen Entscheidungen und Ihre eines so hohen Fürsten würdigen Erfolge machen Sie zum GLÜCKLICHEN und werden das, wenn Ihre Kraft und unsere Gebete nur irgend etwas vermögen, auch in Zukunft, in einem ungestörten Verlauf der Jahre, weiterhin tun. Väterlicherseits stammen Sie von Königen ab, mütterlicherseits von Kaisern. Mit jener Abstammung kommen sie anderen Königen gleich, mit dieser überragen Sie sie sogar, mit einem Glück, das nach Meinung derer, denen die Bilder einer Ahnengalerie als eigene Verdienste gelten, selten ist. Aber der gottähnliche Held, der fürsorglichste aller bisherigen Fürsten, Ihr Vater, begnügte sich nicht damit, Sie mit diesen Ihren Eigenschaften gezeugt zu haben, er wollte vielmehr, daß Sie unter seinen Augen aufgezogen würden, unter seinen von allem Glanz der Majestät strahlenden und bei weitem strengsten Augen, und daß Sie so förderlich und mit einer derart genauen Sorgfalt, mit einer derart bedachtsamen Bemühung auf alle höchsten Aufgaben vorbereitet würden, daß Sie sich, wenn Sie nicht zu diesem hohen Rang geboren wären, dennoch durch beeindruckende Fähigkeiten und eine geistige Kultur, soweit sie Menschen zuteil wird, königliche Art und königliches Ansehen hätten verschaffen und den Ihrigen hinterlassen können. Aber welche Beweise jugendlicher Kraft, welche glücklichen natürlichen Anlagen leuchteten an Ihnen sofort auf! Wie ein Feuer, das der Wind anfacht, nach oben schlägt, sich Nahrung sucht und nicht an Ort und Stelle bleiben kann, so wußte Ihr lebhafter, scharfsinniger, Ihr außerordentlicher Kopf vieles schon beinahe, bevor er darüber Unterricht erhielt. Er hätte es nicht ertragen können, wenn Sie etwas mit Heranwachsenden gemein gehabt hätten, sondern erwies Sie sogleich immer wieder als einen Mann
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micilium, et Rege digna species. Est quippe heroum maximorum faciei formaeque inscripta coelitus maiestas quaedam ac dignitas, quae mortalium animos labefactat haud aliter ac percellit, atque Solis sereni nitor eorum oculos, qui obtutu immoto radiis tam potentibus nequicquam obluctantur. Raptus per disciplinas te dignas, imbutus studiis optimis, pacis bellique artibus innutri-[13]tus, animos omnium et cogitationes in te convertisti. Adde sermonem placidum, elegantem nec ingeniosum minus, dictaque vel acuminum gratia vel pondere suo admirationem saepissimè ac stuporem merentia. Sciunt me vera loqui, quos sua felicitas hanc Tuam observare coram sinit ac percipere. Nempe diversum Te nobis dedit Ille cuius spiritu viuimus ab aliis, qui aut quod tacent sapiunt maxime, aut vbi verbum humano simile, [14] vel sententiolam lustro toto vnam proferunt non planè insulsam, portentum ingens, ad augures curritur ac aruspices; statuam locutam Dei gentium non minorum. Adde amorem eruditionis alienae ac ingeniorum, quorum beneficio cum aeternitas concilietur, apud eos ferè gratiosa sunt, qui factis suis aeternitatem merentur. Perit quippe, perit, oblivione alta sepelitur, quicquid studia doctrinae Posteritati non tradunt, quae Tu eò augu-[15]stiori maiorique cura Tibi fouenda censes, quo grauiori praecipitio cum imperiis alibi, qum quibus creuerant, retrò ferri vides ac occidere. Viues itaque, Rex immortalitate dignissime, et memoriae bonorum traditus cinerique olim Tuo superstes, vetustate ipsa magis magisque effloresces. Porrò non sufficiebat tibi domi erudiri: longinqua sectabaris, et diffusum per tot regionum spatia Imperium Sarmaticum animo ingenti Tuo ac cupi-[16]dine spectandi angustius erat. Cogitabas quippe, Princeps Gloriosissime, aequissimum esse qui regere populos suos ex officio debeat, externos illum adire, instituta eorum, rationem viuendi, mores ac ingenia explorare, vsumque sibi comparare multarum rerum, quae salubrius exemplis aliorum discuntur quam experientia domestica. Euntem itaque Te Felicitas Tua vbique comitata est, aliena excepit. Limites regni vix egresso (libet enim
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von der erhofften Art. Dasselbe verhieß Ihr Äußeres, verhieß Ihr Antlitz, verhieß diese erhabene Behausung Ihrer göttlichen Seele, verhieß Ihr eines Königs würdiges Aussehen. Es ist ja vom Himmel her dem Gesicht und der Gestalt der größten Helden eine gewisse majestätische Würde eingeschrieben, die die Menschen nicht anders verunsichert und tief trifft, als der Glanz der unverhüllten Sonne die Augen derer trifft, die, ohne zu blinzeln, so kräftigen Strahlen – vergeblich – Widerstand leisten. Nachdem Sie eilig durch die Ihrer würdigen Fächer geschritten, in den besten Künsten unterrichtet und in den für Frieden und Krieg wichtigen Wissenschaften belehrt waren, zogen Sie Herz und Sinn aller Menschen auf sich. Außerdem: Ihre gefällige Redeweise, elegant und ebenso auch einfallsreich, und Ihre Aussprüche, die dank ihres Scharfsinns oder dank ihrer Bedeutung sehr oft zu Recht Bewunderung, ja Verblüffung erwecken. Daß ich die Wahrheit sage, wissen die, denen ihr Glück erlaubt, dieses Ihr Glück aus der Nähe zu beobachten und zu ermessen. Denn Er, mit dessen Atem wir leben, hat uns in Ihnen einen Fürsten gegeben, der sich von anderen unterscheidet, die entweder darin, daß sie schweigen, weise sind, oder, wenn sie doch einmal innerhalb von fünf Jahren ein Wort, das menschlichen Worten gleicht, oder ein einziges nicht völlig törichtes Sätzchen von sich geben – ungeheueres Wunderzeichen –, da läuft man zu Zeichendeutern und Wahrsagern: es habe die Statue eines Gottes nicht unbedeutender Heidenvölker gesprochen. Außerdem: Ihre Liebe zu anderer Menschen Kenntnissen und Begabungen. Begabungen sind, weil sie ewige Fortdauer gewähren, gerade bei denen beliebt, die sich durch ihre Taten ewige Fortdauer verdienen. Denn alles, was gelehrte Studien nicht der Nachwelt weiterreichen, geht zugrunde, geht zugrunde und wird unter tiefer Vergessenheit begraben. Diese Studien, so denken Sie, müssen Sie mit desto höherer und größerer Sorgfalt hegen und pflegen, je heftiger der Absturz ist, mit dem Sie sie anderswo samt der Herrschaft, unter der sie aufgestiegen waren, zurückfallen und umkommen sehen. Sie werden also am Leben bleiben, der Unsterblichkeit höchst würdiger König, Sie werden dem Gedächtnis der Guten überliefert werden, dereinst Ihren Tod überleben und gerade durch den Fortgang der Zeiten mehr und mehr aufblühen. Weiter: Es genügte Ihnen nicht, Ihre Bildung nur in Ihrer Heimat zu finden, Sie suchten immer wieder ferne Gegenden auf, und das polnische Reich, das doch so viele Gebiete umfaßt, war für Ihr großartiges Denken und Ihre Begier, alles anzusehen, zu eng. Sie waren nämlich überzeugt, ruhmreichster Fürst, es sei höchst angebracht, daß einer, der kraft seines Amtes seine Völker regieren muß, auswärtige Völker besuche, ihre Einrichtungen, ihre Lebensweise, ihren Charakter und ihre Begabungen erforsche und sich Erfahrung in vielen Fächern erwerbe, die man zuträglicher durch das Vorbild anderer erlernt als durch Ausprobieren zu Hause. Als Sie demnach Reisen unternahmen, begleitete Sie überall Ihr Glück, das der anderen nahm Sie auf.
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iter [17] Tuum cursoria celeritate relegere) iucundum Nissae Silesiorum Carolus auunculus hospitium praebuit, benignum Familiae Inuictissimae sidus, verae aurei quondam aeui reliquiae, quem nostri calamitatibus intra breve spatium propitium illi, triste nobis, Fatum subduxit. Hoc comite Viennam Austriae cum subiisses, quod Domus Augustae gaudium, quae tripudia, quanta hilaritas? Incomparabilis illa, nisi discessu Tuo breuior. Hinc apud fulgen-[18]tissimos Principes Bauarum Monaci, Coloniensem Bonnae ad Rhenum hospes optatissimus diuertisti: In Belgio pedem vbi posueras, Martem Thracia, Phoebum Delo relicta ventitasse Poëta quispiam dixerit; adeò quantum erat elegantium et doctrinae cultu eminentium ingeniorum quantum armorum peritia celebrium, voluptate non dubia perfundebantur, et ad visendum Te studiosè concurrebant. Inter cunctorum verò ordinum homi-[19]nes aduentus Tui felicitate Serenissima Isabella praecipuè efferebatur, hortantibus non necessitudinibus magis quam heroicis circa te ornamentis iisque moribus, quos boni omnes amare, admirari etiam mali coguntur. Lustratis ad Bredam castris quae, tanquam et hic Felicitas tua intercessisset, paullò post manus dedit, inde Augusta Treuirorum, Galliae ad Mosellam ora, Argentorato, Rauracis, Heluetiaque obitis Italiam ocellum Europae in-[20]gressus es; ciuis illic antequam hospes, adeò exactè linguam eorum exprimebas, quorum nondum videras regionem. Vt placere sibi peruersae grauitatis suae offuciis desinant, qui per stuporem linguas exterorum discere nequeunt, per contemptum nolunt. Conspectis festinata curiositate ciuitatibus praecipuis earumque antiquis ac recentibus monumentis notae melioris, in Vrbem, Rex inter vetera eius, non hominum sed virtutum praecipua no-[21]mina censende, potissimum festinabas. Vix illa laetius olim caput extulit, suorum aliquo subactis gentibus, pacatis prouinciis reuerso: et videbatur sibi in pristinam quasi faciem suam splendoremque resurgere, praesente eo, quem non inferiorem ducebat illis, quorum virtute ac vigilantia nomen Romanum tantis auctibus propagatum fuit.
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Kaum hatten Sie die Grenze des Königreichs überschritten (ich habe nämlich vor, Ihren Reiseweg mit der Schnelligkeit eines Eilboten noch einmal zurückzulegen), bot Ihnen zu Neiße in Schlesien Ihr Onkel Karl ein erfreuliches Quartier, Karl, der gute Stern einer unbesieglichen Dynastie, ein echtes Überbleibsel des einstigen Goldenen Zeitalters; das Fatum zog ihn binnen kurzer Zeit aus den Katastrophen unseres Zeitalters heraus und ging so mit ihm gnädig, mit uns betrüblich um. Als Sie, von ihm begleitet, zu Wien in Österreich ankamen – welch eine Freude am Hof des Kaisers! welche Tänze! welche Fröhlichkeit! Sie wäre unvergleichlich, wenn sie nicht wegen Ihres Weiterreisens allzu kurz gewesen wäre. Danach hielten Sie sich als hochwillkommener Gast bei zwei glanzvollen Fürsten auf: beim Herzog von Bayern in München und beim Kölner Bischof in Bonn am Rhein. Als Sie in den Niederlanden eingetroffen waren (irgendein Dichter könnte sagen, Mars sei unter Zurücklassung Thrakiens, Apoll unter Zurücklassung der Insel Delos angekommen) – wieviele feingebildete und durch ihre Pflege der Wissenschaften hervorragende Geister, wie große wegen ihrer Kriegserfahrenheit berühmte Truppen wurden da ganz von unzweifelhaftem Vergnügen erfüllt und strömten eifrig zusammen, um Sie zu sehen! Aber neben den Menschen aller Stände wurde durch Ihre glückliche Ankunft vor allem Ihre Durchlaucht Isabella hoch erfreut, was nicht nur die verwandtschaftlichen Beziehungen bewirkten, sondern auch die schönen Kennzeichen des Heldentums an Ihnen und Ihr Charakter, den alle Guten lieben müssen, den zu bewundern sogar die Bösen gezwungen sind. Nachdem Sie das Lager vor Breda besichtigt hatten, vor Breda, das – als wenn auch hier Ihr Glück eingegriffen hätte – bald danach kapitulierte, nachdem Sie dann Trier, den an der Mosel liegenden Streifen Frankreichs, Straßburg, Basel und die Schweiz besucht hatten, betraten Sie Italien, Europas Liebling; dort waren Sie schon Einheimischer, noch bevor Sie ein auswärtiger Gast wurden, so sorgfältig sprachen Sie schon die Sprache des Volkes, dessen Gebiet Sie noch gar nicht gesehen hatten. Möchten doch an dem Blendwerk ihrer unangebrachten Wichtigtuerei alle diejenigen keinen Gefallen mehr finden, die wegen ihrer Beschränktheit keine Fremdsprachen lernen können und wegen ihrer Überheblichkeit keine lernen wollen. Als Sie mit Wißbegier, aber in Eile die wichtigsten Städte und ihre antiken und modernen Denkmäler von höherem Rang beschaut hatten, strebten Sie besonders eilig nach Rom, Sie, ein König, was als einer von Roms wichtigsten altehrwürdigen Ruhmestiteln anzusehen ist, nicht als Mensch, sondern wegen Ihrer glänzenden Eigenschaften. Kaum jemals hat diese Stadt ihr Haupt freudiger erhoben, wenn einer ihrer Männer nach Unterwerfung von Völkern oder Befriedung von Provinzen zu ihr zurückgekehrt war. Ja, es kam ihr so vor, als erhebe sie sich wieder zu ihrem früheren Aussehen, zu ihrem früheren Glanz, als der Mann in ihren Mauern weilte, den sie ebenso hoch einschätzte wie die Männer, durch deren Tatkraft und
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Quod certamen verò, quae aemulatio Eminentissimi Sacrae Purpurae Ordinis? quam pius liuor, qui-[22]bus alter alterum modis honore tibi praestando ac officiis praeuerteret? Nisi quod studium omnium ac diligentiam Vrbani VIII. Pontificis Maximi, prudentissimi et inter ceteras ingentes virtutes doctissimi Principis, amor superabat ac beneuolentia, quam alloquiis humanissimis et amplexibus, paternaque prorsus comitate ostendebat. Neapoli et delitiis Campaniae visis, repetitaque aeterna Vrbe alio itinere Florentiam, Veronam, Patauium, Vene-[23]tias aduentu Tuo exhilarasti, donec Carnos, Noricum, Pannoniaeque fines transgressum Viennae Te ac mox Sarmatico coelo Numinis supremi benignitas redonauit. Alia me vocat Felicitas Tua, maior priori, quia gloriosior, quia stabilior et casibus externis minus subiecta. Virtus sola est, Domine, Felicitatis quae nobis adest supplementum: imo Virtus sola hominis Felicitas est; sine qua et res secundae occasionem plerisque malorum consilio-[24]rum praebent, et ipsa prosperitas praecipua saepè calamitatum maximarum caussa existit. Vt aegrum lectus aureus non iuuerit: ita nec hominem malum vel florentissima Fortuna. Altum verò illud, illud inuictum et salutare, quod Virtutem vocamus, omnia nobis praestat, et secura opis humanae, diuinae compos, suam ipsa Felicitatem constituit animo erecto ac tuetur. Haec est ille Felicitatis Tuae supremus apex, illa Augusta Faustitas Tua, Prin-[25]ceps Beatissime, qua nutu Dei Immortalis, indole mirifica, indefessa exercitatione, acquisita in ipso adhuc iuuentae lubrico, et cum vestris haud rarò moribus arte aularum tacita committimini, vltra titulos Te omnes et vicinum coelo fastigium tuum euexisti. Itaque Felix es, quod prolixam sortem Tuam peccandi licentia non metiris, quod Virtutum omnium regnum ante occupasti quam hoc ipsum, cuius beatitudinem non minus exemplum [26] Tuum constituit quam administratio. Felix es, quod diuini Numinis Maiestati famulam facis Tuam, et indicta animo Tuo pietate non adulatoria times Illum, quem timere solum potes. Felix es, quod raro Prudentiae dono praesentia tam acriter, futura tam
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Wachsamkeit die Macht Roms sich in so gewaltigen Vergrößerungsschritten ausgebreitet hat. Aber welch ein Wetteifer, welch ein Rivalisieren entstand da unter den purpurtragenden Eminenzen des heiligen Kardinalskollegiums! Welch gottgefällige Eifersucht in der Frage, auf welchen Wegen der eine den anderen in Ehr- und Diensterweisungen für Sie ausstechen könne! Doch wurde die eifrige, sorgfältige Bemühung aller noch übertroffen von der Zuneigung und dem Wohlwollen Papst Urbans VIII., eines äußerst klugen und, abgesehen von seinen sonstigen großen Vorzügen, auch hochgelehrten Fürsten. Dieses Wohlwollen bewies er wiederholt in freundlichsten Gesprächen und Umarmungen, mit geradezu väterlicher Leutseligkeit. Dann besuchten Sie Neapel und die Schönheiten Kampaniens, kehrten in die ewige Stadt zurück, reisten auf einer anderen Route nach Florenz, Verona, Padua und Venedig und erfreuten diese Städte durch Ihre Ankunft, bis Sie dann Krain, Bayern und Niederösterreich durchquert hatten und die Güte Gottes Sie der Stadt Wien und bald darauf dem Lande Polen zurückgab. Nun fordert ein anderes Glück an Ihnen meine Worte. Es ist größer als das bisher besprochene, denn es ist mit mehr Ruhm verbunden, beständiger und von außen andringenden Ereignissen weniger unterworfen. Allein die sittliche Vollkommenheit ist, Herr, das Mittel, das ein bei uns wohnendes Glück ganz machen kann; besser gesagt: allein die sittliche Vollkommenheit macht das Glück eines Menschen aus. Ohne sie bieten günstige Umstände den meisten Menschen die Möglichkeit, üble Pläne zu fassen, so wird gerade ein sogenanntes Glück oft zur Hauptursache von größtem, vielfachem Unglück. Wie ein Bett aus Gold einem Kranken nicht hilft, so helfen auch günstigste Umstände einem schlechten Menschen nicht. Aber das Hohe, Unbesiegliche und Heilbringende, das wir sittliche Vollkommenheit nennen, gibt uns alles und senkt, unbekümmert um menschliche Hilfe, aber im Besitz der göttlichen, das ihr eigene Glück in einen mutigen Menschen ein und schützt es. Das ist der höchste Gipfel, den Ihr Glück innehat, diese Ihre erhabene Glücksfülle, hochgesegneter Fürst, mit der Sie sich – nachdem Sie sie auf Geheiß des ewigen Gottes mit einer erstaunlichen Begabung durch unermüdliche Übung schon in der noch unsicheren Jugendzeit erworben haben und während ihr Höflinge euch ja nicht selten euren Gewohnheiten in diskreter Hofkunst überlaßt – über all Ihre Würden und sogar über Ihre dem Himmel nahe Höhe hinaus erhoben haben. Sie sind also der Glückliche, weil Sie Ihre Machtfülle nicht als Erlaubnis, Fehler zu machen, ansehen, weil Sie die Herrschaft über alle Tugenden schon vor Ihrer eigentlichen Herrschaft ergriffen haben, deren Segen ebenso von Ihrer Vorbildhaftigkeit garantiert wird wie von Ihrer Regierung. Sie sind der Glückliche, weil Sie Ihre Majestät zur Dienerin für die göttliche Majestät machen und mit einer Ihrer Seele eingeprägten, nicht kriecherischen Frömmigkeit Ihn fürchten, den Sie einzig fürchten können. Sie sind der Glückliche, weil Sie dank einer seltenen
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prolixè, dubia tam cautè perspicis; quod ad res gerendas tarditate diligentiae, celeritate industriae adhibita, semper ea quae aggrederis obtines, maximumque imperium cura maxima, suc-[27]cessu non impari gubernas. Felix es, quod instinctu Iustitiae bonos infelices esse, nocentes beatos non pateris; quod verum dicentes tam patienter audis, non dicentes tam sapienter agnoscis; quod aequitatem, rem plerisque Regibus minimè tolerandam, valere plurimum apud te permittis, summos cum infimis iure pari retines, praemia virtuti decernis, supplicia vitiis, neque tamen caussam magis puniendi, quam modum obseruas; ipse [28] verò non plus vis quam licet, etiamsi plus licere videatur quam par est. Felix, Domine, hac es animi temperantia, hac in facultate vlciscendi moderatione insigni et Clementia. Nemo te illam simulare videt, nemo dissimulare saeuitiam, perosam adeò tibi, vt nomen etiam illius detestari soleas ac perhorrescere. Felix es dictorum veritate, constantia conuentorum ac fide, quae quacunque iuris specie fallitur, famae se damno vlciscitur tamen ac [29] poena conscientiae. Felix, quia Felicitas Tibi caussa immodestiae non est; quia vultu, admissione, sermone, amabilis, facilis, affabilis es; quia ad curas Tuorum et desideria tam placidè descendis, neque animos solum, sed oculos omnium etiam voluptate perfundis et laetitia. Felix, quia dum Liberalitas Tua, sufflaminanda ferè magis quam concitanda, totum regnum peruagatur, dum verecundiam nostram ad vsum benignitatis Tuae pro-[30]uocas ipse multoties et attollis, ac munificentiae effusissimus ditare potius regium esse putas quam ditescere, dando lucraris, et vetus illud, Hoc habeo quodcunque dedi, beneficiis ita Tuum facis, vt illorum gratiam extra vim Fortunae colloces ac temporum iniuriam. Vix leuiter summa, neque omnia, Felicitatis togatae Tuae capita libauimus; et manum nobis iniicit armata. Quae verò ac quanta illa, Rex Victoriosissime? Adolescens admodum mandato [31] Parentis Moschos cum adiisses, frequentem numero populum, superbia ferocem sola praesentia Tua id aetatis exarmasti, et ad quos hostis veneras, ab iis ad imperium, vastum illud ac à Sep-
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Gabe der Klugheit Gegenwärtiges so scharfsinnig, Zukünftiges so umfassend, Unklares so vorsichtig durchschauen; weil Sie in der Politik die Langsamkeit eines Sorgfältigen und die Schnelligkeit eines Tatmenschen walten lassen, daher das, was Sie anstreben, immer erreichen und ein riesiges Reich mit größter Sorgfalt und ebensolchem Erfolg steuern. Sie sind der Glückliche, weil Sie, getrieben von der Gerechtigkeit, nicht dulden, daß die Guten im Elend oder die Frevler im Wohlstand leben; weil Sie die, die die Wahrheit sagen, so geduldig anhören und die Lügner so weise erkennen; weil Sie dem Grundsatz der Gleichheit, einem Prinzip, das die meisten Könige überhaupt nicht ertragen können, höchste Geltung bei sich einräumen, Höchstgestellte und Menschen niedrigster Herkunft mit gleichen Rechten in Ihrer Nähe halten, wertvollen Menschen Belohnungen zuerkennen, Frevlern Strafen auferlegen, ohne doch den Grund der Bestrafung wichtiger zu nehmen als das Maßhalten darin; weil Sie selbst aber nicht mehr als das Erlaubte wollen, auch dann, wenn mehr erlaubt zu sein scheint, als recht und billig ist. Der Glückliche sind Sie, Herr, wegen dieser Beherrschtheit, wegen dieses außerordentlichen Maßhaltens, dieser Milde auch dann, wenn Sie Rache nehmen könnten. Niemand hat den Eindruck, daß Sie diese Eigenschaft nur vortäuschen, niemand den, daß Sie Grausamkeit verheimlichen; die Grausamkeit ist Ihnen so verhaßt, daß Sie sogar das Wort „Grausamkeit“ zu verwünschen und zu verabscheuen pflegen. Der Glückliche sind Sie wegen der Aufrichtigkeit Ihrer Äußerungen, wegen Ihrer Einhaltung von Absprachen und Ihres Worthaltens. Wo auch immer ein gegebenes Wort unter dem Anschein des Rechts gebrochen wird, rächt sich das dennoch durch einen Verlust an Ansehen und die Strafe des schlechten Gewissens. Sie sind der Glückliche, weil Ihnen das Glück kein Anlaß zur Maßlosigkeit ist, weil Sie ein liebenswürdiges Gesicht haben, leicht Zutritt zu Audienzen gewähren und im Gespräch auch ansprechbar sind; weil Sie sich zu den Sorgen und Wünschen der Ihrigen so sanftmütig herabneigen und nicht nur das Herz, sondern auch die Augen aller mit Lust und Liebe und Freude erfüllen. Sie sind der Glückliche, weil Sie – Ihre Großzügigkeit, die man eher zügeln als anspornen muß, streift ja durch das ganze Königreich; Sie rufen ja selbst oftmals unsere Schüchternheit auf und ermutigen sie, von Ihrer Güte Gebrauch zu machen; Sie sind ja von äußerster Freigebigkeit und halten es eher für königlich, reich zu machen, als reich zu werden – weil Sie also gebend einheimsen und den bekannten alten Satz „Ich besitze, was ich weggegeben habe“ durch Wohltaten so sehr zu Ihrem Leitsatz machen, daß Sie den Dank für diese Wohltaten dem Machtbereich Fortunas und dem ungerechten Zugriff der Zeit entziehen. Kaum haben wir einige, keineswegs alle Hauptpunkte Ihres Glücks in Friedenszeiten obenhin berührt, da gebietet Ihr Glück im Krieg uns Einhalt. Welch ein Glück aber auch, von welcher Größe, allersiegreichster König! Als Sie, noch ein ganz junger Mann damals, im Auftrag Ihres Vaters die Moskowiter angriffen, ein
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tentrione ad Orientem vsque latissimè procurrens, destinatus Tuo et Reipublicae voto maior rediisti. Irrumpente paullò post in Daciam Turcarum Principe, accitisque ad Europaeas legiones totius Asiae viribus bellum parante regno huic teterrimum, quantis [32] exemplis Tuis, qua alacritate virtutem Sarmaticam, sponte strennuam, nondum tyro et iam miles, vix miles et iam Imperator, ad immortalia et digna gente Martiali facinora excitasti? quibus adoreis, fuso fugatoque Tyranno, maximorum ante Te ducum glorias victoriis excelsissimis supergressus, Felix ac Triumphator Cracouiam decus vrbium adiisti? quo gaudio Rempublicam, Publicae Securitatis Fundator, qua hilaritate ac laetitia [33] compleuisti? Sed nouissima ad Borysthenem expeditione vt hostem Fortitudine, ita Felicitate Teipsum superasti. Quanto hic consilio arma temperabas? qua patientia coeli frigorisque iniurias perferebas? quo impetu, qua magnitudine mentis Reipublicae consulere certus, Tui non anxius, pericula identidem summa subibas? qua prouidentia, vrbe ab hostibus obsessa, hostes ipsos castris Tuis obsidebas, fulmine militum oppugnabas, annonae [34] interceptione labefactabas? Hos genibus postea Tuis aduolutos incolumitate donasti, vitam lubentius dedisti quam ex victis aliqui acceperunt, et, praeter ea quae vel Tuae Maiestatis vel Tranquillitatis Publicae suadebat ratio, ius omne belli bonitate inaudita, moderatione diuina abstinuisti. Venient secula, Dux Fortissime idemque Clementissime, quibus admirabunda Posteritas digito nepotibus ostendet gloriosos palmis Tuis, fortunatos [35] benignitate campos illos, ac locis quae hostium Victor, Conseruator supplicum calcaueras venerationem Tuo nomine addet, quodque recentium incuriosior nostra aetas perpetuo mortalium vitio remissius extollit, inter exempla ponet. Hoc bello ex sententia bellato, alterum quod imminebat, conuersus ad has Codani sinus oras, dexteritate pari, indulgentia non minori, longarum ac pacis instar Induciarum pretio, seposuisti dicam, an [36] composuisti? ac Felicitatem Tuam vltra fluctus ipsos misisti et maria. Silent nunc arma, restau-
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Volk reich an Zahl und durch seinen Hochmut schreckenerregend, da erreichten Sie allein durch Ihre Anwesenheit, in diesem jugendlichenAlter, daß sie die Waffen niederlegten; da wurden Sie von denen, zu denen Sie als Feind gekommen waren, zum Herrscher über das weiträumige Reich bestimmt, das sich in großer Breite vom Norden bis ganz in den Osten ausdehnt, und kehrten mächtiger zurück, als Sie selbst und das Land gehofft hatten. Als bald danach der türkische Sultan in Rumänien einbrach und sich mit Truppen aus ganz Kleinasien, die er mit seinen in Europa stehenden Armeen vereinigt hatte, zu einem Krieg anschickte, der Ihrem Königreich äußerst widerwärtig war, mit welch herrlicher Vorbildhaftigkeit, welcher Kampfbereitschaft riefen Sie da, noch nicht Rekrut und schon Soldat, kaum noch Soldat und schon Feldherr, die Tapferkeit der Polen, die ohnehin immer einsatzbereit ist, zu unsterblichen Taten auf, wie sie eines kriegerischen Volkes würdig sind! Mit welchen Ehren betraten Sie, nachdem der Schreckensherrscher ganz vertrieben war und Sie mit Ihren herrlichen Siegen den Ruhm der größten früheren Feldherren übertroffen hatten, als der Glückliche, als Triumphator Krakau, das Juwel unter den Städten! Mit welcher Freude erfüllten Sie, der Begründer der Sicherheit für alle, das Land, mit welcher Heiterkeit, welchem Jubel! Aber bei der jüngsten Kampagne zum Dnjepr haben Sie den Feind durch Ihre Tapferkeit überwunden, sich selbst im Glück übertroffen. Mit welcher Klugheit steuerten Sie dabei die Truppen! Mit welcher Geduld ertrugen Sie die Unbilden des Wetters, besonders der Kälte! Mit welcher Angriffslust, welchem Heldentum begaben Sie sich, fest entschlossen, für das Land zu sorgen, und ohne Angst um Ihre Person, immer wieder in die größten Gefahren! Mit welcher Klugheit belagerten Sie während der feindlichen Belagerung der Stadt den Feind seinerseits mit einem eigenen Lager, bestürmten Sie ihn mit einem Gewitter von Soldaten, schwächten Sie ihn durch die Unterbrechung seiner Getreidezufuhr! Als die Feinde sich später vor Ihren Knien in den Staub warfen, beschenkten Sie sie mit der Gabe, unversehrt davonzukommen, und gewährten ihnen das Leben bereitwilliger, als einige der Besiegten dieses Geschenk annahmen; und, abgesehen von dem, was die Rücksicht auf Ihre Majestät oder auf den Frieden des Landes verlangte, unterließen Sie in unerhörter Güte und göttlicher Selbstbeherrschung jede Anwendung des Kriegsrechts. Es werden Zeiten kommen, tapferster und zugleich mildester Heerführer, da die Nachwelt voller Bewunderung unseren Enkeln all die Kriegsschauplätze zeigen wird, die durch Ihre Siege berühmt und von Ihrer Großmut gesegnet wurden; da sie um Ihretwegen den Orten, wo Sie als Sieger über die Feinde und als Schutzherr der um Gnade Flehenden den Fuß hingesetzt haben, Verehrung erweisen und all das, was unsere gegenüber der jüngsten Geschichte allzu gleichgültige Epoche allzu nachlässig rühmt (ein ewiger Fehler der Menschheit), unter die vorbildlichen Muster einreihen wird. Nachdem Sie diesen Krieg zu Ihrer Zufriedenheit beendigt hat-
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rantur vrbes, agri reuirescunt et priorum annorum iniquitas maiori Fortunae nostri temporis locum relinquit optatissimum. Quod si qua tamen gens barbara, si quis Princeps stolidus, officii, promissorum, fidei turpiter oblitus, nunc eò fidentiae peruenit, ut Tuas ac Regni Potentissimi vires animo arroganti, ideoque infausto, prouocare audeat, nae malo [37] suo edoctus quid virtus temerè lacessita, quid artata serie victoriarum Felicitas possit, sentiet breui extortaque armis veritate vtcunque fatebitur. Et dubitemus trepidi de futura prosperitate Tua, qui vt Rem publicam suscepisti semel, quia Eam multoties seruaueras; ita inter ipsa statim Fortunatissimi Principatus Tui initia seruasti, quia susceperas? Felicem Te hoc Regno, Domine, quod libertatis suae tenax, legum ac iuris retinentissi[38]mum, tanto Procerum Augustorum consensu, tanta Inclitorum Ordinum voluntate, tantis Prouinciarum, Vrbium, Populorum gaudiis summam rerum Tibi tradidit, non quod Talem Te Fortuna solum produxerit, sed beneficia eximia, sed virtus incomparabilis fecerit! Felix hoc Regnum Te Rege, cui non cum periculo quaerendus erat quem legeret, sed legendus cum iudicio qui merebatur, Princeps Bono Seculi Natus, quem [39] Parens maximus non quidem Regem, Regno tamen reliquerat Filium Suum, sed iam et Patrem Patriae, Propagatorem Sarmaticae rei, Hilaritatis publicae, Beatitudinis Temporum, communis omnium Salutis Felicissimum Auctorem! Felicem te Regem, immò ter et amplius Felicem, quia benignitas diuina, tot largitionibus suis connubium quoque nunc adiicit, quod ad beatitudinem vitae pertinere ipsa matrimoniorum per orbem totum [40] docet frequentia. Diximus te Felicem propter Pietatem, Prudentiam, Iustitiam, Clementiam, Humanitatem, Munificentiam, coelestissimas illas virtutes tuas. Hae tamen omnes aut amant, aut virtutes non sunt: hae quia et amant quod amandum est, et quod amant habent, Felices sunt. Itaque Felix et Tu es, quia diuinae menti Tuae quodam veluti coniugio sese addixerunt: quia Tu vicissim illas, vt amares, studio arctissimo prosecutus es. Re-[41]stabat recens hic amor, il-
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ten, wandten Sie sich hierher, zur Küste der Ostsee, legten einen weiteren Krieg, der drohte, mit gleichem Erfolg und nicht geringerer Nachsicht durch einen langjährigen, einem Frieden gleichwertigen Waffenstillstand beiseite – oder soll ich sagen: bei – und sandten Ihr Glück sogar über die Wellen und das Meer. Jetzt schweigen die Waffen, die Städte werden wieder aufgebaut, die Felder bedecken sich wieder mit Grün, und die Bösartigkeit der früheren Jahre überläßt der größeren Glücksgunst unserer Zeit ein ersehntes Feld. Wenn jetzt aber doch noch ein unzivilisierter Volksstamm oder ein törichter Fürst, der seine Aufgabe, seine Zusagen, sein Wort schändlich vergessen hat, zu einem solchen Maß von Selbstvertrauen gelangt, daß er es wagt, Ihre und des großmächtigen Königreichs Kräfte mit anmaßendem und daher verfluchtem Sinn herauszufordern, wahrlich, er wird, zu seinem Schaden, in kurzer Zeit zu spüren bekommen, was leichtfertig provozierte Tapferkeit, was Kriegsglück mit einer dichten Reihe von Siegen vermag, und wird es, nachdem ihm mit Waffengewalt Aufrichtigkeit abgezwungen wurde, auf welche Weise immer auch eingestehen. Und wir sollten ängstlich daran zweifeln, daß Sie auch künftig erfolgreich sein werden, Sie, der Sie das Land einmal übernahmen, weil Sie es oftmals gerettet hatten, und es sogleich am Beginn Ihrer gesegneten Herrschaft retteten, weil Sie es übernommen hatten? Wie glücklich müssen Sie sein, Herr, über dieses Königreich, das, seine Freiheit behauptend und hartnäckig an seinen Gesetzen und seiner Rechtsordnung festhaltend, mit solcher Einigkeit der erlauchten Adligen, mit solcher Zustimmung der ruhmreichen Stände, mit solchen Freudenbekundungen der Provinzen, Städte und Völker die Macht in Ihre Hände gelegt hat, nicht weil bloß die Fortuna Sie als einen solchen Mann vor ihm aufgestellt hat, sondern weil es überzeugt ist, daß außerordentliche Wohltaten und eine unvergleichliche Fülle von Werten Sie zu einem solchen Mann gemacht haben. Wie glücklich muß dieses Reich sein darüber, daß Sie König sind: Es mußte nicht tastend nach einem suchen, den es wählen sollte, sondern aufgrund seiner Einsicht den wählen, der es verdiente, den Fürsten, der zum Wohle unserer Zeit geboren ist, den Ihr hoher Herr Vater zwar nicht als König, aber doch für den Thron bestimmt hinterlassen hatte, seinen Sohn, der aber schon Vater des Vaterlandes, Vergrößerer des Reiches Polen, glücklichster Schöpfer der Freude des Volks, des Wohlbefindens unserer Zeiten und eines allen gemeinsamen Heils war. Wie glücklich müssen Sie als König sein, vielmehr dreimal glücklich und noch glücklicher, weil die Güte Gottes nun zu ihren so zahlreichen Schenkungen auch die Ehe hinzufügt, die, wie ihre weite Verbreitung auf der ganzen Welt lehrt, zum Lebensglück gehört. Wir haben Sie den Glücklichen genannt wegen Ihrer Frömmigkeit, Ihrer Klugheit, Ihrer Gerechtigkeit, Ihrer Milde, Ihrer Freundlichkeit, Ihrer Freigebigkeit, Ihrer gerühmten himmlisch glänzenden Tugenden. Die aber sind alle liebende andernfalls wären sie keine Tugenden, und weil sie lieben, was man lieben muß,
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lius siue pars, siue praemium: quo vinculo cum Natura ipsa, cuius sacra primordia non aliter creuerunt, hanc elementorum concordiam, has coeli cum terra quasi nuptias, hanc propagationem formarum successione perpetua contineat, hominem animal nobilissimum ad hoc consortium imprimis ducit. Vt verò procreatrix haec societas inter creaturas omnes hominibus, ita inter homines Regibus ac Principibus [42] maximè conuenit. Quid enim aetati aut nostrae salubrius, quàm Vos qui imperatis fructus coniugii liberos suscipere, vt eorum amore adducti subditos amare magis discatis, liberos publicos, ac quorum consensu Patres Patriae vocamini: aut futurae tutius, quàm ex Vobis natos cum in virtutum factorumque Vestrorum gloriam, tum in fiduciam regnandi ope diuina, suffragiis bonorum succedere? Caeterum quanquam votis inter homines non vanis [43]viuatur, ac Regum imprimis matrimonia amplificandae potentiae, firmandi foederis, aliarumque rerum ergò contrahi haud rarò credantur: coelitus tamen haec potius summique Numinis voluntate, contraria saepissimè exspectatis iubente, quàm forte casuque contingere, dubitandum non est. Illius magni Imperatoris auxilio, Domine, Tu belli pacisque artibus maximus, Respublica Tuo Principatu felicissima euasit. Illius indulgentia Virtutem et Fortunam [44] iisdem in castris felici semper contubernio tecum habuisti. Illius arbitrio Sacratissimi Caesares alter destinauit dum viueret, alter Fratris Tui C ASIMIRI Serenissimi Principis ac Illustrissimorum vtrinque Legatorum manu iam tradit, quo nihil gratius illi dare, tu accipere potuisses, Florentissimam Principem C AECILIAM R ENATAM , tanto Patre, tanto Fratre, tanto marito dignissimam. Si genus aspicis; hoc regnandi prosperitate continua tot Impe-[45]ratores, tot Reges, tot Principes dedit, vt, quod de Roma ille quondam, terris fatale regendis videatur. Si virtutes; quanta verecundia illius? quanta morum innocentia? quanta sobrietas? Audacter fatebor: Est similis Patris hac etiam parte Inuictissimi, quem semel vita tota ebrium fuisse, verè an aliquis dicere possit, subdubito. Auersus quippe toto pectore ab
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und das Geliebte auch haben, sind sie glückliche. Daher sind auch Sie selbst glücklich, denn die Tugenden haben sich mit Ihrer göttlichen Seele sozusagen ehelich verbunden, und Sie Ihrerseits sind ihnen mit geschäftigstem Eifer nachgegangen, um sie zu lieben. Es fehlte nur noch diese neue Liebe, die man einen Teil oder auch eine Belohnung des eben erwähnten Eifers nennen kann. Da die Natur selbst, deren heilige Uranfänge nicht anders zustande kamen, mit jenem Band diese Eintracht der Elemente, diese Hochzeit gleichsam des Himmels mit der Erde, diese Ausbreitung der Erscheinungen in ununterbrochener Reihe sichert, führt sie besonders das vornehmste Lebewesen, den Menschen, zu dieser Form der Gemeinschaft. Wie sich aber diese schöpferische Gemeinschaftlichkeit unter allen Geschöpfen vor allem für Menschen ziemt, so ziemt sie sich unter den Menschen vor allem für Könige und Fürsten überhaupt. Was ist nämlich für die jetzige Zeit heilbringender, als daß Ihr, die Ihr herrscht, als Frucht der Ehe Kinder empfangt, damit Ihr durch die Liebe zu ihnen Eure Untertanen noch mehr lieben lernt, die Kinder des Volks, von denen Ihr einhellig „Väter des Vaterlandes“ genannt werdet? Was verbürgt die Zukunft besser, als daß Eure Söhne Euch, mit der Zustimmung aller Guten, nachfolgen, um den Ruhm Eurer glänzenden Eigenschaften und Taten zu erreichen und mit göttlicher Hilfe selbstbewußt zu herrschen? Im übrigen: obwohl man unter Menschen nach verständlichen Vorstellungen lebt und nicht selten meint, die Ehen besonders der Könige würden geschlossen, um ihre Macht zu vergrößern, ein Bündnis abzusichern oder zu sonstigen Zwecken, so ist doch unbezweifelbar, daß diese Ehen eher vom Himmel her und durch den Willen Gottes, der sehr oft das Gegenteil des Erwarteten anordnet, zustande kommen als von ungefähr, durch Zufall. Mit dem Beistand dieses hohen Befehlshabers wurden Sie, Herr, übergroß in den Fähigkeiten für Krieg und Frieden, wurde das Land unter Ihrer Herrschaft überglücklich. Durch seine Gnade hatten Sie im selben Feldlager die Tugenden und die Glücksgöttin in immer erfreulicher Kameradschaft bei sich. Nach seiner Entscheidung bestimmte der eine der beiden heiligen Kaiser noch zu Lebzeiten die blühende Prinzessin C AECILIA R ENATA Ihnen zur Frau, die einem solchen Vater, einem solchen Bruder, einem solchen Ehemann ganz ebenbürtig ist, und übergibt sie Ihnen nun der andere aus den Händen Seiner Durchlaucht, Ihres Bruders K ASIMIR, und der beiderseitigen hochadligen Unterhändler. Nichts Erfreulicheres hätten sie geben, nichts Erfreulicheres hätten Sie bekommen können: Wenn Sie ihre Familie bedenken, die brachte in ununterbrochenem Herrscherglück so viele Kaiser, so viele Könige, so viele Fürsten hervor, daß man den Eindruck haben kann, sie sei – wie es einst der berühmte Dichter über Rom sagte – „vom Fatum bestimmt, die Welt zu beherrschen“. Wenn Sie auf ihre Eigenschaften schauen: wie groß ist ihre Schamhaftigkeit! wie zurückhaltend ist ihr Betragen! wie groß ihre Abneigung gegen das Trinken! Ich behaupte kühn: sie ist
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eorum ingenio erat, quos Sol occidens nunquam sobrios, oriens nunquam vigiles vidit, quique [46] inter calamitates publicas, quia lachrimas non possunt, merum effundunt, ac ridendo intereunt ipsi, verè Sardi, et quidem venales. Quanta porrò Heroinae animositas? quae grauitas illi? quae constantia? quae virtutes aliae? Tolle sexum: Tuas habet. Quod bonum igitur faustumque sit Tibi, Tuaeque ac Reipublicae et Orbi Christiano, Rex Clementissime, irrupta Tibi copula, foedere mansuro iungitur terrestris Dea, laudem omnem supergressa [47] Diui Caesaris Filia, beati ante obitum, qui vt ex altera Filiarum Serenissimarum Nepotem vidit, ex altera matrimonii Tui successu sperare potuit: ita Filium vtrumque splendoris ac gloriae suae haeredes, maiorem quoque natu in Imperio Successorem Augustissimum reliquit. Amabitis vos mutuo: quia spontè amastis. Amabitis: quia pares estis. Imò Felices eritis: quia amabitis. Deum beatitudinis omnis Auctorem vehementer petimus, vt Felicitati quam [48] Vobis dedit faueat, inclitum coniugium Vestrum incolumitate, concordia, foecunditate laetum reddat, Tuam, Domine, salutem, qua publica continetur, nutu paterno custodiat, consiliis tuis dexteritatem, armis vires, bellis triumphos Felicitate haud fatigata largiatur, Regnum denique hoc sub Imperio tuo libertate domi intactum fortunatum foris victoriis vtrinque gloriosum, nec unquam, nisi qua parte mortalitatem olim Tuam sentiet, infelix esse patiatur.
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auch in dieser Beziehung ihrem unbesiegbaren Vater ähnlich; ob man zu Recht sagen könne, daß der auch nur ein einziges Mal in seinem ganzen Leben betrunken gewesen sei, bezweifle ich einigermaßen. Er war ja von ganzem Herzen der Lebensführung derer abgeneigt, die der Sonnenuntergang niemals nüchtern, der Sonnenaufgang niemals wach angetroffen hat und die, während draußen Katastrophen geschehen, den Wein fließen lassen (Tränen fließen lassen können sie nicht) und unter Gelächter zugrunde gehen – Sarden, wirklich käufliche. Weiter. Wie groß ist die Beherztheit der jungen Heldin! ihre Würde! ihre Zuverlässigkeit! und andere Werte! Sieht man vom Geschlecht ab: es sind Ihre Werte. Das bringe, Allergnädigster König, Ihnen, Ihrer Gemahlin, dem Land und dem christlichen Teil der Welt Glück: es wird Ihnen durch ein unzerreißbares Band, durch ein bleibendes Bündnis eine irdische Göttin, die über jeglichem Lob stehende Tochter des verewigten Kaisers, verbunden. Dieser Kaiser war schon vor seinem Tod selig: Er bekam noch, von der einen seiner beiden durchlauchtigsten Töchter, einen Enkel zu sehen, konnte von der anderen bei günstiger Entwicklung Ihrer Ehe noch einen erwarten und hinterließ in beiden Söhnen Erben seines Glanzes und Ruhms, in dem älteren auch seinen erhabenen Nachfolger als Kaiser. Ihr werdet einander lieben, denn Ihr habt Euch aus freiem Willen zu lieben begonnen. Ihr werdet Euch lieben, denn Ihr seid gleich. Ja, Ihr werdet Glückliche sein, denn Ihr werdet lieben. Gott, die Quelle alles Glücks, bitten wir inständig, er möge dem Glück, das er Euch gegeben hat, wohlgesonnen sein, Eure weltbekannte Ehe durch Euer beider Unversehrtheit, Eintracht und Fruchtbarkeit zu einer frohen Ehe machen, Ihr Wohlergehen, Herr, in dem das Wohlergehen des Landes beschlossen liegt, mit väterlicher Neigung schützen, Ihren Plänen günstigen Erfolg, Ihrem Heer Kraft, Ihren Feldzügen Triumphe bescheren, ohne daß er als Glücksgeber ermüdet, mit einem Wort: er möge dieses Reich unter Ihrer Herrschaft in seiner inneren Freiheit unangetastet, mit auswärtigen Siegen gesegnet und auf beiden Feldern ruhmgekrönt und niemals unglücklich sein lassen, außer soweit es eines Tages bemerken wird, daß Sie sterblich sind. [G.B.]
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NVnquam diffiteor
NVnquam diffiteor, fui Poëta, Si versus faciunt mali Poëtam, Nec me dedecuit litare Musis, Quas concedere jussit has in oras Majestas patriae decusque linguae. Isto tempore sed, diserte B EHMI , Carmen poscere me modosque serum est. Anni si mihi suppetunt viriles, Nec pars nulla superstes est juventae, Languet spiritus ille, languet omnis Quae docta petitur lyra voluptas. Est istis quoque meta nempe rebus: Dum te saepe putas modò relinqui, Deploras simul esse te relictum. Sic largos etiam mori videmus, Lympha jam tacitum strepente, fontes. Votum sit vice carminis meique, Ad solennia quippe nuptiarum Quem verbis adeo vocas amicis: Felix gratia maximi Tonantis, Qui par nobile RICCIUM V RSULAM que Sanctis auspiciis tuam maritat, Faustos conjugibus dies novellis, Noctes haud steriles, cubile fidum, Et concordibus usquequaque flammis Litem non nisi largiatur unam, Vtram diligat ipsa plus an ille. MARTINVS OPITIVS.
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NVnquam diffiteor
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Niemals streite ich ab: Ich war ein Dichter, Wenn denn schlechte Gedichte Dichter machen; Musen Opfer zu bringen erschien mir löblich, Jenen Musen, die her in diese Gegend Landes-Ansehn wie Spachen-Glanz befahlen. Aber nun ist’s zu spät, von mir ein Carmen, Sprachgewaltiger B EHM , ein Lied zu fordern. Wenn die männlichen Jahre mir auch noch dauern Und durchaus noch ein Teil der Jugend übrig, Ist mein Geist doch erschlafft und alle Freude, Die auf kundiger Leier mir sonst zuteil ward. Auch für solcherart Dinge gibt’s ein Ende. Wenn du öfters noch meinst, du würd’st verlassen, Klagst du gleichzeitig schon, du seist verlassen. Ähnlich sehen wir auch, wie reiche Quellen Sterben, rauscht auch die Flut noch in der Stille. Mag ein Wunsch mein Gedicht und mich vertreten, Den zur Feier, jawohl, der Hochzeit du mit Derart freundlichem Wort zu kommen einlädst: Reiche Gnade des höchsten Herrn im Himmel, der das noble Paar, R ICCIUS und deine Tochter U RSULA , heilig bindet, diesem Neuen Ehepaar gute Tage geben; Fruchtbare Nächte und ein treues Lager und in Eintracht gewahrten Liebesflammen nur den einzigen Streit, allein die Frage: Wessen Liebe ist größer, seine? ihre? Martin Opitz. [G.B.]
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QVem non ferratae
Annum credebant Annam replere Perennem Mensibus, at Floram ver reserare nouum. Sponsa, Poli, tua, Consultissime, dicitur Anna, Dulceque de Florae nomine nomen habet. Ni spes falsa mihi, felix hoc omen, amice est, Promittitque thoro tempora fausta tuo. Illa tibi menses reparabit amore perenni; Et referet flores undique, quicquid aget. M ART. O PITIUS a Boberfeld, Regis Regnique Polon. Historiographus, Princ. Lignic. ac Breg. â Consiliis.
*** In Allocutionem Funebrem Reverendi doctissimique Viri GEORGII DAN. COSCHWITZII, ad Illustrem Generosissimumque Dominum ERNESTVM GEORGIVM DE SPAR Belli Ducem ac supremum Rei tormentariae Praefectum, GOTTLIEBIAE filiolae desideratissimae obitum lugentem.
QVem non ferratae poterant terrere cohortes,
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Qui toties belli praemia rara tulit, Ad natae mortem vix durat Sparius heros, Et minor est tanto vis generosa malo. Plus agit hic surrepta feris Gottliebia turmis: Hostis quem nequiit flectere, flectit amor. At tu, Coschwiti, medicas, doctissime, vires Huc adhibes, summi fortia verba Dei. Mens redit, et sese qui gesserat ante parentem, Idem nunc meminit non minus esse virum.
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Man glaubte, daß Anna Perenna das Jahr mit den Monaten voll mache, Flora dagegen den neuen Frühling eröffne. Deine Braut, Poll, der du ein überaus erfahrener Rechtskundiger bist, wird Anna genannt und hat ihren lieblichen Namen vom Namen Floras. Wenn mich die Hoffnung nicht trügt, ist dies ein gutes Vorzeichen, mein Freund, und verspricht deinem Ehebett glückliche Zeiten. Sie wird dir in ewiger Liebe den Reigen der Monate immer wieder erneuern und überall Blumen sprießen lassen, was auch immer sie tut. Martin Opitz von Boberfeld, des polnischen Königs und Königreiches Historiograph, Rat der Fürsten von Liegnitz und Brieg. [M.F.]
*** Auf die Leichpredigt des hochwürdigen und sehr gelehrten Mannes Georg Daniel Coschwitz für den berühmten und hochedlen Herrn Ernst Georg von Sparr, Kriegsobrist und Generalfeldzeugmeister, als dieser seines teuersten Töchterleins Gottlieb Tod betrauerte. Den die geharnischten Kriegsscharen nicht schrecken konnten, der so oft den seltenen Lohn des Krieges davontrug, er, der Held von Sparr, hält kaum den Tod der Tochter aus, und geringer ist die edle Kraft als das so große Leid. Mehr richtet hier seine ihm weggenommene Gottlieb aus als die wilden Schwadronen: Den der Feind nicht beugen konnte, den beugt jetzt die Liebe. Aber du, Coschwitz, sehr gelehrter Mann, schaffst heilbringende Kräfte herbei, die starken Worte des allmächtigen Gottes. Der Geist kehrt zurück, und er, der sich vorher als Vater verhalten hatte, (10) erinnert sich jetzt, daß er nicht weniger ein
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Quamlibet auditus
Quid pietas facunda potest? cui mille phalanges Cessere, eloquio vincitur ille tuo. Mart. Opitius à Boberfeld Secretarius Regius et Consiliarius Ligio-Bregensis.
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Quamlibet auditus potius quam cognitus antè Sis mihi quem peregre Balthica ripa fovet, Winckleri natam veteris dum ducis amici Sic simul et nobis incipis esse novus. Scilicet ex vero quem virtus fecit amore, Quem candor, Klugi, nascitur alter amor. Atque utinam docto testari carmine possem Gaudia conjugium quod mihi tale parit! Sed meus, immo tuus (medicum quia praestat) Apollo Quam cernis me nunc altius ire vetat. Tu tamen hunc animum, qui vero semper honore Te colet, hoc nostrum respice propositum. Non sortem tantum aut mortalia caetera mutat, Jus et in ingenium mobile tempus habet. Te quoque, cum solis assuetum vivere Musis, Mox alium fieri coget, amice, dies. Post acri toties vigilatas pectore noctes, Post herbas et opem qua Panacea viget, [A4v] Post varias gentes pulcramque Antenoris urbem, Et quicquid tandem mens generosa jubet, Te mea Lignicium speratis admovet ulnis, Doctrinae pretium est grande puella tuae. Tendimus huc omnes, et vix laudamur ab arte, Laetus taedarum nî simul adsit honos. Serius aut citius nobis haec meta petenda est: Non alibi certe plus pia fata queunt.
Quamlibet auditus
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Mann ist. Was vermag Frömmigkeit, gepaart mit Rednergabe? Dem tausend Phalangen wichen, er wird durch deine Beredsamkeit besiegt. Martin Opitz von Boberfeld königlicher Sekretär und liegnitz-briegischer Rat. [R.S.]
*** Magst du mir, den in der Fremde die baltischen Gestade beherbergen, auch eher vom Hörensagen als schon von Angesicht bekannt sein, so beginnst du doch nun, da du die Tochter Wincklers, des alten Freundes, heimführst, auch mir ein neuer Freund zu sein. Freilich, Kluge, entsteht aus der echten Liebe, welche die Tugend hervorgebracht hat, eine andere, welche die Aufrichtigkeit hervorbringt. Ach könnte ich doch mit einem gelehrten Gedicht Zeugnis ablegen dafür, daß mir solch eine Ehe Freude bereitet! Doch mein, nein dein Apoll – denn er steht für den Arzt – (10) verbietet mir, mich jetzt höher zu erheben, als du es siehst. Du würdige dennoch mich, der ich dir immer wahre Verehrung erzeigen werde, und mein Vorhaben. Nicht nur die Glücksumstände oder alles übrige Sterbliche ändert die unstete Zeit, auch den geistigen Anlagen gegenüber hat sie ihr Recht. Auch dich, Freund, gewohnt, allein mit den Musen zu leben, wird bald der Tag zwingen, ein anderer zu werden. Nach so vielen mit feurigem Herzen durchwachten Nächten, nach dem Studium der Kräuter und der Kraft, die in der Panazee steckt, nach dem Besuch vieler verschiedener Völker und der schönen Stadt Antenors (20) und all dem, was sonst noch der edle Sinn befiehlt, führt dich mein Liegnitz in die erhofften Arme, ist ein Mädchen der große Lohn für deine Wissenschaft. Alle eilen wir hierher, und wir würden kaum für unsere Kunstfertigkeit gelobt, gäbe es nicht zugleich die frohe Pracht des Hochzeitsfestes. Früher oder später muß auch ich dieses Ziel anstreben, sicher nirgendwo sonst vermag das fromme Geschick mehr. Vom Glück begünstigt sei, was immer
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NON haec vota tui
Sit faustum quodcunque facis, sic me quoque felix Excipiat, summo Numine dante, thorus. M ART . O PITIUS à Boberfeldt, Secretarius Regius et Celsissimis Principibus Lignicensibus à Consiliis ac Officiis, Aulae ex tempore scripsi. Gedani, 3. Kal. Junias.
*** In Obitum Generosissimi Juvenis HENR. A KREISCHELWITZ.
NON haec vota tui, non mens, Henrice, Parentis,
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Quâ nil candidius novimus, ista fuit. Post cineres Patriae, post lamentabile fatum Nostra quod, heu! quondam florida, sentit humus, Post bellum pacemque, et quae deflere tacentes Cogimur, ac forti dissimulare metu, Tu rellictus eras, quo salvo extrema minatae Credebat sorti non licuisse nimis. Ille tibi, ne te, natum ad majora, vetustae Vnicus ornaret nobilitatis honos, Praeceptis animum formari jusserat illis, Doctrinae vincunt quae gravitate genus. Dantiscum quoque propterea te misit, in isto Vt legeres portu non peritura bona. Hic locus optanti studiorum insevit amorem, Et Mochingeri provida cura tui, Qui tibi post vitae quam fausta corona palaestram Detur, facundâ nos pietate docet. [F3v] Jam quae non vellet de te Pater optimus audit, Jam leviora suo publica damna putat. Nec plus quam par est errare fatemur amicum: Filius, et talis filius, ejus eras. Nemo malos luget bonus: at jactura proborum
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du tust, und so möge auch mich ein glückliches Ehelager empfangen, wenn es der allmächtige Gott gewährt. Ich, Martin Opitz von Boberfeld, königlicher Sekretär und der durchlauchtigsten Liegnitzer Fürsten Rat und Hofbeamter, habe dies aus dem Stegreif geschrieben in Danzig am 30. Mai. [M.F.]
*** Auf das Ableben des hochedlen Junkers Heinrich von Kreischelwitz. Dies, Heinrich, war nicht der Wunsch, dies nicht die Absicht deines Vaters, und sie ist doch die lauterste, die ich kenne. Nachdem von der Heimat nur Asche geblieben ist, nach dem beklagenswerten Geschick, das unser – weh! – einst blühender Boden zu spüren bekommt, nach Krieg und Frieden und nach all dem, was wir schweigend beweinen und mit tapferer Furcht verbergen müssen, warst du übrig: Solange du lebtest, glaubte er, daß dem Schicksal, das mit dem Äußersten drohte, nicht alles erlaubt sei. Er hatte, auf daß dich, zu Höherem geboren, (10) nicht einzig die Ehre der edlen alten Abkunft ziere, dir befohlen, deinen Geist durch einen solchen Unterricht formen zu lassen, der mit der Würde der Bildung die Herkunft übertrifft. Deswegen schickte er dich auch nach Danzig, damit du dir in dieser Hafenstadt unvergängliche Güter erwürbest. Dieser Ort pflanzte dir, dem danach Verlangenden, die Liebe zu gelehrter Beschäftigung ebenso ein wie die vorausschauende Sorge deines Mochinger, der uns nun mit frommer Beredsamkeit darlegt, welch ein Ehrenkranz des ewigen Lebens dir nach diesem irdischen Ringen zuteil werden wird. Schon hört dein guter Vater über dich, was er nicht hätte hören wollen, (20) schon hält er das allgemeine Unglück für leichter zu ertragen als sein eigenes. Und wir bekennen, daß der Freund nicht mehr, als es billig ist, irrt: Du warst sein Sohn – und was für ein Sohn! Kein
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Vix statuit lacrimis, quo caret ipsa, modum. Vixisti nunc, ô juvenis: congessit in arctum Spes multas tumulum praecipitata dies. Vna tamen restat, sed maxima, degere parte Tempus inexhaustum te meliore tui. Hoc etiam fractum morbis et debile corpus, Quando volet vitae vita, superstes erit. O nos felices! repetunt coelestia coelum: AEternum fiet quod priùs umbra fuit. Ex tempore, sed vero affectu, scripsi MARTIN. OPITIUS à Boberfeld, Polon!iae" Svec!iae"que Regis Secretarius et Historiographus, Ligio-Bregensibus Principibus à Consiliis ac Officiis Aulae.
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ORbem per totum fervet certamen honoris:
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Nemo est contemptor qui velit esse sui. Diversis tamen ex studiis laus quaeritur illa; Maxima pars hominum praemia falsa rapit. Supremum quisquis Numen, patriamque, suosque, Virtutemque pari relligione colit, Et Musas amat ingenuas, non interit unquam, Sed toto sese nomine tollit humo. Has mihi nec livor, Rheti, malus auferet artes, Nec mors in tantas quae nihil audet opes. Haec tibi si cordi est, quam laudas, gloria (et esse Novi) te quondam gloria sera manet. ex tempore scripsi Mart. Opitius Secretarius Regius, Consiliarius Ligio-Bregensis.
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rechtschaffener Mann trauert um schlechte Menschen: Aber der Verlust guter Menschen setzt den Tränen kaum ein Maß, ist er doch selbst maßlos. Jetzt hast du gelebt, Jüngling: In ein enges Grab hat der jäh eingetretene Tag viele Hoffnungen eingeschlossen. Und doch bleibt eine Hoffnung, allerdings die größte, daß du mit dem besseren Teil deines Wesens eine unausschöpfliche Zeit zubringen kannst: Auch dieser von Krankheiten gebrochene, schwache Körper (30) wird auferstehen, wann des Lebens Leben es will. O wir Glücklichen! Das Himmlische kehrt zum Himmel zurück: Unsterblich wird werden, was zuvor Schatten war. Aus dem Stegreif, aber mit wahrer Zuneigung habe ich dies geschrieben. Martin Opitz von Boberfeld, Sekretär und Historiograph des Königs von Polen und Schweden, Rat und Hofbeamter der Fürsten von Liegnitz und Brieg. [M.F.]
*** Durch die ganze Welt tobt ein Wettstreit um die Ehre: Niemand möchte sich selbst gering schätzen. Doch mit unterschiedlichen Bestrebungen sucht man dieses Lob; der größte Teil der Menschen rafft trügerischen Gewinn. Wer den allmächtigen Gott, das Vaterland, die Seinen, die Tugend mit gleicher Achtung ehrt und die edlen Musen liebt, der geht niemals unter, sondern erhebt sich mit seinem ganzen Namen über den Erdboden. Diese meine Kunst wird mir, Rhete, weder übler Neid nehmen (10) noch der Tod, der sich an solchen Besitz nicht heranwagt. Wenn dir der Ruhm, den du in einer Lobrede würdigst, am Herzen liegt – und ich weiß, daß dies so ist –, dann erwartet dich einst lange währender Ruhm. Aus dem Stegreif habe ich, Martin Opitz, königlicher Sekretär und liegnitz-briegischer Rat, dies geschrieben. [M.F., V.M.]
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QVi tibi doctrinae Ad Reverendum Clarissimumque Virum, JOHANNEM HEERMANNUM, Sermones sacros suos recensitos, et magnam partem auctos denuò edentem.
QVos aevi dederas qvondam melioribus annis,
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Dignos perpetuis, dulcis amice, libros: [)( )(3v] Hos modò, dum bellum Slesi pacemque gravamur, Terraque vix superest nomine tanta sibi: Ad vigiles acri revocas examine lychnos, Commendas etiam munera prisca novis. Majorem nullâ famam pietate mereris. Debemus curis gaudia nostra tuis. Scribenti qvod opus rerum dissolvit amara, Portus et effugium grande legentis erit. M ARTINUS O PITIUS.
*** Ad F LORENTISSIMAM GEDANENSIVM V RBEM , de Viro excellentis eruditionis, ac Orientalium linguarum peritissimo JOHAN. FABRICIO, cum Elegantem Dissertationem de studiis literarum eorumque felicitate ederet.
QVi tibi doctrinae veros commendat honores,
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O vrbs Sarmatiae gloria, cura Dei, Hic tuus est civis, mater, tua fama decusque, Nec modo Fabricios Martia Roma tulit. Excipe, sed placido, tribuit quae munera, vultu; Nobilius non sunt aurea dona lutum. Nempe vices rerum cernunt quas Gallia merces, Quas Angli aut Belgae, quas Iber omnis habet.
QVi tibi doctrinae
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An den verehrungswürdigen und hochberühmten Mann, Johannes Heermann, als er seine geistlichen Predigten durchgesehen und großenteils vermehrt wieder herausgab. Die Bücher, lieber Freund, die du einst, in besseren Jahren des Zeitalters, dargereicht hattest, ewigen Überdauerns würdig, diese rufst du jetzt, während wir Schlesier an Krieg und Frieden schwer tragen, und das so große Land kaum noch dem Namen nach für sich vorhanden ist, in strenger Prüfung an die nächtliche Lampe und zeichnest sogar die vormaligen Gaben durch neue aus. Mit keiner pflichtvoll-frommen Handlung könntest du größeren Ruhm erwerben. Unser Vergnügen haben wir deinen Bemühungen zu verdanken. Das Werk, das seinem Verfasser die Bitternis der Verhältnisse vertrieb, (10) wird seinem Leser Hafen und große Zuflucht sein. Martin Opitz. [L.M.]
*** An die vortrefflich blühende Stadt Danzig über den hochgelehrten und in den orientalischen Sprachen bestens bewanderten Johannes Fabricius, als er eine feine Abhandlung über die Beschäftigung mit den Wissenschaften und über deren Ertrag herausgab. Der dir den wahren Ruhm der Gelehrsamkeit vorstellt, du Stadt, die du Sarmatiens Ruhm und Gottes Schützling bist, der ist dein Bürger, Mutter, dein Ruhm und deine Zier. Nicht nur das kriegerische Rom brachte Fabricier hervor. Empfange, doch mit gnädiger Miene, die Gaben, die er dargebracht hat: Goldene Geschenke sind kein edlerer Stoff. Den Wechsel der Zeitläufte erfahren ja die Waren, die die Franzosen, die Engländer und Niederländer, die alle Spanier be-
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Acceptissimum apud omnes
At gazam tuus hic Latiam simul atque Pelasgam Audet divitiis addere, diva, tuis. Quin Syriae spoliis, spoliis opulentus Idumes, Scit quid Chaldaeus, quid velit ater Arabs. Ne tibi Mercurius placeat nimis, alma Gedanum, Si Musae donant has Orientis opes. M. O PITIUS Regi à Secretis.
*** [Titelblatt] FLORILEGII
VARIORVM EPIGRAMMATVM LIBER VNVS. MART . OPITIVS
ex vetustis ac recentioribus Poetis congessit et versibus Germanicis reddidit. C VM G RATIA ET P RIVILEGIO S !ACRAE " R !EGIAE " M !AJESTATIS "
GEDANI, Typis ac sumptibus Andreae Hünefeldii. Anno M D C XXXIX .
[A2r] MAGNIFICO NOBILISSIMOQVE VIRO
IOHANNI PREVSS SENATVS THORVNIENSIS PRAESIDI 0
MART. OPITIVS S.
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Acceptissimum apud omnes Poematis genus, Vir Magnifice, Epigramma est, siue varietas argumenti spectetur, qua varietatem rerum omnium exaequat: siue lepores et argutiae, sine quibus nomen suum non sustinet: siue breuitas denique, intra quam frequenter, neque necessario minus, consistit; ingeniis mortalium ita praesertim comparatis, vt delicato quodam fastidio etiam optima fere abjiciant
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sitzen, doch dieser, dein Sohn, wagt es, den Schatz der lateinischen und griechischen Sprache (10) deinen Reichtümern, du Göttliche, hinzuzufügen. Ja, sogar reich an Schätzen aus Syrien und Palästina, weiß er, was der Chaldäer, was der schwarzverbrannte Araber meint. Dir, Mutter Danzig, soll nicht Merkur zu sehr gefallen, wenn die Musen diese Reichtümer des Orients schenken. Martin Opitz, königlicher Sekretär. [M.F.]
*** Ein Buch der Blütenlese von Epigrammen verschiedener Verfasser. Martin Opitz hat sie aus alten und neueren Dichtern zusammengestellt und in deutschen Versen wiedergegeben. Mit gnädiger Erlaubnis und Privileg der Heiligen Königlichen Majestät. In Danzig, in Druckerei und Verlag von Andreas Hünefeld im Jahre 1639.
Dem hochsinnigen und wohledlen Herrn Johannes Preuss, Präsidenten des Rats von Thorn, entbietet Martin Opitz seinen Gruß. Die bei allen willkommenste Art der Dichtung, hochsinniger Herr, ist das Epigramm, ob man nun auf die Vielfalt der Inhalte schaut, mit der es der Vielfalt aller Dinge auf der Welt gerecht wird, oder auf die Scherze und Scharfsinnigkeiten, ohne die es seinen Namen nicht verdient, oder schließlich auf die Kürze, innerhalb deren Schranken es gewöhnlich und nicht weniger, als es notwendig ist,
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tanquam mala, nisi protinus ad noua inuitentur. Quem vero non raperet in amorem sui haec vrbanitas, hi sales, hoc acetum sermonis; tanta suauitas verborum, tam diffusa in exiguo sententiae orbe ingeniositas, tot acumina et venustates, maximaque per omnes artes, facta, virtutes, vitia, prosperas res et aduersas, seria, ridicula, diuina humanaque, ad quicquid tantum sensu aut cogitatione homines assequimur, vagandi libertas atque licentia? Hinc et olim Reges plurimi, Principes ac [A2v] Imperatores, quod vel Anthologia Graeca à Planude compilata (nam alteram Agathiae, vt indicio Suidae opinamur, vir magnus, qui peradolescens olim ex Bibliothecae Palatinae membranis illam descripsit, sperare nos adhuc jubet) paginis omnibus ostendit, regnum Poeticum hac parte inuolare veriti non sunt: jamque etiam ex illis nonnulli, quos merita sua et virtus altius euexerunt (et possem tales in hac prouincia Vrbeque florentissima designare) curas majores suas hoc innoxiae remissionis genere libenter interjungunt. Haec dum perpendo, Vir Nobilissime, vt peccasse me non autumo, qui repetita fere ex memoria non admodum infida, vel plerumque oblata temere, a diuersis ac diuerso tempore conscripta Epigrammata nostro sermone, ad ostendendam potissimum insignem illius ac inimitabilem paene felicitatem, conuertere, cum per alia licuit, jurisque publici facere cepi: ita veniam mihi apud te paratam spero, quod amplissimum et bonis omnibus gratum nomen tuum, tanquam Epigramma et ipsum longe lateque conspicuum, libello huic non illepido inscripsi. Suasit hoc non affectus solum ille tuus, quo me, captus, puto, ingenuis moribus meis, studio libertati publicae (quicquid male suspicantur aut garriunt qui me ignorant) addictissimo, et doctrinae, ad quam praeter conatus nihil attuli, opinione, magis tamen humanitate tua pellectus, amicissimè prosequeris: verum etiam bona literarum justo pretio aestimans animus tuus, judicium insigne, comitas cum grauitate, prudentia [A3r] cum experientia rerum conjuncta, totque dotes ac virtutes tuae, quarum
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bleibt. Vor allem ist das so, weil die Charaktere der Menschen so beschaffen sind, daß sie aus einem gewissen verwöhnten Überdruß heraus auch das Beste fast von sich werfen wie etwas Schlechtes, wenn sie nicht geradewegs zu Neuem eingeladen werden. Wen aber würden nicht diese Feinheit, diese gesalzenen Bemerkungen, diese scharfe Würze der Sprechweise dazu hinreißen, sie zu lieben? Die so große Gefälligkeit der Worte, der so ausgebreitete Reichtum an Erfindung im extrem kleinen Raum eines Denkspruchs, so viele Pointen und Schönheiten und die ganz große Freiheit und Erlaubnis, durch alle Wissensgebiete, Ereignisse, Tugenden, Laster, Glück und Unglück, Ernst, Scherz, Göttliches und Menschliches und schließlich durch alles, was wir Menschen durch Wahrnehmen und Denken erfassen können, hindurchzuschweifen? Daher haben sich einst auch sehr viele Könige, Fürsten und Feldherren, was mindestens die von Planudes zusammengestellte Anthologia Graeca auf allen Seiten beweist, nicht gescheut, in das Reich der Poesie an dieser Stelle einzudringen (denn auf die andere Anthologie, die, wie wir wegen eines Hinweises in der Suda vermuten, von Agathias stammt, läßt uns der große Mann noch hoffen, der sie einst als Jüngling aus den Pergament-Handschriften der Bibliotheca Palatina abgeschrieben hat). Und auch jetzt noch lassen einige von denen, die ihre Verdienste und ihre Tüchtigkeit höher emporgeführt haben (und ich könnte solche Männer in dieser Provinz und in dieser blühenden Stadt nennen), ihre wichtigeren Sorgen gern mit dieser Art von unschuldiger Entspannung ruhen. Wenn ich das erwäge, hochedler Herr, glaube ich, nichts Falsches getan zu haben, als ich es unternahm, Epigramme verschiedener Verfasser aus verschiedener Zeit, die ich aus meinem im allgemeinen nicht so unzuverlässigen Gedächtnis hervorholte oder die sich mir meist zufällig anboten, in unsere Sprache, vor allem, um deren außerordentliche und nahezu unnachahmliche Gewandtheit zu zeigen, zu übersetzen, als es meine anderen Beschäftigungen zuließen, und sie zu veröffentlichen. Und so hoffe ich auch, bei Euch Verzeihung dafür zu finden, daß ich Euren hochbedeutenden und allen guten Menschen teuren Namen gleichsam als ein Epigramm, das auch selbst weit und breit Ansehen genießt, in dieses von feinem Witz nicht freie Buch setzte. Dazu riet mir nicht nur Eure Gesinnung, mit der Ihr mich höchst freundschaftlich geleitet, eingenommen für mich wegen meines freimütigen Charakters, wegen meines ganz der politischen Freiheit (was immer die, die mich nicht kennen, Übles vermuten oder schwätzen) verpflichteten Eifers und wegen Eurer Meinung, ich sei gelehrt – zur Gelehrsamkeit habe ich nur Versuche unternommen –, mehr aber noch verlockt von Eurer Menschenfreundlichkeit; und auch rieten mir dazu Eure Denkweise, die literarische Güter gerecht bewertet, Eure hervorragende Urteilskraft, Eure mit Würde verbundene Leutseligkeit, Eure mit Vielerfahrenheit verbundene Klugheit, Eure so zahlreichen Gaben und Fähigkeiten, dank deren Ihr die Gunst des vortrefflichen Königs, das Wohlwol-
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beneficio Regis Opitimi gratiam, beneuolentiam Procerum, ciuium amorem ac supremos in Patria honores ante aliquot jam annos et fere juuenis, nisi beneficiis ac consiliis senes aequasses, impetrasti. Patieris igitur, vt et Musae hae nostrae te colant sic merentem: et vicissim splendorem illis suum nominis tui auctoritate siue augebis, siue potius largieris, cum a me illum polliceri sibi vix possint. Vale, Vir magne, et, si placet haec gustatio, epulas dehinc ipsas Athenis Romaque commeatu vberi aduectas a me potius expecta, quam nescio quas chartas alias, quarum si qui sunt qui me auctorem putant, et integritati animi mei, (ita me Dei hominumque fauor beare pergat) et scribendi, quantulacunque mihi adest, facultati, et proprio judicio, quo sane hic minus accuratè vtuntur, injuriam faciunt. Ego verò boni ciuis gloriam, quae me semper sequuta est, et in his oris aut à volentibus recipiam, aut comitate, candore ac studiis officiorum extorquebo ab inuitis. Iterum vale, columen patriae et decus. Perscripsi Gedani, Idibus Decembribus, Anni M DC XXXVIII .
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len der Adligen, die Zuneigung der Mitbürger und die höchsten Ämter in der Heimat schon vor einigen Jahren, als Ihr fast noch ein Jüngling wart, wofern Ihr nicht an guten Taten und Ratschlägen altehrwürdigen Männern gleichgekommen wäret, errungen habt. Ihr werdet also zulassen, daß auch diese meine Musen Euch ehren, der Ihr das so sehr verdient, und werdet Eurerseits ihren Glanz durch das Ansehen Eures Namens erhöhen oder vielmehr erst schenken, denn von mir können sie ihn sich kaum versprechen. Lebt wohl, großer Mann, und wenn Euch diese Kostprobe zusagt, dann erwartet von jetzt an die Mahlzeit selbst, die ich aus Athen und Rom in reicher Zufuhr heranbringen werde, lieber als gewisse andere Papiere. Wenn es welche gibt, die mich für deren Verfasser halten, so tun sie (so wahr mich weiterhin die Gunst Gottes und der Menschen erfreuen soll) sowohl der Redlichkeit meines Charakters als auch meinem schriftstellerischen Talent, wie gering dieses mir auch zur Verfügung stehen mag, und ihrer eigenen Urteilskraft Unrecht, deren sie sich in diesem Fall nicht sorgfältig genug bedienen. Ich aber will den Ruhm eines guten Bürgers, den ich immer hatte, auch in dieser Gegend entweder von denen, die ihn mir gerne zugestehen wollen, in Empfang nehmen oder ihn durch meine Freundlichkeit, Ehrlichkeit und eifrige Pflichterfüllung abringen von denen, die dazu nicht bereit sind. Nochmals: Lebt wohl, Ihr Stütze und Zier der Heimat. Geschrieben in Danzig, am 13. Dezember 1638. [G.B.]
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[Titelblatt] FLORILEGII
VARIORVM EPIGRAMMATVM LIBER ALTER. MART . OPITIVS
ex vetustis ac recentioribus Poetis congessit et versibus Germanicis reddidit. C VM G RATIA ET P RIVILEGIO S !ACRAE " R !EGIAE " M !AJESTATIS "
GEDANI, Typis ac sumptibus Andreae Hünefeldii. Anno M D C XXXIX .
[A2r] MAGNIFICO NOBILISSIMOQVE VIRO
ISRAELI HOPP SENATVS ELBINGENSIS PRAESIDI
MART. OPITIVS S.
DUm laxant tetricas suspensa negotia curas,
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Seu peregre solitis degere, siue domi, Conamur patriis nonnunquam epigrammata verbis Reddere, quae Graii doctaque Roma tulit. Sic et nostra catis absoluimus otia nugis, Et (modo sit) Lector ne sua perdat habet. Hic vina, hic Venus est, sunt quaedam laeta, fatemur, Mixta tamen paucis et bona plura iocis. Sic mutant socci leuitate theatra cothurnos, Sic nudas Charites seria Pallas amat. Vnus Prussiadae liber est inscriptus honori, Quo Thorunensis consule gaudet humus, Quique tui primos aditus mihi rupit amoris: Altera debentur carmina iure tibi. Tu nos nominibus tibi charis inseris, Hoppi,
DUm laxant tetricas
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Der Blütenlese von Epigrammen verschiedener Verfasser zweites Buch. Martin Opitz hat sie aus alten und neueren Dichtern zusammengestellt und in deutschen Versen wiedergegeben. Mit gnädiger Erlaubnis und Privileg der geheiligten römischen Majestät. Danzig Druck und Verlag: Andreas Hünefeld im Jahre 1639.
Dem hochgesinnten und wohledlen Herrn Israel Hoppe, Präsidenten des Senats von Elbing, entbietet Martin Opitz seinen Gruß. Wenn Unterbrechungen in den Geschäften den Menschen ihre finsteren Sorgen erleichtern, gleich ob sie außerhalb oder ob sie in der Heimat ihr Leben zu verbringen pflegen, versuchen wir manchmal, Epigramme, die uns die Griechen und das gelehrte Rom überliefert haben, in Worten unserer heimischen Sprache wiederzugeben. So verbringen wir unsere freie Zeit mit witzigen Spielereien, und der Leser hat (möge es so sein) etwas, damit er seine freie Zeit nicht vergeudet. Hier gibt es Wein, hier ist Venus, hier gibt es einiges Lustige, wir gestehen es, aber noch mehr Gutes, das doch mit ein paar Scherzen durchmischt ist. So läßt das Theater auf den Kothurn den Leichtsinn des Soccus folgen, (10) so liebt die unbekleideten Charitinnen die ernsthafte Pallas. Das eine Buch ist der Ehre von Preuss gewidmet, dessen sich Thorn als seines Bürgermeisters erfreut und der mir den ersten Zugang zu Deiner Zuneigung eröffnet hat; die Gedichte des zweiten Buches gehören zu Recht Dir. Du, Hoppe, rechnest uns zu den Perso-
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Et quod (nam fateor) non sumus, esse putas. Adde decus morum, verax os, pectus honestum, Et quantum est, superat quod mea verba, tui. Adde, vacat tecum cui virtus Coia, munus, Coia, vel Coa viuere digna manu, [A2v] Et quae pro patriae facitis non pauca salute. Sospitibus vobis haec quoque sospes erit. Sit tamen et talis postquam vos asseret astris, Sed sero, qui vos, pignora rara, dedit. Moenia pax, pax cingat agros, similisque Senatus Sit placidis semper ciuibus, iste diu. Tu quoque, ne metas letum tibi ponat inertes, Iunge tua Musas cum pietate meas. Tot bona, tot dotes famam post fata merentur, Hanc tamen ingenii praemia sola dabunt. Gedani, VIII. Kal. April. Anno MDCXXXIX.
*** Ad GENEROSUM DOMINUM
IOHANNEM SCHLICHTINGK DE BUKOVVIEC, TERRAE VVSCHOVENSIS JUDICEM PROVINCIALEM REGIUM , etc. ALEXANDRI FILII DESIDERATISSIMI .
Obitum lugentem.
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[A2r] SCribendi mihi si superesset tanta facultas, Quanta tibi justi caussa doloris adest, Indictum nunquam paterer, Vir maxime, natum Bis veluti quo tu sospite vivus eras. Sed minor est summo quaevis facundia luctu;
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nen, die Dir teuer sind, und hältst uns – ich gestehe es nämlich – für etwas, was wir nicht sind. Dazu kommt noch der Glanz Deines Charakters, die wahrheitsliebende Sprache, die ehrenhafte Denkweise und alles, was noch zu Dir gehört, aber meine Worte übersteigt. Dazu kommt das Amt, dem mit Dir die Vortrefflichkeit eines Coye sich widmet, (20), eines Coye, würdig sogar, dank einer koischen Hand weiterzuleben, und dazu kommt all das – es ist nicht wenig –, was Ihr für das Wohl der Heimat tut. Solange Ihr unversehrt seid, wird auch diese unversehrt sein. Möge sie es aber auch sein, wenn Euch der in die Sterne einreihen wird – aber spät erst –, der Euch, seltene Unterpfänder, geschaffen hat. Möge Friede die Stadtmauern umgeben, Friede die Felder, und ein ähnlicher Senat wie dieser sei den immer friedsamen Bürgern beschieden, und zwar lange Zeit. Du auch verbinde, damit der Tod Dir nicht ein wirkungsloses Ende setzt, meine Musen mit Deinem Pflichtgefühl. So viele Vorzüge, so viele Gaben verdienen Ruhm nach dem Lebensende. (30) Diesen Ruhm aber werden allein die Belohnungen einer dichterischen Begabung verleihen. Danzig, am 25. März 1639. [G.B.]
*** An den edel gesinnten Herrn Johannes Schlichting von Bukowiec, königlichen Landrichter des Amtes Fraustadt etc., als er den Tod seines teuren Sohnes Alexander betrauerte. Wenn mir eine solche Fähigkeit zu schreiben zur Verfügung stände, wie du Grund zu gerechtem Schmerz hast, würde ich niemals, edelster Mann, zulassen, daß dein Sohn unbesungen bliebe, durch welchen, solange er am Leben war, du gleichsam zweimal lebtest. Doch alle Beredsamkeit ist zu gering für eine so gewaltige Trauer, keine Lieder können deine Betrübnis erfassen. Jeder Sohn verur-
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SCribendi mihi si Moerorem capiunt carmina nulla tuum. Tristitiam patribus parit omnis filius: iste Majus tot dotum nomine vulnus alit. Ille sub aetatis tantillae tempora cepit Vincere Virtutum nobilitate genus: Ille sacro petiit jam dudum percitus oestro Doctrinae ingenti templa serena gradu. Illi os Romanum melior fingebat Apollo, Sanctior Uranie docta sed astra dabat: Illum civiles Prudentia duxit ad artes, Ut patriae quondam, ceu Pater, esset honos. Nunc tacet os illud nunc sidera cognita calcat, Nunc Patris et Patriae spes satis ampla jacet. Haec tacita quoties, Schlichtingi, mente revolvis, Damnum consilio vix sinit esse locum, Succumbitque malis quae te constantia semper Hactenus invicto corde secuta fuit. [A2v] Iure quidem meritoque, nec ista negamus, amice; Filius, et tantus, digna querela tibi est Tu perpende tamen quae sint tua munia, quemque Te Rex, te Proceres, te Patria esse velint. Si suadet jactura tibi privata dolorem, Vivere te fortem publica caussa jubet. testandae condolentiae perscripsi Lesnae MARTINUS OPITIUS S!acrae" R!egiae" Maj!estatis" Secretarius Juratus.
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sacht seinem Vater Kummer, dieser aber nährt eine Wunde, die größer ist als der Inbegriff so vieler Begabungen. Er begann in den Zeiten der frühesten Kindheit (10) seine vornehme Abkunft durch den Adel seiner Vorzüge zu übertreffen. Er strebte, schon lange durch heilige Begeisterung angefeuert, mit gewaltigem Schritt zu den hellen Tempeln der Wissenschaft. Ihm bildete ein besserer Apollo die römische Zunge, und eine erhabenere Urania verhieß ihm die gelehrten Gestirne. Ihn führte die Klugheit zu den gemeinnützigen Künsten, damit er einstmals wie sein Vater die Zierde des Vaterlandes wäre. Nun schweigt seine Zunge, nun wandelt er unter den ihm bekannten Sternen, nun liegt die herrlichste Hoffnung des Vaters und des Vaterlandes darnieder. So oft du dies, Schlichting, im stillen Herzen bedenkst, (20) läßt der Verlust kaum einen Raum für Rat, und die Standhaftigkeit, welche dich bis jetzt immer in unbesiegtem Herzen begleitet hat, erliegt den Leiden. Gewiß mit Fug und Recht, und wir leugnen dies nicht, Freund: Der Sohn, und ein so bedeutender, ist dir ein würdiger Grund zur Klage. Überlege du dennoch gründlich, welches deine Pflichten sind und was der König, die Stände und die Heimat von dir verlangen. Wenn dir der persönliche Verlust zum Schmerz rät, fordert das öffentliche Wohl, daß du kraftvoll bist. Ich habe dies zur Bekundung der Anteilnahme geschrieben in Lissa. Martin Opitz, der Heiligen Königlichen Majestät vereidigter Sekretär. [R.S.]
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SAEpe tuae diversa fuit MARTINUS OPITIUS Ad Andream Tscherningium.
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S. P. Ornatissime amicorum, Qui Colerum nostrum ob eximias ingenii doctrinaeque dotes semper dilexi, non possum non ejus honori favere. Proinde mitto ad te versiculos, non quales aut virtus ejus meretur aut studium tuum expectat, sed ab eo deproperatos, quem negotia Musarum fere transfugam reddunt. Aestimabis eos tamen animo, tibi et communi amico huic addictissimo. etc. Gedani Cal. April. M. DC. XXXIX.
INclita Musarum custode quod arma Colero
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Servari posthac, Bresla venusta, cupis, Hic quoque judicio quo polles uteris acri; Non magis huc aptum monstret Apollo virum. Is nempe edidicit quicquid doctrina requirit, Et chartas veteres scit pariterque novas: Asseret ergo tuos qua par est arte libellos, Ipse et erit quondam bibliotheca tibi. MARTINUS OPITIUS a Boberfeldt Secretarius Regis Poloniae, et Celsissimis Principibus Lignicensibus a Consiliis ac Officiis.
*** In Obitum Clarissimi Viri et Mathematicorum nulli secundi P E TRI C RÜ GERI . I.
SAEpe tuae diversa fuit sententia menti, An, C RUGERE , polus se rotet, anne solum? Ne dubites vltra: stat coelum, terra movetur; Haec labor est nobis; hoc tibi fixa quies.
SAEpe tuae diversa fuit
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Martin Opitz an Andreas Tscherning. Sei vielmals gegrüßt, vortrefflichster unter den Freunden. Ich, der ich unseren Coler wegen seiner außerordentlichen Gaben an Talent und Gelehrsamkeit immer geschätzt habe, kann seine Ehrung nur sehr begrüßen. Daher schicke ich dir ein paar Verse, die allerdings nicht so beschaffen sind, wie es zum einen seine Tüchtigkeit verdient, zum anderen dein Einsatz erwartet, sondern die vielmehr in Eile von einem hingeschrieben worden sind, den die Geschäfte fast zu einem den Musen Abtrünnigen machen. Du wirst sie dennoch nach meiner Gesinnung beurteilen, die dir und diesem unserem gemeinsamen Freund auf das innigste zugetan ist usw. Danzig, am 1. April 1639. Daß du die ruhmreichen Waffen der Musen unter der Obhut Colers inskünftig bewahrt wissen willst, liebliches Breslau, auch darin wendest du die scharfe Urteilskraft an, an der du so reich bist; keinen mehr dazu geeigneten Mann könnte Apollo weisen. Denn er hat gelernt, was die Wissenschaft erfordert, und kennt die alten ebenso wie die neuen Schriften. Er wird also deine Bücher mit der angemessenen Sorgfalt und Kenntnis aufbewahren und wird dir einst selbst deine Bibliothek sein. Martin Opitz von Boberfeld, Sekretär des Königs von Polen, und der erhabensten Fürsten von Liegnitz Rat und Schreiber. [M.F.]
*** Auf den Tod des hochberühmten und keinem einzigen Mathematiker nachstehenden Peter Crüger. I. Oft hattest du in deinem Geist eine unterschiedliche Ansicht, Crüger, ob nun das Himmelsgewölbe sich drehe oder der Erdboden. Zweifle nicht weiter: Der Himmel steht fest, die Erde bewegt sich: Diese bedeutet für uns Mühsal, dieser dir ewige Ruhe.
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QUod exteris omnibus tuam opem II. In defectum Solis, qui obitum Crügeri praecessit.
NOn tellus, Crügere, modo te luget ademptum, Quae te jure suum credidit esse decus: Artes astra tuae tristantur, et ipse, priusquam Tu caderes, voluit Sol quoque deficere.
*** INCERTI
POETAE TEVTONICI RHYTHMVS DE SANCTO ANNONE COLON. ARCHIEPISCOPO ANTE D. AVT CICITER annos conscriptus. MARTINVS OPITIVS primus ex membrana veteri edidit et Animadversionibus illustravit. DANTISCI, Ex Officina Andr. Hünefeldii, M DC XXXIX . CVM PRIVILEGIO REGIS . [ ) ( 1v ) ] [vacat] [ ) ( 2r ) ] MAGNIFICO NOBILISSIMOQVE VIRO
I OH . C IRENBERGIO S ENATVS G EDANENSIS P RAESIDI .
QUod exteris omnibus tuam opem quaerentibus praestare soles, Vir Nobilissime, vt benigne susceptis illam vltro exhibeas: idem petere nunc audeo, non pro
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II. Auf die Sonnenfinsternis, die dem Tod Crügers vorausging.
Nicht nur die Erde, Crüger, betrauert deinen Tod, die dich mit Recht als ihre Zierde ansah. Es trauern die Sterne, die deine Kunst ausmachen, und die Sonne selbst wollte, bevor du ins Grab sankst, sich auch verfinstern. [M.F.]
*** Eines unbekannten deutschen Dichters Lied über den heiligen Anno, Erzbischof von Köln, das vor 500 oder etwa soviel Jahren verfaßt wurde. Martin Opitz hat es als erster aus einer alten Pergamenthandschrift herausgegeben und mit Anmerkungen erläutert. Danzig, aus der Druckerei von Andreas Hünefeld, 1639. Mit einem Privileg des Königs.
An den rühmlichen, hochedlen Herrn Johannes Zierenberg, den Vorsitzenden des Rates von Danzig. Was Ihr, hochedler Herr, für alle Auswärtigen, die Eure Hilfe suchen, zu tun pflegt, daß Ihr sie nämlich gütig aufnehmt und ihnen Eure Hilfe selbst anbietet,
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me, cui iam dudum quidvis concessisti, sed pro uno priscae Teutoniae cive, qui dura exilii mala, situm, squalorem ac contemptum, carcerem immo longum passus ad te confugit, à tuo splendore lucem, à patrocinio salutem recepturus. Iacuit quippe libellus iste ab aliquot seculis abiectus, extorris et ignotus; neque illum asserere publico dignati sunt vel Agrippinenses quorum Antistitem optimum celebrat, vel Germani omnes, quorum prisci sermonis qualiscunque, rara certe, particula est. Debebam spectatissimo nomini Tuo dicare maiora: sed et huic opusculo pretium conciliabit semper et ubique veneranda iure antiqui-[ ) ( 2v ]tas. Nam ut senectus, qualem benignum Numen tam florentem tibi ac vegetam largitur, auctoritatem aetatibus conciliat ac reverentiam: ita doctrinae monimenta quo vetustiora sunt, eo maiori in honore ab intelligentibus talium habentur. Erunt qui patienter his carere nos posse vociferabuntur, homines inepte docti et iudicio suo relinquendi: sed tu cum literas omnes ipse literatissimus diligis, tum istas praecipue amas, quae humaniores ipsae vocantur et nos faciunt. Hanc inscriptionis meae caussam dixisse nunc solam sufficiat: nam caeteras adducere si velim, tam numerosa est gloria tua, ut librum mereatur non praefationem. Testes sententiae huius meae producendi si essent, vel Patriam advocarem, amplissimam hanc et ornatissimam, quae cum non alio saepius quam ore tuo Regibus potentissimis, Proceribus Regni atque adeo domi forisque locuta sit, vno vicissim ore omniumque Ordinum decreto ob custoditam diligentissime rempublicam, ob eximium in cives amorem, ob singularem abstinentiam ac industriam, ob curam denique et sollicitudinem consularem, non [ ) ( 3r ] aliud tibi quam Parentis Publici nomen laeta libensque tribueret. Ad idem testimonium accurrerent viri toga et sago vbique locorum maximi qui columen te ac ornamentum urbis cui praesides consensu fatentur praeclarissimo. Adesset populus exulum, tot viduae, tot pupilli, tot sacerdotes, tot, qua pietate adversus Deum es, templa ipsa, quibus omnibus solatium apud te et auxilium hucusque fuit repositum. Sed ne-
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eben das wage ich jetzt zu erbitten, nicht für mich – mir habt Ihr ja schon seit langem allerlei gewährt –, sondern für einen bestimmten Bürger aus altdeutscher Zeit, der das schlimme Leid des Exils, Vergessenheit, Armseligkeit und Verachtung, ja sogar eine lange Kerkerhaft erlitten hat und nun seine Zuflucht zu Euch nimmt, um von Eurem Glanz Licht, von Eurem Schutz Rettung zu erlangen. Dieses Büchlein lag nämlich seit einigen Jahrhunderten weggeworfen, heimatlos und unbekannt, im Dunkel; und einer Veröffentlichung würdig befanden es weder die Kölner, deren vorzüglichen Bischof es rühmt, noch die Deutschen überhaupt, von deren altehrwürdiger Sprache es doch ein gewisses – jedenfalls seltenes – Zeugnis darstellt. Ich hätte Eurer so hoch angesehenen Person etwas Größeres widmen sollen; aber auch diesem kleinen Werk wird sein mit Recht verehrungswürdiges hohes Alter immer und überall Wert verleihen. Denn ebenso wie ein Greisenalter von der Art, wie eine gütige Gottheit es Euch in solcher Blüte und Frische gewährt, den Jahren Ansehen und Ehrerbietung verschafft, so stehen auch die Zeugnisse der Gelehrsamkeit, je älter sie sind, in desto höheren Ehren bei denen, die dergleichen verstehen. Es wird welche geben, die laut rufen werden, wir könnten diese leicht entbehren, halbgebildete Menschen, die wir bei ihrem Urteil lassen sollten. Aber Ihr, selbst ein hochgebildeter Mann, schätzt zwar alle Studien, liebt aber vor allem die, die als besonders feinsinnige gelten und auch uns zu ebensolchen Menschen machen. Es soll genügen, daß ich jetzt nur diesen einen Grund für meine Widmung genannt habe, denn wenn ich noch die übrigen vorbringen wollte – Euer Ruhm umfaßt so vieles, daß er ein Buch verdient, nicht eine Widmungsvorrede. Wenn ich für diese meine Aussage Zeugen aufbieten müßte, würde ich zumal Eure so überaus bedeutende und prachtvolle Vaterstadt herbeirufen, die, da sie ja durch keines anderen Menschen Mund öfter als durch Euren zu den mächtigsten Königen, den Vornehmsten des Reichs und in eben dem Maße zu Hause wie auswärts gesprochen hat, wiederum mit einer Stimme und auf Beschluß aller Stände wegen Eurer so überaus achtsamen Fürsorge für das Gemeinwesen, wegen Eurer außerordentlichen Liebe zu den Bürgern, wegen Eurer einzigartigen Uneigennützigkeit und Einsatzbereitschaft, schließlich auch wegen Eurer Mühewaltung und Belastung als Bürgermeister Euch keinen anderen Ehrentitel als „Vater der Stadt“ freudig und gern zuerkennen würde. Um dasselbe zu bezeugen, kämen auch Männer in ziviler und militärischer Kleidung herbei, die bedeutendsten, soviel es allerorten gibt, die in ehrenvollster Einhelligkeit bekennen, daß Ihr die Stütze und die Zierde der Stadt seid, der Ihr vorsteht. Es wäre auch die Schar der Vertriebenen da, so viele Witwen, so viele Waisenkinder, so viele Geistliche und, bei der Frömmigkeit, die Ihr Gott beweist, so viele Gotteshäuser selbst, denen allen bei Euch Trost und Hilfe bis jetzt zuteil wurde. Aber ich übergehe Eure Standhaftigkeit im Glück und im Unglück, Eure Milde, Euer mit Freundlichkeit gepaartes würde-
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que tango constantiam in utraque fortuna, mansuetudinem, sociatam comitati gravitatem, aliasque virtutes domesticas tuas: si domesticae sunt, quae exemplo tam illustri ad imitationem invitant omnes; cum civitati rectos mores instillandi ratio una sit, bonus Consul. De me solum, quantumque privatim tibi obstrictus sim, dicendum erat: sed ut verba excedit qua me prosequeris benevolentia, ita, licet illud in scribendo beatissimum, quod ad scribendum necessitate non cogor, Dei Regisque beneficiis assecutus videar, aut ingratus tamen vivere, aut me plurimum tibi debere scribendi quadam lege testari cogor. Gedani, IV. Id. Quintil. Ann. M.DC.XXXIX.
[ ) ( 3v ] MART. OPITII AD RHYTHMVM DE S. ANNONE PROLEGOMENA .
SI prioribus libris suis contineri Livius fatetur res cum vetustate nimia obscuras, veluti
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quae magno ex intervallo loci vix cernantur; tum quod rarae per eadem tempora literae fuerint, una custodia fidelis, memoriae rerum gestarum: apud nos Germanos nulla ultimae vetustatis monumenta sermone nostro reperiri, minus admiratione eget, qui et serius ad literas accessimus, et postquam accessimus, Latine ut plurimum balbutire maluimus, quam nostris verbis quae consignanda erant excipere. Ideo quamvis linguam Teutonicam per amplissima terrarum spatia, populosque plurimos uno Celtarum nomine comprehensos primo, diffusam, perpetua serie ad aevum usque nostrum translatam esse certissimum sit: origines tamen vocabulorum plurimas, imo vocabula ipsa non pauca, aut amissa esse, aut ita mutata, ut nostra priscis dissimilia prorsus videantur, cum ea quae post receptam religionem Christianam (alia enim vix reperire est) in literas relata sunt, aperte demonstrant, tum
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volles Benehmen und Eure anderen persönlichen Tugenden: wenn es denn „persönliche“ sind, die durch ihr so leuchtendes Beispiel alle zur Nachahmung auffordern, da es nur ein einziges Mittel gibt, der Bürgerschaft rechten Lebenswandel einzuflößen, nämlich einen guten Bürgermeister. Ich hätte allein von mir sprechen sollen und darüber, wie sehr ich Euch persönlich verpflichtet bin: Aber wie das Wohlwollen, mit dem Ihr mich begleitet, Worte übersteigt, so werde ich, mag es auch scheinen, daß ich jenes am Schreiben Schönste, nämlich daß ich zum Schreiben nicht aus einer Notlage heraus gezwungen werde, durch die Wohltaten Gottes und des Königs erlangt hätte, dennoch gezwungen, entweder als Undankbarer zu leben oder unverbrüchlich zu bezeugen, daß ich Euch den größten Teil meines Schreibens verdanke. Danzig, am 12. Juli 1639. Martin Opitzens Vorwort zu dem Lied über den heiligen Anno. Wenn Livius bekennt, daß in seinen früheren Büchern Dinge enthalten seien, die sowohl wegen ihres überaus hohen Alters im Dunkel liegen, ähnlich wie diejenigen, die man durch einen großen räumlichen Abstand kaum sieht, als auch besonders deswegen, weil schriftliche Aufzeichnungen, die einzigen zuverlässigen Bewahrer der Erinnerung an Geschehenes, in diesen Zeitläuften selten gewesen seien, darf man sich kaum wundern, daß bei uns Deutschen keine Denkmäler von höchstem Alter in unserer Sprache gefunden werden, bei uns, die wir später zur Schrift gekommen sind und, nachdem wir dazu gekommen sind, meist lieber auf Latein stammeln wollten als in unsere eigenen Worten zu fassen, was schriftlich niederzulegen war. Daher verhält es sich doch so: Obwohl es vollkommen sicher ist, daß die deutsche Sprache durch die weiträumigsten Landstriche und unter sehr vielen Völkern, die zuerst unter dem einen Namen „Kelten“ zusammengefaßt wurden, ausgebreitet und in ununterbrochener Folge bis in unsere Zeit weitergegeben wurde, zeigt doch zum einen dasjenige, was nach der Annahme der christlichen Religion (denn anderes ist kaum zu finden) schriftlich festgehalten wurde, deutlich an und kann auch mit sehr vielen Argumenten bewiesen werden, daß in vielen Fällen die Ursprünge der Wörter, ja sogar nicht wenige Wörter selbst, entweder in Vergessenheit geraten sind oder so stark verändert wurden, daß unsere den alten gänzlich unähnlich scheinen. Daß die meisten thrakischen Völkerschaften, Barbaren für die in ihrer Nachbarschaft oder mit ihnen zusammen wohnenden Griechen, keltischen Ursprungs waren, das weiß jeder, der etwas mehr Gelehrsamkeit besitzt. Obwohl Pollux, Suidas, Etymologus und andere, insbesondere Hesychios, der gebildetste unter den Philologen, nicht wenige ihrer Wörter oder solche von ähnlicher Art
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argumentis ostendi potest plurimis. Thracicas [ ( : ) 4r ] plerasque gentes, barbaras Graecis finitimis aut cohabitantibus, Celticae originis fuisse, nemo doctiorum ignorat. Earum aut similis notae vocabula non pauca cum Pollux, Suidas, Etymologus aliique, literatorum imprimis eruditissimus Hesychius, recenseant, quis nunc ex tam multis saltem unam alteramque ita agnoscit, ut sese veritate, non coniecturis niti affirmare audeat? B« esse gentem Thracicam Herodot. lib. VII. ait. Iuba vero, teste Hesychio in B«, tradit B à Lydis dici μ . Hinc B«, quasi die Vryen, liberos, vt fortissima Francorum gens, die Vrancken, eadem significatione, nominatos, ingeniosius forte asseratur quam verius. B Hesychio persona seu larva; quod haud dubie peregrinum est, vt plurima quae talia esse non indicatur, culpa eius credo, qui Grammaticorum optimum mutilavit. Hinc aliquis me audacior brundelich aut vriendlich, amabilis, exsculperet. Magis Germani iuris est quod statim sequitur: , vreten, fressen, vorare; item illud: «, φ, eine schale. φ vero pro vase potorio legimus ap. Athenae. lib. IV. Eidem Hesychio $ est κ «, gratia multiplex; quod aengenaem seu angenem, acceptum, gratiosum, sa-[ ( : ) 4v ]pere, nescio an non quibusdam videri queat. #A«, inquit idem, Kλ μ« K «; Celtae cercopithecos $« vocitant. At si $« legas, ut fortassean Hesychius debuit, hinc vocabulum Haliurunna (vti apud Iornandem in Ms. Codice Amplissimorum Fratrum Puteanorum scribitur) hodie Alraun, non longe discedit. Et cercopitheci formam mandragora herba, quae Alraun nobis, tempore quo fructum fert utcunque repraesentat. Porro qui herbarum nomina Dacis Getisque (Thracibus et ipsis) vsitata apud Apuleium medicum, (Galeno, si recte memini, citatum) interque Scholia Dioscoridis pervetusta aspiciet, tam illa cum hodiernis nostris deprehendet congruere, quam herbas cum piscibus. Idem de nominibus hominum propriis dixerim, quorum omnium rationem reddere velle, stultum est. Sic circa etymon vrbium quam
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auflisten, wer erkennt jetzt unter so vielen wenigstens das eine oder andere so sicher, daß er zu behaupten wagt, er stütze sich auf Wahrheit, nicht auf Mutmaßungen? Daß die „B«“ eine thrakische Völkerschaft seien, sagt Herodot in Buch VII. Juba aber, so bezeugt es Hesychios im Lemma „B«“, überliefert, daß „B“ bei den Lydiern „der Freie“ bedeutet. Daß daher die „B«“ gewissermaßen die Vryen, „die Freien“ genannt worden seien – wie das so tapfere Volk der Franken, die Vrancken, mit derselben Bedeutung –, das ist wohl eher eine geistreiche als eine zutreffende Behauptung. „B“ ist nach Hesychios eine „weibliche Rolle oder Maske“; das ist zweifellos ein fremdsprachiges Wort, wie sehr viele, bei denen durch die Schuld dessen, wie ich glaube, der den besten der Grammatiker verstümmelt hat, nicht bezeichnet wird, dass es sich um solche handelt. Aus diesem Wort würde einer, der kühner ist als ich, brundelich oder vriendlich, „freundlich“ herauspressen. Eher gehört den Germanen das, was jetzt folgt: „ “, „ “, vreten, fressen, „verschlingen“; ebenso jenes „ «“, „ φ“, eine schale. Daß aber „ φ“ ein Trinkgefäß bedeutet, lernen wir bei Athenaios im IV. Buch. Demselben Hesychios bedeutet „$“ „ κ «“, „vielfältige Gunst“; daß dieses Wort wie aengenaem oder „angenehm“ klinge, könnte vielleicht einigen so scheinen. „#A«,“ sagt derselbe, „Kλ μ« K «“ „Die Kelten nennen die Meerkatzen $«.“ Wenn man aber „$«“ liest, wie Hesychios vielleicht mußte, dann steht dem das Wort „Haliurunna“ (wie es bei Jordanes in einer Handschrift heißt, die sich im Besitz der hochangesehenen Brüder Dupuy befindet), das heutige Alraun, nicht fern. Und jedenfalls gleicht das Kraut Mandragora, das für uns Alraun ist, zu der Zeit, da es Früchte trägt, in seiner Gestalt irgendwie einer Meerkatze. Aber wer die von den Dakern und Geten (Thraker auch selbst) verwendeten Kräuternamen bei Apuleius, dem Arzt (der von Galen, wenn ich mich recht erinnere, zitiert wird), und in sehr alten Scholien zu Dioskurides betrachtet, wird finden, daß sie unseren heutigen Namen so ähnlich sind wie Kräuter den Fischen. Dasselbe möchte ich über Eigennamen von Menschen sagen, in bezug auf welche alle es töricht wäre, hier ein System angeben zu wollen. So hinsichtlich der Herleitung von Städtenamen – wie viel erlauben wir uns da allgemein – sei es wegen Mangels an Urteilskraft, sei es wegen Unkenntnis der Sprachen, aus denen diese Herleitung zu erschließen wäre! Daß die Hauptstadt meines Schlesiens nach einem Flußübergang der Slawen „Bratesilea“ genannt worden sei, haben Reineccius und andere geglaubt, während sie doch nach ihrem Gründer „Wratizlaus“ – ähnlich wie „Boleslauia“, wo ich geboren bin, von „Bolizlaus“ („Bolezlavez“ in einer Bulle von Papst Innozenz IV.) – ihren dann zu „Wratzlaw“ oder „Breslaw“ – wie im zweiten Beispiel „Bunzlaw“ – abgeleiteten Namen bekommen hat. Brieg, eine an der Oder gelegene Stadt ebenfalls in Schlesien, ist, so glaubt Philipp Clüver, nach einer Brücke benannt worden. Aber „brzeg“ beudeutet bei den Polen und
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multa nobis vulgo permittimus, sive iudicii imbecillitate, seu linguarum unde illud petendum erat ignorantia? Silesiae meae metropolim Bratesileam à traiectu Sclavorum dictam Reineccius aliique crediderunt: cum à Wratizlao conditore, ut à Bolizlao Boleslauia (Bolezlavez Bullae Innocentii PP. IV.) cui natales meos debeo, nomen in Wratzlaw sive Breslaw, ut alterum in [ ( : ) 5r] Bunzlaw, detortum traxerit. Brigam eiusdem Silesiae ad Viadrum urbem à ponte nomen reperisse putat Phil. Cluverius: at brzeg Polonis, breg Sclavis, ripa est, et Brega in privilegiis veterum illius Ducum semper scribitur. Sagani oppidi nomen à Sacis Phil. Melanchthon, alii à postulatione quondam telonii Sag an, enumera merces tuas, derivant; ignari à voce itidem Sclavonica zagon, id est, lira agri, fluxisse. Rostochium rosarum Academia, quasi Nomen cum violis rosisque natum, iuventuti literatae audit: cum Sclavis, habitatoribus illorum locorum priscis, quorum reliquiae longo à Silesia ad extremum usque Albim tractu etiamnum supersunt, Roztok solutionem glaciei designet, vnde oppidum, Varnae amni adsitum vicinumque mari, dictum vero est similius. Essent talia numero infinita: sed de Teutonismo nobis dissertatio instituta est, cuius crebra monosyllaba facile ad quodvis idioma applicantur; id quod causam viris eruditis praebere potuit, vt plerasque vocabulorum radices cum ipsis Orientalium linguarum verbis conciliare conati sint. Paullo liberius de Graecorum sermone sentiendum est, quem congrua plane cum nostro habere plurima, post aliorum diligentiam observavimus ipsi, qui [ ( : ) 5v] per viciniam et convictum cum illis commutationes vt mercium ita vocabulorum factas credimus. Latent fortasse illic notis haud pauciora, quae longinqua aevi vetustas et ipsa usui nostro exemit; ideoque nec agnosci queunt. Atque extarent nunc nonnulla illorum versuum, quibus Bardi, $ ! " « (ut corruptum Hesychii locum Notis ad Epochas Graecorum inter marmora Arundelliana extantes V. C. Ioannes Seldenus emendat) fortia virorum il-
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„breg“ bei den Slawen „Ufer“, und in den Urkunden ihrer früheren Herzöge wird immer „Brega“ geschrieben. Den Namen der Stadt Sagan leitet Philipp Melanchthon von den Saken ab, andere von der einstigen Aufforderung des Zöllners: „Sag an, zähle deine Waren auf!“, aus Unkenntnis, daß er von dem ebenfalls slawischen Wort „zagon“, das bedeutet „Ackerbeet“, herkommt. „Rostock“ klingt für die gebildete Jugend wie „Universität der Rosen“, als wenn der ‚Name zugleich mit Veilchen und Rosen entstanden wäre‘, während doch bei den Slawen, den früheren Bewohnern dieser Gegend, von denen bis heute in einem langen Bogen von Schlesien bis zur fernen Elbe Spuren zu finden sind, „Roztok“ das Schmelzen von Eis bedeutet, woher die Stadt, die ja an der Warne und nicht weit vom Meer liegt, eher benannt worden ist. Solche Beispiele wären wohl zahllos; aber wir haben uns eine Erörterung über die deutsche Sprache vorgenommen, deren zahlreiche einsilbigen Wörter sich leicht mit jeder beliebigen Sprache in Verbindung bringen lassen; genau das konnte den Gelehrten den Grund dafür liefern, daß sie versuchten, die meisten Wurzeln unserer Bezeichnungen gerade mit Wörtern der Sprachen des Morgenlandes zusammenzuführen. Etwas großzügiger muß man bezüglich der griechischen Sprache denken, welche offensichtlich mit der unseren sehr viele Übereinstimmungen hat, wie wir selbst nach den gründlichen Forschungen anderer ebenfalls festgestellt haben, die wir der Annahme sind, daß durch die Nachbarschaft und den Umgang mit jenen ein wechselseitiger Austausch sowohl der Waren als auch der Wörter stattgefunden hat. Es liegen vielleicht dort in den Buchstaben nicht gerade wenige verborgen, die die lange Dauer der Zeit auch selbst aus unserem Sprachgebrauch genommen hat und die daher nicht erkannt werden können. Und wenn jetzt noch einige von jenen Versen vorhanden wären, mit denen die Barden, die „$ λ
! " «“ (wie der berühmte John Selden eine verderbte Hesychios-Stelle in seinen Anmerkungen zu den Epochen der Griechen, die in den „Marmora Arundelliana“ vorhanden sind, berichtigt hat), die tapferen Taten berühmter Männer, nach dem Zeugnis von Diodor, Strabo, Mela, Ammianus und anderen, zu gefälligen Weisen der Lyra besungen haben – dann würden wir uns, um sie zu verstehen, ebenso erfolglos bemühen wie einst C. Aelius bei der Erklärung der Lieder der Salier, von dem Varro bezeugt, daß er viele dunkle Stellen nicht richtig erfaßt habe. Jedoch: wie wir jene mit Recht vermissen, so erscheinen gewisse Teilchen und Spuren der altdeutschen Sprache in den Glossen der Alten, wie die, die unter dem Namen Isidors (nicht zu Unrecht, wie ich denke, da Honorius Augustodunensis sie unter seine Werke einreiht) vorhanden sind, und die Pithou von überallher zusammengetragen hat. Zu diesem Zweck könnten auch die nicht herausgegebenen ($%) Lexika von Suidas, Photios, Zonaras und anderen geprüft werden, die noch in öffentlichen und privaten Bibliotheken verborgen sind, und von dieser Art das Glossarium von Ansileubus, einem Bischof der Goten,
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lustrium facta, testibus Diodoro, Strabone, Mela, Ammiano aliisque, ad dulces lyrae modos cantitarunt: non minus in intelligendis illis operam luderemus, quam C. AElius olim in exponendis Saliorum carminibus, quem obscura multa non assecutum Varro testatur. Illa tamen ut merito desideramus: ita particulae quaedam et reliquiae Teutonismi antiquioris comparent in Glossis priscorum, quales sunt quae Isidori nomine (non falso, ut puto, cum inter opuscula eius recenseat Honorius Augustodunensis) extant, et quas passim collegit Pithoeus. Huic bono excuti possent etiam Suidae, Photii, Zonarae aliorumque Lexica $%, quae in publicis privatisque bibliothecis latent, cuiusque generis Ansileubi Gothorum Episcopi Glossarium erutum ex veteri codice bibliothecae Moysaciensis, in quo [ ( : ) 6r] multa Gothorum aliorumque populorum barbara Vocabula explicentur, vidisse se affirmat Phil. Iac. Maussacus dissertatione Critica ad Dictionarium Harpocrationis. Sed Gothorum (quos post aliud docentia Cluverii imprimis et Pontani argumenta, multo pluribus à nobis alibi, si otium erit, firmanda, cum Getis Dacisque exemplo posterioris aevi Scriptorum Latinorum viri doctissimi adhuc confundunt) et literas, et verba ipsa, praeter specimina quaedam à Bonav. Vulcanio et aliis edita, Norvagiae, Daniae, Islandiae caeteraque Septentrionis monimenta et inscriptiones, quarum editionem amplam illustrator patriae Antiquitatis Olaus Wormius promittit, qualemque in marmore praegrandi, Albae Iuliae Transsilvanorum ante aulam Principis proiecto, vidisse memini, repraesentare accuratius possunt. Carolus M. ut Imperii Germanici, ita linguae assertor fuit. Post et alii Principes ac Imperatores non poetica minus quam equestria instituerunt certamina; iuventute nobili id agente, ut praemia victoriae tam cantu acciperet quam hastiludiis. Paraenetica eius notae nonnulla edidit Goldastus: alia etiam omnis argumenti passim adhuc reperiri non nescio, digna editione, abesset contemptus literarum, etiam inter illos qui literas iactitant. Wille-[ ( : ) 6v]ramus Episcopus Mersburgensis, cuius Teutonicam Cantici Canticorum expositionem editore Mercula habemus, ante DL. annos claruit; circa quod tempus Anno Coloniensis Archiepiscopus excessit, cuius vitam ac virtutes aequalis illius, aut aetate non multo minor, celebrat, quem nunc publico damus Poeta Anonymus. Scio quid dicturi sint qui talia non aestimant quia ignorant: nos, qui linguae Germanicae cultum hodiernum cum laude aliqua iuvenes hucusque auximus et protulimus, veniam, vt speramus, merebimur, quod et nunc, post seposita quamquam haec studia, priscam linguae maternae gloriam per $
hoc eius dilatare, ac Animadversionibus in illud nobis sub manu natis illustrare conati fuimus; à Spelmannis, Seldenis, Wormiis, Laetiis, Elichmannis, Teutonicae veteris, Anglo-Saxonicae, Gothicaeque linguarum monimenta aetate rebusque potiora expectantes. […]
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das aus einem alten Kodex der Bibliothek von Moissac ans Tageslicht kam und in dem viele barbarische Wörter der Goten und anderer Völker erklärt werden, wie Philippe Jacques de Maussac in seiner kritischen Abhandlung zum Wörterbuch des Harpokrates gesehen zu haben versichert. Aber sowohl die Schrift als auch die Wörter der Goten (welche – nach den etwas anderes lehrenden Argumenten vor allem des Clüver und des Pontanus, die wir mit viel mehr Beweisen, wenn Zeit dafür vorhanden sein wird, bekräftigen müssen – die gelehrtesten Männer bis jetzt noch nach dem Beispiel der römischen Schriftsteller einer späteren Zeit mit den Geten und Dakern in einen Topf werfen) können uns genauer vor Augen führen – außer bestimmten Musterbeispielen, die von Bonaventura Vulcanius und anderen herausgegeben wurden – die Denkmäler und Inschriften Norwegens, Dänemarks, Islands und des übrigen Nordens, deren umfassende Edition der Erheller der Vorzeit seines Vaterlandes, Ole Worm, verspricht, und von welcher Art ich eine auf einem riesigen Marmorblock, der in Weißenburg in Siebenbürgen vor dem Palast des Fürsten aufgestellt war, mich erinnere gesehen zu haben. Karl der Große war, wie er ein Beschützer des germanischen Reichs war, so auch ein Beschützer der Sprache. Später haben auch andere Fürsten und Kaiser nicht weniger Dichter- als Reiterwettkämpfe veranstalten lassen, wobei die jungen Adligen bestrebt waren, den Siegespreis sowohl im Gesang wie im Lanzengefecht zu erringen. Einige Lehrgedichte von dieser Art hat Goldast herausgegeben. Daß auch weitere Texte jedes Inhalts sich bis heute überall noch finden lassen, die es verdienten, herausgegeben zu werden, weiß ich ganz sicher, wäre da nur nicht die Verachtung der Studien, auch unter denen, die sich mit den Studien wichtigmachen. Bischof Williram von Mersburg, von dem wir eine deutsche Auslegung des Hohenliedes, von Merula herausgegeben, besitzen, glänzte vor 550 Jahren; um diese Zeit starb der Kölner Erzbischof Anno, dessen Leben und Leistungen einer seiner Zeitgenossen oder ein unwesentlich Späterer rühmt: der anonyme Dichter, den wir jetzt der Öffentlichkeit präsentieren. Ich weiß, was die sagen werden, die dergleichen nicht schätzen, weil sie es nicht kennen; wir, die wir die heutige Pflege der deutschen Sprache nicht ohne Lob schon in jungen Jahren so weit gefördert und vorangebracht haben, werden, wie wir hoffen, Verzeihung dafür finden, daß wir auch jetzt, wiewohl nach diesen vortrefflichen Studien, den altehrwürdigen Ruhm unserer Muttersprache durch das vorliegende kleine Stück ($
) auszubreiten und durch Anmerkungen zu ihm, die uns unter den Händen erwuchsen, zu verdeutlichen versucht haben. Von Männern wie Spelmann, Selden, Worm, Laetius und Elichmann erwarten wir Zeugnisse des Altdeutschen, des Angelsächsischen und des Gotischen, die nach ihrem Alter und ihren Inhalten noch wichtiger sind. [G.B., V.M.]
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Quod Lygiae Princeps
Ad Magnificum Nobilissimumque Virum N ICOLAUM H ENELIUM , cum à Celsissimo Duce Lignicensi ad Consiliarii munus, et à S!enatu" P!opulo" Q!ue" Wratislaviensi ad Syndicatum asscitus esset.
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Quod Lygiae Princeps gentis, celsissimus heros, Consiliis nunc te jussit adesse suis, Illiusque simul tibi curia panditur Urbis, Qvâ salvâ nondum patria tota perit, [A4v] Non casu istud, magne Senex, Urbisque Ducisque Sed fit judicio, sed bonitate DEI . Doctrinâ qvi sis, omnis Germania novit; Qvàm verè sapias, Slesia testis erit. Suscipe, quod debes, et firmo pectore rebus Qvantumvis dubiis in tua regna veni. Nec senium accusa: quot Wratislavia canos, Tot quoque Virtutes aspicit illa tuas. Tam celebrem nautam tempestas ista reqvirit, Ne scopuli, timidam ne premat unda ratem. Quod superest, DEUS ut tibi dat nova munia vitae, Vitae animoque novum robur, amice, dabit. Amplissimi Nominis Tui Virtutumq!ue" tuar!um" Verus cultor M. OPITIUS.
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An den großachtbaren und höchst vornehmen Mann Nikolaus Henel, als er vom erhabensten Herzog von Liegnitz in das Amt eines Rats und von Rat und Bürgerschaft von Breslau in die Stellung eines Syndicus berufen worden war. Daß der Fürst von Liegnitz, der erhabenste Held, nun befahl, du mögest Mitglied seines Ratskollegiums sein, und dir zugleich das Rathaus jener Stadt geöffnet wird, bei deren Wohlergehen das Vaterland noch nicht zur Gänze zugrunde geht, dies geschieht nicht durch Zufall, würdiger Greis, sondern zum einen durch das Urteil von Stadt und Herzog, zum andern durch die Güte Gottes. Wer du durch deine Gelehrsamkeit bist, weiß ganz Deutschland, wie sehr du wahre Weisheit besitzt, davon wird Schlesien Zeuge sein. Nimm auf dich, wozu du verpflichtet bist, und tritt mit fester Entschlossenheit, obschon (10) unter mißlichen Umständen, deine Amtsgeschäfte an. Und klage dein Alter nicht an: So viele graue Haare Breslau sieht, so viele Tugenden sieht es zugleich bei dir. So einen berühmten Steuermann verlangt unsere Zeit, damit keine Klippen, keine Woge das ängstliche Floß in Bedrängnis bringe. Was noch übrigbleibt zu sagen: Wie Gott dir neue Pflichten in deinem Leben gibt, wird er dir, mein Freund, neue Kraft für Geist und Leben geben. Deiner erhabensten Person und deiner Tugenden ein wahrer Verehrer Martin Opitz. [V.M.]
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In Obitum Illustrissimae Dominae CATHARINAE, Celsissimi Ducis SAMUELIS KORECII F ILIAE Illustrissimi Domini ANDREAE, COMITIS LESCINII, Palatinidae Belsensis, etc. CONIUGIS. MARTINI OPITII EPICEDIA.
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esse luctum tuum, et qui allocutione quamvis disertissima levari nequeat, dubitare potest nemo. Amisisti conjugem, si bona quae in sexum hunc cadunt respicias omnia, prorsus incomparabilem. Nam si nasci nobilem pulchrum est, paternum genus per Koributum ad eos Lithvaniae Duces originem refert, quibus Jagellonis Regis stemma, nepotibus tot Regibus felix, demissum scimus. Patrem Samuelem Korecium, Celsissimum Ducem, Heroa fortissimum, qui patriam toties de hostibus pernitiosissimis ultus est, Eu-[722]ropa loquitur, nec aetas tacebit ulla. Maternus autem avus Jeremias Mohila ille fuit, qui principatum Moldaviae (quam Polonia nostra Walachiam citra mentem aliorum vocat) quatuor et decem annos inusitato diu exemplo, virtute ac prudentia insigni, tenuit. Ad ea vero ubi itur, quibus tituli familiae vel extenduntur, vel supplentur, praeter mores pudicissimos, formam emendatissimam, universis animi virtutibus adeo clara extitit, ut judicio omnium singulari decus matronarum haberetur et ornamentum. Quam tibi pietatem, quem cultum, quae obsequia praestiterit sanctissima et innocentissima anima, qua cum dulcedine tecum et concordia vixerit, reticere cogor, nisi acerbissimum ejus mortis dolorem, quem solum ab illa accepisti, augere, si quid illi accedere potest, velim et extendere. At hac optima, fidelissima, charissima comite tua tempus quantillum fruitus es? Numeremus
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Trauergedichte auf den Tod der überaus edlen Frau Katharina, Tochter des hocherhabenen Heerführers Samuel Korecki, Gattin des überaus edlen Herrn Andreas, Graf von Leszno, Palatin von Bels usw., von Martin Opitz. Daß deine Trauer überaus groß ist und auch durch eine noch so wohlgesetzte Ansprache nicht erleichtert zu werden vermag, kann niemand bezweifeln. Eine geradezu unvergleichliche Gattin hast du verloren, wenn man alle guten Eigenschaften berücksichtigt, die in diesem Geschlecht zusammenkommen. Denn wo es doch etwas Schönes ist, edel geboren zu werden: ihr väterliches Geschlecht führt seinen Ursprung über Korybut auf diejenigen litauischen Großfürsten zurück, von denen der Stammbaum des Jagellonischen Königs, reich an so vielen königlichen Nachkommen, sich, wie wir wissen, herleitet. Vom Vater Samuel Korecki, dem hocherhabenen Heerführer und überaus tapferen Helden, der so oft das Vaterland an den schlimmstes Unheil bringenden Feinden rächte, spricht Europa und wird kein Zeitalter je schweigen. Der Großvater mütterlicherseits aber war der wohlbekannte Jeremias Mohiła, der über 14 Jahre nach lange ungewohntem Beispiel mit hervorragender Tugend und Klugheit über das Fürstentum Moldau herrschte (das unser Polen entgegen der Auffassung anderer Walachei nennt). Wenn man sich aber den Eigenschaften zuwendet, durch die die Ehrentitel einer Familie entweder ausgedehnt oder ersetzt werden, so trat sie abgesehen von den überaus züchtigen Sitten und der gänzlich makellosen Gestalt mit allen Tugenden des Geistes so leuchtend hervor, daß sie im einzigartigen Urteil aller als Zierde und Schmuck der Ehefrauen angesehen wurde. Welche Achtung, welche Verehrung, welchen Gehorsam dir die heilige und unschuldige Seele darbot, mit welcher Wonne und Eintracht sie mit dir lebte, davon muß ich schweigen, wollte ich nicht den überaus bitteren Schmerz über ihren Tod, der allein dir von ihr geblieben ist, vermehren (wenn ihn überhaupt noch etwas vergrößern kann) und ausdehnen. Doch welch kurze Zeit hast du diese deine beste, treueste und liebste Gefährtin genossen? Wir könnten die Monate aufzählen, du würdest sie einen Augenblick nennen. Nimm dazu die um so beklagenswerteren Umstände des Todes, da du, während du dir von ihr einen neuen Zuwachs deines Hauses erhofftest, doppelt geschlagen wurdest, indem die Mutter am sechsten
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menses; tu momentum dicas. Adde mortis genus eo flebilius, quod dum ex illa novum domus tuae incrementum sperasti, bis afflictus es; matre sexto post partum hunc alterum, prole tertio post matrem die ex hac vita, sed ad meliorem, raptis. Fomento itaque indiges magno, Comes Splendidissime, neque gravissimo vulneri tuo fortuita medicina occurrendum est. Versus ego meos tamen tibi mitto, qui te studia literarum inter ea imprimis ponere, quae honori defunctis, superstitibus allevamento esse possunt, satis novi. Tu eos non pondere aestimabis, quippe statim postquam triste hoc nuntium allatum est effusos; sed ipsa celeritate tibi obsequendi, in cujus gratiam ut laetiora praestare volo, ita omnia debeo. Caeterum quod homines non possumus, supre-[723]mum Numen tibi subjiciat solatium, gloriosissimamque domum tuam et Illustrissimos Fratres, sidera patriae, clementer conservet. Dantisci, Prid. Cal. August. M DC. XXXIX.
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FElix animi laetusque thori Non vise diu, cogeris illud, O spes patriae, dulce mariti Ponere nomen. Quondam invidiae summa petentis Fueras dignus, cum tot gravibus Sperata licet clarisque procis, Filia magni formosa patris, Nec casta minus, te tamen ante Ferret reliquis omnibus unum. Sed mutatur profugis vicibus Faustum querulo tempore tempus: Quippe anxietas cor saeva tibi Nunc transadigit parte direptum Meliore sui. Tacet os illud quod vota Deo Pura dicabat, cui sermones Et flexanimos, et sola tuo Blanda obsequio suavia debes. Illi semper vigiles oculi Servire tuis, vitae astra tuae, Jam non una nocte premuntur.
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Tage nach dieser zweiten Geburt und das Kind drei Tage nach der Mutter aus diesem Leben hier – allerdings in ein besseres – fortgerissen wurden. Einer großen Linderung bedarfst du also, hochangesehener Graf, und nicht mit einer beliebigen Arznei kann deine so schwere Wunde geheilt werden. Dennoch sende ich dir meine Verse, der ich genau weiß, daß du die Literatur vor allem anderen zu den Dingen zählst, die den Toten Ehre, den Hinterbliebenen Erleichterung bringen können. Du wirst die Verse nicht nach ihrem Gewicht beurteilen, da sie doch sogleich, nachdem diese traurige Nachricht überbracht worden war, hervorströmten, sondern nach eben der Schnelligkeit, mit der ich dir willfahre, dir, zu dessen Gefallen ich so ganz verpflichtet bin, wie ich dir Freudigeres darbringen will. Im übrigen: was wir Menschen nicht vermögen, gebe dir der höchste Gott, nämlich Trost, und er behüte gnädig dein hochberühmtes Haus und deine überaus edlen Brüder, die Leuchten des Vaterlandes. Danzig, am 31. Juli 1639 [M.F.] Anapäste. Nicht lange sah man Euch glücklicher Stimmung und froh über Eure Ehe; jetzt werdet Ihr, die Hoffnung des Vaterlandes, gezwungen, die schöne Bezeichnung ‚Ehemann‘ abzulegen. Einst hattet Ihr Euch den Neid verdient, der immer das Höchste angreift, als nämlich die schöne und ebenso sittsame Tochter eines hohen Vaters, obgleich auf sie so viele bedeutende und berühmte Bewerber hofften, dennoch Euch (10) allein allen übrigen vorzog. Aber eine glückliche Zeit verwandelt sich in fliegendem Wechsel in eine Zeit der Klage. Denn ein grausamer Kummer durchbohrt Euch nun das Herz, das von seinem besseren Teil weggerissen ist. Nun schweigt der Mund, der Gott reine Gebete zu widmen pflegte, dem Ihr herzrührende Gespräche verdankt und Küsse, die allein Euch zu Gefallen schmeichlerisch waren. (20) Ihre Augen, die immer darauf bedacht waren, den Euren zu dienen, die Sterne Eures Lebens, sind nun nicht mehr für nur eine Nacht geschlossen. Dieses in ihren großen Tugenden gründende Gut,
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Haec tantarum bona virtutum, Hos nec vitiis nec fortunae Tot muneribus flecti faciles In tam tenero corpore mores, Hoc optandum placuisse viro, Unius horae sustulit umbra. Ite, ô juvenes, servire juvet: Urite taedas, thalamum petite, Si mox animas comitata duas [724] Huic deproperant fata quietem, Illi frustra triste gementi Noctes viduas, tetricos soles, Ipsaque lucis taedia grandi Clade relinquunt. Tuus, Andrea, tuus hic amor, Hae delitiae, vitaeque tuae Hoc praesidium, lux et columen, Partu felix, partu infelix, Terris abiit, secumque simul Rapuit gratum tibi quicquid erat. Quis te carum lugere caput, Quis rore genas violare vetet? Vix si totas commodet undas Vistula dives rapidusque Tyras, Quique recepto strepitans Hypane, Non his numeris mihi laudandus, Hospitis auget flumina Ponti, Sat lachrymarum, vir magne, foret. Verum et proavi vixere duces, Ejus origo stemmate quorum Deducta fuit regumque genus. Legem hanc subiit maternus avus, Dacia cujus quondam ulterior Longum voluit pietate regi. Abiit genitor murus patriae, Mora gaudentis caede tyranni, Qui perdomito leviter Persa, Et classe ferox Scythiaque truci, Jam Sarmatiae, bonitate Dei, Virtute sua, satis invictae,
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dieses in einem so zarten Körper enthaltenen Wesen, das sich weder von Lastern noch von allen Glücksgütern beugen ließ, all das, wovon man wünschen muß, daß es einem Mann gefalle, nahm die Dunkelheit einer einzigen Stunde hinweg. Geht, ihr jungen Leute, möge Euch der Liebesdienst Freude machen; (30) steckt die Hochzeitsfackeln an, eilt zum Brautgemach – wo ja doch bald das Fatum, das zwei Seelen begleitet hat, der einen vorzeitig Ruhe gebietet, der anderen, die in nutzloser Trauer seufzt, einsame Nächte, verhaßte Tage und sogar einen Widerwillen gegen das Licht mit großem Unheil hinterläßt. Diese Eure Liebe, Andreas, diese Eure Wonne, dieser Schutz, dieses Licht, diese Stütze Eures Lebens (40) – einmal hat sie glücklich ein Kind geboren, einmal nicht – hat die Erde verlassen und zugleich alles, was Euch teuer war, mit sich hinweggenommen. Wer wollte Euch verbieten, um das liebe Haupt zu trauern und mit dem Naß der Tränen die Wangen zu peinigen? Wenn die wasserreiche Weichsel, der reißende Dnjestr und derjenige Fluß, der den Bug in sich aufnimmt – ich kann ihn in diesen Versen nicht nennen – und rauschend die Fluten des Schwarzen Meeres bereichert, all ihre Wogen hergeben würden, (50) so wären das kaum, hoher Herr, genügend Tränen. Aber auch ihre Vorfahren haben gelebt und sind nicht mehr, Heerführer, aus deren Ahnenreihe sich ihre Abkunft herleitete, und ein Geschlecht von Königen. Diese Bestimmung nahm der Großvater mütterlicherseits auf sich, von dessen Pflichtgefühl das weit entfernte Dakien einst für lange Zeit regiert werden wollte. Hingegangen ist auch ihr Vater, ein Schutzwall des Vaterlandes, ein Hindernis für den Tyrannen, der sich am Blutvergießen freut, jenes Tyrannen, der mit leichter Mühe die Perser bezwungen hatte (60) und es nun, furchtbar durch seine Flotte und das grimmige Skythenland, unbesonnen-
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Audet stolidus bella minari. Tellus homines daedala nutrit; Eadem cunctos recipit gremio Clauditque suo, nescia soli Modo particulae sedibus ortae Superis rapidas adferret manus. Viva est, immo potius diva est, [725] Ignara mali, pars coelicolum, Quam deploras magna virago, Et plena Deo, cui grata fuit, Recipit mentes apud aetherias Fortesque atavos maxima sanctae Praemia vitae. Spe tam stabili certaque fide Licet indomito, licet et justo, Aptare potes frena dolori, Nec vel mortem conjugis almae Nimis immodicus pectoris aegri Deflere, aut propriam, quae sit sera, Ipse vereri.
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erweise wagt, Polen kriegerisch zu bedrohen, das dank der Güte Gottes und seiner eigenen Kraft vollkommen unbesiegbar ist. Die kunstreiche Erde nährt die Menschen, sie nimmt auch alle wieder in ihrem Schoß auf und verschließt sie darin; allein sie vermag es nicht, auch nur einen kleinen Teil, der aus dem himmlischen Wohnsitz stammt, mit räuberischen Händen zu berühren. Sie, die Ihr beweint, die große Heldin, lebt, vielmehr: sie ist göttlich, (70) sie kennt kein Leid mehr, gehört zu den Himmelsbewohnern, und voll von Gott, dem sie lieb war, empfängt sie bei den Seelen im Himmel und ihren tapferen Vorfahren die höchsten Belohnungen für ein heiligmäßiges Leben. Mit einer so festen Hoffnung, einem so sicheren Vertrauen könnt Ihr Euren Schmerz, er mag unbezähmt, er mag auch berechtigt sein, zügeln und müßt weder den Tod der lieben Gattin (80) allzu maßlos aus trauerndem Herzen beweinen noch den eigenen Tod – der spät erst kommen möge – fürchten. [G.B.]
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FEstivos Epigrammatum libellos Ad Eruditissimum Dn. Autorem Gemmas hascè communis commodi ergò edentem et publici juris facientem:
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FEstivos Epigrammatum libellos, Condîtos sale plurimô lepôrum, Nec fellis vacuos, sed innocentis, Quos docti cata Musa Rothmalerî Nobis protulit annuente Phoebô, Vt vidi, ut meritô suô probavi Vix visos etiam, ratus Poëtam Nil debere Tibi, venuste vates, Qui versu facili doces Quirites, Vitam quae faciant beatiorem, Quare parciùs illa Martialis Te Lector, rapiant; et heîc habebis, Qvòd raris qveat auribus placere. M ARTINUS O PITIUS â Boberfelda Historiographus Regius et Consiliarius Ducalis Ligio-Bregensis.
FEstivos Epigrammatum libellos
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An den höchst gebildeten Herrn Verfasser dieser Edelsteine, die er wegen des allgemeinen Nutzens herausgibt und dem öffentlichen Urteil anheimstellt: Die vergnüglichen Büchlein mit Epigrammen, gewürzt mit ganz viel Salz anmutigen Witzes, nicht frei von Bissigkeit, doch einer harmlosen, die die gewandte Muse des gelehrten Rothmaler für uns hervorgebracht hat unter gnädigem Beifallsnicken Apolls – nachdem ich diese gesehen, nachdem ich sie, kaum nur gesehen, wegen ihres Verdienstes für gut befunden habe, bin ich der Meinung, daß unser Poet dir nichts schuldig sei, geistreicher Dichter, der du mit gefälligem Vers die Quiriten lehrst, (10) was das Leben glücklicher macht, weshalb denn auch jene Epigramme des Martial dich, geneigter Leser, weitaus weniger fortreißen dürften und du hier dagegen etwas vor dir hast, was auserlesenen Ohren gefallen könnte. Martin Opitz von Boberfeld, königlicher Historiograph und Rat der Herzöge von Liegnitz und Brieg. [V.M.]
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Queis non dehinc Epigrammartiges Gedicht in Hinkjamben Dünnhaupt, Nr. 191 A; – Andrea‚ Tscherning‚ | Unvorgreiffliche‚ Bedencken | über etliche mißbräuche in der | deutschen | Schreib = und | Sprach =Kunst / |insonderheit | der edlen Poe terey. | . . . | Lübeck / | In vorlegung Michael Volcken / | Gedruckt bey sel: Schmal hertzen‚ Erben / | Im 1659sten Jahre. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Ko 137), S. 61. Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. Der kurze, offenbar zu Opitzens Lebzeiten nicht gedruckte Text ist nicht datierbar, könnte aber gut aus den späten Jahren des Dichters in Danzig oder Thorn stammen, als dieser selbst – seit dem Prager Frieden von 1635 – im polnischen Exil lebte; vgl. Seidel (2011). Überliefert sind die Verse in der „12. Anmerckung“ des vierten Teils („Von Reinund Zierlichkeit der Worte“) von Andreas Tschernings poetologisch-sprachkundlichem Hauptwerk, dem 1658 erstmals und ein Jahr später in einer Titelauflage (vgl. Borcherdt, Tscherning, S. 317; Dünnhaupt, Bd. 6, S. 4130 f.) wieder gedruckten Unvorgreifflichen Bedencken. Tscherning (1611–1659) war ein Bunzlauer Verwandter Opitzens und hatte nicht nur Gedichte nach dessen Regeln publiziert, sondern unterrichtete auch als Poetikprofessor in Rostock seit 1644 in Opitzens Sinne; zu ihm und seinen Beziehungen zu Opitz vgl. LW 3, S. 597 f. Das Unvorgreiffliche Bedencken ist ein Kompendium, dessen Programm auf Vermittlung und Reintegration der allmählich divergierenden poetologischen und sprachpflegerischen Positionen der Opitzianer zielt; vgl. dazu Borcherdt, Tscherning, S. 172–212. In den das Werk konstituierenden „Anmerckungen“ setzt der Verfasser sich mit Detailfragen auseinander, so geht es in der vorliegenden Passage um die Verwendung griechischer Wörter, worüber „so wol H. Opiz als auch H. Buchner in ihren Poëtereyen ausführlich … gehandelt haben“ (S. 60). Tscherning bezieht sich auf die Passage in der Poeterey, wo Opitz die Benutzung fremdsprachlicher Wörter kritisiert und anmerkt, daß „die Lateiner eine solche abschew vor dergleichen getragen / das in jhren versen auch fast kein griechisch wort gefunden wird“ (Poeterey / Jaumann, S. 36; vgl. allerdings bestimmte Lizenzen, z. B. Quintilian, Institutio oratoria 1,5,58: confessis quoque Graecis utimur verbis, ubi nostra desunt). Tscherning zitiert dann – offenbar in Relativierung des Verdikts – „ein kurtzes Epigramma des H. Opizen …, das sonst vielleicht in niemandes Hand sein möchte/ worinnen er auch gar bequem- und nachdencklich im Lateinischen ein grichisches wort untermenget“ (S. 61). Das die „Anmerckung“ abschließende lateinische Gedicht ist trotz des mit drei Versen ungewöhnlichen Formats wohl als vollständiges Epigramma zu verstehen, dessen Kontext freilich, von der allgemein gehaltenen Exilthematik abgesehen, unbestimmt bleibt. In sprachlicher Hinsicht experimentiert Opitz hier mit den Möglichkeiten der lateinischen Literatursprache; vgl. Cicero, De oratore 3,152 f., zu den drei Arten, wie man mit einfachen Wörtern der Rede Glanz verleihen könne: … aut inusitatum verbum aut novatum aut translatum. Inusitata sunt prisca fere ac vetustate ab usu cotidiani sermonis iam diu intermissa. Hierauf könnte man den Archaismus queis, den griechischen Neologismus und die übertragene Verwendung von sedere beziehen. – Versmaß: Hinkjamben.
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1 f. Queis non … sedebit … (Et queis sedebit?)] Die auffällige Junktur von unpersönlichem sedere mit Dativ, die archaische Form queis (für quibus) und die variierende Wiederaufnahme des Relativsatzes als Frage geben dem Text ein manieriertes Gepräge. 1 ] Die Vokabel ist ein von Cicero, Briefe an Atticus 2,14,1 gebildeter und nur an dieser Stelle nachzuweisender Neologismus: Ego autem usque eo sum enervatus ut hoc otio quo nunc tabescimus malim quam cum optima spe dimicare. In dem Brief aus dem Jahr 59 v. Chr. geht es um innenpolitische Spannungen während des Triumvirats zwischen Caesar, Pompeius und Crassus. Ein Bezug zu denkbaren Situationen der 1630er Jahre ist schwerlich herzustellen. Es ist auch keineswegs sicher, dass Opitz die ausgefallene Vokabel aus eigener Cicero-Lektüre kannte. Auch im Briefwechsel zwischen Tscherning und Opitz begegnen übrigens mehrfach seltene Wörter und Junkturen, so etwa ein Zitat aus einem weiteren Atticus-Brief (Conermann/Bollbuck, S. 1275, Anm. 15). [R.S.]
Libertas animi Eintrag in ein Stammbuch Nicht bei Dünnhaupt. – Überliefert in alten Handschriften: STB-PK Berlin: Dep. Breslau 17 (ehemals StB Breslau: Hs. R 402), S. 802, sowie UB Breslau: Akc. 1949/713 (ehemals StB Breslau: Hs. Klose 175). Unsere Wiedergabe erfolgt nach der erstgenannten Abschrift. Durch den Titel ist das vierzeilige Epigramm als Stammbucheintrag ausgewiesen, Conermann/Bollbuck drucken es allerdings nicht ab. Solange das Album, in dem das Gedicht steht, nicht aufgefunden wird, erübrigen sich Spekulationen über die Zueignung der Verse und den möglichen Kontext. Die auf Opitzens Leitphilosophie, den Neostoizismus, gründende Mahnung könnte an einen jungen Adligen gerichtet sein, der vor dem Mißbrauch kontingenter Güter wie Reichtum und Macht gewarnt wird. Bildlich wird das Ideal stoischer Selbstgenügsamkeit durch den Gegensatz von Freiheit (Libertas … sibi vivit) und Gefangenschaft (subdita claustris … serva) illustriert, vgl. auch die Rahmenstellung von Libertas und serva. Gedanklich folgt der Text u. a. dem fünften und sechsten ‚Paradox‘ der Stoiker; vgl. Cicero, Paradoxa Stoicorum 33: solum sapientem esse liberum, et omnem stultum servum; ebd. 42: solum sapientem esse divitem. – Versmaß: elegische Distichen. [R.S.]
Dum patriam Musae Epigramm unter einem Porträt Johannes Heermanns Dünnhaupt, Nr. 126; – L ABORUM SACRORUM | C ONTINUATIO | Geistlicher KirchenArbeit | Fortstellung. | Da‚ ist | Ferner Erklärung der Son=|tag‚ Euangelien Darin=|nen auff
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ein Jede‚ et=|liche Predigten | gerichtet. | Duch | Johannem Herrmannum | Pfahr zu Köben | an der Oder. | Inn Vorle =|gung David Mül=|ler‚ Buchhändler‚ | Inn Breßlaw | 1631. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 350.1 Theol. 2°), auf einer Seite im An-
schluß an das Titelblatt. Die deutsche und die lateinische Gedichtfassung sind abgedruckt bei Heinrich Schubert: Leben und Schriften Johann Heermanns von Köben. Ein Beitrag zur schlesischen Literaturgeschichte, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 19 (1885), S. 182–236, hier S. 215; die Seite ist wiedergegeben bei: John Roger Paas: Effigies et Poesis. An Illustrated Catalogue of Printed Portraits with Laudatory Verse by German Baroque Poets. Bd. 1. Wiesbaden 1988, S. 375. Bernhard Liess beschreibt in: Johann Heermann (1585–1647): Prediger in Schlesien zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Münster 2003 (= Arbeiten zur Historischen und Systematischen Theologie 4), S. 62 f., die Seite und gibt die beiden Gedichte wieder. Unsere Ausgabe folgt dem Erstdruck. Weitere Fassungen dieses Porträts mit Opitzens Versen sind wiedergegeben in: John Roger Paas: Effigies, wie oben, S. 368–384. Diese unterschiedlichen Versionen gehen darauf zurück, daß es zum einen vor dem Abdruck in Heermanns Laborum Sacrorum Continuatio frühere – fehlerhafte – Stadien gab, die dann korrigiert wurden. Zum anderen wurde Heermanns Porträt samt den Gedichten Opitzens auch in anderen Zusammenhängen verwendet; siehe dazu vor allem John Roger Paas: Opitz in Praise of Johannes Heermann: An Example of the Versatility of Portrait Verse, in: Opitz und seine Welt, S. 413–420. Wie aus Paas, Effigies, deutlich wird, enthalten nicht alle Drucke sowohl die lateinischen als auch die deutschen Verse. Über das Verhältnis des schlesischen Pastors und Dichters Johannes Heermann zu Opitz wie zu anderen literarisch berühmten Leuten seiner Zeit ist kaum etwas bekannt, es läßt sich nur durch die Begleitgedichte zu seinen Werken erschließen; siehe Carl Hitzeroth: Johann Heermann (1585–1647). Ein Beitrag zur Geschichte der geistlichen Lyrik im siebzehnten Jahrhundert. Marburg 1907. Heermann habe aber auch bei ihnen als angesehener Dichter gegolten. Zu bedenken ist vielleicht, dass Opitz seit seinen Studententagen in Heidelberg David von Schweinitz kannte, einen Freund Heermanns und Regierungsrat Herzog Georg Rudolphs in Schlesien zu Liegnitz (s. dazu Conermann/ Bollbuck, S. 1190). Zu Heermanns Leben und Werk siehe des Weiteren: Carl Alfred Zell: Untersuchungen zum Problem der geistlichen Barocklyrik mit besonderer Berücksichtigung der Dichtung Johann Heermanns (1585–1647). Heidelberg 1971; Johann Heermann: Sontags- und Fest-Evangelia durchs gantze Jahr auff bekandte Weisen gesetzt. Neudruck der Ausgabe Leipzig 1636, hrsg. und eingeleitet von Irmgard Scheitler. Frankfurt/Main 1992; Johann Heermann (1585–1647) Zycie ˙ i twórczo´sc´ – Johann Heermann (1585–1647) Leben und Werk. Materiały z sesji naukowej pod redakcj˛a Alojzego Koniora. Leszno 2008. Heermanns Labores Sacri wurden zum ersten Mal im Jahre 1624 veröffentlicht. Bei diesem Werk (drei Teile in einem Band) handelt es sich „um seine erste, alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres umfassende Postille“, so Bernhard Liess, wie oben, S. 59. Eine wesentlich erweiterte Fassung der Sammlung mit Sonntagspredigten erschien 1631 mit der vorliegenden Laborum Sacrorum Continuatio. Der erste Teil des nunmehr zweibändigen
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Werkes behandelt die Zeit vom ersten Advent bis zum Sonntag Exaudi, der zweite die Zeit von Pfingsten bis zum 26. Sonntag nach Trinitatis. Ein dritter Teil folgte 1638/1639 unter dem Titel Laborum Sacrorum Continuatio Festivalis; s. dazu LW 3, S. 578 f. Zu Form und Inhalten von Heermanns Postillen siehe Liess, passim. Paas, Opitz in Praise of Johannes Heermann, S. 417, vermutet, daß Opitz den Auftrag zu den Porträtgedichten direkt von dem Buchdrucker Müller in Breslau erhalten und die Verse wohl nach der Rückkehr von seiner Frankreichreise gegen Ende des Jahres 1630 verfaßt habe. Zur gleichen Zeit müsse Müller auch den bekannten Augsburger Kupferstecher Lukas Kilian (1579–1637) mit Heermanns Porträt beauftragt haben. Eine spätere Verbindung zwischen diesen dreien besteht darin, daß sich in dem umfangreichen Druck, den Heermann zu Ehren des verstorbenen Buchdruckers Müller herausgab (Die allerbeste vnd schöneste | Trost= vnd Ehren =Schrifft/ welche alle Schrifft in allen Büchern | aller Buchladen weit vbertrifft ; gedruckt 1636 bei Henning Köler in Leipzig), natürlich auch ein deutsches Gedicht Opitzens befindet („Martin Opitz | Auff | Herrn David Müller‚/ seligen Abschied“; fol. Gr – G iijr). Das lateinische Gedicht Opitzens unter dem Kupferstichporträt Johannes Heermanns ist auf einer Seite im Anschluß an das Titelblatt des ersten Bandes der Laborum Sacrorum Continuatio abgedruckt. Über dem von einem Parallelschraffur-Rechteck umgebenen Porträt ist als Überschrift zu lesen: „Eigendtlich Bildtnuß. | De‚ Ehrwürdigen vnnd Wolgelehr=|ten Herrn Johann : Heermanni P.L.C. Pfarrn zu | Köben/ an der Oder/ seine‚ Alter‚ 45. Jahr.“ Heermann ist wiedergegeben als Halbfigur nach links. Er legt seine beiden Hände auf eine Brüstung, in die sein Wahlspruch Mihi Omnia Iesus eingeschrieben ist; seine rechte Hand hält ein Buch. Das Porträt wird umrahmt von einem ovalen Band mit der Inschrift IOHANNES HEERMANNUS, RAUTENAS SIL. P. L. C. ECCLES. KOEBENIANAE PASTOR: AETAT. XLV. ANN. MDCXXXI. Unter Opitzens Gedicht findet sich links von dessen Unterschrift Mart. Opitius noch der Vermerk des Stechers Lucas Kilian sculps: A°. 1631. Während das Porträt und das lateinische Gedicht optisch eine Einheit bilden, ist Opitzens eigene deutsche Übertragung separiert darunter gestellt. Diese deutsche Übersetzung ist abgedruckt in Deütsche Poemata (1641), S. 668; vgl. Conermann/Bollbuck, S. 1510. Auf der nächsten Seite folgt ein deutsches Gedicht („Auff Herrn Johann Heermann‚ berühmb =|te Postill “), das mit „M. B. V. O.“ unterzeichnet ist und – berücksichtigt man die Buchstabenumstellung – von „Martin Opitz von Boberfeld“ stammt. In diesem beschreibt der Sprecher, wie die Vorstadt Leipzigs durch den Krieg ein Raub der Flammen geworden sei, ein neu gedrucktes Buch Heermanns den Brand aber unversehrt überstanden habe; siehe auch Liess, wie oben, S. 62 f. Heermanns Labores Sacri erlebten etliche weitere Auflagen (vgl. Dünnhaupt, Bd. 2, S. 2054–2056). Die drei Gedichte Opitzens finden sich auch in der Ausgabe Lübeck 1636. In Laborum Sacrorum Continuatio Festivalis von 1638 wurden auf der Rückseite des Titelblattes unter dem Porträt Heermanns und dem lateinischen Gedicht Opitzens nicht dessen deutsche Verse, sondern ein Gedicht Colers abgedruckt („Die Lehr vnd LebenßArt den GOttßGelehrten macht | Herr Heermann der hier steht/ hat beydes stets bedacht | Wie Er in Lehr vnd Thun/ ein Werckzeug sey gewesen | Das wird in dieser Schrifft die NachWelt ewig lesen.“). Neu hinzugekommen ist nun ein lateinisches Geleitgedicht Opitzens, das unter
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die Texte anderer Beiträger eingereiht ist (siehe dazu den Kommentar zu QV os aevi dederas; LW 3, S. 578). Nach Liess, wie oben, S. 64, läßt ein Vergleich der vorangestellten Widmungsverse und Begleitgedichte in den verschiedenen Ausgaben Heermanns zunehmende Beachtung erkennen, da als Beiträger nun weitaus bekanntere und bedeutendere Persönlichkeiten erscheinen. Des weiteren erfolgte ein Abdruck auf der Rückseite des Titelblattes (nur mit Opitzens lateinischem Gedicht) in einer Ausgabe der Continuatio Festivalis von 1641 (Paas, Effigies, S. 378 f.). Porträt und lateinisches Epigramm erscheinen darüber hinaus als Frontispiz von Heermanns Erneuerte[r] und gecorrigierte[r] Sonn- und Fest-Tägliche[r] Spruch-Postill (Nürnberg, nach 1652), das Porträt selbst stammt allerdings von einem anderen, nicht genannten Künstler; siehe dazu die Erläuterungen, da ein Abzug in der dortigen Bibliothek zu finden ist, im Katalog der graphischen Porträts in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel 1500–1850, bearbeitet von Peter Mortzfeld. München 1986 ff., hier Bd. 32, S. 86, mit Wiedergabe des Porträts ebd., Bd. 10, S. 251; sowie Paas, Effigies, S. 382 f. Des weiteren führt Paas einige separate Blätter auf, die unter dem Porträt Heermanns ebenfalls jeweils nur das lateinische Gedicht enthalten. Auch Mortzfeld, ebd., erwähnt ein weiteres Porträt Heermanns mit dem lateinischen Gedicht Opitzens. Das nicht datierte Porträt hält sich eng an den Kupferstich von Kilian, im Gedicht Opitzens findet sich der Druckfehler Heerrmannus. Zu beachten sind weitere Porträts Heermanns im Digitalen Portraitindex der druckgraphischen Bildnisse der Frühen Neuzeit (http://www.portrait index.de). Wie auch in dem Geleitgedicht zu Heermanns Schließ-Glöcklein von 1632 (siehe dazu den Kommentar zu CA RMINA perrumpunt animos; LW 3, S. 346) betont der Sprecher in den beiden Epigrammen unter Heermanns Porträt dessen doppelte Rolle als Poet und Geistlicher: Dieser könne – unter den gegebenen Verhältnissen wohl als einziger – die prägnant in Vers 1 formulierte Flucht der Musen und damit des kulturellen Lebens und gleichzeitig das Entschwinden der Frömmigkeit aufhalten. Augenfällig wird dies demonstriert durch den betont an den Anfang von V. 2 gesetzten Namen Heermanns. Es gibt allerdings Unterschiede bei dieser Flucht: Während die Musen „nur“ aus dem Vaterland („unserem Land“) flüchten (und somit auch anderswo Zu-Flucht finden könnten), ist diese Flucht in bezug auf die pietas für die gesamte Welt zu konstatieren (und damit für alle Religionen bzw. Konfessionen). Sollte aber Heermann als Person diese nicht aufhalten können, so wären sie doch beide zusammen durch seine Schriften unvergänglich. – Versmaß: elegische Distichen. 1 pietas dum deserit orbem] In Anlehnung an die antike Göttin Astraea, Personifikation der Gerechtigkeit: Sie verläßt die Erde, als im ‚Eisernen Zeitalter‘ Krieg, Gewalt und Besitzgier wüten (vgl. Ovid, Metamorphosen 1,149 f.: victa iacet pietas, et virgo caede madentis, / ultima calestum, terras Astraea reliquit). Diese Vorstellung wird hier auf die pietas übertragen. 2 docta … manu] Heermann als poeta doctus. 3 Hîc quem, Lector habes] Bezug darauf, daß es sich hier um die Unterschrift unter ein Porträt handelt.
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4] Vgl. die letzten Verse in dem erwähnten Begleitgedicht (Auff Herrn Johann Heermann‚ berühmb =|te Postill): „… Herr Herrmann [sic!]/ ewre Sachen/ | Die vns in Glück vnd Noth zu guten Christen machen/ | die viel begehrte Schrifft/ das Jahrbuch Trostes voll | Gläubt nicht daß es den Rost der Jahre fühlen soll. | Das Werck so vnverletzt im Fewer können stehen/ | Wird auch durch keine Zeit noch Alter nicht vergehen.“ [V.M.]
ORATIO FUNEBRIS … B ARBARAE A GNETIS … Ducis Silesiae Lignicensis ac Bregensis Leichenrede auf Barbara Agnes, Gemahlin Hans Ulrichs von Schaffgotsch Dünnhaupt, Nr. 129.1; – ORATIO FU=|NEBRIS, | Honori et Memoriae | CELSISSIMAE PRINCIPIS | B ARBARAE A GNETIS | Ducis Silesiae Lignicensis | ac Bregensis, Conjugis Schaff-|Gotschianae, etc. | AD ILLUSTRISSIMUM EJUS | MARITUM. | Auctore | M ARTINO O PITIO. | V RATISLAVIAE , ex Officina Georgij Baumanni. | Ann. M . DC XXXI . (UB Breslau: 363587). Unsere Wiedergabe erfolgt nach dem Erstdruck. Neben diesem Erstdruck ist Opitzens Text außerdem überliefert in: Oratio Funebris Honori et Memoriae Celsissimae Principis Barbarae Agnetis Ducis Silesiae Lignicensis ac Bregensis, Conjugis Schaff-Gotschianae … ad … ejus maritum / Auctore Martino Opitio. Ann. MDCXXXI. Posteà verò qvam … Agnes … Baronium Rackenitziorum prosapia oriunda … Comitis Ac Herois Dn. Christophori Leopoldi Schaffgotsch … Conjunx Desideratissima, Vratislaviae VI. Id. Februarii … feliciter excessit … denuo edita officio et aere Christiani Exneri. Laubae: exscribebat Johann Gottfried Dehne. Anno 1693 (vgl. Dünnhaupt, Nr. 129.2, S. 3052). Die betrauerte Barbara Agnes entstammte der schlesischen Linie des Herrschergeschlechtes der Piasten. Sie war die Tochter des Herzogs Joachim Friedrich von Liegnitz-BriegWohlau und der Prinzessin Anna Maria von Anhalt-Zerbst und seit dem 18. Oktober 1620 verheiratet mit Johann (Hans) Ulrich, Freiherrn von Schaffgotsch. Aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor, eine Tochter namens Anna Elisabeth (1622–1650) und fünf Söhne, von denen drei das Kindesalter überlebten: Christoph Leopold (1623–1703), Johann Ulrich (1624–1660) und Gotthard Franz (1629–1668). 1631 waren fünf von ihnen am Leben (fol. B2v). Barbara Agnes starb am 24. Juli 1631 und wurde am 2. Oktober 1631 in Greifenberg beigesetzt; vgl. Zedler, Bd. 34, Sp. 791 f.; DBA I 1087, S. 255–266. Hans Ulrich von Schaffgotsch, geboren am 28. August 1595, gestorben 23. Juli 1635, Angehöriger eines der reichsten und bekanntesten Adelsgeschlechter Schlesiens, hatte als Protestant Partei für den Winterkönig Friedrich V. genommen, kämpfte bis zur Niederlage am Weißen Berg auf der Seite der Protestantischen Union, konnte aber die Achterklärung durch einen Treueeid auf Kaiser Ferdinand II. abwehren. Schaffgottschs Wechsel auf die Seite des Kaisers wurde mit Würden belohnt. So wurde ihm vom Kaiser der Ehrentitel „Semperfrei“ zusammen mit dem Prädikat „Hochwohlgeboren“ am 4. Dezember 1627 während der Feierlichkeiten anläßlich der Krönung Ferdinands III. zum böhmischen König verliehen. Unter Wallenstein diente er dem Kaiser als General, wurde jedoch 1633/34 in die Ereignisse um die Absetzung und Ermordung Wallensteins hineingezogen, wegen
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Verrats verurteilt und hingerichtet. – Zu Schaffgotsch vgl. Julius Krebs: Ulrich Freiherr von Schaffgotsch, ein Lebensbild aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Mit einer Nachbildung des Ersten Pilsener Schlusses. Breslau 1890; Willy Klawitter: Hans Ulrich Freiherr von Schaffgotsch, in: Schlesische Lebensbilder, Bd. 3: Schlesier des 17. bis 19. Jahrhunderts. Breslau 1928, S. 27–36. Bereits 1624 hatte Opitz in Schaffgotschs Residenz in Warmbrunn bei Hirschberg auf dessen Wunsch und den seines Schwagers, des Herzogs Georg Rudolf zu Liegnitz (s. u.), einen Nekrolog auf Siegfried von Promnitz, einen Onkel Schaffgotschs, verfaßt (dazu siehe den Kommentar zu Opitzens Vita Seyfridi Promnicii, LW 2, S. 255–282). Im Jahr 1631, als er die vorliegende Rede schrieb und hielt, stand er in Diensten des Präsidenten der kaiserlichen (Finanz-)Kammer in Breslau, Karl Hannibal Graf von Dohna, der die Rekatholisierung Schlesiens betrieb. Opitz hat die vorliegende Rede, wie alle seine Nekrologe, ganz nach den Regeln enkomiastischer Rhetorik komponiert. Einleitend rechtfertigt er seine Lobschrift, die freilich keinen wirklichen Trost bringen könne, als integralen Bestandteil des Trauerritus. Es folgen die klassischen Teile Klage, Lob und Trost, allerdings wird die Klage in einer praeteritio kurz abgehandelt. Breiten Raum erhält das Lob, das konventionell nach der Heimat, nach Abstammung und Familie sowie nach einem systematischen Tugendkatalog gespendet wird. Außergewöhnlich ist hier wiederum das Lob der Heimat, des vom Krieg geschundenen Schlesien, in der praeteritio, dessen außerordentliche Robustheit trotz der allgemeinen Zerstörung hervorgehoben wird. Auch die laudatio der Abstammung aus dem bedeutenden Piastengeschlecht hätte sicherlich ausführlicher ausfallen können, doch Opitz beschränkt sich auf eine eklektische Nennung des Begründers des Geschlechtes aus dem 9. Jahrhundert, der hl. Hedwig (und damit der Landespatronin) und ihres Sohnes Heinrich II. aus dem 13. Jahrhundert sowie des direkten Vorfahren, des Vaters der Verstorbenen. Auch ihre für Opitzens Fortkommen so wichtigen Brüder werden – zur Vermeidung des Schmeicheleivorwurfs – nur in der praeteritio benannt. Der Tugendkatalog umfaßt pietas, humanitas, comitas, humilitas, modestia, librorum amor, magnanimitas, constantia und patientia. Auffällig ist, wie sich weibliche Tugenden – Opitz zeichnet die Piastin als fürsorgliche Ehefrau, Kindes- und Landesmutter, macht sie durch einige religiös aufgeladene Periphrasen (z. B. fol. A2v: virtutum domicilium, s. u.) gewissermaßen zu einer marianischen Gestalt – mit männlichen Tugenden verschränken. Denn obwohl Opitz wie auch an anderer Stelle (vgl. den Nekrolog für die Prinzessin Anna Wasa, 1636: O virilem in tam tenero corpore animum) die Fähigkeit der Frau zur Tugend einschränkt (fol. B1r : quae [sc. magnanimitas/ constantia] cum genio sexus haud frequenter adhaereat; fol. B1v: in quantum patitur sexus), beschwört er Barbara Agnes’ männlichen Geist in ihrem weiblichen Körper (fol. B3v: illum in corpore muliebri, venusto eo ac delicato, virilem animum). Quelle dieser weiblichen Virilität ist freilich das Vorbild des Ehemannes. Gerade die typisch (neo-)stoische Tugend der constantia, die sich im Sterben der Frau manifestiert, findet ihre Parallele in der constantia des Mannes. Diese Parallele zwischen männlicher und weiblicher Tugend wird nicht zuletzt greifbar in der militärischen Sprache, mit der ihr Tod als Eroberung der Himmelsburg geschildert wird, somit in Analogie zur militärischen Tätigkeit des Mannes. Besonders herausgestrichen wird die umfassende Bildung der Barbara Agnes. Den umfangreichsten Teil bildet jedoch die Tröstung, die nach einer detaillierten Benennung der Trauernden
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(Ehemann, Kinder, Untertanen, darunter besonders die Gebildeten) der Trauer ein Maß gibt, Trostgründe nennt und in einer Seligpreisung der Verstorbenen gipfelt. Einige Anklänge an Senecas Trostschriften unterstreichen den neostoizistischen Tenor der Rede. Sie wurde noch im Todesjahr als durchaus prächtiger Einzeldruck im Folioformat mit Zierleisten und in einer großen Type in der Breslauer Offizin von Georg Baumann, der eine Reihe von Opitzens Schriften druckte, publiziert. Eine ausführliche, vor allem auf die rhetorische Faktur der Rede fokussierte interpretierende Darstellung der Trauerrede auf Barbara Agnes bietet Dreyfürst, S. 59–80. 10 leviore medicina] Vgl. Seneca, Trostschrift an Marcia 1,8: leviore/leniore (beide Varianten sind überliefert) medicina. 22 virtutum domicilium] Vgl. Ad nonam 1 f.: Tu castitatis lilium, | virtutum domicilium, in: Guido Maria Dreves (Hg.): Pia dictamina. Reimgebete und Leselieder des Mittelalters, Leipzig 1898 (= Analecta Hymnica Medii Aevi 29), S. 127. Derartige metaphorische Periphrasen sind durchaus zeittypisch (vgl. z. B. Krebs, s. o., S. 5: „Blüte des weiblichen Geschlechts, Spiegel aller mütterlichen Tugenden“ für Leonore von Promnitz). In der Dichtung werden sie für weiblichen Schönheitspreis eingesetzt (vgl. z. B. Paul Fleming, Suavium 31). 22 nobilissimum animal] Vgl. Dante, De vulgari eloquentia 5,1. 32 f. post stationes militum perpetuas … commeatus] 1626 war Graf Ernst von Mansfeld in Schlesien einmarschiert, daraufhin kaiserliche Truppen unter Wallenstein, die 1627 Winterquartier bezogen, was zu einer Erschöpfung des Landes führte. Wallenstein soll bei dieser Gelegenheit brutal mit den Piastenherzögen verfahren sein. 33 post partium sive studia sive errorem] Anspielung auf die Wahl Friedrichs von der Pfalz zum böhmischen König und den Widerstand böhmischer Fürsten gegen Kaiser Ferdinand II. 33 f. post … monetariorum fraudes et nequitiam] Anspielung auf das böhmische Münzkonsortium, an dem u. a. Wallenstein beteiligt war und das gegen Zahlung von 6 Mio. Gulden an den Kaiser für ein Jahr (ab 1. Februar 1622) das Münzprägerecht in Böhmen, Mähren und Niederösterreich erhielt. Sowohl durch die Erhöhung der Silberproduktion und das Einschmelzen von Bruchsilber als auch durch die Verringerung des Silbergehaltes der Münzen lösten die Münzpächter eine Inflation aus, machten aber ihrerseits Gewinne, zumal sie auch ein Monopol auf den Ankauf von Silber erhielten. Opitz verschweigt, daß auch der Kaiser von den Manipulationen profitierte. Vgl. auch Ritter, Bd. 3, S. 203 ff. 34 f. post solicitatas … rationes] Nach der Niederlage am Weißen Berg bei Prag mußten die Schlesier nicht nur Kaiser Ferdinand II. als ihren rechtmäßigen Herrn anerkennen, sondern auch eine Buße bezahlen, die Teilnehmer am böhmischen Aufstand wurden verbannt, ihre Güter konfisziert. 41 Magnum Piastum] Piast (gestorben um 890), ursprünglich ein einfacher Bauer oder Handwerker, 830, 843 oder 870 zum polnischen Herzog gewählt, soll zur Erstarkung des polnischen Reiches wesentlich beigetragen haben. Von ihm leiten sich die beiden Linien, die polnische und die schlesische, der Piastenherzöge her. Der Ursprung des Piastengeschlechtes und die Überlieferung vom Bauern Piast sind freilich stark mythogra-
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phisch überformt; vgl. Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter. München 2011, S. 12 f. 45 Diva Hedvvige] Hedwig, Gemahlin Herzog Heinrichs I. (gestorben 1238) und spätere Landespatronin Schlesiens. 47 Henricum] Heinrich II., Sohn Heinrichs I. (s. o.), gefallen 1241 in der Schlacht bei Liegnitz gegen die Mongolen. 49 quamvis] qnamvis in beiden Drucken ist ein offensichtlicher Druckfehler (Fliegenkopf). 51 f. socer tuus] Joachim Friedrich, Herzog von Brieg-Liegnitz 1592–1602 (s. o.). 55 Illa sidera patriae serenissima] Vgl. die Anrede O Clara divae stella Silesiae an Herzog Georg Rudolf in V. 1 von Opitzens Gedicht anläßlich des Todes von dessen Gemahlin Sophie Elisabeth (LW 1, S. 236). 56 Johannem Christianum] Johann Christian, Herzog von Brieg, geboren am 28. August 1591, gestorben am 25. Dezember 1639, Oberlandeshauptmann von Schlesien 1617–1621. Er stand auf Seiten der protestantischen Fürsten und des Winterkönigs und wurde nach der Niederlage am Weißen Berg gezwungen, sein Amt als Oberlandeshauptmann an seinen weniger belasteten Bruder abzugeben. 56 Georgium Rudolphum] Georg Rudolf, Herzog von Liegnitz-Wohlau, geboren am 22. Januar 1595, gestorben 14. 1. 1653, Oberlandeshauptmann von Schlesien 1621–28. Er gab diese Würde auf, da er sich nicht zum ausführenden Organ der Gegenreformation in Schlesien machen lassen wollte. Opitz war von den Herzögen Johann Christian und Georg Rudolf zum fürstlichen Rat ernannt worden, allerdings hatte diese Ernennung nur titularische Bedeutung; siehe Garber (1984), S. 1984. Doch zu Anfang des Jahres 1625 hatte Opitz die Gelegenheit, an einer Gesandtschaft der schlesischen Fürsten und Stände nach Wien teilzunehmen. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm vom Kaiser die Würde eines poeta laureatus verliehen. 62 Et unde … ordiar] Topos von der Menge der zu lobenden Tugenden. Vgl. Cicero, De lege Manilia 3; Plinius, Panegyricus auf Trajan 56,2. 73 Hanc porrò modestiam …] Zur bescheidenen Kleidung einer Fürstin vgl. Plinius, Panegyricus auf Trajan 83,7. 85 traxerat] Evidente Korrektur des Zweitdruckes gegenüber taxerat des Erstdruckes. 85 f. sive ex te potius didicerat] Zum Vorbild des Fürsten für seine Gattin vgl. Plinius, Panegyricus auf Trajan 83,8. 88 cepit] Zeittypische Schreibung für coepit. 89 difficillimis] Korrektur des offensichtlichen Druckfehlers difficilimis. 102 Cum] Korrektur des offensichtlichen Druckfehlers Cnm 107 arcis illius editissimae] Gemeint ist die Himmelsburg. 107 exspiraret] Korrektur der gedruckten Form expiraret.
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130 anima beatissima] Vgl. Nr. 106: De sancto Agilolpho 6b, in: Clemens Blume (Hg.): Sequentiae ineditae. Liturgische Prosen des Mittelalters aus Handschriften und Frühdrukken, 5. Folge, Leipzig 1901 (= Analecta Hymnica Medii Aevi 37), S. 99. 135–140 Si quis … nudati] Topos von der Trauer der Natur beim Tod eines Menschen, vgl. z. B. Theokrit, Idylle 1,71–75. 147 Quis … luctui] Vgl. Vergil, Ekloge 2,68: Quis enim modus adsit amori?; Seneca, Trostschrift an Marcia 1,6: Quis enim erit finis? 151 dolere] Evidente Korrektur des Zweitdruckes gegenüber dem grammatikalisch unmöglichen dolore des Erstdruckes. 154 f. errantem deficientis spiritum legere] Vgl. Cicero, In Verrem 2,5,118: postremum spiritum ore excipere; Vergil, Aeneis 4,684 f.: extremus si quis super halitus errat, ore legam; Seneca, Trostschrift an Marcia 3,2: ultima … oscula … haurire. In der Antike bestand die Sitte, einen vertrauten Menschen im Sterben zu küssen. Solch ein Kuß bedeutete Abschied und Trost. Er erklärt sich möglicherweise als Versuch einer Wiederbelebung; vgl. RAC 22, Sp. 556 f. 158–162 Huic … cogitabis] Zum Topos, daß Zeit die Trauer lindert, vgl. Seneca, Trostschrift an Marcia 1,6. 168 Platonem] Platon, bedeutender griechischer Philosoph 427–348/47 v. Chr.; Opitz spielt hier auf einen Passus in Platons staatsphilosophischer Schrift Politeia an, wo dieser innerhalb eines ausführlich angelegten Unterweltsmythos die „Spindel der Notwendigkeit“ beschreibt (Platon, Staat 616b1–617d1). 176 vectigal] Evidente Korrektur des Zweitdruckes gegenüber victigal des Erstdruckes. 181 necant] Evidente Korrektur des Zweitdruckes gegenüber dem formal unmöglichen necunt des Erstdruckes. 181–187 Quid … cogitant] Zum Motiv des totengleichen Lebens derer, die dem körperlichen Vergnügen ergeben sind, vgl. Sallust, Über die Verschwörung des Catilina 2,8. 187 quos] Korrektur des offensichtlichen Druckfehlers qnos. 190 Bias] Bias von Priene lebte im 6. Jh. v. Chr. und gilt als einer der Sieben Weisen. Ihm werden zahlreiche Aussprüche zugeschrieben. Vgl. vor allem Plutarchs Gastmahl der Sieben Weisen (Moralia 146–164) und Diogenes Laertios’ Leben und Ansichten bedeutender Philosophen in 10 Büchern, hier 1,82–88. 192 f. quod … ignorent] Vgl. Seneca, Trostschrift an Marcia 10,6: Alios per incerta nudos maria iactabit et luctatos cum fluctibus ne in harenam quidem aut litus explodet, sed in alicuius immensae ventrem beluae decondet [sc. fortuna]. 205 Pythagorae] Pythagoras, griechischer Philosoph, ca. 570–500 v. Chr.; ihm wird die Lehre von der Seelenwanderung zugeschrieben. 205 Zamolxidis] Nach einer Erklärung ist Zamolxis ein Gott der thrakischen Geten, auf den sie ihren Unsterblichkeitsglauben gründen, nach der anderen – rationalistischen, der sich Opitz anscheinend anschließt – ein thrakischer Sklave des Pythagoras, der seine
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Landsleute nach seiner Freilassung von dem Glauben an die Unsterblichkeit überzeugt habe, indem er sich für drei Jahre in einem unterirdischen Gemach verborgen habe und danach wieder erschienen sei (Herodot, Historien 4,94 f.). 205 Dacos] Die Daker waren ein nordthrakischer Volksstamm, der das Gebiet nördlich der unteren Donau, vor allem Siebenbürgen, besiedelte; sie wurden vom römischen Kaiser Trajan in zwei Kriegen (101/02, 105/06 n. Chr.) unterworfen. 206 in columna Trajana] Auf der Trajanssäule, einer Gedenksäule aus Marmor, die 113 n. Chr. auf dem Trajansforum in Rom errichtet wurde, ist auf einem Reliefband, das die Säule spiralförmig umzieht, die Eroberung Dakiens durch Trajan dargestellt. 210 Carthaginem] Karthago, mächtige antike Stadt im Gebiet des heutigen Tunesien mit ausgedehntem Machtbereich im westlichen Mittelmeerraum, 146 v. Chr. von den Römern zerstört. 210 Hierosolymas] Jerusalem wurde 70 n. Chr. unter Titus, dem späteren Kaiser, von den Römern zerstört. Vgl. DNP 5, Sp. 908. 210 f. Romae cadaver] Die Metapher kann als Bezeichnung für den Niedergang Roms in der Spätantike gelesen werden (Plünderung durch Goten und Vandalen) oder auch für den Sacco di Roma 1527. 216 Santonum] Bei den Santonen handelt es sich um einen keltischen Volksstamm im Südwesten Galliens (im heutigen Saintonge), der zum Beispiel von Caesar in seinem Bellum Gallicum erwähnt wird; siehe dazu unter dem Lemma Santoni DNP 11, Sp. 42. 216 Rupellae] La Rochelle an der französischen Atlantikküste, einer der Hauptstützpunkte der Hugenotten, wurde nach hartnäckiger Belagerung unter Richelieu (18. August 1627 bis 28. Oktober 1628) eingenommen. 217 Silva Ducis] Herzogenbusch oder ’s-Hertogenbosch in der heutigen Provinz Nordbrabant (Niederlande) war nach Brabant hin ausgerichtet und wurde 1625 von Friedrich von Oranien erobert. 217 Breda] Breda in Nordbrabant wechselte im Achtzigjährigen Krieg (1568–1648) mehrmals den Besitzer; 1625 wurde es von Spanien eingenommen. 218 Mantua] Mantua in Norditalien wurde im Mantuanischen Erbfolgekrieg (1627–1631) von kaiserlichen Truppen erobert (1630) und drei Tage lang geplündert. 219 f. Saxonum … coloniam] Magdeburg, das nach der Eroberung durch kaiserliche Truppen unter Tilly (10. Mai 1631) fast völlig niederbrannte; siehe dazu auch Opitzens Epigramme auf die Zerstörung Magdeburgs (Illa diu Virgo) in LW 2, S. 130–132 und 433–435. 225 exemplum fragilitatis humanae] Vgl. Iustinus, Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi 17,2,3: … ignarus [sc. Seleucus] … fragilitatis humanae se ipsum exemplum futurum. 236 Hylas] Gestalt des griechischen Mythos, Liebling des Herakles. Auf der Argonautenfahrt wird Hylas beim Wasserholen von Nymphen geraubt. Während Herakles den Hylas sucht, fahren die Argonauten ab, ohne den Verlust ihrer Gefährten zu bemerken. Hera-
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kles verpflichtet die Myser durch Geiseln zur Suche nach Hylas. Daher ist 6Y („den Hylas rufen“) sprichwörtlich für vergebliches Suchen. 246 internecivis] Konjektur für das nicht belegte internecinis. 247 humana atque divina … miscentur] Vgl. Sallust, Über die Verschwörung des Catilina 12: divina atque humana promiscua. 250 f. quas Politici rationem status praesentis, Christiani neglectum salutis aeternae vocant] Opitz stellt in streng paralleler Formulierung die Staatsräson als Legitimationsprinzip des absolutistischen Fürstenstaates den auf die Rechtfertigung vor Gott zielenden Maximen des Christen gegenüber. Der Begriff der ratio status (ital. ragion di stato) geht über Giovanni Botero (Della ragion di stato, 1589) letztlich auf Machiavellis Traktat Il principe (1513) zurück, in dem die Sorge um den Erhalt des Staatswesens und den Erfolg seiner Funktionsträger erstmals deutlich von der Rückbindung an religiöse und moralische Vorgaben gelöst wird. Die Frage nach der Legitimität weltlicher Herrschaft wurde während der gesamten Frühen Neuzeit stets auch im Kontext religiöser bzw. konfessioneller Leitvorstellungen diskutiert. Vgl. Michael Stolleis: Staat und Staatsräson in der frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts. Frankfurt am Main 1990 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 878). 254 montes Hercinios] In Anlehnung an Hercinia (Hercynia) silva, einen Sammelbegriff zumeist für das deutsche Mittelgebirge, der bereits von Aristoteles bzw. von Caesar und Tacitus benutzt wurde; dazu DNP 5, Sp. 406. Opitz selbst verfaßte 1630 seine Schäfferey Von der Nimfen Hercinie, die er Hans Ulrich von Schaffgotsch widmete und mit der dieser und seine Familie gepriesen werden; vgl. dazu: Martin Opitz: Die Schäfferey von der Nimfen Hercinie. Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1630, hrsg. und eingeleitet von Karl F. Otto. Bern / Frankfurt am Main 1976, sowie GW 4.2, S. 508–578. 256 Rhenus] Im Zuge des pfälzischen Krieges war es den mit dem Kaiser verbündeten spanischen Habsburgern gelungen, ihre Truppen am linken Rheinufer in der Pfalz zu stationieren. 256 Danubius] Die Gebiete der unteren Donau gehörten zum Machtbereich des Osmanischen Reiches. 257 ejus tyranni] Der türkische Sultan Murad IV. 258 Persae] Unter Schah Abbas I., d. Gr. (1588–1629), erlebte Persien eine Blütezeit, griff das Osmanische Reich an und eroberte Bagdad, Mossul und Kerkûk. Erst 1638 konnte der Krieg mit der Rückeroberung Bagdads durch die Türken abgeschlossen werden. 259 f. Dacus … Pannonia] Dacus bezeichnet hier Gábor Bethlen von Iktár, 1580 bis 15. November 1629, Fürst von Siebenbürgen seit 1613, überzeugter Anhänger einer antihabsburgischen Politik. Im Dreißigjährigen Krieg sah er die Chance, von Siebenbürgen aus das unabhängige Königreich Ungarn wiederherzustellen. Als Verbündeter der böhmischen Protestanten fiel er 1619 in Ungarn ein und ließ sich 1620 zum König wählen, verzichtete jedoch 1621 im Frieden von Nicolsburg gegen die Abtretung von sieben oberungarischen Gespannschaften auf den Titel. 1623/24 und 1626 unternahm er zwei erfolglose
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Angriffe auf Kaiser Ferdinand II. und starb während der Vorbereitungen zu einem neuen Feldzug. Opitz hatte eine Totenrede auf dessen 1622 verstorbene Frau Zsuzsanna Károlyi gehalten, die 1624 publiziert wurde (vgl. LW 1, S. 256–267 und 462–474). 260 à Sarmatis] Im schwedisch-polnischen Krieg (1600–1626/60) erhielten die Polen Unterstützung durch kaiserliche Truppen unter der Leitung des Generals Georg von Arnim-Boitzenburg. 260 Hispani] Nach dem Tod Philipps III., der eine Friedenspolitik (Annäherung an England, Waffenstillstand mit den Niederlanden) verfolgt hatte, trat Spanien mit der Thronbesteigung Philipps IV. 1621 in eine neue Phase kriegerischer Machtpolitik ein. Der Friedensvertrag mit den Niederlanden wurde nicht verlängert, spanische Truppen beteiligten sich auf Habsburger Seite am Krieg in Deutschland, man versuchte die spanische Macht in Italien auszubauen. 261 Britanni] Seit 1624 rüstete England zum Krieg gegen Spanien und unternahm auch einige Land- und Seeoperationen in den Niederlanden und gegen Cadiz sowie später gegen Frankreich (1627 als Hilfe für die Hugenotten in La Rochelle). 261 Galli] Die französische Innenpolitik war bestimmt durch die Glaubenskämpfe, die eng verknüpft waren mit dem Widerstand des Adels gegen das Königshaus. Erst Richelieu ist es nach seiner Ernennung zum Ersten Minister des Staatsrates im April 1624 gelungen, diese Kämpfe durch die Beseitigung politischer und militärischer Sonderrechte der Hugenotten und die Entmachtung des Hochadels zu beenden. Außenpolitisch brachte er es lange Zeit zuwege, seine antihabsburgische Politik ohne Rücksicht auf konfessionelle Bindungen durch Intrigen, Defensivbündnisse und finanzielle Unterstützung militärischer Unternehmungen in einem verdeckten Krieg zu verfolgen. So unterstützte er die Graubündner im Kampf um das Veltlin, griff in den Mantuanischen Erbfolgekrieg ein (s. u.), unterstützte die deutsche Fürstenopposition gegen den Kaiser und schloß ein Bündnis mit dem schwedischen König Gustav Adolf. Erst 1635 erklärte Frankreich Spanien offen den Krieg. 261 Galli … conflictus] Vgl. dagegen die Inschrift des äußeren Holstentores in Lübeck (1585): Pulchra res est pax foris et domi concordia. 263 Croatis … ac Hunnis] Die praeteritio kann sowohl auf das Schicksal der von den Türken besetzten Balkanregionen als auch auf die (vor allem kroatischen) Hilfstruppen des kaiserlichen Heeres bezogen werden. 263 Thulen] Der schwedische König Gustav Adolf war am 6. Juli 1630 mit seinem Heer in Pommern gelandet, um in den Krieg einzugreifen. 266 Batavi] Die Niederlande wurden als natürlicher Feind der spanischen Habsburger, die mit den österreichischen aufs engste kooperierten, mit in den Krieg hineingezogen. 1621 lief der zwölfjährige Waffenstillstand mit Spanien aus und wurde nicht erneuert. 267 Cimbrica] Anspielung auf die Besetzung der Ostseeküste und Jütlands durch kaiserliche Truppen, die Christian IV. von Dänemark zum Frieden von Lübeck (22. Mai 1629) zwang.
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267 vallis Telinae fauces] 1620 hatte der Mailänder Gouverneur Feria nach einem Aufstand der Katholiken gegen die Protestanten das Veltlin in den rätischen Alpen mit spanischen Truppen besetzt. 1623 übernahm Papst Gregor XV. die Festungen im Veltlin als Treuhänder, erst 1626 beim Frieden von Monzon kehrte das Gebiet unter die Oberhoheit des überwiegend protestantischen Graubünden zurück. 268 in Italiam] Im Mantuanischen Erbfolgekrieg marschierte ein kaiserliches Heer unter Johann Graf von Aldringen und Rambaldo Graf von Collalto nach Italien und schloß die Stadt Mantua ein (s.o). 268 f. volasse … fecisse] Vgl. Cicero, Philippica 10,11: volasse eum [sc. Antonium], non iter fecisse diceres. 269 f. Imperatoris] Wohl Anspielung auf den kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein. 276 Maecenas] Römischer Ritter (13. April um 70 bis 8 v. Chr.), vertrauter Freund und Helfer des Augustus mit unbestimmbarer Machtposition, Förderer der bedeutendsten augusteischen Dichter (Horaz, Vergil, Properz), Verfasser von Prosa und Dichtung. Opitz zitiert ein Gedichtfragment, das bei Seneca (Epistula 101,11) überliefert ist (frg. 1 bei Paul Lundstedt: De C. Maecenatis Fragmentis, Leipzig 1911, S. 35). 280 Domitius Tullus] Über den krampfhaften Lebenswillen des römischen Patriziers berichtet Plinius d.J., Briefe 8,18,9–10. Opitz zitiert hier die Textpassage bei Plinius beinahe wörtlich. 295 Arcas ille] Sokrates, der berühmter Athener Philosoph (um 470–399 v. Chr.), den Opitz möglicherweise nach Ovid, Fasti 2,289–302, als Arkader bezeichnet, weil die Arkader dort als ältester Volksstamm eingeführt werden, der noch älter ist als Jupiter und der Mond und sich durch eine rauhe und bescheidene Lebensweise auszeichnet sowie durch die Fähigkeit, Strapazen, besonders Unbilden der Witterung, zu ertragen, wie dies Sokrates (vgl. Platon, Symposium 220a6–c3) nachgesagt wurde. Platon läßt Sokrates in seiner Apologie (40e1–41c7) den Richtern gegenüber sagen, daß der Tod für ihn nicht Strafe, sondern Gewinn sei, da er nur eine Auswanderung der Seele in die Unterwelt bedeute, wo diese die wahren Richter (der Unterwelt) Minos, Rhadamanthys, Ajakos und Triptolemos treffen werde, ebenso die Dichter Orpheus, Musaios, Hesiod und Homer sowie die Gestalten des griechischen Mythos Palamedes, Ajax, den Telamonier, Odysseus und Sisyphos. Diese Passage des Platon gibt Cicero im ersten Buch seiner Gespräche in Tusculum, wo er von der Verachtung des Todes handelt, mit geringfügigen Abweichungen im Wortlaut lateinisch wieder (1,98–99). Daß Opitz andere Personen nennt, die Sokrates in der Unterwelt zu treffen hofft, könnte dem Wunsch entspringen, Gelehrsamkeit zu demonstrieren und solche Personen zu nennen, die Barbara Agnes zu treffen gewünscht hätte. Zur Zuversicht, daß die Seele eines Toten in einer besseren Welt, einer Welt der Erkenntnis, weilt, vgl. Seneca, Trostschrift an Marcia 25; Trostschrift an Polybius 9. 296 Hecataeum] Hekataios, Geograph und Historiograph aus dem jonischen Milet, ca. 560–480 v. Chr.; Archeget der griechischen geographisch-historischen Prosatradition.
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296 Olympum] Olympos, berühmter Flötenspieler, der um etwa 700 v. Chr. angesetzt wird. 296 Homerum] Homer, erster namentlich faßbarer und berühmtester Dichter der Griechen, der auf die 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. datiert wird und unter dessen Namen zwei umfangreiche Epen, die Ilias und die Odyssee, überliefert sind. [B.H., D.M.]
PA rva Boleslaviae Epithalamium für Caspar Senftleben und Anna Maria Herrmann Dünnhaupt, Nr. 133; – N UPTIIS | S ENFTLE =| BIO - HERRMANNI -| ANIS | ad | IV. Nonar: Septemb. Vratis-|laviae Silesiorum celebratis. | TYPIS G EORG I B AUMANNI . | Anno M . DC . XXXI . (UB Breslau: 355113), fol. A1v–A2r. Unsere Wiedergabe folgt dem Erstdruck. Nach Reifferscheid, S. 810, gehörte Caspar Senftleben zu derselben bekannten Bunzlauer Familie, der auch Valentin und Andreas Senftleben entstammen; zu Valentin Senftleben siehe auch Opitzens Strenarum libellus von 1616 (unsere Edition, Bd. 1, S. 10–26 sowie S. 282), seine Gedichte zur Amtseinführung von Valentin Senftleben als Bürgermeister (SI posito tua – Aonidum stabili – HIPPONAX. [Ferax Bolesla]; unsere Edition, Bd. 1, S. 54–57), ein deutsches Epithalamium zu dessen zweiter Hochzeit 1624 (So sind denn dieses nun; vgl. GW 2.1, S. 328) und 1617 ein Epicedium (SC ribere qvod valui ). Andreas Senftleben beschreibt in seinem Peplus, fol. B4v, Caspar Senftleben („SanffttLeben“) als JCT us et Practicus Wratislaviensis, geboren in Bunzlau und verstorben im September 1643 in Breslau, und charakterisiert sein Leben mit folgendem Distichon: V I ta quidem dulcis, sed tempus vergit acerbum / Temporis at virtus vincit amaritiem. Für den ausgedehnten Freundes- und Bekanntenkreis Senftlebens legt ein Brief Zeugnis ab, den dieser im Juni 1627 an Matthias Bernegger in Straßburg richtete, nachdem er dort selbst von 1624 an studiert hatte (vgl. Conermann, Fruchtbringende Gesellschaft, Bd. 2, S. 128, mit weiteren Hinweisen zu Senftleben). In jenem Brief erwähnt er zudem einige Werke Opitzens (Conermann/Bollbuck, Bd. 1, S. 538, vgl. den Kommentar S. 539–541): Opitium iam Vratislaviae cum ternis, tuis scilicet, Buchneri et Coleri, expecto litteris, qui redux ex Borussia, quo cum illustri de Dohna nuperrime ivit, cuius ille est domesticus, quotidie speratur, eius poemata et scripta quae inveni, Promnitium scilicet, quem me abeuntem orabas, Daphnidem, Canticum Salomonis et Hoffmanianos Threnos tibi Coleroque nostro, his addidi. Argenidem misissem, sed qui illa suscepit, haec renuit, altera tamen vice, si apud vos emanserit, quod per Colerum certior fieri volo, transmittam. Interea etiam eius Psalterium, Lansii Principatus et Dacia antiqua, ut Müllerus bibliopola refert, expectamus … Vgl. auch folgende Stelle in einem Brief Opitzens an Coler vom 29. Februar 1628 (ebd., S. 601): Sanftlebius certè noster hactenus diu frustraque lapidem omnem mouit, et adhuc mouet. Nach Halsted, S. 65, war Opitzens Freund Buchner befreundet mit „several members of the Breslau and Silesian circle, including Colerus and both Andreas and Caspar Senftleben“. Wie aus Andreas Tschernings Epithalamium in unserem Druck, fol. B1r, V. 17–20, hervorgeht, stammte die Braut wohl aus einem Breslauer Ratsgeschlecht: In portum verè tutum tua vela feruntur, / prodit in amplexûs casta puella tuos. / Et formosa tamen, nec de rudiore catervâ / Ulla, Senatoris stemmate sed genita. (Zu diesen Versen Tschernings vgl. auch Halsted, S. 57).
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Bereits an zweiter Stelle im Hochzeitsdruck nach einem Gedicht von Christoph Freywaldt findet sich das Epithalamium Opitzens. Ihm schließen sich Gedichte von Johannes Kurtzmann, Sebastian Alischer, Elias Senftleben (dem Bruder des Bräutigams), Andreas Scultetus, Andreas Tscherning und Georg Trespius an. Zur diesem Ereignis existiert ein weiterer Druck mit einem Glückwunsch von Christoph Coler; vgl. HPG 10, Abt. II,2, S. 506. Anläßlich der Hochzeit von Christoph Freywaldt mit Anna von Pein 1632 sind sowohl Opitz als auch Senftleben als Beiträger im selben Kasualdruck vertreten; vgl. dazu den Kommentar zu LI bertas tibi. Den historischen Hintergrund des im Text angedeuteten Geschehens stellen die Ereignisse ab dem Jahr 1629 dar: Im Zuge der Gegenreformation war am 20. Januar 1629 eine Abteilung der Lichtensteinschen Dragoner unter der Führung von de Solis in Bunzlau eingedrungen (vgl. Szyrocki, S. 87). Wie in anderen Städten Schlesiens wurden die Bewohner gezwungen, entweder zum Katholizismus zu konvertieren oder Schlesien zu verlassen. Dieses Schicksal traf zum Beispiel auch den Vater von Opitz, der sich daraufhin in einem Bittschreiben an seinen Dienstherrn, den Kammerpräsidenten von Dohna, wandte (vgl. Szyrocki, S. 87; Palm, S. 205). Zur Situation in Bunzlau vgl. den bei Wernicke wiedergegebenen Bericht eines Zeitzeugen, des Bürgermeisters Johann Seiler. Die Handschrift trägt (nach Wernicke, S. 322 f.) den Titel: Abominatio desolationis Boleslaviensis. Greuel der bunzlauischen Verwüstung, welche in Religions= und politischen Sachen, zuwider der Stadt guten … Rechten und … Privilegien, ohne alle vorgehende rechtliche Beschuldigung, Verhör und Urteil, unangekündigt und unbescheinigt der hohen Obrigkeit Willen, über alle Protestation und Appellation, mit Soldaten unbesorgtem Überfall und Gewalt, anno 1629, 1637 und 1642 vorgenommen und ferner durch wenige, alle neukatholische, … meist nicht eingeborene, … fremde, aufgelesene, allein vom katholischen Namen qualifizierte, aufgedrungene Leute, wider die andere ganze Bürgerschaft und der Stadt Unterthanen, mit großem Drangsal und Verfolgung getrieben. Die hier beschriebenen Ereignisse der Jahre 1629–1632 werden bei Wernicke S. 323–337 wiedergegeben. Der inventio des Gedichtes liegen die Themen „Heimat“ bzw. „Heimatlosigkeit“ zugrunde. Bezugs- und Ausgangspunkt ist Bunzlau als Heimatort des Bräutigams wie des Sprechers (nostrae Maenia; V. 1 f.). Auch wenn die Stadtmauern Bunzlaus nicht mit den (sprichwörtlich gewordenen) Mauern Trojas verglichen werden können (V. 3 f.), so ergeben sich doch bezeichnende Gemeinsamkeiten und Unterschiede für beide Städte (V. 3–14). Das Tertium comparationis stellen die ähnlichen fata (V. 4) dar: Das kleine Bunzlau war, im Gegensatz zum gewaltigen, mit Göttern und Helden (V. 5 f.) verbundenen Troja, eine Stätte des Friedens, der Musen, und damit auch der Gelehrsamkeit. So ist es besonders zu beklagen, daß gerade diese Stadt nicht durch die Kriegskünste von Heroen, sondern durch die Verderbnis der Zeit zugrunde gehen mußte (V. 11 f.). Mit der Schilderung des Elends der aus der Stadt vertriebenen Einwohner beginnt ab V. 13 die Schiffahrtsmetaphorik, die die zweite Hälfte des Gedichtes bestimmt. Als ein ruhiger und sicherer Hafen erscheint für Senftleben wie für den Sprecher, die sich nunmehr am selben Ort wiederfinden, Breslau (V. 15 f.). Die eigentliche Zuflucht findet Senftleben jedoch bei seiner Braut (V. 17–22), wobei hier die Schiffahrtsmetaphorik in eine epithalamiumtypische Pointe überführt wird, die auf den erhofften Kindersegen zielt. – Versmaß: elegische Distichen.
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2 libertas quando superstes erat] Dies sind relativ kritische Töne für jemanden wie Opitz, der zum damaligen Zeitpunkt in den Diensten Dohnas (dazu s. v. meae stationis alumna) stand; ähnlich auch V. 12: recti ignaro tempore. Bittere Kritik an den Zeitläuften findet sich darüber hinaus in anderen Gelegenheitsgedichten Opitzens aus diesen Jahren. Daß Bunzlau bereits zuvor in Mitleidenschaft gezogen worden war, zeigt der oben angeführte Brief Senftlebens an Bernegger aus dem Jahre 1627 (wiedergegeben nach Reifferscheid, S. 304): Redi [sic!] tandem, vir clarissime, post varios casus, post varia pericula, quae nobis milites praedones undequaque gentium apparabant, felici sydere pridie Idus Mai in patriam Boleslaviam, impletam Gallis urbem et orbem populantibus. 3 Pierides] Bezeichnung für die Musen nach ihrem Wohnort Pieria, einer Landschaft in Mazedonien. 4 Si licet] Konjektur statt Scilicet im Erstdruck. 5 Priami] König von Troja, unter dessen Regierung es zum Trojanischen Krieg kommt. 6 Hectora] Der trojanische Held Hektor, Sohn des Königs Priamos. Er fällt im Zweikampf mit Achilleus. 6 Neptuni nec fabricata manu es] Nach Homer, Ilias 21,435–457, wurden die Mauern Trojas von Poseidon/Neptun für Laomedon, den Enkel des Stadtgründers, erbaut, der ihm anschließend den ausbedungenen Lohn verweigerte. Damit ist Troja, im Gegensatz zu Bunzlau, an seinem weiteren Schicksal nicht ganz unschuldig. 8 Castaliis limpha rigavit aquis] Bunzlau liegt am Bober. Bereits in einem seiner ersten Sonette preist Opitz mit dem „Queckbrunnen“ eine Quelle in/bei Bunzlau; vgl. Orte und Gedichte, S. 197. 9 f.] Opitz ging bis 1614 in Bunzlau zur Schule. Im Strenarum libellus von 1616, einer Sammlung von Neujahrsgedichten für Bunzlauer Bürger, setzte er nicht nur seinem alten Lehrer Valentin Senftleben, sondern auch der gesamten – vielfach durch gelehrte Schriften ausgewiesenen – Elite seiner Heimatstadt ein ehrendes Denkmal; vgl. den entsprechenden Kommentar (unsere Edition, Bd. 1, S. 282–293. 11 non Ithaci verbis] Odysseus, König von Ithaka, gilt als der Wortgewandte und Listenreiche schlechthin. Dies zeigt sich zum Beispiel im Streit um die Rüstung des Achill, bei dem Ajax unterliegt (vgl. Homer, Odyssee 11,543–547); außerdem soll Odysseus das Troianische Pferd ersonnen haben (ebd., 8,492–495). 13 f.] Die Einwohner der beiden Städte müssen fliehen, wobei die Trojaner (hier ist in erster Linie an Aeneas zu denken) realiter mit Schiffen entkommen, während die Flüchtlinge aus Bunzlau metaphorisch sich wie schlingernde Schiffe den Wogen des Schicksals anvertrauen müssen. 15 meae stationis alumna] Opitz war von 1626 bis 1632 Sekretär des Präsidenten der kaiserlichen Kammer in Schlesien, des Burggrafen Karl Hannibal von Dohna, der auf der Breslauer Burg residierte. Hier hatte Opitz sein „museum“ aufgeschlagen, aus dem er seine Briefe datierte (Palm, S. 202). Über die Atmosphäre in Breslau äußerte er sich wie-
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derholt; vgl. zum Beispiel den Brief an Buchner vom November 1626 (zitiert nach Geiger, 1876b, S. 39): Itaque indultu ejus [Dohna] et sumptibus per aliquot, spero, menses hic commorabor libellisque meis et amicis quos in amplissima hac civitate plurimos habeo tempus transigam, oder in einem Brief Ex Metropoli Vratislaviae an Buchner vom 23. Januar 1627 (ebd., S. 41): Pinguiori otio numquam usus sum et urbis genius ita me cepit, ut avelli facile hinc nolim. 17 Nec septem pluvia lucent urgente sorores] Wohl die Hyaden, ein Sternhaufen im Kopf des Sternbildes Stier (vgl. DNP 5, Sp. 762 f.) oder die ebenfalls mit diesem Sternbild verbundenen Pleiaden (siehe DNP 9, Sp. 1127 f.). Beide werden in der Mythologie meist als sieben Schwestern beschrieben. Hesiod, Werke und Tage 617–622, nennt die Gefahren für die Seefahrt durch die stürmische Winde hervorrufenden Pleiaden. Gerade die Hyaden galten als Sturm- und Regenzeichen; vgl. zum Beispiel Vergil, Aeneis 1,742–744; 3,516; Vergil, Georgica 1,137 f., oder Ovid, Fasten 6,197 f.: Postera lux Hyadas, Taurinae cornua frontis, / evocat, et multa terra madescit aqua. 20 Illa tibi stella est, illa mare, illa ratis] Die Person der Braut umfaßt also gleichsam das ganze Universum der Seefahrt. 21 f.] Wohl der für ein Hochzeitsgedicht obligate „Nachkommenswunsch“ (vgl. dazu Segebrecht, S. 151–156), wobei der Sprecher im vorliegenden Text die Schiffahrtsmetapher weiterführt. 21 Crede animum Ventis] Die Schiffahrtsmetapher verwendet Opitz gerne in Hochzeitsgedichten für gute Freunde, zum Beispiel in einem der beiden Epithalamien für die Hochzeit von Michael Bartsch 1623 (B ARTSCHI (namque tui …); unsere Edition, Bd. 1, S. 242), V. 34–36: I, coeptosque locos capesse, cumque / Te fortasse sinum per hospitalem, / FRATER, vela vehent secunda; oder im Epithalamium für seinen Vetter Caspar Kirchner von 1619 (SC ilicet hoc reliquos; ebd., S. 158–161), V. 7–12. 22 rimis hiscere] Vgl. Ovid, Tristia 5,12,27 f.: vertitur in teneram cariem rimisque dehiscit, / siqua diu solitis cumba vacarit aquis. [V.M.]
DU m nos lubrica temporum malorum Epithalamium für Caspar Sinner und Anna Grun Dünnhaupt, Nr. 134; – Q V od auspicatò fiat! | Solemnibus Nuptiarum gaudiis, | VIRI | Doctiß. Praestantiß. Politiß. | D N. G ASPARIS S INNER | Civis Vratisl. | U. J. Candidati. | Causs. Patroni; | Solertiss. Feliciss. | SPONSI : | Cum Virgine Lectiß. ac Pudiciß. | ANNA : | Optimi atque Integerrimi Viri | D N. T HOMAE Grun/ | Civis ac Zythopolae Vratisl. Laudatiss. | Filiâ dilectissimâ, | SPONSA : | III. Idus Novemb. | Anni M DC XXXI . | celebrandis; | Gratulantur, faustaque ac feli-|cia omnia precantur, | Patroni, | Consangvinei, | Affines, | Amici. | [Chronogramm auf das Jahr 1631] | Vratislaviae, Typis GeorgI Baumanni. (UB Breslau: 355112), fol. B2r–v. Unsere Ausgabe folgt dem Erstdruck.
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Witkowski (1889) druckt drei Briefe aus der Korrespondenz Opitzens mit Sinner ab und bemerkt dazu S. 180, Anm. 2: „Über diesen freund Opitzens ist ausser dem, was aus den hier mitgeteilten briefen … hervorgeht, nur bekant, dass er am 11. november 1631 eine gewisse Anna Grun heiratete. Opitz widmete ihm bei dieser gelegenheit ein lateinisches gedicht“. Die drei Briefe sind bei Conermann/Bollbuck ebenfalls gedruckt und ausführlich kommentiert. Den ersten dieser Briefe richtete Sinner im Frühling 1622 an Opitz (Conermann/Bollbuck, S. 279 f., im Kommentar S. 281 f. Näheres zum Verfasser). Die Äußerungen Sinners, der hier mit Gaspar Sinner. Lubenus, also aus Lauban, unterschreibt und den Briefempfänger mit Doctissimo Dn: Martino Opitio LL. SS. studiosissimo Amico ac fratri carissimo bezeichnet, lassen eine gewisse Vertrautheit und freundschaftliche Verbundenheit erkennen: So spielt er hier auf bestimmte Liebesverhältnisse Opitzens an; vgl. dazu auch Rubensohn (1895), S. 76 f., sowie Rubensohn (1899), S. 24, Anm. 1, außerdem Szyrocki, S. 51, 144, 152. Des weiteren erwähnt Sinner auch sein eigenes (Jura-)Studium. In die Matrikeln der Universität Frankfurt/Oder ist im übrigen ein Casparus Sinnerus Liebena-Silesius 1618 eingetragen; vgl. Friedländer, S. 618a. Auch ein Studium in Wittenberg ab 1620 ist bezeugt. Der Brief Opitzens an Sinner vom 27. Februar 1630 wurde auf dem Weg nach Dresden geschrieben, von wo Opitz über Frankfurt am Main nach Paris zu reisen gedachte (Conermann/Bollbuck, Bd. 2, S. 783). In Frankfurt verfaßt wurde ein weiterer Brief an Sinner vom 29. März 1630 (ebd., S. 790), der ebenfalls über das Verhältnis beider Auskunft gibt: De rebus circa amicos, quos nosti, quid accidat, quid tecum fiat, quae mei mentio sit, quis status patriae, quis religionis, quis Patroni mei, si me certiorem reddideris, magnopere me tibi deuincies. Scito me neminem sodalium aeque desiderare atque iucundißimos tuos fidißimosque sermones, et tu quoque aliqua caussa eris, de reditu paullo citius cogitandi. Interea milliés milliesque vale … . Caspar Sinner ist mehrfach Beiträger in Kasualschriften, so anläßlich der Hochzeit von Christoph Albert und Barbara Alter (1627), zu der Opitz ebenfalls ein Epithalamium (FA c quod, amice, facis) beisteuerte (siehe dazu auch GW 4.1, S. 40). Von Sinner ist darüber hinaus bekannt, daß er 1633 dreißigjährig als „Ciues et Juris Praet. Vrat.“ (Conermann/ Bollbuck, S. 281) in Wohlau starb und in Breslau bestattet wurde. Im vorliegenden Hochzeitsdruck ist unter den etwa 36 Beiträgern Opitz mit seinem Gedicht an 14. Stelle vertreten. Ihm voraus gehen unter anderem Texte von Reinhard Rosa, Zacharias Hermann, David Rhenisch, Caspar Cunrad, Caspar Titz, Bernhard Wilhelm Nüßler, Elias Major. Nach Opitzens Gedicht sind Gedichte von Christoph Schwartzbach, Matthias Machner und Christian Cunrad zu finden. Opitzens Epithalamium besteht inhaltlich aus vier langen Sätzen (und damit Sinneinheiten): Im ersten wird gleichsam die Vorgeschichte der innigen Verbundenheit zwischen dem Sprecher und dem Bräutigam erzählt, die aber zu völlig unterschiedlichen Lebenssituationen geführt habe (V. 1–11). Aus dieser Verbundenheit ergäbe sich die für den Sprecher eigentlich verpflichtende Würdigung des Freundes durch ein Hochzeitscarmen (V. 12–15), die für diesen jedoch aus bestimmten Gründen nicht angemessen möglich sei (V. 16–24). Der ungenügenden Textproduktion steht der Nachkommenswunsch für den Bräutigam gegenüber (V. 25–32). Auch in anderen Gedichten aus dieser Zeit, so in dem ebenfalls 1631 gedruckten Hochzeitsglückwunsch für Joachim Rampusch und Susanna Hermann (QU id mea, Rampuschi ), beschreibt Opitz seine Probleme, den an ihn als Dichter gestellten Erwartungen zu
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genügen. Im Epithalamium für seinen Freund Sinner betont er jedoch nicht nur seine gegenwärtige Erschöpfung, sondern geht auch darauf ein, weshalb er für diesen keine (Gelegenheits-)Dichtung gerade in deutscher Sprache schreibt. Allen diesen Ausführungen zum Trotz ist der vorliegende (lateinische) Text jedoch rhetorisch glänzend geformt: So wird zum Beispiel durch die vielen, meist an den Versanfang gesetzten korrelativen Verbindungen wie tam … quam (V. 14 f.; oder besonders ausgeprägt in V. 20–27, wozu hier noch relativische Satzanschlüsse u. ä. kommen) der Eindruck des Verschachtelten, des Atemlosen, des hastig Aneinandergereihten erweckt, der das Moment des schnellen Niederschreibens (wörtlich in V. 26 mit ocyus) illustriert. – Versmaß: Hendekasyllaben. 1–5] Während der Sprecher aufgrund der unsicheren Zeitläufte davor zurückschreckt, eine feste (Ehe-)Verbindung einzugehen, war im Gegensatz dazu Sinner zu diesem Wagnis bereit, wie das anaphorische tu in V. 5 betont. 1 lubrica temporum malorum] Opitz verwendet lubricus auch in anderen Texten, um die Ungewißheit der (zeitlichen) Situation anzudeuten, vgl. zum Beispiel das Widmungsgedicht (Quae tua me pietas) zu einer Trauerdichtung für Herzog Georg Rudolf anläßlich des Todes von Herzogin Elisabeth Magdalene von Münsterberg-Oels 1630, V. 9 f.: At tibi fortunae, generis spes fida, tot inter / Lubrica, dent niueos astra benigna dies. 2 belli rabies metusque rerum] Mit rabies charakterisiert Opitz nicht selten die Zeitumstände. Vgl. das Widmungsgedicht für Andreas Geisler (SI nostris leviter) von 1625 zum Lobgesang Bacchi, V. 7: Ni moesti rabie vetamur aevi. Die gegenwärtigen Kriegszeiten klingen auch immer wieder in den anderen Gelegenheitsgedichten dieses Hochzeitsdruckes an. 7–13] Die Verse 7–11 heben die enge Verbundenheit des Sprechers und des Bräutigams hervor, aufgrund deren Sinner jetzt auch vom (in seinen Augen arrivierten) Dichter und Freund den schuldigen Beitrag zu seiner Hochzeit einfordern kann (V. 12 f.). 13 Dilecto tibi poscis à Poëta] Vgl. Horaz, Epistel 2,1,247: dilecti tibi Vergilius Variusque poetae 14 f.] Der Sprecher ist jedoch weder weiterhin Dichter noch hat er den – für sein Alter eigentlich gesellschaftlich vorgesehenen – Status Sinners erreicht. 16 Thaliae] Thalia/Thaleia wird von Hesiod unter den Musen, den Nereiden und den Chariten genannt und ist insgesamt dem Bereicht „Fruchtbarkeit“ zuzuordnen; siehe DNP 12/I, Sp. 236. Als Muse fallen in ihren Zuständigkeitsbereicht die Komödie sowie die literarischen Kleinformen, bei Ovid, Tristia 4,10,55 f., steht sie synonym für dessen Liebeselegien: utque ego maiores, sic me coluere minores, / notaque non tarde facta Thalia mea est. 18 mordax calor alitis caballi] Bereits in der antiken Mythologie wird beschrieben, daß die Zähmung des Pegasos, des geflügelten Zauberpferdes, bzw. der Ritt auf ihm mit Schwierigkeiten verbunden ist, so im Zusammenhang mit der Gestalt des Bellerophon; vgl. DNP 12/I; Sp. 472 f. Nach Hesiod, Theogonie, 285 f., wohnt Pegasos im Hause der Zeus und trägt dessen Blitz und Donner. Erst in der frühen Neuzeit wird jedoch der Flug auf dem Pegasus auf den Flug eines Dichters bezogen; vgl. dazu Walther Ludwig: Der Ritt des Dichters auf dem Pegasus und der Kuß der Muse – zwei neuzeitliche Mythologeme,
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in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen/ I. Philologisch-Historische Klasse (1996), S. 57–111. Hier wohl in übertragener Bedeutung: Man kann nur dichten, nur wenn man ‚inspiriert‘ ist. 20–24] Der Sprecher kann für Sinner nicht das von ihm vielleicht erhoffte Gedicht in deutscher Sprache verfassen: Obzwar er einmal der Vorreiter auf diesem Gebiet war, würde dieses Gedicht in der Masse der (deutschen) Texterzeugnisse nun untergehen. 20 f.] Auch in anderen Texten aus dieser Zeit betont Opitz seine Vorreiterrolle für die deutsche Dichtung; vgl. zum Beispiel in dem 1627 veröffentlichten deutschen Carmen Panegyricum auf Karl Hannibal von Dohna, V. 79–81: „Frantzösisch steht dir an | Als wie das Deutsche mir/ dem ich die erste bahn | Zur Poesie gezeigt so nicht bald ein wirdt gehen.“ (GW 4.1, S. 57). 21 auspices] Wie ein altrömischer Weissager, der den Vogelflug deutet, hatte der Sprecher gleichsam die „Zeichen der Zeit“ erkannt. Dies wird auch in Texten von Zeitgenossen und Nachfolgern gewürdigt, vgl. zum Beispiel Paul Flemings Epicedien auf Opitz, so in Über Herrn Martin Opitzen auf Boberfeld sein Ableben, in der er diesen als „du Pindar, du Homer, du Maro unsrer Zeiten“ (V. 2) oder „du Hertzog deutscher Saiten“ (V. 6) bezeichnet (zitiert nach: Paul Flemings deutsche Gedichte, hrsg. von J. M. Lappenberg. Bd. 1. Darmstadt 1965, S. 458). Siehe auch Buchners Rolle als Propagator der opitzianischen Reform. 22 verminat] Wörtlich: „wird von Würmern geplagt“; also eigentlich sehr pejorativ ausgedrückt. Zu denken ist hier – im Sinne einer freundlichen Ironie – an Opitzianer in Schlesien wie Coler, Tscherning, Scherffer. 23 f.] Diese beiden, nach dem Gesetz der wachsenden Glieder gestalteten Verse münden in eine ironische Pointe, da auf die eher idyllische Naturbeschreibung in V. 23 eine negativere Gegendarstellung folgt. 23 Hybla] Gegend (Berg und Stadt) an der Ostküste Siziliens, in der Antike (v. a. auch in der Dichtung) sprichwörtlich für den Reichtum an Blumen, v. a. Thymian, und Bienen; vgl. zum Beispiel Vergil, Ekloge 1,53–55, sowie Ekloge 7,37. Auf Sizilien gab es zwei Städte dieses Namens; Hybla Geleatis/Gereatis soll ein Heiligtum der Aphrodite Hyblaia beherbergt haben. 25] Der Phalaeceus oder Hendekasyllabus findet sich sehr oft bei Catull; vgl. Friedrich Crusius: Römische Metrik. Eine Einführung. 2. Aufl., bearb. von Hans Rubenbauer. München 1955, S. 103. 26] Zum „Topos der fliegenden Feder“ bei Gelegenheitsgedichten vgl. Segebrecht, S. 207–211. 27] Der spitzblättrige Spargel (Asparagus acutifolius) gehörte zu den heiligen Kranzgewächsen und war der Aphrodite geweiht. Die Böotier bekränzten mit den dornigen Spargelzweigen bei Hochzeiten ihre Bräute; siehe dazu Hellmut Baumann: Die griechische Pflanzenwelt in Mythos, Kunst und Literatur. München 31993, S. 85–88.
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29–32] Am Ende steht (noch einmal mit einer Anspielung auf die versagenden Kräfte des Dichters in V. 29 f.) der für ein Hochzeitsgedicht obligate Nachkommenswunsch, bei dem der Bräutigam nicht versagen wird. 32 Dionen] Dione: In erster Linie mit Venus gleichgesetzte Göttin, so bei Ovid, Fasten 2, 461–464; Fasten 309. [V.M.]
CA RMINA perrumpunt animos Geleitgedicht zu New umbgegossenes Schließ=Glöcklein von Johannes Heermann Nicht bei Dünnhaupt. – New vmbgegossene‚ | vnd verbesserte‚ Schließ=|Glöcklein. | Da‚ ist/ Andächtige Lehr | vnd trostreiche Gebete auß dem | Safft vnd Kern aller gewöhn=| lichen Sontag‚=vnd Furnem =|sten FestEvangelien in Rei =|men verfasset. etc. | Durch | Johann Heermannum | P.L.C. Pfarrn zu Köben. | Inn Vorlegung David | Müller‚ Buchhandler‚ in | Breßlaw. – o. J. [1632] (UB Breslau: 329692), S. 20. Unsere Ausgabe folgt dem Erstdruck. Die Erstfassung von Heermanns Werk erschien 1616 unter dem Titel Andechtige Kirch Seuffzer/ Oder Evangelische Schließ-Glöcklin/ in welche den Safft vnd Kern aller gewöhnlichen Sontagsvnd vornembsten Fest-Evangelien durchs gantze Jahr/ Reimweise gegossen/ und damit seine AmptsPredigten beschlossen hat/ Johannes Heermannus/P. L. Caes. vnd Pfarr zu Köben. … Leipzig/ Bey Abraham Lamberg/ In verlegung Johan Eyerings vnd Johan Perferts/ beyder Buchhändler in Breßlaw. Zu dieser Erstfassung siehe Carl Hitzeroth: Johann Heermann (1585–1647). Ein Beitrag zur Geschichte der geistlichen Lyrik im siebzehnten Jahrhundert. Marburg 1907, S. 162–164. In seiner Widmungsvorrede geht Heermann hier auf den Zweck ein, den er mit dieser geistlichen Schrift verbindet (zitiert nach Hitzeroth, S. 163 f.): „Damit ich aber meine mir von Gott vertrawte Pfarkinder desto mehr zu solcher hertzlich betenden Andacht excitieren und bringen möchte / so habe ich mich im Namen meines Herrn Jesu vor zwei Jahren unterfangen / auss den gewöhnlichen Sontags und Festevangelien den Nutz und Kern / Gebetsweise / in deutsche Reimen zu bringen: und meinen lieben Zuhörern nach gehaltener Ampts-Predigt in der Kirchen vorzusprechen.“ Heermanns Werk ist also der Gattung der Perikopengebete zuzuordnen, deren Entstehung und Auftreten „eng mit der Predigt, die seit der Reformation vermehrte Bedeutung erhalten hat und in den lutherischen Kirchen besonders stark an die Perikopen gebunden ist, und mit der Liturgie verknüpft sind“ (Hans-Henrik Krummacher: Der junge Gryphius und die Tradition. Studien zu den Perikopensonetten und Passionsliedern. München 1976, S. 152 f.). Heermanns Werk gehört hierbei zu den nicht sehr zahlreichen Zyklen von Perikopengebeten in Versen, die „nur auf die andächtige, betende Aneignung des Textes gerichtet sind“ – der Text wird „nur im Rahmen des Gebets in bestimmten Zügen und Deutungen vergegenwärtigt“ (Krummacher, ebd., S. 159). Bei der vorliegenden Fassung des Schließ =Glöckleins handelt es sich um eine Umarbeitung, wie Heermann sie im Zuge seiner Beschäftigung mit Opitzens Poetik auch mit
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anderen Werken seit ca. 1630 vornahm. Darauf weist der Titel mit New vmbgegossene‚ | vnd verbesserte‚ Schließ =|Glöcklein hin. Zu Einzelheiten dieser Umarbeitung siehe Hitzeroth, wie oben, S. 107–115, sowie S. 162–166. Das Schließglöcklein ist seiner Auffassung nach als „Musterübung“ (S. 115) für diese Korrekturen im Sinne Opitzens zu begreifen. Im Zuge der Umarbeitung hatte im übrigen Heermann eine andere Widmungsvorrede eingefügt, die neue (datiert 1632) ist an vier Herren von Seidlitz gerichtet, darunter einen Christoph von Seidlitz; wahrscheinlich für diesen hatte Opitz selbst ein Propemptikon verfaßt (O F los iuuentae; Silvae, S. 102 f.; s. LW 2, S. 537–539), so daß sich auch auf diesem Wege eine Verbindung zwischen Heermann und Opitz herstellen ließe. Des weiteren übernahm Heermann mit dem Gedicht von Johannes Brachmann nur eines der zwei ursprünglichen Begleitgedichte in die neue Fassung. Statt dessen erscheinen hier Gedichte von wesentlich prominenteren Persönlichkeiten. Opitzens Epigramm findet sich an fünfter Stelle (bei zehn Beiträgern). Ihm voraus gehen Texte von Nikolaus Henel, Caspar Cunrad, Johannes Kurtzmann und Elias Major. Heermanns Werk selbst umfaßt in dieser wesentlich erweiterten Fassung 276 Seiten Sonntagsgedichte und 127 Seiten Feiertagsgedichte; siehe dazu Hitzeroth, S. 166. Für den Erfolg des Werkes spricht, daß 1655, 1668 und 1711 in Breslau weitere Ausgaben des Schließ-Glöckleins erschienen. Wie bereits in der Überschrift deutlich wird (P RECES S A cras, versibus Germanicis), thematisiert der Sprecher hier die in Heermanns geistlichem Werk vorhandene Verbindung zwischen Prosa und Poesie. Ein Unterschied wird in V. 1 konstatiert: (Weltliche) Versdichtung rührt die (irdischen) Gemüter der Menschen, während die oratio (hier wohl im Sinne von geistlichem sermo bzw. „Gebet“ zu verstehen) Gott im Himmel erreichen kann. Heermann dagegen sei es in seiner doppelten Rolle als praeco und poeta gelungen, diese Trennung aufzuheben (V. 3 f.). Dieses doppelte Verdienst (explizit veranschaulicht durch die Anapher Hoc … Hoc) erkennen die Vertreter beider Gruppen auch an (V. 5 f.). Das den Rahmen des Textes schließende Distichon bezieht die sentenzenartige Formulierung in V. 1 f. konkret auf den angesprochenen Heermann. – Versmaß: elegische Distichen. 3 f.] Auf diese doppelte Tätigkeit verweist auch Heermann selbst auf dem Titelblatt mit der Formulierung Durch | Johann Heermannum | P.L.C. Pfarrn zu Köben. Bereits 1608 war Heermann durch Caspar Cunrad zum Dichter gekrönt worden; siehe Flood, Bd. 3, S. 805–818. Die Qualität seines Wirkens in beiden Bereichen deutet die Wiederholung von bonus in V. 3 f. an. [V.M.]
Dum charo Natam Epicedium auf Hedwig Vechner Nicht bei Dünnhaupt. – Überliefert in alten Handschriften: STB-PK Berlin: Dep. Breslau 17 (ehemals StB Breslau: Hs. R 402) sowie UB Breslau: Akc. 1949/713 (ehem. StB Breslau: Hs. Klose 175). Unsere Wiedergabe erfolgt nach der erstgenannten Handschrift, S. 762.
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Dieses Trauergedicht wurde bis jetzt nirgends erwähnt, auch nicht in den verschiedenen Bibliographien. Zudem geht aus dem Text selbst nicht hervor, wann er verfaßt wurde. So lassen sich hier nur Vermutungen anstellen. Einen möglichen Ausgangspunkt liefert der Name des Bräutigams, Balthasar Thoma(s). Im HPG (Bd. 1, Nr. 0031; Bd. 10, Nr. 1178; Bd. 17, Nr. 522) ist folgender Druck verzeichnet, der im Jahre 1634 entstand, die Glückwunschschrift anläßlich der Hochzeit eines Balthasar Thoma(s) mit Ursula Profius: V OTA G RATULATORIA | Nuptiis | Consultissimi Doctissimi | D N . B ALTHASARIS T HOMAE | J.U. Cand. Reipubl. Jauranae Syn-|dici benè merentis, | et | Virginis Lectissimae, Pietate moribusque Ornatissimae | U RSULAE , | Viri Reverendi | D N . J OACHIMI P ROFII | Ecclesiae in patriâ Diaconi et | Senioris dignissimi vigi-|lantissimi | FILIAE SVAVISSIMAE;| Solenniter ibidem celebrandis XXIV. D. M. Octob. [Chronogramm auf das Jahr 1634]. | A Fautoribus, Adfinibus et Amicis honora-|tissimis oblata et consecrata. | B RESLAE , Typis G EORG I B AUMANNI . Unter den Beiträgern finden sich die Namen bekannter Breslauer Persönlichkeiten, die auch mit Opitz in Verbindung standen. Für eine Einordnung des vorliegenden Epicediums eventuell von Bedeutung sind hier bestimmte Passagen aus zwei Gedichten. So lautet die Überschrift des Epithalamiums von Christoph Coler, eines engen Freundes Opitzens (fol. A4v): Ad Praestantissimum Virum / D N . B ALTHASAREM T HOMAM , / (quod D EUS benè vertat!) / Iterùm Sponsum: cui ante biennium / D OROTHEA V ECHNERIA Sponsa ipso Nuptiis / praestituto die, non in domum mariti, / sed funus deducebatur. Im Gedichttext selbst heißt es unter anderem: Funereâ Clotho mutavit lampade taedas, / Proque Hymene modos praefica finxit anus. / … / Lugubres mutet faculas Cytheréa jugali, / Et perpessa recens damna repensat amor. / Nam nova desertos reparat tibi nupta penates. / Dexteriùs thalami mox aditura fores. / Nec te concutiant desponsae exempla prioris: / Hanc vitae genitrix mors sine morte manet (fol. B1r). Geht man von diesen Angaben aus, könnte das von Opitz verfaßte Epicedium um 1632 entstanden sein. (Der Vorname der Braut lautet hier anders; dies könnte aber zum einen daran liegen, daß in Hs. R 402 ein Abschreibefehler vorliegt, zum anderen daran, daß Coler sich nicht mehr genau an den Vornamen der Braut erinnerte). Allerdings heißt es in den Anfangsversen des Epithalamiums von Christoph Homuth (fol. C1v): Vinifer et quartùm decurrit pomifer annus, / Et nivium floccis plena recurrit hyems: / Cùm desponsa Tibi propero Vechneria fato /AEtatis verno flore perempta jacet. / Et tot funeribus truculentus vertitur annus, / Cùm Pestis Matrem sustulit atra tuam. Aufgrund dieser Verse wäre Opitzens Gedicht wohl anders zu datieren. Unter der Annahme, daß es sich bei dem in Opitzens Gedicht als Bräutigam Genannten um denjenigen handelt, der auch mit diesem späteren Hochzeitsdruck geehrt wurde, ergeben sich zudem einige wenige Anhaltspunkte in bezug auf dessen Vita: So ist ein Balthasar Thomas aus Golßen in der Lausitz 1620 in Frankfurt/Oder immatrikuliert worden (Friedländer, S. 638). Wohl dieselbe Person ist mehrfach Beiträger zu verschiedenen Gelegenheitsdrucken, die in den Jahren 1634, 1640 und 1645 in Breslau sowie 1646 und 1647 in Oels erschienen sind. Thomas heiratete 1645 ein weiteres Mal – Anna Brieger, die Tochter des Senatoris Ejusdem Reip: Namsl. Primarij, wie es auf dem Titelblatt einer der beiden ebenfalls in Oels gedruckten Glückwunschschriften heißt, die zu diesem Anlaß erschienen. Er selbst wird hier als J.U. Candidatus und als Reip. Namsl. Syndicus bezeichnet. Sollte es sich bei dem im Gedicht angesprochenen Vater der Braut um Daniel Vechner
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handeln (dazu s. u. zu V. 2), könnte Opitz das vorliegende Epicedium aus freundschaftlicher Verbundenheit mit der trauernden Familie verfaßt haben. Dafür spräche auch die Formulierung amici in V. 7. Das Epicedium beschreibt in epigrammhafter Kürze einen schweren Schicksalsschlag, eine fatale Koinzidenz: Die Tochter und Braut wird an dem Tag zu Grabe getragen, an dem sie ihre Vermählung – und damit den schönsten Tag ihres Lebens – feiern sollte. Dieses unfaßbare Geschehen wird in der ersten Hälfte des Gedichtes (V. 1–4) rekapituliert. Es erscheint um so tragischer, weil die drei im Text genannten Personen untereinander eng verbunden waren, wie durch die Wortstellung in V. 1 f. (… charo Natam Thomae … Vechnerus) und in V. 5 f. (tibi filia … parens, Thoma … tua Sponsa tibi ) sinnfällig zum Ausdruck kommt. Die zweite Hälfte des Gedichtes ist dem Trost gewidmet: Statt irdischer Bindung (versinnbildlicht im Brautbett) hat die nun im Grab (dem „Totenbett“) ruhende Verstorbene durch den Tod, wie der sentenzenartige Schlußvers betont, zur einzig wahren Verbindung gefunden, zur Vereinigung mit Gott als dem Ziel des Daseins (deutlich durch DEO als letztem Wort). – Versmaß: elegische Distichen. 2 Vechnerus] Geht man davon aus, daß die Familie der Braut in Goldberg (vgl. in der Überschrift Aurimontii ) ansässig war, muß es sich bei dem Vater der Braut um ein Mitglied der dortigen bekannten Gelehrtenfamilie handeln. Dafür spricht auch, daß er in V. 6 als Docte parens angeredet wird. Opitz kannte bereits aus seiner Jugendzeit mehrere Angehörige dieser Familie. So widmete er dem aus Freistadt stammenden Georg Vechner wohl 1617 ein Glückwunschgedicht zu dessen Promotion in Theologie (vgl. Conermann/Bollbuck, S. 241; GW 1, S. 46; dieses Gedicht ist abgedruckt in LW 1, S. 48; siehe den Kommentar dazu ebd., S. 311 f.). Allerdings kommt Georg Vechner als Brautvater wohl nicht in Frage, da er als Professor und Rektor am Gymnasium Schönaichianum in Beuthen wirkte und später als Superintendent und Rektor des Gymnasiums in Brieg tätig war. Zu denken ist hier eher an Opitzens Freund Daniel Vechner, der 1572 im schlesischen Goldberg geboren war und dort nach seinem Studium Lehrer wurde. 1610 bis 1618 wirkte er als Rektor in Jauer, von 1618 bis 1622 als Professor und Prorector in Goldberg. Mit Aufhebung der dortigen Schule 1622 lebte er in Goldberg zunächst als Privatmann, wurde dort jedoch 1625 Ratsherr und zweiter Bürgermeister. Er starb 1631 oder wohl eher 1632 (alle Angaben nach ADB 39, 1895, S. 517–519). Vgl. auch Conermann/Bollbuck, S. 240 f. (mit Nennung weiterer Literatur); hier wird als Todesdatum 23. 6. 1632 angegeben. Vechner verfaßte neben (lateinischen) Gedichten und Reden eine Reihe von weiteren – wohl für den Unterricht bestimmten – Werken und wurde zum poeta laureatus ernannt; s. dazu vor allem Flood, Bd. 4, S. 2150 f. (mit einem Verzeichnis der Schriften Vechners). Sein Hauptwerk sind die Hellenolexia, sive Parallelismi Graecolatini libri duo, zuerst erschienen 1610, später mehrfach neu aufgelegt. In der von Johann Michael Heusinger veranstalteten Ausgabe von 1733 findet sich am Anfang eine Lebensbeschreibung Daniel Vechners (siehe dazu http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12 -bsb10585392-6.) Von Daniel Vechner stammt im übrigen ein Gedicht von 1618 auf den Wahlspruch Opitzens (vgl. Conermann/Bollbuck, S. 237 f. und S. 241; sowie LW 1, S. 308) 3 Hymen] Der (antike) Gott der Vermählung.
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7] Mit der nahezu paronomastischen Nebeneinanderstellung von thalamum tumulo wird das Unfaßbare vor Augen geführt – daß aus dem Brautbett für Hedwig nun das Totenbett geworden ist. 8] Wohl Anspielung auf Lk 20,27–40, vor allem 34–36 (bzw. auf die entsprechenden Parallelstellen bei den Synoptikern), die Antwort Jesu auf die Frage der Sadduzäer nach der Auferstehung der Toten: et ait illis Iesus: filii saeculi huius nubunt et traduntur ad nuptias / [35] illi autem qui digni habebuntur saeculo illo et resurrectione ex mortuis / neque nubunt neque ducunt uxores / [36] neque enim ultra mori poterunt / aequales enim angelis sunt et filii sunt Dei / cum sint filii resurrectionis. [V.M.]
WE inrichia ante tibi Epithalamium für Daniel Frank und Martha Rindfleisch Dünnhaupt, Nr. 135; – Nuptiis | DN. DANIELIS | FRANCK, J. U. Cand. | Ducatus et Reipub. Vratisl. Ordinarii et | Jurati Advocati: | et | MARTHAE Rindfleischin/ | quondam Dn. | LUCAE RICHTERI, | U. J. D. | relictae viduae: | VI. Calend. Februarias | Ann. M DC XXXII . | celebrandis, | consecrata | EPITHALAMIA. | T YPIS G EORGII B AUMANNI . (UB Breslau: 534574), fol. B1v–B2r. Unsere Wiedergabe folgt dem Erstdruck. Daniel Franks Vater Gregor war ein Rotgerber, der durch seine Frau Anna Baudiss in eine angesehene Breslauer Patrizierfamilie eingeheiratet hatte. Die drei Söhne konnten studieren; Daniel (8. Januar 1589–nach 1636), der jüngste Sohn, besuchte ab 1608 die Universität in Frankfurt/Oder (vgl. Friedländer, S. 524), dann studierte er in Wittenberg Jura. Ab 1613 war er als Lehrer am Gymnasium von St. Elisabeth tätig, ab 1621 Advokat in Breslau. Seine erste Ehefrau Magdalena, die Tochter von Martin Weinrich, war in erster Ehe mit dem 1610 an der Pest gestorbenen Hans Schleicher verheiratet gewesen und starb 1630 (alle Angaben nach Pusch, Bd. 1, S. 425). Die Familie (von) Rindfleisch, aus der seine zweite Frau Martha stammte, gehörte über zweihundert Jahre lang zu den „prominentesten Patrizierfamilien der Stadt Breslau“ (Pusch, Bd. 3, S. 386). Marthas Eltern waren Daniel Rindfleisch/Bucretius (1562–1621), Leibarzt Erzherzog Karls von Österreich, des Bischofs von Breslau, und die aus der Pfalz stammende Emilie Lange (vgl. Pusch, Bd. 3, S. 394 f.). Bei Bucretius, neben Cunrad und Henel dem wichtigsten Vertreter des Breslauer Späthumanismus, wohnte Opitz in seiner Breslauer Schulzeit und unterrichtete dessen Söhne Daniel und Theodor; vgl. dazu auch Szyrocki, S. 13. Im Aristarchus (von 1617) spielt Opitz in zwei Anagrammen mit dem Namen von Daniel Rindfleisch (vgl. unsere Edition, Bd. 1, S. 86). Bereits zur Vermählung von Marthas Schwester Margarethe mit Friedrich Habermann (1616) hatte Opitz Hochzeitsgedichte verfaßt (LA dae tuo – At tu candida – NO n sum augur; siehe unsere Edition, Bd. 1, S. 8 f. bzw. S. 281 f.). Martha Rindfleisch war in erster Ehe mit Lukas Richter, Doktor beider Rechte und Gräflich Promnitz-Plessischem Rat und Kanzler, verheiratet gewesen (Pusch, Bd. 3, S. 395). Darauf weist bereits das Titelblatt hin.
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Unter den 26 Beiträgen steht Opitzens Gedicht nach Texten unter anderem von Zacharias Hermann, Reinhard Rosa und Elias Major an neunter Stelle. Viele der Beiträge gehen auf die Familienverhältnisse von Braut und Bräutigam ein. So ist dem von Johannes Goltmann verfaßten vierten Gedicht (fol. A2v–A3r) zu entnehmen, daß Daniel Frank kurz hintereinander den Tod seiner Tochter, seiner ersten Ehefrau und seines Bruders (Gregor, in Breslau Stadtarzt) zu beklagen hatte; Elias Major erwähnt, daß Frank mit seiner ersten Frau vierzehn Jahre verheiratet war (fol. A3r). Dem launig geschriebenen epigrammatischen Gedicht Opitzens liegt vor allem eine inventio ex loco notationis zugrunde (vgl. zu diesem für Casualcarmina häufigsten ‚Fundort‘ Segebrecht, S. 115–119). Da sowohl die erste als auch die mit dem vorliegenden Druck geehrte zweite Frau Daniel Franks durchaus sprechende Namen besaßen, lag eine solche Inventio, und vor allem eine Gegenüberstellung beider Frauen durch ihre Namen, nahe. Dem Thema widmen sich weitere Hochzeitsgedichte, so das von Johann Blaufus (fol. B3v–B4r); auch der letzte, verspätet eingereichte Gedichtbeitrag von Caspar Cunrad (fol. C4v) weist Parallelen zu Opitzens Epithalamium auf (ebenfalls vier Distichen, zudem inhaltliche Übereinstimmungen). Nachdem zu Beginn des Gedichtes (V. 1) gleichsam die Personalien festgestellt wurden, werden aus diesen Namen bestimmte Eigenschaften ermittelt, was vor allem hinsichtlich der Etymologie „Wein-rich“ und illa meri [sc. dives] (V. 2) sehr ergiebig ist. Der Sprecher muß jedoch feststellen (V. 3 f.), daß Frank die beiden Frauen sozusagen in der falschen Reihenfolge geheiratet hat, da im Ablauf der Speisenfolge das Trinkgelage erst nach der Mahlzeit (dem Fleischgang) kommt. Die Erwähnung des Weingottes (V. 5) bildet die Überleitung zu einem anderen Themenbereich – der Kontrastierung von „Wein“ (bzw. Festgelage) und „Liebe“, bei der Venus die Überlegene ist. Gleichzeitig wird durch die Begriffe Sola … lex est ac sua norma (V. 6) auf den Beruf des Bräutigams rekurriert. Die guten Wünsche (V. 7 f.) verweisen mit caro und vinum noch einmal auf die Namen der beiden Ehefrauen (und damit auf den Gedichtanfang) und gipfeln in der obligaten Anspielung auf den erhofften Kindersegen. – Versmaß: elegische Distichen. 8 Sit caro, sit vinum, laetaque prole domus] Daniel Frank hatte aus seiner ersten Ehe mit Magdalena Weinrich bereits zwei Kinder, die 1621 geborene Magdalene und den 1628 geborenen Daniel; vgl. Pusch, Bd. 1, S. 425. Die zweite Ehe blieb (wahrscheinlich) kinderlos. [V.M.]
ET tu, Langiade Epicedium für Ernst Lange von Langenhof Dünnhaupt, Nr. 136; – In | Obitum beatum, | sed et luctuosum, | V IRI | MAGNIFICI, STRENVI, | NOBILISSIMI, AMPLISSIMI, | CONSULTISSIMI, | D N . ERNESTI Lange/ | â Langenhoff/ in Taschenberg/ | U. J. D. | Comitis Palatini Caesarei, | S ACRAE R OM . I MPERATORIAE M AIESTATI , | Ut et | I LLUSTRISSIMIS C ELSISSIMISQVE | P RINCIPIBUS S ILESIAE M ON -| STERBERGENSIBUS, | Dn. H ENRICO VV ENCESLAO, | Duci Olsnensi
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et Berolstadiensi, etc. | P RO - REGI S ILESIAE etc. | et | Dn. C AROLO F RIDERICO, | Duci Olsnensi, etc. | A C ONSILIIS ; | [A1V ] qui | anno Christiano M DC XXXII . | A. D. XII . Calend. Junias, | circa quartam pomeridianam, | V RATISLAVIAE | ad placidum vitae exitum | vocatus, | A. D. VIII. Idus Junias, | ipso Sacrosanctae TRINI -| TATIS festo, | B EROLSTADII , | ritu Christiano, | eoque illustri et nobilissimo, | humabatur; | tùm AMICORUM, | tùm CLIENTUM , | Carmina Lugubria. | V RATISLAVIAE , | Typis GeorgI Baumanni, | An. 1632. (UB Breslau: 355116), fol. B2r–v. Unsere Wiedergabe folgt dem Erstdruck. Ernst Lange von und auf Langenhof und Taschenberg (in der Nähe von Bernstadt) wurde am 11. September 1593 in Oels geboren und starb in Breslau am 21. Mai 1632; vgl. Pfotenhauer, S. 336. Er studierte an den Universitäten Wittenberg (hier sind aus den Jahren 1614 und 1615 Drucke vorhanden, in denen er Thesen disputandas proponit), Marburg und Leipzig. Als Begleiter zweier junger schlesischer Adliger, Heinrich und Kaspar von Gefug, wurde Ernestus Lange Olsnensis Silesius am 7. April 1618 in Heidelberg immatrikuliert (Pfotenhauer, ebd.); vgl. dazu auch Toepke, Teil 2, S. 288. Im Jahre 1620 wurde er mit einer Dispvtatio Inavgvralis De Protopraxi Creditorum (gewidmet den Herzögen Heinrich Wenzel und Karl Friedrich von Münsterberg-Oels, die auch auf dem Titelblatt des vorliegenden Drucks genannt werden) zum Doktor beider Rechte promoviert und von Freunden in einem Gelegenheitsdruck dazu beglückwünscht. Wohl im Jahre 1621 erlangte er den Titel eines Comes Palatinus Caesareus; vgl. Sinapius, Bd. 2, S. 766. Er wurde Fürstlich Bernstädtischer Regierungsrat, „folgends so wohl Röm. Kays. Maj. als Hertzogs Heinrich Wentzels zu Münsterberg Oels und Bernstadt Ober=Amts=und Regierungs=Rath, ein vortrefflich erfahrner, gelehrter, aufrichtiger und redlicher Mann, wie solches hochbesagter Hertzog selbsts eigenhändig von ihm vermercket hat“ (Sinapius, ebd.; vgl. auch Zedler, Bd. 16, Sp. 612). Ein Zeugnis für diese hohe Stellung ist, daß Lange zum Beispiel 1630 in Bernstadt die Leichabdankung für Herzogin Anna Magdalena von Münsterberg-Oels hielt. Über Langes Familienverhältnisse ist wenig bekannt: Nach BBKL 29 (2008), Sp. 101–106, vermählte sich 1637 in zweiter Ehe Matthäus Apelles von Löwenstern mit Barbara von Tarnau und Kühschmalz, der Witwe seines Amtsvorgängers Ernst Lange. Dadurch gelangte das Gut Langenhof (Karwiniec) in seinen Besitz. Zur Familie von Tarnau und Kuehschmaltz/ Kühschmalz, die dreihundert Jahre lang mit Breslau verbunden und ein „echtes Breslauer Patriziergeschlecht geworden“ war (Pusch, Bd. 4, S. 279) vgl. Pusch, ebd., S. 279–288. Bereits auf die Hochzeit von Ernst Lange verfaßte Opitz ein deutsches Gedicht, das in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 86 f., abgedruckt ist. Im vorliegenden, insgesamt 16 Beiträge umfassenden Druck findet sich das Epicedium Opitzens an zehnter Stelle. Seinem Text voraus gehen unter anderem Gedichte von Reinhard Rosa in Rosenigk, Nikolaus Henel, Johannes Pein, Caspar Cunrad, Elias Major (und damit den gelehrten Honoratioren Breslaus); es folgen Gedichte unter anderem von Melchior Ostius und Christoph Schwartzbach. Strukturiert wird das Epicedium Opitzens durch die verschiedenen Angaben zu Langes jeweiligem Aufenthaltsort (V. 3: illic; V. 7: reducem; V. 9: Hic; V. 11: anaphorisch: hinc), mit denen wie durch Markierungspunkte auf wichtige Stationen seines hier gleichsam von der Wiege (V. 1: natus) bis zur Bahre nachgezeichneten Lebensweges verwiesen wird. Für
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die mit dem ersten Distichon formulierte Kernaussage des Gedichtes ist nicht zuletzt der Sprecher ein wichtiger Gewährsmann durch seine langjährige Bekanntschaft mit Lange (V. 3–6). Dies betonen auch die Wiederholungen von novimus (V. 3) sowie die Alliterationen (V. 3–5). Die nächsten vier Verse beschreiben die Heimkehr (V. 7–9) und die (gerade durch den Dienst für den Kaiser) ehrenvolle und unermüdliche Tätigkeit Langes, die vier Schlußverse seinen Tod, der für ihn eher den Beginn eines besseren Lebens bedeutet. – Versmaß: elegische Distichen. 1 f.] Mit ET tu ganz zu Anfang des Gedichtes wird Ernst Lange in die Reihe der verdienten homines probi eingeordnet, deren Tod gleichsam einen Protest gegen die Verderbnis der Zeitläufte (mores non natus ad istos) darstellt. Diesen Gedanken hebt Opitz mehrfach in Epicedien hervor; vgl. zum Beispiel das Memorialgedicht für Johann Matthäus Wacker von Wackenfels von 1630 (VI derat haec, animo), in dem ebenso (V. 3) explizit auf die gegenwärtigen mores hominum rekurriert wird. 1 Langiade] Bereits im Strenarum libellus (von 1616) verwendet Opitz patronymische Formen nach griechischem Vorbild, wie zum Beispiel ST oeberkeyliades. 2 AEvi … melioris] Vielleicht Anspielung auf eine vergangene aetas aurea. 3 f.] Opitz hatte sich am 17. Juni 1619 in die Matrikel der Universität Heidelberg eingetragen; vgl. Toepke, Teil 2, S. 295, und Szyrocki, S. 35, und kann aufgrund dieser zeitlichen Koinzidenz mit Lange sehr wohl gut bekannt bzw. befreundet gewesen sein. Opitz blieb bis zum Herbst 1620 in Heidelberg. Vgl. auch den Anfang des oben erwähnten deutschen Hochzeitsgedichts, V. 1–3: „HA t auch ein solches Recht Justinian gelehret? | Habt ihr’s mit mir vorhin zu Heydelberg gehöret/ | Wie Heydelberg noch war?“ (Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 86). 4 Nondum captivis qua Nicer ibat aquis] Anspielung auf den Pfälzer Krieg (1620–1623) und die Besetzung der Pfalz links des Rheins durch die Spanier, rechts des Rheins durch die Bayern. In erster Linie wird hier wohl auf die Belagerung, Einnahme und Plünderung Heidelbergs 1622 durch die Truppen der Liga unter Tilly Bezug genommen. Zur historischen Situation vgl. Anna Egler: Die Spanier in der linksrheinischen Pfalz 1620–1632. Invasion, Verwaltung, Rekatholisierung. Mainz 1971, sowie Meinrad Schaab: Geschichte der Kurpfalz. Bd. 2: Neuzeit. Stuttgart u. a., vor allem S. 114 f. Opitz bezieht sich mehrfach in seinen Texten auf diese Ereignisse, so in einem Epithalamium für Michael Bartsch von 1623 (H O c etiam adversae), V. 6: Ibam ad nunc moesti littora foeta Nicri. 5–10] Der Sprecher fährt in diesem Hochzeitsgedicht, V. 3–5, fort: „sollt jhr das Liecht vnd Schein | Der Themis/ vnd ein Raht deß frommen Fürsten seyn/ | Deß Keysers auch dazu?“ (Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 86). 6 Themis ipsa] Themis: Griechische Göttin des Rechts. Als Personifikation der Jurisprudenz häufig in Gelegenheitsgedichten auf Juristen erwähnt. Auch Opitz studierte – wie Lange – zumindest formell die Rechte.
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7 f.] Die zweimalige Erwähnung des Vaterlandes veranschaulicht die Bedeutung des Verstorbenen um dieses. Deshalb ist es auch nicht mehr als recht und billig, daß bei seinem Tod zuerst dessen Trauer um ihn erwähnt wird (V. 11). 9] Kaiser Ferdinand II. Vgl. zum Beispiel die Formulierung in der Widmungsvorrede zu den Laudes Martis von 1628 für Opitzens Dienstherrn Karl Hannibal von Dohna: ita ut, dum tu arduis Divi Imperatoris, Principis Optimi, negotiis ac Reipublicae curis diu noctuque involutus vivis (LW 2, S. 94). 13 f.] Der ebenfalls sentenzenartige Schluß erinnert an eine Grabschrift. [V.M.]
LI bertas tibi, sed tuae loquela Epithalamium für Christoph Freywaldt und Anna Beata von Pein Dünnhaupt, Nr. 137; – SPONSIS | NOBILISSIMIS | D N. C HRISTOPHORO | FREIWALDO | Liberi Baronatus Miletensis | Cancellario | E T | A NNAE B EATAE P EI -| NIAE | DN. | J OHANNIS â P EIN , J. U. D. | Et Syndici ReipubL. Wratislaviensis, | F ILI ae dilectissimae, de honoribus et | amoribus gratulantur fautores | et amici. | Nuptiae hab. in maximâ SILESIAE | 8. Junii, Anno « | M . DC . XXXII . | Imprimebat VVratisl. G EORGIUS B AUMANN . (UB Breslau: 534554), fol. C3r. Unsere Wiedergabe erfolgt nach dem Erstdruck. Christoph Freywaldt wurde am 29. 5. 1593 in Meißen geboren und starb am 25. 7. 1655 in Breslau (Pusch, Bd. 3, S. 201). Zedler, Bd. 9, Sp. 1896, nennt ein „Adeliches Geschlecht“ mit dem Namen „Freywald“, das zum „Meißnischen Adel“ gerechnet werde. Christoph war wohl ein Verwandter des kaiserlichen Rats Donat von Freywald, dem er ein 1620 in Leipzig gedrucktes Gelegenheitsgedicht widmete. Sein Rang als Kanzler der Freien Standesherrschaft Militisch (vgl. Pusch, ebd.) wird auch auf dem Titelblatt hervorgehoben. Im vorliegenden Druck bezeichnet Reinhard Rosa (fol. A2v) die Braut Anna Beata als Filia Collegae von Freywaldt. Ein Beweis für die Stellung Christoph Freywaldts ist zum Beispiel, daß er als erster in einer Reihe von Widmungsempfängern der Erbauungsschrift eines Carl Ortlob (Siebenmahl sieben Geistliche Gedankken [sic!] in gebundener Rede; gedruckt in Wittenberg 1651) erscheint. Der Verfasser nennt ihn „Wohlverdienten FreyHerrlichen Maltzanischen Rath/ und Militschen Cantzlern“ und seinen Mecoenas [sic!]. Noch auf dem Titelblatt einer 1660 gedruckten Glückwunschschrift aus Anlaß der Hochzeit seiner Tochter Magdalena wird der damals bereits Verstorbene mit diesen ehrenvollen Bezeichnungen erwähnt. Die Braut, Anna Beate (Beata) von Pein, entstammte einer bedeutenden Breslauer Familie: Bereits ein Vorfahr war Anfang des 16. Jahrhunderts Fürstlich Braunschweigischer Rat (zur Familie vgl. Pusch, Bd. 3, S. 198–206). Anna Beatas auch in Opitzens Gedicht (V. 4 f.) gerühmter Vater Johann (IV.) wanderte 1621 in Breslau ein. Drei der vier Söhne waren im Laufe der Zeit im Rat der Stadt Breslau vertreten. 1625 ließ Johann den Adel mit dem Zusatz „und Wechmar“ erneuern. Johann IV. von Pein und Wechmar, Dr.
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jur. (1582–1649), war wohl zunächst Kursächsischer Rat und wurde 1622 vom Rat der Stadt Breslau als Unterlandschreiber und zweiter Syndikus eingestellt, später rückte er an die Stelle von Reinhard Rosa von Rosenigk als erster Syndikus nach. Er soll ein gewandter, in hohen Gesellschaftskreisen erfahrener, konservativer und vorsichtiger Politiker gewesen sein. 1644 wurde er als Kaiserlicher Rat Kanzler des Fürstentums Breslau. Zu Johann von Pein vgl. auch: Krebs, Rat und Zünfte, S. 22, und passim, sowie Sinapius, Bd. 1, S. 695, und Bd. 2, S. 395. In einem Brief an David von Schweinitz vom Januar 1634 schreibt Opitz (wiedergegeben nach Conermann/Bollbuck, S. 1204): Spes tamen aliqua nobis est, Amplmum Peinium nostrum, qui forsan Erfurti adhuc delitescit, monitione sua precibusque bono publico non defuturum. Die Braut Anna Beata war eines von sechs Kindern aus der ersten Ehe Johanns von Pein mit Anna von Heydeck von Pfaffendorf aus dem Hause Schönau in Meißen (vielleicht ergab sich durch diese Herkunft der Mutter die Beziehung zum späteren Bräutigam). Anna Beata starb bereits im September 1633 an der Pest. Von den 36 Beiträgen in diesem Hochzeitsdruck steht das Gedicht Opitzens an zwanzigster Stelle. Ihm voraus gehen Texte von geistlichen und weltlichen Würdenträgern wie Zacharias Hermann, Jacob Schickfuß, Reinhard Rosa, Nikolaus Henel, David Rhenisch, Caspar Cunrad, Christian Scherffer von Scherffenstein, Elias Major. Opitzens Gedicht schließen sich unter anderem die Beiträge von Melchior Ostius, Christoph Schwartzbach, Caspar Senftleben, Wolfgang Stirius und Johann Ludwig Tallinger an. Der vorliegende Gelegenheitsdruck wird kurz erwähnt in: Schickfus. Geschichte eines schlesischen Geschlechts. Erster Teil: Erste bis achte Generation, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, zusammengestellt durch Erbo von Schickfus und Neudorff. Freiburg/Breisgau 1957, S. 90 (mit Vermutungen über mögliche Verbindungen von Jacob Schickfus und Opitz). Wie nicht selten bei Hochzeitsgedichten Opitzens wird auch hier der Bräutigam angesprochen. Als Ausgangspunkt für dieses epigrammartige Gedicht dient die negative bzw. positive Konnotation der Nachnamen der Brautleute (V. 1–3) und damit eine inventio ex loco notationis; diese liegt auch anderen Beiträgen in diesem Druck (zum Beispiel dem von Elias Major, fol. C2r–v, oder Michael Coelius, fol. C4r–D1r) zugrunde. Um jedoch Anna Beata gebührend und ehrenvoll würdigen zu können, versucht der Sprecher in den folgenden Versen, das bei „Peinia“ unheilvoll anklingende Sprichwort nomen est omen zu widerlegen, und führt als Argumente zuerst (V. 4 f.) die hervorragende Stellung ihrer Eltern (durch die sich auch die Tochter definiert) an, dann die Person der Braut selbst (V. 6–8). Diese eher scherzhafte Suche nach Gegenbeweisen endet mit der an den Bräutigam gerichteten rhetorischen Frage in V. 9 f. Auch in den folgenden Versen wird wieder auf die Namen der beiden rekurriert, doch unter umgekehrten Vorzeichen: In den gegenwärtigen Zeitläuften ist genau die Situation eingetreten (V. 11: tempore vivimus dolendo), die zuvor für die Person der Braut abgelehnt, und diejenige nicht mehr existent, die für die Person des Bräutigams rühmend hervorgehoben worden war (V. 12: Libertas cui ferme nulla rerum est). Freiheit und Glück aber kann es unter diesen Umständen nur im privaten Bereich geben (V. 13 f.). – Versmaß: Hendekasyllaben. 1 LI bertas] Bezug auf die erste Silbe des Nachnamens des Bräutigams: „Frei-wald“; vgl. V. 12 (Anfang). 2 dolor] Bezug auf den Nachnamen der Braut; vgl. V. 11 (Ende).
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10 o soboles novem sororum] Der gebildete Bräutigam als Zögling der neun Musen. Vgl. den ersten Vers von Opitzens Hochzeitsgedicht für Caspar Boithius (Silvae, S. 68): BO ithi, delitiae novem sororum 13 Sis] Im eingesehenen Exemplar bereits handschriftlich korrigiert aus Sit 14 PEINIA] Für die gelehrten Leser klangen hier die griechischen Wörter ¯ (Hunger) oder (Armut) mit. 14 BEATA] BEATA bedeutet im Lateinischen soviel wie „die Glückselige“ oder „die Gesegnete“ – der Vorname der Braut kann somit dem unheilbedeutenden Nachnamen ein Gegengewicht gegenüberstellen. Gleichzeitig erfolgt hier der Rückbezug zum ersten Wort dieses Gedichtes (LI bertas). [V.M.]
BU rghusi, Musis dilectum Glückwunschgedicht zur Amtseinführung in die Landeshauptmannschaft für Nikolaus von Burghaus Dünnhaupt, Nr. 140.1 (mit fehlerhaften Angaben); – INAUGURATIO | PERILLVSTRIS DN . DN . | N ICOLAI | BARONIS A BURGHAUS | et Stoltz; Iohnsdorffii, Schild-|bergae, Petrovicii ac Liebensteinii | Domini, | SAC . CAES. MAJESTATIS | Consiliarij ac Cubicularii, | Ad Ducatus Monsterbergici | et Territorii Francosteinensis | PRAEFECTURAM . | Auctore | MARTINO OPITIO. – [Kolophon: Gedruckt zu Breßlaw durch Georgium | Bauman Jm Jahr 1632.] (UB Breslau: 355115), fol. A1v. Unsere Wiedergabe erfolgt nach dem Erstdruck. Nikolaus von Burghaus wurde am 31. Juli 1591 geboren. Nach Sinapius, Bd. 1, S. 18 verwaltete er nach dem Tod seines Vaters die „Mönsterbergische“ Landeshauptmannschaft bis 1621, danach trat Sigismund von Bock dieses Amt an. Nach dessen Tod 1631 übernahm Burghaus das Amt wieder. Darauf bezieht sich die vorliegende Gratulationsschrift Opitzens. Am 21. Juli 1637 „resignirte“ Burghaus die Landeshauptmannschaft und starb am 17. Februar 1640 zu Strehlen (Sinapius, ebd., S. 18 f.). Nikolaus Henel widmete Burghaus, ebenfalls zu der Erlangung der Landeshauptmannschaft, eine bereits früher von ihm verfaßte Memorialschrift (BURGHAUSIO - MNEMA , HOC EST , LAUDATIO POSTHUMA) für dessen gleichnamigen Vater. Auch in dieser ebenfalls 1632 veröffentlichten Schrift findet sich ein lateinisches Gedicht Opitzens (Quod rerum Annales). Dieser Memorialschrift, einer Lebensbeschreibung von Burghaus d. Ä., ist ein Widmungsbrief Henels an den Sohn Burghaus vorangestellt, in der er diesen zum neuen Amt beglückwünscht. In der LAUDATIO POSTHUMA selbst geht Henel auch auf die Vita des Sohnes ein: Er war eines von elf Kindern, hatte unter anderem Johann Hoffmann als Erzieher (dies erwähnt auch Opitz in dem deutschen Glückwunschgedicht des vorliegenden Drucks, V. 138 f.) und heiratete Maria Elisabeth von Wartenberg (fol. M1r–v).
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Es wäre zu überlegen, ob beide Drucke nicht praktisch gleichzeitig entstanden sein könnten – der Memorialdruck auf den Vater erschiene so als eine Art „Legitimation“ für das (neue) Amt des Sohnes, das dieser ja praktisch vom Vater geerbt hatte. Auf jeden Fall scheint Opitz, wie ja auch aus dem Text des Widmungsgedichts hervorgeht, von Henels Arbeit gewußt zu haben. Der hier zu behandelnde Druck besteht aus zwei Teilen, dem vorliegenden lateinischen Gedicht sowie daran anschließend (fol. A2v bis zum Ende der Schrift auf fol. A4v) einem deutschen Glückwunschgedicht in 158 Alexandrinern („WI r können freylich nicht fürbey/ mein Vaterlandt/“). Dieses wurde, nun mit der Gedichtüberschrift Auff deß Wolgebornen Herrn/ | Herrn Nicolaus/ Freyherrn von Burg=|hauß vnd Stoltz/ Huldigung wegen der | Hauptmanschafft deß Hertzogthumbs | Mönsterberg wiederabgedruckt in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 25–29. Eine solche Aufteilung in ein lateinisches und ein nachfolgendes deutsches Gedicht findet sich häufig in (Kasual-)Drucken, bei denen Opitz als einziger Verfasser zeichnet. Das lateinische Gedicht stellt hier in der Regel eine Art Eingangsgedicht dar, das auf das – umfangreichere – deutsche Gedicht verweist bzw. zu diesem hinführt. Dies ist wohl auch im vorliegenden Fall zu konstatieren, wenn man davon ausgeht, daß sich die Aussage in V. 9 f. (Me dare verba, … juvat) auf das deutsche Gedicht bezieht. Nicht zuletzt mit der Aufgabe eines Dichters setzt sich das vorliegende Widmungsgedicht auseinander: Nachdem der Sprecher in den ersten vier Versen die Verdienste der Vorväter und die persönlichen des Geehrten hervorgehoben hat, die ihn für sein neues Amt prädestinierten, geht er auf sein eigenes Verständnis von Dichter und Dichtung ein (V. 5 f.), das sich von der eher ernsthafteren Gratulationsdichtung anderer (V. 7 f.) unterscheide. Die zweite Hälfte des Textes erläutert nun entschuldigend sein poetisches Anliegen, wie es sich (gerade im nachfolgenden deutschen Gedicht) äußern wird. Indem er beteuert, in der Nachfolge des Horaz (V. 10) im Scherz die Wahrheit zu sagen, klingt seine Huldigung an den Patronus nicht wie (höfische) Schmeichelei oder die (auftragsgemäße) Lobeshymne eines Dichters. – Versmaß: elegische Distichen. Titelblatt] Der auf dem Titelblatt genannte Ort Johnsdorf ist seit dem 14. Jh. urkundlich bezeugt; zwischen seinen beiden Schlössern verlief die Grenze der Fürstentümer Glogau und Sagan; vgl. dazu die Ausführungen von Georg Streller in Weczerka, S. 211. Das ebenfalls sehr alte Peterwitz liegt in der Nähe von Frankenstein (siehe dazu Gerhard Webersinn in: Weczerka, S. 401). Das im 13. Jh. gegründete Münsterberg wurde im 14. Jh. Herzogssitz; zu seiner Geschichte siehe ausführlich Gerhard Webersinn in: Weczerka, S. 320–324. Frankenstein, im 13. Jh. gegründet, wurde bereits früh Verwaltungsmittelpunkt und erlebte eine wechselvolle Geschichte, meist in Zusammenhang mit dem Herzogtum Münsterberg. Seit dem Ende des 16. Jh. war das Schloß von Frankenstein Sitz von königlichen Landeshauptleuten; siehe dazu Gerhard Webersinn in: Weczerka, S. 95–99. 1 f.] Der hier geehrte Nikolaus von Burghaus stammte aus einer alten Adelsfamilie Schlesiens; vgl. dazu allgemein Sinapius, Bd. 1, S. 10–19. 1] Auch in dem nachfolgenden Glückwunschgedicht hebt der Sprecher die Bildung des adligen Geehrten hervor.
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2] Vgl. im nachfolgenden Glückwunschgedicht, fol. A2v, V. 35–39: „Diß ampt zwar/ dessen müh du vber dich genommen/ | Scheint dir vom Vater her vnd Vaters=Vater kommen/ | Vnd als wie erblich sein; jedoch war jene last | Bey weitem nicht so schwer/ als die so du jetzt hast | In dieser strengen zeit.“ 2 patris] Der gleichnamige Vater von Nikolaus Burghaus wurde 1562 geboren und starb 1619. Nachdem er sich im kaiserlichen Dienst ausgezeichnet und hohe Positionen erworben hatte, wurde ihm von Kaiser Matthias 1615 das Baronat verliehen, 1617 erhielt er die Landeshauptmannschaft des Fürstentums Münsterberg. Zu seiner Vita vgl. auch die Ausführungen in der oben erwähnten Memorialschrift Henels. 2 patrui] Unter den Brüdern des Vaters ist hier wohl Sigismund gemeint, der, so eine an dieser Stelle von Henel zitierte Aussage von Tobias Scultetus ut doctrinâ superiorem, ejus ordinis Nobilem, Monsterbergensis Ducatus nunquam habuerit (fol. B2v). Er war In Judicio regio Ducatus … Adsessurae tätig und zeichnete sich vor allem durch seine Teilnahme an einer Gesandtschaft pro Religionis $ … impetranda an Kaiser Rudolf II. aus, durch die er ab universâ patriâ gratias meruit immortales. Er starb 1611 (siehe auch Sinapius, wie oben, S. 16). 2 avi] Der Großvater des Geehrten, Sigismund (1531–1587), Rat bei den Kaisern Maximilian II. und Rudolf II., der aufgrund seiner Verdienste um das Fürstentum Münsterberg durch Kaiser Maximilian „zu des Fürstenthums Landes=Hauptmanne verordnet“ war und dieses Amt dann einige Jahre „verwaltet“ hatte (Sinapius, wie oben, S. 15 f.; hier auch weitere Details). 7 f.] Hier bezieht sich der Sprecher ganz konkret auf die oben erwähnte Memorialschrift Henels. Der vielseitig gebildete und gelehrte Jurist Nikolaus Henel (1582–1656) wurde 1618 Prokanzler des Herzogtums Münsterberg und des Weichbildes Frankenstein (daher tuus) und lebte nach der Zerstörung Frankensteins 1632 in Breslau, wo er 1639 das Amt des zweiten Syndikus der Stadt erhielt; zur Vita Henels vgl. den Kommentar zu Opitzens Epicedium auf dessen Tochter Rosina aus dem Jahre 1628 (LW 2, S. 362 f.). 8 Castalidumque decus] Der ob seiner Gelehrsamkeit berühmte Henel als Zierde der Musen, auf die hier durch die ihnen und Apollo geweihte Quelle Castalia in Delphi angespielt wird. 9–11] Mit Flaccus ist der römische Dichter Quintus Horatius Flaccus gemeint. Explizit verweist der Sprecher hier auf Horazens berühmte Definition von satirischer Dichtung in Satire 1,1,23–25: praeterea, ne sic, ut qui iocularia, ridens / percurram – quamquam ridentem dicere verum / quid vetat? Zu den Spezifika horazischer Satirendichtung vgl. zum Beispiel v. Albrecht, Bd. 1, S. 575–580. Gleichzeitig grenzt sich der Sprecher hier (V. 10: innocuo … felle) von einer (satirischen) Dichtung ab, für die in erster Linie Iuvenal steht, und die durch den Charakter einer Invektive bzw. durch „Indignation“ (v. Albrecht, Bd. 1, S. 200) gekennzeichnet ist. Eine Anspielung darauf, wie Iuvenal wohl verfahren wäre, ist in V. 11 zu erkennen (opposita vitii caligine). 16 ficto … ore] Wohl Wortspiel, das sich auf die vermeintlich nur der schmeichlerischen Huldigung dienende (und damit unwahrhaftige) „Dichtersprache“ bezieht. [V.M.]
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Quod rerum Annales Trauergedicht auf Nikolaus von Burghaus Dünnhaupt, Nr. 140.2; – BURGHAUSIO-MNEMA, | HOC EST , | LAUDATIO POST|HUMA | PERILLUSTRIS AC GENEROSI DOMINI , | DN. NICOLAI LIB. | BARONIS DE BVRCK-|HAVS, ET STOLTZ; HEREDI-|TARII IN JONSDORF, SCHILD-|BERG, PETERWITZ , LEWEN -| STEIN etc. | RUDOLFI. II, ET MATTIAE IMPP. | CONSILIARII, CAMERAE CAESAREAE | PER UTRAMQUE SILESIAM PRAESIDIS, DUCA -| TUSQUE MONSTERBERGENSIS AC TERRI -| TORII FRANCOSTEINENSIS | PRAEFECTI etc. | Auctore | N ICOLAO H ENELIO U.J.D. | Sacr. Caesar. Regiaeque per Hung. et Bohem. | Majest. Consiliario, ejusdemque Ducatus | ac Territorii Pro-Cancellario. | Accesserunt carmina quaedam in obitum, icona et | insignia gentilitia summi viri scripta, cum aucta-|rio aliorum, ejusdem honori nuncupatorum. | BREGAE | Typis A UGUSTINI G RÜNDERI | A . C. 1632. (Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden: Hist. Germ. biogr. 84), fol. R1v–R2r. Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. Nikolaus von Burghaus (Burckhaus) und Stoltz ist der Name mehrerer Angehöriger eines schlesischen Freiherrngeschlechts. Bei dem vorliegenden Druck handelt es sich, wie aus dem Titelblatt deutlich wird (BURGHAUSIO-MNEMA), um eine Gedenkschrift zu Ehren des bereits 1619 verstorbenen Nikolaus von Burghaus, die von Nikolaus Henel verfaßt wurde. Sie ist gegliedert in ein Widmungsschreiben an dessen gleichnamigen Sohn (fol. ):(2r bis fol. ):():():():(2r), einige Geleitgedichte anderer Autoren in bezug auf diese Schrift, dann die eigentliche LAUDATIO POSTHUMA (fol. A1r–Q1r). In dem sich anschließenden Schlußteil (fol. Q1v–Z1v) mit (lateinischen) Trauergedichten auf Nikolaus von Burghaus d. Ä. befindet sich auch das vorliegende Epicedium Opitzens. Unter der großen Zahl an Beiträgern sind unter anderem Jakob Schickfuß, Caspar Cunrad, Bernhard Wilhelm Nüßler, Melchior Laubanus, Christoph Coler zu nennen. Nikolaus von Burghaus d. Ä. wurde am 12. November 1562 in Frankenstein geboren, bereits sein Vater war Landeshauptmann von Münsterberg gewesen; s. dazu Sinapius, Bd. 1, S. 15 f., zu seiner Familie vgl. auch die Ausführungen in der LAUDATIO POSTHUMA, fol. B1r–B2v. Er erhielt eine sorgfältige Erziehung und absolvierte eine ausgedehnte peregrinatio academica, die ihn über die Universitätsstädte Leipzig, Straßburg, Basel, Genf, verschiedene Universitäten in Italien (s. Zonta, S. 169, Nr. 126), Paris bis nach London, Oxford und Cambridge führte (vgl. LAUDATIO POSTHUMA, fol. B3v–E1r). Sein Aufstieg vollzog sich rasch: 1588 wurde er „im Mönsterbergischen zum Beysitzer im Königlichen Mannrecht erkohren, 1596. der Schlesischen Cammer zu einem Königl. Rath beygefügt, 1601. nach Prage zum Hof=Cammer=Rath versetzt“ (Sinapius, Bd. 1, S. 17). Als „Königl. Commissarius und Direktor der Cammer daselbst“ absolvierte er in den Jahren 1602 bis 1604 Gesandtschaftsreisen nach Oberungarn und Siebenbürgen; 1611 wurde er von König Matthias „zum Schlesischen Cammer =Präsidenten verordnet“ (Sinapius, ebd.). 1615 wurde er in den Freiherrnstand erhoben, 1617 erhielt er das Amt des Landeshauptmanns im Fürstentum Münsterberg. Er starb am 1. Juli 1619. Im Widmungsschreiben, fol. ):():(2r, nennt Nikolaus Henel den Grund für die Publikation dieses Druckes: LAUDATIONEM ecce POSTHUMAM Illustris ac Generosi Domini
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Parentis Tui, multis quidem abhinc annis eorum, quibus parere debui, autoritate atque hortatu à me conscriptam, sed nuper admodùm, non sine accessione aliquâ recognitam, hac ipsâ Tibi occasione do, dedico, offero. Bei der hier erwähnten occasio handelt es sich um die Amtseinführung von Burghaus d. J. in die Landeshauptmannschaft des Fürstentums Münsterberg 1632, zu der im übrigen Opitz in einem eigenen Kasualdruck mit einem lateinischen (BU rghusi, Musis dilectum) und einem deutschen Gedicht gratulierte (LW 3, S. 357). Beide Drucke sind wohl in enger Verbindung zu sehen, da Opitz in dem lateinischen Glückwunschgedicht auf die Memorialschrift Henels Bezug nimmt; siehe dazu den Kommentar zu BUrghusi, Musis dilectum. Das im vorliegenden Epicedium behandelte Thema – der frühe Tod der Rechtschaffenen und die verhängnisvollen Zeitläufte – bildet auch in anderen Gedichten Opitzens aus dieser Zeit die Kernaussage; vgl. zum Beispiel das Memorialgedicht für Johann Matthäus Wacker von Wackenfels (VI derat haec, animo) von 1630 (LW 2, S. 112). – Versmaß: elegische Distichen. 4 imperii signa ruentis] Inwieweit Opitz von den zu seiner Zeit aktuellen apokalyptischen Gedanken etwa eines Jakob Böhme erfaßt war, ist anhand dieses kurzen Textes nicht zu klären. Nach der vor allem aus dem Buch Daniel 7,1–8, entnommenen Vierreichelehre war das Heilige Römische Reich Deutscher Nation das letzte in einer teleologisch konstruierten Geschehensabfolge, so daß sein Untergang zugleich den Untergang der Welt bedeutet hätte. Zu den zeitgenössischen Vorstellungen vgl. die knappe Einführung von Wilhelm Schmidt-Biggemann: Apokalypse und Millenarismus im Dreißgjährigen Krieg, in: 1648 – Krieg und Frieden in Europa …, hrsg. von Klaus Bußmann u. a. Textband 1, o.O. 1998, S. 259–263. 7 f.] Vgl. die Charakterisierung von Burghaus als Vertreter des (juristisch) gebildeten Adels in Opitzens Gedicht auf seinen Sohn: „Dein Vater/ welcher auch noch in der ersten jugendt | So löblich hat gesucht die grosse bahn der Tugendt/ | Dem ein Cujacius/ ein Sturm/ ein Hotomann/ | Mehr lieb war als ein mensch der reich ist vnd nichts kan …“ (wiedergegeben nach dem Erstdruck des Gedichtes, fol. A3v; siehe dazu den Kommentar zu BU rghusi, Musis dilectum). [R.S.]
CO nsulte legum Epithalamium für Johann Ludwig Tallinger und Maria Wagner Dünnhaupt, Nr. 143; – AMORIBVS | JOHANNIS-LUDOVICI | TALLINGER, I SLEB. S AXON . J.U. | Candidati. | Viri | Nobiliss!im"i, Clariss!im"i, Excellentissimi | D!omi "ni | A NDREAE T ALLINGER Austri-|aci, J.U.D. Electoris Saxoniae in Co-|mitatu Mansfeldiensi Isleb!iae" Substituti | bene meriti, relicti filii; | et | Amabiliß!im"ae Honestiß!im"aeque Matronae | MARIAE WAGNERIN. | D!omi"ni Z ACHEI M IMMERS Mer-|catoris VratisL!aviensis" p!iae" m!emoriae" Viduae. | Sponsor !um" lectißimorum | adornatis!simorum" | festivâ et votivâ solemnitate | ad d. VIII. Iduum Xbris | faventium et voventium amicor !um" |
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consecrata | SYNCHARMATA . | VratisL!aviae" Ann!o" MDCXXXII . Typis exscripsit Georg!ius" Baumann. (UB Breslau: 355118), fol. A2v. Unsere Wiedergabe erfolgt nach dem Erstdruck. Über das Brautpaar sind nur wenige Angaben zu finden, die über das hinausgehen, was auf dem Titelblatt aufgeführt ist. So ist anzunehmen, daß der zum Zeitpunkt der Vermählung seines Sohnes bereits verstorbene Andreas Tallinger (1570–1632?) aus einer österreichischen (protestantischen) Exulantenfamilie stammte, die aufgrund kaiserlich-habsburgischer Repressionen aus ihrer Heimat weichen mußte. 1617 erschien in Eisleben bei Jacob Gaubisch eine Trauerschrift (BlumenSpiegel/ Bey der Christlichen … Leichbestetitung) anläßlich des Todes eines gleichnamigen Sohnes von Andreas Tallinger, wobei letzterer auf dem Titelblatt als „beyder Rechten Doctoris/ vnd des Churfürstlichen/ Sächsischen OberauffseherAmpts zu Eißleben/ wohlverordneten Substituti“ bezeichnet wird. Ein Andreas Tallinger agierte wiederholt um 1600 als Praeses bei akademischen Disputationen in Wittenberg. Johann Ludwig Tallinger studierte in Leipzig; im dortigen Matrikelverzeichnis ist er aufgeführt als Tallinger [Thalinger?] Ioh. Lud. Witeberg. n. 6 gr. i W 1611 S 13, iur. et compl. R. Ioh. Heintzio (Erler, S. 459). Den Anspielungen in anderen Gedichtbeiträgen des vorliegenden Drucks nach war die Braut bereits vorher zweimal verheiratet; vgl. zum Beispiel die Verse 17–20 in dem auf Opitzens Gedicht folgenden Epithalamium von Jakob-Martin Schickfuß von Neudorff (fol. A3r): Tum bona si primo fuerat, nec inepta secundo, / Vlterius trino stabit amore viro. / Hinc potes hanc tutò Tibi ducere, Sponse Maritam: / Quicquid enim binis praestitit, haud renuet. Der Hochzeitsdruck umfaßt die Gedichte von zwölf Gratulanten und somit relativ wenigen Beiträgern, doch sind darunter einflußreiche Persönlichkeiten dieser Zeit zu finden, so gleich als erster Jakob Schickfuß von Neudorff, darüber hinaus Daniel Hermann, Christoph Freiwaldt, Elias Major. Opitzens Gedicht ist als fünftes in dieser Reihe abgedruckt. Das Gedicht widmet sich einem Thema, das Opitz auch schon in früheren Epithalamien (so in dem Hochzeitsgedicht von 1619 für den verwitweten Bunzlauer Ratsherrn Johann Tscherning und Anna Wolfram, Qvid mihi cum viduo?; siehe unsere Edition, Bd. 1, S. 162–165) gerne scherzhaft aufgegriffen hat: Ob es besser sei, einen Witwer bzw. eine Witwe zu heiraten oder jemanden, der bis jetzt noch unvermählt war. Anlaß dafür ist die Handlungsweise des Bräutigams, der sich ausgerechnet in dem ob seiner Jungfrauen ausgezeichneten Breslau eine Witwe als Braut erkoren habe, wie der sehr lange erste Satz (V. 1–10) des Epithalamiums ausführt, in dem gleichsam über die Vorgeschichte dieser Eheverbindung informiert wird. Während jedoch der Bräutigam nur kurz im ersten Vers in bezug auf seinen Status als Jurist und Gelehrter charakterisiert wird, widmet sich der Sprecher in den Versen 2 bis 5 eingehend einer Beschreibung Breslaus und rühmt hier nicht nur die besondere Stellung der Stadt hinsichtlich ihrer Frauen, wie es der Gedichtanlaß nahelegt, sondern stellt zudem die Stadt auch als einzigen verbliebenen Hort des Friedens dar. Mit den Versen 6 und 7 wird das eigentliche Geschehen im Hinblick auf die Person des Bräutigams geschildert, wobei sich V. 6 auf die in V. 2 beschriebenen virgines zurückbezieht. Ihnen wird in V. 8–10 die Gestalt der Braut gegenübergestellt, die sich trotz ihrer Witwenschaft alle von einer puella erwarteten Eigenschaften bewahrt habe. Nachdem so ein Haupteinwand gegen diese auf den ersten Blick unpassende Heirat ent-
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kräftet ist, wird ein mögliches zweites Gegenargument – die Kinder aus früheren Ehen – in den letzten vier Versen nicht nur zurückgewiesen, sondern ins Positive gewendet. Damit ist gleichzeitig der für ein Epithalamium obligate Nachkommenswunsch verbunden. – Versmaß: Hinkjamben. 1 Phoebi amor] Tallinger als Dichter und Gelehrter. Zumindest in einem bei Ritzsch erschienenen Leipziger Hochzeitsdruck aus dem Jahre 1626 (Euphemiai Gamikai Festivitati Nuptiarum, Quam … Georgivs Tobias Schvvendendorffer, J.U. Licent. Soinsus, Cum … Concordia … Bartholomaei Goelnitzen JCti: Professoris in almâ hac Lipsiensi publici, … filia, Sponsa … die 28. Novembris Anni Or. 1626. Lipsiae … celebravit.) wird er als Beiträger genannt. 2–4] Der Sprecher evoziert hier durch seine Wortwahl das Bild Breslaus als einer Matrone, die stolz auf ihre Töchter sein kann, und verbindet damit das Bild einer dafür prädestinierten Regentin über die an sie angrenzenden Gebiete. 4 Amoena rectrix vrbium Venustarum] Wohl Anspielung auf die Landeshauptmannschaft über das Fürstentum (Herzogtum) Breslau, die der Rat (bzw. der Ratsälteste) Breslaus von ca. 1359 bis 1635 (Prager Frieden) innehatte. Zu diesem gehörten die Landkreise Breslau und Neumarkt sowie der Landkreis von Namslau; vgl. Stein, S. 22, und passim, sowie Wolf-Herbert Deus: Breslau, in: Weczerka, S. 38–54, hier S. 43. Mit der Landeshauptmannschaft gewann Breslau eine „führende Rolle im Kreise der Herzogtümer und Fürstentümer von Schlesien“ (Deus, ebd.). 4 vrbium Venustarum] Durch die Wortwahl (wie durch die Großschreibung) Hinweis auf Venus. Gleichzeitig wird deutlich, daß Breslau als rectrix die Verbindung dieser Städte zur Liebesgöttin noch übertrifft. Auch in dem Epithalamium für David Seifert und Martha Franck (QV ae tibi mens) von 1629 wird Breslau mit Venus in Verbindung gebracht (V. 3–6): Cerne tot ingenuas haec intra moenia formas: / Iudice me tellus non feret vlla pares. / Delia Diana est, è Cypro mater Amorum: / Bresla decus terrae mille alit vna deas. 5 Tot bellaque inter dîs volentibus tuta] Dies bezieht sich wohl auf die zeitgenössische Situation und den Versuch Breslaus, seine Neutralität zu wahren, obwohl entsprechende Forderungen von beiden Kriegsparteien an die Stadt herangetragen worden waren. In erster Linie ist an die Vorgänge im September 1632 zu denken: Das Heer der verbündeten Truppen Schwedens, Sachsens und Brandenburgs hatte die Kaiserlichen bei den Steinauer Schanzen geschlagen, die sich alsbald genötigt sahen, sich zunächst bis Breslau zurückzuziehen, und dort am 5. September eintrafen. Beide Parteien suchten daraufhin die Stadt zur Parteinahme zu nötigen; am 7. September (die protestantischen Verbündeten hatten sich mittlerweile vor der Stadt gelagert) brannte der kaiserliche Kammerpräsident Dohna vom Stadtwall ein Geschütz ins sächsische Lager ab, um Breslau auf die Seite der Kaiserlichen zu ziehen. Daraufhin erhob sich ein Tumult, und Dohna mußte heimlich aus der Stadt ins kaiserliche Lager geschafft werden. Wenig später floh das kaiserliche Heer nach Oberschlesien. Hierauf nahmen die Schweden und Sachsen den Dom und die Sandinsel ein; hinsichtlich der Forderungen der protestantischen Verbündeten, in der Stadt eine Garnison einzuquartieren, konnte Breslau einen Kompromiß erreichen. Vgl. dazu Hermann Palm: Die Conjunction der Herzöge von Liegnitz, Brieg und Oels, so wie der
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Stadt und des Fürstenthums Breslau mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg und der Krone Schweden in den Jahren 1633–35, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 3 (1861), S. 227–368, vor allem S. 237–241. Über das Lavieren der Stadt zwischen den Kriegsparteien in dieser Zeit vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Krebs, Rat und Zünfte, vor allem S. 30–57. Im Gegensatz zu Opitzens Formulierung steht im übrigen folgender Wunsch in dem Gedicht Christoph Freiwaldts (fol. A2r; V. 7): O sic pax patriis reddatur et aurea terris. 11–14] Vgl. die Verse 1–8 in Opitzens Glückwunsch anläßlich der Geburt des Sohnes von Michael und Helena Bartsch (NU nc demum, fateor) aus dem Jahre 1624 (LW 2, S. 2). 13 Faustum siet quod occipis] Scherzhafte Anspielung auf feierliche (alt)römische Wunschformeln wie quod bonum faustum felix fortunatumque sit. [V.M.]
AM biguis belli Epicedium für Samuel Seidel Dünnhaupt, Nr. 144; – Christlicher Leich=Sermon/ | Bey der Ansehnlichen Leichbestettigung | deß Weyland Edlen/ Vesten vnd | Mannhafften | Herrn Samuel Seidel‚ | von Breßlaw/ Ihrer Königlichen Majestät | in Schweden/ Hochseligsten Angedencken‚/ vnter | Ihrer Excellentz Herrn Generaln | Wachtmeister/ | Herrn Didoni‚ von Knip =vnd | Innhausen/ etc. wolbestelten | Capitaine‚/ | Welcher den 28. November Anno 1632. vor | der Vestung Pleissenburg zu Leipzig/ mit einer Muß=|queten =Kugel/ von dem Feind getrof fen/ darvon er den 15. | Decemb. sein Leben auffgeben/ vnd der Cörper den 28. Decemb. mit | Ritterlichen vnd Christlichen Ceremonien in der Pauliner Kirchen | zur Erden bestattet worden/ | Gehalten durch | P OLYCARPUM Leysern/ D. Pfarrern/ | Professorn vnd Superintendenten daselbst. | Leipzig/ | Gedruckt bey Abraham Lamberg‚ sel. Erben. | A NNO M. DC. XXXIII. (Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha: LP P 8o V, 00024 [12]), S. 15. Unsere Wiedergabe folgt dem Erstdruck. Der Trauerdruck ist zu gliedern in die (deutsche) Leichpredigt, daran anschließend eine (lateinische) Aufforderung des Rektors an die Mitglieder der Universität Leipzig, dem Verstorbenen (als ehemaligem Studenten) die letzte Ehre zu erweisen, sowie einige (in erster Linie lateinische) Trauergedichte. Relativ ausführliche Angaben zur Vita des Verstorbenen können der Leichpredigt (hier fol. C4v–D3r) Polycarp Leysers entnommen werden, ebenso dem Schreiben des Rektors. Wie Leyser ausführt, wurde Samuel Seidel am 10. Januar 1610 in Breslau als Sohn von „Petrus Seydel/ Bürger vnd Goldtschlager daselbst“ und dessen Frau Maria „aus einem alten Vornehmen Geschlechte der Engel“ geboren (fol. D1r), die dann nach dem frühen Tode ihres Mannes mit Johann Hotz einen Berufskollegen heiratete. Nachdem Samuel in Breslau eine gute Schulbildung zuteil geworden war (so besuchte er ab 1621 das Elisabethgymnasium, an dem neben dem Rektor Michael Pol unter anderem
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David Rhenisch und Elias Major wirkten), begann er 1624 mit studia Philosophica an der Universität Leipzig, dann ebenfalls dort mit einem Jurastudium. Aufgrund der in Leipzig grassierenden Pest kehrte er 1626 wieder nach Breslau zurück, wurde Hofmeister bei Georg von Lindeiner auf Schlewitz und begab sich hernach auf Reisen (Lübeck, Hamburg, Dänemark, Mecklenburg). In Rostock trat er in die Kaiserliche Armee ein und wurde „Musterschreiber“ bei dem Oberst Hebron, nach dessen Tod er sich dem Regiment des Duc de Savelli anschloß. „Als aber daß Savellische Regiment licentiret worden/ Er auch gesehen/ daß Er mit gutem Gewissen solcher armée lenger nicht beywohnen köndte/“ wechselte er die Seiten und wurde Fähnrich in der schwedischen Armee und hier später Leutnant im Regiment von Oberst Damietz. Nach der Eroberung von Würzburg wurde ihm von Oberst Johann-Just von Rhein, der im Anschluß an Damietz dieses Regiment befehligte, die Hauptmannschaft „vber eine Compagni zu Fuß“ übertragen. Unter dem auch auf dem Titelblatt genannten Oberst von In- und Kniphausen nahm er „für dem Jahre in der Leipzigischen“ Schlacht (hier handelt es sich wohl um die Schlacht bei Breitenfeld nördlich von Leipzig Mitte September 1631) und in der „newlichen Lütznischen Schlacht“ teil. (Gemeint ist hier die Schlacht von Lützen, südlich von Leipzig gelegen, am 6./16. November 1632 zwischen den Kaiserlichen unter Wallenstein und der schwedischen Armee unter Gustav Adolf, der in dieser Schlacht fiel.) Am 28. November „ist er … vor hiesiger Vestung Pleissenburg mit etlichen Musquetirern commandiret gewesen/“ (die Pleißenburg gehörte zum Befestigungssystem der Stadt Leipzig und befand sich ab dem 23. Oktober 1632 im Besitz der Kaiserlichen; vgl. Zedler, Bd. 28, Sp. 798) „da er dann auß verhängniß Gottes vnversehens deß Nachts zwischen 11. vnd 12. Vhren/ durch den rechten Arm mit einer MußquetenKugel geschossen: vnd wiewol also bald an fleissiger Cuhr vnd gutem Rhat deß Herrn Medici vnd Chirurgi nichts gemangelt/ so ist doch vber alles verhoffen der kalte Brandt darzu geschlagen/“ (fol. D2v); nach frommer Vorbereitung auf den Tod starb er dann am 15. Dezember. Die Trauergedichte sind hierarchisch angeordnet und beginnen mit dem des Universitätsrektors Daniel Putscher, ihm folgen Texte von Christoph Preibisius, weiterer Universitätsangehöriger und der Leipziger Geistlichkeit. Das Gedicht Opitzens steht an 13. Stelle (bei insgesamt 30 Beiträgern). Ihm schließen sich unter anderem Gedichte von Adam Olearius und Paul Fleming an, die sich beide damals noch in Leipzig aufhielten; zu Flemings Gedicht vgl. Paul Flemings lateinische Gedichte, hrsg. von Johann Martin Lappenberg. Amsterdam 1969 (Photomechanischer Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1863 [= Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 73]), S. 276 und 548. Gedichte verschiedener Breslauer und anderer Schlesier, zuerst das von Christian Cunrad, bilden den Abschluß. Demnach wurde Opitzens Epicedium (wohl als einziges Gedicht eines „Auswärtigen“) zwischen die Texte der Leipziger Honoratioren eingeordnet. Opitzens Gedicht fällt in die Zeit nach der Flucht seines Dienstherrn, des katholischen Kammerpräsidenten Karl Hannibal von Dohna, aus Breslau (September 1632), als „die Protestanten die Oberhand gewannen“ und „die Kaiserlichen aus fast ganz Schlesien“ verdrängten (Szyrocki, S. 100). Gründe dafür, daß Opitz überhaupt mit seinem Text kondolierte, könnten persönliche Beziehungen oder Verbindlichkeiten sein; so hatte er 1630 bei seinen Aufenthalten in Leipzig einige Kontakte (wohl gerade zur Universität) geknüpft, wie seine damals entstandenen Stammbucheinträge für Paul Fleming und andere
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beweisen. Des weiteren scheint es sich bei dem Verstorbenen um das Mitglied einer angesehenen Breslauer Bürgerfamilie zu handeln, wie aus der Leichpredigt und dem Schreiben des Rektors hervorgeht. Immerhin hatte Seidel wohl nur kurze Zeit, als ganz junger Mann, in Leipzig studiert, so daß die Würdigung durch die akademische Prominenz schon auffällt. Das Gedicht zeichnet das Bild eines tapferen Soldaten, der unter Einsatz seines Lebens für das eintrat, was er als das Wesentliche ansah. Die vier ersten Verse spielen wohl darauf an, daß er zuerst in der kaiserlichen Armee diente. Dies wird jedoch, wie augenfällig bereits das erste Wort des Gedichtes verdeutlicht, damit gerechtfertigt, daß zu dieser Zeit die eigentlichen Kriegsgründe noch nicht offen zutage traten. Nachdem aber Samuel Seidel erkannt hatte, daß es bei diesem Krieg nicht darum ging, sich ehrenvoll auszuzeichnen (V. 4), sondern daß um letztlich Existentielles, um das Seelenheil, gerungen werden mußte, änderte er sein bisheriges Leben schlagartig (dies wird verdeutlicht durch At am Anfang von V. 5): Er läuft zur ‚richtigen Seite‘ über – dies im Bewußtsein (betont durch das zweimalige certus), daß es hier im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod gehe (V. 7 f.) – und erweist sich in seiner Übereinstimmung von Gesinnung und Handeln (V. 9 f.) bis zum Ende der irdischen Existenz als wahrer miles Christi. Dadurch wird er jedoch gleichzeitig zum exemplum ex negativo für diejenigen, denen eine solche Einstellung fremd ist, wie sich aus dem sentenzenhaften letzten Distichon vielleicht schlußfolgern läßt. – Versmaß: elegische Distichen. 1 f.] Im Unterschied zu den meisten anderen Gedichten dieses Drucks wird in Opitzens Epicedium das Thema des Krieges als Glaubenskrieg angesprochen, und dies bereits zu Anfang. Dabei handelt es sich um ein Thema, das Opitz immer wieder ein Anliegen war. 4 Laudemqve, et qvod nunc nobile nomen habet] Mit laus verbindet sich eher der Ruhm bzw. die Anerkennung in der jeweiligen Gegenwart; hier könnte es sich also durchaus um eine Wertung des Sprechers handeln in dem Sinne, daß Samuel Seidel auf diesem früheren Irrweg noch ganz am Irdischen orientiert war. Dem entspräche dann et qvod nunc nobile nomen habet. 5 f.] Samuel Seidel wird auch in der Leichpredigt, fol. D2v, als überzeugter Protestant geschildert: „Seine Religion vnd Glaubensbekentniß betreffende/ ist er bey der einmal erkandten vnnd bekandten Warheit/ so in Gottes Wort/ der reinen vngeenderten Augspurgischen Confession vnd derselben Apologia begrieffen/ bestendig biß an sein seliges Ende verbleiben“. 11 f.] Durch die Wortwahl (Mors; vivere) verdeutlicht der Sprecher den Gegensatz zum exemplarischen Handeln Samuel Seidels (V. 7 f.: vivere … mori ). [V.M.]
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Sarmaticas tecum positus Epicedium für Johannes Muck von Muckendorff Dünnhaupt, Nr. 145; – FVNVS ACERBVM | IOHANNIS MVCCI | ADOLESCENTIS AD | OMNIA SVMMA | NATI | EPICEDIIS CARMINIB !VS " | C ELEBRATVM . – o. O., o. J. [1633] (UB Breslau: 524812), fol. B4r. Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. Zum Tod von Johannes Muck d.J. erschienen insgesamt mindestens fünf Trauerdrucke. Aus dem Titelblatt eines von ihnen, der bei Baumann in Breslau gedruckten #E P , A D Beati, Nobilis et florentissimae quondàm Spei Adolescentis, J OANNIS M UCC I â M UCKENDORF , In Ducali Urbe Siles., L IGNICIO, An. M. DC. XVI. Die XV. Aug. … nati; Et D EO sic volente, In Inclutâ Urbe Boruss., T HORUNIO, A N . M. DC. XXXIII. Die XXVII. Jan. piè denati … parentem … , geht hervor, daß Muck im Januar 1633 sechzehnjährig starb. Ebenso wie Opitzens Text richten sich viele weitere Epicedien, auch in den anderen Trauerdrucken, mit ihren Trostworten an den gleichnamigen Vater. Über ihn heißt es in Johann Heinrich Cunrad: Silesia togata sive Silesiorum doctrina et virtutibus clarissimorum elogia, singulis distichis comprehensa … Liegnitz 1706, S. 192: JOHANNES MUCK a Muckendorff, U.J.D. Illustriss. Pr. Ligio-Bregens. Consiliarius. Er starb demnach am 28. Januar 1641 in Thorn; darauf geht das ihm gewidmete Distichon ein: Qui Ligii poteras Consus Ducis esse celebris, / Miror, Thorunii te voluisse mori. Sinapius, Bd. 2, S. 819, führt über „Die von Mukkendorff“ aus: „Ein in Schlesien im schönsten Flor gestandenes Geschlecht“ und nennt als ersten „Johannes Muck von Muckendorff, J.U.D. Fürstl. Rath zu Lignitz, starb zu Thoren in Preussen 28. Jan. 1641. dessen Ehe gewesen mit Christina Mylia, welche zu Lignitz 1620 gestorben, noch nicht 20. Jahr alt, und bey der ehemahligen S. Johannis Kirche allhier begraben worden.“ Nach Pusch, Bd. 3, S. 104, war die Familie Muck oder Mücke bereits im 16. Jh. im Weichbild von Lüben im Fürstentum Liegnitz ansässig; das Familiengut Muckendorf gehörte dann auch Johannes Muck d.Ä. Er, dessen Geburtsdatum nicht bekannt ist, begann (nach Pusch, ebd.) im Wintersemester 1602 ein Jurastudium in Leipzig, wo er 1604 die akademische Würde eines Baccalaureus artium und 1606 die eines Magisters erlangte. Im selben Jahr erschien in Leipzig bei Lamberg eine Disputatio physica de pica seu malacia, für die der Student der Medizin M. Johannes Muccius aus Breslau als Author und Praeses genannt wird; vgl. Zedler, Bd. 22, Sp. 4. In eben dieser Funktion trat er auch bei einer Disputation in Jena 1610 auf. Hier hatte er sich im Sommersemester 1609 immatrikuliert. Zusammen mit den Herzögen Georg Rudolf von Brieg und Liegnitz und Karl Friedrich von Münsterberg-Oels schrieb sich der magister Johannes Muccius Vratislaviensis, Ligio-Bregensis als ducis informator im Sommersemester 1611 in Frankfurt/Oder ein; s. Friedländer, S. 552. Nach Zonta, S. 266, war Johannes Muck Bresla-Silesius im Gefolge des Herzogs von Liegnitz im September 1613 in Padua immatrikuliert, im Oktober/November 1613 in Siena. Zu dieser Reise des jungen Herzogs Georg Rudolf, auf der ihn Muccius als Hofmeister begleitete und die 1612/13 durch Deutschland, Italien, Frankreich und die Niederlande führte, vgl. Ferdinand Cohn: Das Herbar von Georg Rudolph, Herzog in Schlesien, zu Liegnitz und Brieg, aus dem Jahre 1612. Breslau 1892 (Sitzungsberichte der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur in Breslau. Botanische Section), S. 11. Muck d.Ä., der bereits während seiner Studienzeit Beiträger in
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Kasualschriften war, ist mit entsprechenden Texten auch bei Anlässen in seiner Liegnitzer Zeit (wohl ab 1612) vertreten, so in der Kondolenzschrift auf den 1617 verstorbenen Liegnitzer Rektor Nicolaus Ludovicus, zu der auch Opitz ein Gedicht beisteuerte (vgl. LW 1, S. 48 und S. 311); allerdings ist das Gedicht von Muck, der damals bereits Rat des Herzogs von Liegnitz war, viel weiter vorne im Druck plaziert. 1622 wurde Muck, gemeinsam mit seinem in Breslau ansässigen Vetter Peter, mit dem Prädikat „von Muckendorff“ in den „rittermäßigen Adelsstand erhoben“ (Pusch, Bd. 2, S. 104). Wie aus den entsprechenden Gratulationsschriften hervorgeht, hatte er am 22. September 1615 Christina, die Tochter von Dr. phil. und med. Johannes Mylius, geheiratet. Am 15. August 1616 kam dann der Sohn Johannes in Liegnitz zur Welt; vgl. dazu die Glückwunschschrift von Nicolaus Ludovicus: Vota amica pro filiolo … feliciter nato … . Liegnitz 1616. Christoph Coler, ein guter Freund von Opitz (vgl. LW 2, S. 336–338), bewarb sich im Herbst 1629 um die Stelle als Erzieher bzw. Hauslehrer für Johannes Muck d.J. und hoffte hierbei auf Opitzens Hilfe; s. dazu Hippe, S. 21 f. und S. 213, Anm. 73 bzw. 74. In Opitzens Antwortbrief vom 28. Oktober 1629 heißt es dazu (Conermann/Bollbuck, S. 759): Cum Muckio nimium amicitiae mihi non intercedit; et rectius hoc facere potest Nüslerus, quem tui caussa statim monebo. Coler, der die Stelle im April 1630 angetreten hatte, fühlte sich in Muckendorf anfangs durchaus wohl (vgl. Reifferscheid, S. 395), doch änderte sich dies schnell und er schied bereits nach etwa einem halben Jahr von dort. Sein Briefwechsel nennt die Gründe dafür, so in einem Brief an Opitz vom November 1630 (In parte felicitatis meae pono, quod exemptus pistrino illo duro; Conermann/Bollbuck, S. 889); in einem Brief an Bernegger 1631 (Reifferscheid, S. 454) heißt es: … duros … mores aequo animo pertuli, donec tandem in pistrinum Muccii ignorantis et invidi hominis protruderer. Opitzens Epicedium ist in der Sammlung FVNVS ACERBVM an elfter Stelle von insgesamt fünfzehn Gedichtbeiträgen abgedruckt. Als erster erscheint der Text von Georg Gerhart, Rat der Herzöge von Münsterberg-Oels, dann folgen die Beiträge von Verfassern, die zum größten Teil beruflich mit dem Herzogtum Brieg verbunden waren, so Johannes Neomenius, Bernhard Wilhelm Nüßler, Balthasar Leuschner, Melchior Lauban, Christoph Wittich. Auch Opitzens Gedicht wurde, wie die Unterschrift betont, in Brieg verfaßt. Mit dem letzten Beitrag, dem von Jeremias Tierenberger, einem Notarius aus Oels, schließt sich der Kreis zum Anfang des Druckes. Das Epicedium wendet sich an den trauernden Vater. Am Anfang (V. 1–4) wird nüchtern eine Tatsache konstatiert: Der im gesamten Gedicht nicht namentlich genannte, doch zu den größten Hoffnungen berechtigende Sohn ist gestorben, als beide in der Fremde weilten. Die Beziehung von Vater und Sohn wird augenfällig in V. 4 durch Stilmittel, die die enge Beziehung beider betonen. Mit der Formulierung eines traditionellen Trostmotivs in den Versen 5–8 findet dieser eher persönlich gehaltene erste Teil seinen Abschluß. Mit den nachfolgenden Versen wendet sich das Gedicht ins Allgemeine, die Argumentation im einzelnen bleibt allerdings dunkel. Deutlich wird nur die Rückbindung des individuellen Todesfalles an das Schicksal des Vaterlandes, im einmontierten Epitaphium (V. 11 f.) erkennbar an der chiastischen Stellung von Iacet und jacebat. Nähere Aufschlüsse ergäben sich möglicherweise aus einer genauen Analyse aller Texte, die in den diversen Epicediensammlungen anläßlich des Todes von Johannes Muck d.J. enthalten sind. – Versmaß: elegische Distichen.
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1 Sarmaticas … ad oras] Opitz verwendet die Bezeichnung „Sarmaten“ in Beziehung auf Polen auch in anderen Texten, vgl. dazu LW 1, S. 470. Aus anderen Gedichten ist zu erschließen, daß Johannes Muck d.Ä. mit seinem Sohn aufgrund der Notsituation in Schlesien nach Thorn auswich, weil er sich dort Sicherheit erhoffte; vgl. im vorliegenden Druck folgende Verse im Gedicht von Christoph Wittich, das Opitzens Epicedium unmittelbar vorausgeht, fol. B3v: Lignicium huncce tuum matris suscepit ab alvo, / At nunc defuncti Thorunium ossa tegit. / At pia perduxit natum pia cura parentis, / Mentemque ingenuis artibus excoluit. / Stricto eheu patriam devastat acinace bellum: / Thorunij at laeta moenia pace vigent / Hinc pater et natus Bellonae habitacla reliquit / Thorunij optavit pacis honore frui. 3–6] Johannes Muck d.J. besuchte vermutlich das angesehene Gymnasium in Thorn, dessen „Wirkungsbereich“ in seiner Blütezeit während des 17. Jh. nicht nur das Territorium von Königlich Preußen (Westpreußen) „und den gesamten polnisch-litauischen Staat umfaßte“, sondern das „auch die Schüler aus den Nachbarländern anzog“, hauptsächlich Protestanten (Stanisław Salmonowicz: Rechtslehre und Rechtswissenschaft am Thorner Gymnasium Academicum im 17. Jahrhundert, in: Europa in der Frühen Neuzeit …, hrsg. von Erich Donnert, Bd. 3, Weimar u. a. 1997, S. 489–497, hier S. 489). Wohl seit 1568 besaß die Schule den Status eines Akademischen Gymnasiums, 1594 wurde eine zweijährige classis suprema eingerichtet. Johannes Mucks Kommilitonen widmeten ihm eine eigene Trauerschrift: LACHRYMAE in Praematurum, eoque acerbum Obitum IOHANNIS MUCCII à Muckendorff / Adolescentis quà genus Nobile, quà mores, quà studia, quà indolem multa et praeclara minantem, undecunque desideratissimi, FVSAE à Commilitonibus Praesertim iis, qui corporis innocui exuvias terrae matri mandandas partim suis humeris fulserunt, partim verò utrinque latera stiparunt, supremo amoris atque officii erga piè defunctum argumento. … [o.O., o. J.]. 6 maiora annis … acta suis] Die topische Wendung findet sich auch in der Vorrede zu LACHRYMAE (s. voriges Lemma), fol. A2v, wo von des Jungen voce et actione supra aetatem matura die Rede ist. Die ganze Passage erinnert an Sentenzen wie „Jung stirbt, wen die Götter lieben“. 7 jam caeli traductum ad templa] Ein im Himmel befindlicher Tempel wird mehrfach gerade in der Offenbarung des Johannes erwähnt, vgl. zum Beispiel Apk 7,15; 11,2; 15,5–16,1. 9 f.] Die dunkle Passage könnte eine Anspielung auf den Tod König Gustav II. Adolfs in der Schlacht bei Lützen im November 1632 enthalten, dann wäre Desiit … patria … mori vielleicht defätistisch im Sinne eines endgültigen Untergangs der protestantischen Schlesier zu verstehen. 11 f.] Bei diesem Distichon handelt es sich gleichsam um ein Epitaphium in nuce, bei dem die gattungskonstituierenden Elemente enthalten sind. Vgl. dazu Wulf Segebrecht: Steh, Leser, still! Prolegomena zu einer situationsbedingten Poetik der Lyrik, entwickelt am Beispiel von poetischen Grabschriften und Grabschriftenvorschlägen in Leichencarmina des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 52 (1978), S. 430–468, vor allem S. 434–438. Der argute Charakter der beiden Verse erweist sich vor allem im Hinblick auf den Gegensatz von iacere und stare. Inhaltlich erscheint das Distichon etwas kryptisch. So könnte es sich um eine Anspielung
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auf zeitgenössische Ereignisse handeln, etwa auf die Situation, die zur Übersiedlung von Vater und Sohn Muck nach Thorn führte. Außerdem hatten zu Anfang des Todesjahres von Johannes Muck, 1633, die Sachsen Stadt und Fürstentum Brieg besetzt, daraufhin drangen die Kaiserlichen unter Wallenstein in das Gebiet ein, und während des ganzen Jahres 1633 herrschte im Land ein Kleinkrieg mit entsprechenden Ausschreitungen; vgl. Heinrich Schoenborn: Geschichte der Stadt und des Fürstentums Brieg. Brieg o. J. [1907], S. 197–199. Wenn es sich bei der Formulierung altis pressa … aquis nicht um die Anspielung auf ein bestimmtes Ereignis handelt, ließe sich die Aussage auch im übertragenen Sinne verstehen, wie dies z. B. nicht selten im Alten Testament geschieht; vgl. hier u. a. Ps 18,5 (17,5): circumdederunt me dolores mortis / et torrentes iniquitatis conturbaverunt me; Ps 22,15 (21,15): sicut aqua effusus sum / et dispersa sunt ossa mea; Ps 42 (41),8; II Sam 22,5. 14 dulce est vivere, dulce mori est] Vgl. das bekannte Dulce et decorum est pro patria mori (Horaz, Oden 3,2,13). Unterschrift] Wie aus den Datierungen verschiedener anderer Gedichtbeiträge des Bandes deutlich wird – so ist bei dem Text von Georg Fabricius angegeben Bregae 14. die Aprilis (fol. B1v) –, wurde die vorliegende Trauerschrift frühestens im April 1633 gedruckt. Opitz hatte zu dieser Zeit (am 12. April) bereits die Bestallungsurkunde für seinen Dienst bei den beiden Piastenherzögen erhalten. Da sein Verhältnis zu Muck offensichtlich zumindest zeitweise nicht ungetrübt war (s. o. die Formulierung im Antwortbrief an Coler), schrieb er das Epicedium womöglich eher auf äußere Veranlassung. [V.M.]
AEgrotum cui nihil doleat Widmung des Lehrgedichts Vesuvius an Herzog Johann Christian in Schlesien zu Brieg Dünnhaupt, Nr. 148; – MARTINI OPITII | VESVVIVS. | Poëma Germanicum. [Kolophon: Gedruckt zum Brieg/ | durch Augustinum | Gründern. | In Verlegung David Müller‚ Buch =|hendler‚ in Breßlaw/ 1633. ] (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Lo 5843), fol. ):( 2r – ):():(1v. Der Vesuvius wurde wiederabgedruckt in Weltliche Poemata, Bd. 1, S. 31–84, die Widmungsvorrede hier S. 33–40. Unsere Wiedergabe folgt dem Erstdruck. Obwohl Opitz von 1626 bis 1632 in Diensten des katholischen kaiserlichen Kammerpräsidenten Karl Hannibal von Dohna stand, war er weiterhin bemüht, auch mit den Piastenherzögen Georg Rudolf und Johann Christian in Verbindung zu bleiben; s. Szyrocki, S. 100. So hatte er Georg Rudolf in dieser Zeit mehrere Werke gewidmet, noch im September 1632 die zweite Ausgabe seiner Übersetzung von Heinsius’ Lobgesang Jesu Christi. Die Widmung des Vesuvius an Herzog Johann Christian ist (zumindest in den Weltlichen Poemata, Bd. 1) Vratisl. Cal. Febr. Ann. M . DC . XXXIII datiert. Nach der Flucht Dohnas aus Breslau im September 1632 trat Opitz bereits wenige Monate später in die Dienste der beiden herzoglichen Brüder; vgl. die bei Conermann/Bollbuck, S. 1139 f., abgedruckte Urkunde seiner Bestallung durch Johann Christian und Georg Rudolf vom
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12. April 1633. Er wurde nun als herzoglicher Agent vor allem auf diplomatischen Gesandtschaftsreisen der protestantischen schlesischen Stände eingesetzt (dazu Conermann/Bollbuck, S. 1140 f.). Zu Opitzens Dienst unter den beiden Herzögen s. auch Palm, S. 222–236. Die Reaktion Herzog Johann Christians auf Opitzens Vesuvius war durchaus wohlwollend: Opitz konnte sich in einem deutschen Gedicht (Martini Opitii Carmen an Ihre Fürstl. Gnd. zu Brieg, als er wegen der dedication des Vesuvii 50 Ducaten empfangen, Ao. 1633) für den Erhalt von 50 Dukaten bedanken; vgl. Conermann/Bollbuck, S. 1120. Das Gedicht ist bei Palm, S. 243, abgedruckt. Auch aus der Korrespondenz mit seinen Freunden geht hervor, wie positiv dieses Lehrgedicht rezipiert wurde. So schreibt August Buchner am 26. 3. 1633 an Opitz (Conermann/Bollbuck, S. 1132): Nunc demum spirare et vivere te, FRATER DESIDERATISSIME, et literae tuae, et quod adiunxeras carmen de Vesuvini montis incendio, divinum illud, et dignum plane cum eruditione tuâ clarissimâ, tum ingenio, quod cum paucis compararj potest, seriò tandem me docuerunt. Qua ex re quantum gaudij ac voluptatis ceperim, ipse colligere poteris, quem minimè latet, quanti te faciam, et quam amori tuo omnia reliqua longè postponam. Opitzens Lehrgedicht Vesuvius hat zwar immer wieder Berücksichtigung gefunden, doch wurde der lateinischen Widmungsvorrede in der Regel selten Beachtung geschenkt. So druckt z. B. Oesterley (1889), S. 147–163, nur das deutsche Alexandrinergedicht ab. Die Literatur zum Vesuvius geht in aller Regel nicht auf die Widmungsvorrede Opitzens ein, wie aus der nachfolgenden Übersicht deutlich wird: Leo Langer: Der Vesuvius von Martin Opitz, in: Jahres-Bericht des k. k. zweiten deutschen Obergymnasiums in Brünn für das Schuljahr 1895–96. Brünn 1896, S. 13–25; Strehlke, S. 53, 119–124; Nahler, S. 107–110; Leif Ludwig Albertsen: Das Lehrgedicht. Eine Geschichte der antikisierenden Sachepik in der neueren deutschen Literatur mit einem unbekannten Gedicht Albrecht von Hallers. Aarhus 1967, S. 83–88; Gunter E. Grimm: Literatur und Gelehrtentum in Deutschland. Untersuchungen zum Wandel ihres Verhältnisses vom Humanismus bis zur Frühaufklärung. Tübingen 1983 (= Studien zur deutschen Literatur 75), S. 209–222; Häfner (2005), S. 97–118, hier vor allem S. 114–118 („Ascetische Aspekte in Opitz’ Dichtung Vesuvius“). Des weiteren beschäftigt sich Dieter Richter: Der Vesuv. Geschichte eines Berges. Berlin 2007, S. 68–70 mit Opitzens deutschem Vesuv-Gedicht, ebenso wie Claus Zittel: La terra trema. Unordnung als Thema und Form im frühneuzeitlichen Katastrophengedicht, in: Zeitsprünge 12 (2008), Heft 3–4, S. 385–427. Die Forschung wird nun zusammengefaßt von Jörg Robert: Martin Opitz: Vesuvius. Poëma Germanicum (1633), in: Literatur und Wissen. Ein interdisziplinäres Handbuch, hrsg. von Roland Borgards u. a. Stuttgart/Weimar 2013, S. 301–305. Für die Geschichte der frühneuzeitlichen didaktischen Poesie ist dieses „Handbuch“ ansonsten leider fast ohne Belang. Den gattungtypologischen Kontext samt rinascimentalen und antiken Anregungen umreißt für das 16. und 17. Jahrhundert Wilhelm Kühlmann: Wissen als Poesie. Zu Formen und Funktionen der frühneuzeitlichen Lehrdichtung im deutschen Kulturraum des 16. und 17. Jahrhunderts. in: Joachim Telle: Alchemie und Poesie. Deutsche Alchemikerdichtungen des 15. bis 17. Jahrhunderts. Untersuchungen und Texte. Mit Beiträgen von Didier Kahn und Wilhelm Kühlmann. Bd. 1. Berlin / Boston 2013, S. 1–84, zu Opitz hier S. 48–58. – Unter bestimmten Aspekten einbezogen wird die Widmungsvorrede bei Bar-
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bara Becker-Cantarino: Vesuvius. Poema Germanicum. Opitz und der Dreißigjährige Krieg, in: Becker-Cantarino, S. 501–518; dies.: Opitz und der Dreißigjährige Krieg, in: Borgstedt/Schmitz, S. 38–52. Bis jetzt am ergiebigsten sind die Ausführungen von Ralph Häfner: Götter im Exil. Frühneuzeitliches Dichtungsverständnis im Spannungsfeld christlicher Apologetik und philologischer Kritik (ca. 1590–1736). Tübingen 2003 (= Frühe Neuzeit 80), S. 200–224, sowie ders.: Naturae perdiscere mores. Naturrecht und Naturgesetz in Martin Opitz’ wissenschaftlichem Gedicht ‚Vesuvius‘, in: Zeitschrift für Germanistik N. F. 19 (2009), S. 41–50; siehe zudem Stefanie Stockhorst: Reformpoetik. Kodifizierte Genustheorie des Barock und alternative Normenbildung in poetologischen Paratexten. Tübingen 2008 (= Frühe Neuzeit 128), S. 137. Nützlich wäre die noch ausstehende Synopse des Lehrgedichts mit der Fülle zeitgenössischer literarisch-publizistischer Bearbeitungen des Vesuvausbruchs: nicht nur Text-Bild-Drucken (Flugblättern), sondern zum Beispiel auch in Gestalt eines lateinischen Lehrgedichts (Erstdruck 1634, 46 Strophen zu je zehn Hendekasyllaben) des berühmten, damals in Rom lebenden Jesuiten Jacob Bidermann (1578–1639); dazu mit dem lateinischen Text samt Übersetzung und exemplarischen Flugblättern Wilhelm Kühlmann: Der Jesuitendichter und die Naturkatastrophe. Bemerkungen zur Kombinatorik von Textklassen und Diskursen in Jacob Bidermanns poetischer Verarbeitung des Vesuvausbruchs von 1631 (Campanum, seu Vesuvius flagrans), in: ‚Parodia‘ und Parodie. Aspekte intertextuellen Schreibens in der lateinischen Literatur der Frühen Neuzeit, hrsg. von Reinhold F. Glei und Robert Seidel. Tübingen 2006 (=Frühe Neuzeit, Bd. 120), S. 209–240. Schon Leo Langer in dem oben erwähnten Schulprogramm (1906) berichtet, es seien 1631/32 „gegen 25 poetische, 70 geognostische und 10 philosophisch-moralische Bearbeitungen des Vesuvs und des letzten Ausbruchs“ in italienischer und lateinischer Sprache erschienen. Selbstverständlich zählten zu diesem Textfeld bald auch akademische Abhandlungen und Reden wie Andreas Rivinus: Vesuvius. In promotione XVI Baccalariorum … MDCXXXII Lipsiae declamatus. Leipzig 1632. Sowohl der Erstdruck als auch die in den Weltlichen Poemata abgedruckte Fassung enthalten neben der lateinischen Widmungsvorrede zwei Gedichte von Bernhard Wilhelm Nüßler; hierauf folgt dann (im Erstdruck S. 1–33) Opitzens deutsches Lehrgedicht Vesuvius, dessen fortlaufender Text durch zahlreiche Anmerkungen und Erläuterungen unterbrochen wird. Im Unterschied zu den Weltlichen Poemata schließen sich im Erstdruck dann noch an Martialis lib. IV. epigr. XLIV. / de Vesuio monte (S. 33) sowie (S. [34]) die Wiedergabe einer Passage aus: BOETHIVS / DE CONSOL. PHILOSOPHIAE / LIB . I . Die Widmungsvorrede läßt sich, wie häufig in vergleichbaren Fällen, in zwei ähnlich lange Abschnitte gliedern, einen breit ausgeführten, eher philosophisch-betrachtenden Teil, der inhaltlich-argumentativ auf das deutsche Lehrgedicht vorausweist, und einen Teil, der sich explizit mit der Person des Widmungsempfängers befaßt. Wegweisend für Opitz ist gerade in der Vorrede die Sinnfragen aufwerfende Auseinandersetzung mit zwei divergenten und doch potentiell signifikanten, zeitlich benachbarten Katastrophen, dem Vesuvausbruch (Dezember 1631) und dem Tod des Schwedenkönigs Gustav Adolf (16. November 1632): Beide Ereignisse rücken in einen Problemzusammenhang ein, der wie auch andere drohende Naturphänomene (z. B. die Kometen) das providentielle Handeln Gottes in Natur und Geschichte gleichermaßen thematisiert. Dessen Erkenntnis
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hängt von der auch Opitz bewegenden Frage ab, inwieweit außergewöhnlichen Ereignissen ein prognostisch auswertbarer Zeichencharakter für den Geschichtsverlauf zukommt. Opitz nimmt hier klar Stellung. Bereits am Anfang der Widmungsvorrede steht eine Sentenz, die von einem Ausspruch des Hippokrates abgeleitet wird: Alle diejenigen seien von Wahnsinn erfaßt, die kein Gespür für ihre Leiden hätten. Denen seien diejenigen vergleichbar, welche die monita divini Numinis malorumque praesagia nicht beachteten. Zwar lehnt auch der Sprecher abergläubische Praktiken ab. Der oberste Weltenlenker habe aber nicht nur die Bahnen und Bewegungen der Gestirne nach unumstößlichen Gesetzen geordnet und ihnen damit gleichzeitig die Aufgabe zugewiesen, als verläßliche über-irdische Orientierung für regelmäßige Abläufe (wie Zeiten und Tage) im irdischen Bereich zu dienen, sondern ihnen darüber hinaus auch die Funktion zugewiesen, als (Vor-)Boten Gottes für bestimmte irdische Vorkommnisse zu dienen. Ein Beispiel wie auch Beweis dafür sind die unheilvollen Ereignisse nach dem Erscheinen von Kometen. Doch auch außergewöhnliche Erscheinungen auf der Erde selbst, seien es solche in der Natur oder in bezug auf Gebäude von Menschenhand, müssen als warnende Zeichen Gottes gedeutet werden. In diesem Zusammenhang habe sich für den Sprecher das Thema des folgenden Gedichtes ergeben: der nicht lange zurückliegende Vesuvausbruch. Damit erfolgt die Überleitung zum zweiten Hauptteil, der gleichsam in nuce einen Panegyricus des Widmungsempfängers, Herzog Johann Christian, darstellt: Nur bei diesem, der für den Sprecher in jeder Hinsicht den idealen Fürsten verkörpert, und nicht zuletzt in seinem Interesse für Wissenschaft und Literatur kann das dichterische Werk die erhoffte Aufnahme finden. Am Schluß steht die Bitte an Gott um Beistand für diesen princeps optimus und dessen Familie. Opitz erweist sich demnach nicht nur im nachfolgenden deutschen Lehrgedicht, sondern gerade auch in dieser lateinischen Widmungsvorrede als poeta doctus. Dies zeigt sich nicht allein an den beinahe in jedem Satz vorhandenen Anspielungen auf unterschiedliche Wissensgebiete oder in seinem nach allen Regeln der Kunst geformten Panegyricus auf den Herzog, sondern erstreckt sich bis in kleinste Verästelungen innerhalb des gesamten Prosatextes. Ein Beispiel dafür sind die vielen verschiedenen Bezeichnungen für „Gott“ je nach Sinnzusammenhang: So erscheint Gott als dispositor mundi sapientißimus wie als Suprema caussarum caussa (womit auf verschiedene philosophische Diskurse verwiesen wird) und ist doch gerade am Schluß auch als Deus Immortalis der christliche Gott, der im Gebet von den sterblichen Menschen als Beistand angerufen werden kann. Zu beachten ist hier, im Horizont einer literarischen ‚Bewältigung‘ von Leiden und Erschütterungen, gewiß auch, daß der Vesuvius im selben Jahr wie das jetzt endlich zur Publikation kommende Trostgedichte erschien. VESVVIVS. Poëma Germanicum.] Bereits auf dem Titelblatt wird Germanicum besonders betont. Eine ganz ähnliche Gestaltung erfuhr das Titelblatt der Laudes Martis (LW 2, S. 88). Hier findet sich im übrigen auch dieselbe Bezeichnung Poëma Germanicum. Opitz legt offenbar Wert darauf, ein deutschsprachiges Erstlingswerk eines bestimmten, seit der Antike renommierten und von ihm auch in seinem Buch von der Deutschen Poeterey (1624) hochgeschätzen Gattungstypus, nämlich des naturkundlichen Lehr-
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epos, vorzulegen, nicht nur in der Tradition eines Lukrez und Vergil, sondern sichtlich auch im literarischen ‚Wettbewerb‘ mit dem kaiserzeitlichen Lehrepos Aetna (greifbar u. a. in einer Edition von Joseph Justus Scaliger, Leiden 1573), in dem gegen den Götterglauben polemisiert wird. IOANNI CHRISTIANO DVCI SILESIAE LIGNICENSI ET BREGENSI .] Zur Vita von Herzog Johann Christian (1591–1639) vgl. ADB 14, S. 189–200; Thebesius, Bd. 2, passim; Schönwälder, vor allem in Bd. 3; Heinrich Schoenborn: Geschichte der Stadt und des Fürstentums Brieg. Ein Ausschnitt aus der Geschichte Schlesiens. Brieg 1907; Seidel (1994), passim, sowie LW 1, S. 290. 1 AEgrotum cui nihil doleat, animo laborare, Hippocratis sententia est] Wohl ein dem Sinne und dem Gedächtnis nach zusammengezogenes Zitat aus den berühmten und in der Frühen Neuzeit oft gedruckten „Aphorismen“ des Hippokrates von Kos (ca. 460–370 v. Chr.), des berühmtesten Arztes der Antike, hier Aphorismus 2,6. In der lateinischen Übersetzung des Johannes Heurnius heißt es: Quicumque ex parte aliqua corporis laborant, et nullo modo eam laesionem percipiant, iis mens laborat (Hippocratis Coi Aphorismi Graece et Latine brevi enarratione fidaque interpretatione … illustrati a I. Heurnio. Leiden 1611, S. 30 f.). 3 monita divini Numinis] monita kann sowohl „Ermahnungen“ als auch „Andeutungen“ bzw. „Prophezeiungen“ bedeuten. 5 f. caelum mathematicum] Im zeitgenössischen Verständnis, auch in der akademischen Nomenklatur, war der mathematicus immer auch ein Astronom, die Astronomie dabei nicht grundsätzlich geschieden von der Astrologie. Die Astronomen waren deshalb oft gleichzeitig gefragte Astrologen wie zum Beispiel Johannes Kepler, der u. a. für Wallenstein Horoskope erstellte. Bereits das Standardwerk des Ptolemaios zur Astronomie, der Almagest, trug ursprünglich den Titel Mathematike syntaxis. Entscheidend ist jedoch wohl, daß bahnbrechende Erkenntnisse in der Astronomie nur durch entsprechende Berechnungen möglich sind, wie dies nicht zuletzt bei Nikolaus Kopernikus und dem (zeitweiligen) Mathematikprofessor und Kaiserlichen Hofmathematiker Kepler deutlich wird. Zu beachten sind hier vielleicht der um 1509 entstandene Nicolai Copernici de hypothesibus motuum coelestium a se constitutis commentariolus, in dem Kopernikus bereits sein heliozentrisches Weltbild entworfen, aber die Notwendigkeit einer mathematischen Ausarbeitung betont hatte. Eine solche geschah in dem 1543 erstmals in Nürnberg gedruckten Kopernikanischen Hauptwerk De revolutionibus orbium coelestium. Hier zitiert Kopernikus auf dem Titelblatt zudem das angebliche Motto der platonischen Akademie („ohne Geometrie soll niemand eintreten“). Kepler wiederum bestätigte durch seine Berechnungen das heliozentrische Weltbild des Kopernikus und entwickelte dessen Anschauungen weiter, so nicht zuletzt mit den drei Planetengesetzen. Dazu kommt eine persönliche Komponente: die Freundschaft Opitzens mit dem Danziger Mathematikprofessor Peter Crüger, dem Opitz mehrere Gedichte widmete (s. LW 2, S. 439 f., und LW 3, S. 296–298). Der Kontext, vor allem die Bemerkung gegen die arctae nimium naturae causae, legt es nahe, daß Opitz in der Konzeption des caelum mathematicum auch neuplatonische Denkmodelle einer Konkordanz bzw. Influenz von himmlischer und irdischer Welt assoziiert, wie sie in Florenz vor allem von Marsilio Ficino formuliert waren und die auch die Astrologie (in dieser
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Frage stand Ficino gegen Pico della Mirandola) beeeinflußten; dazu erhellend Wolf-Dieter Müller-Jahncke: Astrologisch-magische Theorie und Praxis in der Heilkunde der Frühen Neuzeit. Wiesbaden 1985 (= Sudhoffs Archiv, Beiheft 25), bes. S. 33–67. Zugänge zum epochalen Denkhorizont bieten Anthony Grafton: Cardanos Kosmos. Die Welten und Werke eines Renaissance-Astrologen. Berlin 1999; Zukunftsvoraussagen in der Renaissance, hrsg. von Klaus Bergdolt und Walther Ludwig. Wiesbaden 2005 (= Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 23); Christian Heitzmann: Die Sterne lügen nicht. Astrologie und Astronomie im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Wolfenbüttel 2008 (=Ausstellungskatalog der Herzog August Bibliothek 90). Lehrreich zur epochalen literarischen Selbstdarstellung des „Mathematicus“ und Astronomen (auch mit Bezug auf Tycho Brahe) ist eine der fiktiven Briefelegien in Jakob Baldes Spätwerk, geschrieben von „Allonius Phisco. Mathematicus“; s. Jakob Balde: Urania Victrix – Die Siegreiche Urania. Liber I–II, in Zusammenarbeit mit Joachim Huber und Werner Straube eingeleitet, hrsg., übersetzt und kommentiert von Lutz Claren, Wilhelm Kühlmann, Wolfgang Schibel, Robert Seidel und Hermann Wiegand. Tübingen 2003 (= Frühe Neuzeit 85), S. 102–117 mit 271–292. 6 f. Commenta … solemus] Bereits in den mesopotamischen Kulturen war die Eingeweideschau ein wichtiges divinatorisches Verfahren. Im griechischsprachigen Raum wurde die Hepatoskopie (Leberschau) ebenfalls angewendet; daneben spielten außer Traumdeutung und Orakeln auch Zufallsomen wie Niesen, zufällige Aussagen, Zufallsbegegnungen, Wetterphänomene eine Rolle. In Rom wurden neben der durch die Auguren durchgeführten Vogelschau besonders bei prodigia und anderen als göttlich betrachteten Zeichen zwei weitere Verfahren angewendet: die Konsultation der libri Sibyllini und die Ausübung der Etrusca disciplina durch die haruspices. Zu dieser gehörten das haruspicium (Analyse von Leber und anderen Organen der geopferten Tiere) und die Brontoskopie (Analyse von Donner und Blitz). Allerdings stieß die Etrusca disciplina auch auf Skepsis; von den christlichen Kaisern wurde sie völlig verboten. Den Gelehrten war der gesamte Komplex nicht nur durch Berichte bei antiken Historikern wie z. B. Livius, sondern vor allem durch Ciceros materialreiche Schrift De divinatione vertraut; s. die zweisprachige und kommentierte Ausgabe von Christoph Schäublin. München / Zürich 1991; dazu Veit Rosenberger: Gezähmte Götter: Das Prodigienwesen der römischen Republik. Stuttgart 1998 (= Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 27). 7 iecur] Opitz könnte hier ironisch mit der Wortbedeutung von iecur spielen, da die Leber auch als Sitz der Affekte bzw. des Verstandes galt; vgl. das von Opitz bereits im Aristarchus verwendete Zitat en cor Zenodoti, en iecur Cratetis! aus Sueton, De Rhetoribus et grammaticis 11,4 (dazu LW 1, S. 72 und 330). Jedem Gebildeten war Horazens berühmtes, auf erotische Leidenschaften bezogenes Diktum bile tumet iecur (Ode 1,13,4) geläufig. 7 f. legibus autem stellarum, quas dispositor mundi sapientißimus illis credidit] Vgl. Weish 11,21: sed omnia mensura et numero et pondere disposuisti. 8 f. aut plurimorum casus … Christiani est] Im protestantischen Raum war vor allem Melanchthon ein bekanntes Exempel für die Vereinbarkeit von christlichem Glauben und anhaltender astrologischer Fazination; dazu im einzelnen sehr materialreich, nach wie vor
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bedeutsam auch für das Gesamtwerk Melanchthons, Wilhelm Maurer: Der junge Melanchthon zwischen Humanismus und Reformation. 2 Bde. Göttingen 1967–69, hier Bd. 1, Kap. 4, S. 129–170: Johann Stöffler und die Naturanschauung Melanchthons. 11–14 Pulcherrimorum coeli luminum … quis neget?] Vgl. im Vesuvius selbst die Beschreibung des Himmelsgewölbes (S. 2). Hier heißt es unter anderem: „Wie dieses hauses zeug gantz schlecht und einfach ist/ | Von ansehn vndt gestalt gewölbet auff geführet/ | Daran kein winckelmaß noch größe wird gespüret/ | Rein an beschaffenheit/ gantz/ nimmer wandelbar/ | Vollkommen Zirckelrund/ erleuchtet hell’ vndt klar/ | Beweglich/ schneller art/ an wirckung reich vnd mächtig/ | An kreißen wo der Thron des höchsten stehet prächtig/ | Vnd wo die sternen gehn der nächte trost vndt ziehr.“ In seinen Erläuterungen dazu verweist Opitz in bezug auf „Beweglich/ schneller art/“ auf Aristoteles und dessen Werk Über den Himmel, Buch 2, Kap. 3. In bezug auf Platon könnte sich Opitz hier z. B. beziehen auf Politeia 616b–c und vor allem auf verschiedene Passagen aus dem Timaios, so 35–36, 37d-e oder 38c–39e: „Die Zeit entstand also mit dem Himmel, damit, sollte je eine Auflösung stattfinden, sie, als zugleich erzeugt, zugleich aufgelöst würden, und nach dem Vorbilde der ewigen Natur, daß jene ihm so ähnlich wie möglich sei; denn das Vorbild ist die ganze Ewigkeit hindurch seiend, der Himmel hingegen fortwährend zu aller Zeit geworden, seiend und sein werdend. Aufgrund solcher Überlegung und Absicht des Gottes bezüglich der Entstehung der Zeit sind nun, damit die Zeit erzeugt werde, Sonne, Mond und fünf andere Sterne, die den Namen Planeten führen, zur Abgrenzung und Bewahrung der Zahlenwerte der Zeit entstanden. Nachdem aber der Gott für jeden von ihnen Körper gestaltet hatte, setzte er die sieben in die sieben Bahnen ein, in welchen der Umlauf des Verschiedenen verlief, den Mond in die erste Bahn, die um die Erde verläuft, die Sonne in die zweite über der Erde, den Morgenstern aber und dem Hermes geweihten, wie man ihn nennt, in Kreise, die einen an Geschwindigkeit mit der Sonne gleichlaufenden Kreis beschreiben, aber die ihr entgegenwirkende Kraft besitzen, so daß die Sonne und der Planet des Hermes und der Morgenstern einander gleichmäßig überholen und voneinander überholt werden. … Damit es aber ein augenfälliges Maß für ihre zueinander relative Langsamkeit und Schnelligkeit gebe, mit der sie in den acht Bahnen sich bewegten, entzündete der Gott in dem von der Erde aus zweiten der Kreisumläufe ein Licht, welches wir jetzt Sonne nennen, damit es möglichst in den gesamten Himmel scheine und damit alle Lebewesen, deren Natur das angemessen war, die Zahl besäßen, indem sie sie aus dem Umschwung der ‚Selben‘ und Gleichförmigen erlernten. So und deshalb ist also Nacht und Tag entstanden … Die Umläufe der übrigen haben die Menschen mit Ausnahme weniger unter vielen nicht beobachtet und geben ihnen weder Namen, noch rechnen sie sie auf Grund von Beobachtungen zahlenmäßig in ihrem Verhältnis zueinander, so daß sie schier nicht wissen, daß ihre Wanderungen, die unermeßlich an Zahl und erstaunlich mannigfaltig sind, Zeit sind“ (wiedergegeben nach Platon: Timaios. Kritias. Philebos, bearbeitet von Klaus Widdra. Griechischer Text von Albert Rivaud und Auguste Diès. Deutsche Übersetzung von Hieronymus Müller und Friedrich Schleiermacher. Darmstadt 1972, S. 57–59). Timaios 40a–d thematisiert demgegenüber die Erschaffung der Fixsterne und ihre „Bewegungen“. Vgl. auch die (Planeten-)Theorie bei Platon, Nomoi 821e f. (wiedergegeben nach Platon: Nomoi. Buch VII–XII, bearbeitet von
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Klaus Schöpsdau. Deutsche Übersetzung von Klaus Schöpsdau und Hieronymus Müller. Darmstadt 2001, S. 103): „Denn nicht richtig, meine Besten, ist die Ansicht über den Mond, die Sonne und die übrigen Gestirne, daß sie etwa jemals umherirren, sondern gerade das Gegenteil davon ist der Fall – denn dieselbe Bahn und nicht viele, sondern stets eine einzige durchläuft im Kreis ein jedes von ihnen; es scheint nur viele Bahnen zu ziehen –, und das schnellste unter ihnen wird, wiederum zu Unrecht, für das langsamste gehalten und umgekehrt.“ Siehe allgemein auch M. R. Wright: Cosmology in Antiquity. London / New York 1996, hier vor allem S. 46 f.; außerdem John North: Viewegs Geschichte der Astronomie und Kosmologie, S. 47 (allerdings ohne Stellenangabe zu Platon). Siehe in bezug auf Opitzens Vesuvius zudem Christof Junker: Das Weltraumbild in der deutschen Lyrik von Opitz bis Klopstock. Berlin 1932 (= Germanische Studien 111), bes. S. 19–23. Vgl. zum Verhältnis Opitzens zur Naturphilosophie generell Kemper, Bd. 4/I; hier in bezug auf den Vesuvius vor allem S. 164 f. 14 f. Supremam caussarum caussam] Die oberste, letzte, oder, wie Häfner, Götter im Exil (wie oben), S. 211, übersetzt, „höchste Ursache“, seit Aristoteles und der mittelalterlichen Scholastik (Deus als causa prima z. B. bei Thomas von Aquin) bzw. frühneuzeitlichen Schulphilosophie zentrale These der christlichen Kosmogonie und Kosmologie, dies auch in der Differenz von causa prima und causae secundae; so auch wichtig in der Diskussion des stoischen Fatum, worauf Opitz im Folgenden kurz zu sprechen kommt (dazu s. u.). Der Terminus causa suprema findet sich explizit z. B. bei Siger von Brabant; s. dazu: Zdislaw Kuksewicz: Das „Naturale“ und das „Supranaturale“ in der averroistischen Philosophie, in: Mensch und Natur im Mittelalter, 1. Halbband, hrsg. von Albert Zimmermann und Andreas Speer. Berlin / New York 1991 (= Miscellanea Mediaevalia 21/1), S. 371–382, hier S. 373; sowie Albert Zimmermann: Die Quaestionen des Siger von Brabant zur Physik des Aristoteles. Diss. Köln 1956. Wie sehr das Thema die Gelehrten beschäftigte, zeigen z. B. auch die am Akademischen Gymnasium in Danzig entstandenen Disputationen, bei denen Peter Crüger, ein Freund Opitzens in dessen Danziger Zeit, als Praeses auf dem Titelblatt genannt wird, so z. B. De hypothetico systemate coeli disputatio (gedruckt 1615) oder Hypothesium astronomicarum YZHTHI altera de quotidiana telluris in orbem revolutione, vulgo de primo mobili (gedruckt 1616). 15 caussam stabili eorum revolutioni cursuumque vicibus inscripsisse] Vgl. Platon, Timaios 38–40. Zu denken wäre hier vielleicht auch an den Titel der epochemachenden Schrift des Kopernikus von 1543: De revolutionibus orbium coelestium. 16 f. ipsa nobis Astronomiae mater observationis certitudo bona fide inculcat] Die genaue Beobachtung des Himmels ist seit jeher Grundlage der Astronomie. Eine völlig neue Entwicklung leitete zu Opitzens Zeit die Erfindung des Teleskops um 1608 durch Hans Lipperhey ein, das von Galilei weiterentwickelt wurde. Siehe dazu z. B. Jürgen Hamel: Kepler, Galilei, das Fernrohr und die Folgen, in: Kepler, Galilei, das Fernrohr und die Folgen, hrsg. von Karsten Gaulke und Jürgen Hamel. Frankfurt am Main 2010 (= Acta Historica Astronomiae 40), S. 9–34. Zu erwähnen ist vielleicht auch die Beziehung und die nicht immer leichte Zusammenarbeit zwischen Tycho Brahe und Kepler: Brahe erlangte vor allem als beobachtender Astronom Weltgeltung. Kepler war auf das Beobachtungsmaterial Brahes
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angewiesen, während Brahe einen Mathematiker wie Kepler brauchte, um die Daten entsprechend aufbereiten zu können, dieses jedoch zurückhielt: Erst nach Brahes Tod 1601 konnte Kepler an dessen Material gelangen. Siehe hierzu auch das Titelblatt von Keplers Astronomia nova von 1609, auf dem es heißt: Astronomia nova AITIOOHTO , seu physica coelestis, tradita commentariis de motibus stellae Martis, ex observationibus G. V. Tychonis Brahe. Kepler verfaßte zudem zwei optische Schriften (Ad Vitellionem paralipomena quibus astronomiae pars optica traditur, 1604, und Dioptrice, erschienen 1611). Die letztere Abhandlung führte zur Entwicklung des sogenannten „Kepler-Fernrohrs“. Es wäre vielleicht lohnend, die Beziehung Opitzens zu Kepler zu untersuchen. So trug sich Kepler z. B. ebenso wie Opitz (siehe dazu LW 2, S. 412) in das Stammbuch von Christian Pehrisch ein; s. Conermann/Bollbuck, S. 788. Zudem verfaßte Opitz 1630 ein Memorialgedicht für Johann Wacker von Wackenfels (siehe dazu LW 2, S. 402 f.), einen Freund und Gönner Keplers. Kepler hatte Wacker seine kleine Schrift Strena seu de nive sexangula (gedruckt 1611 in Frankfurt am Main) gewidmet, in der es um geometrische Grundformen der Schöpfung geht. 17 f. Cuius certitudinis beneficio, a qua tamen necessitatem Stoicam, menti liberrimae Deo compedes iniicientem, abesse iubemus longißime] Diese Stelle ist in dem Sinne zu lesen, daß die im Satz zuvor angesprochenen „Wirkkräfte keinesfalls als stoische Notwendigkeit (oder verursachendes Geschick) verstanden werden“ (Häfner, Götter im Exil, wie oben, S. 211) dürfen. Häfner stellt in diesem Kontext eine Konstante der Opitz-Forschung auf den Prüfstand: „Dieses Argument ist geeignet, die notorische Hervorhebung von Opitz’ ‚Stoizismus‘ zumindest zu relativieren und auf seine Reichweite hin zu befragen“ (ebd.). 17 necessitatem Stoicam] Ein zentraler Begriff des paganen Stoizismus, von Melanchthon, aber auch im christianisierten Stoizismus wegen der Infragestellung der göttlichen und menschlichen Freiheit, vor allem wegen der Konkurrenz zu den christlichen Lehren der göttlichen Providenz bzw. Praescienz abgelehnt bzw. modifiziert; deshalb ausführlichst und kompromißhaft behandelt in Justus Lipsius’ Grundwerk des Neostoizismus (De Constantia, 1584), Opitz genau bekannt (dazu weite Passagen vor allem im zweiten Buch von Opitzens Trostgedichte), in der deutschen Übersetzung des Andreas Viritius seit 1599 vorliegend; Ndr. der Ausgabe Leipzig 1601, hrsg. von Leonard Forster. Stuttgart 1965, hier Buch 1, Kap. 15–21; zu einer Synopse zwischen Opitzens Trostgedichte und Lipsius’ De constantia ist heranzuziehen William Cunningham: Martin Opitz: Poems of Consolation in Adversities of War. Bonn 1974 (= Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft 134), Kapitel 5, S. 63–107. 20 in ipsa vrbe tua] Wohl Brieg. 20 f. qui de fatali Herois fortißimi periculo multo ante ac saepenumero amicis retulerit] Mit diesem „Helden“ ist gewiß der Schwedenkönig Gustav II. Adolf gemeint, der in der Schlacht bei Lützen am 16. November 1632 starb. 21–24 suppreßiones magnorum illorum siderum ac defectus … breves umbras inferre] Vgl. hierzu auch das Epicedium Opitzens auf seinen 1639 verstorbenen Freund Peter Crüger (SAE pe tuae diversa fuit; LW 3, S. 296); Sonnen- und Mondfinsternisse gehörten traditionell zu den
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Prodigien bzw. göttlichen Vorzeichen; unter dem Eindruck der neuen Wissenschaften konnte man die sich ausbreitende Furcht und die dazugehörigen Prognostica auch satirisch behandeln; lehrreich in dieser Hinsicht das Versepos (mit ausführlichem Vorspann zum Thema) De Eclipsi Solari Anno MDCLIV (Erstdruck München 1662) von Jakob Balde, abgedruckt in Jakob Balde: Opera Poetica Omnia. Neudruck der Ausgabe München 1729, hrsg. und eingeleitet von Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand. 8 Bde. Frankfurt am Main 1990, hier Bd. 4, S. 127–212; zum Inhalt (eine diskursgeschichtliche Spezialstudie dazu fehlt bisher) s. Georg Westermayer: Jacobus Balde (1604–1668). Sein Leben und seine Werke [1868], neu hrsg. von Hans Pörnbacher und Wilfried Stroh. Amsterdam / Maarssen 1998 (= Geistliche Literatur der Barockzeit, Sonderband 3), S. 198–201. 25–27 quos licet … dicebat] So bei Cassius Dio, Römische Geschichte 66,3. Vgl. dazu die Ausführungen bei Marion Gindhart: Das Kometenjahr 1618. Antikes und zeitgenössisches Wissen in der frühneuzeitlichen Kometenliteratur des deutschsprachigen Raumes. Wiesbaden 2006 (= Wissensliteratur im Mittelalter 44), S. 129. 27 f. hos tamen et ipsos quosdam irae divinae nuncios esse] Opitz nimmt hier wiederum wie auch in seinem Vesuvius eindeutig Stellung (S. 29 f.): „Erkennt daß alles hier vergehet vndt beginnt/ | Beginnet vndt vergeht; ja daß auch Gott Cometen/ | Gewäßer/ donner/ plitz vndt beben als Propheten | Vndt boten zue vns schickt / durch die er offt vndt viel | Verkündigt wie sein zorn an vns sich rechen wil.“ Vgl. zum Kometen als Künder des göttlichen Willens auch das Trostgedichte, speziell Buch 1, V. 222–233 (GW 1, S. 198 f.). Die Vorstellung des göttlichen Zorns war biblisch gut belegt, theologisch in allen Konfessionen gängig und seit der christlichen Spätantike durch Lactantius (De ira Dei ) gegen pagane Kritik verteidigt worden. 30 f. neque ipsam quoque cum libertate libertatis memoriam amisimus] memoria libertatis wörtlich im Anschluß an Junkturen wie Livius, Ab urbe condita 23,4,2. Das Stichwort ‚Freiheit‘ übernimmt sowohl im Trostgedichte (etwa Buch 2, V. 365–382; GW 1, S. 221 f.) wie auch im Vesuvius (S. 11) eine eindeutig zeitgeschichtliche Funktion. Mit der hier gewählten Formulierung scheint Opitz auch auf die fortwährende Geltung seiner frühen Gedichte im Geiste eines patriotischen Calvinismus anzuspielen, in dessen Frontstellung ja auch das Trostgedichte zumindest begonnen wurde und Opitzens Freund Julius Wilhelm Zincgref, auch mit der Freiheitsparole, 1622 sein weit wirkendes Flugbattgedicht Vermanung zur Dapfferkeit schrieb (abgedruckt im Anhang von Opitzens Teutschen Poemata, GW 2.1, S. 286–290). Vgl. dazu jetzt im Kontext Wilhelm Kühlmann: „Vermanung zur Dapfferkeit“ (1622). Zincgrefs Heidelberger Kriegsgedicht im Kontinuum der Tyrtaios-Rezeption des 16. bis 19. Jahrhundert, in: Julius Wilhelm Zincgref und der Heidelberger Späthumanismus. Zur Blüte- und Kampfzeit der calvinistischen Kurpfalz, hrsg. von Wilhelm Kühlmann. Ubstadt-Weiher u. a. 2011 (= Mannheimer historische Schriften 5), S. 165–190. 31 f. quantum rerum omnium facies post ferale eiusmodi ante annos hos decem ac quatuor sidus mutaverit] Der Sprecher bezieht sich hier auf das „Kometenjahr“ 1618. Dazu vgl. die o.a. Literatur sowie: Grenzgänger zwischen Himmel und Erde. Kometen in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Christoph Meinel. Regensburg 2009 (= Kataloge und Schriften der Staatlichen Bibliothek Regensburg 1); Berichte sind zahlreich wie zum Beispiel im Zeytregister des Jo-
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hannes Heberle: „Anno 1618 ist ein grosser comet erschine in gestalt einer grossen und schröckhlichen rutten, welcher unß von und durch Gott heftig tröwet, von wegen unsers sindtlichen lebens, die wir vüllfaltig verdient und noch teglich verdienen; der selbig ist gesehen worden vom herpste an biß in der frieling. Was er bedeüt, was auch darauff volgen wirdt, das selbig ist mit heyßen trenen zu beweinen, wie wir leider das selbig woll erfahren und erfahren haben, anno 20 büß anno 30 …“; zitiert nach Gerd Zillhardt: Der Dreißigjährige Krieg in zeitgenössischer Darstellung. Hans Heberles „Zeytregister“ (1618–1672). Aufzeichnungen aus dem Ulmer Territorium. Ein Beitrag zu Geschichtsschreibung und Geschichtsverständnis der Unterschichten. Ulm 1975, S. 93. 1619 veröffentlichte Johannes Kepler in Linz die Schrift De Cometis, in der er die drei Kometen von 1618 beschreibt. Hervorragenden Aufschluß geben wie so oft die von Wolfgang Harms und Mitarbeitern hrsg. und kommentierten Flugblätter, hier u. a. zum Jahr 1618 in: Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Bd 1. Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Kommentierte Ausgabe. Teil 1: Ethica, Physica, hrsg. von Wolfgang Harms und Michael Schllling zusammen mit Barbara Bauer und Cornelia Kemp. Tübingen 1985, S. 384–394, Nr. 188–193. Von Anspielungen auf den Chiliasmus der nicht wenigen protestantischen Dissidenten, zumal im Vorfeld der Rosenkreuzer, die um die vorbarocke Jahrhundertwende anhand der stellaren Ereignisse (Supernova, Kometen) die endzeitliche Wiederkehr Christi und ein neues Zeitalter samt Untergang des Papsttums verkündeten, hält sich Opitz sichtlich fern. Eschatalogisches wird im Vesuvius nur sparsam im Referat anderer angedeutet (S. 13): „Nach vieler meinung ruckt der große tag herbey | An dem der höchste Vogt soll recht vndt vrtheil hegen.“ 33-40 Praelia … sentias] Die Passage entspricht manchen zeitgenössischen Schilderungen (querelae, lamentationes) der deplorablen Verhältnisse in Deutschland. Zu vergleichen ist im Detail zum Beispiel das als Flugschrift in Latein und Deutsch erschienene Schreiben vertriebener Frauen Germanien an ihre Söhne (1631) von Paul Fleming; dazu Wilhelm Kühlmann: Reichspatriotismus und humanistische Dichtung, in: Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Ronald G. Asch u. a. München 2001 (= Der Frieden. Rekonstruktion einer europäischen Vision 2), S. 375–393, sowie Barbara Becker-Cantarino: Paul Flemings Schreiben vertriebener Frauen Germanien. Zu Ikonographie und Konzept von ‚Germania‘ im 17. Jahrhundert, in: Was ein Poëte kann! Studien zum Werk von Paul Fleming (1609–1640), hrsg. von Stefanie Arend und Claudius Sittig … Berlin / Boston 2012 (= Frühe Neuzeit 168), S. 233–256. Noch drastischer stellen sich die Äußerungen nach der von den Protestanten verlorenen Schlacht bei Nördlingen (1634) dar, ablesbar zum Beispiel im Vorwort und in manchen Texten des Jesajas Rompler von Löwenhalt (Gründer der Straßburger Tannengesellschaft) in seiner erst 1647 gedruckten Gedichtsammlung; dazu jetzt Wilhelm Kühlmann: „Teutschlands Tob-sucht“. Positionen und Formen des affektiven Patriotismus bei Zincgref, Rompler und Grimmelshausen, in: Simpliciana 35 (2013), S. 305–327. 38 interempti ferro tot Principes magnique viri quot aliis bellis vix milites] Der Plural deutet darauf hin, daß Opitz hier nicht nur an Gustav Adolf denkt, sondern auch an andere mittlerweile verstorbene protestantische Feldherren wie Christian von Braunschweig, Administrator von Halberstadt (gest. 16. Juni 1626), oder Ernst von Mansfeld (gest. 29. November
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1626). Gerade weil Opitz bis vor kurzem in Breslau noch in katholischen Diensten stand, muß ihm unwillkürlich auch die aktuelle Nachricht vom Tode Tillys (30. April 1632) gegenwärtig gewesen sein. 42 f. sternutationi … aut tinnitui aurium, vel singultui illi sonoro qui apud gentes non barbaras morum soloecismus est] Opitz denkt vielleicht an Stellen (zum Niesen als bösem Omen) bei Cicero, De divinatione 2,84, dies im ironischen Kontrast zu der Tatsache, daß Niesen und andere drastische körperliche Äußerungen als gesellig-gesellschaftliches Fehlverhalten schon in der älteren Tischzuchtenliteratur (wie Friedrich Dedekinds Satire Grobianus. De morum simplicitate, zuerst 1549) gebrandmarkt waren. 44–47 moveri terram … observatum est] Vorausverweis auf die Meditation diverser Formen und Zeichen der Katastrophen im Vesuvius (S. 17 f.). 48–50 At reiecto Lignicii olim eiusmodi omine … Henricus Pius … vitam amisit] Opitz berichtet hier vom Tod Heinrichs II., des Frommen, Herzog von Schlesien, Großpolen und Lausitz, der 1191 geboren wurde und von 1238 bis 1241 regierte (alle Angaben nach Thebesius, Bd. 1, S. 32 f.). Seine Eltern waren Herzog Heinrich I. von Schlesien und die später heilig gesprochene Hedwig (s. NDB 2, S. 393). Er gab 1240 dem Bistum Breslau das herzogliche Recht und begann den Bau des Breslauer Klosters St. Jakob (seit 1530 St. Vinzenz). Als 1240 die Tataren in Polen einfielen und das Land bis zur Weichsel verheerten, stellte sich Heinrich ihnen mit einer Streitmacht aus Schlesiern, Polen, Deutschen und Mährern entgegen. Am 9. April 1241 kam es auf der Walstatt bei Liegnitz zur Schlacht, in der Heinrichs Heer eine vernichtende Niederlage erlitt (Opitzens victoriam obtinuit bleibt unklar) und der Herzog selbst fiel: „Den Ausschlag soll schließlich ein auf einer Stange getragenes schwarzes Menschenhaupt gegeben haben, aus dem schrecklicher Gestank und Qualm strömte. Heinrichs abgeschlagenes Haupt brachten die Tataren nach Liegnitz, um die Bürgerschaft einzuschüchtern. Die Bürger aber hatten die Stadt eingeäschert und sich auf dem Schloß zur Verteidigung eingerichtet, worauf die Tataren umkehrten. Einer Legende nach warfen sie Heinrichs Haupt in den Koischwitzer See und zogen durch das Jauersche und Schweidnitzische Gebiet über Ottmachau ab“ (Thebesius, Bd. 1, ebd.). Colmar Grünhagen lehnt in seinem Artikel zu Heinrich II. in ADB 11, S. 604–606, hier S. 605, diese Einzelheiten ab, die einem „romantischen Schauergemälde“ entstammten, das der „am Ende des XV. Jhs. schreibende polnische Chronist Długosz entworfen“ habe; allerdings könnte Opitz seine Kenntnis durchaus dessen Werk entnommen haben, das er nachweislich eingesehen hat (s. dazu Conermann/Bollbuck, S. 1590 f.). 52 f. perscripsisset quidam … alius diceret] Die Quelle dieser Anekdote konnte bislang nicht verifiziert werden. 55 f. par casus … celeberrimae ad Albim vrbi eum portendit diem, quem nefastis addi suadet Pietas] Anspielung auf die Einnahme, Plünderung und Zerstörung des an der Elbe gelegenen Magdeburg durch die Truppen Tillys am 20. Mai 1631 (s. dazu auch die Gedichte Opitzens, LW 2, S. 130–132 und 433–435). Im Theatrum Europaeum, Bd. 2, S. 371, findet sich in bezug auf „Zeichen vnd Vorbotten so vor der Magdeburgischen Zerstörung hergangen“ folgender Vermerk: „Anno 1630. sind durch ein grausamen vngewöhnlichen im Nouember
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entstandenen Wind vnderschiedliche Thurnspitzen von den Kirchen in Magdeburg herunder geworffen worden/ ist auch ein groß Stück Gemäuer auß der Festung vnd Wall gefallen“ (im Folgenden wird auf die einzelnen herabgestürzten Turmspitzen und weitere böse Omina wie z. B. eine Mondfinsternis, andere ungewöhnliche Himmelserscheinungen sowie eine Mißgeburt eingegangen). Zum Magdeburg-Thema im weiteren Kontext s. Wilhelm Kühlmann: Magdeburg in der zeitgeschichtlichen Verspublizistik (1551/1631), in: Prolegomena zur Kultur- und Literaturgeschichte des Magdeburger Raums, hrsg. von Gunther Schandera und Michael Schilling. Magdeburg 1999, S. 79–106, sowie Birgit Emrich: Die Zerstörung Magdeburgs 1631 zwischen Konstruktion, (Inter-)medialität und Performanz, in: Kriegs/Bilder in Mittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. von Birgit Emrich und Gabriela Signori. Berlin 2009 (= Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 42), S. 197–223. 57 Sol et Luna deliquium patiuntur] Zu den Sonnen- bzw. Mondfinsternissen s. zum Beispiel schon Plinius d. Ä., Naturalis historia 2,47–57, vor allem 54: viri ingentes supraque mortalia, tantorum numinum lege deprehensa et misera hominum mente iam soluta, in defectibus scelera aut mortem aliquam siderum pavente – quo in metu fuisse Stesichori et Pindari vatum sublimia ora palam est deliquio solis – aut in luna veneficia arguente mortalitate et ob id crepitu dissono auxiliante. Vgl. auch § 57. Eine Sonnenfinsternis als Unheilszeichen steht auch im Mittelpunkt eines der beiden Epikedien Opitzens auf seinen Freund, den Astronomen Peter Crüger, der wenige Tage nach der Sonnenfinsternis vom 1. Juni 1639 starb. Hier lautet die Überschrift: In defectum Solis, qui obitum Crügeri praecessit; s. dazu LW 3, S. 603 f.; zu den Sonnenfinsternrissen s. auch oben sowie im Vesuvius (S. 27 f.) mit vorsichtiger Distanzierung vom Glauben des „Pöbels“: „Wie herrlich ist der schein | Der edlen Sonnen doch/ noch wirfft man das gesichte | Gar selten zue ihr auff ? wann aber jhrem liechte | Ein trübes finsterniß wirdt in den weg gesetze/ | Da läufft der pöfel zue / da wirdt es hoch geschätzt/ | Vndt furchtsam angesehn.“ 61–66 Haec … dicarem] Der Satz markiert den Übergang zwischen den beiden Teilen der Vorrede. Die partizipiale Formulierung Haec mihi attentius consideranti weist traditionell weist darauf hin, daß aus einem geschilderten Sachverhalt eine Folgerung zu ziehen ist, des weiteren kündigen die Anrede an den Fürsten (Princeps Illustrißime) und die Betonung des würdigen Gegenstandes (dignum argumentum) das durch Bescheidenheits- und Untertänigkeitstopik (proque virili … quanta possem animi devotione) relativierte Vorhaben einer poetischen Ausarbeitung (versibus includerem) an. Eine Art tertium comparationis von Gegenstand und Adressat folgt im übernächsten Satz: sideribus proximae dotes tuae – auch im Vesuvius geht es zumindest am Rande um die Gestirne. 62 f. Vesuuius, conflagrationem ante annum Campaniae vniversae minatus] Der Vesuv war am 16. Dezember 1631 ausgebrochen. Diese Eruption war, nach dem Ausbruch des Jahres 79 n. Chr., die heftigste, die in historischen Zeiten registriert wurde; mehrere tausend Menschen fielen ihr zum Opfer; vgl. Richter (wie oben), S. 51–70. 69–79 Sed nec obiter … fluctuassent] Auch zu Anfang des Vesuvius (S. 1) rühmt Opitz in ähnlicher Weise – allerdings ohne Namensnennung – den Herzog gleich nach dem gattungskonstituierenden Musenanruf: „… vndt du auch/ edler Heldt/ | Piastens großer zweig/
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du bild der alten welt/ | Vndt licht der jetzigen/ du Hertzog von geblüte/ | Doch mehr von tapfferkeit/ von gaben vndt gemüte/ | Das niemals vnterliegt/ o vnsers landes lust/ | O deines volckes trost /…“. Aufschlußreich ist, daß Opitz hier in der Person Johann Christians ein Gegenbild zu anderen Fürsten entwirft: Er verkörpere noch die altehrwürdigen Fürstentugenden. 79 Dicendum et de liberis tuis erat] Bei diesen Söhnen handelt es sich um Georg (1611–1664), Ludwig (1616–1663), Rudolph (1617–1633) und Christian (1618–1672); zu ihnen siehe vor allem Schönwälder, Bd. 3; Schoenborn (wie oben); Thebesius, Bd. 2, S. 78–94. 81 Principes Juventutis dici poßint] Diese Bezeichnung verwendet Opitz für die Söhne Herzog Johann Christians auch auf der Rückseite des Titelblattes eines Trauerdrucks, in dem er 1625 diesem und dessen Söhnen zum Tode von Herzogin Dorothea Sibylla von Schlesien zu Liegnitz und Brieg kondoliert (s. dazu die Ausführungen zu DI vine Princeps; LW 2, S. 290–292). Princeps iuventutis war bereits in der römischen Antike ein Titel für den Nachfolger des Kaisers. 83–85 Mores vero universos tuos, mansuetudinem, integritatem, modestiam, candorem, et quicquid animo concipere facilius, quam ratione complecti possumus] Die Eigenschaften eines guten Herrschers waren wegweisend formuliert von Plinius d. J. in seinem Panegyricus auf Kaiser Trajan; dazu kamen zahlreiche Fürstenspiegel, etwa im Anschluß an Erasmus von Rotterdams Institutio principis Christiani (Erstdruck 1515), die in kanonischen Zusammenstellungen die Tugenden hervorhoben, die für einen Princeps optimus nötig erschienen. Dazu gehören: iustitia, prudentia, providentia, magnanimitas, liberalitas, clementia, mansuetudo, continentia, verecundia, pudicitia, affabilitas, sobrietas, frugalitas, fides, veritas, fortitudo; vgl. Bruno Singer: Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus und der Reformation. München 1981 (= Humanistische Bibliothek; Reihe 1: Abhandlungen, Bd. 34), S. 31f.; ferner zur Entwicklung im 17. Jahrhundert, d.h. zur Integration der moralischen Herrschaftslehre in die pragmatisch konzeptionalisierte Lehre der zweckmäßigen Politik Wolfgang Weber: Prudentia gubernatoria. Studien zur Herrschaftslehre in der deutschen politischen Wissenschaft des 17. Jahrhunderts. Tübingen 1992 (= Studia Augustana 4). 85 f. exemplar quoddam eius Reipublicae, quam Philosophi saniores finxerunt] Die gleich nachfolgende Einschränkung tempus nullum formavit verweist prägnant auf die Gattung der frühneuzeitlichen Staatsutopie nach dem Modell von Thomas Morus’ Utopia (1516), eher zweitrangig dürfte der Bezug auf die Platonische Forderung nach einer Herrschaft der Philosophen sein, wie sie in der Politeia niedergelegt ist. 90–92 Nunquam sordes ministeriorum et probra bono Principi, nunquam boni malo placuerunt: et pares plerumque aut eliguntur judicio, aut redduntur exemplo.] Vgl. Petron, Satiricon 58,3: Plane qualis dominus, talis et servus. Siehe auch Plinius, Panegyricus auf Trajan 83,1: Habet hoc primum magna fortuna, quod nihil tectum, nihil occultum esse patitur; principum vero non domus modo sed cubicula ipsa intimosque secessus recludit, omniaque arcana noscenda famae proponit atque explicat. 92–94 Circa Claudium ac Neronem, dominos Populi Romani, seruos libertorum, Pallantes et Spori, pantomimi et gladiatores sunt] Zu Pallas s. Tacitus, Annalen 11 und 12 passim. Sporus war ein Freigelassener Neros (vgl. Cassius Dio, Römische Geschichte 62–64, und Sueton, Nero 28 f.).
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94 f. Traianum Optimum tuique similimum Principem optimi quique sectabantur] Opitz bezieht sich auch in anderen (panegyrischen) Texten gerne auf den römischen Kaiser Trajan (reg. 98–117), wenn es darum geht, vorbildliche Herrschertugenden darzustellen, so zum Beispiel in der Oratio auf Kurfürst Friedrich V., in der es von diesem heißt: Alter Trajanus es (LW 1, S. 204). In dem Epicedium auf Erzherzog Karl von Österreich wird Kaiser Ferdinand II. als Trajane secunde bezeichnet (LW 2, S. 60). Herzog Johann Christian wird hier also auf eine Stufe gestellt mit diesen Persönlichkeiten. 98 f. ut caput, quod valetudinem adeo bonam in membra sua deriuat] Zur politischen Körpermetaphorik im 17. Jahrhundert s. Kühlmann (1982), bes. S. 69–79; wegweisend war die schon in der Antike entwickelte Parabel (‚Fabel‘) von Menenius Agrippa (Streit der Glieder mit dem Magen; Livius, Ab urbe condita 2,32,8–12), unter anderem behandelt auch von Opitzens Lehrer Caspar Dornau (dazu Seidel, 1994, S. 129–141). Zum weiteren Ausblick vgl. Dietmar Peil: Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart. München 1983 (= Münstersche Mittelalter-Schriften 50), S. 307–359, sowie ders.: Der Streit der Glieder mit dem Magen. Studien zur Überlieferungs- und Deutungsgeschichte der Fabel von Menenius Agrippa von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main u. a. 1985 (= Mikrokosmos 16). 100–104 quo studio … L EGENDO ] Der Angeredete soll also Opitzens vornehmsten Wunsch erfüllen, wie er ihn in seinem Buch von der Deutschen Poeterey formuliert hatte (Poeterey / Jaumann, S. 72): „Welches denn der grösseste lohn ist / den die Poeten zue gewarten haben; das sie nemlich inn königlichen vnnd fürstlichen Zimmern platz finden / von grossen vnd verständigen Männern getragen / von schönen leuten (denn sie auch das Frawenzimmer zue lesen vnd offte in goldt zue binden pfleget) geliebet / in die bibliothecken einverleibet / offentlich verkauffet vnd von jederman gerhümet werden.“ 101 Celsissimi Principis Fratris Tui veterem novumque Tuum clientem] Vor seinem Dienstantritt bei dem katholischen Burggrafen Karl Hannibal von Dohna 1626 hatte sich Opitz um die Gunst der Piastenherzöge bemüht, wobei die Nähe zu Georg Rudolf von Liegnitz größer war, u. a. weil seine Freunde Kirchner und Nüßler am Liegnitzer Hof eine Anstellung gefunden hatten. Es war allerdings Johann Christian von Brieg, der ihm 1622 die Anstellung in Siebenbürgen vermittelte. 104 L EGENDO.] Das Verb ist doppeldeutig und wäre sowohl mit „Lesen“ als auch mit „Sammeln“ zu übersetzen. 104–106 Plinius … impenderit] Verweis auf Plinius d. Ä. (geb. um 23 v. Chr.), römischer Historiker und Rhetor, sein bekanntestes Werk sind die Naturalis historiae libri XXXVII. Unter dem römischen Kaiser Vespasian bekleidete er ein Hofamt. Er kam bei dem Vesuvausbruch am 24. August 79 ums Leben; s. dazu den berühmten Brief seines von ihm adoptierten Neffen Plinius d. J. an Tacitus (Briefe 6,16). 108f. Et qui … consueuisti] Herzog Johann Christian verkörpert den Typus eines vorbildlichen Edelmanns, der neben den oben genannten Herrschertugenden auch exzellente Bildung besitzt bzw. sich um diese bemüht. Diese für ihn ideale Verbindung von Geburtsadel und Geistesadel wird von Opitz (wie ähnlich auch von vielen anderen Gelehrten) bei Adligen, die von ihm mit einer Widmung bedacht wurden, jeweils besonders hervorgehoben.
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110–119 Deum Immortalem … brevi sortiatur] Ähnliche Gebete finden sich auch in Reden Opitzens wie z. B. am Schluß seiner Oratio für Friedrich V. (vgl. LW 1, S. 218). Siehe zudem die Schlußverse des Vesuvius (S. 33): „Ja entlich auch/ o Herr/ schütt auff den fromen Helden/ | Dem diese Schrifft gehört/ vndt auff sein gantzes Hauß | Versicherung der rhue/ vndt allen segen auß.“ 118 Provincia] Zu fragen ist, ob Opitz damit hier konkret das Herrschaftsgebiet des Herzogs oder z. B. auch Schlesien (als „Nebenland der böhmischen Krone“) meint. [V.M., W.K.]
TR edecim fermè anni sunt – SI justas mediter Widmungsvorrede und Widmungsgedicht zum Trostgedichte in Widerwertigkeit Deß Krieges an Prinz Ulrich von Dänemark Dünnhaupt, Nr. 149; – TrostGedichte | In Widerwertigkeit | Deß Kriege‚; | In vier Bücher abgetheilt/ | Vnd vor etzlichen Jahren von einem | bekandten Poëten anderwert‚ | geschrieben. | In verlegung David Müller‚ Buchhendler‚ | in Breßlaw. | Leipzig/ | Gedruckt bey Henning Kölern/ | A NNO M DC XXXIII. Die lateinische Widmungsvorrede befindet sich dort S. 3–5, das beigefügte Epigramm ebd., S. 6. Unsere Ausgabe folgt diesem Erstdruck. Opitzens deutsches Trostgedichte in Widerwertigkeit Deß Krieges (postum auch in: Geistliche Poemata, S. 337–408) wurde 1633 zusammen mit einem ebenfalls deutschen An den Durchleuchten Hoch- | gebornen Fürsten und Herrn/ | Herrn | Uldrichen/ | Postulierten Administratorn | des Stiffts Schwerin/ Erben zu Nor- | wegen/ Hertzogen zu Schleswig/ Holstein/ | Stormarn vnd der Ditmarsen/ Graffen zu | Oldenburg und Delmenhorst/ Churfürstlichen | Sächsischen bestellten Generalen vber de- | ro Cavallerie/ vnd Obristen vber ein | Regiment zu Rossz: | Martin Opitzen von Bober- | feldt Lobgedichte (postum auch in: Weltliche Poemata, Bd. 1, S. 21–30; vgl. Hinweis in GW 1, S. 187) sowie mit dem hier wiedergegebenen lateinischen Widmungsbrief (postum auch in: Geistliche Poemata, S. 335 f.; GW 1, S. 190 f.) und dem ebenfalls wiedergegebenen Epigramm Si justas mediter (vgl. Hinweis in GW 1, S. 187) abgedruckt. Das Lobgedichte wurde samt dem lateinischen Epigramm (fol. A1v) 1633 überdies mit geringen Textabweichungen – auch im Titel – separat publiziert: An den Durchlauchten … Brieg 1633 (vgl. Hinweise bei Dünnhaupt, Bd. 4, S. 3055, Nr. 146; Szyrocki, S. 154, Anm. 13; GW 1, S. 187). Das Epigramm ist im Anhang an die Leichenrede auf den Adressaten der Widmung, Prinz Ulrich von Holstein, Sohn Christians IV. von Dänemark, mit der Überschrift Dies aliquot ante obitum Principis perscriptum noch ein drittes Mal abgedruckt (zu Ulrich s. die Erläuterungen zur Leichenrede Laudatio funebris memoriae ac honori serenissimi principis Ulderici in LW 3, S. 389–403). Das Trostgedichte in Widerwertigkeit Deß Krieges (GW 1, S. 191–266) hatte Opitz auf der Flucht vor dem Krieg bereits zwischen 1620 und 1621 in Jütland geschrieben, publizierte es aber aus politischen und/oder poetischen Gründen erst 1633 (vgl. Opitz’ Briefe vom 6. 11. 1624 an Julius Wilhelm Zincgref und vom 28. 12. 1624 an Georg Michael Lin-
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gelsheim sowie den Brief von Christophorus Colerus an Opitz vom 8. 3. 1627, in: Conermann/Bollbuck, S. 357 f., 363–365, 565 f.). Das Gedicht umfasst 2312 paargereimte Alexandriner und gilt als bedeutendstes Zeugnis seiner stoischen Gesinnung; vgl. JeanDaniel Krebs: Martin Opitz: TrostGedicht in Widerwertigkeit Deß Krieges (Bücher I und II). Von der national-politischen Trauer zum Ideal des Neustoizismus, in: Littérature & Civilisation au CAPES et à l’Agrégation d’allemand. Nancy 1996, S. 1–14. Ebenfalls konnte es als Aufruf zur nationalen Einheit verstanden werden; vgl. Klaus Garber: Konfessioneller Fundamentalismus und späthumanistischer Nationalismus. Die europäischen Bürgerkriege in der poetischen Transformation um 1600: Opitzens ‚Trost-Getichte in Widerwärtigkeit des Krieges‘, in: Heinz Schilling: Konfessioneller Fundamentalismus. Religion als politischer Faktor im europäischen Mächtesystem um 1600. München 2007 (= Schriften des Historischen Kollegs; Kolloquien 70), S. 23–46, bes. S. 44 f. Das Trostgedichte ist in vier Bücher unterteilt, von denen das erste den Böhmischen Krieg bzw. den Krieg überhaupt als Schickung Gottes beschreibt, das zweite die stoische Tugend der Beständigkeit als Bewältigungsstrategie und das dritte die heroische Variante der Beständigkeit in der Form des Freiheitskampfes propagieren, das vierte stoische Formen der Schmerzlinderung nennt und die gegenwärtige Bedrängnis vor dem Hintergrund der Vergänglichkeit und des Jüngsten Gerichtes relativiert. Zeitbezug, Gattungszugehörigkeit, gedanklicher Gehalt, Tendenz und Kohärenz des Textes sind in der Forschung umstritten; einen Forschungsüberblick gibt Achim Aurnhammer: Martin Opitz’ Trost-Getichte: ein Gründungstext der deutschen Nationalliteratur aus dem Geist des Stoizismus, in: Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne, hrsg. von Barbara Neymeyer u. a. Berlin/ New York 2008, S. 711–729, bes. S. 712 f. Wenigstens vier Prätexte bzw. Vorbilder werden geltend gemacht: 1. Petrarcas De remediis utriusque fortunae; vgl. Jörg-Ulrich Fechner: Martin Opitz’ Trostgedichte in der Nachfolge von Petrarcas De remediis utriusque fortunae? Eine methodische Überlegung, in: Opitz und seine Welt, S. 157–172; 2. Justus Lipsius’ De constantia; vgl. William L. Cunningham: Martin Opitz. Poems of Consolation in Adversities of War. Bonn 1974 (= Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft 134, S. 63–107; Wilhelm Kühlmann: Rezension zu Cunningham, in: Daphnis 4 (1975), S. 217–219, bes. S. 219; 3. Daniel Heinsius’ De contemptu mortis; vgl. Barbara Becker-Cantarino: Daniel Heinsius’ De contemptu mortis und Opitz’ Trostgedichte, in: Opitz und seine Welt, S. 37–56; 4. direkt oder durch Heinsius vermittelt Vergils Georgica; vgl. Becker-Cantarino und Aurnhammer, wie oben. Im Zusammenhang mit der Widmung an den Dänenprinzen Ulrich führen von allem die Ausführungen Aurnhammers (S. 714–722) weiter, wonach Opitz in einer Art Kontrastimitation zu Vergils Dichtung über das friedliche Landleben die Realität des Krieges schildert, den er als ein von Gott gesandtes Unheil, d. h. als ein Fatum, deutet, von dem der beständige Mensch sich nicht bewegen lassen darf. Der stoische Weise wird hier in doppeltem Sinne zum Krieger, zum einen im übertragenen Sinn in der von Seneca ausgebildeten und von Justus Lipius übernommenen Metaphorik vom Leben als Kriegsdienst, in dem sich der vir fortis ac sapiens zu bewähren hat, zum anderen im konkreten Sinn als Held und Verteidiger von Gottes Wort; vgl. Cicero, Tusculanae Disputationes 2,56; Seneca, Epistulae 24,25; 59,7; 65,18; 71,8; 71,30; 78,16; 99,32; 104,29; Dialogi 1,51,1; 2,19,3; 7,15,5–7; 12,5,2 f.; dazu Andreas Urs Sommer: Das
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Leben als Krieg. Eine Leitmetapher bei Seneca und Lipsius, in: Neymeyer u. a. (wie oben), S. 631–553; Kühlmann (2001), S. 51–54. Dieser weise Krieger ist durchaus als – erasmisch getönter – Spiegel eines christlichen Fürsten zu lesen, dessen oberstes Ziel der Frieden zu sein hat; vgl. Garber (wie oben), S. 38 f. Dem Kriegerfürsten tritt der intellektuelle Weise, d. h. der inspirierte Dichter, an die Seite. Obwohl Opitz zu Beginn von Buch 3 (V. 21–24) des Trostgedichte (GW 1, S. 230 f.) die Unvereinbarkeit von Kunst und Krieg beklagt, gelangt er am Ende des Buches durch die Verschmelzung des stoischen mit dem humanistischen Diskurs doch zu einer Allianz von Schwert und Feder. Denn dem stoischen Weisen in der heroischen Ausprägung wird Ruhm als Lohn versprochen, den ihm der Dichter garantiert; vgl. Aurnhammer (wie oben), S. 722–727; Andreas Solbach: Rhetorik des Trostes. Martin Opitz’ Trostgedichte in Widerwertigkeit des Krieges, in: Borgstedt/Schmitz, S. 222–235, bes. S. 234 f. Mag auch das neostoizistische Tugendideal überkonfessionell konsensfähig sein, so ist die Parteinahme des Dichters für den Protestantismus greifbar. Während Vergil Augustus als göttlichen Schirmherrn der Georgica apostrophiert (1,24–42), verzichtet Opitz unter Bewahrung seiner poetischen Autonomie, so Aurnhammer (S. 717), auf eine derartige Dedikation. Möglicherweise fehlte ihm jedoch 1621 schlicht ein geeigneter Adressat, der sich als Identifikationsfigur für den stoischen Helden wie Augustus als Friedensbringer angeboten hätte. Einen solchen Adressaten scheint er jedoch, wie der Tenor des Widmungsbriefs nahelegt, 1633 in Ulrich gefunden, wie aus dem Datum des Widmungsbriefes, dem 22. August (XI. Kal. Septembres wurde von SchulzBehrend, GW 1, S. 189, falsch aufgelöst als 21. August; Szyrocki, S. 154, Anm. 14, gibt IX. Kal. Septembres = 24. August), abzulesen ist, aber im selben Augenblick wieder verloren zu haben. Denn am 4. oder 12., wahrscheinlich aber am 22. August 1633 wurde Ulrich anscheinend heimtückisch und hinterrücks in Schlesien bei Schweidniz erschossen; zu den verschiedenen Todesdaten und den Umständen des Todes s. die Erläuterungen zur Leichenrede Laudatio funebris memoriae ac honori serenissimi principis Ulderici (LW 3, S. 390 f.). Wenn jedoch das Datum des Widmungsbriefes tatsächlich identisch mit dem von Ulrichs Tod ist, erklärt sich einleuchtend die Bemerkung Lingelsheims an Bernegger über Opitzens Trostgedichte in einem Brief vom 25. September 1633 (Reifferscheid, S. 521, Nr. 459, Z. 25–27): Poema suum misit, alloquium in calamitatibus bellicis, inscriptum principi Danico, quem magnis laudibus extollit, et iam fatum eius miserabile deplorat. Opitz preist nun im Widmungsbrief gerade die Verbindung von intellektuellen Tugenden der Bildung (eruditio), des Gedächtnisses (memoriae miracula) und des scharfen Urteilsvermögens (acre exactumque judicium) mit der kriegerischen Tapferkeit (virtus bellica), die sich in einem epigrammtypischen Paradox formiert, indem Ulrich als Mars in der Toga (Mars togatus) oder Phöbus in Waffen (Phoebus armatus) bezeichnet wird. Zusätzlich zu den beiden stoischen Kardinaltugenden der sapientia oder prudentia und der fortitudo spricht Opitz dem Prinzen eine weitere zu, die der temperantia, zerlegt in Bescheidenheit (modestia), Enthaltsamkeit (sobrietas) und eine die Lüste verachtende Gesinnung (contemptor voluptatum animus). Letztere sind kaum zufällig die Gegenbilder derjenigen Laster – Trunksucht (ebrietas), Ausschweifung (libido) und Hochmut (superbia) –, die Ulrich in einer 1631 in Kopenhagen publizierten moralischen Erbauungsschrift mit dem Titel Vitiorum strigilis geißelt. Im zweiten Teil der Widmungsvorrede nimmt Opitz auf die Entstehung des Trostgedichte im Winter 1620/21 Bezug, als er unter ungünstigen Verhältnissen in Jüt-
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land weilte, und preist den Empfänger aufgrund seiner poetischen Neigungen und seiner Affinität zum (kriegerischen) Stoff als würdigen Adressaten des Buches. SERENISSIMO PRINCIPI] Zu Titeln und Abstammung Ulrichs s. die Erläuterungen zum Nekrolog auf Ulrich. Summo … Duci] Ulrich hielt sich seit Februar 1632 in Kursachsen auf und befehligte eines der sächsischen Regimenter. Offensichtlich hatte er seine Tante Hedwig (1581–1641) besucht, die Schwester Christians IV., Witwe des verstorbenen sächsischen Kurfürsten Christian II. (1583–1611) und Schwägerin des regierenden Kurfürsten Johann Georg I. (1585–1656); vgl. Ute Essegern: Fürstinnen am kursächsischen Hof. Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Leipzig 2007, S. 309. Zum militärischen Rang s. auch den Titel des Nekrologs auf Ulrich. Ein Brief August Buchners an Opitz vom 25. 2. 1633 (Conermann/Bollbuck, S. 1124 f.) belegt, daß Opitz dem Sekretär Ulrichs zu dieser Zeit schon bekannt war und daher wohl schon zu dieser Zeit Kontakt zu Ulrich unterhielt. [TR edecim fermè anni sunt] 1 TR edecim fermè anni] Zu Entstehungs- und Publikationszeit des Trostgedichte s. o. 1 f. in adversitate belli consolationes] Wörtliche Übersetzung des deutschen Titels des Trostgedichte. 7 Haec eruditio] Anstelle des Wortlautes im Erstdruck (Hanc eruditionem) aus der postumen Fassung in den Geistlichen Poemata übernommen; zu weiteren, hier nicht relevanten Abweichungen in diesem Druck von 1638 vgl. GW 1, S. 190 f. 7–16 Haec … doctrinâ] Hier wie in der Leichenrede (LW 3, S. 54–96) preist Opitz Ulrichs Begabung und Bildung, seinen maßvollen Charakter und seine Feldherrn- und Soldatentugenden. Die Punkte, die er in diesem kurzen Widmungsbrief nur nennt, amplifiziert er dort nach allen Regeln der rhetorischen Kunst. 12 Martem togatum … Phoebum armatum] Mit dem Kriegsgott Mars und Phoebus Apollo, vor allem Gott der Dicht- und Heilkunst, wird Ulrich zu zwei römischen Gottheiten in Beziehung gesetzt, die eng mit Oktavian/Augustus verbunden sind. Dieser hatte, so Sueton, Divus Augustus 29, dem Mars Ultor und Phoebus Apollo Tempel in Rom errichtet. Als Apollo Actius (Vergil, Aeneis 8,704) war letzterer auch eng mit dem Sieg Oktavians über Marc Anton bei Actium – und damit dem Ende des römischen Bürgerkrieges – verknüpft. Das tertium comparationis und der Zweck dieser angedeuteten Analogie sind klar (s. o.): Wie Augustus Frieden über Rom brachte, so soll der von Opitz im Folgenden zum Heilsbringer stilisierte Ulrich die (häufig als Bürgerkrieg aufgefassten) militärischen Auseinandersetzungen seiner Zeit beenden und, so die implizite Suggestion, ein quasi-augusteisches Goldenes Zeitalter einläuten. Die literarische Identifikation Ulrichs mit Mars und Apollo ist auch angesichts seiner von Opitz betonten Doppelrolle als Dichter und Feldherr (s. u. zu D. Julio) besonders gut geeignet. 15 D. Julio] C. Julius Caesar, 100–44 v. Chr., der nach seinem Tod in Rom offiziell vergöttlicht wurde. Im Jahr 29 v. Chr. ließ Augustus den Tempel des Divus Julius errichten, der sei-
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nem Adoptivvater geweiht war. Caesar kann nicht nur als genialer Feldherr und Machtpolitiker gelten, sondern war auch ein erfolgreicher Anwalt und Redner sowie der Verfasser eines sprachwissenschaftlichen Traktates De analogia. In der Leichenrede vergleicht Opitz nicht den Sohn, sondern den Vater Christian IV. von Dänemark mit dem sprichwörtlich glücklich agierenden Feldherrn Caesar. In jedem Fall sind die Analogien zwischen der dänischen Königsfamilie und den julischen Caesaren Roms unübersehbar. 16f. in Chersoneso Cimbrica] Das dänische Jütland. Opitz verfasste, unter dem Titel De reditu ex Chersoneso Cimbrica suo, anno MDCXXI., in den Silvae von 1631 publiziert, ein Reisegedicht auf seine Rückkehr aus Dänemark. Dort, V. 63f., nimmt er auch auf das Trostgedichte als ein Ergebnis seiner Reise Bezug. Vgl. zu diesem Gedicht die Wiedergabe in LW 2, S. 178–183 sowie den Kommentar ebd., S. 491–494; zur geographischen Nomenklatur s. ebd., S. 492. 17–19 hic foetus; … illum … excipias] Ulrich möge die Frucht von Opitzens Geist gewissermaßen an Sohnes statt annehmen. In diesem Bild spiegelt sich das Anliegen frühneuzeitlicher Autoren, mit einer Dedikation ihren Büchern den Schutz eines Mächtigen (vor Verleumdung, unrechtmäßigem Nachdruck usw.) zu sichern. 20 in quo … egregiè] In der Leichenrede rühmt Opitz das poetische Talent des Dänenprinzen, besonders seine Fähigkeit, deutsche Gedichte zu verfassen. 21 fortitudine felicissimâ] Das Glück (felicitas) wird von Cicero (De lege Manilia 47 f.) im Lob des Pompeius explizit zu den Feldherrntugenden gezählt. 22–26 Si quid insubidum … impossibile sit] Opitz nutzt hier die für Kasualgedichte topische Apologetik (Extemporiertheit, vorgeblich mangelnde Ausgefeiltheit des Textes usw.), um auf die konkreten und misslichen Produktionsbedingungen in der Abgeschiedenheit des rauhen dänischen Winters anzuspielen, und entschuldigt mit der dortigen Situation zugleich das behauptete qualitative Defizit. 26 carmen … conscriptum] Zum Begleitepigramm s. o. 26 cum publicè jam legatur] Die Veröffentlichung des deutschsprachigen Lobgedichte, dem das Epigramm ebenfalls beigegeben war (s. die Einleitung), ging der Publikation des Trostgedichte also voraus. 27 f. ac patriae meae libertatisque tutelam] Die tutela, ‚Schutzbefohlenheit‘ oder ‚Vormundschaft‘, ist bei Cicero ein vergleichender Ausdruck für die Art, auf welche ein guter Staatsmann die ihm anvertraute res publica führen soll; vgl. De officiis 1,25 [85]: Ut enim tutela, sic procuratio rei publicae … gerenda est.
[SI justas mediter] 1 sanguis regie] Zur Betonung der königlichen Herkunft des Adressaten im ersten Vers eines Gedichtes in Form einer Apostrophe vgl. Horaz, Oden 1,1,1: Maecenas atavis edite regibus. 2 Icaria … aqua] Bildlicher Ausdruck für ‚zu hoch hinaus wollen‘, wie Ikarus zu hoch, d. h. den Sonnenstrahlen zu nah flog, welche die Wachsverbindungen seiner Flügel zum Schmelzen brachten, so daß er ins Ikarische Meer abstürzte. Ulrich hatte in seiner Strigilis
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vitiorum das Schicksal des Ikarus als poetisches Beispiel für Hochmut angeführt: Si Poëtarum ludicra amas, Icarum ceratis pennis altitudinem coeli experiri gestientem, solis ardore liquefacta cera solutis alis in mare devolutum nimio aquae haustu fatalem metam superbia adire coëgit (C2v). 3 volitant] Nach den Drucken des Trostgedichte und der Leichenrede gegenüber volitans in: Weltliche Poemata, Bd. 1, S. 22. 4 nec tua facta tubam] Gewisse Analogie zur zweiten Vershälfte bei Ovid, Amores 1,1,6: Pieridum vates, non tua turba sumus (s. auch unten zu V. 10). 6 Digna … cani] Mit diesem kunstvoll gebauten Pentameter stellt Opitz die Doppelrolle seines Adressaten als Dichter und fürstlicher Heros in epigrammatischer Pointiertheit heraus. 10 Hos … sui] Der Schlußvers ist im sprachlich-lautlichen (nicht grammatischen!) Duktus und auf der Ebene semantischer Konnotation möglicherweise durch den prominenten Pentameter Ovid, Amores 1,1,6 inspiriert, der schon in V. 4 des vorliegenden Epigramms als potentieller Prätext zumindest anklingt (s. o.). [B.H.]
LAUDATIO FVNEBRIS MEMORIAE AC HONORI VLDERICI Prosanachruf mit Biographie des dänischen Prinzen Ulrich von Holstein Opitzens LAVDATIO
FVNEBRIS
wurde mehrfach gedruckt:
[X] Dünnhaupt, Nr. 150.1; – LAVDATIO FVNEBRIS | MEMORIAE AC HONORI | SERENISSIMI PRINCIPIS | VLDERICI | POTENTISS . DAN. REGIS F. | HAEREDIS NORVAGIAE | SVMMI COPIAR . EQVESTRIVM | SAXONICAR . PRAEFECTI | DVAR . LEGION. DVCIS | DICATA | A MARTINO OPITIO | F RANCOF. AD M OEN. | APVD MAT. MERIANVM . | M . DC . XXXIII . [Kolophon: Francof. ad Moenum, | Typis W OLFGANGI H OFFMANNI .] (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: A: 162.5 Hist. [2]). Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck. Conermann/Bollbuck drucken (S. 1149 f.) ebenfalls nach dieser Fassung die Widmung ab und übersetzen diese; ebd., S. 1150 f., sind die vier Epigramme abgedruckt. sowie ein Jahr später in folgendem Nachdruck: [Y] Dünnhaupt, Nr. 150.2; – LAVDATIO FVNEBRIS | Memoriae ac Honori | SERENISSIMI PRINCIPIS | ULDERICI | POTENTISS . DAN. | REGIS F. | HAEREDIS | NORVAGIAE | Summi copiarium Equestrium | Saxonica-|rum Praefecti | Duarum Legion. Ducis | DICATA | à | MARTINO OPITIO. | HAFNIAE . | Ad exemplar Francofurti editum. | M . DC . XXXIV. (UB Breslau: 510081). Abweichungen zur ersten Auflage sind an entsprechender Stelle in den Lemmata vermerkt (s. u.). Der verstorbene Ulrich wurde 1611 als dritter Sohn des Dänenkönigs Christian IV. geboren. Über ihn gibt es kaum Nachrichten, außer daß er 1631 eine moralische Erbauungsschrift Strigilis vitiorum (s. u.) verfaßte, in der er gegen Trunksucht (ebrietas), Ausschweifung
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(libido) und Hochmut (superbia) zu Felde zieht, und 1633 in Schlesien bei Schweidniz erschossen wurde. Friedrich Lucae berichtet 1689 in seiner schlesischen Chronik Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten oder vollkommene Chronica von Ober- und Niederschlesien; welche in sieben Haupt-Theilen vorstellet alle Fürstenthümer und Herrschaften, mit ihren Ober-Regenten, LandesFürsten, Hofhaltungen, Stammregistern, Verwandtschaften, Herren- und adelichen Geschlechtern, Tituln, Wappen, Beschaffenheiten, Grentzen, Religionen, Schulen, Fruchtbarkeiten, Ströhmen, Bergen, Sitten, Manieren, Gewerben, und Maximen der alten und heutigen Inwohner; sowohl auch deren Verfassungen, Regierungs-Arten, Staats- und Justiz-Wesen, Reichthümer, Regalien, Kriegs- und Friedenshändel, Veränderungen, Privilegien, Verträge, Bündnisse, Edicta und dergleichen etc. Frankfurt am Main 1689, S. 923 und S. 2227 f. zwei Versionen des Tathergangs. Nach der ersten hätten der kaiserliche General Wallenstein und der sächsische General Arnheim einen Waffenstillstand geschlossen, bei dem Ulrich und Herzog Franz Albrecht zu Sachsen-Lauenburg Arnheims Assistenten, Graf von Schlick und Octavio Piccolomini diejenigen Wallensteins gewesen seien, nach der zweiten habe sich derselbe Personenkreis während eines Waffenstillstands auf freiem Feld zu einem Gastmahl getroffen. In jedem Fall habe Piccolomini Ulrich beim Abschied zurückgerufen, um ihm etwas zu sagen. Als dieser sich tatsächlich zurückwandte, sei er von einem Schuß getroffen worden. Als Täter wurde der Possenreißer Piccolominis ausgemacht, der ihm auch als Jäger diente. In der ersten Version führte der Tod Ulrichs zur Aufhebung des Waffenstillstands. Zedler, Bd. 49, Sp. 821 f., übernimmt beide Versionen, variiert aber offensichtlich nach anderen Quellen die erste dahingehend, daß Ulrich auf dem Heimritt vom Gastmahl erschossen worden sei, ohne daß man vom Täter wisse, und präzisiert die zweite um die Information, der Possenreißer habe sich, um besser treffen zu können, in einem Graben versteckt gehalten. Weniger detailreich und nüchterner ist der Bericht des herzoglich-briegischen Rats Bernhard Wilhelm Nüßler, eines engen Freundes von Opitz, an den Wittenberger Professor August Buchner vom 1. September 1633; vgl. Conermann/Bollbuck, S. 1152. Demnach sei Ulrich am Tag des zweiten schlesischen Waffenstillstandes (22. August) von Piccolomini ins kaiserliche Lager geladen worden, habe sich mit sechs Mann Begleitung dort hinbegeben und sei auf dem Rückweg von einem Gefolgsmann Piccolominis vorsätzlich erschossen worden. Der Täter habe fliehen können. Ulrich habe noch bis Mitternacht gelebt und seinen Vater bitten lassen, die Tat, die zweifellos mit anderen geplant worden sei, nicht ungerächt zu lassen. Opitzens Darstellung deckt sich weitgehend mit Lucaes zweiter Version oder ist ihre Quelle. Jedenfalls verweisen sowohl Lucae, S. 923, als auch Zedler, Bd. 49, Sp. 822 auf Opitzens Leichenrede. Auch verschiedene Todesdaten werden angegeben: So erwähnt Zedler, Sp. 821, den 4. August 1633. Bei Ute Essegern: Fürstinnen am kursächsischen Hof. Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Leipzig 2007, S. 309, Anm. 273, erscheint, unter Berufung auf das Hoftagebuch von 1633 (Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Oberhofmarschallamt, O 4), der 12. August. Szyrocki, S. 102, Barbara Becker-Cantarino: Daniel Heinsius’ De contemptu mortis und Opitz’ Trostgedichte, in: Opitz und seine Welt, S. 37–56, hier vor allem S. 55, Jörg-Ulrich Fechner: Martin Opitz’ Trostgedichte in der Nachfolge von Petrarcas De remediis utriusque fortunae? Eine methodische Überlegung, in: ebd. S. 157–172, bes. S. 159, und Conermann/Bollbuck, S. 1152, nennen als Datum den 22. August. Die unterschiedlichen Angaben in dem Hoftagebuch sowie bei
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Szyrocki, Becker-Cantarino, Fechner und Conermann/Bollbuck dürften auf der Zehntages-Diskrepanz zwischen julianischem und gregorianischem Kalender beruhen. Auf den 22. August jedoch, nicht auf den 21. August, wie Schulz-Behrend fälschlich angibt (GW 1, S. 189), ist der kurze lateinische Widmungsbrief datiert, mit dem Opitz Ulrich sein bereits 1621 in Dänemark entstandenes Trost-Gedichte in Widerwertigkeit deß Krieges zueignet (LW 3, S. 50–52). Des weiteren hat Opitz ein deutsches Lobgedichte auf den Dänenprinzen verfaßt (An den Durchleuchten Hoch- | gebornen Fürsten und Herrn/ | Herrn | Uldrichen/ | Postulierten Administratorn | des Stiffts Schwerin/ Erben zu Nor- | wegen/ Hertzogen zu Schleswig/ Holstein/ | Stormarn vnd der Ditmarsen/ Graffen zu | Oldenburg und Delmenhorst/ Churfürstlichen | Sächsischen bestellten Generalen vber de- | ro Cavallerie/ vnd Obristen vber ein | Regiment zu Rossz: | Martin Opitzen von Bober- | feldt Lobgedichte, in: Weltliche Poemata, Bd. 1, S. 21–30). Das Lobgedichte wurde zusammen mit dem Trostgedichte abgedruckt und außerdem 1633 noch einmal separat publiziert (vgl. GW 1, S. 187; Szyrocki, S. 154, Anm. 13). Das diesen Drucken beigegebene Dedikationsepigramm Si justas mediter (kommentiert in LW 3, S. 388 f.) ist identisch mit dem letzten der mit der Leichenrede abgedruckten Epigramme, das Opitz laut Überschrift einige Tage vor Ulrichs Tod schrieb. Der Prosanachruf reiht sich in eine Serie zahlreicher anderer ähnlich strukturierter Lobreden Opitzens auf Adlige, Frauen wie Männer, ein (vgl. LW 1, S. XXVIII). Die vorliegende Rede widmete er Ulrichs Vater, König Christian IV. von Dänemark und Norwegen, geb. am 12. April 1577 in Frederiksborg, gest. 28. Februar 1648 in Kopenhagen, Sohn Friedrichs II. und Sophias, der Tochter des Herzogs Ulrich von Mecklenburg. Christian wurde 1588 nach dem Tod seines Vaters zum König gekrönt und übernahm die Regierung mit seiner Volljährigkeit am 17. August 1596. Auch wenn es ihm nicht gelang, eine dänisch-norwegische Großmacht zu etablieren, ist er doch als militärischer und innenpolitischer Reformer, durch seine rege Bautätigkeit, die Gründung von Städten (Kristiansand, Kristianstad, Glückstadt, Christianshafen) sowie durch die Förderung von Industrie, Handel und Seefahrt in die Geschichte eingegangen. Nachdem er im Kalmarkrieg 1611–1613 den Schweden große Gebiete hatte abnehmen können, versuchte er in Norddeutschland Einfluß zu gewinnen, unter anderem, indem er seinen Söhnen säkularisierte Bistümer verschaffte. Ulrich folgte 1624, d. h. im Alter von 12 Jahren, als Bischof bzw. als Administrator des Bistums von Schwerin seinem Onkel Ulrich Johann (geb. am 30. Dezember 1578, gest. 27. März 1624), einem Bruder Christians. Doch während auf dem Titelblatt von Ulrichs Vitiorum strigilis der Titel eines Episcopatus Sverinensis Administrator an erster Stelle angegeben ist und auch Opitz ihn in der Titulatur des deutschen Lobgedichtes als ersten anführt (s. o.), unterdrückt er diese Bezeichnung im Widmungsbrief zum Trostgedichte und in der Leichenrede und nennt nur die Herrschertitel des Prinzen sowie seinen militärischen Rang. Ab 1625 ließ sich König Christian in den Dreißigjährigen Krieg verwickeln und konnte sich trotz Niederlagen gegen Tilly und Wallenstein zunächst seine Gebiete im Reich sichern. Opitzens Laudatio besteht aus zwei Hauptteilen, zum einen aus dem eigentlichen Lob des Prinzen, zum anderen aus einem umfangreichen Klage- und Trostteil. In dem Teil, der dem Lob vorbehalten ist, verfährt Opitz systematisch, indem er den Prinzen hinsichtlich seiner Heimat, bestimmter Vorfahren, seiner Gelehrsamkeit, seines Interesses für Literatur, Musik und Malerei, seiner Charaktertugenden (pietas, castitas, facilitas, humanitas,
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liberalitas, benignitas) und körperlichen Vorzüge und zuletzt aufgrund seiner Fähigkeiten als Feldherr preist, nachdem er in der Einleitung u. a. die Abscheulichkeit des Verbrechens (die Ermordung Ulrichs) als sein Thema verworfen, stattdessen die dotes und ornamenta des jungen Mannes zu seinem Gegenstand erklärt und außerdem den Topos seines rhetorischen Unvermögens bemüht hat. Dieses systematische Vorgehen mag darin begründet sein, daß der Prinz zur Zeit seines frühen Todes einfach noch nicht auf eine nennenswerte, in einzelne Taten und Phasen zerlegbare Lebensleistung zurückblicken konnte, so daß sich eine laudatio in chronologischer Form, wie Opitz sie in anderen Prosanachrufen vornimmt, nicht anbot. Bemerkenswert ist aber, wie sehr das Tugendlob in der Leichenrede über dasjenige im Widmungsbrief zum Trostgedichte hinausgeht. Dort lobt Opitz nämlich gerade diejenigen Tugenden, welche die Gegenbilder zu den von Ulrich in der Vitiorum strigilis gegeißelten Lastern bilden, nämlich als Gegensatz zum Hochmut die Bescheidenheit (modestia), als Gegensatz zur Trunksucht die Enthaltsamkeit (sobrietas) und als Gegensatz zur Ausschweifung eine die Lüste verachtende Gesinnung (contemptor voluptatum animus), darüber hinaus die Verbindung von kriegerischer Tapferkeit (virtus bellica) und Bildung (eruditio). Nach einer Anklage des ungerechten Schicksals stellt Opitz entgegen der Ankündigung zu Beginn der Rede doch Überlegungen zum Ablauf der Ermordung an, die – mit einiger Mühe, da der Tod bei einem Attentat per se nicht ehrenhaft ist – in der Imagination eines tapferen Sterbens gipfeln, eines der Topoi der Lobrede. Der Trost, den er dem Vater in diesem Zusammenhang spendet, besteht darin, daß er Ulrich als Erben seiner Tugenden darstellt, was die Möglichkeit bietet, Christians eigene Verwegenheit zu loben, die der Caesars an die Seite gestellt wird. Weitere Trostgründe sind die anderen Söhne Christians, deren gemeinsame Trauer ebenso beschworen wird wie die ganz Deutschlands unter namentlicher Nennung einiger seiner Fürsten. Dieser Abschnitt endet mit einem Aufruf zur Rache. Eine Apostrophe an die Stadt Schweidnitz, in deren Umgebung Ulrich getötet wurde, dient als Anknüpfungspunkt, die Situation in Schlesien sowie Opitzens Verhältnis zu Ulrich darzustellen, den er bei Aufenthalten im Lager im Dienst der Piastenherzöge Johann Christian und Georg Rudolph (s. u.) wohl im gleichen Jahr kennen gelernt hatte. Nach einer Seligpreisung des Verstorbenen schließt Opitz mit der Forderung nach der Einigkeit aller boni in der Trauer. Zu einer Interpretation der Rede vgl. Beate Hintzen: Der Fürst im Nachruf. Zur Aktualisierung und Instrumentalisierung antiker und zeitgenössischer ideologischer Muster in den Nekrologen des Martin Opitz, in: Discourses of Power. Ideology and Politics in Neo-Latin Literature, hrsg. von Karl Enenkel u. a. Hildesheim u. a. 2012 (= Noctes Neolatinae 17), S. 273–298. APVD MAT . MERIANVM ] Matthäus Merian der Ältere, geb. am 22. September 1593 in Basel, gest. 19. Juni 1650 in Langenschwalbach, wirkte seit 1624 als Kupferstecher und Verleger in Frankfurt am Main.
2 Princeps Iuuentutis] Zur Zeit der römischen Kaiser ein Ehrentitel ihrer Söhne; vgl. z. B. Tacitus, Annalen 1,3. 30 veteris instituti illius] In Rom war es üblich, daß der nächste männliche Verwandte, d.h. nach Möglichkeit der älteste Sohn, die Leichenrede hielt. Wenn es sich bei den Verstorbe-
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nen um Personen handelte, die im Staatswesen eine herausragende Position einnahmen, bekleideten auch ihre Söhne in aller Regel hohe politische Ämter. Zudem ist an dieser Stelle an die Rede des griechischen Strategen Perikles auf die gefallenen Athener zu denken. 44 verum … iusserit] Daß Ulrich im Sterben eine Memorialschrift von Opitz erbeten hat, bezeugt Bernhard Wilhelm Nüßler in einem Brief an August Buchner vom 22. August 1633 (Conermann/Bollbuck, S. 1148): In ipso etiam mortis articulo ejus [sc. Opitii] fecit mentionem, et nuntiari jussit ei, ut indignam caedem suam epicedio carmine prosequeretur; quod etiam strenuè facturus est. Vgl. ebd. S. 1146 auch den Abdruck des unten Z. 523–532 eingerückten Briefes. 54 Zelandia] Seeland, größte Insel Dänemarks mit der Hauptstadt Kopenhagen. 55 Scania] Schonen, historische Provinz in Südschweden. 55 Fionia] Fünen, zweitgrößte Insel Dänemarks. 56 Chersoneso Cimbrica] Jütland, bezeichnet nach seinen früheren Bewohnern, den Kimbern; der festländische Teil Dänemarks. Vgl. auch Opitzens Gedicht De reditu ex Chersoneso Cimbrica suo (LW 2, S. 178–183). 59 Codani] Kattegat, flaches Seegebiet nördlich der dänischen Inselgruppen zwischen Jütland und Schweden, das Nord- und Ostsee verbindet. 62 natio illa] Die Kimbern, ein germanischer Stamm aus Nordjütland, der Ende des 2. Jh. v. Chr. seine Wohnsitze verließ und über Böhmen in die Ostalpen zog, besiegten 133 v. Chr. ein römisches Herr bei Noreia, schlugen die Römer weitere Male, zuletzt entscheidend am 6. Oktober 105 v. Chr. bei Arausio, dem heutigen Orange. Zusammen mit den Teutonen, Ambronen und Haruden drangen sie nach Italien vor, wurden aber am 30. Juli 101 von Marius bei Vercellae vernichtend geschlagen. 68 Hiarnos] Hiarno, König in Dänemark um die Zeit von Christi Geburt. 68 Frothones] Frotho war der Name mehrerer frühgeschichtlicher dänischer Könige. 69 Canutos] Knut war ebenfalls Name mehrerer dänischer Könige. 73 f. Friderici I.] Friedrich I. (geb. am 7. Oktober 1471, gest. 10. April 1533 auf Schloß Gottorf) war König von Dänemark (seit 1523) und Norwegen (seit 1524), Herzog von Schleswig und Holstein. Er wurde nach dem Sturz Christians II. in Kopenhagen zum König gewählt, gewährte 1524 den Ständen Holsteins, Schleswigs und Stormarns das „Große Privileg“ in der Tradition des Ripener Freiheitsbriefes (Privilegien, die den Ständen des Herzogtums Schleswig und der Grafschaft Holstein am 5. März 1460 von König Christian I. von Dänemark gewährt worden waren) und führte die lutherische Reformation in Dänemark ein. 77 Christiani II.] Christian II. (geb. am 1. Juli 1481 in Nyburg, gest. 25. Januar 1559 in Kalundborg), König von Dänemark und Norwegen (1513–23), König von Schweden (1520–23), Herzog von Schleswig und Holstein, ging durch die als „Stockholmer Blutbad“ (8./9. November 1520) bezeichnete Massenhinrichtung, die er am Ende seines langjährigen Kampfes um die Anerkennung seiner Herrschaft in Schweden hatte vollziehen lassen, in die Geschichte ein. Nachdem er bereits 1523 Schweden durch eine Erhebung
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verloren hatte, zwang ihn kurz darauf ein bereits 1522 ausgebrochener Aufstand von Adel und Geistlichkeit in Dänemark, das Land zu verlassen, um auswärtig Hilfe zu suchen. Bei seiner Rückkehr 1531 wurde er gefangengenommen und lebte seit 1549 als Gefangener in Kalundborg. Beliebt war Christian II. bei Bürgern und Bauern, die von seinem Versuch, den Einfluß des Adels zurückzudrängen, und seiner Förderung der aufblühenden Städte profitierten. 80 Friderici autem II.] Friedrich II. (geb. am 1. Juli 1534 in Haderslevhus bei Hadersleben, gest. am 4. April 1588 in Antvorskov bei Slagelse), König von Dänemark und Norwegen (seit 1559), Herzog von Schleswig und Holstein, folgte seinem Vater Christian III. auf den Thron, eroberte 1559 Dithmarschen, verschaffte seinem Bruder Magnus von Holstein 1560 die Herrschaft über Ösel und einen Teil Kurlands, konnte aber im Dreikronenkrieg (1563–70) gegen Schweden die Vorherrschaft im Ostseeraum nicht erreichen. Unter seiner Regierung wurden die Finanzen verbessert, Ackerbau und Handel gefördert, die Privilegien der deutschen Hanse allmählich beschränkt oder abgeschafft, mehrere Bestimmungen in Bezug auf das Sundrecht getroffen und infolgedessen die Festungen Kronenborg und Frederiksborg erbaut. Bereits 1560 revolutionierte Friedrich die Schiffahrt, indem er das moderne Leuchtturmwesen begründete. Auch die Wissenschaften, besonders die Astronomie, förderte er. 80 res terra marique gestae] Vgl. Cicero, De imperio Cn. Pompei ad Qvirites oratio 68. 82 disciplina castrorum] Vgl. Vegetius, Epitoma rei militaris 1,1: Nulla enim alia re videmus populum Romanum orbem subegisse terrarum nisi armorum exercitio, disciplina castrorum usuque militiae. Vgl. auch Plinius d.J., Panegyricus auf Trajan 18,1. 83 f. nisi … dignissimum] Vgl. Erasmus, Institutio Principis Christiani 1 (wiedergegeben nach: Erasmus von Rotterdam: Ausgewählte Schriften, Bd. 5, übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Gertraud Christian. Darmstadt 1968, S. 116 f.): Nulla pulcrior egregii Principis commendatio, quam si talem relinquat Reipublicae, ad cujus collationem ipse parum bonus videatur. 87 f. exornatas … vrbes] Vgl. Erasmus, Institutio Principis Christiani 10, wie oben, S. 332 f., zu den Aufgaben des Herrschers im Frieden: lustrare civitates, sed hoc animo, ut omnia reddat meliora: … publicis aedificiis ornet, item pontibus, porticibus, templis, ripis, aquaeductibus … 90 Patrem Patriae] Ehrentitel bei den Römern, der z. B. Cicero verliehen wurde, nachdem er 63 v. Chr. die Catilinarische Verschwörung aufgedeckt hatte. 94 Columniis] Die Colonna waren ein bedeutendes römisches Adelsgeschlecht, aus dem außer Papst Martin V. (geboren 1368, Papst 1417–1431) viele Kardinäle, Feldherren, Staatsmänner und Gelehrte hervorgingen. 95 Camillorum] Römischer Beiname, vermutlich etruskischer Herkunft, in republikanischer Zeit Familienbeiname der Furii. Berühmtester Träger des Namens ist Marcus Furius Camillus, der Eroberer von Veii 396 v. Chr. und Retter Roms nach der Gallierkatastrophe. 96 foecunda] In X fälschlich (und in Errata als Fehler angegeben) foecundum. In Y, wie hier, zu foecunda korrigiert.
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97 septemuiratu] Kollegium der sieben Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches, die den Kaiser zu wählen hatten. Vgl. Zedler, Bd. 5, s.v. Churfürsten, Sp. 2301–2305; Bd. 37, s.v. Septemvirat, Sp. 279. 98 tranquillitatis publicae] Die Sorge für die tranquillitas, verstanden sowohl als öffentliche Ruhe im Innern (tranquillitas publica, tranquillitas rei publicae) als auch als Frieden mit anderen Ländern und Nationen (tranquillitas regni publica, publica orbis tranquillitas), als Gegensatz zu Aufruhr und Krieg gehörte zu den zentralen Forderungen, die Erasmus an den idealen Herrscher stellte. Vgl. z. B. Institutio Principis Christiani 1 (wie oben, S. 160 f.); Epistola ad Sigismundum, 1527, Epist. 1819, in: P. S. und H. M. Allen (Hrsg.): Opus epistolarum Des. Erasmi, Roterdami, Bd. 7, Oxford 1928, S. 60–65, bes. Z. 19, 111 f. und 156. Im Sinne des inneren Friedens wurde diese Forderung zum wichtigsten politischen Ziel und u. a. von Justus Lipsius vertreten (siehe z. B. Lipsius, Politica, Buch 2, Kapitel 6, S. 87). Vgl. Thomas Simon: „Gute Policey“. Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen guten Handelns in der Frühen Neuzeit. Frankfurt am Main 2004, S. 219. 99 Georgius Guilielmus] Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, geb. am 3. November 1595, gest. 21. November 1640, übernahm die kurfürstliche Regierung am 22. November 1619, kurz vor dem Tod seines Vaters Johann Sigismund (8. November 1572 bis 23. Dezember 1619). 101 Annam Catharinam] Anna Katharina, geb. am 26. Juli 1575 in Wolmirstedt, Tochter des Kurfürsten von Brandenburg Joachim Friedrich (geb. am 27. Januar 1546, erbte die Kur und die Mark von seinem Vater Johann Georg 1598, gest. 18. Juli 1608), seit dem 27. November 1597 verheiratet mit Christian IV. von Dänemark, gest. 29. März 1612 in Kopenhagen. 107 f. quibus … debet] Nepos, Atticus 1,2: … omnibus doctrinis, quibus puerilis aetas impertiri debet, filium erudivit. 109 f. charitate … inoleuerat] Vgl. Erasmus, Disputatiuncula de taedio, pavore, tristitia Jesu, instante supplicio crucis: Deque verbis, quibus visus est mortem deprecari, Pater si fieri potest, transeat a me calix iste, in: Opera omnia […], Bd. 5, Leiden 1704, Sp. 1265–1294, bes. 1272A: Natura nobis in ipsis vitae principiis nostri caritatem insevit, ut appetamus ea quae incolumitati sunt amica, resiliamus ab iis, quae laedunt. 112 pecudem auream] Tacitus, Annalen 13,1: segnis et dominationibus aliis fastiditus [sc. Nero], adeo ut C. Caesar pecudem auream eum appellare solitus sit. 116–119 Quasi … extendit] Vgl. Erasmus, Institutio Principis Christiani 1, wie oben, S. 136–139, zu den drei Arten des Adels (in absteigender Reihenfolge): … unum quod ex virtute recteque factis nascitur, proximum quod ex honestissimarum disciplinarum cognitione proficiscitur, tertium quod natalium picturis et majorum stemmatis aestimatur, aut opibus: cogita quam non conveniat Principem infimo genere nobilitatis intumescere, quod sic infimum est, ut nullum omnino sit, nisi et ipsum a virtute fuerit profectum: summum illud negligere, quod ita summum est, ut solum optimo jure possit haberi. Si clarus videri studes, ne ostentes sculptas aut coloribus adumbratas imagines: in quibus si quid verae laudis est, id pictori debetur, cujus ingenium et industriam arguunt. Quin potius virtutis monumenta moribus exprimito. Si caetera desint, vel ipsa tuae celsitudinis ornamenta monere possunt officii. Vgl. auch ebd. 6, wie oben, S. 292 f.
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120 Themistocli] Themistokles, athenischer Feldherr und Politiker (geb. 525 v. Chr., gest. 460 v. Chr.), der auch für seine Gedächtnisleistungen berühmt war. So soll er innerhalb eines Jahres fließend Persisch gesprochen haben; vgl. Thukydides, Historien 1,138,1; Quintilian, Institutio oratoria 11,2,50. 125 f. oris commendatio] Vgl. Nepos, Alcibiades 1,2: tanta erat commendatio oris atque orationis. 128 Persij satyras] Aules Persius Flaccus, römischer Dichter, geb. am 4. Dezember 34 in Volaterrae, dem heutigen Volterra, gest. 24. November 62 in Rom, hinterließ sechs Satiren im Geist stoischer Moralphilosophie. 138 Neronis] Nero, römischer Kaiser seit 54, geb. am 15. Dezember 37 in Antium, dem heutigen Anzio, gest. durch Selbstmord am 9. Juni 68 in Rom, trat öffentlich als Sänger, Schauspieler und Wagenlenker auf und verfaßte auch selbst Gedichte; vgl. Tacitus, Annalen 14,13–16; Sueton, Nero 11–12.20–21. 139 Domitiani] Domitian, römischer Kaiser 81–96, geb. am 24. Oktober 51 in Rom, gest. 18. September 96 ebd., Förderer von Literatur und Dichtkunst, insbesondere durch die Stiftung eines Wettbewerbs mit Dichterkrönung; vgl. Sueton, Domitian 4,4. Sowohl Nero als auch Domitian gelten als grausame Tyrannen. 141 Strigili Vitiorum] 1631 publizierte Ulrich eine moralische Erbauungsschrift (s. o.). Der vollständige Titel lautet: VITIORUM | STRIGILIS: | ILLVSTRISSIMI ET CELSIS -| SIMI PRINCIPIS AC | DOMINI , | DN. ULDARICI, | Episcopatus Sverinensis Ad-|ministratoris; Haeredis Norvegiae, | Ducis Slesvigae, Holsatiae, Stormariae ac | Dithmarsiae; Comitis in Olden-|burg et Delmenhorst | etc. | H AFNIAE , | Typis MELCHIORIS MARTZAN , | Anno 1631. 141 f. numeris … solutum] Vgl. Horaz, Oden 4,2,9 f.: numerisque … lege solutis. 154 tumore … verborum] Anspielung auf den von Horaz in seiner Ars poetica (93–98) benannten Schwulst (94: tumido … ore) eines Komödiendichters und den Bombast (97: ampullas) zweier Tragödiendichter. 165 Gothos] Goten, germanischer Stamm, der ursprünglich in Südschweden (oder auf Gotland) beheimatet war. Auf ihren in mehreren Phasen sich vollziehenden, teilweise vom Ansturm der Hunnen ausgelösten Wanderungen kämpften gotische Verbände immer wieder gegen die Römer. 165 Hunnos] Hunnen, Reiternomaden, die vermutlich aus Zentralasien stammten. Sie lösten 375 n. Chr. den Ansturm germanischer Stämme, u.a der Goten, auf das römische Reich aus und kämpften in Teilen auch selbst gegen die Römer. In den römischen Quellen werden die Hunnen als besonders grausam und unmenschlich dargestellt und von den Germanen deutlich abgehoben. Hier werden Hunnen und Goten gemeinsam als Chiffre für unzivilisierte Völker und Zerstörer von Kulturgütern benutzt. 167 f. Patribus Byzantinis] Die Bezeichnung patres bzw. ,Kirchenväter’ wurde ursprünglich nur für die als rechtgläubig geltenden Schriftsteller des kirchlichen Altertums benutzt, insbesondere für Ambrosius, Hieronymus, Augustinus und Gregor den Großen aus dem
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lateinischen Westen und Athanasios, Basileios den Großen, Gregor von Nazianz, Johannes Chrysosthomos und Dionysios Areopagites aus dem griechischen Osten. Zwar monierte bereits Zedler, Bd. 46, Sp. 50–88, hier bes. Sp. 61–63, daß die Väter im Hinblick auf die Orthodoxie aus der antiken paganen Philosophie gewissermaßen eine Philosophia ecclesiastica exzerpierten, die sie für wahr hielten, die Philosophie aber ansonsten bekämpften, da sie mit Irrtümern durchsetzt und mit der christlichen Lehre unvereinbar sei. Jedoch wird Opitz sich gescheut haben, die bekannten Autoritäten zur doktrinären Orientierung im konfessionellen Disput von Reformation und Gegenreformation direkt anzugreifen und sie für den Verlust antiker Texte verantwortlich zu machen. So leitete er seinen Angriff auf die byzantinischen Kirchenschriftsteller um, die höchstens einem kleinen Kreis Eingeweihter bekannt gewesen sein dürften. 174 Hercules ille Musarum] Den Beinamen Musageta (Musenführer) trug bereits in der Antike nicht nur Apoll, sondern auch Herakles. 174 Ptolemaei Philadelphi] Ptolemaios Philadelphos war seit 285 v. Chr. Mitregent, seit 283 v. Chr. König von Ägypten (geb. 308 v. Chr. auf Kos, gest. 246 v. Chr.). Er machte Alexandria zum Mittelpunkt der hellenistischen Kultur und konzentrierte die Pflege der griechischen Wissenschaft am schon von seinem Vater gegründeten „Museion“, dem auch die Alexandrinische Bibliothek angeschlossen war. Die Listen der tragischen Dichter, die als Plejade („Siebengestirn“) unter seiner Ägide bezeichnet wurden, sind nicht ganz einheitlich. Die Suda nennt Homer von Byzanz, Sositheos, Lykophron, Alexander den Aitoler, Sosophanes, Philikos und Dionysiades. 189f. bonam mentem] Die bona mens, rechte Denkungsart, richtige Seelenhaltung, vernünftige Einsicht o.ä. ist zentraler Begriff in Senecas Briefen an Lucilius, z.B. im 41. und 50. Brief. 191–204 fidibus … fuerit] Vgl. Sallust, De coniuratione Catilinae 25,2: litteris Graecis, Latinis docta, psallere et saltare elegantius, quam necesse est probae. Der Prätext bezieht sich auf eine negative, um nicht zu sagen unmoralische Figur, nämlich die Mitverschwörerin Sempronia, von der der Dänenprinz durch die Negation (Ne quis … existimet) abgegrenzt wird. 192 musicenque … abesse] Vgl. Nepos, Epaminondas 1,2: scimus enim musicen nostris moribus abesse a principis persona. 196 Achilles] Achill war der bedeutendste griechische Held vor Troja, Herrscher der Myrmidonen. Ihn stellt Homer Leier spielend und singend dar (Ilias 9,185–190), wobei diese Beschäftigung als mit seinem Heldentum durchaus vereinbar erscheint. 197 Epaminondas] Der thebanische Feldherr Epameinondas, geb. um 420 v. Chr., gefallen bei Mantineia 362 v. Chr., erhielt nach Cicero (Tusculanae disputationes 1,2), Nepos (Epaminondas 2,1), Athenaios (Deipnosophistai 4,184e) eine sorgfältige Erziehung in Musik, Tanz und Gesang. 199 Aristotelis] In seiner Politik (Buch 8, Kapitel 4, 1337b) nennt Aristoteles vier Lehrgegenstände zur Ausbildung eines freien Menschen: Grammatik (d. h. Lesen und Schreiben), Gymnastik, Musik und Zeichnen. Der Musik kommt insbesondere die Funktion zu, den gebildeten Menschen zu befähigen, Zeit der Muße würdig auszufüllen.
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199 veteres Theologi] Dem neuplatonischen Synkretismus der Renaissance dienten u. a. antike philosophische Lehren zur Untermauerung der christlichen Glaubensinhalte. Seine Vertreter gingen hierbei von der These aus, daß ewige Wahrheiten in verschiedenen Kulturen und Traditionen früherer Zeit von Philosophen bereits erkannt oder ihnen von göttlicher Seite offenbart wurden. Nichtchristliche Verkünder solcher Wahrheiten bezeichneten sie als ‚alte Theologen‘, und zwar von den Griechen insbesondere Orpheus, Homer und Hesiod. Die Lehre von der Sphärenharmonie wird von den Pythagoreern und später von Platon vertreten (s. u.). Dichter der Antike, die als göttlich inspiriert galten, stellten vor allem Apoll als Gott der Harmonie dar und gaben ihm als besonderes Merkmal eine Leier. 204–207 Coelestissimus … aemulatur] Anspielung auf die pythagoreische Sphärenharmonie. Die Pythagoreer übertrugen nämlich entsprechend ihrer Welterklärung, die auf zahlenmäßig faßbaren Prinzipien und einer diesen innewohnenden Harmonie aufgebaut ist, die von ihnen entdeckten Gesetze der Intervall- und Toneinteilung auf die Bewegung der Planeten. Danach erzeugen die Himmelskörper, die sich um das Zentrum des Alls in Abständen bewegen, die denen der Töne der Tonleiter analog sind, harmonisch zusammenklingende Intervalle. Darstellungen dieser Sphärenharmonie finden sich in der Antike z. B. bei Platon (Politeia, Buch 10, 616b6–617b7) und Cicero (De re publica 6,17–18). 211 Parrhasius] Berühmter griechischer Maler aus Ephesos, lebte um 400 v. Chr. in Athen, Nebenbuhler des Zeuxis. 229 pudicitiae … prodigus] Vgl. Velleius Paterculus, Römische Geschichte 2,48,3 über C. Scribonius (84–48 v. Chr.), der auf Grund herausragender Fähigkeiten, aber schlechten Charakters den Bürgerkrieg maßgeblich angeheizt habe: suae alienaeque et fortunae et pudicitiae prodigus. 230 nati pabulo] Vgl. Sallust, De coniuratione Catilinae 1,1: ventri oboedientia; 2,8: dediti ventri atque somno. 235 f. per scelus … effundunt] Vgl. Cicero, Pro S. Roscio Amerino 6 über Sullas Günstling L. Cornelius Chrysogonus: Quod adeptus est per scelus, id per luxuriam effundere atque consumere. 240 Vestes … atque corporis cultus] Vgl. Lipsius, Politica, Buch 2, Kapitel 15, § 18: At in cultu, ne exuberet unter Berufung auf Aristoteles bzw. Anaximenes, Rhetorik an Alexander, Proömium 2; Ammianus 25,4,7; Tacitus, Agricola 40,4; Livius, Ab urbe condita 21,4,8 (über Hannibal); Synesius, Rede über die Monarchie 16 (18B). 244 comas frangunt] Vgl. Quintilian, Institutio oratoria 1,4,44: comam in gradus frangere als Beispiel für ein tadelnswertes Verhalten, das nicht Brauch werden soll. 256 Culpam … honestam] Vgl. Plinius d.J., Briefe 7,28: Quid enim honestius culpa benignitatis? 258 f. naturam … in corpore] Vgl. Nepos, Agesilaus 8,1: Atque hic tantus vir ut naturam fautricem habuerat in tribuendis animi virtutibus, sic maleficam nactus est in corpore fingendo. 268 quies gentium] Vgl. Tacitus, Historien 4,74,1: Nam neque quies gentium sine armis neque arma sine stipendiis, neque stipendia sine tributis haberi queunt. Vgl. Lipsius, Politica, Buch 4, Kapitel 11, § 54: Quae enim respublica aut regnum sine Tributis? Nec quies gentium … Simon, „Gute
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Policey“ (wie oben), S. 274, bezeichnet das Tacitus-Zitat geradezu als politisches Leitmotto des 17. Jahrhunderts. 269 vsus … armorum] Siehe oben disciplina castrorum. 283 idem … imperator] Zur Jugend des Feldherrn Ulrich vgl. Cicero in seiner Rede De imperio Cn. Pompei 28, wo er die Jugend des Pompeius bei seinem ersten Kommando herausstreicht. 287 Traiani] Marcus Ulpius Traianus, römischer Kaiser seit 98 n. Chr., geb. am 18. September 53 in Italica (Spanien), gest. 7. Oktober 117 in Selinus in Kilikien. Er führte mehrere erfolgreiche Feldzüge, eroberte u. a. Dakien (101–102 und 105–106), und seine Regierungszeit ging trotz der absolutistisch-zentralistischen Regierungsform wegen seiner integren Persönlichkeit als glückliche Phase in die römische Geschichte ein. Der Vergleich mit Trajan ist bei Opitz ein Topos des Herrscherlobs (vgl. LW 1, S. 204: Alter Trajanus es und LW 2, S. 60: tu, Trajane secunde). 287 magni … Regis] Gustav II. Adolf, schwedischer König seit 1611, geb. am 19. Dezember 1594 in Stockholm, gefallen bei Lützen in der Schlacht gegen Wallenstein am 16. November 1632. Er blieb seit seinem direkten Eingreifen in den Dreißigjährigen Krieg durch die Landung in Pommern am 4. Juli 1630 bis zu seinem Tod in allen Schlachten gegen die kaiserlichen Truppen siegreich. 292 gloriam … alleuamentum] Vgl. Plinius d.J., Panegyricus auf Trajan 13,3: solacium fessis, aegris opem. In Kapitel 13 lobt Plinius die gleiche Fähigheit, die Opitz an Ulrich hervorhebt, nämlich die, soldatische Mühen wie jeder Rekrut zu ertragen. 295 nomine solo ac aduentu] Zur Wirkung der bloßen Namensnennung und der Ankündigung der Ankunft vgl. Cicero in seiner Rede De imperio Cn. Pompei 13: Cuius adventu ipso atque nomine, tametsi ille ad maritimum bellum venerit, impetus hostium repressos esse intellegunt ac retardatos. (Vgl. auch ebd. 30; 44–45). 298 O fallaces … cogitationes] Vgl. Cicero, Pro T. Annio Milone 93: O spes fallaces et cogitationes inanes meae. 299 senili iuuenta] Vgl. Plinius d. Ä., Naturalis historia 7,171: et cum innumerabilia sint mortis signa, salutis securitatisque nulla sunt, quippe cum censorius Cato ad filium de validis quoque observationem ut ex oraculo aliquo prodiderit, senilem iuventam praematurae mortis esse signum. 307 Romani cuiusdam] Opitz zitiert eine Stelle aus Plinius d. Ä., Naturalis historia 29,11, wo dieser innerhalb eines Abrisses zur Geschichte der Heilkunde die besagte Grabinschrift mitteilt: hinc illa infelicis monumenti inscriptio: turba se medicorum perisse. 339 ornamentum seculi] Vgl. Plinius d.J., Briefe 8,12,1 über Ticinius Capito: Vir est optimus et inter praecipua saeculi ornamenta memorandus. 361–369 eius … debeam] Die Geschichte spielt auf eine Seereise des jungen Königs Christian IV. 1599 an, bei der er das Nordkap umrundete und in Lappland an Land ging. Sie wurde zum Symbol für seine Förderung der Seefahrt (s. o.). Der berühmte Ausspruch „Du fährst Cäsar“ bzw. „Du fährst Cäsar und sein Glück“ ist überliefert bei Plutarch (ca. 46–120 n. Chr.), Caesar 38,5: K φ « λ κ K« T ; Florus
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Kommentar zu S. 80–84
(Anfang 2. Jh. n. Chr.), Epitome 4,2,37: Caesarem vehis; Appian (2. Jh. n. Chr.), Bürgerkrieg 2,57: K φ « λ κ K« ; Dio Cassius (um 150–235 n. Chr.), Römische Geschichte 41,46,4: K Ν «. 361 f. hiemantibus … aquis] Vgl. Seneca, Briefe an Lucilius 114,19. 372 Catulum leonis] Vgl. Erasmus, Adagium 1277 = 2,3,77: Leonis catulum ne alas. 375 Alexandrum] Alexander der Große, 356–323 v. Chr., makedonischer König ab 336 v. Chr., eroberte das übrige Griechenland, Ägypten, das Perserreich und weitere Teile Asiens. 381 f. eos … possunt] Vgl. Cicero, De officiis 1,23: Sed iniustitiae genera duae sunt, unum eorum, qui inferunt, alterum eorum, qui ab iis, quibus infertur, si possunt, non propulsant iniuriam. Vgl. auch Opitzens Trostgedichte in Widerwertigkeit Deß Krieges Buch 3, V. 515 f. (GW 1, S. 246): „Wer dem/ der vnrecht stirbt/ nicht beyspringt in der Noth/ | Vnd seinem Feinde wehrt/ der schlägt jhn selber todt.“ 383 f. aetas … fauetur] Vgl. Cicero, De officiis 2,45: … quia non modo non invidetur illi aetati, verum etiam favetur. 387 deliciae seculi] Vgl. Sueton, Titus 1: amor ac deliciae generis humani (Beiname des Kaisers Titus). 388 Fortunae Reduci] In Rom wurde die Fortuna Redux als Schutzgöttin der heimkehrenden Feldherren verehrt, so weihte man ihr im Jahre 19 v. Chr. einen Altar anläßlich der Rückkehr des Augustus von einem Feldzug im Osten. 410 fortis et sapiens] Stoisches Ideal; vgl. Cicero, Tusculanae disputationes 2,56: Nec vero umquam ne ingemescit quidem vir fortis ac sapiens; Seneca, Briefe an Lucilius 24,25: Vir fortis ac sapiens non fugere debet e vita sed exire. Dieses Ideal fügt sich besonders in die von Seneca ausgebildete (vgl. Briefe an Lucilius 59,7; 65,18; 71,8 und 30; 78,16; 99,32; 104,29; De providentia 5,1; De constantia sapientis 19,3; De brevitate vitae 15,5–7; Ad Helviam Matrem de consolatione 5,2 f.) und von Justus Lipsius übernommene Metaphorik vom Leben als Krieg, in dem sich der stoische Weise zu bewähren hat; vgl. Andreas Urs Sommer: Das Leben als Krieg. Eine Leitmetapher bei Seneca und Lipsius, in: Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne, hrsg. von Barbara Neymeyr u. a. Berlin/New York 2008, S. 631–653. 420 Castores … sidera] Das mythische Brüderpaar der Dioskuren, der sterbliche Kastor und der unsterbliche Pollux, galten bereits in der Antike als Beispiel für brüderliche Liebe, als Pollux nach Kastors Tod statt ewig jung und unsterblich zu sein es vorzog, abwechselnd einen Tag mit seinem Bruder in der Unterwelt und einen Tag bei den Göttern zu verbringen und schließlich zu altern und zu sterben. Sie wurden als Sternbild der Zwillinge an den Himmel versetzt und als Schutzgötter, besonders der Seefahrer, verehrt. 422 Principes serenissimi] Christian, der designierte Nachfolger Christians IV., der aber 1647 vor seinem Vater starb, und Friedrich, der dann als Friedrich III. die Thronfolge antrat. 425 excipere … extremum] Vgl. Cicero, In Verrem 2,5,118: postremum spiritum ore excipere; Vergil, Aeneis 4,684f.: extremus si quis super halitus errat, ore legam; Seneca, Ad Marciam 3,2: ultima …
Kommentar zu S. 84–90
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oscula … haurire. In der Antike bestand die Sitte, einen vertrauten Menschen im Sterben zu küssen. Solch ein Kuß bedeutete Abschied und Trost. Er erklärt sich möglicherweise als Versuch einer Wiederbelebung; vgl. Klaus Thraede: Kuß, in: RAC 22 (2007), Sp. 556f. 429 f. vt … habuisse] Daß es Trost bedeutet, überhaupt einen Menschen wie den Verstorbenen gekannt, als Verwandten gehabt zu haben o. ä., bildet einen Topos der consolatio. Vgl. Seneca, Ad Polybium 10. 433 Coniux … incomparabilis] Magdalene Sibylla, Tochter des Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg, s. u. 437 tranquillitatem] Siehe oben s. v. tranquillitatis publicae. 439 Iohannes Georgi] Johann Georg, Kurfürst von Sachsen, geb. am 5. März 1585, Kurfürst seit 1611, gest. 8. 10. 1656. 439 Georgi Guilielme] s. o. 444 Iohannes Christiane] Johann Christian, Herzog von Brieg, ältester Sohn Joachim Friedrichs von Brieg-Liegnitz und der Prinzessin Anna Maria von Anhalt, geb. am 28. August 1591, gest. 25. Dezember 1639, Oberlandeshauptmann von Schlesien 1617–1621. 444 Georgi Rudolphe] Georg Rudolf, Herzog von Liegnitz, geboren am 22. Januar 1595, gestorben 14. Januar 1653, Oberlandeshauptmann von Schlesien 1621–1628. Opitz wurde durch die beiden Piastenherzöge zeitlebens gefördert und stand zur Zeit der Abfassung der Laudatio in deren Diensten. 449f. restitui … non posse] Vgl. Cicero, In Verrem 1,4: ut ea [sc. Sicilia] restitui in antiquum statum nullo modo possit. 457 peila] Archaische Nebenform für pila. 463 Suidnicium] Schweidnitz, Stadt in Schlesien, während des Dreißigjährigen Krieges mehrfach zerstört, 1633 von Wallenstein belagert, der mit den verbündeten Sachsen und Schweden einen Waffenstillstand für einen Monat schloß. 466 insideret] Konjektur gegenüber insederat in X und Y. 485 lachrimabile bellum] Vgl. Vergil, Aeneis 7,604. 486 f. hiberna … sumpta] Vgl. Nepos, Eumenes 8,3: Hiberna sumpserant non ad usum belli, sed ad ipsorum luxuriam. 490 pecoris et armentorum praedas] Konjiziert. X: pecoris est armentorom praedas; Y: pecoris et armentorum perdas. 495 Isidem] Secus qui fecerit, mitem Isidem iratam sentiat ist anscheindend die Kontamination eines Gebetes an ägyptische Götter E« ² « λ ¹ λ « und eines entgegengesetzten Fluches, in dem der Zorn der ägyptischen Mutter-, Schutz- und Fruchtbarkeitsgöttin beschworen wird: Hanc aram si quis laeserit, habebit Isidem iratam (zitiert nach: Sylloge Inscriptionum Religionis Isiacae et Serapiacae, hrsg. von Ladislav Vidman. Berlin 1969, Nr. 465 und Nr. 696). Die Herkunft des Spruches aus dem ägyptischen Kult erklärt
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Kommentar zu S. 90–96
die dezidierte Bezeichnung als heidnisch. Zur Beschwörung von Zorn und Strafe der Isis vgl. auch Juvenal, Satiren 13,92 f.: Decernat quodcumque volet de corpore nostro / Isis et irato feriat mea lumina sistro. 495 ossa eruta atque dispersa] X: ossa certa atque dispersa; in Y gemäß den Errata korrigiert. 503 Libitinae] Römische Göttin, welche die Erfüllung der Begräbnispflichten überwacht. Nach der Bestimmung des Servius Tullius kam nach jedem Sterbefall eine Gebühr in die Kasse der Libitina, so daß die genaue Anzahl der Verstorbenen berechnet werden konnte. 505 f. inficit, quae] X: inficit, qui; in Y gemäß den Errata zu inficit, quae korrigiert. 507 iam diu … esses] Vgl. Cicero, Pro Archia poeta 21: Populi Romani laus est urbem amicissimam Cyzicenorum eiusdem consilio ex omni impetu regio atque totius belli ore ac faucibus ereptam esse atque servatam. 509 f. inter … suspensa] Vgl. Livius, Ab urbe condita 8,13: tot populos inter spem metumque suspensos animi habetis. 529 sinas, quin potius] X: sinas, qui potius; in Y gemäß den Errata zu sinas, quin potius korrigiert. 553 f. vrbs male aeterna] Verballhornung der sprichwörtlich ewigen Stadt, der urbs aeterna Roma. 560–562 corona … imposuit] Vgl. 2 Tim 4,8: In reliquo reposita est mihi iustitiae corona / quam reddet mihi Dominus in illa die iustus iudex. 563 Capitolium] Der Jupitertempel auf dem Mons Capitolinus mit der angrenzenden Tarpeischen Burg und dem Felsen, von dem Missetäter gestürzt wurden, Sinnbild für Unzerstörbarkeit und ewige Dauer. 569 qui … est] In der Schlacht bei Lützen (6. November nach dem julianischen, 16. November 1632 nach dem gregorianischen Kalender) behaupteten die Schweden zwar am Ende das Feld, doch Gustav Adolf wurde bei einem Reiterangriff getötet. 572 Rege … vna] Vergil, Georgica 4,212. Seneca zitiert diesen Vers sowie den Beginn des folgenden amisso rupere fidem in De clementia 1,4,1, nachdem er ausgeführt hat, dass die Milde deshalb eine Herrschertugend ist, weil das Volk daran interessiert ist, einen milden und wohltätigen König zu schützen, da dieser gewissermaßen die Seele des Volkskörpers bildet, ohne die der Körper nicht existieren kann. 574 ad vltimum dimicationis] Vgl. Livius, Ab urbe condita 2,56; 8,29. 583 omnes boni] Vgl. Cicero, Pro Sestio oratio 11. [IN EVNDEM. EPIGRAMMATA EIVSDEM] [II.] 1 PA rendi mora nulla] Vgl. Seneca, Briefe an Lucilius 107,11: nulla parendi mora est. 4 Vt desint … erit] Vgl. Ovid, Epistulae ex Ponto 3,4,79: Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas.
Kommentar zu S. 98
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[IV.] Kommentiert in LW 3, S. 388 f. [Kolophon] W OLFGANGI H OFFMANNI ] Wolfgang Hoffmann war Drucker in Frankfurt von 1624 bis ca. 1647, übernahm den Druckerberuf wohl nach seiner Heirat (10. August 1624) von seinem Schwiegervater Matthäus Becker. Vgl. Christoph Reske: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet … Wiesbaden 2007 (= Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 51), S. 256. [B.H.]
Virgilij genium Epigramm unter einem Porträt von August Buchner Dünnhaupt, Nr. 153. – Das Epigramm Opitzens findet sich unter mehreren Kupferstich-Porträts seines gelehrten Dichterfreundes. Seit Juni 2011 ist im Internet der Digitale Portraitindex der druckgraphischen Bildnisse der Frühen Neuzeit (http://www.portrait index.de) einzusehen, in dem auch die im Folgenden beschriebenen und weitere Buchner-Porträts unschwer zu finden sind. Die einzelnen Varianten werden unten erläutert, ebenso erfolgen in diesem Zusammenhang Angaben zur Text- bzw. Bildwiedergabe in der Forschungsliteratur. Unser Textabdruck erfolgt nach dem wohl zeitlich am frühesten anzusetzenden Porträttypus; s. dazu unten Variante a) bzw. b). Eine erste Auflistung der Porträts von Buchner findet sich bei Wilhelm Buchner: August Buchner, Professor der Poesie und Beredsamkeit zu Wittenberg, sein Leben und Wirken. Hannover 1863, S. 12 f. Zur Vita Buchners vgl. den Kommentar zu Opitzens Widmung der Trojanerinnen (1625) an diesen in LW 2, S. 297–299. Bei den Kupferstich-Porträts von August Buchner, unter die jeweils die Verse Opitzens gesetzt sind, sind drei Fassungen zu unterscheiden: a) Die erste Variante ist im Vergleich zu den beiden nachfolgenden Typen relativ schlicht gehalten. Sie ist abgebildet bei John Roger Paas: Effigies et Poesis. An Illustrated Catalogue of Printed Portraits with Laudatory Verses by German Baroque Poets. Bd. 1. Wiesbaden 1988, S. 77, sowie, da ein Abzug in der dortigen Bibliothek zu finden ist, im Katalog der graphischen Porträts in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel 1500–1850, bearbeitet von Peter Mortzfeld. München 1986 ff. (im Folgenden zitiert als „Mortzfeld“), hier Bd. 38, S. 244 (Nr. A 25594). In seiner Beschreibung äußert Mortzfeld, Bd. 42, S. 140, die Vermutung, es könne sich um die Vorlage für das spätere Porträt (s. Variante c) handeln. August Buchner ist hier – so die Beschreibung bei Mortzfeld – als Halbfigur nach halbrechts vor leerem Hintergrund in schlichter ovaler Rahmung dargestellt. Über einem Wams mit weißem Schulterkragen trägt er einen Umhang. In seiner linken Hand (die rechte ist durch den Umhang bedeckt) hält er eine Schriftrolle. Unter dem Porträt finden sich die Worte AUGUSTUS BUCHNERUS POES: | ET ELOQUENT: PROFESSOR PUBL. | IN ACADEMIA WITTENBERG. | AETATIS ANNO XLIII, unmittelbar
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Kommentar zu S. 98
danach die vier Verse Opitzens, allerdings ohne Angabe des Verfassers. Mortzfeld vermutet, daß dieser Kupferstich von Peter Aubry stammen könnte, während bei der Wiedergabe des entsprechenden Abzugs im Landesmuseum Münster lediglich von einem „unbekannte[n] Künstler“ gesprochen wird. Da Buchner 1591 geboren wurde, ist die Graphik wohl um/ab 1634 entstanden. b) Bei der zweiten Variante, die bei Paas (wie oben), S. 75, wiedergegeben ist, entspricht das Porträt Buchners zwar dem von Variante a), die Abbildung ist jedoch spiegelverkehrt; Buchner, der vor einem schraffierten Hintergrund dargestellt ist, hält somit auch die Schriftrolle in seiner rechten Hand. Die in Variante a) unter dem Porträt angegebene Erläuterung zur Person des Dargestellten findet sich hier wortgleich in einer das Porträt umrahmenden Ovalumschrift. Am linken unteren Rand ist angegeben Alb. C. Kalle fecit, am rechten unteren Rand N. Becker excudit. Nach Thieme-Becker 19 (1926), S. 469 – hier wird auch das Porträt Buchners aufgeführt – war der Zeichner und Kupferstecher Albrecht Christian Kalle um 1630 bis 1670 tätig. Unter dem Porträt sind die zwei Distichen Opitzens zu lesen, allerdings in anderer Schrifttype; zudem wurde der Text in bezug auf die Interpunktion etwas korrigiert und darunter der Verfassername gesetzt; diese spätere Fassung lautet: Virgilij genium, Ciceronis rostra requiris? Buchneri, Lector, nobile pectus adi. Centum alias, decus hoc aevi quas possidet, artes, Nec Maro, nec Cicero dixerit ipse tibi. M. Opitius. Dem Text dieser Variante folgen auch die Abschrift STB-PK Berlin: Dep. Breslau 17 (ehemals StB Breslau: Hs. R 402), S. 803, und die Abschrift UB Breslau: Akc. 1949/713 (ehemals StB Breslau: Hs. Klose 175). Bei diesen beiden Abschriften ist als erläuternde Überschrift noch In Effigiem AUGUSTI BUCHNERI hinzugefügt. c) Die dritte Variante ist bei Conermann/Bollbuck, S. 1163, abgebildet und ebd., S. 180 f., übersetzt und beschrieben. Mortzfeld gibt sie in Bd. 4, S. 11 (Nr. A 3001), wieder; Beschreibung und Übersetzung finden sich bei ihm in Bd. 30, S. 33 f. Bei dieser Variante ist über dem Porträt Buchners zu lesen: Eigendliches Bildnüs Des Hochgelährten vnd Weltbekanten Herrn August Buchners/ der Poesie vnd Rednerkunst auff der löblichen Academie Wittenberg vornehmen Professorn/ wie auch der Philosophischen Facultät Seniorn. Der darunter befindliche Kupferstich entspricht dem von Variante b), ebenso die Ovalumschrift, des weiteren sind die Namensnennungen von Kalle und Becker sowie Opitzens Distichen (mit Verfasserangabe) identisch. Den Abschluß bildet das folgende Gedicht Philipp von Zesens: W E s ist dis schöne Bild? wer schauet auff mein tichten? Ach! Buchner ists/ Dem sich die Gratien verpflichten;
Kommentar zu S. 98
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Des Hertzens Vorhoff ist der hoch=beredte Mund/ Aus welchen bricht erfür der Weisen sprüche grund/ Entworffen auff dis blat; Der selbst den Opitzinnen Dem Maro/ Tullius mit kunst kan abgewinnen. Wenn einer bildet auch den trefflichen verstand/ So würd’ Ihm weichen auch Apelles kunst vnd hand. M. Philipp Caesius. Conermann/Bollbuck, S. 180, vermuten, daß es sich hier um den Nachdruck eines ursprünglich 1634 veröffentlichten Kupferstichs, und zwar um den in unserer Edition als Variante a) beschriebenen, handelt. Es ist jedoch eher davon auszugehen, daß Variante b) als Vorlage gedient hat. Des weiteren existieren mindestens zwei völlig andere Gruppen von Porträtgraphiken zu Buchner, die bei Paas nicht aufgeführt sind, und die das Epigramm Opitzens nicht enthalten; sie sind jedoch ebenfalls einzusehen im Digitalen Porträtindex. Obwohl Szyrocki, S. 188, Nr. 234 (hier bezieht er sich auf STB-PK Berlin: Dep. Breslau 17 [ehemals StB Breslau: Hs. R 402], S. 803) und in seiner Bibliographie in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 213* (in bezug auf die Abschrift UB Breslau: Akc. 1949/713 [ehem. StB Breslau: Hs. Klose 175]) das Porträt und somit auch das Gedicht Opitzens in die Rubrik „Unbestimmbar“ einordnet, gibt wohl folgende Passage aus einem Brief Opitzens an Buchner vom 25. August 1633 über die Entstehungszeit Aufschluß (Conermann/Bollbuck, S. 1154): At tu et alia, quae foecundum pectus tuum nuper peperit nobis, usibus meis ac desiderio ne diutius invideas impensè te precor. Imaginem tuam imprimis, animo licet huic altè anteà impressam. Versiculos ad illam meos serius fortè accipies quàm decebat. Wie Conermann/Bollbuck, S. 1156, zu dieser Textstelle ausführen, sollte Opitz erst im nächsten Jahr die zwei Distichen „liefern“. Ob dieser wirklich erst 1634 die wenigen Verse verfaßte, bleibt allerdings Spekulation. In der für ein Epigramm charakterischen Kürze und Prägnanz wird hier die ganz besondere Gelehrsamkeit Buchners gewürdigt: Der vom Sprecher imaginierte Lector (V. 2), der einen begnadeten Dichter, wie er in Vergil (P. Vergilius Maro) repräsentiert ist, und/ oder ebenso einen Redner wie Cicero sucht (V. 1), wird auf Buchner verwiesen, der nicht nur Dicht- und Redekunst in sich vereinigt, sondern den zudem innere Qualitäten (nobile pectus) auszeichnen (V. 2). Wie sehr aber Buchners Talente noch darüber hinausgehen, verdeutlicht das zweite – hyperbolisch anmutende – Distichon: Vergil und Cicero wären nicht einmal in der Lage, jene überhaupt zu benennen. Die Verbindung von Gelehrsamkeit und Dichterbegabung in Buchner hatte Opitz im übrigen bereits in den Silvae, S. 105 (LW 2, S. 228) gepriesen. – Versmaß: elegische Distichen. 1 Virgilij genium, Ciceronis rostra requiris] Anspielung darauf, daß Buchner sich sowohl in der imitatio Vergils – und damit des (inspirierten) Dichters – als auch in der eines Redners wie Cicero – hier versinnbildlicht durch die Rednertribüne auf dem römischen Forum (rostra) – auszeichnet: Er war seit 1616 Professor für Poetik, ab 1632 auch Professor für Rhetorik an der Universität Wittenberg. Zur Bedeutung seiner lateinischen Dichtung vgl. Borcherdt, S. 24–32.
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Kommentar zu S. 98–100
2 nobile pectus] Zur Persönlichkeit Buchners s. die Charakteristik bei Borcherdt, S. 12–16; hier wird, S. 12, Daniel Georg Morhof mit den Worten zitiert: Vir ad omnem nitorem literarum factus, orator optimus et Poeta certe inter Germanos suo tempore princeps. 4 decus hoc aeui] Damit spielt Opitz an auf Stellen wie Vergil, Ekloge 4,11 f.: Teque adeo decus hoc aevi, te consule, inibit, / Pollio, et incipient magni procedere menses (zu beachten ist, daß somit Vergil selbst im vorliegenden Epigramm zu Wort kommt!) oder Ovid, Heroiden 15,93 f.: o nec adhuc iuvenis, nec iam puer, utilis aetas, / o decus atque aevi gloria magna tui [V.M.]
RATISPONA IN LIBERTATEM VINDICATA Panegyrikus zu Ehren Herzog Bernhards von Sachsen-Weimar aus Anlaß von dessen Eroberung der Stadt Regensburg Dünnhaupt, Nr. F 3; – RATISPONA | IN LIBERTATEM VINDI- | CATA. | AUCTORIS INCERTI CARMEN. [A1v] SERENISSIMO PRINCIPI | BERNHARDO | SAXONIAE AC FRANCONIAE DUCI | VINDICI PUBLICAE LIBERTATIS | BONO GERMANIAE NATO | OPTIMO ET FORTISSIMO HEROI | D !AT " D !ONAT " D !EDICAT " Q !UE " | DEVOTUS SUMMIS VIRTUTIBUS EIUS | AUCTOR . | FRANCOFURTI AD MOENUM | PRID. KAL. DECEMBR. | A NN. M DC XXXIII . (Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden: Hist. Suec. 278, misc. 6). Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck. Conermann/Bollbuck drucken S. 1175 nur das doppelseitige Titelblatt ab, außerdem zusammen mit einem kurzen Kommentar S. 1176 die Anfangszeilen des Gedichtes. Nach den Angaben auf dem Titelblatt stammt dieses Werk von einem „ungenannten Verfasser“ (der vielleicht auch nicht genannt werden wollte). Der Druck wird noch bei Dünnhaupt, S. 3074, unter der Rubrik „Falsche bzw. unsichere Attributionen“ aufgeführt, wobei sich die dortige Angabe auf eine „Mitteilung“ von George Schulz-Behrend stützt. Allerdings konnten Conermann/Bollbuck zweifelsfrei nachweisen, daß diese Dichtung von Opitz stammt, da sie im Briefwechsel mit seinem Freund Johann Mochinger erwähnt wird. Mochinger schreibt am 18. März 1634 an Opitz: Carmen tuum de Ratispona vidi, legi, et si quid attinet hoc dicere, probavi. Utinam inter horrisona tormentorum carmina penetrent tuae tam sanae allocutiones in aures et animos pullorum Martis. Principum Germaniae Princeps si legit tua, ut fas est credere, ita citra controversiam inflammatum se sentiet (egregiâ et ignitâ anima praeditus) ut nulla eum unquam excitavit tuba. Quod dum facis, ne versificari te credas, sed bene de seculo mereri. Macte. Principibus optima suadentes instrumenta sunt boni seculi, inquit autor elegantissimus ad Ducem CHIvernium (Conermann/Bollbuck, S. 1214 f.). Der Druck besteht – im Anschluß an das Titelblatt – aus der DEDICATIO an Herzog Bernhard (fol. A2r) und dem 255 Hexameter umfassenden Haupttext (fol. A2v–B4r). Da Opitzens persönliche Situation des Jahres 1633 für die Analyse des Textes nicht ohne Bedeutung ist, sei sie im Folgenden kurz rekapituliert: Am 9. August 1633 war auf Betreiben des sächsischen Feldherrn Hans Georg von Arnim eine „Konjunktion“ abgeschlossen
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worden, die die Herzöge Johann Christian von Brieg, Georg Rudolf von Liegnitz und Karl Friedrich von Oels sowie die Stadt Breslau „in den Schutz Brandenburgs, Sachsens und Schwedens stellte“ (Szyrocki, S. 101); siehe dazu vor allem Grünhagen, Bd. 2, S. 248 f., sowie Hermann Palm: Die Conjunction der Herzoge von Liegnitz, Brieg und Oels, so wie der Stadt und des Fürstenthums Breslau mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg und der Krone Schweden in den Jahren 1633–35. Nach den handschriftlichen Quellen des schlesischen Provinzial-Archivs dargestellt. Breslau 1861. Die Bestätigung dieses Bündnisses sollte von den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg sowie von dem schwedischen Reichskanzler Oxenstierna nachträglich eingeholt werden. Im August 1633 zog Opitz deshalb „in Begleitung einer Delegation der schles. Piasten, der Herzöge von Oels und der Stadt Breslau nach Frankfurt a. M.“, wo dieses Schutzbündnis ratifiziert werden sollte (Conermann/Bollbuck, S. 1171, hier auch nähere Angaben zu den Teilnehmern dieser Delegation; siehe zudem Hermann Palm: Martin Opitz als agent schlesischer herzoge bei den Schweden, in: ders.: Martin Opitz von Boberfeld … Breslau 1862, S. 1–14). Die Gesandtschaft traf wohl bald nach Mitte September 1633 bei Oxenstierna in Frankfurt ein und hielt sich dort über zwei Monate auf; dazu Conermann/Bollbuck, S. 1157, mit weiteren Erläuterungen, außerdem Szyrocki, S. 102 f. Aus Opitzens Briefwechsel in dieser Zeit geht hervor, in welchem Maße er als Diplomat und „agent“ tätig war. So schreibt er in einem Brief vom 27. November 1633 an die beiden Brüder Johann Christian und Georg Rudolf, „Herzogen in Schlesien zue Lignitz und Briegk“ (Conermann/Bollbuck, S. 1170): „Dass unser liebes Vaterland, bevoraus E. Fürstl. Gn. lande und leute durch übeles verfahren der Armeen in so misslichen Zuestand gerhaten, ist in hiesigen orten die gemeineste Klage. Wasermassen aber auf remedirung solches unfalls mit höchstem eifer und fleisse gedacht werde, solches werden E. Fürstl. Gn. aus unterschiedenen schreiben beides des Herren Schwedischen R. Canzlers, wie auch der Herren Abgesandten gnädig vernommen haben.“ Die hier geschilderte Lage Schlesiens wird in den Eingangsversen der Ratispona referiert und bildet so den argumentativen Einstieg in die Schilderung der Eroberung Regensburgs durch Bernhard von Weimar. Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar wurde am 16. August 1604 als jüngster (zehnter?) Sohn Herzog Johanns III. und Dorothea Marias von Anhalt-Zerbst-Dessau geboren und starb am 8. Juli 1639. Die Urteile über seinen Charakter und seine Handlungsmotive gehen in der Forschung weit auseinander. Faktisch war er ein zeittypischer Condottiere, der ein eigenes Heer unterhielt und dieses in unterschiedlichen Feldzügen – allerdings konsequent auf anti-habsburgischer Seite – zum Einsatz brachte. In der Schlacht bei Lützen 1632 übernahm er nach dem Tod Gustav II. Adolfs von Schweden den Oberbefehl und galt seither als Kriegsheld. Auf seinen Zügen durch Bayern, die in einen Angriff auf die habsburgischen Kernlande übergehen sollten, belagerte er die weitgehend protestantische, von einer katholischen Besatzung gehaltene Reichsstadt Regensburg und erreichte am 16. November 1633 deren Übergabe. Auf protestantischer Seite wurde dies als ‚Befreiung‘ Regensburgs gefeiert, woraus sich der Titel von Opitzens Schrift erklärt. Zu Bernhards Vita vgl. (in Auswahl; die einzelnen Titel nennen weitere Literatur) Friedrich Schiller: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges … [1791–1793]. Zürich 1985; Bernhard Röse: Herzog Bernhard der Große von Sachsen-Weimar. 2 Bde. Weimar 1828/29; Gustav Droysen: Bernhard von Weimar. 2 Bde. Leipzig 1885; ADB 2, S. 439–450; ADB 22, S. 793; Bernhard
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von Weimar und der Dreißigjährige Krieg. Katalog der Gedächtnis-Ausstellung im Schloßmuseum zu Weimar Juli-August 1939. Weimar 1939; NDB 2, S. 113–115; Conermann, Mitglieder, S. 33; Findeisen, S. 285–293; Ariane Jendre: Diplomatie und Feldherrnkunst im Dreißigjährigen Krieg. Herzog Bernhard von Weimar im Spannungsfeld der französischen Reichspolitik 1633–1639; Conermann/Bollbuck, S. 1171f. Zur Stadtgeschichte Regensburgs vgl. Geschichte der Stadt Regensburg, hrsg. von Peter Schmid … 2 Bde. Regensburg 2000. Eine wichtige Quelle zur Stadtgeschichte insgesamt bietet Coelestin Vogl: Ratisbona Politica. Staatisches Regenspurg. Das ist: Erster Theil deß erneuerten Mausoloei Oder Herrlich-gezierten Grabs Deß Bayrischen Apostels und Blut-Zeugens Christi S. Emmerami, Welches Coelestinus … vor Jahren kurtz-beschribner mit ungemeinen Nutzen zum drittenmal in Druck hervor gegeben [erste Auflage wohl 1661]; Anjetzo aber … in das Staatisch-, Clösterlich-, Kirchisch- und Heilige Regenspurg Abgetheilt durch Anselmum Abbten daselbst. Regensburg 1729 (im Folgenden: Ratisbona Politica). Aus dem Jahr 1633 selbst stammt eine Beschreibung der gerade stattgehabten Ereignisse mit dem Titel Kurtze Kriegs =Relation/ Oder Historische Beschreibung/ deß glücklichen Progreß/ so Ihre Fürstl. Durchleucht. Hertzog Bernhard zu Sachsen/ Weinmar [sic!]/ Im Hertzogthumb Bayern gehabt/ im Monat November/ Anno 1633. Darbey auch die Eroberung der Stadt Straubingen/ Filtzhofen vnd Deckendorff zu befinden … [ohne Angabe von Drucker bzw. Druckort] Gedruckt im Jahr Christi/ 1633 (im Folgenden: Kriegs =Relation). [Titelblatt] AUCTORIS INCERTI CARMEN.] In dem unserer Edition zugrunde gelegten Exemplar findet sich direkt unter diesen Worten die handschriftliche Eintragung Mart. Opitij. Nach Conermann/Bollbuck, S. 1176, sei nicht letztgültig zu entscheiden, ob es sich hier um einen eigenhändigen Vermerk Opitzens handelt. [Rückseite des Titelblattes] SAXONIAE AC FRANCONIAE DUCI ] Herzog Bernhard war im selben Jahr 1633 von der schwedischen Krone mit dem aus den vormaligen Bistümern Würzburg und Bamberg bestehenden Herzogtum Franken belehnt worden; vgl. Röse (wie oben), Bd. 1, S. 222 f., Findeisen, S. 291.
FRANCOFURTI AD MOENUM PRID. KAL. DECEMBR. A NN . M DC XXXIII .] Die Ortsangabe macht deutlich, daß sich Opitz zum Zeitpunkt der Abfassung der Ratispona noch in Frankfurt aufhielt. Das vorliegende Werk wurde außerdem also bereits kurze Zeit nach dem darin beschriebenen Ereignis verfaßt; zu den möglichen Gründen Opitzens s. die Einleitung unten zur Ratispona. [DEDICATIO.] Bereits mit den Anfangsworten (V. 1: SV mme Ducum) wird eine Wertung des Widmungsempfängers vorgegeben, der, wie das erste Distichon weiter ausführt, gleichsam ‚von oben‘ zur Rettung gesandt worden war. Mit einer ersten panegyrischen Beschreibung der Taten dieser ‚Lichtgestalt‘ verknüpft der Sprecher die Bitte um gnädige Aufnahme des nachfolgenden Werkes (V. 3–6). Damit verbunden ist ein Bescheidenheitstopos (V. 7–10). Aufgrund der besonderen Situation fühlt sich der Sprecher dennoch zu seiner Dichtung veranlaßt (V. 11–18). Die Verse 19–22 bilden die Überleitung zur Ratispona, indem der
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Beweggrund für die Abfassung des umfangreichen Gedichtes angedeutet wird (V. 19: Hoc nempe erigimus servata ex urbe trophaeum). Der siegreiche Herzog erscheint somit als derjenige, dem die Stadt letztlich ihre Existenz verdankt (V. 23 f.). – Versmaß: elegische Distichen. 5 f.] Wohl Bezug auf die Situation Opitzens zu dieser Zeit, da er sich als Mitglied einer Gesandtschaft in Frankfurt am Main aufhielt. 9 f. ruinas Ob patriae miseras] Anspielung auf die Ereignisse im selben Jahr kurz davor in Schlesien, so nicht zuletzt Wallensteins Sieg bei Steinau am 11. Oktober 1633; vgl. dazu den Kommentar zur Ratispona, V. 1–7. 11 os Harpocratis] Harpokrates ist die griechische Bezeichnung für einen ägyptischen Horus-Kindgott, nachgeborenen Sohn von Isis und Osiris. Durch die bildliche Darstellung als Knabe, der den Finger auf den Mund hält, wurde er von antiken griechischen und römischen Autoren als Genius bzw. Gott des Schweigens gedeutet; vgl. dazu z. B. die Ausführungen bei Zedler, Bd. 12, Sp. 602 f. 23 f.] Mit veteris … TiberI ist der römische Kaiser Tiberius (42 v. Chr. – 37 n. Chr.) gemeint (zu ihm s. DNP 12/1, Sp. 532–535), mit Trajani … novi (V. 24) der römische Kaiser Trajan (um 53–117). Über die Spätantike hinaus bis in das Mittelalter galt letzterer als „idealer Kaiser“ (DNP 12/1, Sp. 746–749, hier Sp. 749). Auch in anderen panegyrischen Texten, die sich an Herrscherpersönlichkeiten wenden, setzt Opitz diese gerne in Beziehung zum römischen Kaiser Trajan, so z. B. Friedrich V. von den Pfalz (LW 1, S. 204: Alter Trajanus es) oder Erzherzog Karl von Österreich (LW 2, S. 60: tu, Trajane secunde). In den siebziger Jahren des 2. Jahrhunderts n. Chr. war Regina Castra (das heutige Regensburg) als Standquartier einer römischen Legion an der Donau gegenüber der Mündung des Flusses Regen errichtet worden und war damit militärischer Hauptort der römischen Provinz Raetia (dazu s. u. zu V. 155). Zur Gründung Regensburgs vgl. vor allem Karlheinz Dietz und Thomas Fischer: An der Grenze des Imperiums. Regensburg zur Römerzeit, in: Geschichte der Stadt Regensburg (wie oben), S. 12–48, sowie dies.: Die Römer in Regensburg. Regensburg 1996. Siehe außerdem Ratisbona Politica, S. 102: „Belangend dann die Stadt Regenspurg/ an dem Orth und Stell (da sie noch heut gesehen wird) hat selbe ihren Ursprung von Tiberio dem Stieff=Sohn Augusti deß Anderen Römischen Kaysers.“ [RATISPONA IN LIBERTATEM VINDI- | CATA.] Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung der für die „Unseren“, also die protestantische Seite, seit dem Sommer 1633 katastrophalen Situation (V. 1–10). Durch göttliche Eingebung (so daß deren Handeln dadurch gleichzeitig sanktioniert wird) kommt es dann auf seiten der unterlegenen Partei zu weitreichenden Entschlüssen (V. 11–15). Gleichsam als Werkzeug für die Ausführung der Pläne erscheint der in den nachfolgenden Versen als einziger namentlich genannte Bernhard, der dafür auch in besonderer Weise prädestiniert erscheint (V. 16–30). Aus dem in diesem Einleitungsteil Geschilderten erwächst als Folge (V. 31: Ergo Ratisponam …) die in V. 31–59 referierte Einnahme Regensburgs. Die Beschreibung der Eroberung geschieht auf mehrere Arten: Nach einer Schilderung der Ereignisse in V. 31–47, die sich mit zeitgenössischen Berichten deckt, erfolgt zum einen
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die Anrede an die mit Gottes Hilfe gleichzeitig besiegte und befreite Stadt (V. 47–52) und damit eine erste Deutung des Geschehens. Eine zweite Deutung erfolgt im Vergleich der Stadt mit einem Mädchen und seinen beiden Freiern (V. 52–59). Mit den nachfolgenden Überlegungen (V. 60–83) bindet der Sprecher die aktuelle Kriegshandlung in übergeordnete Zusammenhänge ein. Die Eroberung Regensburgs erscheint als folgerichtiger Schlußpunkt in einer Kette von schicksalhaften Abläufen und gleichzeitig als Kompensation für den schrecklichen Verlust, den der Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen ein Jahr zuvor für die Protestanten bedeutete. Im Wechsel der das Gedicht prägenden erzählenden und deutenden Passagen erfolgt dann wieder der Bezug auf das Geschehen in Regensburg selbst mit der Schilderung des Einzugs des siegreichen Jünglings in die Stadt (V. 84–95) und der Bewillkommnung durch die Bürger, die insgesamt drei der im Druck als solche gekennzeichneten Abschnitte umfaßt (V. 96–132). Diese werden zusammengehalten durch die als Willkommensrede an den Herzog zu interpretierenden Verse 100–132. Der erste Teil dieser Rede (V. 100–109) charakterisiert Bernhard gleichsam als ‚Lichtgestalt‘ ex negativo vor der Folie der Charakterlosigkeit und Käuflichkeit anderer, nicht namentlich genannter Heerführer bzw. Herrscher. Dies bildet die Überleitung zum zweiten Abschnitt, in dem Jupiter als höchste richterliche Instanz um strenge Bestrafung dieser Schandtaten gebeten wird (V. 110–117). Demgegenüber (V. 118: At tu) gebühren Bernhard andere praemia (V. 124), die dem dankbaren Herzen der Bürger entspringen. Der Beifall der Einwohner Regensburgs überträgt sich auf die gesamte Natur; Vater Donau und seine Nebenflüsse, die in einem Exkurs V. 136–149 beschrieben werden, wollen Bernhard als Herrn annehmen, die unterdrückten Völker des gesamten Donauraums ersehnen ihn als Befreier (V. 133–156). So kann der Sprecher mit den Versen 157–180 den Herzog nur auffordern (zuerst, indem er diesen in V. 157–160 zu einem reißenden Fluß in Beziehung setzt, eine Wiederaufnahme der Flüssebeschreibung wenige Verse zuvor), trotz des Winters seinen Eroberungs- und Befreiungszug fortzusetzen bis vor die Mauern Wiens, und damit ins Kernland des größten Feindes, des habsburgischen Kaisers. Der Grund für diese Eile liege darin, daß die einzelnen Feinde sich zum großen Bündnis sammelten (V. 181–206). Angriff und Gegenwehr werden am Schluß des Abschnittes illustriert durch den Vergleich mit einer Eberjagd (V. 201–206). Die folgenden Verse 207–218 dehnen die Aufforderung zu Widerstand und gerechtem Krieg auf alle aus, die auf seiten der „besseren Sache“ (V. 216) stehen. Hierbei gelte es, untereinander vereinigt und mit den in wahrhafter Freundschaft verbundenen Nationen eine Waffenbrüderschaft zu schließen und sich vor falschen Bündnissen zu hüten (V. 219–247), auch im Gedenken an einen König, der sein Leben für die gerechte Sache gab (V. 235–239). Am Ende (V. 248–255) steht die Aufforderung zum Gebet um Gottes Beistand für diesen gerechten Krieg, damit endlich Friede einkehre. Das umfangreiche Gedicht ist somit zweigeteilt: Die Eroberung Regensburgs wird zum Anlaß genommen für die Auffordung – zuerst an Bernhard, aber auch an alle, die sich für die „richtige“ Sache einsetzen –, mit Gottes Hilfe den gerechten Krieg zu wagen. Die innere und äußere Gestaltung des Textes bis hin zum Versmaß weist viele Anklänge an das heroische Epos der Antike auf; nicht zuletzt wäre hier an Vergils Aeneis oder Lukans Bürgerkriegsepos Pharsalia zu denken. Gleichzeitig wird deutlich, daß dieses Gedicht von einem ‚Insider‘ geschrieben wurde, der mit den einzelnen kriegerischen Unter-
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nehmungen, aber auch mit den diplomatischen Aktivitäten und Missionen (wohl bis hin zu Geheimverträgen) bestens vertraut war. Gleichsam unter dem Vorwand, ein Epos über eine bestimmte Episode aus dem „langen Krieg“ seiner Zeit zu verfassen, im Rückgriff auf antike Vorbilder und unter Verwendung von Elementen der heroischen Epik (erhabener Stil, eingewobenene Gleichnisse, Habitus des Sprechers als poeta doctus bei der Auflistung der Donau und ihrer Nebenflüsse usw.) ruft der Sprecher so zu einem Handeln auf, das dem der Heroen der Antike und der Gegenwart in nichts nachstehen soll. – Versmaß: Hexameter. IN LIBERTATEM VINDI- | CATA] Die Wendung in libertatem vindicare wird in der Antike häufig im Kontext der Befreiung von unterworfenen oder bedrohten Nationen gebraucht; vgl. Caesar, De bello Gallico 7,1,5 (Gallien), Cornelius Nepos, Epaminondas 8,4 (Griechenland). 1–7] VIcerat arte sua als Einleitung des gesamten ‚heroischen Poems‘ macht schon von Anfang an deutlich, daß das Handeln Herzog Bernhards gleichsam als militärischer Gegenschlag zu verstehen ist (vindicare bedeutet schließlich auch ‚rächen‘). Wohl in erster Linie erfolgt mit den ersten Versen eine Anspielung auf die Ereignisse des Jahres 1633 in Schlesien: Wallenstein hatte seine bereits zuvor (ab 1630) begonnenen geheimen Unterhandlungen mit den Gegnern wieder aufgenommen, die unter anderem beinhalteten, daß er selbst König von Böhmen werde; siehe dazu Grünhagen, Bd. 2, S. 244 f. Gleichzeitig begann er im Sommer Friedensverhandlungen mit dem sächsischen Feldherrn Hans Georg von Arnim. Am 6. Juni wurde in Strehlen ein Waffenstillstand, beginnend am 7. Juni, auf 14 Tage abgeschlossen, der dann später um vier Tage verlängert wurde; vgl. Grünhagen, Bd. 2, S. 245, sowie Palm, Die Conjunction, wie oben, S. 18. Bei einer erneuten Zusammenkunft am 2. Juli wurde keine Einigung erzielt, so daß der Waffenstillstand wieder aufgehoben wurde. Daraufhin belagerte Wallenstein das von den Sachsen verteidigte Schweidnitz; s. Palm, Die Conjunction, S. 19. Auf Betreiben Arnims kam es dann am 9. August 1633 zu der oben erwähnten „Konjunktion“. Am 22. August wurde zwischen Arnim und Wallenstein ein weiterer Waffenstillstand auf 14 Tage vereinbart, um dann auf vier Wochen verlängert zu werden. Wallenstein „schien … mit einem Anschlusse seiner Streitkräfte an die ihm gegenüberstehenden, also mit seinem direkten Abfalle vom Kaiser Ernst machen zu wollen“ (Grünhagen, Bd. 2, S. 249 f.), doch änderte er rasch seine Meinung: Gegen Ende September verlangte er von Arnim, Sachsen und Brandenburg sollten sich mit ihm verbünden, „um zunächst die Schweden ‚herauszuschmeissen‘“ (Grünhagen, Bd. 2, S. 250). Dies bedeutete soviel wie den Abbruch der Friedensverhandlungen. Der Waffenstillstand wurde von Wallenstein am 1. Oktober gekündigt; vgl. Palm, Die Conjunction, S. 29: „Es ist jetzt wohl allgemein anerkannt, daß Wallensteins Absichten bei den langen Waffenstillständen die waren, seine am Anfange des Feldzugs schlecht bestellte Armee zu versorgen und zu verstärken, dagegen die Sachsen und Schweden in ihren ausgesogenen Landestheilen durch Hunger und Pest ganz aufzureiben.“ In der Folge wurde die Lage in Schlesien immer dramatischer, wie Opitzens Briefe an die Herzöge von Liegnitz und Brieg (27. November 1633; Conermann/Bollbuck, S. 1170f.) sowie an David von Schweinitz (23. Dezember 1633; ebd., S. 1184–1187) belegen. Im Prager Frieden von 1635 mußten die protestantischen Schlesier sich schließlich dem Kaiser unterwerfen.
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3 non ullo Marte] Vgl. zur Junktur Lukan, Bellum civile [Pharsalia] 3,91 f.: tene, deum sedes, non ullo Marte coacti / deseruere viri? 8–10 variasque phalanges Ad Viadri crescentis aquas, Albimque timentem, Ac non id meriti ducebat Saxonis arua.] Vgl. Grünhagen, S. 250, zu den Vorgängen nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen: „Als Wallenstein eine Bewegung gegen Zittau hin machte, beeilte sich Arnim, froh, das ausgesogene Land verlassen zu können, gleichfalls nach Sachsen zu marschieren, um die Elbpässe vor jenem zu erreichen, indem er den Schlesiern ankündigte, wie jetzt endlich das Land aufhören würde, den Kriegsschauplatz abzugeben. Etwa 1000 Schweden unter Graf Thurn ließ er zur Bewachung der Oderpässe zurück. Aber Wallenstein hatte es nur auf eine Täuschung des Gegners abgesehen, und sowie diese gelungen war, marschierte er in Eilmärschen nach Schlesien zurück, und während das Hauptheer auf Liegnitz und Lüben zu rückte, erschienen am 4. Oktober 1633 größere Abteilungen vor den Thoren von Goldberg.“ Die Stadt wurde unter großem Leid für die Bevölkerung eingenommen (ebd., S. 250–252). Am 11. Oktober wurden die Schweden durch die Kaiserlichen unter Schaffgotsch in den Steinauer Schanzen vernichtend geschlagen; vgl., ebd., S. 252, Palm, Die Conjunction, S. 33, sowie den Bericht im Theatrum Europaeum, Dritter Theil, S. 130–132. 11 hostis quem rarus adorat] Das Eingreifen Gottes kann nur auf seiten derjenigen stattfinden, die mit ihm verbunden sind. 14 f. tentare … Danubium, et positas illic sibi subdere gentes.] Nach Simon Höpfl: Die Belagerungen Regensburgs in den Jahren 1633 u. 1634 durch Bernhard von Weimar und durch die Kaiserlichen und Ligisten. Amberg 1913 (im Folgenden: „Höpfl, Belagerungen“), S. 5 f., bestand wohl bereits Anfang des Jahres 1633 die Absicht der schwedischen Heerführer, Herzog Bernhard und Generalfeldmarschall Gustav Horn, Regensburg anzugreifen. Der Grund für das Vorhaben, die Stadt einzunehmen, lag in dessen wichtiger strategischer Bedeutung: „In Oberdeutschland gab es damals vier noch im katholischen Besitz befindliche Städte, die als Ausfalltore, Stützpunkte und Verbindungsglieder den kriegenden Parteien über alles wertvoll erschienen: am Rhein Philippsburg und Breisach, am Bodensee Konstanz und an der Donau Regensburg“ (Ritter, Bd. 3, S. 566; vgl. auch Höpfl, Belagerungen, S. 10). Die Argumente finden sich bereits bei Schiller (wie oben), S. 428 f. Er fügt, S. 429, hinzu: „Regensburg zu bewahren, war der letzte, dringende Rat, den der sterbende Tilly dem Kurfürsten von Bayern erteilte, und Gustav Adolf beklagte als einen nicht zu ersetzenden Verlust, daß ihm die Bayern in Besetzung des Platzes zuvorgekommen waren. Unbeschreiblich groß war daher Maximilians Schrecken, als Herzog Bernhard diese Stadt überraschte und sich ernstlich anschickte, sie zu belagern.“ Zudem bestand nach Höpfl für die schwedische Armee in Süddeutschland und Österreich, die beide unter den Schrecken des Krieges weniger gelitten hatten als der Norden, die Hoffnung auf reiche Beute. Nach der Eroberung Regensburgs wollte Bernhard dann nach Oberösterreich vordringen, „die Bauern zum Aufstande … reizen und so den Kaiser im eigenen Lande“ angreifen (Höpfl, Belagerungen, S. 7). Die militärisch recht unproblematische Einnahme Regensburg wurde von den Protestanten als großer Sieg gefeiert, allerdings ging im Wechsel des Kriegsglücks die Stadt am 16. Juli 1634 wieder an die Kaiserlichen verloren; vgl. ADB 2, S. 443.
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16–20] Der Charakter Bernhards wird sehr unterschiedlich beurteilt. So schreibt Schiller (wie oben), S. 601, zu einem Porträt des Herzogs: „In seinem Leben war Bernhard einer der größten Feldherren, voll Gegenwart des Geistes bei großer Tapferkeit und immer gleichem Mut. Seine Ruhe der Seele, seine Großmut, seine Liebe zu Gott und seinen Soldaten verließen ihn auch im Tode nicht.“ Nach Ritter, Bd. 3, S. 556, gehörte Bernhard „zu der kleinen Auslese fürstlicher Kriegsmänner, die als Frucht ihrer Erziehung sich eine ideale Auffassung der öffentlichen Angelegenheiten bewahrt hatten. Evangelische Freiheit und deutsche Libertät waren ihm keine leeren Worte, und ähnlich wie Gustav Adolf zeichnete ihn ein fleckenloses Privatleben und fromme Uebung seiner Religionsgebräuche unter den täglich mehr verwildernden Kriegsmännern aus.“ Vgl. dazu allerdings die kritischen Ausführungen bei Wedgwood, S. 321 f., sowie bei Findeisen, wonach Bernhard vor allem ehrgeizig, eigenwillig und selbstbewußt gewesen sei und „den protestantischen Kampf mit sehr eigenen territorialen Zielen verband“ (S. 289). Richelieu urteilte über ihn (zitiert nach Wedgwood, S. 321): „Ein ausgezeichneter Feldherr, aber so sehr auf sich selbst bedacht, daß niemand seiner sicher sein konnte.“ 19 Non hoc laudis enim, non lucri abjecta cupido] Auf dieses Thema geht der Sprecher in der Ratispona noch mehrfach ein. Der Hexameterschluß erinnert an die Vergilische Wendung von der auri sacra fames (Aeneis 3,56 f.). 20–23] Zu den Vorfahren Herzog Bernhards siehe die oben angeführten Biographien. 24–26] Bernhard, der nach dem Tod des Vaters (1605) unter die Vormundschaft der Kurfürsten Christian und Johann Georg von Sachsen gekommen war, erhielt eine gute Erziehung (ADB 2, S. 439) und „durch seine Mutter und den Historiker Friedrich Hortleder … eine gründliche, tief religiöse Bildung, die der sonst dem deutschen Luthertum und besonders dem Haus Wettin eigenen religiösen und politischen Enge entbehrte. Vielmehr legte sie den Grund dazu, daß er später im Sinn sehr großzügig aufgefaßter, obwohl nicht reichsfremder Fürstenlibertät den habsburgischen Vormachtplänen entgegentrat als einer der wichtigsten Vertreter jener kampfbereiten Minderheit des deutschen Luthertums, die zu besonderer Bedeutung gelangte, als Schweden die calvin. Staaten in der Rolle der Vormacht gegen den kath.-habsburgischen Block ablöste“ (NDB 2, S. 113f.); zu Jugend und Erziehung Bernhards s. auch Röse (wie oben), S. 81–91, und Droysen (wie oben), Bd. 1, S. 11–26. 27–30] Nach ADB 2, S. 439, verbrachte Bernhard nur wenige Monate auf der Universität Jena und „eilte“ dann nach Coburg „zu den ritterlichen Uebungen am Hofe des Herzogs Johann Kasimir“. Als gerade Achtzehnjähriger begann er, unter verschiedenen Heerführern Kriegsdienste zu leisten – so erlebte er seine „Feuertaufe“ im April 1622 unter dem Grafen von Mansfeld in der Schlacht bei Wiesloch (Findeisen, S. 289), im Mai die Niederlage Georg Friedrichs von Baden-Durlach bei Wimpfen gegen Tilly. 1625 war er Kommandeur eines Reiterregiments unter König Christian IV. von Dänemark und erlitt 1627 die Niederlage von Heiligenhafen mit. Im Herbst 1631 trat er als Obrist in schwedische Dienste und wurde im April 1632 von Gustav II. Adolf zum General befördert. Besonderen Ruhm erwarb er sich, als er in der Schlacht bei Lützen (6./16. 11. 1632) nach Gustav Adolfs Tod die Führung des schwedischen Heeres übernahm und „am Abend die Kaiserlichen mit Verlust“ zurückdrängte (ADB 2, S. 440).
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30 Vt Teuto Mauris, et Boeti supplicet Ister] Wie z. B. in Opitzens Anapästen auf den Jahresanfang 1621 (Silvae, S. 12 f., V. 11 f.: Hîc Maurorum probrosa cohors / Scelerum totos agitat cumulos; s. dazu den Textabdruck in LW 2, S. 142, sowie den zugehörigen Kommentar ebd., S. 452) sind hier mit Mauri ebenfalls die mit Kaiser Ferdinand II. verbündeten Spanier gemeint. Vgl. auch bereits in Opitzens Trostgedichte in Widerwertigkeit Deß Krieges, Buch 1, V. 247–250 (GW 1, S. 199): „Der Flüsse Vater/ auch/ der sonsten schöne Rhein/ | Hat seine Last gefühlt/ daß nun für klaren Wein | Das grosse Kriegesheer der scheußlichen Maranen | An seinem Vfer sey …“. – Im Folgenden sind mehrfach Parallelen zu Opitzens um 1620 entstandenem, aber erst 1633 (zeitgleich mit der Ratispona) gedrucktem Trostgedichte angeführt. Die Beziehungen zwischen diesen beiden heroisch-politischen Dichtungen wären genauer zu untersuchen. Nicht ganz ohne Bedeutung für den Zusammenhang zwischen den beiden Texten könnte auch sein, daß Opitz das Trostgedichte dem am 22. August 1633 ermordeten Prinzen Ulrich von Dänemark gewidmet hatte und dessen Rolle als ‚Hoffnungsträger‘ für die protestantische Sache jetzt womöglich auf den jungen Bernhard von Weimar übertrug. 30 Boeti … Ister] Mit Baetis (so die übliche Schreibweise) wird in der Antike der Fluß Guadalquivir im Südwesten Spaniens bezeichnet, Ister ist ein Name der Donau. Die beiden Flüsse stehen hier in chiastischer Beziehung zu den durch sie repräsentierten Reichen, wodurch der von protestantischer Seite immer wieder beschworene Gegensatz zwischen (katholischem) Spanien und (potentiell protestantischem) Deutschland ohne die habsburgischen Lande hervorgehoben wird. 32 Principis aversi] Damit ist Kurfürst Maximilian I. von Bayern gemeint. Vgl. zu seiner Person Andreas Kraus: Maximilian I. Bayerns Großer Kurfürst. Graz u. a. 1990, vor allem S. 214–216 zur damaligen historischen Situation und zur Eroberung Regensburgs. 32 leges] Hier wie später noch mehrfach könnten mit leges konfessionell bedingte Normen oder Zwänge gemeint sein, unsere Übersetzung legt sich auf diese prägnante Bedeutung allerdings nicht fest. 34 f. Illa, vetustam Incorrupta fidem, vinci sine sanguine vellet] Nach Höpfl, Belagerungen, S. 10, standen sich in der Reichsstadt Regensburg zwei Parteien gegenüber, die zum größten Teil protestantische Bürgerschaft und die katholische Geistlichkeit. Zudem befand sich hier eine (katholische) bayerische Besatzung. 38–42] In der Kriegs =Relation heißt es fol. A1v–2r : „DE mnach Ihre Fürstl. Durchleucht. Hertzog Bernhard von Sachsen Weinmar/ die langbetrangte Statt Regenspurg den 26. vnd 27 October belegert/ hat solche der Feind so in 1500. zu Fuß vnd 500. zu Roß starck gwessen biß auff den letzten Mann zu Defendiern/ sich Resolvirt/ wie dann der Hertzog in Bayrn zwey ernstliche vnd scharpffe Schreiben an den Commendanten daselbsten abgehen lassen/ Sub Dato Braunau den 2. [und] 4. November/ darinn höchstgedachter Hertzog den Commendanten ernstlich befihlet das er di Statt biß vff den letzten Mann Defendiren solle so es jhme am Volck manglet/ solle er alle Geistliche vnd Catholische Burger bewehren vnd zu Hülff nehmen/ vnd so er ettwan mercken würde/ daß die vncatholischen Burger dem Feind gewogen/ so solt er sehen/ daß er sie auß der Statt brächte/
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vnter dem Praetext als wenn sie vor der Statt schantzen müsten/ wo sie nicht in guten hinauß wolten/ solte er solche mit gewalt forttreiben/ jtem er solte das Ober vnd vnter Werth in Brand stecken/ an der steinern Brucken etliche Schwibbögen mit Pulver zersprengen/ damit dem Feind aller Orten abbruch geschehe/ auff dieses ermahnen/ hat der Commendant solches eylfertig ins Werck gericht/ das Ober vnd vnter Werth/ alle Kupffer=vnd Eysenhämmer/ Mühlen/ sampt andern Gebäuen in grund abgebrandt/ welcher schaden über 3. Thonen Golds hoch geschetzet worden/ vnd hette der Commendant ohne zweyffel noch grossen schaden der Statt zugefügt/ wo jhn der Allmächtige Gott das ziel nicht vnversehener weiß verrucket/ indem als er auff einen Thurn sich begeben zu recognosciren vnd zu erkündigen/ wo er den vnserigen den grösten abbruch thun könte/ von einen Soldaten in das Gnick geschossen worden … als nun der Commendant also verwund/ auch vnterdessen ein Pressae geschossen worden/ haben die Bayrischen accordirt/ vnd dem Hertzogen die Stadt übergeben/ welche Besatzung sampt den verwundten Commendanten sind nach Ingolstadt Convoirt worden/ allda dieser Commendant seine Geist auffgeben/ vmd mit grossen Schmertzen gestorben.“ 38 f. domini chartis mandata severis Jussa legens] Der Wortlaut der beiden Schreiben ist z. B. wiedergegeben in Theatrum Europaeum, Dritter Theil, S. 132–134. 39 Vrbi Praefectus] Hierbei handelt es sich um Johann Freiherr von Teybertz/Troibreze (die Schreibung seines Namens differiert sehr), der im Mai 1632 als Nachfolger des Hans Wolf von Salis zum Stadtkommandanten ernannt worden war. Vgl. zu seiner Person (und zu der Eroberung Regensburgs) auch: http://www.warlich.net/bernd/treubrezetroibzee-troibrets-troiberz-trabez-traber-trabres-treber-treberey-johann-freiherr-von/ (8. 10. 2012). 39 f. atrocia secum Voluit] Vgl. Sallust, Coniuratio Catilinae 32,1: multa ipse secum volvens. 42 seseque per omnia versat] Vgl. Vergil, Aeneis 4,285 f.: (Aeneas) animum … in partisque rapit varias perque omnia versat. 49 manibus … bonorum] Im Kontext der Argumentation dürften hier die Heiligen der katholischen Kirche gemeint sein. 52–59] Mit dem Gleichnis von der Jungfrau und den beiden Freiern spielt Opitz darauf an, daß die mehrheitlich protestantische Bevölkerung Regensburgs die von Kurfürst Maximilian von Bayern stationierten Regimenter ablehnte, während sie Bernhards Truppen mit Jubel empfing. Vgl. Droysen (wie oben), Bd. 1, S. 298, und den Kommentar zu V. 96–101. Die Personifikation der Stadt Regensburg als Mädchen, das den Geliebten freudig empfängt, findet sich auch noch häufiger im Text, so in der imaginierten Rede der Stadtoberen V. 121: potiris amicae. 60 O nunquam autumnos adversis partibus aequos!] Anspielung auf die verschiedenen Niederlagen der katholischen (kaiserlichen, ligistischen) Armee, die meistens im Herbst stattfanden; s. dazu die folgenden Lemmata. 62 urbis miserae de clade calentem] Anspielung auf die Eroberung Magdeburgs unter Tilly am 10./20. Mai 1631, bei der die Stadt fast völlig zerstört worden war und Zehntausende von
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Toten unter der Zivilbevölkerung zu beklagen waren, die sogenannte „Magdeburgische Hochzeit“. Opitz hatte zu diesem Anlaß Gedichte auf Deutsch und Latein verfaßt, s. dazu LW 2, S. 130–132, Kommentar S. 433–435. Der Hinweis auf die Zerstörung der „Jungfrau“ Magdeburg ließe sich als Gegenstück zum Bild der casta puella in den vorausgehenden Versen verstehen. Auch in der Kriegs =Relation, fol. A4r, werden die beiden Ereignisse zueinander in Beziehung gesetzt: „ach wie gern hetten die Papisten eine Magdeburgische Action mit der vnschuldigen Statt Regenspurg angefangen/ wanns der Gerechte Gott nicht so wunderlich geschicht/ [sic] vnd den Papisten in jhren bösen vornehmen den Compast verruckt hette.“ 63 Albi pater] Magdeburg liegt an der Elbe. Die Anrede an den „Vater Elbe“ findet ihr Gegengewicht in der Schilderung der Donau mit ihren Nebenflüssen im Zusammenhang mit dem Lobpreis auf den Sieger Bernhard in V. 136–156. 64 f. Lipsia Tilliaden, mulctatum verbere multo, Deplorare una vidit vice mille cohortes] Am 7./17. September 1631 fand die Schlacht bei Breitenfeld nördlich von Leipzig statt. Die Schweden und Sachsen unter Gustav II. Adolf siegten gegen die Ligatruppen unter Tilly; Tilly selbst wurde verwundet. 66–71] Anspielung auf die Schlacht bei Lützen (V. 71: Luzia) westlich von Leipzig zwischen den Kaiserlichen unter Wallenstein (V. 67: non mansuetior hostis) und den Schweden unter Gustav Adolf am 6./16. November 1632, die die protestantische Seite trotz des Todes ihres Feldherrn als siegreich verbuchen konnte. 66 f. Iam per signa semel Titan duodena cucurrit, Solum his adde diem, cum …] Opitz rechnet hier von der Befreiung Regensburgs zur Schlacht von Lützen zurück, die praktisch auf den Tag genau ein Jahr zuvor stattfand. Titan steht für den vom Titanen Hyperion abstammenden Helios oder Sol, den Sonnengott. Vgl. Zedler, Bd. 44, Sp. 437; DNP 11, Sp. 692–695. 69 Abjecit clypeum tamen] Bereits in der Antike galt es als große Schande, wenn ein Soldat seinen Schild wegwarf, um zu fliehen; vgl. DNP 11, Sp., 171 f. 71 Parvaque claratas aequavit Luzia Cannas] Bezug auf die sprichwörtlich gewordene Schlacht bei Cannae am 2. August 216 v. Chr., eine der bedeutendsten Schlachten im Zweiten Punischen Krieg, bei der das karthagische Heer unter Hannibal die zahlenmäßig überlegenen Römer in einer Umfassungsschlacht vernichtend schlug. Im Grunde wird hier die Perspektive der katholischen Seite eingenommen, für die die Schlacht von Lützen ein ‚Cannae‘ gewesen sein soll. 72–74] Der Schwedenkönig Gustav Adolf war in der Schlacht bei Lützen gefallen, was auf protestantischer Seite zu vielen Trauerbezeugungen Anlaß gab; vgl. dazu z. B. JörgPeter Findeisen: Gustav Adolf von Schweden. Der Eroberer aus dem Norden. Gernsbach 2005. 73 f. nigris neque laurea mixta cupreßis Amisso … uno] Die abgeschnittenen Zweige der Zypresse galten in der Antike als Trauersymbol.
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77 Rex cui nulla parem tulit aetas, nulla secundum] Vgl. Horaz, Oden 1,2,17 f.: Unde nil maius generatur ipso / nec viget quicquam simile aut secundum. 86 f. victi Par oculis victor] Möglicherweise wird hier auf die clementia des Eroberers als typische Fürstentugend Bezug genommen. 88 acer Teubrezius] Zu Johann Freiherr von Teybertz/Troibreze s. die Erläuterung zu V. 39. 90–95] Herzog Bernhard verkörpert die idealen Tugenden eines Heerführers, die durch Allegorien repräsentiert erscheinen. 94 f. morti Vitam] Am Schluß des Tugendkatalogs wird noch der Gegensatz zwischen dem todesbereiten Soldaten und den Menschen, denen er neues Leben schenkt, durch auffällige Wortstellung unterstrichen. 96–101] Herzog Bernhard wurde von der protestantischen Stadtbevölkerung begeistert empfangen. Höpfl, Belagerungen, zitiert S. 21, Anm. 2, aus einer Quelle, in der es heißt: „Wie der Herzog vergangenen Erchtag eingezogen, haben sie (die Regensburger) die Läden vffgeputzt und eine Freude gehabt, alß wann eine Hochzeit wehre vorhanden gewesen.“ 104 f.] Möglicherweise bezieht Opitz sich auf den Versuch des französischen Diplomaten Isaac Manassès de Pas de Feuquières (1590–1640), deutsche protestantische Fürsten und Heerführer enger an Frankreich zu binden. Vgl. Conermann/Bollbuck, S. 1173, sowie vor allem Bertold Baustaedt: Richelieu und Deutschland. Von der Schlacht bei Breitenfeld bis zum Tode Bernhards vom [sic] Weimar. Berlin 1936 (= Historische Studien 295); Ndr. Vaduz 1965, S. 117: „Feuquières bot Herzog Bernhard zweimal – im März und im September 1633 – eine französische Ehrenpension an. Bernhard lehnte das schroff mit dem Bemerken ab, er stände in schwedischen Diensten.“ Neben der Studie von Baustaedt vgl. auch Jendre (wie oben) mit detaillierten Hinweisen auf Bernhards langsame Annäherung an Frankreich, die 1635 durch einen Subsidienvertrag sanktioniert wurde. – Wahrscheinlicher ist angesichts der drastischen Worte (vgl. zu V. 107) allerdings, daß Opitz eine Bestechung Bernhards durch evidente Kriegsgegner wie den Kaiser oder Spanien ausschließt. 104 vana] Konjektur für die wenig einleuchtende Form vano im Druck. 107 f. ille redemptor Dedecorum] Gemeint ist der Teufel im Gegensatz zum eigentlichen redemptor, dem Erlöser Christus. Durch die Nähe zur Junktur dedecorum … emptor (Horaz, carmen 3,6,32) wird zugleich ein spannender intertextueller Verweis hergestellt, denn die unzüchtige virgo, die hier ihre ‚Schande verkauft‘, gibt sich ausgerechnet einem spanischen ( ! ) Schiffsherrn (navis Hispanae magister, V. 31) hin. 110–117] Hier zielt Opitz wohl auf diejenigen ab, die sich anders als Bernhard vom Gegner bestechen lassen, beläßt es aber bei Andeutungen. 111 Simplicitas Germana] Die simplicitas (morum) der alten Germanen ist ein seit der Antike (z. B. Sueton, Claudius 25,4) tradierter Topos, der von den deutschen Humanisten aufge-
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griffen und im Kontext der Mahnung vor dem Sittenverfall der jeweiligen Gegenwart eingesetzt wurde. Vgl. schon Conrad Celtis, Amores 2,9,33: Castaque simplicitas non tanto perdita luxu; Erläuterungen dazu in: Humanistische Lyrik, S. 1005 f. Zur Begriffsgeschichte von simplicitas vgl. zuletzt Christopher B. Krebs: Negotiatio Germaniae. Tacitus’ Germania und Enea Silvio Piccolomini, Giannantonio Campano, Conrad Celtis und Heinrich Bebel. Göttingen 2005 (= Hypomnemata 158), S. 89–99. 111 aufugit ad Indos] Indien stand in der Antike (wo natürlich stets das ‚echte‘ Indien gemeint war) als Synonym für weite Ferne; vgl. Properz, Elegie 2,9,29; Horaz, Epistel 1,1,45. Die Wendung, daß eine Tugend bis zu den Indern entwichen sei (aufugit), findet sich auch in einem zeitkritischen Gedicht von Georg Rollenhagen aus dem Jahr 1567: extremos Pietas aufugit ad Indos; abgedruckt in: W. Seelmann: Georg Rollenhagen, in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg 24 (1889), S. 83–109, hier S. 89. 117 Cocytus] Cocytus oder griech. Kokytos (‚Klagefluß‘), einer der Unterweltsflüsse in der antiken Mythologie; vgl. DNP 6, Sp. 638, sowie Zedler, Bd. 6, Sp. 558. Hier ist natürlich die Hölle gemeint. 118 praesidium nostrae et spes optima vitae] Vgl. eine ähnliche Wendung in Opitzens Gedicht für August Buchner, V. 23: Tu melius mihi viue, meae spes optima vitae … (LW 2, S. 178). 119–121 Tu, Princeps, es noster amor … potiris amicae] Vgl. den Kommentar zu V. 52–59. 125 f. patula dum de Iovis arbore summi Civica … festinatur] Nach DNP 3, Sp. 905, ist die Eiche „als großer Baum, der ein hohes Alter erreicht“, der Inbegriff eines heiligen Baumes in ehrwürdigen Hainen. Die großen, sommergrünen Eichen waren den Himmelsgöttern, vor allem Jupiter heilig; dagegen wurde die dunkle Steineiche Pan und der Unterwelt zugeordnet. Im antiken Rom wurde die aus dem Laub der Steineiche gefertigte corona civica einem römischen Bürger verliehen, der einem anderen römischen Bürger das Leben gerettet hatte. In seiner Rede auf Friedrich von der Pfalz erkennt Opitz auch ihm diese ganz besondere Auszeichnung zu: Perge, REX , mereri pulcherrimam coronam O B C IVES S ERVATOS (LW 1, S. 204; siehe außerdem den Kommentar ebd., S. 419). 127 Gabretae] Im Druck steht Grabetae, möglicherweise rührt die falsche Orthographie des seltenen Namens von Opitz selbst her. Ptolemaios bezeichnete das Gebiet des Bayerischen bzw. Böhmischen Waldes als ! "; der Name soll keltischen Ursprungs sein. Dazu paßt auch die namentliche Erwähung von Sudetum praerupta cacumina im nächsten Vers. 128–132] Anspielung auf die unfreie Lage der Einwohner in diesem Gebiet. Rein nominell könnte mit dem dominus der Sohn Kaiser Ferdinands II., der spätere Ferdinand III., gemeint sein, damals bereits zum König von Böhmen gekrönt; wahrscheinlicher ist aber eine Anspielung auf Wallenstein. 135 f. Ingeminat resonis Echo alma, triumphe, triumphe, Vallibus] Das literarische Spiel mit dem Echo, hier in Form einer schlichten Verdoppelung, hat Ovid in der Erzählung von Narcissus und Echo zur Virtuosität ausgebildet (Metamorphosen 3,339–510, bes. 379–392).
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138 f. pontemque diu indignatus herilem Mavult esse tuum] Die Steinerne Brücke ist neben dem Dom eines der Wahrzeichen Regenburgs; vgl. Karl Bauer: Regensburg. Aus Kunst-, Kultur- und Sittengeschichte. Regensburg 1970, S. 107–111. Zur teilweisen Zerstörung der Steinernen Brücke vgl. auch die Berichte in der Kriegs =Relation, fol. A1v, sowie in Ratisbona Politica, S. 262. 140 Quem septemgeminis demittit in aequora rivis] Opitz schreibt der Donau – vielleicht in Anspielung auf das Donaudelta – auch sonst sieben Mündungsarme zu. Vgl. LW 1, S. 152 und Kommentar, S. 375. 146 Clanis … Vindelici] Der Stamm der Vindeliker siedelte in der Gegend des heutigen Augsburg (Augusta Vindelicorum); die Glonn fließt zunächst in die Amper, diese dann in die Isar. 149–154] Bernhard nahm nach der Eroberung von Regensburg auch Straubing und Deggendorf ein; sein Plan sei es gewesen, „einen früheren Gedanken Gustav Adolfs auszuführen: in das österreichische Land ob der En[n]s einzudringen und die protestantischen Bauern von dem katholischen Drucke zu befreien“ (ADB 2, S. 442). Höpfl, Belagerungen, S. 9f., Anm. 2, zitiert aus einem Brief Bernhards an General Horn vom 14. Oktober 1633: „1. Und nachdem ich selber gedenke gegen Pfalz oder Beiern zu gehen. 2. Wolle der Her Oberst nach Nürnberg an den H. Chemnitium schreiben, sich des stets zu Regensburg erkundigen, auch zuzusehen, das er einen correspondenten in Passa[u] erlange, die sachen in Beiern zu Scherdingen zu negociren. 3. Auf Lauingen an hern Weienbart zu schreiben wegen der bauern aus dem lant ob der Ens; mitt dem hern von Ech will auch wegen der sachen im landlein ob Ens zu reden sein.“ Der schwedische Reichskanzler Oxenstierna, dem er diese Absichten in mehreren Schreiben auseinandergesetzt und den er um Zustimmung gebeten hatte, war jedoch der Meinung, dieses Unternehmen sei zu gewagt, zu umfassend und der Herzog dadurch zu weit vom bisherigen Kriegsschauplatz entfernt (vgl. ADB 2, S. 442). Vgl. dazu auch die Ausführungen Opitzens in dem oben genannten Brief an die beiden herzoglichen Brüder Johann Christian und Georg Rudolf vom 27. November 1633 (Conermann/Bollbuck, S. 1170): „Zwar die diversion an der Donaw ist inner kurzer frist schon so wol abgelaufen, dass der Stadt Regenspurg viel andere fürneme orte beiderseits des flusses gefolget, und nun mehr auch Passaw, wie für gewiss geschrieben wird, in der Evangelischen Handen ist. Weil dann nun durch bemächtigung der Inn das theil ob der Ens eröffnet worden, als soll sich selbige landschaft in grosser menge mit der armee conjugiren wollen: wie dann allbereit auf viel tausend Mann waffen und andere notdurft zuegeführt sind. Weil auch die Kaiserl. den gulden steg und andere pässe gegen Böhaimb verhawen lassen, hatt es das ansehen, als ob sie in selbiges Königreich sich eines einfalles besorgten; welches aber I. Fürstl. Gn. Herzog Bernhards meinung dismal nicht sein soll, der abwerts gegn Wien zue gehen gewiss nicht unterlassen wird. … Feria und Aldringen wolten gern gegen Bayern; denen geht aber H. Feldmarschall Horn dermassen an der seiten, dass sie sich des schlagens noch zur Zeit kaum entbrechen können. … Der franz. Marschall Monsieur de la Force hatt sich zwar mit unserem Volke noch im Elsass nicht conjungiret, es ist aber ehegestern ein gentilhomme de la Chambre du Roy (welcher auch zue ChurBrandenburg mit guter instruction gehen soll) allhero kommen, der verheissung aller
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hülfe und satisfaction mit gebracht …“ – Die gesamte Passage stellt zudem eine Umkehrung des Bibelwortes „Schwerter zu Pflugscharen“ (Mi 4,1–4) dar. 155 f.] Opitz faßt hier Bernhards Aktivitäten in Oberdeutschland und sein geplantes Ausgreifen in den Donauraum bis einschließlich Ungarn zusammen. 155 experta tuas satis ante est Rhetia vires] Nicht selten bezeichnet Opitz (wohl nicht zuletzt aufgrund seines archäologisch-antiquarischen Interesses) eine Region nach den früher dort ansässigen Völkerschaften. Die römische Provinz Rätien umfaßte etwa die südliche und östliche Schweiz, Vorarlberg, Tirol, große Bereiche der Zentralalpen und das Alpenvorland; die Nord- und Westgrenze orientierte sich seit der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. an Donau, Iller und Rhein. Im Laufe des 4. Jahrhunderts wurde die Provinz geteilt, die beiden Hauptstädte waren das spätere Chur und Augusta Vindelicorum (Augsburg); vgl. DNP 10, Sp. 749–754. 1632 hatte Bernhard von König Gustav Adolf den Befehl erhalten, zusammen mit dem Pfalzgrafen Christian von Birkenfeld „die Bewegungen der Spanier, welche an der Mosel standen, zu beobachten und ihren Einbruch in die Rheinlande zu verhindern. Aber B. blieb nicht lange; es brachen Zwistigkeiten zwischen ihm und dem Pfalzgrafen aus, welche dem Vorschreiten der Feinde förderlich waren. Speier ging wieder verloren, ohne daß B. es hindern konnte. Da berief Gustav Adolf diesen zu sich und setzte Horn an seine Stelle (5. Mai 1632). B. erhielt ein Commando bei der königlichen Armee in Baiern und Schwaben und fand gleich Gelegenheit sich auszuzeichnen; er unternahm einen glücklichen Zug an den Bodensee, drang dann nach der Erstürmung von Füßen (17. Juli) in Tirol ein, und drohte bis Innsbruck vorzurücken. Aber wieder rief ihn der König auf einen anderen Schauplatz“ (ADB 2, S. 440). Im Jahre 1633 wandte sich Bernhard von Weimar nach seinem Zug durch Franken „nach der Donau, vereinigte sich mit Gustav Horn und drang mit ihm tief in Baiern ein, das General Altringer vertheidigte. Die Stadt Landsberg wurde am 10. April 1633 erstürmt“ (ebd., S. 441). 156 Deplorat Bojus, timet Austria, Pannones optant.] Bojus und Austria stehen hier für das Kurfürstentum Bayern und das habsburgische Österreich (und damit den ‚Feind‘). Demgegenüber wurden die Pannones (gebräuchliche Form: Pannonii ), die Einwohner des zu Habsburg gehörenden „Königlichen Ungarn“, immer wieder von der Zentralgewalt in Wien enttäuscht; vgl. Thomas von Bogyay: Grundzüge der Geschichte Ungarns. Darmstadt 31977, S. 107–109. 157–180] Dieser Aufruf zur Eile wird durch die nachfolgenden Ereignisse bestätigt: Nach Höpfl, Belagerungen, S. 26, war für Wallenstein die Eroberung Regensburgs wohl völlig überraschend gekommen. Nach dem Fall der Stadt brach er „alsbald gegen die Donau auf“ und stand am 3. Dezember bereits in Furth im Wald: „Wahrscheinlich war es ihm weniger darum zu tun, Regensburg wieder zu gewinnen, als vielmehr darum, einen Einfall Bernhards in Oberösterreich zu verhindern. Und dies gelang; denn alsbald kehrte Bernhard um und wandte sich gegen das herausziehende kaiserliche Heer.“ Wallenstein ging daraufhin nach Böhmen zurück (siehe dagegen Schiller, wie oben, S. 430 f.). 161–163] Die Pointe besagt, daß schon der ihm vorauseilende Ruhm Bernhards Siege gewährleistet und er selbst deshalb „zu spät“ kommt.
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165 f. Militibus timeas? non possunt membra rigere, Sole refecta tuo] Damit verbunden ist die zeitgenössische und auch bei Opitz mehrfach, z. B. in seinen Gedichten auf Gábor Bethlen, aktualisierte Vorstellung vom Herrscher als der ‚Sonne‘ seiner Untertanen. 166 f. vagus ille binominis Istri Amnis] Ister bezeichnet traditionell den Unterlauf, Danubius den Oberlauf der Donau. Mit vagus wird angezeigt, daß ein Fluß regelmäßig Hochwasser führt; vgl. Martial, Epigramme 10,85,3; Plinius, Panegyricus 30,4. 168–172] Die Passage ist sprachlich und sachlich kompliziert. Offenbar will Opitz andeuten, daß Bernhard einen Vorstoß sogar bis nach Wien (mons Cetius: Wienerwald) plante. 178–180] Vgl. hinsichtlich dieses Adynatons den locus classicus bei Horaz, Epode 16,25–34: sed iuremus in haec: ‚simul imis saxa renarint / vadis levata, ne redire sit nefas; / neu conversa domum pigeat dare lintea, quando / Padus Matina laverit cacumina, / in mare seu celsus procurrerit Appenninus / novaque monstra iunxerit libidine / mirus amor, iuvet ut tigris subsidere cervis, / adulteretur et columba miluo, / credula nec ravos timeant armenta leones / ametque salsa levis hircus aequora.‘ 185 Accola Parthenopes] Mit Parthenope ist Neapel gemeint, das bereits in der antiken Dichtung häufig so bezeichnet worden war. Das Königreich Neapel war wie Sizilien ein Nebenland der spanischen Krone. Vgl. mit ähnlicher Tendenz Opitzens Geleitgedicht (entstanden 1627) für eine Gedichtausgabe von Christoph Coler, V. 5–8 (LW 2, S. 76–78, Kommentar S. 339 f.): Gens Italûm, gens Parthenopes, Gallusque, Tagique / Accola, et extremi qui terit arua Sai; / Coniurata lues gratos subuertere campos, / Ne quisquam priscas dicere possit opes. Die Antonomasie Accola Parthenopes spielt an auf den Kardinal-Infanten Ferdinand (Don Fernando), Erzbischof von Toledo und Bruder König Philipps IV. von Spanien (1610–1641). Dieser war geraume Zeit zuvor auf Bitten von Doña Isabella, der Statthalterin der spanischen Niederlande, zu ihrem Stellvertreter ernannt worden. S. auch das folgende Lemma. 185 Feria] Auf seiner lange geplanten Reise in die Niederlande traf Ferdinand (s. voriges Lemma) im Mai 1633 in Genua ein und reiste dann nach Mailand weiter, wo er mit dem dortigen spanischen Statthalter, Don Gomez Suárez de Figueroa, dritter Herzog von Feria (1587–1634), zusammentraf. Feria war 1616 Vizekönig von Valencia geworden, von 1618 bis 1626 sowie ab 1631 war er Statthalter Spaniens in Mailand. Mit einem neu aufzustellenden Heer sollte Ferdinand durch Deutschland nach den Niederlanden ziehen: „Eben die hiermit zusammenhängenden Zurüstungen riefen nun das Projekt hervor, die aufzubringende Armee nicht nur zum Geleit des Infanten zu verwenden, sondern mit kaiserlicher Zulassung dauernd im Reich zusammenzuhalten, um vom Boden des Oberelsaß und der Franche-Comté die Schweden zu bekämpfen und die Franzosen im Zaume zu halten“ (Ritter, Bd. 3, S. 565 f.). Ferdinand nahm an dem Kriegszug jedoch nicht sogleich teil, sondern schickte Feria voraus. Vgl. Baustaedt (wie oben), S. 104: „Am 22. August verließ das spanische Heer Mailand, am 29. September stand der Spanier am Bodensee.“ Feria vereinigte sich mit den Kaiserlichen unter Aldringen und marschierte am 20. Oktober in das Elsaß ein. „Wegen der für Habsburg bedrohlichen militärischen Lage, wie sie besonders in dem Fall Regensburgs (14. November) zum Ausdruck kam, konnte sich Feria nicht lange im Elsaß halten und zog Ende November über den Schwarzwald ab.“ Eine ausführliche Darstellung aller Aktivitäten Ferias im Jahr 1633 liefert Franz
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Weinitz: Der Zug des Herzogs von Feria nach Deutschland im Jahre 1633. … Diss. Heidelberg 1882, hier S. 75 auch das Zitat aus einer Flugschrift, die über den mißglückten Feldzug Ferias spottet: Ortus et occasus / Expeditionis Hispano-Austriae in Germaniam / sub / duce Feria. / Mantuae in Carpetanis nata, / Mediolani in Insubribus lactata, / Neapoli in Siculis citerioribus nutrita, / Lindaviae in Brigantiis completa, / Constantiae in Alemannis adulta / Ensishemii in Freboccis passa, / Riedlingae ad Istrum sauciata / Weissenhorni in Suevis sacro oleo inuncta, / Campoduni ad Ilaram mortua. / Cineres humus non servat / Quia nihil humile affectavit. / Aerem pro urna meruit / Ex quo elemento tam nobile plasma concrevit. / Igitur / Resurrecta cum Zephyro videbitur. 186 f. tua monstra trucesque, Impie Drave, feras, hominum sola ora gerentes] Wahrscheinlich Anspielung auf Kroatien: Die Gegend wird hier, dem Duktus des Textes folgend, durch einen Hauptfluß charakterisiert. Kroatien besaß über Jahrhunderte die strategische Funktion eines Bollwerks der Christenheit gegen das Osmanische Reich, hier errichteten die Habsburger in mehreren Etappen die „Militärgrenze“. Die dort ansässigen Kroaten, Serben und Walachen waren „treue Parteigänger der habsburgischen Sache“ und galten auf „allen Schlachtfeldern Europas“ als „gefürchtete Kombattanten“. Michael W. Weithmann: Die Donau. Ein europäischer Fluss und seine 3000-jährige Geschichte. Regensburg u. a. 2000, S. 321–323. 188 f. Aurum alibi, nostro discrimine larga suoque, India fomentum belli nimis utile mittit] Gemeint sind wohl das Gold und andere Schätze, die Spanien aus dem eroberten Südamerika bezog; vgl. die Tabelle in: Werner L. Bernecker und Horst Pietschmann: Geschichte Spaniens. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart 42005, S. 80. Der Name ‚Indien‘ wurde im 17. Jahrhundert noch (wie bei Kolumbus) für ‚Südamerika‘ verwendet. Vgl. Opitzens Trostgedichte, Buch 3, V. 277–280 (GW 1, S. 239): „Durch alles dieses Blut/ durch so viel tausend Cronen | Aus Peru her geholt durch hundert Millionen/ | Vnd hundert noch dazu/ kam Spanien so weit | Daß jetzund Niederland der Herrschaft ist befreyt.“ 190 ad Erynnies atras] Die drei Rachegöttinnen aus der antiken Mythologie sind Töchter der Nacht, leben in der Unterwelt und bestrafen dort Missetäter; vgl. DNP 4, Sp. 71 f. 191 Ex imo … Acheronte] Der Acheron ist wie der bereits in V. 117 genannte Cocytus einer der Unterweltsflüsse und bezeichnet wie dieser die Hölle. 192–195] Medea, die Tochter des Königs von Kolchis, half ihrem Geliebten Jason beim Raub des Goldenen Vlieses und ermordete auf der Flucht ihren Bruder, dessen Glieder sie verstreute (daher cruentae), um die Verfolger aufzuhalten. Der Sprecher spielt hier mit scharfer Ironie auf das Goldene Vlies als den habsburgischen Hausorden an; vgl. Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies …, hrsg. von der Ordenskanzlei. Graz u. a. 2007. Demnach leitete sich der Name des Ordens von dem goldenen Widderfell an der Kollane ab, die alle Mitglieder verpflichtet waren ständig zu tragen. Nach der Intention des Ordensgründers, des Burgunderherzogs Philipp des Guten, „stand das Vlies für den griechischen Helden Jason, der zusammen mit den Argonauten nach Kolchis zog, und symbolisierte auch Philipps Absicht, das Christentum vor den Angriffen
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der Muslime zu schützen“. Sonja Dünnebeil: Die Entwicklung des Ordens unter den Burgunderherzögen, 1430–1477, in: ebd., S. 13–35, hier S. 14; siehe ebd., S. 37–52, auch den Beitrag von Lothar Höbelt: Der Orden vom Goldenen Vlies als Klammer eines Weltreiches. 194 f. et quae diademata mundi Sperat Ibera domus] Verweis auf den Weltherrschaftsanspruch Spaniens („Reich, in dem die Sonne nicht untergeht“); vgl. auch den Wahlspruch Kaiser Karls V. (Plus ultra). 196 (Huic semel obstandum, aut semper sub fasce gemendum est)] Mit fascis ist das Rutenbündel gemeint, das im antiken Rom als Zeichen der Herrschergewalt die Liktoren den Magistraten vorantrugen. Vgl. in diesem Sinne zum Beispiel Vergil, Georgica 3,346–348: non secus ac patriis acer Romanus in armis / iniusto sub fasce viam quom carpit et hosti / ante expectatum positis stat in agmina castris. 197 Agrippinensis foedus mirabile Rheni] Um die Zeit, als die Ratispona verfaßt wurde, versuchte Frankreich die rheinischen Kurfürstentümer, darunter Köln (Colonia Agrippinensis) durch geheime Schutzverträge an sich zu binden. Vgl. zum Kontext Baustaedt (wie oben), S. 118 f.: „Nachdem das in Norddeutschland kämpfende Heer des Kaisers im Juli 1633 bei Hameln völlig geschlagen war, konnte sich der Landgraf von Kassel ungehindert der Kölnischen Gebiete in Westfalen bemächtigen. Der Kurfürst von Köln war unmittelbar bedroht. Richelieu wußte diese Lage geschickt auszunutzen. Auf französischen Wunsch erschien im August 1633 ein kurtrierischer Gesandter in Köln. Durch Vermittlung des Trierer Vertreters bot Frankreich dem Erzstift Köln Schutz und Hilfe an und ließ gleichzeitig mitteilen, daß ein großangelegter Angriff Schwedens auf Köln bevorstände.“ Anders als der Kurfürst war allerdings die „Reichsstadt Köln … in ihrer Treue zum Kaiser unerschütterlich“, so daß es zu keiner vertraglichen Bindung Kölns an Frankreich kam. Mit foedus mirabile könnte dieses Scheitern gemeint sein, was der habsburgischen bzw. spanischen Seite zupaß kam. Vgl. auch Christian Bartz: Köln im Dreißigjährigen Krieg. Die Politik des Rates der Stadt (1618–1635). … Frankfurt u. a. 2005 (= Militärhistorische Untersuchungen 6), v. a. S. 186–192. 198 Grexque petens liquidam Gallo indignante Mosellam] Der Kurfürst von Trier hatte sich schon 1631 gegen den Willen der Trierer Bürger unter den Schutz Frankreichs begeben. Die spanischen Truppen, die die Stadt seit 1630 besetzt hielten, wurden 1632 von den Franzosen vertrieben; vgl. Baustaedt (wie oben), S. 44–46. Sie blieben freilich eine Gefahr für den Kurfürsten und besetzten Trier erneut 1635. Zu Frankreichs Interessen im Kurfürstentum Trier vgl. Baustaedt, S. 118: „Seitdem der Trierer Erzbischof sich in den Schutz Frankreichs begeben hatte, hatten die Franzosen das Kurfürstentum militärisch völlig besetzt. Da tauchte im Laufe des Jahres 1633 bei den Franzosen der Plan auf, zur weiteren Befestigung ihrer Stellung den Kardinal Richelieu zum Koadjutor von Trier zu machen.“ Der Plan scheiterte allerdings am Widerstand der päpstlichen Kurie. 201–206] Gleichnisse wie dieses sind im heroischen Epos, z. B. in Vergils Aeneis, häufig zu finden. Vgl. auch einen locus classicus zur Eberjagd bei Ovid, Metamorphosen 8,260–419 (die Jagd auf den Kalydonischen Eber, an der im übrigen auch Jason teilnimmt). Siehe zudem das Gleichnis von der Löwenjagd im Trostgedichte, Buch 4, V. 161–168 (GW 1, S. 254).
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201 odorisequos] Eine Charakterisierung einzelner Hunde findet sich z. B. auch bei Ovid, Metamorphosen 3,206–227. 201 molossos] Die Molosser sind eine in der antiken Literatur oft erwähnte Hunderasse. Sie galt als „die größte, schärfste und stärkste Rasse“ und wurde – neben der Verwendung als Hirten- und Hofhunde – vor allem zur Jagd auf Großwild eingesetzt; vgl. DNP 5, Sp. 755–757 (s. auch unten zu V. 204). Vgl. zudem Opitzens Widmungsvorrede zum Aristarchus (LW 1, S. 60): Alii nihil nisi equos loquuntur et molossos … 204 Et formidatos Spartanis imprimit ungues] Mit den ‚Spartanern‘ ist in diesem Zusammenhang eine Hunderasse gemeint; vgl. Lukan, Bellum civile 4,437–444: Sic, dum pavidos formidine ceruos / Claudat odoratae metuentes aera pinnae / Aut dum dispositis attollat retia varis, / Venator tenet ora levis clamosa Molossi, / Spartanos Cretasque ligat, nec creditur ulli / Silva cani, nisi qui presso vestigia rostro / Colligit et praeda nescit latrare reperta / Contentus tremulo monstrasse cubilia loro. Auch bei dieser Lukan-Stelle handelt es sich um ein Gleichnis, das in diesem Fall das Handeln von Octavius illustrieren soll. 207–218] Vgl. dazu auch die Ausführungen bei Hugo Grotius: De iure belli ac pacis, besonders Buch 1, Kapitel 2 (An bellare unquam iustum sit). 209 Iusque sub ense latens vestros servate per enses] Vgl. Trostgedichte, Buch 3, V. 90–92 (GW 1, S. 233): „Wil vnsrer Nachbar gar von keinem Frieden wissen/ | Wird vns das harte Joch vnd Dienstbarkeit zu schwer/ | So sucht man billich dann das Schwert vnd FaustRecht her.“ 212–215] Vgl. Trostgedichte, Buch 3, V. 201–206 (GW 1, S. 236): „Drumb/ sind wir schon jetzund bedrengt an allen Enden/ | So kan die Vnschuld doch vns allen Kummer wenden; | Dieweil wir ja das Schwerdt genommen in die Hand/ | Durch Nothdurfft angereitzt/ für GOtt vnd vnser Land. | Diß/ diß ist vnser Zweck; Wer vmb Gewinn sonst krieget | Bringt wenig Ehre weg/ wie trefflich er auch sieget.“ 219–222] Vgl. Opitzens Trostgedichte, Buch 1, V. 57 f. (GW 1, S. 193): „Wir haben viel erlidten/ | Mit andern vnd mit vns selbst vnter vns gestritten“ sowie die nachfolgenden Verse, in denen es darum geht, daß das „edle Deutsche Land“ (V. 61) „war/ vnd ist auch noch heute/ | Sein Widerpart selbselbst/ vnd fremder Völker Beute“ (V. 65 f.; GW 1, S. 194). Vgl. auch Opitzens Aufruf in Buch 4 des Trostgedichtes, V. 197 f. (GW 1, S. 255): „O flieht des Neydes Gift/ reicht doch die trewen Hände/ | Einander Brüderlich vnd steht als veste Wände …“ und die Verse 230–243 im selben Buch. Hier heißt es unter anderem (V. 230–232; GW 1, S. 256): „Ihr die jhr gleich wie wir den Christen-namen führet/ | Vnd Brüder mit vns seyd: Springt doch dem Nechsten bey/ | So bleibet er jetzund vnd jhr inkünfftig frey.“ Vgl. zu dieser „politische[n] Botschaft“ des Trostgedichtes Klaus Garber: Konfessioneller Fundamentalismus und späthumanistischer Nationalismus. Die europäischen Bürgerkriege in der poetischen Transformation um 1600: Opitzens ‚TrostGetichte in Widerwärtigkeit des Krieges‘, in: Konfessioneller Fundamentalismus. Religion als politischer Faktor im europäischen Mächtesystem um 1600, hrsg. von Heinz Schilling. München 2007 (= Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien 70), S. 23–45, vor allem S. 44 f. Vgl. zudem Opitzens Epicedium auf den 1624 verstorbenen Adam von
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Bibran (Silvae, S. 16, V. 6–10; LW 2, S. 146): hoc mensibus actum est / Continuis, diraeque vllo sine fine procellae / Successere sibi, saeuo Bellona tumultu / Ex quo cognatas acies commisit, et enses / Hactenus innocuos docuit tractare Silesos. 220 si quid Germani sanguinis usquam est] Hier handelt es sich wohl um ein Wortspiel mit germanus (‚verschwistert‘; ‚blutsverwandt‘) und Germanus. Dazu paßt dann auch V. 222: Ac libertati cognatas reddere gentes. 225 Gens Batava, et Batavum felix concordia fratres] Mit Batavi sind wohl die Einwohner der Provinz Holland gemeint. Batavum fratres wären demnach die übrigen Provinzen der Vereinigten Niederlande. 226 f. Felix si mißis quas relligio obtulit iris Vnum nomen erit] In diesem Kontext dürften die innerprotestantischen Spannungen gemeint sein, die den Zusammenhalt der Vereinigten Niederlande untergruben und erst durch die Synode von Dordrecht 1619 beigelegt wurden. Damit in Verbindung stand auch der gewaltsam ausgetragene Konflikt zwischen Moritz von Oranien und Johan van Oldenbarnevelt, der mit der Hinrichtung des letzteren – ebenfalls 1619 – endete. Opitz scheint diese Auseinandersetzungen als glücklich überwundene Episode gesehen zu haben. Vgl. die Einschätzung von Horst Lademacher: Geschichte der Niederlande. Politik, Verfassung, Wirtschaft. Darmstadt 1983, S. 102: „Moritz von Oranien, der Statthalter und Generalkapitän, und mit ihm Johan van Oldenbarnevelt, ein Zivilist, Finanz- und Verwaltungsfachmann, gewiefter Außenpolitiker zugleich, sie zusammen sorgten für die weitere innenpolitische Konsolidierung der Republik. Mehr denn je zuvor scheint der Kampf gegen Spanien die Besinnung auf die Gemeinsamkeit der Aufständischen gefördert zu haben. … Aber mitten in diese Phase hinein fielen die einigermaßen bürgerkriegsähnlichen Ereignisse, die mit der öffentlichung Hinrichtung des Johan van Oldenbarnevelt am 13. Mai 1619 endeten. … die dramatische Auseinandersetzung zwischen Moritz von Oranien und Johan van Oldenbarnevelt betraf nicht allein Fragen der Konstitution …, in diesem spezifischen Fall implizierte sie auch theologische und kirchenpolitische Dissensen, die zusammen mit den konstitutionellen Eigenheiten die ganze Konfliktträchtigkeit der Republik widerspiegelten.“ 227 f.] Mit Maurum sind wie oben in V. 30 die Spanier (‚Maranen‘) gemeint, mit Indos wieder die Einwohner der spanischen Kolonien. Die ganze Passage zielt auf den erfolgreichen Befreiungskampf der nördlichen Niederlande. 229–231 Et non divulsi caussa, licet orbe, Britanni Quid consultando suspensi perditis horas, An Gallum semel, an semper foveatis Iberum?] Vgl. Vergil, Ekloge 1,66: toto divisos orbe Britannos. Die protestantische Seite erhoffte sich von England – schon wegen dessen dynastischer Beziehungen zur Kurpfalz – stets ein stärkeres antispanisches Engagement, womit ein temporäres Zusammengehen der Engländer mit Frankreich verbunden gewesen wäre. Opitz äußert sich zur englischen Frage in einem die allgemeine Lage am Jahresende detailliert zusammenfassenden Brief an David von Schweinitz vom 23. Dezember 1633: Esset et ab Anglia auxilium, nisi illi, quibus aurum Hispanicum oculos ferit, qui in ea aula non desunt, obstarent et inter regem ac parlamentum, quod vocant, suspiciones immaturas, discordiam litesque serere conarentur (Conermann/Bollbuck, S. 1186 f.). Tatsächlich war nach dem Friedensschluß zwischen
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England und Spanien 1630 ein militärisches Eingreifen zugunsten der Protestanten gerade unter Karl I. nicht zu erhoffen. Vgl. Ronald G. Asch: Der Hof Karls I. von England. Politik, Provinz und Patronage 1625–1640. Köln u. a. 1993 (= Norm und Struktur 3), S. 76–85; Michael B. Young: Charles I. London u. a. 1997 (British History in Perspective), S. 87–94. Das von Opitz beanstandete Schwanken Englands zwischen verschiedenen Bündnisoptionen findet seinen Reflex in der modernen Forschung: „Historians have sometimes gone further to accuse Charles of unethical conduct because he negotiated with one nation behind the back of another or tried to get the best deal he could by playing one nation off against another“ (Young, S. 92). 232 Illum facta ratis vobiscum foedera pactis …] Nach Baustaedt (wie oben), S. 133, sind seit 1634 Bemühungen Richelieus um ein vertragliches Bündnis mit England nachzuweisen. „Diese Bemühungen blieben erfolglos, die tiefgehenden innenpolitischen Gegensätze und die Entschlußlosigkeit des englischen Königs legten die Außenpolitik Englands in wachsendem Maße lahm.“ Vgl. auch die Literaturangaben zum vorigen Lemma. 234 f.] Gemeint ist Spanien mit seinen Kolonien überall auf der Welt. Vgl. den Kommentar zu V. 194 f. sowie Trostgedichte, Buch 3, V. 261–264 (GW 1, S. 238) in bezug auf den Freiheitskampf der Niederlande: „Philippus war nun Herr wo Phebus auff zu stehen/ | Das grosse Liecht der Welt/ vnd nieder pflegt zu gehen; | Er hatten mehrenteils fast vnter seine Macht | Der Amphitrite Strom vnd grosses Reich gebracht“. 235–237] Vermutlich ist der 1632 bei Lützen gefallene Schwedenkönig Gustav II. Adolf gemeint, der sich in der Perspektive des Sprechers heldenhaft für die protestantische Sache geopfert (hostia) hat. 238 f.] Der Sinn der Verse ist schwer zu ermitteln, in unserer Übersetzung kann redimere nicht nach üblichem Sprachgebrauch als ‚erlösen‘ verstanden werden. 247 Ferro hostes melius, quam vos livore, peribunt.] Vgl. zum ganzen Abschnitt die Ausführungen im Trostgedichte, Buch 4, so V. 185–192, V. 197–201 (GW 1, S. 255): „Es bleibet nur gewiß; jhr wird nicht angesieget | Der Teutschen Nation wann daß sie friedlich krieget/ | Vnd bey einander helt/ wie vbel thun dann die | So jhrer Feinde Heer mit grossem Fleiß’ vnd Müh | Auch an den blassen Leib des Vaterlandes hetzen? | O last die Mißgunst doch vns jetzt bey Seite setzen/ | Räumt ja der Heuchelei so grossen Platz nicht ein/ | Vnd trawt dem Schmieren nicht; … O flieht des Neydes Gifft/ reicht doch die trewen Hände | Einander Brüderlich vndt steht als veste Wände | Die kein Gewitter fellt/ so wird in kurtzer Zeit | Der stoltze Feind/ nechst Gott/ durch vnser’ Einigkeit | Zurücke müssen stehn …“ 248–255] Auch das Trostgedichte endet mit einem Gebet an Gott. 250 per fanda nefandaque] Vgl. zum Beispiel Catull, carmen 64,405: omnia fanda nefanda malo permixta furore 252 pascua Pani] Pan als der Gott der Wälder, Weiden und der Hirten. 253 Horti Pomonae] Pomona als die römische Göttin der Früchte, abgeleitet von pomum; vgl. Zedler, Bd. 28, Sp. 1390 f., und DNP 10, Sp. 87 f.
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255 Et nunquam dominum timeat Germanus Iberum] Der Schlußvers greift eine ebenfalls an prominenter Stelle plazierte Formulierung auf (V. 29 f.): nunquam patiere feresque Vt Teuto Mauris, et Boeti supplicet Ister. Die Spanier gelten aus protestantischer Perspektive als die größte Bedrohung einer deutschen (Germanus) Nation, wie dies auch im Trostgedichte mehrfach ausgedrückt wird; vgl. Garber (1984), S. 161. Vgl. auch R. J. Bonney: Frankreichs „Diversionskrieg“, in: Parker, S. 226–236, hier S. 229, in bezug auf die Kriegserklärung Frankreichs an Spanien 1635: „Frankreich wollte zwar einen machtvollen ‚Diversionskrieg‘ führen, aber gleichzeitig das Engagement in Deutschland auf ein Minimum beschränken. Dieser Strategie lag die Annahme zugrunde, daß die größte Bedrohung der Sicherheit Europas nicht vom Kaiser ausging, sondern vom spanischen König, und wenn dessen Macht entscheidend geschwächt würde, dann würde der Kaiser, wie man in Frankreich glaubte, keinen Krieg mehr ‚nach Lust und Laune der Spanier‘ machen.“ [V.M., R.S.]
IT a quidem doctrina Widmung der Übersetzung von Guy du Faur de Pibracs Quatrains an Heinrich von Reichenbach Dünnhaupt, Nr. 152.1; – VIDI FABRI | PIBRACII | in supremo senatu Parisiensi praesi-|dis olim | TETRASTICHA GALLICA , | Germanicis versibus expressa, auctore | MARTINO OPITIO. | DANTISCI , | Typis H ÜNEFELDIANIS, | Anno M . DC . XXXIV. (UB Kiel: Az 9776), fol. A2r–A3v. Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck. Conermann/Bollbuck drucken Bd. 2, S. 1216 f., die Anrede an Heinrich von Reichenbach mit einer Übersetzung ab. Unmittelbar nach dem Titelblatt findet sich auf einer unpaginierten Seite ein aus JAC. AVGVSTVS THVANVS lib. II. de vita sua entnommenes Zitat, das als eine Art Motto der Ausgabe fungiert. Diesem Zitat schließt sich Opitzens lateinische Widmungsvorrede an Heinrich von Reichenbach und Rudelsdorf an. Dann folgt die ebenfalls von Opitz stammende, mit „Des von Pibrack Vier-verse“ überschriebene Übersetzung der 126 Quatrains moraux. Unter dem Titel Deß Herren | Von | Pibrac | TETRASTICHA | Oder | Vier =Verse/ | Von | Martin Opitzen Deutsch | gegeben fand das Werk in Opitzens Weltliche Poemata, Bd. 1, S. 507–536, Aufnahme: das Thuanus-Zitat S. 508 f., die Widmungsvorrede an Heinrich von Reichenbach S. 510–514, die Übersetzung dann S. 515–536. An grundlegender Literatur in bezug auf Opitzens Übersetzung der Quatrains sind zu nennen: Manfred Lemberger: Opitz’ Bearbeitung der Vierzeiler des Pibrac (mit Berücksichtigung der gleichzeitigen Übertragung durch den Schweizer Anton Stettler). Diss. Wien 1910 (im Folgenden: „Lemberger“); Anne Gülich: Opitz’ Übersetzungen aus dem Französischen. Diss. masch. Kiel 1972, hier vor allem S. 58–82 (im Folgenden: „Gülich“). Nach Beendigung seines Dienstverhältnisses bei dem schlesischen Kammerpräsidenten Karl Hannibal von Dohna war Opitz im April 1633 in die Dienste der beiden Brüder und Piastenherzöge Johann Christian von Brieg und Georg Rudolf von Liegnitz-Wohlau
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getreten, die ihn für diplomatische Missionen bzw. Aufträge einsetzten; s. Palm, S. 224 f., Szyrocki, S. 101 f.; vgl. zudem Hermann Palm: Martin Opitz als agent schlesischer herzoge bei den Schweden, in: Martin Opitz von Boberfeld. Zwei beiträge zur lebensgeschichte des dichters. … Breslau 1862, S. 1–14. Kurz nach der Schlacht bei Steinau an der Oder (11. Oktober 1633) zwischen den siegreichen Kaiserlichen und den Schweden waren Johann Christian und Georg Rudolf, die um ihre Sicherheit fürchteten, „unter Begleitung einer polnischen Eskorte des Grafen Raphael Leszno (von der Lissa) erst nach Polnisch-Lissa, acht Tage später nach Thorn, wo sie mit Erlaubnis des seit 1632 regierenden toleranten Königs Wladislaw IV. ihre Wohnung nahmen“, geflüchtet (Thebesius, Bd. 2, S. 68). Opitz selbst war in dieser Zeit immer wieder als Gesandter unterwegs, worauf er auch in seiner Widmungsvorrede an Reichenbach Bezug nimmt. So war er im August 1633 in Begleitung einer Delegation nach Frankfurt am Main aufgebrochen, wo die sogenannte „Konjunktion“, ein Schutzbündnis der Herzöge von Liegnitz, Brieg, Oels und der Stadt Breslau mit Sachsen, Brandenburg und Schweden, geschlossen werden sollte; vgl. dazu den Kommentar zu Opitzens Ratispona vindicata (LW 3, S. 406 f.). Die eigentliche Delegation bestand aus dem in der Widmungsvorrede genannten Brieger Rat Andreas von Langen und dem Liegnitzer Rat Christoph von Zedlitz; siehe Conermann/Bollbuck, S. 1171. Nach über zwei Monaten in Frankfurt reiste die Gesandtschaft nach Cölln an der Spree und Stettin; vgl. Palm, S. 227, und Szyrocki, S. 103. Etwa Anfang Februar 1634 war Opitz dann in Thorn und erstattete seinen Dienstherren Bericht. Von Anfang März datiert ist ein Brief Opitzens aus Breslau an Herzog Johann Christian in Thorn (abgedruckt bei Palm, S. 251–253), am 10. März 1634 sandte Johann Mochinger, ein Freund Opitzens, einen Brief an diesen nach Thorn; siehe Conermann/Bollbuck, S. 1211 f. Auch die Widmungsvorrede an Reichenbach trägt die Ortsangabe Thorn. Trotz dieser umfangreichen und mit vielen Reisen verbundenen Tätigkeiten fand Opitz – nicht zuletzt als Ausgleich, als das notwendige otium nach dem negotium, wie zumal die vorliegende Widmungsvorrede betont – immer wieder Zeit für seine poetische Produktion. Nach Lemberger, S. 32, hielt sich Opitz in den „Ruhepausen“ zwischen seinen diplomatischen Missionen in Thorn auf, wo er im Hause Heinrich von Reichenbachs verkehrte. In diesem Zusammenhang entstand wohl auch seine Übertragung von Pibracs Quatrains. Opitz war, so Lemberger, S. 29 f., bereits einige Jahre zuvor während seines Aufenthalts in Paris mit Pibracs Werk (wieder) in Berührung gekommen: „Als Opitz im Jahre 1630 im Auftrage Dohnas nach Paris kam, … hatte er keine Ahnung davon, daß der Glanz der Plejade bereits erloschen war. Er verkehrte mit den Anhängern der alten Richtung und wurde durch sie in die Bibliothek des berühmten Geschichtsschreibers Thuanus eingeführt. Im Verkehre mit diesen Freunden wurden ihm wohl auch die Quatrains des Pibrac wieder ins Gedächtnis gerufen.“ Ein paar Jahre zuvor hatte Opitz zudem eine weitere, zur damaligen Zeit sehr bekannte Dichtung mit moralisierend-lehrhaftem Charakter übersetzt: Seine Disticha Catonis, ein vor allem auch in der Schule rezipierter Text, erschienen 1629 und erlebten einige Auflagen; siehe dazu LW 2, S. 388 f. In den Weltlichen Poemata, Bd. 1, hat man die inhaltliche Nähe zwischen diesen und Pibracs Quatrains betont, indem beide unmittelbar hintereinander angeordnet wurden. Guy du Faur de Pibrac wurde wohl 1529 in Pibrac in der Nähe von Toulouse geboren und stammte aus einer angesehenen Beamtenfamilie. Zu seiner Vita siehe vor allem Alban
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Cabos: Guy du Faur de Pibrac. Un magistrat poète au XVIe siècle. Paris und Auch 1922. Vgl. auch Gülich, S. 58–61, sowie die chronologische Tabelle in: Guy du Faur de Pibrac. Les Quatrains. Les Plaisirs de la Vie Rustique et autres poésies. Textes édités, introduits et commentés par Loris Petris. Genf 2004 (im Folgenden: „Petris“), hier S. 3–6. Zu beachten ist, daß die Angaben zu bestimmten Daten im Leben Pibracs in der genannten Literatur teilweise differieren. Vgl. außerdem: Moralistes du XVIIe siècle. Édition établie sous la direction de Jean Lafond. Paris 1992, speziell S. 5–11. Nachdem der junge Pibrac von dem Humanisten Pierre Bunel (1500–1547) ersten Unterricht erhalten hatte (dazu Cabos, S. 23 f.), folgte das Studium der Rechte bei Jacques Cujas (1522–1590); beide werden auch an der von Opitz angeführten Thuanus-Stelle erwähnt. Nach einer zweijährigen Bildungsreise nach Italien (1546–1548; Studium der Rechte in Pavia bei Alciati) wurde er bereits 1553 „conseiller au Parlement“, 1557 „juge-mage“ in Toulouse (Amtsbezeichnungen nach Petris). 1562 war er Botschafter auf dem Konzil zu Trient; hier erregte er mit einer lateinischen Rede Aufsehen; 1565 wurde er zum „avocat général du roi au Parlement de Paris“ ernannt, wodurch er in engen Kontakt zum Hof kam. 1573 begleitete Pibrac den zum polnischen König gewählten Heinrich von Anjou als dessen Kanzler auf seiner Polenreise. In dessen Auftrag reiste er 1575 abermals nach Polen. Des weiteren war Pibrac verbunden mit der Académie du Palais. Nach weiteren verantwortungsvollen Tätigkeiten wurde er 1577 zum „quatrième président à mortier à la Grande Chambre du Parlement de Paris“ ernannt. 1578 wurde er Kanzler des Herzogs von Anjou und der Königin Margarethe von Navarra, von der er, offenbar im Zusammenhang mit einer Liebesaffäre, entlassen wurde. „Seine letzte politische Mission war die Vermittlung zwischen König Heinrich III. und dem Gatten Margarethes, Heinrich von Navarra. … Pibrac starb im Jahr 1584, nachdem er kurz zuvor sein Präsidentenamt freiwillig abgegeben hatte“ (Gülich, S. 59). Pibrac nahm regen Anteil an den literarischen Strömungen seiner Zeit, er stand in enger Beziehung zur Pléiade, besonders zu Ronsard; s. Gülich, S. 60. Sein poetisches Werk umfaßt – neben einigen Sonetten und Stanzen – Les Plaisirs de la vie rustique (1573) und sein Hauptwerk, die Quatrains; zudem sind mehrere Reden, weitere Prosatexte und einige Briefe von ihm erhalten; vgl. Cabos, S. 483–486. Die ersten 50 Quatrains veröffentlichte er 1574, im Jahre 1575 eine zweite Serie von 51 Stücken, 1576 die endgültige Fassung mit 126 Quatrains. Die Quatrains hatten von Anfang an großen Erfolg: Bereits zwischen 1574 und dem Tod Pibracs erschienen mehr als zwanzig Editionen (dazu Petris, S. 17); „sie wurden in fast alle Sprachen übersetzt, auch ins arabische und persische. 1584 erschien eine Übersetzung in lateinischen und griechischen Versen von Florent Chrestien“ (Lemberger, S. 19). Das Quatrain, eine aus vier Versen bestehende und nach verschiedenen Mustern (aabb, abab, abba) gereimte lyrische Kurzform, die sich im Französischen häufig des vers commun, in deutscher Adaptation meist des Alexandriners bediente, war im 16. und 17. Jahrhundert ein geläufiges Medium für die Vermittlung philosophisch-moralisierender Maximen. Wie andere Formen der epigrammatischen Dichtung zeichnet sich das Quatrain durch prägnante Kürze und pointierten Stil aus; vgl. zur raschen Orientierung das Dictionnaire des Lettres Françaises. Le XVIe siècle, hrsg. von Michel Simonin. Paris 2001,
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S. 970 f.; zu Pibrac vor allem Gülich, S. 61 f.; Petris (wie oben), S. 17–24. Nach Lemberger, S. 21, waren Pibracs Quatrains im 17. Jahrhundert in Deutschland sehr verbreitet und fanden sich seiner Vermutung nach auch in der Bibliothek des Tobias Scultetus, in dessen Haus Opitz während seines Beuthener Aufenthaltes 1616/17 lebte. „Spuren der Lektüre dieses Buches“ seien zu finden im 1617 verfaßten Aristarchus in dem Vierzeiler „Wollust vnd vppigkeit der welt must du vermeiden/ … der wahren lust vnd frewden“ (abgedruckt in unserer Edition LW 1, S. 80), von Lemberger in Beziehung gesetzt zu Pibracs Quatrain 36. In seinem Buch von der Deutschen Poeterey (1624) definiert Opitz: „Quatrains oder quatrini, wie auß dem namen zue sehen/ sind vierverßichte getichte oder epigrammata; derer hat der Herr von Pybrac hundert vnd sechs vnd zwantzig im Frantzösischen geschrieben“ (GW 2.1, S. 401); anschließend zitiert er Pibracs Quatrain 124 mit einer eigenen deutschen Übersetzung. Zuvor hatte er, gleichfalls in der Poeterey, Pibracs Quatrain 4 zitiert und ebenfalls in Übersetzung wiedergegeben (Abdruck in GW 2.1, S. 385 f.; siehe dazu auch ebd., Anm. 4, sowie Lemberger, S. 22, und Gülich, S. 63). Opitz kannte zudem Pibracs Les Plaisirs de la vie rustique und bezieht sich in Zlatna (entstanden 1623) darauf; siehe dazu Lemberger, S. 25, und George Schulz-Behrend: Opitz’ Zlatna, in: Modern Language Notes 77 (1962), S. 398–410, hier vor allem S. 406–408; s. auch den Abdruck von Zlatna in GW 2.1, S. 71–106. Die ersten beiden Gedichte in dem mit „Deutsche Epigrammata“ überschriebenen Teil von Opitzens Acht Bücher Deutscher Poematum sind zwei Quatrains „Aus dem Herrn von Pybrac“ (GW 2.2, S. 721). In dem Raubdruck des Florilegium von 1640 sind Des Herrn von Pibrack … Vier-Verse abgedruckt (dazu Dünnhaupt, Bd. 4, S. 3070). Ausgangspunkt der Widmungsvorrede ist ein von Opitz immer wieder verarbeitetes Thema: die Notwendigkeit, sich mit Gelehrsamkeit und Kunst zu beschäftigen, eine Notwendigkeit, die nicht zuletzt in hac rerum omnium perturbatione zu einer existentiellen werden kann, wie der Autor selbst erfahren hat (vielleicht sogar durch die Lektüre der Quatrains von Pibrac). Damit auch der Widmungsempfänger Heinrich von Reichenbach an dieser Welt-Flucht teilnehmen kann, übergibt ihm Opitz die vorliegende Übersetzung der TETRASTICHA GALLICA , zumal Pibrac darin selbst Anleitungen zum richtigen Leben gegeben habe. Die Quatrains vereinigen somit die am Anfang angesprochene doctrina literarum mit der doctrina vitae … ac leges. Gleichzeitig nimmt Opitz hier wieder die Rolle eines Vermittlers ein, der durch die Übertragung eines bedeutenden Werkes aus einer anderen Sprache die Entwicklung der deutschen Kunstliteratur befördert. Im vorliegenden Fall folgt er dem Beispiel des Florent Chrestien, der die Quatrains bereits ins Lateinische bzw. Griechische übersetzt hat, und tritt damit, auch wenn er hier den üblichen Bescheidenheitstopos bemüht, gleichzeitig in literarische Konkurrenz zu diesem. Der Grund dafür, warum gerade Reichenbach diese Dichtung gewidmet wird, liegt in dessen Person begründet: Er hat zum einen Opitz in seinen Freundeskreis aufgenommen, zum anderen verkörpert er die Erfüllung jener Lebenshaltung, die Pibrac in den Quatrains anmahnt. So stellt er das Idealbild eines Adligen dar, wie es Opitz immer wieder in Widmungen an diesen Personenkreis gezeichnet hat. Motto] Wörtliches Zitat aus Jacobus Augustus Thuanus (Jacques-Auguste de Thou, 1553–1617): Historiarum sui temporis continuatio … Accesserunt commentariorum de vita sua libri
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sex. Frankfurt am Main 1621, S. 1186. Zu de Thou vgl. Dictionnaire (wie oben), S. 1123–1125, sowie Handbuch Gelehrtenkultur, S. 655–657, jeweils mit weiterführenden Hinweisen. HENRICO A REICHENBACH] Nach Lemberger, S. 30 f., war der Widmungsempfänger, Heinrich von Reichenbach (1590–1660), „der Abkömmling eines alten, heute gräflichen, schlesischen Adelsgeschlechtes“ und „ein treuer Verfechter seines protestantischen Glaubens. Als 1622 die von Dohna gedungenen Kosaken das Land verwüsteten, schlug sie Reichenbach zurück; er nahm auch an einer, freilich erfolglosen Gesandtschaft an den Kaiser teil. 1632 floh er endlich mit seiner Familie, wie so viele andere dem Beispiele seiner Landesherren, der Herzoge von Liegnitz und Brieg folgend, vor Wallenstein. 1633 war er in Thorn, wo er zwei Jahre lang blieb. Erst nach dem Friedensschlusse konnte er 1649 in die Heimat zurückkehren, auch jetzt immer eifrig bemüht, die Rechte seiner Glaubensgenossen gegen die Bedrückungen der Katholischen zu wahren.“ Conermann/ Bollbuck, S. 1217, zitieren zwei historische Quellen zu Reichenbach, demnach sei er „in Duc. Svid. et Jarov. [Herzogtümer Schweidnitz und Jauer] judicii provincialis Assessor, et in magni momenti negotiis ad aulam Caesaream deputatus cit[atus] an. 1629“ gewesen. Heinrich von Reichenbach wurde zudem (neben einem Siegfried von Promnitz) von dem Buchhändler und Verleger David Müller Der Argenis anderer Theyl (erschienen 1631) gewidmet, der von Opitz ins Deutsche übertragen worden war; s. dazu GW 2.1, S. 295. 6 domo divulsi] Verweis auf die Flucht aus der Heimat aufgrund der Kriegswirren. 12 f. effigies flammis mandantur aut cruci] Die Hinrichtung „in effigie“ galt in der Frühen Neuzeit als formaler juristischer Akt, durch den man einen Verurteilten, dessen man nicht habhaft werden konnte, symbolisch – etwa durch Verbrennung seines Konterfeis oder Hinrichtung einer Puppe – seiner Bestrafung zuführte. 13 nuperum iter meum] Opitz bezieht sich hier wohl auf die o.g. Gesandtschaftsreise; dazu würde auch die Erwähnung von Zedlitz und Langen unmittelbar darauf passen. 13 f. Generosissimus etiam Zedlicius] Siehe Sinapius, Bd. 2, S. 487: „Christoph von Zedlitz und Neukirch auf Bienowitz und Grünthal, (Grünthal ein Gut vor Stadt Lignitz,) Fürstl. Lignitzischer Rath und Landes=Hauptmann, geb. 18. Jul. 1585. zu Janckau im Briegischen, starb zu Lignitz 3. Aug. 1657. Er bediente sich offt der schönen Worte: JEsus in Corde, ore, opere, vita, morte, aeternitate sit mihi JEsus. Gem. Ursula, Hanses von Diebitsch und Narten auf Militsch Tochter, verm. 19. Oct. 1610.“ Vgl. außerdem die Anmerkungen im Zusammenhang mit der oben beschriebenen Delegationsreise sowie Zedler 61, Sp. 329, und VD 17 mit Verzeichnung diverser Kasualschriften und juristischer Thesendrucke. 14 Langius noster Amplissimus] Conermann/Bollbuck drucken S. 1233 f. einen Brief Opitzens an Andreas von Langen vom August 1634 ab, S. 1341 einen weiteren vom 17. März 1637. Darüber hinaus verweist Palm, Martin Opitz als agent (wie oben), S. 8, auf einen Brief Herzog Johann Christians aus Thorn an Andreas von Langen und Johann von Pein. 15 mißi magnis de rebus uterque] Vgl. Horaz, Satire 1,5,27–29: huc venturus erat Maecenas optimus atque / Cocceius, missi magnis de rebus uterque / legati, aversos soliti conponere amicos.
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16 ut ille ait, edulcavi] Mit ille wird der Autor einer der Stellen bezeichnet, an denen dieses seltene Wort belegt ist. Vgl. Gellius, Noctes Atticae 15,25,2, wo edulcare ausdrücklich als Neologismus des Mimiambendichters Matius angeführt wird. 16 f. tum nunc in hac urbe] Damit ist wohl Thorn gemeint. 17 Celsissimorum Principum meorum] Opitz war 1633 in den Dienst der Brüder und Piastenherzöge Johann Christian von Brieg und Georg Rudolf von Liegnitz-Wohlau getreten. 18 f. donec … faciamus] Die Passage ist in Weltliche Poemata, Bd. 1, verkürzt auf donec reditum breui ad lares nostros inueniamus. In der postumen Ausgabe erschien der Hinweis auf eine erhoffte baldige Rückeroberung der Piastenherzogtümer mit Hilfe der protestantischen Verbündeten (armis foederatorum) durch die Ereignisse überholt und wurde daher getilgt. 21 Cujus oblectationis meae et refugii consortem ut te quoque faciam] Zum Selbstverständnis Opitzens als Übersetzer siehe auch seine Widmungsvorrede an Karl Hannibal von Dohna zur Übersetzung von Jean Puget de la Serres Les douces pensées de la mort (Die Süssen Todesgedancken. Auß dem frantzösischen des von Serre. Teutsch gegeben … Breslau 1632). Diese Widmungsvorrede ist überschrieben „Der Dolmetscher an seinen Herren“. Vgl. zudem Frederick M. Rener: Martin Opitz, the Translator: A Second Look, in: Daphnis 9 (1980), S. 477–502, und vor allem Gülich, S. 1–5. 23 Vidi Fabri] Danach findet sich in Weltliche Poemata, Bd. 1, noch Pibracii 23 sententias eas et tetrasticha] Beide Bezeichnungen zielen auf die 126 Quatrains, die aus jeweils vier Versen bestehen (tetrasticha) und Spruchweisheiten (sententias) enthalten. 24 f. nationis Pythagoricae ac totius eruditae Antiquitatis aemulus] In der Erstausgabe der Quatrains ist auf dem Titel zu lesen, daß sie verfaßt waren „à l’imitation de Phocylides, d’Epicharmus, et autres anciens Poëtes Grecs“ (nach Petris, S. 125). Diese Bemerkung wurde in den späteren Editionen, genauer seit 1580, nicht mehr wiederholt (vgl. ebd., S. 37 und S. 125–130). Somit ließe sich mutmaßen, daß Opitz vielleicht eine der frühen Ausgaben gekannt hat, falls er sich mit seiner Anspielung auf diese beziehen sollte. Dem griechischen Dichter Phokylides aus Milet (um 540 v. Chr.) werden Gnomen in Hexametern (ein bis acht Verse) und ein vierzeiliges Epigramm in Distichen zugeschrieben; siehe dazu DNP 9, Sp. 947 f. Epicharmos (um 540 – um 460 v. Chr.) war nach DNP 3, Sp. 1093–1097, der früheste und bedeutendste Dichter der dorischen Komödie; seine Stücke waren vermutlich stark von gnomischen Formulierungen geprägt. In späterer Zeit hat er „kaum mehr als Komödiendichter, sondern als angeblicher Schüler des Pythagoras und Verf. von Lehrgedichten naturphilosophischen, ethischen, medizinischen, sogar landwirtschaftlichen Inhalts gewirkt“ (ebd., Sp. 1094). Zur Pythagorasrezeption bei Pibrac vgl. Petris, Register s.v. Demnach wären zumindest die Quatrains Nr. 4, 39 und 86 von pythagoreischen Ideen inspiriert. Die zahlreichen Quellen und Anregungen – meist antike oder biblische auctores, aber auch grundsätzliche Lehren der griechischen Philosophenschulen (Stoa, Platonismus) – sind im Stellenkommentar der Ausgabe von Petris nachgewiesen. Vgl. auch die knappen Hinweise im Dictionnaire (wie oben), S. 940 f. 25 f. rotundo, quod Galli possunt, sermone et aptissima huic instituto brevitate] Das Stilideal der rotunditas, womit eine elegante Konzinnität der Sprache gemeint ist, wird z. B. von Cicero,
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Brutus 78, artikuliert: verborum et delectus elegans et apta et quasi rotunda constructio. Berühmt ist das Diktum des Horaz, Ars poetica 323 f.: Grais ingenium, Grais dedit ore rotundo / Musa loqui, praeter laudem nullius avaris. Bei brevitas bezieht sich Opitz konkret auf das für die didaktische Spruchdichtung vorgegebene Stilideal der arguten Kürze. Im Frankreich des 16. Jahrhunderts existierten mehrere Formen lehrhafter Kurzpoesie nebeneinander. „Innerhalb dieser Entwicklung spielen die Quatrains von Pibrac eine entscheidende Rolle: Sie übertreffen alle bis dahin erschienenen Sammlungen durch die Knappheit des Ausdrucks sowie ihren ernsten Gehalt und heben die Gattung auf ein neues Niveau“ (Gülich, S. 62). 26–28 quaeque … utantur.] Vgl. Cabos (wie oben), S. 338: „Pendant longtemps les enfants se nourrirent, dans les écoles, de la substantielle doctrine que les maîtres extrayaient pour eux des Quatrains.“ Cabos, ebd., zitiert dann aus einen Brief der fünfjährigen Charlotte de la Trémouille 1606 an ihre Mutter, in dem sie schreibt: „Je sais tous les Quatrains de Pibrac“. 28 f. Q. Septimii Florentis Christiani doctissimi hominis de iis judicium] Das Urteil Florent Chrestiens über Pibrac wird recht ausführlich in dem von Opitz seiner Vorrede vorangestellten Zitat aus Thuanus’ autobiographischer Skizze referiert. Zu Chrestiens Vita s. Brigitte Jacobsen: Florent Chrestien. Ein Protestant und Humanist in Frankreich zur Zeit der Religionskriege. München 1973 (= Münchener romanistische Arbeiten 32). Der ungewöhnliche Namenszusatz soll auf den lateinischen Kirchenvater Quintus Septimius Florens Tertullianus, indirekt aber auch auf M. Tullius Cicero als Vorbilder des Autors hinweisen; vgl. Jacobsen, S. 16. Geboren 1541 (oder 1542) in Orléans, studierte er ab 1558 an der Akademie in Lausanne, dann in Genf, wo u. a. Théodore de Bèze lehrte, und hörte nicht zuletzt Griechisch bei Henri Estienne. 1561 wurde er in Paris Hauslehrer bei Jean Morel, 1566 Erzieher Heinrichs von Navarra, des späteren Heinrich IV. 1572 antwortete er in Invektiven auf Pibracs lateinische Apologie der Bartholomäusnacht (die frühere Abneigung Chrestiens gegen Pibrac erwähnt auch Thuanus). 1574 wurde er von Heinrich von Navarra zum „secrétaire et conseiller“ ernannt, lebte in Vendôme und starb dort 1596. Er dichtete in französischer und lateinischer Sprache (zu seinem Werk s. Jacobsen, S. 141–163) und wurde von seinen Zeitgenossen unter die bedeutendsten Vertreter der Dichtung in Frankreich eingereiht. Joseph Justus Scaliger bezeichnete ihn als excellentissimus poeta Graecus, Latinus, Gallicus (zitiert nach Jacobsen, S. 41). 1584, also im Todesjahr Pibracs, erschien bei Fédéric Morel in Paris Chrestiens Übersetzung der Quatrains ins Lateinische und Griechische: Viri clariss. et ampliss. Vidi Fabri Pibracii in supremo Senatu Parisiensi Praesidis, Sacri Consistorii Consiliarii, et Francisci Alenc. Ducis Cancellarii Tetrasticha Graecis et Latinis versibus expressa, authore Florente Christiano. Als Vorwort diente ein Brief Pibracs an ihn, in dem es heißt (zitiert nach Jacobsen, S. 58, Anm. 46): Est vero, mi Christiane, quod gaudeam, ea quae a me patrio sermone ac tenui Camoena cantata sunt, Attica grandiloquentia illustrari, et quae novus ipse vates a priscis Graecis mutuatus sum, ea per te illis reddi quorum sunt … Hanc tu rem mihi periuncundam, tibi honorificam, universis, ut spero, non infructuosam, sedulo curabis: et me in albo eorum repones qui te ob tuam virtutem plurimi et faciunt et amant. Vale. Datum Cannii, quod est castrum Picardiae, decimo tertio Kal. Aug. Anno 1583. Diese Übersetzung wurde mehrfach neu aufgelegt; s. Jacobsen, S. 165 f. Lemberger, S. 37, vermutet, daß Opitz als Vorlage für seine Übersetzung die Ausgabe des Florent Chrestien vom Jahre 1584 verwendet habe, die neben der Über-
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tragung in lateinische und griechische Verse auch die Quatrains in der Originalsprache enthielt, und verweist hierbei ausdrücklich auf unsere Passage Q. Septimii Florentis Christiani doctissimi hominis de iis judicium … fatear, obgleich Opitz das Urteil Chrestiens über Pibrac auch aus Thuanus (s. Motto) kannte. Daneben fänden sich, so Lemberger, S. 38, „zahlreiche Übereinstimmungen zwischen der Übersetzung Opitz’ und der lateinischen Übertragung des Chrestien – die griechische hat Opitz nicht berücksichtigt – Übereinstimmungen sowohl 1.) in der Konstruktion der Sätze, als 2.) in der Wiedergabe einzelner Ausdrücke, wie auch 3.) ganzer Verse“. Er führt dafür S. 38–42 einige Beispiele an. Gülich, S. 64 f., neigt ebenfalls zu der Annahme, daß Opitz sich auf die Edition von 1584 gestützt hat, allerdings könnte er zusätzlich die Erstausgabe gekannt haben (s. oben Kommentar zu nationis Pythagoricae). 31–48 Tibi vero libellum hunc ut inscriberem … Alia non addo] Die umfangreiche Passage enthält verschiedene, von Opitz häufig bemühte Topoi des Fürstenlobes, aus denen ex negativo oder vereinzelt auch ausgesprochen (per ambitionem … vel timorem, id quod tui ordinis nonnemini apud nos accidit) zugleich die Laster der zeitgenössischen (Land)adels abzulesen sind. 33 amicorum nomine] Die Aufnahme in den Freundeskreis einer hohen Standesperson bedeutet eine besondere Ehre; vielleicht spielt Opitz hier nicht zuletzt auf Maecenas und dessen sprichwörtlich gewordenen Kreis an. 37 Constantiam vero tuam magis, an prudentiam commendem?] Die komplementären Tugenden der constantia und prudentia verweisen auf die neostoizistische Philosophie und damit zugleich auf die barocke Klugheitslehre, wie sie etwa in den Trauerspielen Gryphius’ und Lohensteins zutage tritt. Vgl. Hans-Jürgen Schings: constantia und prudentia. Zum Funktionswandel des barocken Trauerspiels, in: Studien zum Werk Daniel Caspers von Lohenstein …, hrsg. von Gerald Gillespie und Gerhard Spellerberg. Amsterdam 1983 (= Daphnis 12/2–3, 1983), S. 403–439. 40 belli infausti mala anno superiore] Wohl neben weiteren tragischen Kriegsereignissen der Feldzug Wallensteins gegen Schlesien 1633; vgl. oben zur Biographie Reichenbachs. 40f. nobis ab ingenti promissorum hiatu quidvis sperantibus] Hier ist vermutlich die in der Einleitung zum Kommentar angeführte „Konjunktion“ gemeint. Dieses Schutzbündnis führte zu keiner nachhaltigen Verbesserung für die Lage des Schlesier, worauf Opitz hier anspielt. 43 malis] Weltliche Poemata, Bd. 1: rebus aduersis 44 f. quam nescio quomodo nonnulli magis amare videntur, quia ab ea absunt] Allerdings hielten sich Opitz selbst und seine Dienstherren, die Piastenherzöge, wie auch der Widmungsempfänger Reichenbach im sicheren Thorn auf. 45 f. amorem eruditorum, sales compositos ac inter conventum amicorum urbanissimam familiaritatem] Das Ideal des gebildeten Adligen entwirft Opitz auch z. B. in der wohl 1633 erschienenen Widmungsvorrede zum Vesuvius mit Blick auf Herzog Johann Christian von Brieg; s. dazu LW 3, S. 381–383. 48 Alia non addo] Weltliche Poemata, Bd. 1: Neque alia addo
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52 otii] Die Fassung der Weltlichen Poemata, Bd. 1: odii wäre vielleicht vorzuziehen („und vor Haß wie vor Begünstigung gefeit“). Vgl. zu dieser stoizistischen Haltung Flemings Sonett An Sich, V. 2: „Weich keinem Glücke nicht. Steh’ höher als der Neid“ (Paul Fleming: Deutsche Gedichte, hrsg. von Volker Meid. Stuttgart 1986, S. 114). [V.M., R.S.]
Haec est divini soboles Epigramm unter einem Porträt von Königin Christina von Schweden Dünnhaupt, Nr. 196. – Das Epigramm Opitzens findet sich unter mehreren KupferstichPorträts der schwedischen Königin. Bei diesen lassen sich grob drei Varianten unterscheiden (dazu s. u.). Sie werden, jeweils mit einer kurzen Beschreibung, wiedergegeben bei John Roger Paas: Effigies et Poesis. An Illustrated Catalogue of Printed Portraits with Laudatory Verses by German Baroque Poets. Bd. 1. Wiesbaden 1988, S. 118–127. Diese und weitere Abzüge sowie weitere Porträts Christinas sind einzusehen in http:// www.portraitindex.de. Das Gedicht ist ferner wiedergegeben in der Abschrift STB-PK Berlin: Dep. Breslau 17 (ehemals StB Breslau: Hs. R 402), S. 819, und in der Abschrift UB Breslau: Akc. 1949/713 (ehem. StB Breslau: Hs. Klose 175). Mehrere dieser Porträts finden sich auch in der Porträtsammlung der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel. Sie werden deshalb in verschiedenen Bänden des diesbezüglichen Katalogs abgebildet und beschrieben: Katalog der graphischen Porträts in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel 1500–1850, bearbeitet von Peter Mortzfeld. München 1986 ff. (im Folgenden zitiert als „Mortzfeld“). In diesem Zusammenhang wird bei Mortzfeld, Bd. 36, S. 40, Opitzens Gedicht abgedruckt und übersetzt. Unsere Wiedergabe erfolgt nach dem wohl zeitlich am frühesten anzusetzenden Porträttypus (siehe dazu die Ausführungen unten zu Paas, Nr. 59). In den einschlägigen Opitz-Bibliographien wird diese Graphik (und damit auch das Epigramm Opitzens) in die Rubriken „Unbestimmbar“ (so Szyrocki in seiner Bibliographie in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 213*, Nr. 230) bzw. „Undatierte Drucke“ (Dünnhaupt, Bd. 4, S. 3073) eingeordnet. Szyrocki geht allerdings von den beiden genannten Abschriften und nicht von den Porträts selbst aus. Die Literatur zu Christina von Schweden ist Legion. Eine mehrbändige Biographie erschien bereits im 18. Jh.: Johannes Arckenholtz: Mémoires concernant Christine, reine de Suède. Leipzig/Amsterdam 1751–1760; übersetzt von Johann Friedrich Reitstein unter dem Titel: Historische Merkwürdigkeiten die Königinn Christina von Schweden betreffend. Darin enthalten ist u. a. auch die Autobiographie Christinas. In den letzten Jahren erschienen u. a.: Sven Stolpe: Königin Christine von Schweden. 3. Aufl. Frankfurt am Main 1967; Jörg-Peter Findeisen: Christina von Schweden. Legende durch Jahrhunderte. Frankfurt/Main 1992; Verena von der Heyden-Rynsch: Christina von Schweden. Die rätselhafte Monarchin. Darmstadt 2000 (mit weiteren Literaturangaben). Christina war selbst schriftstellerisch tätig, unter den Werkausgaben ist z. B. anzuführen: Königin Chri-
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stina von Schweden. Gesammelte Werke. Autobiographie, Aphorismen, Historische Schriften, hrsg. von Annemarie Maeger. Hamburg 1995. Christina wurde am 7. Dezember 1626 geboren als das dritte und einzig überlebende Kind von König Gustav II. Adolf und Maria Eleonore von Brandenburg (diese und die folgenden Angaben, falls nichts anderes genannt, nach der Zeittafel in: von der Heyden-Rynsch, S. 243–247.) Nach dem Tod ihres Vaters in der Schlacht bei Lützen (16. November 1632) wurde die sechsjährige Christina formell zur „Königin der Schweden, Goten und Wandalen, Großfürstin von Finnland, Herzogin von Estland und Karelien“ ernannt – Titel, die sich auch in der rahmenden Umschrift um das Porträt Christinas finden. Bis 1644 stand sie aber noch unter der Vormundschaft Axel Oxenstiernas; s. dazu von der Heyden-Rynsch, S. 48 f. In diesem Jahr übernahm Christina die Regierungsgeschäfte; ihre Krönung erfolgte 1650. Am 6. Juni 1654 dankte sie, nachdem sie in der vergangenen Zeit mehrfach entsprechende Absichten geäußert hatte, offiziell in Uppsala ab, verließ Schweden und trat am 24. Dezember 1654 heimlich zum Katholizismus über; 1655 bekannte sie sich in Innsbruck öffentlich zu ihrer Konversion. 1689 starb sie in Rom. Wie oben erwähnt, existieren mehrere Varianten in bezug auf die bildliche Darstellung Christinas. Ein Vergleich des jeweiligen Abdrucks von Opitzens Gedicht ergibt, daß bei allen Porträtfassungen keine Abweichungen im Text festzustellen sind. Bei Paas, S. 118–127, sind insgesamt fünf Porträtgraphiken wiedergegeben. Es ist anzunehmen, daß das Porträt auf S. 119 (bei Paas Nr. 59) das früheste ist, da Christina hier von allen Varianten am kindlichsten wirkt. Ein Abzug dieses Porträts ist vorhanden in der Herzog-AugustBibliothek in Wolfenbüttel (Inv.-Nr.: A 28025; abgebildet bei Mortzfeld, Bd. 41, S. 86). Es handelt sich – im Anschluß an die Beschreibung bei Mortzfeld, Bd. 43, S. 227 – um fast ein Hüftbild, umgeben von einem Ovalrahmen, vor einem seitlich mit Maskenköpfen auf großen Akanthusvoluten geschmückten Retabel, in der linken oberen Ecke schwebt ein Putto, der Lorbeerkranz und Krone hält, in der rechten oberen Ecke ein Putto mit Palmwedel und Szepter. Christina wendet sich halb nach rechts. Sie trägt auf dem Kopf eine Haube, von der auf beiden Seiten ein Schleier fällt, und hat ihre behandschuhten Hände ineinandergelegt. In dem ovalen Rahmen werden ihre Titel genannt: CHRISTINA D!EI " G!RATIA" SUECOR!UM " GOTHOR!UM " ET VANDAL!ORUM " REGINA MAGN!A" PRINC!IPISSA" FINL!ANDIAE " DUC!ISSA" E!S "TH!ONIAE " et CAREL!IAE " DOMINA INGRIAE etc. Im Retabelsockel finden sich die drei Distichen Opitzens; in der Sockelbasis die Nennung des Stechers: Fridericus Hulsius chalcographus Francof!urtanus" excudit. Ein weiterer Abzug existiert z. B. in der Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien (Inv.-Nr. PORT_00043260_01). Hier handelt es sich um eine etwas vereinfachte Variante ohne die im gerade genannten Abzug vorhandenen, das Porträt Christinas umgebenden Dekorationselemente. Der Ovalrahmen weist keine Inschrift auf, sondern diese, identisch mit der eben zitierten, ist unter dem Porträt wiedergegeben. Unter der Inschrift findet sich hier der Vermerk Fridericus Hulsius excudit. 1634. Da auch die beiden Porträts identisch sind, könnte sich hieraus eine mögliche Datierung von Opitzens Epigramm ergeben. Dieses wäre somit außerdem im selben Jahr entstanden wie sein Gedicht unter dem Porträt von August Buchner (s. LW 3, S. 98). In diesem Zusammenhang ist vielleicht zu bedenken, daß Opitz sich, wie auch aus seiner Korrespondenz hervorgeht, ab Ende des Jahres 1633 für über zwei Monate in Begleitung einer schlesischen
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Delegation in Frankfurt am Main aufhielt. Hier sollte ein Schutzbündnis mit Schweden, Brandenburg und Sachsen bei dem schwedischen Reichskanzler Axel Oxenstierna ratifiziert werden; s. Conermann/Bollbuck, S. 1171, und den Kommentar zu Opitzens Ratispona (LW 3, S. 406 f.). Der Porträtstich mit Opitzens Gedicht könnte also in diesem Zusammenhang (vielleicht sogar als eine Art ‚Propagandatext‘) entstanden sein. Der Kupferstecher und Verleger Friedrich van Hulsen/Hulsius wurde um 1580 in Middelburg (Niederlande) geboren, kam 1602 mit seinen Eltern nach Frankfurt am Main und führte hier später Druckerei und Verlag seines Vaters weiter. Stiche von ihm finden sich in eigenen und fremden Verlagswerken; so stach er viele Tafeln für die von Theodor de Bry und Boissard herausgegebenen Werke; s. dazu Thieme/Becker, Bd. 18 (1925), S. 114. Demnach entstammen die von Hulsius angefertigten Stichporträts wohl meist den von ihm illustrierten Werken, doch soll er auch Einzelporträts gestochen und herausgegeben haben. Das genaue Todesdatum von Hulsius ist umstritten, er starb entweder bereits 1635 oder erst um 1660. Das Porträt bei Paas, S. 121 (Paas Nr. 60), unterscheidet sich von Nr. 59, wie auch Paas in einer Fußnote vermerkt, in der Darstellung von Christinas Kleidung und Frisur: Auch hier geht Christinas Blick nach halb rechts, doch ist ihr Haupt unbedeckt. In die gewellten, bis ins Kinnhöhe reichenden Haare ist eine Perlenschnur eingeflochten, zudem trägt sie als Ohrschmuck zwei große Perlen. Ansonsten könnte wirklich, wie Paas annimmt, dieses Porträt „from a later state of the plate used for no. 59“ stammen. Auch sämtliche Dekorationselemente, die Unterschrift van Hulsens am unteren Bildrand und vor allem die Schriftzüge und Unterschrift bei Opitzens Text sind identisch. Eventuell eine nicht bei Paas erwähnte Variante stellt der Abzug in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien dar (Inventar-Nr. PORT_00043254_01), da hier unter der Unterschrift Opitzens keine Namen eines Stechers, Verlegers o. ä. genannt werden. Das Blatt könnte allerdings auch am unteren Rand beschnitten sein. Ferner befindet sich in der Österreichischen Nationalbibliothek ein Blatt (Inv.-Nr. PORT_00043251_01), das sich von Paas Nr. 60 nur darin unterscheidet, daß Christina hier spiegelbildlich, also nach halblinks blickend, dargestellt ist. Statt Opitzens Gedicht finden sich hier die Verse: „Von Gott die königreych auf Erden / Ihrn anfang haben, bstättigt werden / Damit Gerechtigkeit im Land / Administriert wird allerhand. / Diß Fräwln Regier ô trewer Gott / Thue Ihr beystehn inn aller nott.“ In der Sockelzone findet sich hier die Widmung Nobili et Magnifico Dn. Philippo Hainhofero etc. consecrat Lucas Kilian. A. 1634. Auch diese Jahresangabe könnte ein Indiz zur Datierung von Opitzens Gedicht sein. Dagegen scheint es sich bei dem Porträt bei Paas, S. 123 (Nr. 61), um den Abzug von einer neuen Kupferplatte zu handeln. Sie entspricht zwar Nr. 60 in bezug auf die Wiedergabe der Porträtierten, der Dekorationselemente und Opitzens Gedicht und Unterschrift, doch ist hier bei Opitzens Gedicht die Schrift (Buchstabenabstände etc.) ein wenig abweichend gestaltet. Rechts unten in der Sockelzone ist zu lesen G. Walch exc. Das Porträt bei Paas, S. 125 (Paas Nr. 62) „was struck from a later state of the plate used for no. 61“ (so Paas, S. 124, in einer Anmerkung,). Hier erscheint rechts unten in der Sockelzone das Monogramm „A.K.A.“, das als „Andreas Kohl“ zu deuten ist: Nach Thieme-Becker, Bd. 21 (1927), S. 199, wurde der Kupferstecher Andreas Kohl 1624 in Nürnberg geboren und starb dort 1657. Er signierte einige Bildnisse in kleinen Formaten
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mit einem aus A.K. gebildeten Monogramm, andere Blätter mit „A.K.A“. Paas vermutet, daß der Stich „after a painting by Jakob Henrik Elbfas“ entstanden sei. Hier wurde die Darstellung von Christinas Kopf verändert: Die Blickrichtung geht ebenfalls nach rechts, doch erscheint die Königin hinsichtlich ihrer Gesichtszüge etwas älter. Die gewellten Haare reichen bis auf die Schulter, auf dem unbedeckten Haupt trägt sie ein Krönchen. Das bei Paas, S. 127 (Nr. 63), abgebildete Porträt „was struck from a later state of the plate used for no. 62“, so Paas, S. 126, in seiner Anmerkung. In der linken Begrenzung der Sokkelbasis ist zu lesen Paulus Fürst excudit, in der rechten A.K. fec. – also wieder „Andreas Kohl“. Diese Variante wird bei Mortzfeld, Bd. 22, S. 202, wiedergegeben und in Bd. 36, S. 40, beschrieben (mit Abdruck und Übersetzung von Opitzens Gedicht). Opitz selbst erwähnt Christina in einem Brief an Andreas von Langen vom 17. 03. 1637 (Conermann/Bollbuck, S. 1341): Illustrem Bielkium rebus infectis â Marchione rediturum, amicis hîc meis dixi; nunquam enim nisi â coactis ita agetur cum Regina, Regnoque Suecorum, uti auctoritas quidem utriusque et securitas requirit. Es läßt sich jedoch vermuten, daß Opitzens Gedicht nicht sehr lange nach dem Tod des Vaters von Christina, König Gustav II. Adolf, entstanden ist. Für diese Datierung spricht neben der Datumsangabe „1634“ auf der oben erwähnten Porträtvariante und Opitzens Aufenthalt in Frankfurt am Main auch der Inhalt des Epigramms: Im Mittelpunkt der ersten vier Verse stehen die diametral entgegengesetzten Erwartungen, die mit dem hier porträtierten jungen Mädchen (V.1.: Haec … imago) verbunden sind: Sie kann eben nicht nur matris deliciae und Orbis amor (V. 2) sein, sondern in ihr als Erbin des großen Vaters fokussieren sich gleichzeitig die Hoffnungen ihrer Zeit. Der Gegensatz wird dem in V. 3 direkt angesprochenen Lector deutlich vor Augen geführt, wenn in diesem zweiten Distichon die konkreten Herausforderungen an die zu Anfang von V. 3 noch als Tam teneram Bezeichnete genannt werden. Mit dem letzten Distichon wendet sich der Sprecher dann direkt an Christina als bildhaft gewordene Verkörperung ihres Vaters (verdeutlicht im Polyptoton reddis – Redde), die diesem zwar im Handeln nachfolgen, wohl aber dessen allzu kurze Lebenszeit übertreffen möge. – Versmaß: elegische Distichen. 2 Orbis amor] Vgl. zum Beispiel Lucan, Pharsalia 4,189–192: nunc ades, aeterno conplectens omnia nexu, / o rerum mixtique salus Concordia mundi / et sacer orbis amor: magnum nunc saecula nostra / uenturi discrimen habent. In der Dichtung immer wieder in bezug auf Herrscherpersönlichkeiten verwendet, so z. B. Ausonius, Caesares 36–40: Galba senex periit saevo prostratus Othone / Mox Otho famosus clara sed morte potitus./ Prodiga succedunt perimendi sceptra Vitelli. /Laudatum imperium, mors lenis Vespasiano. / At Titus, orbis amor, rapitur florentibus annis oder ders., Caesares 86 f. (ebenfalls in bezug auf Titus): Felix imperio, felix breuitate regendi, / Expers ciuilis sanguinis, orbis amor. Wie aus Opitzens Florilegium (siehe dazu LW 3, S. 590) hervorgeht, hat dieser sich mit Ausonius beschäftigt. Zu denken wäre vielleicht auch an Bezeichnungen wie für Kaiser Friedrich II. (stupor mundi ). 3 f.] Hier sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: zum einen die Feldzüge Gustav Adolfs in Deutschland; dieser war im Sommer 1630 auf der Insel Usedom gelandet und hatte zugunsten der Protestanten in die Kriegshandlungen eingegriffen. Zum anderen ist, geht man von einer Entstehung des Porträts um 1634 aus, an Ereignisse zu denken wie den Sieg der kaiserlichen Truppen bei Steinau (Oktober 1633) oder – neben verschiedenen
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Siegen der Protestanten und der Ermordung Wallensteins (Februar 1634) – im Juli 1634 die Einnahme Regensburgs durch die Kaiserlichen und im September 1634 die Schlacht bei Nördlingen (Sieg der Kaiserlichen über Bernhard von Sachsen-Weimar). Opitz, der im April 1633 seinen Dienst bei den beiden Piastenherzögen von Brieg und Liegnitz angetreten hatte, betraf persönlich deren Flucht im selben Jahr zuerst nach Polnisch Lissa und von dort nach Thorn. Der Sprecher in diesem Epigramm bezieht im übrigen durch die Wortwahl (Germania pressa; V. 3) und Libertati gens inimica timet (V. 4) klar dazu Stellung, auf wessen Seite er selbst steht. Gerade um die Jahreswende 1633/34 scheint Opitz Hoffnungen gehegt zu haben, daß das schwedische Heer Schlesien befreien könnte; vgl. folgende Ausführungen in seinem Bericht an die beiden Piastenherzöge vom 27. November 1633 (Conermann/Bollbuck, S. 1170): „Sind also dieser orten alle vortheil in der Evangelischen Handen; ohngemeldet dass nicht allein von hiesigen Unirten Kreisen eine zimliche anzahl volkes, sondern auch von der Kron Schweden allein 42 newe Regimenter zum schleunigsten auf den fuss zue bringen, richtige anordnung gemacht worden; dass also zue hoffen ist, weil bevoraus in den Oesterreichischen erblanden sedes belli gerichtet wird, es werde die Verwahrlosung im land Schlesien hierdurch wol wiederumb zue rechte kommen.“ [V.M.]
Inter taedia tot molestiasque Freundschaftsgedicht für Christian Theodor Schosser Nicht bei Dünnhaupt. – Überliefert in alten Handschriften: STB-PK Berlin: Dep. Breslau 17 (ehemals StB Breslau: Hs. R 402) sowie UB Breslau: Akc. 1949/713 (ehem. StB Breslau: Hs. Klose 175). Unsere Wiedergabe erfolgt nach der erstgenannten Handschrift, S. 761. Bei dem Adressaten dieses Gedichtes handelt es sich wohl um den in Aussig ansässigen Arzt und Poeten Christian Theodor Schosser. Auskünfte über seine Vita gibt Gerhard Eis: Das geistige Leben in Aussig um 1600. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus in Böhmen. Aussig 1932 (= Sonderheft Nr. 9 der „Beiträge zur Heimatkunde des AussigKarbitzer Bezirkes“), hier vor allem S. 36–41. Ferner findet sich ein Artikel mit ausführlicher Bibliographie in: Enchiridion, Bd. 5. S. 72–77, zur Vita speziell S. 72. Zu beachten ist, daß die Angaben über Schossers Vita in den einzelnen Lebensbeschreibungen zum Teil stark divergieren. Nach Eis (der für ihn die Namensform „Schösser“ verwendet), wurde er in Frankfurt / Oder als Sohn des Poesieprofessors Johann Schösser geboren und u.a. von Michael Abel unterrrichtet. Ab 1596 studierte er in seiner Heimatstadt Mathematik, Medizin und Botanik und ging dann nach Wittenberg. 1609 war er Rektor in Bärenwald und hielt am herzoglichen Kollegium in Wilna „seit 1609 Vorlesungen über Cicero und Vergils Äneis“ (Eis, S. 36; im Enchiridion wird als Jahr 1610 genannt). Antoni Krawczyk: The British in Poland in the Seventeenth Century, in: The Seventeenth Century 17 (2002), S. 254–272, hier S. 265f., erwähnt einen Christian Theodor Schosser, der (um 1611) „rec-
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tor of the Calvin School“ in Wilna war, zudem „a poet“ und „doctor of medicine“. Nach Eis wurde er 1610 in Stendal von Bartholomäus Bilovius zum Dichter gekrönt. (Demgegenüber erwähnt Flood, Bd. 4, S. 1886, Gelegenheitsdichtungen, in denen Schosser schon 1609 als P.L.C. unterschreibt.) 1612 floh er aus Wilna nach Danzig und gelangte nach weiteren Stationen (nach Enchiridion Braunschweig und Lüneburg) 1616 nach Aussig, wo bereits sein Bruder Johann Ernst als „Primator“ lebte (zu diesem ebenfalls Eis, wie oben), und wurde dort „einer der eifrigsten in der Gesellschaft der neulateinischen Dichter“ (Eis, S. 36); wohl um 1617 wurde er zum comes palatinus ernannt (s. Flood, ebd.). Seit 1624 war er „Physikus der Städte Aussig und Leitmeritz“; 1629–1630 war er Mitglied des Aussiger Rates (Eis, S. 36f.). Den Angaben im Enchiridion zufolge starb er 1644. Schossers erste Publikation ist eine Disputation von 1601 aus Frankfurt / Oder. Hervorzuheben sind Schriften, die Schosser als einen auf vielen Gebieten kundigen Dichter ausweisen, so veröffentlichte er bereits 1603 ein Carmen anläßlich einer Eclipsis Lunae (hier bezeichnet sich Schosser bereits als Poëta Imperialis); 1617 eine Kurtze jedoch Gründliche Beschreibung der gantzen Churfürstlichen Marck zu Brandenburg … Durch Christianum Theodorum Schosserum der freyen Künste und Artzneyen Doctorem C.P.C. dieser zeit Churf. Brandenb. Historicum; 1618 erschien eine Imperatorum Austriacorum enarratio synoptica; 1622 eine Historia de praecipuis post Christum natum in ecclesia persecutionibus. Ein dichterisches Hauptwerk Schossers bilden wohl die sechs Bücher Laurifolia sive Schediasmata poetica, eine Sammlung seiner Gedichte, von der der erste Band 1619 erschien, der letzte wohl 1640; siehe dazu Eis, S. 37–40. Seit 1633 befand sich Opitz in den Diensten der Herzöge von Liegnitz und Brieg und hatte in deren Auftrag auch diplomatische Missionen zu unternehmen; s. dazu Szyrocki, S. 100–108. Im Jahr 1634 hielt er sich mehrfach im Kriegslager des schwedischen Generals Baner auf, auch im Sommer 1634; s. dazu Conermann/Bollbuck, S. 1242. Mit der schwedischen Armee begab er sich nach Böhmen. Die Armee Baners drang bis zu den Toren Prags vor, mußte jedoch zurückweichen (vgl. Szyrocki, S. 105), und Baner richtete daraufhin „sein Hauptquartier in Leitmeritz ein, von wo aus in wochenlanger Untätigkeit das westliche Böhmen geplündert wurde“ (Conermann/Bollbuck, S. 1241). Im Lager Baners widmete Opitz Diederich von dem Werder seine Zehn Psalmen Davids; diese sind datiert „Leutmeritz den 12. Herbstmonats [also September] 1634“; s. dazu Conermann/ Bollbuck, S. 1241 f. In bezug auf den vorliegenden Text, der bis jetzt noch nirgends Berücksichtigung gefunden hat, lassen sich nur Vermutungen aufstellen: Sollte die Angabe von Ort und Datum unter dem Text des Gedichtes in Hs. R 402 korrekt abgeschrieben sein, dann könnte Opitz während seines Aufenthaltes in Leitmeritz mit Schosser zusammengetroffen sein. Opitzens Gedicht ist womöglich in einem (Glückwunsch-)Druck, vielleicht zu einer unbekannten Werkausgabe Schossers, erschienen. Denkbar wäre aber auch, daß es sich bei den explizit mit Phaleuci extemporanei überschriebenen Versen (sofern die somit als spontan bezeichnete Abfassungssituation nicht nur als Topos zu werten ist) um einen ausführlicheren Stammbucheintrag handelt. Dafür spricht, daß in Hs. R 402 z. B. auch der S. 762 wiedergegebene Stammbucheintrag für Andreas Senftleben in dieser Form (eine Überschrift mit Nennung des Adressaten, nach dem Gedicht dann lediglich Ausweis von Ort und Datum des Eintrags) wiedergegeben ist. Wie in vielen anderen Texten Opitzens steht auch hier die Unmöglichkeit dichterischer Produktion angesichts der Extremsituation des Krieges im Mittelpunkt. Diese Dichoto-
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mie bestimmt die als eine einzige verzweifelte Frage gestalteten ersten neun Verse des Gedichts: Den in der ersten Hälfte dieses Textabschnitts beschriebenen grausamen Kriegsläuften und ihren Folgen für die Allgemeinheit (V. 1–5) wird in der zweiten Hälfte (V. 6–9) die Situation des Einzelnen gegenübergestellt, der nun nicht mehr in der Lage ist, als Persönlichkeit menschlich angemessen zu reagieren, in diesem Fall, seine Schuld dem befreundeten Dichter gegenüber, die eigentlich nur durch eigene poetische Gaben eingelöst werden könnte, abzutragen. Die Begleichung dieser Schuld wird nur in ferner, heiterer Zukunft möglich sein (V. 10–12), während in der durch viele Bedrohungen von außen verdüsterten Gegenwart als einziges die mens (als Relikt einer besseren, menschlicheren Zeit) unversehrt erhalten werden kann (V. 13–17). – Versmaß: Hendekasyllaben (oder, wie Opitz schreibt: Phaleuci ). 1–5] Anspielung auf die gegenwärtige Situation (dazu siehe oben). Gerade auch Breslau als die unmittelbare „Heimat“ Opitzens hatte sich durch unglückliches diplomatisches Lavieren in eine äußerst ungünstige Position in bezug auf die einzelnen Kriegsparteien gebracht; s. dazu Szyrocki, S. 105. Der (wohl auf 1624 zu datierende) oben erwähnte Stammbucheintrag für Andreas Senftleben (s. LW 2, S. 2) beginnt im übrigen ähnlich: In rebus arctis, mille quae mihi modis / Molestias nunc exhibent, … 2 Mavortia] Adjektiv zu Mavors, einer Nebenbezeichnung für den römischen Kriegsgott Mars (man vergleiche V. 15 den Ausdruck Martia tela). 6 f.] Die wiederholte Nennung der Musen in Form einer Epipher, eines für Hendekasyllabendichtung typischen Stilmittels (vgl. etwa Catull, carmen 3,3 f. sowie 5,7–9), wirkt in ihrer Eindringlichkeit wie eine Beschwörungsformel. 7 Illis suavibus aureisque Musis] Die Musen verkörpern/evozieren durch diese Attribute eine paradiesische Welt, vielleicht auch ein früheres ‚Goldenes‘ Zeitalter, das der Beschreibung der Kriegssituation in den ersten Versen diametral entgegengesetzt ist. 9 Et gratum, et tibi debitum Poëtam?] Vielleicht Hinweis auf ein Treffen Opitzens mit Schosser. Zudem könnte der Sprecher auf bestimmte Werke Schossers anspielen, die mit Opitzens eigenen Interessen und poetisch-gelehrten Arbeiten in Verbindung stehen; so z. B. neben den bereits oben genannten auch auf die 1622 erschienene Historia de origine et denominatione Germanorum, recensente Christiano-Theodoro Schossero, … physico et senatore reipublicae Aussigiensis ad Albim. 15 f.] Das Wiederaufgreifen der Worte aus V. 1–3 verdeutlicht wie in einer ‚Endlosschleife‘ die Ausweglosigkeit der Kriegssituation, aus der es kein Entkommen zu geben scheint. Somit stehen sich die Musen (als Gegenbild in der Gedichtmitte) und der Krieg (am Anfang und Ende des Textes) auch optisch gegenüber. Wie die Epipher (s. o. zu V. 6 f.), so ist auch die Wiederholung von Anfangsversen am Ende eines Gedichtes für die Hendekasyllabendichtung typisch (vgl. etwa Catull, carmen 16,1 und 14 sowie 36,1 und 20). Opitz freilich wiederholt die Anfangsverse hier nur in variierter Form. [V.M., D.M.]
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Astreae soboles Glückwunschgedicht für Karl Weinrich Dünnhaupt, Nr. 154 A; – S ACRUM | A NNI Q VINQVAGESIMI , | nobilis consvl-|tiss[i]mique VIRI | D N. C AROLI | W EINRICHII , | Liberi Baronatus Wartenbergici | in Silesia Assessoris, | Judicii Ecclesiastici in Republ. | Wratislaviensi Secretarii, | Judicior. Secularium, nec non | Curiae Provincialis, et Camerae | quae ibidem, Advocati | Ordinarii, | Non tàm moris quàm amoris ergo | V OTIS SINCERIS A MICORUM | celebratum | 6. Kal. Octob. Ao. M DC XXXIV. | B RESLAE , Typis G EORG I B AUMANNI . (UB Breslau: 355129), fol. C1r–v. Unsere Ausgabe folgt dem Erstdruck. Opitzens Gedicht erschien in einer Sammlung von Glückwunschgedichten, die zu Weinrichs 50. Geburtstag am 26. September 1634 herauskam, ist aber inhaltlich (V. 3 f.) eher auf seinen Namenstag bezogen. Womöglich ist der Text anläßlich eines Namenstages verfaßt und aus ungeklärter Ursache in die Geburtstagssammlung integriert worden. Damit wäre er wie ein weiteres Gedicht Opitzens auf einen gleichen Anlaß (LW 2, S. 122–125, S. 419 f.) nicht exakt zu datieren, das Erscheinungsjahr 1634 steht lediglich als terminus ante quem fest. Unter den insgesamt siebzehn lateinischen und auch deutschsprachigen Glückwunschgedichten in diesem Druck steht Opitzens Text an zehnter Stelle. Zu den Beiträgern gehören Jakob Schickfus von Neudorff, Nikolaus Henel, Daniel Hermann, Elias Major, Matthias Machner, Andreas Senftleben, Christian und Johann Heinrich Cunrad (und damit Persönlichkeiten, mit denen Opitz selbst bekannt oder befreundet war und denen er ebenfalls Kasualdichtungen gewidmet hatte). Ein Beispiel für dieses Netz von Beziehungen ist Opitzens Freund Andreas Senftleben (1602–1643), der sich 1630 als Advokat in Breslau niederließ und dort „junior legal partner“ von Karl Weinrich, dem „secretary of the ecclesiastical judiciary … and advocate in the civil judiciary, provincial curia and chamber“, wurde (Halsted, S. 60 f.). In bezug auf die Vita des Jubilars ist das umfangreiche lateinische Gedicht Jeremias Tschonders (fol. B2v–B4v, vor allem ab B3v) hervorzuheben, das Opitzens Glückwunsch unmittelbar vorausgeht, da hier Einzelheiten aus Weinrichs Lebenslauf referiert werden. Gegenstand dieses Textes sind (dies als Ergänzung zu den Angaben in LW 2, S. 419) u. a. sein genaues Geburtsdatum, der Grund für die Wahl seines Vornamens – ein vielversprechender Schüler des Vaters trug denselben Namen –, sein Studium in Frankfurt/Oder bei Cuno, Setzer und Neander, die Fortsetzung des Studiums in Tübingen und Straßburg, seine peregrinatio academica, die Rückkehr in die Heimat, seine verschiedenen Ämter. Zum selben Anlaß erschien auch ein ebenfalls bei Baumann in Breslau gedruckter Glückwunsch von Christoph Coler (Memoria Natalis Quinquagesimi … Dn. Caroli Weinrichii … VI. Kal. Octobr. Superioris Anni rite celebrati, repetita Kalendis Auspicalibus A. C. N. MDCXXXV. per Christophorum Colerum, Profess. Oratoriae Elizabethanum), dem ebenfalls Angaben zu Weinrichs Vita zu entnehmen sind. In dem oben genannten weiteren Gedicht Opitzens auf Weinrichs Namenstag (LW 2, S. 122–125) werden gleichfalls die Nöte der Zeit angesprochen, doch ist der Tenor ein anderer, es dominiert das Motto des carpe diem (vgl. dort V. 3: Qvò mihi tristities mentis, curaeque molestae?). Der vorliegende Text dagegen reflektiert die Situation der Gegenwart, konkret
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die prekäre Lage der Schlesier im Zeichen der konfessionellen Kämpfe, nüchterner: Der Freude über den Ehrentag (V. 1–4) stehen die düsteren Umstände gegenüber, unter denen der Jubilar diesen Tag begehen muß – damit endet in V. 8 der erste lange Satz dieses Textes. Als Möglichkeit bleibt dem Sprecher wie Weinrich selbst eine fast trotzige Auflehnung (V. 9–12): Diejenigen, die als animae innocuae und Anhänger der Musen nicht verantwortlich sind für dieses Leid, sollten wenigstens das Recht besitzen, den Verursachern (V. 10: Ad fera … castra) diese ihre Furcht zu „schicken“. Die curae sollen dagegen Gott anheimgestellt werden. – Versmaß: elegische Distichen. 1 Astreae soboles] Astraia, in der Mythologie häufig mit Dike, der Göttin des Rechts, gleichgesetzt, steht als Personifikation der Gerechtigkeit und bezieht sich auf Weinrichs juristische Tätigkeiten in Breslau (dazu Halsted, s. o.). Auch in anderen Gedichten, gerade für Juristen, verweist Opitz auf die Göttin Astraia; vgl. zu dieser den Kommentar zum Epicedium für Hermann Mundrich (LW 2, S. 379 f.). Nicht unähnlich beginnt auch das genannte Gedicht von Jeremias Tschonder (fol. B2v): W EINRICHI Astraeae Sidus, Suadaeque nitela … Zugleich bezeichnet Astraia das Sternbild der Jungfrau. Da sich die Sonne zwischen dem 17. September und dem 31. Oktober in diesem Sternzeichen befindet und Weinrich am 26. September geboren wurde, steht das Gedicht doch in gewissem Zusammenhang mit den übrigen Texten der Sammlung. 2 et toto pectore noster amor] Zum freundschaftlichen Verhältnis zwischen Opitz und Weinrich vgl. auch die Anrede (Consultissime Vir, Domine et Amice colende) und den Schluß (At tu ex more tuo me ama, Tuum totum Opitium) in dem bei Conermann/Bollbuck, S. 504, wiedergegebenen Brief Opitzens an diesen. Conermann/Bollbuck datieren diesen Brief, der als einzige Zeitangabe Cal. IXbribus enthält, unter Vorbehalt auf den 1. November 1626. 3 f.] Der Ausdruck Jano … fugiente verweist auf Ende Januar; vgl. Ovid, Fasten 2,1 f.: Ianus habet finem. Cum carmine crescit et annus. / Alter ut hic mensis, sic liber alter eat. Der 28. Januar ist der Todestag Karls des Großen (gest. 814) und wird als Karlstag begangen. 5 patriae per dura negotia nostrae] Neben der vorgeschlagenen Übersetzung mag auch die Bedeutung „unter den beschwerlichen Geschäften für unser Vaterland“ mitschwingen. 12] Vgl. Ps 54 (55),23: iacta super Dominum curam tuam / et ipse te enutriet [V.M.]
NO n est, docte, meis Hochzeitsgedicht für Johannes Reichel Dünnhaupt, Nr. 158; – Syncharmata | Nuptiis secundis | Reverendi, Eximii et Spectabilis viri, | D N. M. J OHANNIS | R EICHELII , | Monsterbergensis Silesii, | V RATISLAVIAE in Insula vicina ad D. Jo-|han. Concionatoris et nonnullarum Ec= |clesiarum vicinarum Pastoris disertissimi, | SPONSI, | cum | Egregia et Praestanti foemina, | M AGDALENA Loin/
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| Integerrimi Viri | D N. L EONHARDI D OEBLE -| RI , S. Caes. Maj. quondam | ab officiis, relicta vidua, | SPONSA, | Ad d. 13. Februarii, 1635. Ab Amicis destinata. (UB Breslau: 548381), fol. A2v f. Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Erstdruck. Das vorliegende Epigramm ist innerhalb einer Sammlung von Gedichten verschiedener Autoren anläßlich der Hochzeit des Pfarrers Johannes Reichel mit Magdalena Loin erschienen. Dieser Johannes Reichel ist wohl nicht identisch mit dem bei Flood, Bd. 3, S. 1642 f. angeführten, 1567 geborenen Bischdorfer Pastor und poeta laureatus gleichen Namens (vgl. auch Adolf Laminski: Aus den Schlesischen Dichterschulen. Materialien in einer Privatbibliothek des 17. Jahrhunderts aus Breslau, in: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte, Neue Folge 79, 2000, S. 93 sowie ebd., 81, 2002, S. 215 und 245). Nur wenig wahrscheinlicher ist eine Identifizierung mit dem in den Königsberger Matrikeln des Jahres 1630 verzeichneten „Johannes Reichel, Angerburgensis Borussus, iur.“ (Erler, Königsberg, S. 320; vgl. auch S. 332): Zwar deutet ein Gratulationsgedicht von Georg Seidel in o.g. Sammeldruck, fol. A3v f., auf einen biographischen Bezug zu Preußen hin (V. 5 f.: … patria est testis, Borussica tellus, / Saxonis Ensiferi Misnia ritè docet) der Zusatz „iur.“ in der Matrikel widerspricht jedoch dem im Titelblatt des Druckes genannten Berufsstand des Pastors Reichel. In dem relativ kurzen, nur aus acht Gedichten bestehenden Druck befindet sich Opitzens Epithalamium an fünfter Stelle. Ihm voraus gehen Glückwünsche von Zacharias Hofmann, Jeremias Tschonder, Jonathan Tilesius und Jacob-Martin Schickfuss von Neudorff; auf Opitzens Gedicht folgen noch die Carmina von Caspar Hofmann, Balthasar Rhorman und Georg Seidel. Inhaltlich verbindet Opitz in diesem Gedicht hochzeitliche Glückwünsche und literarische Selbstreflexion. Letzterer Aspekt dominiert (durch die Junktur meis … Musis in V. 1 thematisch eingeleitet und mit dem Topos der Zeitenklage verknüpft) die ersten sechs Verse und damit mehr als die Hälfte des kurzen Textes. Erst im letzten Drittel (V. 7–10) geht der Verfasser mit knappen Segenswünschen unmittelbar auf den konkreten Anlass des Gedichtes ein. – Versmaß: elegische Distichen. 1] Zur Dativwendung meis … Musis in vergleichbarer Konstruktion und innerhalb einer Anrede vgl. Statius, Silven 4,4,87 f.: nunc si forte meis quae sint exordia musis / scire petis. 2 f.] Gängiger, nicht ganz ernst zu nehmender Bescheidenheitsgestus. Man vergleiche in diesem Zusammenhang etwa Nüsslers Referat von Opitzens Auseinandersetzung mit seiner (lateinischen) Dichtung in der Vorrede zu den Silvae (LW 2, S. 140 f.). 2 gratia nulla fuit] Versklausel des Pentameters wie Properz, Elegien 2,33 (A), 20. 5 f.] Die politische Lage für Opitz und die Stadt Breslau war schwierig. Aufgrund des kürzlichen Abfalls Sachsens aus der zu dieser Zeit mit Schlesien kooperierenden schwedischen Koalition kehrte Opitz, der 1634 die schwedische Armee als Beobachter begleitet hatte, nach Breslau zurück, um von dort aus die weitere Entwicklung zu verfolgen (Szyrocki, S. 105 f.); es lässt sich, anders als es diese Verse suggerieren, für das Jahr 1635 eine reichhaltige schriftstellerische Arbeit Opitzens nachweisen: So vollendete er etwa zeitgleich mit dem Hochzeitsgedicht die Oper Judith (dazu ebd., S. 106).
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5 Et quis amet numeros haec inter taedia rerum] Einen vergleichbaren Gedanken äußert Opitz auch in seinen Distichen auf die Epigramme des Romanus Schmidt (LW 2, S. 230, I N ter inexhaustos Martis V. 1–3: I N ter inexhaustos Martis, Romane, furores … Quis sacros docti sibi poscat Apollinis aestus?; Kommentar ebd., S. 547–549). 9 f.] Hinweis auf den Berufsstand des Adressaten. Habe Reichel bislang für eine Vielzahl von Eheschließungen den Segen erbeten (gemeint ist: qua seines Amtes als Pfarrer), möge, so der abschließende Wunsch des Dichters, diesen nun ein günstiges Schicksal gewähren; zum „Faktum des Berufs“ als Fundort für ein Gelegenheitsgedicht vgl. Segebrecht, S. 119 f. (Zitat S. 119). 10 bona fata] Zur Junktur vgl. Horaz, carmen saeculare V. 27 f.: bona iam peractis / iungite fata (hier im Akkusativ) und Martial, Epigramme 9,56,10: o felix, si quem tam bona fata manent. [D.M.]
Vatis amica dies Epithalamium für Christoph Coler und Anna Freier Dünnhaupt, Nr. 162; – EPITHALAMIA , | HONORI | NUPTIARUM , | quas | C LARISSIMUS V IR | D N. C HRISTOPHORUS C OLERUS, | B OLESL . | In Gymnasio Vratislaviensi | Oratoriae Professor, | S PONSUS ; | ET | E XIMIA V IRGO | A NNA Freyerinn/| S PONSA ; | Vratislaviae, | cum magno DEO volente, | A . D. VII . Idus Quintileis | An. Chr. M DC XXXV. | et matrimonii dignitate, | et virtutum societate, | conjungent, | mactando; | AB AMICIS ACCANTATA. | V RATISLAVIAE , | Typis G EORG I B AUMANNI . (UB Breslau: 534587), fol. A3r–v. Das Gedicht Opitzens ist wiedergegeben bei Hippe, S. 39. Unsere Ausgabe folgt dem Erstdruck. Zur Vita von Christoph Coler (1602–1658) vgl. vor allem Hippe, passim, sowie die Ausführungen zu Opitzens Geleitgedicht für eine geplante Ausgabe von Gedichten dieses seines langjährigen Freundes (Tu nostro sermone; LW 2, S. 336–338). Coler war 1634 Professor der Poesie und Philologie am Elisabethgymnasium in Breslau geworden; drei Jahre darauf erhielt er dort die Stelle eines Conrector et Professor Historiarum et Eloquentiae. Anna Freier war die einzige Tochter von Nikolaus Freier, einem bereits verstorbenen Ältesten in der Innung der Rotgerber (Hippe, S. 39). Die Hochzeit fand am 9. Juli 1635 statt. In einem offiziellen Schreiben vom 24. Juni 1635, in dem Coler unter anderem auch den Rat seiner Heimatstadt Bunzlau ersuchte, einen Vertreter zu entsenden, führt er aus (wiedergegeben nach Hippe, S. 223): Desponsa autem mihi est mutuo utrinque consensu et more legitimo usque ad ritum Ecclesiasticum florentissima virginum Anna, honestissimi viri Nicolai Freieri, tribuni rufi-cerdonum, ut vocant, primarii, relicta unica filia, diesque Nuptiis solemnibus IX. Julii praestitutus. Opitzens Hochzeitsglückwunsch steht an dritter Stelle von insgesamt 18 Texten. Ihm voraus gehen die Beiträge von Bernhard Wilhelm Nüßler und Elias Major, ihm folgen unter anderem Beiträge von Heinrich Closius, Andreas Celichius, Christoph Schwartzbach, Matthias Machner, Sebastian Alischer, Melchior Ostius, Christian Cunrad – und damit in
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erster Linie Persönlichkeiten, die mit dem Schul- und Kirchenwesen in Breslau beruflich verbunden waren bzw. öffentliche Ämter bekleideten. Hippe, S. 39, schreibt in bezug auf das Epithalamium Opitzens: „Auch Ma r ti n O p i tz steuerte einige matte lateinische Verse bei, in der Blütezeit deutscher Hochzeitsreimerei ein trauriges Zeugnis für die lange Freundschaft, die den Vater der neuen deutschen Dichtkunst mit einem seiner gelehrigsten und begeistertsten Schüler verband“. Im Mittelpunkt des kurzen Textes steht der (inszenierte) Konflikt des Sprechers zwischen seinem Wunsch, dem Freund und Dichterkollegen die geschuldete poetische Hochzeitsgabe zuteil werden zu lassen, und seiner aus den widrigen Zeitläuften resultierenden Unfähigkeit, ein diesem Anlaß angemessenes Produkt zu überreichen. So wird schon zu Beginn des Gedichts (V. 1 f.) dem Leser die poetische Befähigung des Adressaten (Vatis … nostri ) vor Augen gestellt und auf das ganz besondere Ereignis verwiesen. Damit ist der Sprecher zu einem der Kunstfertigkeit (lepor, et faciles in carmina vires, V. 5) des Bräutigams gleichwertigen Gedicht aufgerufen und ist es außerdem seine Aufgabe als Poet, ein Preislied auf die Schönheit der Braut zu singen. Mit Sed (V. 7), und damit am Beginn der zweiten Hälfte des Textes, erfolgt der abrupte Übergang zur Schilderung der persönlichen Katastrophe des Sprechers (V. 7–10). Die Gründe für diese kommen jedoch von außen: Das Elend des Vaterlandes läßt die poetische Produktion (und eine freundschaftliche aemulatio in der Poesie) nicht zu. Wer jedoch wohl dem ingenium des Bräutigams gleichkommen wird, ist die Braut, wenn sie diesem Kinder schenkt. – Versmaß: elegische Distichen. 1 f.] Möglicherweise eine Imitation von Giovanni Pontano, Amores 1,7 (Hymnvs in Noctem), 1 f.: Nox amoris conscia, quae furenti / Ducis optatam iuueni puellam (Ioannes Iovianus Pontanus: Amorum libri II … Venedig 1518, fol. a8v.) 3 f.] Kadmos ist der mythische Gründer Thebens. Für die Tötung eines Drachens muß er Ares acht Jahre lang dienen und erhält danach Harmonia, die Tochter des Ares und der Aphrodite, zur Frau. Zur Hochzeit bringen die Götter reiche Geschenke, das Brautlied wird von den Musen (im vorliegenden Gedicht: Heliconia … gens nach ihrem Wohnsitz auf dem Helikon) gesungen; vgl. Theognis, Elegien [1,]15–18. In den Dichtungen des Melanchthonkreises wurde auf diesen Auftritt der Musen mehrfach Bezug genommen, u. a. von Micyllus in seinem Epithalamion für Johannes Stigelius; vgl. dazu eingehend Walther Ludwig: Musenkult und Gottesdienst. Evangelischer Humanismus der Reformationszeit, in: Die Musen im Reformationszeitalter, hrsg. von Walther Ludwig. Leipzig 2001 (= Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 1), S. 9–51, hier vor allem S. 31 f. Zum Mythos vgl. auch Roberto Calasso: Die Hochzeit von Kadmos und Harmonia. Frankfurt am Main 1990. 8 patriae casus] Die Ereignisse im Gefolge des Prager Friedens werden u. a. im Kommentar zur Widmung der Antigone (LW 3, S. 463 f.) referiert. 8 altius ire] Gemeint ist der ‚dichterische Höhenflug‘. 9 sopitae munera venae] Hier ist vena im Sinne von ‚poetische Ader‘ zu verstehen; vgl. zum Beispiel Juvenal, Satiren 7,53–59, vgl. außerdem den Hochzeitsglückwunsch Nüßlers für
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Coler (fol. A2r), V. 1–4: Nunc juga Parnassi totumque Helicona moveri / Par erat, ad taedas, docte Poeta, tuas. / Sed neque mî faciles ter tres scis esse puellas; / Omnis et hoc duro tempore vena riget. 10 infra] Konjektur für das überlieferte intra. 11 f.] Wohl auch in Zusammenhang zu sehen mit einer Auffassung von der Aufgabe einer guten Ehefrau, wie sie sich bereits in I Tim 2,13–15 findet (in der Vulgata): Adam enim primus formatus est, deinde Eva; / [14] et Adam non est seductus / mulier autem seducta in praevaricatione fuit / [15] salvabitur autem per filiorum generationem / si permanserint in fide et dilectione et sanctificatione cum sobrietate. Vgl. auch Luthers Predigt vom Ehstand von 1525, in: WA, Bd. 17/1, S. 12–29, hier S. 25 f.: „Also tröstet auch S. Paulus die weiber 1. Timo: 2. [1. Tim. 2,14 f.] da er saget: ‚Adam ward nicht verfuret, das weib aber ward verfüret und hat die ubertretung eingefürt, Sie wird aber Selig werden durch kinder zeugen‘, das ist gar ein gros herrlich, tröstlich wort, das die weiber umb der gantzen Welt schatz nicht solten geben, das sie hören, das jre schmertze und kümmernus, so sie mit kinder geberen haben, so hoch Got angeneme und gefellig ist, das sie dadurch selig werden. Was könt tröstlichers den weibern gesaget werden?“ [V.M., W.L.]
Non his carminibus Epicedium für Anna Fölckel Dünnhaupt, Nr. 163; – EPICEDIA | M EMORIAE | A NNAE F OELKELIAE | SACRA. [Kolophon: VRATISLAVIAE, | Typis G EORG I B AUMANNI , | Anno C HR . M DC XXXVI .] (UB Breslau: 355136), fol. B4v–C1r. Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. Angaben zur Vita von Anna Fölckel (Fölkel) sind den beiden auf das Titelblatt des Drukkes folgenden, in der Art eines Epitaphs gestalteten Seiten (fol. A1v–A2r) zu entnehmen (wodurch im übrigen auch die Lebensdaten bei Pusch zu korrigieren wären; s. u.). Sie war die Tochter von Daniel Althof gen. Scholtz und Anna Seyller; vgl. Pusch, Bd. 1, S. 423; vgl. Assisdum Lector | pauca volo tecum loqvi, | Matronarum eximiae, | ANNAE | Nobilium Clarissimorumqve natalium | nomine | Althofio Seyllerianae, | qvae Anno Christi M DC II. A.D. XII. Cal. Sext. | optimis iisdemqve laudatissimis parentibus | nata (fol. Av). Ihre Familie wird bereits 1401 in der erblichen Scholzenwürde von Altenhof (Althofnaß bei Breslau) genannt; dadurch erklärt sich auch der Name; siehe Pusch, Bd. 1, S. 20. Im Jahre 1410 erwarb die Familie das Bürgerrecht von Breslau. Wie aus dem Gedicht von Daniel Winkler im vorliegenden Trauerdruck hervorgeht (fol. C2r), starb Anna Fölckel an Phthisis (wahrscheinlich Schwindsucht). Annas Ehemann Friedrich Fölckel (geboren 1593 oder 1588, gestorben wohl 1639) besuchte 1611 die Universität Wittenberg und wurde 1628 Stadtsekretarius in Breslau (Pusch, ebd.). Seine Vorfahren waren wohl ursprünglich Handwerker, doch gelang Angehörigen der Familie die Einheirat in Breslauer Patrizierkreise, nicht zuletzt Friedrich selbst. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor, von denen vier beim Tod Annas noch lebten, wie auch in verschiedenen Gedichten betont wird.
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Zwei der Söhne, Johann Friedrich und Christian, beenden mit ihren Texten die Reihe der Trauergedichte im vorliegenden Druck. Auch Fölckels zweite Frau, Elisabeth von Schilling, die er 1638 heiratete (s. HPG 2, S. 632, Nr. 1915), stammte als Tochter eines Breslauer Ratsherrn aus dem Patriziat dieser Stadt. Opitzens Epicedium steht an zwölfter Stelle der über vierzig Gedichtbeiträge, unter deren Verfassern sich diejenigen befinden, die im damaligen Breslau Rang und Namen besaßen, so unter anderem (Rangfolge gleich Reihenfolge) Jakob Schickfuß von Neudorf, Johann Hoffmann von Hoffmannswaldau, Reinhard Rosa in Rosenigk, Nikolaus Henel, Johann Pein, Daniel Hermann, Bernhard Wilhelm Nüßler, Elias Major, Christoph Coler, Christoph Schwartzbach, Christian Cunrad, Andreas Senftleben. Am Anfang von Opitzens Gedicht steht der Hinweis auf den Anlaß für dieses Trauercarmen (V. 1–6), dessen Abfassung eine Freundespflicht darstelle. Die Übung im Formulieren von Klageliedern (Elegiae) resultiert jedoch aus dem jahrelang erfahrenen Leid einer ganzen Region, für dessen Artikulation letztlich kein Dichter die entsprechenden Worte finden kann (V. 7–12). Zu diesem allgemeinen Unglück tritt für den Adressaten das private durch den Tod seiner Gattin (V. 13 f.). Diese verkörperte alle Tugenden, die eine vorbildliche Ehefrau in guten wie in bösen Tagen besitzen sollte, nicht zuletzt stand sie ihrem Mann in seinen Sorgen um das bedrängte Gemeinwesen zur Seite und erfüllte ihn mit neuem Lebensmut (V. 15–21). Um so schmerzlicher ist für diesen die Erfahrung des Verlustes, die der Sprecher mit seinen Trostworten zu mildern sucht (V. 22–28). Mit De rapta quaeris conjuge? moeror abi (V. 28) knüpft er direkt an die Formulierung in V. 14 (E dulci conjunx optima rapta thoro est) an: Durch die soeben vorgebrachten Trostgründe ist die dort formulierte Klage hinfällig geworden. Die Schlußsentenz (V. 29 f.) faßt diese Trostgründe epigrammartig zusammen. – Versmaß: elegische Distichen. 1 f.] Vgl. dazu folgende Ausführungen auf den erwähnten ‚Epitaph‘-Seiten des vorliegenden Drucks: Maritus, qvem dixi, | hac cordis viateqve suae corona unica privatus, | viduitatem, moestitudinem, curas, desiderium | relicta sibi esse persentiens, | idem tamen | amoris virtutemqve conjugis dilectissimae, | qvibus, ea vivente, nihil habebat jucundius, | MEMORIAM | sic qvoqve sibi conservandam ducens, | monumentum hoc literarium, | adminiculante | cum benigna, taum vero etiam piae | Fautorum atqve Amicorum | opera ponebat. 3 Sed quoniam et lachrimis sua creditur esse voluptas] Vgl. Ovid, Tristia 4,3,35–38: tu vero tua damna dole, mitissima coniunx / tempus et a nostris exige triste malis, / fleque meos casus: est quaedam flere voluptas; / expletur lacrimis egeriturque dolor. Zu überlegen wäre, ob hier die Aussage aus den Seligpreisungen Mt 5,5 Beati qui lugent quoniam ipsi consolabuntur mit einbezogen werden kann. Siehe dazu allgemein auch den Aufsatzband: Tränen, hrsg. von Beate Söntgen und Geraldine Spiekermann. München 2008. 6 quos] Im Erstdruck: quo. Hier ist aus syntaktischen und metrischen Gründen ein Druckfehler anzunehmen. 7 Hos docuit nos longa dies, hos publica damna] Verweis auf die lang andauernden Jahre des Krieges und die damit verbundenen Leiden für die Menschen. 7 longa dies] Hier wohl im Sinne von ‚langer Zeitraum‘ zu verstehen; vgl. zum Beispiel Vergil, Aeneis 5,781–784: Iunonis grauis ira neque exsaturabile pectus / cogunt me, Neptune, preces
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descendere in omnis; / quam nec longa dies pietas nec mitigat ulla, / nec Iouis imperio fatisque infracta quiescit. 9 f. Moeonidae redeat, redeat divina Maronis Musa] Maeonia: eine Landschaft in Lydien, metonymisch auch für Lydien selbst (so bei Vergil, Aeneis 10,141; Ovid, Metamorphosen 6,5), hier in Bezug zu setzen zu Homer, der aus Lydien/Mäonien stammen soll (vgl. zum Beispiel Ovid, Amores 3,9,25 f.: Adice Maeonidem, a quo ceu fonte perenni / Vatum Pieriis ora rigantur aquis). Bei Maro handelt es sich um das cognomen Vergils. 13 f.] Vgl. folgende Formulierung auf den ‚Epitaph‘-Seiten, hier fol. A2r : … in ipso aetatis vigore | prope inopinata, immatura certe morte, | rebus humanis | anno Christi M DC XXXV. A. D. VII. Idus Novemb. | placie beateqve exemta fuit, … 15–20 Compare qua tibi vita fuit jucundior olim] Anklänge an das Bild einer vorbildlichen Ehefrau, wie dieses bereits im Alten Testament gezeichnet wurde (so Prov 31,10–31). Vgl. folgende Ausführungen auf den genannten ‚Epitaph‘-Seiten des vorliegenden Drucks, hier fol A 2r : … post deinde | cum Nobili Consultissimoqve Viro | Dn. Friderico Foelkel | â Tscheschenaw | Amplissimo Senatui Vratislaviensi | a Secretis, | pio, tranqvillo, svavi, et, | absqve diremtione ista fatali fuisset, | omnimodis fortunato conjugio | nupta, | septem liberorum mater | facta, | per omnem vitam | officio | foeminae | deo pietatem, et in secvndis adversisqve constantiam, | parentibvs, et marito, amorem, fidem, obseqvivm, castimoniam, | caeteris aeqvitatem, pvdorem, benignitatem, concordiam, | qvantum humaniter licet, probantis, | laudabili exemplo functa … Vgl. auch Micyllus’ große Elegie auf den Tod seiner Gattin (abgedruckt in: Humanistische Lyrik, S. 374–393). 17–20] Anspielung auf die Amtstätigkeit Fölckels. Zum Rat der Stadt Breslau und seiner Zusammensetzung in dieser Zeit s. Chronik der Stadt Breslau von der ältesten bis zur neuesten Zeit, hrsg. von Friedrich G. Adolf Weiß. Breslau 1888, S. 956. 21 Aret lingva tuo longè gratissima cordi] In Prov 31,11 heißt es über die tüchtige Frau: confidit in ea cor viri sui et spoliis non indigebit; in Prov 31,26: os suum aperuit sapientiae et lex clementiae in lingua eius. Die Formulierung Aret lingva erinnert zudem an Ps 22 (21),16. 22 Ad superos rediit spiritus, unde fuit] Vgl. Koh 12,7 (in der Vulgata: et revertatur pulvis in terram suam unde erat / et spiritus redeat ad Deum qui dedit illum). 24 Quaeque fugit leges funeris una fides] Der Glaube an die Auferstehung als Kern des christlichen Glaubens, vgl. zum Beispiel I Kor 15,17: quod si Christus non resurrexit / vana est fides vestra. 25 Ista et adhuc ex parte tua est] Von Opitz auch in anderen Texten auf Verstorbene betont, so in der Leichenrede auf die siebenbürgische Fürstin Zsuzsanna Károlyi (vgl. LW 1, S. 256 und 467). Vielleicht auch Anspielung auf Eva, die aus Adams Rippe stammt (Gen 2,21–24). Zu bedenken wäre auch die Möglichkeit, fides (V. 24) mit ‚Treue‘ zu übersetzen und Ista auf fides zu beziehen. Der Vers lautete dann übersetzt: „Mit diesem Teil ist sie immer noch die Deine.“ 25 f. sunt caetera summi, Quem spe nos, oculis sed videt ipsa, Dei] Vgl. I Kor 13,12 (in der Vulgata: videmus nunc per speculum in enigmate / tunc autem facie ad faciem / nunc cognosco ex parte / tunc autem cognoscam sicut et cognitus sum).
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28 De rapta quaeris conjuge?] Durch die Formulierung Anklänge an entsprechende termini der Gerichtssprache, hier wohl im Sinne von ‚eine Untersuchung anstellen‘, ‚nachforschen‘, so nicht selten in Gerichtsreden Ciceros (vgl. Pro Sex. Roscio Amerino 78: Omnia, iudices, in hac causa sunt misera atque indigna; tamen hoc nihil neque acerbius neque iniquius proferri potest: mortis paternae de servis paternis quaestionem habere filio non licet! Ne tam diu quidem dominus erit in suos dum ex eis de patris morte quaeratur?). 29 f.] Evtl. Anspielung auf die Zwei-Reiche-Lehre. [V.M.]
IN sontis patriae Epicedium für Johannes Freudenberg Dünnhaupt, Nr. 164; – JOHANNIS FREUDENBERGII | VARIA LAVDE DIGNISSIMI | MEMORIA | AB | Amicis | QVOS | SVI NUNQVAM FVTVROS IMMEMORES | POST SE RELIQUIT. | AB INJVRIA OBLIVIONIS | ASSERTA . | E TYPOGRAPHEO | RHETIANO. | ANNO M . DC . XXXVI . – o.O. [Danzig] (UB Breslau: 355435), fol. F2r. Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. Der vorliegende Druck beginnt mit einer Leichpredigt von Michael Blanckius, dem Pastor an der Danziger Katharinenkirche, der diese dort am 29. Oktober 1635 hielt. Ihr schließt sich eine ausführliche Lebensbeschreibung Freudenbergs (fol. D2v–E1v) an: Demnach wurde Johannes Freudenberg 1590 in Breslau geboren. Sein Vater, Caspar Freudenberg, war dort Uhrmacher und Zunftmeister, seine Mutter Maria, geborene Eichler, hat ihren Sohn überlebt. Nach dem Besuch des Breslauer Elisabethgymnasiums studierte Freudenberg ab 1611 in Wittenberg, vier Jahre später in Jena neben Jura auch Theologie, Musik und Mathematik. Sein Talent als Musiker wird in einigen Gedichten dieses Drucks hervorgehoben, so heißt es zum Beispiel in dem Epicedium von Paul Neander (fol. F4r): Hinc, penes ingenuas artes, quas gnaviter omnes / Addidicit, cordi Musica semper erat: / Quam docuere; Sweling: Bull: Schütz: Marentius: Orland: / Graefenthal: Loython: Scheitius atque Sifert: / Inprimis Frescobaldi … / … Hâc oblectabat sese … Auch in verschiedenen bio-bibliographischen Einträgen findet sein Talent als Musiker Erwähnung; vgl. zum Beispiel Zedler, Bd. 9, Sp. 1830. Für die Universität Wittenberg wird er 1614/15 in mehreren juristischen Disputationsdrucken als Respondent genannt. 1616 kehrte er nach Breslau zurück, 1617 wurde er Präzeptor verschiedener Söhne von schlesischen Adeligen, die er in dieser Funktion von 1625 bis 1632 zu Universitäten in Deutschland (Altdorf, Straßburg), dann nach Frankreich (1629 Immatrikulation in Orléans) und Italien begleitete. So befand er sich als Hofmeister der Herren von Schliewitz und von Schweinichen in einer schlesischen Reisegruppe von neun Studenten, die sich an der Universität Siena am 10. Juni 1630 immatrikulierte; vgl. Zonta, S. 197 und 401. In bezug auf seine letzten Lebensjahre heißt es bei Blanckius: „Dergleichen Condition, damit er bey so vnruhigem vnd gefehrlichem Zustand des Vaterlands/ sein jhm von Gott anvertrawtes Pfündlein nicht vergrübe/ hat er folgends Anno 1633. bey etlicher anderer fürnehmer Herren standes vnnd vom Adel in Schlesien/ Kinder angenommen/ vnd sich mit den denselbigen vor zwey Jahren anhero nach Dantzig
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begeben/ deß fürsatzs/ anderwerts mit jhnen in frembde Länder/ dazu er sonderbahre Lust gehabt/ zu verreisen. Weil aber auch diesen löblichen fürsatz allerley vorgefallne vngelegenheit verhindert/ hat er rathsam befunden/ seinen jhm hoch anvertrawten vom Adel wieder heim zu bringen/ vnd den seinigen einzuhändigen. Nach glücklichen vollbrachtem fürhaben/ ist er abermahl vngefehr vor 10. Wochen zu Dantzigk angelanget/ hie zur stel/ als ein Wächter auff seiner hutt/ erwartend/ wohin jhn endlich Gott mit seinen Augen vnd Rath leiten/ zu seinem dienst beruffen vnd gebrauchen würde“ (fol. D3r–v). In Danzig wurde er schwer krank und starb hier am 25. Oktober 1635. Opitzens Epicedium findet sich im vorliegenden Druck an achter Stelle von insgesamt zwanzig Beiträgen, ihm voraus gehen Trauergedichte von Breslauer und Danziger Honoratioren wie Jakob Schickfus von Neudorf, Reinhard Rosa, Nikolaus Henel, dem Rektor des Danziger Akademischen Gymnasiums Johannes Botsack, Daniel Hermann, aber auch von Nikolaus Zorawski, Art. et Med. D. S.R.M. Math.; Opitzens Carmen folgen unter anderem Texte von Elias Major, Paul Neander, Christoph Schwartzbach und Johannes Mochinger. Einige dieser Beiträge gehen auf die Lebensstationen Freudenbergs ein, hervorzuheben ist hier das EPICEDIVM VITAE FREUDENBERGII CURRICULUM CONTINENS von Thomas Schröer V. J. C. (fol. F2v–F4r). Nicht zuletzt von den Möglichkeiten, seine Heimat zu verlieren und zu finden, handelt dieses Epicedium. In diesem Sinne werden bereits die beiden ersten Distichen einander gegenübergestellt: Während sich aus den Versen 1 f. die Gründe ergeben, die zum Weggang bzw. zur – unfreiwilligen – Flucht Freudenbergs aus seinem Vaterland führten, schildern die beiden folgenden Verse die Situation des „Gestrandeten“ an einer nicht näher bezeichneten nobilis sedes, für ihn verbunden mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Doch auch dieser „Ruheort“ (tranquilla ad littora) erweist sich für Freudenberg nur als ein vorläufiger, zeitlicher, wie mit dem abrupt einsetzenden Sed zu Anfang von V. 5 deutlich wird: Gott als oberster Weltenlenker hat für ihn eine andere Stätte vorgesehen (V. 5 f.), die für ihn die schlußendliche Erfüllung bedeutet (V. 7 f.). Die Liebe seines Freundes sorgt jedoch dafür, daß Freudenberg nicht ganz (aus dem Gedächtnis) der irdischen Sphäre entschwindet (V. 9 f.). So hat Freudenberg schließlich, wie das letzte Distichon auf argute und augenfällige Weise konstatiert, bei Gott und den Menschen gleichermaßen eine unvergängliche Heimat gefunden. – Versmaß: elegische Distichen. 1 f.] Siehe dazu die oben zitierte Stelle aus der Lebensbeschreibung. Zu beachten ist die Wertung, die der Sprecher vornimmt: Bereits am Anfang dieses Epicediums (IN sontis patriae) wird betont, daß diejenigen, die am katastrophalen Zustand des Vaterlands schuld sind, sozusagen „von außen“ kommen müssen. 3 f.] Siehe dazu ebenfalls die oben zitierte Stelle aus der Lebensbeschreibung. Michael Blanckius führt in bezug auf Freudenbergs Aufenthalt in Danzig noch aus, daß dieser, als er hier von seiner tödlichen Krankheit heimgesucht wurde, zum einen wegen seiner Mutter, zum anderen aber auch wegen bestimmter Zukunftsaussichten gern am Leben geblieben wäre: „Zumahl da er gewisse Nachricht hette/ einer stündlich gewärtigen vocation, zu einem vornehmen und geehrten Ampte“ (fol. D4v). 5 f.] Daß Opitz wohl durchaus Interesse an Astronomie bzw. Astrologie, speziell auch an der Himmelsmechanik, zeigte, beweisen mehrere Texte, die in diesen Jahren entstanden
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sind, so der Vesuvius von 1633 (s. dazu LW 3, S. 373 u. ö.). Auch in dem Epicedium für den Astronomen Peter Crüger verweist der Sprecher noch auf die zur damaligen Zeit aktuellen Diskussionen um die Himmelsmechanik (s. dazu LW 3, S. 603). 7 Felix sorte sua] Nach der Lebensbeschreibung von Blanckius akzeptierte Freudenberg schließlich sein Schicksal: „Drumb ergab er sich desto williger darein/ vnd vergaß alles andern in der Welt/ sagte: Ich bekomme itzt eine andere vocation auß Dantzig in mein Vaterland das droben ist …“ (fol. D4v). 8 Et promissa pijs praemia magna capit] Vgl. zum Beispiel das Ende der Bergpredigt Jesu (Mt 5, 11 f.): Beati estis cum maledixerint vobis et persecuti vos fuerint / et dixerint omne malum adversum vos mentientes propter me./ [12] gaudete et exsultate quoniam merces vestra copiosa est in caelis / sic enim persecuti sunt prophetas, qui fuerunt ante vos, oder Kol 3,23 f.: quodcumque facitis / ex animo operamini / sicut Domino et non hominibus / [24] scientes quod a Domino accipietis retributionem hereditatis. 9 Ne tamen et nobis jam nulla parte supersit] Siehe dazu auch Vers 25 f. in dem wohl fast gleichzeitig entstandenen Epicedium Opitzens auf Anna Fölckel (LW 3, S. 128): Ista et adhuc ex parte tua est; sunt caetera summi, / Quem spe nos, oculis sed videt ipsa, Dei. 10 Hoc Mochingeri perficit acer amor] Damit bezieht sich der Sprecher nicht zuletzt auf den vorliegenden Druck selbst (s. auch die Angaben auf dem Titelblatt), vor allem wohl auf das (fol. E2r–v) abgedruckte Epitaphium, das den eigentlichen Trauergedichten vorausgeht. Dieses wurde in der Danziger Katharinenkirche HONORI ET MEMORIAE | BEATI | … ERECTUM , wie es im Text heißt. In dieser Gedenk-Inschrift werden, ähnlich wie in der Leichpredigt, wichtige Lebensstationen des Verstorbenen geschildert. Zum Schluß heißt es hier: … A NNO C HRISTI M DC XXXV. D IE XXV. OCTOB . | AETATIS SUAE XLVI . | GEDANI PIE ET PLACIDE DENATVS | HICQUE IN SPEM RESURRECTIONIS CONDITUS EST | QVOD TE NESCIRE NOLVERVNT | I N H ONOREM | FILII , PROPINQVI ET AMICI SVI | CUI VITAM CONSERVARE NON POTUERUNT | UT MEMORIAM EIUS CONSERVARENT | SE VIVIS MORTVISQVE | MARIA EICHLERIA MATER | NON SINE MOERORE SUPERSTES | JOHANNES KURTZMANNUS ECCLESIASTES BRESLAE | D EFUNCTI C ONSANGVINEUS | JOHANNES MOCHINGERUS ECCLESIASTES HUIUS AEDIS | U TERQUE I NTER M ULTOS ALIOS B EATI A MANTISSIMUS … Mochinger unterschrieb im übrigen sein Epicedium auf Freudenberg im vorliegenden Druck mit Johan. Mochingerus mei F REUDENBERGII / nunquam in omni vitâ futurus immemor (fol. G2v). Zu beachten ist, daß Johannes Mochinger (wohl später) ein Elogium Beati Johannis Freudenbergii verfaßte, de amico memoriae dvrantis declarandae cavssa, scriptvm editvmqve … anno M DC LI, gedruckt 1651. Johannes Mochinger (1603–1652), ein enger Freund Opitzens, für den dieser bereits 1631 ein Epithalamium verfaßt hatte, war in Danzig geboren, wurde 1629 Diakon der Kirche zu St. Katharina und wirkte ab Juli 1630 zudem als Professor für Beredsamkeit am Akademischen Gymnasium in Danzig; s. Noack, S. 73 f., und den Kommentar zu dem genannten Hochzeitsgedicht (Ille decus patriae; LW 2, S. 426–429). 12 ille] Konjektur für das syntaktisch nicht verständliche illa [V.M.]
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SU nt cum publicae tum priuatae caussae Vorrede zum L OBGETICHT An die Königliche Majestät zu Polen vnd Schweden Dü 168.1. – LOBGETICHT | An die Königliche Majestät | zu Polen vnd Schweden; | Geschrieben | von | M ARTINO O PITIO. | Thorn/ | Gedruckt durch Franciscum Schnell boltz/ | Jm Jahr 1636. (UB Breslau: 553008), S. 1–3. Im selben Jahr 1636 erschienen weitere, praktisch textgleiche Ausgaben in Danzig und Lissa im Quartformat, die genaue zeitliche Abfolge der Drucke ist nicht zweifelsfrei zu ermitteln. Unsere Ausgabe folgt dem Thorner Folio-Druck. Opitz war durch Gerhard Graf Dönhoff, den Widmungsempfänger der Antigone-Übersetzung (s. Kommentar dazu), im Januar 1636 mit dem polnischen König Władysław IV. bekannt gemacht worden – sei es in Thorn, seinem Wohnsitz in den Jahren 1635/36 (vgl. Szyrocki, S. 110 und 155, Anm. 4), sei es in Danzig, wohin er dem König nachreiste (Conermann/Bollbuck, S. 1316). Das deutschsprachige Lobgeticht (S. 4–10 des vorliegenden Druckes), das den jüngst geschlossenen „Waffen Stillestandt“ (S. 4) zwischen Polen und Schweden als Anlaß aufgreift, wurde Władysław wohl bei jener ersten Begegnung übergeben. Es diente zweifellos der Empfehlung seiner eigenen Person, wie denn Opitz tatsächlich wenig später zum polnischen Hofhistoriographen ernannt wurde, zugleich ist aber auch eine weiter reichende „propagandistische Funktion“ (Verweyen, s. unten, S. 31) mit Blick auf die Verbreitung religiöser Toleranz anzunehmen. Thematisch überlagern sich das 292 Verse umfassende Alexandrinergedicht und die lateinische Vorrede; beide Texte widmen sich – in dieser Reihenfolge – den kriegerischen Leistungen und dem Friedenswerk des Königs. Akzentverschiebungen sind meist gattungsspezifischen Differenzen zwischen episch gefärbtem Preisgedicht und gelehrtem Prosapanegyricus geschuldet, zu Einzelheiten vgl. Seidel (2011). Die offenkundigste Abweichung zwischen den Texten besteht darin, daß das Gedicht die ‚zivilen‘ Tugenden des Königs in Katalogform präsentiert, während in der Vorrede die Kardinaltugend der Gerechtigkeit (Justitiam imprimis …) in breiter Ausfaltung ihrer Aspekte herausgestellt wird. Überdies versucht der Prosatext bei aller Ausführlichkeit doch nicht, den Perspektivenreichtum des deutschen Gedichtes vollständig zu übernehmen, so werden ganze Komplexe wie etwa das ‚Freizeitverhalten‘ des Königs (Lobgeticht, S. 9) ausgespart. – Während die lateinische Vorrede, die eigentlich mehr den Charakter einer gattungsverschobenen Parallelversion als den eines Paratextes besitzt, bislang nur bei Seidel (2011) behandelt wurde, widmen sich dem Lobgeticht zwei eigenständige Beiträge: Theodor Verweyen: Barockes Herrscherlob. Rhetorische Tradition, sozialgeschichtliche Aspekte, Gattungsprobleme, in: Der Deutschunterricht 28 (1976), Heft 2, S. 25–45; Gra˙zyna Barbara Szewczyk: Bilder des Krieges und der Friedensgedanke im Gedicht von Martin Opitz Lobgedicht an die Königliche Majestät zu Polen und Schweden, in: Leben und Tod, Kriegserlebnis und Friedenssehnsucht in der literarischen Kultur des Barock. Zum Gedenken an Marian Szyrocki (1928–1992), hrsg. von Mirosława Czarnecka. Wrocław 2003 (= Acta Universitatis Wratislaviensis 2504), S. 139–146; vgl. außerdem Szyrocki, S. 110–113. Das Lobgeticht ist (ohne die lateinische Vorrede) abgedruckt in: Orte und Gedichte, S. 171–183, Kurzkommentar ebd., S. 224 f. Die Vorrede beginnt mit topischen Begründungen dafür, warum die Abfassung des
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Glückwunschschreibens an den König eigentlich überflüsig sei. Im ersten, den kriegerischen Erfolgen Władysławs gewidmeten Hauptteil gedenkt der Schreiber der frühen Leistungen des Kronprinzen ebenso wie späterer Erfolge in seinen Kämpfen vor allem gegen Russen und Türken. Im Mittelpunkt steht – wie in einigen anderen Texten Opitzens und auch im Lobgetichte selbst – die Schilderung des Sieges bei Smolensk im Jahre 1634 (vgl. Kommentar zu Vrbs curae superum, sowie Seidel, 2011). Eine Überleitung (Ut … arte bellica et successu …; ita togae decoribus ac positis extra laudem armorum virtutibus …) weist auf die Friedenstugenden des Königs, unter denen, wie schon angeführt, die Gerechtigkeit einen besonderen Platz einnimmt. Ihr sind neben anderem die für schlesische Glaubensflüchtlinge existenzielle Gastfreundlichkeit der polnischen Herrschaft (perfugium sibi apud te quaerentibus adeo hospitales recessus, adeo beatum exilium concedis) sowie deren religiöse Toleranz im allgemeinen (liberam cuivis circa divina sententiam relinquis) zu verdanken. Im Schlußpassus der Vorrede werden künftige Erfolge wie auch die Anerkennung des Königs bei allen Bevölkerungsgruppen prognostiziert, und den Gelehrten wird die Aufgabe erteilt, Władysławs Verdienste in gebührenderer Weise, als der bescheidene Verfasser es vermöge, zu würdigen. – Auch nach seiner rhetorischen Struktur weist der Text eine Dreiteilung auf: Während im ersten, den Krieg betreffenden Teil die Emphase durch die Variation von Fragepronomina markiert ist (Quis … Quantopere … Quam fortiter … usw.), wird die herausragende Stellung der Gerechtigkeit als Herrschertugend durch deren wiederholtes Aufgreifen in Form von Demonstrativpronomina hervorgehoben (Justitiam … Hanc … Huic … Hujus …). In der abschließenden Prognose wird das Personalpronomen der zweiten Person streckenweise anaphorisch eingesetzt (Te … Tibi … Tibi … Tibi … tibi … Te … te …). POLONIAE ET SVECORUM REGI ] Der Anspruch Władysławs auf die schwedische Krone leitete sich von seiner dynastischen Herkunft ab. Sein Vater Zygmunt III. aus dem Hause Wasa, den die polnischen Magnaten 1587 auf den Thron gehoben hatten, war schwedischer Kronprinz gewesen, hatte sich allerdings nicht dauerhaft gegen seinen Konkurrenten Karl (IX.) behaupten können. Bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurden permanent Kriege zwischen Schweden und Polen um die Vorherrschaft an der Ostsee geführt.
VLADISLAO SIGISMVNDO] Władysław IV. (1595–1648) war der Sohn des polnischen Königs Zygmunt III. (1566–1632) und der Erzherzogin Anna von Österreich. In dynastischer Hinsicht war sein Leben von erfolglosen Bemühungen um die Krone Schwedens und die russische Zarenkrone geprägt, praktisch erzielte er durchaus Erfolge in der Abwehr der militärischen Gegner im Osten (Russen, Türken) und bei der inneren Befriedung und kulturellen Entwicklung seines Reiches. Im Folgenden werden die im Text genannten historischen Ereignisse mit Rückgriff auf geläufige Hilfsmittel rekapituliert, vgl. etwa Zedler 49, Sp. 511–515; Gotthold Rhode: Polen-Litauen vom Ende der Verbindung mit Ungarn bis zum Ende der Vasas (1444–1669), in: Handbuch der europäischen Geschichte, hrsg. von Theodor Schieder. Bd. 3. Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, hrsg. von Josef Engel. Stuttgart 1971, S. 1006–1061, mit ausführlichen Hinweisen auf die ältere polnische Forschung; Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2003 (= Reclams Universal-Bibliothek 17060). Die in polnischer Sprache verfaßten Spezialmonographien konnten nicht ausgewertet werden. Zu nennen wären hier vor allem
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Władysław Czapli´nski: Władysław IV i jego czasy. Warszawa 1976; Henryk Wisner: Władysław IV Waza. Wrocław 1995. 8 instar Vrbis AEternae coloniarum] Den Beinamen ‚ewige Stadt‘ trug Rom seit der Antike. 8 f. linguam illam usu perpetuo sibi domesticam fecerit] Tatsächlich breitete sich die humanistische Lateinkultur in Polen nicht später als im deutschen Kulturbereich aus, also bereits seit dem späten 15. Jahrhundert. Allerdings kann die Regierungszeit Władysławs durchaus als Blütezeit der litterae bezeichnet werden, so wirkte der bedeutendste lateinische Autor Polens, Maciej Kazimierz Sarbiewski (1595–1640), in dieser Ära. Einen Überblick über den Humanismus in Polen bietet Jozef IJsewijn: Companion to Neo-Latin Studies. Part I … Leuven 1990 (= Supplementa Humanistica Lovaniensia 5), S. 239–253. Die umfassende literarische Bildung des Königs wurde in der Forschung immer wieder betont, so neuerdings bei Lore Benz: Sarbiewskis Silviludia, in: Sarbiewski. Der polnische Horaz, hrsg. von Eckart Schäfer. Tübingen 2006 (= NeoLatina 11), S. 255–269. Vgl. auch Zedler 49, Sp. 511: „Er wurde ein gelehrter Herr, wuste die Lateinische, Italienische, Deutsche und Pohlnische Sprache wohl zu reden, war auch in der Historie nicht unerfahren.“ 11 atque tu ipsum] Danziger Ausgabe: atque te ipsum 18 aetate tiro, virtute veteranus] Unter den zahlreichen Herrschertugenden, die Opitz im Anschluß an die Panegyrici Latini dem polnischen König zuschreibt, steht das Motiv der Frühreife (puer senex), speziell der früh ausgeprägten militärischen Tüchtigkeit, am Beginn. Vgl. hier und im Folgenden Michael Mause: Die Darstellung des Kaisers in der lateinischen Panegyrik. Stuttgart 1994 (= Palingenesia 50), hier S. 77–84, mit Angaben zu weiterführender Literatur S. 78. 20 in Moscoviam cum exercitu missus] In den Auseinandersetzungen zwischen Rußland und Polen ging es um Gebietsfragen, aber auch um eine mögliche Erhebung Władysławs zum russischen Zaren. Der Krieg von 1617 bis 1619, den Opitz hier und im Lobgeticht als ruhmvoll schildert, war eher „ein mühsamer Feldzug, der vor Moskau endete. Ein Waffenstillstand auf vierzehneinhalb Jahre wurde in Deulino geschlossen, der den Polen die Eroberungen und die Verfügung über Smolensk und Severien beließ“ (Alexander, wie oben, S. 120). 25 tyranni Byzantini] Istanbul (Konstantinopel), das mittelalterliche Byzanz, war seit dem 15. Jahrhundert Sitz der osmanischen Herrscher. 26 Dacia] Der Name der römischen Provinz Dacia wird häufig für die Region des heutigen Rumänien und Moldawien bzw. für das historische Fürstentum Moldau verwendet. In den Jahren 1620/21 kam es dort zu Gefechten zwischen polnischen und türkischen Heeren, in denen das Kriegsglück wechselte und an deren Ende der status quo erhalten blieb; s. Alexander (wie oben), S. 121; Rhode (wie oben), S. 1045 f., mit Darlegung der Kriegsgründe; Szewczyk (wie oben), S. 142. Die Formulierung totiusque Asiae ac Orientis vires ist gattungsbedingte Hyperbolik. 32 ad Borysthenem] Der antike Name bezeichnet den Fluß Dnjepr, an dem Smolensk liegt.
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Kommentar zu S. 132–134
32 non ita diu] Hier wird ein längeres Intervall markiert, in das die Regierungsübername Władysławs im Jahre 1632 fällt. In den Kriegen mit Schweden hatte sich Władysław wohl nicht besonders ausgezeichnet, und Opitz konnte es lieb sein, daß er die Auseinandersetzungen zwischen seinem polnischen Förderer und seinen schwedischen Glaubensverwandten nicht kommentieren mußte, zumal er für beide Seiten diplomatisch tätig war. 36 Smolenscij] Die erfolgreiche Belagerung Smolensks im Jahre 1634 ist zentraler Gegenstand eines Epigramms, das Opitz anläßlich dieses Ereignisses verfaßte; vgl. zu den näheren Umständen den Kommentar zu Vrbs curae superum (LW 3, S. 473) sowie Seidel (2011), mit Literatur. Opitzens diversen Schilderungen der Schlacht um Smolensk ist die Übereinstimmung dreier Motive gemeinsam: die winterliche Kälte auf dem Schlachtfeld (hiberna; hiemis asperrimae), die Taktik des Einschließens der Belagerer (hostes obsidioni … intentos … inclusisti ) und die Vorstellung vom Sieger, der sich durch seine Milde (clementer) selbst besiegt (non omnium modo … hostium victor, verum et … victor tui ). Im Lobgeticht lautet die Passage: „Man wird nicht minder auch mit vollem Munde sagen | Wie Muscaw newlich noch deß Bundes pflicht verschlagen/ | Vnd dich gereitzet hat gewaffnet hin zu ziehn | Biß zum Borysthenes. was war doch jhr gewinn | Der stoltzen Nation / deß Volckes ohn Gewissen? | Man sahe sie ja wol Smolensko hart vmbschliessen/ | Doch du vmbschleussest sie / vnd bringst den Feindt so weit | Daß er / wie schwer es fellt/ für sieg/ Genade / schreyt. | Er kreucht zum Creutze hin / giebt auch was sein ist wieder / | Legt seine Hoffart dir mit Wehr vnd Waffen nieder/ | Vnd lernt gehorsamb sein: er hat daselbst bekandt | Du hettest seinen Halß vnd Ehr in deiner Handt: | Doch du / O König / hast im Hertzen noch mehr Güte. | Erst zwingest du den Feindt/ vnnd itzundt dein Gemüte / | Führst selbst dich im Triumph …“ (S. 7). 40 insultare capitibus] Die Wendung wird bei Sueton, Julius Caesar 22, im Sinne von ‚übel mitspielen‘ gebraucht und kann auch eine sexuelle Konnotation haben. 43 f. Turcis … Tartaros … Russos] Die einzelnen militärischen Auseinandersetzungen mit Russen, Türken und Tataren fanden teilweise gleichzeitig statt und sind hier nicht im einzelnen aufzuschlüsseln. Daß sie von polnischer Seite nicht glanzvoll geführt wurden, vermerkt Szewczyk (wie oben), S. 142, im Rückgriff auf polnische Historiker; s. hier auch einige Details. Die bei Opitz unmittelbar folgende Einschätzung Władysławs als Friedensfürst deckt sich gleichwohl näherungsweise mit dem Urteil der modernen Geschichtsforschung: „Als auch die drohende Gefahr im Südosten abgewendet worden war, indem der Sultan einen geplanten Kriegszug gegen Polen aufgegeben hatte, waren zwei Krisenherde beseitigt“ (Alexander, wie oben, S. 124). 50 f. in Borussia nuperrime bellum aut quietem in tua potestate habebas] Ohne die Schweden als Kriegsgegner zu nennen, geht Opitz hier indirekt auf das zeitlich am nächsten liegende Ereignis und den möglichen Anlaß zur Abfassung seiner Schrift ein: den auf 25 Jahre fixierten Waffenstillstand von Stuhmsdorf in Westpreußen, durch den im September 1635 die schon eine Zeitlang ruhenden Kriegshandlungen zwischen Polen und Schweden längerfristig beigelegt wurden. In diesem Vertrag wurde „den Pohlen alles, was die Schweden in Preussen erobert hatten, wieder abgetreten“ (Zedler 49, Sp. 513; vgl. Rhode, wie oben, S. 1040 f., 1047). Zur möglichen Beziehung des Lobgetichtes auf diesen Anlaß vgl. Alewyn, S. 176; Orte und Gedichte, S. 224.
Kommentar zu S. 134–136
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56 suffragiorum gentis florentissimae tam unanimis conspiratio] Nach dem Tode Zygmunts III. im Jahre 1632 wurde Władysław zum König gewählt; vgl. Alexander (wie oben), S. 123: „Die Wahl des Nachfolgers verlief glatt und problemlos, denn der 37jährige Władysław war anerkannt und fähig … Eine kurze Wahlperiode, in der die Protestanten sich wieder in der Öffentlichkeit gemeldet hatten, und eine rasche Wahl waren ein Zeichen für die Stabilität des Systems.“ In der Übergangspassage, die zwischen den Kriegsberichten und dem Lob der zivilen Tugenden Władysławs eingeschaltet ist, betont Opitz diesen Aspekt der Stabilität durch Verweis auf die öffentliche Sicherheit (securitas publica) und die heilsame Wirkung des Waffenstillstandes (longarum induciarum conditionibus rem sanari ). – Anläßlich der Wahl Władysławs schrieb der polnische Dichter und spätere Hofprediger Maciej Kazimierz Sarbiewski eine alkäische Ode Ad Libertatem, cum Vladislaus IV. maximis ad Vistulam Comitiis Rex Poloniae renuntiaretur. Das ganz anders akzentuierte, nämlich in seiner ersten Hälfte auf die ruhmreiche Frühgeschichte Polens rekurrierende und den soeben gewählten König als Erneuerer des polnischen Glanzes feiernde Gedicht hat mit Opitzens Lobgeticht bzw. der Vorrede vor allem das Thema der Russenabwehr gemein. Vgl. Eckart Schäfer: Sarbiewskis patriotische Lyrik uns sein ‚polnischer Horaz‘ Jan Kochanowski, in: Sarbiewski (wie oben), S. 145–176, hier S. 168–172 Text, Übersetzung und kurze Erläuterung. 58 imperium … ac regna] Während imperium den militärischen Oberbefehl bzw. die faktische Herrschaftsgewalt bezeichnet, wird mit dem Plural regna auf den noch immer behaupteten, aber damals kaum mehr realistischen Anspruch des polnischen Königs auch auf die schwedische Krone verwiesen. 64 f. Justitiam imprimis, qua mortales ad Deum proximè accedimus] Mause (wie oben), S. 22 f., weist darauf hin, daß die einflußreiche Rhetorik des Menander Rhetor, die ja auch in der Frühen Neuzeit allenthalben zitiert wurde, sowohl im Zusammenhang mit dem Krieg wie mit dem Frieden die Gerechtigkeit des Herrschers als zentralen Lobtopos herausstellte. Zur Rezeption dieser Vorschrift Menanders vgl. z. B. Gerardi Joannis Vossii Rhetorices contractae sive partitionum oratoriarum libri quinque. Leipzig 1674, S. 153. Zeit- und kontextunabhängig galt die Gerechtigkeit seit der Antike stets als eine der Kardinaltugenden. 67 f. extincto undique bello externo, civili omisso, hostibus venia, finitimis tranquillitate, regnis pace data] Es gehört zu den klassischen Topoi der Herrscherpanegyrik, daß auf eine Phase der militärischen Herrschaftssicherung die Konsolidierung der Machtposition und die Befriedung des Gemeinwesens im Innern durch clementia folgte. Vgl. mit Blick auf die römische Kaiserpanegyrik Mause (wie oben), Kapitel „Der Weg zur Herrschaft“, S. 100–120, vor allem S. 104 f. Im Lobgeticht wird die Position der clementia („dennoch ist nichts freundlichers als du/ | Nichts milters auff der Welt“, S. 9) durch die genuin christliche Kardinaltugend der Liebe ergänzt, die rasch in kosmische Dimensionen eingefügt wird: „Ein Herr der Liebe sucht der muß zum ersten lieben; | Ohn diß ist jenes nie. Der gründet nur auff Sandt | Der nicht auff Liebe bawt/ die als ein festes Bandt | Auch die Natur verknüpfft. was helt den Weltkreiß wieder?“ (S. 8). 78 beatum exilium] Mit diesem Oxymoron verweist Opitz inbesondere auf die Situation der schlesischen Glaubensflüchtlinge, die – wie er selbst – nach dem 1635 geschlossenen
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Kommentar zu S. 136
Prager Frieden, der den Rekatholisierungsprozeß in ihrer Heimat intensivierte, in Polen Aufnahme fanden. 81 dubitantium vota saepe occupas] Die Freigebigkeit (liberalitas) galt in der Antike als die zentrale Friedenstugend des Herrschers; vgl. Mause (wie oben), S. 164–176. Während jedoch bei den römischen Kaisern die liberalitas nach Ausweis der Panegyrici Latini sich vor allem in der Bautätigkeit und der Ausrichtung von Spielen zeigte, integriert Opitz unter dem Leitbegriff der Gerechtigkeit verschiedene Eigenschaften wie clementia oder comitas zum Idealbild eines humanen, vom christlichen Postulat der Nächstenliebe (s. o. zur Wortwahl im Lobgeticht) geprägten Fürsten. Freilich scheint die Freigebigkeit Władysławs auch Züge von Günstlingswirtschaft getragen zu haben (Zedler 49, Sp. 512, 514). 84 divinae aemula] Danziger Ausgabe: divina aemula 85–87 liberam cuivis circa divina sententiam relinquis, neque manum inijcis animabus, quae nec dominis adscriptae sunt, nec ut corpora legibus contineri, aut supplicio poenisque subijci possunt] Seit 1573 genossen die konfessionellen Bekenntnisse in Polen Gleichberechtigung. Władysław stand für diese Garantie stärker ein als sein Vater Zygmunt, der die Rekatholisierungsbestrebungen der polnischen Bischöfe unterstützte. Die wichtige Passage hat Parallelen in anderen Texten Opitzens, so im Trostgedichte (GW 1, S. 205f.), und deckt sich mit dem zentralen sechsten Artikel des Ediktes von Nantes von 1598; vgl. dazu Seidel (2011). Während Opitz gegenüber den gelehrten Rezipienten der lateinischen Vorrede den rechtlichen Aspekt an Władysławs Handeln betont, appelliert er im zugehörigen deutschsprachigen Lobgeticht an die Emotionen der Leser, indem er den König als Schutzherrn für religiös Verfolgte anspricht. Dabei überschreitet er – vermutlich wohlkalkuliert – die Grenze, die im Appell aus dem Trostgedichte („Laßt Ketzer Ketzer bleiben“; Buch 1, V. 469) noch gewahrt worden war: „Hier mag ein jederman im GOttesdienste leben | Wie sein Gewissen weiß / mag seine Hände heben | Zu dem der euch nicht mehr vertrawet [anvertraut] als die Welt / | Vnd seiner Ehre recht für sich allein behelt; | Zu dem der lieber vns wil sonder Glauben wissen / | Als das man seine [Gottes]Furcht aus Furchten ein sol schliessen“ (S. 8). Das Skandalon, daß ein christlicher Monarch, der noch dazu im Krieg mit den ‚heidnischen‘ Türken steht, in seinem Land offenbar indifferentistische Positionen duldet, wird hier in einer anaphorischen Reihe von Attributionen ein wenig versteckt, konnte den aufmerksameren Zeitgenossen aber kaum entgehen. Während Opitz im Trostgedichte den Kaiser und seine Verbündeten mit der Bitte um Respekt gegenüber dem Protestantismus konfrontiert hatte, erschien ihm im Polen der 1630er Jahre ein Zustand erreicht, in dem der geoffenbarte Glaube gleich welchen Bekenntnisses mit außerkirchlichen Tendenzen wie etwa dem Antitrinitarismus konkurrierte und die Staatsmacht sich aus religiösen Fragen wie selbstverständlich heraushielt. Daß Władysławs religiöse Toleranz nicht unbeschränkt war, ist freilich bekannt; vgl. die kritischen Bemerkungen von Szewczyk (wie oben), S. 144. 90 f. qui cum liberrimus ipse sit, invocari rite non potest nisi à volentibus] Das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Freiheit wird im Neuen Testament vielfältig erörtert (z. B. 2 Kor 3,17: ubi autem Spiritus Domini ibi libertas) und war Gegenstand theologischer Auseinandersetzung in der Zeit des Humanismus, etwa zwischen Erasmus und Luther, aber auch innerhalb der protestantischen Theologie. Für Opitz ordnen sich die Überlegungen
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zur Freiheit in die – nur knapp angedeutete – Verortung der fürstlichen Herrschaft zwischen absoluter Macht und naturrechtlicher Beschränkung ein. 94–98 templa … scholae … bibliothecae … conciliabula et curiae judiciorum … ordines civitatum, corpora negotiantium, artificium collegia … studia literarum] Opitz läßt hier, anders als im Lobgeticht, differenziert die kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Institutionen Revue passieren, von denen das Funktionieren der polnischen Adelsrepublik abhängt. In Kombination mit der folgenden Aufzählung von Berufsgruppen und topographischen Gegebenheiten des Landes erweckt diese Präsentation den Eindruck wechselseitiger Abhängigkeit von König und Untertanen: Wie alle diese Kräfte durch den gerechten Fürsten zum Besten gelenkt werden, ermöglichen sie ihrerseits – so ein mögliches Verständnis der Passage – den Bestand seiner Herrschaft. 99 f. nautae et ratium exercitores navalia repetent, vela explicabunt, ex oris tuis solvent] Nach dem Waffenstillstand von Stuhmsdorf (s. o.) erhoben die Schweden keine Seezölle mehr, allerdings bemühte sich Władysław ab 1636 seinerseits um die Eintreibung von Zöllen, wenngleich mit begrenztem Erfolg. Vgl. die ausführlichen Erläuterungen bei Conermann / Bollbuck, S. 1381 f. 114 f. exactum Optimi ac Fortunatissimi Principis exemplar] Die Frage, inwieweit das Faktizität suggerierende Lob des Fürsten im Sinne der zeitgenössischen Fürstenspiegelliteratur eher als normative Projektion eines gewünschten Zustandes zu verstehen sei, lässt sich an jeden Panegyricus stellen und wird von Verweyen (wie oben), S. 36 f., auf das Lobgeticht bezogen, freilich verbunden mit der Überlegung, daß im Lob des polnischen Königs eine implizite Mahnung an Kaiser Ferdinand II. enthalten sein könnte. [R.S.]
QV àm vellem fieri – SA lve, ô Lignicium Glückwunschgedichte für Andreas Lucanus und Leonhard Baudisius Dünnhaupt, Nr. 172; – PRVTENICA . | Illustrissimi, Serenissimi Principis, ac Domini | D N. G EORGII R UDOLPHI , | Ducis Silesiae Ligij, Bregensis, | et Goldbergensis; | SACRAE CAESAR . MAIEST . | Consiliarii et Cubicularii intimi, etc. authoritate decre-|to; Restauratione, à Commissarijs Ducalibus, | VIRIS MAGNIFICIS ET EMINENTISSIMIS | feliciter factâ peractâ etc. | O B N OVVM , novarum Dignitatum Florem, | et H ONOREM collatum, | VIRIS | Inter caeteros etiam | N OBILISS. A MPLISS. S PECTABILISSIMIS, | Dn. ANDREAE LVCANO, | DN. M. LEONHARDO BAVDISIO | Creatis in veteri, Veterum Ligiorum, Metropoli, | etiam SENATORIBUS dignissimis. | AB | Amicis et Fautoribus laeto animo et calamo conscripta, | et pio voto transmissa nuper, | GRATVLATORIA. | DANTISCI | Typis exscripta per G EORGIUM R HETIUM Reipubl!icae" et Gymnasij Typographum, | A NNO. | Non DIffert pIVs PrInCeps VrbIs In VItâ hVManâ, | à bono patre: Xenophon. [= Chronogramm auf das Jahr 1636] (UB Breslau: 409702), fol. A2r. Unsere Ausgabe folgt diesem Druck.
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In Liegnitz, das nach Magdeburger Recht lebte, ist seit dem Beginn des 14. Jh. ein nicht mehr nur vom Stadtherrn eingesetzter, sondern gewählter Rat nachweisbar; s. Dietrich W. Poeck: Rituale der Ratswahl. Zeichen und Zeremoniell der Ratssetzung in Europa (12.–18. Jahrhundert). Köln u. a. 2003 (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 60), S. 267. Wohl bereits seit dieser Zeit wurde jedes Jahr zu Aschermittwoch ein neuer Rat gewählt, wobei die Wahl der sechs neuen Ratsherren von den amtierenden Herren vorgenommen wurde. „Zusammen mit den sieben Schöffen und dem Erbvogt leitete dies Gremium das politische Geschick der Stadt“ (Poeck, ebd.). Nach Paul Mertin: Liegnitzer Kunstdenkmäler der Renaissance und ihre Auftraggeber, in: Liegnitz. 700 Jahre eine Stadt deutschen Rechts. Im Auftrage des Geschichts- und Altertums-Vereins zu Liegnitz …, hrsg. von Theodor Schönborn. Breslau 1942, S. 81–106, hier S. 82, wechselte im 16. Jh. das Ratskollegium in jedem Jahr. „Im 16. Jahrhundert ohne feststehenden Termin, aber in der Regel im Frühjahr, hielt der Herzog die Ratskür, wobei die Ämter neu verteilt wurden.“ Wie aus dem Titelblatt hervorgeht, wurden die Glückwünsche im vorliegenden Druck von auswärtigen Gratulanten verfaßt (transmissa nuper) und in Danzig gedruckt. Die Überschrift PRVTENICA bezieht sich wohl auf den Landstrich, aus dem die Beiträger bzw. die Beiträge stammen, also Prussia bzw. Preußen. Die beiden Gedichte Opitzens stehen an vorderster Stelle, es folgen Texte von Adam Büthner (Bythner), Georg Neuenfeld, Salomon Zwicker, Georg Trypander, Jonas Daniel Coschwitz, Augustinus Lucanus (wohl der Sohn des neuen Ratsherrn), Johannes und Heinrich Milich. Daß die Gedichtbeiträge nicht unbedingt von Bekannten oder Freunden stammen mußten, belegen folgende Verse von Georg Trypander (fol. B1r): DE mirabere paucula, / Ignotique V IRI , metrica forsitan. / Si pecco tibi; GEDANI / B ÜTHENRUM [sic!] in Pyladem cude fabam, precor. / Cur non BAVDISIO quoque / Ignoto licet hoc Carmine gratuler? Über den auf dem Titelblatt als Andreas Lucanus bezeichneten Geehrten ist wenig bekannt. Ein Andreas Lucanus Svidnicensis Silesius ist 1600 in den Matrikeln der Universität Frankfurt/Oder verzeichnet (s. Friedländer, S. 443). Manche Einzelheiten lassen sich jedoch den Beiträgen des vorliegenden Drucks entnehmen. So ist das Gedicht von Adam Büthner überschrieben mit Dns. Andreas Fryeauff, Praetor, JVRIS Consultus in V RBE Liegnitiâ (fol. A2v). Aus dem Gedicht selbst geht hervor, daß es sich bei Fryeauff und Lucanus (von lux, Licht) um identische Persönlichkeiten handeln muß. Wortspiele mit dem deutschen und dem latinisierten Namen finden sich auch in anderen Gedichten, so bei Georg Neuenfeld (fol. A4v). Adalbert Hermann Kraffert: Chronik von Liegnitz. Zweiter Theil, zweite Abtheilung: Vom Tode Friedrichs II. bis zum Aussterben des Piastenhauses 1547–1675. Liegnitz 1871, nennt in seiner Auflistung (ab S. 295) der „Juristen und Verwaltungsmänner, welche in dieser Zeit hier thätig und von entschiedenem Einfluß auf das hiesige Leben gewesen sind“, auf S. 296 unter den „Proconsuln“ auch „Andreas Frühauf aus Schweidnitz, Besitzer des spätern Hohbergschen Hauses am Ring (jetzt ‚alte Landschaft‘)“, und gibt als dessen Todesjahr 1644 an. Nach Adalbert Hermann Kraffert: Geschichte des evangelischen Gymnasiums in Liegnitz. Liegnitz 1869, S. 108 f., handelte es sich bei den Baudis (Baudisius) um eine der berühmten Familien der Stadt, die lange mit die einflußreichsten Ämter der Stadt bekleidete: „Sie stammt von M. Leonhard B[audis], Conrector der Schule, dann Senator († 1637),
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dessen Sohn Laurentius sen. († 1679), wie zwei Enkel, M. Andreas († 1706) und Laurentius jun. († 1736), sämmtlich Pastoren bei St. Peter und Paul und Schulpräsiden waren; des Andreas Sohn, Joh. Lorenz († 1736), bekleidete das Archidiaconat an der nämlichen Kirche.“ Nach Krafferts Chronik von Liegnitz, wie oben, S. 292, war Leonhard der älteste Sohn von M. Andreas Baudis aus Breslau (zu dessen Vita s. Melchior Adam: Vitae Germanorum Theologorum, qui superiori seculo ecclesiam Christi voce scriptisque propagarunt et propugnarunt, congestae et ad annum usque M DC XVIII. Deductae … Heidelberg 1620, S. 847–852). Andreas Baudis war wohl auch der Vater der von Opitz mit einem Epithalamium geehrten Dorothea Baudis(sin); vgl. LW 1, S. 447. Vermutlich der im vorliegenden Druck Geehrte ist 1606 als Leonhardus Baudisius Lignicensis Silesius in der Matrikel der Universität Frankfurt/Oder verzeichnet (s. Friedländer, S. 503), im März 1607 mit identischem Eintrag in der Matrikel von Wittenberg (Weissenborn, S. 56). Leonhard Baudis war 1608 Respondent bei einer Disputation mit dem Titel Theses de sexu, sive de natura et ortu maris, foeminae et hermaphroditi; Widmungsempfänger ist u. a. Andreas Geisler (dem Opitz später ein Gedicht widmete). Zu der Familie Baudis s. auch Ferdinand Bahlow: Pastorenbilder aus vier Jahrhunderten, in: ders. u. a.: Die Peter-Paul-Kirche zu Liegnitz. Lorch 1972 (= Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 2), S. 7–87. Bahlow schildert (hier S. 48–52) die Vita des Pastors Laurentius Baudis, Sohn des Rektors Leonhard Baudis, und von dessen Ehefrau Katharina, der Tochter des Liegnitzer Bürgers Christoph Utland. Wahrscheinlich um 1622 ist Leonhard Baudis mit seiner Familie als Konrektor (und Ratsherr) nach Liegnitz übergesiedelt. 1626 sind namhafte Persönlichkeiten wie Simon Grunaeus, Abraham Frisius oder auch Caspar Sinner in der Trauerschrift, gedruckt in Liegnitz 1626, auf den Tod (wohl) von zweien seiner Kinder vertreten. Ein Leonhard Baudis ist Beiträger, ebenso wie Opitz, bei dem Druck auf die Hochzeit von Caspar Cunrad und Barbara Jacob 1629 (s. dazu auch LW 2, S. 74 f.). Im Jahre 1636, also im Erscheinungsjahr der vorliegenden Glückwunschschrift, veröffentlichte Leonhard Baudis eine Schrift mit dem Titel Pro Nobilis. Et Amplis. Senatus in veteri veterum Ligiorum Metropoli. Restauratione, facta Illustris. Principis Decreto, a Commissar. Ducalib. Viris Magnificis ac eminentiss. ipsa D. Leonharto quond. consecrata … Suspiria Anagrammatica, testandi prolixe honoris et affectus causa, rudi quamvis Minerva, M. Leonharto Baudisio Ligio, eruente, prodita; gedruckt bei Rhete in Danzig. [QV àm vellem fieri] Das erste Gedicht wendet sich, wie allerdings erst im vierten Vers deutlich wird, an Andreas Lucanus und bedient sich dabei der Variation eines alten Motivs: Das Gedicht soll die Stellvertreterrolle für den nicht anwesenden Sprecher einnehmen, der gerne mit seinen Versen tauschen (V. 1 f.) und dem Geehrten zur verdienten Auszeichnung (V. 3 f.) gratulieren würde. Die letzten vier Verse enthalten dann die konkreten Wünsche an den Geehrten in bezug auf sein neues Amt. – Versmaß: Hendekasyllaben. 1 mei Phaleuci] Phalaecus als Bezeichnung für den Hendekasyllabus nach dem griechischen Epigrammatiker Phalaikos (um 400 v. Chr.). Häufigstes Versmaß bei Catull, von Opitz gelegentlich verwendet. 5 mihi nunc satis remoto] Wie aus der Unterschrift unter dem zweiten Gedicht deutlich wird, befand sich Opitz bereits (zumindest zeitweise) in Danzig.
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[SA lve, ô Lignicium] Auch im zweiten Gedicht betonen die Anfangsverse die als Verlust empfundene örtliche Distanz des Sprechers vom Ort des Geschehens und von den ihm dort in Freundschaft zugetanen Menschen (V. 1–4). Ebenso erfolgt auch hier die Anrede an den Geehrten, nun Baudis, erst im Verlauf des Textes. Diese ist ebenfalls verbunden mit guten Wünschen und Ermahnungen im Hinblick auf das neue Amt. – Versmaß: elegische Distichen. 1–4] Anspielung auf die lange Beziehung Opitzens zu Liegnitz und seinen Freunden dort. Zu diesen gehören z. B. der 1627 verstorbene herzoglich liegnitzische Rat Caspar Kirchner; sein Freund Bernhard Wilhelm Nüßler war herzoglich liegnitzischer und briegischer Rat. 6 Cui dedit hunc Princeps optimus ipse locum] Mit Princeps optimus ist der bereits zu Anfang des Titelblattes an prominenter Stelle genannte Herzog Georg Rudolf gemeint, der für Opitzens Lebensweg von großer Bedeutung war. [V.M.]
PL enum prudentiae Widmung der Antigone an Gerhard Graf Dönhoff Dünnhaupt, Nr. 160; – De‚ Griechischen | Tragoedienschreiber‚ | SOPHOCLIS | ANTIGONE. | Deutsch gegeben | Durch | M ARTINUM O PITIUM | Dantzig/ | Gedruckt durch Andream Hünefeldt | Buchhändler/ Im Jahr 1636. (Bayerische Staatsbibliothek, München: Film R 2001.281, KPA-1165), fol. A2r–A3v. Die Widmungsvorrede ist wiederabgedruckt in Weltliche Poemata, Bd. 1, S. 246–252. Unsere Edition folgt dem Erstdruck. Opitz übersetzte die Antigone des griechischen Tragikers Sophokles (497/6–406 v. Chr.) während seines Aufenthaltes im polnischen Thorn, der von Sommer 1635 bis Sommer 1636 währte; zu Opitzens letzten Jahren in Polen vgl. jetzt Seidel (2011). Auf die Übersetzung einer römischen Tragödie (Senecas Trojanerinnen, 1625) ließ Opitz nach Ablauf einiger Jahre ein griechisches Drama folgen und führte so sein Programm der Adaptation fremder Gattungsvorbilder konsequent fort. Der Grund für die Wahl gerade der Antigone dürfte, wie die Vorrede andeutet, in der prononcierten Antithetik von Zwist (in der mythischen Welt) und Eintracht (im Polen Władysławs IV.) liegen, womit sich die Huldigung an den Widmungsadressaten verbindet: Der reformierte Adlige Gerhard Graf (seit 1635) Dönhoff gehörte zu den engsten Vertrauten König Władysławs IV., des Garanten von Frieden und Sicherheit – nicht zuletzt für Glaubensflüchtlinge – in Polen. Opitz war mit Dönhoff wohl im Januar 1636, vielleicht auch schon früher persönlich bekannt geworden, auf seine Vermittlung hin schrieb er den Panegyricus auf Anna Wasa (Panegyricus … Annae, 1636), Dönhoffs Gattin Sibylla Margaretha war Widmungsempfängerin seiner Geistlichen Poëmata (1638). Zu weiteren Kontakten Opitzens mit Dönhoff vgl. Alewyn, Conermann/Bollbuck, passim (Register), Szyrocki, S. 109 ff.
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Das Widmungsschreiben an Dönhoff ist, von einem deutschsprachigen argumentum des Stückes (fol. A4r–v) abgesehen, der einzige Paratext des Druckes und kann nicht die poetologische Relevanz von Opitzens Leservorreden zu den Trojanerinnen (1625) oder der Judith (1635) beanspruchen. Gleichwohl bleibt es nicht auf eine persönliche Huldigung an den Adressaten, die Würdigung seiner Vorzüge und vor allem seiner Verdienste bei der Verteidigung Thorns gegen die Schweden (1629) beschränkt. Diesen Passagen, die den zweiten Hauptteil des Textes bilden, gehen Bemerkungen über die Dignität des Tragödienautors Sophokles und die Bedeutung des Stückes voraus. Die Verbindung zwischen dem Drama und der Widmungssituation wird einerseits explizit durch den Rekurs auf die wirkungsästhetischen Postulate der zeitgenössischen Tragödienpoetik zum Ausdruck gebracht (s. u.), andererseits hebt Opitz die Spannung zwischen dem Katalog der Greuel des antiken Dramas und den Segnungen der Gegenwart, zwischen den Fehlern der dramatis personae (vor allem Kreons, s. u.) und den virtutes Dönhoffs heraus. Gerahmt wird die Vorrede durch persönliche Bemerkungen des Verfassers, der seinen Dank für die Aufnahme im sicheren Polen und seine sich daraus ergebende Verpflichtung, das otium sinnvoll zu nutzen, artikuliert. – Zu Opitzens Antigone-Übersetzung vgl. Anastasia Daskarolis: Die Wiedergeburt des Sophokles aus dem Geist des Humanismus. Studien zur SophoklesRezeption in Deutschland vom Beginn des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2000 (= Frühe Neuzeit 55), S. 314–349; Richard Alewyn: Vorbarocker Klassizismus und griechische Tragödie. Analyse der „Antigone“-Übersetzung des Martin Opitz. Heidelberg 1926; Ndr. Darmstadt 1962. GERHARDO DOENHOFIO … Mariaeburgensis] Gerhard Graf Dönhoff (1590–1648), preußischer Offizier und Diplomat in polnischen Diensten aus dem gleichnamigen, in Livland ansässigen Adelsgeschlecht. Er diente schon unter Władysławs Vorgänger Zygmunt III. und zeichnete sich insbesondere 1629 bei der Verteidigung Thorns gegen die Schweden unter General Wrangel aus. Seit 1631 war er im Besitz der Starosteien (Gutsherrschaften) Berent in Westpreußen und Fellin in Livland, 1635 wurde er mit der Verwaltung des Gebietes von Marienburg betraut. Zu Dönhoff vgl. zusammenfassend Conermann/Bollbuck, S. 1298–1300 (mit Abbildung), außerdem S. 186 f. und passim. Die maßgebliche Studie ist noch immer Gustav Sommerfeldt: Zur Geschichte des Pommerellischen Woiwoden Grafen Gerhard von Dönhoff († 23. Dezember 1648), in: Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins 43 (1901), S. 221–265. 2 f. otij … reddere] Vgl. Columella, De re rustica 2,21,1: tam otii quam negotii rationem reddere maiores nostri censuerunt (mit Bezug auf den älteren Cato). 7–9 qui calamitate patriae adductus … pedem apud vos ponere coepi] Ausgangspunkt für Opitzens Entscheidung, Wohnsitz und Wirkungskreis nach Polen zu verlegen – wie sich zeigen sollte, für immer –, war der am 30. Mai 1635 (n. St.) zwischen Kaiser Ferdinand II. und Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen sowie weiteren protestantischen Reichsständen geschlossene Prager Frieden, der zur Festschreibung des Rekatholisierungsprozesses in den habsburgischen Ländern, also auch in Schlesien, führte. Die Herzöge von Liegnitz und Brieg, zu denen Opitz damals in einem lockeren Dienstverhältnis stand, flohen aus ihren Territorien und ließen sich vorübergehend in Thorn nieder, das zum Königlichen
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Preußen, mithin zur polnischen Krone, gehörte. Die religiöse Toleranz des Königs gewährte den Protestanten auf polnischem Territorium Sicherheit. 8 felicitate regia] Hierbei handelt es sich um einen in der Antike wie im Humanismus gebräuchlichen Topos; vgl. den Kommentar zur Hochzeitsschrift Felicitati Augustae (1637), LW 3, S. 551 f. 12 his diebus] Nach Alewyn, S. 177, „gefällt“ Opitz sich „in der Schnelligkeit und Leichtigkeit seiner Produktion, die wir ihm übrigens gerne glauben dürfen“. Freilich fügte die Übertragung der Antigone sich in Opitzens systematisch realisiertes kulturpatriotisches Programm, war also nicht bloß dem aktuellen Anlaß einer Selbstempfehlung bei der polnischen Aristokratie geschuldet. 13 reliquarum] Seit der Spätantike wurde ein Kanon von sieben Sophokles-Dramen tradiert, von den übrigen Stücken sind nur Fragmente überliefert. 13 f. argumenti dignitatem et sententiarum pondus] Für Opitz waren die Erhabenheit des Stoffes und bedeutungsvolle Sentenzen Qualitätsmerkmale der Tragödie. Damit erweist er sich „als Erbe jener frühhumanistischen Sophokles-Aneignung, die als Sentenzen-Rezeption einsetzte und sich durch das ganze humanistische Jahrhundert hielt“ (Daskarolis, wie oben, S. 319 f.). 15 praefectura Sami donatus] Nach den antiken Quellen wurde Sophokles auf den Erfolg seiner Antigone hin zum Strategen gewählt, eine Statthalterschaft über Samos wird nicht erwähnt; vgl. DNP 11, Sp. 726 f.; Tragicorum Graecorum Fragmenta. Vol. 4: Sophocles. Editio correctior et addendis aucta. Editor Stefan Radt. Göttingen 1999, S. 44 f. – Dieses wie auch die folgenden (angeblichen) Details aus Sophokles’ Vita kannte Opitz wohl nicht aus den verstreuten antiken Quellen, sondern aus der gängigen humanistischen Kompendienliteratur sowie aus Arbeiten der frühen Gräzistik. Allein Joachim Camerarius (1500–1574) veröffentlichte seit 1534 in seinen von Opitz nachweislich genutzten Sophokles-Ausgaben mehrfach Scholien, biographische Skizzen und eigene Kommentare; vgl. die Übersicht bei Daskarolis (wie oben), S. 73. 16 collega Periclis] Sophokles war gemeinsam mit Perikles bei der Niederschlagung des Aufstandes der Insel Samos 441–440 v. Chr. Stratege des attischen Seebundes. 19–22 Ajunt … scribant alij] Die antiken Quellen präsentieren allerlei Versionen über den Tod des Sophokles; vgl. Tragicorum Graecorum Fragmenta (wie oben), S. 36 f., 66 f. 21 apem hanc Atticam] Wegen der Süße ihres Honigs wurden die Bienen in der Antike in Beziehung zu den Musen und zu Dichtern wie Pindar, aber auch zu Prosaautoren wie Xenophon (vgl. Kommentar zu Silvae, S. 39) gebracht. Das antike Material zu Sophokles ist wiederum versammelt in Tragicorum Graecorum Fragmenta (wie oben), S. 74f. Die Bezeichnung findet sich in der Neuzeit u.a. bei Johann Rist, der vermerkt, daß Sophokles „das Atheniensische Bienlein ist genennet worden“ (zitiert bei Daskarolis, wie oben, S. 340). 21 f. quasi Poëtarum accusationi vinum non sufficiat] Der Weingenuß galt seit der Antike als Inspirationsquelle der Dichter wie als Beleg für deren angeblich ausschweifendes Leben; vgl. Opitz selbst in seinem Buch von der Deutschen Poeterey mit Verweis auf Horaz, Epistel 1,19,1–3 (Jaumann / Poeterey, S. 20).
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25–27 ita caussae mihi non minus aliae fuerunt, quas Lectori non oscitanti dictabit Argumentum] Wer das der Vorrede folgende argumentum (fol. A4r-v) aufmerksam liest, wird den Kontrast zwischen dem Unheil der mythischen Handlung, das sich in „hoffart vnd übermuth“ des „tyrannischen“ Kreon verdichtet, und dem segensreichen Wirken des polnischen Königs und seines Vertrauten Dönhoff bemerken; vgl. Daskarolis (wie oben), S. 319–326. 27 Vobis … Doenhofi] Die Anrede einer Person in der 2. Person Plural ist in der humanistischen Literatur ungewöhnlich. 28 tristissimum belli Civilis exitum, sublatos caede mutua fratres] Bezug auf die Vorgeschichte der Antigone: Im Kampf um Theben hatten sich die Brüder Polyneikes und Eteokles gegenseitig getötet. Der Konflikt des Dramas entsteht, als Antigone ihren Bruder Polyneikes, obwohl er gegen die eigene Vaterstadt gekämpft hatte, bestatten will, während Kreon als Vertreter der Staatsräson dies untersagt. Antigone wird im Verlaufe des Stückes zum Tode durch Verhungern verurteilt, dem sie durch Selbstmord zuvorkommt. – Die konfessionellen Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges, die auf deutschem Boden stattfanden, wurden von Opitz und anderen Zeitgenossen als Zerwürfnis zwischen (Glaubens)brüdern aufgefaßt; vgl. Trostgedichte in Widerwertigkeit deß Krieges, GW 1, S. 255f. 28 f. falsa simulationum Creontis et latentem sub imagine pietatis tyrannidem pestiferam] Die Wendung simulationum falsa entstammt den Annalen des Tacitus (6,54), wo sie sich auf den intriganten Prätorianerpräfekten Macro bezieht. Inwieweit Kreons ‚staatstragende‘ Argumente im Drama nur vorgeschoben sind, ist in der modernen Forschung immer wieder diskutiert worden; vgl. DNP 11, Sp. 729. Für Opitz erscheint Kreon, wie Daskarolis (s. oben) ausführlich zu belegen versucht, als pervertierte Ausprägung des absolutistischen Herrschers, jedenfalls stellt er die Figur erkennbar negativer dar als Camerarius, an dessen Ausgabe und Kommentar er sich orientiert. 30 adulationes etiam bonorum] Zu denken ist an das Verhalten von Antigones Schwester Ismene, die zur Anpassung an die Machtverhältnisse rät. 30 casusque varios] Antigones Bräutigam Haimon, Kreons Sohn, nimmt sich das Leben, nachdem er vom Tod der Titelheldin erfahren hat, darauf tötet sich auch Kreons Gattin Eurydike. 30–34 beatitudinem … deprehendetis] Zu Opitzens Lob der Verhältnisse unter König Władysław IV. vgl. den Kommentar zur Hochzeitsschrift Felicitati Augustae (1637). 32 f. libertatem rectè sentiendi] Möglicherweise Anspielung auf die vom polnischen König gewährte Glaubensfreiheit. 34–37 Et huic fini … discamus] Das Konzept eines moraldidaktisch orientierten Abgleichs der im Drama vorgestellten Schicksale mit der eigenen Lebenssituation liegt auch den tragödientheoretischen Äußerungen der Reformationshumanisten (Melanchthon, Camerarius) zugrunde, an denen sich Opitz orientiert. Vgl. (mit Textauszügen) David E. George: Deutsche Tragödientheorien vom Mittelalter bis zu Lessing. Texte und Kommentare. München 1972; Volkhard Wels: Der Begriff der Dichtung in der Frühen Neuzeit. Berlin / New York 2009 (= Historia Hermeneutica 8).
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Kommentar zu S. 142–144
35 f. fortunae … alienae] Anders als in den Paratexten zu den Trojanerinnen (1625) liegt der Akzent hier weniger auf der besonderen Fallhöhe der mythischen Helden als auf der Distanz zwischen mythischer Ferne und Gegenwart. 37 f. Delirant … voluptatem] Kritik an tragischer Dichtung und am Theater gab es seit der Antike. Auch hierauf reagierten die Humanisten, z. B. Melanchthon in seiner Epistola de legendis tragoediis et comoediis (1545): Graecorum consilium valde admiror, qui initio Tragoedias populo proposuerunt, nequaquam ut vulgo existimatur, tantum oblectationis causa, sed multo magis, ut rudes ac feros animos consideratione atrocium exemplorum et casuum flecterent ad moderationem … (zitiert nach George, wie oben, S. 49). 43–46 Augustus … maluit] Paraphrase nach Sueton, Vita Augusti 85: Nam tragoediam magno impetu exorsus, non succedenti stilo, abolevit quaerentibusque amicis, quidnam Aiax ageret, respondit, Aiacem suum in spongiam incubuisse. 45 Ajacem … obelis criticorum] Der antike Ajax, Titelheld einer weiteren Tragödie des Sophokles, stürzte sich, aus einem von Athene verhängten Wahn erwachend, in sein Schwert. obelus bezeichnet einen spitzen Gegenstand (eig. einen Spieß), zugleich in Antike und Mittelalter ein textkritisches Zeichen, das auf die Unechtheit einer Textstelle hinwies. Augustus wollte demnach seine poetischen Entwürfe lieber von der Schreibtafel wischen als sie von den Kritikern zerpflücken lassen. 47 qua parte nostra nunc esse coepit] Die Eigenständigkeit seiner Übertragungen betont Opitz auch sonst; vgl. Daskarolis (wie oben), S. 318. 51 facta, non inquiram] Nach facta folgt in Weltliche Poemata, S. 250, noch der Einschub: magna Illustrissimorum fratrum merita et virtutes. Diese Brüder, die wie Dönhoff selbst hohe militärische und politische Ämter innehatten, sind bei Zedler, Bd. 7, Sp. 1149, vorgestellt. 51 annales … et Historiae] Mit der Anspielung auf die Annalen und Historien des Tacitus ist der Gesamtbereich der Geschichtsschreibung gemeint. 56 pietatis] Vgl. oben Creontis … latentem sub imagine pietatis tyrannidem. Die echte Frömmigkeit Dönhoffs wird der Heuchelei Kreons gegenübergestellt – eine Deutung der KreonFigur, die den panegyrischen Absichten Opitzens entgegenkommt. 57 legationes] Zu denken ist etwa an Dönhoffs Teilnahme an den Waffenstillstandsverhandlungen mit Schweden 1629 in Elbing, aber auch an Reisen, die er in den 1620er Jahren als Begleiter des damaligen Erbprinzen Władysław unternommen hatte; vgl. außerdem Sommerfeldt (wie oben), S. 228 und passim. 59 contra Turcas, Walachos ac Tartaros expeditiones] Anspielung auf die Osmanisch-Polnischen Kriege (1620/21; 1633/34) und die Russisch-Polnischen Kriege (1609–1618; 1632–1634). 61f. Civitas … Thoruniensium, quam oculum Borussiae … vocaverim] Im Polnisch-Schwedischen Krieg (1600–1629) griffen die Schweden unter General Wrangel auch Gebiete im ‚königlichen‘, d. h. zur Krone Polens gehörenden Preußen an; die Belagerung Thorns fand 1629 statt. Welche zeitgenössischen Quellen Opitz kannte, wäre zu eruieren. Vgl. etwa Ordentlicher Bericht / Der Polnischen Niderlage / vnd was die Schwedischen ferner wider die Stadt Thoren vorgenommen. o.O. 1629. Auf spätere Zeugnisse weist Sommerfeldt (wie oben), S. 224, hin.
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64 spe ac opinione quadam paenè jam suam fecerant] Vgl. Cicero, Reden gegen Verres 2,1,135: iam spe atque opinione praedam illam devorasset. 68 f. receptum, quam obsidionem probaverit] Zu quam statt magis quam bei Wendungen mit komparativischem Nebensinn vgl. Hofmann/Szantyr, S. 593 f. 69 abjecta simul cum animo cunctatione] Die ironisch anmutende Formulierung läßt an die positive Gegenfigur des Quintus Fabius Maximus Cunctator denken, der durch sein sprichwörtliches Zögern den Römern im Zweiten Punischen Krieg (218–201 v. Chr.) tatsächlich militärische Erfolge einbrachte. 72–74 Haec … reddidisti] Vgl. die ganz ähnlichen Formulierungen im Brief Nüßlers an Buchner vom 21. Juni 1636: [Opitius] Inter primarios aulae Patronos merito ipsius Gerhardum Denhofium numerat, Virum et nostrae religioni addictissimum, et ob pietatem, prudentiam, eruditionem, resque pace ac bello praeclarissimè gestas Regi ac Regni Proceribus acceptissimum; cui etiam Antigonem Sophoclis vernaculâ linguâ versam inscripsit (Conermann/Bollbuck, S. 1316). 76 Gedani nuper] Schon vor seiner endgültigen Übersiedelung nach Danzig im Sommer 1636 war Opitz zu Anfang des Jahres dorthin gereist, da König Władysław IV. dort mit ihm zusammentreffen wollte. Vgl. den o.g. Brief Nüßlers: Jussit etiam Rex, ut Dantiscum se sequeretur (ebd.). Alewyn, S. 175 f., wertet diese Passage als Beleg dafür, daß Dönhoff Opitz die Stelle als königlicher Hofhistoriograph vermittelt habe. 78 tenuitas] Weltliche Poemata: ratio; in der späteren Fassung wurde die Bescheidenheitsrhetorik (vgl. schon doctrinae meae obscuritas) etwas zurückgenommen. 82 Perillustris] Weltliche Poemata: illustris [M.F., R.S.]
OR bem nauta novum – VI rginium, Sponsa Epithalamia für Abraham Jacobson und Virginia Keckerbart Dünnhaupt, Nr. 8. – Unsere Ausgabe gibt den im zweiten Teil von Deütsche Poemata (1641), S. 711, erfolgten Abdruck wieder. Wie aus dem Titelblatt zu diesem Teil der Gedichtausgabe hervorgeht („Darinnen noch viel de‚ Seel:|Autoris Gedichten hinzu gesetzt/ wel =||che in vorher außgegangenen Editio-| nen nicht zu finden “), wirbt der Verleger Hünefeld hier mit Gedichten, die sonst (zumindest in Sammelausgaben) noch nicht veröffentlicht waren. Die Hochzeitsglückwünsche an dieses prominente Brautpaar bestehen aus einem umfangreichen deutschen Gedicht in neun sechszeiligen Strophen mit dem Titel „Auff der Edlen zweyen Liebsten | Herrn Abraham Jacobsons vnd Jung=|frawen Virginien Kekkerbartin Hochzeit“ (abgedruckt in Deütsche Poemata, 1641, S. 710 f.) und den unmittelbar darauf folgenden beiden lateinischen Distichen. Im Mittelpunkt des deutschen Gedichts stehen vor allem „Weißheit vnd Verstandt“ (S. 710, V. 11) der Braut, die als „zehnte
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Kommentar zu S. 146
Muse“ den antiken Musen an die Seite zu stellen sei; sie wird bezeichnet als eine „keusche Sappho“ (V. 13) und ihr offensichtliches (schriftstellerisches?) Talent wird gerühmt; vgl. Strophe 4 (V. 19–24): „Wann jhr schöner Geist erwacht | Vnd entschleußt sich was zu schreiben/ | So wird nichts von jhr gemacht | Als was würdig zu bekleiben: | Sie setzt Rom vnd Griechenlandt | An den grünen Weichselstrandt.“ Zum deutschen Gedicht auf die Hochzeit siehe Elfriede Lenz: Opitz in Danzig, in: Danziger Barockdichtung, hrsg. von Heinz Kindermann. Leipzig 1939 (= Deutsche Literatur, Reihe Barock, Ergänzungsband), S. 231–265, hier S. 240–242 (mit Abdruck des Gedichtes), sowie Gellinek, S. 222, und van Stekelenburg, S. 86, Anm. 21. Für Hochzeitsgedichte auf das Brautpaar Jacobson/Keckerbart war bis jetzt ein Separatdruck nicht nachzuweisen. Allerdings finden sich die beiden Distichen in der Abschrift STB-PK Berlin: Dep. Breslau 17 (ehemals StB Breslau: Hs. R 402), hier S. 810, und in der Abschrift UB Breslau: Akc. 1949/713 (ehem. StB Breslau: Hs. Klose 175). Szyrocki ordnete die Gedichte – in seiner Bibliographie in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 213*, Nr. 232 und 233 – in die Rubrik „Unbestimmbar“ ein. Dennoch gibt es Hinweise auf die Entstehungszeit. Dies gilt nicht zuletzt für die Aufzeichnungen des französischen Legationssekretärs Charles Ogier, der auf Gesandtschaftsreisen im Gefolge des französischen Parlamentspräsidenten Claude des Mesmes 1635/36 Danzig besuchte und seine Eindrücke in einem Reisetagebuch festhielt. Hier schildert er unter anderem einen Besuch König Władysławs 1636 in Danzig, aber auch seine vielfältigen Kontakte zur damaligen Danziger Gesellschaft. In diesem Zusammenhang erwähnt er auch Virginia Keckerbart; s. dazu van Stekelenburg, S. 86, Anm. 21. Vgl. auch allgemein Gotthilf Löschin: Ogier’s Bericht über seinen Aufenthalt in Danzig im Jahre 1635, in: ders.: Beiträge zur Geschichte Danzigs und seiner Umgebungen. Danzig 1837, S. 17–61, und Kurt Schottmüller: Reiseeindrücke aus Danzig, Lübeck, Hamburg und Holland 1636. Nach dem neuentdeckten II. Teil von Charles Ogiers Gesandtschaftstagebuch, in: Zeitschrift des Westpreussischen Geschichtsvereins 52 (1910), S. 199–273. Die Familien von Braut und Bräutigam spielten in Danzig und Umgebung eine führende Rolle, und Opitz, der sich seit 1636 dort aufhielt, dürfte Umgang mit beiden gehabt haben. Dies beweisen in erster Linie die ebenfalls im zweiten Teil von Deütsche Poemata (1641) veröffentlichten Gedichte auf den Vater des Bräutigams, zum einen, S. 699–706, ein umfangreiches deutsches Gedicht. Es trägt den Titel „Lobgesang des Neides“ und fügt sich demnach in die Reihe von Opitzens Lobgesängen ein, die er im Laufe der Zeit verfaßt hatte (dazu auch LW 1 und LW 2). Vor dem Gedicht findet sich, S. 698 f., eine kurze Widmungsvorrede, die überschrieben ist mit: „Lob=Gesang des Neides. | Dem Edlen/ Gestrengen Herrn/ H. | Jacob Jacobson/ Hauptmanne auff Tügen=|hoff/ Tenutario auff Bromberg/ Osick vnd Muselantz/ | der Cron Pohlen General Müntz=Verlegern/ | meinem hochgeehrten Herrn.“ In der Widmung selbst heißt es: „So hat mein Herr auch mich also in seine Gunst vnd Wolgewogenheit zu nehmen angefangen …“; zu dem Gedicht vgl. auch Lenz, wie oben, S. 242, und Gellinek, S. 214–217. Nach Paul Simson: Geschichte der Stadt Danzig. Bd. 2. Danzig 1918, S. 453, wurde die Münze der Stadt Danzig mindestens seit 1623 an Jacobson verpachtet. Das zweite Gedicht auf Jacob Jacobson entstand aus Anlass von dessen Tod; es ist abgedruckt in Deütsche Poemata (1641), S. 728–730. Szyrocki datiert in seiner Bibliographie, S. 212*, diesen Text auf Danzig 1639. Die letzte Strophe gilt hier Abraham, dem trauernden Sohn: „Nun/ Herr Abraham/ weil
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dir | Der du reich bist an der Tugendt/ Vnd der Schwester deiner Ziehr/ | Ja der edlen Zier der Jugendt/ | Gott diß schickt/ wird er allein | Euch der beste Vater seyn.“ Zu diesem Gedicht s. Lenz, wie oben, S. 242, und Gellinek, 265 f. Zu Jakub Jacobson a Gehema (1576–1639) s. den ausführlichen Artikel von Helena Jêdrzejowska in: Polski Słownik Biograficzny 10, S. 281 f. Der Vater der Braut, Johann Keckerbart, wurde 1565 geboren. Vom Rat der Stadt Danzig zu Studienzwecken nach Frankreich und/oder Italien und nach Leiden geschickt (die Angaben differieren hier etwas), wurde er nach dem Tod des Danziger Syndikus Heinrich Lemke 1594 vom Rat zurückberufen, zunächst als Sekretär eingestellt und 1597 dann mit dem Amt des Syndikus betraut; s. zu seiner Vita: Max Foltz: Der Danziger Stadthaushalt am Ende des 16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Westpreussischen Geschichtsvereins 49 (1907), S. 131–184, hier S. 157; Paul Simson: Geschichte der Stadt Danzig. Bd. 2. Danzig 1918, S. 448 u. ö.; Arthur Methner: Die Danziger Stadtschreiber bis 1650, in: Danziger familiengeschichtliche Beiträge. Danzig 1929, S. 27–39, hier S. 35. Im Amt des Syndikus scheint Keckerbart sich lange Jahre bewährt zu haben, so erwähnt Simson, ebd., S. 444, daß anläßlich der Heirat von König Sigismund 1605 die Glückwunschrede Keckerbarts, der als Gesandter die Stadt vertrat, dessen Beifall gefunden habe. Er war seit 1597 mit Anna, Tochter des Bürgermeisters Daniel Zierenberg, verheiratet und starb 1635. Zu Keckerbart s. auch Altpreußische Biographie, Bd. 1 (1941), S. 328 f., Władysław Czaplínski: Gda´nsk wobec elekcji Zygmunta III i unii ze Szwecj˛a, in: Historia Gda´nska. Bd. 2 (1454–1655). Gda´nsk 1982, S. 585–626, passim, sowie van Stekelenburg, S. 80. [AD SPONSUM.] Dem ersten, an den Bräutigam gerichteten Distichon liegt mit der Gegenüberstellung von Heimat und Fremde, gerade in bezug auf die Schiffahrt, ein von Opitz nicht selten gewähltes Motiv zugrunde (vgl. z. B. LW 1, S. 158–160). Im vorliegenden Gedicht erhält dieses jedoch eine besondere Pointe aufgrund der Namensgleichheit der Braut mit einer der nicht lange zuvor gegründeten Kolonien in der „Neuen Welt“: Jacobson brauchte nicht wie der Seemann eine ungewisse Suche auf sich zu nehmen, da er seinen orbis novus bereits in der Braut Virginia gefunden hatte. Die Rahmenstellung OR bem … novum … Virginia markiert diesen Bezug. – Versmaß: elegische Distichen. AD SPONSUM.] Überschrift in STB-PK Berlin: Dep. Breslau 17 (ehemals StB Breslau: Hs. R 402), S. 810, und in der Abschrift UB Breslau: Akc. 1949/713 (ehem. StB Breslau: Hs. Klose 175): ABRAHAMO JACOBSON Sponso cum Virginia Keckerbartin, virgine. 1 OR bem … novum] Die „Neue Welt“, also hier konkret (Nord-)Amerika. 2 Virginia] Hier mit doppelter Bedeutung – neben dem Namen der Braut ist die Kolonie Virginia in Nordamerika mitgedacht. Bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert versuchten die Engländer, in der „Neuen Welt“ Siedlungskolonien zu errichten, zuerst unter der Ägide Walter Raleighs ab 1584. Das dafür vorgesehene Gebiet sollte „Virginia“ heißen nach dem Beinamen der Königin Elisabeth I. (Virgin Queen). 1606 schlossen sich dann englische Kaufleute zu einer Handels- und Kolonialgesellschaft zusammen, die den Namen „Virgin Company“ trug. Kolonisten aus dieser Gesellschaft gründeten 1607 die erste
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dauerhafte Siedlung in „Virginia“; s. dazu u. a.: Stephen Coote: A Play of Passion. The Life of Sir Walter Raleigh. London 1993, S. 75–94; Philipp Gassert, Mark Häberlein und Michael Wala: Kleine Geschichte der USA. Stuttgart 2007, S. 20–46; Alexander Emmerich: Geschichte der USA. Stuttgart 2008, S. 17–19. [AD SPONSAM.] Das zweite Distichon greift mit dem Anfangswort VI rginium das letzte Wort des vorangegangenen Distichons auf und macht somit das Bedeutungsspektrums dieses Namens sinnfällig, während V. 2 andeutet, daß die Angesprochene diesen vieldeutigen Namen am Tag nach der Hochzeit gegen einen (eindeutigen) eintauschen wird. Dies wird optisch zum Ausdruck gebracht durch die Wortstellung (VI rginium … nomen … Foemineum.) – Versmaß: elegische Distichen. 1 est varium et mutabile nomen] Beziehungsreiche und wohl auch humoristische Anspielung auf Vergil, Aeneis 4,569 f.: Varium et mutabile semper / femina; die Textpassage steht dort im Kontext der Liebesgeschichte von Dido und Aeneas. 2 Hoc hodie duret, cras cape Foemineum] Vgl. auch sprichwörtliche Formulierungen wie Hodie mihi, cras tibi, die zumeist im Zusammenhang mit Tod und Sterben verwendet werden. [V.M.]
DU m pacem Moscus petiit Propemptikon und zugleich Epithalamium für Elias von Arciszow Arciszewski Dünnhaupt, Nr. 167; – Generosissimo Viro | E LIAE A B A RCISCHOW | ARCISZEWSKY | Sacrae Regiae Poloniae ac Sveciae | Majestatis | Cubiculario | et Praefecto bellico, | Amorum et conjugii caussa | in Holsatiam eunti, | M ARTINUS O PITIUS. | T HORUNII , Apud Franciscum Schnellboltz/ 1636. (UB Breslau: 355138), fol. A2r. Unsere Ausgabe folgt dem ersten und einzigen Druck. Der Druck enthält neben dem kurzen, 20 Verse umfassenden lateinischen Vorspann das eigentliche Geleit- und Hochzeitsgedicht in 108 Alexandrinern (fol. A2v–4v). Anlaß des von Opitz allein veranstalteten Kasualdrucks ist die bevorstehende Abreise des Bräutigams Arciszewski nach Holstein, wo er sich mit einem Fräulein von Ahlefeldt verheiraten wollte. Elias von Arciszow Arciszewski (Eliasz z Arciszewa Arciszewski, um 1590–1655) war der Sohn eines polnischen Adligen und sozinianischen Predigers gleichen Namens und verfaßte selbst noch im Jahre 1649 eine antitrinitarische Bekenntnisschrift Scriptum cuiusdam equitis Poloni, qui regi ipsi rationem reddit conscientiae suae, quod relictis aliis religionibus uni quam vocant Arianam se addixerit. Opitz unterhielt in seinen polnischen Jahren gute Kontakte nicht nur zu exilierten deutschen Protestanten, sondern auch zu prominenten Vertretern protestantischer Glaubensrichtungen in Polen wie Arciszewski oder Rafał Leszczy´nski. Zur Vita Arciszewskis vgl. Władysław Czapli´nski: Arciszewski, Eljasz, in: Polski Słownik Biograficzny. Bd. 1. Wrocław u. a. 1935, S. 150 f., und Conermann/Bollbuck,
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S. 1301 f., zum deutschen Gedicht knapp Robert Ligacz: Martin Opitz, der Hofhistoriograph Wladislaus IV. und sein Verhältnis zu Polen, in: Istituto Orientale di Napoli. Annali, Sezione Germanica 8 (1965), S. 77–103, hier S. 93 f. Zum Verständnis des lateinischen wie des deutschen Gedichtes ist wichtig, daß Arciszewski nach Studien an der sozinianischen Hochschule in Raków eine militärische Laufbahn einschlug, die ihn u. a. in holländische und dänische Dienste führte, bevor er 1633 endgültig nach Polen zurückkehrte und sich in der Schlacht um Smolensk (vgl. Kommentar zu Vrbs curae superum) auszeichnete; vgl. zur Wendung vom Söldner zum Patrioten das deutsche Gedicht, V. 28 f.: „Da aber du hernach viel lieber noch dein Blut / Selbst für das Vaterlandt hast rühmlich auffgesetzet …“. Im deutschsprachigen Epithalamium spielt neben dem Bräutigam noch dessen Bruder Krzysztof (1592–1656) eine Rolle, der, zeitweilig im Dienst der Westindischen Kompanie stehend, Vizegouverneur von Niederländisch-Brasilien war; hierzu vgl. jetzt Aleksander Sitkowiecki: An Arian in the New World. The Brazil Journal of Christopher Arciszewski, in: Dialogue and Universalism 10 (2009), S. 93–110. Beide Brüder waren keine zuverlässigen Gefolgsleute ihrer Könige. Elias geriet schon in den 1630er Jahren in den Verdacht der Umtriebe gegen Zygmunt III., und nach dem Einfall der Schweden 1655 trat er auf deren Seite über. Opitzens Motivation für die Abfassung und Publikation des Gelegenheitsdrucks dürfte vorrangig in seinem Bestreben gelegen haben, die protestantischen Eliten im Umfeld des Königs, der ihm in dieser Zeit das Amt eines Hofhistoriographen verlieh, für sich zu gewinnen. Das umfangreiche deutsche Gedicht entfaltet erst etwa von der Mitte an die Liebes- und Ehethematik. Es behandelt in einem breiten Eingangsteil die militärischen Leistungen Arciszewskis und auch die Unternehmungen des Bruders Krzysztof, führt dabei zugleich eindrucksvoll die politischen und persönlichen Verwerfungen im Lebensgang exponierter Figuren – Arciszewskis und in ihm gespiegelt Opitzens – zur Zeit der Konfessionskriege vor; speziell zur Lage der Miltärs vgl. Robert I. Frost: Confessionalization and the Army in the Polish-Lithuanian Commonwealth 1550–1667, in: Konfessionalisierung in Ostmitteleuopa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, hrsg. von Joachim Bahlcke und Arno Strohmeyer. Stuttgart 1999 (= Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 7), S. 139–160. – Hingegen ist der lateinische Text wie ein konventionelles Epithalamium aufgebaut: Auf die einleitenden Verse, die des Bräutigams Verdienste im Krieg nur indirekt andeuten (V. 1–4), folgen ein mit der Dialektik von Krieg und Liebe spielender Übergangspassus (V. 5 f.) und schließlich die Ankündigung der baldigen Heirat (V. 7–20). Diese ist zunehmend (ab V. 11) durchsetzt mit Elementen der Kriegsmetaphorik, zu denen so geläufige Motive wie das ovidische ‚Lager Cupidos‘ (V. 16) und die gattungskonstituierende Ermahnung zum siegreichen ‚Kampf‘ im Brautbett (V. 18) gehören. Der Nebenaspekt des bevorstehenden Aufbruchs nach Holstein, durch den die Texte auch zu Propemptika werden, ist im deutschen Gedicht deutlicher markiert (V. 60, 89–92), während das lateinische Gedicht vor allem aufgrund der voranstehenden Zueignung des Druckes (in Holsatiam eunti ) in seiner Geleitfunktion erkennbar wird. – Versmaß: elegische Distichen. 1 f. Moschus … Svecia … Turca] Russen, Schweden und Türken waren in den 1630er Jahren die Hauptgegner des Königreichs Polen. Die Russen hatten 1634 nach einem zweijähri-
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gen Krieg um Smolensk kapituliert, mit Schweden war 1635 ein Waffenstillstand geschlossen worden, und die Türken hatten zuletzt 1633 Einfälle auf polnisches Gebiet unternommen. Zur militärischen Lage vgl. die Kommentare zu allen Texten auf König Władysław IV., vor allem die lateinische Vorrede zum Lobgeticht (1636). 4 Aurea … otia] Wörtlich zu übersetzen als ‚güldne Ruh‘; vgl. diesen Wortlaut bei Simon Dach: Horto recreamur amoeno, in: Simon Dach und der Königsberger Dichterkreis, hrsg. von Alfred Kelletat. Stuttgart 1986 (= Reclams Universal-Bibliothek 8281), S. 71. Neben der Vorstellung des locus amoenus, von dem das hektische Treiben der Umwelt ausgeschlossen ist, wird auch im Anschluß an V. 3 das Lob des Goldenen Zeitalters sichtbar, das Opitz unter König Władysław IV. angebrochen sieht. 6 f. pro Marte suo Martis amica … Diva Paphi] In der Übersetzung wird nicht deutlich, daß neben der allegorisch zu deutenden mythischen Affäre zwischen dem Kriegsgott Mars und der Liebesgöttin Venus (nach Homer, Odyssee 8,266–366, dort V. 363 auch ihr Kultort Paphos auf Zypern), hier verstanden als Hinwendung des Bräutigams vom Krieg zur Liebe, auch die Junktur (pro) Marte suo (‚auf eigene Faust‘) anklingt, wodurch Arciszewskis Initiative in der Hochzeitsangelegenheit hervorgehoben werden soll. 11 Alaefeldia] Das dänisch-holsteinische Geschlecht der Ahlefeld(t) war im 17. Jahrhundert weit verzweigt. Nach Szyrocki, S. 115, und Conermann/Bollbuck, S. 1301, heiratete Arciszewski die Tochter Christians von Ahlefeldt von Sorø. Zur Familie vgl. Louis Bobé: Slaegten Ahlefeldts Historie. 6 Bde. København 1897–1912. Möglicherweise hatte Arciszewski seine Braut während seines Kriegseinsatzes in Dänemark kennen gelernt; vgl. das deutsche Gedicht, V. 85–89. 15 f. Thalassus … Hymen] Römische Bezeichnungen für den Hochzeitsgott, prominent nebeneinander vorkommend in dem berühmten Epithalamium Catull, carmen 61, V. 4 u. ö. (Hymen), V. 134 (Talasius, Thalassus). 16 Castra Cupido movet] Nach Ovid, Amores 1,9,1: Militat omnis amans et habet sua castra Cupido. Zur militia amoris in Opitzens Dichtung vgl. den wichtigen Beitrag von Kühlmann (1978). Im vorliegenden Gedicht weist Opitz neben Cupido (Amor) auch den Hochzeitsgöttern Thalassus und Hymen Waffen zu, so daß im Sinne der „bürgerlichen Ovidimitatio“ (Kühlmann) tatsächlich erotische Liebe und legitime Ehe auf eine Ebene gestellt werden. 19 Gradivus] Beiname des Mars. Thorunij, Prid. Non. Apriles; Ann. M. DC. XXXVI.] Opitz hielt sich mit kürzeren Unterbrechungen vom Sommer 1635 bis zum Sommer 1636 in Thorn auf; zu seinen näheren Lebensumständen in dieser Zeit vgl. Szyrocki, S. 109–118, jetzt auch Seidel (2011) mit weiterführender Literatur. [R.S.]
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Vrbs curae superum Epigramm auf König Władysławs IV. Sieg bei Smolensk Nicht bei Dünnhaupt; – S MOLENSCIUM VRBS, OPE DIVINA , V LADISLAI IV. POL . SVECI AE QUE | REGIS , INVICTISSIMI PRINCIPIS , VIRTUTE LIBERATUM , OBSESSI OBSESSORES MOSCOVITAE ET | AUXILIARII , VICTI ARMIS HOSTES FORTITUDINE , VITA DONATI CLEMENTIA INUSITATA . ANN. M . DC . XXXIV. (Russische Nationalbibliothek St. Petersburg: Kartensammlung, K 0-Plan 2/7, 8. http://leb.nlr.ru/collections/42/#scope=collection&sid= 42&page=79, URL: 27. 10. 2010), fol. 9. Conermann/Bollbuck, S. 1295 und 1297, geben Text und Abbildung nach einem Exemplar der Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz (V 7545) wieder. Unser Abdruck folgt dem St. Petersburger Exemplar. Das Gedicht befindet sich in der linken unteren Ecke eines Blattes, das zu einer aus 16 Teilen bestehenden Großkarte von 216 × 153 cm Gesamtumfang gehört, auf der die Geschichte der Belagerung von Smolensk im Jahre 1632 dokumentiert ist. Die Überschrift der Karte erstreckt sich über vier Blätter. Unter dem Gedichttext stehen die Angaben zu Zeichner und Stecher: Per S.ae R.ae M.tis Architectum Militar[i]um Dn[.] Joannem Pleitnerum in ipso loco Delineatum Mensuratum ac Designatum Ao 1634. Et per S.ae R.ae M.tis Chalcoglyptem Iconographum et perspectivarium Delineatorum Privilegiatum Guilielmum Hondum vices incisum Gedani Anno 1636. Eine rechts vom Gedicht plazierte, mit R EPRESENTATIO überschriebene Legende zu dem betreffenden Blatt verzeichnet unter den Buchstaben A bis G die dargestellten Personen(gruppen), zu denen der König sowie polnische und russische Kommandeure gehören. Inhalt der Abbildung ist, wie die Legende gleichfalls mitteilt, die Unterwerfung der russischen Generäle und ihrer Truppen vor König Władysław IV. Den militärischen Kontext bildet der sogenannte Smolensker Krieg (1632–1634) zwischen Polen und Rußland. Kurz nach dem Regierungsantritt Władysławs unternahmen die Russen den Versuch, die nach einem früheren Krieg 1618 an Polen gefallene Festungsstadt Smolensk nebst dem diese umgebenden Gebiet zurückzuerobern, wobei sie den Waffenstillstand von Deulino brachen. Nach ersten Erfolgen bei der Belagerung der Stadt mußten sie sich dem von Władysław geführten Entsatzheer im Februar 1634 geschlagen geben. Im Juni desselben Jahres wurde im Vertrag von Polanów der sogenannte ‚Ewige Friede‘ geschlossen, der im wesentlichen die polnischen Gebietsgewinne von 1618 bestätigte. Zum Verlauf des Smolensker Krieges s. Walter Leitsch: Eine Kriegsberichterstatterin des 17. Jahrhunderts. Zum Smolensker Krieg der Jahre 1632–1634, in: Osteuropa in Geschichte und Gegenwart […], hrsg. von Hans Lemberg u. a. Köln, Wien 1977, S. 79–93. Das Blatt ist bei Conermann/Bollbuck, S. 1295, in gut lesbarer Reproduktion abgebildet, eine Beschreibung der Karte mit Hinweisen zu ihrer Entstehung und Verbreitung findet sich ebd., S. 183–186 (dort auch Abdruck und Übersetzung der Legende). Wir verzichten hier auf die Wiederholung dieser Erläuterungen und widmen uns ausschließlich dem zehnzeiligen Epigramm Opitzens, das als rühmende Illustration der Bildtafel dient, auf der zu sehen ist, wie die russischen Generäle und Soldaten ihre Waffen vor dem zu
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Pferde sitzenden König strecken. Wie in Opitzens übrigen Texten, die sich mit dem Sieg der Polen über die Russen bei Smolensk im Februar 1634 beschäftigen, begegnen im Gedicht drei Sachaspekte, freilich in epigrammatischer Zuspitzung: erstens die Lage des Schlachtfeldes im fernen, kalten Rußland (V. 1), zweitens die durch eine Überbietungsgeste ausgedrückte moderatio des Siegers, der ‚sich selbst besiegt‘ (V. 10), und drittens in Abänderung des Motivs von der Belagerung der Belagerer (s. Titel der Gesamtkarte: OBSESSI OBSESSORES ) das Schicksal der feindlichen Waffen, die eben noch gegen die Polen wüteten, nun aber dem König zu Füßen gelegt werden (V. 7 f.). Das Tertium comparationis besteht in dem Gedanken, daß die Feinde mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden. Zum intertextuellen Vergleich der Smolensk-Texte Opitzens vgl. Seidel (2011). – Versmaß: elegische Distichen. 1 Borysthenis] Borysthenes ist der antike Name des Dnjepr, an dem die Stadt (Vrbs) Smolensk liegt. Der Fluß wird traditionell mit dem Volk der Skythen in Verbindung gebracht, das für unzivilisierte Ferne und nordische Kälte steht. 3 Moschus] Die Stadt Moskau wurde meist Moscovia, ihre Einwohner Moscovitae genannt. Opitz nutzt hier die klangliche Ähnlichkeit mit dem Namen des antiken Volksstamms der Moschi aus, die zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer siedelten (vgl. Strabo, Geographica 11,2). 8 projicit] Auf der Karte liest man deutlich proncit, was Conermann/Bollbuck übernehmen. Die Form paßt jedoch zu keinem antiken Verb, es muß sich demnach um einen Fehler des Stechers handeln, der die Vorlage proiicit (oder projicit) nicht richtig wiedergab. 10 Et Victor victis hostibus ipse sui est] Reminiszenz an ähnliche Passagen der panegyrischen Literatur, vgl. Cicero, Pro Marcello 12 (mit Bezug auf Julius Caesar): Et ceteros quidem omnis victores bellorum civilium iam antea aequitate et misericordia viceras: hodierno vero die te ipse vicisti. Unterschrift] Die Bestallung Opitzens zum polnischen Hofhistoriographen ist erstmals in einem Brief von Nikolaus Henel vom 5. Juni 1636 erwähnt (Conermann/Bollbuck, S. 1310), womit der Terminus post quem des Epigramms bezeichnet ist. [R.S.]
PANEGYRICVS Principis ANNAE Prosanachruf mit Biographie auf Prinzessin Anna von Schweden und Polen Opitzens Panegyricus wurde zweimal gedruckt: [X] Nicht bei Dünnhaupt. – PANEGYRICVS | SERENISSIMAE | Suecorum, Gothorum | ac Vandalorum | P R I N C I P I S | ANNAE, | Heroinae Praestantissimae, | Honori Piaeque Memoriae | consecratus | A | M ARTINO O PITIO. | THORVNII, Ex Officina Schnellboltziana, | Ann. M.DC.XXXVI. (UB Breslau: 435366). Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck.
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sowie [Y] Dünnhaupt, Nr. 169; – PANEGYRICVS | SERENISSIMAE | Suecorum, Gothorum | ac Vandalorum | P R I N C I P I S | ANNAE | Heroinae Praestantissimae, | Honori Piaeque Memoriae | consecratus | A | M ARTINO O PITIO. | THORVNII, Ex Officina Schnellboltziana, | Iterum editus, Ann. M.DC.XXXVI. (UB Breslau: 363590). Abweichungen von der ersten Auflage sind an entsprechender Stelle in den Lemmata vermerkt. Sowohl in den Bibliographien von Szyrocki in Weltliche Poëmata, Bd. 2, hier S. 203*, als auch bei Dünnhaupt, Bd. 4, S. 3061 f., wird lediglich der Druck Y erwähnt. Ausgewählte Textpassagen sind (nach Druck Y) wiedergegeben in: Orte und Gedichte, S. 144–149 (hier S. 145 auch eine Abbildung von Annas Grabmal); ebd., S. 217–219, finden sich eine Übersetzung dieser Passagen und kurze Erläuterungen zur Rede insgesamt. Zu dieser Rede s. ferner Dreyfürst, S. 18–42, und Seidel (2011), passim, jeweils ebenfalls mit Wiedergabe und Übersetzung bestimmter Textabschnitte. Conermann/Bollbuck beschreiben, S. 1319, diese Gedenkrede. Die Hauptperson der Rede, Anna Wasa, wurde am 17. Mai 1568 im schwedischen Eskilstuna geboren und starb am 26. Februar 1625 in Marienburg; zu ihrer Vita s. Alicja Saar-Kozłowska: Geneza fundacji pomnika grobowego Anny Wazówny w kósciele NP Marii w Toruniu, in: Sztuka Torunia i ziemi Chelmi´nskiej 1233–1815. Warszawa u. a. 1986 (= Teka Komisji historii sztuki 7), S. 159–179; Gra˙zyna Kurkowska: Anna Wazówna (1568–1625). Polskie losy szwedzkiej królewny. Torún 1995; Alicja Saar-Kozłowska: Infantka Szwecji i Polski Anna Wazówna 1568–1625. Legenda i rzeczywisto´sc´ . Torún 1995; dies.: Princess Anna Vasa. An extraordinary woman in Swedish and Polish history, in: The Vasa Dynasty and the Baltic Region. Politics, Religion and Culture 1560–1660, hrsg. von Lars Andersson. Kalmar 2003, S. 39–50; Leitsch, vor allem Bd. 2, S. 1073–1144, und passim. Anna war zum Teil ohne ihr Zutun zu einem Politikum geworden: Ihr Bruder Sigismund hatte als ältester legitimer Sohn König Johanns III. Wasa Anspruch auf die schwedische Krone und war durch seine Mutter Katharina aus der Dynastie der Jagiellonen zugleich Enkel König Sigismunds (Zygmunts) I. von Polen. Aufgrund dieser Verwandtschaft wurde er nach dem Aussterben der männlichen Jagiellonenlinie und dem Tod Stefan Báthorys 1587 als Sigismund (Zygmunt) III. zum polnischen König gewählt. Die 19jährige Anna begleitete ihren Bruder nach Polen. Nach dem Tode Johanns III. im November 1592 wurde Sigismund 1594 auch zum König von Schweden gekrönt. Wegen seiner katholisierenden Pläne verlor er jedoch in Schweden rasch die politische Kontrolle, vollends nach der Übertragung Livlands von Schweden an Polen (die Sigismund vor der Wahl zum polnischen König hatte versprechen müssen) im März 1600. 1604 wurde Sigismund vom Reichstag abgesetzt und sein Onkel als Karl IX. zum schwedischen König gekrönt. Der Streit um Livland und Sigismunds ungebrochener Anspruch auf die schwedische Krone führten zum Krieg zwischen Polen und Schweden, der sich zunächst bis 1629 hinzog und eine starke schwedische Expansion auf Kosten der polnischen Ostseegebiete mit sich brachte. Innenpolitisch setzte Sigismund die Rekatholisierung Polens, die sein Vorgänger Stefan Báthory (1576–1586) betrieben hatte, fort. Nachdem Báthory durch die Kirchen-
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union von Brest ein Coup gegen die russisch-orthodoxe Kirche gelungen war, bekämpfte Sigismund vor allem den Protestantismus. Katholiken wurden auf vielen Ebenen bevorzugt, protestantische Kirchen vielfach ‚zurückgeführt‘. Lediglich in Livland, Kurland, Preußen, den großen Städten Riga, Danzig, Thorn und Elbing sowie den Besitzungen einzelner adliger Familien (darunter die litauischen Radziwiłł) hielt sich die protestantische Lehre. Nach Sigismunds Tod 1632 wurde sein Sohn als Władysław IV. (1632–1648; auch Wladislaw, Ladislaus, Vladislaus) zum König gewählt. Seine persönliche Ausstrahlung, seine militärischen Erfolge und sein offenes Bekenntnis zur religiösen Toleranz machten ihn im Gegensatz zu seinem Vater rasch zum populären Hoffnungsträger, gerade auch bei den protestantischen Dissidenten. Der Tod Gustav Adolfs 1632 bedeutete einen Umschwung im polnisch-schwedischen Kräfteverhältnis. Die Thronerbin Christina (* 7. 12. 1626) war auf lange Zeit minderjährig, die politische Bewältigung eines solchen Interims mußte von Grund auf improvisiert werden. Ob Einheit und Stabilität des Landes von der nur zweifelhaft legitimierten Übergangsregierung Oxenstiernas gewahrt werden konnten, war nicht abzusehen. Die schwedischen Pläne gegen Polen lagen vorerst auf Eis, und die polnischen Wasa konnten sich neue Hoffnung auf die schwedische Krone machen. Zweifellos war Władysławs Wunsch nach einem feierlichen Staatsbegräbnis für die Enkelin des Dynastiegründers auch durch diese Rahmenbedingungen motiviert: Die Ehrung sollte öffentlich bezeugen, wie die legitime Nachfolge der Wasa verlief, und in der den schwedischen Unternehmungen wenig geneigten Bevölkerung Polens angesichts des Kriegsverlaufes weithin aufgegebene Hoffnung auf die schwedische Krone wachrufen. Da Anna Wasa wegen ihres Festhaltens am Protestantismus und insbesondere wegen ihres Patronats über die polnischen Protestanten und schwedischen Flüchtlinge bei ihrem der Gegenreformation verschriebenen Bruder Sigismund wenig Sympathie genoß, wurde sie 1625 zunächst ohne großes Zeremoniell bestattet. Ihr Grab im Schloß Brodnica wurde am 3. November 1629 beim Rückzug schwedischer Truppen geplündert, was wohl den sachlichen Grund für die Umbettung 1635 lieferte. Gleichzeitig setzte sich Władysław durch die feierliche Ehrung einer protestantischen Führungspersönlichkeit von der rigideren Religionspolitik seines Vaters ab. Die äußerliche Zurückhaltung des Königs, der sogar der von ihm selbst initiierten Zeremonie fernblieb, spiegelt wohl sein Bemühen, zwar die protestantischen Dissidenten zu integrieren, aber gleichzeitig die katholische Szlachta nicht zu verärgern. Opitz war wohl im Januar 1636 erstmals mit dem polnischen König in Verbindung getreten (vgl. die Kommentare zu seinen Schriften aus dem Umkreis des polnischen Hofes, u. a. zur Vorrede des Lobgeticht von 1636, LW 3, S. 453). Die 1625 verstorbene Anna Wasa kann er demnach nicht mehr persönlich gekannt haben. Den Panegyricus auf die schwedische Prinzessin am polnischen Hof verfaßte Opitz anläßlich ihrer feierlichen Beisetzung am 16. Juli 1636 in der großen evangelischen Kirche von Thorn (der heutigen Marienkirche). Noch im selben Jahr wurde die Rede gedruckt – die Art der Druckfehler läßt erkennen, daß Opitz den ansonsten eher luxuriösen Druck allenfalls hastig überarbeitet hat. Diese Druckfehler wurden dann in der zweiten Auflage (also Druck Y) in der Regel korrigiert. Den Auftrag für die Rede erhielt Opitz, wiewohl bereits als Diplomat bzw. Hofhistoriograph des polnischen Königs tätig, nicht unmittelbar von König Wła-
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dysław IV., sondern, über die Vermittlung Gerhard Graf Dönhoffs, von dem Wojewoden und Protektor der Protestanten Christoph Radziwiłł, den Władysław mit der Organisation der Feierlichkeit beauftragt hatte; s. dazu Szyrocki, S. 116, und vor allem die Ausführungen Bernhard Wilhelm Nüßlers in seinem Brief vom 21. Juni 1636 an August Buchner (Conermann/Bollbuck, S. 1316): Brevi, ni fallor aliud scriptum submittam, quô Principis Svecicae, quae defuncti Regis soror fuit, sed Evangelicae veritatis tenacissima, memorium celebrat, authoribus in eam rem ipso Principe Radzivilio & Denhofio. Siehe dazu auch den Wortlaut des in verschiedenen Exemplaren der Rede angefügten Blatts, abgedruckt bei Alicja Saar-Kozłowska: Infantka (wie oben), im Anhang als Abbildung Nr. 16: D EO O PT . M AX . | ET | MEMORIAE AETERNAE | SERENISSIMAE PRINCIPI | ANNAE | Gustavi I. Nepti, Ioannis III. Regum Sueciae Filiae, | Sigismundi III. Poloniae ac Suecor. Regis Sorori, | magnitudine animi vltra genium sexus, | pietate ac constantia supra mores saeculi euectae, | beneficentia, pudicitia, innocentia | incomparabili, | III . Id. Febr. Anno Sal. M.DC.XXV. AEtat. LVII . | Brodnicii humanis rebus exemptae, | VLADISLAUS IV. | Poloniae Suecorumque Rex, | Fundator Publicae Quietis, | Fortissimus ac Triumphalis semper, | Amitae Benemerentissimae, | Ipse immortalitate dignissimus, | opera studioque | C ELSISSIMI P RINCIPIS | CHRISTOPHORI D. RADZIVILII | PALATINI VILENSIS . | F IERI FECIT . Somit stammt dieser Text nicht, wie Conermann/Bollbuck, S. 1319, fälschlich vermerken, die daraus eine Passage zitieren und übersetzen, aus „Opitz’ undatierter Widmung an Kg. Wladislaus“ (diese Auffassung auch schon bei Szyrocki in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 203 *), sondern es handelt sich hierbei um ein Gedenkblatt anläßlich der durch König Władysław veranlaßten Bestattung Annas. Aus einem Brief Opitzens selbst aus Thorn vom 22. August 1636 an Christian Cunrad in Breslau (Conermann/Bollbuck, S. 1323) ist Näheres über das Abfassungsdatum zu erfahren: Vivo eo loci, ubi plurimum dandum est eorum voluntati quorum auxilio operaque sublevari hoc tempore meo possum. Itaque orationes in obitum Suecicae Principis ac Baronis Cemae videre iam potuisti: successit illis eodem quo absolutae fuerunt momento, altera Honori illustris Palatini Belsensis exaranda; quae heri ad umbilicum deducta est. Die Bestattungsfeierlichkeiten sind beschrieben bei Zernecke, S. 293 f. Hier heißt es u. a.: „Den 16. Jul. ist die Schwedische Princeßin ANNA , Johannis III, Königes in Schweden Tochter, und Sigismundi III, Königs in Pohlen Schwester, welche ihren Wohn=Sitz zu Straßburg in Preussen gehabt, und albereit Anno 1625 den 6 Febr., und also schon XI Jahre vorhers alda erblasset, allhier mit grosser Pompe zu St. Marien beerdiget, allwo Ihr zum ewigen Andencken ein kostbares marmornes Grab unweit dem Altar zur Rechten aufgerichtet worden; Die Leich=Ceremonien hat Cl. Hartknoch … weitläufftig beschrieben, dabey noch dieses zu mercken, daß die Deutsche Leich=Sermon Petri Czimmermanni den 82. Psalm, Vers. 6. Die Pohlnische. Pauli Orlizii, den 2 Psalm zum Grunde gehabt: Nicht minder, daß die Straßburgische Bürgere der Leiche, bey den Solennitäten in weissen Kleidern mit grünen Kräntzen auf dem Haupte, vorangegangen etc. Conf. Hoppius in Schediasmate de Scriptoribus Poloniae § 24. p. 46. in folio, sic scribens: Exstat de his exequiis relatio Thorunii in 4to excusa, unà cum monumento sepulchrali, quod Vladlislaus IV Amitae erigi fecit. Quo tempore simul carmina quaedam publicata sunt à Docentibus in Gymnasio Thorunen. ib. fol. nec non Panegyricus, autore Mart. Opitio, ibid. 1636. f.“ Opitzens Rede läßt sich folgendermaßen gliedern (im Rahmen der unten aufgeführten Lemmata wird auf den Beginn des jeweiligen neuen Gliederungsabschnitts hingewiesen):
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1. Einleitung (exordium): a) Redesituation (propositio exordii ) b) Sinn und Möglichkeiten der Rede (ratio) c) Würde der gefeierten Person (amplificatio rationis) d) Größe der Aufgabe und Lohn des Redners (conclusio) 2. Lob der Anna Wasa (argumentatio) a) Gliederung des Lobes in Geburt und Verdienst (propositio) b) Lob der Heimat (locus a patria: Chyt. I.) c) der Abstammung (locus a gente: Chyt. II.) d) des Charakters (locus a virtutibus: Chyt. V.) e) der Lebensführung (locus a sexu und locus a vitae genere: Chyt. III. und VI.) f) der Lebensleistung (locus a rebus gestis und locus ab eventu: Chyt. VII. und VIII.) g) des Sterbens (locus a morte: Chyt. X.) 3. Seligpreisung der Verstorbenen (peroratio) Die lateinischen Termini sind der Dispositionslehre der frühneuzeitlichen Rhetorik, speziell den im protestantischen Raum weit verbreiteten Praecepta rhetoricae inventionis von David Chytraeus (Wittenberg 1556) entnommen. Dieses Werk erlebte viele Neuauflagen; benutzt wurde folgende Ausgabe: David Chytraeus: Praecepta rhetoricae inventionis [= Vorschriften der Rhetorik]. Einleitung, Text und Übersetzung hrsg. von Nikolaus Thurn u. a. Rostock 2000 (= Rostocker Studien zur Kulturwissenschaft 3). Die Abkürzung „Chyt.“ mit anschließender römischer Ziffer bezieht sich auf die Aufzählung der einzelnen loci bei Chytraeus; s. in der Ausgabe von Thurn, S. 130–136. Als Modell für die gedankliche Gliederung hat in erster Linie die neulateinische Rhetorik, nur indirekt die antike zu gelten. Der stilistisch wichtigste Prätext ist der Panegyricus des jüngeren Plinius auf Kaiser Traian, dem Opitz eine Vielzahl von Ausdrücken entlehnt. Die dem Panegyricus nahestehenden Reden Ciceros und Senecas spielen dagegen kaum eine Rolle. Die Sprache ist um Variation bemüht und geht häufig über das klassische Vokabular hinaus. Dabei ist es symptomatisch für die um Versöhnung bemühte, behutsame Formulierung der Rede, daß die politischen Schlüsselbegriffe und -ereignisse, um die der Text kreist, nie ausdrücklich genannt werden: Obwohl die polnische Religionspolitik und die Auseinandersetzung mit Schweden die zentralen Bezugspunkte der Rede darstellen, erscheinen weder die Worte „katholisch“ oder „protestantisch“ im Text noch wird der 25jährige schwedischpolnische Krieg ausdrücklich genannt. Zur Gliederung dieser Rede s. auch Dreyfürst (wie oben), und Seidel (2011), S. 227 f. Suecorum, Gothorum ac Vandalorum] Es ist bemerkenswert, daß der faktisch nicht durchsetzbare schwedische Titel vor dem realpolitisch relevanten polnischen erscheint. Aus Sicht der Wasa war die erbliche schwedische Krone dynastisch wichtiger als das polnische Wahlkönigtum. Sueci ist der im frühneuzeitlichen Latein übliche Name der Schweden; Gothi bezeichnet im Sprachgebrauch der Zeit ebenfalls meist die Schweden, Vandali die Polen (nach den vermuteten Siedlungsgebieten jener Stämme in der Antike). Regnum Suecorum et Gothorum war zur gebräuchlichen Bezeichnung des Königreichs Schweden geworden, ohne daß in der Regel eine Binnendifferenzierung erkennbar wäre.
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Heroinae Praestantissimae] heros und heroina werden im Neulatein geläufig für Angehörige des höheren Adels verwendet, etwa in der Bedeutung ‚große Persönlichkeit‘; die antike Bedeutung ‚Held‘ bzw. ‚Heldin‘ schwingt noch gelegentlich mit. V LADISLAO IV. P OLONIAE · S VECIAEQVE · R EGI ] Wie sein Vater führte auch Władysław noch den Titel „König von Schweden“, obwohl er diesen Anspruch weniger heftig verfocht als Sigismund. Bis 1634 hatte er zudem den russischen Zarentitel geführt. F VNDATORI · P VBLICAE · Q VIETIS ] Władysławs größtes Verdienst lag in der Tat in der Befriedung. Der 1634 mit Moskau an der Poljanowka vorteilhaft geschlossene Frieden bestätigte die polnischen Ansprüche auf Smolensk, Sewerien, Tschernigow und andere ehemals litauische Gebiete und machte sogar den Zaren zum potentiellen Verbündeten gegen Schweden. Im selben Jahr schloß Władysław mit dem Osmanischen Reich Frieden und verhinderte so ein drohendes russisch-türkisches Bündnis gegen Polen. 1635 wurde der Waffenstillstand mit Schweden, den Sigismund 1629 noch mit schmerzhaften Gebietsabtretungen erkauft hatte, unter wesentlich günstigeren Bedingungen erneuert: Schweden trat Danzig und die anderen preußischen Häfen mit ihren reichen Zolleinnahmen an Polen ab, behielt aber Litauen mit Ausnahme des Gebiets um Dünaburg („Polnisch-Livland“, später Lettgallen). Damit genoß Polen nach den langwierigen Kriegen mit Schweden und Rußland erstmals eine längere Friedenszeit. Vgl. zu Władysławs militärischen Leistungen Opitzens Kommentar zur Vorrede des Lobgeticht (1636). M AXIMO · P IO · F ELICI ] Maximus wird im klassischen Latein nicht als Herrschertitel verwendet, sondern stammt aus der Sakralsphäre (Pontifex Maximus, Iuppiter Optimus Maximus). Die sakrale Verwendung lebt auch im Neulatein noch in der schon antiken Christianisierung Deus Optimus Maximus fort. Als Anrede ist der Titel im Neulateinischen meist Königen vorbehalten. Pius benutzt Opitz hier – wie oft in dieser Rede – sowohl in der heidnischen Bedeutung (‚pflichtbewußt, der eigenen Familie ergeben‘) als auch in der christlichen (‚fromm‘). Felix vereinigt die Bedeutungen ‚glücklich‘ und ‚erfolgreich‘ (hier nach dem Beinamen des ‚vom Glück begünstigten‘ L. Cornelius Sulla). DEVOTISSIMVS ]
Hier in der im Neulatein geläufigen Bedeutung ‚ergebenst‘.
1 SI ab excessu statim] Exordium, 1. Teil: propositio exordii: Besonderheit einer mit großer Verzögerung gehaltenen Leichenrede. 7 f. decennii spatio et amplius] Anna war 1625 verstorben, die feierliche Umbettung fand 1636 statt. 11 f. Liberius autem tutiusque] Exordium, 2. Teil: ratio: Die zeitliche Distanz erlaubt größere Objektivität, besonders für Personen königlichen Standes eine seltene Chance. Die Beteuerung der Sachlichkeit war im notorisch schönredenden Genus des Panegyricus ihrerseits zum Topos geworden. 13–19 quod rerum dominos laudare … aurium vsu carere saepissime cogantur] Hof- bzw. Adelskritik, wie sie bei Opitz nicht selten gerade auch in seinen Panegyrici formuliert wird. Das vorbildliche Leben der hochherrschaftlichen Geehrten erhält vor dieser negativen Folie um so helleren Glanz.
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14 quàm culpare viuos ac redarguere] Topos der (Il-)legitimität von Kritik an noch lebenden Personen. 19–21 Ita fit, … latebras Palatiorum explorat] Ähnlich bereits in Opitzens Leichenrede von 1624 auf die siebenbürgische Fürstin Zsuzsanna Károlyi in Anlehnung an Plinius d.J., Panegyricus auf Trajan 83,1; s. LW 1, S. 258. 23 susque deque habet] Mit der Bedeutung „sich nichts aus etwas machen, nicht achten“, z. B. bei Plautus, Amphitruo 836. 25 Viueret tamen illa] Exordium, 3. Teil: amplificatio rationis. Der Gegenstand der Rede, die Prinzessin Anna, gibt jedem Redner genügend Material für einen Panegyricus an die Hand. 37 Ego verò quod] Exordium, 4. Teil: conclusio: Der Redner ist der Größe der Aufgabe zwar rhetorisch nicht gewachsen, verspricht sich aber von aufrechter Rede hinreichenden Ruhm. 40 f. quam alii ab eloquentia et nitore …; eam si veritas orationis mihi] Rhetorischer Topos der Beteuerung rhetorischen Unvermögens (vgl. Shakespeare, Julius Caesar, 3. Akt, 2. Szene: „I am no orator as Brutus is, but a plain blunt man …“). Daß Opitz diese Äußerung als Topos verstanden wissen will, wird deutlich, wenn er wenig später ausdrücklich und anerkennend auf die Vorschriften der Rhetorik verweist; vgl. dazu auch Opitzens Nachruf auf Graf Rafał von Leszczy´nski (LW 3, S. 196 und 500). 42 f. Discernamus autem] Argumentatio, 1. Teil: Gliederung der Rede in Geburt und moralische Verdienste. 45 Ac quoniam à gente et patria] Argumentatio, 2. Teil: locus a patria. 46 ne … vim legibus Rhetorum faciamus] Der Verweis auf die Regeln der Rhetorik ist ungewöhnlich, ist es doch Ziel der klassischen Rhetorik, die Anwendung des eigenen Handwerks zu verschleiern. Im vorliegenden Fall – wie oft in der neulateinischen Redekunst – ist diese Verschleierung allerdings überflüssig, da der erlesene lateinische Periodenstil ohnehin nur von Kennern der Rhetorik goutiert werden konnte. 47f. qui Thraciam cum Suecia, Getas cum Gothis] Mit der Frage einer möglichen Identität von Goten und Geten hat sich Opitz in seinen Schriften mehrfach beschäftigt, so bereits in Zlatna oder in der Vorrede zur Edition des Annoliedes (1639), vgl. LW 3, S. 308 und 613. Siehe u.a. Karl Kurt Klein: Zur Frage der „Germanissimi Germani“ des Dichters Martin Opitz, in: Saxonica Septemcastrensia. Forschungen, Reden und Aufsätze aus vier Jahrzehnten zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen. Marburg 1971, S. 290–301, hier S. 293. 48 Iornandis] Jornandes (gebräuchlichere Namensform Iordanes), ein romanisierter Gote, verfaßte bis 551 eine Weltchronik (De summa temporum vel origine actibusque gentis Romanorum) und eine Geschichte der Goten (De origine actibusque Getarum); letztere lehnte sich wohl an ein verlorenes Werk Cassiodors an. Die legendäre Frühgeschichte, auf die Opitz hier verweist, findet sich in den Kapiteln 1–13. Jornandes wird im übrigen mehrfach in Opitzens Variarum lectionum liber (s. LW 3, S. 542–549) erwähnt. Nach Klein (wie oben), S. 293, machte Opitz – neben eigenen Forschungen – „die aus dem Handbuch der M anucii geschöpfte Entdeckung, daß die von Jordanes (551) bis zu Jacob Grimm (1848)
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immer wieder behauptete Gleichsetzung von Goten und Geten wissenschaftlich unhaltbar sei“. Siehe v. a. auch: Jörg-Peter Findeisen: Die schwedische Monarchie. Von den Vikingerherrschern zu den modernen Monarchen. 2 Bde. Kiel 2010. Bd. 1, S. 18–21. 50 f. ornamentum Gedani sui Cluuerius] Zu denken wäre hier vor allem wohl an den ebenfalls mehrfach im Variarum lectionum liber angeführten Philipp Clüver, der 1580 in Danzig geboren wurde, sich in Leiden den Altertumswissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der antiken Geographie widmete und dort 1622 starb. In dem im Besitz von Robert Königsmann befindlichen Exemplar seines Hauptwerkes, den 1616 in Leiden erschienenen Germaniae antiquae libri tres, nahm Opitz eine Stammbucheintragung vor; s. dazu LW 2, S. 413 f. 51 nosque idem facere] Hier ist wohl an Forschungen im Rahmen der Dacia antiqua zu denken, möglicherweise steht Opitz auch das Amt des polnischen Hofhistoriographen im Sinn, für das er 1636 bereits im Gespräch war. 53 conditis fabularum vrbanitate Amazonum historiis] Das sagenhafte Volk der Amazonen wurde in der Antike zumeist im Nordosten Kleinasiens, gelegentlich auch in Libyen lokalisiert; Opitz folgt dagegen dem für seine fabularum urbanitas berühmten Herodot (Historien 4,110–117), der die Amazonen mit den Skythen in Verbindung bringt, also etwa im Gebiet von Rumänien und Bulgarien plaziert. Obwohl sich Opitz Clüvers Kritik der mythischen Frühgeschichte der Goten zu eigen macht, räumt er den zweifelhaften Anbindungen an antike Völker und Mythen (Amazonen, Geten, Daker) doch in der Form der praeteritio beträchtlichen Raum ein, um der Glorie Schwedens die antike Würde nicht gänzlich zu nehmen. 54 ex antro instar Trophonii] Obskurer böotischer Heros mit altem Orakelkult. Trophonios hat keine Verbindung zu den Geten, sondern wird nur als Vergleichspunkt für Zamolxides herangezogen. 54 f. dictante praecepta sapientiae ac morum Zamolxide] Gebräuchlichere Namensform Zalmoxis (auch Salmoxis), nach Herodot, Historien 4,94 Gott der thrakischen Geten, dem Menschenopfer dargebracht wurden; Opitz folgt der rationalisierenden Auslegung (ebd. 4,95), nach der Zalmoxis ein thrakischer Sklave des Pythagoras war, der nach dem Tode seines Herrn bei den Geten die Unsterblichkeitslehre verbreitete und sie überzeugte, indem er sich drei Jahre lang in einem unterirdischen Gemach verbarg. 55 Principis Optimi] Dem römischen Kaiser Trajan im Jahre 114 vom Senat verliehener Ehrentitel. 56 Decebalo] Letzter bedeutender König der Daker, vereinigte die dakischen Stämme, fiel 85/86 in der römischen Provinz Moesien ein; erst 101/102 im Dakerfeldzug des Traian geschlagen. Decebalus beging nach einem gescheiterten Aufstand im Jahre 105 Selbstmord. 57 peragrata triumphis … spatia] Übergang von der römischen Kaiserzeit zur Völkerwanderung und damit dem eigentlichen Eintritt der Goten in die Geschichte. Während Opitz die von Clüver widerlegte Verbindung von Goten und Geten (und Dakern und Thrakern)
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nur noch zurückhaltend anführt, ist ihm wie seinen Zeitgenossen die nach heutigem Verständnis kaum plausiblere Identifikation von Goten und Schweden noch durchaus unproblematisch. Vgl. den Kommentar zu Opitzens Edition des Annoliedes (1639), in: LW 3, S. 613. 58–60 raptus sub iugum Danubius, captae post insessam Daciam … cum Maesiis Pannoniae] Bei der Schilderung der gotischen Kriegszüge unterscheidet Opitz nicht zwischen Ost- und Westgoten und folgt auch nicht ganz der Chronologie: Die Angriffe auf die Donaugrenze begannen eigentlich erst nach dem Fall der Provinz Dakien (270 n. Chr.; in etwa das heutige Rumänien). Pannonien (die heutige Westhälfte Ungarns) und die häufig umgebildeten Provinzen Moesiens (die im wesentlichen Teile des heutigen Bulgarien und Serbien umfaßten) wurden nach der Schlacht bei Adrianopel (378 n. Chr.) von Alanen, Goten und Hunnen besiedelt. 60 acquisitae iure belli prouinciae Galliarum vberrimae] Das tolosanische Westgotenreich (nach der Hauptstadt Tolosa/Toulouse; 419–507) umfaßte zunächst weite Teile Aquitaniens, später auch Spaniens. 60 f. retenta sub potestate regia seculis aliquot Hispania] Im 5. und 6. Jh. wurde die iberische Halbinsel vollständig dem tolosanischen Westgotenreich einverleibt. Die Gotenherrschaft dauerte hier bis zum Arabereinfall (711 n. Chr.). 61 f. subacta Italia et Orbis ipsius caput Roma] Bereits im 5. Jh. kam es zu westgotischen Angriffen auf Italien und einer ersten Plünderung Roms (410 n. Chr.). Nach der Ermordung des Westgotenkönigs Odoaker wurde das ostgotische Reich in Italien unter Theoderich (493–553) begründet. 63 f. post Fridigernos, Athanaricos, Alaricos, Athaulfos ac Theodoricos] Fritigern vollzog die für die gotische Geschichte bedeutende Wende zum arianischen Christentum (369) und wurde dadurch Gegenspieler des Heiden Athanarich, sammelte ab 376 barbarische Söldner Roms um sich und besiegte mit ihnen am 9. August 378 in der Schlacht bei Adrianopel den Kaiser Valens; er starb wohl wenig später. Alarich, der Nachfolger Fritigerns, nahm 410 den Königstitel an. Er plünderte Thrakien, Makedonien und Griechenland, fiel ab 401 in Italien ein, eroberte 410 Rom und starb noch im selben Jahr. Sein Nachfolger und Schwager Athaulf (reg. 410–415) heiratete die gefangene Schwester des Kaisers Honorius. Der Ostgote Theoderich (reg. 493–526) übernahm nach der Ausschaltung der Westgoten die Herrschaft in Italien; s. dazu Herwig Wolfram: Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie. München 52009. Zu bedenken ist wohl, daß 1554 die Gotengeschichte des Johannes Magnus erschien, herausgegeben von seinem Bruder Olaus, die einen großen Erfolg erlebte; s. dazu ausführlich Findeisen (wie oben), Bd. 1, S. 290–297. 66 f. Non externis … viribus, sed labe consiliorum ac motibus domesticis] Opitz bezieht sich hier offenbar auf das Ostgotenreich in Italien, dessen Lage durch dynastische Zwistigkeiten, innenpolitische Grausamkeit und die religiöse und ethnische Spaltung zwischen römischen Katholiken und gotischen Arianern belastet wurde.
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68 f. finibus nullam partem imminutis] Natürlich nur im Hinblick auf die angeblich ursprünglichen Siedlungsgebiete in Skandinavien, deren Bevölkerung mit den südlichen Reichen schon lange keine Verbindung mehr hatte. An dieser Stelle des Textes geht Opitz unvermittelt von der gotischen zur schwedischen Geschichte über. Da ein entsprechender Zusammenhang historisch nicht zu belegen ist, müssen die Formulierungen notgedrungen unpräzise bleiben. 73 f. delibandi aliquid de pristina libertate sua gratiam nulli hactenus mortalium fecerunt] Möglicherweise eine Anspielung auf die kriegerische Auflösung der Union mit Dänemark (1520–1523), die die Erbfeindschaft beider Länder begründete. 74 Caeterorum porrò Regum seriem] Diese series muß schon wegen der Personalunion mit Dänemark, die einer Besatzung gleichkam (vgl. oben peregrinos), übergangen werden. 75 Gustauum Principis augustae auum] Argumentatio, 3. Teil: locus de gente. Gustav Wasa, Gründer der Dynastie, schwedischer König von 1523 bis 1560. Opitzens Formulierung suggeriert gewollt ein größeres Alter der Wasa-Dynastie, um die nach adligen Maßstäben ‚junge‘ Familie nicht zu diskreditieren. 76 f. Ingemiscebat Respublica, hostium crudelitate, prauis malorum ausibus in discrimen coniecta] Opitz bezieht sich hier auf die Grausamkeiten Christians IV. von Dänemark nach der Eroberung Schwedens. Christian hatte am 8. November 1520, vier Tage nach seiner Krönung, etwa 90 Anhänger der nationalen Partei Sven Stures nach kurzem Schauprozeß öffentlich hinrichten lassen („Blutbad von Stockholm“). Diese Übergriffe hatten verstärkte Revolten zur Folge, die 1523 schließlich zur Vertreibung der Dänen und zur Krönung Gustav Wasas führten. 81 octo et triginta annos] In Druck X fälschlich amos; in Y zu annos korrigiert. Opitz rechnet nicht von der Krönung, sondern von der Proklamation Gustavs als Heerführer von fünf Provinzen (14. Juli 1522) an. 81 f. pomerijs regni sui contentus] Diese Selbstbescheidung wurde durch die Kriegszerstörungen und den drohenden Bankrott der Staatsfinanzen zunächst sehr erleichtert. 82 f. Liuoniam … reliquit] Nach dem Zerfall des Deutschen Ordens 1551 fiel Livland an Polen; das dadurch entstandene Machtvakuum erregte auch das Interesse Schwedens an der ökonomisch und strategisch günstig gelegenen Provinz. Gustavs Söhne Erik und Johann führten ab 1561 Kriege mit Dänemark, Polen und Moskau um den Besitz Livlands. 83 f. De patre vero Iohanne] Opitz übergeht den wenig ruhmreichen, 1568 abgesetzten Sohn Gustavs Erik XIV. völlig; dessen ebenso glücklosen Bruder Johann III. (reg. 1568–1592) kann er als direkten Vorfahren nicht übergehen. 87 quae illi cum Mosco imprimis fuerunt] Nachdem Schweden die vorübergehende Vorherrschaft in Livland an Rußland verloren hatte, kam es 1577 zum Bündnis mit Polen (unter Stefan Báthory) und zur Rückeroberung Livlands. Opitz verschweigt, da Władysław ja noch den Titel des schwedischen Königs führte, in der gesamten Rede den dynastischen Zwist zwischen schwedischen und polnischen Wasa ebenso wie den 25jährigen schwedisch-polnischen Krieg, der allen Zuhörern und Lesern noch frisch im Gedächtnis sein
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mußte, und betont stattdessen die Auseinandersetzungen mit Rußland, in der Schweden und Polen ähnliche Ziele verfolgten. 89 Catharinam verò matrem] Katharina Jagiełło (1526–1583), Tochter Sigismunds (Zygmunts) I. und Bona Sforzas (gest. 1557). Nach dem Tode ihres Bruders Sigismund II. August erwarben ihr Gemahl Johann III. von Schweden und der gemeinsame Sohn Sigismund III. Aussichten auf die polnische Krone; s. Almut Bues: Die Jagiellonen. Herrscher zwischen Ostsee und Adria. Stuttgart 2010, hier vor allem S. 214–218. 91 Sigismundo I.] Polnischer König von 1506 bis 1548. 92 benemeritissimo] In klassischen Latein optime merito. Die Form zeigt den veränderten Wortgebrauch: im Neulateinischen typisches Epitheton, oft wie hier ohne ausdrücklichen Bezug (de re publica o. ä.). 92 f. Piasteo] Das Adjektiv Piasteus ist abgeleitet von Piast, dem sagenhaften Gründer der polnischen Dynastie der Piasten, der im frühen 10. Jh. anzusiedeln wäre; dazu s. zum Beispiel Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter. München 2011, S. 12 f. 93 Poloniae Regni Respublica beata tot annis] In der Tat gilt die Herrschaft Sigismunds I. als das „goldene Zeitalter“ Polens, sowohl wegen der literarisch-künstlerischen Blüte als auch wegen der politischen Konsolidierung (Ausgleich zwischen Krone, Magnaten und Szlachta, Arrangement mit Litauen, Hoheitsanspruch über den Deutschen Orden, Beilegung des Konflikts mit Habsburg, Grenzsicherung gegen Russen, Tataren und Osmanen). Zugleich erinnert Opitz hier an die Blütezeit des Protestantismus in Polen. 94 Matri autem Bonae] Zur Vita Bona Maria Sforzas (1494–1557) s. Almut Bues, Die Jagiellonen (wie oben), S. 158–161 und passim. 94 f. Johannem Galeacium Ducem Mediolanensem] Gian Galeazzo Sforza (gest. 1494), verheiratet mit Isabella von Aragón (1470–1524). 97 imagines] Nach der Sitte adliger Familien im antiken Rom, die Bilder der Vorfahren, die ein öffentliches Amt bekleidet hatten, im Atrium aufzubewahren. 99 fratrem Sigismundum] Zu seiner Vita s. ausführlich Leitsch. 101 prosecuta est] Bei der Inthronisation Sigismunds III. als polnischer König 1587. 103 f. ex legibus huius Reipublicae aspectu eius … carendum erat] Die Gesetze Polens verlangten die Anwesenheit des Königs. Lediglich zur Thronübernahme in Schweden wurde Sigismund 1594 eine einjährige Abwesenheit gestattet. 105 iuueni adhuc] Sigismund war bei seiner Krönung gerade 21 Jahre alt. 107 f. asseruit contra ambitum] Das Votum der Königswahl war zwischen Sigismund und dem habsburgischen Erzherzog Maximilian gespalten. Der Streit endete nach einigen Gefechten besonders um Krakau 1588 mit der Gefangennahme Maximilians. 110 bonis perfectissimus, populo simili] Sigismund genoß keineswegs so viel Sympathie in Polen, wie ihm hier zugeschrieben wird. Besonders Sigismunds fatale Schwedenpolitik und seine rabiaten Rekatholisierungsbemühungen übergeht Opitz völlig.
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110 populo] Der rhetorische Standardfall des Landeslobs wird hier recht schematisch anhand der vorgesehenen Topoi entwickelt. Besonderes Interesse dürften nach dem verlustreichen Krieg gegen Schweden, das bis 1635 die polnischen Ostseehäfen besetzt hatte, das Lob der kriegerischen Tüchtigkeit und des günstigen Seehandels hervorgerufen haben. 127 f. successu rerum prosperrimo] Höchst zweifelhafte Darstellung; lediglich die Abwehr der osmanischen Bedrohung kann als bedeutender Erfolg der Regierung Sigismunds gelten; dagegen verliefen die Kriege mit Schweden und Rußland im wesentlichen glücklos. 129 vt nihil annis felicissimis] In Druck Y: vt nihil annis eius felicissimis 130 V LADISLAVM ] Siehe Einleitung. 132 Homerus … Achillem] Nach dem Haupthelden der Ilias Homers. 132 Apelles] Berühmter Maler des antiken Griechenlands (4. Jh. v. Chr.). 133 placidum, neque temulentum] Jähzorn und Trunksucht galten schon den antiken Biographen als die größten Schwächen Alexanders. 134 f. cohortes fudit] Als besonders ruhmvoll galt Władysławs Abwehr des dem polnischen an Zahl doppelt überlegenen osmanischen Heeres bei Chocim am Dnjestr (Herbst 1621). 135 pruinas Scythicas] Die Skythen waren ein antikes Volk, dessen Siedlungsgebiet sich vom nordöstlichen Balkan aus (in den Mittelmeervölkern unbekannten Dimensionen) nach Norden erstreckte. Die Assoziation von Skythen und „nordischer Kälte“ war in der Antike (nach Herodot, Historien 4) geläufig und wurde in der lateinischen Tradition besonders durch Ovids Tristien zum Topos. Opitz meint hier die Rußlandfeldzüge 1618–1620. 136 rigorem Borysthenis] Antiker Name des Dnjepr. Der Fluß entspringt ca. 250 km westlich von Moskau und fließt über Kiew ins Schwarze Meer; die Angabe steht hier lediglich wie pruinae Scythicae metonymisch für die Härten des russischen Klimas. 140 regno] Verkürzter (unklassischer) Ausdruck für cum ipse regnavit. 141 tranquillitatem ac quietem dedit alijs] Der angesichts der prekären Lage Schwedens auf französischen Druck hin recht milde Waffenstillstandsvertrag von 1635 ist ebenso gemeint wie der Verzicht auf den Zarentitel im Frieden mit Rußland vom 14. Juni 1634. 141 dexteritate fecit suis] Hier ist besonders an die Ablehnung jeder Beteiligung am Dreißigjährigen Krieg zu denken: Noch bis etwa 1637 wurde Polen von den kriegführenden Parteien, besonders Frankreich, zum Eingreifen gedrängt. 142 augustos Fratres suos] Im Jahre 1636 waren von den zwölf Kindern Sigismunds III. nur noch vier am Leben. Gemeint sind hier demnach Władysławs Halbbrüder Kardinal Johann Kasimir (Jan Kazimierz, 1609–1672; polnischer König 1648–1668) und Karl Ferdinand (Karol Ferdynand, 1613–1655; Bischof von Breslau und Płock). Siehe zu beiden auch Leitsch, Bd. 3, S. 1728–1743, bzw. S. 1767–1784. 142 Fratres suos, serenissima aeui sidera] In Druck Y wird hier noch eine Schwester erwähnt: Fratres suos, Serenissimamque sororem, splendissima aeui sidera. Es handelt sich wohl um Władysławs Halbschwester Anna Katharina (1619–1651); zu ihrer Vita siehe Leitsch, Bd. 3,
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S. 1803–1814. Demnach wurde sie von Anna Wasa zur Taufe getragen, ihr Bruder Władysław kümmerte sich um sie. 1642 heiratete sie den Pfalzgrafen Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg. 147 f. quaerentes vitae tranquillitatem ac extorres] Vorsichtige Umschreibung der polnischen Dissidenten und der wie Opitz aus Deutschland geflüchteten Protestanten. Unter Sigismund hatte sich die Lage der polnischen Protestanten so weit verschlechtert, daß sie während des Interregnums sogar den Brandenburger Kurfürsten Georg Wilhelm und Gustav Adolf von Schweden um Schutz vor der radikalen katholischen Szlachta gebeten hatten. Der tolerante Władysław genoß bei der Königswahl ihre Unterstützung. 150 f. amplificatos nempe regni terminos … inducias] Erfolgreiche Abwehr der russischen Angriffe 1632–1634, Ausgleich mit dem Osmanischen Reich 1634, Rückgewinnung der Ostseehäfen im auf 26 Jahre angelegten Waffenstillstand mit Schweden von 1635. 151 f. remissum aut ad modum et leges redactum vectigal] Władysławs Versuche, die nach der allseitigen Befriedung durchgeführte Reduzierung der Steuern wieder wettzumachen, scheiterten am Widerstand der Szlachta. 155 commissionibus verborum meorum obsolefieri debeat] commissio als ein Wettstreit der Dichter bzw. Redner sowie die dafür abgefaßte Preis- oder Prunkrede; vgl. Sueton, Augustus 89,3: admonebatque praetores ne paterentur nomen suum commissionibus obsolefieri. 158 incerta rerum hactenus et temporum iniuria] Vorsichtige Umschreibung des Kriegs mit Schweden, in dessen Verlauf auch die Grabstätte Anna Wasas unter schwedische Kontrolle geraten war. Die Verstimmung zwischen Sigismund und seiner Schwester, die der eigentliche Grund für das eher bescheidene Begräbnis der Prinzessin gewesen war, wird geflissentlich verschwiegen. 160 f. mentionem eorum iam facturi] Ausdrückliche Überleitung zur argumentatio, 4. Teil: locus a virtutibus. 164 f. inter haec studia persuasionum de cultu sacrorum] Opitz rechtfertigt die Tatsache, daß Anna Wasa am protestantischen Bekenntnis festhielt, ohne dabei ausdrücklich für den Protestantismus Partei zu ergreifen. Trotz der von den politischen Interessen auferlegten Zurückhaltung ist dieses irenische Plädoyer für gegenseitige Toleranz und Vorurteilslosigkeit zweifellos der literarisch stärkste und zugleich persönlichste Teil der Rede. Um den Kritikern der religiösen Toleranz Władysławs, zu deren Nutznießern er selbst ebenso wie seine Zuhörerschaft gehörte, keine Angriffsfläche zu bieten, darf Opitz den spezifisch protestantischen Glauben der Anna Wasa nicht zu stark betonen, muß aber gleichzeitig belegen, daß Zurückhaltung im dogmatischen Urteil der persönlichen Frömmigkeit nicht im Wege steht. Zum Festhalten Annas am protestantischen Bekenntnis und zu ihrer persönlichen Religiosität s. Leitsch, Bd. 2, S. 1126–1138. 165 transeant ad partes] Vgl. Tacitus, Historiae 1,10: transiere in partes. 168 f. vbi sexui molliori semel inuasit, altiores …] Der in der Frühen Neuzeit gängige Topos dient hier dem Lob der Anna Wasa, die dieses „Handicap“ des weiblichen Geschlechtes ja überwunden hatte.
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170 f. nouis tum demum insistere, cum mens alia … non habet] Die Begründung über den „natürlichen Konservativismus“ beugt dem Vorwurf der Arroganz vor, der sich an einem Beharren auf eigener dogmatischer Einsicht festmachen könnte. 171 f. literarum sacrarum diligentissima erat] Die Betonung des intensiven Studiums soll den möglichen Vorwurf religiöser Indifferenz entkräften. 175 f. mores illorum ac vehementiam] Die Spitze richtet sich zugleich gegen die Religionspolitik Sigismunds und gegen die radikalen Teile der Szlachta. 182 aemulatione discordiosa] Sprachlich ebenfalls möglich wäre die Deutung „in aufrührerischem Wetteifer“ (scil. mit dem Jüngsten Gericht), die den radikalen Gegenreformern eine blasphemische Hybris unterstellen würde. 185 Deo Optimo Maximo] Nach der heidnischen Formel Iuppiter Optimus Maximus, die bereits in der Antike christianisiert wurde. 189 votis suis in partem praelii venit] Opitz wendet sich gegen die in Polen bis heute populäre Verschmelzung von Katholizismus und Patriotismus und den daher rührenden Vorwurf der politischen Unzuverlässigkeit gegenüber Andersgläubigen. Die militärische Sprache im Zusammenhang mit den Gebeten der Prinzessin ist keineswegs gängig, sondern gesucht manieristisches Stilmittel. 191 oris puritas] Os purum ist ursprünglich ein heidnischer Ausdruck für physische ebenso wie verbale Reinheit; die ebenfalls mögliche Deutung ‚Reinheit der Miene‘ wird durch die folgende Wiederaufnahme des Ausdrucks abwegig (s. u.). 193 f. plenissimusque pietatis] Pietas hier in der ursprünglichen Bedeutung ‚pflichtbewußt, die sozialen Pflichten wahrnehmend‘. 194 integras, pudicas, illibatas et voces et mentes] Die Betonung der Gesinnung dient zugleich der Verschleierung des konfessionellen Gegensatzes. 196 Vestalis] Nach den in zeitlich befristeter Ehelosigkeit lebenden römischen Priesterinnen der Vesta, die in hohem Ansehen standen. Das heidnische Epitheton soll zugleich die Reinheit der Sitten und das soziale Prestige andeuten. Derartige Antikisierungen waren so gängig, daß die Anbindung an die heidnische Religion nicht als störend oder ungewöhnlich empfunden wurde. 197 instar dotis] Die Andeutung der Christusehe spielt auf das katholische Nonnentum an. 198 templum ipsa erat] Schon in der heidnischen Philosophie der Kaiserzeit gängiger Topos. 201 molle … otiosum … lasciuum] Typische Adelslaster. 205 quae repudium mundi consortio renunciarunt] Umschreibung des Nonnentums, wohl zur Vermeidung der als unklassisch empfundenen termini technici wie monialis. 206 aetherias mentes] Die unbestimmte Formulierung unterläuft die dogmatischen Differenzen zwischen den Konfessionen. 207 f. cantu etiam, hymnis, laudibus diuinis … carminibus] Pleonastischer Ausdruck im Dienste der amplificatio. Eine sachliche Differenzierung zwischen unterschiedlichen Formen des Sakralgesangs ist wohl kaum intendiert.
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211 f. cuius machinam et ipsam canere cum Theologi paganorum ac gentes quaedam persuasum haberent] Die pythagoreische Theorie der Sphärenmusik; theologus hier in der antiken Bedeutung, etwa ‚Götterkundler‘. 212 gentes quaedam] Bezug unklar. Musikalische Anteile an Bestattungsriten waren zu allen Zeiten weit verbreitet. Für die von Opitz angeführte Seelenlehre kommen thrakische Stämme in Betracht (vgl. z. B. Herodot, Historien 4,94; 5,3–4). 217 quid aliud] Überleitung vom Lob der Frömmigkeit zu den übrigen virtutes. 219 fortunae] Gutes und schlechtes Geschick. 220 fronte priuata] Etwa ‚Auftreten ohne offiziellen und repräsentativen Charakter‘. Die Übersetzung ‚bürgerlich‘ ist nicht als soziale Einstufung zu verstehen. 221 vendicabat] Klassische Form: vindicare. Die Schreibung vendicare ist im Neulateinischen gängig. 221 capacem humanae conditionis laetitiam] D. h. eine Heiterkeit, die auf alle menschlichen Zufälle vorbereitet war. 221 frugalitatem] Argumentatio, 4. Teil: locus a sexu und locus a vitae genere. Die ohnehin selten völlig getrennten loci fallen besonders bei Frauen häufig zusammen, da an ihnen unter beiden Aspekten überlicherweise vornehmlich die Häuslichkeit gelobt wird. 228 cuius quidem conscia esset] Der einschränkende Zusatz läßt vermuten, daß Opitz hier auf einschlägige Vorkommnisse oder Gerüchte Rücksicht nimmt. 229 contubernium] Im Druck fälschlich contuberrimum; in Y korrigiert zu contubernium. 232 Temporis … rationem] Gleitender Übergang zum 5. Teil der Argumentatio (locus de rebus gestis). 237 ingenia vsumque explorare] Annas Neigung zur Botanik schlug sich unter anderem in der Finanzierung des reich illustrierten Kräuterbuchs von Simeon Syrenius und des Kräuterkatalogs von Gabriel Joannicki nieder; s. dazu Stanisław Piotr Koczorowski: Dziesiê´c listów Anny Wazówny, in: Reformacja w Polsce 2 (1922), S. 296–305, hier S. 300, und besonders Alicja Saar-Kozłowska: Anna Wazówna – „Królowa Botaniki Polskiej“. M˛adra królewna w historii staropolskiej medycyny, in: Uniwersytet Nikolaja Kopernika: Album amicorum … Torún 2008, S. 303–319; sowie Leitsch, Bd. 2, S. 1103 f.; und Alicja SaarKozłowska: Princess Anna Vasa (wie oben), S. 42–46. 238 Italo quodam] Dieser ist bisher nicht zu identifizieren. 239 f. tanquam ad sanitatem suam ac salutem indies prorepebant] Angelehnt an Plinius d.J., Panegyricus auf Trajan 22,3: ad conspectum tui quasi ad salutem sanitatemque prorepere. 249 linguarum aliquot] Neben Schwedisch und Polnisch auch Deutsch und Französisch. 250 Latinae] Die Lateinkenntnis ist nicht nur per se prestigeträchtig, sondern besonders bei einer Dame bemerkenswert. Die schwedischen Wasa wahrten diese Familientradition auch weiterhin; insbesondere die spätere Königin Christina hatte eine gründliche humanistische Bildung genossen.
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253 gratitudinis] Das Wort gratitudo ist im klassischen Latein offenbar nicht belegt; cf. ThLL. 255 f. Me auctore quidem vindicare sese eruditae animae satis possent] In Druck Y: Me auctore quidem vindicare sese homines eruditi satis possent. 257 f. mentionem pari fastidio nunquam facerent] Der locus classicus zu diesem Topos ist Horaz, Oden 4,9,25–28: Vixere fortes ante Agamemnona / Multi; sed omnes inlacrimabiles / Urgentur ignotique longa / Nocte, carent quia vate sacro. 263–265 quarum vna … voluit] In den letzten Monaten ihres Lebens widmete sich Anna intensiv der Vorbereitung der Hochzeit von Ludwig Christoph Graf Eberstein aus Pommern und der Tochter Magdalena des bereits 1604 verstorbenen Georg Farensbach, Wojewoden von Wenden; s. dazu Leitsch, Bd. 2, S. 1101 f. Zum Hofstaat Annas allgemein, der z. B. im Jahre 1599 etwas mehr als 100 Personen umfaßte, s. ebd., S. 1105–1110. 265 valetudine] Vgl. Plinius d.J., Briefe 5,16,3: qua etiam constantia novissimam valetudinem tulit. 270 f. Patientiae imprimis] Argumentatio, 6. Teil: locus a morte. Zu Annas Krankheit und Tod s. Leitsch, Bd. 2, S. 1140–1142. 282 tot pretia viuendi] Vgl. Plinius d.J., Briefe 1,12,4: tam longa, tam iniqua valetudine conflictabatur, ut haec tanta pretia vivendi mortis rationibus vincerentur. 284 nihil quippe illi longius, quam vt videret hanc diem] Vgl. z.B. Cicero, ad Familiares 11,27,1: quem cum obiurgarem, quod parum valetudini parceret, tum ille, nihil sibi longius fuisse, quam ut me videret. 285 postremum] Bei adverbialer Verwendung im klassischen Latein stets postremo. 288 secura] In der ursprünglichen Bedeutung ‚unbesorgt‘. 288 meditata … fuerant] Die geistige Vorbereitung auf den Tod (meditatio mortis) ist ein zentrales Anliegen der späteren stoischen Ethik, besonders des jüngeren Seneca, schon früh auch in christlichem Gewand. Zur Form: Derartige ‚doppelte‘ Plusquamperfektformen bereits bei Livius; kein Bedeutungsunterschied zu meditata erant. 294 At quò] Peroratio: Seligpreisung der Verstorbenen. 294 elenchi vnionum] Pleonasmus. elenchus: große Perle; vgl. Plinius d.Ä., Naturalis historia 9,113: elenchos appellant fastigata longitudine alabastrorum figura in pleniorem orbem desinentes. vnio: einzelne, besonders große Perle; vgl. ebd. 9,109: cetero in aqua mollis unio, exemptus protinus durescit. 296 Agonaliorum] Die Agonalia waren römische Festspiele zu Ehren des Gottes Janus, die nach antiker Vorstellung auf den mythischen König Numa Pompilius zurückgingen (gefeiert am 9. Januar, 20. Mai und 10. Dezember). Hier lediglich in der Bedeutung ‚Wettkampf‘, womit die folgende Metaphorik angekündigt wird. Opitzens Verwendung des Wortes ist singulär. 297 factionem albatam] Bezugsreiches Wortspiel. Grundbedeutung von albatus: „weißgekleidet“, aber das Wort wird schon früh in der Bedeutung „Engel“ christianisiert. Die factio albata war eine der Mannschaften bei Zirkusrennen im antiken Rom; gleichzeitig spielt die Formulierung auf Annas volksläufigen Beinamen „weiße Dame von Golub“ an.
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301 nulli oculo visam] Sowohl in X als auch in Y fälschlich oculi. 304 librum] Das Buch des Lebens; vgl. Apk 3,5: qui vicerit sic vestietur vestimentis albis / et non delebo nomen eius de libro vitae; s. ebenfalls Apk 5,1 und besonders Phil 4,3. 306 arbori salutis] Nach Gen 2,9 (s. a. 3,24). Aufgrund der reichen antiken und mittelalterlichen Auslegungstradition zu den paradiesischen Bäumen ein sehr bezugsreiches Motiv. 306 f. aquarum viuentium] Nach Ps 23,2; auch vorchristlich verbreitetes Mythenmotiv, theologisch kaum besetzt. 309 absens] Da Władysław die feierliche Bestattung selbst angeordnet hatte, konnte seine – zweifellos aus Rücksicht auf die katholische Szlachta motivierte – Abwesenheit nicht völlig übergangen werden. 317 reliquiis] Das Wort kann natürlich auch schlicht die sterblichen Überreste bezeichnen, doch ist gerade in Bezug auf den Kirchenraum die Anspielung auf den katholischen Reliquienkult durchaus intendiert. 319 inuicti] Alte Doppelbedeutung: ‚unbesiegt‘ oder ‚unbesiegbar‘. [R.N.]
LAVDATIO FVNEBRIS FABIANI LIB. BARONIS A CEMA Prosanachruf mit Biographie des Freiherrn Fabian von Czema Dünnhaupt, Nr. 171; – LAVDATIO FVNEBRIS | I LLVSTRISSIMI D OMINI | FABIANI | LIB. BARONIS A CEMA | Castellani Culmensis ac | Praefecti Stumensis: | Auctore | M ARTINO O PITIO | THORVNII, Ex Officina Schnellboltziana, | Ann. M . DC . XXXVI . (UB Breslau: 363591). Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck. Conermann/Bollbuck drucken, S. 1320, die Widmung an Sigismund Güldenstern ab und übersetzen diese. Seit April 1633 stand Opitz im Dienst der beiden Piastenherzöge Georg Rudolf von Liegnitz und Johann Christian von Brieg. Diese flohen nach dem Sieg der Kaiserlichen im Oktober 1633 nach Thorn (Torún); s. Norbert Conrads: Das preußische Exil des Herzogs Johann Christian von Brieg 1633–1639, in: Preußische Landesgeschichte, hrsg. von Udo Arnold u. a. Marburg 2001, S. 39–49. Opitz hielt sich dort mehrfach auf, am längsten vom Herbst 1635 bis Ende August 1636; s. Salmonowicz. In dieser Zeit beschäftigte er sich mit verschiedenen literarischen Arbeiten, unter anderem entstanden die drei panegyrischen Trauerreden auf Anna Wasa, Rafał von Leszczy´nski und die vorliegende auf Fabian von Czema, der ein Gönner der Protestanten in Polen gewesen war; s. Szyrocki, S. 116 f. Opitz selbst erwähnt sie in seinem Brief aus Thorn vom 22. 8. 1636 an Christian Cunrad in Breslau (Conermann/Bollbuck, S. 1323): Vivo eo loci, ubi plurimum dandum est eorum voluntati quorum auxilio operaque sublevari hoc tempore meo possum. Itaque orationes in obitum Suecicae Principis ac Baronis Cemae videre iam potuisti: successit illis eodem quo absolutae fuerunt momento, altera Honori illustris Palatini Belsensis exaranda; quae heri ad umbilicum deducta est.
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Die ausführlichste Darstellung zu Fabian von Czema und seiner Familie findet sich in: R. v. Flansz: Die von Zehmen (Czema) in Westpreußen; in: Zeitschrift des Historischen Vereins für den Regierungsbezirk Marienwerder 10 (1884), S. 33–62, zu dem in der vorliegenden Leichenrede Geehrten hier S. 58–62; Flansz erwähnt (und hält sich wahrscheinlich auch an) die Angaben in Opitzens Laudatio funebris. Nach Flansz, ebd., S. 58 f., wurde Fabian von Czema um 1575 geboren, besuchte wohl das Elisabethgymnasium in Breslau, 1595 dann die Universität in Frankfurt/Oder, wo er auch das Amt des Rektors bekleidete; s. Friedländer, S. 397 f. Nach einer Bildungsreise nach Italien und einem Besuch am Hof Kaiser Rudolfs II. kehrte er nach Polen zurück. Hier wurde er von König Sigismund/ Zygmunt III. zum Cubicularius ernannt und mit Aufträgen an den Preußischen Landtag betraut. Nach dem Tod seines Vaters erhielt Fabian von Czema dessen Hauptmannschaft von Stuhm; 1621 wurde er Unterkämmerer von Marienburg; 1623 befand er sich im Gefolge des Königs bei dessen feierlichem Einzug in Danzig. 1626 wurde er zum Kastellan von Kulm ernannt; zu seinen verschiedenen Amtstätigkeiten und seiner Familie s. u. bei den sich darauf beziehenden Lemmata; vgl. außerdem Flansz, S. 59 f., der zudem verschiedene aktenkundlich gewordene Vorgänge aufführt, bei denen Czema eine Rolle spielte. Zur Vita Fabian von Czemas s. darüber hinaus: Polski Słownik Biograficzny 4 (1938), S. 328 f. (mit Erwähnung der Leichenrede Opitzens). Fabian von Czema starb 1636; zu seinem Leichenbegängnis s. auch Zernecke, Thornische Chronica, S. 294: „Den 17 Jul. [1636] ist eben allda zu St. Marien Hr. Fabian Czema, Culmischer Castellan, […] mit einer ansehnlichen Procession, und einer Deutschen und Polnischen Predigt zur Erden bestattet […]“. Zur Gliederung: Opitz geht zunächst von der allgemeinen Feststellung aus, dass Adel und herausragende gesellschaftliche Stellung zu allen Zeiten und bei allen Völkern zusammengehörten (Z. 1–4). Doch dann problematisiert er die Grundlage dieser Stellung, die eben nicht im untätigen Beharren auf ererbten Adelstiteln und der Berufung auf berühmte Vorfahren bestünde, sondern vielmehr im tätigen Bemühen um eigene Verdienste und eine ehrenvolle Lebensführung, durch die man sowohl den berühmten Vorfahren gerecht würde als auch den folgenden Generationen ein würdiges Vorbild böte (Z. 4–20). Im Kernstück seiner Laudatio (Z. 20–170) stellt Opitz nun den verstorbenen Fabian v. Czema als Exempel dieser allgemeinen Überlegung dar und fügt damit auch seinen eigenen Text in eine Reihe von Vergegenwärtigungen der ruhmvollen Czema’schen Familiengeschichte ein (Z. 24–27). Nachdem er die Vorgeschichte des Geschlechts, das er bis auf die antiken Hermunduren zurückführt, in einer Praeteritio angedeutet hat (Z. 27–33), beginnt er die Würdigung im engeren Sinne bei Großvater und Vater, Großonkel und Onkel des Verstorbenen. Am Vater und an der Mutter, Katharina Pissinsky, hebt Opitz v. a. die hervorragende, disziplinierende Erziehung des hochbegabten Fabian hervor, und zwar sowohl in ethisch-moralischer Hinsicht als auch bei der üblichen Ausbildung in den Freien Künsten (Z. 33–46). Mit letzteren leitet er zur gymnasialen und universitären Ausbildung des stets exzellierenden Czema in Breslau und Frankfurt an der Oder über, wobei er hier zum ersten Mal die gegenwärtigen Verheerungen des schwedisch-polnischen Krieges sowie ehemalige Studiengenossen, die nun in Amt und Würden stehen (J. Czimmermann), aktualisierend in seine Darstellung einbezieht (Z. 46–58). Nach einem knappen Seitenblick auf Fabians ertragreiche pere-
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grinatio academica nach Italien (Z. 58–67) hebt Opitz das verdienstvolle und vor allem integre Wirken Czemas zunächst am Kaiserhof, dann als Kämmerer Sigismunds III. Wasa hervor (Z. 67–97). Besonders hier kann Opitz die unkorrumpierbare Loyalität Czemas zum König, sein vielseitig erworbenes Wissen und seine praktische Klugheit im Umgang bei Hofe rühmen, die ihm zu Recht hohe Ämter eingetragen hätten. Auf dem Gipfel des Glücks erhält Czema Katharina Leszczyn´ ska zur Frau, womit Opitz nun zur angeheirateten Familie des Geehrten übergeht, deren adlige Abstammung und Verdienste er ausführlich und z. T. mit erheblichem rhetorischem ornatus würdigt (Z. 98–125). Nun ist Opitz bis zur Generation von Czemas Kindern vorgedrungen, wobei er v. a. ihre Frömmigkeit lobt, eine Tugend, die er sogleich als wichtigste Eigenschaft und gleichsam Summe aller Tugenden an Fabian ausmachen kann, wie vor allem auch dessen Kirchenstiftung bestätige (Z. 125–141). Eine Darstellung der in frommer Selbstgenügsamkeit verbrachten Mußestunden Czemas rundet die Beschreibung seines Glücks ab (Z. 141–148). Diese wird im letzten Abschnitt des Hauptteils scharf kontrastiert, indem Opitz die Schicksalsschläge aufführt, die Czema ereilten, wobei er ihn geschickt als treuen Ehemann (dessen Gattin früh verstirbt) und analog als loyalen Staatsbürger (dessen Land vom Krieg verheert wird), unermüdlichen Helfer und königlichen Gesandten zu rühmen weiß (Z. 148–170). Als Lohn für solch geradezu philosophische Standhaftigkeit benennt Opitz den von Ruhe, Frieden im wiederhergestellten Preußen und der standesgemäßen Verlobung der Tochter beglückten Lebensabend Czemas, den er mit einem frommen Tod beschlossen habe (Z. 170–201). Von dieser für die genealogische Perspektive der Laudatio funebris wichtigen Verlobung aus wendet sich Opitz für seine peroratio der Trauergemeinde und zuvorderst dem künftigen Ehemann der Tochter Czemas, Sigismund Güldenstern, zu. Ihn rühmt er, sogar mit einem Seitenblick auf seine eigenen Lebensumstände, in einer aus scheinbaren praeteritiones, fortgesetzten Apostrophen und kunstvollen Reihungen komponierten Schlußpassage, in der schließlich auch Güldenstern als einer der „wahren“ Adligen im Sinne der Eingangspassage erscheint (Z. 201–224). FABIANI … Stumensis] Fabian von Czema. Nach Flansz, Die von Zehmen (Czema), wie oben, S. 33, variierte die Schreibweise des Namens stark; bei dem in Westpreußen ansässigen Familienzweig gab es im 16. und 17. Jh. die Formen Czema, Cema, Zemen, Zeemen, Zehmen. Culmensis] Kulm, polnisch Chełmno. Stadt und Woiwodschaft im königlich-polnischen Anteil Preußens. Stumensis] Stuhm, poln. Sztuma; Kreisstadt mit Parlament in der pommerischen Woiwodschaft Marienburg (Malbork). 1635 wurde im nahe gelegenen Stuhmsdorf der nach diesem Ort benannte Vertrag zwischen Polen und Schweden geschlossen. SIGISMVNDO … CVBICVLARIO] Sigismund Gyldenstierna (Güldenstern, Guldenstern; 1598–1666) entstammte einer alten adeligen, in Schweden und Dänemark ansässigen Familie; s. dazu bereits Zedler, Bd. 11, Sp. 1226–1229, sowie R. v. Flansz: Die Freiherrn von Güldenstern, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für den Regierungsbezirk Marienwerder 10 (1884), S. 62–64. Nach Flansz war Güldenstern König Sigismund III.
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aus Anhänglichkeit nach Polen gefolgt, der diesem, obwohl er Lutheraner geblieben war, manche Gunstbeweise zukommen ließ, u. a. 1633 das Indigenat. Sigismund besuchte das Gymnasium in Thorn, studierte in Rostock und Straßburg; 1623 hielt er sich in Leiden auf. Eine Verbindung zur Familie v. Zehmen rührt daher, daß er nicht nur ab 1633 Statthalter in Stuhm und Schatzmeister des Kreises Marienburg war, sondern auch Anna Czema, die Tochter Fabians, heiratete, wie auch in der vorliegenden Trauerrede erwähnt wird. Er stand in der Gunst Władysławs IV. und stieg bis zum Kastellan von Danzig auf; vgl. Nordisk Familjebok. Konversationslexikon och Realencyklopedi. Ny, reviderad och rikt illustrerad upplaga. Redaktör: Th. Westrin. Bd. 10: Gossler–Harris. Stockholm 1909, Sp. 768. Sigismund Güldenstern war Anführer der Lutheraner beim Colloquium Charitativum, dem berühmten Religionsgespräch zwischen Katholiken, Lutheranern, Calvinisten und den Böhmischen Brüdern in Thorn; vgl. Hans-Joachim Müller: Irenik als Kommunikationsform. Das Colloquium Charitativum von Thorn 1645. Göttingen 2004, hier passim. Vgl. auch Polski Słownik Biograficzny 9/1 (1960–1961), S. 141 f. P OLON . S VECIAEQVE R EGIS ] Władysław IV. Wasa, seit 1632 König in Polen und Titularkönig von Schweden. Opitz war bei einem Besuch Władysławs in Thorn im Januar 1636 diesem vorgestellt worden und überreichte bei dieser Gelegenheit ein umfangreiches Lobgedicht. 1637 wurde er zu seinem Hofhistoriographen ernannt. 5 fortunae humanae] Hier verweist Opitz zum ersten Mal, implizit, auf die wankelmütige Glücksgöttin Fortuna, auf die im weiteren Panegyricus verschiedentlich rekurriert wird. 11 sorte fatoque] Als Gegenkonzept zur Fortuna (die in der neostoischen Philosophie des Justus Lipsius grundsätzlich eher negativ besetzt, in die Nähe des Zufalls, casus, gerückt und als bekämpfenswert – und damit als bekämpfbar – qualifiziert ist; vgl. etwa Lipsius, De Constantia, S. 104) weist Opitz auf das vorbestimmte Fatum hin, das jedem Einzelnen Gaben zuteilt, ohne daß dieser darauf Einfluß hat. 12 fortitudine … prudentia] Zwei der vier antiken Kardinaltugenden. 18 imagines auitas] Hier ist die Beziehung der Jungen zu den Alten zweifelsfrei als Abbildverhältnis geklärt; eventuell liegt auch eine Anspielung auf die imagines im altrömischen Totenkult vor; vgl. dazu Markus Sehlmeyer: Stadtrömische Ehrenstatuen der republikanischen Zeit. Stuttgart 1999 (= Historia, Einzelschriften 130), S. 45–48. 21 Vir Illustrissimus] Durch Majuskel markiert, geht Opitz nun über zum Hauptteil des Panegyricus, der sich konkret Fabian v. Czema zuwendet. 24 mandaretur] Konjektur aus mandarentur. 24 Sed benè habet.] Vgl. Statius, Thebais 12,338: Sed bene habet, Superi: gratum est, Fortuna … 24 f. Viuunt … recordatione] In einem durch die Alliteration Viuunt, … vigent, … versantur verstärkten Trikolon werden drei Faktoren ruhmreichen Gedenkens aufgereiht: allgemein die Taten der Erinnerten, spezieller ihre Verdienste um das Gemeinwesen, schließlich das Erinnerungsvermögen der Nachgeborenen. 27 Non exspatiabor] Typische praeteritio, mit der Opitz die zunächst chronologische Darstellung der Familie Czema einleitet.
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30 Hermunduris] Die Hermunduren, ein von antiken Autoren mehrfach erwähntes germanisches Volk, dessen Wohnsitze wohl im heutigen Sachsen und Sachsen-Anhalt lagen (vgl. u. a. Tacitus, Germania 41,2; Annales 2,63). Opitz meint Sachsen, das unter Kurfürst Johann Georg I. (reg. 1611–1656) im Dreißigjährigen Krieg zwischen Frieden und Krieg mit dem Kaiser wechselte. Die Familie Zehmen stammte aus Meißen. 33–35 Auum … habuit] Es handelt sich hier um Fabians Großvater Achatz von Zehmen (Achacy, ca. 1485–1565), der noch am Reiterkrieg 1519–1521 teilgenommen hatte. Er war Wojwode von Marienburg und ab 1531 Kastellan von Danzig; s. Flansz (wie oben), S. 37–46; Polski Słownik Biograficzny 4 (1938), S. 325 f. Zu seinem Sohn Fabian (1539–1605), dem Vater des im vorliegenden Nachruf Geehrten, s. Flansz, S. 55–58, und Polski Słownik Biograficzny 4 (1938), S. 328. Sein zweiter Sohn, ebenfalls Achatz getauft († 1576), war 1566–1576 Woiwode von Pommerellen; s. Flansz, S. 50–52, und Polski Słownik Biograficzny 4 (1938), S. 327. Der jüngere Bruder Achatz’ des Älteren, der wiederum Fabian hieß (ca. 1500–1580), bekleidete diverse Ämter, u. a. als Schatzmeister in Pommerellen, Marienburg und Kulm, auch als Kastellan in Danzig; ab 1556 war er Woiwode in Pommerellen, ab 1566 in Marienburg; zu ihm Flansz, S. 46–48, und Polski Słownik Biograficzny 4 (1938), S. 327 f. 36 quales] Konjektur aus qualis 38 Catharina] Fabians Mutter, Katharina Regina Pischinsky von Pischnitz (Katarzyna Regina Pisie´nska z Pi´snicza). Über sie ist nichts Weiteres bekannt. Vgl. immerhin: Kaspar Nisiecki: Herbarz polski. Powi˛ekszony dodatkami z po´zniejszych autorów, r˛ekopismów, dowodów urz˛edowych […], Bd. 7. Leipzig 1841, S. 44. Ihr Name wird bei Flansz (wie oben), S. 58, angegeben als „Katharina, geb. von Renglin (Ronglin) Piesinska.“ 46–50 Erat tum … Vratislauia] Mit einer typischen Formel erzählerischer Ekphrasis (vgl. u. a. Livius, Ab urbe condita 4,19,1; Cicero, In Verrem 2,1) leitet Opitz von der Familie zu den Wirkungsorten Fabians über. Die Stadt Breslau wird zunächst nur periphrastisch evoziert, ihr Name effektvoll ans Satzende gerückt. 47 Rhedigeros] Anspielung auf die Breslauer Familie Rhediger, der u. a. der Späthumanist Thomas Rhediger (1540–1576) angehörte, dessen große Bücher- und Gemäldesammlung nach 1645 als ‚Rhedigeriana‘ Eingang in die Bibliothek des Elisabethengymnasiums finden sollte. Mannigfache Verbindungen verknüpfen ihn und seinen Bruder Nicolaus, den Breslauer Ratspräses (1525–1587), mit schlesischen und Pfälzer Humanistenkreisen. Vgl. Conermann/Bollbuck, S. 241 und S. 891; Pusch, Bd. 3, S. 303–307; Ruth KohlndorferFries: Diplomatie und Gelehrtenrepublik. Die Kontakte des französischen Gesandten Jacques Bongars (1554–1612). Tübingen 2009 (= Frühe Neuzeit 137), S. 253; ADB 27, S. 588–590. Zumindest bezeugt ist ferner ein weiterer Nicolaus Rhediger, der Gedichte zur bekannten Poemsammlung auf den botanischen Garten des Breslauer Arztes Laurentius Scholz beisteuerte (vgl. Delitiae Poetarum Germanorum huius superiorisque aevi illustrium, hrsg. von Janus Gruter. Frankfurt am Main 1612, Bd. 5, S. 819.) 47 Fersios] Gemeint ist wohl Johannes Fersius († 1611), ein u. a. mit Nicolaus Reusner bekannter Theologe und Mediziner, der 1587 eine konziliatorische Commendatio Martyrii
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Joannis Hussi et Hieronymi Pragensis in Wittenberg herausbrachte und 1591 mit Thesen zur Temperamentenlehre in Frankfurt an der Oder disputierte. Respondent war der nachmalige Mytho-Alchemiker Michael Maier; vgl. Hereward Tilton: The Quest for the Phoenix. Spiritual Alchemy and Rosicrucianism in the Work of Count Michael Maier (1569–1622). Berlin/New York 2003 (= Arbeiten zur Kirchengeschichte 88), S. 48–52. Der Bunzlauer Rektor Christoph Opitz widmete ihm 1593 ein griechisches Gratulationsgedicht; vgl. Leonard Forster: Iter Bohemicum. A Report on German Baroque Literature in Czechoslovak Libraries. Amsterdam 1980, S. 365, No. 418. 47 Monauios] Aus der bekannten Dynastie Monau (Monavius) sind zu nennen: Jakob (1546–1603), Jurist, Philologe, Dichter und Melanchthonianer, ein Freund Johann Cratos und Johann Matthäus Wackers von Wackenfels (ADB 22, S. 162 f.); sein Bruder Peter (1551–1588), Mediziner, Schüler Felix Platters und Leibarzt Kaiser Rudolfs II.; er stand mit Heidelberger Gelehrten in Kontakt, Melchior Adam nahm ihn in seine Vitae Medicorum Germanorum auf (ADB 22, S. 163); sein Sohn Friedrich (1592–1659), ein umtriebiger Mediziner, ab 1649 Professor der Medizin in Greifswald, der u. a. mit Bernegger und Gruter in Kontakt stand und mit Opitz mindestens mittelbar bekannt gewesen sein dürfte; vgl. Reifferscheid, S. 845; Conermann/Bollbuck, S. 522, 760, 1108. 47 Vrsinos] Wohl eine Anspielung auf Zacharias Ursinus (Baer, 1534–1583), den aus Breslau gebürtigen Theologen, der vom Melanchthonianer zum Calvinisten wurde, ab 1563 von Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz angestellt war und u. a. den Heidelberger Katechismus entwarf (BBKL 12, S. 953–960). 52–54 Quae … ad Viadrum] Frankfurt an der Oder war seit 1626 Spielball verschiedener Heerführer, immer wieder wechselweise von kaiserlichen und unionistischen Truppen belagert oder besetzt. 1631 plünderten die Schweden unter Gustav II. Adolf die eroberte Stadt, eine Pestepidemie folgte. Seit 1633 war die Stadt wieder unter kurfürstlicher Kontrolle. 54 Iohanne Czimmermanno] Hier handelt es sich eventuell um Johann Czimmermann I., der in Thorn 1610 als „Rathmann“ genannt wird, 1623 als Bürgermeister und zudem die Ämter des Präsidenten sowie des Burggrafen bekleidete. Er starb 1643; s. Prätorius, S. 44. 58 peregrinatione] Markierte Überleitung zur Beschreibung von Czemas damals weithin üblicher internationaler Bildungsreise, der peregrinatio academica. 66 immane quantum] Neutrum absolutum (gr. ): ‚Es ist ungeheuer, wie sehr‘; ‚ungemein‘. Vgl. Tacitus, Historien 3,62. 68 Rudolphum … secundum] Rudolf II. v. Habsburg (1552–1612), ab 1576 Kaiser des Römischen Reiches. 74–76 raptus … pertraxerat.] Zum kulturellen Umfeld am Hof Rudolfs II., seinen forscherlichen und alchemischen Interessen s. Robert John Weston Evans: Rudolf II and his World. A Study in Intellectual History 1576–1612. Oxford 1973; speziell zu osteuropäischen Künstlern und Wissenschaftlern: Piotr Oszczanowski: Silesians at the Court of the Emperor Rudolf II. In: Studia Rudolfina 4 (2004), S. 3–16.
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77 S IGISMVNDO ] Sigismund (poln. Zygmunt) III. Wasa (1566–1632), seit 1587 König von Polen, ab 1592 Erbkönig, ab 1599 Titularkönig von Schweden. Seine Herrschaft war durch Spannungen zwischen den beiden politisch und konfessionell unterschiedlich ausgerichteten Reichen sowie durch Unruhen im Inneren (v. a. durch den Kanzler Jan Zamoyski) und in den Außenbeziehungen (Verweigerung der schwedischen Krone; Konflikte mit dem Zarentum und dem Osmanischen Reich) geprägt; zu ihm s. vor allem Leitsch. 78f. expeditione Liuonica] Nachdem bereits 1617/18 einzelne Kampfhandlungen zwischen Schweden und Polen in Livland keine entscheidenden Gewinne für eine der Seiten ergeben hatten, rückte Gustav II. Adolf 1621 abermals vor und konnte sogar Riga besetzen, da polnische Kräfte im Krieg gegen die Türken gebunden waren. 1625 besetzte er ganz Livland und Kurland und stieß bis Preußen vor. 85 at prudentia] Die anfangs genannte Tugend wird nun nachdrücklich Fabian zugeschrieben und zugleich in eine politische Dimension gerückt. 91 B ONVM F ACTVM ] Graphisch hervorgehoben, kann hier sowohl das gute Wirken Czemas als auch sein Handeln als gutes Omen für das Schicksal Polens gemeint sein. Die Übersetzung kann nicht beides zugleich ausdrücken. 97 Praefecturam Culmensem] s. o. zu Culmensis. 98–100 Videbatur … debemus] Überleitung zu Fabians angeheirateter Familie, die nun seine felicitas vervollkommnet. 101 f. Catharina … Andreae] Katarzyna Leszczy´nska († 1625), Tochter des Andrzej Leszczy´nski (1559–1606), eines Calvinisten, der ab 1559 der Woiwodschaft Brest vorstand; zur Familie s. Stanisław Karwowski: Lesczy´nscy herbu Wieniawa. Lwów 1916, hier S. 18. Zu Andrzej Leszczy´nski s. den Kommentar zum Panegyricus auf Rafał von Leszczy´nski, LW 3, S. 506. 102 f. S TEPHANI Regis] Stephan (IV.) Báthory (1533–1586), Fürst von Siebenbürgen und ab 1576 König von Polen und Großfürst von Litauen. Vgl. den Kommentar zum Nachruf auf Anna Wasa LW 3, S. 475 f. 103 Soror Raphaëlis] Katarzynas Bruder Rafael (Rafał, 1579–1636) war Kastellan u. a. von Wi´slica und Kalisz, ab 1619 Woiwode von Belz, dann Vorsteher (starosta) verschiedener Ämter, einer der führenden Köpfe des polnischen Protestantismus. Opitz verfaßte einen ebenfalls 1636 bei Schnellboltz in Thorn gedruckten Panegyricus als Nachruf auf ihn; s. LW 3, S. 192. 105–107 Generosissima familia … collata] Als Stammvater der Leszczy´nskis gilt Rafał († 1441) aus Leszczno, der verschiedene Ämter bekleidete. Opitzens Bezug auf die Herrschaft Kaiser Friedrichs III. (1452–1493) ist also zeitlich nur grob korrekt; vgl. Karwowski (wie oben), S. 5 f., und die Ausführungen im Panegyricus auf Rafał von Leszczy´nski, LW 3, S. 198 und 504 f. Opitz widmet sich also der Genealogie dieser Familie in ähnlicher Form in beiden großen, wohl zeitgleich entstandenen Prosaschriften. 111 quid dicam?] Topische, hier sich in eine Reihung rhetorischer Fragen effektvoll steigernde hyperbolische Formel (vgl. u. a. Cicero, Orator 16).
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119 f. agelli … loquentur] Adynaton, das in weiterer Steigerung die Taten des gelobten Rafał ‚für sich sprechen‘ läßt. Vorbild mag Lucans Ericto-Szene gewesen sein (Pharsalia 6,618): aequoraque et campi Rhodopaeaque saxa loquentur. 121 ereptus] Rafał war am 31. März des Jahres verstorben. 123–125 ita famam … comprimet] Auch Rafał kann somit als Exempel für die den Zusammenhang von Adel und Verehrungswürdigkeit gesehen werden, wie ihn der Beginn des Panegyricus entwirft. 125 Ex … filia] Geschickt wendet sich Opitz hier wieder Fabian Czema zu, auf den so das gerade rhetorisch höchst gesteigerte Lob schließlich fällt. 126 Annam] s. o. zu SIGISMUNDO … CVBICVLARIO. 135 f. Aliarum … pietatis] Eine weitere praeteritio, die in eine allgemeine Betrachtung über das Verhältnis von Frömmigkeit und Tugenden mündet. 136 f. Nam … pietate] Der gedankliche Chiasmus verknüpft beide und bestätigt so den Vorbildcharakter Fabians summarisch. 139f. Liberalitate quidem] Die Fortführung durchbricht eigentlich die praeteritio, unterstreicht aber um so mehr Fabians Tugendhaftigkeit. 140 abstinentiam, lenitatem ac temperantiam] Den eingangs genannten zwei antiken Tugenden wird nun im letzten Glied der Reihung die dritte hinzugefügt. 148 Habuerat … supremus] Diese durch einen vorigen Verweis auf Deus und bona conscientia vorbereitete Überleitung eröffnet den Schlußteil der Rede, der sich Czemas letzten Jahren widmet. 149 animi fortitudo] Mittels des Verweises auf die Seelenstärke deutet Opitz die nun zunächst geschilderten Schicksalsschläge Czemas als Prüfungen im Rahmen göttlicher Vorsehung. 153 f. bello molis grauissimae] 1626 fiel Gustav II. Adolf ins Herzogtum Preußen ein und rückte bis Danzig vor, das er aber nicht erobern konnte; er befand sich also im Gebiet der von Fabian verwalteten Woiwodschaft. 157–159 Confirmare … videbantur.] Die kunstvoll gereihten historischen Infinitive fächern Czemas beherztes Handeln in der Krise nachdrücklich auf. 162 Georgium Guilielmum Brandeburgicum] Als Schwager Gustav Adolfs setzte der Brandenburger ihm keine Gegenwehr beim Einzug in Preußen entgegen, obgleich er ab 1627 zwischen kaiserlicher und protestantischer Parteinahme schwankte; vgl. NDB 6, S. 203 f. Quellen zu Czemas Beteiligung an den genannten Gesandtschaften sind bislang nicht ˙ elewski: Dyplomaci w ermittelt. Vergleichspunkte bietet: Adam Przybo´s / Roman Z dawnych czasach. Relacje staropolskie z XVI–XVIII stulecia. Kraków 1959. 166 f. stabant … vacui: quorundam … occupauerant] Zwei zeugmatische Wendungen fassen das grausame Ergebnis lakonisch zusammen. 170–173 Vidit tamen … est] Die fortitudo Czemas angesichts der nun vergangenen Verheerungen hat sich bewährt, wie die hier beschriebenen friedlichen letzten Jahre als göttlicher Lohn beweisen.
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180 f. Albertus Niclassius] Albert Niclas (1593–1651), ehemaliger Prediger in Lissa sowie an der von Czema gestifteten Kirche in Jordanken bei Sztum, dann bei der reformierten Gemeinde in Danzig. Dort war er später Seelsorger Opitzens und einer der wichtigsten Zeugen seiner Todesstunde. Sein brieflicher Bericht an Bernhard Wihelm Nüßler, der bereits in der Ausgabe von Opitzens Poemata von 1689 abgedruckt war, ist jetzt neu ediert in Conermann/Bollbuck, S. 1916–1920; vgl. auch ebd., S. 1922 f. Siehe außerdem Harald Bollbuck: Tod in Danzig – die letzten Tage des Martin Opitz, in: Gotts verhengnis und seine straffe – Zur Geschichte der Seuchen in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Petra Feuerstein-Herz. Wiesbaden 2005 (= Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek 84), S. 59–68. 188 f. cuius … fortuna … potuerit] Die bereits eingangs erwähnte Fortuna, Sinnbild des wechselhaften menschlichen Lebens, ist vom standhaften Czema überwunden. 193–196 Tulit … esse] Opitz bringt hier keine chronologische, sondern eine graduell gesteigerte Aufzählung der Ereignisse: Bereits 1620/21 mußte Polen-Litauen gegen das Osmanische Reich um die Herrschaft der Donaufüstentümer, v. a. die Moldau, kämpfen. Mit dem Frieden von Chocim (1621) trennte man sich nach hohen Verlusten auf beiden Seiten, ohne daß Polen Zugewinne erreicht hätte. Doch bis in die 1630er Jahre gab es häufige Attacken von Tartaren, teils mit türkischer Beteiligung, an der Ostgrenze. Die Auseinandersetzung mit den nordischen Eroberern war bereits durch den Frieden von Altmark (1629), durchaus zu Gunsten der schwedischen Seite, beigelegt. Nach dem Tod Sigismunds III. schließlich versuchte der russische Zar Michael Smolensk, das 1618 mit dem Waffenstillstand von Deulino an Polen übergegangen war, zurückzuerobern. Doch die Polen hielten stand, und 1634 ergaben sich die russischen Truppen, was zum „ewigen Frieden“ im Vertrag von Polanów führte. 197 f. Filiae … vnicae] Abschließend richtet Opitz den Blick auf die folgende Generation; zu Gyldenstierna s. o. 201 f. Nolo … I LLVSTRISSIME ] Mit der dritten praeteritio wendet sich Opitz nun an den womöglich beim Anlaß der Schrift tatsächlich anwesenden Widmungsempfänger und Schwiegersohn Czemas. Bei dieser direkten Hinwendung an Gyldenstierna bleibt die Rede bis zum Schluß, an dem Opitz Gyldenstierna nach Fabian von Czema und Rafał Leszczy´nski zum dritten Exempel rechtmäßigen, da tugendhaft tätigen Adels stilisiert hat. 206 fortuna priuata] Hier dient der Zentralbegriff der Fortuna dazu, Opitzens eigene bewegte jüngere Vergangenheit einzubinden. 217f. tibi concessit … mihi non concessit] Die parallele Fügung wiegt die Tugenden und Fähigkeiten Gyldenstiernas gegen Opitzens angeblich mangelnde Redegewandtheit ab. Hier schließt außerdem die praeteritio gedanklich, gleichwohl vollzieht sie zugleich das angeblich gerade verschwiegene Lob. 221–224 At nos … paratis] In einem knappen Schlußabschnitt, der andeutungsweise die Perspektive auf das bevorstehende Hochzeitsfest Anna Czemas und Gyldenstiernas lenkt, schließt Opitz. Für die Vermählungsfeier verfaßte er ein deutsches Hochzeitsgedicht in neun Strophen, das abgedruckt ist in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 68–70. Die Braut wird hier
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bezeichnet als „EI n Zweig von schöner Tugendt/ | Von einer Edlen Art“ (V. 1 f.); in der zweiten Strophe geht der Sprecher auf den Tod ihres Vaters ein: „Was ist doch hier Vollkommen? | Wo herrscht das Glücke nicht? | Der Blume ward genommen | Deß Pflegers Hut vnd Pflicht. | Er muste von der Erden/ | Vnd sie verweyset werden/ | Deß Landes Ziehr vnd Liecht.“ In der folgenden Strophe wird dann darauf verwiesen, der Himmel wolle diesen Verlust „ergäntzen/ | Vnd frölich sie begläntzen | Durch eines Sternes schein.“ Vgl. auch Zernecke, Thornische Chronica, S. 294, in bezug auf das Jahr 1636: „Den 20 Dito hat allhier auff dem Rathhause, Hr. Baron Sigismund Guldenstern, Hauptmann zu Stum, mit Fräulein Anna, obgedachten Seel. Hrn. Fabian Czema eintzigen Tochter, dero Hochzeitlichen Ehren=Tag gehalten.“ [J.E.]
PANEGYRICVS RAPHAELIS Comitis Lesnensis Prosanachruf mit Biographie von Graf Rafał (Raphael) Leszczy´nski Dünnhaupt, Nr. 170; – PANEGYRICVS | Inscriptus | HONORI ET MEMORIAE | Illustrissimi Domini | RAPHAELIS | Comitis Lesnensis, | Palatini Belsensis, | Herois praestantissimi. | In quo vita eius praecipuè | ad fidem historicam | summatìm refertur. | Auctore | M ARTINO O PITIO. | THORVNII, Ex Officina Schnellboltziana, | Ann. M.DC.XXXVI. (UB Breslau: 363589). Diesem Druck folgt unsere Edition. Rafał Leszczy´nski, „einer der letzten protestantischen Senatoren des damaligen Polen, … der neben Fürst Christoph Radziwill der eifrigste Beschützer der polnischen Dissidenten war“ (Szyrocki, S. 117), war am 31. März 1636 gestorben; die feierliche Bestattung fand am 1. Oktober in Włodawa statt. Nach Wilhelm Bickerich: Raphael V. Leszcynski. In: Aus Lissas Vergangenheit. Quellen und Forschungen zur Geschichte Lissas. Heft 1. Lissa [1912], S. 3, sind drei Gedächtnisreden für Rafał Leszczy´nski überliefert: eine auf Polnisch, die Andreas Wegierski, der dortige Superintendent (der im übrigen, so Szyrocki, S. 117, zusammen mit Opitz in Beuthen an der Oder studiert hatte), in Włodawa bei der eigentlichen Begräbnisfeier hielt (Kazania o stateczno´sci w wierze ku nauce, przestrodze i pociesze. W Baranowie 1644), sodann Opitzens Panegyricus und die deutsche Leichenpredigt, die Johann Amos Comenius in der Pfarrkirche von Lissa am Tage der Bestattung vortrug. Bickerich gibt in seinem Aufsatz, S. 4–18, eine Übersetzung von Opitzens Panegyricus, die für die vorliegende Edition berücksichtigt wurde; allerdings fehlen hier zuweilen kurze Textpassagen. Des weiteren geht er ebd. ab S. 18 auf die Leichpredigt von Comenius ein und druckt S. 19–27 den an dessen Leichpredigt angefügten Lebensabriß (Testimonium) Leszczy´nskis ab. Ein Vergleich dieser Texte kann im Rahmen unserer Edition nicht durchgeführt werden; es werden jedoch Textpassagen aus dem Lebensabriß von Comenius nach dem Abdruck Bickerichs bei verschiedenen Lemmata des vorliegenden Kommentars berücksichtigt. Bickerich selbst konstatierte, S. 4, in bezug auf die beiden Reden: „Opitz, der Gelehrte und Dichter, schildert den Grafen mehr nach seiner geistigen Entwicklung und wissenschaftlichen Bedeutung, Comenius mehr als religiösen Charakter.
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Den Mitteilungen beider über die Vorfahren des Grafen liegt offenbar eine gemeinsame Quelle zugrunde, vermutlich ein Familien-Stammbaum des gräflichen Hauses, der durch den Lissaer Statthalter ihnen in schriftlichem ‚Auszuge‘, wie Comenius sagt, zugegangen war. … Opitz, der Anwärter auf das Amt eines Historiographen des polnischen Königs, will seine Gelehrsamkeit zeigen und läßt das bewußt Evangelische zurücktreten, daher verweilt er besonders bei der älteren Vergangenheit des Geschlechts, Comenius hebt hingegen die Verdienste des Vaters und Großvaters Raphaels V. und ihre evangelische Gesinnung hervor.“ Allerdings geht Opitz auch in anderen Panegyrici und sogar in Widmungsvorreden an hochgestellte Persönlichkeiten gerne auf die erlauchte Abkunft der Geehrten ein. Opitz gibt in und mit seinem Panegyricus eine sehr detaillierte Biographie Leszczy´nskis, die allenfalls mit neueren Lebensbeschreibungen zu vergleichen wäre. In Auswahl sind hier zu nennen: Jan Kvaˇcala: Rafał hr. Leszczy´nski. Warszawa 1904 (in polnischer Sprache; nach Bickerich, S. 18, Anm. 1, legte Kvaˇcala seinem Lebensabriß die Predigt und andere Angaben des Comenius zugrunde); Stanisław Karwowski: Lesczy´nscy herbu Wieniawa. Lwów 1916, hier S. 18–21; Polski Słownik Biograficzny 17 (1972), S. 135–139. Zu den Verdiensten der Leszczy´nskis um das Lissaer Schulwesen vgl. Wotschke, Gymnasium. Szyrocki, S. 117, vermutet, daß Opitz seine Rede auf Betreiben des Statthalters von Lissa, Johannes Schlichting, geschrieben hat. Das konkrete Abfassungsdatum ergibt sich aus einem auf den 22. August 1636 datierten Brief Opitzens aus Thorn an Christian Cunrad, der bei Palm, S. 254 f. wiedergegeben ist; Conermann/Bollbuck, S. 1322 f., drucken diesen mittlerweile verschollenen Brief nach Palm. Hier heißt es: Vivo eo loci, ubi plurimum dandum est eorum voluntati quorum auxilio operaque sublevari hoc tempore meo possum. Itaque orationes in obitum Suecicae Principis ac Baronis Cemae videre iam potuisti: successit illis eodem quo absolutae fuerunt momento, altera Honori illustris Palatini Belsensis exaranda; quae heri ad umbilicum deducta est. Opitzens Panegyricus ist klar gegliedert und weist mit seiner inhaltlichen Aufteilung große Parallelen zu anderen seiner Panegyrici auf, so z. B. zu der Gedächtnisrede auf Promnitz (s. LW 2, S. 4–41). Die Eingangspassage (S. 1f.) nennt die Gründe für die Abfassung des vorliegenden Panegyricus. Die Tradition, eine Lobrede auf Verstorbene zu halten, stamme bereits aus der (römischen) Antike, um so mehr verdiene sie jemand wie Leszczy´nski, so die breit ausformulierte rhetorische Frage, die in nuce seine Verdienste zusammenfaßt. Damit verbunden ist ein Bescheidenheitstopos: Da für die eigentliche laudatio auf Leszczy´nski nur der Beste gut genug, der Sprecher sich seiner imbecillitas jedoch wohl bewußt sei, übernehme er den (geringeren) Part, einen Abriß von dessen Leben zu geben. Im folgenden ersten Teil des Panegyricus (S. 2–8) wird die edle Ahnenreihe Leszczy´nskis beschrieben, dabei aber gleich zu Anfang der Gegensatz betont zwischen jemandem wie Leszczy´nski, der zum ererbten Ruhm das Seinige beigetragen (und den Ruhm der Familie somit noch vermehrt) habe, und anderen, die nur auf ihre Vorfahren verweisen könnten. Diese Gegenüberstellung zwischen ‚echter‘ und ‚falscher‘ nobilitas erscheint wie ein roter Faden immer wieder in diesem Panegyricus. Ab (S. 8) beginnt dann die Schilderung der Vita Leszczy´nskis: Geburt, schulische und akademische Ausbildung, dann die Einführung in die ihm bestimmte Welt des höfischen Lebens im Rahmen der obligatorischen grand tour (S. 9–12). In deren Beschreibung eingeschlossen findet sich eine längere Textpassage mit Kritik an
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den (adligen) „Bildungs“-Reisenden (S. 12 f.), von denen sich Leszczy´nski als leuchtendes und wahrhaft nobles Gegenbeispiel abhebt. Nach der Rückkehr in die polnische Heimat schließt er eine standesgemäße Ehe (S. 15) und schreitet auf dem einmal eingeschlagenen cursus honorum in jeder Hinsicht weiter fort (S. 16), und auch hier ist er ein exemplum für noble Verhaltensweise. Dann geht der Sprecher auf Leszczy´nskis größte Leistungen für sein Land ein (S. 17–19), die er trotz eines persönlichen Schicksalsschlages (S. 18) zu vollbringen imstande war. Der rühmenden Beschreibung des polnischen Magnaten in seinem Handeln pro patria (also nach außen gerichtet) folgt die Schilderung seiner virtutes und seiner vita interior (ab S. 19), die vor allem durch seine sanctimonia (S. 19) geprägt war. Diese äußerte sich nicht zuletzt in tätiger Nächstenliebe, so gerade im Hinblick auf die exulantes (S. 20), wodurch er anderen ein nachahmenswertes Vorbild geworden sei. Leszczy´nski als das exemplum eines wahren Adligen zeichnete sich aber auch dadurch aus, daß er seine Lebenszeit in rechter Weise verwendete (S. 22–27) und nicht wie andere nobiles verschwendete, sondern seinen Pflichten nachkam und der Wissenschaften und Künste pflegte. Auch in und mit seinem Tod ist er ein Beispiel für andere geworden (S. 27–29) und erhält nun den wohlverdienten Lohn bei Gott (S. 29), während sein Wirken auf Erden Früchte getragen hat. Mit den inhaltlich daran anknüpfenden guten Wünschen pro patria et rege schließt der Panegyricus. Der folgende Stellenkommentar kann zu den überaus zahlreich genannten Personen nur begrenzte Hinweise liefern. Für die halb-mythischen Figuren der polnischen Frühzeit werden gezielt Erklärungen aus älteren Lexika wie dem ‚Zedler‘ zitiert, die die historiographischen Positionen der Frühen Neuzeit spiegeln. Zu den Angehörigen des Hauses Lescszy´nski wird in der Regel auf die Artikel im Polski Słownik Biograficzny, dem umfassendsten biographischen Lexikon zur polnischen Personengeschichte, verwiesen. Vertreter der europäischen Gelehrtenrepublik, die Leszczy´nski auf seiner Kavalierstour kennen lernen, werden nur kurz mit Verweis auf eines der gängigen Nachschlagewerke angeführt. Titelblatt] Zu den einzelnen Titeln Leszczy´nskis siehe auch die Lemmata unten. Vgl. ähnliche Formulierungen auf dem Titelblatt z. B. in der Vita von Promnitz, LW 2, S. 4. ANDREAE] Andrzej Lescszy´nski (1606–1651), seit 1641 Woiwode von Dorpat, Unterstützer der calvinistischen Kirchen; zur Vita vgl. Polski Słownik Biograficzny 17 (1972), S. 103 f.; Karwowski (wie oben), S. 22–24. RAPHAELI] Lebensdaten 1607–1644; vgl. Karwowski (wie oben), S. 21 f. BOGVSLAO] Bogusław Lescszy´nski (1612–1659), Abgeordneter des Sejm und nachmals Inhaber verschiedener Kronämter, konvertierte 1642 zum Katholizismus; vgl. Polski Słownik Biograficzny 17 (1972), S. 107–111; Karwowski (wie oben), S. 26–29. VLADISLAO] Vgl. Karwowski (wie oben), S. 25 f. 3–5 Nam si … dixerit] Anspielung auf die bereits im antiken Rom verbreitete Gattung der laudatio funebris, der Lobrede auf Verstorbene im Zusammenhang mit deren Bestattung. Diese wurde von einem Sohn oder einem anderen nahen Verwandten gehalten und enthielt neben dem Lob des Verstorbenen auch das Lob von dessen Vorfahren; s. dazu DNP 6, Sp. 1184–1186.
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16 f. ita vitae saltem illius expositionem, pro notitia quam de ea habemus muneri nostro si asseramus] Nach Bickerich hatte Opitz für seinen Panegyricus Quellenmaterial zur Verfügung gestellt bekommen. 19 f. Collocandae autem in atrio hic nostro statim imagines erant et eminentissimi excelsissimae familiae viri] Wohl Anspielung auf die antik-römische Sitte, imagines maiorum, Abbilder der Ahnen, vornehmlich aus Wachs, im Atrium der Häuser aufzubewahren; s. dazu DNP 5, Sp. 946 f. Siehe auch weiter unten: Quod si tanti ista fecisset, ac summam gloriae in ceris veteribus longaque stemmatis serie posuisset, quis illo vel antiquitate generis insignior, vel maiorum virtute meritisque clarior extitit? Bereits in Opitzens Schäfferey Von der Nimfen Hercinie (1630) zeigt diese den Freunden einen Saal mit den Ahnenbildern des Geschlechtes Schaffgotsch und geht auf die Familiengeschichte ein. 27–34 Septingenti ferè anni sunt, … erant] Vgl. im Lebensabriß von Comenius (Bickerich, S. 19): „Das löbl. Geschlecht der Graffen und Herren von Lissa [d. h. die Familie Lescszy´nski] in der Cron Polen ebenso alt ist als die Christliche Religion in diesen Landen, dann sein Ursprung auß Böhmen und Mähren herrühret von Philippo, Freyherren von Persten, das ist vom Ringe, welche aber hernach von Bernstein sind genennt worden. Dieser Freyherr Philippus hat im Jahr Chr. 965 Miecislav, dem Hertzogen in Pohlen, Dombrowkam, Boleslai, eines Hertzogen in Böhmen, Tochter, zur Ehgemahlin zuführet und sich in diesen Landen gesetzet und also neben andern Ursach gewesen, daß am Hoffe und im gantzen Lande Polen und Schlesien die Heidnische Götzen abgeschafft und die Christliche Religion ist angenommen worden, wie die Historici, sonderlich aber expresse Dlugossius, bezeuget.“ 27 Vieniauius] Vgl. Zedler 56, Sp. 506 f., der die mythischen Ursprünge des Geschlechtes rekapituliert: „Wieniawa, ein tapfferer Pohlnischer Soldat, welcher … mitten in Wäldern auf einer Höhe seine Wohnung gehabt, und sich zu Friedens-Zeit vom Kohlenbrennen zu erhalten gewohnet gewesen. Dieser wurde gewahr, daß so offte er seine Nahrung zu suchen ausgehen müssen, ein wilder Büffel indessen in seine Hütte eingedrungen, und ihm den vorhandenen Vorrath aufgezehret. Dahero gab er endlich auf den Eingang des Büffels Achtung, fassete ihn bey den Hörnern, zoge ihm durch die Nase einen jungen Ast, und führte ihn so zu dem Könige, von dem er auf Befragen, was er vor eine Gnade verlange? nichts anders sich ausgebeten, als die Freyheit, in den Wäldern ungehindert Kohlen zu brennen. Worauf ihm selbige Gegend zum Eigenthum geschencket, und, weil er dem Büffel mit einem Hiebe den Kopf abgehauen, ihm der schwartze Büffels-Kopf mit einem Rincken in der Nase ins Wapen, selbigen im goldenen Schilde und auf dem Helme zu führen, einverleibet worden. Dieses Wieniawa Nachkommen in Pohlen, Böhmen und Mähren sollen sich nachmahlen von dem besagten Rincken oder Ringe, Perszten (denn Perszten heist in Böhmischer, und Pierscien in Pohlnischer Sprache ein Ring) genennet haben.“ 28–31 Dambrouicam Bohemam in Poloniam secutus est … Mesico Princeps suscepit primus ac intra ditiones suas propagauit] Mieszko (in lateinischen Quellen Misaca und Miseco) ist der erste in schriftlichen Quellen (das erste Mal 963 in einer lateinischen Chronik) faßbare Herzog von Polen. Sein Herrschaftsgebiet bildete der Raum zwischen mittlerer Warthe, mittlerer
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Weichsel und Pilica, zwei Zentren waren Posen und Gnesen (Gniezno). 966 oder 967 nahm er das Christentum an in Zusammenhang mit seiner Ehe mit Dubravka oder Dubrawa (auch andere Namensformen werden in den Quellen genannt), der Tochter des böhmischen Herzogs Boleslav I. aus dem Geschlecht der Pˇremysliden; s. dazu Rhode, S. 7–14, und Alexander, S. 16–18. 33 f. Barones Perstenij, siue corrupto ad genium linguae nostrae vocabulo Bernstenij erant] S. o. zum Lemma Vieniauius. 35–38 quorum vltimus Vratislaus … occubuit] Vgl. Zedler 3, Sp. 1401, über Wratislaw: „Joannes Freyherr von Bernstein … hinterließ … Joannem Wratislaum, so als Obrister an. 1631 von denen Schweden beym Dorffe Reindorff im Treffen erschlagen worden. Er war im ledigen Stande und der letzte dieser Familie.“ 41 f. Bosutae Gnesnensis Archiepiscopi] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 20): „Alle aber zu erzehlen, derer die Historici laudabiliter gedenken, ist allhie unmöglich. Unter den vornembsten Bozusta (welcher heißt ‚GOttes Mund‘), ein Ertz=Bischoff zu Gnisen, so im Jahr 1072 gestorben.“ Zedler verzeichnet s.v. Leszinski (Bd. 17, Sp. 500) „Bozusta … Ertz-Bischoff zu Gnesen, der im Jahre 1072. gestorben; Werner, Ertz-Bischoff zu Gnesen, und Primus Princeps, der im Jahre 1170. die Welt verlassen; wiewohl man keinen von beyden im Verzeichnisse der Ertz-Bischöffe zu Gnesen … antrifft, sondern gantz andere genannt werden …“ 42 Rudgeri et VVerneri Vladislauiensium] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 20): „Item, anderthalbhundert Jahr hernach Vernerus, auch ein Ertz=Bischoff zu Gnisen unnd des Königreiches Polen primus Princeps, welcher Anno 1170 gestorben.“ 43 f. Ioannes Dlugossus Cracouiensis Canonicus] Zur Vita des berühmten polnischen Chronisten Jan Długosz (1415–1480) s. Polski Słownik Biograficzny 5 (1939), S. 176–180. Vgl. auch Zedler 7, Sp. 1102 f.: „Dlugossus, (Joannes) oder Lat. Longinus … Dom-Herr zu Cracau und Ertz-Bischoff zu Reusch-Lemberg im 14. Seculo. Er war aus dem Hause Wieniaua … starb … an. 1480 im 65 Jahre seines Alters … Er ist sonderlich berühmt, daß er eine Chronicke von Polen, bis auf das Jahr seines Todes geschrieben.“ Diese Chronik wurde von Opitz wohl für seine Studien zur polnischen Geschichte bisweilen benutzt, vgl. Conermann/Bollbuck, S. 1590 f. 46 Bronisium monasterii quod Paradisum vocitant aedificatorem] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 20): „Wird auch in Historiis gerühmet Graff Bronissius, Polnischer Woj., welcher das Kloster Paradiß gestifftet und mit so viel Einkommens an Dukaten, als im Jahr Stunden sind, (wie nicht allein die Chronicken, sonder auch dieses Klosters Privilegia außweisen) versehen. Starb im Jahr Christi 1234.“ 47 Ioannem Obiechouium Castellanum Sremensem] Vgl. den Artikel Iwo Goly z Obiechowa in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 10 (1962–1964), S. 192. S´ rem (früherer deutscher Name: Schrimm) ist eine kleinere Stadt in der Woiwodschaft Posen.
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47f. à Vladislao Iagellone coniugii cum Anna Guilielmi Ciliae Comitis filia ergò in Hungariam missum] Jagiełło (Jogaila, vor 1362–1434) wurde 1377 Großfürst von Litauen, heiratete die polnische Thronerbin Jadwiga (Hedwig), wurde 1386 zum König von Polen gewählt (als Władysław II. Jagiełło) und begründete die Dynastie der Jagiellonen. Nach dem Tod Jadwigas (1399) nahm er – mit päpstlichem Dispens – 1402 Anna von Cilli zur Frau. Sie war eine Cousine Jadwigas; ihre Mutter war eine Tochter des polnischen Königs Kazimierz III. aus der Dynastie der Piasten, väterlicherseits stammte sie aus dem Geschlecht der Grafen von Cilli. 1408 brachte Anna ihre Tochter Jadwiga zur Welt, sie selbst starb 1416. Władysław II. Jagiełło heiratete dann noch zwei weitere Male; s. dazu Almut Bues: Die Jagiellonen. Herrscher zwischen Ostsee und Adria. Stuttgart 2010, S. 38 f. 51 Praedislaus] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 20): „Im Vergeßen ist auch nicht der vornehme Senator Predislaus, H. auf Goluchow, Woj. zu Kalisch, Generalhauptmann in Groß=Polen, welcher gelebt hat umb das Jahr Christi 1370, ein auffrichtiger treuer Patriot. Darumb er von denen vom Adel also geliebet worden, daß, da man in der Generalschafft einen andern ihm vorziehen wollen, sie denselben nicht acceptiren wollen, sonden ihn mit Krieg verfolgt und diesen erhalten.“ 52–54 ab Elisabetha Ludouici matre … per absentiam distenti bello Dacico filii] Nach dem Tode des polnischen Königs Kazimierz III. aus der Dynastie der Piasten (1370) wurde der ungarische König Ludwig der Große zum König von Polen gekrönt (reg. 1370–1382), hielt sich in Polen jedoch nicht lange auf, sondern setzte seine Mutter Elisabeth, die Schwester von Kazimierz III., zur Statthalterin Polens ein. Aufgrund der allgemeinen Unzufriedenheit über die Vernachlässigung der polnischen Interessen durch Ludwig und über die Regentschaft der wohl unbeliebten und überforderten Königsmutter kam es zu einem Aufstand, bei dem am 7. Dezember 1376 in Krakau die ungarische Gefolgschaft getötet und Elisabeth zur Flucht gezwungen wurde; alle Angaben nach: Jörg K. Hoensch: Geschichte Polens. Stuttgart 31998, S. 55–57. 56 Otto Pilecius] Vgl. den Artikel Otto z Pilicy (gest. 1384/85) in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 24 (1979), S. 634 f. 58 Goluchouii ab arce … Lescinii nominis] Vgl. Zedler s. v. Leszinski, Bd. 17, Sp. 499: „… habe der vorhergehende Dobeslaus von Bernstein eine Stamm-Linie unter dem Namen Goluchow, Leszinski genannt, fortgepflanzet.“ 63 Raphaël ille] Nach dem Testimonium von Comenius war er ein Urenkel des oben erwähnten Predislaus; es heißt bei Comenius weiter (Bickerich, S. 20 f.): „… Raphaelem, der ein General gewesen ist in Groß=Polen und Hauptmann auf Radzejow, Striemen und Pisdry, Erbherr auff der Lissa, welcher auch allhie in dieser Kirche begraben liegt und, wie auff dem Grabstein noch zu lesen, gestorben ist Anno 1450. Dieser Herr Raphael hat seinen Sohn auch Raphaelem nennen lassen, welcher der erste Graff zur Lissa worden ist, alß er von Jugend auff am Hoffe des löbl. Römischen Kaisers Friderici des dritten gedienet und hernachmahls zwischen demselben Keyser und dem Könige in Polen Casimiro unterschiedliche vornehme Legationes verrichtet, ist er von demselben Keyser zu einem Reichs= Graffen creiret und mit stattlichen Privilegien, welche noch in diesem Hause zum theil vor-
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handen, begabet worden. Unter andern hat ihm der Keyser sein Wapen mit einem Löwen, welcher über dem schwartzen Auerochsen=Kopff mit dem Nasenring (welches der Herren von Bernstein ihr uhraltes Wapen ist) oben auff dem Helm mit beiden fordern Füßen ein bloß Schwert haltend stehen soll, vermehret, nämlich zum Gedächtnis seines Heldenmutths und ritterlichen Thaten, indem er, alß Matthias, König von Ungarn, in einem Turnieren oder Hastiludio zu Wien von ihme verwundet gewesen und ihm gram worden, auch kurtz hernach wider den Kayser einen Krieg vorgenommen, auch Mähern und Schlesien meistentheils unter sich gebracht, dennoch ungeachtet aller Gefahr sich zu den vorgedachten Legationibus so stattlich und tapfer gebrauchen lassen. Als er nach Absterben des Kaysers wieder nach Hause kommen, hat er sich gleichfalls umb das Vaterland und den König so hoch verdienet gemacht, daß er nicht allein Castellanus Gnesnensis und hernachmals Posnaniensis, wie denn auch Mareschalcus curiae Regni worden, sondern auch mit 13 Starosteyen oder Hauptmannschafften (deßgleichen Exempel in Polen kaum zu finden) verehret. Starb anno 1507 [richtig wohl: 1501] und liegt zu Brescz in Cujavia begraben. Hat drey Söhne hinterlassen …“ Zu seiner Vita s. Polski Słownik Biograficzny, Bd. 17 (1972), S. 129 f. 63–66 Fridericus III Caesar … Comitis titulo … exornauit] Kaiser Friedrich III. (reg. 1452–1493). Vgl. Zedler, Bd. 17, S. 500: „Raphael, Herr auf Lesno, General in Groß=Polen, ist im Jahre 1450. gestorben, und hat einen, gleiches Namens, hinterlassen, der sich lange am Hofe des Kaysers Fridericí III. aufgehalten, von ihm im Jahre 1470. als Gesandter an den König Casimir in Polen geschicket, und auch zum Reichs-Grafen gemachet, in Polen aber Castellan zu Gnesen, hernach zu Posen, und endlich Reichs-Hof-Marschall worden. … Er hat 13. Starosteyen gehabt, und im Jahre 1507. die Welt gesegnet.“ 66 superposito galeae clypei gentilis leone ensifero] Das Wappen der Leszczy´nskis enthält die genannten Elemente. Vgl. Emilian von Zernicki-Szeliga: Der Polnische Adel und die demselben hinzugetretenen andersländischen Adelsfamilien. General-Verzeichniss. Bd. 2. Hamburg 1900, S. 14 s.v. Leszczy´nski: „Erhielten vom Deutschen Kaiser 1476 den erblichen Grafentitel und als Helmschmuck … einen aufwachsenden, goldnen, gekrönten Löwen, der ein Schwert in den Tatzen hält.“ 69 f. neglectis quae sibi à Matthia Coruino struebantur insidijs] Matthias Corvinus (1427–1490), ab 1458 König von Ungarn. Opitz erwähnt Matthias Corvinus bereits in der Trauerrede auf die siebenbürgische Fürstin Zsuzsanna Károlyi (LW 1, S. 258; s. dazu den Lebensabriß im Kommentar, ebd., S. 469). Zu Matthias Corvinus s. Jörg K. Hoensch: Matthias Corvinus. Diplomat, Feldherr und Mäzen. Graz u. a. 1998. 71 apud Casimirum Poloniae regem] Der aus dem Herrscherhaus der Jagellonen stammende König Kasimir (Kazimierz) IV. (1427–1492), 1440 Statthalter in Litauen, 1447–1492 König von Polen. Zu den einzelnen Ereignissen vgl. Karl Nehring: Matthias Corvinus, Kaiser Friedrich III. und das Reich. Zum hunyadisch-habsburgischen Gegensatz im Donauraum. München 1975. Opitz bezieht sich wahrscheinlich auf die Gesandtschaftsreise im Jahre 1470. 79 f. dum verum bellum Austriae, id quod exitus docuit, animo iam faceret] Vielleicht Anspielung auf den Krieg um Österreich zwischen Matthias Corvinus und Kaiser Friedrich III.
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(1482–1485), in dessen Gefolge 1485 Wien an Corvinus fiel; s. dazu Hoensch, Matthias Corvinus (wie oben), S. 183–198, und Nehring, Matthias Corvinus (wie oben), S. 150–168. 85–95 Auus eius de quo sermonem instituimus Raphaëlis, … Praefecturae Calisiensi serò denique admotus] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 21 f.): „… Raphael, unsers Seeligen in Gott ruhenden Herrens Großvater, ein gottfürchtiger, fromer, verständiger, ehrlicher Herr und treuer Patriot, … Dieser war der vornembste unter dehnen, die in dieser Kron die Wahrheit des hlg. Evangelii erkandt, eifferig angenommen und mit großem Fleiß aller Orten befördern und fortpflanzen helffen. Denn er nicht allein auff seinen Güttern, wie auch an diesem Orth, evang. Kirchen und Schulen gestifftet, sondern auch in Königl. Güttern, sonderlich zu Radzejow, mit seinen eigenen Unkosten fundirt, begabet und erhalten. Wegen seiner Aufrichtigkeit und hohen, das Alter übertreffenden Verstandes ward er bald im 19. Jahre seines Alters in ordinem Senatorium cooptiret und zu einem vornehmen Palatino, nämlich Brestensi in Cujavia, creiret worden. … Sonderlich da er in die Moskau zu dem berühmten Tyrannen Basilide, Großfürsten, gesandt war und alle vorstoßende Gefahr mit unerschrockenem Heldenmutth außgestanden, dahin er dann etliche evang. Ministros mitgenommen hatte und dieselben nicht allein der Orthen frey alß ein Abgesandter predigen, sondern auch mit den griechischen Ertz= und Bischoffen disputiren lassen, biß endlich auch der Großfürst selbst mit den Ministris zu unterreden begehret. … Ward ihm endlich Castellania Stremensis, weil er höhere Digniteten allezeit rejiciret, conferiret worden.“ Zu seiner Vita s. Polski Słownik Biograficzny, Bd. 17 (1972), S. 132–135. 87 f. ad Ioannem Basilidem, tyrannorum omnium ante nostram memoriam facile Principem] Iwan IV. Wassiljewitsch, genannt der Schreckliche (1530–1584), nahm 1547 als erster Großfürst von Moskau den Zarentitel an. 93 f. lunae adinstar, quae quo longiori spatio à sole distat, eo clariori lumine renitet ac splendescit] Die Vorstellung findet sich in zeitgenössischen Emblemen, vgl. Henkel/Schöne, S. 34. 94 f. Praefecturae Calisiensi] Kalisch und Brest in Kujawien (s. o.) waren Woiwodschaften in Großpolen. 96–98 Andream filium … eodem Palatinatu Brestensi quo se olim ipse abdicauerat decoratum] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 22): „H. Andreas, Graff auff L., H. auf Baranow, Woj. zu Bresc in Cujavien etc. Unseres Seel. H. Woj. H. Vater, ein H. von stattlichen heroischen Qualiteten, toga et sago, welcher von Jugend auff bis in sein Ende nebenst der Ehre Gottes seinem Könige und dem Vaterlande treulich … gedienet hat. … Die Ehre Gottes zu befördern hat er nie keine Mühe gesparet, die gemeine Libertet allezeit propagiret und geschützet und durch solche heroische Thaten zu einer solchen Authoritet kommen, daß fast das gantze Königreich Polen, zumal in vorfallenden Strittigkeiten, auff ihn ein Absehen gehabt. Auch nach entstandenem Tumult und Rokosch hat König Sigismundus den Mißverstand zwischen Ihme (dem König) und den Ständen zu entscheiden und hinzulegen ihn, den H. Palatinum Brestensem, erwählet und ernandt gehabt, wenn nicht sein Tod dazwischen kommen were.“ Zu Andrzej Leszczy´nski (ca. 1559–1606) vgl. Theodor Wotschke: Graf Andreas von Lissa, in: Aus Posens kirchlicher Vergangenheit 4 (1914), S. 22–65; Polski Słownik Biograficzny 17 (1972), S. 101–103.
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98 f. coniuge, generosissimae domus Firleianae] Das kleinpolnische Magnatengeschlecht der Firlej stellte im 16. Jh. u. a. Woiwoden von Lublin und Krakau. 102 Cosmini] In Koschmin (Großpolen) war 1556 eine Schule der Böhmischen Brüder gegründet worden. 103 f. post Glogouiae ad Viadrum] Die Stadtschule im schlesischen Glogau zählte nicht zu den herausragenden Bildungseinrichtungen in Schlesien, woraus sich Leszczy´nskis früher Übergang zur Universität erklären läßt. 105 f. inauditiunculis … extraxit] Die Verwendung des seltenen Diminutivs inauditiuncula und des abschätzigen extrahere (oft im Sinne von ‚Zeit vergeuden‘) wirkt in dem panegyrischen Kontext befremdlich. 105 f. Triennium itaque Argentorati ac Basileae extraxit] Bickerich, S. 7, Anm. 5, erwähnt, daß Leszczy´nski in Straßburg 1596 bei einer Disputation respondierte (Disputatio ethica de beatitudine tam practica quam contemplativa, quam C.F.N. ex primo et ultimo Ethicorum Nicomachiorum libris desumptam praeside Mfco. Academiae Rectore Do. Ioanne Lodovico Havvenrevtero medicinae et philosophiae Doctore publici exercitii gratia proponit Raphael Leszczinius a Leszno palatinides Brestensis mense Octobri. Straßburg 1596), die er seinem Vater widmete. Dem Druck beigefügt sei ein lateinisches Gedicht Danielis Naborovii Poloni, vielleicht seines Hofmeisters. Siehe dazu auch Bibliografia Estreichera, Bd. 21, S. 210. 108 Grynaeum Theologum rarae pietatis] Johann Jakob Grynäus (1540–1617) war seit 1575 Professor für Altes Testament an der Universität Basel. 1584 berief ihn Pfalzgraf Johann Kasimir nach Heidelberg, wo er die Universität im reformierten Sinne umgestalten helfen sollte. 1586 wurde er Antistes der Kirche von Basel und Professor für Neues Testament an der Basler Universität. Grynäus, ein strenger Calvinist, befestigte die Verbindung Basels mit der reformierten Lehre; alle Angaben nach BBKL 2 (1990), Sp. 376. Vgl. zur Universität Basel und ihren Professoren auch Edgar Bonjour: Die Universität Basel von den Anfängen bis zur Gegenwart 1460–1960. Basel 21971; zu Grynäus v. a. S. 213–215. 108 Ludouicum Lucium] Ludovicus Lucius (1577–1642) war von 1611 bis 1619 Professor der Philosophie in Basel. 109 Dasypodium] Conrad Dasypodius (um 1530 – um 1600), Professor der Mathematik in Straßburg. Zur Geschichte der Straßburger Hochschule siehe z. B. Anton Schindling: Humanistische Hochschule und Freie Reichsstadt. Gymnasium und Akademie in Straßburg 1538–1621. Wiesbaden 1977, hier zum Wirken von Dasypodius v. a. S. 255–261 und passim. 109 Melchiorem Iunium] Melchior Junius (1545–1604) war 1580–1604 Professor der Beredsamkeit in Straßburg. 109 Dionysium Gothofredum] Dionysius Gothofredus (1549–1621) war 1591–1600 Professor der Rechte in Straßburg. Nach Bickerich, S. 7, Anm. 5, respondierte Leszczy´nski 1598 unter seinem Präsidium bei einer weiteren Disputation (Quaestiones ex jure communi et historia desumptae, quas praeside nobilissimo et clarissimo viro D. Dionysio Gothofredo … proposuit et defendere publice conabitur Raphael de Leszno Palatinides Brestensis Cujaviensis mense Januario. Straß-
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burg 1598), die er seinem Onkel Nicolaus Firlej, dem Woiwoden von Krakau, widmete. Siehe dazu auch Bibliografia Estreichera, Bd. 21, S. 210. 111f. in theatrum illud virtutum ac rerum toto Orbe celebrium, Rudolphi Caesaris aulam] Der Hof Kaiser Rudolfs II. (1552–1612) in Prag; s. dazu auch Robert J. W. Evans: Rudolf II. and his world 1576–1612. Oxford 1984. Der maßgebliche Lexikonartikel zu Leszczy´nski (s.o.) erwähnt keinen Aufenthalt am Prager Kaiserhof und auch nicht die Rückkehr zum Vater, vielmehr sei der junge Mann über Genf, wo er Theodor Beza traf, direkt nach Paris gereist. 113 anno insigni ad Bicinium praelio] Gemeint ist wohl die Schlacht bei Pitschen 1588: Die Partei des Kanzlers Jan Zamoyski hatte 1587 Sigismund von Schweden zum polnischen König gewählt, eine Adelsfraktion den Habsburger Erzherzog Maximilian. Sigismund wurde als Zygmunt III. im Dezember 1587 gekrönt, der Gegenkönig Maximilian wurde von Zamoyski auf schlesischem Gebiet bei Pitschen angegriffen und am 24. Januar 1588 gefangen genommen; s. dazu Rhode, S. 256. 115 Capiebat eum imprimis Lutetia] Nach den Studienjahren begann für Leszczy´nski eine weitere Etappe seiner standesgemäßen Ausbildung mit ausgedehnten Reisen; s. dazu allgemein Hans-Jürgen Bömelburg: Adelige Mobilität und Grand Tour im polnischen und litauischen Adel (1500–1700), in: Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert …, hrsg. von Rainer Babel und Werner Paravicini. Ostfildern 2005, S. 309–326. Zu beachten ist vielleicht, daß Opitz selbst sich 1630 mehrere Monate in Paris aufgehalten hatte. 121 f. quae nobilia … dicuntur] Gemeint sind hier wohl die typischen Adelskünste wie Reiten, Fechten oder Tanzen. 123 f. vir purissimae Latinitatis, eloquentiae suauissimae Ianus Passeratius] Jean Passerat (1534–1602), seit 1572 Professor der Beredsamkeit am Collège de France. 124–126 è foro Iacobus Augustus Thuanus … aspexit] Jacques-Auguste de Thou (1553–1617), bedeutender französischer Historiker (Historia sui temporis, vollständig gedruckt 1620), Jurist und Diplomat; vgl. Handbuch Gelehrtenkultur, S. 655–657. Opitz zitiert im übrigen eine Stelle aus de Thous Historia in seiner Widmungsvorrede zu seiner Übertragung der Tetrasticha von Pibrac; s. dazu LW 3, S. 430 f. 126–128 ex aula denique Villaregius, qui … probauit] Nicolas de Neufville, seigneur de Villeroy (1542–1617), französischer Politiker und Diplomat. Er diente vier Königen, darunter Heinrich IV. und Ludwig XIII. Sein Hauptwerk, auf das sich Opitz hier bezieht, sind die Mémoires d’ Etat depuis 1567 jusqu’ en 1604 (zuerst 1622). 135 Henricus Magnus] Heinrich IV. (1553–1610) war ab 1589 König von Frankreich. Opitz bezeichnet ihn bereits in der Huldigungsrede auf Friedrich V. von der Pfalz von 1620 als Henricus Magnus (s. LW 1, S. 214 und S. 423). Vgl. den Beitrag von Ernst Hinrichs in: Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498–1870, hrsg. von Peter C. Hartmann. München 1994, S. 143–170. 141 Belgii Hispano subiecti prouinciis] Gemeint sind die unter habsburgischer Herrschaft verbliebenen spanischen Niederlande, die in etwa dem Staatsgebiet des heutigen Belgien entsprechen.
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141 cum Iusto Lipsio] Justus Lipsius (1547–1606), vielseitiger Gelehrter von europäischem Rang und Begründer des auch von Opitz vertretenen Neostoizismus. In seinen letzten Lebensjahren (1592–1606) war Lipsius Professor der alten Geschichte in Löwen; vgl. Handbuch Gelehrtenkultur, S. 412–414. 143 Elisabetham sapientissimam post homines natos reginam] Königin Elisabeth I. von England (1533–1603, reg. seit 1558) galt unter den Zeitgenossen als femina docta, die auch die alten Sprachen beherrschte und lateinische Huldigungen humanistischer Gelehrter auf Latein beantwortete. 144 f. licet an salutanda illa esset … subdubitaret] Nach Bickerich, S. 9, war diese Sorge begründet „infolge der Antwort der Königin auf die von ihr als unziemlich empfundene Rede des polnischen Gesandten Paul Dzialynski im J. 1597“. Vgl. R. Hassencamp: Handelspolitische Verhandlungen zwischen England u. Polen in den Jahren 1597 und 1598, in: Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen 3 (1887), S. 91–108, speziell S. 94 f. 146 f. post praelium ad Neoportum] In der Schlacht von Nieuwpoort südlich von Ostende am 2. Juli 1600 besiegte eine Armee der Vereinigten Niederlande unter Prinz Moritz von Oranien eine spanische Armee unter Erzherzog Albrecht VII. Zu Moritz von Oranien vgl. unter anderem Michael Erbe: Belgien, Niederlande, Luxemburg. Geschichte des niederländischen Raumes. Stuttgart u. a. 1993, v. a. S. 126–128; s. auch LW 2, S. 274. 150 Italiam magnis itineribus adijt] Die (Bildungs-)Reise nach Italien gehörte zur zeitüblichen Kavalierstour. Die Wendung findet sich häufig im militärischen Kontext bei Caesar, z. B. Gallischer Krieg 1,10,3: ipse in Italiam magnis itineribus contendit. 150–166 Nec temerè … peregrinati sint] Opitz kritisiert in diesem Exkurs das Leben der jungen (adligen) Studenten zumal auf der obligatorischen Bildungsreise. Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Geleitgedicht Opitzens für den Fürsten Bogusław Radziwiłł von 1637 (LW 3, S. 238–240), in dem er ebenfalls Kritik am adligen Studentenleben übt. Die einzelnen Arten von Ausschweifungen, die hier genannt werden, erinnern durch ihre Begrifflichkeit an das Luxusleben im antiken Rom. 153 pretio] Konjektur; im Druck steht pretia. 155–157 Aiaces … Ilium] Die degenerierten Adelssprößlinge werden den Helden der griechischen Mythologie gegenübergestellt; besonders sarkastisch ist die Anspielung auf das Hölzerne Pferd, mit dessen Hilfe die Griechen sich Zutritt zur befestigten Stadt Troja (= Ilium) verschafften (nach Homer, Odyssee 8,492–520). Eine ganz ähnliche Analogie formuliert Paul Schede Melissus in seiner Spottelegie In potatores et ebriosos, in: Humanistische Lyrik, S. 806: Hectoris auditis suboles, et fortis Achillei: / In vestris Aiax vivit uterque cadis; vgl. den Kommentar S. 1443. 162–166 Has comas, inquam, in frontem adductas … peregrinati sint] Kritik am À la mode-Wesen. Nach Ingrid Loschek: Mode- und Kostümlexikon. Stuttgart 1994, S. 108, gehörten dazu Becherstiefel mit hohen Absätzen und extrem großen Sporen, ein breitkrempiger Schlapphut, ein weiter Überrock, Radmantel, Degen, schulterlanges Haar und Knebel-
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bart. Um 1630–50 waren zumal eine seitlich längere Haarsträhne à la Cadenet oder strähnig schulterlanges Haar, Stirnfransen oder Mittelscheitel modern; vgl. Loschek, S. 225. Die Haarsträhne à la Cadenet wurde geflochten oder mit Perlen und Bändern geschmückt, den Faveurs, dem Geschenk einer Dame; s. Loschek, S. 139. 163 f. tanquam timendi e Gallia sideris bellum exitiabile minitantis] Vielleicht Anspielung darauf, daß die stutzerhafte À la mode-Kleidung „sich durch extreme Übertreibung der neuesten französischen Mode während des Dreißigjährigen Kriegs in Deutschland, aber auch in Frankreich selbst auszeichnete“ (Loschek, S. 108). Zu denken wäre bei sideris bellum exitiabile minitantis daran, daß Frankreich 1635 in den Krieg eintrat. 169 f. cum furentibus delirandum est] Opitz verwendet die Junktur auch an anderer Stelle, vgl. den Kommentar zum Eintrag in das Stammbuch von Esaias Sperer (LW 2, S. 555). 170–176 Caeterum ille comitem secum quoquouersus deducere prudentiam … quiduis autem animaduersione dignum in vsus patriae ac suos cum cura reponere] Opitz listet hier katalogartig die Kriterien einer gelungenen adligen Bildungsreise auf, wie sie in zeitgenössischen Traktaten abgehandelt wurden. Sein Lehrer Caspar Dornau hatte 1616 in Beuthen über die Frage utrum suscipienda sit, an negligenda peregrinatio Adolescenti, sive Principi, sive alioqui in spem Reipublicae nato aut formando disputieren lassen (Seidel 1994, S. 54), Opitz dürfte bei dieser Disputation zugegen gewesen sein (ebd., S. 311). 179–181 Anno quo eo peruenit, Christianissimus Galliarum Rex qui nunc imperio praeest in lucem editus est] Ludwig XIII., der älteste Sohn Heinrichs IV. von Frankreich, wurde am 27. September 1601 in Fontainebleau geboren; vgl. den Beitrag von Albert Cremer in: Französische Könige (wie oben s. v. Henricus Magnus), S. 171–189. Den Titel Rex Christianissimus (allerchristlichster König) legte sich bereits (mit päpstlichem Einverständnis) der französische König Ludwig XI. zu, er könnte hier von Opitz vielleicht auch etwas ironisch gemeint sein. 183 f. Patauii studiis literarum, exercitiis equestribus Florentiae vacauit, pari successu, vtroque maximo] Die zur Republik Venedig gehörende Universitätsstadt Padua stand für gelehrte, Florenz als Residenz der Medici für höfische Bildung. 184–187 In principe hac vrbium Hetruriae … euasit] Auch in der Lebensbeschreibung von Promnitz wird eine Episode geschildert, in der dieser auf seiner Bildungsreise nur knapp mit dem Leben davonkam; vgl. LW 2, S. 14. 188 Anna Radziminia] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 24): „Im Ehestande hat Er mit der Hoch= und Wolgeb. Frauen Anna von Radzimin (derer H. Vater H. Stephanus von Radzimin, Wojewoda zu Podlasch, die Fr. Mutter aber Theodora Sanguscia von dem Geschlecht des Großfürsten in Littauen Olgerdi gewesen) 31 Jahr zubracht allermaßen friedlich und lieblich, daß alle fromme Christl. Eheleute einen rechten Spiegel recht keuscher eyferiger ehelicher Liebe an ihnen haben möchten.“ Die Ehe wurde 1604 geschlossen, 1635 starb Anna Radzimi´nska. 190 Stanislaus Radziminius] Vgl. Polski Słownik Biograficzny, Bd. 30 (1987), S. 102–104. 195–197 ab Olgerdo vsque Principe Lithuaniae ante trecentos aut circiter annos bellica laude clarissimo] Gemeint ist Olgierd (Algirdas, 1296–1377), Großfürst von Litauen. Getreu seinem
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Ausspruch Omnis Russia ad Lituanos debet (Rhode, S. 116) bemühte er sich, in Auseinandersetzung mit dem Großfürstentum Moskau, um das Erbe des Kiewer Reiches. Er erreichte, daß sich ihm einige Fürstentümer unterstellten, 1362 Kiew selbst; dazu kam der Kampf gegen die Tartaren; s. dazu Rhode, S. 114–120, und Alexander, S. 53. Zu seinem Sohn Jagiełło s. oben den Kommentar zu Vladislao Iagellone. 197 VVlodauiae] Włodawa, Stadt am Bug nordöstlich von Lublin. Nach Bickerich, S. 10, war die Stadt, die Leszczy´nski „wohl als Mitgift seiner Gemahlin erhalten hatte, Sitz einer reformierten Gemeinde“. 199–201 patrem … negotio pulcherrimo ereptum, quod eum Sigismundus Rex arbitrum statuere eius rei volebat, quae in controuersiam inter ipsum ac Ordinum nonnullos adducta erat] Die langjährigen Spannungen zwischen König Zygmunt III. (reg. 1587–1632) und dem polnischen Adel hatten sich 1606/07 in einem offenen Aufstand (rokosz) unter Führung des Katholiken und Wojewoden von Krakau, des Krongroßmarschalls Mikołaj Zebrzydowski, entladen; s. dazu Alexander, S. 114–116, sowie Andrzej Wycza´nski: Polen als Adelsrepublik. Aus dem Polnischen von Michael G. Esch. Osnabrück 2001 (= Klio in Polen 5), S. 231–233. Zur Rolle von Leszczy´nskis Vater vgl. oben S. 506 den Kommentar zu Andream filium. 201 Baranouiae] Vgl. Bickerich, S. 11: „Baranow, südlich der Weichsel im heutigen Galizien, war ebenfalls im Besitz Raphaels und wurde durch ihn Sitz einer reformierten Gemeinde.“ 202 Reipublicae cum se dedidisset] Zur im Folgenden teilweise rekapitulierten Ämterlaufbahn Leszczy´nskis, die 1605 mit einem Sitz im Sejm der Woiwodschaft Sendomir begann, vgl. im einzelnen den Artikel in Polski Słownik Biograficzny 17 (1972), S. 135–139. 218 f. nisi … studium religionis obstitisset] König Zygmunt III. war Katholik. 220–223 Summus vigiliarum eius pro Republica fructus, quod nemo neget, vigiliae vltimae fuerunt; … fundamenta] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 23): „Darumb er auch von seinem Könige und Herren Sigismundo III. wegen seines hohen Verstandes und Weißheit lieb und werth gehalten und zeitlich genug zu sondern Ehrenämptern erhoben worden, indem Er erstlich Castellanus zu Wischlitz und Hauptmann zur Fraustadt, bald darauff Castellanus zu Kalisch und daneben Hauptmann zu Horodlo, endlich auch Palatinus oder Wojewoda zu Bels erwählet worden. Bey dem hohen Reichs-Tribunal ist Er achtmal deputatus judex gewesen, ansehnliche Königl. Commissiones und Legationes verrichtet, unter welchen die letzte gewesen ist, da Er im verwiechenen 1635. Jahre zwischen der Krone Polen und Schweden Frieden tractiren und glücklich auff 25 Jahr beschließen helffen mit großer Königs Wladislai und der Kron, ja auch seiner eigenen Reputation.“ Es handelt sich dabei um den Waffenstillstandsvertrag von Stuhmsdorf vom 12. September 1635. 222 Suecia sua] König Władysław IV. erhob dynastische Ansprüche auf die Krone Schwedens, die er allerdings nie durchsetzen konnte. 233 Coniugis excessum] S. oben S. 510 zu Anna Radziminia. 236 resurgens ad speciem pristinam terra Prussia] Im Waffenstillstandsvertrag von Stuhmsdorf erhielt Polen einen Großteil der von den Schweden eroberten Gebiete zurück: die Fluß-
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mündungen an der Ostsee und das gesamte königliche Preußen; s. Alexander, S. 125, sowie Rhode, S. 270. 245 ex praeceptis vafri ab Hetruria doctoris] Gemeint ist Niccolò Machiavelli (1469–1527), der florentinische Politiker und Schriftsteller (Il Principe, 1513). Michael Stolleis weist darauf hin, daß gerade im frühen 17. Jahrhundert „die ständische und die religiös-moralische Opposition gegen die Staatsräsonlehre fast ununterscheidbar mit dem breiten und aus vielen Quellen gespeisten Strom des Antimachiavellismus zusammengeht“. Michael Stolleis: Arcana Imperii und Ratio Status. Bemerkungen zur politischen Theorie des frühen 17. Jahrhunderts, in: ders.: Staat und Staatsräson in der frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts. Frankfurt am Main 1990 (= Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 878), S. 37–72, hier S. 41. 255–261 ita exulibus … proximè accedimus] Lissa (Leszno) als Asyl für die Glaubensflüchtlinge. Am bekanntesten ist wohl Johann Amos Comenius (1592–1670), der 1628–1641 und 1648–1650 in Lissa lebte. In Lissa gab es seit der Mitte des 16. Jahrhunderts eine deutsche, seit 1604 eine polnische Brüdergemeinde. Da nach der „Erneuerten Landesordnung“ (1627 für Böhmen, 1628 für Mähren) jeder, der nicht katholisch werden wollte, gezwungen war auszuwandern, hatte Leszczy´nski die andernorts verfolgten Böhmischen Brüder aufgenommen; s. dazu Renate Riemeck: Der andere Comenius. Böhmischer Brüderbischof, Humanist und Pädagoge. Frankfurt am Main 1970, S. 17 f.; vgl. auch in der ebd., S. 66–75 (nach Bickerich) abgedruckten Schilderung von Comenius zu Lissa vor allem S. 66 f. Zu Leszczy´nski in dieser Rolle s. vor allem Kate Wilson: The Politics of Toleration Among the Szlachta of Great Poland: Rafał Leszczy´nski (1579–1636) and Krzysztof Opali´nski (1609–55), in: Slovo 14 (2002), S. 134–155. Leszczy´nskis Hilfe für aus konfessionellen Gründen Vertriebene rühmt auch Opitzens Jugendfreund Balthasar Venator in seiner an dessen ältesten Sohn Andrzej gerichteten Epistola de calamitatibus Ducatus Bipontini (1637); vgl. Balthasar Venator: Gesammelte Schriften, hrsg. von Georg Burkard und Johannes Schöndorf. Heidelberg 2001. Bd. 1, S. 377; außerdem Zedler, Bd. 17, Sp. 501: „Raphael Leszinski, Graf von und auf Lissa oder Lesno, Woywode zu Bels, nahm die aus Schlesien verjagten Lutheraner auf, verstattete ihnen die freye Übung ihres Gottesdienstes, nebst Kirchen- und Schulen-Bau, massen unter seinem Schutz die erste Lutherische Kirche in Lissa im Jahre 1635. inauguriret worden.“ 264 imperturbatam mentis serenitatem] Leszczy´nski werden hier wie im Folgenden Züge des (neo)stoischen Weisen zugeschrieben. 270f. Filios eius generosissimos] Alle vier Söhne Leszczy´nskis wie auch seine Tochter und sein Schwiegersohn galten als Beschützer der Protestanten in ihrem jeweiligen Einflußbereich. 273–276 Ioannem Schlichtigium … non desinit] Zu Johannes Schlichting s. den Kommentar zu Opitzens Gedicht auf dessen Sohn (LW 3, S. 595 f.). 279 f. hoc vetus, humani nihil a quoquam alienum esse] Nach Terenz, Heautontimorumenos 77: Homo sum, humani nil a me alienum puto. 287 f. ipsumque qui nunc rerum potitur Pontificem Maximum] Papst Urban VIII. (1568–1644, Papst seit 1623).
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289 f. tertio è Filijs illustrissimis Boguslao, ornamento Ordinis sui] Bogusław konvertierte 1642 zum Katholizismus, unterstützte aber weiterhin die Protestanten. 290 eminentissimus Cardinalis Barbarinus Vrbani nepos] Kardinal Francesco Barberini (1597–1679), ein Neffe Urbans VIII. Bogusław wurde 1636 in Padua immatrikuliert, vermutlich besuchte er während dieses Italienaufenthaltes auch Rom. 290 in Vrbe] Wortspiel mit Vrbanus. Zudem spielt Opitz, der den Namen der Stadt nicht nennt, wohl auf den päpstlichen Segen urbi et orbi an. 295 Venabatur etiam, sed intra modum] Zur Jagdleidenschaft Leszczy´nskis vgl. ein Zeugnis Adam von Schwarzenbergs bei Leitsch, Bd. 2, S. 1017. 297 Lycaones foris, Actaeones domi] Lycaon wird von Jupiter wegen seiner barbarischen Taten in einen Wolf (Ovid, Metamorphosen 1,163–239), Actaeon von Diana, die er im Bad erblickt hat, in einen Hirsch (ebd. 3,131–252) verwandelt. 300 f. ad exporrigendam frontem] Vgl. Terenz, Die Brüder 839: exporge frontem. Die Wendung bedeutet etwa so viel wie ‚sich entspannen‘. 302 sed simplices, venustas et quales albas Pollio Asinius nominare solitus est] C. Asinius Pollio, geboren um 76 v. Chr., gestorben um 5 n. Chr., römischer Politiker, später Kunstsammler, gründete die erste öffentliche Bibliothek Roms. Er ist neben vielfältigen anderen schriftstellerischen Erzeugnissen vor allem bekannt für seine Historiae. Opitz bezieht sich hier auf Seneca d. Ä., Controversiae 7, praef. 2, Gegenstand ist die Redekunst eines gewissen Albucius: Splendor orationis quantus nescio an in ullo alio fuerit. Non hexis magna sed phrasis. Dicebat enim citato et effuso cursu sed praeparatus; extemporalis illi facultas, ut adfirmabant qui propius norant, non derat, sed putabat ipse sibi deesse. Sententiae, quas optime Pollio Asinius albas vocabat, simplices, apertae, nihil occultum, nihil insperatum adferentes sed vocales et splendidae. 304–306 morem … Germanismum] Tatsächlich entwickelte sich die Stammbuchsitte im Umfeld der Wittenberger Reformatoren und war insbesondere im deutschsprachigen Kulturraum verbreitet. Vgl. Werner Wilhelm Schnabel: Das Stammbuch. Konstitution und Geschichte einer textsortenbezogenen Sammelform bis ins erste Drittel des 18. Jahrhunderts. Tübingen 2003 (= Frühe Neuzeit 78). Opitzens Stammbucheinträge sind, soweit zu ermitteln, bei Conermann/Bollbuck abgedruckt. 306 Bellarminum veritatis bibliothecam] Der Jesuit Roberto Bellarmino (1542–1621) wirkte 1576–89 in Rom als Professor der Kontroverstheologie; aus den Vorlesungen entstand sein Hauptwerk Disputationes de controversiis christianae fidei adversus hujus temporis haereticos (1586–93), das ihm „den Ruhm des größten Polemikers der römischen Kirche und des gelehrtesten Theologen aus dem Jesuitenorden“ verschaffte (alle Angaben nach BBKL 1, 1990, Sp. 473 f.). Sein 1603 erschienener Katechimus (Christianae doctrinae explicatio) erlebte 400 Auflagen und wurde in 60 Sprachen übersetzt. 1597 wurde er päpstlicher Hoftheologe, 1599 Kardinal. Siehe außerdem die Einführung zu Leben und Werk Bellarmins von Thomas Dietrich in: Konfessionelles Zeitalter – Pietismus – Aufklärung, hrsg. von Peter Walter und Martin H. Jung. Darmstadt 2003, S. 35–53.
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312 Ioannem VVundergastium] Bickerich, S. 14, Anm. 4, vermutet, daß Johannes Wundergast wohl die Stellung eines Privatsekretärs bei Leszczy´nski bekleidet habe, und nennt ihn als Verfasser eines Hochzeitsgedichts und einer slawischen Kirchengeschichte. Er ist 1601 Respondent bei einer Disputation in Marburg. Seine poetischen Glückwünsche finden sich in einer 1628 in Basel gedruckten Dissertation (Ad fusiorem arcanorum tam aristocraticorum quam democraticorum indagationem manuductio); Leszczy´nskis Sohn Andrzej trat bei diesem Disputationsakt als Respondent auf. 316 f. oratio eius … conspersa floribus earum de quibus antea sententiarum] Nach Cicero, De oratore 3,25,96: [Oratio] conspersa sit quasi verborum sententiarumque floribus. 327 Claudius Memmius] Claude de Mesmes (1595–1650), französischer Diplomat, der u. a. bei der Aushandlung des Waffenstillstands von Stuhmsdorf 1635 (s. o.) mitwirkte. Vgl. über ihn Bickerich, S. 15: „Sein Sekretär Charles Ogier hat interessante Reiseaufzeichnungen hinterlassen, deren erster Teil im Druck erschienen ist (Paris 1656). Darin erwähnt er auch ein Tischgespräch mit Raphael L. über die Frage, ob Ovid, ans Schwarze Meer verbannt, in Polen gelebt habe, mit Versen, die sie bei dieser Gelegenheit gewechselt hätten.“ 329 f. Scripsit quoque sermone materno huius generis quaedam et suppresso nomine suo edi passus est] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 23): „In der Muttersprache befleißigte er sich der reinen Zierlichkeit trefflich und schrieb ohne sondere Mühe schöne, sinnreiche, nachdenckliche Brieffe, hatte auch sonderliche Inclination zur Lateinischen und Polnischen Poeterey, maßen dann schöne Carmina, unter andern auch Comoedia Judith, in Druck außgegangen sind, doch ohne Namen.“ Bickerich, ebd., Anm. 3, vermutet, Judith sei vielleicht die 1629 in Baranow gedruckte Übersetzung eines gleichnamigen Werkes von Guillaume de Saluste du Bartas (1544–1590). La Judith ist allerdings ein Versepos. 334–336 Germanicam, Gallicam, Italicam linguas penitus, Hispanicam mediocriter tenebat. Aggressus est et Graeca: sed Latine sic loquebatur, vt inter Tullios, Caesares et Sallustios educatus videretur.] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 23): „Er redete neben seiner Muttersprache Lateinisch, Deutsch, Französisch, Italienisch sehr wol, das Griechische und Spanische verstund Er auch ziemlich.“ Damit entspricht Leszczy´nski dem Ideal eines polyglotten Adeligen, wie Opitz dies auch in anderen Texten zeichnet. 340 f. De rebus in regno Neapolitano gestis, ob miram earum subinde mutationem ac vicissitudines] Nachdem der spanische König Ferdinand von Aragón, der auch König von Sizilien war, 1503 Neapel seinem eigenen Reich einverleibt hatte, blieb dieses, ebenso wie Sizilien, ein Nebenland der spanischen Krone; s. auch Jörg Reimann: Neapel und Sizilien 1450 bis 1650. Politik, Wirtschaft, Bevölkerung und Kultur. Hamburg 2005. 342 f. Parthenopen ipsam verò, dulcem olim etiam Maronis alumnam] Der römische Dichter Vergil (P. Vergilius Maro) hatte in Neapel (auch: Parthenope) studiert. 343 f. hanc ocellum littoris Phocaici Massiliam] Die Küste um Marseille kann „phokäisch“ genannt werden, weil die jonische Seestadt Phokaia die Mutterstadt von Massilia war. 345 procul negotiis] Nach Horaz, Epode 2,1: Beatus ille qui procul negotiis.
Kommentar zu S. 218
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347 Galilaeus] Leszczy´nski hat sich nachweislich (als studiosus?) bei Galilei in Padua aufgehalten, es existiert sogar noch ein Eintrag Galileis in seinen Ricordi, die Jahre 1601–1602 betreffend, in denen er handschriftlich dessen Namen (Raffaelle Lescinenseni ) vermerkt hat; dieser Eintrag ist wiedergegeben in Bronisław Bili´nski: Galileo Galilei e il mondo polacco. Breslau u. a. 1969 (= Accademia Polacca delle Scienze, fasc. 40), S. 50. In dieser Monographie finden sich wichtige Hinweise auf die Beziehungen zwischen Galilei und der polnischen Gelehrtenwelt, aber auch zu polnischen Adeligen und König Władysław IV. Ein besonderes Augenmerk widmet der Verfasser Leszczy´nski und zitiert entsprechende Passagen aus dem Panegyricus Opitzens. In bezug auf die von Opitz erwähnte Episode schreibt er (S. 53): „Opitz colloca questo episodio a Firenze, ma si deve pensare piuttosto a Padova, sebbene sia difficile stabilire con esattezza la situazione. Non è escluso che l’autore confonda alcune notizie, ma è certo che Leszczy´nski fu chiamato come arbitro per dirimere la controversia tra Galileo e qualche padre gesuita. Anche il fatto che sia nominato T¸esczy´nski fa pensare a Padova, dove il polacco, come abbiamo visto, ebbe rapporti con Galileo. Gli studi di matematica e di meccanica lasciarono nell’ animo di Leszczy´nski una viva impronta e ciò spiega il suo interesse per le scienze essate.“ Bekannt ist eine Auseinandersetzung Galileis mit dem am Collegium Romanum in Rom wirkenden Jesuiten, Mathematiker und Astronomen Christoph Clavius über die 1610 in Florenz von Galilei entdeckten Venusphasen. Diese Beobachtung widerspricht dem ptolemäischen Weltbild mit der Erde als Zentrum und den sie umkreisenden Planeten; s. dazu Thomas de Padova: Das Weltgeheimnis. Kepler, Galilei und die Vermessung des Himmels. München/Zürich 2009, S. 242–247. 349 Comes Tencinius] Jan T¸esczy´nski, Angehöriger eines polnischen Adelsgeschlechtes, war nach Bili´nski (wie oben), S. 48, im Jahre 1599 der erste Pole, der in den genannten Ricordi Galileis eingetragen wurde. Die T¸esczy´nskis absolvierten traditionell einen Teil ihres Studiums in Padua. 354 Iodoci Hondij] Jodocus Hondius (1563–1611), niederländischer Verleger und Kartograph, spezialisierte sich auf die Produktion von Landkarten und Globen. 356 Gloscouij] Vgl. Bickerich, S. 16: „Mathias Głoskowski, Kämmerer von Kalisch, eifriger Patron der Unität, lateinischer und polnischer Dichter. Er stand mit Comenius und dem Danziger Astronomen Hevelius in wissenschaftlichem Verkehr und war i.J. 1648 mit Anfertigung einer Karte von Großpolen beschäftigt.“ Vgl. außerdem Polski Słownik Biograficzny, Bd. 8 (1959–1960), S. 114–117. Nach Conermann/Bollbuck, S. 1549, hat Głoskowski anläßlich des Todes von Rafał Leszczy´nski ein Trauergedicht verfaßt. 356 Broschij] Jan Bro˙zek (1585–1652), Professor der Mathematik in Krakau, Astronom und Mediziner; er beschäftigte sich intensiv mit Galileis astronomischen Untersuchungen und stand auch in persönlichem Kontakt mit ihm; vgl. Bili´nski (wie oben), S. 76–80, 100–104, sowie Polski Słownik Biograficzny, Bd. 3 (1937), S. 1–3. 360 f. quo … imposuit] Das christliche Sterben wird als letzter Akt einer heroischen Lebensführung idealisiert; vgl. weiter unten die militärische Metaphorik (in procinctu; iussa summi Imperatoris).
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Kommentar zu S. 220
363 nocturna diurnaque manu versabat] Vgl. Horaz, Ars poetica 268 f.: Vos exemplaria Graeca / nocturna uersate manu, uersate diurna. 364–367 tum Dauidis hymnos … induebat] Um welche Psalmenübertragungen es sich dabei handelt, ist nur zu vermuten, vielleicht die des Genfer Psalters (vgl. Psalter, passim). Opitz selbst beschäftigte sich über viele Jahre hinweg mit Psalmenübertragungen bzw. -nachdichtungen (vgl. LW 2, S. 399), als Hauptwerk in diesem Bereich erschienen 1637 Die Psalmen Davids. Nach den Frantzösischen Weisen gesetzt, gedruckt und verlegt durch Andreas Hünefeld. 374–376 verba illa … argumento sunt certissimo] Die Dokumentation der ultima verba, hier in der abgewandelten Form des frommen Notats, belegt die Glaubensgewißheit im Augenblick des Todes, die für das Seelenheil des Verstorbenen eine unabdingbare Voraussetzung ist. Opitz verstärkt diesen Aspekt durch den Nachweis frommer Lektüre auf dem Totenbett (vgl. die folgende Anmerkung), wobei durch die Imagination der aufgeschlagenen Buchseite die Beweisfolge ein weiteres Mal durch ein materielles Zeugnis gestützt wird. 376f. liber meditationum Gerardi] Vgl. im Testimonium von Comenius (Bickerich, S. 26): „Daß aber unser seel. H. auch wachend [Comenius bezog sich zuvor auf Luk 12,37–40] ist gefunden worden, ist auch daher abzunehmen, weil man nach seinem Tode auff seinem Tischlein etliche Poln. Wort von der Sterblichkeit mit seiner eigenen Hand geschrieben gefunden und daneben Meditationes sacras D. Gerhardi, welche offen und umbgekehrt auf dem Tische lagen und eine Betrachtung vom Tode dargezeiget.“ Gemeint ist der lutherische Theologe Johann Gerhard (1582–1637), seit 1616 Professor der Theologie in Jena. In einer Phase schwerer Krankheit verfaßte er seine 1606 erstmals gedruckten Meditationes sacrae ad veram pietatem excitandam, ein Erbauungsbuch, das in fast alle europäischen Sprachen übersetzt wurde und ca. 240 Auflagen erlebte; s. dazu die Einführung zu Gerhard von Johann Anselm Steiger: Theologen des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Konfessionelles Zeitalter (wie oben), S. 54–69, hier S. 56 f., s. außerdem BBKL 2 (1990), Sp. 215 f. 379–389 Reddidit … consecrabitur] Die Seligpreisung des Verstorbenen erhält in Opitzens Diktion, wenngleich auf dem Boden der christlichen Lehre stehend, eine deutlich ‚humanistische‘ Färbung im Vergleich mit der analogen Passage bei Comenius (Bickerich, S. 26 f.). 380 de cultus diuini libertate] Vgl. oben zu Leszczy´nskis Einsatz für die Glaubensflüchtlinge. 386 neque sese ignobili tumulo recondi] Der Verstorbene ist gemäß der panegyrischen Würdigung ‚adlig‘ (nobilis) im doppelten Verständnis von Adel der Geburt und Adel des Geistes. 389–391 Referuntur imprimis ad fortunam Q. Metelli prosperrimam relicti post obitum quatuor filii, consulares et consules omnes] Q. Caecilius Metellus Macedonicus, Konsul (143 v. Chr.) und erfolgreicher Feldherr; seine vier Söhne waren Konsuln in den Jahren 123, 117, 115 und 113. Betrachtungen über sein Glück finden sich häufig in der römischen Literatur, u. a. bei Cicero, De finibus 5,82: Ergo, inquit, tibi Q.Metellus, qui tris filios consules vidit, e quibus unum etiam et censorem et triumphantem, quartum autem practorem, eosque salvos reliquit et tris filias nuptas, cum ipse consul, censor, etiam augur fuisset triumphasset, ut sapiens fuerit, nonne beatior quam, ut item sapiens fuerit, qui in potestate hostium vigiliis et inedia necatus est, Regulus?
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391 f. Totidem illi etiam, vnà cum Theodora, illustrissima et insignis exempli foemina, superstites sunt] Leszczy´nski hatte vier Söhne (s. o. zur Widmung der Schrift) und eine Tochter Teodora, die (nach dem Testimonium von Comenius; Bickerich, S. 24) „des Wolgeb. H. Zbignei de Gorai Gorayski etc. Gemahlin“ war. Zbigniew Gorajski (1596–1655) war (nach Bickerich, S. 17) „Kastellan von Kulm, … ein eifriger Schutzherr der Unität, 1645 Präses der Reformierten auf dem Religionsgespräch in Thorn, 1648 ihr Vertreter auf dem Reichstage“. Vgl. Polski Słownik Biograficzny 8 (1959–60), S. 285–288. 398 f. subactis … hostibus acerrimis, factis … inducijs] Erneuter Hinweis auf seine Leistungen im Krieg mit den Schweden und beim Waffenstillstand von Stuhmsdorf. 401 reperta sacris libertate] Zur (bedingten) religiösen Toleranz unter Władysław IV. und zu den weiteren Verdiensten dieses Königs vgl. Opitzens Würdigung v. a. in der Hochzeitsschrift Felicitati Augustae (1637) und den zugehörigen Kommentar in LW 3, S. 549–558. 406 f. cogitata denique salus, vita et incolumitas Regis cordi sint Deo immortali, quem ille iustitia, bonitate et clementia imitatur] Hierbei handelt es sich um einen gerade für Opitzens große Prosareden bzw. -werke typischen Schluß. Das letzte Wort des vorliegenden Panegyricus stimmt sogar mit dem letzten Wort der Gedächtnisrede auf Promnitz überein. [V.M.]
QU id potius agam – DV m tibi pro Patriae rebus Widmungsvorrede und Widmungsgedicht zu den Zwölff Psalmen Davids an Gottfried Baudis Diese Psalmennachdichtungen Opitzens wurden mehrfach gedruckt: [X] Dünnhaupt, Nr. 173; – Zwölff | Psalmen | David‚ | Auff jhre eigene vndt | anderer gewönliche wei =|sen gesetzt | Von | Martin Opitzen. | Breßlaw | Bey Davidt Müller‚ | Seel. Erben. o. J. [1636] (UB Breslau: 382240). Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck; ebenso wird die Anredeformel an Baudis zu Beginn der Widmungsvorrede bei Conermann/Bollbuck, S. 1337 f., nach diesem Druck wiedergegeben. Die Widmungsvorrede findet sich in X auf S. 3–8, das Widmungsgedicht S. 9; anschließend folgen die deutschen Nachdichtungen der Psalmen 1, 2, 3, 11, 13, 19, 29, 92, 104, 111, 126 und 150. Vor jedem Psalm ist die jeweilige Melodie abgedruckt. sowie [Y] Nicht bei Dünnhaupt. – Zwölff | Psalmen David‚ | Auff jhre eigene vnd an=|derer gewönliche weisen | gesetzt | Von | Martin Opitzen. | Dantzig/ | Bey Andrea‚ Hüne felden/ || Im 1636. Jahre. (UB Breslau: 410453). Die Widmungsvorrede findet sich hier S. [3]–5, das Widmungsgedicht S. [6], dann im Anschluß ebenfalls die deutschen Psalmennachdichtungen. In das Breslauer Exemplar, das ursprünglich in der Liegnitzer Bibliotheca Rudolphina beheimatet war, trug Opitz eine eigenhändige Widmung an Herzog Georg Rudolf auf dem zweiten leeren Blatt vor dem Titelblatt ein (abgedruckt bei Conermann/Bollbuck, S. 1336 f.).
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Kommentar zu S. 222
Die beiden an unterschiedlichen Orten publizierten Drucke weisen unterschiedliche Formate auf, nach Conermann/Bollbuck, S. 1336 f., der Danziger Druck „8° (34 S. in 12°)“, der Breslauer Druck „65 S. (wechselnd 12° u. 6°)“, sie wurden also jeweils anders gesetzt und besitzen demgemäß einen anderen Satzspiegel. Hieraus erklären sich auch die unterschiedlichen Seitenzahlen: Der Breslauer Druck weist 65 durchnumerierte Seiten auf, der Danziger 34 Seiten. Im Danziger Druck fehlt die Seitenangabe auf S. 3, hier beginnt die Numerierung mit S. 4, während diese Seitenzahl im Breslauer Druck vorhanden ist. Bei beiden Titeln findet sich bei den Präliminaria (also Widmungsvorrede und -gedicht) der Kolumnentitel P RAEFATIO, im Breslauer Druck auf den Seiten 6–8 mit der falschen Schreibung PRAEVATIO. Im Text selbst weisen X und Y nur ganz wenige Unterschiede auf: So ist im Danziger Druck das Schriftbild anders, zudem werden hier – zumal in den Präliminaria – mehr Kürzel bzw. Ligaturen verwendet. Zu beachten ist, daß gerade in diesem Zeitraum auch andere Texte Opitzens, bei denen er als der alleinige Verfasser zeichnet, so z. B. sein Lobgeticht für König Władisław IV. (s. dazu LW 3, S. 453), wohl gleichzeitig an verschiedenen Orten publiziert wurden. Gründe dafür könnten im Bekanntheitsgrad des Dichters, der nicht zuletzt für die jeweiligen Drucker ein einträgliches Geschäft verhieß, ebenso zu finden sein wie in Opitzens endgültiger Übersiedlung nach Danzig 1636, der viele Ortswechsel vorausgingen. Gottfried Baudis/Baudisius stammte aus einer der angesehensten Familien von Liegnitz. Diese gehörte ihrerseits zu einer „berühmten schlesisch-sächsischen Sippe Baudis, deren Glieder schon um 1400 hohe Staatsämter in Breslau bekleideten“ (Ferdinand Bahlow: Pastorenbilder aus vier Jahrhunderten; in: ders. u. a.: Die Peter-Paul-Kirche zu Liegnitz. Lorch 1972 [= Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 2], S. 7–87, hier S. 30). Sein aus Breslau stammender Vater Andreas Baudis hatte das Amt eines Superintendenten in Liegnitz inne. Gottfried war der vierte von fünf Söhnen (dazu kamen zwei Töchter) aus dessen Ehe mit Katharina Krentzheim; zu Andreas Baudis und seiner Familie vgl. Bahlow, wie oben, S. 30–34. Auf den erstgeborenen Sohn Leonhard verfaßte Opitz ungefähr zur gleichen Zeit (1636) ein Glückwunschgedicht aus Anlaß von dessen Wahl zu einem Senator in/von Liegnitz; (s. dazu LW 3, S. 459–462, mit weiteren Ausführungen zur Familie Baudis); dieses Carmen wurde ebenfalls in Danzig gedruckt. Bereits 1623 hatte Opitz Dorothea, eine Schwester von Leonhard und Gottfried Baudis, und deren Bräutigam Paul Hallmann, einen guten Freund, mit einem Epithalamium geehrt; s. dazu LW 1, S. 242–245 und S. 446–448. Nach Conermann/Bollbuck, S. 1338, die ihre Informationen der Leichpredigt auf Gottfried Baudis entnehmen, wurde dieser, späterer Doktor der Rechte, am 2. Februar 1594 in Liegnitz geboren und starb dort am 11. Mai 1640. Von seinem Bildungsgang sind Immatrikulationen in Leipzig 1612 (Erler, S. 17) und Frankfurt/Oder (Friedländer, S. 678) bezeugt. Bei der letzteren Einschreibung am 20. Juli 1624 war Baudis bereits Lizentiat der Rechte. In bezug auf seinen weiteren Lebensweg berichtet Adalbert Hermann Kraffert: Chronik von Liegnitz. Zweiter Theil, zweite Abtheilung: Vom Tode Friedrichs II. bis zum Aussterben des Piastenhauses 1547–1675. Liegnitz 1871, S. 292, er habe es zu „hohen Ehren“ gebracht, „erhielt auch vom Kaiser Ferdinand III. 1637 die Erneuerung des alten Adels seines Geschlechtes, ward Kaiserlicher Pfalzgraf, Fürstlich Liegnitzischer Rath und Kanzler. Gestorben ist er schon 1640 an einem epidemischen Fieber.“ Als Adelsprädikat
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erhielt er die Bezeichnung „Baudiß von Güldenhuben [Güldenhufen] auf Rudolfsbach“. Hinsichtlich seiner Würde als Comes Palatinus Caesareus wird er bei Pfotenhauer, S. 323, und Flood, S. 54 und 2410 f., erwähnt. In der vorliegenden Teilausgabe von Opitzens Psalmennachdichtungen finden die Psalmen 1, 2, 3, 11, 13, 19, 29, 92, 104, 111, 126 und 150 Berücksichtigung. Zu fragen wäre hier, ob Opitz diese Psalmen bewußt für Baudis als Empfänger ausgewählt hat. Bereits in sehr viel früheren Jahren hatte sich Opitz mit den Psalmen beschäftigt. Einen chronologischen Überblick gibt Jörg-Ulrich Fechner in seinem Aufsatz: Martin Opitz und der Genfer Psalter, in: Psalter, S. 295–315, hier vor allem S. 297–304. So gab Opitz bereits seinem 1624 erschienenen Lobgesang Vber den Frewdenreichen Geburtstag Vnseres HErren vnd Heilandes JEsu CHristi eine lateinische Psalmenparaphrase bei (s. dazu LW 1, S. 250–253 und S. 458–460). In der Widmung der Klage-Lieder Jeremia an den Rat der Stadt Schweidnitz kündigt er an, er wolle deutsche Übersetzungen (bzw. Nachdichtungen) verschiedener geistlicher Werke, auch der Psalmen, anfertigen (s. LW 2, S. 72: et aliquando, si Deus otia nobis faciet, coelestissimi Regis et Prophetae Psalmi, quorum gustum hîc exhibemus), und fügt Psalm 42 auf Deutsch bei. 1629 erschien Psalm 91 (dazu LW 2, S. 108–113 sowie S. 398–401), 1630 eine Herzog Georg Rudolf von Liegnitz gewidmete deutsche Paraphrase von Psalm 104, wohl 1633 eine von Psalm 6. 1634 widmete er Zehen Psalmen in einem Gedicht Diederich von dem Werder, 1635 fünf (bzw. später sechs) Psalmen Jakob Treptau. So wird hier die intensive Beschäftigung Opitzens mit den Psalmen deutlich, die sich in den Jahren unmittelbar vor Erscheinen der Gesamtausgabe (1637) noch intensivierte (s. dazu auch Szyrocki, S. 123 f.). [Widmungsvorrede / P RAEFATIO ] Das (scheinbare) otium des Dichters – gerade im Gegensatz zu dem durch seine berufliche Tätigkeit in die katastrophalen Zeitläufte verstrickten Adressaten – bildet einen Hauptpunkt dieser Widmungsvorrede. Doch sind nur in dieser Muße die schöpferischen Arbeiten des Poeten zu bewerkstelligen, durch die er nicht zuletzt mit Baudis und anderen Gönnern und Freunden Kontakt halten und ihnen damit gleichzeitig für vielfältige Unterstützung eine Gegengabe bieten kann. Ein anderer Gesichtspunkt bildet den Mittelteil der P RAEFATIO : Die Beschäftigung zumal mit der christlichen Dichtung hilft dem Poeten dabei, den nötigen Abstand von den Kriegen und Katastrophen der Welt zu gewinnen und somit für sich die virtus der constantia zu wahren und zu finden. Seine nach außen hin so erscheinende vita passiva ist deshalb kein Müßigsein, sondern führt zu einem Ertrag, mit dem er gleichzeitig Baudis (also demjenigen, der ganz in der Welt steht und eine wahre vita activa führt) den schuldigen Dank abstatten kann. Beide Arten von Existenz sind also durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen gekennzeichnet, ein Gedanke, den Opitz immer wieder in seinen Widmungsvorreden und -gedichten zum Ausdruck bringt. Dies gilt natürlich um so mehr für einen Widmungsempfänger, der selbst über literarische Kenntnisse verfügt oder sogar ein Poet ist wie Baudis selbst. Er wird darum auch diesen ‚Vorabdruck‘ der geplanten Gesamtausgabe von Opitzens deutschen Psalmennachdichtungen nicht gering schätzen. 1 Vir Nobilissime] Baudis war vom Kaiser geadelt worden, wohl allerdings erst 1637; über das Datum seiner Ernennung zum kaiserlichen Pfalzgrafen lassen sich nur Vermutungen
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anstellen (s. dazu Flood, Bd. 1, S. 54, hinsichtlich der „laureation“ von Sebastian Alischer durch Baudis, die wohl 1630 oder 1634 stattfand). 1 f. labantibus miserè hinc inde rebus] Vielleicht Anspielung auf die (für die Protestanten) völlig unsichere Lage nach dem Frieden von Prag (1635). Opitz selbst kam als Flüchtling im Herbst 1635 nach Thorn und hielt sich dort bis Ende August 1636 auf. Bereits nach der Niederlage der protestantischen Verbündeten im Oktober 1633 bei Steinau an der Oder hatten die beiden Piastenfürsten und herzoglichen Brüder die Flucht ergriffen und sich in Thorn niedergelassen; vgl. dazu Norbert Conrads: Das preußische Exil des Herzogs Johann Christian von Brieg 1633–1639, in: Preußische Landesgeschichte. Festschrift für Bernhart Jähnig …, hrsg. von Udo Arnold, Mario Glauert und Jürgen Sarnowsky. Marburg 2001, S. 39–49 (S. 44 f.: Opitz als „Verbindungsmann“ der Herzöge). 1634 sind beide Herzöge in Breslau. Nach der Schlacht von Nördlingen am 5. September 1634 (Sieg der Kaiserlichen) begab sich Herzog Johann Christian wieder nach Thorn, wo er am 13. Januar 1635 eintraf. Opitz blieb zunächst als Beobachter in Breslau und folgte ihm erst im Sommer 1635 nach Thorn; s. dazu Conrads, ebd., S. 46. Am 4. Oktober 1636 zog Herzog Johann Christian schließlich nach Osterode. Zur Formulierung vgl. den Anfang von Opitzens Widmung seiner Übersetzung von Guy du Faur de Pibracs Quatrains an Heinrich von Reichenbach von 1634 (s. LW 3, S. 118): IT a quidem doctrina literarum comparata est, Vir Nobilissime, ut homines sui studiosos tempore quovis ac loco feliciores reddat et beatiores: nunquam tamen auxilium ejus opemque magis experimur, quam in hac rerum omnium perturbatione, et statu patriae tam lubrico, … 3 f. et in secessus mei qualibuscunque scriptionibus identidem vobiscum loquar] Opitz war im Herbst 1636 nach Danzig übergesiedelt. Im August 1636 hatte er aus Thorn an Christian Cunrad geschrieben (Conermann/Bollbuck, S. 1323): De me si quaeris, cum Celsiss. Principum meorum alter Parchwicii vivat, alter in Ducatus Prussiae municipium Ostorodium intra mensem unum abiturus sit, ipse Gedani melius otium me positurum existimo, donec ubi visum fuerit supremo rerum arbitro, vobis ac lari meo reddat. 4–7 quorum commendatione … meremur] Baudis (und evtl. weitere Freunde im Umkreis der beiden Herzöge) scheint dafür gesorgt zu haben, daß Opitz von bestimmten Amtspflichten (vielleicht diplomatischen Missionen) entbunden wurde. Allerdings muß Opitz (stattdessen) seiner Pflicht als Dichter nachkommen. Diese ‚poetische‘ Verpflichtung betont er bereits im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei dem Kammerpräsidenten Dohna; vgl. dazu LW 2, passim. Wie sehr Opitz sich nach einer ruhigen Phase zugunsten seiner studia sehnte, belegt z.B. sein Brief an Buchner vom 24. Mai 1635, in dem es heißt (Conermann/ Bollbuck, S. 1265): Mihi adeò malè non fuit; publica si excipias, de quibus satis jam questus sum. Fecerunt tamen negotia Patriae, ut vaccare studijs non potuerim, quorum desiderio, me flagrare minimè ignoras. Et haec rerum facies, ne nunc quidem animum applicare me illis sinit, curis justissimis distractum. 10 hac inertiae constantia] Vgl. Seneca, Briefe an Lucilius 55,5: Adeo tamen magna res est constantia et in proposito suo perseverantia ut habeat auctoritatem inertia quoque pertinax. 11 Helicona Pieridum, sed Christianarum] Vgl. allgemein zur Auseinandersetzung um die Einbeziehung bzw. Anrufung der antik-heidnischen Musen in ‚christlichen‘ Zeitläuften Curtius, S. 241–251.
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12 f. nec quid distentae alibi bello saevissimo partes moliantur requirere] So hatte zum Beispiel am 4. Oktober 1636 die Schlacht bei Wittstock (Mark Brandenburg) stattgefunden, in der die Schweden unter Banér und Leslie die kaiserlichen und sächsischen Truppen geschlagen hatten. 14 bonitas infinita] Gott als Quelle alles Guten. Die Vorstellung von Gott als bonitas infinita findet sich durchgängig in der Theologie und besonders auch in der Mystik, doch ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch an verschiedene Psalmen zu denken, so Ps 117 (118): Confitemini Domino quoniam bonus / quoniam in aeternum misericordia eius. Opitz selbst übersetzt bzw. dichtet in der Gesamtausgabe seiner Psalmen (wiedergegeben nach Opitz, Psalmen, S. 334): „ERhebet sinnen vnd gemühte Vnd danckt dem HErren jederzeit/ Er ist sehr freundlich/ seine güte Die wehret biß in ewigkeit: Israel sage nun vnd treibe Die reden auch mit voller schar: Des HErren güte sey vnd bleibe Wie vor so jetzt vnd immerdar.“ 15 f. neque enim aut esse desinet quod fuit antequam nihil esset praeter ipsam] Siehe 1 Kol 12–17: gratias agentes Patri / qui dignos nos fecit in partem sortis sanctorum in lumine / [13] qui eripuit nos de potestate tenebrarum / et transtulit in regnum Filii dilectionis suae / [14] in quo habemus redemptionem remissionum peccatorum / [15] qui est imago Dei invisibilis / primogenitus omnis creaturae / [16] quia in ipso condita sunt universa in caelis et in terra / visibilia et invisibilia / sive throni / sive dominationes / sive principatus / sive potestates / omnia per ipsum et in ipso creata sunt / [17] et ipse est ante omnes / et omnia in ipso constant. Vgl. auch in Opitzens Widmungsvorrede an Herzog Johann Christian zum Vesuvius (1633): vires tamen agendi maiores etiam Supremam caussarum caussam stabili eorum revolutioni cursuumque vicibus inscripsisse, ut alia desint, ipsa nobis Astronomiae mater observationis certitudo bona fide inculcat. (LW 3, S. 42). 17–19 dum tu consiliis … cessas] Anspielung auf das Amt bzw. die Ratgebertätigkeit von Baudis, die ja auch in der Anrede betont wird (à Consilijs). Kraffert gibt in seiner Chronik von Liegnitz (wie oben), S. 201, ein Beispiel dafür aus dem Jahre 1637. 20f. ipse ad te otii mei, quod tua quoque opera mihi factum est, fructum hunc contendere volui] Vgl. zum von Opitz ersehnten (und durch Mäzene erhaltenen) otium zum Beispiel auch seine Widmungsvorrede zur Vita Promnitzens oder die Anfangsworte von Opitzens Widmung der Sammelausgabe Deütscher Poematum an Karl Hannibal von Dohna: HIc est fructus beneficiorum tuorum, et amoris erga me tui, Domine (LW 2, S. 98). Vgl. auch in der bereits oben angeführten Widmungsvorrede der Klage-Lieder Jeremia: Sequetur brevi Ecclesiastes; et aliquando, si Deus otia nobis faciet, coelestissimi Regis et Prophetae Psalmi, quorum gustum hîc exhibemus (LW 2, S. 72). 21 Psalmos aliquot, versibus Germanicis à me redditos] Nämlich die Psalmen 1, 2, 3, 11, 13, 19, 29, 92, 104, 111, 126, 150. 21–23 usque dum, jussa praesertim Principis Clementissimi secutus, volumen integrum ad hanc faciem absolutum brevi] Die Gesamtausgabe seiner Psalmenübersetzung bzw. -nachdichtung widmete Opitz den beiden Herzögen am 16. November 1637; s. dazu Conermann/Bollbuck, S. 1402. Vielleicht bezieht sich jussa praesertim Principis Clementissimi secutus auf Herzog Georg Rudolf, dem Opitz neben einer Psalmparaphrase auch seine Episteln (wohl 1628) zugeeignet hatte. 26–28 qui et de scriptis ejusmodi, Poëta ipse inter tot decora qua praeditus es eruditionis diffusissimae prorsus egregius, accuratè graviterque judicas] Opitz könnte sich hier eventuell auch auf die
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Würde als comes palatinus caesareus beziehen, dies hängt aber davon ab, wann genau Baudis dieses decorum erhielt; vgl. zum Termin die Überlegungen bei Flood, Bd. 4, S. 2410 f. 28f. vel propter auctorem amas, quem olim amplexari … ac diligere cepisti] Hier stellt sich die Frage, wann Opitz endgültig aus dem Dienst bei den Herzögen ausgeschieden ist; vgl. dazu Szyrocki, S. 124, in bezug auf die Widmungsvorrede der Psalmen-Gesamtausgabe an die beiden Herzöge: „Die Widmung trägt das Datum des 16. November 1637 und ist an die beiden Piastenherzöge gerichtet, mit denen Opitz noch immer enge Bande verknüpften.“ 30 parum me si argumentum excipiam, tibi misisse] Dies betont Opitz bereits ähnlich in der Widmungsvorrede an Nüßler (LW 1, S. 246): Caeterùm … ignorat. 31 f. Gedani. Non. Novemb. Ann. M.DC.XXXVI.] Opitz war im Herbst 1636 nach Danzig übergesiedelt. [Widmungsgedicht] Das Widmungsgedicht greift die Hauptgedanken der vorausgehenden P RAEFATIO auf: Während der Adressat eine vita activa im Dienste von patria und princeps führt (V. 1 f.), ergibt sich der Dichter (Nos als Gegensatz dazu am Anfang von V. 3) offensichtlich einem Leben in gelehrter Behaglichkeit (libros inter requies) weitab in anderen Gefilden (V. 5 f.). Daß diese scheinbare vita passiva jedoch eine ebenso ehrenvolle Tätigkeit ist, wird in diese Schilderung gleich mit hineinverwoben (V. 3 f.: sed nobilis otij; … lyrae). Die dichterische Produktion dient darüber hinaus dazu, die räumliche Entfernung zu überwinden (V. 7 f.), zumal der Angesprochene selbst ein Dichter ist (V. 9 f.). Am Schluß steht die Hoffnung des Sprechers, mit seiner Dichtung beim Adressaten Gefallen zu finden, die – eine weitere Antithese – gerade in ihrer scheinbaren Schlichtheit dazu dient, den höchsten Inhalt angemessen wiederzugeben. – Versmaß: elegische Distichen. 1–6] Ähnliche Gedankengänge (und ähnliche Gedichtanfänge; auch mit DV m als Anfangswort) finden sich mehrmals bei Opitz, so nicht zuletzt bei seinen Gedichten für Dohna; vgl. zum Beispiel den Beginn des in Opitzens Silvae, S. 102, abgedruckten Gedichtes AD BVRGGRAVIVM DONENSEM (LW 2, S. 222). 5 f.] Anspielung auf den neuen Wohnort Opitzens, Danzig, das in der Nähe der Weichselmündung liegt. Vgl. auch V. 11 f. in dem ebenfalls um diese Zeit entstandenen Gedicht für Heinrich Esken (LW 3, S. 236): Non solum est frigus, non implacabilis Auster, / Quem vaga concretis Vistula sentit aquis. Zudem befand sich Opitz in dieser Zeit wohl auch bei den Abschlußarbeiten für seine Sarmatica. 9 f.] Hier stellt sich die Frage, worauf Latios zu beziehen ist. Handelt es sich um eine Dichtung bzw. Dichtungen Opitzens oder doch eher um Texte von Baudis? Nicht auszuschließen ist, daß hier Verse ausgefallen sind. 11 Nunc tibi fatidici placeant pia carmina Regis] Damit ist König David gemeint. Vgl. auch die Widmung der Klage-Lieder Jeremia an den Rat der Stadt Schweidnitz (1626): Sequetur brevi Ecclesiastes; et aliquando, si Deus otia nobis faciet, coelestissimi Regis et Prophetae Psalmi, quorum gustum hîc exhibemus (LW 2, S. 72). [V.M.]
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Caetera cuncta patrum Eigenhändiger Eintrag in das Stammbuch von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau Nicht bei Dünnhaupt. – Stammbuch Christian Hoffmann von Hoffmannswaldaus (UB Breslau: Akc. 1954/26; [ehem. Msc Stb 118]), fol. 19r. Abbildung dieses Stammbucheintrags und weiterer Seiten aus dem Stammbuch in: Max Hippe: Aus alten Stammbüchern der Breslauer Stadtbibliothek, in: Schlesische Monatshefte 1 (1924), S. 82–86, hier S. 83. Weitere Abbildungen dieses eigenhändigen Eintrags Opitzens in: Edward Białek und Wojciech Mrozowicz: Das Stammbuch des Dichters Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, in: Daphnis 16 (1987), S. 441–456, Abbildung hier S. 442, Transkription S. 452; und in: Edward Białek: Die Bibliothek als europäischer Gedächtnisort. Anmerkungen zu einigen Stammbüchern des 17. Jahrhunderts in der UB Wrocław, in: Literaturgeschichte 17. Jahrhundert, hrsg. von Mirosława Czarnecka und Wolfgang Neuber. Wrocław und Dresden 2006 (= Wrocław – Berlin. Germanistischer Brückenschlag im deutsch-polnischen Dialog. II. Kongress der Breslauer Germanistik, hrsg. von Bernd Balzer und Marek Hałub, Bd. 2), S. 95–108, hier S. 96. Abdruck nach dem Stammbucheintrag Opitzens in: George Schulz-Behrend: Zwei Opitz-Autographen, in: Wolfenbütteler Beiträge 3 (1978), S. 89–96, hier S. 95, Anm. 8; sowie in Conermann/Bollbuck, S. 1338 f., und in unserer Ausgabe. Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau wurde am 25. Dezember 1616 in Breslau geboren. Sein Vater Johann war um 1611 Sekretär der schlesischen Kammer geworden, 1612 in den Adelsstand erhoben worden und hatte 1614 Anna Nagel, die Tochter eines Breslauer Patriziers, geheiratet (s. Noack, S. 17), die jedoch bereits 1621 starb (Noack, S. 21). 1622 erhielt er den Titel eines Kaiserlichen Rates „und damit hohe gesellschaftliche Reputation, die natürlich auf den Sohn abfärben mußte“ (Noack, S. 30). Johann Hoffmann hatte Opitz wohl schon als Schüler in Breslau kennen gelernt, später entstand eine freundschaftliche Verbundenheit, die sich auch in Gedichten Opitzens für diesen und seine Familie ausdrückte (s. dazu den Kommentar zum Epithalamium für Johann Hoffmann und dessen dritte Ehefrau Maria Artzat von der Arnoldsmühle, LW 2, S. 359–362). Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau besuchte ungefähr von 1624 bis 1636 das angesehene Breslauer Elisabethgymnasium, wo er eine umfassende humanistische Bildung genoß (s. dazu den Kommentar zu den Jambi Paraenetici; LW 3, S. 527), „die er 1636 bis 1638 am Akademischen Gymnasium in Danzig“ und dann 1638/1639 vor allem an der Universität Leiden „vertiefte“ (vgl. Killy, 2. Aufl., Bd. 5, S. 531–535, hier S. 531), und brach dann zu einer zweijährigen Reise nach England, Frankreich und Italien auf. 1641 kehrte er nach Breslau zurück und heiratete dort 1643. Er starb 1679. Im Laufe seines immer mit Breslau verbundenen Lebensweges bekleidete er alle wichtigen Ämter im cursus honorum seiner Heimatstadt: 1641 wurde er Ratsherr, 1647 Ratsschöffe, 1657 Senator, 1670 Schöffenpräses sowie Ratsältester und 1677 Präses bzw. Bürgermeister. Zu Leben und Werk Hoffmannswaldaus s. in erster Linie (jeweils mit weiterführenden Literaturangaben) Noack, passim; Killy (wie oben); Stefan Kiedrón: Christian Hofman [sic!] von Hofmanswaldau und seine ‚niederländische Welt‘. Wrocław / Dresden 2007; daneben Franz Heiduk: Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, in: Deutsche Dichter des
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17. Jahrhunderts. Ihr Leben und Werk, hrsg. von Harald Steinhagen und Benno von Wiese. Berlin 1984, S. 473–496; Halsted, passim; Erwin Rotermund: Christian Hofmann von Hofmannswaldau. Stuttgart 1963. Anfang der 1630er Jahre, und damit während seiner Schulzeit in Breslau, legte sich Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau sein Stammbuch zu. Der braune Lederband enthält heute jedoch nur die Reste des einstigen Stammbuchs, insgesamt 18 Einträge aus den Jahren 1633–1638. Von diesen stammen alle bis auf drei aus Hoffmannswaldaus Breslauer Gymnasialjahren; s. dazu die genaue Beschreibung bei Hippe, wie oben, S. 85 f., außerdem bei Ilona Banet und Marian Szyrocki: Die Stammbücher der Universitätsbibliothek Wrocław des 16. bis 18. Jahrhunderts, in: Stammbücher als kulturhistorische Quellen, hrsg. von Jörg-Ulrich Fechner. München 1981 (= Wolfenbütteler Forschungen 11), S. 65–71, hier S. 67, sowie in dem Aufsatz von Białek / Mrozowicz, S. 444 f. Der erste Eintrag erfolgte am 29. Juni 1633 durch den Kaiserlichen Rat Adam von Sebisch (s. Noack, S. 58 f.). Auch weitere vier Eintragungen stammen von Mitgliedern dieser Breslauer Ratsfamilie; fernerhin trugen sich ein: die kaiserlichen Räte Conrad von Sonnenfeld, Johann Pein, Georg Schönborner, die Ratsherren Sigmund Schilling und Maximilian Öllhafen, die Syndici Nikolaus Henel und Reinhard Rosa und der Stadtsecretarius Abraham Seyller. Eine genaue Übersicht mit Abdruck der einzelnen Einträge sowie biographischen Daten zu den Beiträgern ist Białek / Mrozowicz, S. 447–456, zu entnehmen. Inhaltlich stellen die Einträge nicht zuletzt ein Lob des berühmtem Vaters dar, mit dem einige der Beiträger wohl auch gut befreundet waren; s. dazu Hippe, wie oben, Noack, S. 59–61, außerdem Kiedrón, wie oben, v. a. S. 46–57. Opitz kannte die Beiträger ebenfalls aus seiner Breslauer Zeit und hatte für manche von ihnen selbst Kasualcarmina verfaßt. Der letzte in Breslau vorgenommene Eintrag trägt das Datum vom 26. Juli 1636 und wurde wahrscheinlich am Tage der Verabschiedung Hoffmannswaldaus vom Elisabethgymnasium vom dortigen Rektor, Elias Major, vorgenommen. Aus Hoffmannswaldaus Danziger Zeit stammen insgesamt drei Einträge: neben Opitzens Epigramm auch ein Eintrag (zusammen mit einer Federzeichnung) des Malers Bartholomäus Strobel; der letzte Eintrag (vom 25. August 1638) erfolgte durch Johann Mochinger. Hoffmannswaldau hatte im August 1636 in Danzig bei Johann Mochinger, Professor der Beredsamkeit am dortigen Akademischen Gymnasium, einem Freund Opitzens, Quartier genommen (dazu Noack, S. 75 f.). Opitz selbst war Ende August 1636 nach Danzig gezogen und wohnte bis zu seinem Tode 1639 bei dem reformierten Prediger der Peterskirche, Bartholomäus Nigrinus, der neben seinem geistlichen Amt auch als Agent des polnischen Königs fungierte. Während seines Danziger Aufenhaltes soll, verschiedenen Zeugnissen zufolge, Hoffmannswaldau sich in wachsendem Maße mit der Poesie beschäftigt haben, worin er sowohl durch Mochinger als auch privat durch Opitz unterrichtet worden sein soll (s. Noack, S. 80). Lohenstein führt in seiner Trauerrede auf Hoffmannswaldau in bezug auf das Verhältnis zwischen diesem und Opitz aus: „Opitz/ der berühmte Schlesier/ welcher die Deutsche Poesie auf den Fuß gebracht/ schätzte seine Gemein= und Freundschaft schon dazumal hoch; gleich/ als sähe er vorher: daß unser gelehrter Pan nicht einen schlechten Fichten= sondern drey Lorber-Kräntze zu tragen würdig seyn würde“ (wiedergegeben nach: Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau:
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Deutsche Übersetzungen und Getichte, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Franz Heiduk. Teil 2. Hildesheim u. a. 1984, S. [881 f.]). Über seine Zeit in Danzig schreibt Hoffmannswaldau selbst: „[…] ist die Deutsche Poesie nicht viel besser worden/ biß ohngefehr vor funffzig Jahren/ wie ich allbereit oben berühret/ Opitz von Boberfeld/ als ein ungemein Gelehrter und aufgeweckter Kopf/ (dessen Dacia antiqua, so ich vor vierzig Jahren/ als ich in Danzig täglich bey ihm auß und eingegangen/ vielmahl in Händen gehabt/ sich numehr gantz verlohren) die rechte Reinligkeit der Wörter und eigentliche Kraft der Bey=Wörter genauer beobachtet/ und das Maß der Silben/ richtige Reim=endung/ gute Verknüpfung/ und sinnreiche Sprüche/ seinen Getichten einverleibet. Wie Er denn in allen Stücken der Poesie/ besonders in Übersetzungen/ vortreflich glückselig gewesen/ welchem bald drey seiner Lands=Leute/ als Tscherning/ so sich sehr an seine Art gehalten/ dann Colerus und Czepko rühmlich gefolget“ (wiedergegeben nach: Hoffmannswaldau, wie oben, Teil 1. Hildesheim u. a. 1984, fol. )(jv v–)()(vr). Bereits die Überschrift zum Stammbucheintrag formuliert Gedanken, die im nachfolgenden Epigramm eine zentrale Rolle spielen: die vorzügliche Begabung des jungen Mannes, die er (gerade) auch seiner Herkunft zu verdanken habe, und die persönliche Verbundenheit des Sprechers mit diesem. Die ersten beiden Distichen konstruieren zwei Bildwelten, die vom bis ins Einzelne durchgeführten Kontrast geprägt sind: Während in V. 1f. das Regiment des trügerischen Schicksals geschildert wird, stehen in V. 3f. die Personifikationen von virtus und fama im Mittelpunkt. Dazu gehört die im Anfangsvers beschriebene Situation des Verlustes: Das armselige (Rest-)Erbe (Caetera cuncta), das die Menschen (mit nobis und mihi bezieht sich der Sprecher selbst mit ein) nach dem (hier nur implizit angedeuteten) Tod der Väter übernehmen können, ist zusätzlich der Ungewißheit und einer daraus wohl resultierenden Vergänglichkeit anheimgegeben. Daß der Lebensweg des Adressaten ganz anders verlaufen wird, wird bereits mit der Anrede (Te) zu Anfang von V. 3 deutlich: Das Erbe, das er durch die Vorleistung (virtus et fama) des noch lebenden Vaters antreten kann, wird unvergänglich sein. Mit der zweiten Hälfte des Epigramms bringt sich der Sprecher selbst ins Spiel und seine Rolle, die er im Zusammenhang mit dem Adressaten einnehmen möchte: als ein Ratgeber (V. 6 me monitore und V. 7f.), der ihm wie auch dessen Vater in Freundschaft verbunden ist und beim Erwerb seiner „Erbschaft“ zur Seite steht. Doch grenzt er sich von den magni (V. 7) ab, denen er zugleich wertvoll sein kann. Opitzens Stammbucheintrag wird unterschiedlich bewertet. So schreibt Hippe, wie oben, S. 86: „Über nähere geistige Beziehungen [zwischen Opitz und Hoffmannswaldau] geben die etwas kalten lateinischen Verse … keine Auskunft.“ George Schulz-Behrend bemerkt (wie oben, S. 91): „Als Opitz dann 1636, auf der Höhe seines Ruhms, dem neunzehnjährigen Christian Hofmann, der zum Abschluß das Gymnasium in Danzig besuchte, acht Zeilen ins Stammbuch schrieb, kommt das Wort ‚Poeta‘ darin nicht einmal vor, und nichts deutet darauf hin, daß Opitz das Talent des jungen Mannes, der bald ‚das Barock (…) in eigener Person‘ verkörpern sollte, auch nur erkannt hat.“ Dagegen meint Noack, S. 81: „… das elegische Distichon muß für den jungen Studiosus eine hohe Ehre gewesen sein“. – Versmaß: elegische Distichen. 2] Wie nicht selten in Opitzens Texten wird auch hier der Gedanke des wankelmütigen Geschicks thematisiert, in diesem Fall mit Verweis auf das Bild vom „Rad der Fortuna“.
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In den Jambi Paraenetici (V. 29–31), die sich ebenfalls an Hoffmannswaldau wenden (s. dazu unten), wird die Argumentation mit einer anderen Charakteristik verbunden: Implendus artibus sibi quisque est bonis: / Opes vomit Fortuna mendax cum lubet, / Et cum lubet resorbet (LW 3, S. 230). 3] Auch in den Jambi Paraenetici werden virtus und Ruhm von Christian Hoffmanns Vater hervorgehoben. 4 Aduocat] Vielleicht Anspielung auf den Beruf des Vaters als Jurist/Advocatus. 4 in lucri non pereuntis opes] Topos von der Unzerstörbarkeit und Unvergänglichkeit aller wahren Werte, nicht zuletzt der geistigen; vielleicht mit Anklängen an das horazische Monumentum aere perennius (Horaz, Oden 3,30) oder den Epilog von Ovids Metamorphosen, 15,871–879. 6 me monitore] Der Sprecher nimmt hier eine ähnliche Rolle als (weiser, väterlicher) Ratgeber ein wie in den Jambi Paraenetici. 7 f. amicos Inter habe semper me, velut ille, tuos] Opitzens Einfluß auf sein dichterisches Wirken beschreibt Hoffmannswaldau selbst in der Vorrede zu seiner 1679 erschienenen Werkausgabe, fol. )(2r – )(2v: „Meine Jugend traff gleich in eine Zeit / da der gelehrte Mann Martin Opitz von Boberfeld/ der berühmte Schlesische Buntzlauer/ durch der Frantzosen und Holländer poetische Wercke angeleitet/ mit seiner Feder in das Licht trat. Meiner Natur gefiel diese reine Schreibens=Arth so sehr/ daß ich mir auß seinen Exempeln Regeln machte/ und bey Vermeidung der alten rohen Deutschen art/ mich der reinen Liebligkeit/ so viel möglich gebrauchte: Biß nachmals ich auff die Lateinischen/ Welschen/ Frantzösischen/ Niederländischen und Englischen Poeten gerieth/ darauß ich die sinnreichen Erfindungen/ durchdringende Bey=Wörter/ artige Beschreibungen/ anmuthige Verknüpffungen/ und was diesem anhängig/ mir ie mehr und mehr bekant machte/ umb nicht/ was sie geschrieben/ nachzuschreiben/ sondern nur derer Arth und Eigenschafft zubeobachten/ und solches in meiner Mutter=Sprache anzuwehren.“ (wiedergegeben nach: Hoffmannswaldau, wie oben, Teil 1. Hildesheim u. a. 1984, S. [11 f.]). [V.M.]
Jambi Paraenetici Ermahnungsgedicht für Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau Dünnhaupt, Nr. 193; – Jambi Paraenetici | AD | CHRISTIANUM | HOFMANUM | Nobilis, et Amplissimi viri, | Joannis Hofmani, | ab HoffmanßWaldaw/ | Sacae. Caesae. M!aies"t!a"tis | Consiliarii, et Camerae utriusque Silae. | Secretarii, F. | Autore | Martino Opitio | â | Boberfelda. – o.O., o. J. (UB Breslau: 534227). Unsere Wiedergabe erfolgt nach dem Erstdruck. Dieser nicht datierte Einzeldruck besteht aus insgesamt 4 ungezählten Blättern. Dünnhaupt, Bd. 4, S. 3073, vermutet, er stamme „doch wohl“ aus Opitzens „letzten Lebens-
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jahren“, da Hoffmannswaldau bei Opitzens Ableben im August 1639 erst 22 Jahre alt war. In der Bibliographie von Szyrocki (in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 213*) wird dieser Druck in die Kategorie „Unbestimmbar“ eingeordnet, ebenso verweist Noack, S. 81, Anm. 51, auf die Jambi Paraenetici, ohne den Versuch einer Datierung zu wagen. Zur Vita Christian Hoffmanns von Hoffmannswaldau siehe neben Noack, passim, auch den Kommentar zu Opitzens Stammbucheintrag für diesen aus dem Jahre 1636 (LW 3, S. 523). Opitz kannte Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616–1679) bereits seit dessen Kindheit in Breslau. Er war mit der Familie, vor allem mit dem Vater Johann, freundschaftlich eng verbunden und verfaßte mehrere Gedichte auf Familienmitglieder; vgl. dazu LW 2, S. 359 f. Johann Hoffmann war um 1611 nach Breslau gezogen, zum Sekretär der schlesischen Kammer aufgestiegen, hatte 1622 den Titel eines „Kaiserlichen Rates“ erhalten und war 1629 geadelt worden (von Hoffmannswaldau). Nach Noack, S. 42, könnte Hoffmann mit seiner Familie vor 1630 sogar zeitweise auf der kaiserlichen Burg in Breslau gewohnt haben, ebenso wie im übrigen Opitz, der seit 1626 Sekretär des Präsidenten der Schlesischen Kammer Karl Hannibal von Dohna gewesen war. In seinen Jambi Paraenetici gibt Opitz dem jungen Christian ein umfassendes Bildungsprogramm vor, das mit den darin genannten (Schul-)autoren Hinweise für die Datierung des Textes liefern könnte. So besuchte Hoffmannswaldau wohl ungefähr seit 1624 das angesehene Breslauer Elisabethgymnasium und beendete seine dortige Ausbildung 1636 (s. Noack, S. 34–61). Hier wurde von der untersten Klassenstufe an auf die sichere Beherrschung des Lateins Wert gelegt, daneben wurden auch Griechisch und Hebräisch unterrichtet. Im ordo tertius verzeichnete der Lehrplan unter anderem Ciceros Briefe, im ordo secundus standen Dialektik und Rhetorik „in dauerndem Wechsel mit der auctoresLektüre“, zu der Terenz, Ciceros Briefe, Ovids Elegien, Vergils Eklogen sowie eine Anleitung in lateinischer Verskunst gehörten (Noack, S. 41 f.). In allen Klassenstufen spielte darüber hinaus die religiöse Erziehung eine bedeutende Rolle. Im ordo primus umfaßte der Lektüre- und Übungskanon in den alten Sprachen Cicero, Terenz, Vergil, Horaz, Homer und Plutarch. Dazu kamen die „Wissenschaften“ (artes): Dialektik, Rhetorik, Poetik, außerdem Ethik, Ökonomie und Staatswissenschaft (auch „Politica publica“ genannt; in ihrem Mittelpunkt standen Einrichtungen und Verwaltung des Gemeinwesens) sowie Musik und Geschichte, schließlich Arithmetik, Geometrie, Geodäsie, Astronomie, Logik und „Physica“ (Noack, S. 50 f.). Darüber hinaus boten die Professoren auch Privatlektionen an, z. B. über römisches Recht. Seine weitere Ausbildung erhielt Hoffmannswaldau von August 1636 bis August 1638 am Akademischen Gymnasium in Danzig (s. Noack, S. 62–82). Da Opitz selbst ebenfalls Ende August 1636 seinen Wohnsitz nach Danzig verlegt hatte, könnte es sich also bei den Jambi Paraenetici um eine Art Willkommensgedicht des gelehrten und weltgewandten Freundes der Familie für deren überaus talentierten Sprößling handeln. Im November 1636 trug sich Opitz zudem in das Stammbuch Hoffmannswaldaus ein (vgl. LW 3, S. 226). Das Gymnasium Academicum in Danzig galt als Vorbereitungsanstalt für das Studium generale an den Universitäten und hielt dem Vergleich mit den dortigen Artistenfakultäten durchaus stand (Noack, S. 66 f.). So wurden Vorlesungen in Theologie, Jurisprudenz und Medizin gehalten (wobei die Theologie eine Vorrangstellung besaß), des weiteren in Philosophie, Philologie, Eloquenz, Mathematik. Siehe dazu allgemein Theodor Hirsch: Geschichte des academischen Gymnasiums in
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Danzig, in ihren Hauptzügen dargestellt. Danzig 1837. Hoffmannswaldau, der wohl nur den zweijährigen ordo primus besuchte, beschäftigte sich mit Staatswissenschaft, daneben mit Jurisprudenz. Sein wichtigster Lehrer war Johann Mochinger, Professor der Beredsamkeit und ein Freund Opitzens. Daneben soll er Italienisch, Französisch und Niederländisch gelernt haben. Wie bereits der Titel besagt, handelt es sich bei den Jambi Paraenetici um einen Text, in dem der Sprecher dem Adressaten gleichsam in der Rolle eines Magisters wertvolle Lebensregeln mit auf den Weg gibt, den dieser, ein zu großen Hoffnungen berechtigender studiosus, nun einschlagen wird. Dementsprechend soll das Gedicht auch nicht, das betonen die Anfangsverse 1–10, als Ermahnung an einen Schüler aufgefaßt werden, der erst auf den richtigen Pfad geführt werden muß, sondern als Anreiz für Hoffmannswaldau, seine eigenen hohen Begabungen auf jedem Gebiet voll zur Entfaltung zu bringen. So darf für ihn weder die Herkunft aus einer ganz besonderen Vaterstadt noch der Ruhm des Vaters (obwohl diese im Gedicht dadurch gleichzeitig ex negativo gerühmt werden!) von Bedeutung sein, sondern allein das eigene Handeln (V. 11–19), wie die Sentenz in V. 18 f. zusammenfaßt. Nur so kann Hoffmannswaldau selbst zur Zierde für Vater und Vaterstadt werden (V. 19–23). Doch welche Güter gilt es überhaupt zu erstreben? Zu diesen gehören auf jeden Fall nicht die vergänglichen wie (äußerliche) Schönheit oder Reichtum (V. 24–39). Zudem kann der Adressat darauf vertrauen, daß er diese Gaben von den Göttern in genügendem Maße bereits erhalten hat bzw. noch erhalten wird (V. 40–44). Notwendig ist für ihn stattdessen das Bemühen um Künste und Wissenschaften, gepaart mit dem nötigen Fleiß (V. 45–56). Hierbei ist es wichtig, sich nicht nur auf ein einziges Wissensgebiet zu beschränken, wie der Vergleich mit überall den Honig sammelnden Bienen verdeutlicht (V. 56–64), der mittels einer Schiffahrtsallegorie weitergeführt und durch eine Metapher aus dem Feld des Reitens beschlossen wird (V. 65–72). Nach diesen allgemeinen Ausführungen erfolgt die Konkretisierung, zuerst in Form einer Lektüreempfehlung bzw. Diskussion in bezug auf die Poëtas (V. 73) und die Prosaisten (ab V. 78). Die zuerst angeführten, meist namentlich genannten römischen Autoren (V. 74–88) stehen hier für bestimmte Gattungen, Textsorten, Stilrichtungen. Des weiteren soll sich Hoffmann des Griechischen befleißigen (V. 89–92), anschließend möge er sich mit den Artes liberales befassen (V. 93–97), um so – allumfassend gebildet – dann seine eigene Aufgabe im Dienste des Staates glänzend zu erfüllen (V. 98–100). Dazu muß die ethische Komponente treten, das gerade für den Redner und Staatsbeamten unerläßliche korrekte Auftreten in Öffentlichkeit und privatem Bereich bis hin zur angemessenen Art, das otium zu pflegen (V. 101–121). Am Anfang und Ende aber muß das richtige Verhalten gegenüber Gott stehen, da von ihm letztlich alles abhängt und demzufolge die Bemühungen Hoffmannswaldaus ohne den ‚Segen von oben‘ erfolglos wären. Auch in anderen Texten hatte sich Opitz mit Bildungsinhalten beschäftigt. So läßt sich das Sentenzenhafte vieler Formulierungen in den Jambi Paraenetici vielleicht sogar auf die Disticha Catonis zurückführen (s. LW 2, S. 102–107 und S. 387–392). In dem in mancher Hinsicht verwandten Gedicht für Cornelius Grotius (Silvae, S. 18–24; LW 2, S. 150–159 und S. 460–470) verweist er ebenfalls auf die Vielzahl an zu erwerbenden Kenntnissen, die dort jedoch auch andere, in den Jambi Paraenetici nicht genannte Wissensgebiete umfassen.
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So präsentiert sich im vorliegenden Text mit seinem universalen Bildungprogramm Opitz in vielen Facetten als poeta doctus, sei es durch die Fülle an gelehrten Anspielungen, Verweisen und Zitaten, sei es durch die ausgefallene Wortwahl und den zum Versmaß passenden urbanen Stil. Freilich bleiben einige Formulierungen auch ein wenig dunkel, was durch die Übersetzung nicht verschleiert werden soll. – Versmaß: jambische Trimeter. Jambi Paraenetici] Nach Albrecht Grözinger: Paränese, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hrsg. von Gert Ueding. Bd. 6. Tübingen 2003, Sp. 552–555, hier Sp. 552, ist unter „Paränese“ ein „Sammelbegriff für eine Vielfalt von literarischen Gattungen und inhaltlichen Ausrichtungen“ zu verstehen. Dementsprechend handelt es sich um „ein schriftliches oder mündliches Zureden in der Regel auf eine freundliche, aber dennoch bestimmte Weise, die auf ein besonderes Verhalten oder Handeln abzielt und sowohl kognitive wie emotionale Aspekte berücksichtigt“. Für das vorliegende Gedicht käme wohl eine Tradition in Betracht, für die Seneca mit seinen Epistolae morales steht (dazu Grözinger, ebd., Sp. 553 f.). Siehe außerdem z. B. Paraenesis: Act and Form, hrsg. von Leo G. Perdue und John G. Gammie. Atlanta 1990 (= Semeia 50). 1 alipes … equus] Das Epitheton ist aus dem antiken Epos, z. B. Vergil, Aeneis 12,484 (alipedumque … equorum), geläufig. 3 nobilem … viam] Anspielung auf den Mythos von Herakles am Scheideweg, durch die hervorgehobene Stellung von nobilis vielleicht auch auf das zur damaligen Zeit neue Ideal der akademischen Adelsbildung (arma et litterae). 4–6] Mit den fructibus sind nicht zuletzt Dichtungen gemeint, in diesem Fall bezieht sich der Sprecher hier wohl auf den Topos von der Unvergänglichkeit der Dichtung wie im horazischen monumentum aere perennius (Horaz, Oden 3,30). Die Formulierung nec ullum sors iniqua jus habet, Nec secla legem enthält Termini der Gerichtssprache (und damit auch einen Verweis auf Hoffmannswaldaus künftige berufliche Tätigkeit). Mitzudenken ist Ovids Epilog zu seinen Metamorphosen (15,871–879): Iamque opus exegi, quod nec Iovis ira nec ignis / nec poterit ferrum nec edax abolere vetustas. / Cum volet, illa dies, quae nil nisi corporis huius / ius habet, incerti spatium mihi finiat aevi: / parte tamen meliore mei super alta perennis / astra ferar, nomenque erit indelebile nostrum, / quaque patet domitis Romana potentia terris, / ore legar populi, perque omnia saecula fama, / siquid habent veri vatum praesagia, vivam. 6 Musarum] Die Musen als Schutzgöttinnen der Künste. Bei der Formulierung dicta Musarum könnte es sich um eine Anspielung auf die Dicta Catonis handeln, mit denen sich Opitz beschäftigt und die er um 1629 den Söhnen seines Dienstherrn Karl Hannibal von Dohna gewidmet hatte (s. LW 2, S. 387–392). 12 laudem patris] Zum Karriereweg Johann Hoffmann von Hoffmannswaldaus s. oben. 13 f.] Die Vorrangstellung Breslaus unter den schlesischen Städten wird von Opitz sehr häufig betont. 18 f. Pulchrum et decorum, amice, nascier probis, Probum esse plus est] Vielleicht Anspielung auf Horaz, Oden 3,2,13: Dulce et decorum est pro patria mori. Zudem verweist der Sprecher hier
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auf den Begriff der viri probati, wie er schon bei Cicero zur stehenden Redewendung geworden ist. 21 Invictus ales] Als göttlicher und mantischer Vogel steht der Adler in vielfachen Beziehungen zu Jupiter als Siegverkünder, Bote und Helfer. 28 Ut flos solet perire veris filius] Vgl. zum Beispiel Opitzens Leichenrede auf Zsusanna Károlyi (in Anlehnung an Dtjes 40,6): Omnis caro est foenum, et omnis gloria eius sicut flos campi (LW 1, S. 264). In zahlreichen Barockgedichten etwa von Birken, Harsdörffer und anderen wird der Frühling als ‚Vater der Blumen‘ bezeichnet. 30 f.] Das hier gezeichnete Bild der Fortuna erinnert an die Beschreibung der Charybdis in der Antike: ein Meerungeheuer, das Wasser einsaugt und wieder von sich gibt; vgl. Ovid, Heroides 12,125: quaeque vomit totidem fluctus totidemque resorbet. In bezug auf die fortuna mendax vgl. zum Beispiel Seneca, Briefe an Lucilius 76,32. 33 patriae cadaver] Obgleich dieser Textabschnitt auf die zeitgenössische Situation (das Wüten des Krieges) eingeht, läßt sich hierdurch keine Datierung des Gedichtes ermitteln, da die Kriegsnöte, verbunden mit dem Leiden des Vaterlandes, in vielen anderen Gedichten Opitzens ebenfalls thematisiert werden. 37 Et quid moremur velleris pecu aurei] Vielleicht bezieht sich der Sprecher auf die (sprichwörtlich gewordene) Anbetung des Goldenen Kalbes im Alten Testament (Ex 31,18–33,6). Womöglich handelt es sich hier – neben der im fortlaufenden Text vorgegebenen Deutung – aber auch um eine versteckte Kritik an den Habsburgern bzw. dem Kaiser: Der Orden vom Goldenen Vlies ist der Habsburgische Hausorden. 39 rudem Phoebi virum] Phoebus Apollo verkörpert als Gott des Lichts alles Reine, Strahlende und steht hier wohl für die Kräfte des Geistes und des Verstandes. 46 Ter tres sorores] Die neun Musen, ähnlich im Hochzeitsgedicht auf Bernhard Wilhelm Nüßler von 1624, V. 24: ter triumque virginum (LW 2, S. 42). 46 laboris improbi] Vgl. Vergil, Georgica 1, 145 f.: labor omnia vicit / improbus. 47 Nec parcus horae, momine omni quae ruit] Opitz kombiniert hier offenbar die beiden barocken Maximen des carpe diem und des memento mori. 50 melleo ore Musa dixit Attica] Attika steht metonymisch für Griechenland. Zu fragen wäre, ob die auffällige Formulierung in V. 49 (strennuorum opsonium) einem bestimmten Dichter zuzuschreiben ist. Vgl. zur Honigmetaphorik allgemein Jan Hendrik Waszink: Biene und Honig als Symbol des Dichters und der Dichtung in der griechisch-römischen Antike. Opladen 1974 (= Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften; Geisteswissenschaften; Vorträge; G 196). 53 largitus aetati est tuae] Die Begabung und Frühreife Hoffmannswaldaus wird noch in der Lobrede Lohensteins auf diesen bei dessen Leichbegängnis gewürdigt: „Denn in seiner Kindheit lernte er in einer Stunde mehr/ als andere in einer Woche/ von ihm selbst so viel/ als andere von ihren Lehrern“ (wiedergegeben nach: Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau: Deutsche Übersetzungen und Getichte, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Franz Heiduk. Teil 2. Hildesheim u. a. 1984, S. [880]).
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54 Hic, juvenis, ingens dulcium orbis artium] Anspielung auf das Konzept der # « sowie auf die septem artes liberales; vgl. Curtius, S. 46.
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56–64] Die bereits in V. 50 mit melleo ore angeklungene Verbindung von Honig und Dichtkunst wird hier in einem umfangreichen Gleichnis breit ausgeführt. Zum sogenannten ‚Bienengleichnis‘ vgl. Steppich, S. 342, zur Bienensymbolik im allgemeinen außerdem Waszink (wie oben) sowie den Sammelband: Ille operum custos. Kulturgeschichtliche Beiträge zur antiken Bienensymbolik und ihrer Rezeption, hrsg. von David Engels und Carla Nicolaye. Hildesheim u. a. 2008. 56 daedalum genus] S. Vergil, Georgica 4,177–179: Cecropias innatus apes amor urget habendi / munere quamque suo. Grandaevis oppida curae / et munire favos et daedala fingere tecta. 57 nectar humanum] Wohl auch auf den Menschen bzw. die Bildung zu beziehen. 59 Hymetti finibus] Der Hymettos ist ein Gebirge in Attika, bereits in der Antike bekannt für seinen Marmor und den Reichtum an Bienenkräutern, vgl. zum Beispiel Horaz, Oden 2,6,13–15: Ille terrarum mihi praeter omnis / Angulus ridet, ubi non Hymetto / Mella decedunt … 60 Hyblae] Auf Sizilien gab es zwei Städte dieses Namens. Der Honig und die Bienen von Hybla waren bereits in der Antike sprichwörtlich, vgl. Vergil, Ekloge 1,53–55: hinc tibi, quae semper, vicino ab limite saepes / Hyblaeis apibus florem depasta salicti / saepe levi somnum suadebit inire susurro. Siehe dazu auch das Epithalamium Opitzens für Caspar Sinner und Anna Grun aus dem Jahre 1631, in dem sich der Sprecher mit der „Dichterzunft“ auseinandersetzt, V. 22–24 (LW 3, S. 28): Tot Silesia verminat Poëtis / Quot silvae frutices, quot Hybla flores, / Quot coenosa parit lacuna ranas. 61 Pestoque bifero] Paestum, eine Stadt in Lukanien, bei den Griechen Posidonia genannt, die in der Antike berühmt war wegen ihrer zweimal blühenden Rosen. Vgl. Vergil, Georgica 4,118 f.: Forsitan et, pinguis hortos quae cura colendi / Ornaret, canerem, biferique rosaria Paesti. 61 roscidi ambrosiam favi] ambrosia als Unsterblichkeit gewährende Speise, daher den Göttern vorbehalten, selten Menschen gewährt. Vgl. auch Waszink (wie oben), S. 6 f.: Demnach herrschte in der griechisch-römischen Antike die Vorstellung vor, Honig sei nicht ein Produkt der Pflanzen und der Bienen, sondern des Himmels und der Luft, aus der er wie eine Art von Tau herunterfalle. Die Bienen sammeln diesen heruntergefallenen Honig dann ein. 65–70] Zur Schiffahrtsmetaphorik vgl. Curtius, S. 138–141. Siehe außerdem Titus Heydenreich: Tadel und Lob der Seefahrt. Das Nachleben eines antiken Themas in den romanischen Literaturen. Heidelberg 1970 (= Studien zum Fortwirken der Antike 5). 73 agile coelitum genus] Damit nimmt der Sprecher wohl das Bild der Bienen wieder auf, verweist aber darüber hinaus auf die Verbindung des vates mit der Sphäre des Göttlichen; zu den frühneuzeitlichen Inspirationstheorien vgl. generell Steppich. 74 f. sophocleus … cothurnus] Der cothurnus ist ein hoher geschlossener Schaftstiefel, den die Schauspieler bei der Aufführung von Tragödien trugen und der deshalb metonymisch für die Tragödie steht. Sophokles (497/496–406 v. Chr.) gilt neben Aischylos (535/534–456/
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455 v. Chr.) und Euripides (485–406 v. Chr.) als der bedeutendste Tragödiendichter der griechischen Antike. 75 f. socci castitas Terentiani] Der soccus ist demgegenüber ein leichter niedriger Schuh, den vor allem der Komödienschauspieler trug und der deshalb metonymisch für die Komödie steht. P. Terentius Afer (um 190–159 v. Chr.) war neben Titus Maccius Plautus (um 250–184 v. Chr.) der bedeutendste Komödiendichter Roms. Im Gegensatz zu Plautus zeichnet sich Terenz jedoch durch gewählteren Stil und Sprache aus, er vermeidet derben Witz: „Die schlichte, vornehme Diktion erklärt den Erfolg Terenzens als Schulautor“ (v. Albrecht, Bd. 1, S. 180). Opitz verwendet auch in anderen Texten das Gegensatzpaar von cothurnus und soccus, vgl. zum Beispiel das in den Silvae abgedruckte Gedicht, in dem Opitz 1629 Nikolaus Troilo von und auf Lassoth um Verleihung der Würde eines Poeta laureatus an Christian Cunrad bittet (CO mmendo tibi filium Poëtae; LW 2, S. 206, V. 6–9). 76 Catullus … Maro] Der Name des C. Valerius Catullus (um 84–54 v. Chr.) steht metonymisch für die Liebesdichtung, der des Publius Vergilius Maro (70–19 v. Chr.) für die Epik. 78 eloquentiae] Nach den Poëtas (V. 73) behandelt Opitz in den folgenden Versen die Prosaisten, allerdings nicht ganz konsequent (z. B. Ennius in V. 85). Es geht ihm wohl vor allem um Fragen des Stils, die mutatis mutandis für Poesie und Prosa gelten können. Die Mahnungen zielen generell auf eine Vermeidung von Stilextremen. 79–81] Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) galt als der bedeutendste Redner Roms. Die Wendung sic tamen solum hunc ducem / Latinitatis ne putes, sed maximum bezieht sich auf die zeitgenössischen Debatten um den Ciceronianismus, der in den Jahrzehnten vor und nach 1600 als Stilideal mit alternativen Konzepten (Tacitismus, Lipsianismus) konkurrieren mußte. Vgl. den Sammelartikel „Ciceronianismus“ in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hrsg. von Gert Ueding. Bd. 2. Tübingen 1994, Sp. 225–247; zu Opitzens Auseinandersetzung mit dem Problem der Cicero-Imitation vgl. Kühlmann (1982), speziell S. 262–266; den weiteren Kontext beleuchten zuletzt die Beiträge von Jörg Robert in: Maske und Mosaik. 82–84 Sit sermo verbis purus, arte splendidus … Nimis vetustum nil trahens, nimis novum] Zum zentralen Stilideal der puritas bzw. Latinitas vgl. die detaillierten Ausführungen bei Lausberg, S. 254–274. Die Frage nach der rechten Nutzung alter und neuer Vokabeln bzw. Stilelemente behandelt etwa Quintilian, Institutio oratoria 1,6,41: ut novorum optima erunt maxime vetera, ita veterum maxime nova. 83 Quirini … moenia] Quirinus ist ein altitalischer Gott, nach dem einer der römischen Hügel collis Quirinalis benannt ist, außerdem erhielt Romulus diesen Namen nach seiner Erhebung zum Gott. ceu Quirini natus intra moenia steht für eine authentische (‚römische‘) Latinität der Sprache. 85 casca miscens Ennii] Quintus Ennius (239–169 v. Chr.) schuf mit den Annales das erste Geschichtsepos in lateinischen Hexametern. Über seinen archaischen Stil informiert knapp v. Albrecht, S. 111–114. 85 Solliis] Gemeint ist der spätantike Autor C. Sollius Modestus Sidonius Apollinaris (um 431 – um 486). Er enstammte der gallorömischen Senatorenaristokratie, verfaßte, invol-
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viert in die politischen Geschehnisse seiner Zeit, Panegyrici sowie Epigrammata, gab jedoch sein früheres Leben auf, trat in den Klerus ein, wurde um 471 zum Bischof von Clermont-Ferrand gewählt und veröffentlichte während seines Hirtenamtes mehrere Briefsammlungen; vgl. BBKL 10, Sp. 31–36. Sein Stil galt als äußerst manieriert. 86 Appuleiis] Apuleius (2. Jh. n. Chr.) verfaßte mit dem Goldenen Esel (anderer Titel: Metamorphosen) einen in der Frühen Neuzeit breit rezipierten Roman. Obwohl von Apuleius ausschließlich Prosaschriften überliefert sind, könnte es sein, daß Opitz hier einen Gegensatz zwischen dem christlichen Autor Sidonius Apollinaris und dem Romancier mit seinen „außbündige[n] BuhlerVerse[n]“ (so GW 2.1, S. 176, über Apuleius) markieren will. 87 f. Romanae bonus Antiquitatis auctor, haud lingvae] M. Terentius Varro (116–27 v. Chr.), polyhistorischer Gelehrter, der Schriften zu den unterschiedlichsten Themenfeldern verfaßte, welche allerdings, von De re rustica abgesehen, nur fragmentarisch erhalten sind. Sein Hauptwerk De lingua Latina ist in schlichtem Stil verfaßt. August Buchner erinnert Opitz in einem Brief aus dem Frühjahr 1626 an gemeinsame intensive Gespräche über Varro (Conermann/Bollbuck, S. 443–449). 89 f. Sed os rotundum Graecia ut tellus tibi, Hoffmanne, fingat] Vgl. Horaz, De arte poetica 323 f.: Grais ingenium, Grais dedit ore rotundo / Musa loqui, praeter laudem nullius avaris. 91 Illoque totum fonte pectus prolue] Anspielung auf die in Griechenland beheimatete ‚Musenquelle‘. 92 Non canis adinstar, qui simul bibit, simul fugit] Vgl. Macrobius, Saturnalia 2,2,7: Secutus est Furius Albinus: Post Mutinensem fugam quaerentibus, quid ageret Antonius, respondisse familiaris eius ferebatur: Quod canis in Aegypto: bibit et fugit: quando in illis regionibus constat canes raptu crocodilorum exterritos currere et bibere. 94 Et sapere disce] Vgl. Horaz, Epistel 1,2,40: sapere aude, sowie die Eingangsworte des Lehrers in Johann Amos Comenius: Orbis sensualium pictus (Nürnberg 1658), S. 2: Veni, Puer! disce Sapere. 94 f. teque libero artium Permitte vento] Damit wird die Schiffahrtsmetaphorik aus V. 65–70 aufgegriffen; gleichzeitig wird auf die artes liberales angespielt. 98 Donec paternis imbuare legibus] Bezug auf Hoffmannswaldaus Vater, der Jurist war; vgl. auch die Lobrede Lohensteins auf Hoffmannswaldau (wie oben), S. [881]: „Nach allhier [sc. in Breslau] gelegtem Grunde kam er nach Danzig zu Mochingern dem Preußischen Plato; daselbst lernte er die Weltweißheit und Staats=Wissenschaft. Er begrief die Welsche/ Französische und Nieder=Deutsche Sprache gleichsam spielende; … Opitz/ der berühmte Schlesier/ welcher die Deutsche Poesie auf den Fuß gebracht/ schätzte seine Gemein= und Freundschafft schon dazumal hoch …“. 101 viam preme] Vgl. den oben erwähnten Stammbucheintrag Opitzens für Hoffmannswaldau, V. 5 f. (LW 3, S. 226): … Sed tu vestigia tanta, / Quod facis, audacter, me monitore, preme. 104 f. pavones domi, Foris columbas] Der Pfau gilt als Symbol der selbstgefälligen Eitelkeit und des Stolzes, die Taube als Symbol von Zärtlichkeit und Sanftmut, aber auch von Ängstlichkeit. Vgl. Otto, S. 88 f. und 269.
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115–117] Vgl. Opitzens Gedicht für Grotius, V. 124–126: nec enim praecordia tantis / Innutrita bonis vesani turpia Bacchi / Pocula, vel mollis rapiet diuersa voluptas. (LW 2, S. 156). 115 Qui regna vini ludere] Vgl. Horaz, Ode 1,4,16–18: Iam te premet nox fabulaeque Manes / et domus exilis Plutonia, quo simul mearis, / nec regna uini sortiere talis … 122 f. Dicenda pietas … adversus polum Primo fuit] Die Theologie nahm im Lehrplan des Danziger Gymnasiums die führende Position ein; vgl. die Einleitung zum Kommentar. 122–128] Vgl. nochmals Opitzens Gedicht für Grotius, V. 127–129: Imprimis, quodcunque tibi proponis agendum, / Successus faciles nulli sua dona negantem, / Posce Deum, et veris precibus deuotus adora (LW 2, S. 156). 123 f. curis sed illam jugibus Sectere primo, sic sequentur coetera] Vgl. Mt 6,33: quaerite autem primum regnum et iustitiam eius / et omnia haec adicientur vobis. 125 f. Sic coelitus clementiam Deo exprimes, Et hic bonis amorem, et invidiam malis.] Es wäre zu überlegen, ob hier eine Anspielung auf die Auffassung Johannes Calvins von der clementia dei, vielleicht auch auf dessen Prädestinationslehre vorliegt. Möglicherweise reflektiert der Text interne Auseinandersetzungen am Danziger Gymnasium. 127 f. Deo volente, vanus omnis livor est, At non volente, vanus omnis est labor.] Diese Verse, die eine Art Schlußsentenz bilden, verwendete Opitz auch für seine Einträge in die Stammbücher für Georg Passelius und Christian Pehrisch, beide aus dem Jahr 1630 (vgl. LW 2, S. 118, und LW 2, S. 116). Er bezieht sich mit seinen beiden Versen auf ein lateinisches Sprichwort, das in vielen Variationen bekannt ist. Vgl. den ausführlichen Kommentar in LW 2, S. 412 f. [V.M.]
NO n satis illud erat Glückwunschgedicht für Heinrich Esken anläßlich der Vermählung seiner Tochter Dünnhaupt, Nr. 173A; – Ad Amplißimum Virum | HENRICVM ESKIVM | Reipublicae Thoruniensis Consulem benemerentissimum, | Excellentißimo Viro | SAMVELI MAKOVIO | Medic. et Philos. Doctori. | Lectißimam et rarae virtutis puellam | CATHARINAM F. | Ipsis Calendis Januarijs | Anni M.DC.XXXVII. | elocantem | M ART. O PITII | carmen. (Bibliothek des Nationalmuseums, Majoratsbibliothek der Grafen von Nostitz-Rieneck, Prag: lg 30 nr. 49a). Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck. – Der Eintrag eines fast identischen, vor allem in der Jahresangabe (M.DC.XXXVIII.) abweichenden Titels bei Dünnhaupt unter Nr. 178 dürfte auf die unkritische Übernahme einer in mehrfacher Hinsicht fehlerhaften Notiz von Franz Heiduk zurückzuführen sein (Fragen an eine Opitz-Bibliographie, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 5, 1978, S. 209 f.). Über die Vita von Heinrich Esken ist bislang kaum etwas bekannt. Geht man von den Aussagen des Gedichtes aus, müßte es sich jedoch um einen guten Freund Opitzens han-
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deln, mit dem dieser auch in Briefkontakt stand (s. dazu unten zu V. 5). Die Amtsbezeichnung Consul für Esken auf dem Titelblatt legt die Vermutung nahe, daß er aus einer der alteingesessenen Familien bzw. dem Patriziat der Stadt Thorn stammte. Dafür spricht auch die Bezeichnung „Heinrich Eßken VI.“ in: Prätorius, S. 45. Nach Helmut Strehlau: Thorner Bürgermeister im 17. Jahrhundert und ihre Familien (1. Fortsetzung), in: Ostdeutsche Familienkunde 1 (1953), S. 57–61, hier S. 57 f., Anm. 25, lebten um 1600 zwei berühmte Familien Eßke (Esken) in Thorn. Unter den Kindern dieser Familien findet sich ein Heinrich, der mit dem Adressaten unseres Gedichts identisch sein könnte. Mehrere Mitglieder der Familie Esken werden zudem in Zerneckes Chronik genannt (vgl. Zernecke). Nach Prätorius, S. 45, war Heinrich Esken 1623 unter den „Rathmännern“ verzeichnet und starb 1643: „Als man ihn des Morgens wecken wollte, fand man ihn vom Schlage gerühret todt.“ Weitere Angaben finden sich zu ihm bei Prätorius nicht. Auch über die Person des Bräutigams, Samuel Makovius, gibt es nur wenige gesicherte Erkenntnisse. Ein Träger dieses Namens wird 1615 in einer akademischen Schrift, gedruckt bei Hünefeld, als Respondent am Gymnasium in Danzig genannt: Trias problematum physiologicorum, de quibus Deo Triuno annuente in Gymnasio Dantiscano Praeside Ioachimo Olhafio D. Respondente Samuele Makovio Polono Disputatio publica instituetur ad diem XI. Aprilis Anno 1615. … Aus dem Titelblatt sowie aus Opitzens Gedicht geht hervor, daß er Arzt war. Sollte Makovius in Thorn tätig gewesen sein, was nicht unbedingt der Fall sein mußte, könnte er durchaus zum dortigen „intellektuellen Milieu“ (vgl. Salmonowicz) gehört haben. Leider war uns die gereimte Chronik von Jakob Zabler (Memoria Medicorum Thorunensium. Thorn 1719) nicht zugänglich. Möglicherweise ist Makovius identisch mit der in Polski Słownik Biograficzny, Bd. 19 (1974), S. 243 f. porträtierten Figur gleichen Namens, einem calvinistischen Arzt in Lublin, der in Basel 1619 zum Doktor der Medizin promoviert worden war; vgl. Wackernagel, S. 207. Das vorliegende Gedicht richtet sich, wie auch aus dem Titelblatt hervorgeht, nicht in erster Linie an das Brautpaar, sondern an den Vater der Braut. Gleich zu Anfang betont der Sprecher die enge Verbundenheit zwischen diesem und sich selbst, die nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck komme, daß Esken ihn zur Hochzeit seiner Tochter eingeladen hatte (V. 1–8). Der Sprecher ist jedoch aus mehreren Gründen nicht in der Lage, dieser Einladung Folge zu leisten (V. 9–16), neben der Widrigkeit der Reisebedingungen im Winter (V. 11 f.) führt er seine gelehrte Arbeit (V. 13–16) als Hinderungsgrund an. Doch die Honoratioren der Stadt, von denen drei der wohl angesehensten namentlich angesprochen werden, bilden einen in jeder Hinsicht würdigen Ersatz für das Fernbleiben des Sprechers (V. 17–26). Mit diesem Abschnitt zeigt sich das Gedicht noch in einer weiteren Funktion, die einem zweiten Anlaß geschuldet ist: Passend zum ganz besonderen Termin der Vermählung, dem 1. Januar, werden diesen verdienten Bürgern der Stadt Neujahrsglückwünsche gezollt (V. 25 f.). Mit dem ebenfalls für einen Jahresanfang typischen Motiv der guten Vorsätze verbindet dann der Sprecher seine Aufforderung an den Bräutigam, dieser möge seiner Pflicht als Ehemann und Arzt genügen (V. 27–36). Besonders eng erscheint die Verquickung von Neujahrs- und Hochzeitsgedicht in den beiden letzten Versen (V. 37 f.) mit dem für ein Epithalamium obligatorischen Wunsch nach Kindersegen – nun nicht mehr nur im neuen Jahr, sondern in allen darauf folgenden. – Versmaß: elegische Distichen.
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1 praesentem nuper amare] Opitz hatte sich bereits 1634 in Thorn aufgehalten, dann wieder vom Herbst 1635 bis Ende August 1636; vgl. dazu Alewyn sowie Salmonowicz, außerdem die Dokumente und Erläuterungen bei Conermann/Bollbuck mit Bezug auf diese Zeitspanne und die weiteren Ausführungen zu Opitzens Thorn-Aufenthalt im vorliegenden Band. 3 remotum] Opitz war im Herbst 1636 nach Danzig übergesiedelt, blieb jedoch, so Salmonowicz, S. 114, mit den Thorner Freunden „in enger Verbindung“ und „am Thorner Geistesleben fast so interessiert wie an seinen literarischen und wissenschaftlichen Verbindungen mit Breslau, Großpolen und Schweden.“ 5 f.] Bei Conermann/Bollbuck ist kein Brief Eskens aufgeführt. Generell findet sich ebd. für die Zeit zwischen November 1636 und Ende Januar 1637 kein einziger Brief von bzw. an Opitz. 11 implacabilis Auster] In der Antike wurde dieser Südwind, der im Winter ab November aus verschiedenen Richtungen wehte, mit Regen, Sturm und trüber Sicht in Verbindung gebracht. 12 Vistula] Danzig liegt in der Nähe der Weichselmündung. 13–15] Wohl etwas augenzwinkernd betont der Sprecher durch die Wortstellung den zahlenmäßigen Gegensatz zwischen der einzigen Geliebten für Makovius und den neun Musen, in deren Dienst er selbst stehe. Gerade Opitz hebt – vielleicht auch aus biographischen Gründen – nicht selten hervor, daß der Dichter sich ausschließlich dem Musendienst zu ergeben habe. 14–16] Auf den 5. November 1636 datiert ist die Widmung der Zwölff Psalmen Davids an Gottfried Baudis (s. dazu LW 3, S. 224), auf den 9. November 1636 der Eintrag ins Stammbuch von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (s. dazu LW 3, S. 226). Bei beiden Widmungen erscheint als Ortsangabe Danzig. Wahrscheinlich bezieht sich Opitz hier vor allem auf seine Variae lectiones, die er Dantisci, Pr. Cal. Februarias, Ann. M.D.CXXXVII. (also am 31. Januar 1637) dem polnischen Großkanzler Tomasz Zamojsky widmete; vgl. den entsprechenden Kommentar (LW 3, S. 544 f.) und Conermann/ Bollbuck, S. 1340 f. 18 Prussius ille] Wahrscheinlich (nach Prätorius, S. 47 f.) „Johann Preuß V.“ Er wurde 1634 unter die „Rathmänner“ aufgenommen, wurde bereits 1635 Bürgermeister, war sechsmal „Präsident“ (d. h. der präsidierende unter den jeweils vier gewählten Bürgermeistern), zwölfmal „Burggraf“ und starb 1660. Preuss gehörte „zu den wenigen, die als einjährige Rathsmänner zu bürgermeisterlichen Würden gelangten. Er war auch Culmischer Landschöppe und das Kührbuch nennt ihn ein um den König, die Republik Polen, die Preußischen Lande und die Stadt höchst verdienten Mann. In dem bei seinem Vater angeführten Adelsdiplome wird seiner äußerst ehrenvoll gedacht, und soll er beim Könige Bladislav IV. [sic!] keine einzige Fehlbitte gethan haben, der auch diesem seinen Lieblinge das Gut Grunau, jetzt Gronowo, im Jahr 1639 schenkte. Der bekannte Dichter Martin Opitz, der sich im Gefolge des Herzogs von Brieg und Liegnitz eine Zeitlang am hiesigen Orte aufhielt, eignete ihm seine Epigramme zu. Während der Rathssitzung rührte ihn der
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Schlag und starb er vier Tage darauf.“ Mit den Epigrammen ist wohl das erste Buch von Opitzens Florilegium variorum Epigrammatum gemeint, das Opitz Preuss 1638 in einer lateinischen Widmungsvorrede zueignete (s. dazu LW 3, S. 284). Mit Preuss beginnt im Gedicht die Nennung der Thorner Honoratioren. Zu der hier ablesbaren Rangordnung vgl. die Ausführungen bei Julius Emil Wernicke: Geschichte Thorns aus Urkunden, Dokumenten und Handschriften. Bd. 2. Thorn 1842, Anm. zu S. 233. Zu den einzelnen Ämtern bzw. Amtsbezeichnungen in Thorn vgl. vor allem Prätorius, S. VI f., und Helmut Strehlau: Thorner Bürgermeister im 17. Jahrhundert und ihre Familien [1. Teil], in: Ostdeutsche Familienkunde 1 (1953), S. 35–37, hier S. 35. 19 f. chare Coi] Wohl ein Mitglied der angesehenen Thorner Familie Coy/Koyen, vielleicht „Jacob von Coye V.“, der 1630 unter die „Rathmänner“ aufgenommen wurde und 1638 starb (Angaben nach Prätorius, S. 46). Nach Wernicke (wie oben), S. 193, war „der Rathmann Jakob Koye“ zusammen mit dem Bürgermeister Johann Preuss Deputierter der Stadt Thorn anläßlich der Vermählung von König Władisław mit Caecilia Renata 1637, was wohl für eine gewisse Ehrenstellung Coys spricht. 21 Tuque cui arboribus nomen dat consitus hortus] Wahrscheinlich Antonomasie für Andreas Baumgart (1588–1641). Er war 1639–1641 Bürgermeister in Thorn; s. zu ihm und seiner Familie Strehlau (wie oben), S. 37. Nach Prätorius, S. 47, wurde „Andreas Baumgarten II.“ 1631 unter die „Rathmänner“ aufgenommen, wurde 1639 Bürgermeister und war einmal „Präsident“. Durch „das so frühe Absterben dieses äußerst kentnißvollen und geschickten Mannes, erlitt die Stadt einen schmertzlichen Verlust“. 22 Historiae Clio munera, iura Themis] Clio ist in der antiken Mythologie die Muse der Geschichtsschreibung, Themis die Göttin des Rechts und der Gerechtigkeit. 23 f.] Bereits in seiner Jugendzeit hatte Opitz mit dem Strenarum libellus eine umfangreiche Sammlung von Neujahrsglückwünschen für die Honoratioren Bunzlaus verfaßt, in der diese jeweils mit einem gesonderten Gedicht gewürdigt werden (s. dazu LW 1, S. 10–27 und S. 282–293). 32 tua … Panacea] Bei Panakeia/Panacea handelt es sich in der antiken Mythologie um eine der vier Töchter des Heilgottes Asklepios und der Epione. Zu denken ist hier auch an die z. B. bei Vergil, Aeneis 12,419 beschriebene panacea, ein Kraut, das, wie der Name sagt, ein „Allheilmittel“ darstellt; vgl. RE, Bd. 36/2, Sp. 445–449. Opitz kleidet in diesem und den folgenden Versen die scherzhaften Ermahnungen zum Vollzug des Liebesaktes in eine medizinische Terminologie. 34 nescio quae vena] vena bezeichnet gelegentlich den Penis, vgl. Martial, Epigramme 6,49,2 und 11,16,5. 34 requirit] Bei nequirit im Original handelt es sich wohl um einen Druckfehler. [Kolophon:] Opitz nennt als Ort, an dem er das Gedicht verfaßt hat, Danzig. Zu beachten ist, daß das Gedicht in Thorn gedruckt wurde – es muß also (wahrscheinlich auf dem Postwege) dorthin geschickt worden sein. [V.M.]
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T E rrae, quas aditu Geleitgedicht für den Fürsten Bogusław Radziwiłł Dünnhaupt, Nr. 177; – PROPEMPTICON | I LLUSTRISSIMI C ELSISSIMIQVE | P RINCIPIS | BOGVSLAI RADZIVILII | D VCIS B IRZARVM D VBINC -|korum Sluciae et Kopilli, | S ACRI R OM . I MPERII P RINCIPIS. | Gedani apud A NDREAM H ÜNEFELDIVM . | Anno M . DC . XXXVII . (UB Breslau: 355173), 2 ungez. Blätter. Unsere Ausgabe folgt dem Erstdruck. Bogusław (Boguslaus/Boguslaw) Radziwiłł (Radziwill) war, wie auch Opitzens Gedicht betont, der Abkömmling einer alten und bedeutenden polnisch-litauischen Fürstenfamilie. Zur Vita des Geehrten siehe v. a. Jörg Jacoby: Boguslaus Radziwill. Der Statthalter des Großen Kurfürsten in Ostpreußen. Zweite Auflage. Marburg/Lahn 1960 (= Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas 40); im Folgenden zitiert als „Jacoby“. Vgl. außerdem ADB 27 (1888), S. 155, und NDB 21 (2003), S. 102. Ein (eher belletristischer) Lebensabriß findet sich bei Tadeusz Nowakowski: Die Radziwills. Die Geschichte einer großen europäischen Familie. Nach dem polnischen Manuskript übersetzt von Janusz von Pilecki und Josef Hahn. München 1975, hier S. 112–139 das Kapitel „Kein Held für Calderon oder Boguslaw zwischen Polen, Schweden und Brandenburg“. Vgl. auch Bogusław Radziwiłł: Autobiografia. Wstêpem poprzedził i opracował Tadeusz Wasilewski. Warszawa 1979, mit Wiedergabe der Autobiographie Radziwiłłs hier S. 119–154. Fürst Bogusław Radziwiłł, der am 3. Mai 1620 in Danzig geboren war, verbrachte nach dem im selben Jahr erfolgten Tod seines Vaters Janusz seine ersten Lebensjahre zumeist auf den Radziwiłłschen Gütern in Lichtenberg in der Oberpfalz. Nach der Wiederverheiratung seiner Mutter kam er im August 1628 nach Wilna zu seinem Onkel und Vormund, dem Wojewoden und „Grossfeldherrn“ Christoph Radziwiłł (1585–1640) (Jacoby, S. 11). Seine „wissenschaftliche Ausbildung“ erhielt er in Wilna sowie vor allem in dem „damals in ganz Litauen berühmten Gymnasium zu Keidany, das neben der kalvinistischen Jugend des Landes sogar von den Söhnen kleinerer deutscher Fürsten besucht wurde“; der Leiter dieser Anstalt, zu der auch eine ausgedehnte Bibliothek gehörte, war der aus Danzig stammende Friedrich Stark. Zu Radziwiłłs Unterrichtsfächern gehörten Latein, Moralphilosophie (Ethik), Rhetorik, Geschichte, Rechtslehre und Mathematik; s. Jacoby, S. 12. (Nach Conermann/Bollbuck, u. a. S. 686, wird im Briefwechsel Opitzens mit Coler wiederholt auf eine mögliche Anstellung Colers bei einem Prinzen Bogusław Radziwiłł und ein Studium in Leipzig ca. 1629 angespielt. Dies kann zeitlich nicht passen, zumal dies auch in Radziwiłłs „Autobiografia“ erwähnt wäre; gemeint ist wohl der in Leipzig studierende Prinz Janus Radziwiłł). 1635 nahm Christoph Radziwiłł Bogusław nach Livland mit, und wohl 1636 wurde Bogusław auf dem Sejm zu Osmiana zum Abgeordneten gewählt (Jacoby, S. 12). Das vorliegende Gedicht Opitzens bezieht sich auf die ausgedehnte Reise, die Bogusław Radziwiłł auf den Rat seines Vormundes im Juli 1637 antrat. Seine Fahrt führte durch Pommern und Mecklenburg, nach Lübeck, Hamburg, Bremen und gegen Ende 1637 zum Studium nach Groningen und Utrecht. 1639 (und einige Male in den folgenden Jahren) war er in Frankreich; siehe dazu auch in der oben erwähnten „Autobiografia“ S. 122. Hier soll er, so Jacoby, S. 15, den polnischen Abgeordneten behilflich
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gewesen sein, die im Auftrag Königs Władysławs um die Fürstin Marie Louise de Gonzague warben. 1640 und 1642 kämpfte er im Heer Friedrich Heinrichs von Oranien (siehe dazu und zu weiteren Reisestationen Jacoby, S. 12–16). Erst 1648 kehrte Radziwiłł für längere Zeit in sein Heimatland zurück, obwohl Władysław IV. ihm schon Ende 1638 einen Posten in der polnischen Armee angeboten hatte; s. Jacoby, S. 16 f. Unter dem Nachfolger Władysławs IV., Johann Kasimir, gelangte er zu Kriegsruhm, schloß sich jedoch 1655 den Schweden unter Karl X. Gustav an und trat etwa 1656 in die Dienste des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (des „Großen Kurfürsten“); s. Jacoby, S. 17–41. 1657 wurde Radziwiłł von diesem zum Statthalter im Herzogtum Preußen ernannt und starb (in diesem Amt) 1669 in Königsberg. Eine Einschätzung seiner Persönlichkeit gibt Jacoby, S. 212–221. Seit 1635 hielt sich Opitz aufgrund der unsicheren Lage in Schlesien im polnischen Thorn auf; wahrscheinlich im Januar 1636 wurde er dort durch seinen Gönner, Graf Dönhoff, dem polnischen König Władysław IV. vorgestellt; s. Szyrocki, S. 109 f., und Salmonowciz, S. 111. Im Herbst 1636 siedelte Opitz nach Danzig über und stand seither in den Diensten Władysławs; s. Szyrocki, S. 118–122. Opitz könnte Bogusław Radziwiłł, der wohl, nach Jacoby, S. 12, im Jahre 1636 für kurze Zeit Page am Hofe Władysławs IV. war, in der Gefolgschaft des Königs kennen gelernt haben. Zudem war der Vormund Bogusławs, Fürst Christoph Radziwiłł, der „Protektor der polnischen Dissidenten“ (Szyrocki, S. 116), von Władysław IV. 1636 mit den Vorbereitungen für die Leichenfeierlichkeiten für dessen Tante Anna Wasa betraut worden. Durch Vermittlung des Grafen Dönhoff erhielt Opitz von Fürst Christoph Radziwiłł den Auftrag, einen Panegyricus auf Anna Wasa zu verfassen; s. dazu Szyrocki, S. 116, und den bei Conermann/Bollbuck wiedergegebenen Brief Bernhard Wilhelm Nüßlers an August Buchner vom 21. 6. 1636, in dem es in bezug auf Opitzens Lobrede heißt: Brevi, ni fallor aliud scriptum submittam, quô Principis Svecicae, quae defuncti Regis soror fuit, … memoriam celebrat, authoribus in eam rem ipso Principe Radzivilio et Denhofio (zitiert nach Conermann/Bollbuck, S. 1316); s. außerdem ebd., S. 1319, sowie den Kommentar zu diesem Panegyricus in LW 3, S. 477. Opitzens Gedicht für Bogusław Radziwiłł könnte im Zusammenhang mit dieser Verbindung zu der einflußreichen Magnatenfamilie entstanden sein. Der mit Propempticon überschriebene Text verbindet inhaltlich die guten Wünsche an den in die Ferne Reisenden mit einem panegyricus in nuce auf dessen hochgestellte Persönlichkeit. Dies verdeutlichen bereits die Verse 1–7: Sie beginnen zwar mit einer Anrede an die durch ihre Position am Gedichtanfang hervorgehobenen, aber nicht explizit genannten Terrae, die gleichsam durch den Sprecher auf den Besuch des Fürsten Radziwiłł vorbereitet werden. In die komplizierte Satzstruktur verwoben ist jedoch ein doppeltes Lob: zum einen die Würdigung des jungen Fürsten, der die (einzige) Hoffnung seiner Heimat darstelle, zum anderen der Preis dieser Heimat selbst. Dieses Lob wird untermauert durch die – rhetorisch geschickte – Einbeziehung aller, die ebenso um höchste Werte wie relligio und libertas besorgt seien (V. 7–11). Da der Sprecher davon ausgeht, daß Gott auch in Zukunft seinen Beistand für die res publica nicht versagen wird (V. 12–14), gilt dies in besonderem Maße auch für alle Unternehmungen des jungen Radziwiłł als des (alleinigen) Hoffnungsträgers für das Gemeinwesen (V. 14–16). Damit erfolgt der Übergang
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zum eigentlichen Propemptikon. In Anlehnung an einen Fürstenspiegel werden dem Adelssproß bestimmte Tugenden als Reisegefährten empfohlen (V. 17–19), während er die auf den (ranghohen) Studiosus lauernden Laster zu meiden habe (V. 20–26). Im Gegensatz zu solchem Treiben (deutlich in At als Anfangswort von V. 27) muß das Verhalten dessen stehen, der durch seine (ererbten) Gaben zu Großem ausersehen sei (V. 27–31); die Aussicht auf eine Verwirklichung der in ihn gesetzten Hoffnungen lindert den Abschiedsschmerz der Daheimgebliebenen (V. 32–34). Diese Bestimmung Radziwiłłs wird dann in den beiden folgenden Zeilen, einer Widmungsadresse, noch einmal in nuce zusammengefaßt: bono rei publicae nato. – Versmaß: Hendekasyllaben. B IRZARVM ] Heute Birˇzai (deutsch Birse(n), lettisch Birˇzi, polnisch Bir˙ze), eine Stadt im Norden Litauens unweit der Grenze zu Lettland. Seit dem 16. Jh. gehörte die Stadt der Familie Radziwiłł und war unter deren Herrschaft ein Zentrum der Reformation. Dvbinckorum] Polnisch Dubinki, heute Dubingiai, eine Kleinstadt in Litauen. Sluciae] Heute Slutsk/Sluzk/Słuck, eine Stadt in Weißrußland. Kopilli] Heute Kapyl, eine Stadt in Weißrußland (russisch Kopyl, polnisch Kopyl), unweit von Slutsk. S ACRI R OM . I MPERII P RINCIPIS ] Am 10. Dezember 1547 hatte Kaiser Karl V. dem litauischen Großmarschall Nikolaus Radziwiłł, dessen jüngerem Bruder Johann und ihrem Vetter Nikolaus dem Roten „die erbliche Würde von Herzögen zu Nie´swie˙z, Ołyka, Birse und Dubinski“ verliehen und verfügt, „daß sie in allen ihren Rechten den Fürsten des Heiligen Römischen Reiches gleichgestellt werden sollten“ (Jacoby, S. 5). Allerdings nahm die litauische Adelsfamilie bereits in früheren Zeiten die höchsten Würden des Großherzogtums ein; ihre Macht und ihr Ansehen beruhten neben einem „unermesslich weiten Grundbesitz“ auf ihrer Rechtsstellung als Magnaten (ebd., S. 5 f.). 3 Spes dignissima gente patriáque,] Bogusław Radziwiłł in seiner Funktion als doppelter Hoffnungsträger. 5 Sarmatici … coeli] Opitz verwendet auch in anderen Texten die Bezeichnung Sarmatia für Polen. Zu beachten ist vielleicht, daß Opitz seine lateinische Schrift Variarum lectionum liber in quo praecipue Sarmatica, „in der er sich mit den Sarmaten, den vermeintlichen Vorfahren der Polen, beschäftigt“, im Januar 1637 dem Kanzler Thomas Zamojski gewidmet hatte (Szyrocki, S. 122); zu den Variae lectiones s. den Kommentar in LW 3, S. 542. 8 f. Si quis relligionis, aut auitae Libertatis amans,] Mit relligio zielt Opitz auf die Reformierten, da der Zweig der Familie Radziwiłł, dem Bogusław angehörte, calvinistisch war; s. dazu Jacoby, S. 6–9. Im Laufe der Zeit waren die Radziwiłłs von Birse als „bald einziges bedeutendes protestantisches Magnatengeschlecht Litauens nicht nur die natürlichen Führer der Dissidenten auf den Reichstagen, ihre Fürsprecher bei der Krone und ihre Vertreter bei den Gerichten, sondern die Güter des Hauses bildeten auch den Hauptzufluchtsort der bedrängten Glaubensgenossen“ (Jacoby, S. 8). Nicht zuletzt Christoph Radziwiłł ist hier hervorgetreten (so erwähnen Conermann/Bollbuck, S. 1418–1421, seinen erfolgreichen Widerstand gegen die Einrichtung eines Marienordens). In Birse, Słuck und Kei-
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dany, „den Hauptorten der gleichnamigen Fürstentümer und Grafschaften, lagen die wichtigsten höheren Schulen der Kalvinisten, und auch der relativ grösste Teil ihrer Kirchen und Elementarschulen befand sich auf Radziwiłłschen Besitzungen, … unter denen ausser den schon genannten die Fürstentümer Dubinski und Kopyl sowie die Herrschaften Newel und Sebisch mit den gleichnamigen wichtigen Festungen an der Moskowitischen Grenze als die bedeutendsten hervorragten“ (Jacoby, S. 8 f.). Nach Jacoby, S. 219, lag auch für Bogusław Radziwiłł die „innerste und schließlich ausschlaggebende Triebkraft für alle menschlichen und politischen Entscheidungen … in seiner unerschütterlichen kalvinistischen Glaubensüberzeugung, … neben der sein Streben, dem eigenen Hause zu Ruhm und Ansehen zu verhelfen, in den Hintergrund trat.“ Libertas ließe sich im Zusammenhang von Opitzens Text sehr vielfältig deuten: Handelt es sich um politische oder Religionsfreiheit? Vielleicht könnte der Sprecher hier zudem auf die „Goldene Freiheit“, einen speziell mit der polnisch-litauischen Adelsrepublik verbundenen Begriff der ständischen Freiheit, die sich gegenüber der Zentralgewalt zu behaupten hatte, anspielen; s. dazu auch Jacoby, der allerdings in seinem Resümee in bezug auf Bogusław Radziwiłł kritisch anmerkt: „Am Schicksal der Republik interessierte ihn wie auch viele seiner Standesgenossen in erster Linie nur die Aufrechterhaltung der bestehenden Staatsverfassung, d. h. der ‚Libertät‘, die die Herrschaft der Magnaten sicherte und ihm das höchste Mass an Selbständigkeit und Unabhängigkeit gewährte“ (S. 215 f.). 15 O lux et decus aureum juventae] Ähnliche Formulierungen finden sich nicht selten in Gedichten Opitzens für junge Adelige. So wird Christoph von Seidlitz, ebenfalls in einem Propemptikon anläßlich des Beginn seines Studiums, gleich in den Anfangsworten als Flos iuuentae bezeichnet (s. LW 2, S. 222). 18 f. Pietas … alma recti Dux Prudentia] Pietas und Prudentia als die (besonderen) Tugenden eines idealen Fürsten; vgl. zum Beispiel die Aufzählung bei Bruno Singer: Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus und der Reformation. München 1981 (= Humanistische Bibliothek 1/34), S. 31. In der römischen Panegyrik finden sich beide Eigenschaften gelegentlich ebenfalls in enger Nachbarschaft, vgl. Panegyrici Latini 6 (7),5,1 f. (Konstantin). 20–22] Die Sirenen als (vor allem aus Homers Odyssee) bekannte, auf Klippen sitzende Mischwesen aus Frau und Vogel, die durch ihren bestrickenden Gesang vorüberfahrende Seeleute in den Tod stürzen, und Kirke, bei der Odysseus auf seiner Fahrt ein Jahr bleibt, sowie der in V. 22 erwähnte „Massiker“ stehen hier wohl für die Verbindung von „Wein, Weib und Gesang“, d. h. für die gefährlichen Verlockungen, denen gerade ein adliger Student auf Reisen ausgesetzt war. 21 Circe nunc etiam venena miscet] Kirke gilt als große Zauberin; so verwandelt sie durch einen Gifttrunk die Gefährten des Odysseus in Schweine; s. Homer, Odyssee 10,230–243. 22 Massica] Der Mons Massicus, ein Gebirgszug zwischen Latium und Kampanien, war bereits in der Antike berühmt wegen seines Weines; dieser wird auch in der Dichtung immer wieder erwähnt, so mehrfach bei Vergil (z. B. Georgica 2,143 f.) oder Horaz (z. B. Oden 1,1,19; Satire 2,4,51–54).
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23–26] Kritik am adligen Studentenleben. 25] Durch das Oxymoron wird auf kleinstem Raum richtiges und falsches Verhalten benannt. 29 Maternum simul et genus Paternum] Seit ihrer Erhebung in den Reichsfürstenstand versuchten die Radziwiłłs, Zugang zum Kreis der europäischen Fürstenhäuser zu gewinnen. Bogusław Radziwiłłs Vater, Fürst Janusz (1579–1620) aus der Linie Birse und Dubinski, hatte 1613 unter Vermittlung des Landgrafen Moritz von Hessen in zweiter Ehe die Markgräfin Elisabeth Sophie von Brandenburg (1589–1629), eine der sieben überlebenden Töchter des Kurfürsten Johann Georg, geheiratet; s. Jacoby, S. 9–11. 31 Et virtus alio canenda versu] Mit alio … versu ist der Hexameter gemeint als das Versmaß, in dem seit der Antike (im Epos) heroische Gestalten und Taten besungen werden. Opitz verwendete dieses Versmaß z. B. in seinem umfangreichen Gedicht auf die Eroberung Regensburgs durch Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar von 1633 (RATISPONA IN LIBERTATEM VINDICATA; s. LW 3, S. 100). PRINCIPI JVVENTVTIS BONO REIP. NATO] Diese beiden Zeilen gehören nicht mehr zum Gedicht, sondern sind durch ein Setzerversehen wie Verse angeordnet worden. Auch in anderen Gruß- bzw. Widmungsadressen an junge Adlige aus hohem fürstlichem Hause verwendet Opitz die Bezeichnung Princeps Juventutis; vgl. zum Beispiel die Widmung zum Epicedium für Herzogin Dorothea Sibylla von Schlesien zu Liegnitz und Brieg; LW 2, S. 44. [V.M.]
VARIARVM LECTIONVM LIBER Sammlung von Quellen zur ‚sarmatischen‘ Geschichte [Vorrede und Begleitgedichte] Dünnhaupt, Nr. 174. – MARTINI OPITII | VARIARVM | LECTIONVM | LIBER, | In quo praecipue | SARMATICA. | DANTISCI. | Ex officina Andreae Hünefeldij. | M . DC . XXXVII . (UB Breslau: 535160). Unsere Teiledition folgt dem Erstdruck. Wiedergegeben werden die Dedicatio (fol. a2r-a4v) sowie die beiden Gedichte Opitzens aus dem Anhang (S. 70 f.). Dagegen bleiben die 19 Kapitel der eigentlichen Abhandlung (S. 1–67) unberücksichtigt wie auch die nicht von Opitz stammenden Teile aus dem 20. Kapitel, das M. Ant. Mureti, Hug. Grotij, M. Opitij Epigrammata in Nomisma aureum Zamoscianum enthält (S. 67–71), sowie der Index scriptorum am Ende des Bandes. Opitz war während seines Aufenthaltes im siebenbürgischen Weißenburg 1622/23 (siehe LW 1, S. 441 f., 466) auf archäologische Überreste der römischen Provinz Dacia gestoßen. Er hatte lateinische Inschriften gesammelt und den Plan gefaßt, ein Werk über die antiken Daker zu schreiben, das zunächst den Titel Commentarius rerum Dacicarum tragen sollte. Ein zweiter Aufenthalt in Weißenburg 1626 kam nicht zustande, da Opitz die Gefahren der Reise scheute. Das Werk über die Daker verfolgte er weiterhin, bald unter dem Titel
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Dacia antiqua, stellte es vermutlich jedoch nie fertig; vgl. Walter Gose: Dacia antiqua. Ein verschollenes Hauptwerk von Martin Opitz, in: Südostdeutsches Archiv 2 (1959), S. 127–144; Heltai; Harald Bollbuck: Imitation, Allegorie, Kritik. Antikenfunde bei Martin Opitz, in: Vorwelten und Vorzeiten. Archäologie als Spiegel historischen Bewußtseins in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Dietrich Hakelberg und Ingo Wiwjorra. Wiebaden 2010 (= Wolfenbütteler Forschungen 124), S. 311–341; ders.: „Quem imiter?“ Antiquarische Forschung und Philologie bei Martin Opitz, in: Welche Antike? Konkurrierende Rezeptionen des Altertums im Barock, hrsg. von Ulrich Heinen. Wiesbaden 2011 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 47), S. 231–245. Zwei Früchte trug Opitzens Beschäftigung mit der antiken Vorgeschichte Siebenbürgens allerdings doch: Einige der von ihm gesammelten Inschriften wurden im 19. Jahrhundert von Theodor Mommsen im Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL 3/1; vgl. Bollbuck, S. 316 f.) aufgenommen, und 1637 legte er das Werk Variarum lectionum liber, in quo praecipue Sarmatica vor, das sich in mancher Hinsicht in Konzeption und Inhalt mit dem Projekt Dacia antiqua überlagert. Die Variae lectiones sind, obgleich gedruckt vorliegend und verhältnismäßig leicht zugänglich, von der Forschung weit weniger gewürdigt worden als das verwandte, aber nicht zur Publikation gelangte Unternehmen der Dacia antiqua. In älteren Studien findet man kaum mehr als den Hinweis, daß Opitz in diesem Amalgam aus historiographischer Darstellung und Quellenedition „sich mit den Sarmaten, den vermeintlichen Vorfahren der Polen, beschäftigt“ (Szyrocki, S. 122). Die einzige ausführlichere Publikation zu den Variae lectiones ist ein Aufsatz von Mirosław Grudzie´n: Zum Kontext des „Variarum lectionum liber, in quo praecipue Sarmatica“ von Martin Opitz. in: Skamandros, Jg. 1989, S. 1–18 (darin wird auch eine deutsche Übersetzung der Widmung gegeben; die hier vorgelegte Übersetzung entstand unabhängig davon). Die Rezeption bei den gelehrten Zeitgenossen scheint intensiv gewesen zu sein; schon August Buchner urteilt in einem Brief vom Ende 1637 sehr positiv über Opitzens Schrift: benè de literis et Antiquitate meritus est (Conermann/Bollbuck, S. 1413). Der polnische Hofhistoriograph Joachim Pastorius erwähnt in seiner Abhandlung De originibus Sarmaticis (Danzig 1685) immerhin respektvoll Opitz als eruditissimus Opitius noster (S. 16) und bezieht sich ein weiteres Mal auf die Variae lectiones seines Amtsvorgängers, wenn auch mit einer Kritik im Detail: Opitius vir sane celebris et in Regio Historici munere decessor meus, negat Getas Sarmatis accenseri posse … (S. 44 f. mit Gegenbeweis); vgl. Variae lectiones, S. 14 f. In einem verbreiteten Lexikon des ausgehenden 17. Jahrhunderts (Johann Jacob Hofmann: Lexicon universale, historiam sacram et profanam … explanans. Editio absolutissima … Bd. 3. Leiden 1698, S. 451) werden s.v. Opitz unter dessen sparsam aufgezählten Schriften die Variae lectiones an erster Stelle erwähnt, dies mit Verweis auf Paul Frehers Theatrum virorum eruditione clarorum (Nürnberg 1688). Da eine angemessene Kommentierung der ungeheuer detailreichen Schrift nach den an die vorliegende Edition zu richtenden Ansprüchen nicht möglich war, wurde auf die Wiedergabe des Haupttextes ganz verzichtet und nur der paratextuelle Rahmen aufgenommen. Eine unserem Kommentar vorangestellte kurze Inhaltsskizze der Variae lectiones soll auf die Bedeutung des Werkes aufmerksam machen und zu einer separaten Bearbeitung des Gegenstandes motivieren. Die Variae lectiones sind eine thematisch geordnete und kommentierte Zusammenstellung vorwiegend von Exzerpten aus griechischen und lateinischen Autoren zu den
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Sarmaten und ihrem Siedlungsgebiet. Opitz gibt dabei auch textkritische Hinweise zu einigen der von ihm zitierten Stellen, vor allem aber legt er eine ethnographische Quellenstudie über die antiken Sarmaten vor, deren Bezug auf Werke der antiken Literatur genauer zu untersuchen wäre. Der schmale Band ist folgendermaßen aufgebaut: Widmung an Tomasz Zamojsky – Kap. 1: Über die Skythen und Sarmaten – Kap. 2: Herkunft des Namens – Kap. 3: Verschiedene Stämme der Sarmaten – Kap. 4: Daker, Geten und Thraker; Emendation einer Inschrift – Kap. 5: Edition von 13 Inschriften – Kap. 5 (irrtümlich wiederholte Zählung): Gebirge Sarmatiens – Kap. 6: Flüsse Sarmatiens – Kap. 7: Textkorrektur einiger Stellen aus der Ora maritima des Rufius Festus Avienus – Kap. 8: Emendation eines lateinischen Gedichtes und einer Inschrift – Kap. 9: Lebensweise der Sarmaten – Kap. 10: Götter, Kulte und Sitten der Skythen – Kap. 11: Textkorrektur weiterer Stellen aus der Ora maritima des Avienus – Kap. 12: Könige und Fürsten der Sarmaten – Kap. 13: Edition und Textkorrektur eines anonymen antiken Gedichts auf den Untergang Roms – Kap. 14: Äußeres und Kleidung der Sarmaten – Kap. 15: Tierwelt Sarmatiens – Kap. 16: Amazonen, Pferde – Kap. 17: Waffen der Sarmaten, Nachtrag zu Kap. 10 – Kap. 18: Kriege und Kämpfe der Sarmaten mit den Römern nach den römischen Kaisern geordnet von Augustus bis Theodosius; Zitat einer Inschrift aus der dakischen Stadt Sarmizegetusa und der sich darauf beziehenden Inschrift von Jan Zamojski auf den Tod des siebenbürgischen Fürsten und polnischen Königs Stephan Báthory (S. 58 f.) – Kap. 19: Christianisierung der Sarmaten – Kap. 20: Epigramme von Muretus, Grotius und Opitz auf Jan Zamojski, Epigramm von Opitz auf Tomasz Zamojski – Register der zitierten antiken und neuzeitlichen Autoren – Errata. Daß Opitz, wie er selbst zugibt, das Werk rasch zusammengeschrieben hat, wird an Flüchtigkeiten wie der Doppelzählung von Kapitel 5, die er auch in seiner Errata-Liste nicht erwähnt, oder dem Nachtrag in Kapitel 17 von Texten, die nach Kapitel 10 gehören, deutlich. Seine Absicht, dem polnischen Kanzler Tomasz Zamojski eine Gefälligkeit zu erweisen, wird darin deutlich, daß er in Kapitel 18 eine nicht in den Kontext passende dakische Inschrift wiedergibt, um daraufhin ein Epigramm des Vaters Jan Zamojski zitieren zu können, das in Teilen nach der dakischen Inschrift gestaltet ist. Weshalb Opitz in Kauf nahm, große Teile seines für die Dacia antiqua gesammelten Materials vorweg zu publizieren (das Problem erkannte auch Buchner, s. Conermann/Bollbuck, S. 1413), müßten weitergehende Untersuchungen ergründen. Bollbuck (wie oben), S. 335f. spricht von einem „Auftrag des polnischen Kanzlers Thomas Zamoyski“, ohne diesen allerdings genauer zu belegen; auch seine Behauptung, Opitz habe „sich mit dem Werk den Titel eines polnischen Hofhistoriographen“ verdient (ebd.), ist fragwürdig, da Opitz nach glaubhaften Berichten von Zeitgenossen bereits 1636 dieses Amt erhalten hatte; vgl. Conermann/Bollbuck, S. 1310. Eher wäre Bollbucks auf die Dacia antiqua gemünzte Deutung zu erwägen, dass der Verfasser einer antiquarischen Schrift „sich als Verwalter des historischen Gedächtnisses vor den Herrschaftseliten inszenieren“ (Bollbuck, S. 337) wollte. Opitz widmet die Variae lectiones also dem polnischen Großkanzler Tomasz Zamojski (1594–1638), dem Sohn des weitaus berühmteren Jan Zamojski (1542–1605), der unter mehreren Königen hohe Staatsämter bekleidet und seit 1581 die Ämter des Großkanzlers und des Großhetmans (Oberbefehlshaber der Armee) auf sich vereinigt hatte. Der ältere Zamojski war als einflußreicher Magnat lange der Gegenspieler von König Zygmunt III.
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(reg. 1587–1632) gewesen und genoß auch lange nach seinem Tod großes Ansehen wegen seiner militärischen Erfolge und, bei den Protestanten, wegen deren Unterstützung gegen die Rekatholisierungsbestrebungen unter Zygmunt III. Es ist demnach mehr als bloße Konvention, wenn Opitz zu Beginn seiner Dedicatio – nach dem topischen Hinweis auf die fraglose Angemessenheit der Zueignung an den jüngeren Zamojski – die Kriegs- und Friedensleistungen des älteren hervorhebt, bevor er in der Metaphorik des antiken Mythos (passibus magnis AEneam Tuum secutus) den Sohn als würdigen Nachfolger seines heroischen Vaters preist. Die einzelnen Topoi panegyrischer Personencharakterisierung wie Jugend, Ausbildung, Reisen, Ämterlaufbahn, Höhepunkt der Karriere oder adlige Tugenden werden allerdings ohne präzise Belege abgearbeitet. In der Folge begründet Opitz seine Dedikation mit der Unterstützung, die er seit fünf Jahren durch Tomasz Zamojski erfahren habe, und geht auf die Anforderungen ein, mit denen derjenige sich konfrontiert sehe, der ein opus tanta materia et Sarmatico nomine dignum in Angriff nehme. Über die inhaltliche Ausrichtung und Struktur des Werkes äußert er sich allerdings nicht. Die Widmungszuschrift endet mit Huldigungsworten für den Empfänger und einer Bitte an Gott, das blühende Königreich Polen immerdar zu beschützen. VARIARVM LECTIONVM] Unsere Übersetzung „Lesefrüchte“ vermittelt nur einen Aspekt der im 16. Jahrhundert verbreiteten Bezeichnung eines Texttyps, der Elemente der Edition, der Textkritik, der Kommentierung, der Realienkunde und der Historiographie auf zeittypische Weise verband. Vgl. Klara Vanék: „Ars corrigendi“ in der frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte der Textkritik. Berlin u. a. 2007 (= Historia Hermeneutica, Series Studia 4), S. 137–153. [Dedicatio] COMITI IN TARNOW SVPREMO REGNI POL . CANCELLARIO , GENERALI CRACOVIENSI , KNYS-
Der Sohn von Jan Zamojski und Barbara Tarnowska (gest. 1610) bekleidete sein wichtigstes Amt, das des polnischen Großkanzlers, von 1635 bis zu seinem Tod 1638. Die Starosteien waren königliche Güter, denen Zamojski als Verwalter vorstand. Zu Tomasz Zamojski gibt es ausschließlich Literatur in polnischer Sprache, vgl. Adam Andrzey Witusik: Młodo´sc´ Tomasza Zamoyskiego. O wychowaniu i karierze syna magnackiego w pierwszej połowie XVII wieku. Lublin 1977.
SYNENSI RABSTINENSI SOKALIENSI PRAEFECTO ]
Parente maximo] Jan Zamojski war eine schillernde Figur, die in der polnischen Geschichtsschreibung sehr divergent beurteilt wird, gerade was das Verhältnis von König, Adel und den Eigeninteressen des Hauses Zamojski betrifft. Je nach Tendenz werden Formulierungen wie Opitzens Regiam autoritatem decusque asseruisse unterschiedlich zu bewerten sein. Vgl. zum ersten Einblick Andrzej Wycza´nski: Polen als Adelsrepublik. Osnabrück 2001 (= Klio in Polen 5), S. 213–231. Eine parteiische Darstellung zugunsten Zygmunts III. und zu Lasten Zamojskis liefert Walter Leitsch: Das Leben am Hof König Sigismunds III. von Polen. Bd. 2. Wien 2009, S. 692–709. Kurze, sachliche Hinweise gibt Alexander, S. 107–115. Eine neuere Monographie in polnischer Sprache (Jerzy Kowalczyk: Kultura i ideologia Jana Zamoyskiego. Warszawa 2005) enthält englische Zusammenfassungen der Kapitel, außerdem zahlreiche instruktive Abbildungen und Reproduktionen von Dokumenten.
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10 f. virtute armorum] Die wichtigsten militärischen Leistungen Jan Zamojskis bestanden in der Ausdehnung des polnischen Einflusses bis an die untere Donau durch Unterstützung wohlgesonnener Herrscher in den Fürstentümern Moldau und Walachei sowie in der Rückeroberung Livlands von Schweden. Zamojski verfügte über ein eigenes, nur ihm verpflichtetes Heer. 12 spirantemque … libertatem] Die Freiheit der polnischen Stände, die sich beispielsweise in der freien Königswahl (electio libera) manifestierte, wurde in der Adelsrepublik als besonders schützenswertes Gut gesehen. Jan Zamojski selbst sagte in seiner letzten großen Rede vor dem Sejm 1605: Fundamentum nostrae Reipublicae libertas est. Zitiert nach Hans-Jürgen Bömelburg: Frühneuzeitliche Nationen im östlichen Europa. Das polnische Geschichtsdenken und die Reichweite einer humanistischen Nationalgeschichte (1500–1700). Wiesbaden 2006 (= Veröffentlichungen des Nordost-Instituts 4), S. 164. Vgl. hier das gesamte Kapitel „Nationales Geschichtsdenken und die Ausformulierung republikanischer Konzepte“ (S. 158–175), wo u.a. auch die Anbindung des Freiheitsparadigmas an den Mythos von den sarmatischen Ursprüngen der Nation herausgestellt wird (Sarmaticam gentem semper fuisse liberam; Krzysztof Warszewicki, 1601, zitiert ebd., S. 162). 13 Academiam] Zamojski gründete 1578 in seiner Heimatregion im südöstlichen Polen die Stadt Zamo´sc´ als Verwaltungssitz und repräsentatives Zentrum seiner Grundherrschaften und eröffnete dort 1594 eine Akademie. Diese sollte die Zöglinge in den ArtesFächern und in der Jurisprudenz unterrichten und damit für den Staatsdienst vorbereiten, zugleich scheint sie ein Zentrum des polnischen Späthumanismus gewesen zu sein und internationale Kontakte gepflegt zu haben. Nach Zamojskis Tod verlor sie rasch an Bedeutung. Vgl. Kowalczyk (wie oben), vor allem die Kapitel S. 11–26 und 119–137; Andrzej Borowski: Justus Lipsius and the Classical Tradition in Poland, in: Iustus Lipsius. Europae lumen et columen. …, hrsg. von Gilbert Tournoy u. a. Leuven 1999 (= Supplementa Humanistica Lovaniensia 15), S. 1–16. 14 f. promerentia aeternitatem cum scripsit ipse] Das Hauptwerk Jan Zamojskis ist die Abhandlung De senatu Romano libri duo (Venedig 1563), die im Verlaufe seiner Studien in Padua entstanden sein dürfte. Die Autorschaft des 21jährigen Zamojski wird allerdings in Zweifel gezogen; vgl. Bömelburg (wie oben), S. 153; Titelblatt faksimiliert bei Kowalczyk (wie oben), S. 275. 15 Scaligeros] Joseph Justus Scaliger (1540–1609), französischer Philologe, seit 1593 Professor in Leiden. Ein im Anhang der Variae lectiones (S. 70) gedrucktes Gedicht von Hugo Grotius trägt den Titel In EFFIGIEM ILLVSTRISSIMI IOH. ZAMOSCII MAGNI POL. CANCELLARII, in auro expressam et à Ios. Scaligero legatam. Wie aus den übrigen Texten des Anhangs hervorgeht, hat Zamojski Scaliger und Muret goldgeprägte Medaillen mit seinem Bild zukommen lassen. Das im Besitz Scaligers befindliche Stück scheint nach dessen Tod an Grotius übergegangen zu sein. 15 Muretos] Der französische Philologe und Dichter Marc-Antoine Muret (1526–1585) gilt als herausragender Vertreter des Tacitismus und dürfte für die polnischen Debatten um Wahlkönigtum und Adelsrepublik von Einfluß gewesen sein. Er soll zeitweise erwo-
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gen haben, nach Polen überzusiedeln. Vgl. Bömelburg (wie oben), S. 193–195. Murets poetischer Dank für die Zusendung zweier Medaillen mit dem Konterfei Jan Zamojskis (BI na mihi artifici caelata Numismata dextra, / Magnus ab Arctoo misit Zamoscius Orbe) ist im Anhang der Variae lectiones, S. 68 f., abgedruckt. 15 Lipsios] Der berühmte niederländische Philosoph und Philologe Justus Lipsius (1547–1606) stand mit Vater und Sohn Zamojksi in Briefkontakt, eine der centuriae seiner Briefausgaben wurde von den Nachlaßverwaltern Tomasz Zamojski zugeeignet. Lipsius verehrte den älteren Zamojski und äußert sich dazu auch gegenüber Dritten. Vgl. Borowski (wie oben; mit Quellenzitaten). 17 f. passibus magnis AEneam Tuum secutus] Tomasz Zamojski wird mit Ascanius, dem Sohn des Aeneas, verglichen, der dem Vater nacheifert und im Kampf um die Herrschaft in Latium an dessen Seite auftritt (vgl. etwa Vergil, Aeneis 12,166–169). Konkrete Vorlage für die Stelle ist allerdings Aeneis 2,723 f., wo der – damals noch kindliche – Ascanius (= Iulus) dem Vater mit ungleichen Schritten folgt: dextrae se parvus Iulus / Implicuit sequiturque patrem non passibus aequis. Daß Opitz hier diskret auf den Abstand zwischen Vater und Sohn Zamojski hinweisen wollte, ist immerhin denkbar. 21 f. in regiones extraneas missus] In den Jahren 1615–1617 unternahm Tomasz Zamojski eine Bildungsreise in die Niederlande, nach England, Frankreich und Italien. Über die Teilnahme des jungen Zamojski an diversen Feldzügen, die durchaus belegt ist, schreibt Opitz auffälligerweise nichts, sofern nicht die Worte quibus ausibus inter ipsa aetatis initia auf frühe Einsätze in den Kriegen gegen Russen und Tataren verweisen sollen. 22f. spectaculum … indolis tuae] Vgl. Kowalczyk (wie oben), S. 189: „Apart from the languages of the Antique (Greek, Latin) and modern ones (German), Tomasz also learnt some Oriental languages: Turkish and Arabic.“ Zur Ausbildung des jungen Zamojski im allgemeinen vgl. ebd., S. 173–190. 29 ad hanc, cui dignitas ex te augetur] Das höchste zivile Amt im Staat, das des Großkanzlers, erlangte Zamojski im Jahre 1635. Zuvor hatte er unter Zygmunt III. und Władysław IV. eine stattliche Ämterlaufbahn absolviert. 35 f. ante hoc quinquennium] Es war nicht zu ermitteln, inwiefern Opitz bereits um 1631/32 von Zamojski gefördert wurde. Um diese Zeit mußte Opitzens langjähriger Dienstherr, der katholische Burggraf Karl Hannibal von Dohna, fliehen und Opitz orientierte sich neu auf das – vorübergehend – siegreiche protestantische Lager in Schlesien hin. 37 f. Comitijs … nunc feruentibus] Opitz äußerte sich bald nach der Unterzeichnung der Dedicatio, nämlich am 13. März 1637, in einem Brief an Andreas von Langen enttäuscht über den offenbar ‚hitzig‘ (feruentibus) geführten Reichstag (Comitia nostro nullo effectu; Conermann/Bollbuck, S. 1342), bei dem unter anderem Vorwürfe gegen die Calvinisten vorgebracht worden seien und der König auf der Heirat mit der habsburgischen Prinzessin (vgl. die Hochzeitsschrift Felicitati augustae, 1637) bestanden habe. Vgl. den Kommentar ebd., S. 1348: „Der Warschauer Reichstag Anfang 1637 war so chaotisch, daß ein neuer Sejm für den Juni angesetzt werden mußte.“
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39–41 intra tot dieculas … quot annos premere nos scripta nostra … Horatius vult] Horaz hatte in seiner Ars Poetica (388) dekretiert, man solle ein Werk neun Jahre lang reifen lassen (nonum … prematur in annum), also will Opitz nur neun kurze Tage (dieculas; das Diminutiv von dies wird antik allerdings nicht im Sinne von ‚Tag‘ gebraucht) an den Variae lectiones gearbeitet haben. 40 f. Simonidis olim tui Horatius] Szymon Szymonowic, „a neo-Latin Polish poet and organizer of the Zamoyski Academy“ (Borowski, wie oben, S. 4; vgl. den gesamten Beitrag). Simon Simonides, wie sein Name in latinisierter Form lautet, verfaßte Oden (auch in pindarischen Formen) und Dramen; vgl. Lidia Winniczuk: Die lateinische Dichtung des Simon Simonides (1558–1629), in: Renaissance und Humanismus in Mittel- und Osteuropa …, hrsg. von Johannes Irmscher. Bd. 2. Berlin 1962 (= Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Schriften der Sektion für Altertumswissenschaft 32), S. 139–148. 44 eorum partem esse concedam] Im Druck steht nach concedam ein weiteres Mal eorum. Dazu heißt es in der Errata-Liste auf der letzten Seite des Druckes: in Praefat. fac. 5. lin. 10. dele alterum, eorum. 45 Sarmatico nomine] Auch wenn Opitz hier zunächst von den Sarmaten des Altertums spricht, hat der Begriff doch auch eine aktuelle politische Dimension. Ab dem 16. Jahrhundert war es in Polen ein Gemeinplatz der nationalen Geschichtsschreibung, die Slawen, und damit vor allem die Polen selbst, auf die antiken Sarmaten zurückzuführen. Das polnische Volk wurde damit historisch geadelt und für autochthon erklärt; vgl. Norbert Kersken: Geschichtsbild und Adelsrepublik. Zur Sarmatentheorie in der polnischen Geschichtsschreibung der frühen Neuzeit, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 52 (2004), S. 235–260. Das ‚sarmatische‘, auf den Raum anstatt auf eine Dynastie bezogene Geschichtsmodell lieferte „ein historisches Integrationsangebot an die nichtpolnischen, ‚sarmatischen‘ Völker des polnisch-litauischen Staates“ (ebd., S. 255), und die dergestalt rekonstruierte Vorgeschichte „war ein Teil der Geschichte der polnischen Nation, die bedeutend weiter zurückreicht als die Geschichte der polnischen Fürsten oder Könige“ (S. 256) – eine Vorstellung, die das Modell für den auf seine libertas gegenüber dem (Wahl)königtum bedachten Adel besonders attraktiv machte. Opitz geht in den Variae lectiones auf mögliche Gegenwartsbezüge freilich nicht ein und läßt sein Werk mit der Christianisierung der Sarmaten abbrechen. Wie Bollbuck (s. o., S. 336) herausstellt, „erkannte [Opitz] eine Verbindung zwischen alten Sarmaten und eingewanderten polnischen Slawen nicht an“. Allerdings spricht er mit Blick auf Jan Zamojski von Sarmatiam suam (… qui Sarmatiam suam viuus meritis ac virtute, ad meliora sublatus Orbem vniuersum memoria sui splendidissima impleuit, S. 68) und meint damit zweifellos die polnisch-litauische Adelsrepublik seiner Zeit; vgl. hierzu Grudzie´n (wie oben), S. 9; ebd., S. 1–8, ausführlich zum Sarmatismus im Kontext der Entstehung eines Nationalbegriffs slawischer Völker im 16. Jahrhundert. 46–51 vniuersum … necesse est] Es wäre lohnend, diese recht detaillierten Maximen mit zeitgenössischen Traktaten zur Theorie und Methode der Geschichtsschreibung abzugleichen. 55 f. sopito armorum tumultu, fusis hostibus aut summotis] Zu den erfolgreichen oder als erfolgreich deklarierten Kriegen und Feldzügen, die Polen in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts führte, vgl. den Kommentar zum Lobgeticht (1636), Lw 3, S. 455–457.
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57 f. Victoriosissimi Clementissimique Regis nostri Maiestatem] König Władysław IV. (1595–1648); vgl. die Kommentare zum Lobgeticht (1636) und zur Hochzeitsschrift Felicitati augustae (1637). 61 f. Regni denique Potentissimi Regnis alijs negatae libertati libertatis perpetuitatem adstruat] In chiastischer Stellung werden der innerweltliche und der transzendente, auf Luther und über ihn auf Paulus zurückgehende Freiheitsbegriff konfrontiert und zugleich (adstruat) zusammengeführt. 62 Dantisci] Vgl. zum Entstehungszusammenhang Bronisław Nadolski: Gda´nska ksi˛az˙ ka Marcina Opitza o Sarmacji, in: Zapiski historyczne 31 (1966), Heft 2, S. 43–47. [MART. OPITII.] 1 Z AMOSC I facies] Aus dem Kontext wird ersichtlich, daß das – wie das folgende in elegischen Distichen abgefaßte – Epigramm eine goldene Medaille beschreibt, auf der Jan Zamojski dargestellt ist. Die Abbildung einer Medaille mit Zamojskis Konterfei findet sich bei Kowalczyk (wie oben), S. 223. [AD ILLVSTRISSIMVM HEROA THOMAM ZAMOSCIVM] 3 Tu quoque me donas genitoris imagine] Grudzie´n (wie oben, S. 17) erwähnt, daß Opitz die goldgeprägte Medaille mit dem Konterfei Jan Zamojskis aus der Hand von Tomasz Zamojski erhalten habe; vielleicht steht dieses Geschenk im Zusammenhang mit der Zueignung der Schrift. 4 Qua se Muretis Scaligerisque dabat] Mit diesem Vers spielt Opitz direkt auf das S. 70 ebenfalls abgedruckte Gedicht von Hugo Grotius an, in dem der große niederländische Gelehrte das ihm indirekt – über Scaliger – ebenfalls zugekommene Porträt Zamojskis beschreibt. Dort heißt es am Schluß: Talis Scaligero voluisti nempe videri, / Qualem te Musis, Scaligeroque dabas. Opitz stellt sich also nicht nur durch die Sachaussage seines Gedichts, sondern auch metatextuell in die Reihe der bedeutenden Humanisten, die – und sei es als Nachgeborene wie Grotius – mit Zamojski in Verbindung standen. 10 Sed pretium à pretio dantis vtrumque capit] Vielleicht ist hier gegenüber V. 4 eine feine Geste der Überbietung angedeutet: Anders als die genannten Humanisten kann Opitz eine Bindung zu beiden Zamojskis für sich reklamieren. Das Konterfei des Vaters erfährt für Opitz eine Wertsteigerung dadurch, daß er es vom Sohn als Geschenk erhält. [M.F., R.S.]
FELICITATI AVGVSTAE Widmungsgedicht und Glückwunschschrift zur Hochzeit von König Władysław IV. von Polen Dünnhaupt, Nr. 175.1; – FELICITATI · AVGVSTAE | HONORIQVE · NVPTIAR. | SERENISSIMOR. PRINCIPVM | VLADISLAI · IV · | POL · SVEC · QVE · REGIS. |
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ET | CAECILIAE | RENATAE | ARCHIDVCIS AVSTRIAE. | D. D. | MART · OPITIVS | MAIEST · EOR · DEVOTISS. | GEDANI. | APVD · A · HVNEFELDIVM. [1637] (Signatur: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Göttingen: 8 H POLON 2/7:1 (34)). Unsere Edition folgt diesem Druck, damit kollationiert wurde eine vermutlich noch zu Opitzens Lebzeiten erschienene, praktisch textgleiche Ausgabe (o.O., o. J.), im Folgenden als Dünnhaupt, Nr. 175.2 gekennzeichnet. Der lateinische Text wurde überdies noch in Joachim Pastorius’ historiographischem Sammelwerk Florus Polonicus seu Polonicae Historiae Epitome Nova (Danzig 1641) gedruckt, außerdem erschienen im Entstehungsjahr zwei Ausgaben einer deutschen Version von Christoph Coler. Alle fünf Drucke sind bibliographisch verzeichnet bei Dünnhaupt, Bd. 4, S. 3063 f.; vgl. überdies Conermann/Bollbuck, S. 1376, mit Ergänzungen und wertvollen Standortnachweisen. Die anläßlich der Hochzeit Władysławs IV. mit der habsburgischen Prinzessin Caecilia Renata am 12. September 1637 entstandene Glückwunschschrift weist zahlreiche inhaltliche Überschneidungen mit anderen Texten auf, die Opitz für Angehörige des polnischen Königshauses schrieb. Enge Parallelen gibt es insbesondere zum 1636 gedruckten Lobgeticht und der zugehörigen lateinischen Vorrede, daher wird hier pauschal auf den entsprechenden Kommentar verwiesen (SU nt cum publicae tum priuatae caussae; künftig unter dem deutschen Titel Lobgeticht angeführt, s. LW 3, S. 453–459). Nicht zu berücksichtigen sind von uns hingegen die erst in jüngster Zeit näher untersuchten Quellen, in denen die polnischen Historiographen der Wasa-Zeit (in polnischer wie in lateinischer Sprache) die Rolle des Königs und der Dynastie bewerteten. Opitz war nominell königlicher Hofhistoriograph, trug aber nicht mit umfassenden Geschichtswerken zur nationalen Identitätsbildung oder zur Legitimation des Herrscherhauses bei. Zu diesem Themenkomplex vgl. Hans-Jürgen Bömelburg: Frühneuzeitliche Nationen im östlichen Europa. Das polnische Geschichtsdenken und die Reichweite einer humanistischen Nationalgeschichte (1500–1700). Wiesbaden 2006 (= Veröffentlichungen des Nordost-Instituts 4), bes. S. 176–276, zu Pastorius (s. o.) S. 207–211; Gerhard Kosellek: Martin Opitz im Dienst des polnischen Königs Władysław IV. Wahrheit und Legende. In: Germanoslavica 19 (2008), S. 17–33. [Widmungsgedicht] Der Verfasser kündigt für den Fall künftiger militärischer Triumphe des Königs panegyrische Dichtungen an, wie er sie – das bleibt hier unausgesprochen – ihm kurz zuvor mit dem Lobgeticht (und dem Epigramm Vrbs curae superum) bereits zugeeignet hatte (V. 3–8). Nun aber herrschen Frieden (V. 9–11) und Festesfreude (V. 12–18), zu der Opitz durch sein kleines Geschenk, eben die folgende Hochzeitsrede, beitragen möchte (V. 19–23). Das Gedicht schließt mit Segenswünschen an das Brautpaar (V. 24–29). – Versmaß: Hendekasyllaben. Titel] In die umfangreiche Titulatur des Königs gehen komplexe historische Entwicklungen in den Ostseeterritorien und mehr oder minder realisierte Gebietsansprüche ein. Das Großfürstentum Litauen war seit der Lubliner Union (1569) mit dem polnischen Königreich formell vereinigt, zum Herrschaftsgebiet Litauens gehörten Samogitien (Schamaiten), Livland, Smolensk, Severien und Tschernigow. Teile Preußens sowie das ehemalige
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Piastenherzogtum Masowien gehörten zu Polen. Die Bemühungen Władysławs IV. um die russische Zarenkrone und die Krone Schwedens (hierzu vgl. Kommentar zum Lobgeticht) beeinflußten seine Politik über Jahre. 3 grauesque fastos] Ovids kulturhistorisch-mythographisches Gedenkbuch Fasti (eigentlich: ‚Festkalender‘) steht hier offenbar metonymisch für eine panegyrische Dichtung, die die Taten eines Fürsten literarisch protokolliert. 3–5] Exemplarisch sei hier auf die oben genannte Übersetzung von Christoph Coler verwiesen, die wir in folgender Ausgabe benutzt haben: Zu Majestätischer Glückseligkeit vnd | Hochzeitlichem Ehrenbegängnü‚ | Deß Durchlauchtigsten / Großmächtigsten Fürsten‚ | vnd Herren‚ | Herrn VLADISLAI deß IV. | Könige‚ zu Pohlen vnd Schweden etc.| Vnnd | Der Durchlauchtigsten Kayserlichen Princeßin | Fräwlein CAECILIAE RENATAE, | ErtzHertzogin zu Oesterreich etc.| Ward diese‚ Vnterthänigst | dediciret.|Durch | MARTINUM OPITIUM. | Nun aber auß dem Lateini‚chen in | Hochteutsch über‚etzt | Vnnd Ihr. Fürstl. Hn. | dem Kay‚: Oberampte | Vnterthänig übergeben | Durch | CHRISTOPHORUM COLERUM. [o.O., o. J.]. Die Verse übersetzt Coler wie folgt: „Wir wollen dazumal mit Hoherstimme singen/ Ein thönend Helden Lied/ vnd Zeitregister bringen/ Die deiner Thaten werth; ein solches Andenckbuch/ Daß von der zeiten lauff kriegt keinen stoß noch bruch“ (fol. B3v). Coler versteht ferre diem als Hinweis auf die Unvergänglichkeit der Dichtung, die Junktur könnte allerdings auch im Sinne der Publikationsreife (‚Arbeiten, die das Tageslicht nicht scheuen müssen‘) aufgefaßt werden. – Ein konsequenter Abgleich von Opitzens und Colers Fassungen, wie er hier nicht geleistet werden kann, würde möglicherweise das Verständnis von Opitzens Text modifizieren, aber auch dazu beitragen, den panegyrischen Diskurs der Zeit präziser zu erfassen. 6 f. Scytha … Asiae … tyrannus] In passender antikisierender Einkleidung werden mit den Russen und den Türken die (nach der Beendigung des polnisch-schwedischen Krieges 1635) wichtigsten Gegner Władysławs benannt, mit denen er sich vor und nach seinem Regierungsantritt immer wieder militärisch auseinanderzusetzen hatte. 12 f. Senatus … Proceres] Einer zunächst geplanten Hochzeit des Königs mit der pfälzischen Prinzessin Elisabeth hatten die Stände wegen deren Zugehörigkeit zum reformierten Bekenntnis nicht zugestimmt; vgl. Zedler, Bd. 49, Sp. 513; Seidel (2011), S. 226. Die Entscheidung für die österreichische Prinzessin hatte freilich auch mit bündnisstrategischen Überlegungen des polnischen Hofes zu tun. 15–18] Anlehnung an die Diktion der Hendekasyllaben Catulls. 28 Filia Caesaris Sororque] Die Braut Caecilia Renata (s. u.) war eine Tochter Ferdinands II. und Schwester Ferdinands III., der seinem Vater nach dessen Tod Anfang 1637 als Kaiser nachfolgte. [Glückwunschschrift] Während in der lateinischen Vorrede zum Lobgeticht die Gerechtigkeit des Herrschers leitmotivisch wiederkehrt, steht in der Gratulationsschrift zur Hochzeit das Glück des Königs im Zentrum. In Überbietung antiker Vorbilder läßt Opitz die felicitas des Herrschers
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bereits im Titel aufscheinen und verfolgt das Motiv konsequent durch den gesamten Text – ein Verfahren, das Christoph Coler in der Zueignung seiner Übersetzung der Schrift an Heinrich Wenzel Herzog zu Münsterberg aufgreift. Zur antiken Tradition vgl. Michael Mause: Die Darstellung des Kaisers in der lateinischen Panegyrik. Stuttgart 1994 (= Palingenesia 50), S. 103: „Die Betonung des Glücks des Herrschers, der felicitas oder der guten fortuna, ist ein gängiger Topos der antiken Literatur. Letztendlich drückt sich hierin das Wohlwollen der Götter für den Kaiser aus, das sich in seinen Aktivitäten in Friedenszeiten, aber vor allem auch in kriegerischen Konflikten zeigt.“ Unter den humanistischen Rhetoriklehrern formulierte etwa David Chytraeus in seinem mehrfach aufgelegten Handbuch als achten von zehn Topoi des Personenlobes: Eventus seu felicitas in rebus gerendis et praemia rerum gestarum; David Chytraeus: Praecepta rhetoricae inventionis. Vorschriften der Rhetorik [1556]. Einleitung, Text und Übersetzung hrsg. von Nikolaus Thurn u. a. Rostock 2000 (= Rostocker Studien zur Kulturwissenschaft 3), S. 134 f. In einer Einleitung weist der Verfasser auf den allgemeinen Zuspruch hin, den die Eheschließung des Monarchen hervorruft, und stellt seine eigene Schrift als exemplarische Vertreterin der panegyrischen Gattung vor: Sie ist ebenso das Produkt pflichtschuldiger Dankbarkeit wie der Einsicht in Zusammenhänge, die nach Ausdruck verlangen. Das umfassende Glück des Bräutigams erscheint als die zwangsläufige Folge günstiger Voraussetzungen, die sich grob in Herkunft und eigene Leistungen gliedern lassen. Traditionsgemäß stehen Abkunft und Ausbildung des Fürsten denn auch am Beginn des Panegyricus. Die Fürsorge des königlichen Vaters findet ihre Entsprechung in der Frühreife des Sohnes (ein Topos des Fürstenlobs), der sich durch gelehrte Studien ebenso wie durch ausgedehnte Reisen bildet. Die peregrinatio, die den Prinzen an mehrere europäische Höfe und in viele Länder führt, trägt diplomatischen, wissenschaftlichen und militärischen Aspekten Rechnung. Nach knapp der Hälfte des Textes markiert Opitz eine Steigerung, indem er von den herkunftsbedingten Vorzügen zu den persönlichen Stärken des Fürsten übergeht (Alia me vocat Felicitas Tua, maior priori, quia gloriosior, quia stabilior et casibus externis minus subiecta). Die Virtus, also die persönliche Charakterstärke, wird als Felicitatis … supplementum, mithin als notwendige Voraussetzung für ein vollständiges Fürstenglück gesehen. Virtus manifestiert sich aber auch in einer Reihe von Einzeltugenden, deren Beschreibung jeweils mit einem anaphorischen Felix es, quod … (mit Variationen) eingeleitet wird und zu denen Frömmigkeit, Klugheit, Gerechtigkeit, Selbstbeherrschung, Milde, Aufrichtigkeit und Leutseligkeit gehören. Auf die Leistungen des Friedensfürsten folgen die des Kriegsherrn. Analog zu den Berichten in anderen Texten, doch mit leichten Abweichungen in der Präsentation (vgl. Seidel, 2011, S. 219–222) schildert Opitz Władysławs militärische Erfolge gegen Russen und Türken; insbesondere der Sieg bei Smolensk im Jahre 1634, wo der König den Belagerer seinerseits belagerte (vrbe ab hostibus obsessa, hostes ipsos castris Tuis obsidebas), wird als strategische Meisterleistung herausgestellt. Die Rückkehr von der Kriegs- zur Friedensthematik geschieht in Form eines Hinweises auf den Friedensschluß mit Schweden, den Władysław, der Hoffnungen auf die schwedische Krone hegte, weniger entschieden angestrebt hatte, als Opitz glauben machen will. Der Lobredner feiert jedenfalls die mit der äußeren Befriedung der Region zugleich erreichte innere Einheit des Landes, die sich in der Zustimmung aller staatlichen Organe zu Władysławs Herrschaft manifestiert (tanto Procerum Augustorum consensu, tanta
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Inclitorum Ordinum voluntate, tantis Prouinciarum, Vrbium, Populorum gaudiis). Der dynastische Aspekt, der in der Erinnerung an Władysławs Wahl zum König anklingt, führt den Glückwunschredner endlich zum eigentlichen Anlaß, der Eheschließung mit der österreichischen Prinzessin. Die rhetorisch gemeinte Abwehr der landläufigen Ansicht, Ehen in fürstlichen Häusern würden unter pragmatischen Gesichtspunkten geschlossen (Regum imprimis matrimonia amplificandae potentiae, firmandi foederis, aliarumque rerum ergò contrahi ), bleibt freilich recht blaß, wenn man etwa das Lob der habsburgischen Braut mit Opitzens fulminanter Gedenkrede auf Anna Wasa, eine protestantische Tante des polnischen Königs (Panegyricus Annae, 1636), vergleicht (hierzu ausführlich Seidel, 2011). Der Autor war als Anhänger des reformierten Bekenntnisses in der Heiratsfrage ein Befürworter der ‚pfälzischen Option‘ (s. o. zu V. 12 f.) gewesen, und als die Entscheidung zugunsten Caecilia Renatas fiel, deutete er diskret seine Unzufriedenheit an. Szyrocki, S. 122, sieht in dieser Hochzeitsschrift „die polnischen Verhältnisse ganz anders gestaltet als vor eineinhalb Jahren, da er [Opitz] Wladislaw sein berühmtes deutsches Lobgedicht überreichte“, und Opitz habe „die prokatholische Stimmung, die damals am königlichen Hofe herrschte, in Betracht“ gezogen, weshalb es hier „an jener Aufrichtigkeit und jenen kühnen Worten“ fehle, „die in dem früheren deutschen Gedicht zu finden sind“. In einer jüngeren Studie wird dargelegt, daß Opitz bis an die Grenze des Schicklichen ging, um seine kritische Einstellung gegenüber Entscheidungen des polnischen Hofes zu artikulieren, und daß die Worte, mit denen er die Qualitäten der Braut referiert, in Teilen geradezu als Travestie der tradierten Formen des höfischen Frauenpreises zu werten sind (Seidel, 2011, S. 229–232). Freilich mußte der gutwillige Leser das nicht so verstehen, und wer die Bindung der polnischen Monarchie an das Kaiserhaus durch diese Ehe gefestigt sehen wollte, konnte Opitzens Panegyricus als höfische Begleitmusik zu dieser dynastischen Transaktion auffassen. 4–6 gratulabuntur Tibi … disertissimi ac Latini planè oris viri] Unter den lateinischen Gratulationsschriften zur Hochzeit des Königs sei hier nur exemplarisch angeführt: Simon Dach [Musik: Heinrich Albert]: Odae sub gratulatione academica super auspicatissimo thalamo Vladislai Maximi, Polonorum regis, musicis numeris ita decantatae, ut orationum argumentum exprimant. Königsberg 1637. HPG verzeichnet überdies noch einen zu demselben Anlaß verfaßten, aus 100 Epigrammen bestehenden Hymenaeus von Friedrich Zamehl (Bd. 21, S. 122) sowie mehrere Gratulationsschriften auf Władysławs zweite Hochzeit 1646 mit Maria Ludovica Gonzaga (darunter eine von Johann Peter Titz, Bd. 23, S. 316). 8 f. ego, clementer adeò ac benignè in gratiam Tuam receptus] Seit 1636 stand der aus Schlesien vor der Gegenreformation geflohene Opitz in einem lockeren Dienstverhältnis zum polnischen Königshaus, wozu auch die Bestallung in das Amt des Hofhistoriographen gehörte; vgl. Seidel (2011), S. 215–217. 14 f. declamatiunculam … Legendo] Offenbar war der wie eine Rede konzipierte Text nicht zum Vortrag vorgesehen. 26 f. Paternum genus Tuum à Regibus, maternum à Caesaribus ortum est] Władysław IV. war der Sohn des polnischen Königs Zygmunt III. und der Erzherzogin Anna, einer Enkelin Kaiser Ferdinands I.
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28 quibus maiorum imagines pro merito sunt] Vgl. Juvenal, Satire 8 (zur Adelskritik), hier bereits die Anfangsverse 1–3: Stemmata quid faciunt? quid prodest, Pontice, longo / sanguine censeri, pictos ostendere vultus / maiorum … . Das in der Frühen Neuzeit geläufige Motiv des Gegensatzes von Geburts- und Geistesadel, der im Modus panegyrischer Rede natürlich aufgehoben wird, findet sich bei Opitz sehr häufig, so z. B. in der Laudatio funebris … Fabiani Lib. Baronis a Cema (1636). 28 f. diuinus heros, Prouidentissimus retrò Principium, Parens Tuus] König Zygmunt III. (1566–1632) regierte seit 1587. Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2003 (= Reclams Universal-Bibliothek 17060), S. 111–122, zeichnet eine eher düsteres Bild des ersten Wasa-Königs. 35 f. Vt ignis … nescit] Die Passage erscheint beeinflußt von naturkundlichen Erörterungen wie bei Seneca, Naturales Quaestiones 2,24,1: Ignis enim natura in verticem surgit et, si nihil illum prohibet, ascendit. 36–38 ita … sperabaris] Zum seit der Antike geläufigen puer-senex-Motiv vgl. Curtius, S. 108–112; Mause (wie oben), S. 78. 40 Rege digna species] Zur Topik des Fürstenlobs gehörte neben Herkunft, Erziehung, Kriegs- und Friedensleistungen usw. auch die Körperbeschaffenheit (habitus corporis bei Quintilian, Institutio oratoria 5,10,26); vgl. Mause (wie oben), S. 151–163. 42 Solis sereni nitor] Auch der Vergleich des Fürsten mit der Sonne greift auf antike Traditionen zurück; vgl. Mause (wie oben), S. 220; zur Emblemtradition Henkel/Schöne, passim s.v. ‚Sonne‘. 63-65 externos … domestica] Über den Sinn und mögliche Gefahren der Bildungsreise, vor allem auch der adligen Kavalierstour, wurde zu Opitzens Zeiten heftig disputiert. Opitz hatte mit Gewißheit den von seinem Lehrer Caspar Dornau am 8. November 1616 in Beuthen veranstalteten Redeactus Mercurius nobilis, hoc est, quaestio politica, an adolescenti principi aut praeclarae familiae peregrinari liceat (Görlitz 1617) verfolgt. Die Schüler hatten hier in neun kontroversen Rede das Pro und Contra des Reisens erörtert; vgl. Seidel (1994), S. 54 f., hier auch Hinweise auf zeitgenössische Apodemiken. 67 iter Tuum cursoria celeritate relegere] Opitz beschreibt die 1624 begonnene, etwa ein Jahr dauernde Europareise des damaligen Kronprinzen. 67 f. Nissae Silesiorum Carolus auunculus] Erzherzog Karl von Österreich (1590–1624), der Bruder von Władysławs Mutter und Kaiser Ferdinand II., war bereits seit 1608 Bischof von Breslau und residierte im niederschlesische Neisse. Opitz verfaßte aus Anlaß seines Todes ein Epicedium (LW 2, S. 56–61), im Kommentar zu diesem Gedicht finden sich Hinweise zur Biographie Karls (ebd., S. 308–313). 70 f. Hoc comite Viennam Austriae cum subiisses] Nach seinem am 28. Dezember 1624 erfolgten Tod wurde Karl nach Wien überführt. Opitz reiste 1625 mit einer Kondolenzgesandtschaft der schlesischen Fürsten und Stände dorthin, während Władysław, wenn der Text wörtlich zu verstehen ist, dem Leichenzug folgte.
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67 f. Principes Bauarum Monaci, Coloniensem Bonnae ad Rhenum] Herzog Maximilian I. von Bayern (1573–1651), Kurfürst von der Pfalz, und Ferdinand von Bayern, Kurfürst und Erzbischof von Köln (1577–1650). 74 Martem Thracia, Phoebum Delo relicta] Die Geburt des Kriegsgottes Mars wird in der antiken Mythologie nach Thrakien, die des Phoebus Apollo auf die Insel Delos verlegt. 78 f. Serenissima Isabella] Infantin Isabella Eugenia von Österreich (1566–1633), die in Brüssel residierende habsburgische Statthalterin in den spanischen Niederlanden. 81 f. Lustratis ad Bredam castris quae … paullò post manus dedit] Im Achtzigjährigen Krieg um die Unabhängigkeit der Niederlande wurde Breda am 2. Juni 1625 vom spanischen General Ambrogio Spinola nach neunmonatiger Belagerung eingenommen. Der spanische Maler Diego Velázquez hielt die Übergabe der Stadt auf einem Gemälde (Die Übergabe von Breda) fest. In seiner positiven Würdigung des Hauses Habsburg geht Opitz hier über das unverbindliche Personenlob insofern hinaus, als er eine militärische Niederlage der Protestanten als ‚Glücksfall‘ (tanquam et hic Felicitas tua intercessisset) wertet. Vgl. allerdings die gegenläufigen Tendenzen beim Lob der habsburgischen Braut des Königs (s. o.). 81 castris quae] castrisque Dünnhaupt, Nr. 175.2. 86 f. qui per stuporem linguas exterorum discere nequeunt, per contemptum nolunt] Mit dem Wert der Kenntnis moderner Fremdsprachen hatte sich Opitz ebenfalls (s. o.) bei Caspar Dornau in Beuthen beschäftigt, sowohl als Zuhörer bei Disputationen wie auch in seiner eigenen Rede Aristarchus; zu den verschiedenen, teilweise rollenbedingten Positionen im Schulbetrieb vgl. Seidel (1994), S. 320–337; LW 1, S. 58–89, 319–337. 88f. Rex … censende] Bis zum Sturz der etruskischen Königsdynastie um das Jahr 500 v. Chr. regierten in Rom reges; vgl. Tacitus, Annalen 1,1: Urbem Romam a principio reges habuere. Insofern und weil der Titel im sakralen Bereich noch länger Bestand hatte, gehört rex zu den praecipua nomina der Römer, auch wenn der Blick des republikanischen Rom auf die Königsherrschaft eher negativ geprägt war. Coler übersetzt die Passage freilich anders als wir: „alß ein König/ welcher daselbst vnter die zahl der denckwürdigsten Exempel nicht der Menschen/ sondern der Tugenden selbst billich zu rechnen“ (wie oben, fol. C3r). 94 quae aemulatio Eminentissimi Sacrae Purpurae Ordinis] Dagegen heißt es bei Zedler 49, Sp. 512, der König wurde in Rom „wider einiger Cardinäle Willen von dem Pabste Urban VIII. zum Canonico St. Petri im Vatican creiret; bekam auch von selbigem ein geweyhetes Schwerd und Hut, und zweyer Märtyrer, Primus und Felicianus, Reliquien“. 96 f. Vrbani VIII. Pontificis Maximi] Urban VIII. (1568–1644), ab 1623 Papst, war eine schillernde Persönlichkeit, die meist mit der Verurteilung Galileo Galileis (1633) in Verbindung gebracht wird. Konfessionspolitisch agierte er zurückhaltend, stellte die Subsidienzahlungen an die katholische Partei ein und verzichtete zunehmend auf gegenreformatorische Maßnahmen. 107 f. aegrum lectus aureus non iuuerit] Vgl. Seneca, Briefe an Lucilius 17,12: Nihil differt, utrum aegrum in ligneo lecto an in aureo conloces.
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123 cura] So die Ausgabe Dünnhaupt, Nr. 175.2, gegenüber bura in unserer Vorlage. Das selten belegte bura (Krummholz am Pflug) wäre etwa als ‚Ruder‘ zu übersetzen und mit gubernas zu verbinden, doch dürfte ein Setzerversehen statt cura wahrscheinlich sein. 125–127 aequitatem … valere plurimum apud te permittis, summos cum infimis iure pari retines] Nach Cicero, De officiis 2,41: [ein herausragender Einzelner,] qui cum prohiberet iniuria tenuiores, aequitate constituenda summos cum infimis pari iure retinebat. Bei Cicero wird die Einführung der Königsherrschaft mit dem Bestreben nach Rechtsgleichheit (aequitas) begründet, ein Argumentationsmodell, das sich auch die Befürworter eines frühabsolutistischen Zentralstaates zu eigen machen konnten. 141 Hoc habeo quodcunque dedi] Zitat aus Seneca, De beneficiis 6,3,1 (nach einem Vers des Rabirius, Fragment 2 Morel). 143 f. Felicitatis togatae … capita … armata] Die militärischen Leistungen des Kronprinzen Władysław wie des späteren Königs werden ebenfalls im Lobgeticht und in der dazugehörigen lateinischen Vorrede gerühmt; vgl. den Kommentar hierzu sowie Seidel (2011), S. 219–222. In zeitgenössischen Anweisungen zum Fürstenlob wurden unter den Lobtopoi neben Herkunft, Ausbildung usw. stets die ‚Taten‘ angeführt, und zwar unterteilt nach Krieg und Frieden als gleichgewichtigen Aktionsfeldern. Vgl. Gerardi Joannis Vossii Rhetorices contractae sive partitionum oratoriarum libri quinque. Leipzig 1674, S. 153: Hinc accedimus ad principis laudationem, à patria, genere, ortu, indole ac naturâ, educatione, studiis; rebus pace aut bello gestis, et virtutibus, qvae in iis eluxere: item fortunae splendore, liberorum praestantiâ, civium benevolentiâ. 147 f. ab iis ad imperium … destinatus] Die verwickelten Umstände der – folgenlosen – Proklamation Władysławs zum russischen Zaren sind bei Alexander (wie oben), S. 118 f., angedeutet. 149 Irrumpente paullò post in Daciam Turcarum Principe] In der Gegend des heutigen Rumänien und Moldawien kam es in den Jahren 1620/21 zu Gefechten zwischen polnischen und türkischen Heeren; vgl. Kommentar zur Vorrede des Lobgetichts. 153–155 fuso fugatoque Tyranno, maximorum ante Te ducum glorias victoriis excelsissimis supergressus] Nicht anders als in den übrigen panegyrischen Schriften übertreibt Opitz hier erheblich. Faktisch wurde nach langwierigen Kämpfen zwischen polnischen und osmanischen Truppen im Jahre 1621 ein Friedensschluß erzielt, der für beide Seiten keine Gebietsgewinne brachte. Vgl. Gotthold Rhode: Polen-Litauen vom Ende der Verbindung mit Ungarn bis zum Ende der Vasas (1444–1669), in: Handbuch der europäischen Geschichte, hrsg. von Theodor Schieder. Bd. 3. Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, hrsg. von Josef Engel. Stuttgart 1971, S. 1006–1061, hier S. 1045f. Anders als manche polnischen Historiker nutzt Opitz den immerhin erfolgreichen Widerstand der Polen nicht zur Propagierung einer Sonderstellung Polens als christliches Bollwerk gegen die Türken; vgl. Bömelburg (wie oben), S. 198, wo aus Łukasz Opali´nskis Polonia defensa (1648) zitiert wird: ut proprio elogio utar, quo nos honestavit Pontifex, post Chotinense cum Turcis bellum [1621] ‚Antemurale orbis Christiani‘. 157–166 Sed nouissima … abstinuisti] Die Passage wird von Seidel (2011), S. 219–222, exemplarisch mit themengleichen Abschnitten in anderen panegyrischen Schriften Opitzens verglichen.
Kommentar zu S. 264–268
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172 Codani sinus] Opitz verwendet hier den entlegenen, nur bei Pomponius Mela und wenigen anderen antiken Schriftstellern verwendeten Ausdruck Codanus sinus für die Ostsee, die in der Neuzeit meist mare Balticum genannt wird. 173 seposuisti dicam, an composuisti] Die argute Formulierung beschreibt treffend den im September 1635 geschlossenen Waffenstillstand von Stuhmsdorf, durch den die schon länger ruhenden Kriegshandlungen im schwedisch-polnischen Krieg für 25 Jahre vertraglich eingestellt wurden. Opitz verschweigt geflissentlich, daß Władysław den von ihm durchaus gewünschten Krieg aufgrund äußerer und innerer Widerstände nicht führen konnte. 185 f. tanto Procerum Augustorum consensu, tanta Inclitorum Ordinum voluntate, tantis Prouinciarum, Vrbium, Populorum gaudiis] Die Historiker betonen, daß die Wahl Władysławs ohne Gegenkandidaten nach einer kurzen Wahlperiode erfolgte und daß der Kronprinz allgemein geschätzt war; „keine andere der insgesamt zehn Königswahlen verlief so reibungslos“ (Rhode, wie oben, S. 1047). Hierauf beziehen sich auch die folgenden Passagen: non cum periculo quaerendus erat quem legeret verweist auf die unproblematische Kandidatenkür, die Formulierung non quidem Regem, Regno tamen reliquerat deutet auf das Konfliktpotential, das die Alternative von monarchischer und ständischer Herrschaftsauffassung barg. Die Frage nach der Legitimation des Hauses Wasa als faktischer Dynastie beherrschte die polnische Geschichtsschreibung jener Zeit; vgl. Bömelburg (wie oben), S. 191–225. 191 Patrem Patriae] Von der republikanischen Zeit bis in die Spätantike ehrten die Römer verdiente Staatsmänner (später vor allem die Kaiser) als ‚Vater des Vaterlandes‘. Die nachfolgenden Prädikationen des Königs, durch Versalien hervorgehoben, waren möglicherweise Bestandteile der zeitgenössischen Panegyrik. 193 ter et amplius Felicem] Vgl. Horaz, Ode 1,13,17 f.: Felices ter et amplius / quos inrupta tenet copula. In unserem Text folgt weiter unten die Wendung irrupta … copula mit Bezug auf die Vermählung. 201 Restabat recens hic amor] Hier beginnt die rhetorisch überhöhte, zugleich auch subtil relativierte Schilderung der Liebe Władysławs zu seiner Braut; vgl. Seidel (2011), S. 229. Zu Opitzens Einstellung gegenüber dieser Ehe vgl. ebd. und seinen Brief an Andreas von Langen vom 17. März 1637: Regia Maiestas perseverat in matrimonio Austriacae. Speciosi illi tituli et colores, quos nonnulli vestrum referebant, persuadendo Rhenanam, indignationem jam movent et nauseam: vereorque ne et ipsi evomantur (Conermann/Bollbuck, S. 1342). 202–205 quo vinculo … ducit] Im Hintergrund stehen rinascimentale, wohl neuplatonisch tingierte Vorstellungen einer Korrespondenz von Mikrokosmos und Makrokosmos, die hier nicht näher aufzuschlüsseln sind. Die enge Verbindung von Kosmogonie und Liebestheorie verweist auf Marsilio Ficinos Schrift De amore, die Opitz möglicherweise bekannt war. Vgl. LW 1, S. 356. 212 vanis] vnis Dünnhaupt, Nr. 175.2. 220 f. Fratris Tui CASIMIRI Serenissimi Principis ac Illustrissimorum vtrinque Legatorum] Jan Kazimierz (1609–1672) war der jüngere Bruder Władysławs IV. und wurde nach dessen Tod 1648 König von Polen. Bei der vorgezogenen Vermählung per procura am 9. August 1637 in Wien hatte Jan Kazimierz die Stelle des Bräutigams vertreten.
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222 CAECILIAM RENATAM] Caecilia Renata (1611–1644), Erzherzogin von Österreich, war eine Tochter Kaiser Ferdinands II. und dessen erster Gemahlin Maria Anna von Bayern. 225 quod de Roma ille quondam, terris fatale regendis] Vgl. Tibull, Elegie 2,5,57: Roma, tuum nomen terris fatale regendis. Die Übertragung der Weltherrschaft von den Römern auf das Haus Habsburg, wie sie hier angedeutet wird, findet sich prominent in einigen Dramen Daniel Caspers von Lohenstein (ebenfalls eines protestantischen Schlesiers), so etwa im SchlußReyen der Sophonisbe (1680), wo das ‚Verhängnüs‘ (fatum) prophezeit: „Doch wird mein Schluß erst treffen ein / Wenn Teutschland wird der Reichs-Sitz sein. / Mein fernes Auge siehet schon / Den Oesterreichschen Stamm besteigen / Mit grösserm Glantz der Römer Thron“ (5. Abhandlung, V. 675–679). 226 quanta sobrietas?] Hier muß wohl tatsächlich die Abneigung gegen das Trinken gemeint sein, eine Tugend, die nicht zur Topik des klassischen Frauenpreises gehört. Die Art, wie (und wie spärlich) Opitzens Lob der Braut ausfällt, läßt auf eine unterschwellige Abneigung des Lobredners gegenüber der Brautwahl schließen; vgl. Einleitung zum Kommentar. 227 f. quem … subdubito] Zumindest war Ferdinand II. nicht als maßloser Trinker bekannt. Die Trunksucht galt als Nationallaster der Deutschen, dem nicht zuletzt der Adel verfallen war; hierzu vgl. u. a. Herbert Walz: Wider das Zechen und Schlemmen. Die Trunkenheitsliteratur des 17. Jahrhunderts, in: Daphnis 13 (1984), S. 167–185. Opitz lobte die Zurückhaltung im Trinken auch bei Władysław IV., vgl. Lobgeticht (1636), V. 228–236: „… Was kan ein solcher Herr für kluge Sinnen haben / Dem allzeit die Vernunfft im Becher liegt begraben …“; Panegyricus Annae (1636), S. 11: quis Apelles hunc Alexandrum [nämlich Władysław], sed placidum, neque temulentum, veris coloribus expresserit? (LW 3, S. 162–164). 231 Sardi, et quidem venales] Die Sarden galten in der Antike als treulos, worauf sich die u. a. bei Cicero, Epistulae ad familiares 7,24,2 überlieferte Redewendung Sardi venales bezieht. 236 Nepotem] Ferdinand Maria, Kurfürst von Bayern (1636–1679), Sohn von Ferdinands II. Tochter Maria Anna. 237–239 Filium vtrumque … reliquit] Der ältere Sohn Ferdinands II. wurde als Ferdinand III. (1608–1656) sein Nachfolger im Kaiseramt, Erzherzog Leopold Wilhelm (1614–1662) war 1637 bereits Inhaber mehrerer Bischofssitze. Später wurde er Hochmeister des Deutschen Ordens und kaiserlicher General. 239 spontè amastis] Die Heirat war selbstverständlich politisch motiviert und fand in der polnischen und in der europäischen Öffentlichkeit ebenso viele Befürworter wie Gegner. [R.S., D.M.]
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Nvnquam diffiteor, fui Poëta Epithalamium für Adam Riccius und Ursula Behm Nicht bei Dünnhaupt. – In | NVPTIAS AMPLISSIMI | vir i | Adami Riccii J. U. L. | et | Lectissimae Virginis | URSULAE BEHMIAE | Admodum Reverendi Excellentissimique Viri | JOHAN. BEHMII S. Th. D. | F ILIAE . – o.O., o. J. [1637?] (Danzig, Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften: Oe 42 8° adl. 148), fol. 1v. Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck. Bei der vorliegenden Gelegenheitsschrift sind weder Druckjahr bzw. -ort noch der Drukker angegeben. Während der Titel bei Dünnhaupt nicht aufgeführt wird, verzeichnet ihn Szyrockis Bibliographie (in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 213*) in der Rubrik „Unbestimmbar“. In HPG 25 (Danzig, Abteilung I, Teil 3, S. 766, Nr. 3200) wird als Druckjahr „um 1640“ vermutet. Somit sind die folgenden Angaben zum möglichen Datum des Anlasses sowie zu den genannten Personen unter einen gewissen Vorbehalt zu stellen. Opitzens Epithalamium folgt unmittelbar auf das Titelblatt. Es schließen sich Glückwünsche von Adam Bythner und Johann Valentin Rhete an, beides Persönlichkeiten, die mit dem Danziger Gelehrtenleben in Zusammenhang stehen (so verfaßte Opitz für Rhete, den Abkömmling einer in Stettin und Danzig beheimateten Buchdruckerfamilie, ein Propemptikon; Adam Bythner ist in diesem Druck ein weiterer Beiträger; s. dazu LW 3, S. 575). Aus diesem Grund läßt sich vermuten, daß die vorliegende Glückwunschschrift in Stettin oder Danzig gedruckt wurde. Zur Person des Bräutigams finden sich – neben den Angaben auf dem Titelblatt – auch Hinweise im Druck selbst, so wird Riccius in der Überschrift des kabbalistischen Gedichtes von Bythner als J.U.L., Serenissimi Electoris Brandenburgici, in Prussia, Advocatus Fisci bezeichnet (fol. 2r). In Bythners daran anschließendem Gedicht heißt es (fol. 3r): Imò LICENTIATVM / JURIS, et FISCI novimus ADVOCATVM. / Quis vetet ergò MOMVS / Evolem ut M ÜNDA , GEDANA, cum metricis, BIURBE? / Vah! DEA? quis CVPIDO? / T E Virum JVRIS subitò tam THEMIDIS deastrum, / Inclyta in URBE tamdem [sic!] / Laesit? Bei Adam Riccius handelt es sich um einen nachmaligen Professor und Rektor an der Universität Königsberg; vgl. zu ihm den kurzen Eintrag von Fritz Gause in: Altpreußische Biographie. Bd. 2, hrsg. von Christian Krollmann. Marburg 1967, S. 554 f. Nach den Angaben bei Johannes Gallandi: Königsberger Stadtgeschlechter (Fortsetzung und Schluß), in: Altpreussische Monatsschrift 20 (1883), S. 1–52, 193–232, 451–478, 567–643, hier S. 470, war die (in Königsberg ansässige?) Familie Riccius eine „Alte Neapolitanische Familie“. Adam Riccius’ Vater Joachim war Professor in Stettin, sein Bruder Christoph („U.J.D.“) Syndikus in Danzig. Dies deckt sich mit den folgenden Ausführungen zu Christoph(orus) Riccius in ADB 28 (1889), S. 410: Dessen Vater, Joachim Riccius, „fungierte“ am Stettiner Pädagogium als Professor und wurde später Geistlicher an der Kirche zu Gartz und „Geistlicher Inspektor“ des Gartzer Kreises. Der 1590 geborene Christoph Riccius war seit 1619 Professor für Geschichte und Jurisprudenz am Gymnasium in Danzig, wurde 1638 zum Syndikus der Stadt berufen und starb 1643. Nach Salmonowicz, S. 115, stand Opitz in Verbindung „mit den führenden Professoren des Danziger Gymnasiums“, auch mit Christoph Riccius. Dieser war, so Salmonowicz, S. 125,
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„ein Kenner der Lehre des Grotius.“ So könnte auch die Bekanntschaft mit Christoph Riccius Opitz zu dem vorliegenden Epithalamium veranlaßt haben. Adam Riccius selbst wurde (das Folgende nach Gallandi bzw. Gause, wie oben) am 8. Januar 1605 in Garz in Pommern geboren und starb am 19. August 1662 in Königsberg. 1637 heiratete er Ursula, die Tochter des Theologieprofessors Johann Behm. Diese wurde am 29. September 1614 geboren und starb am 30. Juli 1638 im Kindbett; siehe dazu auch das Trauergedicht von Simon Dach „Der Himmel wollt’ euch vns mit dem bedinge zeigen …,“ abgedruckt in: Simon Dach. Gedichte, hrsg. von Walter Ziesemer. Dritter Band: Geistliche Lieder, Trostgedichte. Erster Teil. Halle/Saale 1937, S. 26. Ziesemer, ebd., S. 462, nennt als Titel des Trauerdrucks: Threnodiae in obitum Ursulae, viri Johanni Behmii, S. Theol. Prof. filiae, viro Adamo Riccio, J.U.L. et Advocato Fisci, nunc viduo, ante annum in matrimonium elocatae [ ! ] et ex puerperio 30. Julii pie in Domino denatae. 1638. Der Ehe entsprang eine Tochter, Barbara Sophia, die mit fünf Jahren starb; zu diesem Anlaß verfaßte Christoph Kaldenbach ein Trauergedicht; s. dazu: Axel E. Walter: Caldenbachiana in St. Petersburg – Ein Beitrag zur Bibliographie des Königsberger Dichterkreises, in: Kulturgeschichte Ostpreußens in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Klaus Garber, Manfred Komorowski und Axel E. Walter. Tübingen 2001 (= Frühe Neuzeit 56), S. 963–993, hier S. 980. In zweiter Ehe heiratete Adam Riccius Maria Schultz (1600–1659). Vgl. den Glückwunschdruck von Simon Dach, dessen Titelblatt folgendermaßen lautet: Reyme bey dem Tage zwyfacher Ehren Hn. Adam Ricciussen Da er beydes der der beyden Rechten Doctor zu Königsberg in Preussen gemacht ward. Und auch mit der Ehr und Tugendreichen Fr. MARIA Schultzin/ seinen Hochzeitlichen Frewden =Tag daselbst begieng. auffgesetzet 14. Heumonat. 1642. (digitalisierter Volltext: VD17 1:635019B). Schließlich ging er 1660 noch eine dritte Ehe mit Anna Pilchowska v. Bieberstein (1621–1662) ein. Bernhart Jähnig: Die Königsberger Universitätsprofessoren im 17. Jahrhundert – Eine sozial- und bildungsgeschichtliche Betrachtung, in: Kulturgeschichte Ostpreußens in der Frühen Neuzeit (wie oben), S. 337–373, gibt (S. 364) Auskunft über den beruflichen Werdegang von Riccius, der seit 1631 in Königsberg die Rechte studiert hatte. Demnach war er „nach längeren auswärtigen Studien als 30jähriger in Orléans Lizentiat geworden, nach seiner Rückkehr nach Königsberg als 35jähriger zum außerordentlichen Professor berufen und erst zwei Jahre später zum Doktor promoviert worden, ehe er als 40jähriger Professor primarius wurde.“ Zur Amtstätigkeit von Riccius (als Rektor) vgl. u. a. Anette Syndikus: Historia literaria als Propädeutikum an der Königsberger Universität, in: Die Universität Königsberg in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Hanspeter Marti und Manfred Komorowski unter Mitarbeit von Karin Marti-Weissenbach. Köln u. a. 2008, S. 379–422, hier S. 393. Die (nicht mehr) mögliche Produktion von (Gelegenheits-)Dichtung ist Thema der ersten Hälfte dieses Epithalamiums: Während dies dem Sprecher in seinen früheren Jahren als „Musenjünger“ (vgl. V. 3 f.) vergönnt war (V. 1–5), ist ihm solches nun nicht mehr gestattet (V. 6–12), da der „innere Antrieb“ (V. 10: spiritus; V. 11: voluptas) dazu allmählich schwinde. Dies wird in den folgenden Versen 13–16 am Bild der langsam versiegenden Quelle illustriert. Anstatt eines feierlichen Carmen (Anfangswort von V. 7 sowie V. 17) kann der Sprecher nun nur noch ein einfaches Votum formulieren (Anfangswort von V. 17), nämlich die traditionellen Wünsche für das Brautpaar: Gottes Beistand, Kindersegen und immer währende Liebe. – Versmaß: Hendekasyllaben. Dieses Versmaß findet
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sich bei Opitz nicht selten bei eher scherzhaft gemeinten Texten. Die nicht mehr mögliche Produktion von (Auftrags-) Gedichten war bereits Thema Opitzens in früheren Gedichten, so in dem (ebenfalls in Hendekasyllaben verfaßten) Epithalamium für Caspar Sinner und Anna Grun von 1631 (s. dazu LW 3, S. 28). 5 Majestas patriae decusque linguae] Opitz bringt seit dem Aristarchus die Würde der Nation und die „Zier“ der deutschen Sprache in Zusammenhang; vgl. LW 1, S. 64 u. ö. 6 diserte B EHMI ] Johannes Behm, der Vater der Braut, war an der Universität Königsberg Professor für Theologie. Nach Johannes Gallandi: Königsberger Stadtgeschlechter, in: Altpreussische Monatsschrift 19 (1882), S. 26–65, hier S. 35 (mit weiteren Details zu den Familienmitgliedern), stammte er aus einer Königsberger Familie, wurde 1578 geboren und starb 1648. Er studierte in Königsberg, Leipzig und Wittenberg, promovierte dort zum Dr. theol. und wurde 1612 ordentlicher Professor in Königsberg (alle Angaben nach ADB 2, 1875, S. 283 f.). Als strenger Lutheraner war er „der eifrigste Bestreiter der Reformierten in dem damals noch polnischen Herzogtum Preußen“; vgl. zur Rolle Behms als streitbarer Theologe und zu seinen diesbezüglichen Schriften auch: Thomas Kaufmann: Theologische Auseinandersetzungen an der Universität Königsberg im 16. und 17. Jahrhundert, in: Kulturgeschichte Ostpreußens in der Frühen Neuzeit (wie oben), S. 243–318, vor allem S. 306–314. 11 docta … lyra] Anspielung auf das Ziel, ein poeta doctus zu sein bzw. zu werden. 12 Est istis quoque meta nempe rebus:] Vielleicht in Anlehnung an die im alttestamentlichen Buch Kohelet, vor allem im dritten Kapitel, formulierten Sentenzen wie z. B. Koh 3,1: omnia tempus habent et suis spatiis transeunt universa sub coelo. 15 f.] Vordergründig als eine allgemeine Sentenz bzw. als ein Vergleich formuliert, konkret als Anspielung auf die für den Dichter nicht mehr (reich) sprudelnde Musenquelle zu verstehen. 20 maximi Tonantis] Verbindung der christlichen Gottesvorstellung mit der antiken vom Donnergott Jupiter Optimus Maximus. 26 f.] Mit seiner – wohl rhetorisch oder scherzhaft gemeinten – Streitfrage am Schluß des Gedichtes spielt der Sprecher auf die berufliche Stellung des Bräutigams als Advokat und Lizentiat beider Rechte an. [V.M.]
Annum credebant Annam Epithalamium für Christoph Poll und Anna Florentina (von) Viatis Dünnhaupt, Nr. 181; – IN FLORALIA , | Sive | F ESTUM N UPTIALE | Nobilis!simi " Consultiß!imi " Clariß!imi "que Viri, | D !OMI "N !I " | C HRISTOPHORI | POLI , J !URIS " U !TRIUSQUE " C !onsulti" ac Practici: | Vt et Virginis Lectißimae | ANNAE FLORENTINAE : | E nobili Via-
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tissorum Norimb!ergensi" familiâ oriundae: | Nobiliß!imi " Ampliß!imi " Honoratiß!imi " Viri | D!OMI "N !I " D AN !IELIS " H ESLERI à Waldaw | in Wangern vnd Polockwitz Haereditarii: | Senioris olim Senatorii Ordinis Vratisl!aviensis" | Et Capitanei Namslaviensis meritiss!imi" | NEPTIS : | Nobilis, Praestantiß!imi " Spectatiß!imi " Viri, | D!OMI "N !I " D AVIDIS V IATIS à | Schopper‚hoff/ in Wangern/ etc. | FILIAE : | XV. CAL . JVN . A . C . M DC XXXIIX . VRATISLAV !IAE " | ritu solemni celebrandum | PATRONI ET AMICI | Votivas Preces et Florales Lusus Testandae benevolentiae et Amori | LVBENTES | Destinarunt. | Vratislaviae, Typis G EORG I B AUMANNI . (UB Breslau: 355145), fol. A2v. Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck. Wie durch die Angaben auf dem Titelblatt deutlich wird, stammt die Braut aus einer vornehmen Familie: Ihr an hervorgehobener Stelle genannter Großvater ist Abkömmling eines uradeligen Geschlechts, das wohl bereits im 13. Jh. erwähnt wird; in Liegnitz spielte seit der Mitte des 14. Jhs. eine Familie von Heseler (Hezeler) über 250 Jahre lang eine dominierende Rolle; s. dazu Pusch, Bd. 2, S. 164–179, außerdem Sinapius, Bd. 1, S. 457 f. Daniel Hessler von Waldau (1558–1620) gehörte dem Rat der Stadt Breslau über Jahrzehnte als Schöffe oder Konsul bzw. in weiteren Funktionen an (dies wird auch in dem Epithalamium von Elias Major betont) und war mit Anna von Rhediger verheiratet. Ihre Tochter Anna Maria (1590–nach 1655), in erster Ehe mit David von Viatis vermählt, in zweiter Ehe mit Georg Grenitz, erhielt das väterliche Gut Wangern im Kreis Breslau; s. dazu Pusch, Bd. 2, S. 174 f. Sinapius, Bd. 2, S. 1084, bezeichnet „Die von Viatis“ als „Hoch=Adel. Hauß“, das im Wappenbuch „den berühmten Fränckischen Familien um Nürnberg beygesellt“ werde, und beschreibt anschließend deren Wappen. „Der Erste, so in Schlesien sich niedergelassen, ist vermuthlich gewesen Bartholomaeus von Viatis, der 1628. m. Oct. bey der gehaltenen allgemeinen Zusammenkunfft der Herren Fürsten und Stände in Breßlau fürkommt, daß er, obgleich ein Ausländer, secundum ordinem Classium künfftig in Acht genommen werden sollte“ (ebd., S. 1085); s. auch Zedler, Bd. 48, Sp. 560 f. Ein Christophorus Poll Bresla Siles. ist in den Matrikeln der Universität Wittenberg im Juli 1627 verzeichnet (s. Weissenborn, S. 311). Aus den Jahren 1628 und 1629 sind aus Wittenberg juristische Disputationen vorhanden, die Publico examini subjicit CHRISTOPHORUS POLL aus Breslau. Des weiteren findet sich ein Pollio Christ. Vratislavien. im Sommersemester 1631 in den Matrikeln der Universität Leipzig (Erler, S. 342). „Christoff Poll“ ist außerdem mit einem Beitrag in der Glückwunschschrift zur Hochzeit von Friedrich Scultetus und Helene Weigel in Breslau, gedruckt 1632 bei Baumann, vertreten. Daß Christoph Pol(l) eine gewisse Stellung in Breslau einnahm, beweisen die im Druck versammelten Textbeiträge, die unter anderem von Honoratioren wie Reinhard Rosa von Rosenigk, Nikolaus Henel, (Opitz folgt hier an dritter Stelle), Elias Major, Christoph Coler und Christoph Schwartzbach stammen; auf den letzten beiden Seiten beschließen ein Gedicht des Bräutigams an seine Braut sowie die Glückwünsche von Johann Friedrich Cunrad (Patrono suo domestico) und von zwei Brüdern der Braut, Joachim Ernst und Heinrich Viatis, den Reigen der Texte zur Hochzeit. Dem epigrammhaft kurzen Epithalamium liegt eine inventio ex loco notationis zugrunde, basierend auf den beiden Vornamen der Braut: So erinnert im ersten Distichon der Sprecher an zwei Göttinnen (der römischen Antike), die beide auf ihre Weise mit einem Neu-
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beginn verbunden sind. Mit Anspielung auf eine dreiteilige Argumentationskette wird dann der „kundige“ Bräutigam daran gemahnt, daß auch die Braut diese Namen trage (V. 3 f.). Damit beginnt die zweite Hälfte des Gedichtes: In der Rolle eines vates deutet der Sprecher nun diese Koinzidenz, die – unter der Prämisse nomen est omen – unabdingbar auf eine glückliche Zukunft für Braut und Bräutigam hinweist. Diese „Tatsache“ wird augenfällig bewiesen in den Wortspielen des letzten Distichons, deren Ausgangspunkt das erste Distichon bildet: Hier wird aus Anna Perenna ein die Monate erfüllender amor perennis, die von Göttin Flora gebrachten flores lassen sich auch als die erhoffte Kinderschar interpretieren, und aus der antiken (und damit der Vergangenheit angehörenden) Vorstellungswelt (credebant … replere … reserare) wird unter anaphorischer Wiederaufnahme der Vorsilben ein zukünftiges reparabit und referet. – Versmaß: elegische Distichen. 1 f. Annum credebant Annam replere Perennem Mensibus] Dieser römischen Gottheit war ein Hain (vgl. Martial, Epigramme 4,64,16 f.: et quod virigineo cruore gaudet / Annae pomiferum nemus Perennae) am 1. Meilenstein der Via Flaminia in Tibernähe geweiht; s. dazu DNP 1, Sp. 708, sowie Latte, S. 137 f. Macrobius, Saturnalia 1,12,6, bezieht ihren Namen auf die etymologische Herleitung Anna – annus: eodem quoque mense et publice et privatim ad Annam Perennam sacrificatum itur, ut annare perennareque commode liceat. Das hier erwähnte Opferfest fand an den Iden des März (15. März) statt, dem, wie noch Ovid mutmaßt (Fasten 3,145 f.: nec mihi parva fides annos hinc isse priores, / Anna quod hoc coepta est mense Perenna coli ), Jahresanfang nach altrömischem Kalender. Ovid berichtet humorvoll im dritten Buch seiner Fasten zuerst von den Bräuchen, zumal dem gemeinsamen Trinken beider Geschlechter in Zelten und Laubhütten an diesem Tag, dann erzählt er (V. 543–696) verschiedene Mythen, die sich auf diese Göttin beziehen (V. 543 f.: quae tamen haec dea sit quoniam rumoribus errat, / fabula proposito nulla tegenda meo). Eine davon handelt von Anna, der Schwester von Dido, die nach deren Tod vertrieben wird und nach Latium gelangt. Hier wird sie von Aeneas aufgenommen, muß vor der Eifersucht Lavinias fliehen und wird vom Flußgott Numicus mitgerissen: ipsa loqui visa est placidi sum nympha Numici: / amne perenne latens Anna Perenna vocor (V. 652 f.). Die beiden Verse Opitzens beziehen sich wohl auf Ovid, Fasten 3,657: sunt, quibus haec Luna est, quia mensibus impleat annum. 2 Floram] Die römische Göttin der Blüte und des Frühlings; vgl. zum Beispiel Ovid, Fasten 5,183–378. Nach V. 184f. begann ihr Fest im April und erstreckte sich bis Mai; ihr Hauptfest, die Floralia, waren am 28. April; s. DNP 4, Sp. 562f. Auch die erste Zeile des Titelblatts rekurriert auf dieses Fest. Auf die Göttin Flora und ihr Fest bezieht sich auch Christoph Coler in seinem Epithalamium (fol. A4v–B1r). Dem „Wonnemonat“ Mai liegen auch die inventiones anderer Beiträger zugrunde, zumal die Hochzeit am 18. Mai stattfand. 3 Consultissime] Bezug auf Polls Stellung als Rechtsgelehrter (so auch auf dem Titelblatt). 5 f.] Wohl auch Anspielung auf römische Glückwunschformeln wie quod felix faustumque sit oder Junkturen wie dies faustus et felix. 7 f.] Im Namen Anna Florentina steckt somit die Verheißung von ewiger Liebe (Anna Perenna – amor perennus) und Kindersegen (Flora – flores). [M.F., V.M.]
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Q V em non ferratae Geleitgedicht zur Leichpredigt von Georg Daniel von Coschwitz auf Fräulein Gottlieb von Sparr Dünnhaupt, Nr. 181A; – [Dem eigentlichen Titelblatt geht ein weiteres Titelblatt voraus:] GLORIOSA JVSTORVM | REQVIES | Da‚ ist . | Die Herrliche vnd See =li |ge Kinderruhe der Gerechten GOtte‚ | Georgii Dan. Coschwitzii. Ligiô. Sil. | Sparrischen Hoffprediger‚ . [Darauf folgt das Titelblatt:] Gloriosa Justorum Requies, | da‚ ist/ | Die Herrliche vnd See=|lige Kinder=ruhe || Der Gerechten GOtte‚. | genommen au‚ dem Buch der Weißheit , | cap. 4, v. 7. et seq. | Vber da‚ frühzeitige/ doch Seelige absterben | Frewlin. | GOTTLIEB/| de‚ | Hochwohlgebohrnen Herrn/ | Herrn Ernst Georg von Sparr‚/ | auff Tramp= vnd Prenden Erbgesessen; Ihr Röm. Käy. | wie auch Königl. May. zu Pohlen vnnd Schweden Cammer =||herrn/ Obristen/ Kriege =rath‚/ vnnd Generall | Feldzeugmeister‚ etc. etc. | Vielgeliebten Töchterlein‚. | Welche‚ sanffte/ still vnd seelig im Jahr 1638. den 12. Sept. | in der Hauptstadt Breßlaw in Schlesien abgeleibet/ vnnd | Darauff den letzten ejusdem M!ensis" in volckreicher versamblung bey S. | Elisabet Kirch daselbsten bey gesetzet. | Zu Sonderbahrem Hertzen =trost in druck gegeben. | von | Georgio Dan-Coschvitzio. Ligiô Siles. | p. t. | Deroselbten verordneten Hoffprediger. | Gedruckt zu Dantzig durch Georg Rheten. 1639 . (STB-PK Berlin, Abteilung Historische Drucke: Ee 700–3462m), fol. I1r. Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck. Der vorliegende Druck gibt auf besondere Weise Auskunft über das Thema Kindersterblichkeit im 17. Jahrhundert und die zeitgenössische Auseinandersetzung darüber. Der trauernde Vater, Ernst Georg von Sparr, wurde wohl um 1602 geboren. Allerdings nimmt Theodor von Mörner, von dem die ausführlichste Lebensbeschreibung stammt (Märkische Kriegs=Obersten des siebenzehnten Jahrhunderts. Ernst Georg Sparr. Otto Christof Sparr. Berlin 1861), hier S. 32, das Geburtsjahr 1596 an, betont aber, daß Sparrs Kindheit und Jugend in „völligem Dunkel“ lägen (S. 77); Lebensabrisse finden sich bei Zedler, Bd. 38, Sp. 1216–1218, und ADB 35, S. 62 f. Nach Mörner, S. 3, zählt die Familie (von) Sparr zu den ältesten märkischen Adelsgeschlechtern; Zedler, Bd. 38, Sp. 1215, vermutet eine Herkunft aus Schweden. Zu den genealogischen Zusammenhängen vgl. die von Mörner, S. 22–44, wiedergegebenen Stammtafeln; zur Familie s. außerdem: Frank Göse: Der erste brandenburg-preußische Generalfeldmarschall Otto Christoph Freiherr von Sparr 1605–1668. Berlin 2006. Ernst Georg Sparr schlug wohl, nicht zuletzt aufgrund seiner pekuniären Lage, schon sehr früh die militärische Laufbahn ein und machte rasch Karriere. So war er bereits 1626 im Dienste des Administrators von Magdeburg, Markgraf Christian Wilhelm, mit dem „General=Commando“ über die Befestigungen und Verschanzungen betraut worden. Über ein Jahr später trat er in kaiserliche Dienste, nahm 1628 an der vergeblichen Belagerung von Stralsund, dem Angriff auf Wolgast und der Verfolgung König Christians von Dänemark bis nach Usedom teil, ferner am Treffen bei Honigwalde und weiteren Feldzügen. 1629 verlor er seinen ältesten Sohn Christian. In den Jahren ab 1630 stand er gegen die Schweden unter Gustav Adolf im Felde und geriet mehrmals in schwedische Gefangenschaft. 1632 nahm er an der Schlacht von Lützen teil; seinem Regiment wurde hier der Vorwurf gemacht, am Ausgang der Schlacht mitschuldig
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zu sein. Um 1633 wurde er zum General-Feldzeugmeister ernannt. Da er 1634 in die Vorgänge um Wallensteins Ende involviert war, vielleicht auch unwissentlich, wurde er inhaftiert (s. u.) und ihm zu Regensburg der Prozeß gemacht. Zum Tode verurteilt, kam er wohl nicht zuletzt auf Bitte König Władysławs IV. von Polen, seines früheren Dienstherrn, nach langer Haft wieder frei. 1638 versuchte er, eine Kontributionssschuld der pommerschen Stände an ihn „im Wege der Selbsthülfe von einem Bruchtheile des Landes beizutreiben“ (Mörner, S. 106). Im September 1638 war er dann „… bereits wieder in Prag. Hier traf ihn die Nachricht von dem Tode eines geliebten Kindes [seiner Tochter Gottlieb] schmerzlichst und entrang ihm eine rührende Klage – das einzige uns aufbehaltene Zeugnis seines Herzens“ (ebd., S. 107). Sein bewegtes Leben in wechselnden, teilweise erfolglosen Einsätzen endete 1666. Ernst Georg von Sparr erscheint in den überlieferten Lebenszeugnissen immer wieder als roher, habsüchtiger, zu Händeln und Gewalttaten neigender Vertreter des Kriegshandwerks seiner Zeit, doch zeichnet gerade der vorliegende Trauerdruck ein anderes Bild von ihm, zumindest was das Verhältnis zu seiner Familie betrifft. Nicht zuletzt der Tod seiner Tochter Gottlieb muß ihn sehr getroffen haben. So erwähnt sein Hofprediger Georg Daniel Coschwitz am Anfang der „Vorrede“ zu der von ihm verfaßten Leichpredigt (fol. A2r) einen Brief Sparrs, in dem jener ihm „den plötzlichen/ doch nach Gottes willen seeligen abschied/ ewres Hertzliebsten Creutz=Töchterleins/ des frommen Frewlein Gottliebs aus Praag mit diesen schmertzlichen worten durch eigene Hand anhero zuwiessen thät.“ Demnach habe Sparr geschrieben: „Gott schickt mir ein grosses Creutz zu. Gestern hab ich zeutung/ das meine Gottlieb sol Todt seyn/ vnd mein arme Gemahlin sehr kranck. Gott dem HErrn sey alles heimgestellet! Ich bin von herzten betrübet. Weiß Gott/ was ich anfange! Ist das nicht ein elende/ alles das ich am liebsten habe?“ Und in einem anderen Brief habe er geklagt: „Ich kan vor grossem Hertzleide bald nichts schreiben. Denn meine einige Hertzensfrewde/ die Gottlieb/ ich nicht Lebendig funden. Sie ist mit guttem verstande/ beständiger Gottesfurcht/ auch kindlichem gehorsam nur 5. Tage kranck gelegen/ vnd hat den 12. Septembr. diese Welt gesegnet. Worüber auch die Fraw Mutter noch in grosser Ohnmacht kranck darnieder liegt. Vnd ich bin von hertzen betrübt!“ (auch zitiert bei Mörner, S. 142 f., Anm. 72a). Coschwitzens Vorrede ist zu entnehmen, daß Gottlieb von Sparr am 11./21. Juni 1635 in Regensburg geboren wurde, zu der Zeit also, als ihr Vater seine Haft erduldete (fol. A2v). Diese extreme Situation wird auch für den schlechten Gesundheitszustand des Kindes verantwortlich gemacht, wie aus der Leichpredigt hervorgeht (S. 4): „So lange sie in dieser Hütten gewesen/ vnd ehe sie noch dieses thränenthal angeblicket/ hat sie in Mütterlichem Leibe/ wegen des finsteren kerckers vnd harten zwangs sehr vnruhig gelegen: Darzu noch dieses kommen/ weil die betrübte Fraw Mutter/ nebenst jhrem lieben Eheschatz vnd HErren/ wegen des langwirigen/ doch/ Gott lob! Vnschuldigen gefängniß/ mit vnaufhörlichen angstthränen sie ernehret/ allem augenschein nach man gemeinet/ die geburts zeit würde sie eher todt als Lebendig heraus geben: Sie mit solchen schweren Flüssen zur Welt gebohren worden/ die nicht alleine erbärmliche schmertzen offters vervrsachet/ sondern auch endlichen das Leben gar gekürtzet haben.“ Der Danziger Druck ist gegliedert in eine „Vorrede“ (fol. A2r–A4v) von Georg Daniel Coschwitz, dessen Leich- bzw. Trostpredigt (S. 1–56 = fol. B1r–H4v) sowie Epicedien
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von Opitz, Adam Bythner (Büthner), Michael Albinus, Jonas Daniel Coschwitz, Georg Titz, Johann Peter Titz und Friedrich Bythner (fol. I1r–K4v). Dem Gedicht von Adam Bythner ist (fol. I1v–I2v) ein Brief an Coschwitz vorangestellt (datiert Mündae 3. Nonarum Jan. An. 1639), der so beginnt: PL enissimum suspiriis literarum fasciculum, Vir. Rev. Doctiss. et praestabilis Dn. GeorgI CoschwitzI, FR. in Christo et amicorum charissime, pridie Calendarum Januarij accepi, vestramque nuper Gottliebiam naturae debitum solvisse cum dolore intellexi. Nachdem Bythner zunächst auf den traurigen Anlaß eingegangen ist, präsentiert er in der zweiten Hälfte dieses Briefes, nicht ohne auf Martini Opitij, Silesiorum Apollinis et Poetarum Germanorum Phoenicis censurà zu rekurrieren, Überlegungen zu einer quantitierenden Metrik des Deutschen, die sich auf seine nachfolgenden deutschsprachigen Verse – ein Versuch in dieser Dichtungsform – beziehen. Analog formuliert Jonas Daniel Coschwitz, der Bruder des Leichenredners, eine Anrede an den Leser (datiert III. Calendas. Februarij Anno 1639; K2r–v), in der er sich, seinerseits ausgehend von seinem deutschen Gedicht, dem gleichen Thema widmet. Tatsächlich wenden sich beide Autoren hier implizit gegen die von Opitz aufgestellten metrischen Regeln, wie im einzelnen gezeigt werden konnte; vgl. Robert Seidel: Eine frühe ‚Querelle‘ um Opitz? Metrische Experimente in der Danziger Gelegenheitspoesie um 1640, in: Norm und Poesie. Zur expliziten und impliziten Poetik in der lateinischen Literatur der Frühen Neuzeit, hrsg. von Beate Hintzen und Roswitha Simons. Berlin/Boston 2013 (= Frühe Neuzeit 178), S. 233–253. Den Schluß des Konvoluts bildet ein „Handbriefflein“ von Georg Daniel Coschwitz „An Den günstigen Freundliebenden Leser“ (vier ungezählte Seiten), in dem er diesen bittet, die beigefügte Errata-Liste zu berücksichtigen; diese Fehler seien ihm und dem Buchdrucker bei dem Bemühen unterlaufen, das „Wercklein“ möglichst schnell zustande zu bringen. Dies deutet darauf hin, daß Coschwitz für die Endredaktion des Druckes zuständig war – entgegen Stekelenburgs These, Adam Bythner habe „die Gedichte der anderen Verfasser an einen gemeinsamen Freund und Landsmann gesammelt und zusammengestellt“ (S. 295). Diese und andere Behauptungen Stekelenburgs, der sich bis dato als einer der wenigen mit dem Druck beschäftigte, sind jetzt korrigiert von Seidel (wie oben). Opitzens Text ist, wie bereits die ausführliche Überschrift verdeutlicht, vor allem als eine Art Geleitgedicht zu Coschwitzens vorausgegangenem Trost=Sermon (so die Kolumnentitel) zu verstehen. Im Mittelpunkt stehen zwei Persönlichkeiten. Zuerst wird das Leid Ernst Georg von Sparrs geschildert: Er, der unerschrockene Kriegsheld, konnte nur durch den Kummer um den Tod der geliebten Tochter gebeugt werden (V. 1–6). Mit dem Anfang der zweiten Hälfte des Gedichts tritt Coschwitz, an den sich das Gedicht richtet, auf den Plan. Dies wird sinnfällig bereits durch At tu zu Anfang von V. 7 demonstriert: Er ist derjenige, dessen fromme Worte die heilsame Kraft besitzen, den niedergedrückten Vater aufzurichten und zu seiner eigentlichen Profession zurückzuführen. Aus den beiden prägnant formulierten Passagen vor der Mittelzäsur und am Ende des Gedicht wird deutlich: Es gibt nur zwei Gewalten, die den Belli Ducem (Überschrift) bezwingen können: amor (V. 6) und das rhetorisch überzeugende Wort (V. 12). Opitzens Epicedium, so gelungen es ist, bleibt auffällig blaß im Gegensatz zu den ehrgeizigen Versuchen der übrigen Gedichtbeiträger, die fast durchweg in deutscher Sprache und nach unterschiedlichen metrisch-prosodischen Modellen dichtend sich im poetologischen Diskurs der Zeit zu
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verorten suchen. Falls Opitz von den divergenten versifikatorischen Positionen seiner Danziger Mitbürger genaue Kenntnis gehabt haben sollte, wäre es eine reizvolle Vorstellung, daß der ‚Vater der deutschen Dichtung‘ sich dezidiert aus den aktuellen Debatten heraushielt, indem er ein Gedicht in konventionellen lateinischen Versen schrieb (näher dazu Seidel, wie oben). – Versmaß: elegische Distichen. 1 f.] Anspielung auf das im Kriegsdienst verbrachte Leben Ernst Georg von Sparrs; s. dazu die Ausführungen oben zu dessen Vita. 7 At tu, Coschwiti] Georg Daniel Coschwitz wurde nach Stekelenburg, S. 320 f., am 21. 5. 1612 in Liegnitz geboren. Der Datierung der „Vorrede“ (fol. A4v) läßt sich entnehmen, wann Coschwitz seine Stellung bei Sparr antrat: „Geschrieben aus Meinem Museo in Orle/ des zu ende lauffenden 1638. Jahres. den 17. Tag Nov. an welchem tage ich vor zweyen Jahren von E. Excellentz zum Hoffprediger vociret bin worden.“ In der Danziger Trauerschrift auf den Tod Opitzens findet sich auch ein Epicedium von Coschwitz; s. dazu Conermann/Bollbuck, S. 1622. Wohl ab 1640 hielt er sich nachweislich in Danzig auf, da er hier in verschiedene Streitigkeiten verwickelt war. 1642 wurde er Katechet am Zuchthaus; vgl. dazu Eduard Schnaase: Geschichte der evangelischen Kirche Danzigs actenmäßig dargestellt. Danzig 1863, S. 62 und 122 f. Ab 1643 war Coschwitz Prediger in Weichselmünde als Nachfolger des verstorbenen Adam Bythner (s. Stekelenburg, S. 295). In diesem Amt verfaßte er eine bei Hünefeld 1652 in Danzig gedruckte Schrift mit dem Titel Y « Militum Christianorum, Das ist/ Christlicher Krieges=Leute Schutz und Trotz/ wieder die jenigen/ so den Krieges=Stand Richten und Vernichten … Stekelenburg, S. 320 f., führt einen Trauerdruck anläßlich des Todes von Coschwitz an, der u. a. Beiträge von Michael Albinus und Johann Peter Titz enthält. Demnach starb Coschwitz am 10. Dezember 1652. 9 f. parentem … virum] Im wenig später entstandenen Epicedium auf Alexander von Schlichting (SC ribendi mihi si; LW 3, S. 292–294) fordert Opitz den trauernden Vater mit deutlichen Worten auf, seine Betrübnis in stoisch-männlicher Haltung zu dämpfen. Secretarius Regius et Consiliarius Ligio-Bregensis] Neben seinen Ämtern im Dienste des polnischen Königs (vgl. Seidel, 2011) behielt Opitz den Titel eines Rates der exilierten Herzöge von Liegnitz und Brieg. [R.S.]
Quamlibet auditus Epithalamium für Tobias Kluge und Blandina Winckler Dünnhaupt, Nr. 182; – A ULEMATA G AMELIA | Nobil. Sponsorum bigae, | Excell. Viro, | T OBIAE C LUGIO, | Philosophiae et Medicinae | Doctori, | Reipub. L IGNIC . Physico ordinario, | ac | Lectiss. Virtutumque laudib. | Splendidissimae Virgini,| B LANDINAE VV INCLERAE , | Nobil. et Amplissimi Viri | N ICOLAI VV INCLERI , | Sereniss. P RINCIPIS L IGN . |
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Consiliarii, | Judiciique Provincialis | Pro-praesidis, Filiae, | Nuptias, | Favente Trin-uno N UMINE , | LIGNICII | Ad d. XIV. Septembr. A. M DC XXXIIX. | Feliciter celebr. | ab A MICIS | Dedic. ac Consecr. | V RATISLAVIAE , | Typis G EORG I B AUMANNI . (UB Breslau: 432241), fol. A4r–v. Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. Zur Vita des Bräutigams führt Johann Samuel Magnus in seinen Literati Soravienses, S. 38, aus: „D. Tobias Kluge, Tobiae Judicis et Annae Cunradin Filius. Derselbe ist gebohren An. 1611 den 12. April.; zu Sorau hat er seine Studia angefangen/ und fortgesetzet zu Görlitz/ Naumburg an der Saale/ Erfurth/ Leipzig/ Straßburg/ Franckfurth an der Oder/ und Padua/ an welchem letztern Orth Er 1636. den 2. Jan. Summum in Philosophia et Univ. Medic. Gradum rühmlich erhalten; darauf ward er An. 1637. Physicus ordinarius zu Liegnitz/ heyrathete daselbst Hn. Nicolai Wincklers Fürstl. Liegnitzischen Raths und Cammer=Direct. Jungfer Tochter/ Blandinam, und starb die 5. Sept. 1655. al’ Erbherr auf Siegendorff etc.“ (Die Literati Soravienses bilden einen gesonderten Druckteil in: Johann Samuel Magnus: Historische Beschreibung Der Hoch=Reichs=Gräfflichen Promnitzschen Residentz=Stadt Sorau in Niederlausitz … Leipzig 1710). Nikolaus Winckler, der Vater der Braut, war nach Zedler, Bd. 57, Sp. 593, „ein Hof=Rath und Cammer=Director ehedem bey den Hertzogen von Brieg und Liegnitz, ward gebohren zu Lemberg in dem Fürstenthum Jauer in Schlesien den 14 May 1587, und starb zu Breßlau den 19 Febr. 1649.“ Zedler, ebd., zitiert ein Distichon aus Ebert(i)s Leorinum eruditum, S. 66, in dem es heißt: Praeside me crevit tua Bursa, George Rudolphe, / Consiliis nostris aulica fama stetit. Ein Nicolaus Winclerus ist Widmungsempfänger bei einer 1635 in Breslau gedruckten Gelegenheitsschrift von Zacharias Hofmann. Tobias Kluge/Clugius ist ab 1636 mehrfach mit Beiträgen in Kasualdrucken aus Breslau und Liegnitz zu finden; sowohl Kluge als auch Winckler sind Beiträger bei einer mit Aegis Sacra Sive Sereniss. Ligior. Ducis Lemma Symbolicum Humilimis Suor. Votis Explicatum überschriebenen und Herzog Georg Rudolf von Liegnitz gewidmeten und 1637 in Breslau gedruckten Schrift. Opitzens Text befindet sich an sechster Stelle von insgesamt mehr als zwanzig Beiträgen. Ihm voraus gehen Gedichte von Gottfried Baudiß von Güldenhuben und anderen liegnitzischen Honoratioren, die Beiträge von weiteren (wohl in erster Linie) Liegnitzer Bürgern schließen sich an. Den Abschluß bildet eine deutsche Ode des Bräutigams, die dieser an seine Braut richtet. Ein wichtiges Thema dieses Epithalamiums ist die Freundschaft. Dies wird bereits in den sechs Anfangsversen deutlich mit ihrer Beschreibung von räumlicher und persönlicher Distanz, der langsamen Annäherung von Personen bis hin zu verschiedenen Möglichkeiten von Freundschaft: Der Sprecher, der sich weit in der Fremde befindet, beginnt mittelbar durch seinen Freund, den Schwiegervater des Bräutigams, auch für letzteren, den Adressaten des Gedichts, Freundschaft zu empfinden. Die nächsten beiden Verse (5 f.) widmen sich entsprechend dem Thema der Liebe. Aufgrund dieser neuen Freundschaft ist es dem Sprecher ein Bedürfnis, das Hochzeitsfest Kluges besonders zu würdigen. Um so schwerer empfindet er sein Unvermögen und kann nur mit seiner captatio benevolentiae auf Verständnis hoffen (V. 7–12). Hierbei erfolgt durch die Wortwahl in V. 11 (vero … honore) eine Rückbeziehung auf V. 5 (ex vero … amore). So wird die Verbindung zwischen echter Freundschaft und deren notwendigen Ausdrucksmöglichkeiten offen-
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bar. Dem Dauerhaften der Freundschaftsbeziehung (V. 11: semper) werden die sich stets wandelnden „zeitlichen Dinge“ gegenübergestellt (V. 13 f.). Damit erfolgt die Überleitung zu einem weiteren Thema, dem Wandel in den Lebensumständen Kluges: Ihm wird nun nach Studium und peregrinatio academica in Liegnitz als Lohn für seine Bemühungen auch die ihm gemäße Braut zuteil (V. 15–22). Auch der ihm verbundene Sprecher, der sich in den Reigen der Gratulanten einreiht (V. 23 f.), beginnt daraufhin, über eine mögliche Heirat nachzudenken (V. 25 f.). Beide Stränge – die guten Wünsche für den Bräutigam und die erhoffte Heirat für den Sprecher – werden im letzten Distichon zusammengefaßt und alles wird dem Walten des allmächtigen Gottes überlassen. – Versmaß: elegische Distichen. 2 Balthica ripa] Opitz wohnte seit 1636 in Danzig; vgl. auch die Angabe in der Unterschrift (Gedani, 3. Kal. Junias). 3 f.] Auf freundschaftliche Beziehungen zur Familie Winckler könnte auch ein deutsches Gedicht hindeuten, das Opitz „Auff Herrn Johann Lauterbach‚/ Erb=sassen auch [sic!] Beychaw/ Glogawischen Syndici, Und Jungfrawen Dorotheen Wincklerinn Hochzeit“ verfaßte (abgedruckt in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 83). 5 f.] Der Sinn ist unklar. Opitz nimmt amor verus, der durch virtus entsteht, als Ausgangspunkt für einen neuen, zweiten amor, der durch candor hervorgebracht wird. In Verbindung mit dem Vorhergehenden könnte amor verus die Freundschaft zwischen Opitz und Winckler sein, die durch tätiges Verhalten (virtus) entstand, während die neue Freundschaft (amor alter) zu Kluge zunächst nur über Winckler vermittelt ist und auf der allen dreien zugesprochenen Aufrichtigkeit (candor) beruht. 9 Sed meus, immo tuus (medicum quia praestat) Apollo] Mit meus … Apollo bezieht sich der Sprecher als Verfasser des Epithalamiums auf die Funktion Apollos als Gott der Dichtkunst; tuus … Apollo wäre dann Apollo als der für die Heilkunst zuständige Gott. Diese doppelte Funktion des griechischen Gottes betont Opitz gerne auch in Gedichten, die sich speziell an Geehrte wenden, die gleichzeitig Arzt und Dichter sind wie Caspar Cunrad; vgl. dazu z. B. LW 2, S. 74. 11 hunc animum] Anstelle des Personalpronomens der 1. Person verwendet. 14 f. Jus et in ingenium mobile tempus habet] Vgl. die Formulierung bei Ovid, Heroiden 4,12: [Amor] regnat et in dominos ius habet ille deos. 18 Panacea] Nach Panakeia (Allheilerin), der Tochter des Asklepios, benannte Wunderheilpflanze der Alchemie; vgl. dazu auch z. B. Vergil, Aeneis 12,411–419, wo geschildert wird, wie Venus Heilkräuter sammelt, mit denen dann ihr im Kampf verwundeter Sohn Aeneas geheilt wird. Unter diesen Heil- und Wundermitteln befindet sich auch die Panazee. 19–22] Ein ähnlicher Gedankengang findet sich im vorliegenden Druck auch in dem Epithalamium von Paul Hallmann, fol. C1r : Unde paras autem? Non hanc urbs docta PatavI / Non Venetûm sedes luxuriosa dedit. / Tantum Lignicium potuit tibi tradere, quae sit / apta medela satis, grata medela satis.
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19 Post varias gentes] Vgl. die ersten Verse von Opitzens Glückwunschgedicht zur juristischen Disputation von Johannes Hillinger von 1625, in dem er in einem einzigen langen Satz dessen peregrinatio academica beschreibt: PO st varias gentes, veteris post vasta Tribocci / Moenia, quà Rhenum limpidus Ellus adit, / Post Celtas agiles, et quae nutricula morum / Gallia gratorum multa videnda tenet, / Infidi post saxa freti, Tamisinque ferocem, / Hic ubi faeta celer culta Britannus arat, / Docta suo (quid enim terrarum doctius usquam / Vidisti?) recipit te Witeberga sinu (LW 2, S. 52). Hier wie dort könnte sich Opitz auf den Anfang des Gedichts beziehen, das Daniel Heinsius 1617 in das Stammbuch von Caspar Kirchner eintrug, als dieser sich auf seiner Bildungsreise in Leiden aufhielt: Post varias gentes, tot moenia visa locosque / Et praedives opum Belgica qvicqvid habet, / Excedens alio positas sub sidere gentes / In patriam patriâ judice dignus abis. Dieses Gedicht zitiert Opitz in seinem Brief an Nikolaus Henel von 1635, in dem er diesem einen Lebensabriß seines Freundes und Verwandten Kirchner liefert (hier wiedergegeben nach Conermann/Bollbuck, S. 1278). 19 Antenoris urbem] Die Universitätsstadt Padua. Der Trojaner Antenor soll auf seiner Flucht aus dem zerstörten Troja Padua gegründet haben; vgl. dazu Vergil, Aeneis 1,242–249. 21 mea Lignicium] Hier wie in anderen Gedichten aus dieser Zeit wird die besondere Beziehung des Sprechers zu Liegnitz hervorgehoben. Zu ergänzen wäre hier urbs o. ä.; zur Genusangleichung vgl. Hofmann/Szantyr, S. 441. 25 f.] Immer wieder thematisiert Opitz nicht zuletzt in Epithalamien seine eigenen Heiratspläne bzw. die gegensätzlichen Lebenssituationen seiner selbst, des Unverheirateten, und des jeweiligen Bräutigams; vgl. dazu z. B. die Verse 36–38 in dem Hochzeitsgedicht für Michael Bartsch von 1622 (B ARTSCHI (namque tui … ; LW 1, S. 242) oder das Epithalamium für Caspar Sinner, V. 1–6 (LW 3, S. 28). Noch 1637 hatte Opitz in einem Brief an Friedrich von Schilling vermerkt: „Ich schrieb vor 8 tagen von meiner heyrath: sehe aber daß es Gott nicht also schicken wil, angesehen ein Bürgerssohn allhier vermeinet einspruch zue thun, …“ (Conermann/Bollbuck, S. 1408). Aus dieser Zeit stammen auch Sonette von Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen und von Diederich von dem Werder auf Opitzens geplante Hochzeit; s. dazu ebd, S. 1408–1413. 27 f. Sit faustum quodcunque facis, sic me quoque felix Excipiat] Anklänge an altrömische Wunschformeln wie quod bonum faustum felix fortunatumque sit. Unterschrift] Nach Conermann/Bollbuck, S. 1454, war Opitz wohl in dieser Zeit als königlich polnischer Sekretär wegen des königlichen Seezolls nach Warschau gereist; s. dazu auch die ebd., S. 1443–1453, abgedruckten und kommentierten Briefe Opitzens an den schwedischen Reichskanzler Oxenstierna und Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen. Conermann/Bollbuck, S. 1454 f., erwähnen das vorliegende Epithalamium als Beweis für Opitzens Rückkehr nach Danzig. [M.F.]
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NON haec vota tui Epicedium für Heinrich von Kreischelwitz Dünnhaupt, Nr. 183; – Derer | Biß an den Todt Christo getrewen | Leben‚= vnd Ehren= Krone. | Da‚ ist/ | Eine kurtze/ vnd Einfeltige Abhandlung | der worte de‚ H. Christi/ auß der geheimen | offenbahrung Johan: im 2. capit. v. 10. | (Sey getrew biß an den Tod/ so wil ich dir | die Krone de‚ Leben‚ geben.) | Bey ChristAdelicher Leichbestattung | De‚ WolEd len | Hn: Henrich von Kreischelwitz vnd Stef=|fan‚dorff. | De‚ WolEdlen/ Gestrengen/ vnd Hochbenamten | Herrn Han‚ von Kreischelwitz vnd Ja=|cob‚dorff/ etc. etc. | hertzge liebten Sohne‚ | So den 14. Augusti de‚ jtztlauffenden 1638. Jah=|re‚/ zwischen 6. vnd 7. vhr abend‚/ alhie zu Dantzig/ Christ=| vnd seliglich verschieden/ vnd darauff den 21. Septembr. de‚‚elben | Jahre‚/ in sein ruhkämmerlein/ in der Kirchen zu St. Cathrin | daselbst/ ist beygesetzet worden | Jn Ansehnlicher Volckreicher versamlung | gehalten durch | Johann Mochinger/ Evangelischen | Prediger daselbst. | Gedruckt zu Dantzig bey Georg Rheten. Anno 1638. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Xa 1:18 [17]), fol. F3r–v. Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. Die Verse 13–15 von Opitzens Epicedium sind als Eingangsmotto auf einer gesonderten Seite nach dem Titelblatt abgedruckt bei Theodor Hirsch: Geschichte des academischen Gymnasiums in Danzig, in ihren Hauptzügen dargestellt. Danzig 1837. Der vorliegende Druck besteht aus vier Teilen: Auf die Vorrede Johann Mochingers folgt dessen Leichpredigt, dann die (wohl ebenfalls von Mochinger stammende) Lebensbeschreibung Heinrichs von Kreischelwitz (fol. E4r–F2v). Das Epicedium Opitzens, der einzige Gedichtbeitrag, bildet den Abschluß des Druckes. Wie der an Hans von Kreischelwitz gerichteten Vorrede Mochingers zu entnehmen ist (fol. A2r), hatte Kreischelwitz letzteren ersucht, die Leichpredigt für seinen Sohn zu veröffentlichen; diese Vorrede an den von ihm als „Großgünstige[n] Patron“ bezeichneten Kreischelwitz ist datiert „Gegeben in Dantzigk den 27. Septembr. Anno 1638“, so daß sich hierdurch auch Rückschlüsse auf die Abfassungszeit von Opitzens Gedicht ziehen lassen. Zur Familie von Kreischelwitz vgl. Sinapius, Bd. 1, S. 562 f. und vor allem Bd. 2, S. 754 f. Demnach liegt Kreischelwitz, der Stammsitz dieser hochadeligen Familie, „im Breßlauischen“, während die „Linie zu Jacobsdorff im Lignitzischen“ beheimatet ist. Der im vorliegenden Druck genannte Hans von Kreischelwitz war „Ihro Röm. Kays. Maj. Obrister, Ertz=Hertzogs Caroli zu Oesterreich, Bischoffs zu Brixen und Breßlau Cämmerer, wie auch Hertzogs George Rudolphs zu Lignitz und Brieg Rath und Hof=Marschall“ und lebte wohl noch 1650. Mit seiner bereits 1624 verstorbenen Gemahlin Barbara von Mühlheim und Domantz hatte er drei Söhne und zwei Töchter, von denen ein Sohn und eine Tochter früh verstarben. Der durch Opitzens Epicedium geehrte Heinrich von Kreischelwitz wurde, wie aus der Lebensbeschreibung, fol. E4r, hervorgeht, am 8. Juni 1619 in dem im Fürstentum Breslau gelegenen Stefansdorf geboren. Nach sorgfältiger Erziehung durch die Eltern besuchte er, zusammen mit seinem jüngeren Bruder, das Elisabethgymnasium in Breslau, „worauf er nach Dantzig verschicket worden, aber daselbst nach ohngefehr sieben vierthel Jahr 1638. 14. Aug. aet. an. 20. seelig verschieden, und den 21. Sept. drauf in der Kirche zu S. Catharinen daselbst beygesetzt worden. Vid. Joh. Mochingeri Lei-
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chen=Predigt Dantisci 1638. in 4to. Der berühmte Martinus Opitius setzte dem Verstorbenen ein Epicedium auf, welches unter seinen Lateinischen Poëmatibus nicht zu finden, und sich also anfängt: Non haec Vota Tui, non Mens, Henrice, Parentis, qua nil candidius, novimus ista, fuit“ (Sinapius, Bd. 2, S. 754 f.). Vgl. außerdem Zedler, Bd. 15, Sp. 1839 f. Im Mittelpunkt von Opitzens Gedicht stehen das innige Verhältnis von Hans von Kreischelwitz zu seinem (wie es auf dem Titelblatt heißt) „hertzgeliebten“ Sohn Heinrich und die mit diesem verknüpften Erwartungen. Dies wird bereits im ersten Distichon deutlich, in dem zwar der verstorbene Jüngling angeredet, doch zugleich eine Verbindung zur Person des Vaters hergestellt wird. Wie aus den folgenden Versen 3–8 hervorgeht, verband sich mit dem (ältesten) Sohn für Hans von Kreischelwitz eine existentielle Hoffnung und wohl auch die Überzeugung, so den fatalen Schicksalsschlägen, die die Allgemeinheit heimgesucht hatten, trotzen zu können. Die Verse 9–18 konkretisieren die Lebensplanung des Vaters für seinen Sohn, der die Verbindung von edler Abkunft und gelehrter Bildung realisieren sollte. Vorgesehen war Danzig als idealer Ausbildungsort, als wichtigster Lehrmeister Johann Mochinger. Gerade an dessen Person wird jedoch die völlige Zerschlagung der menschlichen Pläne deutlich und damit auch die Ironie des Schicksals, denn Mochinger, der Heinrich von Kreischelwitz wohl eher die Grundlagen der Rhetorik nahebringen sollte, hatte nun die traurige Aufgabe, diesem eine angemessene Leichenrede zu halten. Dieses Umschlagen ins Gegenteil erfolgt – augenfällig für den Leser – an der Nahtstelle (V. 16–18) von der ersten zur zweiten Hälfte des Gedichtes. Die Pläne des Vaters sind zerstoben; er, der glaubte, dem allgemeinen Verhängnis etwas entgegensetzen zu können, wird durch den erlittenen Schicksalsschlag gleichsam selbst aus der Bahn geworfen (V. 19–22). Das nachfolgende sentenzenhafte Distichon verdeutlicht jedoch, daß diese Reaktion durch die Schwere des Verlustes zu entschuldigen sei, und wendet so den Einzelfall ins Allgemeine (V. 23 f.). Die irdischen Hoffnungen fanden im Grab ihren Schlußpunkt (V. 25 f.); was jedoch bleibt, ist die letztgültige und unzerstörbare Hoffnung – nämlich die auf ein Weiterleben der Seele und eine Auferstehung sowohl für das Individuum (V. 27–30) wie auch für alle Menschen (V. 31 f.). – Versmaß: elegische Distichen. 3–5] Das anaphorische Post … Post erscheint auch in anderen Gedichten Opitzens; s. dazu im Kommentar zum Epithalamium für die ebenfalls 1638 stattgefundene Hochzeit von Tobias Kluge und Blandina Winckler das Lemma zu V. 19 (Post varias gentes), LW 3, S. 570. 3 cineres Patriae] Vgl. Vergil, Aeneis 10,55–60: … quid pestem euadere belli / iuuit et Argolicos medium fugisse per ignis / totque maris uastaeque exhausta pericula terrae, / dum Latium Teucri recidiuaque Pergama quaerunt? / non satius cineres patriae insedisse supremos / atque solum quo Troia fuit? Den die schlesische Heimat heimsuchenden Verwüstungen werden durch den Rekurs auf Vergil epische Dimensionen zugemessen. 6 forti dissimulare metu] Diese contradictio in adiecto weist gewisse Anklänge an neostoizistisches Gedankengut auf. 9–12] Das Thema Adel und Bildung wird von Opitz in seinen Texten immer wieder zu Sprache gebracht. Vgl. auch die Lebensbeschreibung Heinrich von Kreischelwitzens im vorliegenden Druck, fol. E4v–F1r : „Folgend als Er etwas erwachsen/ hat Wolermelter
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sein Hochgeehrter Herr Vater Jhn sambt seinem Jüngern Bruder nach Breßlaw verschickt/ vnd daselbst etliche Jahre/ so wol in dem löblichen Gymnasio offentlich/ als zu hause von seinen/ Jhm zugeordneten/ Praeceptoren/ vnd Hoffmeistern in Freyen Künsten/ vnd Lateinischer sprache bestes fleisses vnterweisen/ vnd vnterrichten lassen/ auch Sich gäntzlich dahin ferner resolviret/ keiner spesen vnd vnkosten bey diesen/ wie wol höchstbeschwereten Leufften zu schonen/ damit dieser Sein hertzgeliebter Sohn bey dem Studieren verbleiben/ in aller löblichen geschickligkeit wol zunehmen/ vnd künftig eine Ehr=vnd Tugendliebende qvalificirte/ vnd seinem Geschlecht wol anstehende Person geben möchte.“ 13–15] Heinrich von Kreischelwitz besuchte, wie auch aus der namentlichen Nennung Mochingers in V. 16 zu erschließen ist, in Danzig das Gymnasium Academicum sive Illustre, das 1558 gegründet worden war und nicht zuletzt „als Vorbereitungsanstalt für das studium generale an den Universitäten“ galt (Noack, S. 66). Das Gymnasium genoß einen hervorragenden Ruf, so auf dem Gebiet der Medizin, der anderen Naturwissenschaften und nicht zuletzt der Jurisprudenz; s. dazu Noack, S. 66 f., außerdem Hirsch, Geschichte des academischen Gymnasiums in Danzig, wie oben. 15 f.] Johann Mochinger (1603–1652), ein enger Freund Opitzens, für den dieser bereits 1631 ein Epithalamium verfaßt hatte, war in Danzig geboren, wurde 1629 Diakon der Kirche zu St. Katharina und wirkte ab Juli 1630 zudem als Professor für Beredsamkeit am Akademischen Gymnasium in Danzig; s. Noack, S. 73 f., und den Kommentar zum genannten Hochzeitsgedicht (Ille decus patriae; LW 2, S. 426–429). Gerade in den Kasualgedichten aus Opitzens letzten Lebensjahren, die dieser in Danzig verbrachte, findet Mochinger einige Male Erwähnung, meist auch im Zusammenhang mit seinen beiden Amtsfunktionen. 17 Qui tibi post vitae quam fausta corona palaestram Detur, facundâ nos pietate docet] Damit bezieht sich der Sprecher konkret auf das Thema, das Mochingers Leichpredigt zugrunde liegt: „Die wort/ so wir jetztangedeutetes zwecks halber/ für dieses mahl/ abhandeln wollen/ nehmen wir auß dem buch der geheimen offenbahrung des H. Johannis im 2. capit: 10. vß. so/ wie hernach folget/ lauten. Sey getrew biß an den Tod/ so wil ich dir die Krone des Lebens geben“ (fol. B1v). In der Vulgata lautet die Stelle: esto fidelis usque ad mortem / et dabo tibi coronam vitae. Zu denken ist wohl auch an die doppelte Bedeutung von palaestra als Ort für (sportliche Ring-)Kämpfe wie für die Schule, nicht zuletzt auch in bezug auf die dort zu erhaltende Ausbildung in der Rhetorik (vgl. noch Masens Palaestra eloquentiae ligatae). Im weiteren Sinne sind wohl Bibelstellen zu bedenken wie II Tim 4,7 f. (in der Vulgata): bonum certamen certavi / cursum consummavi / fidem servavi [8] in reliquo reposita est mihi iustitiae corona / quam reddet mihi Dominus in illa die iustus iudex / non solum autem mihi / sed et his qui diligunt adventum eius (darauf bezieht sich auch Mochinger in seiner Leichpredigt, fol. D4r) oder I Kor 9,24 (in der Vulgata): nescitis quod hi qui in stadio currunt / omnes quidem currunt / sed unus accipit bravium / sic currite ut conprehendatis. Vgl. auch noch Andreas Gryphius’ Gedicht Abend, V. 8 f.: „Diß Leben kömmt mir vor als eine Renne-Bahn. | Laß hoechster Gott / mich doch nicht auff dem Lauffplatz gleiten/…“ (Andreas Gryphius: Gedichte, hrsg. von Thomas Borgstedt. Stuttgart 2012 [= Reclams Universal-Bibliothek 18561], S. 37).
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17 facundâ … pietate] In dem Epicedium, das Opitz auf die ebenfalls im Jahr 1638 verstorbene Tochter des Obristen von Sparr verfaßte (Q V em non ferratae; s. LW 3, S. 274–276), verwendet der Sprecher in V. 11 ebenfalls die Junktur pietas facunda in bezug auf die Rednergabe desjenigen, der die Leichenpredigt hielt. 19 f. Jam … Jam …] Opitz bezieht sich hier auf die actio der Leichenpredigt, an die sein Gedicht unmittelbar anschließt. 27 f. parte … meliore tui] Die Vorstellung von der Seele als besserem Teil des Menschen ist in christlichem wie stoischem Kontext gebräuchlich; vgl. Seneca, Briefe an Lucilius 78,10: Vir magnus ac prudens animum diducit a corpore et multum cum meliore ac divina parte versatur; Augustinus, Bekenntnisse 10,6,58 f.: Iam tu melior es, tibi dico, anima, quoniam tu vegetas molem corporis tui praebens ei vitam, quod nullum corpus praestat corpori. 28 Tempus inexhaustum] Als diametraler Gegensatz zu [in] arctum … tumulum (V. 25 f.). 30 Quando volet vitae vita, superstes erit] Anspielung auf die Auferstehung des Leibes und die Wiederkunft Christi am Jüngsten Tag; vgl. 1 Kor 15,35–58 oder Apk 20. In Mochingers Leichpredigt heißt es (fol. D2v): „Vnd dan endlich … muß es seyn/ daß man durch den Tod selbst sich von Christo nicht scheiden lasse/ auf daß Christus vns hergegen das leben schencke.“ 30 vitae vita] Die Formulierung stammt von Augustinus, Bekenntnisse 10,6,60: Deus autem tuus etiam tibi vitae vita est. Ein prominentes Zeugnis für die Verwendung dieser Junktur aus dem 17. Jahrhundert ist Paul Gerhardts wohl erstmals 1653 publiziertes Osterlied Nun freut euch hier und überall: „Nun freut euch hier und überall, | Ihr Christen, lieben Brüder! | Das Heil, das durch den Todesfall | Gesunken, stehet wieder. | Des Lebens Leben lebet noch, | Sein Arm hat aller Feinde Joch | Mit aller Macht zerbrochen“ (Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, hrsg. und textkritisch durchgesehen von Eberhard von Cranach-Sichart. München 1957, S. 79–87). 31 f.] Bei diesem sentenzenhaften Distichon ist wohl an ein ganzes Universum von Vorstellungen zu denken, etwa an Platons Höhlengleichnis, neuplatonisches Gedankengut oder auch diverse Stellen aus dem Alten und Neuen Testament, so Koh 6,12 (bzw. 7,1; in der Vulgata): quid necesse est homini maiora se quaerere cum ignoret quid conducat sibi in vita sua / numero dierum peregrinationis suae et tempore quo velut umbra praeterit und Mt 4,16 (populus qui sedebat in tenebris lucem vidit magnam et sedentibus in regione et umbra mortis lux orta est eis). Unterschrift] Mit Polon!iae" Svec!iae"que Regis ist König Władysław IV. gemeint, bei dem Opitz in den genannten Funktionen in Diensten stand. Vgl. Kommentar zur Vorrede zum Lobgeticht auf den König (1636), LW 3, S. 454. [R.S., V.M.]
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OR bem per totum fervet Propemptikon für Johann Valentin Rhete Dünnhaupt, Nr. 180A; – [Vortitel:] ORATIO|DE |GLORIA. [Innentitel:] PROPEMPTICA | in | HONOREM | Joh. Valentini Rhetii | Dantiscani Porussi, | AD | ATHENAS PORUSSIACAS | abiturientis, de gloriâ publicè per-|orantis, Gymnasio Gedanensi | valedicentis. – o. O. [Danzig], o. J. [1638] (UB Breslau: 553013), fol. A1r. Wiedergabe nach dem Erstdruck. Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eines von mehreren Propemptika anläßlich der Valediktionsrede Johann Valentin Rhetes, die dieser vor seinem Weggang aus dem akademischen Gymnasium in Danzig zum Studium nach Königsberg (vgl. oben: AD ATHENAS PORUSSIACAS) hielt. Nach dem oben genannten Vortitel schließt sich im Druck auf nicht gezählten Blättern ein VIATICUM ACADEMICUM in Form von Glückwunschgedichten von Adam Bythner und Georg Daniel Coschwitz an, verbunden mit kabbalistischen Berechnungen. Mit fol. A1r beginnen die von dem oben angeführten Innentitel eingeleiteten poetischen Wünsche zum Abschied. Opitzens Text ist der erste in dieser Reihe, dann folgt ein Gedicht von Michael Albinus; s. dazu Dick van Stekelenburg: Michael Albinus ‚Dantiscanus‘ (1610–1653). Eine Fallstudie zum Danziger Literaturbarock (= Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur 74). v. a. S. 178 und 293 f. (hier Beschreibung des vorliegenden Drucks). Ihm schließen sich die Beiträge von zwölf anderen Gratulanten an, bei denen es sich, da hier zumeist keine Berufs- bzw. Amtsbezeichnungen angegeben sind, wohl in erster Linie um Mitschüler an dieser renommierten Lehranstalt handelt. Den Abschluß bildet ein Chronodistichon von „J.V.R.“, also von Johann Valentin Rhete selbst (fol. B2v): Vota preCesqVe DeVs, preCor has eXaVDIat: ILLô / InsIgne InsIgnIs gLorIa CaLCar habet. Aufschlüsse über die Redesituation liefert das Titelblatt der Valediktionsrede (die zumindest im Exemplar der UB Breslau sich unmittelbar anschließt): DE GLORIA | ORATIO | pro | gloriolâ consequendâ | favoreque emerendo | IN | GYMNASIO GEDANENSI | ANNO | M DC XXXVIII . | DIE XVI . DECEMBRIS | publicè recitata | et | Amplissimo Senatui | CIVITATIS GEDANENSIS | in sui studiorumque suorum commendationem | debitâ cum animi submissione | inscripta et exhibita | à | JOHANNE VALENTINO RHETIO | GEDANENSI . Diese Rede wurde TYPIS R HETIANIS gedruckt und von Johann Valentin Rhete dem Rat von Danzig gewidmet. Unmittelbar im Anschluß an diese Angaben findet sich eine AD AVDIENDAM DECLAMATIONEM INVITATIO von Johann Mochinger, CONCIONATOR AEDIS CATHARINAE ET RHETOR GYMNASII . Dieser, ein enger Freund Opitzens, war Professor für Beredsamkeit am Akademischen Gymnasium in Danzig und somit für eine rhetorische Ausbildung der Schüler zuständig, die bis hin zum freien Vortrag führen sollte; s. Noack, S. 73 f., über Mochingers Aufgabe: „Vom Eloquenzprofessor erwartete man, die humanistisch-rhetorische Welt mit den Dogmen der lutherischen Glaubenslehre zu verbinden und kirchlicher Polemik den sprachlichen Schliff zu verleihen. So las Mochinger vor allem über geistliche Beredsamkeit, übte aber seine Schüler ebenfalls in Deklamationen und Disputationen … Als Höhepunkt ihrer Studien am Akademischen Gymnasium mußten die Primaner ihre Tüchtigkeit in feierlichen Disputationen und Redeactus unter Beweis stellen.“ Neben
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öffentlichen Redeübungen, die monatlich vor einem Kreis geladener Gäste stattfanden, wurden viermal im Jahr festliche Redeübungen durchgeführt, an denen auch zahlreiche Danziger Bürger als Publikum teilnahmen: „Der Professor, dessen Wissenschaft die Disputationen betrafen, feilte selbige vorher durch, übte sie mit den Gymnasiasten ein und verfaßte auch das Einladungsschreiben, dem gewöhnlich eine wissenschaftliche Abhandlung voranging. Zuweilen wurden die Reden der Primaner auch gedruckt; und jeder besser Gestellte unter diesen versuchte, trotz der damit verbundenen Kosten, in einer solchen Veranstaltung wenigstens unmittelbar vor seinem Abgang seine Fortschritte unter Beweis zu stellen. Denn die Disputationen erfreuten sich weit über Danzigs Grenzen hinaus besonderer Berühmtheit.“ Diese Einleitung bildet im übrigen den zweiten Teil von Mochingers Ad Audiendas Declamationes Tres Diverso Habitas Tempore, Invitationes, gedruckt bei Rhete in Danzig 1642. Es ist nicht auszuschließen, daß gerade Mochinger Opitz zur Abfassung seines Propemptikons veranlaßt hat. Der Adressat dieser Glückwünsche ist in den Matrikeln der Universität Königsberg am 3. Januar 1639 folgendermaßen eingetragen: Johannes Valentinus Rhetius, Dantiscanus Borussus, huc studiorum gratia veniens repetit ius scholasticum. Inscriptus enim iam ante est ao. 1632. Rectore M. Clugmichelio 19. Junij, nondum iur. (Erler, Königsberg, S. 398). Nach den Erläuterungen ebd., S. LXIX f., bedeutet dies, daß Rhete wohl zu den sogenannten minorennes stipulati bzw. minorennes depositi gehörte, die nach ihrer Immatrikulation zunächst ein Gymnasium besuchten und später an die Universität zurückkehrten: „Sobald sie von ihrer Schule das Zeugnis erhalten hatten, dass sie imstande seien, dem akademischen Unterrichte zu folgen, meldeten sie sich beim Rektor zu erneuter Inskription. Wer von ihnen inzwischen das 17. Lebensjahr erreicht hatte, wurde vereidigt.“ Möglicherweise hatte er außer in Danzig auch in Stettin die Schule besucht, wie ein Hinweis in einem der Glückwunschgedichte nahelegt. Demnach habe sein Vater ihn zu Johannes Micraelius geschickt (Mitteret ut docto Natum Micraelio, fol. A1v), der Rektor der Ratsschule in Stettin war und dessen Werke von Rhetes Vater gedruckt wurden. Johann Valentin Rhete, dessen bislang unbekanntes Geburtsjahr sich möglicherweise aus den zuletzt gemachten Angaben erschließen läßt, stammte aus einer alteingesessenen Buchdruckerfamilie, die in Pommern und seinen Nachbarländern vor allem im 16. und 17. Jh. florierte; vgl. Lexikon des gesamten Buchwesens: Zweite, völlig neu bearbeitete Aufl. [LGB2], Bd. 6, S. 297. Sein Vater, Georg Rhete d. J. (1600–1647), war seit 1619 Ratsund Gymnasialdrucker in Danzig und erwarb von der Stadt die Offizin des Martin Rhode. Um 1639 übernahm er von seinem Bruder David die väterliche Offizin in Stettin, führte aber gleichzeitig die Danziger fort. Diese wurde nach seinem Tod 1647 von seiner Witwe Anna, geb. Richter, und einem weiteren Sohn geleitet; s. dazu Christoph Reske: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing. Wiesbaden 2007, S. 147. Auch Texte von Opitz, in erster Linie Beiträge zu Kasualdrucken, wurden bei dem Danziger Buchdrucker Georg Rhete d. J. gedruckt. Allerdings war nicht dieser, sondern in erster Linie Andreas Hünefeld der Verleger und Drucker von Opitzens Werken in Danzig; s. Conermann/Bollbuck, S. 1258. Zwischen Hünefeld und Rhete entbrannte im übrigen ein Konkurrenzkampf um die Druckprivilegien für das Danziger Gymnasium und eine Comenius-Ausgabe (dazu Conermann/Bollbuck, ebd.). Zu den Buchdruckern in Danzig s.
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außerdem: Maria Pelczarowa: Z dziejów oficyn drukarskich w Gda´nsku [A Contribution to the History of Gda´nsk Printing Offices (16th–18th Centuries)], in: Rocznik Gda´nski 14 (1955), S. 144–165, sowie Kazimierz Maliszewski: Bürgerliche Formen und Methoden gesellschaftlicher Kommunikation in den Metropolen des Königlichen Preußen im 17. und 18. Jahrhundert, in: Kulturgeschichte Preußens königlich polnischen Anteils in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Sabine Beckmann und Klaus Garber. Tübingen 2005 (= Frühe Neuzeit 103), S. 575–596, hier v. a. S. 583 f. Johann Valentin Rhete übernahm nach dem Tod des Vaters die Offizin in Stettin; 1650 läßt sich für ihn der erste Druck belegen; vgl. Reske, S. 863 f. Er selbst ist der Verfasser einer (um 1650 entstandenen) Schrift Inclita Suecorum Bellona, die er Königin Christina von Schweden widmete. Ab 1656 druckte Rhete die Europaeische Zeitung, ab 1658 die Europaeische Dingstägliche Zeitung; s. dazu: Die deutschen Zeitungen des 17. Jahrhunderts. Ein Bestandsverzeichnis mit historischen und bibliographischen Angaben, zusammengestellt von Else Bogel und Elger Blühm (= Studien zur Publizistik. Bremer Reihe 17). Bd. 1: Text. Bremen 1971, S. 141–144; Bd. 2: Abbildungen. Bremen 1971, S. 152 f.; Bd. 3: Nachtrag. München u. a. 1985, S. 99 f. und 258. Ab 1664 kam es wegen des Zeitungsdrucks mit dem Drucker Daniel Starck zu Auseinandersetzungen, die 1675 im Entzug des Zeitungsprivilegs durch die schwedische Regierung zugunsten von Starck mündeten, da Rhete offenbar „anzügliche Dinge“ gegen den polnischen König gedruckt hatte. Erst nach Johann Valentin Rhetes Tod 1683 gelang es seinem Sohn Friedrich Ludwig, der die Offizin übernommen hatte, das Privileg, in Stettin Zeitungen zu drucken, zurückzuerhalten (Bogel/Blühm, Bd. 1, S. 143); vgl. außerdem Dorothea Seeber: „In Officin und Bett: GOtt laß den Druck gelingen“. Buchdrucker und -händler im Spiegel der Gelegenheitsdichtung des Stettiner Pastors Friedrich Fabricius, in: Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit, hrsg. von Klaus Garber unter Mitwirkung von Stefan Anders und Thomas Elsmann. Bd. 2. Tübingen 1998 (= Frühe Neuzeit 39), S. 752–768, hier S. 761 f., sowie Reske, S. 864. Nach Reske, ebd., hatte Rhete den Titel eines „Kgl. Pommerschen Buchdruckers“. Vgl. außerdem: Robert Seidel: Epicedien in pommerschen Leichenpredigten aus der Sammlung Stolberg, in: Pommern in der Frühen Neuzeit. Literatur und Kultur in Stadt und Region, hrsg. von Wilhelm Kühlmann und Horst Langer. Tübingen 1994, S. 239–265. Dem Thema von Rhetes Rede angemessen beschäftigt sich auch Opitzens Gedicht mit den verschiedenen Ausprägungen von Ruhm. Wie der Sprecher selbst diese Ausprägungen bewertet, ergibt sich aus den verschiedenen Begriffen, die zu jenem Wortfeld zu rechnen sind. Ausgangspunkt ist in V. 1 die sentenzenhafte Aussage, jeder strebe nach honos (hier wohl im Sinne von „Ehrenbezeigung“ zu verstehen), resultierend aus dem nicht unbedingt als negativ zu bewertenden Wunsch jedes Menschen nach Aufwertung und Hochschätzung der eigenen Person (V. 2). Die Wege, laus (also „Anerkennung“ zu Lebzeiten) zu erringen, sind jedoch verschieden (V. 3) und führen zumeist in die Irre (V. 4). Zu beachten ist hier in V. 4 die allmähliche Steigerung in der negativen Bewertung, ausgehend von der noch eher neutralen Bezeichnung Maxima pars hominum bis hin zu den praemia falsa und rapit als verwerflichem Schlußpunkt. Daß es sich dabei vor allem um moralische Bewertungsgrundsätze handelt, ergibt sich aus den in den Versen 5–8 vorgestellten positiven Gegenbildern. Die Bemühungen um diese führen nicht nur zur Unvergäng-
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lichkeit (V. 7: non interit unquam), sondern erheben die Person des Menschen über alles Irdische, also auch über irdische Güter, irdischen Ruhm (V. 8); der Mensch gewinnt auf diese Weise die von ihm angestrebte eigentliche Wertschätzung, auf die in V. 2 hingewiesen wurde. Die bereits in V. 7 genannte Liebe zu den Musen wird auch dem Sprecher Unsterblichkeit bringen (V. 9 f.), die Anrede an Rhete, den neuen studiosus, soll diesen in diese Vorstellungswelt mit einbinden. Wenn sich auch Rhete dem wahren Ruhm, nämlich gloria, verschreibe, dem Thema seiner Rede, werde ihm (ebenfalls) Unvergänglichkeit zuteil. – Versmaß: elegische Distichen. 1 f.] Der Gedanke wird mehrfach auch in Rhetes Oratio ausgeführt; so heißt es z. B. bereits ganz zu Anfang (S. 1): OM nium atque singulorum, mundi domicilio comprehensorum hominum mentibus infixum, et implantatum radicitus quasi est, ut honorem gloriamque, ejus incitatae stimulis, prae rebus omnnibus, quaerant spectentque: quanquam in eô miserè aberretur, quòd non semper rectâ ad ejusdem arcem grassentur viâ, atque curriculô. 3 f.] Die verschiedenen Wege und Bemühungen um Ruhm sind auch Thema von Rhetes Oratio (S. 7–13). 5–8] Mit dem richtigen und ehrfurchtsvollen Verhalten gegenüber Gott, Vaterland und Familie/Eltern umschreibt der Sprecher hier den römischen Begriff der pietas. Die enge Verbindung von virtus und gloria ist ein Hauptgedanke in Rhetes Oratio; vgl. z. B. S. 13: Virtus extollit hominem, et supra astra mortales collocat, nec ea, quae bona, aut mala sunt, aut cupit nimis, aut expavescit. Nullam haec aliam mercedem, praeter hanc laudis et gloriae, desiderat. Gloria umbra virtutis est, etiam invitos comitatur. 7 Musas amat ingenuas] In seiner Oratio, S. 16, führt Rhete aus, daß gloriam seriâ literarum operatione parandam sei. 9 f.] Wohl eine Anspielung auf berühmte Formulierungen aus der Antike, die die Unvergänglichkeit zumal der Dichtkunst ebenso wie den Ruhm bei der Nachwelt und die Überwindung des Neides betonen, so Horazens Ode 3,30 oder die Schlußverse (Buch 15, 871–879) von Ovids Metamorphosen. Unterschrift] Nach Szyrocki, S. 122, war Opitz zu dieser Zeit von den Pflichten des Hofhistoriographen befreit und hatte das Amt eines königlichen Sekretärs übernommen. [V.M.]
QVos aevi dederas Geleitgedicht für den dritten Teil der Predigtsammlung Johannes Heermanns Nicht bei Dünnhaupt. – Der Erstdruck liegt in zwei Fassungen vor: Druck X: Laborum Sacrorum Continuatio | F ESTIVALIS | Dritter Theyl der | Fortstellung | GEISTLJCHER | Kirchen=Arbeit. | Da‚ ist: | Fernere Erklärung | Aller Fest=Evangelien | darinnen auff ein jede‚ etliche Predigten. | Gerichtet durch | Johannem
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Heermannum | Pfarrn zue Köben. | Cum Gratia & Privilegio Elect. Saxon. | Leiptzig/ | Jn Verlegung David Müller‚ | Buchhändler‚ Seel. Erben in Breßlaw. | Anno M DC XXXVIII. [Kolophon: Leipzig/ | Gedruckt bey Henning Köler. | Jn Verlegung | David Müller‚ S. Erben/ | Buchhändler‚ in Breslaw. | A NNO M. DC. XXXVIIII.] (Stadtbi-
bliothek Nürnberg: Solg. 2. 315), fol. )( )( 3r–v. Druck Y: Hier sind im Vergleich zu X leichte Abweichungen im Kolophon festzustellen: „Kölern/“ und „A NNO M. DC. XXXIX“; zudem fehlen auf dem Titelblatt die in X in der umrahmenden Zierleiste unten medaillonartig in einem Kreis wiedergegebenen vier Wappen mit der Beischrift „BIB. NOR.“ Ansonsten sind beide Fassungen identisch und stimmen auch in bezug auf den Fingerprint überein. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 350.3 Theol. 2°), fol. )( )(3r–v. Opitzens Gedicht findet sich auch in einer späteren Fassung dieses Werkes, die 1655 in Nürnberg gedruckt wurde. Das Gedicht wird ebenfalls wiedergegeben von Bernhard Liess: Johann Heermann (1585–1647): Prediger in Schlesien zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Münster 2003, S. 65, Anm. 41. Unsere Ausgabe folgt dem Erstdruck. Heermanns Labores Sacri wurden zum ersten Mal im Jahre 1624 veröffentlicht. Bei diesem Werk (drei Teile in einem Band) handelt es sich „um seine erste, alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres umfassende Postille“, so Bernhard Liess, wie oben, S. 59. Eine wesentlich erweiterte Fassung der Sammlung mit Sonntagspredigten erschien 1631 (Laborum Sacrorum Continuatio). Der erste Teil des inzwischen zweibändigen Werkes behandelt die Zeit vom ersten Advent bis zum Sonntag Exaudi, der zweite die Zeit von Pfingsten bis zum 26. Sonntag nach Trinitatis. Wie aus dem Titel der vorliegenden Predigtsammlung hervorgeht, handelt es sich nunmehr um den dritten Teil der Continuatio, einer Sammlung von Predigten für die Festtage. Dieser erschien erstmals 1639 (s. Kolophon, abweichend vom Titelblatt mit der Jahreszahl 1638) in Leipzig und Breslau. Opitzens Gedicht ist hier zusammen mit weiteren lateinischen, einem hebräischen und zwei deutschsprachigen Geleitgedichten abgedruckt. Bereits für die Laborum Sacrorum Continuatio hatte Opitz ein Epigramm für das dort wiedergegebene Porträt Heermanns beigesteuert, das sich auch in diesem dritten Teil findet und nur hier von einem deutschen Geleitgedicht von Christoph Coler begleitet wird (s. dazu die Ausführungen zu Dum patriam Musae; LW 3, S. 327–329). Die Festtagspredigten erschienen bei David Müllers Erben in Breslau, dem Verlag, der nach David Müllers Tod die Werke Heermanns, Opitzens Poemata (1638–1639) und auch Logaus Reimensprüche (1638) betreute. Zu bedenken ist, daß Johann Heermann die Leichenpredigt auf den 1636 verstorbenen Buchhändler und Verleger hielt; s. LW 3, ebd. Da sich die Drucklegung des dritten Teils (zu den Verzögerungen bei der Drucklegung durch die finanziellen Engpässe des Verlagseigentümers Christoph Jacob vgl. Conermann/ Bollbuck, S. 1507–1510: Andreas Tscherning an Martin Opitz, 5. 12. 1638) über Gebühr hingezogen hatte, kann man annehmen, daß alle Geleitgedichte bis zum Sommer 1637 bereits vorlagen. Anhaltspunkte bieten die Datierungen der Gedichte von Johann Gerhard (dessen Beitrag auf Jenae 21. Jul. An. 1637 datiert ist – er verstarb im Folgemonat!) und Johann Matthäus Meyfart (Erfurt, 23. Juli 1637); andere sind bereits 1636 entstanden. Wann Opitz seinen eigenen Beitrag an Heermann oder an den Drucker in Leipzig gesandt hat, ist unklar. Er könnte ihn zusammen mit den Gedichten anderer Danziger
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Gelehrter (Johann Botsack, Johann Mochinger, Adam Büthner) kurz nach seiner Übersiedlung nach Danzig – Anfang September 1636 – an den Drucker geschickt haben. Das Gedicht Botsacks ist auf den 14. August 1636 datiert, also noch vor dem Eintreffen Opitzens in Danzig fertig geworden. Daß die Danziger sich aber untereinander verständigt hatten, verrät die Formulierung in der fünften Strophe des Gedichtes von Büthner (Bl. )( )(4v): Dantisci tibi Congratulamur omnes; auch zeigt sich Büthner über die Drucklegung im Detail informiert. Wenn es der Fall gewesen sein sollte, daß man sich die Botenkosten teilte, dann dürfte die gemeinsame Sendung noch im September 1636 erfolgt sein. Opitz kann jedoch auch früher oder später, unabhängig von anderen Beiträgern, sein Geleitgedicht verfasst und Heermann zugeschickt haben, da er ja schon seit Erscheinen des zweiten Teils der Predigten (1631) Heermann verbunden war. Die Reihenfolge der Geleitgedichte wird bestimmt vom gesellschaftlichen Rang der Verfasser. Zuerst erscheinen die Universitäts- und Gymnasialprofessoren (Paul Röber, Wittenberg; Johann Gerhard, Jena; Johann Georg Dorsche, Straßburg; Johann Matthäus Meyfart, Erfurt; Johann Botsack, Danzig; Johann Mochinger, Danzig, zu ihm s. LW 2, S. 426 f.), danach der Adelige Friedrich von Logau (mit einem imponierenden Alexandrinergedicht von 144 Versen; kurze Auszüge wiedergegeben bei Liess, S. 65, Anm. 41), der noch vor Opitz den Vorrang erhält. An Opitz schließen sich an die Pastoren (Johann Kurtzmann, Breslau; Andreas Celichius/Kölichen, Lüben; Adam Büthner, Danzig; Matthäus Arnhold, Groß-Tschirnau) und Schüler (Samuel Heermann, der Sohn Johannes Heermanns; Christoph Jacobi). Wie aus dem Text deutlich hervorgeht, würdigt Opitz damit den Abschluss der dreibändigen „Fortstellung“ des Predigtwerks von 1632–1639. Im Mittelpunkt steht hier, wie in vielen anderen Gedichten Opitzens, die Rolle der Literatur als die einzige, die ein Gegengewicht zu den schweren Zeitläuften zu bilden und diese auch zu überdauern vermag. Dies wird augenfällig durch die verschiedenen Begriffe in V. 1 f., die auf ‚Zeit‘ und ‚Ewigkeit‘ hindeuten. Dadurch, daß Heermann gerade jetzt seine bereits vor etlichen Jahren (V. 1) begonnene Predigtsammlung vollendet hat, hat er sich somit ganz besonderen Ruhm erworben (V. 7 f.): Der Akt des Schreibens in einer bitteren Zeit kann dann in einen zukünftigen Akt des Lesens münden, der in eine andere, bessere Welt (Portus et effugium grande; V. 10) zu führen vermag. – Versmaß: elegische Distichen. 3 dum bellum Slesi pacemque gravamur] Der Prager Sonderfrieden vom 30. Mai 1635 wurde ohne Beteiligung der Schlesier geschlossen. Damit wurde den von der böhmischen Krone regierten Erbfürstentümern die freie Religionsausübung versagt; zahlreiche Pfarrer wurden in die piastischen Herzogtümer und nach Polen vertrieben, andere, wie der Köbener Pfarrer Heermann, litten unter den Plünderungen von kaiserlichen und schwedischen Truppen. Da Schweden und Frankreich in den Friedensschluss nicht einbezogen waren, ging der Krieg in Schlesien weiter. 5 Ad vigiles … lychnos] Vgl. sed vigiles nolite extinguere lichnos aus einem Epithalamium des Gallienus, zitiert in der Historia Augusta 11,7; dazu Sabine Horstmann: Das Epithalamium in der lateinischen Literatur der Spätantike. München 2004, S. 57 f. Die des Nachts erleuchteten Fenster sind wie das für Lampen vergeudete Öl ein Zeichen für die den Tagesgeschäften abgetrotzte abendliche intellektuelle Tätigkeit.
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10 effugium] Hier bei Opitz in der Bedeutung von perfugium, das bei Cicero in der redensartlichen Verbindung mit portus (Pro Caecina 34) belegt ist. [U. S.]
QV i tibi doctrinae An die Stadt Danzig gerichtetes Empfehlungsgedicht zu einer Schrift von Johannes Fabricius Dünnhaupt, Nr. 184; – M. J OHANNIS F ABRIC I | Dantiscani | DISSERTATIO, | De | Admirabili Eruditionis vi, nec non literarùm | studiorumque tranquillâ supellectile | ac felicitate. | GEDANI, Praelo RHETIANO | Anno M . DC XXXIX . (Bayerische Staatsbibliothek München: 4° Diss. 3741,24), fol. A1v. Unsere Wiedergabe folgt dem Erstdruck. Johannes Fabricius wurde 1608 in Danzig geboren und starb dort 1653. Im Juni 1626 immatrikulierte er sich in Rostock und studierte dann lange in Leiden. Hier war er Schüler des Orientalisten Jakob Golius (vgl. Borcherdt, Tscherning, S. 46). Wahrscheinlich im Frühjahr 1635 kehrte er nach Rostock zurück und erteilte zunächst privaten Unterricht; im Winter 1635 gehörte auch Andreas Tscherning zu seinen Schülern. Nach Borcherdt soll Fabricius bereits am 10. August 1635 in Rostock eine Rede über dignitatem et commendationem ling. arabicae gehalten haben. Im selben Jahr erwarb er die Magisterwürde und wurde im Wintersemester 1635/36 in die Fakultät aufgenommen. „Mit Feuereifer suchte Fabricius die orientalischen Studien zu fördern, und sein Verdienst ist es in erster Linie, wenn Rostock in jenen Jahren auf dem Gebiete der orientalischen Studien voranging“ (Borcherdt, ebd.). Im Jahre 1637 erschien in Rostock sein Specimen Arabicum quo exhibentur aliquot scripta Arabica partim in prosa, partim ligata oratione composita, jam primum in Germania edita, versione Latina donata, analysi grammatica expedita, notisque necessariis illustrata. Da Fabricius jedoch in Rostock keine Professur erhielt, nahm er zu Beginn der 1640er Jahre einen Ruf nach Danzig an. Hier starb er am 10. September 1653 als Prediger, Rektor des Gymnasiums, Professor der Geologie und der hebräischen Sprache (Borcherdt, S. 266). Fabricius gehörte hier zum Kreis der Protagonisten der Danziger Gelehrtenkultur. Dieser zuzurechnen sind eine Vielzahl von Hochschul- und Privatgelehrten sowie hochgebildeten Patriziern, die nicht zuletzt durch bemerkenswerte Sprachkompetenzen hervorstachen: Gerade unter den Danziger Theologen wie Martin Ruarus, Johann Botsack und eben Johannes Fabricius wurden Griechisch, sogar Hebräisch und Arabisch intensiv gepflegt; diese Sprachen gehörten sogar zum Unterrrichtsangebot des Akademischen Gymnasiums (vgl. van Stekelenburg, S. 71). Das vorliegende Widmungsgedicht steht auf der Rückseite des Titelblattes, das Fabricius ohne Amtsbezeichnung, nur mit dem Titel eines Magisters, ausweist; er war damals also ohne feste Anstellung. Nach Opitzens Text folgt die Widmung von Fabricius an die Honoratioren der Stadt Danzig Testandi Studii et observantiae, qua eos jure prosequitur (fol. A2r). Auf fol. A2v–D4v ist die Dissertatio selbst abgedruckt, in der sich der Verfasser über die kulturelle Bedeutung des Schreibens und der schriftlichen Überlieferung äußert. Die Unkenntnis der Sprachen wird pathetisch als Ursache zahlloser Übel (tot errores ac schis-
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mata, … tot haereses ac controversiae, fol. C2v) beklagt. Hingegen zeigt ein Gang durch die akademischen Disziplinen, daß deren bedeutendste Vertreter sich stets durch außerordentliche Sprachkenntnisse – vielfach in den klassischen und den orientalischen Sprachen – auszeichneten (fol. C4v–D2r). Nach Conermann/Bollbuck, S. 1521, ist Opitzens Widmungsgedicht „als eine empfehlende Fürsprache für Tscherning zu verstehen, der über Fabricius einen Drucker und Verleger für seine Proverbia Ali suchte“. Dies wäre zu erwägen, doch wird aus dem Briefwechsel zumindest auch eine direkte Beziehung zwischen Opitz und Fabricius erkennbar: Tscherning hatte in einem Brief an Opitz vom 5. Januar 1639 geschrieben (ebd., S. 1519): Est mihi centuria proverbiorum Arabicorum ALIS Imperatoris Muslimici distichis tam Latino quàm Germanico a me expreßa cum Notis maxime neceßariis. Fabricius Gedanensis, olim praeceptor meus Rostochii, urget editionem, quam ob certas caußas suspendo. Vbi locorum Vir iste nunc agat, si me docueris, gratum erit. Diu enim est quod nihil ab illo litterarum. Vereor autem ne lues pestifera et belli incendium hominem Rostochio ejecerit. Bereits am 12. Februar 1639 beginnt Tscherning einen Brief an Opitz folgendermaßen (ebd., S. 1534): CL. Fabricium amicitiam tuam inire cepiße, quod multoties ex admiratione claritudinis tuae in votis habuit, sane gaudeo. Ita enim societatis consiliis et opera expeditius rebus meis consultum iri, persuasum habeo. … Vel tua caußa CL. Fabricius curabit et adjuvabit, quacunque re poterit, mea commoda, neque committet, ut ullum a se munus hominis vere amici ullo aut loco aut tempore desideretur, fac modo ut intelligat Tibi me curae eße. Erst am 15. Juli 1639 konnte Opitz an Tscherning melden (ebd., S. 1576): Vir doctissime, cum Fabricio locutus sum, qui exemplar libelli Arabici a te versi petit, id acturus, ut aut Rostochii aut Leidae statim edatur. Über das weitere Schicksal dieses Werkes s. ebd., S. 1580. Opitzens Gedicht richtet sich nicht direkt an denjenigen, dessen Abhandlung den eigentlichen Inhalt dieses Druckes bildet, sondern an die Stadt Danzig, deren bedeutender Sohn Fabricius ist. Dem entsprechend gestaltet sich auch die inventio des Textes: Der Sprecher nimmt die Rolle eines Vermittlers an, der dieser bedeutenden Handels- und Hansestadt die geistigen „Waren“ anempfiehlt, die Fabricius darbringt. Hierzu erfolgt am Anfang die förmliche Vorstellung des Geehrten (V. 1–4), die verbunden wird mit einer captatio benevolentiae (V. 2). Daraus ergibt sich in den nächsten vier Versen (V. 5–8) die Aufforderung, gerade die munera von Fabricius anzunehmen, die noch wertvoller sind als die Waren, die aus den großen Handelsnationen stammen, da sie nicht dem Wechsel der Zeitläufte unterworfen sind. Die Verse 9 bis 12 verweisen darauf, um welche „Schätze“ es sich hier handelt. Ähnlich wie in den Versen zuvor wird jedoch nur durch die Herkunftsbezeichnung auf die spezifische Art der Waren verwiesen. Daß damit Sprache und Kultur der jeweiligen Regionen gemeint sind, kann nur aus dem Kontext erschlossen werden. In den beiden Schlußversen wird in pointierter Personifikation – Mercurius und Musae – die Mahnung ausgesprochen, daß die Handelsstadt Danzig die Kultur nicht gegenüber dem Kommerz vernachlässigen möge. Mit den Schlußworten Orientis opes wird daneben die Spezialkompetenz des Orientalisten Fabricius hervorgehoben, die auch in der Dissertatio zum Tragen kommt. – Versmaß: elegische Distichen. Dissertationem … ederet] Der Titel des Gedichtes, das Titelblatt der Dissertatio wie auch diese selbst geben keinen zuverlässigen Aufschluß darüber, ob die Abhandlung, die hier publiziert wird, auch als Rede vor einem Danziger Publikum gehalten worden war.
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2 O vrbs Sarmatiae gloria] Die Sarmaten, ein mit den Skythen verwandtes Reitervolk, bewohnte in der Antike das Gebiet nördlich des Schwarzen Meeres, später wurden mit ‚Sarmatien‘ allgemein die Länder östlich der Weichsel und der Karpaten benannt. Opitz verwendet die Bezeichnung mehrfach in seinen Texten bis hin zu den Variae lectiones (vgl. den Kommentar LW 3, S. 548) von 1637 weitgehend als Synonym für ‚Polen‘. 4 Fabricios] Anspielung auf eine Familie im antiken Rom, die vor allem in der republikanischen Zeit bedeutende Vertreter hervorbrachte, so im dritten vorchristlichen Jahrhundert C. Fabricius Luscinus, der als homo novus im Krieg gegen die Samniten und Pyrrhos aufstieg. Er galt zudem in der „späteren Tradition … als ein Beispiel von Bescheidenheit, Strenge und Großherzigkeit“ (DNP 4, Sp. 382). 4 Martia Roma] Hinweis auf die mythische Abstammung der Römer vom Kriegsgott Mars. Gleichzeitig wird hier auf den Gegensatz zwischen dem von Kriegen geprägten und durch diese zu Macht und Einfluß gelangten Rom und der dem Frieden verbundenen und von friedvollen Zeitläuften abhängigen Handelsstadt verwiesen. 6 lutum] Zu beachten sind die verschiedenen Wortbedeutungen von lutum, die von ‚Schmutz‘ bis ‚Ton‘ bzw. ‚Erde‘ reichen. Vgl. zu letzterer Bedeutung Juvenal, Satire 14,33–35: unus et alter / forsitan haec spernant iuuenes, quibus arte benigna / et meliore luto finxit praecordia Titan. 8 Iber omnis] Wohl Verweis auf das europäische und das überseeische ‚Spanien‘. 9 gazam tuus hic Latiam simul atque Pelasgam] Latium gilt als Kernland des Römischen Reichs. Bei den Pelasgern handelt es sich um ein frühgeschichtliches Volk in Griechenland und vielleicht im nordwestlichen Kleinasien. Sie werden bereits in Homers Ilias erwähnt und stehen schon in der Antike synekdochisch für ‚Griechen‘. 11 Idumes] Idume bzw. Idumaea ist der Name einer Landschaft in Palästina, im Alten Testament Edom. In hellenistischer Zeit wurde der dort ansässige Volksstamm als Idumäer bezeichnet. Das historische Edom ging als Folge des 1. Jüdischen Krieges (66–70) unter; s. Dazu DNP 3, Sp. 882 f. Vgl. zu V. 11 f. insgesamt die Ausführungen in Fabricius’ Dissertatio, fol. C4r–v: Linguas autem cum dico, eruditas intelligo. Nostra enim aetate omnis eruditio à Latinis, Graecis, Ebraicisque literis proficiscitur, deinde ad ceteras orientales, Chaldaicam, Syriacam, et Arabicam, abit. Institutio verò melior fieri nulla tum potest, nisi factâ collatione illarum inter se. Ita enim à notis progredimur ad ignota; quod in linguis praesertim locum habet, quarum tanta adhuc est consensio, quanta olim confusio extitit. 12 Chaldaeus] Die Landschaft Chaldaia wird in der Überlieferung als eine Region in Babylonien oder als ein Nachbarland Babyloniens gesehen, teilweise werden Babylonien und Chaldaia auch synonym verwendet; vgl. DNP 2, Sp. 1086 f. 12 ater Arabs] Im Unterschied zu Syria (V. 11), womit eher der Nahe Osten gemeint ist, hier wohl Bezug auf Bewohner der Arabischen Halbinsel und Nordafrikas. Das Attribut ater könnte auch auf die bei Ovid, Metamorphosen 2,235 f., geschilderte Aitiologie verweisen, nach der die Bewohner dieser Landstriche durch den Absturz des Sonnenwagens
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verbrannt wurden und dadurch ihre dunkle Hautfarbe erhielten (Sanguine tunc credunt in corpora summa vocato / Aethiopum populos nigrum traxisse colorem). 13 Mercurius] Metonymische Umschreibung des Handels durch die für diesen zuständige Gottheit. [M.F., V.M.]
Acceptissimum apud omnes Poematis genus Widmung des ersten Buches des Florilegium variorum Epigrammatum an Johannes Preuss Von diesem Druck existieren mehrere Fassungen: [V] Dünnhaupt, Nr. 186.I.1; – FLORILEGII | VARIORVM | EPIGRAMMATVM | LIBER VNVS . | mart. opitivs | ex vetustis ac recentioribus Poetis | congessit | et versibus Germanicis reddidit. | C VM G RATIA ET P RIVILEGIO | S. R . M . | GEDANI, | Typis ac sumptibus Andreae Hünefeldii. | Anno M D C XXXIX . (UB Breslau: 372341). Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck; ebenso werden die Anredeformel sowie die letzte Passage der Widmungsvorrede bei Conermann/Bollbuck, S. 1511, nach diesem Druck wiedergegeben und übersetzt. Die Widmungsvorrede findet sich hier in V fol. A2r–A3r, danach werden (fol. A3v) Textpassagen aus Scaligers Poetik und einem Brief von Hugo Grotius an seinen Bruder zitiert (dazu s. u.). Das daran anschließende Florilegium variorum Epigrammatum umfaßt die Seiten 1 (= fol. A4r) bis 42. [X] Dünnhaupt, Nr. 186.I.2; – FLORILEGII | VARIORUM | EPIGRAMMATUM | LIBER | mart. opitius | ex vetustis ac recentioribus Poëtis | congessit | et versibus Germanicis reddidit. | Editio priori correctior. | LIPSIAE , | Cum gratiâ | Sumtibus Heredum JOH . P ERFERTI , Bi-|bliopol. Wratisl. | Typis H ENNINGI K ÖLERI . | Anno M DC XXXIX. (Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 28505 [3]). Im Unterschied zu V finden sich hier die Textpassagen aus Scaliger und Grotius direkt im Anschluß an das Titelblatt, die Widmungsvorrede dann fol. A2r–v, das Florilegium auf S. 1–44. UNUS .
[Y] Dünnhaupt, Nr. 186.I.3; – FLORILEGIVM | VARIORVM | EPIGRAMMATVM . | mart. opitivs | ex vetustis ac recentioribus Poetis | congessit | et versibus Germanicis reddidit. | Primum | GEDANI, | Typis ac sumptibus Andreae Hunefeldij. | Anno M DC XXXX . (HAB Wolfenbüttel: Xb 2177 [2]). Hierbei soll es sich, so Dünnhaupt, S. 3070, um einen „Raubdruck“ handeln. Erich Trunz erwähnt in seinem Nachwort zu Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 101* f., Anm. 127, die Klagen Hünefelds in seiner Sammelausgabe von Opitzens Gedichten von 1641 über verschiedene Nachdrucke, unter anderem bezieht dieser sich auf eine Edition, „welche ohn Gefähr vor einem Jahre herauß kommen/ ist ein Titel beygeleget/ vnnd darzue gesetzet: Primum Dantisci apud Andream Hunefeldium. Durch welche Worte/ … wie leicht zuerachten/ nicht allein schlechte vnnd vngelehrte/ sondern auch vornehme vnd verständige Leute übel sind verführet worden/ daß sie davor gehalten/ selbiger Druck sey von mir vnd aus meiner Officin herauß gegeben worden …“. Allerdings führt Szyrocki in der Werkbibliographie Opitzens in Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 214* f. zwei Titel
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(als Nr. 238 sowie Nr. 240) an, die beide aus dem Jahre 1640 stammen, eine Sammelausgabe von Opitzens Poemata, bei der das Florilegium mit dem unter Y genannten Titelblatt einen Bestandteil bildet, sowie eine gesonderte Ausgabe der Fassung Y. Als Raub- bzw. Nachdruck soll Y für unsere Ausgabe nicht berücksichtigt werden. [Za bzw. Zb] Dünnhaupt, Nr. 186.I.4; – FLORILEGIVM | VARIORVM | EPIGRAMMATVM | | Ex vetustis ac recentioribus Poetis | congessit | et versibus Germanicis reddidit. | FRANCOFVRTI, | Typis excusum Wolffgangi Hoffmanni, | Impendio Thomae Matthiae Götzii, | Anno M. DC. XXXXIV. Der postume Druck erschien als Einzelausgabe [Za], außerdem bildet er den Anhang der Sammelausgabe Weltliche Poëmata, Bd. 2, von 1644 [Zb]. Die Widmungsvorrede an Preuss findet sich hier S. 3–5, es folgen S. 6 die Zitate aus Scaliger und Grotius, dann S. 7–46 das eigentliche Florilegium. MART . OPITIVS
Die einzelnen Fassungen unterscheiden sich (bis auf unterschiedlich gehandhabte Kürzel, Ligaturen etc.) nur ganz unwesentlich; die wenigen Abweichungen sind unten aufgeführt. Den Widmungsempfänger Johannes Preuss hatte Opitz wohl während seines Aufenthalts in Thorn 1635/36 kennen gelernt; vgl. dazu LW 3, S. 536 f. Preuss stammte aus einer alten Thorner Patrizierfamilie. Für seine herausgehobene Stellung spricht, daß Opitz ihn in seinem Glückwunschgedicht für Heinrich Esken anläßlich der Vermählung von dessen Tochter 1637 in seiner Aufzählung der Honoratioren von Thorn als ersten erwähnt (V. 17 f.: At sacris aderunt istis insigne paterni / Praesidium et vindex Prussius ille soli; s. zu diesem Gedicht LW 3, S. 534–537). Andererseits wird in den Chroniken Thorns in bezug auf Preuss in der Regel besonders betont, daß Opitz ihm seine Epigrammata gewidmet habe. Zu Preuss vgl. unten den Stellenkommentar. Bereits vor dem Erscheinen des Florilegium, einer Sammlung griechischer und lateinischer Epigramme aus Antike und Neuzeit nebst deutschen Übersetzungen (vgl. Titelblatt: versibus Germanicis reddidit), hatte Opitz sich immer wieder mit Epigrammen bzw. der Epigrammdichtung in verschiedenen Sprachen beschäftigt. Epigramme, sowohl eigene als auch aus anderen Sprachen übersetzte, bilden einen wichtigen Bestandteil der verschiedenen Sammelausgaben seiner (deutschen) Gedichte; der Epigrammatum liber macht den Schlußteil der Ausgabe seiner lateinischen Gedichte von 1631 aus (abgedruckt in LW 2, S. 218–247). Die Beliebtheit von Opitzens Epigrammdichtung bezeugt auch die bereits 1635 in Rostock erschienene Übersetzung seiner (deutschen) Epigramme ins Lateinische durch Martin Nessel: MARTINI OPITII V. C. | EPIGRAMMATA , | Et alia qvaedam Latinitate donata; | cum | Mantissâ; et | M. CHRISTOPHORI STEPHANI | CREMNICIO-HUNGARI, | Decade Eligiarum: | Authore | Et | Editore | M ARTINO N ESSELIO Moravo P.L.C. | ROSTOCHII, | Litteris Viduae JOACHIMI PEDANI Acad. Typogr. | ANNO M. DC. XXXV. Somit stimmen die Angaben in den Werkbibliographien bei Szyrocki (in: Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 202*, Nr. 176b) und bei Dünnhaupt, S. 3060, nicht. Dünnhaupt, der diesen Titel als Nr. 161 aufnimmt, bemerkt dazu noch: „Erster separater Druck der bereits früher veröffentlichten Epigramme (vgl. O’s Libri III. Epigrammatum Liber unus, …). – Später noch mehrfach abgedruckt in O’s Florilegii variorum epigrammatum. …“.
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Die Entstehung des Florilegium und speziell Opitzens Interesse an den griechischen Epigrammen besitzen eine lange Vorgeschichte. So hatte Opitz 1618/19 in Görlitz die Entstehung einer vom dortigen Rektor Elias Cüchler veranstalteten Teilausgabe der Anthologia Graeca verfolgt (Florilegium diversorum epigrammatum veterum Graeco-Latinum … 5 Bde. Görlitz 1618/19) und in den 1630er Jahren mit Hugo Grotius über dessen Pläne zu einer – damals nicht veröffentlichten – Ausgabe der griechischen Epigramme konferiert. Ausführliche Hinweise auf die komplexe Entstehungsgeschichte des Florilegium liefert Max Rubensohn in: Griechische Epigramme, vor allem in seinem Kapitel zu Opitz, S. CLXXXVII–CCL; vgl. außerdem Rubensohn (1895), S. 57–59, wo die konkrete Benutzung von Cüchlers Edition durch Opitz nachgewiesen wird. Ungefähr einen Monat (am 16. bzw. 26. November 1638) vor dem Datum der Widmung an Preuss berichtete Opitz in einem Brief aus Danzig an Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen (Conermann/Bollbuck, S. 1503): „Anietzo ist ein buch Griechischer vndt Lateinischer Epigramma[a]tum allhie vnter der preße, welche ich auß den besten alten vndt newen Scribe[n]ten zuesammen gelesen, vndt, die glückseligkeit vnserer sprache durch gegenhal[ten] desto beßer zue erweisen, deutsch gegeben habe.“ Wenige Tage nach dem in der Widmungsvorrede genannten Datum, am 18./28. Dezember 1638, bezog sich Fürst Ludwig in seinem Antwortbrief darauf: „Das buch der Griechischen und lateinischen Epigrammatum so unter der druckpresse wie auch was von diesem gesange weiter erwehnet, hatt dem Nehrenden auch ein sonderliches verlangen gemacht solches mitt dem hingesetzten deutschen zu sehen, und wird es mitt gelegenheitt erwarten.“ (ebd., S. 1513). Am 10. März 1639 teilte Opitz Fürst Ludwig mit: „Seine Epigrammata sollen mitt ehister abschiffung der Hamburger auß diesem hafen folgen …“ (ebd., S. 1546). Fürst Ludwig antwortete ihm am 14. Mai 1639 (ebd., S. 1561): „Die Epigrammata … wird der Nehrende gerne sehen, und will zu Hamburg darauf erkundigungen einziehen.“ Und am 7. August 1639 schrieb Opitz in seinem letzten Brief an Fürst Ludwig (ebd., S. 1597): „Die Epigrammata, so viel deren noch zur zeit gedruckt (wie es dann auch vermutlich darbey verbleiben wirdt), sind allhier beygefugt, …“. Einige Zeit nach Opitzens Tod, am 14. Februar 1640, bemerkte Fürst Ludwig in seinem Brief an August Buchner (ebd., S. 1926): „… die Epigrammata aber werdet ihr in zwey kleine theile gesehen haben.“ Dies bezieht sich wohl auf die beiden Bücher des Florilegium, das hier behandelte erste Buch sowie das nachfolgend vorgestellte zweite Buch mit dem Widmungsgedicht an Israel Hoppe; s. DU m laxant tetricas (LW 3, S. 592). Konzeption und Inhalt des Florilegium wie auch Opitzens Nutzung der Quellen und seine Übersetzungstechnik sind in diesem Kommentar nicht detailliert zu beschreiben (vgl. aber im Stellenkommentar einige Bemerkungen). Die jeweils mitabgedruckten Vorlagen zu Opitzens deutschen Fassungen folgen ungefähr der Chronologie ihrer Entstehung. Soweit die Originale aus dem Griechischen stammen und – das trifft nur für das 1. Buch zu – auch auf Griechisch zitiert werden, sind lateinische Übersetzungen den deutschen vorangestellt. In einigen Fällen hat Opitz selbst die lateinischen Versionen verfaßt. Vgl. zu diesen Rubensohn in seiner Einleitung zu Griechische Epigramme, S. CCXXII ff. Gleich zu Beginn der Widmungsvorrede an Preuss bringt Opitz ein Lob des Epigramms (Acceptissimum apud omnes Poematis genus, Vir Magnifice, Epigramma est), das dann im einzelnen aufgeschlüsselt und gerechtfertigt wird. Dies geschieht in Verbindung mit einer
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Bestimmung der wesentlichen Merkmale eines Epigramms, also einer Art Epigrammtheorie in nuce. Aufgrund der besonderen Reize dieses genus hätten sich, so die Schlußfolgerung, hoch- und höchstgestellte Persönlichkeiten bereits in der Frühzeit der Epigrammdichtung mit dieser befaßt, und diese Tradition bestehe bis in die Gegenwart fort. Damit beginnt der zweite Teil der Widmungsvorrede: Auch Opitz kann es also rechtfertigen, sich ebenfalls mit dem Epigramm zu beschäftigen, doch tut er dies in der speziellen Form der literarischen Übersetzung und verfolgt damit ein Prinzip, das er im Laufe seines Lebens auch auf viele andere Gattungen angewendet hat: a diuersis ac diuerso tempore conscripta Epigrammata nostro sermone, ad ostendendam potissimum insignem illius ac inimitabilem paene felicitatem, conuertere. Preuss wiederum ist für diese kulturpatriotische Tat der einzig wahre und ideale Widmungsempfänger, wie aus den dann folgenden Ausführungen hervorgeht, ja sein Name besitzt bereits selbst Epigramm- bzw. Denkmalcharakter. Mit dem Hinweis auf weitere schriftstellerische Produktion, gerade auch als Gegenreaktion gegen gewisse (nur angedeutete) Diffamierungen, und mit Grußworten an Preuss endet die Widmungsvorrede. – Vgl. zu diesen Hinweisen auf den Aufbau auch die Ausführungen bei Rubensohn, Griechische Epigramme, S. CCXIV–CCXVIII, sowie bei Trunz in seinem Nachwort zu Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 12* f. Nach Prätorius, S. VI, wechselte der Vorsitz im Rat von Thorn „unter vier besonders dazu ausersehenen Rathmännern. Diese führten jene Amtsbezeichnung [i.e. Bürgermeister] und der vorsitzende Bürgermeister wurde zum Unterschiede von den drei übrigen regierender Bürgermeister genannt, denn die Bezeichnung Präsident ist ungleich späteren Ursprungs. Kommt auch im sogenannten Kurialstyl nie vor.“ Zum Rat der Stadt Thorn und seiner Zusammensetzung s. Prätorius, ebd. Vgl. auch Helmut Strehlau: Thorner Bürgermeister im 17. Jahrhundert und ihre Familien, in: Ostdeutsche Familienkunde 1 (1953), 35–37, hier S. 35.
PRAESIDI ]
1-11 Acceptissimum … licentia] Mit dieser Einleitung liefert Opitz in nuce eine Theorie des Epigramms. Er selbst schreibt bereits in seinem Buch von der Deutschen Poeterey (GW 2.1, S. 366): „Das Epigramma setze ich darumb zue der Satyra/ weil die Satyra ein lang Epigramma/ vnd das Epigramma eine kurtze Satyra ist: denn die kürtze ist seine eigenschafft/ vnd die spitzfindigkeit gleichsam seine seele vnd gestallt; die sonderlich an dem ende erscheinet/ das allezeit anders als wir verhoffet hetten gefallen soll: in welchem auch die spitzfindigkeit vornemlich bestehet. Wiewol aber das Epigramma aller sachen vnnd wörter fähig ist/ soll es doch lieber in Venerischem wesen/ vberschrifften der begräbniße vnd gebäwe/ Lobe vornemer Männer vnd Frawen/ kurtzweiligen schertzreden vnnd anderem/ es sey was es wolle/ bestehen/ als in spöttlicher hönerey vnd auffruck anderer leute laster vnd gebrechen.“ Zu Opitzens Ausführungen in bezug auf das Epigramm in der vorliegenden Widmungsvorrede s. Erich Trunz in seinem Nachwort zu Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 12* f., sowie Rubensohn, in: Griechische Epigramme, S. CCXV. Zur Geschichte und Theorie des Epigramms im allgemeinen vgl. Anthologia Graeca. 2., verbesserte Auflage. Griechisch-Deutsch, hrsg. von Hermann Beckby. 4 Bde. München [1965], hier in der Einleitung zu Bd. 1, S. 12–67 (vor allem auf die Antike bezogen, im Folgenden zitiert als „Beckby“); Das Epigramm. Zur Geschichte einer inschriftlichen und literarischen Gattung, hrsg. von Gerhard Pfohl. Darmstadt 1969; Jutta Weisz: Das deut-
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sche Epigramm des 17. Jahrhunderts. Stuttgart 1979 (= Germanistische Abhandlungen 49); Peter Hess: Epigramm. Stuttgart 1989 (= Sammlung Metzler 248); Thomas Althaus: Epigrammatisches Barock. Berlin / New York 1996 (= Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 9 [243]), zu Opitz vor allem S. 51–82. 2 varietas] Vgl. zur Vielseitigkeit der Epigramme auch das Zitat aus Iulius Caesar Scaligers Poetices libri septem, das im Druck V unmittelbar auf die Widmungsvorrede folgt (fol. A3v): E P igrammatum genera tot sunt, quot rerum: tot versuum generibus explicantur, quot sunt versuum genera: tot verbis verborumque generibus, speciebus, formis, modis, componuntur, quot sunt in quocumque linguae, nationis, populi, gentis ambitu genera, species, formae, figurae, modi verborum. (Allerdings finden sich Scaligers Ausführungen zum Epigramm nicht, wie bei Opitz angegeben, in Poetices lib. III. Cap. CXXII., sondern in Kapitel 125 des 3. Buches; Neudruck in: Scaliger, Bd. 3, S. 202–216, Zitat hier S. 206). Ihm schließt sich ein Zitat von Hugo Grotius (aus einer Epistola ad Fratrem) an: D E Epigrammatis quid dicam? quae ut artis ejus peritissimos decebat, facile est scribere: at libros Epigrammatum scribere, perdifficile. Quota enim quaeque materia hunc cultum recipit, ut jam ipse eligas, quod rarò conceditur? Nihil autem potest esse tam fatuum, quàm extortum Epigramma. 3 argutiae … breuitas] Vgl. wiederum Scaliger, Bd. 3, S. 204: Brevitas proprium quiddam [sc. epigrammatis] est, argutia anima aut quasi fons. Ebd., S. 206: Epigrammatis duae sunt virtutes peculiares: brevitas et argutia. 4–6 ingeniis … nisi protinus ad noua inuitentur] Die Bedeutung des „Neuen“ hebt ebenfalls Scaliger hervor: Quin etiam non solum nova licet fingere, verum etiam soloecismos aliquando aut barbarismos admittere. Novitas illa vel inoffensa vel interdum distorta excitat vel risum vel admirationem (wiedergegeben nach Scaliger, Bd. 3, S. 206). 5 praesertim] Druck Zb: praesentem 7 f. vrbanitas … venustates] Die Stilvorzüge eines gelungenen Epigramms stellt Scaliger in seinem Epigramm-Kapitel mehrfach heraus. 8–11 maximaque per omnes artes … vagandi libertas atque licentia] Vom Epigramm sagt Scaliger, Bd. 3, S. 204: Recipit autem omne genus poeseos. 10 tantum] Druck X: tantem (Druckfehler); Druck Zb: tandem 11–15 Hinc et olim Reges plurimi, Principes ac Imperatores … regnum Poeticum hac parte inuolare veriti non sunt] Unter die Verfasser der Gedichte aus der Anthologia Graeca werden Monarchen wie die römischen Kaiser Hadrian (76–138) und Julian (331–363) sowie geistliche und weltliche Würdenträger vorwiegend aus der Spätantike und der byzantinischen Zeit gerechnet. Vgl. das Register der (angeblichen) Verfasser bei Beckby, Bd. 4, allerdings auch die berechtigte Skepsis Rubensohns in: Griechische Epigramme, S. CCXVI: „Nicht einmal das Dichterverzeichnis der Anthologie weist auf jeder Seite Namen von Feldherren u.s.w. auf, geschweige denn paginae omnes der Sammlung selbst.“ 12 Anthologia Graeca à Planude compilata] Damit bezieht sich Opitz auf die sogenannte Anthologia Planudea, die von dem Mönch Maximos Planudes 1299 in Konstantinopel abgeschlossen wurde; dessen eigenhändiges Exemplar befindet sich in Venedig. Vgl. dazu mit
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ausführlicher Beschreibung Beckby, Bd. 1, S. 77–82. Die Planudea geht, wie die umfangreichere, um 980 entstandene Anthologia Palatina (vgl. ebd., S. 77), auf die Anthologie des Kephalas (ebd., S. 75 f.) zurück. Sie wurde erstmals 1494 in Florenz gedruckt. Vgl. zur ersten Orientierung den Artikel „Anthologie“ in DNP, Bd. 1, Sp. 734–738, sowie die Tabelle zur „Anthologia Graeca“ in DNP, Supplemente, Bd. 2, S. 40. 12–14 nam alteram Agathiae, vt indicio Suidae opinamur, vir magnus, qui peradolescens olim ex Bibliothecae Palatinae membranis illam descripsit, sperare nos adhuc jubet] Wahrscheinlich zielt diese (vielleicht auch scherzhaft-ironisch gemeinte) Anspielung auf den französischen Philologen Claudius Salmasius (Claude Saumaise, 1588–1653), der in den 1630er Jahren in Leiden lehrte. Dies vermutete bereits Rubensohn (Griechische Epigramme, S. CCXVI), der die Stelle folgendermaßen übersetzt bzw. erläutert: „… denn auf die andere – des Agathias [um 550], wie wir nach Suidas’ Angabe anzunehmen haben – läßt uns noch immer der große Gelehrte [Claudius Salmasius] warten, der einst [1607] als ganz junger Mann [geb. 1588] sie aus der Handschrift der Heidelberger Bibliothek abschrieb.“ Rubensohn erklärt weiter: „Es ist der berühmte Codex Palatinus 23, wonach diese der Planudeischen an Reichhaltigkeit bei weitem überlegene Sammlung den Namen ‚Anthologia Palatina‘ erhielt; ihr Urheber ist Konstantinos Kephalas, um 920. Daß es Agathias sei, folgerte Opitz aus der bei Megiser abgedruckten Bemerkung des Obsopoeus, … der die Notiz des Suidas über den ‚Epigrammenkyklos‘ des Agathias in der Weise fälschlich verwertet hatte, daß er Planudes zum Kompilator jenes ‚Kyklos‘ machte.“ Nach den Ausführungen bei Beckby, Bd. 1, S. 90–98, war der Codex Palatinus mit der Griechischen Anthologie um 1600 in Heidelberg aufgetaucht und hatte dort großes Aufsehen erregt. „Das Aufsehen wurde noch stärker und breiter, als Jan Gruter i. J. 1606 den damals noch jugendlichen Salmasius (geb. 1588) z. Z. eines Aufenthaltes in Heidelberg auf die Handschrift aufmerksam machte. Salmasius, der die Handschrift i. J. 1615 leihweise in Paris und Dijon hatte, zog daraus die in der Planudea fehlenden Epigramme (allerdings oft in falscher Lesung) aus, und Abschriften dieses Auszugs zirkulierten in den folgenden Jahren unter den europäischen Gelehrten. Weniger bekannt wurde die von Gruter selbst (gest. 1627) besorgte und später in Leipzig aufbewahrte, nahezu vollständige Abschrift der Palatina“ (S. 95 f.). Nach der Eroberung Heidelbergs 1622 gelangte die Palatina mit vielem anderen Beutegut nach Rom. – Zu Salmasius vgl. knapp Handbuch Gelehrtenkultur, S. 579. Opitz stand in den 1630er Jahren sporadisch mit ihm in Kontakt, vgl. Conermann/Bollbuck, Register. Überliefert sind zwei Briefe von Opitz an Salmasius vom 14. Januar 1633 und vom 30. September 1637. In dem früheren Brief wird auf die oben erwähnte Beschäftigung des Salmasius mit den Heidelberger Handschriften Bezug genommen: Anthologia Graecorum Epigrammatum an ex editione tua integra nunc prostet, adhuc nescio (Conermann/Bollbuck, S. 1121). Tatsächlich wurde die Anthologia Palatina erst im späten 18. Jahrhundert gedruckt; vgl. Beckby, Bd. 1, S. 99 f. 13 Suidae] Eine unter dem Namen Suda oder Suidas im 10. Jahrhundert angelegte „umfangreiche histor. griech.-byz. Enzyklopädie …, lexikalisch nach Stichwörtern alphabetisch gegliedert“ (DNP 11, Sp. 1075 f.). Sie besteht aus ca. 30 000 Lemmata verschiedener Länge.
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16 f. et possem tales in hac prouincia Vrbeque florentissima designare] Mit Vrbeque florentissima ist wohl Danzig, mit in hac prouincia das Königliche Preußen bzw. Pomerellen gemeint. 19–21 repetita fere ex memoria non admodum infida, vel plerumque oblata temere, a diuersis ac diuerso tempore conscripta Epigrammata] Damit bezieht sich Opitz auf Inhalt und Auswahl des Florilegium. Neben Texten der Griechischen Anthologie werden aus der Antike insbesondere Martial und Ausonius (hierzu vgl. allerdings Rubensohn, Griechische Epigramme, S. CCXX) übersetzt, unter den neueren Autoren firmieren u. a. Pontano, Sannazaro, Bembo, Buchanan, Johannes Secundus, Scaliger, Grotius, Heinsius, Euricius Cordus und Petrus Lotichius Secundus. – Auch im zweiten Buch des Florilegium, das Israel Hoppe gewidmet war und wenig später erschien (DU m laxant tetricas; LW 3, S. 592), sind griechische, römische und humanistische Epigramme abgedruckt und übersetzt. 21 f. ad ostendendam potissimum insignem illius ac inimitabilem paene felicitatem] Vgl. oben Opitzens Brief an Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen vom 16. bzw. 26. November 1638, außerdem Trunz, Nachwort zu Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 13*, mit weiteren Hinweisen zur Wendung von der ‚Glückseligkeit unserer Sprache‘. Das Motiv ist bei Opitz seit dem Aristarchus (1617) geläufig und bildet eine der Grundlagen seines kulturpatriotischen Programms. Trunz, ebd., S. 15*, weist mit Recht darauf hin, daß Opitz seine zwei- bzw. dreisprachige Edition für Leser angefertigt hat, „welche auch die Originale lesen können“. Da er sich an die führenden Akteure kulturpolitischer Vermittlungsprozesse richtet, formuliert er auch die Vorrede in der Sprache der Gelehrten. 23–25 quod … inscripsi] Damit bezieht sich Opitz explizit auf den in der Epigrammtheorie immer wieder hervorgehobenen Charakter des Epigramms als In- bzw. Aufschrift; vgl. dazu etwa die Ausführungen bei Scaliger, Bd. 3, S. 202. Mit der Zueignung an Preuss setzt der Verfasser diesem somit ein (inschriftliches) Denkmal. Gleichzeitig betont Opitz aber durch die Litotes (non illepido), daß auch sein literarisches Erzeugnis mindestens eines der Kriterien eines Epigramms erfüllt. 26 f. studio libertati publicae … addictissimo] Opitz versucht sich dem Thorner Ratsherrn als Verteidiger der ständischen bzw. städtischen Freiheiten zu empfehlen und damit allfälligen Verleumdungen zuvorzukommen. Vgl. unten den Kommentar zu quam nescio quas chartas. 29–34 verum etiam … impetrasti] Die hier wortreich vorgetragenen Lobpreisungen des Adressaten finden eine Entsprechung in den Ausführungen zu Preuss in den verschiedenen Chroniken und Beschreibungen zur Stadt Thorn. So heißt es bei Prätorius, S. 47 f.: „Ein würdiger Sohn des voraufgeführten Bürgermeisters Johann Preuß III., er gehört auch zu den wenigen, die als einjährige Rathsmänner zur bürgermeisterlichen Würde gelangten. Er war auch Culmischer Landschöppe und das Kührbuch nennt ihn ein um den König, die Republik Polen, die Preußischen Lande und die Stadt höchst verdienten Mann. In dem bei seinem Vater angeführten Adelsdiplome wird seiner äußerst ehrenvoll gedacht, und soll er beim Könige Vladislav IV. keine einzige Fehlbitte gethan haben, der auch diesem seinem Lieblinge das Gut Grunau, jetzt Gronowo, im Jahr 1639 schenkte. Der bekannte Dichter Martin Opitz, der sich im Gefolge des Herzogs von Brieg und
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Liegnitz eine Zeitlang am hiesigen Orte aufhielt, eignete ihm seine Epigramme zu. Während der Rathssitzung rührte ihn der Schlag und starb er vier Tage darauf. Seine Leiche wurde mit bis dahin ganz ungewöhnlichem Gepränge begraben, der Sarg war bedeckt mit adelichen Wappen und der Leichenwagen wurde von vier mit schwarzem Tuche behangenen Pferden gezogen. Jetzt geschieht Letzteres dem gemeinsten Manne, wenn die Kosten bezahlt werden.“ Nach der tabellarischen Übersicht, ebd., wurde Preuss 1634 unter die „Rathmänner“ aufgenommen, wurde bereits 1635 Bürgermeister, war sechsmal „Präsident“ [sic!], zwölfmal „Burggraf“ und starb 1660. In Zerneckes Thornischer Chronica wird Preuss einige Male erwähnt, so S. 295 im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten anläßlich der Hochzeit von König Władysław IV. mit Caecilia Renata, der Tochter Kaiser Ferdinands II., im Jahre 1637 (zu der Opitz einen Panegyricus verfaßte, s. LW 3, S. 549). Auf dem Reichstag zu Warschau erhielt am 20. Februar 1640 „das … uhralte Adeliche Geschlechte derer von Preussen ein herrliches Diploma“; dieses von König Władysław IV. verliehene Adelsdiplom, das explizit die Verdienste von Johannes Preuss würdigt, ist abgedruckt bei Zernecke, S. 303 f. Vgl. dazu auch: Geschichte Thorns aus Urkunden, Dokumenten, und Handschriften bearbeitet von Julius Emil Wernicke. Zweiter Band, die Jahre 1531–1840 umfassend. Thorn 1842, passim; zum Bildungsgang von Johannes Preuss vgl. Salmonowicz, S. 109 und Anm. 32 Regis Opitimi] König Władysław IV. von Polen, in dessen Dienste Opitz 1636 getreten war. 37 f. si placet haec gustatio, epulas dehinc ipsas Athenis Romaque commeatu vberi aduectas a me potius expecta] Rubensohn, Griechische Epigramme, S. CCXVIII, Anm. 1, vermutet, daß Opitz ursprünglich „eine weit umfangreichere Sylloge geplant hatte“, daran aber durch seinen Tod gehindert worden sei; der liber alter des Florilegium sei ebenfalls nur eine gustatio. Ob dies so zu interpretieren ist, bleibt offen. 38–41 quam nescio quas chartas alias, … injuriam faciunt.] Rubensohn, Griechische Epigramme, S. CCXVIII f., Anm. 2, folgert hieraus, „daß Opitz ein böses Gewissen hatte“, und bezieht dies auf „die den Dichter schändende bezahlte Thätigkeit im Dienste der Katholiken zur Unterdrückung seiner protestantischen Mitbürger (besonders durch die Verdeutschung des Bekehrungsbüchleins des Jesuiten Becanus),“ also auf Opitzens jahrelange Anstellung beim katholischen Kammerpräsidenten von Dohna. Es sei ihm „daher nur recht geschehen, wenn er, wie auch die Zuschrift an Preuß uns zeigt, seit jener Zeit fortwährend unter Angriffen … zu leiden hatte.“ Im übrigen vermutet Rubensohn, ebd., daß sich der Dank in seinem Schreiben an Rist vom September 1638 darauf beziehen könnte. Hier heißt es (Conermann/Bollbuck, S. 1498): Sed absentia ab hac urbe meâ tibi me excusabit, multum debentem illae benevolentiae, quâ honorem meum famamque prosequeris, non impunè verò tenebrio ille feret quicquid fecit, et erit unde pro meritis excipiatur, me vide. Caeterum ut insultus ejusmodi animo contemnere erecto didici: Ita solatij instar maximi mihi est, me â bonis amari. Allerdings denken Conermann/Bollbuck, S. 1499, hier eher an „Verdächtigungen wegen Opitz’ Liebesleben“. 42 f. et in his oris aut à volentibus recipiam] Opitz war im Herbst 1636 nach Danzig gezogen und ein angesehenes Mitglied der dortigen respublica litteraria. [V.M., R.S.]
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DU m laxant tetricas Widmung des zweiten Buches des Florilegium variorum Epigrammatum an Israel Hoppe Dünnhaupt, Nr. 186.II; – FLORILEGII | VARIORVM | EPIGRAMMATVM | LIBER ALTER . | mart. opitivs | ex vetustis ac recentioribus Poetis | congessit | et versibus Germanicis reddidit. | C VM G RATIA ET P RIVILEGIO | S. R . M . | GEDANI, | Typis ac sumptibus Andreae Hünefeldii. | Anno M D C XXXIX . (UB Breslau: 372341). Unsere Wiedergabe erfolgt nach diesem Druck. Bei Conermann/Bollbuck, S. 1550, wird die Anredeformel wiedergegeben und übersetzt. Das Widmungsgedicht findet sich auf den Seiten A2r–v; das daran anschließende Florilegium (2. Buch) umfaßt die Seiten 1 (= fol. A3r) bis 51. Im Unterschied zum ersten Teil des Florilegium ist von diesem liber alter nur eine einzige Fassung aus Opitzens Lebzeiten bekannt; später wurde es in Hünefelds Ausgabe von 1641 und anderen Ausgaben wieder abgedruckt; s. dazu Rubensohn, Griechische Epigramme, S. CCXV. Im benutzten Exemplar (wie wahrscheinlich auch bei allen anderen bekannten Exemplaren) ist der liber alter an den ersten Teil des Florilegium angebunden. Erich Trunz vermutet in seinem Nachwort zu Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 12*, daß dieses zweite Buch wohl im Herbst 1639 erschienen ist (obwohl das Widmungsgedicht auf Ende März 1639 datiert ist). Wie Trunz weiter ausführt, erhielt der Frankfurter Verleger Götze anscheinend nur den 1. Teil, da er nur diesen nachgedruckt und den Weltlichen Poëmata beigefügt hat. Israel Hoppe, zur Unterscheidung von seinem gleichnamigen Vater gelegentlich „d.J.“ genannt, wurde wohl 1601 in Elbing geboren und starb dort 1679. Wichtige Daten zur Vita Hoppes finden sich in dem von ihm verfaßten handschriftlichen tagebuchartigen Vitae curriculus; s. dazu Włodzimierz Zientara: Israel Hoppe, der Geschichtsschreiber der Stadt Elbing in der Zeit der schwedischen Kriege, in: Acta Universitatis Nicolai Copernici. Filologia Germa´nska 7 (1981), S. 3–12, hier S. 7 f. Hoppes Vita wird außerdem referiert von Georg Daniel Seyler: Georgii Daniel. Seyleri Athenaei Elbing. Rect. Prof. Publ. et Bibliothecar. Elbinga litterata. H. E. Elbingensium sive nominis seu eruditionis fama domi forisque clarorum, qui diem suum obierunt, Memoriae. Elbing 1742, S. 68–70. Eine ausführliche Beschreibung von Hoppes Leben und Werk gibt Max Toeppen in seiner Einleitung zu: Israel Hoppe’s Burggrafen zu Elbing Geschichte des ersten schwedisch-polnischen Krieges in Preussen nebst Anhang, hrsg. von Max Toeppen. Leipzig 1887 (= Die preussischen Geschichtsschreiber des XVI. und XVII. Jahrhunderts 5), S. 1–30 (im Folgenden zitiert als „Hoppe, Geschichte“). Ferner sind zu nennen: Max Toeppen: Die Elbinger Geschichtsschreiber und Geschichtsforscher in kritischer Uebersicht vorgeführt. Danzig 1893 (= Zeitschrift des Westpreussischen Geschichtsvereins, Heft 32), S. 27–31; ADB 13 (1881), S. 115 f.; NDB 9 (1972), S. 618; Altpreußische Biographie, Bd. 1, S. 288 f.; Zientara (wie oben); Jerzy Serczyk: Geschichtsschreibung in Königlich Preußen – eine Übersicht über die Problematik, in: Kulturgeschichte Preußens königlich polnischen Anteils in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Sabine Beckmann und Klaus Garber. Tübingen 2005 (= Frühe Neuzeit 103), S. 3–13, hier S. 12; s. außerdem die Anmerkungen in Conermann/Bollbuck, S. 1550. Israel Hoppe stammte aus einer angesehenen Elbinger Familie, besuchte 1607–1615 das Elbinger Gymnasium, ab 1620 die Universitäten Rostock und Greifswald und stieg nach der Rückkehr in seine Vaterstadt bald zu den höchsten Ämtern auf. So wurde er
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1628 Vogt, 1629 Assessor des königlich schwedischen Hofgerichts, im selben Jahr Mitglied des Stadtrats, 1632 Vizebürgermeister und 1633 erstmals Bürgermeister von Elbing. 1634 verlieh ihm Königin Christina von Schweden die Würde eines Burggrafen. Als geschickter Politiker gewann er das Vertrauen König Władysławs IV., wurde von diesem 1636 ebenfalls zum Burggrafen ernannt und 1637 in den Adelsstand erhoben. Nach Hoppe, Geschichte, S. 4 f., gehörte er über fünfzig Jahre lang dem Rat der Stadt Elbing an, bekleidete 21 Mal das Amt des königlichen Burggrafen, zehnmal das Amt des Präsidenten, zwölfmal das Amt eines Vizepräsidenten sowie mehrere Nebenämter und unternahm 72 Reisen im Auftrag der Stadt. Dennoch fand er Zeit für eine umfangreiche schriftstellerische Tätigkeit; s. dazu Hoppe, Geschichte, S. 6–30, und Zientara (wie oben). Zu seinen Werken gehören Miscellanea (1619), Fundamenta et exercitia theoretico-practica derer Kriegeskünste zu Fuss, zu Pferd und zu Schiff (1625), Memorial und Informationen von der Stadt Elbing Fortification Anno 1633–1648 sowie eine Abhandlung zur Geschichte Elbings (Typus rei publicae Elbingensis). Sein Hauptwerk ist jedoch die in zwei verschiedenen Handschriften (nach Toeppen Codex A und B) des Verfassers und mehreren Abschriften vorliegende Ordentliche Beschreibung, auch historische Erzählung aller fürnemsten Geschichten, so sich in dem Vierjährigen Kriege und Sechsjährigen Stillestand zwischen denen Hochlöblichen Krohnen Pohlen und Schweden de Anno 1626 bis 1636 incl. die zehen Jahr über im Lande Preussen so offensive, als defensive, zu Wasser und Lande, zugetragen und begeben haben, die von Toeppen herausgegeben wurde (= Hoppe, Geschichte). Es handelt sich hier um tagebuchartige Aufzeichnungen unter Beigabe von etlichen Dokumenten, wobei nach Toeppen (in: Hoppe, Geschichte, S. 20) mit Codex A „die erste Redaction des Tagebuchs für die Jahre 1626–1629 und als Nachtrag ein Tagebuch für 1635 und 1636 mit Einleitung für 1630–1634“ vorliegt und Codex B das Resultat einer im Jahre 1636 erfolgten Redaktion darstellt. Opitz könnte Hoppe durch die Vermittlung von Preuss, wie V. 13 vermuten läßt, kennen gelernt haben, wohl während seiner Königsberger Reise (Ende Juli 1638), „die ihn auch zu einigem Verweilen in Elbing veranlaßte“ (Rubensohn, Griechische Epigramme, S. CCXIX). Wie in zahlreichen anderen Texten stellt Opitz auch hier die literarische Tätigkeit als produktiven Ausgleich zu den (beruflichen) Sorgen dar (V. 1–10); dazu gehört auch die Wiedergabe von griechischen und römischen Epigrammen in der deutschen Muttersprache (V. 3 f.). So stellen sowohl der Akt des Übersetzens bzw. Dichtens als auch die Lektüre keine Zeitvergeudung dar (V. 5 f.), da es sich bei den Epigrammen aufgrund der inhaltlich großen Bandbreite um gleichermaßen angenehme wie nützliche Texte handelt (V. 7–10). Mit den Versen 11–14 geht der Sprecher auf die konkrete Situation der Widmung ein. Im Folgenden wird begründet, warum gerade Hoppe ein würdiger Empfänger dieser Widmung sei, und auch dessen Amtskollege Coye wird in das Lob einbezogen (V. 15–22). Damit verbunden ist der Wunsch nach dem Wohlergehen der verdienten Stadtoberhäupter und der Bürgerschaft sowie dem Weiterbestehen des guten Stadtregiments auch nach deren Tod (V. 23–26). In den letzten vier Versen wendet sich der Sprecher noch einmal (nur) an Hoppe: Dichtung ist nicht nur ein Zeitvertreib, sondern verschafft unsterblichen Ruhm (V. 27–30). – Versmaß: elegische Distichen. SENATVS ELBINGENSIS PRAESIDI ] Die deutschen Amtsbezeichnungen in den preußischen Städten variieren, so dass es durchaus eine Option ist, hier mit ‚Senat‘ und ‚Präsident‘ zu
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übersetzen. Aus einem bei Hoppe, Geschichte, S. 546, zitierten Dokument geht zudem hervor, daß in Elbing die Führungsspitze des Rates aus Königlichem Burggraf, Präsident, Vizepräsident und Bürgermeister bestand. 1 DU m laxant tetricas suspensa negotia curas] Die Einleitung eines Gedichtes durch DU m findet sich relativ häufig bei Opitz; vgl. zum Beispiel DU m tibi, magne virûm (LW 2, S. 80); DV m tu Sarmaticos (LW 2, S. 168). Rubensohn, Griechische Epigramme, S. CCXIX, Anm. 1, vermerkt, daß Opitzens Amt eines Secretarius et Historiographus Regius bei König Władysław IV. „keineswegs eine Sinekure war“, und führt hier vor allem Opitzens Reisetätigkeit in (diplomatischen) Missionen an. 4 quae Graii doctaque Roma tulit] Anspielung auf den Inhalt des Florilegium. 7 f.] Der Sprecher rekurriert hier auf die vielfältigen Inhalte von Epigrammen; s. dazu auch den Anfang der Widmung des ersten Florilegium-Buches an Johannes Preuss (LW 3, S. 284–286). Rubensohn, Griechische Epigramme, S. CCXX, verweist auf die Definition des Epigramms im 5. Kapitel von Opitzens Buch von der Deutschen Poeterey. Die Passage (GW 2.1, S. 366) ist oben im Kommentar zu Bd. 1 des Florilegium zitiert. Mit Hic vina, hic Venus est könnte Opitz auch auf die anakreontische Motivik zahlreicher Epigramme anspielen. Im 2. Buch des Florilegium übersetzt Opitz beispielsweise ein Epigramm auf einen italienischen Badebetreiber: „Durch liebe/ wein vnd bad gehn vns die leiber ein/ | Doch wird das leben frisch durch liebe/ bad vnd wein“ (S. 28). 9 Sic mutant socci leuitate theatra cothurnos] Der soccus ist ein pantoffelähnlicher, leichter Halbschuh, der von den Schauspielern in der antiken Komödie getragen wurde, während der hohe cothurnus die Fußbekleidung der Tragödienschauspieler darstellte. 10 Sic nudas Charites seria Pallas amat] Mit den Charites sind die drei Grazien Aglaia, Euphrosyne und Thalia, die Verkörperungen von Schönheit, Heiterkeit und Überfluß, gemeint; zu denken wäre bei nudas daran, daß sie in der bildenden Kunst meist unbekleidet dargestellt wurden, so z. B. von Raffael. Dagegen erscheint Pallas Athene, die Göttin der Weisheit und des Kampfes, immer bekleidet, oft in Kriegsrüstung. 11–13] Zur Person von Johannes Preuss, dem Opitz das erste Buch seines Florilegium widmete, vgl. den sich darauf beziehenden Kommentar (LW 3, S. 585). 11 Prussiadae] Patronymische Formen nach griechischem Vorbild verwendet Opitz nicht selten, so schon bereits im frühen Strenarum libellus; s. LW 1, S. 18 und 287. 15 Tu nos nominibus tibi charis inseris] Vgl. Horaz, Ode 1,1,35: Quodsi me lyricis vatibus inseres. Durch die offenkundige Bezugnahme auf Horazens berühmte Ode an Maecenas stellt Opitz eine Analogie zwischen sich und seinem ‚Mäzen‘ Israel Hoppe her. 19 f. Adde, vacat tecum cui virtus Coia, munus, Coia, vel Coa viuere digna manu,] Wortspiel mit den fast identischen Adjektiven Coia und Coa: Mit virtus Coia wird wohl auf ein Mitglied der Elbinger Familie Coye Bezug genommen. So war ein Johannes Coye, wie aus Hoppe, Geschichte, S. 545 f., hervorgeht, im Jahre 1636 „Vicepräsident“ des Rates von Elbing. In dieser Funktion hielt er z. B. auch eine lateinische Rede vor den „königlichen Commissarii …, davon er so publice so privatim ein ehrliches und billiges Lob gewan.“ Edward
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Carstenn: Geschichte der Hansestadt Elbing. Elbing 1937, erwähnt, S. 379, in bezug auf die Unterhandlungen mit den Schweden einen „Sekretär“ dieses Namens, zudem, S. 398, einen Bürgermeister Johannes Coye (gest. 1647). Toeppen, Die Elbinger Geschichtsschreiber, wie oben, befaßt sich, S. 24 f., mit demselben Johannes Coye, geboren 1583, Stadtsekretär 1611, Ratsherr 1627, Bürgermeister 1631, gestorben 1647, der „im Gegensatze zu schlimmen Neigungen seiner Zeit durch einige kernige Aussprüche bekannt“ sei, und zitiert dann solche Sentenzen Coyes. – Coa viuere digna manu ist wohl auf den berühmten griechischen Maler Apelles (geb. um 380/370 v. Chr.) zu beziehen, der u. a. wegen seiner Porträtmalerei bekannt war und seine letzten Lebensjahre auf der Insel Kos (östliche Ägäis) verbrachte. Hier entstand sein berühmtestes Bild, die Aphrodite Anadyomene. Mit viuere deutet der Sprecher auf das Fortleben durch die Künste hin. Eine Anspielung auf eine weitere ‚Berühmtheit‘ aus Kos, den Arzt Hippokrates, die Rubensohn, Griechische Epigramme, S. CCXX, in seiner Übersetzung annimmt („das hohe Amt, dem du zusammen mit dem trefflichen Jünger des Hippokrates vorstehst“), erscheint weniger wahrscheinlich, da wohl weder Hoppe noch Coye Ärzte waren. Ebenso liegt vermutlich keine Anspielung auf den hellenistischen Dichter und Philologen Philitas/Philetas aus Kos vor, von dem zwei Sammlungen von kurzen Gedichten, die Epigrammata und die Paignia, stammen sollen (vgl. DNP 9, Sp. 819 f.). 23 Sit tamen et talis postquam vos asseret astris] Hinweis auf den Katasterismos, die ‚Verstirnung‘. Sie begegnet als Zeichen für besondere Verdienste (im Erdenleben) nicht selten in Opitzens Gedichten. 24 pignora rara] Die Formulierung verweist wohl auf V. 22; Hoppe und seine Kollegen sind also Garanten für das Wohlergehen der Stadt. 28 Iunge tua Musas cum pietate meas] Im Rahmen der Schlussverse, die die verewigende Wirkung der Dichtkunst und damit Opitzens Beitrag zu Hoppes Ruhm anzeigen, bleibt diese Formulierung etwas dunkel. Vielleicht ist gemeint, dass eigene Gesinnung und das Lob durch einen Dichter gemeinsam die fama garantieren, was allerdings V. 30 widerspräche. [V.M.]
SC ribendi mihi si Epicedium auf Alexander Schlichting Nicht bei Dünnhaupt. – Ad | GENEROSUM DOMINUM | IOHANNEM | SCHLICHTINGK | DE BUKOVVIEC, | TERRAE VVSCHOVENSIS | JUDICEM PROVINCIALEM | REGIUM , etc. | ALEXANDRI FILII | DESIDERATISSIMI . | Obitum lugentem. – o.O., o. J. [1639] (Danzig, Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften: Oe 11 8° adl. 127). Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. Der jung verstorbene Alexander von Schlichting entstammte einem angesehenen Adelsgeschlecht, das seit dem 14. Jahrhundert in Schlesien und Polen ansässig war, vgl. Zedler, Bd. 35, Sp. 160–164. Sein Vater Johannes von Schlichting, der Adressat des Gedichtes,
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bekleidete verschiedene Ämter in Polen und Niederschlesien, so war er Statthalter von Lissa (praefectus Lesnae) und Landrichter in Fraustadt (s. Titel des Drucks). Opitz hatte Schlichting einige Sätze in seiner Lobrede auf den 1636 verstorbenen protestantischen Senator Raphael Leszczy´nski gewidmet (Panegyricus Raphaelis Lesnensis, S. 21 f.; LW 3, S. 212 f.), in denen er sich lobend über Schlichtings Eintreten für Glaubensflüchtlinge äußerte, zu denen er in dieser Zeit selbst gehörte. Zum älteren Schlichting vgl. Conermann/ Bollbuck, S. 1333 u. ö., mit nicht immer zutreffenden Angaben, außerdem Szyrocki, S. 117 u. ö. Für Schlichtings Sohn Alexander, der am 18. Mai 1639 (nach Szyrocki, S. 186) als Schüler am Lissaer Gymnasium unter dem Rektor Johann Amos Comenius verstorben war, wurde eine Anzahl von Epicedien verfaßt, die die Sammlung Cupressus emortualis beatis manibus generosi iuvenis Dn. Alexandri Schlichting de Bukowiec … adornata ab amicis, praeceptoribus, condiscipulis et clientibus … Lissa 1639, vereinigt; vgl. Wotschke, Gymnasium, S. 193. Um so auffälliger ist es, daß Opitz zu diesem Anlaß einen Einzeldruck vorlegte. – Versmaß: elegische Distichen. Das Epicedium beginnt mit einer lamentatio (V. 1–8), in der sich Unüberbietbarkeits- und Bescheidenheitstopik verschränken. Die zentrale laudatio (V. 9–16), durch anaphorische Reihung von Formen des Pronomens ille gegliedert, rekapituliert die Hoffnungen, zu denen der gelehrige Gymnasiast Anlaß gab. Nachdem in der wieder aufgegriffenen lamentatio der trauernde Vater zunächst in seinem Kummer bestätigt worden ist (V. 17–24), folgt als abgewandelte Form der consolatio (V. 25–28) eine Mahnung an den Adressaten, seine jactura privata müsse hinter der publica caussa zurückstehen, zumal bei einer Person des öffentlichen Lebens, die dem König (Rex), den Ständen (Proceres) und dem ganzen Gemeinwesen (Patria) verpflichtet sei. 9 cepit] Abweichende Schreibweise für coepit. 9–16] Der Tugendkatalog des Sohnes dokumentiert in vier Distichen (1.) die Frühreife des Knaben und den Vorrang, den der junge Adlige der virtus vor der nobilitas (generis) einräumt, (2.) die allgemeine Begierde des Schülers nach doctrina, (3.) die zwei Felder der von ihm betriebenen artes, nämlich das Trivium mit den sprachlichen Disziplinen (os Romanum) und das Quadrivium, repräsentiert durch die Astronomie (Uranie; astra), (4.) die prudentia civilis als zentrale Kompetenz des bürgerlichen Gelehrtenstandes, wie sie Opitzens Lehrer Caspar Dornau in Beuthen gelehrt hatte (vgl. dazu Seidel, 1994, S. 265–306). 13 os Romanum] Nach Mamertus Claudianus, Epistula ad Sapaudum 204,22 bezeichnet die im klassischen Latein seltene Junktur os Romanum die Grundlage jeder kulturellen Wirksamkeit, die sich in den artes ausdifferenziert. 14 Uranie] Griechische Form konjiziert für das überlieferte Uraniae. Urania, so die deutsche und lateinische Form, ist die Muse der Astronomie. 14 docta … astra] Wohl als Form der Hypallage zu verstehen; docta umschreibt den gelehrten Kontext im weiteren Sinne. 17 sidera cognita] Der Verstorbene kennt jetzt die Sterne, die er zuvor wissenschaftlich zu erforschen suchte (vgl. V. 14).
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21 Succumbitque malis … constantia] Mit Blick auf die Lehre des Neostoizismus ist diese Formulierung eigentlich paradox, da nach Lipsius’ berühmter Definition die constantia sich eben dadurch auszeichnet, daß das Gemüt durch nichts niedergedrückt wird; vgl. Lipsius, De constantia, S. 26. Opitz billigt die desolate Haltung des Adressaten zunächst (Iure quidem meritoque, V. 23), kommt aber dann doch (tamen, V. 25) zu einer strengeren Mahnung. 27 f. jactura … privata … publica caussa] Daß die Sorge um das Gemeinwohl auf einer höheren Stufe steht als die Sorge um sich selbst, ist gleichfalls ein Gedanke des Neostoizismus. Lipsius entlarvt im achten Kapitel des ersten Buches von De constantia eine falsche Haltung, die das öffentliche mit dem privaten Interesse verwechselt. Lesnae] Opitz hielt sich im Frühling 1639 für einige Zeit in Lissa auf, um seine dort im Exil lebenden Eltern zu besuchen und die militärische Lage im angrenzenden Schlesien zu sondieren (Szyrocki, S. 127; Conermann/Bollbuck, S. 1568). In Lissa traf er auch mit dem berühmten Pädagogen Johann Amos Comenius zusammen, von dem er im Jahr 1639 zwei Briefe erhielt (dies die einzigen überlieferten Dokumente des Kontaktes); zu Opitz und Comenius vgl. Conermann/Bollbuck (Register) sowie Paulus/Seidel (Register). S!acrae" R!egiae" Maj!estatis" Secretarius Juratus] Zu Opitzens Ämtern am polnischen Hof vgl. zusammenfassend Seidel (2011). [R.S.]
I N clita Musarum custode Glückwunschgedicht für Christoph Coler anläßlich seiner Ernennung zum Bibliothekar der Kirchenbibliothek zu St. Maria Magdalena in Breslau Dünnhaupt, Nr. 185 bzw. Nr. 191; – J N | CURAM | BIBLIOTHECAE PUBLICAE | VRATISLAVIENSIUM , | Ex Amplissimi Senatus Decreto | VIRO CL . | CHRISTOPHORO COLERO | Historiarum Professori | benigne commissam, | CONCIVIUM BENE CUPIENTIUM | ACCLAMATIONES. – o.O., o. J. [Breslau 1639] (UB Breslau: Yv 205/2), fol. A4r. Diesem Druck folgt unsere Edition. Das Gedicht Opitzens ist ferner abgedruckt bei Conermann/Bollbuck, S. 1552, und Hippe, S. 41. Wie aus dem sich an das Titelblatt anschließenden Widmungsschreiben (fol. A1v–A3v) hervorgeht, ist Andreas Tscherning (1611–1659) der Herausgeber dieses Glückwunschdruckes. Tscherning, ein entfernter Verwandter Opitzens, wurde wie dieser und Coler in Bunzlau geboren. Zu seiner Vita siehe vor allem Borcherdt, Tscherning, sowie LW 3, S. 325. Er besuchte zuerst die Stadtschule in seiner Heimatstadt, dann (bedingt durch die Gegenreformation und die Folgen des Krieges) das Gymnasium in Görlitz, schließlich 1630/31 bis 1635 das Elisabethgymnasium in Breslau. 1635/36 studierte er in Rostock, lebte ab 1636 wieder in Bunzlau und Breslau, setzte 1642 sein Studium in Rostock fort, wurde dort 1644 zum Professor für Poesie berufen und starb in diesem Amt 1659.
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In seiner ersten Zeit in Breslau hatte Tscherning die Möglichkeit, durch Opitz, der bis 1633 ebenfalls dort lebte, wichtige Bekanntschaften zu machen, so unter anderem mit Christoph Coler, mit dem er dann auch in Briefkontakt stand; s. dazu Borcherdt, Tscherning, S. 26. Zur Vita von Christoph Coler (1602–1658), einem engen Freund Opitzens, s. vor allem Hippe, außerdem Halsted, Klaus Garber in: Killy, 2. Aufl., Bd. 6, S. 546 f., Conermann/Bollbuck, S. 391, sowie LW 2, S. 336–338 (jeweils mit weiteren Literaturangaben). Opitz hatte diesem bereits mehrfach Gedichte zugeeignet, so ein Widmungsgedicht zu einer geplanten Gedichtausgabe Colers von 1629 (LW 2, S. 76–79) und das Epithalamium von 1635 für ihn und Anna Freier (LW 3, S. 126). Coler, der sich zuvor in ungesicherter Lage in Brieg befunden hatte (dazu Hippe, S. 20–37), wurde durch Andreas Senftleben, einen weiteren mit Tscherning und Opitz befreundeten Bunzlauer (s. LW 2, S. 251 f.), auf die vakante Stelle eines Professors für Poesie und Philologie am Elisabethgymnasium in Breslau aufmerksam gemacht und konnte 1634 dieses Amt antreten; Tscherning spielte, so Borcherdt, Tscherning, S. 28, hierbei eine gewisse Vermittlerrolle. 1637 wurde Heinrich Klose, ebenfalls Professor am Elisabethgymnasium, zum Leiter des Magdalenengymnasiums berufen, und Coler erhielt dessen Stelle als Conrector et Professor Historiarum et Eloquentiae, die er dann bis zu seinem Lebensende innehatte. Nach dem Tod Christoph Schwarzbachs war die Stelle eines Bibliothekars an der Kirchenbibliothek zu St. Maria Magdalena frei geworden, Coler bewarb sich darum und konnte dieses weitere Amt am 25. Februar 1639 antreten; s. Hippe, S. 40. Bereits am 12. Februar 1639 hatte Tscherning Opitz brieflich davon in Kenntnis gesetzt (Conermann/Bollbuck, S. 1534): CL. Colerus plurima Te salute impertit. Acceßit jam viro cura bibliothecae, multis modis augendae liberalitate Czerotinorum. Labores dein aucti salarium etiam augeri facient. Über das Zustandekommen des vorliegenden Druckes unterrichtet vor allem der Brief Tschernings an Opitz vom 5. März 1639 (abgedruckt bei Conermann/Bollbuck, S. 1541–1543). Hier geht Tscherning zuerst darauf ein, daß die Ernennung Colers zum Bibliothekar nicht ohne Widerspruch erfolgt war; er fährt dann fort: Nunc ipsam credulitatem hominum immane quantum adjuvares, si honorem CL. COLERI nostri divina poesi tua inlustriorem redderes; quod ipsum per omnia Musarum Sacra abs te majorem in modum peto atque contendo. Obstrictus sum viro multis nominibus, ut ingratum me mori neceße sit, nisi exsolvi putet, quum memoria tenebo. Sperarem tamen ad tempus satisfieri poße, si tu in partes venias, Vir magne: non auro atque argento, sed carmine vel Latino vel Germanico, i.e., plane tuo; quae auro contra aestimamus. Excellentißimum DN. NVSLERVM dimidium tui et Sanftlebium virum itidem eruditißimum eodem nomine compellavi. Plures advolare nolo. Curabo autem ut alibi locorum impensis meis excudantur, ipso inscio. Nolim enim resciscat prius, quam expreße manu teneat. Tscherning wollte damit als Beiträger poetae docti und angesehene Persönlichkeiten versammeln, die ebenso wie er und Coler als gemeinsamen Bezugspunkt Bunzlau sowie ihre freundschaftliche Verbundenheit aufzuweisen hatten (vgl. die Formulierung Concivium auf dem Titelblatt). Im Widmungsschreiben rühmt Tscherning nicht nur die Stadt Breslau und geht auf die Gründe für Colers Ernennung ein, sondern zitiert auch (fol. A2r) die Verse 186–189, ein Lob auf Bunzlau, aus Opitzens Hipponax ad Asterien (LW 1, S. 122). In bezug auf die Datierung von Widmung und Druck ist zu überlegen, ob mit der Zeitangabe Festo Ascensionis Dominicae, Anni M. DC. XXXIX. am Ende des Widmungsschreibens das Fest Christi Himmelfahrt, das 1639 auf den 2. Juni fiel, oder der Feiertag der
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Himmelfahrt Mariens, also der 15. August, gemeint ist (wie Conermann/Bollbuck, S. 1553, ansetzen). Wahrscheinlicher erscheint das zuerst genannte Datum, zumal Coler das Gedicht Opitzens spätestens Mitte Juni 1639 (ob handschriftlich oder doch eher mit dem vorliegenden Druck) erhalten hatte, wie aus einem Brief Tschernings an Opitz vom 18. Juni 1639 hervorgeht (Conermann/Bollbuck, S. 1563): Colero Epigramma tuum insanum gratum atque acceptum fuiße ex litteris ejus proxime cognosces. Bei der Anordnung der Texte legte Tscherning offenbar die poetische Reputation der Verfasser zugrunde. Jedenfalls folgen auf das Widmungsschreiben gleich als erstes der Abdruck eines kurzen brieflichen Grußes Opitzens an Tscherning sowie Opitzens an Coler gerichtetes Glückwunschgedicht. Danach werden ein Brief Bernhard Wilhelm Nüßlers (datiert vom 20. Mai 1639) und sein Gedicht auf Coler abgedruckt. Zwei Gedichte von Andreas Senftleben, das eine auf die Magdalenenbibliothek bezogen, das andere an ihren Bibliothecarius gerichtet, schließen sich an. Soweit die Bunzlauer, die Tscherning in seiner Vorrede zur Mitwirkung aufgerufen hatte: in partes clam te vocavi Sospitatorem Germanorum linguae illum OPITIVM, NÜSSLERUM, eximiae eruditionis SANFTLEBIUM, columina litterarum, Cives nostrates, quorum ego vestigia eminus venerari semper soleo (fol. A3r–v). Den Abschluß der Glückwunschadressen bilden ein lateinisches und ein deutsches Gedicht von Andreas Tscherning selbst. Als Anhang beigegeben sind, wie dem geneigten Leser erläutert wird (fol. D2v), einige Briefe und Gedichte unterschiedlichen Datums, in denen viri magni (Lingelsheim, Goclenius, Gruter, Seusse, Bernegger, Buchner, Mochinger, Zincgref, Weitzius) die Leistungen Colers als Poet und Philologe würdigen. Die Geschichte der Breslauer Schulen zu St. Elisabeth und St. Maria Magdalena, die von der Forschung ihrer herausragenden Bedeutung gemäß meist als ‚Gymnasien‘ bezeichnet werden, ist bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts (Samuel Gottfried Reiche, Carl Schönborn) immer wieder gründlich untersucht worden, vgl. die ausführlichen bibliographischen Hinweise bei Christine Absmeier: Das schlesische Schulwesen im Jahrhundert der Reformation. Ständische Bildungsreformen im Geiste Philipp Melanchthons. Stuttgart 2011 (= Contubernium 74), außerdem den Sammelband Breslauer Schulen. Geschichte und Architektur, hrsg. von Maria Zwierz. Wrocław 2005. Die Bibliothek der Kirche zu St. Maria Magdalena hatte bereits im Mittelalter bedeutende Bestände aufzuweisen, später fielen Kirche und Schule Teile aus der Bibliothek des Breslauer Reformators Johann Heß zu; s. dazu Klaus Garber: Skizze zur Geschichte der Bibliothek zu St. Maria Magdalena, in: HPG, Bd. 17, S. 17–26 (mit weiteren Literaturangaben); ders.: Bücherhochburg des Ostens. Die alte Breslauer Bibliothekslandschaft …, in: ders.: Das alte Buch im alten Europa. Auf Spurensuche in den Schatzhäusern des alten Kontinents. München 2006, S. 313–438, hier S. 331–345 (im Folgenden zitiert als „Garber, Das alte Buch“). Im Rahmen der genannten Beiträge geht Garber jeweils auch auf die Vita Colers im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit als Bibliothekar ein. 1641 gelangte die Bibliothek Karls von Zierotin, des einstigen Landeshauptmanns von Mähren, an die Magdalenenbibliothek, was zu einem Umbau genützt wurde; dazu Garber, Das alte Buch, S. 337 f. Nach erfolgter Renovierung wurde 1644 ein Schulactus mit der Aufführung des Ludus Septem Sapientium von Joachim Camerarius in der Fassung des Rektors Valentin Kleinwächter abgehalten; Coler hielt eine lateinische Festrede (oratio auspicalis). Beide Texte
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wurden in eine zwei Jahre später erschienene Festschrift integriert. Sie trägt den Titel: C HRISTOPHORI | COLERI | ORATIO AUSPI-|CALIS | Cum habitâ solemni | Panegyri | BIBLIOTHE-|CA MARIO-MAG-|DALENAEA | Libris auctior et cul-|tu ornatior, | XXIV. Novemb. | A.C. | M DC XLIV. | Usibus publicis dedi-|caretur. | VRATISLAVIAE | Impensis C HRISTOPHORI J ACOBI | Bibliopolae, | L IPSIAE , excudebat T IMO -| THEUS Ritzsch. | A NNO M DC XLVI. (SBB-PK Berlin: Bibl. Diez 8° 10139). Auf zwei Vorreden von Coler selbst und von den praesides scholarum Vratislaviensium folgt fol. A9v–C3v Colers Festrede (s. dazu Garber, Das alte Buch, S. 340 f.), dann die Präsentation des Bibliothekssaales mit seinen Inschriften (fol. C4r–C6v). Unmittelbar darauf (fol. C7r–C12r) schließt sich die Gratulationsschrift zu Colers 1639 erfolgtem Dienstantritt als Bibliothekar an, allerdings gegenüber Tschernings Ausgabe in verkürzter Form: Wieder abgedruckt wurden nun lediglich noch das Titelblatt und die verschiedenen Glückwunschgedichte, endend mit der deutschen Ode Tschernings. Dessen Widmungsschreiben, die Adressen Opitzens und Nüßlers an Tscherning sowie der zweite Teil mit früheren Gedichten an Coler fehlen. Das Gedicht Opitzens findet sich hier fol. C7v. Es wurde, wie der gesamte ursprüngliche Separatdruck, neu gesetzt, ist jedoch textidentisch mit der früheren Fassung, weshalb die Neuansetzung bei Dünnhaupt, S. 3072, als Nr. 191 irreführend erscheint. Den Abschluß des Sammelbandes bildet der Abdruck des Ludus Septem Sapientium (fol. D1r–[F11r]). Eine spätere Fassung der Festschrift erschien 1699 bei Johann Georg Steck in Breslau (einzusehen unter http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/urn/urn:nbn: de:gbv:3:1100243); hier fehlt allerdings der Druckteil mit den Gedichten auf Coler zu seinem Amtsantritt als Bibliothekar völlig. [Brief Opitzens an Tscherning] Die dem Gedicht vorangestellten Zeilen an Tscherning ergänzen gleichsam das, was dieser selbst in seinem Widmungsschreiben an Coler in bezug auf die Entstehungssituation des vorliegenden Druckes ausgeführt hatte. So wird auch hier die enge freundschaftliche Verbundenheit deutlich. Ornatissime amicorum stellt eine für den viel jüngeren und noch nicht zu Rang und Namen gelangten Tscherning höchst ehrenvolle Anrede dar. Die Betonung, wie sehr ihn seine Amtsgeschäfte von seinem eigentlichen Anliegen, dem ‚Musendienst‘, fernhalten (sed ab eo deproperatos, quem negotia Musarum fere transfugam reddunt), ist bei Opitz im Laufe der Jahre fast topisch geworden. 4 f. Aestimabis eos tamen animo] Im herangezogenen Exemplar aus Breslau wurde vor animo handschriftlich ab eingetragen. [Glückwunschgedicht] Das kurze Gedicht wendet sich nicht an Coler selbst, sondern an die personifizierte Stadt Breslau. Diese wird im ersten Teil dazu beglückwünscht, daß sie mit ihm den einzig dafür geeigneten Oberaufseher über die „Waffen der Musen“ gefunden habe; damit bedient sich also der Sprecher einer Analogie aus dem militärischen Bereich bzw. einem Bereich, der eng mit dem jeweiligen Stadtregiment verbunden war (V. 1–3). Auch Apollo, der Musagetes und Gott der Weissagung, hätte keinen besseren finden können (V. 4). Somit ist die Ernennung Colers durch alle maßgeblichen Instanzen legitimiert. Die Fähigkeiten, die Coler selbst dafür mitbringt und die diese Entscheidung rechtfertigen, nennen die fol-
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genden vier Verse. Sie gipfeln in der Behauptung am Schluß (V. 8), daß das gelehrte Wissen in den Büchern und das Wissen um die Bücher in der Buch-Gelehrsamkeit Colers schließlich verschmelzen werden (Ipse et erit quondam bibliotheca tibi ). – Versmaß: elegische Distichen. 1 IN clita Musarum … arma] Die „Waffen“ der Musen sind poetische bzw. schriftliche Erzeugnisse jeder Art. Vgl. im Widmungsschreiben Tschernings, fol. A3r, die Bezeichnung illud totius quasi sapientiae armamentarium (also „Zeughaus“) für die Magdalenenbibliothek. Unterschrift] Auch noch wenige Monate vor seinem Tod betont Opitz das doppelte Dienstverhältnis zu Władysław IV., dem König von Polen, und zu den Herzögen von Liegnitz und Brieg (hier verkürzt Lignicensibus). Darüber hinaus rechtfertigt er mit dem Hinweis auf seine vielfältigen Amtsfunktionen die notgedrungen eilige Abfassung dieses Gedichtes; vgl. im Brief an Tscherning deproperatos. [V.M.]
SAE pe tuae diversa fuit – NO n tellus, Crügere Epicedien auf Peter Crüger Die Gedichte Opitzens wurden wiederholt gedruckt: [X] Dünnhaupt, Nr. 187; – [Einblattdruck, beginnend am oberen Seitenrand mit:] In Obitum Clarissimi Viri | et Mathematicorum nulli secundi | PETRI CRÜGERI. [endend am unteren Seitenrand mit:] Obiit die 6. Junij, Anno 1639. Zu Ehren seinem gewesenen lieben Freunde | schrieb diß in grosser eil. | Martin Opitz von Boberfeldt/| Königlicher Majest. Secretar. auch | Fürstlicher Lignitzischer vnd Briegi=| scher Rhat . | Dantisci, | Apud Andr. Hünefeldium.] (Akademiebibliothek Danzig: Oe 38 2° adl. 19). Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. [Y] Nicht bei Dünnhaupt; – Christliche Leich=Predigt | Bey dem Begräbnüß de‚ Ehrenvesten | Achtbaren vnd Hochgelahrten Herrn | M. Petri Crügeri | Der Stadt Dantzigk wolbestalten | Mathematici. | Welcher den 6. Junij diese‚ 1639. Jahr‚ Gottselig | von dieser Welt abgeschieden/ vnd den 8. Junij darauff in der | Kirchen der H. Dreyfaltigkeit daselbst Christlich vnd | Ehrlich zur Erden bestattet | Gethan durch | M. Daniel Dilgeren/ Predigern vnd Pfarrern | in der S. Marien Kirchen. | Dantzik/ | Gedruckt durch Andream Hünefeld/ | Buchhändler. (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: E 506), S. 32 f. Diese Fassung wird weder bei Dünnhaupt noch in der Bibliographie von Szyrocki in: Weltliche Poëmata, Bd. 2, S. 210*, Nr. 213, mit aufgeführt. Der Einblattdruck besteht aus (mit I. bis IV. durchnumerierten) zwei lateinischen und zwei nachfolgenden deutschen Trauergedichten; s. dazu auch: Klaus Garber: Die alte Danziger Stadtbibliothek als Memorialstätte für das Preußen königlich polnischen Anteils. Sammler, Sammlungen und gelehrtes Leben im Spiegel der Geschichte, in: Kulturgeschichte Preußens königlich polnischen Anteils in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Sa-
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bine Beckmann und Klaus Garber. Tübingen 2005 (= Frühe Neuzeit 103), S. 301–355 (mit Abdruck des vierten Trauergedichts S. 352). Das erste der beiden deutschen Trauergedichte (Nr. III.) stellt eine Übersetzung des zweiten lateinischen Epicediums dar: Auff das Sonnen=Finsterniß Vor des seligen H. Crügers tode. ES treget leidt vmb dich nicht nur die Erde hier/ Die/ Krüger/ billich dich geschätzt vor jhre zier: Die Sternen trawren auch: Der Sonnen klarer schein/ Eh als du von vns weichst/ wil selbst verfinstert sein. Es schließt sich an (Nr. IV.): N A ch dem/ du lust der Zeit/du ehre dieser Stadt/ Die Erde sich bißher an dir ergetzet hat/ Die du gemessen hast: nach dem deß Himmels ziehr/ Sein lauff/ sein thun vnd art beschrieben ist von dir; Nach dem Gott deine trew vnd wandel selbst gespürt/ Thun Erde/ Himmel/ Gott auch dir was sich gebürt: Die Erde giebt dir ruh/ der Himmel weit und breit Den namen der nicht stirbt/ vnd Gott die seligkeit. In einem bei Conermann/Bollbuck, S. 1947–1950, wiedergegebenen Brief Georg Preuttens erwähnt dieser eine Elegia, die er auf das Ableben dreier bedeutender Männer innerhalb kurzer Zeit verfaßt habe, unter anderem auf Peter Crüger und Martin Opitz. Hierbei handelt es sich, so Conermann/Bollbuck, ebd., S. 1951, um die ELEGIA | IN MEMORIAM | TRIVM … VIRORVM | de Publico optimè meritorum; | DN. JOHANNIS ERNESTI | SCHRÖERI | PRAECONSULIS CIVITATIS DANTISCANAE | … | DN. M. PETRI CRVGERI, | MATHEMATICI ibidem CELEBERRIMI, | ET | DN. | MARTINI OPITII, | S. R. M.TIS & Svec. Secret. & Historiographi, | … | Post Solis Eclipsin Calendis Juniis hoc anno visam | Intra Quadrimestre defunctorum). Peter Crüger, geboren 1580 in Königsberg, wurde 1607 Professor der Poesie und der Mathematik am Akademischen Gymnasium in Danzig und starb dort am 6. Juni 1639 (s. auch die Kurzvita im Kommentar zu QV i sacros nobis; LW 2, S. 439 f.). Zu Crügers Vita vgl. auch die Christliche Leichenpredigt (s. o.), in der gemäß den Gepflogenheiten der Textsorte wesentliche Lebensstationen des Verstorbenen im laudativen Duktus aufgeführt werden. Opitz war zwar erst 1636 nach Danzig gezogen, doch bereits um 1631 hatte er ein Geleitgedicht zu den CUPEDIAE A STROSOPHICAE C RÜGERIANAE , einer Auswahlausgabe aus Peter Crügers Schriften, verfaßt (QV i sacros nobis; s. dazu LW 2, S. 134 f.). Nach Noack, S. 72, stand der „Mathematiker und Stadtastronom“ Peter Crüger mit Johannes Kepler im Briefwechsel. Am Akademischen Gymnasium las er auch über Kartographie, über Fortifikation und Nautik. Andreas Gryphius, der von 1634 bis 1636 das Akademische Gymnasium besuchte, feierte Crüger „als einzigen der Danziger Professoren in seinen Ge-
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dichten“ (Noack, S. 72; s. auch Marian Szyrocki: Der junge Gryphius. Berlin 1959, S. 77 f.). Wie aus dem Einblattdruck hervorgeht, waren Crüger und Opitz befreundet; ein weiterer Freund Crügers war der Danziger Dichter Johannes Plaue (Plavius), s. dazu Noack, S. 78. Zu dem gelehrten gesellschaftlichen Umfeld in Danzig vgl. auch Eberhard Mannack: Barock-Dichter in Danzig, in: Studia Germanica Gedanensia. Bd. 2, hrsg. von Marek Jaroszewski und Sylwia Kajkowska-Bykowska. Gda´nsk 1994, S. 45–61, hier bes. S. 51–55. Opitz selbst starb am 20. August 1639, also nur wenig später als Crüger. Johann Peter Titz schreibt in einer seiner Grabschriften auf Opitz (wiedergegeben nach Conermann/ Bollbuck, S. 1615): „… Alß nechst Herr Krüger starb/ die Ehre dieser Stadt/ | Die jtzt nicht minder dich/ alß jhn/ beweinet hat/ | Ward er durch deine Rheim’ vnd hochgelehrte Lieder | Beklaget nach gebühr. Jn dem du selbst fällst nieder/ | Vnd bringst durch deinen Tod vns solches Trawren ein/ | Wer wird dein Grabe=Lied zu stellen würdig seyn.“ Überschrift] Die Bezeichnung mathematicus ist mehrdeutig und kann auch „Astronom“ bzw. „Astrologe“ bedeuten. [SAE pe tuae diversa fuit] Das Epigramm weist auf ein astronomisches Grundproblem hin, mit dem sich auch Crüger offensichtlich befaßte: das geozentrische bzw. heliozentrische Weltbild sowie die Bewegungen der Gestirne. Im dritten Vers erfolgt eine Antwort darauf, die aber im concettistisch-arguten Schlußvers über die astronomischen Gegebenheiten hinausweist: Auf die noch lebenden Menschen bzw. den Verstorbenen bezogen, gewinnen die Begriffe „Bewegung“ bzw. „Ruhe“ eine andere Bedeutung. – Versmaß: elegische Distichen. 1 f.] Nach Paul Simson: Geschichte der Stadt Danzig. Bd. 2. Danzig 1918, S. 549 f., schrieb Peter Crüger auch über die Drehung der Erde. Zu denken wäre hier vielleicht zudem an Crügers Verbindung mit Johannes Kepler (so erschien von Crüger 1625 bei Hünefeld in Danzig eine Descriptio Cometae A Regiomontano Observati: Ad nonnulla, quae de hoc Cometa Cl. V. Johannes Kepplerus Mathematicus Caesareus in Hyperaspiste contra Claramontium dißerit, publicata a Petro Crügero), ferner an die im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit am Akademischen Gymnasium entstandenen Disputationen, bei denen Crüger als Praeses auf dem Titelblatt genannt wird, so z. B. De Hypothetico Systemate Coeli Disputatio (gedruckt 1615) oder Hypothesium Astronomicarum YZHTHI Altera De Qvotidiana Telluris in Orbem Revolutione: vulgò de Primo Mobili. quae Primo Motore adjuv. (gedruckt 1616). 4 Haec labor est nobis] Anspielung auf Gen 3,17: ad Adam vero dixit: / quia audisti vocem uxoris tuae / et comedisti de ligno ex quo praeceperam tibi ne comederes, / maledicta terra in opere tuo / in laboribus comedes eam cunctis diebus vitae tuae. [NO n tellus, Crügere] Sowohl die Überschrift als auch die beiden Distichen spielen wohl auf die Sonnenfinsternis am 1. Juni 1639 an, da Peter Crüger wenige Tage später starb (wie auch aus der Datumsangabe auf dem Einblattdruck hervorgeht). Opitz hatte sich bereits mehrere Jahre zuvor (1633) in seinem deutschen Lehrgedicht Vesuvius, und hier speziell auch in der la-
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teinischen Widmungsvorrede an Herzog Johann Christian zu Brieg, mit Natur- bzw. Himmelserscheinungen als (von Gott gesandten) Vorboten unheilvoller Ereignisse auseinandergesetzt (s. LW 3, S. 372 u. ö.). Bei der inventio dieses Epigramms handelt es sich also nicht um eine eher beliebige Erfindung, sondern um den Hinweis auf eine betrachtenswerte Koinzidenz: Derjenige, der sein Leben den Gestirnen gewidmet hatte, erfährt in und kurz vor seinem Tod ihre ganz besondere Re-Aktion. Dies wird vor allem im Schlußvers deutlich: Crügers bevorstehender Untergang kann nicht anders als durch eine ' ( « angekündigt werden. – Versmaß: elegische Distichen. In defectum … praecessit] Astronomische Phänomene als Vorzeichen des Todes zu deuten, ist bereits antike Praxis (man denke etwa an die literarisch überzeichnete Schilderung des Todes Caesars bei Ovid, Metamorphosen 15,783 ff.). 3 f.] Opitz spielt auf die ringförmige Sonnenfinsternis am 1. Juni 1639 an, die in Danzig gegen 17.00 Uhr beobachtet werden konnte und bei der etwa drei Viertel der Sonne verdeckt waren. Zu dieser Sonnenfinsternis vgl. http://www.eclipse.org.uk/eclipse/ 0231639/Gdansk_Poland_1639Jun01.png [22. 03. 2010]. [M.F., V.M.]
Q U od exteris omnibus – SI prioribus libris Widmung der Annolied-Ausgabe an Johann Czirenberg und Vorwort zur Annolied-Ausgabe Dünnhaupt, Nr. 188.1; – INCERTI | POETAE TEVTONICI | RHYTHMVS | DE SANCTO ANNONE | COLON. ARCHIEPISCOPO | ANTE D. AVT CICITER [sic!] | annos conscriptus. | MARTINVS OPITIVS | primus ex membrana | veteri edidit | et Animadversionibus | illustravit. | DANTISCI, | Ex Officina Andr. Hünefeldii, | M DC XXXIX . | CVM PRIVILEGIO REGIS . (Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel: M: Lo 73); die Widmungsvorrede findet sich fol. )(2r– )(3r, das Vorwort zur Annolied-Ausgabe fol. )(3v–(:)6v. Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. Conermann/Bollbuck geben S. 1569 den Anfang der Widmung mit einer Übersetzung wieder. Opitz hat mit seiner Annolied-Ausgabe einen wichtigen mittelalterlichen Text, dessen Handschrift seit langem verschollen ist, der Nachwelt erhalten. Deshalb dient seine Edition als Grundlage für die im Laufe der Zeit veranstalteten Ausgaben. Allerdings werden in der Regel gerade Opitzens Widmung und Vorwort weggelassen, so in: Das Annolied. Genauer Abdruck des Opitzischen Textes mit Anmerkungen und Wörterbuch, hrsg. von Joseph Kehrein. Frankfurt am Main 1865; Das Annolied, hrsg. von Max Roediger, in: Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters. Erster Band, 2. Abteilung: Trierer Sylvester, Annolied. Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1895. Dublin/Zürich 1968 (= Monumenta Germaniae Historica 1.2), S. 63–145; Die religiösen Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts. Nach ihren Formen besprochen und hrsg. von Friedrich Maurer. Bd. 2. Tübingen 1965, S. 3–45; Das Anno-Lied, hrsg. von Martin Opitz
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MDCXXXIX. Diplomatischer Abdruck besorgt von Walther Bulst. 3., unveränderte Auflage Heidelberg 31974 (= Editiones Heidelbergenses 2); [Bulst folgend:] Das Annolied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hrsg., übersetzt und kommentiert von Eberhard Nellmann. 4., bibliographisch ergänzte Auflage 1996 (= Reclams Universal-Bibliothek 1416); Salome Solf: Das Annolied. Textübertragung, Interpretation und kritischer Bericht zum Forschungsstand, in: Sankt Anno und seine viel liebe statt …, hrsg. von Gabriel Busch. Siegburg 1975, S. 230–330, hier Textabdruck nach der Ausgabe: Das Annolied, hrsg. von Karl Meisen. Bonn 1946, mit faksimilierter Wiedergabe einiger Textseiten aus Opitzens Ausgabe, doch ebenfalls ohne Berücksichtigung von Widmung und Vorwort. So finden sich Opitzens Widmung an Johann Czirenberg und das Vorwort nur in dem bei Bodmer/Breitinger, S. 153–350, erfolgten und kommentierten Abdruck des Annoliedes, die Widmung hier S. 171 f., das Vorwort S. 173–177. Die einzige vollständige Ausgabe aus heutiger Zeit stammt von R. Graeme Dunphy: Opitz’s Anno. The Middle High German Annolied in the 1639 Edition of Martin Opitz. Glasgow 2003 (= Scottish Papers in Germanic Studies 11), die Paratexte hier S. 36–45. Dunphy bietet neben dem vollständigen Textabdruck auch eine englische Übersetzung; besonders zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen zu Widmung und Vorwort des Annoliedes (im Folgenden: Dunphy, Anno). In bezug auf Forschungsliteratur zum Annolied sei auf die Angaben in den oben genannten Editionen verwiesen, zur schnellen Orientierung vgl. den kurzen Artikel von Mathias Herweg: Annolied (Song of Anno), in: The Encyclopedia of the Medieval Chronicle. Bd. 1. Leiden/Boston 2010, S. 97. Speziell zur Annolied-Ausgabe Opitzens ist neben Dunphy, Anno vor allem zu nennen: Frederick R. Whitesell: Martin Opitz’ Edition of the Annolied, in: Journal of English and Germanic Philology 43 (1944), S. 16–22; Ernst Hellgardt: Die Rezeption des Annoliedes bei Martin Opitz, in: Mittelalter-Rezeption: Ein Symposion, hrsg. von Peter Wapnewski. Stuttgart 1986 (= Germanistische Symposienund Berichtsbände 6), S. 60–79 (mit ausführlicher Inhaltsangabe und Interpretation von Widmung und Prolegomena S. 60–70); Graeme Dunphy: Martin Opitz und die mittelalterlichen Alexandergeschichten: Wissenschaft und Polemik in der editio princeps des Annoliedes, in: Daphnis 31 (2002), S. 299–316; Mathias Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, Annolied. Die deutschen Zeitdichtungen des frühen Mittelalters im Spiegel ihrer wissenschaftlichen Rezeption und Erforschung. Wiesbaden 2002 (= Imagines Medii Aevi 13), speziell S. 297–311; Uta Goerlitz: Literarische Konstruktion (vor-)nationaler Identität seit dem Annolied. Analysen und Interpretationen zur deutschen Literatur des Mittelalters (11.–16. Jahrhundert). Berlin/New York 2007 (= Quellen und Forschungen zur Literaturund Kulturgeschichte 45), speziell S. 314 f.; Graeme Dunphy: Melchior Goldast und Martin Opitz: Mittelalter-Rezeption um 1600, in: Humanismus in der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hrsg. von Nicola McLelland u. a., Tübingen 2008, S. 105–121; Harald Bollbuck: „Quem imiter?“ Antiquarische Forschung und Philologie bei Martin Opitz, in: Welche Antike? Konkurrierende Rezeptionen des Altertums im Barock, hrsg. von Ulrich Heinen. Wiesbaden 2011 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 47), S. 231–245; Graeme Dunphy: Merborts ‚Chronicon‘: Eine mittelhochdeutsche ‚Dalimil‘-Übersetzung bei Martin Opitz, in: Euphorion 107 (2013), S. 259–267.
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Spätestens Anfang 1639 erhielt Opitz in Danzig – wie ein auf den 21. Januar 1639 datierter Brief an Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau belegt – eine heute verschollene Pergamenthandschrift des frühmittelhochdeutschen Annoliedes, eines eigentümlichen Werks, das eine zweiteilige Weltchronik (zuerst Heilsgeschichte, dann Weltgeschichte) mit der Vita des Kölner Erzbischofs Anno II. verknüpft. Opitz führt hier aus (Conermann/Bollbuck, S. 1527 f.): Cl mo Ehlichmanno mei memoriam nondum excidisse gaudeo: item quod gloriam nostrae linguae tanti aestimat, ut conquisitis undique vetustioris notae Autoribus praeclara nobis de illo polliceri audeamus. Penes me praeter Odam Germanicam in laudes Annonis Coloniensis Episcopi, ante hos D annos perscriptam, nihil fere eius commatis. Promiserat eius editionem olim Vulcanius: id quia morte praeventus facere non potuit ego sicuti nanciscar, libellum publico non invidebo. Glossariolum quoque addam, in quo forte notae ac a paucis ante animadversa. Willirami Abbatis in Cant. Canticorum Paraphrasin ad codicem vetustum plus quam mille locis emendavi melioremque reddidi. Das zwischen 1077 und 1081 in Siegburg entstandene Gedicht umfaßt 878 Verse in 49 Abschnitten, die ein sehr eng strukturiertes kirchenpolitisches Programm darstellen. Da Opitz von seinem Breslauer Freund Michael Flandrin eine Handschrift der althochdeutschen Hoheliedparaphrase Willirams von Ebersberg erhalten hatte (so sein Kommentar zu Annolied 1,5; vgl. Dunphy, Anno, S. 12, 46–51, 162 f.) und da ein Bibliotheksvermerk aus dem 15. Jahrhundert festhält, daß die Rhediger-Sammlung in Breslau eine Handschrift besaß, die sowohl Williram als auch das Annolied enthielt, geht man davon aus, daß Opitz auch das Annolied aus Breslau bekommen hatte, zumal er im Brief an Hoffmannswaldau beide Texte zusammen erwähnt. Es ist nicht auszuschließen, daß seine Handschrift mit dem heute in der Breslauer Stadtbibliothek aufbewahrten WilliramCodex, Breslau 347 (Pergament, 11. Jh.) identisch ist; denkbar wäre, daß Opitz die Blätter mit dem Annolied entfernte und den Rest an Flandrin zurückschickte. Opitz verfaßte daraufhin einen ausführlichen lateinischen Kommentar und andere Begleittexte, die er zusammen mit seiner Abschrift des mittelhochdeutschen Textes bei Andreas Hünefeld in Druck gab. Er hatte wohl gehofft, das Buch im Frühjahr herauszubringen (so sein Brief an August Buchner vom 26. Januar 1639; s. Conermann/Bollbuck, S. 1531), doch die Annolied-Ausgabe erschien in der zweiten Julihälfte oder in der ersten Augustwoche 1639, nur wenige Tage vor Opitzens Tod. In zwei deutschsprachigen Briefen an Ludwig von Anhalt erwähnt Opitz seine Absichten bezüglich dieser Ausgabe. Im Brief vom 10. März 1639 (ebd., S. 1546) verspricht er baldige Veröffentlichung und schildert die Wichtigkeit des Bandes für die Wiederentdekkung älterer deutscher Sprachstufen, enthalte er doch „viel wörter der alten Francken, Sachsen vndt in gemein gantz deutschlandes erkläret auß solchen schrifften vndt gedechtnißen, die in das gemein nicht bekandt, auch theils niemals noch an das liecht kommen sindt“. Der Brief vom 7. August (ebd., S. 1597) begleitet ein Belegexemplar und spricht von der Hoffnung, die Ausgabe werde andere inspirieren, weitere Werke in älteren germanischen Sprachen herauszugeben. Und in einem undatierten, aber nach dem Erscheinen der Ausgabe verfaßten Brief an Johann Elichmann (ebd., S. 1594) bemängelt er den Stil des Annoliedes, das er freilich auch hier als wichtiges Sprachdenkmal klassifiziert: Neqve enim melioris commatis est, qvam aut Willeramus aut Paraenetica illa qvae Goldastus edidit. Juvare tamen linguam majorum libuit qva parte potui. Diese Belege bestätigen das im Vorwort auf-
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geführte Programm: Es geht Opitz weniger darum, das Annolied als solches zu untersuchen – in seinem Vorwort erwähnt er das Gedicht an und für sich nur einmal kurz in den letzten Zeilen –, sondern ein allgemeines Bewußtsein von der Altehrwürdigkeit der deutschen Sprache und Dichtung zu erwecken. Hugo Grotius bedankte sich in einem Brief vom 22. August 1639 bei Opitz für die Zusendung der Annolied-Ausgabe, ohne zu ahnen, daß dieser bereits am 20. August verstorben war (Conermann/Bollbuck, S. 1603 f.). Die Bemerkungen des Niederländers weisen auf gleichgerichtete Bestrebungen, wie denn Grotius sich auch ausdrücklich um eine fernere Zusammenarbeit mit Opitz bei seinen Studien zu älteren Stufen der germanischen Sprachen bemüht. Zu weiteren Zeugnissen der unmittelbaren Rezeption der Ausgabe vgl. ebd., Werkregister, S. 1957 s.v. „Opitz: Anno“, und Hellgardt (wie oben), S. 77–79. Bodmer und Breitinger, die 1745 Opitzens Annolied-Kommentar mit eigenen Anmerkungen nachdruckten, bezeichneten es in ihrem Historisch-Critische[n] Vorbericht, S. 157, als Opitzens Opus emortuale, „… indem er wenige Wochen hernach gestorben, nachdem er diesen Lobgesang, der wegen der Todes-Gedanken, die er in sich enthält, auch vor einen Sterbegesang gelten kan, aus der Presse treten gesehen hatte.“ Zu den spezifischen Positionen der Zürcher Gelehrten gegenüber Opitzens Ausgabe vgl. Herweg (wie oben), S. 308–311. Daß Opitzens Kommentar in mancherlei Hinsicht auf seine früheren Arbeitsschwerpunkte rekurriert, zeigt Dunphy, Anno, S. 16. Die Forschung zum Annolied verweist gerne darauf, daß das wichtige Vorwort vor allem zeige, „was Opitz am Annolied nicht oder zumindest nicht primär interessierte: Fragen der Stoffherkunft und Quellen, der Überlieferung, Heimat und Datierung, auch theologische und politisch-historische Deutungsaspekte bleiben weithin außen vor. … Das Annolied exemplifizierte für Opitz eine Stufe früher und damit unverfälschter deutscher Sprachgeschichte, und da dies so ist, wird seine Veröffentlichung zum … Beitrag der Erneuerung der Gegenwartssprache aus ihren Wurzeln“ (Herweg, wie oben, S. 304). Gerade im Kontext von Opitzens lateinischen Werken ist auf die Parallelen zur Jugendschrift Aristarchus (1617) hinzuweisen, in der die frühen Versuche der Humanisten zur Sicherung altdeutscher Literaturzeugnisse gelobt werden (vgl. LW 1, S. 76), aber auch – mutatis mutandis – auf spätere antiquarische Studien wie die Variae lectiones (1637) mit ihrer Dokumentation antiker Quellentexte aus dem provinzialrömischen Bereich (LW 3, S. 542). Im Folgenden werden Widmungsvorrede und Prolegomena im Anschluß an die genannten Studien von Hellgardt und Dunphy knapp skizziert, während Opitzens – in unserer Ausgabe nicht berücksichtigter – Kommentar zum Annolied („eine gewaltige philologisch-editorische Leistung“, Herweg, wie oben, S. 305) und dieses selbst nicht vorgestellt werden können. Die Widmung an den Danziger Bürgermeister Czirenberg basiert auf der Topik des Exils: Wie die Stadt und besonders ihre führende Persönlichkeit ein Zufluchtsort für Glaubensflüchtlinge (nicht zuletzt Opitz selbst) ist, so wird auch die – freilich wegen der Ignoranz der Menschen – aus dem allgemeinen Bewußtsein ‚verbannte‘ frühmittelhochdeutsche Schrift von dem hochgebildeten Czirenberg wohlwollend aufgenommen werden. Das Annolied wird schon in dieser Widmungszuschrift programmatisch als prisci sermonis qualiscunque, rara certe, particula bezeichnet, womit die Aspekte des ehrwürdigen Alters, der Seltenheit und der sprachhistorischen (sermonis) Signifikanz des Werkes prominent hervorgehoben sind.
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In den eigentlichen Prolegomena knüpft Opitz an die Kritik aus der Zeit des Aristarchus an, wonach die Deutschen lieber Latine … balbutire, als Deutsch zu reden (und zu schreiben), und es deshalb nur wenige Textzeugnisse in (alt)deutscher Sprache gebe. Gleich darauf werden in einem komplizierten Satzgefüge Grundlage und Zielrichtung der weiteren Darstellung vorstrukturiert: Obgleich (quamvis) die deutsche Sprache sich in ununterbrochener Tradition (perpetua serie; s. u.) fortentwickelt habe, blieben dennoch (tamen) Herkunft und Bedeutung vieler Vokabeln unklar. Demnach entwirft die Vorrede „the scene for later philological discussions of the Annolied’s vocabulary by surveying contemporary philological dilemmas in general, thus reflecting Opitz’s declared priorities, in which the mediaeval text is primarily a vehicle for the schooling of German linguistic awareness“ (Dunphy, Anno, S. 159). Der Hauptteil der Prolegomena beschäftigt sich sodann mit etymologischen Untersuchungen, die sich freilich – vor dem indogermanistischen Paradigmenwechsel des 19. Jahrhunderts – nicht auf objektive Regeln des Sprachwandels stützen konnten. Die Argumentation erscheint nicht durchweg konsistent. Erkennbar sind u. a. die durch die Gleichsetzung von ‚Goten‘ und ‚Geten‘ und die Spekulationen über ‚keltische‘ Sprachen bedingte Konfusion hinsichtlich der Ermittlung von Sprachfamilien sowie die bemerkenswerte Bereitschaft Opitzens, ostdeutsche Toponymika (vor allem aus seiner Heimat Schlesien) aufgrund des offenkundigen Sprachbefundes auf slawische und nicht auf germanische Wurzeln zurückzuführen. Im zweiten Teil der Prolegomena wird formuliert, de Teutonismo nobis dissertatio instituta est, ohne daß ganz klar würde, ob sich dieser Hinweis auf die Vorrede oder den gesamten Kommentar zum Annolied bezieht. Opitz unternimmt einige Bemerkungen zu möglichen Verwandtschaftsbeziehungen des Deutschen und geht dann zu einer Übersicht über die Quellen altdeutscher Textzeugen wie Lexica, Glossaria oder inscriptiones über. Die Vorrede endet in einer kulturpatriotischen Wendung mit einem rühmenden Hinweis auf deutsche Fürsten wie Karl den Großen, der als linguae assertor sich schon früh der Pflege der Muttersprache angenommen habe – ein Reflex der Disputationen, die Opitz bei Caspar Dornau in Beuthen mitverfolgt hatte (vgl. Seidel, 1994, S. 322 f.). Im selben Zusammenhang steht der Appell zur Herausgabe altdeutscher Textzeugnisse zum Zwecke der Pflege und Weiterentwicklung der deutschen (Literatur)sprache, von wo aus Opitz schließlich zu seiner aktuellen Unternehmung, der Edition des Annoliedes, gelangt. [Titelblatt] CICITER] Druckfehler statt CIRCITER DANTISCI] Danzig. Dagegen im Widmungsbrief Gedanensis bzw. Gedani, Gda´nsk. Die unterschiedliche Schreibweise ergibt sich daraus, daß Hünefeld das Titelblatt, Opitz dagegen den Widmungsbrief aufsetzte. [Widmungsbrief – Q U od exteris omnibus] I OH . C IRENBERGIO ] Johann Czirenberg oder Zierenberg (1574–1642) war seit 1630 Bürgermeister von Danzig wie früher auch sein Vater Daniel. Obwohl strenger Calvinist, war er, wie aus dem Reisejournal des französischen Legationssekretärs Charles Ogier hervorgeht, der sich 1635 in Danzig aufhielt, als Kunstliebhaber und Mäzen bekannt, und Czi-
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renbergs Tochter Konstantia war wegen ihrer Gelehrsamkeit, Musikalität und Schönheit berühmt; s. dazu Gotthilf Löschin: Die Bürgermeister, Rathsherren und Schöppen des Danziger Freistaates und die Patricierfamilien, denen sie angehörten … Nachdruck Hamburg 1974 (= Sonderschriften des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen 29), hier S. 27 f. Vgl. dazu auch Hellgardt (wie oben), S. 75, Anm. 9, sowie Conermann/Bollbuck, S. 1569. Die Hervorhebung von Czirenbergs literarischen Interessen ist für Opitzens Ziele kennzeichnend. Zum Teil handelt es sich bei dieser Charakterisierung allerdings um rhetorische Topoi. 3 pro uno priscae Teutoniae cive] Gemeint ist wohl eher das personifizierte Gedicht als der mittelhochdeutsche Dichter. Unwahrscheinlich ist ein (zusätzlicher) metonymischer Bezug auf Bischof Anno selbst, der zwar kurzzeitig aus Köln vertrieben worden war (Annolied 39,8: „Her niwurde mit gewefinin uze dir burg virtribin“), die übrigen hier genannten Leiden allerdings nicht erdulden mußte. Opitz vergleicht in dieser rhetorischen Identifikation sein eigenes Danziger „Exil“ mit dem in Vergessenheit geratenen Manuskript des Annoliedes. Indem er Czirenbergs ehrwürdiges Alter mit dem Alter des Textes in Verbindung bringt, versucht er ebenfalls, durch eine mögliche Identifikation Sympathie bei seinem Gönner zu wecken. 7 f. Agrippinenses quorum Antistitem optimum celebrat] Anno II. (ca. 1010–1075), Erzbischof von Köln ab 1056, war in Wirklichkeit eine kontroverse Figur. Seine Klostergründungen – vor allem Siegburg, wo sein Grab noch zu sehen ist – führten zu einer frommen Tradition der Anno-Verehrung sowie zu seiner Heiligsprechung im Jahre 1183. Doch führte seine drakonische Ausübung weltlicher Macht 1074 zu einem Bürgeraufstand in Köln. Vgl. dazu auch Busch, Sankt Anno (wie oben). 27 populus exulum] Das zum Königreich Polen gehörende, aber weitgehend autonome Danzig diente nach dem Prager Frieden von 1635 zahlreichen protestantischen Glaubensflüchtlingen – darunter Opitz selbst – als Zufluchtsort. 30 constantiam in utraque fortuna] Czirenberg wird hier mit Attributen des neostoischen Weisen ausgestattet. 36 Regisque] Władysław IV. (1595–1648), König von Polen. Opitz erhielt 1636 das Amt eines königlichen Hofhistoriographen und pries den König in mehreren Schriften; vgl. den Kommentar zu Felicitati Augustae (LW 3, S. 549). [Vorwort – SI prioribus libris] 1 Livius] Titus Livius (59 v. Chr. – 17 n. Chr.); römischer Geschichtsschreiber. Hier bezieht sich Opitz auf Ab urbe condita 6,1,1, den Eingangssatz des zweiten großen Teils des Werkes. Die fünf Bücher des ersten Teils behandeln die früheste Geschichte Roms. 8 Celtarum nomine] Im Kommentar zu Annolied 1,3 bespricht Opitz die Etymologie von „Kelt“. Die Philologie der Frühen Neuzeit besaß keine fundierten Kenntnisse der keltischen Sprachen, aber Konjekturen waren sehr beliebt. 8 perpetua serie] Es geht hier um die adamische Sprachtheorie, wonach die Reinheit einer Sprache von der bruchlos kontinuierlichen Überlieferung seit den Anfängen abhängt.
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Dazu äußerte sich Opitz schon im Aristarchus (LW 1, S. 64 f.), vgl. Hellgardt (wie oben), S. 65 und 76. Dementsprechend ist er im Folgenden bemüht, deutsche Lexeme möglichst auf germanische Etyma zurückzuführen und abenteuerliche Etymologien in Zweifel zu ziehen. Oft legt er sich nicht fest, wenn konkurrierende Theorien im Umlauf sind, aber tendenziell zieht er – wenn germanische Wurzeln fehlen – keltischen oder slawischen Einflüssen griechische vor. Ein griechischer Wortursprung widerspricht zwar genauso der Reinheit des Deutschen, dies wird jedoch durch das Prestige der Antike kompensiert; s. Dunphy, Anno, S. 159. Opitz warnt aber auch vor zu phantasiereichem Etymologisieren und empfiehlt, sich im Zweifelsfall mit Urteilen zurückzuhalten. Im Vorwort bespricht er Beispiele, die mit dem Annolied-Text keine Verbindung haben, um dann im Kommentar die Methode auf die dort vorkommendenVokabeln anzuwenden. 10 amissa esse] esse statt des Druckfehlers essa 13 Thracicas] Nach heutigen Erkenntnissen war die alte thrakische Sprache paläo-balkanisch und deshalb mit dem heutigen Albanischen am nächsten verwandt, aber die Annahme, sie sei keltisch, war bei den Humanisten weit verbreitet. Opitz hatte dieses Thema bereits bei den Vorbereitungen zu seiner Dacia antiqua erforscht, und vieles, was er im Annolied-Kommentar über die Balkanhalbinsel berichtet, geht wohl auf dieses Projekt zurück. 15 Pollux] Julius Pollux (2. Jh. n. Chr.), griechischer Sophist und Lexikograph, Autor des Onomasticon. 15 Suidas] Übliche Bezeichnung bei den Humanisten für den anonymen Autor der Suda, eines griechischen Lexikons des 10. Jh. 16 Etymologus] Vermutlich der Autor des Etymologicum magnum, eines Lexikons des 12. Jh., basierend auf einem heute als Etymologicum genuinum bekannten Werk des 9. oder 10. Jh. 16 Hesychius] Hesychios von Alexandria (vielleicht 5. Jh. n. Chr.), Lexikograph der griechischen Dialekte. Opitz argumentiert mehrfach mit Bezug auf Hesychios, z. B. im Kommentar zu Annolied 41,9. 18 Herodot.] Herodot von Halikarnassos (5. Jh. v. Chr.), griechischer Geschichtsschreiber und Geograph. 19 Iuba] Juba II. (25 v. Chr. – 23 n. Chr.), König von Mauretanien. Er verfaßte fragmentarisch überlieferte Werke zu verschiedenen Themen. 27 Athenae.] Athenaios Naukratios (um 200 n. Chr.), Autor der Deipnosophistai, Tischgespräche über altgriechische Sitten und Gebräuche. 32 Iornandem] Eine bekannte Variante von Jordanes (gest. 552), dem Autor von De origine actibusque Getarum, einer Geschichte der Goten. 32 Fratrum Puteanorum] Die Brüder Pierre (1582–1651) und Jacques Dupuy (1591–1656), die die Handschriftensammlung ihres Vaters, des französischen Humanisten Claude Dupuy (1545–1594), geerbt hatten. Opitz war während seines Parisaufenthaltes mit den Brüdern zusammengetroffen, vgl. seinen Brief an Lingelsheim vom 2. Mai 1630 (Conermann/Bollbuck, S. 796): Et jam ante horam apud Puteanos fratres fuimus, qui comiter admodum
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bibliothecae Thuani fores usumque mihi aperuere. Vgl. zur Stelle den ausführlichen Kommentar ebd., S. 799. 35 Thracibus et ipsis] Seit Jordanes, bei dem schon im Titel seines Werkes die Verwechslung deutlich wird, galt das antike Getisch (eigentlich eine paläo-balkanische Sprache) als Gotisch. Opitz ist seinen Zeitgenossen voraus, indem er diese Identifikation verwirft. Vgl. dazu auch die Ausführungen von Karl Kurt Klein: Das ‚Rätsel der siebenbürgischen Sprachgeschichte‘, in: ders.: Transsylvanica. Gesammelte Abhandlungen und Aufsätze zur Sprach- und Siedlungsforschung der Deutschen in Siebenbürgen. München 1963, S. 90–139, hier S. 124–126. Als Beispiele dafür zitiert Klein, S. 125, aus einem Brief Opitzens aus dem Jahre 1624 an August Buchner sowie aus dem Variarum lectionum liber, s. dazu u. a. LW 2, S. 504. 35 Apuleium] Apuleius Celsus oder Ps.-Apuleius (5. Jh.), Arzt und Autor von De herbarum medicaminibus. 36 Galeno] Claudius Galenus (ca. 131–200), griechischer Anatom. 36 Scholia Dioscoridis] Pedanios Dioskurides (1. Jh n. Chr), Pharmakologe und Autor von De materia medica. 42 Reineccius] Reiner Reinecke (1541–1595), humanistischer Gelehrter, Professor an verschiedenen Universitäten und durch historische Schriften zu mehreren (ost)deutschen Territorien hervorgetreten; vgl. ADB 28, S. 17–19. 46 Phil. Cluverius] Philipp Clüver (1580–1622), humanistischer Gelehrter aus Danzig, später in Leiden tätig. Opitz benutzte seine Italia antiqua (Amsterdam 1603) und seine Germaniae antiquae libri tres (Leiden 1616). In Robert Königsmanns Ausgabe von Clüvers Germaniae antiquae libri tres nahm Opitz 1630 einen Widmungseintrag vor; s. dazu LW 2, S. 413. 46 Brega] Brieg (Schlesien). Opitz stand von 1633 bis ca. 1636 im Dienst von Herzog Johann Christian von Brieg. 47 à Sacis] Die Saken waren eine antike skythische Bevölkerungsgruppe Mittelasiens. 51 Nomen cum violis rosisque natum] Martial, Epigramme 9,11,1. 53 à Silesia] Schlesien genießt im Vorwort nur eine bescheidene Erwähnung, aber Opitzens Lokalpatriotismus (vgl. Dunphy, Anno, S. 19) kommt im eigentlichen Annolied-Kommentar mehrmals zum Ausdruck durch die Anführung von schlesischen Wortformen, etwa bei Annolied 21,14: Ego ab accolis loci veriora habeo; nempe in confinio Silesiae meae …, oder zu Annolied 17,5, wo er ein Minneliedfragment Heinrichs des Erlauchten irrtümlicherweise für das Werk Heinrichs von Breslau hält und begeistert darüber diskutiert, ob davon noch mehr zu finden sei. 63 longinqua aevi vetustas] Vielleicht Anspielung auf Vergil, Aeneis 3,415: Tantum aevi longinqua valet mutare vetustas. 66 Ioannes Seldenus] John Selden (1584–1654), englischer Gelehrter und Autor eines Katalogs der Arundel Marbles, einer Sammlung antiker Statuen im Besitz von Thomas Howard, 21. Earl of Arundel: Marmora Arundelliana, sive saxa Graece incisa ex venerandis priscae
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Orientis gloriae ruderibus, auspiciis et impensis … Thomae Comitis Arundelliae … pridem vindicata et in aedibus eius hortisque cognominibus, ad Thamesis ripam, disposita. Accedunt inscriptiones aliquot veteris Latii, ex locupletissimo eiusdem vetustatis thesauro selectae, auctariolum item aliunde sumtum. Publicavit et commentariolos adiecit Ioannes Seldenus. London 1628. 67 Diodoro] Diodorus Siculus (aktiv 60–30 v. Chr.), griechischer Geschichtsschreiber aus Sizilien. 67 Strabone] Strabon (ca. 64 v. Chr – nach 24 n. Chr), griechischer Geograph. 67 Mela] Pomponius Mela (1. Jh n. Chr), römischer Geograph. 67 Ammiano] Ammianus Marcellinus (ca. 330–395 n. Chr.), römischer Geschichtsschreiber. 69 C. AElius] Lucius Aelius Stilo (ca. 152–74 v. Chr), römischer Grammatiker. Das falsche Praenomen beruht wohl auf einer Verwechslung mit dem römischen Juristen C. Aelius Gallus. 69 in exponendis Saliorum carminibus] Beim Carmen Saliare handelt es sich um ein fragmentarisch überliefertes lateinisches Kultlied, welches die altrömische „Salische“ Priesterschaft an Festtagen zu Ehren von Mars und Quirinus vortrug. Die archaische Sprache war den Saliern selbst schwer verständlich, so daß schon im ersten Jahrhundert v. Chr. Aelius Stilo eine heute verschollene kommentierte Ausgabe publizierte. 72 Isidori] Isidor von Sevilla (ca. 560–636), Kirchenvater an der Grenze zwischen Spätantike und Mittelalter, Autor der von Opitz mehrfach zitierten Etymologiarum sive originum libri XX. 73 Honorius Augustodunensis] In Regensburg ansässiger Theologe und Geschichtsschreiber, gestorben um 1151. Zu seinen wichtigsten Werken gehören die Imago mundi, eine enzyklopädische und kosmographische Weltchronik, sowie das Elucidarium, ein Handbuch christlicher Glaubenssätze. Opitz bezieht sich hier auf sein De luminaribus ecclesiae, eine Bibliographie der Kirchenväter; s. auch NDB 9, S. 601 f. 73 Pithoeus] Pierre Pithou (1539–1596), französischer Jurist und Philologe; vgl. Handbuch Gelehrtenkultur, S. 518–520. In mehreren postumen Ausgaben erschien Isidori Glossarium et excerpta Petri Pithoei. 74 Photii] Photios I. der Große (ca. 820–891), Patriarch von Konstantinopel, Autor oder Auftraggeber der Bibliotheke, einer sehr wichtigen Sammlung von Zusammenfassungen heute meist verschollener byzantinischer Geschichtswerke. 74 Zonarae] Ioannes Zonaras (12. Jh.), byzantinischer Chronist, dem ein zeitgenössisches griechisches Lexikon fälschlicherweise zugeschrieben wurde. 75 Ansileubi] Ansileubus (8. Jh.), westgotischer Bischof, dem fälschlicherweise ein lateinisches Glossar zugeschrieben wurde. Der Liber glossarum ist zwischen 650 und 750 in Spanien entstanden. 76 f. bibliothecae Moysaciensis] Bibliothek der Benediktinerabtei in Moissac (Dép. Tarne-etGaronne). Das von Opitz erwähnte Manuskript ist wahrscheinlich verschollen.
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77 f. multa Gothorum … Vocabula] Die gotische Sprache wurde anhand von Ulfilas’ Bibelübersetzung (4. Jh.), die in einer Abschrift des Codex Argenteus (um 500) überliefert ist, langsam erschlossen. Zur Zeit des Humanismus galten die skandinavischen Sprachen noch als Gotisch. Anders als beim Getischen (siehe oben) stellt Opitz dies nicht in Frage, vgl. Dunphy, Anno, S. 159. 78 Phil. Iac. Maussacus] Philippe Jacques de Maussac (ca. 1590–1650), französischer Gelehrter, politisch aktiv in Toulouse und Montpellier. Opitz bezieht sich hier wohl auf Harpocrationis Dictionarium in decem rhetores. Phil. Iacobus Maussacus supplevit et emendavit. Paris 1614. 79 Harpocrationis] Valerius Harpocration (2. Jh. n. Chr.), griechischer Grammatiker in Alexandria. 80 Pontani] Jacobus Pontanus (1542–1626), eigentlich Jakob Spanmüller, Jesuit und Gründer des Salvator-Kollegs in Augsburg; vgl. Killy, 2. Aufl., Bd. 9, S. 298–300. Opitz benutzt seine Originum Franciarum libri VI (Harderwijk 1616). 83 à Bonav. Vulcanio] Bonaventura Vulcanius (1538–1614), eigentlich de Smet, niederländischer Humanist. Er hat als erster gotischsprachige Texte herausgegeben. Sein De literis et lingua Getarum sive Gothorum (Leiden 1597) bietet auch eine Textprobe aus dem Annolied, die von einer zweiten verschollenen Handschrift zeugt. Opitz bespricht dies in seinem Kommentar zu Annolied 1,1; vgl. auch Dunphy, Anno, S. 11. 84–87 monimenta et inscriptiones … vidisse memini] Hellgardt (wie oben), S. 69, vermutet, daß Opitz in beiden Fällen an Runeninschriften denkt. 85 Olaus Wormius] Ole Worm (1588–1654), dänischer Arzt und Altertumswissenschaftler, vgl. Handbuch Gelehrtenkultur, S. 711 f. Opitz kennt seine Fasti Danici (Kopenhagen 1626), wie er im Kommentar zu Annolied 9,12 spezifiziert. Am Beispiel von Worm wird exemplarisch sichtbar, daß Opitz sich mit aktuellen Studien und Quelleneditionen zu den frühen Stufen der germanischen Sprachen beschäftigte. 86 Albae Iuliae] Opitz war 1622 als Lehrer am Akademischen Gymnasium in Alba Iulia (Weißenburg/Karlsburg) in Siebenbürgen tätig. In dieser Zeit beschäftigte er sich auch mit dortigen Inschriften und sammelte sie für seine Editionsprojekte. Zu Opitzens Aufenthalt in Siebenbürgen s. die Ausführungen in LW 1 und LW 2, passim, so LW 2, S. 500 f., zu seinen Inschriftensammlungen vgl. den Kommentar zu Variae lectiones (1637) in LW 3, S. 542 f. 91 Goldastus] Melchior Goldast (1578–1635), Jurist und Gelehrter; zu ihm s. Killy, 2. Aufl., Bd. 4, S. 307–309; Anne A. Baade: Melchior Goldast von Haiminsfeld, collector, commentator and editor. Berlin u. a. 1992 (= Studies in Old Germanic languages and literatures 2). Er gab eine Reihe von alt- und mittelhochdeutschen Texten mit lateinischen Kommentaren heraus, von denen Opitz ausgiebig Gebrauch gemacht hat. Auch die Methode des Kommentierens hat Opitz von Goldast übernommen; vgl. dazu ausführlich Dunphy, Goldast und Opitz (wie oben). Opitz spielt hier auf Goldasts Paraeneticorum veterum Pars I (Lindau 1604) an, eine Ausgabe der mittelhochdeutschen Tirol- und Winsbecke-Lehrgedichte. Außerdem benutzt Opitz Goldasts Alamannicarum rerum scriptores aliquot vetusti
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(Frankfurt 1606). Ein Brief von Goldast an Opitz ist überliefert (Conermann/Bollbuck, S. 914–921; hier auch viele wertvolle Hinweise zu Goldast). Bereits in seinem Aristarchus (1617) hatte sich Opitz auf Goldasts Paraenetica bezogen; s. dazu LW 1, S. 76 und S. 332. Zur Goldast-Rezeption bei Opitz vgl. auch Hellgardt (wie oben), S. 68: „Die ‚Prolegomena‘ zum Annolied geben verkürzt einen Gedankengang aus Goldasts Widmungsepistel zu seinen ‚Paraenetica‘ wieder.“ 93 Willeramus Episcopus Mersburgensis] Abt Williram von Ebersberg (gest. 1085), der in der frühneuzeitlichen Literatur öfters fälschlicherweise mit Merseburg in Verbindung gebracht wurde, verfaßte eine dreispaltige Darstellung des alttestamentlichen Hohenliedes, wobei der zentrierte Vulgatatext von einer zweifachen kommentierenden Paraphrase links in deutscher Prosa und rechts in lateinischen Hexametern im Stil eines opus geminum flankiert wird. 94 Mercula] Versehentlich für Merula. Es handelt sich um die Williram-Ausgabe des niederländischen Geschichtsprofessors Paul Merula (1558–1607): Willerami Abbatis in Cantica Canticorum Paraphrases Gemina (Leiden 1598). Der Schreibfehler ergibt sich eventuell aus einer Verwechslung mit Georg Mercula, der 1482 eine Sammlung der Scriptores rei rusticae (Cato, Varro, Columella und Palladius) herausgab; aber im Kommentar zu Annolied 1,5 sowie 8,3 gibt Opitz die korrekte Form des Namens an. Merulas Ausgabe basiert auf der Leidener Handschrift von Williram, einer um 1100 angefertigten altniederländischen Bearbeitung, doch Opitz kennt auch dank Flandrin die sehr gute Breslauer Handschrift des Urtextes und kann einen Textvergleich versuchen, wie etwa im Kommentar zu Annolied 43,13. Im Kommentar zu Annolied 1,5 gibt er Willirams lateinisches Vorwort, das bei Merula fehlt, nach dem Breslauer Text vollständig wieder. 102–104 à Spelmannis … expectantes] Vgl. zu diesen Erwartungen auch den Brief an Ludwig von Anhalt vom 7. August 1639 (Conermann/Bollbuck, S. 1597): „Jn Holland vndt Britannien sindt etzliche gelehrte leute, von denen ich die hoffnung geschöpfft, daß sie noch ältere vndt mehr wichtige bücher ehist an das tageliecht bringen werden.“ 102 à Spelmannis] Henry Spelman (1562–1641), Londoner Altertumsforscher. Opitz benützt mehrfach dessen Archaeologus (London 1626). 102 Laetiis] Johann de Laet (1581–1649), niederländischer Philologe und Geschichtsschreiber. 102 Elichmannis] Johann Elichmann (ca. 1600–1639), schlesischer Mediziner und Orientalist, ansässig in Leiden, erarbeitete u. a. eine dreisprachige, postum von Claude Saumaise herausgebrachte Edition der Tabula Cebetis und der Aurea carmina Pythagorae (Leiden 1640). Opitz informierte Elichmann im einzigen erhaltenen Brief aus beider Korrespondenz Mitte 1639 über die soeben abgeschlossene Ausgabe des Annoliedes (Conermann/Bollbuck, S. 1594–1596). Zu Elichmann s. ebd., S. 1595 („Elichmann gilt als einer der ersten, die von einer gemeinsamen Wurzel des Persischen und des Deutschen und von deren Verwandtschaft mit dem Griechischen ausgingen.“) und NDB 4, S. 440. [G.D.]
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Quod Lygiae Princeps Glückwunschgedicht für Nikolaus Henel Dünnhaupt, Nr. 189; – P ROSPHONEMATA , | QVIBUS | N ICOLAO | H ENELIO JC.to | H ONORATUM S YNDICI M UNUS | IN MAXIMA SILESIAE , | BONO CUM DEO, | SUSCEPTUM , | cum Laeticia ac Lubentia | Gratulabantur. | AMICI ET CULTORES. | Vratislaviae, | Typis G EORG I B AUMANNI . | M DC XXXIX. (UB Breslau: 355148), fol. A4r–v. Unsere Wiedergabe folgt, wie auch Conermann/Bollbuck, S. 1572 f., diesem Druck. Nikolaus Henel wurde 1582 geboren und starb 1656. Bereits im Jahre 1628 hatte Opitz ein Epicedium auf dessen früh verstorbene Tochter Rosina verfaßt; s. dazu D U lce decus matris (LW 2, S. 86–88 sowie S. 362–364; dort auch weitere Einzelheiten zur Vita Henels und Literaturangaben, dazu jetzt noch Killy, 2. Aufl., Bd. 5, S. 260 f.). Henel, der 1610 in Orléans zum Doktor beider Rechte promoviert worden war, hatte sich 1613 als Advokat in Breslau niedergelassen, 1618 wurde er Prokanzler des Herzogtums Münsterberg und des Weichbildes Frankenstein. Am 14. Juni 1631 erhielt er von Kaiser Ferdinand II. und am 24. Juni 1639 von Herzog Georg Rudolf von Liegnitz-Wohlau den Titel eines Rats (zur weiteren Ämterlaufbahn vgl. unten den Kommentar zu V. 1). Aufgrund der Kriegszerstörungen war Henel gezwungen, um 1632 nach Breslau überzusiedeln. Im Jahre 1639 wurde ihm vom Rat der Stadt Breslau das Amt des Syndicus übertragen, was den Anlaß für das hier abgedruckte Gedicht abgab. Nach Hermann Markgraf: Nikolaus Henel’s von Hennenfeld (1582–1656) Leben und Schriften, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 25 (1891), S. 1–41 (im Folgenden: „Markgraf“), hier S. 17, war diese Stellung, die nach dem Tod von Reinhard Rosa freigeworden war, „Henel von allen die erwünschteste“. Nach Einführung des römischen Rechts in Deutschland „hatte der Rath von Breslau erst einen, dann zwei desselben kundige Juristen sich beigesellt; sie führten den Titel Syndicus, waren nicht Mitglieder des regierenden Rathes selbst, hatten aber Sitz und Stimme in allen Versammlungen und waren die Seelen der Geschäftsführung des ganzen Collegiums.“ Einem Brief Henels ist zu entnehmen, daß er sich schon fast zwanzig Jahre zuvor eifrig um dieses Amt beworben hatte, ihm damals aber Johann von Pein vorgezogen worden war. „Jetzt wurde er, zunächst auf sechs Jahre, zu dessen Collegen gewählt; am 19. Juni 1639 legt er den Syndicatseid ab“ (ebd.). Ein Brief Henels aus Breslau an Opitz vom 13. Juli 1639 weist große Parallelen zu dem auf, was Opitz selbst in seinem Glückwunschgedicht formuliert hat (Conermann/Bollbuck, S. 1570 f.). Hier schreibt Henel, nachdem er auf das Ableben Reinhard Rosas Bezug genommen hat: Ei dum in Syndicatvs munere, qvo in hac Silesiae maximâ, multis annis summâ laude functus fuit, succeßor … qveritur: ad me potißimum itum est, qvamvis eo iam aetatis provectum … Heic verò qvid agerem? Post DEI opt. max. voluntatem piis ante omnia suspiriis imploratam, amicorum indicia seriis consultationibus, qvà coram, qvà per litteras exqvisivi. Qvos inter cùm nemo non eßet, qvi non utraqve manu capeßendum svaderet, qvod mihi non sine numine JHOVAE, non ambienti, non opinanti oblatum eßet, post multam et ancipitem deliberationem, cum bono Domino, functionem tandem acceptavi. Qvod ut felix et faustum, tam mihi meisqve, qvàm laudatißimae Reipub. contingat, minime dubito, qvin cum reliqvo amicorum grege acclamaturus sis. Enimverò volebat me suum eße illustrißima domus Pia-
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stea … Weiter unten geht er auf die Verleihung des Ratstitels durch Herzog Georg Rudolf ein und bemerkt: Ita geminam habes caussam, cur mihi gratuleris … Bei dem vorliegenden Gedicht handelt es sich wohl um das zeitlich letzte, das Opitz überhaupt verfaßt hat. Nikolaus Henel selbst geht in einer langen Nachbemerkung zu Opitzens Glückwunsch auf diesen Umstand ein (fol. A4v–B1v; wiedergegeben auch bei Conermann/Bollbuck, S. 1573 f.): Atque haec sunt, quae gratulabundus ad me scripsit, insinuato mihi insuper patriae, serius ocius tamen rursum adeundae desiderio, vir summus ille, et in tantum laudandus, qvantum virtus et meliores litterae, cumprimisque Poësis Germana, in qvâ parem hactenus adeo habuit neminem, ut Phoenix vatum Teutonicorum meritissimo suo passim audierit, intelligi possunt; MARTINUS OPITIUS â Boberfeldâ … Gedani Borussorum a. d. XII . Augusti anni currentis, hoc est, octiduo ante, qvàm tristi ac populari morbo correptus, sic jubente supremo Dictatore, cujus minimo nutu orimur, morimur, fatalem illam horam excepit. Im Zuge seiner weiteren Ausführungen zitiert Henel auch Verse, die Opitz selbst an den Schluß eines Trauergedichts setzte: eodem ipsum dignabuntur officio pietatis, Qvae functos hac luce viros commendat, et illis Semper victuros in chartâ instaurat honores. Diese Verse stammen aus dem Epicedium, das Opitz für Adam von Bibran verfaßte (Silvae, S. 15–18, hier S. 18; vgl. LW 2, S. 150): Hoc tamen officium nostrae pietatis amabo, / Quae functos hac luce viros commendat, et illis / Semper victuros in charta instaurat honores. Henel schließt (fol. B1v): Enim verò praestantissimi hominis honori ac meritis plura et meliora, non infiteor, debebam: verúm hac occasione id saltim, qvod potui, meritò et libens dedi: exiguam sanè magni amoris monumentum: sed professione pietatis erga defunctum, aeqvis lectoribus si non penitùs approbandum, tamen, ut spero, excusandum. Nach Markgraf, S. 17, Anm. 2, geht im übrigen aus diesem Zusatz hervor, daß die Sammlung der Glückwunschgedichte auf Henel von diesem selbst herausgegeben wurde, dafür spreche auch die Bezeichnung Breslaus als Maxima Silesiae auf dem Titelblatt. Der Zeitpunkt der Abfassung von Opitzens Glückwunsch ergibt sich auch aus einem anderen Text dieses Drucks: Andreas Tscherning geht in seinem Gedicht, das mit einer Anrede Henels und dessen Bezeichnung als Ingens … lux decusque Musarum beginnt, auch auf den Tod Opitzens ein, indem er wenige Zeilen später fortfährt (fol. D4v): Haec [magnitudo nominis tui; V.M.] me reducit ad sacrarium Phoebi / Prius relictum, Pegasique torrentem, / Ut post OPITI cantionem olorinam / Et optionis docta vota COLERI, / Ac caeterorum gratulantium voces, / Ineruditum serus accinam carmen. In einer Randbemerkung zu Ut post OPITI cantionem olorinam führt er aus: Postremum ejus, ut puto, carmen qvatriduo ante fatalem morbum XII Augusti scriptum. Opitzens Text steht an fünfter Stelle unter den rund dreißig Beiträgen. Zu den Verfassern der durchweg lateinischen Glückwunschgedichte gehören neben Johann, dem Vater Christian Hoffmann von Hoffmannswaldaus, weitere ranghohe Persönlichkeiten wie Gottfried Baudiß von Güldenhuben, Rat und Kanzler des Herzogs von Liegnitz, oder Christoph Hain von Löwenthal, Lib.-Baron. Trachenb. Cancell. Auf Opitzens Beitrag und die Nachbemerkung Henels folgen die Glückwünsche von Elias Major, Johann Heermann und anderen Vertretern des gebildeten Bürgertums (darunter auch Christoph Coler, Andreas Senftleben, Matthias Machner, Wolfgang Styrius, Andreas Tscherning), zum Schluß gratulieren der Sohn Henels, Christian Friedrich, und der Sohn Johann Heer-
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manns. Dem Glückwunschdruck angehängt ist (fol. E3r–E4r) eine Appendix Aliqvot Epigrammatum jamdudum aetatem ab amicis honoratissimis, qvorum primus jam ante sexennium paenè, diem suum beatè obiit, exhibitorum (der erste Gedichtbeitrag stammt von Caspar Cunrad). Im Gegensatz zu den meisten anderen Textbeiträgen nimmt Opitzens Gedicht nicht nur Bezug auf den Anlaß, der auf dem Titelblatt des Druckes angegeben ist, sondern auch auf die etwa zeitgleiche Ernennung Henels zum Rat des Herzogs von Liegnitz. Beide Vorgänge werden in den ersten sechs Versen zur Sprache gebracht, der protokollarisch gewichtigere in den beiden Anfangsversen, die Ernennung zum Breslauer Syndicus in V. 3 f., doch wichtig ist vor allem auch, daß beide Auszeichnungen von jeder an ihr beteiligten Instanz wohl erwogen waren. Diese Ratschlüsse waren nicht zuletzt auf die Person Henels selbst gegründet, auf seine doctrina und Weisheit (V. 7 f.). Somit kann sich Henel zwar den ihm auferlegten Verpflichtungen nicht entziehen (V. 9–14), doch dabei, so der aufmunternde Zuruf an den Freund in den chiastisch gebauten Schlußversen (V. 15 f.), sich der gütigen Vorsehung Gottes anvertrauen. – Versmaß: elegische Distichen. à S!enatu" P!opulo" Q!ue" Wratislaviensi] Hier wie auch bei curia (V. 3) Verwendung von Begriffen, die sich auf die Regierungsgeschäfte im antiken Rom beziehen. 1 Lygiae Princeps gentis] Gemeint ist damit Herzog Georg Rudolf von Liegnitz. Nach Markgraf, S. 16 f., hatte schon 1630 dessen Bruder, Herzog Johann Christian von Brieg, mit Henel über eine Ratsstelle in seiner fürstlichen Regierung verhandelt, dieser wollte aber sein Amt in Münsterberg-Frankenstein nicht aufgeben, wofür ihn der Kaiser mit dem Ratstitel belohnte. Bereits im Jahre 1637 hatte Georg Rudolf versucht, Henel in seine Dienste zu ziehen, auch von seiten Johann Christians waren weitere Bemühungen erfolgt. Als Breslauer Syndicus behielt Henel wohl seine Frankensteiner Stellung bei, „die Ernennung zum fürstlich Liegnitzischen Rath am 24. Juni 1639 fügte seinen Titeln nur einen neuen zu, und endlich schloß die Reihe der äußeren Ehren das am 30. April 1642 verliehene Prädicat als Kaiserlicher Rath und die kurz darauf am 30. Mai 1642 erfolgte Erhebung in den erblichen Adelsstand mit dem Prädicat Henel von Hennenfeld“ (ebd., S. 17 f.). Schließlich erlangte Henel 1653 noch die Würde eines Pfalzgrafen. Auf die verschiedenen Ämter Henels geht auch sein und Opitzens Freund Johann Hoffmann von Hoffmannswaldau in seinem Glückwunschgedicht ein (fol. A1v). 3 f.] Enge oder sogar symbiotische Verbindung zwischen dem (nicht explizit genannten) Breslau und dem ebenfalls nicht explizit genannten Schlesien. 7 f.] Anspielung auf die gelehrten landeskundlichen Werke Henels, die seinen Ruhm begründet hatten, die Silesiographia und die Breslographia, beide 1613 erschienen. Geplante Neuauflagen konnte Henel selbst nicht mehr realisieren. Wie aus dem Briefwechsel Henels mit Opitz hervorgeht, hatte dieser Henel bei dessen unveröffentlicht gebliebener Silesia togata (z. B. durch Übersendung von Quellenmaterial) unterstützt; s. dazu Conermann/Bollbuck, S. 1310–1314, sowie S. 1330–1336. 8 Qvàm verè sapias] Vgl. die Bitte Salomos an Gott um die rechte Einsicht und Weisheit in bezug auf seine Regierungstätigkeit (I Reg 3,6–12).
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11 Nec senium accusa] Henel war zu diesem Zeitpunkt 57 Jahre alt und „kein Mann von kräftigem Körper; er war häufig krank, und sein Leben schwebte mehrmals in Gefahr“ (Markgraf, S. 18 f.). Das fortgeschrittene Alter Henels ist auch ein Thema in anderen Textbeiträgen. Zur Topik der Altersklage bei den Humanisten vgl. Christoph Lumme: Höllenfleisch und Heiligtum. Der menschliche Körper im Spiegel autobiographischer Texte des 16. Jahrhunderts. Frankfurt am Main u. a. 1996 (= Münchner Studien zur neueren und neuesten Geschichte 13). 13 f.] Die tradierte Allegorie von Staatsschiff und Steuermann verweist eher auf Henels Aufgaben in der Breslauer Stadtregierung (vgl. auch V. 11 Wratislavia) als auf seine Ehrenstellung am Liegnitzer Hof. [V.M.]
SU mmum esse luctum tuum – F E lix animi laetusque thori Trauergedicht auf den Tod der Gemahlin von Andrzej Leszczy´nski mit Prosavorrede Dünnhaupt, Nr. 8; – Martin Opitzen | Deutsche|Poëmata, | Auff‚ new übersehen vnd|ver mehret. | Dantzig/ | Gedruckt vnd Vorlegt durch Andream | Hünefeldt/ Buchhändler. | A NNO M. DC. XLI. (Yale University Library, Collection of German Baroque Literature, reel 52 No. 227), S. 721–725. Unsere Ausgabe folgt diesem Druck. Abschriften des Gedichtes in späteren Breslauer Handschriften (Rhed. 402, S. 811–813; Klose 175, S. 228v–229v) wurden eingesehen, gelten aber nicht als Überlieferungsträger. Nach Szyrocki, S. 127, hat Opitz 1639 ein Gedicht drucken lassen, „in welchem er den Tod Katharina Koreckas, der Frau Andreas Leszczy´nskis, betrauert“. Ein Einzeldruck konnte bislang freilich nicht nachgewiesen werden. Opitz hatte 1636 einen umfangreichen Panegyricus auf Rafał Leszczy´nski (1579–1636) verfaßt (s. den Kommentar dazu, LW 3, S. 499). Als drei Jahre später die Gattin von dessen Sohn Andrzej nach der Geburt ihres zweiten Kindes verstarb, schrieb er ein 82 Verse langes Trauergedicht, dem er eine Widmung in Prosa voranstellte. Beide Texte gehen in konventioneller Form auf den Todesfall und den Verlust, den der Witwer erlitten hat, ein. Die Prosavorrede hält sich streng an das Abfolgeschema von laudatio (Lob der Verstorbenen), lamentatio (Klage) und consolatio (Trost), während das Gedicht, auch sonst die Vorrede variierend, in der Kombination von Lob- und Klageelementen freier verfährt. Der Frauenpreis folgt in verkürzter Form dem topischen Modell, das auch in Opitzens großen panegyrischen Schriften auf weibliche Adlige begegnet. Über den locus a genere rühmt der Autor die Familie der Toten, die väterlicherseits den höchsten Kreisen des polnisch-litauischen Adels angehört, mütterlicherseits einen Herrscher des Fürstentums Moldau in ihren Reihen hat. Wenige Wochen vor seinem Tod zeigt sich Opitz, der den Titel eines Historiographen des polnischen Königs trug, als Panegyriker der polnischen Adelsrepublik, mit deren ruhmvoller Geschichte er sich explizit (Polonia nostra) identifiziert.
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[Prosavorrede] CATHARINAE] Zur Namensfrage vgl. die folgende Anmerkung. Solange kein Erstdruck der Trauerschrift nachzuweisen ist, muß der Vorname der Verstorbenen ungewiß bleiben. SAMUELIS KORECII] Der Vater der Toten, Samuel Korecki (ca. 1586–1622), war als Offizier im russisch-polnischen Krieg 1611 erfolgreich, wurde allerdings während des Krieges gegen die Türken in der Schlacht bei Cecora (September 1620) mit anderen polnischen Magnaten gefangen genommen und 1622 in Konstantinopel getötet; vgl. auch V. 57 ff. des nachfolgenden Gedichts. Vgl. Polski Słownik Biograficzny 14 (1968/69), S. 60–62. In diesem Artikel wird angegeben, daß Koreckis Tochter Anna mit Andrzej Leszczy´nski verheiratet gewesen sei; eine Katharina wird bei Völkl (s. u.), S. 76, als Mutter der Verstorbenen genannt. ANDREAE, COMITIS LESCINII, Palatinidae Belsensis, etc.] Zur Familie der Leszczy´nski vgl. den ausführlichen Kommentar zur Lobrede auf Rafał Leszczy´nski (1579–1636), den Vater des Witwers. Andrzej (1606–1651), der den Titel eines Grafen von Leszno (Lissa) und Palatin von Bels trug, war Diplomat, Poet und wie sein Vater ein führender Repräsentant der polnischen Calvinisten. Er stand in Kontakt mit Vertretern des zentraleuropäischen Späthumanismus, neben Opitz beispielsweise mit Balthasar Venator. Nach Studien an den Gymnasien von Elbing und Thorn sowie dem Besuch der Universitäten in Frankfurt/Oder und Leipzig verbrachte er einige Jahre (1626–1630) in Basel und verteidigte dort 1628 sine praeside eine Dissertation mit dem Titel Ad fusiorem arcanorum tam aristocraticorum quam democraticorum indagationem manuductio. Er hielt sich auch in Genf, Orléans und Paris auf, wo er u. a. mit Hugo Grotius zusammentraf. 1641 wurde er Woiwode von Dorpat. Vgl. Polski Słownik Biograficzny 17/1 (1972), S. 103 f. EPICEDIA] Der Plural bezieht sich auf die lateinisch-deutsche Doppelfassung des der Prosavorrede folgenden Gedichts. 4 f. Koributum … Lithvaniae Duces … Jagellonis Regis] Korybut, litauisch Kaributas (nach 1350 – nach 1404), war ein Sohn des litauischen Großfürsten Algirdas und ein Bruder des ersten Königs aus dem 1386–1572 in Polen-Litauen regierenden Haus der Jagellonen, Władysławs II. Jagiełło (ca. 1362 – 1434). Die von Opitz hier entwickelte Geschichtskonstruktion ist ohne spezielle genealogische Recherchen nicht genau nachzuvollziehen. Von Korybut leiteten sich mehrere polnische Magnatenfamilien her. 8 Jeremias Mohila] Ieremia Movil˘a (1555–1606) enstammte einem einflußreichen moldawischen Geschlecht und herrschte von 1595 bis 1606 über das Fürstentum Moldau (vgl. im nachfolgenden Gedicht V. 54–56). Opitzens Berechnung seiner Herrschaftszeit auf vierzehn Jahre ist demnach nicht ganz präzise. Vgl. Polski Słownik Biograficzny 21 (1976), S. 564–568; Ekkehard Völkl: Das rumänische Fürstentum Moldau und die Ostslaven im 15. bis 17. Jahrhundert. Wiesbaden 1975 (= Veröffentlichungen des OsteuropaInstitutes München, Reihe Geschichte, Bd. 42), passim. Movil˘a vertrat eine polen- und katholizismusfreundliche Politik und verheiratete seine vier Töchter mit bedeutenden polnischen Magnaten (ebd., S. 76).
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8 f. principatum Moldaviae (quam Polonia nostra Walachiam citra mentem aliorum vocat)] Tatsächlich waren Moldau und Walachei getrennte Fürstentümer. Zur Zeit von Ieremia Movil˘as Herrschaft über die Moldau regierte sein Bruder Simeon in der Walachei (vgl. ebd., S. 75). Demgegenüber ist das antikisierende Dacia (V. 55 des nachfolgenden Gedichts) eine weniger genaue, gleichwohl im konkreten Fall nicht unpassende Bezeichnung. 12–15 mores pudicissimos, formam emendatissimam … pietatem … obsequia … concordia] Die Aufzählung ist typisch für das Tugendlob einer sehr jungen Frau, die sich noch nicht durch spezifische Leistungen wie (erfolgreiche) Erziehung der Kinder oder Armenfürsorge auszeichnen konnte. Bildung oder musische Interessen der Verstorbenen schienen Opitz ebenfalls nicht erwähnenswert zu sein. [Epicedium] Entgegen den Gepflogenheiten dieser Ausgabe wurde bei der Textkonstitution behutsam in die Interpunktion eingegriffen: In V. 36 hat der Druck kein Satzzeichen (der Punkt findet sich allerdings in den Abschriften), in V. 49 steht im Druck und in den Abschriften ein nicht passender Punkt. Zur Übersetzung beider Texte, der Vorrede und des Gedichtes also, ist zu bemerken, dass wir die Präferenzen der Bearbeiter hinsichtlich der Wiedergabe des lateinischen tu (mit ‚du‘ oder ‚ihr‘) nebeneinander bestehen ließen. Die Frage, ob tu von den Humanisten als standesnivellierend aufgefaßt wurde, ist nicht eindeutig zu beantworten. – Opitz gab dem Gedicht eine deutsche Fassung bei: ODE GERMANICA. Ex Anapaestis Latinis expressa liberius (Deutsche Poemata, 1641, S. 725–727). – Versmaß: anapästische Dimeter. ANAPAESTI] Es handelt sich um anapästische Dimeter wie bei Opitzens Gedicht zum Beginn des Jahres 1621 (LW 2, S. 142–145), und ebenso wie in jenem Text sind vereinzelt – V. 15, 36, 75, 82 – anapästische Monometer (Halbverse) zur Gliederung eingesetzt. Diese Aufteilung entspricht allerdings nicht der Binnengliederung der o.g. deutschen Version, die aus 13 Strophen mit je sechs vierhebigen Trochäen besteht. 1 F E lix animi laetusque thori] Eine ähnliche Wortverbindung findet sich in einem von Opitzens Gedichten auf Gábor Bethlen, wo es freilich um die Möglichkeit einer neuen Heirat geht (LW 2, S. 166, V. 54–58). 5 f. invidiae … Fueras dignus] Die nicht nur negativen Konnotationen des Neides wurden in einer Zeit ausgeprägten ordo-Denkens intensiv diskutiert. Opitzens Lehrer Dornau hatte, wie andere Zeitgenossen auch, ein Invidiae encomium (Görlitz 1614) verfaßt, vgl. dazu Seidel (1994), S. 360 f. 13–15 cor … parte direptum Meliore sui] Die Vorstellung vom ‚besseren Teil seines Selbst‘ ist antik und begegnet in unterschiedlichen Zusammenhängen, meist wird damit auf die unsterbliche Seite des Menschen Bezug genommen; vgl. Ovid, Metamorphosen 9,269 (von der Vergöttlichung des Hercules); ebd. 15,875 (vom Nachruhm des Dichters). Hier steht das Herz offenbar für die Einheit des Paares; nach dem Tod der Gattin ist es (und zugleich der Witwer) von seinem besseren Teil weggerissen.
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16–22] In einer für die humanistische Liebes- und Ehedichtung typischen Weise verschmelzen das Lob der Frömmigkeit und Häuslichkeit mit Hinweisen auf die erotische Anziehung der Frau, hier artikuliert mit an Catull und zeitgenössische Lyriker anklingenden Wendungen (sermones flexanimos; blanda suavia; [oculi] vitae astra tuae). 28 Unius horae sustulit umbra] Die barocke Vorstellung vom plötzlich hereinbrechenden Tod wird in den folgenden Versen 29–36 durch die zynische Aufforderung an die Jugend, sich den vergänglichen Freuden der Ehe hinzugeben, konterkariert. V. 29 f. erinnert an römische (wiederum Catull, z. B. carmen 61) und davon abgeleitete humanistische Hochzeitsgedichte. 38 f. Hae delitiae, vitaeque tuae Hoc praesidium, lux et columen] Zum Eheverständnis der Humanisten gehörten auch Aspekte des Freundschaftsbundes, wodurch sich der Anklang an die berühmte Passage aus Horazens Ode an Maecenas, carmen 1,1,2 (o et praesidium et dulce decus meum) erklärt. Ein Muster humanistischer Ehedichtung, das die hier erläuterten Aspekte umfassend realisiert, ist Micyllus’ Epicedium auf seine Gattin Gertrud, abgedruckt in: Humanistische Lyrik, S. 374–393, Kommentar S. 1171–1177; Wilhelm Kühlmann: Die verstorbene Gattin – die verstorbene Geliebte. Zum Bild der Frau in der elegischen Dichtung des deutschen Humanismus (Jacob Micyllus, Petrus Lotichius Secundus), in: Die Frau in der Renaissance, hrsg. von Paul Gerhard Schmidt. Wiesbaden 1994 (= Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 14), S. 21–54. 40 Partu felix, partu infelix] Aus der Vorrede wird der Zusammenhang deutlich: Nach einer früheren glücklich verlaufenen Geburt verstarb die Mutter nun kurz nach der Niederkunft wie auch ihr zweites Kind. 46 f.] Die vier Flüsse markieren die große Ausdehnung des polnisch-litauischen Reiches. In der deutschen Fassung des Gedichts kommen noch Pripjet und Styr hinzu. 47 Hypane] Mit Hypanus wird der Südliche Bug (im Gegensatz zum gleichnamigen Nebenfluß der Weichsel) bezeichnet, der in den Dnjepr-Bug-Liman, eine Bucht an der Küste des Schwarzen Meers, mündet. 48 Non his numeris mihi laudandus] Die antike Bezeichnung für den Dnjepr, Borysthenes, läßt sich wegen der Kürze der vorletzten Silbe nicht in einem anapästischen Versfuß unterbringen. 49 Hospitis … Ponti] Übersetzung aus dem Griechischen, wo das Schwarze Meer als ‚gastfreundliches‘ (P)« EΚ+ «) bezeichnet wird. 59 perdomito … Persa] Westliche Randgebiete des persischen Reiches standen zur Zeit der Safawidendynastie im 16. und 17. Jh. teilweise unter osmanischer Herrschaft. Opitz stellt die Türken hier übertreibend als besonders grimmige Feinde dar, da der Vater der Verstorbenen ihnen zum Opfer gefallen ist. 60 Scythiaque truci] Hier wohl Bezeichnung für die Krimtataren, die formell dem Osmanischen Reich unterstanden und immer wieder Einfälle auf polnisches Gebiet unternahmen. Zu den polnisch-türkischen Auseinandersetzungen am Beginn des 17. Jh., in denen auch die Einflußnahme auf das Fürstentum Moldau (s. o.) eine Rolle spielte, vgl. Gotthold
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Rhode: Polen-Litauen vom Ende der Verbindung mit Ungarn bis zum Ende der Vasas (1444–1669), in: Handbuch der europäischen Geschichte, hrsg. von Theodor Schieder. Bd. 3. Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, hrsg. von Josef Engel. Stuttgart 1971, S. 1006–1061, hier S. 1045 f. 63 Audet] Es wird nicht ganz klar, ob hier der Zeitpunkt des Todes von Samuel Korecki (1622) oder die Schreibergegenwart (1639) gemeint ist. Gewiß bestand gegen Ende der 1630er Jahre die Türkengefahr grundsätzlich fort, allerdings war durch einen Vertrag im Jahre 1634 das Verhältnis zum Osmanischen Reich einigermaßen stabilisiert; vgl. Rhode (wie oben), S. 1047. 64–68 Tellus … manus] Zur Illustration sei hier eine Strophe aus Opitzens deutscher Version vorgestellt (S. 727): „Erde muß vns sämptlich nähren; | Erde muß vns auch verzehren/ | Ein theil rührt sie nur nicht an/ | Das vom Himmel ist entsprossen; | Dieses steigt auch Himmel an/ | Wird von keiner Zeit vmbschlossen.“ 64 Tellus … daedala] Die Schöpferkraft der Erde wird im Prolog zu Lukrezens Lehrdichtung De rerum natura 1,7 programmatisch formuliert (daedala tellus). Zur Lukrez-Rezeption bei Opitz vgl. Kemper, Bd. 4/I, S. 170 f. [R.S.]
FE stivos Epigrammatum libellos Begleitgedicht zu den Gemmae poeticae von Erasmus Rothmaler Nicht bei Dünnhaupt. – ERASMI ROTHMALERI | FRANCOHVSA – SWARTZ -| BVRGICI | GEMMAE | POETICAE, | Seu potiùs | Epigrammatum | Joco-seriorum DELICIAE , | Cùm ad largam variarum rerum supellectilem compa-|randam, tùm vel maximè ad gratam animorum Vo-|luptatem conciliandam cuîvis Studiosorum | adapertissimae. [Distichon von Balthasar Voidius auf den Autor]. | DANTISCI , | Typis Rhetianis, A NNO M DC XL. (Danzig, Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften: Cf 9973), fol. A3v. Unsere Wiedergabe erfolgt, ebenso wie die bei Conermann/Bollbuck, S. 1937, nach diesem Druck. Erasmus Rothmaler wurde 1599 im thüringischen Frankenhausen geboren, wo sein gleichnamiger Vater Archidiakon war. Dieser trat nicht zuletzt als Verfasser von Predigten hervor; vgl. zu Erasmus Rothmaler d. Ä. und seiner Familie: Andreas Lesser: Friedrich Christian Lesser (1692–1754) und seine Vorfahren, insbesondere die Pfarrerfamilien Maior, Rothmaler und Sagittarius und die Familien Neefe und Stromer. München 1992 (= Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung 2), hier S. 134–138 (mit weiteren Literaturangaben), sowie Zedler, Bd. 32, Sp. 1215 f. (allerdings vermengt Zedler einige bibliographische Angaben zu den beiden Erasmi). Nach Pisanski, S. 268, war der jüngere Rothmaler seit 1628 Kantor in Rastenburg, seit 1629 Rektor in Riesenburg, 1636 Rektor in Heiligenbeil, ging 1639 als Prediger nach Neukirch und Schönhorst „im marienburgischen“, 1642 nach Gütland „im danziger Werder, wo er den 28. November 1662 gestorben ist“. Ferner erwähnt Pisanski, S. 458, Rothmaler namentlich unter den „aus-
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wärtigen Gelehrten, die in Preußen studiert haben“ (gemeint ist die Universität Königsberg). Den Angaben Pisanskis folgt Emil J. Guttzeit in: Altpreußische Biographie, Bd. 2, S. 573; vgl. auch Flood, Bd. 3, S. 1752 f., wonach Rothmaler seit 1621 in Wittenberg studiert hatte. Nach seinen 1640 veröffentlichten Gemmae poeticae erschienen 1651, ebenfalls in Danzig, nun bei Georg Rhetes Witwe, Rothmalers DELICIAE | POETICAE, | SIVE | Epigrammatum Libri Tres, | QVORVM | Primus continet Sacra, | Secundus Encomia | Tertius Miscellanea, eaque Joco-Seria. Demnach lassen sich die Ausführungen von Flood, Bd. 3, S. 1752, in bezug auf das Datum der Dichterkrönung Rothmalers insoweit präzisieren, als er bereits auf dem Titelblatt dieser Epigrammsammlung als P.L.C. bezeichnet wird. Hier findet sich im zweiten Teil, fol. D3v, folgendes Epigramm auf Opitz (ebenfalls abgedruckt bei Conermann/Bollbuck, S. 1938): De Martino Opitio, Poëtarum Teutonicae lingvae sui seculi Principe. Quod fuit Ausonios inter Maro carmine docto, Inter Teutonicos hoc fuit Opitius. Den DELICIAE POETICAE folgte (gedruckt ebd.) 1652 seine Epigrammatum | Joco-Seriorum | APPENDIX | Ad | Priores tres Epigrammatum | Libellos, superiori anno editos, pertinens. Wohl zu korrigieren ist die Eintragung im OPAC der BSB München, wonach für eine weitere, ebenfalls bei Georg Rhetes Witwe erschienene Epigrammsammlung Rothmalers (EPIGRAMMATUM | JOCO-SERIORUM | LIBELLUS SINGULARIS) das Druckdatum 1650 angesetzt wird, da die hier am Schluß des Druckes aufgeführten Epigramme sich auf einen Kometen beziehen, der Ende Dezember 1652 zu sehen war. Dieses Werk, vermutlich um 1653 erschienen, ließe sich deshalb eher als das späteste eigenständige Werk Rothmalers ansehen. Des weiteren war Rothmaler als Beiträger (bzw. Verfasser von Geleitgedichten) vertreten in einigen anderen Werken, so in den Sibenmahl Sibentzig Epigrammata Oder: Heilige Überschrifften auf den Egyptischen Ein- und Auszug der Kinder von Israel gerichtet (Danzig: Rhete 1648) von Michael Albinus (dazu van Stekelenburg, S. 307), in Heilige Lieb= und Lob=Lieder (Danzig: Rhete 1648) von Albinus (dazu van Stekelenburg, S. 308), in der von Samuel Gerlach 1650 herausgegebenen Sammlung der Gedichte von Sibylle Schwarz sowie in einigen Werken Johann Moellers, nicht zuletzt bei dessen in mehreren Auflagen erschienenem Sacer Numerus Sive Alvearium. Daraus läßt sich schließen, daß Rothmaler durchaus ein anerkanntes Mitglied der respublica litteraria von Danzig (und darüber hinaus) war und auf diese Weise wohl auch der Kontakt mit Opitz zustande gekommen sein könnte. Rothmalers Gemmae poeticae sind folgendermaßen gegliedert: Nach dem Titelblatt folgt eine auf Gedani Septimô Iduum Septembris, Anno à Nato Christo 1640 (fol. A3r) datierte Widmungsvorrede des Verfassers, die an zwei Honoratioren Danzigs, den Praeconsul und Vice-Praeses Nicolaus Pahle(n) und den Consul Adrian von der Linde, gerichtet ist. Daran schließen sich das Geleitgedicht Opitzens sowie mehrere Epigramme auf Rothmaler von Andreas Büthner an. Rothmalers Gemmae poeticae selbst stellen eine Sammlung von insgesamt 182 Epigrammen dar. Ungefähr die erste Hälfte des Werkes bilden Texte, die sich
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(streng hierarchisch nach dem jeweiligen sozialen Rang geordnet) an bedeutende Persönlichkeiten richten, während die zweite Hälfte eher Gedichte vermischten Inhalts aufweist. Bei diesen Gemmae handelt es sich, wie Rothmaler in seiner Widmungsvorrede (fol. A2v) erläutert, um à me olim in otio, quotiescunque à Scholasticis laboribus, per aliquot mihi annos incumbentibus, vacârit, congest[ae]. Die in der lateinischen Dichtung der Zeit nicht ungewöhnliche Bezeichnung Gemmae bezieht sich auf die Unvergänglichkeit und Kostbarkeit der Edelsteine. Den Abschluß der Gemmae poeticae bildet ein Alloquium ad Dn. Authorem, ebenfalls von Andreas Büthner. – Die nähere Analyse der bislang kaum beachteten, dabei nicht uninteressanten Epigrammsammlungen Rothmalers ist ein Desiderat der Forschung. Da Opitz am 20. August 1639 starb, ist der vorliegende Text, wie auch Conermann/ Bollbuck, S. 1938, vermuten, eines seiner spätesten Gedichte. Opitz könnte, wie dem Gedichttext selbst zu entnehmen ist (s. V. 6: Vt vidi, ut meritô suô probavi ), das Manuskript von Rothmalers Werk vorgelegen haben. Vor der Drucklegung wurden dann wohl die folgenden Epigramme (fol. C4r–v; abgedruckt auch bei Conermann/Bollbuck, S. 1936 f.) auf Opitzens Tod eingefügt, worauf die fortlaufende Bezifferung hindeutet. Zu beachten ist, daß Rothmaler in der Überschrift des ersten dieser Epigramme wörtlich auf die Unterschrift von Opitzens Geleitgedicht Bezug nimmt: XLIX . Ad Claris. Virum, Dn. Martinum Opitium. à Boberferda [sic] Historiographum Regium et Consiliarium Ducalem Ligio-Bregensem.
I N T e quaesivit Pallas Germania [falsch statt: Germana] sepulchrum; Quae simul exoptat Te moriente mori. L. De Eodem.
P E gaseus venam auriferam fons perdidit olim, Quae nunc Opitij culta per ora redit. LI . De Eodem.
T V rbatum Latium! turbata est Graecia viso, Musas collectâ vadere sarcinulâ. Qvò gressum fertis? cur pristina linqvitis arva? Qvaerenti reddunt talia verba Deae: Teutonicis Helicon novus est extructus in oris, Qvi colles priscos aequet honore novo. Illustri excîtae famâ nos tendimus illuc, Culturae Phoebo sacra jubente juga. Non erimus sine praesidio; velut alter Apollo, Nos ibi recturus praesidet Opitius.
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LII . Ad Obitum ejusdem.
QV i pestis fuerat lingvarum barbariëi, Hunc pestis Gedani pernitiosa necat. Das Geleitgedicht Opitzens ist, der Sammlung Rothmalers angemessen, ebenfalls ein Epigramm. Opitz verfaßt hier einen raffinierten Text und stellt sich so indirekt als kunstfertiger poeta doctus an die Seite Rothmalers: Die dreizehn Verse bilden im Grunde ein einziges, kompliziertes Satzgefüge. Während der Sprecher in der ersten Hälfte (V. 1–7 Mitte) die besondere Qualität der nachfolgenden Sammlung von Epigrammen hervorhebt und sich beiläufig als souveräner Kunstrichter positioniert (V. 6 f.), werden in der zweiten Hälfte (V. 7–13) die Epigramme Rothmalers mit denen des großen römischen Epigrammatikers Martial verglichen. Etwas verrätselt wird das literarische Lob durch den Wechsel der Anrede, die von der Adressierung an Rothmaler (im Titel) über die Apostrophe des römischen Vorläufers (V. 8) bis zum Appell an den kunstsinnigen Leser (V. 12: Te Lector) reicht, der dem Sprecher in seinem Urteil, wonach Rothmaler der bessere Epigrammatiker sei, beipflichten wird. Die besondere ‚Würze‘, die argutia von Opitzens Epigramm liegt nun darin begründet, daß er bei diesem Vergleich der beiden poetae den Epigrammen Martials Verse und Junkturen entnimmt, mit denen er jedoch die dichterische Gabe Rothmalers über die Martials stellt. – Versmaß: Hendekasyllaben. Überschrift] Mit communis commodi ergò edentem et publici juris facientem greift Opitz die Zweckbestimmung auf, die Rothmaler selbst seinen Epigrammen auf dem Titelblatt beigegeben hat: Cùm ad largam variarum rerum supellectilem comparandam, tùm vel maximè ad gratam animorum Voluptatem conciliandam … 1 FE stivos Epigrammatum libellos] Vgl. Martial, Epigramme 1,3: argutis epigrammaton libellis; ähnlich 1,117,3. 2 sale … lepôrum] Vgl. Catull, carmen 16,7: salem ac leporem. 3 Nec fellis vacuos, sed innocentis] Vgl. Martial, Epigramme 7,25: Dulcia cum tantum scribas epigrammata semper / et cerussata candidiora cute, / nullaque mica salis nec amari fellis in illis / gutta sit, o demens, uis tamen illa legi! / Nec cibus ipse iuuat morsu fraudatus aceti, / nec grata est facies cui gelasinus abest. / Infanti melimela dato fatuasque mariscas: / nam mihi, quae nouit pungere, Chia sapit; außerdem 10,48,21 f.: accedent sine felle ioci nec mane timenda / libertas et nil quod tacuisse velis. Wohl auch Bezug auf die Klassifizierung bzw. Deutung der Epigramme auf dem Titelblatt als eine Mischung aus Ernstem und Heiterem: GEMMAE | POETICAE, | Seu potiùs | Epigrammatum | Joco-seriorum DELICIAE . 4 cata Musa Rothmalerî] Rothmaler als poeta doctus. Zu cata Musa vgl. Ac qvam Pierides catae reqvirunt in dem 1634 entstandenen Gedicht für Christian Theodor Schosser (Inter taedia tot molestiasque), V. 12 (LW 3, S. 122). 9 Quirites] Bezeichnung für die Bürger von Rom. 10 Vitam quae faciant beatiorem] Wohl Anspielung auf ein Gedicht des Martial, in dem dieser gleichsam Lebensregeln aufstellt (Epigramme 10,47): Vitam quae faciant beatiorem, / Iu-
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cundissime Martialis, haec sunt: / Res non parta labore, sed relicta; / Non ingratus ager, focus perennis; / Lis numquam, toga rara, mens quieta; / Vires ingenuae, salubre corpus; / Prudens simplicitas, pares amici; / Convictus facilis, sine arte mensa; / Nox non ebria, sed soluta curis; / Non tristis torus, et tamen pudicus; / Somnus, qui faciat breves tenebras: / Quod sis, esse velis nihilque malis; / Summum nec metuas diem nec optes. Wie das Gedicht von Rothmaler ist auch dieses in Hendekasyllaben verfaßt. 12 f.] Vgl. Martial, Epigramme 2,86,11 f.: scribat carmina circulis Palaemon / me raris iuvat auribus placere. Rothmalers Gemmae sind im Gegensatz zu den „gefälligen Versen“ eines Martial eher für einen besonders gebildeten und kunstsinnigen Leserkreis bestimmt. Vgl. zur Gegenüberstellung Rothmalers und Martials auch das Epigramm In Autorem von Balthasar Voidius auf dem Titelblatt des Druckes: BILBILIUS nostro nunc Orbe Poëta sileto; / Et ROTHMALERUS noster OWENUS erit! Bilbilis ist der Geburtsort Martials, der Brite John Owen (um 1564–1622) war der renommierteste Epigrammatiker des europäischen Späthumanismus. [V.M., R.S.]
Addenda et Corrigenda
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Addenda et Corrigenda In der folgenden Liste werden Fehler und Unstimmigkeiten aus den Bänden 1 und 2 beseitigt, auf die Korrektur bloßer Schreibversehen im Deutschen wird dabei verzichtet. In wenigen Fällen werden zusätzliche Hinweise angebracht.
Band 1 S. XIV, Zeile 3 von unten im Haupttext: Daniel Wilhelm Triller (statt: Johann Daniel Triller) S. XXI, Zeile 5: S. XVIII (statt: S. XIV f.) S. XXI, Zeile 19: … Stammbucheinträge und andere handschriftliche Notate S. XXVIII, Mitte: Fabian von Czema S. 24, zweiter Text, Vers 1: TS cherninge (statt: Tscherninge) S. 85, Zeile 1: auf verschiedene Art (statt: nicht auf verschiedene Art) S. 281, bibliographische Angaben zu Dünnhaupt, Nr. 19: o. O. [Breslau], o. J. [1616] S. 309–311 (DI strahitur binis / AR dentes oculi / IL le parens): Versmaß (jeweils): elegische Distichen S. 336, zu Vers 317 f.: Laumonier (statt: Loumonier) S. 361, zu Vers 1 f.: juventae (statt: iuventa) S. 365, viertletzte Zeile: Krause, S. 82 (statt: Krause, S. 70) S. 392, 3. Absatz: Geleitgedichte (statt: Widmungsgedichte) S. 408, zu Zeile 251 f.: Gegen die vorgeschlagene Deutung wendet sich Steiger in: Stefanie Arend und Johann Anselm Steiger: Martin Opitz als Erbauungsschriftsteller in seiner Heidelberger Schaffensphase. Beobachtungen zum Sermo de passione Domini (1620), in: Die Wittelsbacher und die Kurpfalz in der Neuzeit. Zwischen Reformation und Revolution, hrsg. von Wilhelm Kreutz u. a. Regensburg 2013, S. 409–437, hier S. 432, Anm. 126. S. 438, Gattungszuschreibung zu O Clara divae stella Silesiae: Trauergedicht für Herzog Georg Rudolf von Liegnitz-Wohlau aus Anlaß des Ablebens seiner Gemahlin Sophie Elisabeth S. 443, zu Vers 18: Das Gedicht NU nc demum, fateor ist abgedruckt in: LW 2, S. 2–4.
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Addenda et Corrigenda
S. 451, zu Zeile 12: Vgl. Ralph Häfner: Götter im Exil. Frühneuzeitliches Dichtungsverständnis im Spannungsfeld christlicher Apologetik und philologischer Kritik (ca. 1590–1736). Tübingen 2003 (= Frühe Neuzeit 80), S. 218.
Band 2 S. 21, Zeile 18: … mehr als 990 Soldaten S. 102, Titelblatt zu Disticha Catonis, nach der Druckerangabe: [2 vacat] S. 251, bibliographische Notiz: … S. 762, sowie in Hs. Klose 175. S. 292, 2. Absatz: Barbara Agnes (statt: Agnes) S. 345, Mitte: den Markgrafen Johann Georg von Jägerndorf S. 360, fünftletzte Zeile: Noack, S. 40 (statt: Noack, S. 38) S. 427, dritter Absatz: Ferdinand I. von Toskana (statt: Ferdinand IV. von Toskana) S. 442, Zeile 4: … Jauer, war drei Jahre Syndikus und wurde dann … S. 442, Zeile 10: dexteritate (statt: dexeritate) S. 537, Zeile 14 von unten: Clodius (statt: Closius)
Während der Vorbereitungen für den Druck erschien Klaus Garber: Martin Opitz – Paul Fleming – Simon Dach. Drei Dichter des 17. Jahrhunderts in Bibliotheken Mittel- und Osteuropas. Köln u. a. 2013 (= Aus Archiven, Bibliotheken und Museen Mittel- und Osteuropas 4). Garber bietet S. 63–96 eine wichtige Studie zu Opitzens Ekloge Daphnis (vgl. LW 1, S. 90–97), liefert eine Reihe weiterer Einsichten in Opitzens Schriften und deren Überlieferung und verweist S. 567 f. auf ein acht Distichen umfassendes lateinisches Gedicht auf den Rhetorikprofessor Valentin Thilo in Königsberg aus dem Jahre 1638. Der Druck, in dem sich dieser Text befindet, ist allein in der Polnischen Nationalbibliothek in Warschau nachzuweisen und konnte für unsere Edition leider nicht mehr berücksichtigt werden.
Personenregister
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Personenregister Das Register weist die Namen historischer Personen aus dem lateinischen Text und dem Kommentar nach. Unberücksichtigt bleiben Drucker und Verleger, sofern sie nur in bibliographischen Angaben genannt werden. Die Stammtafel zu den Familien Schaffgotsch und Promnitz in Bd. 2, S. 256, wird gleichfalls nicht ausgewertet. Personen, die in antiken Werktiteln vorkommen, werden in sinnvoller Auswahl aufgeführt. Angehörige regierender Häuser sind unter ihrem Vornamen verzeichnet. Bei verheirateten weiblichen Personen sowohl bürgerlichen wie auch adligen Standes wird nach Möglichkeit ein Verweis auf den Geburtsnamen angebracht. Bei namensgleichen Personen aus derselben Familie wird konsequent der Zusatz „d. Ä. / d. J.“ gewählt, auch wenn es sich nicht um Vater und Sohn bzw. Mutter und Tochter handelt. Die Bandzahl ist jeweils mit eingeklammerten römischen Ziffern notiert. Arabische Ziffern geben die Seitenzahlen an, wobei kursive Schrift auf den Kommentarteil verweist. Das Register wurde von Frau Bianca Hufnagel M. A. (Bd. 1), Frau Simone Ekkert (Bd. 2) und Herrn Andreas Teppe (Bd. 3) erstellt. Herr Teppe übernahm außerdem die Zusammenführung und Vereinheitlichung der Daten. Allen dreien sei für ihr Engagement herzlich gedankt. Abbas I., der Große, Schah von Persien (III) 336 Abel, Michael (III) 439 Adam Wenzel, Herzog von Teschen (II) 18, 266, 271 Adam, Melchior (I) 434 (II) 320 (III) 461, 495 Aelius Gallus (III) 612 Agathias (III) 286, 589 Agesilaus (III) 398 Agricola, Julius (II) 90, 253, 260 f., 263, 265, 267 f., 270–272, 276, 278 f., 281 f., 370 (III) 398 Ahlefeldt, Christian von (III) 472 Aischylos (III) 531 Alarich (III) 156, 482
Albert, Barbara (geb. Alter) (II) 254, 331 f., 342 (III) 343 Albert, Christoph (II) 74, 234, 254, 318, 330–332, 342, 377, 393, 406 (III) 343 Albert, Heinrich (III) 553 Albertsen, Christen (II) 303 Albertus, Laurentius (I) 321 Albinovanus Pedo (I) 325 Albinus, Michael (III) 566 f., 575, 623 Albrecht I., röm.-dt. König (II) 58, 311 Albrecht II., röm.-dt. König von (II) 58, 311 Albrecht IV., der Weise, Graf von Habsburg (II) 58, 311 Albrecht VII., Erzherzog von Österreich (II) 24, 266, 276 (III) 509
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Personenregister
Albucius (III) 513 Alciatus, Andreas (I) 364 (III) 429 Alcibiades (III) 396 Aldringen, Johann Graf von (III) 338, 419–421 Aldrovandi, Ulisse (I) 362 Aleandro, Girolamo (I) 279 Alexander der Aitoler (III) 397 Alexander der Große (I) 206, 334 (II) 470, 507 (III) 82, 160, 398, 400, 485 Alexander Essebiensis (II) 554 Algirdas / Olgierd, litauischer Großfürst (III) 208, 510, 619 Alischer, Sebastian (III) 340, 445, 520 Alkaios (I) 140, 368 Alkinoos (I) 298 Alter, Barbara siehe Albert, Barbara Alter, Peter (II) 332 Althof, Anna (geb. Seyller) (III) 447 Althof, Anna siehe Fölckel, Anna Althof (genannt Scholtz), Daniel (III) 447 Alvinczi, Peter (I) 463 Ambrosius (Kirchenvater) (I) 415 (II) 90, 368 (III) 396 Ammianus Marcellinus (III) 308, 398, 612 Amoena Amalia, Gräfin von Bentheim, Fürstin von Anhalt-Köthen (II) 294 Anakreon (I) 353, 390 Anaximenes von Lampsakos (III) 398 Andreae, Johann Valentin (II) 337 Anna von Tirol, römisch-deutsche Kaiserin (I) 335 Anna von Cilli, Königin von Polen (III) 198, 504 Anna von Österreich, Königin von Polen (III) 454, 553 Anna Katharina von Brandenburg, Königin von Dänemark und Norwegen (III) 62, 395 Anna Katharina Wasa (1619–1651), Prinzessin von Polen und Litauen, Prinzessin von Pfalz-Neuburg (III) 485 f. Anna Magdalena, Herzogin von Münsterberg-Oels (II) 548 (III) 352 Anna Maria von Zerbst, Herzogin von Liegnitz-Brieg-Wohlau (II) 291, 409 (III) 330, 401
Anna Sophia von Brandenburg, Herzogin von Braunschweig und Lüneburg (II) 543 f. Anna Sophia von Münsterberg-Oels (II) 414, 477 Anna Wasa, Prinzessin von Schweden und Polen (I) XXVII, XXVIII (III) 150, 152, 331, 462, 474–480, 486–490, 496, 539, 553 Anno II., Erzbischof von Köln (I) XXIX (III) 298, 302, 308, 606, 609 Anselm von Canterbury (I) 398 Ansileubus, westgotischer Bischof (III) 308, 612 Antoninus Liberalis (I) 298 Apelles (III) 160, 405, 485, 558, 595 Apelles von Löwenstern, Matthäus (III) 352 Apelles, Barbara (geb. von Tarnau und Kühschmalz) (III) 352 Appian (III) 400 Apuleius (I) 297, 352, 356 f. (II) 531 (III) 232, 533 Apuleius Celsus (Ps.-Apuleius) (III) 304, 611 Arat (I) 324 (II) 379, 468 Archias, Aulus Licinius (I) 326 (III) 402 Archimedes (I) 382 Arciszow Arciszewski d.Ä., Elias von (III) 470 Arciszow Arciszewski d.J., Elias von (III) 148, 470–472 Arciszow Arciszewski, Krzysztof von (III) 471 Arckenholz, Johannes (III) 435 Ariosto, Luodovico (I) 78, 329 Ariovist (II) 288, 301 Aristarchos von Samothrake (I) 320, 327 Aristides (II) 154, 461, 466 Aristophanes (II) 90, 371 Aristoteles (I) 66, 323, 360, 442, 456 (II) 54, 297, 305, 468 (III) 68, 336, 375, 376, 397 f. Arius (I) 312 Arnhold, Matthäus (III) 580 Arnim-Boitzenburg, Johann Georg von (III) 337, 390, 406, 411 f. Arnold, Christoph (I) 140, 368 Artzat von der Arnoldsmühle, Maria siehe Hoffmann von Hoffmannswaldau, Maria Artzat, Georg VI. von (II) 360 Asinius Pollio (III) 214, 513
Personenregister Äsop (I) 337 Aßmann, Anna Dorothea siehe Rampusch, Anna Dorothea Athanarich (III) 156, 482 Athanasios (Kirchenvater) (III) 397 Athaulf, König der Westgoten (III) 156, 482 Athenaios Naukratios (III) 304, 397, 610 Atticus, Titus Pomponius (I) 288 (II) 258 (III) 326, 395 Attila, König der Hunnen (II) 502 Aubry, Peter (III) 404 August d.J., Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel (I) XVI, 275, 346, 435 August, Kurfürst von Sachsen, der Starke (II) 481 Augustinus (Kirchenvater) (I) 291, 349, 394, 396, 403, 405 f., 408, 410, 433,473 (II) 68, 90, 324, 368, 370 f., 555 (III) 396, 574 Augustus, römischer Kaiser (I) 66, 204, 210, 337, 339–341, 378, 419, 422, 440, 476 (II) 263, 278–280, 310, 312 f., 316, 350, 426, 519, 543 (III) 130, 144, 338, 386 f., 400, 409, 424, 466, 486, 544 Aurelianus, römischer Kaiser (I) 258, 468 (II) 272 Ausonius (I) 279, 301 (III) 438, 590, 623 Avian (II) 389 Avienus (III) 544 Balde, Jakob (III) 374, 378 Bandhauer, Zacharias (II) 435 Banér, Johann (III) 440, 521 Barbara von Brandenburg, Herzogin von Liegnitz-Brieg-Wohlau (II) 408 Barbara Agnes von Liegnitz-Brieg siehe Schaffgotsch, Barbara Agnes von Barberini, Francesco (III) 214, 513 Barclay, John (I) XVI (II) 342, 537 Barents, Willem (II) 464 Barlaeus, Caspar (II) 418 Bartas, Guillaume de Saluste du (I) 78, 329, 332 (II) 64, 138, 317 (III) 514 Barth, Caspar von (I) 313, 355–359, 390 f., 423, 445 (II) 102, 387 f., 390, 473, 491, 498, 530, 545 Barth, Eva siehe Exner, Eva Bartsch, Enoch (I) 440 Bartsch, Helena (geb. Burchard) (I) 40, 441, 443 (II) 253 f., 362, 432 (III) 363
631
Bartsch, Michael (I) 238, 240, 440–446, 449, 462, 466 (II) 2, 70, 210, 220, 251, 253 f., 323, 326, 331, 333, 362 f., 406, 426 f., 432 f., 474, 491, 501 f., 515 (III) 342, 353, 363, 570 Basileios der Große (Kirchenvater) (II) 324 (III) 397 Basta, Georg (II) 18, 20, 22, 257, 266, 272, 274 Báthory, Andreas (Kardinal) (II) 20, 266, 272 f. Báthory, Gabriel siehe Gabriel Báthory Báthory, Sigismund siehe Sigismund Báthory Báthory, Stephan siehe Stephan IV. Báthory Baudis, Andreas (I) 447 (III) 461, 518 Baudis, Anna siehe Frank, Anna Baudis, Dorothea siehe Hallmann von Strachwitz, Dorothea Baudis, Gottfried (III) 222, 226, 517–522, 536, 568, 616 Baudis, Johann Lorenz (III) 461 Baudis, Katharina (geb. Krentzheim) (III) 518 Baudis, Katharina (geb. Utland) (III) 461 Baudis, Laurentius d.Ä. (III) 461 Baudis, Laurentius d.J. (III) 461 Baudis, Leonhard (II) 397 (III) 140, 459–462, 518 Baumann, Georg (II) 440 (III) 332, 366, 442, 562 Baumgart, Andreas (III) 537 Bebel, Heinrich (III) 418 Becanus, Martin (II) 533 (III) 591 Becker, Matthäus (III) 403 Beguin, Jean (II) 550 Behm, Johannes (III) 272, 559–561 Behm, Ursula siehe Riccius, Ursula Bellarmino, Roberto (III) 216, 513 Bembo, Pietro (I) 329 (III) 590 Bergk, Anna Maria von (geb. von Mutschelnitz) (I) 104, 348 f. Bergk, Christoph Georg von (I) XXXI, 104, 110, 170, 348–350, 393 (II) 212 Bergk, Johannes von (I) 170, 393 Bergmann, Caspar (I) 24, 292 Bernegger, Matthias (I) XVII, 440 f., 451 (II) 138, 259, 298, 337, 341, 388, 406, 426, 441 f., 446, 518, 552 (III) 339, 341, 367, 386, 495, 599
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Personenregister
Bernhard, Herzog von Sachsen-Weimar (III) 100, 102, 108, 110, 406–417, 419–421, 439, 542 Bernhard von Clairvaux (I) 454 Besler, Samuel (II) 318 Besold, Christoph (II) 374, 430, 538 Bestlich, Simon (I) 441 (II) 254 Bethlen, Gábor siehe Gábor Bethlen Beza, Theodor (I) 404 (II) 72, 325, 327 f., 402 (III) 433, 508 Bias von Priene (III) 18, 334 Bibran, Abraham von (I) 449, 452 (II) 70, 325, 457 f. Bibran, Adam von (II) 146, 150, 252, 289, 455–459, 530 (III) 424 f., 616 Bibran, Margarete von (geb. Gersdorf von, verw. Knobelsdorf von) (II) 455 Biccius, Gregor (II) 443 Bidermann, Jacob (III) 371 Bielke, Steno Svantesson (III) 438 Bilovius, Bartholomäus (III) 440 Birken, Sigmund von (III) 530 Birkenfeld, Christian von (III) 420 Blanckius, Michael (III) 450–452 Blaufus, Johann (III) 351 Bocchi, Achille (I) 275 f. Bocer, Johann (I) 453 Bock, Sigismund von (III) 356 Bockshammer, Georg (II) 396 Bocskai, Stephan, Fürst von Siebenbürgen (I) 464 (II) 273, 477 Bodmer, Johann Jacob (I) XIV, 320, 395 (III) 605, 607 Boethius (I) 297 (III) 371 Böhme, Jakob (I) 371 (III) 360 Böhme, Maria siehe Seifert, Maria Boissard, Jean-Jacques (III) 437 Boithius, Caspar (I) 463 (II) 208, 523 (III) 356 Boleslav I., König von Polen (III) 503 Boleslav II., Herzog von Schlesien (II) 269 Bolesław Buchala (III) 198 Bona Maria Sforza, Königin von Polen (III) 158, 484 Bonaventura (I) 396 Bongars, Jacques (III) 494 Bonnus, Iacobus (I) 357 Bosius, Simeon (II) 389
Botero, Giovanni (III) 336 Botsack, Johannes (III) 451, 580 f. Botticelli, Sandro (I) 295 (II) 432 Bozusta, Erzbischof von Gnesen (III) 196, 503 Brachmann, Johannes (III) 347 Brahe, Tycho (I) 375 (III) 374, 376 f. Brant, Sebastian (II) 311, 388 f. Breitinger, Johann Jakob (I) XIV, 320, 395 (III) 605, 607 Brennus (II) 174, 486 Breuner, Renata Eusebia von siehe Dohna, Renata Eusebia von Brieger, Anna siehe Thomas, Anna Bro˙zek, Jan (III) 218, 515 Brutus, Marcus (II) 6, 263, 374, 387, 467 (III) 433, 480 Bry, Theodor de (III) 437 Buchanan, George (III) 590 Buchner, August (I) 335, 436 (II) 48, 138, 170, 176, 228, 255, 258 f., 282 f., 297–299, 314, 317, 346, 348–350, 365, 383, 388, 390, 392, 410, 413, 417 f., 422, 436 f., 446 f., 481, 487–491, 504, 518 f., 540, 544–547, 550–552 (III) 98, 325, 339, 342, 345, 370, 387, 390, 393, 403–406, 418, 436, 467, 477, 520, 533, 539, 543 f., 586, 599, 606, 611 Buchner, Maria (geb. Kroes) (II) 489 Buchner, Paul (II) 489 Buchwald, Friedrich von (II) 303, 316 Buchwälder, Christoph (I) 22, 287, 290 Buchwälder, Johannes (II) 334 Buckau, Anna Maria von (geb. Geisler) (I) 148, 152, 372 f. (II) 214 Buckau, Jakob Nikolaus von (I) XXIX, XXXI, 148, 152, 154, 372 f. (II) 214 Bucretius, Daniel siehe Rindfleisch, Daniel Budowecz, Wenzel (I) 393 Bull, John (III) 450 Bullinger, Heinrich (I) 416 Bundschuh, Wilhelm (Cothurnus, Guilielmus) (I) XXVII, XXXI, 38, 303 f. (II) 253, 282, 300, 377, 425 Bunel, Pierre (III) 116, 429 Burchard, Helena siehe Bartsch, Helena Burerus, Albertus (II) 343 Burghaus, Maria Elisabeth von (geb. Wartenberg) (III) 356
Personenregister Burghaus, Nikolaus d.Ä. von (III) 36, 356–360 Burghaus, Nikolaus d.J. von (III) 34, 356–360, 362 Burghaus, Sigismund d.Ä. (III) 358 Burghaus, Sigismund d.J. (III) 358 Büthner (Bythner), Adam (III) 460, 559, 566, 567, 575, 580 Büthner, Andreas (III) 623 f. Bythner, Friedrich (III) 566 Caecilia Renata, Erzherzogin von Österreich, Königin von Polen (II) 476 (III) 250, 252, 268, 537, 550 f., 557 f., 591 Caecina, Aulus (III) 581 Caelius, Michael (II) 445 Caligula, römischer Kaiser (II) 6, 260, 263, 280 Calpurnius Siculus (I) 338 f., 342 (II) 476, 527, 529 Calvin, Johannes (I) 408, 410, 413 f., 416, 474 (II) 328, 458 (III) 534 Camerarius, Joachim (I) 226, 418, 429 (III) 464 f., 599 Camerarius, Ludwig (I) XXIV, XXVII, 220, 224, 226, 417, 419, 425 f., 429 f. (II) 277, 451–453 Camillus, Marcus Furius (III) 394 Campano, Giannantonio (III) 418 Candidus, Pantaleon (II) 504 Caper (I) 275 Cardano, Girolamo (II) 468 (III) 374 Casaubonus, Isaac (II) 70, 325 Cassiodor (III) 480 Cassius Dio (III) 378, 382, 400 Cassius Longinus (II) 6, 263 Catilina, Lucius (I) 318, 445, 477 (III) 334, 336, 394, 397 f., 415 Cato d.Ä. (I) 8, 106, 282, 287, 349, 377, 452 (II) 102, 106, 184, 188, 208, 374, 387–390, 392, 421, 496, 499, 503, 522, 533, 539 (III) 399, 428, 463, 528 f., 614 Cats, Jacob (I) 279 Catull (I) 278, 280, 292 f., 300, 303, 307, 326, 330, 355, 358, 360, 366, 371, 378, 382, 398, 436, 440 (II) 252, 258, 291, 304, 373, 398, 462 f., 466, 494, 499, 503, 507, 516, 521, 523 f., 528 f., 539 (III) 232, 345, 426, 441, 461, 472, 532, 551, 621, 625
633
Caus, Salomon de (I) 421 Celichius / Kölichen, Andreas (III) 445, 580 Celtis, Conrad (I) 295, 347, 370 f. (II) 255, 311, 552 (III) 418 Cema siehe Czema Chrestien, Florent (III) 116, 120, 429 f., 433 f. Christian I., König von Dänemark (III) 393 Christian II., König von Dänemark (III) 60, 393 f. Christian III., König von Dänemark (III) 394 Christian IV., König von Dänemark (II) 355, 479 (III) 50, 54, 56, 60, 337, 384, 387–389, 391 f., 395, 399 f., 413, 483, 564 Christian II., Kurfürst von Sachsen (III) 387, 413 Christian II., Fürst von Anhalt (I) 419 (II) 348 Christian, Herzog von Brieg (II) 46, 290 (III) 382 Christian, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel (II) 456 f. (III) 379 Christian, Kronprinz von Dänemark (III) 400 Christian Wilhelm, Markgraf von Brandenburg (II) 434 f. (III) 564 Christina, Königin von Schweden (III) 435–438, 476, 488, 577, 593 Chrysostomus, Johannes (Kirchenvater) (II) 68, 324 Chytraeus, David (III) 478, 552 Cicero (I) 16, 22, 58, 68, 124, 236, 285, 288, 290–292, 303, 316–319, 323 f., 326, 328, 357, 366, 374, 381, 421, 423, 437, 442, 452, 455, 472, 474, 477 (II) 188, 258, 262, 292, 310, 335, 370, 372, 375, 383, 392, 396, 399, 414, 462, 467, 469, 486, 499, 502, 507, 512 f., 521, 531, 533, 535 (III) 98, 218, 232, 325 f., 333 f., 338, 374, 380, 385, 388, 394, 397–402, 404 f., 432 f., 439, 450, 467, 474, 478, 489, 494, 496, 514, 516, 527, 530, 532, 556, 558, 581 Clajus, Johannes (II) 412 f. Clapmar, Arnold (I) 329, 331 Claudian (I) 359, 377, 381 (II) 445 Claudius, römischer Kaiser (I) 66, 284 (II) 280 f. (III) 48, 417
634
Personenregister
Claudius Mamertinus (I) 330 Claudius, Andreas (II) 492, 524 Clavius, Christoph (III) 515 Clemens VIII. (Papst) (II) 405 Clemens von Alexandrien (Kirchenvater) (II) 68, 324 Clodius, Henricus (II) 430, 432, 537 Closius, Henricus (III) 445 Clüver, Philipp (II) 118, 413 (III) 156, 306, 308, 481, 611 Coberus, Georgius siehe Kober, Georg Cocceius, Lucius (III) 431 Coelius, Michael (III) 355 Coler, Anna (geb. Freier) (II) 336 (III) 126, 445, 598 Coler, Christoph (I) XXXI, 340, 451 (II) 76, 234, 251 f., 300, 336–339, 365 f., 370 f., 380, 409, 411, 423, 425, 433 f., 437, 442, 445 f., 460, 503, 511, 518, 552 f. (III) 126, 296, 328, 339 f., 345, 348, 359, 367, 369, 385, 421, 442, 445, 447 f., 525, 538, 550–552, 555, 562 f., 579, 597–601, 616 Collalto, Rambaldo Graf von (III) 338 Columella (III) 463, 614 Comenius, Johann Amos (III) 499 f., 502–504, 506, 510–512, 514–517, 533, 576, 596 f. Commodus, römischer Kaiser (II) 260 Copius, Iacobus siehe Kopisch, Jacob Cordus, Cremutius (II) 6, 262 f. Cordus, Euricius (III) 590 Cordus, Marcia (II) 263 Cornelia (Mutter von Tiberius und Gaius Gracchus) (II) 522 Cornelius Chrysogonus (III) 398 Cornelius Nepos (I) 421 (III) 395–398, 401, 411 Coschwitz, Georg Daniel von (II) 444 (III) 274, 564–567, 575 Coschwitz, Jonas Daniel (III) 460, 566 Cothurnus, Guilielmus siehe Bundschuh, Wilhelm Coye, Jacob (III) 236, 537 Coye, Johannes (III) 292, 593–595 Cranach, Lucas (I) 402, 413 Crassus, Marcus Licinius (III) 326 Crato von Krafftheim, Johannes (II) 402 (III) 495
Credlitz und Neukirch, Christoph von (II) 300 Creutzius, Jacobus (II) 337, 552 Crispus, römischer Mitkaiser (I) 455 Crombein, Daniel (I) 379 Crüger, Peter (II) 134, 439–441 (III) 296, 298, 373, 376 f., 381, 452, 601–604 Cüchler, Elias (I) 140, 318, 357, 368 f., 386, 391 (II) 347, 425 (III) 586 Cüchler, Rosina (I) 353, 368, 385, 391 Cujas, Jacques (III) 116, 360, 429 Cuno, Matthäus (III) 442 Cunrad, Anna (II) 406 (III) 568 Cunrad, Barbara (geb. Jacob) (II) 254, 330, 376–378, 405, 548, 551 (III) 461 Cunrad, Barbara (geb. Rumbaum) (II) 114, 405–407, 518, 551 Cunrad, Barbara Christiana (II) 66, 238, 377 Cunrad, Caspar (I) 10, 230, 234, 254, 276, 281, 283, 311, 388, 432–434, 441, 453, 460 f. 468 (II) 74, 94, 114, 126, 160, 228, 232, 254, 317–321, 326, 330–332, 359 f., 363, 376–379, 393–395, 400, 403, 405–407, 414, 419, 426 f., 436 f., 440, 442, 474, 476, 501, 503, 517–519, 547 f., 551 f. (III) 343, 347, 350, 351, 352, 355, 359, 461, 569, 617 Cunrad, Caspar d.J. (II) 318 Cunrad, Caspar (Görlitz) (II) 424 f. Cunrad, Christian (I) 433 (II) 206, 318, 403, 516–520 (III) 343, 364, 442, 445, 448, 477, 490, 500, 520, 532 Cunrad, Christiana (geb. Tilesius) (II) 317–321, 331, 364, 376 f., 403, 407 Cunrad, Johann Friedrich (III) 562 Cunrad, Johann Heinrich (II) 254, 318, 406, 519 (III) 366, 442 Cunrad, Magdalena (geb. Ering) (II) 518 Cunrad, Sophie (geb. Firlej) (II) 424 f. Curtius (I) 68, 328 (II) 470, 507 Czema, Achatz d.Ä. von (III) 178, 491, 494 Czema, Achatz d.J. von (III) 178, 491, 494 Czema, Anna von siehe Güldenstern, Anna Czema, Fabian von (ca. 1500–1580) (III) 178, 491, 494 Czema, Fabian von (1539–1605) (III) 178, 491, 494
Personenregister Czema, Fabian von (um 1575–1636) (I) XXVIII (III) 174–192, 477, 490–499, 500, 554 Czema, Katharina von (geb. Pissinska) (III) 178, 491, 494 Czema, Katharina von (geb. Leszczy´nska) (III) 184, 492, 496 Czema, Raphael von (III) 184, 492 Czepko, Daniel (II) 363, 366, 370, 422, 425, 525 Czepko, Hedwig (II) 318 Czimmermann, Johann (III) 180, 491, 495 Czimmermann, Peter (III) 477 Czirenberg (Zierenberg), Daniel (III) 469, 608 Czirenberg (Zierenberg), Johann (III) 298, 604 f., 607–609 Czirenberg (Zierenberg), Konstantia (III) 609 Dach, Simon (I) 313, 338 (III) 472, 553, 560 Damitz, Siegfried von (III) 364 Dampierre, Heinrich Duval Graf von (I) 222, 427 f. Dante Alighieri (I) 458 (III) 332 Dasypodius, Conrad (III) 202, 507 Dathenus, Petrus (II) 72, 329 Decebalus, König von Dakien (III) 156, 481 Decius, römischer Kaiser (I) 258, 468 Dedekind, Friedrich (III) 380 Demokrit (I) 264, 473 Dentatus (I) 451 Diebitzsch, Hans von (III) 431 Diebitzsch, Ursula von (III) 431 Dilger, Daniel (III) 601 Diodorus Siculus (III) 308, 612 Diogenes Laertios (III) 334 Diokletian, römischer Kaiser (I) 258, 455, 468 Dionysiades (III) 397 Dionysios Areopagites (Kirchenvater) (III) 397 Długosz, Jan (III) 196, 380, 503 Döbler, Leonhard (III) 444 Dohna, Abraham von (II) 345, 348, 367, 372, 384 f. Dohna, Anna-Therese von (II) 391 Dohna, Christoph von (II) 348, 460 Dohna, Fabian von (II) 385
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Dohna, Karl Hannibal von (I) XXVIII, XXXI (II) 78, 80, 84, 88, 96, 98, 102, 118, 124, 200, 218, 222, 297, 307, 311 f., 324, 331, 333, 339–341, 343–354, 356–358, 364–368, 371–376, 378–382, 384–392, 397, 420 f., 423, 429, 433 f., 436 f., 443, 445, 460, 463, 470, 478, 490 f., 510 f., 512, 517, 520, 531–536, 539, 558 (III) 331, 339–342, 345, 354, 362, 364, 369, 383, 427 f., 431 f., 520–522, 527, 529, 547, 591 Dohna, Karl Hannibal II. von (II) 368, 391 Dohna, Maximilian Ernst von (II) 102, 390 Dohna, Otto Abraham von (II) 102, 390 f. Dohna, Renata Eusebia von (geb. von Breuner) (II) 391 Domitian, römischer Kaiser (I) 66, 216, 422 (II) 6, 263 f., 272, 280 f., 495 (III) 64, 396 Domitius Tullus (III) 24, 338 Donat (I) 292 Dönhoff, Gerhard Graf (III) 140, 142, 453, 462 f., 465–467, 477, 539 Dönhoff, Kaspar von (II) 349, 553 Dönhoff, Sibylla Margaretha (III) 462 Dörffer, Johann (I) 320, 332 Döring, David (II) 548 Döring, Michael (II) 393 Dornau, Caspar (I) XXVI, 26, 28, 72, 102, 104, 279, 287, 293–297, 304, 309, 311 f., 320–322, 324–326, 328, 330 f., 333, 338, 340, 343, 346–348, 356, 361–363, 367 f., 388, 390–393, 423, 434 f. (II) 311 f., 318, 320, 323, 337, 363, 367, 370, 377, 403, 436, 442, 453, 458, 498, 526 f., 541, 551 (III) 383, 510, 554 f., 596, 608, 620 Dorothea Maria von Anhalt-Zerbst-Dessau, Herzogin von Sachsen-Weimar (III) 407 Dorothea Sibylla von Brandenburg, Herzogin von Liegnitz-Brieg (II) 44, 290–292, 378, 409 (III) 382, 542 Dorsche, Johann Georg (III) 580 Dousa, Janus (I) 329 Du Bellay, Joachim (I) 329 (II) 498 Dubravka von Böhmen, Herzogin von Polen (III) 196, 503 Dudith, Andreas (I) 258, 468 f. Dupuy, Claude (III) 610 Dupuy, Jacques (III) 304, 610 Dupuy, Pierre (III) 304, 610
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Personenregister
Durbal, Conrad (II) 300 Dzialynski, Paul (III) 509 Eberstein, Ludwig Christoph von (III) 489 Eberti, Johann Caspar (III) 568 Eichler, Maria siehe Freudenberg, Maria Elbfas, Jakob Henrik (III) 438 Elichmann, Johann (III) 308, 606, 614 Elisabeth I., Königin von England (I) 421 f., 447 (III) 204, 469, 509 Elisabeth, Königin von Ungarn und Kroatien, Regentin von Polen (III) 198, 504 Elisabeth Stuart, Kurfürstin von der Pfalz (I) 206, 420 Elisabeth von Anhalt, Kurfürstin von Brandenburg (II) 291 Elisabeth, Prinzessin von der Pfalz (III) 551 Elisabeth Magdalene, Herzogin von Münsterberg-Oels (II) 114, 290, 309, 408 f., 411, 487 (III) 344 Elisabeth Sophie von Brandenburg, Fürstin von Radziwiłł, Herzogin von SachsenLauenburg (III) 542 Emmerich, Johann (I) 367, 371 Emmerich, Katharina siehe Jacobi, Katharina Ennius (I) 373, 455 (II) 494, 508, 513 (III) 232, 532 Epameinondas (III) 68, 397, 411 Epicharmus (III) 432 Erasmus von Rotterdam (I) 312, 337 (II) 260 f., 367 (III) 382, 394 f., 400, 458 Eratosthenes (I) 376 Erik XIV., König von Schweden (III) 483 Ering, Magdalena siehe Cunrad, Magdalena Esken, Catharina siehe Makovius, Katharina Esken, Heinrich (III) 236, 522, 534–536, 585 Estienne, Henri (I) 390 (III) 433 Eumenes (III) 401 Euripides (II) 298 (III) 532 Exner, Balthasar (I) 164, 166, 309, 315, 387 f., 390, 435, 441 (II) 307, 320, 326, 403 Exner, Eva (geb. Barth) (I) 164, 387, 389 (II) 307 Eyb, Albrecht von (II) 393 Ezechiel, Christian (I) 451 (II) 358 f. Fabius Maximus Cunctator, Quintus (III) 467
Fabricius Luscinus (III) 583 Fabricius, Friedrich (III) 577 Fabricius, Georg (I) 453 (III) 369 Fabricius, Johannes (III) 282, 581–583 Fabritius, Philipp (I) 427 Fallersleben, Heinrich Hoffmann von (I) 283 (II) 334, 387 Farensbach, Georg (III) 489 Farensbach, Magdalena (III) 489 Farnese, Alexander (II) 271 f. Fellgiebel, Esaias (I) XIV Ferdinand I., römisch-deutscher Kaiser (I) 468 (II) 60, 268, 312 (III) 553 Ferdinand II., römisch-deutscher Kaiser (I) 222, 419, 426–429, 439, 448, 464 (II) 28, 82, 257, 266, 277, 308 f., 312 f., 324, 326, 345 f., 349, 353–357, 373, 375, 380, 390, 422, 452, 476, 477, 485, 517, 519, 531, 534, 558 (III) 330, 332, 337, 354, 383, 414, 418, 459, 463, 551, 554, 558, 591, 615 Ferdinand III., römisch-deutscher Kaiser (II) 313, 539 (III) 330, 418, 518, 551, 558 Ferdinand, Erzbischof von Toledo (III) 421 Ferdinand Maria, Kurfürst von Bayern (III) 558 Ferdinand von Aragón, König von Spanien (III) 514 Ferdinand von Bayern, Kurfürst und Erzbischof von Köln (III) 258, 555 Ferdinand, Herzog von Toskana (II) 427 Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba (I) 222, 428 (II) 271 Fersius, Johannes (III) 494 Festus Rufus (II) 272 Ficino, Marsilio (I) 314, 356, 433, 477 (III) 373 f., 557 Firlej, Martin (II) 425 Firlej, Nicolaus (III) 508 Firlej, Sophie siehe Cunrad, Sophie (Görlitz) Fischart, Johann (I) 331, 422 Flandrin, Michael (III) 606, 614 Fleming, Paul (I) XIV, XV, 302, 313, 338 (II) 122, 418 f., 436 (III) 332, 345, 364, 379, 435 Florus (I) 422 (III) 399 Fölckel, Anna (geb. Althof) (III) 447, 452 Fölckel, Christian (III) 448 Fölckel, Elisabeth (III) 448 Fölckel, Friedrich (III) 447–449
Personenregister Fölckel, Johann Friedrich (III) 448 Force, Jacques Caumont, Duc de La (III) 419 Franck, Martha siehe Seifert, Martha Francke, Balthasar (II) 395 Frank, Daniel d.Ä. (III) 32, 350 f. Frank, Daniel d.J. (III) 351 Frank, Anna (geb. Baudis) (III) 350 Frank, Gregor d.Ä. (III) 350 Frank, Gregor d.J. (III) 351 Frank, Magdalena (geb. Weinrich) (III) 32, 350 f. Frank, Magdalena d.J. (III) 351 Frank, Martha (geb. Rindfleisch) (III) 32, 350 Franz Albrecht, Herzog von Sachsen-Lauenburg (II) 335 (III) 390 Freher, Paul (III) 543 Freidank (I) 332 Freier, Anna siehe Coler, Anna Freier, Nikolaus (III) 445 Freiwaldt, Christoph (III) 34, 361, 363 Frescobaldi, Girolamo (III) 450 Freudenberg, Caspar (III) 450 Freudenberg, Johannes (III) 128, 450–452 Freudenberg, Maria (III) 450, 452 Freund, Katharina von siehe Troilo, Katharina Freywald, Donat von (III) 354 Freywaldt, Anna Beata (geb. Pein) (III) 34, 340, 354–356 Freywaldt, Christoph (III) 340, 354 Freywaldt, Magdalena (III) 354 Friedrich I. Barbarossa, römisch-deutscher Kaiser (II) 268 Friedrich II., römisch-deutscher Kaiser (III) 438 Friedrich III., römisch-deutscher Kaiser (I) 469 (II) 58, 311 (III) 184, 198, 200, 496, 504 f. Friedrich I., König von Dänemark (III) 60, 393 Friedrich II., König von Dänemark (III) 60, 391, 394 Friedrich III., König von Dänemark (III) 400 Friedrich III., der Schöne, Herzog von Österreich und der Steiermark (II) 58, 311
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Friedrich III., Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf (II) 489 Friedrich III., Kurfürst von der Pfalz (II) 327 (III) 495 Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz (II) 480 Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz (I) XXVII, 200, 224, 228, 365, 392–394, 411, 417–428, 430 f., 433, 474 (II) 278, 345, 352, 424, 451, 476, 483, 525, 540, 557 f. (III) 330, 332 f., 383 f., 409, 418, 508 Friedrich IV., Herzog von Liegnitz (I) 411 Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen (II) 260 f. Friedrich Heinrich von Oranien, Statthalter der Niederlande (III) 335, 539 Friedrich Heinrich, Kurprinz von der Pfalz (I) 420 f. Friedrich Wilhelm, Herzog von Weimar (II) 438 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg (der Große Kurfürst) (III) 539 Frischlin, Nikodemus (II) 498 Frisius, Abraham (I) 443 (II) 286 (III) 461 Fritigern, König der Westgoten (III) 156, 482 Froben, Nikolaus (I) 20, 290, 296 Fryeauff, Andreas siehe Lucanus, Andreas Furius Albinus (III) 533 Fürst, Paulus (III) 438 Füssel, Martin (I) 96, 342 Gábor Bethlen von Iktár, Fürst von Siebenbürgen (I) XXVIII, XXVIII, XXXI, 441, 443, 450, 462–467, 469 f., 473 (II) 226, 242, 264, 326, 345, 450, 457, 473–478, 500 f., 503, 523, 532, 543 f., 559, 561 (III) 336, 421, 620 Gabriel Báthory, Fürst von Siebenbürgen (I) 464 Galba, römischer Kaiser (II) 280 (III) 438 Galenos (III) 304, 611 Galilei, Galileo (II) 270 (III) 218, 376, 515, 555 Galla Placidia, Regentin des weströmischen Reiches (III) 482 Gallienus, römischer Kaiser (II) 272 (III) 580 Gallus, Cornelius (I) 368 Gambara, Veronica (II) 509 f.
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Personenregister
Gans, Johann Ludwig (II) 120, 240, 417 Gasto, Abraham (I) 278 Gaubisch, Jacob (III) 361 Gebhard, Johann (II) 441 Gefug, Heinrich von (III) 352 Gefug, Kaspar von (III) 352 Geisler, Andreas (I) 150, 361, 372–375 (II) 54, 56, 216, 305–307, 361 (III) 344, 461 Geisler, Anna Maria siehe Buckau, Anna Maria von Geissel, Johannes (I) 365 (II) 206, 521 Gellius (I) 292, 354 (II) 428, 432, 522, 540 Georg II., Herzog von Liegnitz-Brieg-Wohlau (II) 408 f. Georg III., Herzog von Brieg (II) 46, 290, 292 (III) 382 Georg Friedrich, Markgraf von Baden-Durlach (II) 456 (III) 413 Georg Rudolf, Herzog von Liegnitz (I) 236, 298, 374, 379, 438 f., 441, 443, 445–449, 451, 461 (II) 10, 70, 78, 96, 114, 118, 252, 257, 262, 264, 292, 300 f., 306, 309, 316, 326, 343, 408 f., 410 f., 458, 514, 558 (III) 8, 86, 327, 310, 331, 333, 344, 366 f., 369 f., 383, 392, 401, 407, 411, 419, 427 f., 431 f., 439 f., 459, 462 f., 490, 517, 519–522, 536, 567 f., 571, 601, 615 f. Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg (II) 349, 478 f. (III) 62, 86, 188, 395, 486 Gerhard, Johann (III) 220, 516, 579 f. Gerhardt, Paul (III) 574 Gerhart, Georg (III) 367 Gerlach, Samuel (III) 623 Gerlach, Wendelin Martin (II) 286 Germersheim, Anna Maria siehe Pilgram, Anna Maria Germersheim, Johann Philipp (II) 393 Gersdorf, Margarete von siehe Bibran, Margarete von Gerßdorf, Wigand von (I) 58, 324, 336 (II) 382, 453 Gesner, Konrad (I) 321 Gheyn, Jacob de (I) 472 Gierlach, Justine siehe Nüßler, Justine Gloger, Georg (II) 418 Gloskowski, Mathias (III) 218, 515 Goclenius, Rudolf (I) 389 (III) 599
Goethe, Johann Wolfgang (I) 316, 364 Goldast von Haiminsfeld, Melchior (I) 76, 321 f., 332, 337, 347 (III) 308, 605 f., 613 f. Golius, Jakob (III) 581 Gölnitz, Bartholomäus (III) 362 Goltmann, Johannes (III) 351 Gomez Suárez de Figueroa, Herzog von Feria (III) 112, 338, 419, 421 f. Gonzaga von Mantua, Eleonore (II) 313 Gorajska, Teodora (geb. Leszczy´nski) (III) 517 Gorajski, Zbigniew (III) 517 Gothofredus, Dionysius (III) 202, 507 Gotschia / Gotschius siehe Schaffgotsch Götze, Thomas Matthias (III) 592 Graecinus, Julius (II) 268 Grasser, Johann Jacob (I) 160, 383 Gratian, weströmischer Kaiser (I) 258, 468 Gregor der Große (Kirchenvater) (I) 404 (III) 396 Gregor von Nazianz (Kirchenvater) (II) 324 (III) 397 Gregor I. (Papst) (II) 313 Gregor XV. (Papst) (III) 338 Grenitz, Anna Maria (geb. Hessler von Waldau) (III) 562 Grenitz, Georg (III) 562 Grevenbroich, Wilhelm von (II) 370 Greventhal, Christian (III) 450 Grimm, Jacob (III) 480 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von (III) 379 Groß, Johannes (I) 343 Grotius, Cornelius (I) XXIV, XXXI (II) 150, 152, 410, 449, 461–463, 487, 490 (III) 528, 534 Grotius, Hugo (I) XXVI, XXXI, 393 (II) 150, 337, 347, 388, 415, 421, 435, 445, 447, 449, 460–462, 464–470, 493, 533 (III) 424, 542, 544, 546, 549, 560, 584–586, 588, 590, 607, 619 Grotius, Maria (geb. van Reigersberch) (II) 461, 469 Grotius, Willem (II) 465 (III) 584 Grun, Thomas (III) 342 Grunaeus, Simon (I) 379 (II) 286, 334 (III) 461
Personenregister Gruter, Janus (I) 138, 236, 281, 331, 336, 351, 363, 365, 367, 369, 418 f., 428, 430 f., 435–438, 449, 472 f. (II) 120, 172, 174, 200, 202, 220, 234, 303, 320, 337 f., 346, 415–417, 480, 482 f., 485, 487, 504, 509, 513, 539, 549, 555 (III) 494 f., 589, 599 Grynäus, Johann Jakob (III) 202, 507 Gryphius, Andreas (I) XV, 395, 402 (II) 419 (III) 346, 434, 573, 602 f. Güldenstern, Anna (geb. von Czema) (III) 184, 492 f., 498 f. Güldenstern, Sigismund (III) 176, 190, 192, 490, 492 f., 497–499 Gulielmius, Janus (I) 436 Gustav I., König von Schweden (III) 158, 477, 483 Gustav II. Adolf, König von Schweden (II) 316, 420, 434, 438, 476, 478 f. (III) 196, 337, 364, 368, 371, 377, 379, 399, 402, 407, 410, 412 f., 416, 419 f., 426, 436, 438, 476, 486, 495–497, 564 Habermann, Friedrich (I) 281, 336 (III) 350 Habermann, Margarethe (geb. Rindfleisch) (I) 86, 281, 336 (III) 350 Hadrian, römischer Kaiser (III) 588 Hafenreuter, Johann Ludwig (III) 507 Hain von Löwenthal, Christoph (III) 616 Hainhofer, Philipp (III) 437 Hallmann von Strachwitz, Dorothea (geb. Baudis) (I) 242, 446 f. (II) 228, 489 (III) 461, 518 Hallmann von Strachwitz, Paul (I) 242, 446–448 (II) 228, 489, 558 (III) 518, 569 Hallmann, Johann Christian (II) 537 Hallmann, Matthäus (II) 430, 537 f. Hamilton, Heinrich Albert (I) 456 (II) 52, 64, 302–304, 316 Hannibal (I) 208, 291, 418, 421 (II) 512 (III) 398, 416 Harpocration (III) 308, 613 Harpprecht, Johann Christoph (II) 430 Harsdörffer, Georg Philipp (III) 530 Hartmann, Johann (II) 406, 550 Heberle, Johannes (III) 379 Hebron, Daniel (III) 364 Hedwig von Andechs, Herzogin von Schlesien (III) 8, 331, 333, 380
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Hedwig, Prinzessin von Dänemark, Kurfürstin von Sachsen (III) 387 Heemskerck, Jacob van (II) 152, 461, 464 f. Heere, Lucas de (II) 329 Heermann, Johann (II) 270, 293, 363, 377 (III) 2, 30, 282, 326–330, 346 f., 578–580, 616 Heermann, Samuel (III) 580 Hegewald, Georg (II) 420 Heinisch, Thomas (II) 224, 450, 542 Heinnitz, Samuel (II) 408 Heinrich III., König von Frankreich (III) 429 Heinrich IV., König von Frankreich (I) 214, 423 (II) 325 (III) 204, 429, 433, 508, 510 Heinrich I., Herzog von Schlesien (III) 333, 380 Heinrich II., der Fromme, Herzog von Schlesien (III) 8, 44, 331, 333, 380 Heinrich III., der Erlauchte, Markgraf von Meißen (III) 611 Heinrich III., Herzog von Glogau (II) 386 Heinrich IV., Herzog von Schlesien (III) 611 Heinrich Wenzel, Herzog von Münsterberg (II) 411, 414, 548 (III) 351 f., 552 Heinsius, Daniel (I) XXII, XXXI, 78, 160, 292 f., 301, 304, 322 f., 327, 332 f., 338, 345, 351–355, 357–359, 368, 370, 372, 377, 379 f., 383 f., 389, 395–398, 400 f.,404–407, 409, 418, 427, 435, 449 f., 456, 458 (II) 52, 54, 174, 210, 216, 302–306, 325, 342, 365, 368 f., 413, 415, 449, 484, 486, 509, 524, 526, 528 (III) 369, 385, 390, 570, 590 Heintze, Ernst Friedrich von (II) 325 Heintzius, Johannes (II) 547 (III) 361 Hekataios (III) 26, 338 Heliogabalus, römischer Kaiser (II) 260 Helvidius Priscus (II) 6, 263 Henel, Anna (geb. Partisch) (I) 441 (II) 362 Henel, Christian Friedrich (II) 362, 363 (III) 616 Henel, Nikolaus (I) 281, 311, 379, 432 (II) 228, 252, 318, 320, 359, 362–364, 377, 385, 403, 406 (III) 36, 310, 347, 350, 352, 355–360, 442, 448, 451, 474, 524, 562, 570, 615–618 Henel, Rosina (II) 362 f. (III) 358, 615 Heraklit (I) 264, 473
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Personenregister
Herder, Johann Gottfried (I) XV Herdesianus, Cyriacus (II) 397 Herdwigius, Georg (II) 397 Hermann, Daniel (II) 445 (III) 361, 442, 448, 451 Hermann, Elias (II) 445 Hermann, Michael (II) 445 Hermann, Susanna siehe Rampusch, Susanna Hermann, Zacharias (II) 427, 444 f. (III) 343, 351, 355 Herodes (I) XV, 178, 397 Herodot (I) 314 (II) 466 (III) 304, 335, 481, 485, 488, 610 Herold, Euphrosyne (geb. Scultetus) (II) 547 Herold, Laurentius (II) 547 Herrmann, Anna Maria siehe Senftleben, Anna Maria Hertel, Anna siehe Seifert, Anna Hesiod (I) 334, 349, 362, 440, 455 (II) 314, 379, 407, 496, 544, 554 (III) 338, 342, 344, 398 Heß, Johann (III) 599 Hessler von Waldau, Anna (geb. von Rhediger) (III) 562 Hessler von Waldau, Daniel (III) 562 Hessus, Helius Eobanus (I) 368, 370 (II) 328, 534 Hesychios von Alexandria (III) 304, 306, 610 Heurnius, Johannes (III) 373 Heusinger, Johann Michael (III) 349 Hevelius, Johannes (II) 440 (III) 515 Heydeck von Pfaffendorf, Anna siehe Pein, Anna von Hieronymus (Kirchenvater) (I) 258, 304, 468 (II) 68, 324 (III) 396 Hieronymus von Prag (III) 495 Hildesheim, Franz (II) 275 Hillinger, Johannes (II) 52, 232, 299–302, 537, 549 (III) 570 Hindenberg, Andreas (II) 24, 32, 275 Hippokrates von Kos (II) 378 (III) 40, 372 f., 595 Hipponax (I) 359 Hoeckelshoven, Johannes von (I) 280 Hoffmann, Anna (geb. Nagel) (II) 360 (III) 523
Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian (II) 359 f., 412, 427 (III) 226–234, 523–534, 536, 606, 616 Hoffmann, Georg d.Ä. (II) 359 Hoffmann, Georg d.J. (II) 359 Hoffmann von Hoffmannswaldau, Johann (II) 86, 359–362, 363, 393, 406, 427 (III) 226–232, 339, 356, 448, 523 f., 526–529, 533, 616 f. Hoffmann von Hoffmannswaldau, Maria (geb. Artzat von der Arnoldsmühle) (II) 86, 359–362 (III) 523 Hoffmann, Magdalena (geb. Hogel) (II) 360 Hoffmann, Wolfgang (III) 403 Hofmann, Caspar (II) 323 (III) 444 Hofmann, Johann Jacob (I) 391 (III) 543 Hofmann, Zacharias (III) 444, 568 Hogel, Magdalena siehe Hoffmann, Magdalena Homer (I) 317, 320, 324 f., 331, 335, 344, 354 f., 371, 390 (II) 271, 284, 285, 377, 432, 465, 466, 468, 494, 535 (III) 26, 126, 160, 338 f., 341, 345, 397 f., 449, 472, 485, 509, 527, 541, 583 Homer von Byzanz (III) 397 Homuth, Christoph (III) 348 Hondius, Jodocus (III) 218, 515 Honorius, weströmischer Kaiser (III) 482 Honorius Augustodunensis (III) 308, 612 Hoppe, David (II) 436 Hoppe, Israel (III) 290, 477, 586, 590, 592–595 Horaz (I) 282 f., 287, 307, 323, 326, 330, 340–343, 347, 349 f., 358, 362, 364–366, 368, 378, 380, 382 f., 385 f., 389, 391, 414, 440, 446, 459, 467 (II) 62, 188, 276, 309, 313 f., 316, 324, 333, 336, 364, 371, 383, 398, 407, 414, 421, 431, 436, 446, 454, 456, 458, 462 f., 466, 469–471, 475, 482, 493 f., 498 f., 503, 507, 524–526, 528 f., 532, 535, 541, 543 f., 547, 552, 555–558 (III) 36, 246, 338, 344, 357 f., 369, 374, 388, 396, 417 f., 421, 431, 433, 445, 455, 457, 464, 489, 514, 516, 526 f., 529, 531, 533 f., 541, 548, 557, 578, 594, 621 Horn, Gustav (III) 412, 419 f. Hornmolt, Sebastian (II) 328 Hortleder, Friedrich (III) 413
Personenregister Hosman, Abigail siehe Rethel, Abigail Hosman, Joachim (I) 312 Hossmann, Elias (II) 286 Hotomannus, Franciscus (II) 402, 447 (III) 360 Hotz, Johann (III) 363 Howard, Thomas (III) 611 f. Hübner, Anna (geb. Langner) (II) 397 Hübner, David (II) 397 Hübner, Elias (II) 397 Hübner, Heinrich d.Ä. (II) 397, 429 Hübner, Heinrich d.J. (II) 397 Hübner, Tobias (I) 332, 334, 439 (II) 62, 64, 302 f., 314 f., 317, 348, 438 Hulsius, Fridericus (III) 436 f. Humius, Antonius (I) 432 Hünefeld, Andreas (III) 467, 516, 535, 567, 576, 584, 592, 603, 606, 608 Hus, Jan (I) 212, 423 (III) 495 Hutten, Ulrich von (I) 461 (II) 311, 370 Hyginus (I) 348, 401 (II) 369 In- und Kniphausen, Dido von (III) 363 f. Innozenz IV. (Papst) (III) 306 Isabella Clara Eugenia von Spanien, Statthalterin der spanischen Niederlande (II) 276 (III) 258, 421, 555 Isabella von Aragón, Herzogin von Mailand (III) 158, 484 Isidor von Sevilla (III) 308, 612 Isokrates (I) 362 Iustinus (III) 335 Iwan IV. (der Schreckliche), Großfürst von Moskau (III) 200, 506 Jacob, Barbara siehe Cunrad, Barbara Jacob, Christoph (II) 375 (III) 579 Jacob, Kaspar (II) 330 Jacob, Maria (geb. Weinberg) (II) 330 Jacobi, Christoph (III) 580 Jacobi, Gottfried (I) 146, 366 f., 384 (II) 182, 549 Jacobi, Katharina (geb. Emmerich) (I) 366 f. (II) 182, 549 Jacobson, Abraham (III) 146, 467–469 Jacobson, Jacob (III) 468 f. Jacobson, Virginia (geb. Keckerbart) (III) 146, 467–469 Jadwiga von Anjou, Königin von Polen (III) 504
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Jadwiga, Prinzessin von Polen (III) 504 Jakob I., König von England und Schottland (I) 419, 422 f., 471 (II) 325 Jäkosch, Kaspar (II) 442 Jäkosch, Maria siehe Machner, Maria Jan Kazimierz, König von Polen (III) 268, 485, 539, 557 Jerin, Andreas (II) 405 Joachim II., Kurfürst von Brandenburg (II) 408 Joachim Ernst, Markgraf von BrandenburgAnsbach (II) 24, 275 Joachim Friedrich, Herzog von LiegnitzBrieg-Wohlau (II) 291, 409 (III) 330, 333, 401 Joachim Friedrich, Kurfürst von Brandenburg (III) 395 Joannicki, Gabriel (III) 488 Johann III. Wasa, König von Schweden (III) 158, 475, 477, 483 f. Johann III., Herzog von Sachsen-Weimar (III) 407, 413 Johann Adolf, Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf (I) 329 Johann Christian, Herzog von Brieg (I) 298, 441, 445 (II) 44, 46, 252, 290–293, 378, 409, 501 f. (III) 8, 40, 86, 333, 369 f., 372 f., 381–383, 392, 401, 407, 411, 419, 427 f., 431 f., 434, 439 f., 463, 490, 520–522, 536, 567, 601, 604, 611, 617 Johann Ernst, Herzog von Sachsen-Weimar (II) 345 Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg (II) 291 (III) 395, 542 Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen (II) 279, 317, 423, 438, 485, 489 (III) 86, 387, 401, 413, 463, 494 Johann Georg, Herzog von Brandenburg-Jägerndorf (I) 464, 474 (II) 279, 345 Johann Georg I., Fürst von Anhalt-Dessau (I) 439 Johann Kasimir, Herzog von Sachsen-Coburg (III) 413 Johann Kasimir, Pfalzgraf von Pfalz-Simmern (III) 507 Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg (I) 342, 465 (II) 478 (III) 395 Johann Zápolya, König von Ungarn (I) 469
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Personenregister
Johannes Chrysosthomos (Kirchenvater) (I) 404 (III) 397 Johannes Zonaras (III) 308, 612 Jordanes / Jornandes (III) 156, 304, 480, 610 f. Jovianus, römischer Kaiser (I) 258, 468 Juan d’Austria, Statthalter der spanischen Niederlande (II) 271 Juba II., König von Mauretanien (III) 304, 610 Juel, Mogens (II) 492 Julian, römischer Kaiser (I) 330 (III) 588 Julius Cäsar (I) 316, 428, 445, 446 (II) 92, 263, 276–278, 280, 288, 295, 342, 372, 374, 383, 387, 428, 493 (III) 52, 80, 218, 326, 335 f., 387 f., 392, 395, 399, 411, 456, 474, 480, 509, 514, 604 Julius Pollux (III) 304, 610 Jungermann, Gottfried (I) 308 Junius Rusticus (II) 6, 262 f. Junius, Melchior (III) 202, 507 Justinian (III) 353 Justinus (I) 314 (II) 68, 324 Juvenal (I) 74, 308, 330, 448, 451 (II) 90, 253, 371, 401, 514, 521 (III) 358, 402, 446, 554, 583 Kaldenbach, Christoph (III) 560 Kalle, Albrecht Christian (III) 404 Kallimachos (II) 192 Kamper, Magdalena siehe Machner, Magdalena Karl der Große, römisch-deutscher Kaiser (I) 62, 326 (II) 56, 58, 60, 100, 311, 356 f., 384 f. (III) 308, 443, 608 Karl V., römisch-deutscher Kaiser (I) 477 (II) 130, 132, 309–312, 435 (III) 423, 540 Karl I., König von England (III) 426 Karl IX., König von Schweden (II) 479 (III) 454, 475 Karl X. Gustav, König von Schweden (III) 539 Karl II., Herzog von Münsterberg-Oels (II) 408 f. Karl, Erzherzog von Österreich (I) XXV (II) 302, 308–312, 346, 354, 497, 534 f. (III) 258, 350, 383, 409, 554, 571 Karl Friedrich, Herzog von MünsterbergOels (III) 352, 366, 407
Karol Ferdynand, Bischof von Breslau und Plock, Fürst von Neisse (III) 485 Károlyi, Clara (geb. Szyni) (I) 465 Károlyi, Ladislaus (I) 465 Károlyi, Zsuzsanna, Fürstin von Siebenbürgen (I) XXVII, 262, 439, 442, 462, 464–466, 470 f., 475 (II) 265, 272, 289, 295, 320, 351, 459, 474–477, 523 (III) 337, 449, 480, 505, 530 Katharina Jagiellonica, Königin von Schweden (III) 158, 475, 484 Katharina von Brandenburg, Fürstin von Siebenbürgen (I) 465 (II) 476, 478, 543 Kazimierz III., König von Polen (III) 504 Kazimierz IV., König von Polen (III) 198, 505 Keckerbart, Anna (geb. Zierenberg) (III) 469 Keckerbart, Johann (III) 469 Keckerbart, Virginia siehe Jacobson, Virginia Keckwitz und Austen, Friedrich von (I) 58, 324 f. Kepler, Johannes (I) 375 (II) 403, 412, 436 (III) 373, 376 f., 379, 515, 602 f. Kickepusch, Reinhard von (II) 346 Kilian, Lukas (III) 328 f., 437 Kirchner, Anna (I) 385 Kirchner, Caspar d.Ä. (I) 110, 122, 130, 156, 158, 160, 238, 240, 246, 283, 295, 333, 351, 353 f., 360, 378–385, 441–443, 445–447, 453 (II) 62, 64, 80, 186, 204, 216, 240, 282, 300, 302 f., 313 f., 316 f., 326, 343 f., 346 f., 432, 483, 492, 494, 497, 515 f. (III) 342, 383, 462, 570 Kirchner, Caspar d.J. (I) 385 Kirchner, Maria Theodora (I) 385 Kirchner, Martha d.Ä. (geb. Queisser) (I) 158, 378, 381 (II) 432 Kirchner, Martha d.J. (I) 385 Kirchner, Rosina (I) 385 Kittlitz, Christoph Freiherr von (I) 388 Klaj, Johann (I) 449, 453 Kleinwächter, Valentin (III) 599 Klimpke, Anna (geb. Rose) (I) 386 Klimpke, Jonas (I) 386 Klopstock, Friedrich Gottlieb (III) 376 Klose, Heinrich (III) 598
Personenregister Kluge, Blandina (geb. Winckler) (III) 276, 567 f., 572 Kluge, Tobias (III) 276, 567–569, 572 Klugmichel, Crispin (III) 576 Knobelsdorf von, Margarete siehe Bibran, Margarete von Knobelsdorf, Seyfried von (II) 455 Kober, Georg (I) 16, 286, 291 (II) 334 Kochanowski, Jan (II) 330 (III) 457 Kohl, Andreas (III) 437 f. Kolumbus, Christoph (III) 422 Königsmann, Robert (II) 413 (III) 481, 611 Konrad I., römisch-deutscher Kaiser (II) 100 Konstantin der Große, römischer Kaiser (I) 455 (II) 58, 311 (III) 541 Konstantinos Kephalas (III) 589 Kopernikus, Nikolaus (I) 275 (III) 373, 376 Kopisch, Jacob (I) 441 (II) 188, 190, 264, 289, 414, 474, 477, 500–502 Korecka siehe Leszczy´nska Korecki, Samuel (III) 312, 619, 622 Korybut, litauischer Großfürst (III) 312, 619 Koschwitz, Anna siehe Milde, Anna Koschwitz, Florian Daniel (II) 352 Krates von Mallos (I) 72, 124, 330, 358 Kratylos (I) 421 Kreckwitz, Abraham von (II) 300 Kreckwitz, Friedrich von (II) 144, 383, 453, 532 Kreischelwitz, Barbara von (geb. von Mühlheim und Domantz) (III) 571 Kreischelwitz, Hans von (III) 278, 571 f. Kreischelwitz, Heinrich von (III) 278, 571–573 Krentzheim, Katharina siehe Baudis, Katharina geb. Krentzheim Kroes, Maria siehe Buchner, Maria Kroes, Sebastian (II) 489 Krüger, Niklas von (II) 359 f. Kurtzmann, Johannes (II) 393, 427 f. (III) 340, 347, 452, 580 Labadie, Jean de (I) 413 Laelius, Gaius (I) 442 Laet, Johann de (III) 308, 614
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Laevius (I) 292 Laktanz (I) 248, 313, 454 f., 457 (II) 547 (III) 378 Lamm, Ann-Christina zum siehe Schmuck, Ann-Christina Landskron, Johannes von (I) XXXI, 86, 134, 324 f., 336, 363, 442 (II) 210, 290, 339, 453, 455, 514, 524 f. Lange, Emilie siehe Rindfleisch, Emilie Lange von Langenhof, Ernst (III) 32, 351–353 Langen, Andreas von (III) 118, 428, 431, 438, 547, 557 Langner, Anna siehe Hübner, Anna Languet, Hubert (II) 402 Lansius, Thomas (III) 339 Lasso, Orlando di (III) 450 Lauban, Melchior (I) 311 (II) 286, 292 f., 318, 330, 334, 363, 377, 403, 406 (III) 359, 367 Lauretus, Hieronymus (II) 476 Lauterbach, Dorothea (geb. Winckler) (III) 569 Lauterbach, Johann (III) 569 Leighton, William (III) 450 Lemke, Heinrich (III) 469 Leopold Wilhelm, Erzherzog von Österreich (II) 313 (III) 558 Leslie, Alexander (III) 521 Lesser, Friedrich Christian (III) 622 Lessno / Leszno / Leszczno siehe Leszczy´nski Leszczy´nska, Anna / Katharina (geb. Korecka) (III) 312–319, 618–622 Leszczy´nska, Katharina siehe Czema, Katharina von Leszczy´nska, Teodora siehe Gorajska, Teodora Leszczy´nski, Andrzej d.Ä. (III) 184, 200, 208, 496, 506 Leszczy´nski, Andrzej d.J. (III) 194, 312–319, 501, 512, 514, 618–622 Leszczy´nski, Boguslaw (III) 194, 214, 501 Leszczy´nski, Rafał (gest. 1450) (III) 504 f. Leszczy´nski, Rafał (Sohn des vorigen) (III) 198, 504 f. Leszczy´nski, Rafał (Großvater des folgenden) (III) 200, 506
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Personenregister
Leszczy´nski, Rafał (1579–1636) (I) XXVIII (III) 184, 192–208, 428, 470, 480, 490, 496, 499–517, 596, 618 f. Leszczy´nski, Rafał (Sohn des vorigen) (III) 194, 501 Leszczy´nski, Władysław (III) 194, 501 Leuschner, Balthasar (II) 70, 326 (III) 367 Leyser, Polycarp (III) 363 Liechtenstein, Karl von (I) 276 (II) 539 Linde, Adrian von der (III) 623 Lindeiner, Georg von (III) 364 Lindner, Kaspar Gottlieb (I) 451 Lineus, Thomas (II) 367 Lingelsheim, Agnes (geb. Loefen) (II) 481 Lingelsheim, Friedrich (I) 431 Lingelsheim, Georg Michael (I) XVII, 322, 333, 417, 426, 430 (II) 170, 257, 329, 337, 388, 447, 462, 480–482, 485, 553 (III) 384–386, 599, 610 Lingelsheim, Jakob (II) 170, 481, 488 Lipperhey, Hans (III) 376 Lipsius, Justus (I) XXII, XXIV, 325, 361, 364, 399, 423 f., 473 (II) 70, 325, 358 f., 453 f., 493, 509, 541 (III) 204, 244, 377, 385 f., 395, 398, 400, 493, 509, 546 f., 597 Livius (I) 288, 295, 304, 309, 421 f. (II) 6, 208, 264, 370, 469, 523, 539 (III) 302, 374, 378, 383, 398, 402, 489, 494, 609 Lobkowitz, Stencko Adalbert von (II) 423 Lobwasser, Ambrosius (II) 327, 329 Loefen, Agnes siehe Lingelsheim, Agnes Logau, Friedrich von (II) 270, 293, 422, 429 f., 537 f. (III) 579 f. Lohenstein, Daniel Casper von (II) 442 (III) 434, 524, 530, 533, 558 Loin, Magdalena siehe Reichel, Magdalena Longos (I) 44, 308, 338 Longueval, Comte de Bucquoy, Charles-Bonaventure de (I) 222, 427 Longus, Albericus (I) 276 Löschin, Gotthilf (III) 468, 609 Lotichius Secundus, Petrus (I) 453 (II) 435 (III) 590, 621 Loysa Amoena, Prinzessin von Anhalt-Köthen (I) 447 (II) 48, 220, 293–296, 322, 404, 411, 533 Lucae, Andreas (I) 2, 275 Lucae, Friedrich (III) 390
Lucanus, Andreas (III) 138, 459–461 Lucanus, Augustinus (III) 460 Lucilius (II) 437 Lucius Albinius (I) 212, 422 Lucius, Ludovicus (III) 202, 507 Ludovicus, Laurentius (I) 368 Ludovicus, Nikolaus siehe Ludwig, Nikolaus Ludwig der Fromme, römisch-deutscher Kaiser (II) 100, 385 Ludwig der Deutsche, König des Ostfrankenreiches (II) 385 Ludwig I., der Große, König von Ungarn (III) 198, 504 Ludwig XI., König von Frankreich (III) 510 Ludwig XIII., König von Frankreich (II) 469, 537 (III) 508, 510 Ludwig I., Fürst von Anhalt-Köthen (II) 48, 220, 293 f., 296, 298, 316, 322, 381, 404, 411, 530, 533 (III) 570, 586, 590, 606, 614 Ludwig V., Kurfürst von der Pfalz (I) 212, 423 Ludwig, Herzog von Brieg (II) 46, 290 (III) 382 Ludwig d.J., Prinz von Anhalt-Köthen (II) 295 Ludwig, Nikolaus (I) 311 (II) 307 (III) 367 Luise Juliane von Oranien, Kurfürstin von der Pfalz (I) 421 Lukan (I) 308, 310, 373, 397 (II) 276, 313, 414, 452, 468, 471, 485, 493, 499 (III) 410, 412, 424, 438, 497 Lukian (I) 130, 295, 360, 362 (II) 258 Lukrez (I) 300, 304, 314, 365 f., 378, 391, 454, 456 f., 469, 476 (II) 325, 418, 462–464, 466, 468 f., 493, 498, 503, 528 f. (III) 373, 622 Luther, Martin (I) 212, 290, 349, 395, 398 f., 402, 404 f., 408, 410, 413, 415–417, 423, 466 (II) 290, 318, 458, 526 (III) 447, 458, 549 Lygdamus (II) 554 Lykophron (I) 327 (III) 397 Machiavelli, Niccolò (III) 210, 336, 512 Machner, Anna Maria (II) 442 Machner, Anna Rosina (II) 442 Machner, Christian (II) 442 Machner, Florentina (II) 442 Machner, Magdalena (geb. Kamper) (II) 442
Personenregister Machner, Maria (geb. Jäkosch) (II) 442 Machner, Martha (geb. Scholtz) (II) 134, 441–443 Machner, Matthias (II) 134, 252, 441–443 (III) 343, 442, 445, 616 Macrinus siehe Salmon, Jean Macro (III) 465 Macrobius Ambrosius Theodosius (III) 533, 563 Maecenas (I) 62, 292, 307, 325 (II) 164, 316, 383, 470, 475, 532, 535 (III) 24, 338, 388, 431, 434, 594, 621 Magdalene Sibylla, Herzogin von SachsenAltenburg (III) 401 Magnus, Herzog von Holstein (III) 394 Magnus, Johann Samuel (II) 259 (III) 568 Magnus, Johannes (III) 482 Magnus, Olaus (III) 482 Maier, Michael (III) 495 Major, Elias (II) 341 f., 360, 363, 379, 406, 427, 442, 444 (III) 343, 347, 351 f., 355, 361, 364, 442, 445, 448, 451, 524, 562, 616 Major, Johannes siehe Groß, Johannes Makovius, Catharina (geb. Esken) (III) 236, 534 Makovius, Samuel (III) 236, 534–536 Malmø, Aquilonius von (II) 303 Mamertus Claudianus (III) 596 Manassès de Pas de Feuquières, Isaac (III) 417 Manilius (I) 295, 382, 456 (II) 463, 469, 499 (III) 333, 388 Mansfeld, Ernst von (Peter Ernst II., Graf von Mansfeld) (I) 373, 427 (II) 253, 335, 345, 355, 371, 373, 411, 457, 477, 479, 490 (III) 332, 379, 413 Mansfeld, Karl von (II) 16, 266, 271 Mansfeld, Peter Ernst I., Fürst von (II) 271 Marcus Antonius (II) 263 (III) 387, 533 Marcellus, Marcus Pomponius (I) 331 Marenzi, Luca (III) 450 Margarethe von Navarra, Königin von Frankreich (III) 429 Maria Anna von Bayern, Erzherzogin von Österreich (III) 558 Maria Eleonore von Brandenburg, Königin von Schweden (III) 436
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Maria Elisabeth, Prinzessin von Sachsen, Herzogin von Schleswig-Holstein-Gottorf (II) 489 Maria Ludovica Gonzaga, Königin von Polen (III) 539, 553 Maria Stuart, Königin von Schottland (I) 422 Marius, Gaius (II) 276 (III) 393 Marner (I) 76, 322, 332 Marnix, Philipp van (I) 74, 331 (II) 329 Marot, Clément (I) 78, 329, 332 (II) 72, 327 f. Marradas, Balthasar von (II) 220, 454, 532, 534 f. Martial (I) 236, 286, 292, 295, 308, 325, 327, 348, 356, 358, 368, 381, 435, 437, 448, 459 f. (II) 313, 335, 467, 469 f., 475, 480, 509, 515, 525, 548 f., 557 (III) 320, 371, 421, 445, 537, 563, 590, 611, 625 f. Martianus Capella (II) 380, 467 Martin V. (Papst) (III) 394 Martin von Braga (I) 258, 468 Martinitz, Jaroslav von (I) 427 Masen, Jacob (III) 573 Matius (III) 432 Matthias, römisch-deutscher Kaiser (I) 335, 424, 427, 469 (II) 28, 60, 257, 266, 276 f., 312, 355, 359 f., 403, 405, 423 (III) 358 f. Matthias Corvinus, König von Ungarn (I) 258, 469 f. (II) 477, 559 (III) 198, 200, 505 f. Maussac, Philippe Jacques de (III) 308, 613 Maximilian I., römisch-deutscher Kaiser (II) 58, 311 f. Maximilian II., römisch-deutscher Kaiser (II) 60, 312 (III) 358 Maximilian I., Kurfürst von Bayern (I) 420 (II) 416, 457 (III) 258, 412, 414 f., 484, 508, 555 Maximilian III., Erzherzog von Österreich (II) 26, 257, 266, 276 Maximos Planudes (III) 286, 588 f. Maximos von Tyros (I) 112, 353 Mechthild von Magdeburg (I) 416 Medici, Cosimo de’ (II) 393, 427 Megiser, Hieronymus (III) 589 Mehen, Ellardus van (II) 294 Meister, Joachim (I) 140, 368 Melanchthon, Philipp (I) 291, 311, 343, 429 (III) 306, 374 f., 377, 465, 466, 599
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Personenregister
Melideus, Jonas siehe Milde, Jonas Melissus, Gaius Maecenas (I) 378 Melissus, Paulus siehe Schede Melissus, Paul Menander Rhetor (III) 457 Menapius Insulanus, Guilelmus siehe Grevenbroich, Wilhelm von Menippos von Gadara (I) 300 Mercula, Georg (III) 614 Merian, Matthäus d.Ä. (III) 392 Merula, Paul (III) 308, 614 Mesmes, Claude de (III) 216, 468, 514 Messalla, Marcus Valerius (I) 349 (II) 494 Metellus, Q. Caecilius (III) 220, 516 Meursius, Johannes (I) 327, 435 Meyfart, Johann Matthäus (III) 579 f. Michael I., Zar von Russland (III) 498 Michael, Woiwode der Walachei (II) 20, 266, 272–274 Micraelius, Johannes (III) 576 Micyllus, Gertrud (I) 349 (III) 449, 621 Micyllus, Jacobus (I) 349, 371 (III) 446, 449, 621 Mieszko, Herzog von Polen (III) 196, 502 Milde, Anna (geb. Koschwitz) (II) 352 Milde, Jonas (I) 44, 46, 138, 308 f., 321, 329, 365 f., 379, 392, 445 (II) 230, 352, 442 Milich, Heinrich (III) 460 Milich, Johannes (III) 460 Mimmer, Zacheus (III) 360 Minucius Felix (Kirchenvater) (II) 452 Mochinger, Angelica (geb. Neri) (II) 128, 426 f., 431 f. Mochinger, Johann (II) 128, 426–429, 431 f., 546 (III) 128, 278, 406, 428, 451 f., 524, 528, 533, 571–576, 580, 599 Moeller, Johann (III) 623 Moersen, Margrethe von (II) 303 Moller, Martin (II) 32, 279 Molnár, Albert Szenczi (II) 72, 318, 329 f., 403, 500 Monau, Friedrich (II) 426 (III) 495 Monau, Jakob (II) 402 (III) 495 Monau, Peter (III) 495 Monsius, Iohannes (I) 34, 299 f. Morel, Féderic (III) 433 Morel, Jean (III) 433 Morhof, Daniel Georg (III) 406 Morisoto, Claudio Bartholomaeo (II) 500
Moritz, Kurfürst von Sachsen (II) 435 Moritz von Oranien, Statthalter der Niederlande (II) 22, 24, 30, 257, 266, 274, 525 (III) 204, 425, 509 Moritz, der Gelehrte, Landgraf von HessenKassel (I) 40, 304 f. (III) 542 Morus, Thomas (III) 382 Moscherosch, Johann Michael (I) 382 (II) 441, 522 Movil˘a, Ieremia (III) 312, 619 f. Movil˘a, Simeon (III) 620 Muck, Christina (geb. Mylia) (III) 366 f. Muck von Muckendorff d.Ä., Johannes (III) 40, 366–369 Muck von Muckendorff d.J., Johannes (III) 40, 366–369 Muck von Muckendorff, Peter (III) 367 Mühlheim und Domantz, Barbara siehe Kreischelwitz, Barbara Mühlpfort, Heinrich (II) 442 Müller, David (I) 414 (II) 287, 446, 449, 511, 540, 544 (III) 328, 339, 431, 579 Müller, Maria (geb. Rhenisch) (II) 287 Müncerus, Paul (II) 440 Mundrich, Hermann (II) 96, 379 f., 397 f., 404 (III) 443 Murad IV., Sultan des Osmanischen Reiches (III) 336 Muret, Marc-Antoine (I) 436 (III) 244, 248, 542, 544, 546 f., 549 Musaios (III) 338 Mutschelnitz, Anna Maria von siehe Bergk, Anna Maria von Mylius, Christina siehe Muck, Christina Mylius, Johannes (III) 367 Mylius, Martin (I) 140, 368 Naborovius, Daniel (III) 507 Nagel, Anna siehe Hoffmann, Anna Namsler, Elias (I) 14, 56, 285, 319, 345 Namsler, Sebastian (I) 100, 276, 313, 344 f., 350, 365 (II) 230 Napoleon I., Kaiser der Franzosen (II) 385 Neander, Christoph (III) 442 Neander, Paul (III) 450 f. Neomenius, Johannes (I) 280 (II) 286, 330, 406 (III) 367 Neomenius, Rosina siehe Timaeus, Rosina Nepos, Cornelius (II) 285
Personenregister Neri, Angelica siehe Mochinger, Angelica Neri, Giovanni Battista (II) 427 Neri, Pietro (II) 426 f. Nero, römischer Kaiser (I) 66, 216 (II) 6, 62, 260, 280 f., 298, 316 (III) 48, 64, 382, 395 f. Nessel, Martin (III) 585 Neuenfeld, Georg (III) 460 Neufville, Nicolas de (Villaregius) (III) 202, 508 Niclas, Albert (III) 188, 498 Niebelschütz, Sigismund von (II) 362 Nigrinus, Bartholomaeus (II) 236, 553 f. (III) 524 Nikomedes, König von Bithynien (II) 92, 372 Nonnos (I) 327 Nostitz, Johann Hartwig von (II) 424 Nostitz, Otto von (II) 126, 346, 357, 370, 422–424 Nostitz, Sophie von (II) 424 Nüßler, Bernhard Wilhelm (I) XIII, XIV, XXVII, XXXI, 32, 38, 40, 42, 110, 132, 240, 244, 246, 248, 283, 285, 297–299, 303, 305 f., 309, 311, 325, 351, 353 f., 361 f., 369, 371 f., 379, 436, 438, 440, 445, 447, 450–452, 454, 456 f. (II) 40, 64, 108, 136, 138, 160, 182, 216, 230, 255, 281–286, 292, 298, 300, 307, 310, 317 f., 334 f., 347, 363, 377, 382, 398 f., 403, 406, 425, 437, 442, 446–450, 470, 495–497, 521, 540, 551 (III) 343, 359, 367, 371, 383, 390, 393, 444–446, 448, 462, 467, 477, 498, 522, 530, 539, 598–600 Nüßler, Chrysostomus (I) 305 Nüßler, Justine (geb. Gierlach) (II) 282 f. Nüßler, Martin (I) 14, 285 f. (II) 182, 310, 446, 495 Obiechow, Jan (III) 198, 503 Obsopoeus, Vincentius (III) 589 Odoaker, König der Westgoten (III) 482 Odontius, Johann Caspar (II) 430, 538 Ogier, Charles (III) 468, 514, 608 Oldenbarnevelt, Johan van, niederländischer Staatsmann (III) 425 Olearius, Adam (I) XV (III) 364 Olgierd siehe Algirdas Olhaf, Ioachim (III) 535 Öllhafen, Maximilian (III) 524
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Olympos (III) 26, 339 Opali´nski, Krzysztof (III) 512 Opali´nski, Łukasz (III) 556 Opitz, Christoph (I) 385 (III) 495 Opitz, Sebastian (I) 385 (III) 340 Origanus, David (I) 441 Origanus, Johannes (I) 441 Orlizius, Paulus (III) 477 Ortlob, Carl (III) 354 Ostius, Melchior (II) 330, 360 (III) 352, 355, 445 Otho, römischer Kaiser (III) 438 Otto z Pilicy (Otto Pilecius) (III) 198, 504 Ottokar II., König von Böhmen (II) 58, 311 Ovid (I) XXXI, 42, 68, 140, 240, 283, 285 f., 288, 295 f., 298, 303, 305–307, 310 f., 314, 326–328, 340, 342, 348, 350, 354, 358, 361 f., 364–366, 368–370, 372–374, 376–378, 382, 384 f., 389 f., 422, 434, 444 f., 457, 459 f., 475 f. (II) 192, 254, 283, 285, 289, 295, 304, 310, 312, 339, 350, 356, 378 f., 394, 396, 404, 414, 432, 452 f., 462–465, 468 f., 471, 475, 479, 481–483, 487, 494, 496 f., 499–501, 505–508, 510 f., 515, 520 f., 526, 528 f., 534, 536, 544, 552, 554, 561 (III) 329, 338, 342, 344, 346, 389, 402, 406, 418, 423 f., 443, 448 f., 471 f., 485, 513 f., 526 f., 529 f., 551, 563, 569, 578, 583, 604, 620 Owen, John (III) 626 Oxenstierna, Axel, schwedischer Kanzler (III) 407, 419, 436 f., 476, 570 Pahlen, Nicolaus (III) 623 Palladius (III) 614 Pallas (III) 48, 382 Pareus, David (I) 136, 363–365 Parrhasius (III) 70, 398 Partisch (Bartsch), Anna siehe Henel, Anna Pasquelin, Johann (II) 275 Passelius, Georg (II) 118, 412, 414 (III) 534 Passerat, Jean (III) 202, 508 Pastorius, Joachim (III) 543, 550 Pauli, Friedrich (I) 462 (II) 502 Paulus (Apostel) (III) 447, 549 Pausanias (I) 282, 295 Pechmann, Gabriel (II) 371 Pedanios Dioskurides (III) 304, 611
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Personenregister
Pehrisch, Christian (II) 116, 412, 415 (III) 377, 534 Pein, Anna (geb. Heydeck von Pfaffendorf) (III) 355 Pein, Anna Beata siehe Freywaldt, Anna Beata Pein, Johann von (III) 352, 354, 355, 431, 448, 524, 615 Pelargus, Christoph (I) 297 Pelshofer, Anna (geb. Wecker) (II) 232, 549–551 Pelshofer, Johann Georg (II) 232, 437, 549–552 Pelshöfer, Veit (II) 549 Perikles (III) 142, 393, 464 Perkin, William (I) 451 Perotti, Francesco (II) 72, 329 Persius (I) 314, 358, 371, 434, 461 (II) 357, 378, 401, 411 (III) 64, 396 Persten (Bernstein), Dobeslaus von (III) 504 Persten (Bernstein), Johannes Freiherr von (III) 503 Persten (Bernstein), Philipp Freiherr von (III) 502 Persten (Bernstein), Wratislaw von (III) 196, 503 Petrarca, Francesco (I) 78, 290, 296, 313 f., 329, 335, 352, 359, 367, 370 f. (II) 138, 395, 418, 534 (III) 385, 390 Petron (I) 68, 292, 325, 328, 380 (II) 358, 467 (III) 382 Phaidon von Elis (I) 434 Phaidros (I) 360 Phalaikos (III) 461 Philetas von Kos (III) 595 Philikos (III) 397 Philipp II., König von Spanien (II) 271, 276 (III) 426 Philipp III., König von Spanien (III) 337 Philipp IV., König von Spanien (II) 308 (III) 337, 421 Philipp III., der Gute, Herzog von Burgund (III) 422 Philipp der Großmütige, Landgraf von Hessen (I) 304 Philipp, Erzbischof von Posen (III) 196 Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Herzog von Jülich und Berg (III) 486
Phokylides von Milet (III) 432 Photius I., Patriarch von Konstantinopel (III) 308, 612 Piast, Herzog von Polen (III) 8, 332 Pibrac, Guy du Faur de (III) 116, 120, 427–430, 432–434, 508, 520 Piccolomini, Enea Silvio (III) 418 Piccolomini, Octavio (III) 390 Pico della Mirandola, Giovanni (III) 374 Pilchowska v. Bieberstein, Anna siehe Riccius, Anna Pilgram, Anna Maria (geb. Germersheim) (II) 232, 393 f., 407 Pilgram, Johannes (II) 106, 232, 332, 393 f., 407 Pindar (I) 300, 325, 328 (III) 345, 381, 464, 548 Pissinska, Katharina siehe Czema, Katharina von Pistorius, Elias (II) 548 Pistorius, Theophilus (II) 548 Pithou, Pierre (III) 308, 612 Pius, Johannes Baptista (II) 509 Platon (I) XXX, 66, 130, 277, 298, 313 f., 352 f., 356 f., 360, 382, 421, 433, 434, 456, 477 (II) 305, 378, 394, 454, 458 f., 531 (III) 16, 42, 334, 338, 375 f. 382, 398, 533, 574 Platter, Felix (III) 495 Plaue, Johannes (III) 603 Plautus (I) 236, 275, 278, 281, 330, 356 f., 435 f., 438 (II) 90, 289, 340, 371, 384, 417, 472, 493, 503, 509, 514 f., 525, 549, 558 (III) 480, 532 Pleitner, Johannes (III) 473 Plinius d.Ä. (I) 279, 356, 376, 419, 430 (II) 468, 528 f., 531 (III) 48, 381, 383, 399, 489 Plinius d.J. (I) XXVII, 76, 325, 331, 418–420, 422, 424 f., 466 f., 471 (III) 333, 338, 382 f., 394, 398 f., 421, 478, 480, 488 f. Plotin (I) 477 Plutarch (III) 334, 399, 527 Poggio Bracciolini (I) 387 (II) 393 Pohl, Michael (III) 363 Poley, Sophia siehe Wacker, Sophia Polius, Nikolaus (II) 427 Poll, Anna Florentina (geb. Viatis) (III) 274, 561, 563 Poll, Christoph (III) 274, 561–563
Personenregister Poll, Michael (II) 333, 341, 360 (III) 363 Polybius (III) 338, 401 Pommer, Tobias (II) 14, 270 Pompeius, Gnaeus (II) 276 (III) 326, 388, 399 Pomponius Mela (III) 308, 557, 612 Pomposianus, Metius (II) 6, 262 f. Pontano, Giovanni (II) 138 (III) 446, 590 Pontanus, Jacobus (III) 308, 613 Pontanus, Johann Isaak (II) 294 Pontius Pilatus, Statthalter in Judäa (I) 178, 180, 397, 400 f. Popel zu Lobkowiz, Benigna (II) 269 Pöpler, Melchior (I) 18, 288 f. Praetorius, Johannes (I) 411 Prätorius, Adam (I) 342 Prätorius, Karl Gotthelf (III) 495, 535–537, 587, 590 Praxiteles (I) 376 Predislaus Goluchow (III) 198, 504 Preibisch, Christoph (II) 406, 548 (III) 364 Preibisch, David (I) 18, 56, 287, 319 Preibisch, Valentin (I) 287 Preibisius siehe Preibisch Preller, Esther siehe Schubert, Esther Preuss, Johannes d.Ä. (III) 590 Preuss, Johannes (III) 236, 284, 290, 536 f., 584–587, 590 f., 593 f. Preuten, Georg (III) 602 Probus, römischer Kaiser (I) 258, 468 Procilla, Julia (II) 268 Profius, Joachim (III) 348 Profius, Ursula siehe Thomas, Ursula Promnitz, Abraham von (II) 271, 277 Promnitz, Balthasar von (II) 12, 14, 16, 265, 268–270, 277 Promnitz, Caspar von (II) 277 Promnitz, Hedwig von (II) 14, 270 Promnitz, Heinrich Anselm von (II) 257, 271, 277 Promnitz, Karl von (II) 268, 271, 277 Promnitz, Leonore von (III) 332 Promnitz, Sidonia siehe Sunegk und Jessenitz, Sidonia von Promnitz, Siegfried d.Ä. von (II) 268 f., 271 Promnitz, Siegfried von (I) XXV, XXVIII, XXIX (II) 4, 8, 12, 14, 16, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 38, 255–262, 265–271, 275–282,
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289, 370, 372, 374 (III) 331, 339, 431, 500 f., 510, 517, 521 Promnitz, Siegfried von (Sohn Weighards von Promnitz) (II) 277 Promnitz, Sigismund Siegfried von (II) 277 Promnitz, Stanislaus von (II) 268, 277 Promnitz, Ursula von (geb. von Schaffgotsch) (II) 14, 257, 269 f. Promnitz, Weighard von (II) 14, 16, 257, 266, 268, 270, 277 Properz (I) 306, 366, 368, 385, 455 (II) 192, 394, 414, 454, 464, 507, 510 (III) 338, 418, 444 Prudentius (I) 248, 454, 455, 457 (II) 545, 547 Pseudo-Seneca (I) 437 Pseudo-Tibull (I) 349 Ptolemaeus, Claudius (III) 373, 418 Ptolemaios II. Philadelphos, König von Ägypten (I) 204, 420 (III) 68, 397 Putscher, Daniel (III) 364 Pyrrhos, König der Molosser (I) 452 Pythagoras (II) 467 (III) 18, 26, 334, 398, 432, 434, 481, 488, 614 Queisser, Martha siehe Kirchner, Martha d.Ä. Quintilian (I) 78, 283, 295, 317, 321, 328, 333, 345, 356, 377, 438 (II) 447 f., 467, 479, 523 (III) 325, 396, 398, 532, 554 Rabirius (III) 556 Radzimin, Anna siehe Leszczy´nska, Anna Radzimin, Stanislaus (III) 208, 510 Radzimin, Stephan (III) 510 Radziwiłł, Bogusław (III) 238, 509, 538–542 Radziwiłł, Christoph (III) 477, 499, 538-540 Radziwiłł, Janusz d.Ä. (III) 538, 542 Radziwiłł, Janusz d.J. (III) 538 Radziwiłł, Johann (III) 540 Radziwiłł, Nikolaus (III) 540 Radziwiłł, Nikolaus, der Rote (III) 540 Raembgen, Johannes (II) 420 Raffael da Urbino (III) 594 Raleigh, Walter (III) 469f. Rampusch, Anna Dorothea (geb. Aßmann) (II) 444 Rampusch, Eva Susanne (geb. von Schilling) (II) 444
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Personenregister
Rampusch, Joachim (II) 136, 444 (III) 343 Rampusch, Jonas (II) 444 Rampusch, Maximilian (II) 444 Rampusch, Susanna (geb. Hermann) (II) 136, 444 (III) 343 Ravaillac, François (I) 423 Rechenberg, Anna von (I) 350 Rechenberg, Melchior von (I) 170, 392 Reichel, Johannes (III) 124, 443–445 Reichel, Magdalena (geb. Loin) (III) 443 f. Reichenbach, Heinrich von (III) 118, 427 f., 430 f., 434, 520 Reigersberch, Maria van siehe Grotius Maria Reinecke, Reiner (III) 306, 611 Reitstein, Johann Friedrich (III) 435 Rethel, Abigail (I) 312 Rethel, Heinrich (I) 50, 312 Reusner, Adam (I) 453 Reusner, Jeremias (II) 430 Reusner, Nikolaus (II) 309 (III) 494 Rhediger, Anna von siehe Hessler von Waldau, Anna Rhediger, Nikolaus (II) 362, 402 f. (III) 494 Rhediger, Thomas (III) 494, 606 Rhein, Johann-Just von (III) 364 Rhenanus, Beatus (II) 492 Rhenisch, David d.Ä. (II) 287 Rhenisch, David d.J. (II) 42, 284–287, 301, 318, 330, 341 f., 377, 379 f., 406, 427, 444 (III) 343, 355, 364 Rhenisch, Maria siehe Müller, Maria Rhete, Anna (geb. Richter) (III) 576, 623 Rhete, David (III) 576 Rhete, Friedrich Ludwig (III) 577 Rhete, Georg (III) 576, 623 Rhete, Johann Valentin (III) 280, 559, 575–578 Rhode, Martin (III) 576 Rhodius, Theodor (I) 436 Rhorius, David (I) 452 Rhorman, Balthasar (III) 444 Riccius, Adam (III) 272, 559 f. Riccius, Anna (geb. Pilchowska v. Bieberstein) (III) 560 Riccius, Barbara Sophia (III) 560 Riccius, Christoph (III) 559 f. Riccius, Joachim (III) 559 Riccius, Maria (III) 560
Riccius, Ursula (geb. Behm) (III) 272, 559f. Richelieu, Armand-Jean du Plessis, duc de (III) 335, 337, 413, 417, 423, 426 Richter, Anna siehe Rhete, Anna Richter, Gregor (I) 371, 386, 451 (II) 425 Richter, Lukas (III) 350 Rigaltius, Nicolaus (II) 447 Rijp, Jan Corneliszoon (II) 464 Rindfleisch, Daniel d.Ä. (I) 8, 86, 281 f., 336, 432 (II) 359 f. (III) 350 Rindfleisch, Daniel d.J. (III) 350 Rindfleisch, Emilie (geb. Lange) (III) 350 Rindfleisch, Margarethe siehe Habermann, Margarethe Rindfleisch, Martha siehe Frank, Martha Rindfleisch, Theodor (III) 350 Rist, Johann (III) 464, 591 Rittershusius, Nicolaus (I) 335 Rivinus, Andreas (III) 371 Röber, Paul (II) 437 (III) 580 Röber, Rosina siehe Sartorius, Rosina Rogge, Johannes (I) 88, 336 Rogge, Helena (I) 86, 88, 336 Rollenhagen, Georg (III) 418 Rompler von Löwenhalt, Jesaias (I) 335 (II) 522 (III) 379 Ronsard, Pierre de (I) 78, 322 f., 329, 332, 336 (II) 138 (III) 116, 429 Rosa, Reinhard (II) 363, 377, 379, 393, 406, 444 f. (III) 343, 351, 352, 354, 355, 448, 451, 524, 562, 615 Rosarius, Anna Margarethe (II) 431 Rosarius, Georg Heinrich (II) 431 Rosarius, Hans Rudolph (II) 431 Rosarius, Johannes (II) 429–432, 537 f. Rosarius, Margarethe (geb. Vollgnad) (II) 429–431, 537 Rosarius, Samuel (II) 429 Rosarius, Susanna Dorothea (II) 431 Rose, Anna siehe Klimpke, Anna Röse, Bernhard (III) 407 f., 413 Rose, Martin (I) 386 Rostgaard, Frederik (II) 303 Rothmaler, Erasmus d.Ä. (III) 622 Rothmaler, Erasmus d.J. (III) 320, 622–626 Rotterschütz, Valentin (I) 308, 344 Ruarus, Martin (III) 581 Rubach, Martin (II) 440–441
Personenregister Rudolf I., römisch-deutscher König (I) 368 (II) 58, 311 Rudolf II., römisch-deutscher Kaiser (I) 150, 214, 368, 374 f., 424 (II) 20, 24, 60, 271–274, 276, 312, 402 f., 405, 477 (III) 180, 202, 358 f., 491, 495, 508 Rudolf, Prinz von Brieg (II) 46, 290 (III) 382 Rumbaum, Barbara siehe Cunrad, Barbara Rumbaum, Christoph (II) 405 f. Rumbaum, Georg (II) 406 Rusdorf, Johann Joachim (I) 431 Rutgersius, Janus (II) 64, 316 Ruttert, Matthäus (II) 334 Sabinis, Angelus de Curibus (II) 505 Salis, Hans Wolf von (III) 415 Sallust (I) 68, 309, 328, 445 (II) 258, 493 (III) 218, 334, 336, 397, 398, 415, 514 Salmasius, Claudius (I) 277 (II) 447 (III) 589, 614 Salmon, Jean (II) 312 Salza, Jacob von (II) 269 Sambucus, Johannes siehe Zsámboky, János Sanftleben siehe Senftleben Sannazaro, Jacopo (I) 332, 453 (II) 138 (III) 590 Sappho (I) 112, 280, 313, 353, 459 (II) 378, 449 Sarbiewski, Maciej Kazimierz (III) 455, 457 Sartorius, Andreas (I) 30, 32, 296, 297 Sartorius, Rosina (geb. Röber) (I) 296 f. Sauer, Georg (I) 22, 291 Savelli, Götz Duc Graf de (III) 364 Scaliger, Joseph Justus (I) 277, 329, 341 (II) 102, 387–390, 413, 486 (III) 244, 248, 373, 433, 546, 549, 590 Scaliger, Julius Caesar (I) 283, 323, 341, 371, 390 (II) 70, 309, 316, 325, 333, 486, 524 f., 527 (III) 584 f., 588 Schaf, Ulrich (II) 269 Schaffgotsch, Anna Elisabeth von (II) 265 (III) 330 Schaffgotsch, Barbara Agnes von (geb. Herzogin von Liegnitz-Brieg) (I) XXVIII (II) 264 f. (III) 4–26, 330–332, 338 Schaffgotsch, Christoph Leopold von (II) 265 (III) 330 Schaffgotsch, Cunczo zu Kemnitz-Kynast von (II) 269
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Schaffgotsch, Gotthard Franz von (III) 330 Schaffgotsch, Heinrich zu Neuhaus und Hertwigswalde von (II) 14, 269 Schaffgotsch, Johann Ulrich d.Ä. von (II) 6, 257 f., 260–262, 265, 269, 511 (III) 4–26, 330 f., 336, 412 Schaffgotsch, Johann Ulrich d.J. von (II) 265 (III) 330 Schaffgotsch, Reinczo zu Neuhaus von (II) 269 Schaffgotsch, Ursula von siehe Promnitz, Ursula von Schede Melissus, Paul (I) 24, 292, 295, 321f., 333, 340, 378, 393, 410, 421, 447 (II) 72, 327, 357, 463, 481, 498, 513 (III) 509 Scheidt, Samuel (III) 450 Scherffer von Scherffenstein, Christian (III) 355 Scherffer von Scherffenstein, Wenzel (I) 335 (II) 422 (III) 345 Schickfuß von Neudorff, Jakob (II) 293, 330, 363, 377 (III) 355, 359, 361, 442, 448, 451 Schickfuß von Neudorff, Jakob-Martin (III) 361, 444 Schifner, Andreas (II) 438 Schiller, Friedrich (III) 407, 412 f., 420 Schilling, Elisabeth von siehe Fölckel, Elisabeth Schilling, Eva Susanne von siehe Rampusch, Eva Susanne Schilling, Friedrich von (III) 570 Schilling, Sigmund (III) 524 Schindler, David (I) 372 Schindler, Martin (I) 148, 372 (II) 442 Schleich, Clemens (II) 447 Schleicher, Hans (III) 350 Schlichting, Alexander (III) 292, 512, 567, 595 f. Schlichting, Johannes (III) 212, 292, 294, 500, 512, 595 f. Schlick, Heinrich Graf von (III) 390 Schmid, Michael (I) 315 Schmidlin, Elisabeth (II) 393 Schmidt, Romanus (II) 230, 330, 547–549 (III) 445 Schmuck, Ann-Christina (geb. zum Lamm) (II) 538
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Personenregister
Schmuck, David (II) 538 Schnieber, Brigitte (geb. Teutschmann) (II) 340 Schnieber, Christoph (I) 422 (II) 78, 240, 340 f. Schoedel, Martin (II) 329 Scholtz, Adam (I) 278 Scholtz, Caspar (II) 442 Scholtz, Christoph (II) 444 Scholtz, Georg (I) 4, 277–279 Scholtz, Martha siehe Machner, Martha Scholz, Laurentius (III) 494 Schönaich, Georg von (I) 320, 347 (II) 518 Schönborner, Georg (III) 524 Schosser, Christian Theodor (III) 122, 439–441, 625 Schosser, Johann (III) 439 Schosser, Johann Ernst (III) 440 Schramus, Thomas (I) 379 (II) 70, 326 Schreiner, Philipp (I) 379, 382 Schröer, Johann Ernst (III) 602 Schröer, Thomas (III) 451 Schröter, Peter Elias (II) 425 Schubert, Esther (geb. Preller) (I) 310, 441 (II) 230, 362 Schubert, Zacharias (I) 20, 46, 289, 291, 301, 441 (II) 230, 362 Schulitz, Weighard (II) 318 Schultz, Maria siehe Riccius, Maria Schultze, Georg (II) 299 Schütz, Heinrich (I) 448 (II) 412, 436 (III) 450 Schwabe von der Heyde, Ernst (I) 82, 84, 86, 322, 324, 334 f. Schwartzbach, Christoph (I) 36, 301–303 (II) 242, 286, 318, 330, 341 f., 377, 379, 393, 403, 406, 440, 442, 444 (III) 343, 352, 355, 445, 448, 451, 562, 598 Schwarz, Sibylle (III) 623 Schwarzenberg, Adam von (II) 168, 478 (III) 513 Schweinitz, David von (I) 324, 363 (II) 202, 210, 290, 383, 450, 514 f., 524 f. (III) 327, 355, 411, 425 Schweinoch und Schweinhaus, Adam von (II) 300 Schwendendorfer, Georg Tobias (III) 362
Scipio Aemilianus, Publius Cornelius (II) 463 Scribonius Curio, römischer Volkstribun (III) 398 Scriverius, Petrus (I) 332 (II) 483 Scultetus, Abraham (I) 138, 311 f., 363, 365 Scultetus, Andreas (III) 340 Scultetus, Bartholomäus (II) 32, 172, 279 Scultetus, Euphrosyne siehe Herold, Euphrosyne Scultetus, Friedrich (III) 562 Scultetus, Georg (II) 319 Scultetus, Helene (geb. Weigel) (III) 562 Scultetus, Hieronymus Caspar (I) 52, 315, 333 Scultetus von Schwanensee und Bregoschitz, Tobias (I) XXX, 26, 42, 52, 78, 86, 90, 170, 278, 294, 302 f., 305–307, 315 f., 322, 324, 333, 336–341, 388, 393 (II) 212, 242, 359, 403, 450, 482 f., 526 (III) 358, 430 Sebisch, Adam von (III) 524 Sebisch, Melchior (II) 341 Secundus, Johannes (III) 590 Seidel, Georg (III) 444 Seidel, Samuel (III) 38, 363, 365 Seidlitz, Christoph von (II) 222, 251, 300 f., 430, 537–539 (III) 347, 541 Seidlitz, Hans Georg (II) 538 Seidlitz, Melchior d.Ä. (II) 430, 538 Seidlitz, Melchior d.J. (II) 538 Seifert, Anna (geb. Hertel) (II) 395 Seifert, David (II) 106, 108, 238, 367, 395 f., 428, 431, 443 (III) 362 Seifert, Lorenz (II) 395 Seifert, Maria (geb. Böhme) (II) 395 Seifert, Martha (geb. Sprenger, verw. Franck) (II) 367, 395, 428, 431, 443 (III) 362 Seifert, Michael (II) 395 Seifert, Sigismund (II) 395 Seiler, Joachim (I) 288 Seiler, Johannes (I) 18, 288 (III) 340 Sejanus (I) 424 Selden, John (III) 306, 308, 611 f. Selnecker, Nikolaus (II) 328 Sempronia (III) 397 Seneca d.Ä. (I) 321, 327, 328 (III) 513
Personenregister Seneca d.J. (I) 130, 134, 236, 278, 281, 300, 318, 321, 324 f., 350, 353, 355, 358–361, 364, 371, 380, 382, 415, 419, 428 f., 435–440, 461, 473 f., 477 (II) 48, 62, 277, 281, 297–299, 308 f., 313, 316, 322, 333, 356, 359, 373, 391, 399, 424, 452, 463, 467, 472, 478, 499, 537, 555, 557 (III) 332, 334, 338, 385 f., 397, 400–402, 462, 478, 489, 520, 529 f., 554–556, 574 Senftleben, Andreas (I) 283, 285, 287–292, 298, 319, 345, 379, 385 (II) 2, 251–253, 289, 318, 442, 460, 530, 542, 551 (III) 339, 440–442, 448, 598 f., 616 Senftleben, Anna Maria (geb. Herrmann) (III) 26, 339 Senftleben, Caspar (II) 259 (III) 26, 339, 340, 341, 355 Senftleben, Elias (III) 340 Senftleben, Magdalena (II) 252 Senftleben, Valentin (I) 10, 16, 54, 56, 122, 282, 283, 286, 289 f., 316 f., 319, 357, 452 (II) 76, 220, 230, 334 f., 474, 542 (III) 339, 341 Sennert, Daniel (II) 437 Serre, Jean Puget de la (III) 432 Servius Tullius, römischer König (III) 402 Sestius, Publius (I) 58, 318, 323, 324, 357 Seusse, Cordula (geb. Ziegler) (II) 436, 438 Seusse, Johannes (II) 64, 132, 317, 403, 436–439 (III) 599 Seusse, Sophia (geb. Tomitsch) (II) 436 Severus, Georgius siehe Sauer, Georg Sextus Roscius Amerinus (III) 398, 450 Seydel, Maria (geb. Engel) (III) 363 Seydel, Petrus (III) 363 Seyler, Georg Daniel (III) 592 Seyller, Abraham (III) 524 Seyller, Anna siehe Althof, Anna Sforza, Gian Galeazzo, Herzog von Mailand (III) 158, 484 Shakespeare, William (III) 480 Sidney, Philipp (I) 332 Sidonius Appollinaris (II) 467, 509 (III) 232, 532 f. Siefert, Paul (III) 450 Siger von Brabant (III) 376 Sigismund, römisch-deutscher Kaiser (I) 423
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Sigismund (Name polnischer Könige) siehe Zygmunt Sigismund Báthory, Fürst von Siebenbürgen (I) 463 f. (II) 18, 20, 257, 260, 266, 272–274 Silius Italicus (I) 382, 421 (II) 467, 512 Simonides, Simon (III) 246, 548 Sinapius, Johannes (III) 352, 355–359, 366, 431, 562, 571 f. Sinner, Anna (geb Grun) (III) 342 f., 531, 561 Sinner, Caspar (II) 333 (III) 28, 342–345, 461, 531, 561, 570 Slawata, Wilhelm von (I) 427 Smend, Oswald (II) 416 Sokrates (I) 102, 132, 347, 361 f., 390, 434 (II) 467 (III) 338 Solis, Vincenz de (III) 340 Sonnenfeld, Conrad von (III) 524 Sophia, Königin von Dänemark (III) 391 Sophie Elisabeth von Anhalt-Dessau, Herzogin von Liegnitz (I) 438 f. (II) 301 (III) 333 Sophokles (III) 140, 232, 462, 463, 464, 466 f., 531 Sositheos (III) 397 Sosophanes (III) 397 Spangenberg, Johann (II) 328 Sparr, Christian von (III) 564 Sparr, Ernst Georg von (III) 274, 564–567, 574 Sparr, Gottlieb von (III) 274, 564–566 Sparr, Otto Christof (III) 564 Spelman, Henry (III) 308, 614 Sperer, Esaias (II) 236, 555 (III) 510 Spinola, Ambrogio (II) 240, 275, 416, 451, 455, 482, 484, 557 (III) 555 Sporus (III) 48, 382 Sprenger, Martha siehe Seifert, Martha Stange, Heinrich von (I) 246, 388, 450, 452 (II) 382 Starck, Daniel (III) 577 Stark, Friedrich (III) 538 Statius (I) 296, 306, 313, 342, 364 f., 380 f., 459 (II) 312 f., 447–449, 464–466, 469, 479, 494, 535 (III) 444, 493 Steck, Johann Georg (III) 600 Stephan IV. Báthory, König von Polen (III) 184, 475, 483, 496, 544
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Personenregister
Stephan, Christoph (III) 585 Stesichoros (I) 338 (III) 381 Stettler, Anton (III) 427 Stigelius, Johannes (III) 446 Stilo (III) 308, 612 Stöberkeil, Christoph (I) 18, 287 (II) 279 Stöffler, Johann (III) 375 Strabon (II) 544 (III) 308, 612 Streso, Adam (II) 293 f. Strobel, Bartholomäus (III) 524 Sture, Sven (III) 483 Sturm, Johannes (III) 360 Styrius, Wolfgang (II) 86, 252, 358, 375, 391, 406 (III) 355, 616 Sueton (I) 74, 284, 308, 330 f., 358, 422 (II) 260–265, 268, 270, 272, 278–281, 312, 316, 372, 493 (III) 374, 382, 387, 396, 400, 417, 456, 466, 486 Suleiman II., Sultan des Osmanischen Reiches (II) 58, 312 Sulla, römischer Diktator (II) 276 (III) 398, 479 Sunegk und Jessenitz, Hans von (II) 277 Sunegk und Jessenitz, Sidonia von (geb. Promnitz von) (II) 277 Sweelinck, Jan Pieterszoon (III) 450 Symmachus (I) 68, 328 (II) 469 Synesius (III) 398 Syrenius, Simeon (III) 488 Székely, Mózes (II) 272 Szymonowic, Szymon siehe Simonides, Simon Szyni, Clara siehe Károlyi, Clara Tacitus (I) 68, 76, 236, 317, 321, 327 f., 331, 384 f., 418, 424, 435, 437, 452, 467 (II) 2, 90, 126, 253, 260–263, 265, 267 f., 270–272, 276, 278 f., 281 f., 288, 298, 370, 424, 464, 470, 473 (III) 336, 382 f., 392, 395, 396, 398, 399, 418, 465 f., 486, 494 f., 555 Tallinger, Andreas d.Ä. (III) 360, 361 Tallinger, Andreas d.J. (III) 361 Tallinger, Johann Ludwig (II) 437 (III) 38, 355, 360–362 Tallinger, Maria (III) 360 Tarnau und Kühschmalz, Barbara von siehe Apelles, Barbara Tarnowska, Barbara siehe Zamojski, Barbara
Tasso, Torquato (I) 78, 329, 332 Taubmann, Friedrich (I) 357, 435 (II) 436 Telesio, Antonio (I) 362 Terenz (I) 437 (II) 340, 463, 499, 508 (III) 232, 512 f., 527, 532 Tertullian (Kirchenvater) (I) 356 (III) 433 Tesczy´nski / Tenczyn, Jan (III) 218, 515 Teuber, Balthasar (II) 70, 325, 326 Teubner, Marcus (II) 251 Teufel von Zeilberg, Martin (II) 430 Teufel von Zeilberg, Maria siehe Vollgnad, Maria Teutschmann, Brigitte siehe Schnieber, Brigitte Teutschmann, Georg (II) 340 Teybertz, Johann Freiherr von (III) 106, 415, 417 Thebesius, Adam (I) 336 Thebesius, Georg (I) 439, 448 (II) 291–293, 306, 409, 411 (III) 373, 380, 382, 428 Themistokles (III) 64, 396 Theoderich, König der Ostgoten (III) 156, 482 Theodora Sanguscia, litauische Fürstin (III) 208, 220, 510 Theodosius, oströmischer Kaiser (I) 455 (II) 312 (III) 544 Theognis (I) 277 Theokrit (I) 338 f., 342 (II) 528 (III) 334 Thilo, Gottfried (II) 300 Thomas von Aquin (I) 415 (III) 376 Thomas, Anna (geb. Brieger) (III) 348 Thomas, Balthasar (III) 30, 348 f. Thomas, Hedwig (III) 30, 347, 349 f. Thomas, Ursula (geb. Profius) (III) 348 Thou, François-August de (II) 462 Thou, Jaques-Auguste de (II) 460, 462 (III) 116, 202, 427–431, 433 f., 508, 611 Thrasea, Paetus (II) 6, 263 Thukydides (III) 396 Thurn, Heinrich Matthias Graf von (I) 373 (II) 484 (III) 412 Tiberius, römischer Kaiser (I) 74, 216, 330 f., 424 (II) 6, 263, 280 (III) 102, 409 Tibull (I) 281, 305, 307, 366, 368 f. (II) 315, 463 f., 493 f., 515, 558 (III) 558 Ticinius Capito (III) 399 Tieffenbach, Georg (I) 14, 284, 286–288
Personenregister Tierenberger, Jeremias (III) 367 Tilenus, Georg (II) 269, 388 Tilesius, Christian (II) 406 Tilesius, Christiana siehe Cunrad, Christiana Tilesius, Jonathan (III) 444 Tilesius, Melchior (II) 318 Tilly, Johann T’Serclaes Graf von (I) 429 (II) 130, 132, 434 f., 451, 456 f., 485 (III) 104, 196, 335, 353, 380, 391, 412 f., 415 f. Timaeus, Michael (I) 280 Timaeus, Rosina (geb. Neomenius, Rosina) (I) 280 Titus, römischer Kaiser (II) 268, 270, 278, 280, 312 (III) 335, 400, 438 Titus, Petrus (I) 98, 343 Titz, Caspar (III) 343 Titz, Georg (III) 566 Titz, Johann Peter (III) 553, 566 f., 603 Tomitsch, Sophia siehe Seusse, Sophia Trajan, römischer Kaiser (I) 204, 418 f., 422, 467, 471 (II) 60 272, 309, 313, 519 (III) 18, 48, 74, 102, 156, 333, 335, 382 f., 394, 399, 409, 478, 480 f., 488 Trémouille, Charlotte de la (III) 433 Treptau, Jakob (III) 519 Trespius, Georg (III) 340 Triller, Daniel Wilhelm (I) XIV Troester, Johannes (II) 504 Troibreze siehe Teybertz Troilo von Lassoth, Nikolaus (II) 112, 206, 402–405, 516–520, 547 (III) 532 Troilo, Johann Franz (II) 517 Troilo, Katharina (geb. von Freund) (II) 517 Troilo, Katharina siehe Wacker, Katharina Trozendorf, Valentin (I) 309 (II) 352 Trypander, Georg (III) 460 Tscherning, Andreas (I) 330 (II) 252, 287, 431 f., 442, 444 (III) 296, 325–327, 339 f., 345, 525, 579, 581 f., 597–601, 616 Tscherning, Anna (geb. Wolfram) (I) 387 (II) 394 (III) 361 Tscherning, Johann (I) 162, 387 (II) 394 (III) 361 Tscherning, Martin (I) 24, 292 Tschonder, Jeremias (III) 442–444 Tyrtaios (III) 378 Ulfila (III) 613 Ulrich, Herzog von Mecklenburg (III) 391
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Ulrich von Holstein, Prinz von Dänemark (I) XXVIII (III) 50, 54, 56, 62, 68, 76, 92, 98, 384–393, 396 f., 399, 414 Ulrich Johann, Prinz von Dänemark (III) 391 Urban VIII. (Papst) (III) 214, 260, 512 f., 555 Urpach, Aloisius von (II) 100, 385 Urpach, Konrad von (II) 100, 385 Ursinus, Zacharias (III) 495 Utland, Christoph (III) 461 Utland, Katharina siehe Baudis, Katharina Valens, oströmischer Kaiser (I) 258, 468 (III) 482 Valentinian, römischer Kaiser (I) 258, 468 Valerius Flaccus (I) 140, 368, 378, 428, 459 (II) 465, 485 Valerius Maximus (I) 70, 329 (II) 516 Varro, Marcus Terentius (I) 300, 438 (II) 320, 509 (III) 308, 533, 614 Vechner, Daniel (I) 308 (II) 441 (III) 30, 348 f. Vechner, Dorothea (III) 348 Vechner, Georg (I) 48, 311 f. (II) 320 (III) 349 Vechner, Hedwig siehe Thomas, Hedwig Vegetius (III) 394 Velázquez, Diego (III) 555 Velleius Paterculus (III) 398 Venantius Fortunatus (I) 290, 404 Venator, Balthasar (I) 174, 392, 399, 402, 430 f., 436, 445, 452 (II) 190, 224, 234, 259, 294, 308, 323, 337 f., 365, 415–417, 441, 450, 458, 480, 485, 490, 504–510, 539 f., 552 f. (III) 512, 619 Vergil (I) 24, 62, 142, 158, 277, 279, 281, 284 f., 292, 298, 303 f., 306, 308, 310, 314 f., 325, 327 f., 336–342, 354 f., 357, 366, 369 f., 373–375, 377 f., 381, 384, 415, 421, 427, 429, 444, 447, 455–457, 459, 475–477 (II) 62, 192, 271, 302, 306 f., 311 f., 314, 316, 325, 339, 352, 380, 383, 391, 396, 398, 407, 411, 445, 452 f., 463–466, 468–470, 473, 475–477, 479–481, 484, 486, 491, 493–498, 509, 516, 527–530, 535, 544, 549, 554, 561 (III) 98, 126, 218, 232, 334, 338, 342, 344 f., 373, 385–387, 401 f., 404–406, 410, 413, 415, 423, 425, 439, 448 f., 470,
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Personenregister
514, 527, 529–532, 537, 541, 547, 569 f., 572, 611, 623 Verlingen, Wilhelm (II) 305 Verres (I) 319, 421 (III) 334, 400, 401, 494, 467 Vespasian, römischer Kaiser (II) 264, 270, 280 f. (III) 42, 48, 383, 438 Viatis, Anna Florentina von siehe Poll, Anna Florentina Viatis, Bartholomäus (III) 562 Viatis, David von (III) 562 Viatis, Heinrich (III) 562 Viatis, Joachim Ernst (III) 562 Vida, Marco Girolamo (I) 323 Villon, François (I) 332 Virdung, Michael (II) 403 Viritius, Andreas (III) 377 Vitellius, römischer Kaiser (III) 438 Vogl, Coelestin (III) 408 Voidius, Balthasar (III) 622, 626 Vollgnad, Erasmus (II) 429 f. Vollgnad, Johann (II) 430 Vollgnad, Margarethe siehe Rosarius, Margarethe Vollgnad, Maria (geb. Teufel von Zeilberg) (II) 430 Vossius, Gerhard Johannes (I) XXIX, 435 (II) 258, 260, 262, 278, 385, 427 (III) 457, 556 Vulcanius, Bonaventura (III) 308, 606, 613 Wacker von Wackenfels, Johann Matthäus (II) 402–405, 517–519 (III) 353, 360, 377, 495 Wacker, Katharina (geb. Troilo) (II) 402, 517 Wacker, Maria Helena (II) 402 Wacker, Sophia (geb. Poley) (II) 402 Wagner, Maria siehe Tallinger, Maria Walch, Georg (III) 437 Wallenstein, Albrecht Wenzel Eusebius von (II) 335, 342, 355 f., 371, 411, 435, 443, 479, 490, 534 (III) 330, 332, 338, 364, 369, 373, 390 f., 399, 401, 409, 411 f., 416, 418, 420, 431, 434, 439, 565 Walther von der Vogelweide (I) 332 Waltherr, Simon (II) 537 f. Warszewicki, Krzysztof (III) 546 Wartenberg, Maria Elisabeth von siehe Burghaus, Maria Elisabeth von
Wecker, Anna siehe Pelshofer, Anna Wecker, Georg (II) 550 Weckherlin, Georg Rudolph (I) 333, 335 (II) 434 Wegierski, Andreas (III) 499 Weidner, Johann Leonhard (I) 431 Weigel, Christian (I) 2, 275–277 Weigel, Georg (I) 276, 344 Weigel, Helene siehe Scultetus, Helene Weigel, Johannes (I) 276 Weigel, Ursula (I) 276, 344 Weinberg, Maria siehe Jacob, Maria Weinrich, Karl (II) 122, 124, 251, 419 (III) 124, 442 f. Weinrich, Magdalena siehe Frank, Magdalena Weinrich, Martin (III) 350 Weitz, Johannes (III) 599 Wenzel Adam, Herzog von Teschen (II) 271 Werder, Diederich von dem (II) 348 (III) 440, 519, 570 Werner, Erzbischof zu Gnesen (III) 503 Wernicke, Julius Emil (III) 591 Wessel, Helena (I) 392 Wessel, Johann (I) 56, 319, (II) 334, 392 Wider, Michael (I) 307, 344 Wieland, Matthäus (I) 20, 289 Wieniawa, Johannes (III) 198 Wieniawa, Philipp (III) 196, 502 f. Wilde, Wenzel (II) 420 Wilhelm von Cilli (III) 198 Wilhelm von Oranien, Statthalter der Niederlande (II) 274 Williram von Ebersberg (III) 308, 606, 614 Winckler, Blandina siehe Kluge, Blandina Winckler, Dorothea siehe Lauterbach, Dorothea Winckler, Nikolaus (III) 276, 567–569 Winkler, Daniel (III) 447 Winnenberg, Philipp von (II) 327 Winsbeke (I) 332 Wittich, Christoph (III) 367 f. Władysław II., König von Polen (III) 198, 504, 511, 619 Władysław IV., König von Polen (I) XIV, XXVII, XXXI (III) 130, 152, 156, 160, 174, 250, 252, 428, 453–459, 462 f., 465–468, 471–473, 476 f., 479, 483, 485 f.,
Personenregister 490, 493, 511, 515, 517 f., 536 f., 539, 547, 549–554, 556–558, 565, 574, 585, 590 f., 593 f., 601, 609 Wolfram, Anna siehe Tscherning, Anna Worm, Ole (III) 308, 613 Wower, Johann von (I) 322, 329 f. Wrangel, Carl Gustav (III) 463, 466 Wundergast, Johannes (III) 216, 514 Wyle, Niklas von (II) 393 Xenophon (I) 277 (II) 174, 486 (III) 464 Zabler, Jakob (III) 535 Zamehl, Friedrich (III) 553 Zamojski, Barbara (geb. Tarnowska) (III) 545 Zamojski, Jan (III) 248, 496, 508, 544–549 Zamojski, Tomasz (III) 242, 248, 536, 540, 544 f., 547, 549 Zamolxis (III) 18, 156, 334, 481 Zarathustra (Zoroaster) (I) 314 Zebrzydowski, Mikołaj (III) 511 Zedler, Johann Heinrich (I) 446, 465, 469 f. Zedlitz, Christoph von (III) 118, 428, 431 Zenodot (I) 72, 330, 358 Zernecke, Jacob Heinrich (III) 477, 491, 499, 535, 591
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Zesen, Philipp von (III) 404 f. Zeuxis (III) 398 Ziegler, Cordula siehe Seusse, Cordula Zierotin, Karl von (III) 599 Zincgref, Julius Wilhelm (I) XIII, XXIV, 174, 228, 320, 322, 325, 392, 430 f., 436 (II) 302 f., 316, 337, 480 f., 485, 513, 552, 557 (III) 378 f., 384, 599 Ziˇ ˇ zka, Jan (I) 218, 425 Zorawski, Nikolaus (III) 451 Zoroaster siehe Zarathustra Zsámboky, János (Sambucus, Johannes) (I) 258, 469 Zsuzsanna Károlyi siehe Károlyi, Zsuzsanna Zwicker, Salomon (III) 460 Zygmunt I., König von Polen (III) 158, 395, 475, 484 Zygmunt II. August, König von Polen (II) 14, 20, 270 (III) 484 Zygmunt III., König von Polen (II) 349, 478 f. (III) 158, 160, 182, 208, 454, 457 f., 463, 469, 471, 475–477, 479, 484–486, 491–493, 496, 498, 508, 511, 544 f., 547, 553 f.