Kunstgeschichte und Humanismus: Beiträge zur Klärung [Reprint 2021 ed.] 9783112451502, 9783112451496


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Kunstgeschichte und Humanismus: Beiträge zur Klärung [Reprint 2021 ed.]
 9783112451502, 9783112451496

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Kunstgeschichte und Humanismus.

Beiträge zur Klärung von

Dr. Robert Vischer, Privatdocent der neueren Kunstgeschichte an der Universität in München.

Stuttgart. G. J. Göschen'sche Verlagshandlung.

1880.

K. Hofbuchdruckerei Zu Guttenberg (Carl Grüninger) in Stuttgart.

VORWORT. Der erste der zwei hier zusammengestellten Aufsätze macht es sich zur Aufgabe, die falsche Scheidewand niederzulegen, welche von nicht wenigen Händen zwischen Kunstgeschichte und Aesthetik jetzt aufgerichtet ist oder scheint. Doch gebe ich dem Gebiet der letzteren lieber den volleren Namen Humanismus. Aesthetik bezeichnet eine Wissenschaft, Humanismus ein Leben, Leben in einem Elemente und zwar im Elemente des wahrhaft Menschlichen.

Unter wahrhaft

menschlich aber verstehen wir eine Harmonie der Kräfte, die den Menschen als Menschen konstituiren.

Ich strebe

zu zeigen, dass der Kunsthistoriker, weit entfernt, zu meinen, sein ganzes Geschäft bestehe in Aufstapelung gesichteten Stoffes, vielmehr nicht nur mit gut geschulten Begriffen aus der Aesthetik, sondern als ganzer, warmer Mensch mit Auge, Gefühl, Phantasie, mit seiner Seele bei der Arbeit sein soll. Der zweite Aufsatz ist eine Streitschrift, ein Akt der Abwehr gegen ungerechte Kritiken meiner Arbeit über Luca Signorelli (Leipzig 1879).

Es ist ferne von mir, geltend zu

machen, eine nicht vom Geiste der Wahrheit

eingegebene

Kritik könne man auch als eine inhumane bezeichnen; denn man würde so das Wort in dem gewöhnlichen Sinne nehmen, wonach es einfach bedeutet: schonend; es wäre aber schwächlich , in den Kämpfen der Wissenschaft Schonung anzu-



sprechen.

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Humanismus soll vielmehr auch in dieser An-

wendung den oben ausgesprochenen vollen Sinn haben.

Die

Gegner, deren ich mich erwehre, sind mir feind nicht bloss, weil ich der Aesthetik das Wort in der Kunstgeschichte gesichert, sondern weil ich sie nicht eiskalt, nicht blechern, nicht ledern, nicht todt behandelt wissen will.

Noch ein

besonderer Grund tritt aber für diese Ausdehnung meines Titelwortes in Geltung.

Man wird finden, dass der Gegner,

mit dem ich es in diesem zweiten Beitrag namentlich zu thun habe, unter Anderem meine Auffassung des Humanismus im h i s t o r i s c h e n Sinne des Wortes bestreitet.

Es

handelt sich um den tiefen ethischen Mangel in der humanistischen Bewegung der italienischen Renaissance; ich betone stark dies grosse Gebrechen und weise auf die deutsche Reformation als die nothwendige Ergänzung jener einseitig ästhetischen Bildung.

Man wird sich überzeugen, dass dies

ein Punkt von grosser wesentlicher Bedeutung ist, der es verlangte, auch im Titel angedeutet zu werden. »Beiträge zur Klärung« nenne ich diese Schrift, denn klären helfen will sie das Gebiet der Kunstgeschichte in seinem Verhältniss zur humanistischen, richtiger zur wahrhaft h u m a n e n Bildung, und klären helfen will sie das Verhältniss der Kritik zu Autoren, klären von Elementen, welche das reine Leben der Wissenschaft trüben.

Robert Vischer.

Ueber das Verhältniss der Kunstgeschichte zur Aesthetik.

Der eigentlichen und wirklichen, d. h. der wissenschaftlich behandelten Kunstgeschichte ging voran eine naive Einheit von historischer Forschung und warmer Charakteristik, sammelnder Kennerschaft und gesammelter Erkenntniss.

Dies gilt cum grano salis auch von den

Quellenschriftstellern der antiken Archäologie. Eine relative Veräusserlichung dieser Betrachtungsweise trat dann wohl mit dem Verfall der alten Welt, mit der Entartung und einseitigen Richtung der Kunst selbst und des geistigen Lebens überhaupt ein.

Wie die ganze mittelalter-

liche Kunst bis ins 13. und 14. Jahrhundert einen handwerksmässigen, hieratisch gebundenen, unpersönlichen Zug trägt, so beschränken sich auch ihre Traktatschreiber und überhaupt die Schriftsteller, in deren Werken wir die Quellen zu ihrem Verständniss suchen, auf Angaben über die äusserliche Handhabung, über Material und Technik, faktische Umstände, Daten, Beschlüsse, Bestellungen etc. Alles Geistige wird kurzweg mit frommen Hinweisen auf die Gnade Gottes und den Beistand der Jungfrau Maria, des S. Lucas und aller Heiligen erledigt. Mit dem Huma-

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nismus der Renaissance erfolgt dann wieder ein energischer Umschwung zu lebendiger Auffassung, ein frisches Streben, einzudringen in den Kern der natürlichen und künstlerischen Erscheinung. Dies beweisen nicht nur die Traktatschreiber, ein L. B. Alberti, Lionardo da Vinci, Pomponius Gauricus, Albrecht Dürer, sondern auch die Künstlerbiographen, ein G. Yasari, Karel van Mander, Sandrart etc. Selbst Künstler, wie sie zumeist waren, sind sie wohl weit entfernt, den technischen Gesichtspunkt auch nur im Geringsten ausser Acht zu lassen, aber sie subordiniren ihn dem künstlerischen und gewinnen hiedurch die Fähigkeit, den ganzen Umkreis der formalen Darstellung zu durchmessen, Kunst und Kunstverständniss in einer Weise zu fördern, wie es mit handwerklich beschränktem Geiste nie gelungen wäre. Und hiemit nun ergab sich von selbst auch eine naturgemässe Kunstkritik und auch ein sinnvolles, freilich erst nur fragmentarisches Eindringen in die tieferen historischen Wandlungen und Gesetze des Kunstlebens. Die Doppelstellung in Praxis und Theorie war ihr Vortheil und ihr Nachtheil. Ihr Nachtheil war sie insofern, als gerade die produktive Kraft der Phantasie, das Selbermachen auf einer gewissen Einseitigkeit beruht und rückwirkend die persönliche Eigenart verstärkt, also auch das objektive Urtheil nur für Verwandtes ungewöhnlich befähigt, aber fremden, anderen Leistungen gegenüber ungeduldig macht. Sie haben alle den frischen, liebenswürdigen Ton und das begriffliche Helldunkel der Naivität. Die wissenschaftliche Begründung der Kunstgeschichte ist erst das Verdienst Winckelmann's und es sind sowohl



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die Instrumente der Philosophie als die der Historie, Philologie und der technischen Kennerschaft, welche ihn hiezu befähigen. Er ist es, der zum ersten Male mit klarem Blicke die Entwicklungsgesetze der Kunst nachweist, welcher die Kunstgeschichte als einen integrirenden Theil der Universalgeschichte erkennt. Die Kunst eines Volkes gilt ihm als der höchste Ausdruck seiner Kultur, als Blüthe seiner Bildung. Seine bahnbrechende Leistung, welche hier näher zu verfolgen nicht der Ort ist, wäre ihm ohne' eine tiefere Gedankenrichtung, ohne eine philosophisch vertiefte Weltanschauung nie gelungen. Er macht aus dem blossen Wissen eine Wissenschaft, indem sein erstes Anliegen ist, der Kunst einen idealen Ursprung zu vindiciren. Allerdings ist seine Denkweise divinatorischer Natur und bleibt in engem Bunde mit Phantasie und Gefühl. Winckelmann sucht zuerst das Schöne in formalen Bestimmungen (Wellenlinie etc.), findet sie unzulänglich und stellt dann mit Plato auf, das Urbild des Schönen sei in der Gottheit und offenbare sich dem Künstler. Dies ist nun freilich nach streng philosophischer Forderung unzulänglich, vag, phantasiemässig anstatt begriffmässig. Allein es enthält die grosse Wahrheit von der geistigen Natur der Kunst und Winckelmann gibt hiemit der Kunstgeschichte ihren idealen Boden, ihre Weihe. Es folgen aus seiner Grundanschauung seine bekannten Sätze von edler Einfalt, stiller Grösse und Ruhe, vom Ausdruck göttlicher Selbstgenügsamkeit als dem eigentlichen und nothwendigen Gepräge des ächten Skulpturbildes; — Sätze, welche allerdings nicht die ganze Wahrheit enthalten, welche eine realisti-



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schere Richtung mit Einseitigkeit ausschliessen, welche aber ewig wahr bleiben, wenn man das höchste Gebiet der Plastik im Auge hat und wenn man bedenkt, dass auch das lebhaft bewegte und tiefer aus dem Naturwahren gegriffene Skulpturbild dennoch etwas von jenem Stempel auch an sich tragen soll. — Das Wesentliche für die Kunstgeschichte überhaupt ist aber dies: Durch diese platonische Anschauung Winckelmanns ist ihr in der Wiege schon die Bedeutung mitgegeben: Wissenschaft der Geschichte einer Idealkraft.

Wie tief und streng sie in das

Reale eingehen mag, ein Vergessen

dieses Ursprungs,

dieser Bestimmung ist Verlust ihrer besten Mitgift, ist Abfall, ist Selbstaufgebung. Kein Wunder, dass unsere grossen Dichterphilosophen sofort in den von Winckelmann entzündeten Debatten der Archäologen lebhaft mitsprachen und wer möchte behaupten zum Schaden der Sache?

Oder müsste erst

nachgewiesen werden, was die Entwicklung der Kunstwissenschaft den geistvollen Studien Lessing's, Herder's, Goethe's, Schiller's, dann der Romantiker, Tieck's und der Gebrüder Schlegel verdankt?

Auch .der werthvolle An-

theil Kant's, Schelling's, Solger's, Hegel's, Schleiermacher's ist neuerdings wieder in gebührende Erinnerung gebracht worden und

zwar von dem gediegenen

Archäologen

K. B. Stark, dessen jäher Tod für jeden wahren Freund der Sache ein schwerer Verlust ist. Getreu dieser humanistischen Tradition eines Bundes zwischen empirischer

und philosophischer

Behandlung

befolgen auch die Meister der neueren Kunstwissenschaft



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eine totale, lebensvolle, durch principielle Erkenntnissmomente geleitete Behandlung: ein Rumohr, Quandt, Schnaase, Hagen, Kugler, 0. Müller, K. F. Hermann, A. Feuerbach, Hotho, Bötticher, G. Semper; und mitten unter ihnen stehen mit sinniger, wesentlich fördernder Betheiligung die gleichzeitigen Aesthetiker. Diesem friedlichen Bunde von Kunstwissenschaft und Philosophie reihen sich noch von den Folgenden, theils durch ausdrückliche Bethätigung, theils vermöge ihrer objektiven Stellung zur Sache namentlich J. Burckhardt, F. Piper, H. Hettner, 0. Jahn, Brunn, der bereits erwähnte K. B. Stark, Justi, E. Guhl, M. Unger, F. W. Unger, W. Lübke, A. Springer, H. Grimm, J. Meyer, L. Pfau ein. Ich citire Folgendes aus dem leider nicht zur Vollendung gelangten Handbuche der Archäologie von Stark, der, wie er selbst von sich sagt, „noch zu denjenigen gehört, welche in allen künstlerischen Fragen, wenn es auf wissenschaftliche Darstellung ankommt, mit dem blossen Empirismus sich nicht begnügen können, noch weniger mit einer gewissen unklaren Populärästhetik, zu denjenigen, welche speziell für den Archäologen eine ernste Beschäftigung mit den Methoden unserer grossen deutschen Philosophen seit Leibnitz und Kant für unerlässlich erachten": „Es ist, sagt er, als das Glück aber auch als eine schwer wiegende Mitgift der heutigen Archäologie der Kunst zu betrachten, dass sie inmitten der philosophischen Bewegung und des Aufblühens unserer neuen deutschen Literatur in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts neu geboren wird und dass unsere grössten dichterischen Geister zu-



gleich die Begründer

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unserer heutigen

ästhetischen An-

schauung sind, archäologische Studien trieben und diese sofort mit den der Poesie vor allem entnommenen theoretischen Anschauungen durchdrungen haben.

Als uner-

lässliche Forderung für alle ernste archäologische Arbeit setzen wir daher eine elementare Kenntniss dieser ästhetischen Entwickelung voraus." — Eine einschlägige Aeusserung von H. Grimm,

welche

mit Bezug

auf die neuere

Kunstgeschichte für das Recht der idealistischen Forschung eintritt,

findet

sich in dessen Zeitschrift über „Künstler

und Kunstwerke" (I, 35). Gewiss bedarf die Kunstgeschichte, wie alle Geschichte, zu ihrem Aufbau auch die Hülfe solcher K r ä f t e ,

deren

Sinn auf die äussere Form als solche und auf den Stoff, d. h. auf die Materialien, die Akten, Daten gerichtet ist, und an solchen dienenden Kräften fehlte es schon vor der Begründung der Archäologie nicht. neben ihren hoch eine eifrige, höchst

gestimmten,

Sie entwickelten auch

geistvollen Meistern

schätzbare Thätigkeit

und

her

auch im

Aufbau der neueren Kunstgeschichte nehmen die verdienstvollen Museographen, die Kupferstichkundigen, die Amateurs und Urkundenforscher schon frühe eine relativ unterscheidende Stellung ein.

Allein die Grenze zwischen bei-

den Gruppen blieb lange eine

fliessende,

die Stimmung

der letztgenannten im Ganzen genommen ziemlich unbefangen, wiewohl es bei dem Gegensatz der Geistesanlagen und Richtungen

natürlich nicht immer ohne Aerger und

Feindseligkeiten

abgehen konnte.

Ich erinnere nur an

Heyne, wie er gegen Winckelmann auftrat und seine wissen-



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schaftliche Gediegenheit verdächtigte, indem er die Mängel seiner historisch-kritischen Methode aufwies, wie ironisch „dieser Typus

des deutschen Universitätsphilisters"

bezeichnet ihn lächelnd

Justi) von „Behauptungen

guten (!) Winckelmann"

spricht.

(so des

Jedoch die Opposition

einer ganzen Gruppe (um nicht zu sagen Partei oder — Clique) gegen die idealistische Kunstwissenschaft ist erst neueren Datums.

Erst

nach

der

Mitte

unseres

Jahr-

hunderts begann einigen jüngeren Streblingen jener böse blaurothe Truthahnklunker über die Nase herab zu wachsen,

begann jenes Kollern wider Alles, was bei Mutter

Philosophie in die Kost gegangen ist. — sich ganz begreiflicher Rückschlag

Es war ein an

gegen

das

Floskel-

wesen und Phrasengeschwebel, worin sich Sentimentalität und Romantik verbanden, und gegen sinnenfremdes Ideensuchen, gegen mehrfache Gewaltsamkeiten der Abstraktion in den Werken und

Hegel,

der älteren Aesthetiker, eines Schelling

sowie

der

unbedeutenderen

Geister

ihrer

Schule, zugleich gegen die hiemit zusammenhängende Gedankenmalerei. Die affektirte Phrase und grobe begriffliche Verstösse gegen das eigenartige Wesen der bildmässigen Erscheinung,

diese Uebergriffe in ihrer Gesammtheit mussten

eine Reaktion zur Folge haben, welche Heilung im entgegengesetzten

Extrem

suchte.

Während sich nun

der

künstlerische Nachwuchs dieser Reaktion in äusserlichem Schick und gehaltlosem,

nur die Armuth

an

eigenem

persönlichem Leben, die Armuth an Seele verrathendem Naturalismus gefällt, bewegen sich ihre wissenschaftlichen



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Sprösslinge mit Vorliebe auf den Sonderwegen einseitiger Spezialforschung; sie fassen mit absichtlicher Ausschliesslichkeit nur das Urkundlich-Faktische und das Technisch• Formale in's Auge; und auch wo sie ein umfassenderes Thema behandeln, bleiben sie kleinlich punktirend, im Einzelnen befangen, an der Schale klebend. Sie nennen sich im Unterschied von den Andern „Forscher". Meist ist es wohl die beschränkte Begabung und eine geringe Schulung des Denkens, ein schmaler, spitziger Sinn für das Sächliche und eine absolute Unfähigkeit zu tieferer Abstraktion. So ist es auch ganz begreiflich, dass sie sich lediglich der äusserlichen Historie widmen, Namen, Jahreszahlen feststellen, technische Nachweise, biographische Notizen und allerlei minutiöse Kombinationen zu Stande bringen. Nur sollten sie eben nicht schmähen, was sie nicht können, was sie unterlassen müssten, auch wenn sie es versuchen wollten, sollten ihre dilettantisch gelegentlichen Gedanken nicht unbefangene, von willkürlicher Systematik freie Kritik nennen. Darüber können sie sich ja nicht beklagen, dass die leidige Aesthetik dem gediegenen Fleisse, der Emsigkeit positiver Kunstbeschäftigung nicht Ehre und aufmerksames Studium habe widerfahren lassen. Es war ein Aesthetiker, welcher geschrieben hat: „Wohin würde sich die Geduld, der StofFsinn der Sammler und Historiker verflüchtigen, wenn sie streng philosophirten ? — Der Sammler, der Geschichtschreiber und der Philosoph arbeiten an Einem Ziele, aber auf verschiedenem Wege. Der Sammler schafft dem Geschichtschreiber den Stoff in die Hände und der letztere über-

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gibt ihn, schon ausgelesen und verarbeitet, zur letzten geistigen Umbildung dem Aesthetiker. Dieser gibt dem Geschichtschreiber die Idee in einzelne Maximen, Einschnitte, Standpunkte umgesetzt, der Geschichtschreiber überliefert diese dem Sammler, wo sie nur noch als Instinkt und Takt des rechten Suchens wirken." Davon, dass sich inzwischen die Aesthetik weiter entwickelt hat und ungleich freier und induktiver geworden ist, und dass ihre Aversion gegen dieselbe eigentlich gar keinen Sinn mehr hat, davon wollen diese gewissenhaften „Forscher" natürlich nichts wissen. Es thut wohl noth, ihnen klar zu machen, dass eine bestimmte Aesthetik nicht die Aesthetik überhaupt ist. Und wenn es sich mit dem Wesen der Wissenschaftlichkeit nimmermehr verträgt, feindselig, pathologisch gegen irgend eine Art wissenschaftlichen Strebens sich zu erbosen und aufzulehnen, so gilt dies hier um so mehr, als gerade das philosophische Denken — wirke es nun latent oder offenbar — ein Ingrediens jeder ächten Geistesdisciplin ist. Zugegeben, dass die Aesthetik als Psychologie und Begriffslehre eine selbständige, mit der Kunstgeschichte nicht absolut und nothwendig verbundene Wissenschaft ist, ja dass es selbst eine innerliche Betrachtung der schaffenden Persönlichkeiten und ihrer Werke und eine Philosophie der Kunstgeschichte überhaupt geben kann, welche von der äusserlichen, formal-materialen Kunstgeschichte relativ unabhängig ist. Zugegeben ebenso, dass anderseits die Kunstgeschichte eine relativ eigenmächtige, von der Philosophie relativ freie Disciplin ist



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und dass sie sich selbst wieder in sehr verschiedene Geschäfte theilt, welche nicht immer zugleich von e i n e r Persönlichkeit geleistet werden können. Immer jedoch bleibt das ceterum censeo des wahren Idealismus, dass eine radikale Scheidung zwischen der Geschichte und der Philosophie der Kunst nur beiden zum Schaden gereichen kann. Die Mannigfaltigkeit der kunsthistorischen Geschäfte ist ein Umstand, der in dieser Frage besonders in's Gewicht fällt. Die Beschränktheit der Begabung hat somit freie Wahl, sich diesem oder jenem zu widmen. „Eines schickt sich nicht für Alle." Der wegen seiner philosophischen Bedeutung unter den Freunden der Beschränkung missbeliebte Hotho sagt in der klassischen Einleitung („Aesthetik und Kunstgeschichte") zu seinem leider unvollendeten Buche über die Malerschule Huberts van Eyck: „Nicht jeder wird als ein Winckelmann geboren und widmet sich doch, statt der Thierarzneikunde oder Industrie, talentlos der Kunstgeschichte". — Und gleichwohl ist Hotho der letzte, welcher die fleissigen Subalterndienste solcher Leute unterschätzte, ihnen nicht die Ehre gäbe, sie als werthvolle Mittel zum Zwecke zu betrachten. Er selbst hat sich ja solche Arbeiten nicht erspart. — „Eines schickt sich nicht für Alle." Einer kann nicht Alles leisten. Zugleich mit jenem bereits hervorgehobenen negativen Grund der Geistfeindlichkeit, jenem gleichsam medicinischen Rückschlag gegen knochenlose Romantik und gegen Hyperästhetik, war es nicht nur der Instinkt einseitiger Befähigung, sondern auch das ob-

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jective Einsehen, das wachsende Bewusstsein mangelhafter Kenntniss des reichen, unabsehbar vielfältigen Stoffgebietes, welches diese verzweifelte, krampfhafte Beschränkung auf das Aeusserliche und Einzelne mit herbeigeführt hat und hiemit eine ebenso ängstliche als "vorlaute Abneigung gegen Synthese, gegen principiellen Einblick und Ueberblick. Mit dem Anwachsen der Wissenschaft ergab sich auch ihre Arbeitstheilung wie im Gewerbe. Darauf können sich die Positiven ganz sachgemäss, ganz im Allgemeinen berufen; darauf können sie pochen. Andere müssen sich in anderer Weise auch darein schicken. Aber die Rechten geben den Kampf für das Menschenthum, das Ringen nach Vollkommenheit im Sinne der Vertiefung und Umfassung nicht auf. Zu viel ist zu viel. Denn nunmehr sind wir nahe dem Punkte, wo diese Theilung in's Ungeheuerliche und Unmenschliche ausartet und wo ihre Uebertreibung einen Umschwung bringen muss. Die misshandelte Einheit und Fülle der menschlichen Natur wird auch in der Wissenschaft an ihre ewigen Rechte appelliren und Rache nehmen. Vorderhand noch hilft sich der geknechtete Sinn mit Selbstbethörung. Diese geistigen Fabrikarbeiter und Commis der Kunstgeschichte, der Liebhaber und Kenner, der Kunsthändler, der Technologe (d. h. der Machwisser) und der Notizenkrämer, sie wissen sich noch zu trösten. Jeder glaubt, dass er allein etwas von der Sache verstehe, weil jeder in seinem Treiben dumpf befangen ist. Die Befangenheit ist noch ihr Schutz, der hohle, leblose Theil ist ihnen noch Surrogat für das Centrum und das



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Ganze, das Atom ist ihre Gottheit, das blosse Mittel wird mit dem Zwecke verwechselt. — Wir müssen dies in noch allgemeinere Beleuchtung stellen. Diese geistfeindliche Richtung in unserer Wissenschaft ist ein Symptom der Zeit und es fehlt keineswegs an Analogien.

Dadurch wird sie einigermassen entschul-

digt. Auch in der Kulturgeschichte gibt es Arbeiter, welche lediglich mit äusseren Faktoren rechnen wollen.

Bereits

werden allerdings auch Stimmen laut, welche hiegegen protestiren. Ich erwähne E. Zittelmann's Aufsatz über den Materialismus in der Geschichtschreibung (Preuss. Jahrb. 38. Bd.). — Die Vertreter der Naturwissenschaft haben zumeist ihre Ausfälle gegen die begrifflichen Konstructionssünden der Schelling-Hegel'schen Periode (an denen ihre Vorgänger übrigens selbst für sich Theil genommen hatten) füglich aufgegeben und darin mehr Vernunft als die „positiven" Kunsthistoriker gezeigt, welche noch im Sommer Filzgallochen tragen. Es fehlt jetzt nicht an Naturforschern, welche wieder philosophiren, mit der Philosophie Fühlung suchen.

Freilich geschieht dies noch häufig in dilettan-

tischer Weise. Die materialistischen und mechanistischen Philosopheme der Naturforscher sind ebensosehr Produkte mangelhafter Kraft und Schulung der Abstraktion als einer historisch zu erklärenden Geistfeindlichkeit.

Allerdings

haben sich neuerdings bedeutende Häuptlinge in diesem Forschungsgebiete zum Idealismus bekannt und so mag auch die Hoffnung wach bleiben, dass dem deutschen Geiste, welchem, central wie er eigentlich ist, diese peripherische Richtung am schlechtesten ansteht, weil er mehr

— als der orientalische,

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romanische und slavische hiedurch

sich selbst entfremdet erscheint, —

dass ihm in Bälde

sein wahres Wesen und sein wahrer Beruf wieder zum Bewusstsein kommen wird. In der Naturwissenschaft ist speziell die mechanistische Welterklärung deutscher Darwinianer dem einseitig technischen Standpunkte in der Kunstgeschichte analog. Jedoch abgesehen von der Wissenschaft, die herrschende Tendenz der Zeit ist überhaupt auf das Sachliche, Faktische, Aktuelle gerichtet.

Aehnliche Konsequenzen dieses Sinnes sind die

moralischen Krankheiten und Verkehrtheiten im praktischen Leben,

der Kampf Aller gegen Alle, die Ueber-

schätzung von Genuss und Schmerz, die äusserliche Stellung des Staates n e b e n

der bürgerlichen Gesellschaft,

der falsche Gegensatz zwischen beiden, der vom Staate durch Gesetze, wie die der Freizügigkeit, zum Theil selbst verschuldete Mangel an Rechtssinn und öffentlichem Pflichtgefühl.

Ich verweise auf zwei Aufsätze von C. Planck in

der Allgemeinen Zeitung: „Faust und Wagner" und „Die Noth im Reiche" (1878, Nr. 232, 233, 2 5 2 — 2 5 4 ) , worin mit tiefem und hoch überschauendem Sinne das Wesen dieser äusserlichen Tendenz in moderner Naturlehre und Moral, im Rechtsleben, im modernen Bewusstsein überhaupt aufgewiesen wird.

Ich citire hieraus einen Satz,

den ich selbst im Obigen auf das Ganze mit anderer Beziehung angewendet habe: „Daran dachte man nicht, wie dieses in seiner ganzen Nacktheit und Willkür hingestellte Rechtsprincip des blossen freien Eigeninteresses und Eigenerwerbs gerade bei uns Deutschen und im Zusammen2



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hang mit der übrigen so verständig äusserlich gewordenen Zeitrichtung wirken musste.

Denn mehr als ein anderes

sind wir Deutschen ein Volk, das durch Principien regirt wird, und das also, wenn man ihm nur ein selbstisch äusserliches, noch von keinem sittlichen Zweck und Beruf durchdrungenes Eechtsprincip bietet, in seinem geistigen Leben und Bewusstsein tiefer als irgend ein anderes leiden muss." Innerhalb der Kunstwissenschaft selbst hätten wir noch an den ästhetischen Formalismus der Herbartianer als an ein Analogon der bloss äusserlichen Kunstforschung zu erinnern und in der praktischen Kunst, wie gesagt, an die immer noch herrschende naturalistische Geschmacksrichtung. — Es läge nahe, im letzteren Umstand für die berufene Richtung der Kunstgeschichte eine Rechtfertigung von tieferer Bedeutung zu finden, als im Obigen angedeutet wurde.

Es handelt sich hiebei gewiss nicht nur

um eine vereinzelte Reaktion, worin sich zufällig Kunst und Kunstgeschichte vereinigten.

Man könnte sagen:

die Bewusstheit der Wissenschaft ist eben doch ziemlich imaginär, ist eben höchst relativ; sie unterliegt denselben Gesetzen, wie die Kunst, demselben zwingenden Widerspiel von Idealismus und Wirklichkeitssinn.

Hat jener

seinen Gipfel erreicht, so ist auch seine Zeit gekommen und dieser hat auf dem Mutterboden der Natur neue Kraft zur Erhebung und zum Siege gewonnen. — Hiegegen ist aber festzuhalten, dass zwischen Realismus und Naturalismus ein absoluter Unterschied ist.

Naturalistisch

ist eben nicht mehr künstlerisch; denn die Natur ist be-



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reits da, wir brauchen sie nicht noch einmal. Der Naturalismus war nie ein wahrer Gegensatz des stylistischen Idealismus. Er ist überhaupt eine moderne Missgeburt, welche vormals nicht existirt hat, wo es sich in der Kunst noch um Kunst handelte. Nur unmassgebliche naturalistische Anwandlungen wären nachzuweisen. Das Naturstreben der Gebrüder Yan-Eyck, der italienischen Quattrocentisten, der deutschen Meister dieser Zeit und des XYI. Jahrhunderts und der späteren Niederländer war immer ein künstlerischer Realismus. Dieser aber will das Bedeutsame, Charakteristische, das Ideale in der individuellen, unmittelbar gegebenen, natürlichen Erscheinung schildern; man hat ihn desshalb indirekten Idealismus genannt. Also erst in moderner Kunst haben wir eine radikale Abirrung in's Naturalistische, d. h. in's Unkünstlerische erlebt. Weil nun aber alle wahre Kunst ideal ist, so versündigt sich die Kunstgeschichte an ihrem Gegenstand, wenn sie an sich selbst nur materiell, äusserlich, unideal sein will, sie entfremdet sich dem Wesen ihres Stoffes, sie wird unwissenschaftlich. Und auch wenn sie nicht so bornirt ist, zu meinen, mit diesen nothwendigen und wichtigen Daten, Notizen und technischen Bemerkungen solle es sein Bewenden haben, wenn sie nicht mit Scheuledern rennt, wenn sie nur Resignation üben will und meint, v o r h e r müssen die sämmtlichen Materialien beisammen sein, ehe das begriffliche Facit bedacht werden dürfe, auch in diesem Fall muss sie unwissenschaftlich werden; denn sie schiebt das Nachher in unbekannte Ferne. Wann soll der Moment da sein, wo das Denken



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wieder in sein Recht tritt? bleibt geistig;



Der Mensch bleibt Mensch,

das Denken kann nicht warten auf den

Tag, bis der Thurm von Babylon ausgebaut ist. gewisse Summe von materiellen Faktoren berechtigt zur Synthese,

genügt und

auf die Gefahr hin, dass sie

durch neue modificirt, j a umgestossen würde. der

Eine

sachlichen Forschung

selbst

haben

Die Knechte es

ja

schon

gravirend erlebt, ihre Arbeit

durch neue Forschungen

negirt und vereitelt zu sehen.

Ihnen scheint das erlaubt

zu sein, ihnen allein.

S i e dünken sich unverantwortlich

und sie sind es gerade, welche sich mehr als alle Anderen in apodiktischen Behauptungen gefallen und sich dann selber widersprechen müssen.

Da sie also selber

nicht warten, bis alles Material da ist und unumstössliches Wissen ermöglicht, so fragen wir billig: Wie würde es mit der Wissenschaft stehen, wenn sie sich wirklich auf dieses falsche Warten eingelassen und ihr tieferes Ueberdenken

zurückgehalten

hätte ?

Sie wäre

einfach

nicht da, ein ersticktes Samenkorn in einem fürchterlichen Gethürme

von

Stoff.

Und würde die Kunstgeschichte

von nun an vollauf Ernst damit machen, alle philosophische Synthese zu verschmähen und zu ächten, so würde sie byzantinisch erstarren, in mittelalterliche Barbarei und Engherzigkeit zurücksinken.

Für wen nichts mehr inter-

essant ist als Daten und Dinge, Pergament, Pinsel und Farbentopf, der wird ein Affe der Kalendermacher, Steinmetzen und Anstreicher,

der

Chronisten und Traktat-

schreiber des Mittelalters.

Wenn sich die Kunstgeschichte

selber köpft, dann ist es auch kein Wunder, dass man



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sie nicht achtet; wenn sie dem Wesen ihres Gegenstandes zum Hohne sich ausschliesslich auf Katalogisiren, Datenbestimmen, Urkundenjagd, Notizenhäufung, Technologie beschränkt, dann soll sie sich auch nicht über den cynischen Spott ungebildeter Künstler aufhalten, welche die Kunstgeschichte als eine Art geistiges Handwerk und armseliges Schreibergeschäft ausgeben; dann hat der allein ein Recht zu reden, der selber malen, formen, bauen kann, dann mag sich der Kunsthändler seines Silberblickes rühmen, den der Profit die Werke der Meister kennen und schätzen gelehrt hat; dann freilich ist jedes warme Wort ein Zeugniss der Ignoranz; dann gähnt Leerheit und flattern Phrasen, wo wahre Erkenntniss beginnen sollte. Es bleibt dabei, die Arbeiten des Kunsthistorikers sind vielfältig und verschiedener Art und sie sollen gleichwohl innere Einheit haben. Er hat das Leben eines Künstlers mit allen seinen Daten und äusseren Umständen womöglich aus den Quellen ältester Ueberlieferung mit kritischer Methode zu erforschen, seinen Bildungsgang, seine Umgebung, die politischen Ereignisse und Beziehungen, die Kulturverhältnisse seiner Zeit. In letzter Instanz kommt er hiebei auf die treibenden Ideen, auf Religion, Moral, Philosophie, auf die Phantasie und Aesthetik der Zeit. Es erhellt hiebei eine tiefe Verwandtschaft zwischen Kunst und Spekulation. Ist dies aber einmal erkannt und zugegeben, so ist auch eine Betrachtung der Kunst selbst auf ihre Idealität hin unabweisbar. Wir haben ohne Vorgreiflichkeit, ohne subjektive Ansprüche



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die Werke eines Künstlers zu studiren, aus ihrem positiven, eigensten Kern heraus zu fühlen und zu verstehen, miteinander und mit denen der Vorgänger, Zeitgenossen und Nachfolger zu vergleichen, ihre Aechtheit zu prüfen, ihrer Entstehung nachzugehen, ihren Charakter, ihren Styl (wie er sich aus persönlichen Kräften und Empfindungen und aus objektiven, räumlichen, materiellen, technischen Bedingungen und Mitteln kombinirt) zu erkennen und nach Möglichkeit zu wörtlichem Bewusstsein zu bringen.

Dies

Alles ist also durchaus nicht bloss rein historisch, es verlangt Eindringen in das Wesen, in Dasjenige an der Sache, was dem Quell der Erkenntniss verwandt ist, d. h. in den Geist.

Hiezu muss aber auch wirklich guter Wille

zur Erkenntniss mitgebracht werden, Phantasie,

Talent,

künstlerischer Blick, Denken. Die Phantasie geht voraus, wie auch das Kunstwerk selbst aus einer Inspiration derselben, aus einem intuitiven Moment hervorgegangen ist. Schiller sagt: „Es gibt kein Gefäss, die Werke der Einbildungskraft zu fassen, als die Einbildungskraft selbst." In diesen Worten liegt sowohl ein Protest gegen rein äusserliche,

handwerksmässige Auffassung als gegen einseitig

gedankenhafte.

Dass er diese mit jener verbunden, dass

er beide im eigentlichen Kunsturtheile aufgehoben sehen will, dies beweist er mit seinen eigenen kritischen Arbeiten. ja

Die Konsequenz begrifflicher Reflexion ergibt sich mit Nothwendigkeit,

Sprache bedienen muss.

weil

sich die Empfindung

der

Ein Apparat von Bezeichnungen

ist nothwendig und dazu gehört Denken. muss Bildung haben und zwar ästhetische.

Dies Denken Sei es eine

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-

einzelne Erscheinung oder eine Epoche oder der ganze Verlauf der Kunst, immer wird nur ein lebendiger, philosophisch

durchklärter

Empirismus

Dasjenige

erfassen,

was eigentlich ein Bildwerk will, was der Kunst und ihrer Bewegung zu Grunde liegt.

Nur so wird uns auch der

Zweck unseres kunsthistorischen Erkenntnisstriebes zum Bewusstsein kommen.

Der verrannte Positivismus weiss

nicht, warum er forscht; er muss eben.

Das Forschen

nach immer mehr Sachen und Notizen bleibt ihm dumpfer, blinder Selbstzweck.

Das Kesultat ist eine rasselnde

Kapsel voller Kieselsteine. — Dort allein, wo Induktion und Deduktion zusammentreffen, wo sie sich freundlich verbinden, wird Kunstgeschichte wie Kunstphilosophie ihr endliches Heil und Genüge finden können.

Dort muss

der Zusammenhang und Werth des Lebens für sie tagen, muss sich ihre Menschlichkeit, ihr innewohnender Humanismus geläutert, mit der Welt versöhnt, voll und ganz wiederfinden.

Wer davon nichts wissen will und nichts

verstehen kann — nun dem geschieht es eben recht. „Falsche Alternativen", dies schlagende Wort ist einmal mit Beziehung auf das Gezänke der Faustkritiker gebraucht worden. überhaupt

Falsche Alternativen sind es, welche

die normale Entwicklung der Wissenschaft

wie das praktische Menschenleben unnöthig stören und ehrliche Bemühung anschwärzen. Kunstliteratur.

Sie vergällen auch die

Entweder ist man ein Aesthetiker (drei-

mal Wehe!!!) oder ist man ein Kunsthistoriker; entweder ein Kenner oder ein Urkundenforscher.

Warum nicht

sowohl als auch? Gibt es beim Heer nicht Versetzungen?



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Kommt es nicht vor, dass der vom Stabe zum Regiment kommandirt wird, der vom Regiment zum Stab?

Sind

wir nicht überall unter Landsleuten, wo deutsch gesprochen wird?

Gibt es nicht im Grunde nur

Eine

Wissenschaft und kann man sich nicht auch heute noch Umfassenderem

als einem Getheil derselben widmen?

Wenn nicht offen und laut, so werden jene Einseitigen doch sich selber gestehen, dass sie bei allem „Quellenstudium",

„kennerschaftlichem Blick", bei aller „histo-

rischen Methode" (diesen Geistesgütern, die sie allein gepachtet haben wollen) doch Stunden haben, wo die Hand nach diesem oder jenem kunsthistorischen Klassiker greifen muss, obgleich er nicht zur Partei gehört.

Dass

es eine universale und philosophische Kunstbetrachtung im Kleinen wie im Grossen gibt und zwar mit Nothwendigkeit, dies müssen sie bei der Gelegenheit ein wenig merken. Haben wir eine Sache erforscht, eine Stufe erstiegen, so lassen wir uns keinen Haltbefehl gefallen, wo sich noch kein Ende zeigt.

Je weiter, desto besser.

In diesen

Urkunden, in den Akten dieser Verhandlungen, in der Textur und Farbenschichte dieser Leinwand ist unsere Seligkeit nicht einbeschlossen und begraben.

Alle diese

Dinge und Angelegenheiten drum und dran wollen wir genau sehen und wissen; im Innersten aber wollen wir als ganze, freie Menschen dabei sein.

Die Satisfaktion

des Strebens selbst und das schliessliche Ergebniss soll humane Bedeutung haben.

Das Weltgültige im Stoffe,

das Aechte, Substantielle, Urbesondere im angeschauten Individuum, die ganze Menschheit und wir selbst, unsere

-

25



Zeit und Nation müssen darin irgendwie Ausdruck und Bestätigung finden. So hoher und so natürlicher Pflicht sollte jede kunsthistorische Arbeit genügen, welche nicht als blosses, herbeigeschlepptes Material oder als kritisch appretirter Einzelbeitrag gelten will. Als Goethe seinen Faust schrieb, war seine Stimmung die der Sturm- und Drangperiode; er gab dem Doctor gegen seinen Famulus Recht.

Auch dieser hat sein Recht.

Aber der von beiden, welcher pantheistisch in's Innere der Erscheinungen dringen und im Quell des tief verwandten Anderen sein eigenes Wesen ganz hingeben und erquicken will, er hat doch wohl das höhere.

Und so

erinnere ich zur Ergänzung und Bekräftigung des Angedeuteten an die Worte Goethe's: Wagner. Ach Gott! Die Kunst ist lang Und kurz ist unser Leben. Mir wird bei meinem kritischen Bestreben Doch oft um Kopf und Busen bang. Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, Durch die man zu den Quellen steigt! Und eh' man nur den halben Weg erreicht, Muss wohl ein armer Teufel sterben. Faust. Das Pergament, ist das der heil'ge Bronnen, Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt? Erquickung hast du nicht gewonnen, Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.

Pro domo. Es ist unbestritten und versteht sich von selbst, dass jeder Schriftsteller das Recht hat, sein Werk, seine Ansichten gegen Angriffe und Bemängelungen zu vertheidigen. Die Wissenschaft kann dadurch gewinnen; ja ihr Fortschritt wäre gar nicht zu denken ohne die gekreuzten Fäden von Kritik und Gegenwehr, welche sich zwischen schriftstellerischen Werken hinziehen. So erscheint die Selbstverfcheidigung sogar geboten, sofern sie diesen Fortschritt zu steigern verspricht. Anders ist es, wenn es sich nicht um den bestimmten Wahrheitsinhalt einer Schrift, sondern um ihren Werth als Leistung im Ganzen handelt. Mag sie rein der Wissenschaft angehören, es kommen doch künstlerische Massstäbe in's Spiel, wenn sie nach ihrer Anordnung, nach Klarheit oder Unklarheit, nach ihrem Style beurtheilt wird, und lautet das Urtheil ungünstig, so trifft den Verfasser ein ähnliches Schicksal wie den Dichter, der wehrlos steht, weil er seines Kindes sich nicht selbst annehmen kann, mag es mit Recht oder Unrecht gescholten werden; denn wie würde es sich ausnehmen, wenn er



2.7



vorträte und versicherte: Ich habe doch Talent, Phantasie, Geschmack, Gefühl, kurz die Desiderate für einen Poeten, einen künstlerisch gestaltenden Schriftsteller!? Doch nur sehr eingeschränkt gilt diese Vergleichung. Wird ein Werk, das nicht der Poesie angehört, nicht nur vom Standpunkt der Frage nach der Wahrheit seiner Sätze angegriffen, so werden bei der verwerfenden Beurtheilung immer auch moralische Massstäbe mitspielen. Da handelt es sich um das genügende Mass von Fleiss, von Gewissenhaftigkeit, Geduld, Ausdauer im Forschen und Denken. Fühlt der Verfasser, dass ihm nach dieser Seite Unrecht angethan ist, so muss er seiner Person — denn als Person, als Charakter ist er dann getroffen — so gut sich annehmen dürfen als seiner Behauptungen. Er darf nicht bloss, er soll sogar. Zwar hat mein Buch über Luca Signorelli und die italienische Renaissance (Leipzig, Veit u. C. 1879) eine im Wesentlichen günstige Beurtheilung * erfahren von den * W. L ü b k e , Württ. Staatsanzeiger, 24. Okt. 1878, Nr. 251. S. 1733. Literarisches. E. F ö r s t e r , Beil. zur Allgem. Zeitung, 1878, Nr. 362 „Zur ital. Kunstgesch." A. S c h u l z , Jenaer Literaturzeitung, 1878, Nr. 47. A. S p r i n g e r , Im Neuen Reich, 1879, 13. Februar. C r o w e , The Academy, 1879, 19. April. The Athenseum, 11. Octobre 1879, Nr. 27. F. R e b e r , Beil. zur Allgem. Zeitung, 1879, Nr. 49, S. 716. M. Br., Historische Zeitschrift v. H. v. Sybel, 1880, S. 512. Ausserdem sind zustimmende Anzeigen in der Wiener a. Presse, inj Schwäbischen Merkur und in der deutschen Rundschau erschienen. Die Besprechung der ungünstigen (unten) macht es mir zur Pflicht, auch die günstigen zu nennen.



Meisten,

die

sich

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darüber



ausgesprochen

haben

und

darunter von den obersten Autoritäten der Kunsthistorie. Für die gerechten Aussetzungen von dieser Seite bin ich nur dankbar; wie ich denn überhaupt weit entfernt bin, in solchem Austausch nicht lernen zu wollen.

Allein

von anderer Seite erfuhr mein Buch so ungünstige, von negativem Geiste so durchaus beherrschte, das Ganze so wesentlich in Frage stellende Kritiken, dass es Zeit ist, das Schweigen, welches ich lange genug eingehalten, nunmehr zu brechen.

Das Mass ist voll.

Man wird aus

dem Folgenden ersehen, welche dieser gegnerischen Kritiken der Geduld den Boden ausgeschlagen hat. Ich bin hiemit so frei, mein Menschenrecht zu brauchen. zu viel ist, ist zu viel. Artikel im Rechtsgesetz.

Was

Der Fall der Nothwehr ist ein Und wenn die Selbstvertei-

digung eines Schriftstellers durch Gründe für die Wahrheit seiner Sätze Pflicht ist, weil sie der Entwicklung der Wissenschaft dient, so wird er auch der Wahrheit des Sittengesetzes dienen, wenn er zur Schutz- und Trutzwaffe greift,

um Angriffe abzuweisen,

die von einem

anderen Geiste ausgehen, als dem der Ehre und Wahrhaftigkeit. Eröffnet hat den Reigen derselben unter der Hülle scheinbarer Anerkennung Herr E. 0 . in der Zeitschrift für bildende Kunst (XIH, 1878, Beiblatt S. 832).

Seine

Recension wäre nicht des Erwähnens werth, diente sie nicht als belehrendes Beispiel dafür, wie man es anfangen muss, wenn man ein Buch bei der quantitativ vorherrschenden Zunft einseitiger Kunsthistoriker schlecht machen,



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in ein bedenkliches Licht setzen will. Herr E. 0. mischt unter vage Sätze der Anerkennung das zu solchem Zwecke dienliche Ingrediens, indem er sagt: „Der Verfasser ging der streng geschichtlichen Behandlung seiner Aufgabe grundsätzlich aus dem Wege, als ob es ihm weit mehr um eine Studie über die Renaissance, als um die Lebensbeschreibung Signorelli's zu thun gewesen wäre. — Wir erhalten auf nur 38 Seiten Signorelli's Leben. Die hierauf folgenden Exkurse über: Signorelli's Kunst in ihrem Verhältniss zur Renaissance überhaupt etc. sind reich an philosophischen literar- und kunstgeschichtlichen Aufschlüssen (man bemerke die Reihenfolge dieser Disciplinen!) und anregenden Bemerkungen. — So ,oft der deutsche Gelehrte in Gefahr gerieth, sich in abstrakte Theorien zu versenken, brachte ihn der rüstige Vorbote Michelangelo's wieder auf die Oberfläche" etc. Herr E. 0. kann den Abschnitt über das Leben Signorelli's nicht gelesen haben und es taugte ihm zu seinem Zweck, denselben seinem Gehalte nach zu ignoriren. Er konnte dabei denken, der Leser werde das Buch noch nicht gesehen haben und sich 38 enggedruckte Seiten Kleinoktav voistellen. Und dabei bleibt unberücksichtigt, dass alles Lokalhistorische und die Beschreibung, Schätzung der Werke in eigenen Kapiteln behandelt ist. In den Hinweisen des Herrn E. 0. auf meine vermeintliche Vorliebe für „abstrakte Theorien" mag immerhin auch etwas Naives liegen. Herr E. 0. gehört wohl zur Gattung derjenigen, für welche just da, wo das wahrhaft Concrete beginnt, das leer Abstrakte anfängt. Wo das Einzelne, das Aeusserliche, der tech-

— 30 — nische Schmeck, die Notiz aufhört, wo es gilt, in's Volle zu gehen, einen ganzen Mann, eine Zeit in ihren Zügen zusammenfassen, da, meint er, beginne das L e e r e . Was unter Theorie zu verstehen ist, das weiss er nicht, wie seine Verwendung des Wortes bezeugt.

Allein das wäre

nur naiv, Herr E. 0. aber ist, wie man aus dem Bisherigen ersieht, nicht überhaupt naiv, sondern sehr — klug.

Wie reimen wir Beides? Herr E. 0. benutzt sehr

klug das naive Theil in seinem Kopf als Haken, um daran die falsche Beschuldigung zu knüpfen, ich gehe dem Historischen aus dem Wege. Jene meine Eintheilung, d. h. die Scheidung des Stoffes nach Gesichtspunkten und Begriffen, ist vielfach an meinem Buche getadelt worden, auch in sonst zustimmenden Kritiken.

Nur A. Schultz und E. Förster

haben sich ganz einverstanden mit derselben erklärt. Der letztere freilich stellt sie am Ende seiner Recension wieder in Frage,

nachdem er sich im Anfang zu ihren

Gunsten entschieden.

A. Springer billigt es wenigstens,

dass ich die Beschreibung der Werke von der Biographie abgetrennt habe. Obgleich nun meine in der Vorrede erörterten Motive hiefür von den Meisten, welche dagegen sind, nicht berücksichtigt und in ihrer Gültigkeit nicht widerlegt worden sind, so bin ich doch zuvörderst hierin für wohl begründete Einwendungen gewiss nichts weniger als unaufmerksam.

Auch hiebei kommt es mir auf den Geist des

Tadels an; es kommt darauf au, dass derselbe von mündiger und gerechter Stelle ausgeht.

Und dies ist nicht



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der Fall in den Recensionen, gegen welche ich hiemit meines Rechtes mich annehme.

Herr Hubert Janizek*,

der eifrigste Anfechter meiner Arbeit, spricht von der unbünstlerischen Form meines Buches, verschweigt aber, dass ich (im Vorwort) mit Angabe der Gründe, also mit klarem Bewusstsein, nach dieser Seite hin auf eine künstlerisch-organische Eintheilung verzichte. sagt,

Herr Janizek

meine Disposition habe verhindert,

Signorelli's

„menschliche und künstlerische Individualität in ihrer Ganzheit und Einheit, mit dem kulturgeschichtlichen Hintergrunde verbunden und zugleich von ihm abgelöst, zu begreifen."

Dies kann ich nicht zugeben.

Vielmehr ge-

wann ich so eine ungewöhnlich freie Bahn hiefür, wie ich sie mit einer genetischen Anordnung nicht erreicht hätte, und ich glaube gerade hierin, in der gesammelten Charakteristik von Signorelli's Kunst und Phantasie, mit Erfolg thätig gewesen zu sein.

Dass aber diese begriffliche

Scheidung anderseits schwere Uebelstände mit sich gebracht hat, dies sehe ich wohl ein. Lübke, Springer und besonders M. Br. (in Sybel's historischer Zeitschrift) haben mir hierüber höchst beachtenswerthe Ausstellungen gemacht. Nach wiederholter ernstlicher Ueberlegung scheint mir, dass in dieser Frage Für und Gegen sich die Wage halten. Vielleicht finde ich Gelegenheit, mein Buch nach der gewöhnlichen genetischen Anordnung umzuarbeiten, dann bringt wohl die Vergleichung beider Methoden an

* Repertorium für Kunstwissenschaft, redigirt von H. Janizek und A. Woltmann, Bd. II, Heft 3 u. 4. S. 396.



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einer solchen verschiedenen Bearbeitung desselben Stoffes grössere Klarheit. A. Woltmann nennt in seiner Recension* meine Vorrede „lang und anspruchsvoll".

Dass ich mich hierin

etwas umständlicher als gewöhnlich aussprechen und Missverständnissen, vorgreiflichen Urtheilen der Mode entgegentreten musste, dies war durch das Wesen meiner Arbeit und durch die Stellung bedingt, die ich gegenüber der Partei einnehme, welche jetzt in der Wissenschaft der Kunstgeschichte eine so breite Rolle spielt.

Was aber

den Ton betrifft, so ersuche ich jeden unbefangenen Leser, sich selbst zu überzeugen, dass er nur am Schlüsse einen scharfen Klang annimmt, wo ich mich dagegen verwahre, dass man meine in's Volle und Ganze strebende Arbeit als einen blossen Baustein betrachte, wo ich die Nothwendigkeit der Verbindung von historischer und ästhetischer Betrachtung einfach als selbstverständlich bezeichne. Woltmann stellt mich zugleich als eiteln Gecken hin, indem er eine Metapher in meiner Vorrede mit den Worten wiedergibt: „Der Verfasser vergleicht sein Buch mit einem Palast" etc.

Dies ist Entstellung.

Ich spreche dort nicht

von einem Palast, sondern von „meinem Haus, seinem schwerfälligen Unterbau, seiner kahlen Halle, von dem Magazin im Hinterbau".

Den Palazzo vecchio in Florenz

führe ich vor diesen Worten nur an, weil mich die deutschen Städtebilder in seinem Hofe an die lokal-historischen Skizzen im Eingang meines Buches erinnerten, und ich hebe

* Literarisches Centralblatt 1878, Seite 1674.



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gerade die Aermlichkeit meines Baues im Unterschied von demselben hervor. Es ist eine Vergleichung, wie ich sie eben gerade brauchte, das tertium comparationis liegt einfach in der architektonischen Anordnung und diesen harmlosen Tropus stellt nun Woltmann als Selbstverherrlichung hin! Wie nach dem Vorspiel von Herrn E. 0. in der Zeitschrift für bildende Kunst nicht anders zu erwarten war, haben mir A. Woltmann und Herr Hubert Janizek Mangel an historischer Methode und Kritik vorgeworfen und den Beweis hiefür sind sie schuldig geblieben. Ihnen diente wohl statt des Beweises eine Voraussetzung, von der sie ausgingen. Diese Voraussetzung ist die bekannte Alternative der Partei, welcher sie angehören: Entweder Kunstgeschichte oder Aesthetik. Dass mein Buch ein Ziel der gebräuchlichen Vervehmung einer Behandlung sein werde, welche auch ästhetische, nicht b l o s s historische Kritik übt, dies war ja nicht anders zu erwarten. Woltmann und Herr Janizek sind jedoch die einzigen, welche den besagten Vorwurf gewagt haben und ihre Recensionen lassen in der That erkennen, dass sie gerade den streng historischen Abschnitt über Signorelli's Leben, der so recht als ein Bissen für die Fanatiker exakter Forschung von mir isolirt und in seiner ganzen blossen Sächlichkeit herausgestellt wurde, — dass sie gerade diesen für ihre Organe bestimmten Abschnitt nicht gelesen haben, dass sie nicht im Mindesten eingedrungen sind in das zu Grunde liegende Urkundenstudium. In der Analyse der orvietanischen Urkunden liegt wohl die wichtigste Arbeitsleistung meines Buches und diesen mühsamen Weg 3



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mir nachzugehen haben sich die genannten Herren geflissentlich erspart.

Nach dem Wortlaute der Urkunden,

wie er in den Werken von G. della Valle und Luzi wiedergegeben ist, war die Genesis des von Signorelli gemalten jüngsten Gerichtes, war die räumliche Austheilung und Komposition desselben nicht klar aufzuzeigen; d. h. die genetische Erklärung, welche die Akten des Dombaurathes enthalten, war in wesentlichen Punkten wegen unrichtiger Abschrift dunkel und nicht verständlich.

Abgesehen hie-

von waren die bisherigen Analysen dieser von G. della Valle und Luzi publicirten Akten ganz flüchtig und fehlerhaft in wichtigen Partien, die sich auch ohne Revision der Urkunden

selbst hätten

ergründen

lassen.

Meine

schwerste Arbeit hiebei war nach dem Kollationireh in der Domopera zu Orvieto das Uebersetzen des halb naiv tastenden, halb kanzleimässig umständlichen Wortlautes, das Verdeutschen und hauptsächlich die Erklärung des Inhaltes mit Bezug auf den Freskeneyklus des Künstlers, das Zusammenhalten der Verhandlungen mit den Malereien. Freilich wer jetzt so glattweg meine Darlegung (von Seite 95 bis 102) liest, der könnte sie für eine lcichte Mühe halten. Wenn mir ein Sachverständiger, der dieser meiner Auseinandersetzung geduldig und genau gefolgt ist, nachweisen kann, mein Gewinn sei illusorisch, schwach, schwankend, wenn dieser Nachweis in der That gelingt, dann will ich gerne selber mein Buch zum alten Trödel werfen.

Vorderhand aber lebe ich der Zuversicht, dass

dies nicht gelingen wird.

Auch halte ich es für unnöthig,

den Werth solcher Analysen in der Kunstgeschichte zu erör-



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tern, da ja eine Schrift wie Springer's „Michelangelo in Rom" u. A. gerade hiedurch sich auszeichnet, d. h. durch den an der Hand der Berichte und neu publicirten Briefe geführten Nachweis der Geschichte der sixtinischen Deckengemälde, und gerade hiemit allgemeine Anerkennung gefunden hat. Dass ich in Arezzo, Loreto, Florenz etc. keine neuen Urkunden suchen und finden konnte, dies ist freilich schade, aber es kann mir nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Ich lade hiemit unsere ahnungsvollsten Quellen-

spürer ein, in dieser Sache ihr Glück zu versuchen, ich habe nur den wohlbegründeten Glauben, dass es ihnen nicht besser ergehen wird wie mir.

Warum, dies werden

sie an Ort und Stelle schon erfahren. Dass ich in den lokal-historischen Abschnitten ziemlich geläufige Werke zur Schilderung Verhältnisse benützte,

der

allgemeinen

dies ist selbstverständlich;

denn

diese Partien sind ja nur nebensächliche Mittel zum Zweck. Es war nicht meine Aufgabe, auch hierin neue Durchforschungen vorzunehmen. Uebrigens kenne ich die deutsche Vertrautheit mit lokaler Geschichte und Kunstgeschichte Italiens hinreichend, um behaupten zu können, dass Hehreres auch in diesen Partien meines Buches und manche benutzte Quellen selbst erfahrenen Kunsthistorikern nicht „geläufig" waren. Meine Arbeit hätte sich in's Unendliche verlaufen, wenn ich auch in diesen Theilen immer auf die letzten Quellen zurückgegangen wäre und die g a n z e Literatur berücksichtigt und hineinverarbeitet hätte.

Die nothwen-

dige Oekonomie, welche ich mir hierin auferlegen musste,



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-

hat gleich zu Beginn meiner Schrift einen Irrthum herbeigeführt: Indem ich mich an die anonym erschienene Storia di Cortona (Arezzo 1835) hielt, gerieth ich in die Meinung ihres Verfassers, die Heimat Signorelli's sei identisch mit dem Cortona im Satyricon des Petronius Arbiter, und so citirte ich nebenher ein Wort des letzteren zur Andeutung meiner mühsamen Reise nach dem Ziele der Vollendung meines Buches; ein Irrthum, der mir übrigens von der öffentlichen Kritik nicht vorgehalten wurde. Ein paar Zerstreutheiten, von denen meine zum Theil sehr saure und ermüdende Bemühung sich nicht ganz frei halten konnte, haben es lauernder Feindseligkeit leicht gemacht, mein Buch nach der Seite der Akribie zu verdächtigen.

Dass die florentinischen Maler zur Apotheker-

zunft gehörten, hatte ich auch einmal gelernt und — wieder vergessen.

Meine Ignoranz liegt nun verschämt

unter dem Wipfelchen der grünen Weisheit von Herrn Janizek.

Als ich von der Zunftgliederung in Cortona

Kenntniss nahm, dachte ich entsetzlicher Weise an den bekannten Zusammenhang

der Malerei mit der Gold-

schmiedekunst* und so passirte mir der grobe Fehler, zu schreiben, die florentinischen Maler haben der Zunft der orefici angehört und desshalb seien wohl die cortonesischen Künstler theilweise in der Zunft der fabri mitinbegriifen gewesen.

Wie wird dieser Fund Herrn Janizek glücklich

* Vgl. z. B. Crowe-Cavalcaselle, Geschichte der italienischen Malerei. III, 15, 120—125.



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gemacht haben! Ich stelle mir so lebhaft vor, wie warm er nach solcher Entdeckung für die Sache geworden ist. Wie musste er sich angeregt fühlen, weiter zu suchen, was zu finden Behagen schuf! Und er fand wirklich noch mehr: er sah sich in der Lage, mir vorzuwerfen, dass im Abschnitt über Pietro degli Franceschi mein Nachweis der Entwicklung der Perspektivik lückenhaft sei und nicht über die Angaben Harzen's hinausgehe. Geistreicher Vorwurf! Harzen, mein Gewährsmann, ist guter Sitte gemäss von mir citirt, und auch das war nicht meine Aufgabe, eine Geschichte der Perspektivik zu schreiben. Das Verbrechen jedoch, welches ihm hiebei aufzustöbern gelang, besteht darin, dass ich in ungenauer Erinnerung an eine Notiz in Harzen's Aufsatz geschrieben habe, Daniele Barbaro habe dem Traktate Pietro's „die ganzen Abschnitte" seiner pratica della perspettiva entnommen. Dies nennt nun mein jüngster Richter „unqualificirbar". Der arme Sünder hat einfach zu sagen, dass hier eine falsche Reininiscenz an Harzen zu Grunde liegt. Derselbe gibt nämlich an, Daniele Barbaro habe „ganze Stellen", „mehrere Stellen" aus dem Traktat Pietro's in sein Werk aufgenommen.* Herr Janizek hat, wie aus einer seiner Mittheilungen in der Zeitschrift für bildende Kunst (XHI, Kunstchronik, 670) hervorgeht, den Aufsatz von Harzen gelesen, also auch diese Angabe. Warum verschweigt er dieselbe? Und warum verschweigt er meine

* Vgl. Naumann's Archiv für die zeichnenden Künste. II, 235, 241.



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Korrektur einer irrthümlicheii Ansicht Harzens (S. 70) über den Zeitpunkt der Verfassung jenes Traktats? Warum denn? — die Antwort liegt auf der Hand. Die florentinischen Meister, von welchen Signorelli nach meiner Meinung lernte und Anregung erfuhr, scheide ich in zwei Gruppen: in die Realisten einerseits und die Idealisten, Romantiker anderseits. Dass der Unterschied zwischen beiden, wie zwischen allen lebendigen Erscheinungen, relativ ist, dass sich daran zwacken lasse, um einen Ausdruck Kant's zu gebrauchen, dies sage ich selber im Vorwort. Gleichwohl konnte natürlich Herr Janizek nicht unterlassen, ein wenig zu zwacken, wenn auch nur überhaupt. Er sagt: „Solche Unterscheidung mag bequem sein, aber der historischen Erscheinung thut der Gebrauch solcher Tagesnomenclatur Gewalt an". Man sieht, dieser Gegensatz ist ihm unbekannt, er hat es bis jetzt noch nicht gemerkt, wie Fra Filippo, Ghirlandaio, Botticelli mit ihrem freieren Poetisiren von jenen Meistern abstehen, welche von Crowe uncl Cavalcaselle „Naturalisten und Techniker" genannt werden, von Baldovinetti, Antonio del Pollaiuolo und Verrocchio. Und hätte ich erst das Monumentale in den Kompositionen Ghirlandaio's, das Romantische in den Gemälden Botticelli's nachzuweisen ?! Hat sich Herr Janizek je darüber besonnen, was romantisch ist? Auch das besonders "wirkungsreiche Mittel des komischen Effekts lässt sich Herr Janizek nicht entgehen, er empfiehlt mich dem Gelächter. Als „ein köstliches Beispiel meiner historischen Kritik" möchte er die Art hindrehen, womit ich Signorelli von dem Verdachte los-



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spreche, Michelangelo um Geld betrogen zu haben.

Ein

Mahnbrief des letzteren an den Capitano von Cortona klagt nämlich Signorelli der unwahren Versicherung an, eine im Jahr 1513 erborgte Summe von 80 Scudi demselben bereits bezahlt zu haben.

Von meinem Urtheil

über diese Angelegenheit citirt nun Herr Janizek die ganz nebensächlichen Vermuthungen:

„Kann

Signorelli

nicht das Geld einem Bevollmächtigten gegeben haben, der es bei Michelangelo abliefern sollte? Kann es dieser nicht veruntreut, verloren haben?

Kann er nicht unter-

wegs aufgehalten, krank, ermordet, beraubt worden sein?" Dazu bemerkt Herr Janizek:

„Mit solchen biedermän-

nischen Fragen thut Vischer sich genug" etc.; er verschweigt aber die Hauptsache, worauf ich ausdrücklich hinweise, den Umstand, dass die Antwort des Capitano von Cortona an Michelangelo nicht bekannt ist, und den Umstand, dass Signorelli auch damals,

d. h. von 1513 bis zu seinem

Todesjahr 1523, alljährlich öffentliche Würden in seiner Vaterstadt bekleidete.

Warum möchte denn Herr Janizek

den von Vasari als Ehrenmann gepriesenen Meister von Cortona durchaus zum Lügner und Betrüger wissen?

gemacht

Was ist das für ein eigenthümliches Bedürfniss ?

Vasari berichtet ausdrücklich,

Signorelli

h a b e 1472 sein E r s t l i n g s w e r k a u s g e f ü h r t , Wandg e m ä l d e in S. L o r e n z o zu Arezzo.

Herr Janizek

weist nun darauf hin, dass nach den florentinischen Konfraternitätsstatuten die Lehrzeit der dortigen Maler zwischen 3 und 7 Jahren schwankte, dass also Signorelli, geboren 1441, irothwendig früher selbstständig geworden sein muss.

-

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Allein Signorelli war zuerst Lehrling Pietro's in Arezzo und aus früherer Zeit, d. h. vor 1472, sind nun einmal bis jetzt keine Werke seiner Hand nachweisbar. Daher bin ich so frei, mich vorderhand an Vasari zu halten. Uebrigens spreche ich mich hierüber in meinem Buche nichts weniger als apodiktisch aus, ich weise nur nach, dass Signorelli spätestens 1452 Lehrling Pietro's wurde, und vermuthe nur, dass er schwerlich länger als bis 1460 bei ihm war, dass er dann vielleicht mit Antonio del Pollaiuolo, welcher für S. Angelo in Arezzo eine Kirchenstandarte malte, nach Florenz ging, hier eine Zeit lang Gehilfe des Genannten und auch Nacheiferer, wenn nicht Schüler und Gehilfe des Andrea del Verrocchio wurde. Diese Hypothese begründe ich durch neue stylvergleichende Nachweise, jedoch sage ich ausdrücklich nur, dass wir-annehmen dürfen, Signorelli habe w e n i g s t e n s e i n e n Theil der Zeit bis 1472 in Florenz in Gemeinschaft der genannten Lehrer zugebracht, vielleicht auch einen Theil der Zeit zwischen 1474 bis 1476, worüber uns jede Nachricht fehlt. Wie lange er Gehilfe blieb und wie sich darnach sein Verhältniss zu jenen Lehrern gestaltete, dies lasse ich ganz dahingestellt. Es wäre lächerlich, wenn wir solche Beziehungen auf Grund von Statuten exakt bestimmen wollten. Herr Janizek aber weiss es wohl ganz haarscharf. Ich sage: „So lange nicht aus aretinischen Urkunden nähere Nachricht hierüber gegeben wird, haben wir uns an die Auskunft Vasari's zu halten". Das nennt mein harmloser Qualifikator „Vertrauensseligkeit gegenüber Vasari u . Zu den Angaben des alten Giorgio Vasari habe



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ich aber jedenfalls mehr Vertrauen als zum Geiste des Herrn Hubert Janizek.

Dieser ruft aus : „In einem Alter,

in welchem Raphael schon Könnens stand,

auf der Sonnenhöhe

seines

soll Signorelli kaum zur Selbständigkeit

gelangt gewesen sein!" Kein Sachverständiger wird hierüber nicht stutzen.

Allein Yasari war ein Aretiner und

ein Verwandter Signorelli's und er verdient als solcher mit seinem Berichte unsere volle Beachtung. Herr Janizek setzt sich nun, bewusst seines Wissens und seines Tiefblickes in Geistesentfaltungen, auf höheren Richterstuhl.

Kurzweg

behauptet

künstlerischen

Entwicklung

er,

Signorelli's

ich

habe

nicht

„der

genügend

nachgespürt", während er an anderer Stelle zugeben muss, dass ich seine Werke

eingehend durchforscht

und die

Elemente in seiner Kunst aufgewiesen habe, welche er von seinen Vorläufern, Lehrern und Genossen entnahm. Wohlan,

möge irgend ein Sachverständiger,

irgend ein

gründlicher Kenner seiner Gemälde meine Ansicht widerlegen,

dass eine geschichtliche Wandlung seines Styles

kaum erkennbar ist! -Ich spreche mich S. 147 folgendermassen hierüber aus: „Signorelli's geschlossene Natur bleibt sich im Wesentlichen

gleich.

Die Jugendwerke zeigen

eine grössere Sammlung und Gediegenheit und deutlicheren Einfluss der grossen Lehrer, als die späteren.

Die Ge-

mälde der Reife sind meist rasch und feurig, die des Alters häufig stumpf und handwerksmässig.

Jedoch auch

in früher Vollendetem gibt es Spuren von Rohheit und Flüchtigkeit.

Wir haben überhaupt zweierlei Gattungen

zu unterscheiden,

die ernsten Meisterwerke und die ge-



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schäftsmässigen Dutzendbilder. Letztere wiegen allerdings in seinem Alter vor." Der Wunsch des Herrn Janizek, ich möchte es versucht haben, Signorelli's Beziehungen zum Hause Medici nachzugehen, ist leicht ausgesprochen. Wo nichts zu finden ist, da sind Wünsche wohlfeil wie Brombeeren. Aber freilich man spricht sie aus, man verlangt dreist, erhebt Prätensionen; man sitzt ja auf kritischem Thron, beschäftigt die Kärrner, lässt das Arbeitervolk sich plagen. Und brächten sie nicht zu Stand, was gefordert, wär's wirklich unmöglich — nun dann, so ernst war die Sache gar nicht gemeint, es war ein Einfall, eine Laune. Aber die Corona hat einstweilen wieder die Superiorität des kritischen Meisters gefühlt. Und darauf kam's an. Das Kulturbild, das ich im Kapitel über Signorelli's Kunst und Phantasie von der italienischen Renaissance gebe, findet Herr Janizek (in schroffem Widerspruch mit den übrigen ßecensenten) „ schief'x. Unbeirrt und ohne Vorgreiflichkeit habe ich das Werthvolle, den positiven Gehalt jener Kulturerhebung und die Weihe ihrer Kunst ebenso rückhaltlos ausgesprochen, wie ihre Wildheit, ihre sittlichen Schäden, ihren Mangel an Ethos und Gemüthsenergie. Getreu seiner kritischen Methode verschweigt Herr Janizek den positiven Theil meiner Betrachtung jenes Kulturstandes und stellt die starken Worte des negativen Theiles ohne Vermittlung mit dem Ganzen in ein grelles Licht heraus. Seine gegnerische Argumentation ist ein so klassisches Beispiel einer gewissen nachher zu entlarvenden Beweisgattung, dass ich sie in ihrem



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Wortlaut citire: „Woher soll die vom Verfasser gepriesene 'hohe und reine Kunst kommen, wenn die Kulturbewegung nach seiner Ansicht glänzend, aber mattherzig ist?" „Der Verfasser (sagt Herr J . ) weiss sich anfänglich zu helfen: „„Die Phantasiethätigkeit ist unbewusst und kann sich an Stoffen und Harmonien erfreuen, welche das bewusste Denken ganz gleichgültig lassen""; aber bald darauf sagt er: „„Die Phantasie ist ein Mikrokosmos aller Fähigkeiten des Menschen, besten

seiner ganzen, im normalen Falle seiner

Weltanschauung.""

Weltanschauung

aber

ist

Dem

stimme

doch

nur

ich

die

zu;

die

Resultante

äusserer und innerer Wahrnehmungen, darnach wird das künstlerische Schaffen, dessen Quellpunkt die Phantasie ist, Zeugniss von den innern und äussern Erlebnissen des Individuums geben, „„eine hohe und reine Kunst"", also in einer hohen und reinen Weltanschauung ihre Wurzel haben. — Hätte der Verfasser sich nicht mit dem Hörensagen begnügt,

wäre er an die Quellen gegangen und

hätte er dort dem geistigen Pulsschlage jener Zeit nachgespürt,

so hätte er die hohe, reine Weltanschauung in

praktischer Uebung auch gefunden; Zeugnis» dafür hätte ihm sein müssen leben,

ein sittlich unangebrochenes Familien-

wo auch die einfache, herzliche Religiosität zu

Hause war.

Keine Zeitperiode hat sich ernster mit dem

sittlichen Organismus 15. Jahrhundert."

der Familie beschäftigt,

als das



Zunächst will ich hiegegen in aller Kürze nur die wesentlichen Gesichtspunkte meiner Erörterung aufführen: —

Ich beginne mit der Charakterisirung des abenteuer-



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liehen und wilden Lebens in Umbrien, der Blutwirthschaft der dortigen Tyrannen,

Condottieri und ihrer

Söldner und der hiemit kontrastirenden, höchst abergläubischen Bussstimmung; nach einem kurzen Hinweis auf

die

Residenz

der

mittelalterlichen

Kirchenmacht

neben der ehrwürdigen Trümmerwelt der Antike in Rom und auf den intellektuellen Quellpunkt des modernen Individualismus in Florenz versuche ich dann, die allgemeinen Strömungen des damaligen italienischen Geisteslebens zu kennzeichen, die aus dem Mittelalter fortwirkende Mystik und die antik-liberale und weltliche Gesinnung der neuen Zeit, die Erscheinung und Komplikation dieses Dualismus im Einzelnen, die wechselseitigen Konflikte und Verbindungen dieser Gegensätze.

Folgt eine kurze Be-

trachtung der Aristoteliker und Platoniker, ihr Verhältniss zur Scholastik und zum christlichen Glaubensideal.

Mit

besonderem Nachdruck wird die Verbindung von platonischer und christlicher Mystik und das romantische Ergebniss derselben hervorgehoben. Hierauf kommt das im frischeren Anschluss an die Antike geweckte und genährte Naturstreben der Renaissance, besonders der Zug zum Nackten und Leibhaften in ihrer Kunst näher zur Sprache. Diese ganze Kulturstimmung mit ihren wichtigsten Elementen und Kontrasten findet dann eine weitere Beleuchtung in einigen Exempeln

der Poesie,

Lauden

und

Romanzen, natürlich wie immer in dieser Betrachtung mit schliesslicher Bezugnahme auf die Phantasie Signorelli's. Endlich aber frage ich mit scharfer Herausstellung des Begriffes: Wie stand es mit dem ethisch-religiösen Ge-



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halte? Und nun wird freilich von mir aufgezeigt, wie matt und schlecht das Herz jener strotzenden Kulturgestalt bestellt war, und ich weiss mich hierin im Einklang mit der Welt der deutsch-protestantischen Bildung, brauche meinen Standpunkt, wenn ich nur zu dieser spreche, nicht zu begründen. Was ich als das Wesentliche hervorhebe, ist der vorherrschend nach Aussen gerichtete ästhetische Individualismus, welcher die italienische Renaissance beseelte, der schöngeistige Naturtrieb, der immer expansiver, in immer neuen Gestaltungen sich gefallend, auch immer mehr die sittliche Sammlung, das ethische Centrum verlor, der schliesslich — Ende des 16. Jahrhunderts — eine Masse geiler, tauber Wasserschösslinge, aber blutwenig gesunde Zweige hervortreiben konnte. Im Gegensatz hiezu erfolgte in Deutschland eine h e r z k r ä f t i g e Krisis der Gemüther, also auch hier ein neues geistiges Leben des Individuums, aber des Individuums als sittlich sich sammelnder, Geist und Natur scheidender, den blossen Naturtrieb streng bekämpfender Persönlichkeit, streng innerlich, scheinkarg, eine Gewissensrenaissance, aber wahr, tief und mächtig. In Italien, sage ich, konnte die Mystik dies nicht leisten, weil sie nicht aus dem Nebel der Vision herausgelangte. Die Versuche der platonischen Akademiker, ihre Begriffe der göttlichen Liebe, ihre theosophischen und pantheistischen Ideen hatten keine Energie und keinen volkstümlichen Erfolg; sie wirkten höchstens durch ihre Idealität bestärkend auf den ästhetischen Individualismus der Gebildeten. Luther und Zwingli aber brachten das verlorene Ich



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innerhalb seiner selbst wieder mit dem Weltgeist in Verbindung durch das positive Princip des reinen Glaubens. Als bezeichnende Repräsentanten des Gewissensstandes der italienischen Renaissance führe ich zwei grosse Männer derselben auf: Macchiavelli mit seinem radikalen Willensaufgebot ohne ethische Rücksicht, mit seiner auf negativen, äusserlichen, staatlichen Zweck gerichteten Tendenz, mit allen Konsequenzen naiver Ruchlosigkeit, die diesen ächten Vertreter der Gesinnungswelt

des Risorgimento

charakterisirt, und Savonarola mit seiner visionären Rachephantasie, mit seinem ebenso negativ beschränkten Zelotismus. — Von Letzterem sage ich unter Anderem, sein Geist sei ton der absoluten Idee der anticipirten Nemesis hingenommen.

Hinter diesen etwas verwegen gedräng-

ten Ausdruck hat mir A. Woltmann

ein

Fragezeichen

gesetzt, das ich zu beantworten für unnöthig denn

nicht

allen Lesern

wird das

erachte;

Verständniss

aus-

gehen, wenn man wagt, über das ausgetretene Geleise der Alltagsdiktion zu springen.

Zugleich bemerke ich

zum Ueberfluss, dass ich mit dieser Ansicht über Savonarola und Macchiavelli keineswegs allein stehe.

Den

Nachweis hiefür gewährt ein Blick in die einschlägige Literatur. Nun folgt die von Herrn Janizek leichthin für puren Widerspruch ausgegebene Stelle, der Hinweis auf den Kontrast, welchen im damaligen Italien die Kunst zur Kultur bildet und ich schliesse diese erste Hälfte der ganzen Betrachtung mit folgenden Worten: „Und so können wir uns, vornehmlich wenn wir die Gebilde der italienischen Maler

und Bildhauer

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der Renaissance betrachten,

mit

dem

Geiste der Nation von Herzen versöhnen; denn da spricht sich wahres Ethos, wahre Religiosität und reine Naturliebe aus.

Auf dem neutralen Boden der Kunst (NB.)

haben sich die edelsten Geister vereinigt, um hier bildlich, aber ehrlich am Gedeihen, an der Selbstvollendung des Menschengeistes Antheil zu nehmen, und sie entfalten hiebei mehr Tiefe und wahres Menschenthum,

als die

Gelehrten, Politiker, Geistlichen, auch als die gleichzeitigen Poeten Italiens." — „Der Verfasser weiss sich anfangs zu helfen." und ähnlich beliebt sich Herr J. auszudrücken. seiner Identifikation von Phantasie und Leben,

So Nun,

Schön-

geistigkeit und Ethos stelle ich den fundamentalen Unterschied beider entgegen, welchen jeder an sich selbst erlebt.

Wie sa^t doch Goethe?

„Jeglichen Schwärmer schlagt mir an's Kreuz im dreissigsten Jahre; Kennt er nur einmal die W e l t ,

wird der Betrog'ne der Schelm."

Und Schiller, der war hinreichend deutsch beschränkt und schwäbisch verstockt, um eine gewisse Abhandlung „über die notwendigen Gränzen beim Gebrauche schöner Formen" zu schreiben. Was ist Phantasie ? Jean Paul sagt in seiner Weise: „Die Weltseele der Seele."

Wir wollen sie

schlichter

definiren als innere Biklthätigkeit, im höchsten Sinne als ideale Bildthätigkeit.

Ihr Gegenstand ist die lebendige

Erscheinung der Welt.

Ihre Tendenz ist Vollkommen-

heit, Vergeistigung.

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Ihr Tummelfeld liegt in ihr selbst,

sie arbeitet in sich selbst, und sie fixirt das Resultat ihres Processes gestaltend im objektiven Kunstwerk. Der Bildhauer meisselt dem Marmorblock sich selbst, seine Individualität, seinen inneren Menschen an, er haut sie ihm hinauf.

Der sächlich und ethisch bestimmte Mensch

dagegen wirkt seine Gesinnung, sein Ideal in das unruhige, reagirende Leben hinein; er arbeitet, dressirt, haut seinen Willen dem spröden, widerstrebenden Objekt Welt an; denn an die Meisselhiebe eines Michelangelo erinnern ja doch die Willensakte starker ethischer Naturen.

Was

ich also festgehalten wissen möchte, ist das wahre Wesen der Phantasie.

Das illusorische, auf Schein und Phäno-

menalität gerichtete Pathos derselben ist noch weit entfernt von der Bestimmtheit sittlich-religiösen Lebens und kann demselben geradezu hinderlich sein. — Derselbe Jean Paul sagt vom Dichter, dass „ihm das Universum leise in das Herz schlüpft und ungesehen darin ruht und der Dichtstunde wartet." Dies gilt auch vom Maler und gewiss ist es der beste Gehalt der italienischen Renaissance, der ihre Künstler, wie ihre Platoniker beseelte; damit ist aber noch nicht bewiesen, dass das ethische und religiöse Fundament jener Kultur tief und stark genug war, um eine grundmässige Neubelebung der Menschheit durchzuführen.

Die Phantasie kann sich auch in das Sittliche

v e r s e t z e n und so ein Bild gewaltiger ethischer Kräfte geben, aber die Persönlichkeit, die der Träger der Phantasie ist, kann dennoch weit entfernt sein vom r e a l e n L e b e n im Sittlichen.

Die Geschichte beweist ja, dass



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den Italienern eben diese positiv-reale Kraft abging. — Wenn nun auf den Mangel dieser wesentlichen Potenz hingewiesen wird, so wird hiemit nicht geläugnet, dass in einer so gestimmten Welt v e r e i n z e l t e sittlich gute Bestrebungen recht wohl vorhanden sein können.

Es wird

ihnen nur die Kraft abgehen, durchzudringen, die Stimmung für das Sittliche wirklich zu verbreiten, weil sie sich nicht sammeln, nicht zu durchschlagender Wirkung vereinigen. Was da am meisten fehlt, ist die Sammlung in einer mächtigen, urkräftigen P e r s ö n l i c h k e i t , Luther es war.

wie

In meinen Sätzen liegt also keineswegs

eine Verkennung der besseren Züge der Zeit ausgesprochen.

Die Werke der Alterthumsforscher» Historiker,

Naturforscher sind ebenso wenig denkbar ohne die Annahme sittlicher Kräfte,

als die Schriften .der hochge-

stimmten Platoniker ufid die Schöpfungen der Künstler. Der gediegene Fleiss, der noch ziemlich intakte Sinn, die noch einfache, ungebrochene Frömmigkeit der bürgerlichen Kreise, des Handwerkerstandes, die Bemühungen,

das

Familienleben zu veredeln, diese Eigenschaften und Arbeiten, welche namentlich das Quattrocento auszeichnen, sollen nicht unterschätzt werden, aber auch nicht überschätzt.

Herr Janizek rühmt kurzweg „das sittlich unan-

gebrochene Familienleben".

Dem widerspricht u. A. ein

Satz in Burckhardt's klassischem Buche über die Kultur der Renaissance: * „Was dem Italien der Renaissance eigen

* Dritte Auflage, herausgegeben von L. Geiger. Leipzig 1878, II, 210. 4



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zu sein scheint, ist, dass die Ehe und ihr Recht mehr und jedenfalls bewusster als anderswo mit Füssen getreten wird".* Dies gilt freilich vorwiegend von den höheren Ständen. Es wäre nun noch Manches zu sagen über die reiche gedrängte Maienblüthe "des Verbrechens im damaligen Italien, über Cesare Borgia und Genossen, über die Malatesta, Baglioni, Vitelli etc., über den charakteristischen Kultus der Ehre, über die Korruption der höfischen Kreise, der Weltgeistlichen und Mönche, über die Charakterlosigkeit und Lascivität der geistigen Führer, über ihr feines und vorsichtiges Laviren in allen religiösen Entscheidungsfragen. Dieser letztere Umstand nöthigt uns jedoch bereits, von den einzelnen moralischen Schäden das in der Tiefe liegende Faule, die ethische Impotenz mit Bestimmtheit zu abstrahiren und als das wesentliche Grundübel herauszuheben, worauf schliesslich alle Krankheitssymptome zurückzuführen sind. Dieses Grundübel, mit der ganzen Fülle seiner Konsequenzen betrachtet, gewährt ein allgemeines Bild ankerlosen Getriebes, tiefer Verkommenheit , wogegen die ästhetische ,und künstlerische Geistererhebung wie ein über der heimischen Erde haltlos schwebendes Luftgebilde erscheint. Die intakte, reservirte Geisteselite über dem ethischen Grundmangel zu verkennen sind wir weit entfernt. Jedoch darf auch gegen diesen der Gewinn, nun endlich die ar* Im Uebrigen jedoch ist Burckhardt's Urtheil über das Ethos der italienischen Renaissance von einer so skeptischen, ja an Determinismus grenzenden Haltung, dass ich hierin mit diesem tiefen und feinen Geiste nicht übereinstimmen kann.



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tistische Bedeutung der italienischen Renaissance vollauf erkennen gelernt zu haben, nicht blindmachen und nicht stumpf gegen die Gemüthswelt unserer deutschen Reformation. Herr Janizek muss schon erlauben, dass ich hier in das ihm wohl wenig erquickliche Feld der Philosophie abschweife.

Diese Betrachtung des Charakters der italie-

nischen Renaissance-Zeit führt schliesslich zu einem jener Knoten, welche mit dem Kant'schen Terminus Antinomie zu bezeichnen sind. E s liegt ein nicht leicht zu lösender Widerspruch vor, zwei einander widersprechende Sätze: 1. Satz:

Die Kunst spiegelt das Leben.

die Kunst in wahrer Blüthe steht,

Wo also

da muss auch das

Leben selber gesund sein. 2. Satz: Die Erfahrung zeigt Epochen im Völkerleben, wo gleichzeitig mit einer reinen und hohen Kunst das reale Leben derselben Nation sittlich verkommen und verwildert war. E s ist nun ein leichtes Mittel, diesen Knoten zu lösen, wenn man die Antinomie lftugnet.

Die wahre Lösung ist

nicht leicht, aber sie muss möglich sein, freilich nicht in Kürze. dern.

Die Aufgabe würde eine ganze Abhandlung forIch muss mich hier begnügen,

zudeuten , von denen nach ausgehen muss.

die Punkte an-

meiner Ansicht die Lösung

Auch in einem moralisch verwilderten

Zustand des Völkerlebens kann es natürlich an vereinzeltem Guten nicht fehlen;

aber es fehlt ihm an Kraft,

eben weil es vereinzelt bleibt. Diese zerstreuten Strahlen des Guten sammelt nun der Künstler im Momente der Schöpfung eines harmonischen idealen Scheines; er sam-



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-

melt sie mit seiner Phantasie wie in einem Focus. versetzt er sich lebendig in das Gute, von dem er ein Bild gibt.

Dabei

sittlich Schöne,

Man kann sagen, er s e i in

diesem Momente selbst auch w i r k l i c h g u t .

Aber es

ist nur S t i m m u n g ; es sind nur Momente. Sichversetzen ist kein Umbilden des ganzen Menschen.

Und sein Werk

erzeugt dieselbe Stimmung im Beschauer, aber auch in diesem wird es — wenn die Zeit nicht darnach angethan ist, solche Stimmungen zu fördern und sie zu thätiger Existenz fortzubilden — bei der momentanen Stimmung bleiben. Dies sind, wiederhole ich, Ansätze für eine Lösung der Antinomie,

In meinem Buche habe ich sie nicht

g e l ö s t — das war nicht meine Aufgabe — aber aufgezeigt.

Und was thut Herr Janizek?

Er legt die ob-

jektiv vorliegende Antinomie als subjektiven Widerspruch meinem Denken zur Last.

Wie nennt man dies? —

Herr Janizek möge, statt sich in Beschuldigungen zu gefallen, unterscheiden, dialektisch begreifen lernen, dass am Günstigsten für die Offenbarung der italienischen Renaissancekultur natürlich das Medium der bildenden Kunst war, welche zuvörderst auf Augenscheinlichkeit, auf Evidenz angewiesen ist, nicht ebensowohl auf Gewissen, Gesinnung, That und Ehrfurcht vor dem göttlichen Weltgesetz!

Dass im unwirklichen Bilde, im gemalten und

skulpirten

Scheine die italienische Volksseele Das am

Besten erfüllen konnte, wofür sie im Leben nicht stark genug war.

Und dass so das scheinbare Wunder,

die

reine, hohe Lilie der Kunst aus dem dunklen Grunde aufblühen konnte! —

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Was das „Hörensagen" betrifft, womit ich mich nach Herrn Janizek begnügt haben soll, so könnte ich darauf hinweisen, dass Kulturgeschichte nicht mein eigentliches Fach ist, wie das seine; doch gebe ich gerne zu, dass der Kunsthistoriker sich allerdings sehr auch in der Kulturgeschichte umzusehen hat, und wo will nun Herr Janizek den Beweis holen, dass ich das versäumt habe ? Ich habe ein Bild des Humanismus und der gleichzeitigen Gesittung Italiens mit raschen Zügen skizzirt und habe damit nichts Neues zu sagen mir eingebildet.

Ich berufe mich hiefür

— ganz abgesehen von dem, was ich an Quellen, Schriften, Poesien der italienischen Renaissanceliteratur kennen gelernt habe und was nicht — auf die Werke von Voigt, Ruth, Burckhardt, Villari, Gregorovius, Reumont, namentlich auf die Unterscheidung zwischen Humanismus und Reformation, welche im Leben Hutten's von David Friedrich Strauss (3. Aufl. S. 484, 540 ff.) und in den kritischen Gängen von Fr. Yischer (n. F. III, 3, 71 ff.) zu lesen ist.

Ganz ähnlich wie ich spricht sich nun auch Lübke

in seiner Geschichte der italienischen Malerei über die Kultur des Risorgimento aus und ebenso Hermann Hettner.* Dieser, welcher der Theologie, der platonisirenden Mystik, der Geschichtschreibung und Dichtkunst des Risorgimento so gründlich eingehende Forschungen gewidmet hat, er gelangt in seinen italienischen Studien zu einem Ergebniss, völlig entsprechend dieser Auffassung,

welche ja

* Vgl. auch Schnaase, Geschichte der bildenden Künste, Band 8, S. 535 ff., 563 u. Julian Schmidt, Gesch. der deutschen Literatur, 5. Aufl., Bd. III, S. 491—499,



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längst ein festes Gut der deutschen Bildung geworden ist und welcher ich nicht umhin kann beizustimmen, ungeachtet der Existenz des Herrn Janizek.

Zur Abschlies-

sung dieser speciellen Erörterung citire ich folgende Worte von H. Hettner: „Der Grund des jähen Verfalles (Mitte des 16. Jahrhunderts)

liegt in den tief inneren Widersprüchen,

an

welchen die italienische Renaissancebildung von Anbeginn krankte und welche sie nicht zu überwinden vermochte. Die mittelalterlichen Bande hatte sie gesprengt; aber das neue Menschheitsideal,

das sie

aus den

Denkern des Alterthums gezogen,

Dichtern und

vermochte sie weder

in der sittlichen Gesinnung noch in der ringenden E r kenntniss der Menschen zur vollen durchgreifenden Herrschaft zu bringen. — So begeistert und hochherzig die neuen Platoniker vom höchsten Gut, von der unentreissbaren Glückseligkeit der gottinnigen Tugend philosophirten, die geschichtliche Wirklichkeit zeigt, dass das neue Freiheitsgefühl in der unendlichen Mehrzahl der Menschen zunächst nichts war als die schnödeste Sophistik der entfesselten selbstsüchtigen Leidenschaft, der Freibrief schrankenlosen Genusslebens und schrankenlosen Verbrechens. Und so emsig und ernst die neuen Platoniker bemüht waren,

die kirchlichen Satzungen durch die Lehren und

Anschauungen der alten Philosophie zu läutern und zu erweitern, der innerste Kern des religiösen Volkslebens blieb unberührt, weil clen Italienern der feste Muth fehlte, der unerbittlichen Folgerichtigkeit des logischen Denkens auch da zu folgen, wo Logik und Dogma in Widerstreit kamen."



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Ein eigenes Kapitel meines Buches behandelt die Entwicklung der Terribilità und Signorelli's Antheil. Mit einem Citätchen aus Vasari glaubt Herr Janizek „das Resultat meiner Deduktionen" aufzuheben. Die, wie er meint, vernichtende Stelle entnimmt er der Lebensbeschreibung Tintoretto's. Sie lautet: „Nelle cose della pittura, stravagante, capriccioso, presto e risoluto, e il più terribile cervello che abbia avuto mai la pittura, come si può vedere in tutte le sue opere e ne' componimenti delle storie fantastiche e fatte da lui diversamente e fuori dall' uso degli altri pittori". Herr Janizek fügt diesem Citätchen die unqualifizirbare Frage bei : „Oder sollte es dem Verfasser doch gelingen, diesen Satz mit der von ihm festgestellten potentiellen oder aktuellen Bedeutung der Terribilità in Einklang zu setzen?" Es ist selbstverständlich, dass ich in dieser meiner Untersuchung von jeder gewöhnlichen Anwendung abstrahire, worin das Wort zu einer Art unbestimmter Superlativ-Bezeichnung verallgemeinert ist, also von seiner Gleichbedeutung mit gross, grossartig, geistvoll, flott, genial, rasch, bedeutend etc. Es ist selbstverständlich, (lass ich mich nur die kunsthistorisch eingebürgerte Doppelbedeutung des Wortes angehen liess. Dieser jedem Kenner der italienischen Kunstgeschichte wohlbekannte zweifache Begriff des Wortes, der in beiden Fällen ein höchst eigenartiger, national individueller ist, scheint Herrn Janizek bisher nicht bekannt, nicht „geläufig" gewesen zu sein. Es ist besonders folgende Stelle in dem Leben Ma-



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saccio's, woraus unwiderleglich hervorgeht, dass Vasari unter dem Worte terribile in gewissen Fällen lediglich den starken Ausdruck der Lebenswahrheit versteht: „E dimostrò veramente infinita bontà in questa pittura, conoscendosi nella testa di quel Santo (Paolo), il quale è Bartolo di Angiolino Angiolini ritratto di naturale, una t e r r i b i l i t à t a n t o g r a n d e , che e' p a r e c h e l a s o l a p a r o l a m a n c h i a q u e s t a f i g u r a . " — Weitaus häufiger jedoch soll das Wort bei Vasari und sonstigen Schriftstellern eine wilde Erhabenheit bezeichnen, welcher subjektive Erregung oder philosophische Vertiefung oder diabolischer Grimm zu Grunde liegt.

Ich citire hiemit wört-

lich die zusammenfassende Stelle in meinem Buche: I. Die erste, p o t e n t i e l l e Bedeutung des Wortes ist Scheue erregender Realismus, frappantes Herausbilden der individuellen Wesentlichkeit. II. Die zweite, a k t u e l l e umfasst drei Sinn-Gruppen: 1) Entrückung des Geistes in's Jenseits mit dem Ausdruck von Grinini gegen die zurückgestossene Welt, von Wahnsinn gegenüber dem ordinären Bewusstsein. 2) Subjektives Pathos mit dem Anflug oder direkten Gestus bedrohlichen Ausbruches; scheinbar unmotivirter Ausdruck der Aggression und Selbstverwahrung in Physiognomie und Bewegungsart. 3) Diabolischer

Zorn,

beziehungsweise

höllischer

Schrecken, wobei wiederum drei Versionen zu unterscheiden sind: a. Ich mache den Bösen.

Dazu

Teufel

muss

zum

Idealbild

ich Aehnliches

in

des mir



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selbst fühlen, auch seine Grausamkeit, das Weiden an Qualen. b. Ich fasse ihn als gerecht Strafenden; dann lege ich ihm mein Gerechtigkeitsgefühl bei und bilde ihn erhabener. c. Titanismus. Ich lege in ihn das Bewusstsein meiner Selbstgeltung, lege in ihn die Idee von Goethe'ß Prometheus: Alles durch Selbsthülfe. Diese Begriffsnüancen zusammen vereinigen sich in der Stammidee der erhabenen Negativität des Individuums. Ihre totalen und speziellen Manifestationen lassen sich besonders an den Werken Donatello's und Michelangelo's erkennen. Jeder Kunsthistoriker, welcher hiemit vertraut ist und Nerv dafür besitzt und denken gelernt hat, wird mich verstehen. Wer mich nicht versteht oder nicht verstehen will, und wer entweder aus Ignoranz oder aus Entstellungstrieb meine Untersuchung hierüber Deduktionen nennt, ist Herr Janizek. Ihm überlasse ich nun, Vasari und andere Schriftsteller in dieser von ihm nicht kapirten Angelegenheit noch reichlicher zu „exploriren", als ich gethan habe. Schliesslich möchte Herr Janizek noch meine Sprache als unzünftig in die Acht erklären. Freilich bin ich nicht fähig seiner glanzpapiernen Literatensprache, seiner schönthuenden Theediktion, und was meine ästhetischen Begriffworte betrifft, so wird jeder solid Geschulte bezeugen, dass sie mit „der verschollenen Terminologie Hegel's*



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blutwenig Gemeinschaft haben, — abgesehen von dem, was wir Deutsche mehr oder minder bewusst von Hegel's Denken als konstantes, unentbehrliches Bildungsgut in uns tragen. — Einer der Ausdrücke, die von Hegel stammen, ist der von mir öfters gebrauchte Terminus: Negativität. Ich meinte ihn als einen geläufig gewordenen, eingebürgerten aufnehmen zu dürfen. Es sollte doch auch nicht schwer sein, ihn zu verstehen, selbst wenn man der Philosophie fremd ist. Ich werde doch nicht auf Leser zu rechnen haben, die bei Negativität nichts zu denken wissen als: modern ironische Verneinungslust. Man braucht zur Vermeidung von fortwährenden Umschreibungen ein Wort, um auszudrücken, dass energische Selbstbejahung als solche wesentlich auch kräftige Ausschliessung, also Verneinung dessen ist, was dem von mir Bejahten, Gewollten fremd, ja entgegengesetzt ist. — A. Woltmann hat den Ausdruck „angeblich philosophischer Jargon" gebraucht.* Leider konnte ich in den wichtigsten Fällen mich cler so verdonnerten wissenschaftlichen Fachsprache vielmehr eben nicht bedienen, sondern musste aus frischem Holze schneiden. Dies freilich nimmt eine der abstrakten Gedankenarbeit unfähige oder ungewohnte Betrachtung besonders übel. Im Uebrigen hiezu noch eine Bemerkung.

Herr

* Wie er über das Verhältniss der Kunstgeschichte zur Aesthetik denkt, zeigen folgende Worte seiner ßecension meines Buches: „Gerade der Versuch, die kunsthistorische Forschung wieder in die ästhetische Behandlungsweise hineinzutreiben, von der sie sich nach und nach glücklich emanzipirt hatte, ist vom Uebel" etc.



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Janizek hat meine philosophische Vorbildung als „ausreichend" bezeichnet.

Mit einem Gegencompliment ihm

zu danken bin ich leider nicht in der Lage.

Wohl aber

reicht am Ende meine philosophische Vorbildung dafür immerhin aus, zu erkennen, dass es zweifelhaft bleibt, ob Herr Janizek auf der Höhe des philosophischen Denkens steht, um nach dieser Richtung Zeugnisse auszustellen. Es wäre ihm wohl nicht so ganz unnützlich, die perhorrescirte Terminologie eines Kant und Hegel noch einigem Studium zu unterwerfen, wie ihm anderseits im Interesse der Klärung kulturgeschichtlicher Anschauung ein fleissig fortgesetztes Studium

der Humanisten recht

sehr zu

empfehlen wäre. Er ist allerdings vorsichtig genug, im Anfang seiner Recension die philosophische Bildung als unentbehrlich für jeden zu hezeichnen, der eine geschichtliche Erscheinung begreifen will, und er hat wohl auch einen schwachen Schimmer von ästhetischer Reflexion; aber mehr als ein paar konventionelle Redensarten darf man hierin nicht von ihm erwarten und gewiss nicht Konsequenz.

Wo es

ihm taugt, gesteht er der philosophischen Erkenntniss ihr gutes Recht zu, wo es ihm nicht taugt, da möchte er sie verdammen.

Und so schliesst er sich im Grunde gleich-

falls der geistfeindlichen Partei an, gegen welche ich mich bereits

in dem voranstehenden Aufsatz

ausge-

sprochen habe. Hier will ich pur noch den wesentlichen Charakter seiner Polemik und meinen Dank für dieselbe zu abschliessendem Ausdruck und bestimmter Formulirung bringen:



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Die Methode, Versehen und Fehler aufzuspüren und auf hohen Stangen herumzuzeigen, dagegen das Positive möglichst zu verschweigen, und zum Scheine der Gerechtigkeit kleine Anerkennungen wie verschwindende Pünktchen dazwischen zu werfen, diese Politik redlicher Herzen wird von Herrn Janizek mit einer wahren Routine in seiner Recension durchgeführt. Er wirft mir fälschlich und ohne begründenden Nachweis Mangel an historischer Methode und Kritik vor. Er stellt Schwierigkeiten und Widersprüche, die in der Sache liegen, als meine Schuld hin. Er findet einen Widerspruch in meiner Beurtheilung der Renaissancezeit, weil ich sie künstlerisch gross und moralisch schlecht finde. Er stimmt zu dem Ersten und bestreitet das Zweite.

Der Punkt ist erörtert, ich will

nichts hinzusetzen; denn über den moralischen Geschmack lässt sich noch weniger streiten als über den ästhetischen. Der ganze wohlwollende Geist seiner Kritik drängt sich zum feinsten Präparat in folgendem Schlusssatze zusammen: „Die zahlreich in den Text eingeflochtenen lateinischen und italienischen Gitate werden die Leetüre des Buches dem Laien erschweren, auf den es seinem Inhalte nach in erster Linie berechnet zu sein scheint."

Herr

Janizek also will mir am Schlüsse noch nachsagen, dass ich für die Menge geschrieben, die nur dünne Kost verträgt, der man nur mit Phrasen gefällt.

Er hat diese

Thatsache bis dahin mit Nichts begründet; ein paar einzelne Versehen und das Benützen gangbarer Literatur im



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Nebensächlichen kann er ernstlich nicht für Beweise von eitler Oberflächlichkeit halten. Genug, Herrn Janizek beliebt es, diese Beschuldigung seiner Kritik als Krone aufzusetzen. Nun aber nehme man hinzu den Vordersatz von den lateinischen und italienischen Citaten und fasse ihn zusammen mit einem anderen unmittelbar vorher stehenden Vorwurf, worin er sich so eng an Woltmann's Bezeichnung („angeblich philosophischer Jargon") anschliesst, mit dem bereits citirten Satze: „im Allgemeinen herrscht die etwas verschollene Terminologie der Hegel'schen Schule." Also zwei Vorwürfe sind in jenem Satze verbunden, der eine: mein Buch sei zu schwer (durch Brocken aus fremden Sprachen und philosophische Terminologie), der andere: mein Buch sei zu leichte Waare (geschrieben für das gewöhnliche Publikum). Gut; nun findet aber Herr Janizek, dass seine beiden Vorwürfe nicht zusammengehen, sich nicht reimen. Er sinnt. Halt! Da wird Rath, ein Reim ist gefunden! Er wirft nach seinem Lieblingsrecept den sächlichen Widerspruch zwischen zwei Anklagen, die er mir freundlich zugedacht, als subjektiven Widerspruch in meinen Kopf und sagt: Vischer hat zweckwidrig gehandelt, indem er der Menge gefallen wollte und doch seine Sprache so vielfach mit Hegelianischer Terminologie und Fremdwörtern spickte. Damit hatte Herr Janizek zugleich den Gewinn, mir einen dritten Flecken anzudichten: Denkschlaffheit, die in Widersprüche sich verfängt. Fein ausgeheckt, ausgesucht künstlerische Bindung widerstrebender Theile! Ganz jene Kunst, die nur aus der schönen Vereinigung eines edeln Gemüthes



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mit erfindsamem Geist entspringt!

Ja,

solcher Kräfte

bedarf jetzt unsere Wissenschaft; so reine Säfte sind ihrem Blute zuzuführen, damit sie gedeihe, wachse, blühe! So reine Hände müssen ihr schneeweisses Gewand weben, auf dass sie in Ehren schreite unter ihren Schwestern! So schön muss sie dastehen, so würdig der hohen Dinge, die sie deutet!

*

Da es nach den Recensionen von A. Woltmann und Herrn Janizek trotz einigen anerkennenden Zwischenbemerkungen aussieht, als ob mein Buch wenig Neues enthalte, so will ich zum Schlüsse hiemit auf die Partien und Punkte hinweisen, welche nach meiner Ansicht Eigenes und Neues enthalten. Dabei verwahre ich mich gegen die Imputation des Selbstlobes, denn ich lobe nicht, ich zeige nur einfach und sächlich auf die betreffenden Stellen hin. Ich weiss, dass auch dies nicht der Brauch ist, aber eine Ausnahme vom Brauch ist indicirt, wenn Kritiken, wie ich sie geschildert habe, diese positiven Bestandtheile übersehen, ignorirt oder in Schatten gestellt haben. Somit also folgt eine Aufreihung ohne jeden subjektiven Zusatz: Seite 19, 77 ff., 84, 146, 155, 248, 293, 308: Signorelli und Antonio del Pollaiuolo. „ 27, 89, 98, 114, 235, 248, 2 5 9 , 2 7 0 , 280 ff., 3 1 7 : Berichtigungen irrthümlicher Angaben von CroweCavalcaselle. „ 28, 75, 87, 88, 275, 3 1 9 : Melozzo da Forli, Domenico Veniziano, Pietro degli Franceschi, Signorelli, Don Bartolomeo della Gatta in der santa casa zu Loreto. ,, 35 ff.: Wildheit der Peruginischen Zustände und Signorelli's Kunst. ,, 37: Domenico Veniziano, Matarazzo, Vasari.



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Seite 56 u. 68 : Ueber Steinmosaik und Intarsienkunst. * ,, 62, 6 3 , 83, 84: Lazzaro Vasari, der erste Lehrer Signorelli's. Zweifelhafte Angabe Yasari's (IV, 68) über Arbeiten für Niccolò Piccinino. „ 70: Pietro degli Franceschi und Luca Pacioli. „ 76, 149, 266, 279 : Pietro degli Franceschi und Signorelli ; geringe Kunstverwandtschaft. ** „ 78, 79, 84, 146, 149, 2 7 7 , 3 0 8 : Andrea del Verrocchio und Signorelli. *** Holzplastik und malerische Härte. * Unter den Beispielen nicht allgemein verständlicher Ausdrücke in meinem Buche führt E. Förster auch das Wort an: „Poesie der korporalen Perspektive" (worauf, wie ich sage, die Intarsienkunst hauptsächlich angewiesen ist). Hoffentlich wird nicht im Ernst von mir verlangt, ich solle erklären, dass und warum die individuelle Tiefenprojektion eines Bildes, der in die Ferne ziehende Weg, die einladende Bahn eines Kanals, einer Strasse, der merkwürdige Inhalt eines halb offenen Schrankes von poetischer, künstlerisch lebendiger Wirkung sein kann. Gerade die italienischen Intarsiatoren der besten Zeit und besonders F r a Giovanni da Verona beweisen mit ihren Holzmosaiken, dass sie in der Tiefenprojektion einen besonderen, ihrer Technik vorzüglich homogenen Reiz fanden und ausdrücken wollten, eine poetische Wirkung, welche unter den ästhetischen Begriff der menschlich beseelten, mimisch gemahnenden reinen Form fällt. ** E. Förster, welcher diese meine Ansicht bestreitet, bezeichnet den Freskeneyklus des Pietro degli Franceschi in S. Francesco zu Arezzo als das schwächste Werk dieses Malers. Ich habe Grund, sehr zu bezweifeln, dass irgend ein Kenner hierin mit E. Förster übereinstimmt und zugleich versichere ich diesen, dass ich die Werke Pietro's in Borgo Sansepolcro aus eigener Anschauung kenne, wie auch aus einer Stelle meines Buches zu entnehmen ist (S. 64). *** E. Förster behauptet, dass ich Signorelli zu einem Eklektiker erniedrige durch meine Nachweise von Zügen, welche an Werke des Verrocchio und Antonio del Pollaiuolo erinnern. Davon bin ich jedoch weit entfernt und aus meiner Charakteristik der Kunst Signorelli's (auch aus dem, was ich S. 332 über Raphael sage), ist klar ersichtlich, dass meine Betrachtung immer zuvörderst die eigenthümliche Phantasie und Empfindung, das angeborne, spontane Talent eines Künstler's zum Gegenstande nimmt. Die Entwicklung der Kunst ist aber gleichwohl ein organisch zusammenhängender Process, wo jedes einzelne Glied trotz relativer Selbständigkeit mit den übrigen Gliedern in lebendiger Wechselbeziehung des Uebernehmens und Gebens steht. Solchen Rapport aus einzelnen Zügen, besonders aus den Kompositionen eines und desselben Vorganges,



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Seite 7 9 : Verrocchio, Fiorenzo di Lorenzo und Signorelli. „ 80, 2 2 6 , 2 2 7 : Fra Filippo und Signorelli. ,, 8 3 , 8 4 : Signorelli muss im Jahre 1 4 5 2 zu Pietro degli Franceschi in die Lehre gekommen sein. ,, 85, 8 6 : Anachronistische Angabe Vasari's, welche von Crowe-Cavalcaselle etc. nur ignorirt wird. ,, 9 3 : üeber die Zeit der Entstehung der Fresken im palazzo del Magnifico zu Siena. ,, 8 9 ff. : Verarbeitung der von Girolamo Mancini u. A. publicirten urkundlichen Nachrichten aus Cortona. ,, 9 5 ff., 3 4 6 ff., 3 8 5 : Verarbeitung der orvietanischen Urkunden. ,, 1 0 3 , 1 0 4 , Anm. 2 : Ueber Antonio Signorelli. Vgl. S. XIV, Anm. 1. ,, 1 0 6 : Hypothese über Polidoro Signorelli. ,, 1 0 6 : Berichtigung einer falschen Lesung von A. Rossi. ,, 1 1 3 , 3 6 0 : Signorelli als Abschätzer in Loreto. ,, 1 1 4 : Er nimmt im Jahr 1 5 1 7 n i c h t an der Glückwunsch-Ambassade nach Rom Theil, wie CroweCavalcaselle (IV, S. 11, Anm. 30) unrichtig angeben. ,, 1 1 7 , Anm. 3 : Ueber Pier Tommaso Signorelli. ,, 1 1 8 , 3 6 5 , 3 6 6 : Signorelli's Testament (von Milanesi mitgetheilt). ,, 1 2 1 — 1 2 4 : Das wilde Leben in Umbrien, das Söldnerwesen und Signorelli's Phantasie. ,, 1 2 5 , 1 2 6 , 1 8 7 : Ihr Zusammenhang mit der umbrischen Bussstimmung. ,, 1 2 6 : Signorelli's Altargemälde für ländliche und für städtische Kirchen, Hauskapellen. Vorwalten der roheren Bauernbilder. ,, 1 3 1 , 1 4 0 : Verhältniss des Piatonismus zum Individualismus. ,, 1 3 1 , 1 3 7 , 1 3 8 : Die Romantik im Risorgimento und in Signorelli's Kunst. mit annähernder Beweiskraft zu erklären, dieses Geschäft der Vergleichung ist eine der wichtigsten Aufgaben der Kunsthistorie und bedarf keiner Rechtfertigung. Zwischen Lernen, freiem, unbefangenem Uebernehmen und individualitätslosem Eklekticismus ist ein Unterschied.



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Seite 1 3 4 — 1 3 7 , 1 4 2 : Die geistlichen Lieder (laude)' und die Gnadenbilder des Perugino, Signorelli, des Luca della Robbia und seiner Schule. ,, 1 3 8 : Luigi Pulci und Signorelli. ,, 142 : Dieser und Macchiavelli. ,, 1 4 7 — 1 6 2 : Selbständige Analyse von Signorelli's Kunst. ,, 1 5 7 : Das Ornamentalisirende in seiner Stylisirung. „ 1 6 4 — 1 6 6 , 1 7 0 — 1 7 2 : Der Antichrist im Glauben und in der Kunst. ,, 1 6 6 — 1 6 8 : Das jüngste Gericht und die Erscheinung des Gewitters. ,, 1 6 8 — 1 7 6 : Ueber die Entwicklung der malerischen Komposition des jüngsten Gerichtes* im Zusammenhang mit den ' Mysterien. Malerei und Theater. „ 1 7 6 — 1 8 3 , 1 9 1 : Der Inhalt der Dichtungen von den letzten Dingen und Signorelli's Freskeneyklus. „ 1 8 3 — 1 8 7 : Signorelli und Savonarola. Vgl. S. 142. ,, 1 8 7 — 1 9 3 : Die biblischen und dogmatischen Lehren vom jüngsten Gericht and Signorelli's Darstellung. ,, 1 9 0 : Uebereinstimmung mit dem Manichäismus. ,, 1 9 3 — 1 9 7 : Signorelli und Dante. ,, 1 9 8 — 1 9 9 : Signorelli's Dämonisirung der Antike. Parallelismus von christlichen und antiken Vorstellungen. ,, 2 0 4 ff.: Der mythische Ursprung der Terribilità. ,, 2 0 6 : Ihr Zusammenhang mit der Naturentfremdung des Christenthums. ,, 2 0 7 — 2 1 0 : mit dem orientalischen Dualismus. ,, 2 1 0 — 2 1 2 : mit dem germanischen Individualismus. ,, 2 1 3 : Näheres über den mimischen Ausdruck des Terribile. Die Antike. Dante. Jacopo della Quercia. ,, 2 1 4 — 2 1 7 : Zusammenhang der Terribilità mit der christlichen Hölle und ihrem Teufel. Antheil Signorelli's. ,, 2 1 8 — 2 1 9 : Lösung des scheinbaren Widerspruches zwischen potentieller und aktueller Terribilità. * Das jüngste Gericht im Dom von Torcello bei Venedig, dessen Nichterwähnung mir E . Förster vorwirft, enthält nicht die Gestalt des Antichrist und ist deshalb für meine Betrachtung von unwesentlichem Belang, abgesehen davon, dass ich es noch nicht gesehen habe.



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Seite 219, 229: Das specifisch Italienische in dem, was unter diesem Wort und furia verstanden wird. ,, 220 ff.: Zusammenhang mit dem antiken Mythus. ,, 225 : Das dionysische Pathos in der antiken Kunst und die italienische Renaissance. Donatello. ,, 226 : Der antike Pantypus und der Moses Michelangelo's. ,, 227 : Der Typus des jugendlichen Satyr der Antike und sein Einfluss auf Donatello. ,, 233—-318 : Beschreibung und Kritik der Gemälde Signorelli's, mit wenigen Ausnahmen selbständig. 236, 238, 247, 253, 259, 260, 268, 269, 305, 309, „ 316: Gemälde und Zeichnungen von Signorelli, welche bisher in der Literatur nicht erwähnt waren und zum Theil vom Verfasser selbst entdeckt wurden. ,, 241 : Ueber die Komposition der sogenannten Schule Pan's im Berliner Museum. ,, 243, 244: Beschreibung des Altarwerkes in S. Agostino zu Siena von Galgano Biechi. ,, 275—278: Beschreibung und Kritik der Fresken in Loreto. ,, 280—284: Erklärung der Fresken in Montoliveto nach den Dialogen des h. Gregor und Kritik. Berichtigungen irrthümlicher Deutungen von CroweCavalcaselle, Jansen (Leben u. W. Sodoma's) u. A. ,, 285—304: Eingehende (zum Theil neue) Beschreibung und Erklärung des Freskeneyklus in Orvieto. Kritik S. 289, 291, 292, 293, bes. 301—303. 319, 320 : üeber Girolamo Genga. Vgl. S. 94 u. 102. „ 321: Ueber Pompeo Anselmi. Vgl. S. 248. ,, 322, 323: Ueber zwei altvenezianische Holzschnitte und Jacopo de' Barbarj. ,, 323: Signorelli's Einfluss auf die Buchillustration. ,, 324: Sein Einfluss auf Caporali; ,, 325 : auf Fungai. Jüngstes Gericht in der Osservanza bei Siena. ,, 326: Ueber Ercole de' Rubertis (alias Grandi). ,, 326: Jacopo — di Bologna. ,, 328, 329: Fiorenzo di Lorenzo. ,, 329: L. Mazzolini.



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Seite 3 3 0 : Perugino. „ 331, 3 3 2 : Michelangelo. Vgl. S. 279. „ 3 3 2 — 3 3 6 : Ueber Raphael. Zumeist neue Nachweise. Vgl. S. 246, 248, 316, 384. ,, 3 6 3 : Neue Urkunde (von Milanesi mitgetheilt). ,, 3 6 8 : Zusätze zu dem von Milanesi mitgetheilten Stammbaum. „ 3 7 1 : Arbeiten Signorelli's in Norcia. Vgl. S. 284. Diese Notiz der Vasari-Ausgabe vom Jahr 1 5 5 0 ist von der bisherigen Literatur nicht berücksichtigt worden. Auch ist in der Ausgabe Lemonier das Fehlen dieser Angabe nicht vermerkt; Beweis genug, dass der Abdruck des Wortlautes der Ausgabe 1 5 5 0 mit genauer Angabe der veränderten, neu beigefügten und weggelassenen Stellen in der Edition 1 5 6 8 nicht überflüssig war, wie A. Woltmann und Herr Janizek meinen — ganz abgesehen davon, dass die Ausgabe 1 5 5 0 den Wenigsten zur Verfügung steht. ,, 3 7 5 : Abdruck des aus dem Handel gänzlich verschwundenen und sehr seltenen Aufsatzes von D. M. Manni, von den Genannten verworfen, von Milanesi in seiner neuen Vasari-Ausgabe (Bd. III) gebilligt.



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Inhalt. Seite

Ueber das Verhältniss der Kunstgeschichte zur Aesthetik . Pro domo

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