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German Pages 260 [259] Year 2015
Hans-Ulrich Thamer
Kunst sammeln Eine Geschichte von Leidenschaft und Macht
Für Jutta
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Philipp von Zabern Verlag ist ein Imprint der WBG. © 2015 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt. Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Umschlaggestaltung: Stefan Schmid, Stuttgart Umschlagabbildung: Rahmen: © maratta1/fotolia.com, Bild im Rahmen: David Teniers d. J., Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Galerie in Brüssel, um 1651. © akg-images / Erich Lessing Layout, Satz: Satz & mehr, Besigheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8053-4915-4 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): ISBN 978-3-8053-4964-2 eBook (epub): ISBN 978-3-8053-4965-9
Inhalt Inhalt
1. Sammeln. 1. Sammeln Leidenschaft und Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Motive des Sammlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anthropologie des Sammelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen des Sammelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sammler und Mäzene, Kunsthändler und Museen. Ein Beziehungsgeflecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Kirchenschätze und fürstliche Schatzkammern. Frömmigkeit und Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zeichen der Frömmigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dynastische Sammlungen und Schatzkammern . . . . . . . .
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3. Makrokosmos im Mikrokosmos. Natur und Kunst in der Renaissance . . . . . . . . . . . . . . .
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Das Studiolo. Eine Schaubühne der Welt . . . . . . . . . . . . . . Die Kunst- und Wunderkammern. Die Welt in der Stube
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4. Patrizier und Bürger als Kunstsammler in deutschen Handelsstädten im 17. und 18. Jahrhundert . . . . . . . .
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Der Kaufmann Paulus Praun aus Nürnberg . . . . . . . . . . . . Everhard Jabach. Ein Kölner Kaufmann in Paris und seine Kunstsammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niederländische Kunstsammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bürgerliche Kunstsammlungen im 18. Jahrhundert . . . . .
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Inhalt
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5. Fürstliche Kunstsammlungen im 18. Jahrhundert. Sammeln als Herrschaftsrepräsentation . . . . . . . . . . . . Die Entstehung der sächsischen und brandenburgischen Kunstkammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Düsseldorf nach München. Die Entstehung der Wittelsbacher Kunstsammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Die „Galleria“ in Pommersfelden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Friedrich der Große als Kunstsammler . . . . . . . . . . . . . . . . Katharina die Große. Eine leidenschaftliche Sammlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Museumsbau in Kassel? Der hessische Landgraf und seine Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Die Erfindung nationalen Kulturgutes. Sammeln in Zeiten des Umbruchs 1770–1815 . . . . . . .
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Der patriotische Geschmack im Ancien Régime . . . . . . . . . Verlusterfahrung und national-patriotisches Rettungswerk. Wallraf, Städel und die Brüder Boisserée . . . . . . . . . . . . . . Der Monarch als Sammler und die Museumsgründungen im Vormärz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Die Blütezeit bürgerlichen Sammelns. Alte Meister und moderne Kunst in Villen und Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wirtschaftsbürgerliche Eliten und ihre Privatsammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Museum als Leitinstitution des Sammelns . . . . . . . . . Wirtschaftsmacht und Kunstsammlungen. Monarchische Kunstfreunde und bürgerliche Kunstförderung . . . . . . . . . Berlin als Kunststadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Der Aufbruch in die Moderne. Sammler und Kunsthändler zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sammler und Kunsthändler als Wegbereiter des Impressionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sammler und Mäzene auf dem Berliner Kunstmarkt . . . . Die Internationale von Sammlern der Moderne . . . . . . . . Kunsthändler als Vermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9. Die Zerstörung der Vielfalt. Kunstraub und Sammelwahn im „Dritten Reich“ . . . .
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Die Verfolgung der Moderne und das Schicksal jüdischer Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enteignung und Raub. Die Zerstörung von Kunstsammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rettung im „Hinterstübchen“. Sammler und Kunsthändler als Bewahrer der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Inszenierung als Kunstfreunde. Die NS-Führung und ihre „Sammlungen“ . . . . . . . . . . . . . NS-Eroberungskrieg und Kunstraub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Von Josef Haubrich zu Peter Ludwig. Die Wiederentdeckung der Avantgarde und die Entstehung des öffentlichen Privatmuseums . . . . . . . . Sammeln als Erinnerung und Rehabilitation der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stiftungen und Museumssammler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Emanzipation des Sammlers und das öffentliche Privatmuseum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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1. Sammeln. 1. Sammeln Leidenschaft und Geltung
Kunstsammler gelten seit Langem als „Schlüsselfiguren des Kunstbetriebs“ (W. Ullrich). Ohne ihr Geld und ohne ihre Sammelleidenschaft könnten viele Kunstmessen und Galerien kaum existieren. Ohne ihre Leihgaben könnten viele Museen nicht mit groß angelegten Sonderausstellungen zur Kunst von Vergangenheit und Gegenwart ein ständig wachsendes Publikum anlocken. Ohne die Dauerleihgaben und Stiftungen privater Sammler könnten viele Museen ihren Anspruch und ihren Auftrag, die Entwicklungslinien der bildenden Kunst in ihrer Vielfalt zu präsentieren, nur lückenhaft erfüllen. Das gilt für Museen und Ausstellunghallen in den Metropolen wie in der Provinz. Kunstsammler besitzen mittlerweile mehr Werke der modernen und der zeitgenössischen Kunst als die öffentlichen Museen. Denn deren Etat lässt kaum noch kostspielige Ankäufe zu und zwingt sie zur Vorsicht vor riskanten Erwerbungen. Mehr noch, in jüngster Zeit treten private Großsammler in der Museumswelt als Konkurrenten der öffentlichen Museen auf. Inzwischen haben sich finanzstarke Kunstsammler in Deutschland und anderswo von renommierten Architekten spektakuläre private Museumsbauten errichten lassen, um ihre Sammlungen der staunenden Öffentlichkeit zu präsentieren; aber auch um mit einigem Stolz die Lücken in der Sammlungs- und Ausstellungspraxis zu schließen, die die öffentlichen Museen nicht mehr ausfüllen können. Private Stiftungen an Museen und Ausstellungshallen waren und sind gelegentlich auch an selbstbewusste Bedingungen der Stifter und Mäzene gebunden, was ihrem Handeln nicht nur Zustimmung
1. Sammeln
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und Anerkennung verschafft. Sehr leicht kann der Mäzen zur ungeliebten und kritisierten Figur werden, wenn er als Gegenleistung für seine Schenkung von den beschenkten Städten und Ländern eine angemessene Aufbewahrung und Präsentation seiner Sammlung in einem öffentlichen finanzierten Museumsbau verlangt; wenn er mit seinem Geschenk die Einrichtung einer größeren Kunst- oder Kulturstiftung (möglichst noch unter seinem Namen) verbunden sehen will und damit kontroverse kultur- und museumspolitische Debatten auslöst. Das Verhältnis von Sammlern und Mäzenen zur bürgerlichen Gesellschaft ist (und war) darum oft ein schwieriges. Mehr denn je gelten Sammler als exzentrische oder egozentrische Figuren, deren öffentlich sichtbare Sammelleidenschaft und Risikobereitschaft zwar bis hin in Lifestyle-Magazine große Aufmerksamkeit erregen, aber auch als Ausdruck von Luxus und Machtgebaren erscheinen, die nicht so recht in die egalitäre Mentalität eines Wohlfahrtsstaates passen wollen. Was von Sammlern und Stiftern als Liebesbeweis zu einer Stadt und ihrer Gesellschaft, als Ausdruck ihres Anspruchs auf Unabhängigkeit von dem kulturellen Gestaltungsanspruch des Staates sowie ihres eigenen Beitrags zur Pflege von Kunst und Bildung verstanden wird, gilt unter diesen Bedingungen oft als Beweis von übermäßigem Reichtum und Machtansprüchen. So widersprüchlich sich das Bild von Groß-Sammlern in der Öffentlichkeit entfaltet, so faszinierend ist der private Sammler als Prototyp einer veränderten Bürgerlichkeit. Der Kunstsoziologe Wolfgang Ullrich sieht in ihm das Leitbild eines „neuen Bürgers“, der sich einerseits als „Held des Konsums“ präsentiert, andererseits aber eine große Risiko- und Innovationsbereitschaft mit einer ebenso großen intellektuellen bzw. ästhetischen Neugierde sowie einem erlesenen Geschmack verbindet. Kein Wunder, dass seit vielen Jahren Sammler und ihre Kunstsammlungen in den Blickpunkt von Öffentlichkeit, Museumsausstellungen und kulturwissenschaftlicher Forschung gerückt sind. Museen in aller Welt stellen immer wieder Sammlungen von Fürsten und Bürgern in aufwendigen Sonderausstellungen vor und wecken das öffentliche Interesse an den Biographien und den ästhetischen Präferenzen wie an den Beweggründen und an den Strategien
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1. Sammeln
privater Sammler. Sie präsentieren den Glanz und auch den Niedergang großer Sammlungen und ihrer Urheber. Es entsteht ein schillerndes Bild von ihrer kulturellen Macht, aber auch von ihrem Machtverlust und ihrer Ohnmacht. Nicht nur weil es ein seit Jahrhunderten immer wiederkehrendes Problem privater Sammler ist, dass sie nicht wissen, was ihre Erben mit ihren Kostbarkeiten machen und ob diese die ererbte Sammlung nicht einfach verschleudern. Vor allem kennt die Geschichte privater Sammlungen aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erschreckende und menschlich bewegende Beispiele für die Zerstörung wertvoller Sammlungen durch politische Gewalt und Habgier. Das gilt besonders für die privaten Sammlungen und ihre Sammler, die im 20. Jahrhundert aus politisch-ideologischen Gründen Opfer von Verfolgung und Enteignung wurden. Die Namen von Paul Cassirer, Alfred Flechtheim und Robert Graetz stehen stellvertretend für viele andere deutsche jüdische Bürger, Wirtschaftsbürger, Kunsthändler und Intellektuelle, die 1933 verfolgt und danach lange in Vergessenheit geraten waren. Darum zeigt die von Glanz, aber auch von Zerstörung geprägte Geschichte vorwiegend jüdischer Privatsammler im nationalsozialistischen Deutschland die andere Seite bürgerlicher Existenz und ästhetischer Moderne, die immer wieder auch von Hass und Ausgrenzung bestimmt war und in der antisemitische Ideologen und Feinde der Moderne Judentum und künstlerische Avantgarde miteinander identifiziert und bekämpft haben. Die museologisch und juristisch äußerst komplexen Restitutionsforderungen, die nach jahrzehntelangem Beschweigen in jüngster Zeit den Entzug von Kunstbesitz aufklären sollen und umfängliche Provenienzforschungen ausgelöst haben, werfen ein Schlaglicht auf das Schicksal seinerzeit prominenter jüdischer Sammler und Kunsthändler, deren Namen und deren Sammlungen vor und nach dem Ersten Weltkrieg unverzichtbarer Bestandteil der modernen deutschen und internationalen Kunstszene waren. Erst die Restitutionsansprüche der vergangenen Jahre haben das Schicksal vieler jüdischer und auch nicht jüdischer Sammler wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Auch ihre Geschichte und die Ausplünderung ihrer Sammlun-
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Alfred Flechtheim (1878–1937) zwischen Bildern seiner Galerie, Berlin 1928. Seine Galerien in Berlin und Düsseldorf prägten in den 1920er-Jahre die Kunstszene und wurden zum Umschlagplatz der Avantgarde-Kunst. Die Nationalsozialisten sahen in dem Sammler und Kunsthändler Flechtheim den Repräsentanten der verhassten Moderne.
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1. Sammeln
gen gehören zu einer Geschichte von persönlicher Kunstbesessenheit wie von Macht- bzw. Machtverlust der Kunstsammler. Nicht nur die Tatsache, dass Museen mittlerweile immer mehr auf Sammler und Mäzene angewiesen sind, macht sie für eine Geschichte des Museums so interessant. Die Figur des Sammlers findet neuerdings auch das Interesse kultur- und sozialgeschichtlicher Forschung, denn in ihm verbinden sich ökonomische Macht und sozialer Rang mit dem Anspruch auf kulturelle Geltung und Einflussnahme. Damit weitet sich der forschende Blick des Sozialhistorikers, der auf das Verhalten des neuzeitlichen und modernen Bürgertums gerichtet ist, mit einer deutlichen Perspektivverschiebung aus. Die Etablierung und Präsentation privater Kunstsammlungen und der um sie entstehenden Kommunikationsformen wirft ein neues Licht auf eine spezifische (groß-)bürgerliche Lebensführung und einen damit verbundenen Wertehimmel, der auf Geschmack und ästhetische Bildung fixiert ist und mehr aussagt als nur die Geschichte von sozialem Aufstieg und wirtschaftlichem Erfolg bzw. Niedergang allein. Die Motive des Sammlers Über das Sammeln, das deutet dieser kurze Überblick an, kann man auf unterschiedliche Weise reden. Man kann Sammlungen untersuchen, um die Auswahl und den Erwerb, die Präsentation und Ordnung sowie die Herkunft von einzelnen Sammlungsgegenständen nachzuverfolgen. An dem Schicksal vieler Sammlungen lassen sich nicht nur die Biographie, die soziale Einbindung und Stellung eines Sammlers ablesen, sondern auch sein Scheitern und seine Verluste an Eigentum und persönlicher Existenzgrundlage. Sammlungen können aber auch, und das ist ein vorrangiges Interesse von Kunstliebhabern wie von kunsthistorischer Forschung, Auskunft geben über den Geschmack und das Sammlungskonzept der Sammler. Gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der sozialen Stellung eines Sammlers innerhalb der Hierarchie der lokalen Gesellschaft und abhängig von seiner Nähe zur institutionellen Macht einerseits und seinen Geschmackspräferenzen andererseits? Lässt sich die Beobachtung verallgemeinern,
Die Motive des Sammlers
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dass ein hochrangiger, akademisch geschulter Beamter in fürstlichen Diensten aus seiner Berührung mit dem Hof in seiner eigenen Sammelpraxis näher an dem aktuellen Geschmack seiner Zeit war, der bekanntermaßen eher von den Höfen propagiert und gefördert wurde als von ängstlichen Stadtbürgern? Sammelte ein erfolgreicher, immer sorgfältig kalkulierender Wirtschaftsbürger des späten 19. Jahrhunderts vorzugsweise Kunst alter Meister oder andere Stilrichtungen, die seit einigen Generationen schon etabliert waren, während ein bildender Künstler, der wie Max Liebermann selbst sammelte, sich sehr viel stärker auf die jeweilige ästhetische Avantgarde ausrichtete? Gilt das auch für andere soziale Gruppen? Sammlungen können, wenn sie ein gewisses Konzept erkennen lassen, Aufschluss geben über die Beweggründe einer Sammlertätigkeit wie über den Zusammenhang ihrer Geschmackspräferenzen mit ihrer sozialen Stellung. Die Ordnung und Präsentation bzw. Hängung einer Sammlung etwa in privaten Wohnräumen oder eigens dafür angebauten Galerieräumen können vom persönlichen Umgang eines Sammlers mit seinen Objekten erzählen. Was die persönlichen Motive eines Sammlers anbetrifft, so werden meist ein Sammlertrieb, eine Besessenheit oder Besitzinstinkt bzw. Bemächtigungstrieb sowie das Bedürfnis nach sozialem Prestige, nach Sicherung des sozialen Status und Herrschaftsrepräsentation durch das Medium der Kunst genannt. Daneben und fast selbstverständlich auch ästhetisches Vergnügen oder der Wunsch nach seelischem Ausgleich bzw. Glück. Kunst als Therapie und Kompensation. Jacob Burckhardt, der Schweizer Geschichtsdenker, hat am Ende des 19. Jahrhunderts hingegen in seiner Studie über „Die Sammler“ die Vielschichtigkeit der Motive eines Sammlers angesprochen und sie in eine offenbar für Vergangenheit und Gegenwart gültige, ästhetisch-kulturelle Rangfolge eingeordnet: „Die Moral des Sammlers kann dabei auf dem niedrigsten Standpunkt der Rarität beharren; auf dem Glück zu besitzen, was kaum ein anderer oder gar kein anderer hat; Macht, Reichtum, vornehme Eitelkeit werden die ihnen zu Gebote stehenden Druckmittel üben, um Gegenstände zu erhalten, an welchen dem Erwerbenden innerlich nichts gelegen ist, der Sammler kann sich aber auch erheben zum allmählichen Mitleben mit der er-
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1. Sammeln
neuten sowohl als der antiken Kunst, und endlich kann er die höchste Stufe erreichen, wenn er von verschiedenen Meistern Vorzügliches oder auch das Beste erwirbt.“ Burckhardts Ausführungen beziehen sich auf das Sammeln von Kunst und nicht auf das Sammeln von Briefmarken und Bierdeckeln. Er versteht unter dem Sammeln allein das ästhetische Sammeln; das Zusammentragen von Kunstobjekten, die sehenswert sind, weil sie ästhetische Lust und Qualität vermitteln; weil sie eine Vorstellung vom Erhabenen vermitteln. Seit der Aufklärung und dem deutschen Idealismus galt die Anschauung des Schönen als eine besondere Art von Wissen; Schönheit und Wahrheit standen für Schiller zeitlebens in einem engen Zusammenhang. Das galt auch für viele andere Zeitgenossen, die in der Kunst eine Antwort auf die Krisen der Moderne sahen und sie zu einer neuen Religion stilisierten. Seither galt unter den vielen Möglichkeiten des Sammelns das Kunstsammeln als besondere Form, um sich mit der Aura des Erhabenen zu umgeben. Das sah auch Burckhardt so, dessen Thesen über den Sammler im Zusammenhang mit seinen Studien zur Kultur der Renaissance entstanden, einer ersten Blütezeit des Sammelns, dessen Akteure Fürsten und Gelehrte waren. Dass Burckhardt sie an der Wende zum 20. Jahrhundert entwickelte, war kein Zufall; es war die Zeit einer neuerlichen Hochkonjunktur des Kunstsammelns, diesmal betrieben von Bildungs- und Wirtschaftsbürgern. Eine ähnliche Rangordnung und Funktionsbestimmung des Sammelns, aber mit leicht kritischem Unterton, vertrat 1919 Max Friedländer, dem als engem Mitarbeiter von Wilhelm von Bode, dem „Bismarck der Berliner Museen“, die Welt der Museen und der Kunstsammlungen bestens vertraut war. Auch er hob die soziale und kulturelle Bedeutung bzw. Aufwertung hervor, die das Kunstsammeln mit sich bringen konnte: „Der Kunstbesitz ist so ziemlich die einzige anständige und vom guten Geschmack erlaubte Art, Reichtum zu präsentieren. Den Anschein plumper Protzigkeit verjagend, verbreitet er einen Hauch ererbter Kultur. Die Schöpfungen der großen Meister geben dem Besitzer von ihrer Würde ab, zuerst nur scheinbar, schließlich aber auch wirklich.“ Ähnliche Beobachtungen
Die Motive des Sammlers
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der Zeit ließen sich als Erfahrung einer mittlerweile breiten Sammlerbewegung hinzufügen: Sie alle lassen es als sinnvoll erscheinen, eine Studie über die Geschichte des Sammelns und der Mäzene auf das Kunstsammeln und auf eine Typologie der Motive der KunstSammler wie der Funktionen ihrer Sammlungen zu konzentrieren. Warum sich Geschmack und Interesse des Sammlers auf bestimmte Objekte richten und nicht auf andere, hängt nur zu einem Teil vom Individuum ab. Persönliche Neigungen und Einstellungen bewegen sich in einem Geflecht von Normen und Wahrnehmungen, die für eine Gesellschaft oder eine Gruppe konstitutiv sind. Sammeln ist mithin immer auch soziales Handeln. Es richtet sich auf bestimmte kulturelle Ziele, und die Ordnung des Sammelns verweist auf ein spezifisches soziales und kulturelles Umfeld. Bestimmte Gegenstände und künstlerische Hervorbringungen werden sammlungswürdig, weil mit ihnen eine spezifische Erinnerung und Wertschätzung verbunden ist und weil man ihnen eine besondere Bedeutung zuerkennt. Das Sammeln ist mithin Ausdruck einer je spezifischen Einstellung zu Geschichte, Kunst, Natur, Religion und Wissenschaft. Kunstwerke werden gesammelt, weil sie in besonderer Weise geeignet erscheinen, Einstellungen und Normen darzustellen. Man schreibt ihnen einen ideellen (und auch materiellen) Wert zu, weil sie „das Unsichtbare repräsentieren“ (Pomian). Gegenstände künstlerischen oder anderen Ursprungs werden aus der Sphäre des Alltäglichen herausgenommen, aufbewahrt und präsentiert, wenn sie sich ganz besonders dazu eignen, solche Bedeutungen zu transportieren. Als Bedeutungsträgerder französische Soziologe Pomian bezeichnet sie als „Semiophoren“fungieren sie jenseits ihres ursprünglichen Gebrauchswertes als Vermittler zwischen den Betrachtern und den unsichtbaren Normen und Welterklärungen. Die Bedeutungsinhalte, die von den Sammlungsstücken repräsentiert werden, sind sozial und kulturell differenziert und unterliegen überdies dem historischen Wandel. Die Träger geistlicher und weltlicher Macht umgeben sich seit dem Mittelalter mit wertvollen Pokalen, zeremoniellem Gerät, Reliquien, kostbaren Steinen, vor allem aber auch Objekten kriegerischer Macht und militärischer Triumphe;
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1. Sammeln
mit Objekten, die zum Stolz einer Dynastie gehörten und darum als Semiophoren zu Medien ihrer Machtbehauptung wurden. Eine höhere Position innerhalb einer sozialen Hierarchie begründete einen größeren Bedarf an Legitimation, die sich auf Normen und damit auch auf Semiophoren stützt, die diese sichtbar und erfahrbar machen. Mit der Veränderung der sozialen Hierarchien in der Moderne änderten sich auch die Objekte und Kommunikationsformen, mit denen der Anspruch auf sozialen Rang und auf die Verwaltung von kulturellem Wissen verdeutlicht werden soll. Kunstwerke und Zeugnisse von ästhetischer, auch wissenschaftlicher Bildung traten an die Stelle von Waffen, Familienporträts und Trophäen. Die Notwendigkeit, zu dem Zweck der Sicherung und Darstellung des sozialen Status Semiophoren anzusammeln und zu zeigen, bleibt von diesem Wandel unberührt. Auch ego- und exzentrische Privatsammler sind darum mehr oder weniger vom Zeitgeist und Zeitgeschmack abhängig. Daher können umgekehrt Entstehung, Aufbau und Funktion einer Sammlung auch Auskunft über die Wertschätzung bestimmter Objekte in einer Kultur geben. Der Sammler und seine Sammlung, vor allem wenn sie einem konsistenten Programm folgen und selbst Programm sind, repräsentieren auch die ästhetischen (und materiellen) Wertvorstellungen ihrer Zeit. Sammeln ist darum immer auch symbolisches Handeln, das durch das Zusammentragen von Objekten einen Bezug zu Werthaltungen und imaginären Bedürfnissen des Menschen herstellt. Im Kontext einer Sammlung, gleich ob sie einem reflektierten Konzept oder einem vagierenden ästhetischen Vergnügen an schönen Dingen folgt, erhalten die zusammengetragenen Objekte eine neue Bedeutung. Die Struktur einer Sammlung entsteht und besteht aus subjektiver Erinnerung und macht die Sammlungsgegenstände zu Bedeutungsträgern, mit denen der Sammler sich zunächst selbst vergewissert, aber auch dem Betrachter seine Wertvorstellungen wie seinen Anspruch auf soziale Geltung sichtbar macht.
Die Motive des Sammlers
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Anthropologie des Sammelns In den historisch je unterschiedlichen kulturellen und sozialen Beziehungs- und Bedingungsrahmen entfalten sich beim Sammeln zugleich Bedürfnisse, die zum menschlichen Wesen gehören. Neben der kulturellen Perspektive besitzt das Sammeln auch eine anthropologische Perspektive, die sich in verschiedenen Epochen und Kulturen nur unterschiedlich ausprägt. Sammeln, das heißt Zerstreutes zusammenzutragen, es zu bewahren, zu ordnen und anzuschauen, ist ein Grundzug menschlichen Verhaltens. Es hat seine Ursprünge im Jagen und Sammeln zum Zwecke der Subsistenzsicherung und in dem Bedürfnis, die Objekte zur Daseinssicherung und Bedürfnisbefriedung bei sich zu behalten; sie sich anzueignen und damit den eigenen „Bemächtigungstrieb“ (S. Freud) zu erfüllen. Die subjektive Triebbefriedigung kann sich zum Verlangen nach friedlicher oder auch gewaltsamer Aneignung von Objekten steigern, das libidinös besetzt ist. Darum wird auch das Sammeln, auch das Kunstsammeln, nicht selten mit einer Besessenheit und Hartnäckigkeit, mit einer „ins Pathologische steigerbaren Leidenschaft“ (Rehberg) gleichgesetzt, die sich über alle sozialen Regeln hinwegsetzt. Kaum ein anderer Sammler hat diesen Typus des exzentrischen, seinsvergessenen Sammlers sichtbarer repräsentiert als Kaiser Rudolf II., dessen Sammlertrieb zur Vernachlässigung seiner Kaiserpflichten geführt haben soll. Im frühen 19. Jahrhundert verwandelte sich die Jagd nach Trophäen in die Jagd nach Devotionalien und touristischen Erinnerungsstücken. Bildungsreisende, die es nach Weimar zog, waren begierig darauf, kleine Bildnisbüsten von Wieland, Goethe und Schiller mit nach Hause zu nehmen. Die „Wut der Kunstliebhaberey“ stünde, so schimpfte Wilhelm Merck, überall hoch im Kurs. Was für die kleinen Sammler mit dem schmalen Geldbeutel gilt, die wir kaum kennen und die in dieser Studie auch nicht behandelt werden können, trifft umso mehr auf die großen Sammler zu. Die Sammelleidenschaft konnte bis zur Unvernunft treiben. „Es ist was Wahnsinniges mit der Kunst“, stöhnte der Kunsthändler und Sammler der klassischen Avantgarde, Alfred Flechtheim, nachdem er das
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1. Sammeln
Hans von Aachen: Porträt von Kaiser Rudolf II., um 1606–1608. Wien, Kunsthistorisches Museum. Kaiser Rudolf II. (1552–1612) war ein Sammler und Förderer der Künste, voller Leidenschaft, Machtbewusstsein und Melancholie. In der Spätphase seiner Regierungszeit widmete er sich mehr den Künsten als der Politik. Seine riesigen Kunstsammlungen in Prag verteilten sich über mehrere Paläste.
Anthropologie des Sammelns
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ererbte Vermögen seiner Frau wieder einmal in den Erwerb von Gemälden von Picasso und Braque umgesetzt und seine Galerie in Turbulenzen gestürzt hatte. Zu den vielen Impulsen und Beweggründen, die den Sammler antreiben und seine Sammeltätigkeit zur Leidenschaft machen, gehören ferner zwei zunächst gegensätzlich erscheinende Triebkräfte, die vor allem von der Psychologie als Motive genannt werden. Die „Angst vor der Kontingenz der Welt“ (Stagl) wie die Lust und das Glückserlebnis beim Erwerb eines Objektes, die eng mit der Jagdlust verwandt sind. „Der Homo Collector“, so urteilt Justin Stagl, „ist ein angst- und lustbetontes Wesen“. Die Blockierung der unmittelbaren Antriebe aus Angst vor Verlusten und das darauf reagierende selbstbewusste Besitzen-Wollen stünden in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis. Zugleich möchte der Sammler das, was er zusammengetragen hat, auch zur Schau stellen. Damit bezieht er das gesammelte in seine eigene Ordnung mit ein und präsentiert sich zugleich als derjenige, der über etwas verfügt, was andere möglicherweise nicht oder nur teilweise besitzen. Funktionen des Sammelns Das führt zu einer wichtigen, wenn auch nicht der einzigen Quelle des Sammelns: die Aneignung von Objekten des Magisch-Religiösen, des Krieges, des Wissens und der Künste zum Zwecke der Repräsentation der Dominanz derer, die über sie verfügen. Die Vielfalt und die formalen bzw. ästhetischen Veränderungen dieser Machtsymbole, die sich im Laufe der Jahrhunderte verändert haben, zeigt die ganze historische Spannbreite von Sammlungen als Mittel der Herrschaftssicherung und Legitimation. An ihr lässt sich die Geschichte von Sammlern und Sammlungen bzw. deren Funktionen vom Mittelalter bis in die Gegenwart ablesen. Das bezieht sich auf die Akteure und Träger von Macht, die sich ebenso ändern wie die Objekte ihrer Begierden und die Präsentations- bzw. Ordnungsformen ihrer Sammlungen. Zugleich verdeutlicht die Vielfalt dieser Sammlungsgegenstände und Strukturphänome von Sammlungen, dass sich unsere Betrachtung in diesem Buch ausschließlich auf herausragende und spektakuläre
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Sammlungen konzentrieren muss und nicht auf die unzähligen kleinen, bescheidenen Sammlungen. Für sie gelten zwar viele der genannten Impulse, nicht aber die der Machtsicherung und Weltverfügung. Die Geschichte von „Herrschaftsspiegelung und Weltverfügung“ (Rehberg) als Grundmotiv der großen Sammler reicht cum grano salis freilich von der Ansammlung gegnerischer Herrschaftssymbole in Kriegergesellschaften, die durch die Präsenz der erbeuteten Herrschaftszeichen und militärischen Ausrüstungen in Triumphzügen die eigene Dominanz sichtbar und durch deren Zurschaustellung in Arsenalen und Rüstkammern auf Dauer sichern möchten, bis zu modernen Nationalmuseen und öffentlichen Privatsammlungen, die ihren sozialen Rang und ihre kulturelle Hegemonie verdeutlichen wollen. Die Struktur- und Formverwandlung dieser Sammlungen, die uns in dieser Darstellung vor allem beschäftigen soll, beginnt in dem Maße, in dem die „Präsenzsymbolik“ vormoderner Waffen- und Reliquiensammlungen zur Legitimation von Herrschaft im Laufe der „Entzauberung der Welt“, einem zentralen Phänomen der Neuzeit, abnahm und durch sublimere Formen der Herrschaftsspiegelung ersetzt wurde. Nun entwickelten die europäischen Fürstenhöfe mit ihren Experten (Gelehrten und Kunsthändlern) Formen der Repräsentation von Herrschaft und Weltverfügung, die den Anspruch des Erhabenen und der Aura des Schönen in den Mittelpunkt ihrer kulturellen Machtansprüche stellten. Die Studierstuben italienischer Renaissancefürsten wie die Kunst- und Wunderkammern nördlich der Alpen trugen das Unerwartete und Wunderbare, das Schöne und Wissenswerte zusammen und sicherten ihren Besitzern den Nimbus des Besonderen und Mächtigen. Die Museen, deren Wurzeln in fürstlichen Sammlungen, aber auch in Sammlungen von Patriziern und Bildungsbürgern lagen, wurden seit dem 19. Jahrhundert zur zentralen Institution einer neuen Repräsentation von sozialer und kultureller Dominanz. Die bürgerlichen Privatsammler der Moderne traten im 20. Jahrhundert an ihre Stelle, anfangs als Ergänzung, später als Konkurrenten und dominante Figuren des Kunstbetriebs, die ihre eigenen Museen errichteten und damit ihre Autonomie bzw. Unabhängigkeit von staatlicher Kulturpolitik demonstrierten.
Funktionen des Sammelns
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Sammler und Mäzene, Kunsthändler und Museen. Ein Beziehungsgeflecht Diese knappe, einführende Skizze der Strukturveränderungen von Sammlungen hat zugleich andere Beziehungsrahmen angedeutet, in denen sich Kunstsammeln vollzieht und seit Langem vollzogen hat. Seit dem 19. Jahrhundert und vollends im 20. Jahrhundert war Sammeln nur in einem „magischen Viereck“ (Bude) von Sammlern und Kunsthändlern, von Künstlern und Museen möglich und erfolgreich. Das Verhältnis vom Kunsthändler bzw. Galeristen zum Sammler war dabei von zentraler, sich ergänzender und einander beratender Bedeutung. Kaum ein Sammler, der nicht auf den Rat, die Vermittlung und Geschäftsbeziehung mit einem oder mehreren Kunsthändlern gesetzt hätte. Aber auch Künstler, die teilweise oft selbst auch Sammler waren, spielten bei der Einrichtung von privaten Sammlungen wie in früheren Zeiten bei fürstlichen Sammlungen und Museen eine wichtige Rolle. Auch darum kann der Sammler nicht isoliert betrachtet werden, genauso wenig wie sein mitunter ambivalentes Verhältnis zum Museum ausgeblendet werden darf. Immer wird der Blick auf Konstanten und Veränderungen in diesen Beziehungsgeflechten, in denen die Sammler immer standen und stehen, als Leitlinie für eine kulturhistorische Struktur- und Entwicklungsgeschichte dienen. Diese stellt den Sammler in einen Bedingungsrahmen von individuellen Neigungen und Leidenschaften einerseits sowie von politisch-kulturellen Strukturphänomenen andererseits. Damit lassen sich die Möglichkeiten einer Selbstverwirklichung eines Sammlers und die Risiken seines Handelns in der Neuzeit von den fürstlichen Sammlungen der Renaissance bis zu den öffentlichen Privatsammlungen bzw. -museen der Gegenwart vorstellen. Dieser Überblick kann sich auf eine breite Forschungsgeschichte stützen, die freilich neben deutlichen thematischen und zeitlichen Schwerpunkten auch große Lücken aufweist. Zu den Schwerpunkten der Forschung gehören seit vielen Jahren die Geschichte der Kunstund Wunderkammern sowie eine Sozial- und Kulturgeschichte großbürgerlicher Sammlungen der klassischen künstlerischen Moderne
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1. Sammeln
am Beginn des 20. Jahrhunderts. Neuerdings auch die Geschichte von Kunstraub und Pseudo-Mäzenatentum in der NS-Zeit. Außerdem haben in jüngerer Zeit viele Museen die Geschichte ihrer Sammlungen in Sonderausstellungen thematisiert und damit wertvolles Material für eine noch zu schreibende Gesamtgeschichte des Kunstsammelns aufbereitet. Der vorliegende Versuch eines weit gespannten Überblicks kann nur exemplarisch wichtige Etappen dieser Entwicklungsgeschichte vorstellen und muss sich überdies auf die spektakulären und repräsentativen Sammlungen konzentrieren. Die Strukturen und Leistungen, aber auch die Verluste unzähliger kleinerer Sammlungen müssen im Dunkeln bleiben, obwohl sie sicherlich mit ebenso viel persönlicher Leidenschaft und Kennerschaft zusammengetragen und gehütet wurden und werden. Der Charakter eines populären Sachbuchs verbietet es überdies, genaue Belege für Zitate und Urheberschaft vieler Forschungsergebnisse zu liefern bzw. deren Thesen zu diskutieren. Ein Literaturverzeichnis am Ende des Bandes kann nur andeuten, auf wie vielen Schultern diese Überblicksdarstellung steht und welche Achtung bzw. Sympathie der Verfasser vor und mit den Legionen von Kunstsammlern verspürt.
Sammler und Mäzene, Kunsthändler und Museen
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2. Kirchenschätze und fürstliche Schatzkammern. Frömmigkeit und Macht
Sammeln gehört zum Wesen des Menschen. Das Zusammentragen und Anhäufen von Gegenständen hatte von jeher unterschiedliche Beweggründe: vom Anlegen von Vorräten zum Zweck der Sicherung der Subsistenz bis hin zu dem Verlangen, durch das Anhäufen von Tauschgegenständen und Waffen sich für alle Wechselfälle einer ungewissen Zukunft möglichst zu wappnen. In diesem Vorgang des Beisich-Behaltens und der Aneignung von Dingen steckt mitunter auch der Wunsch nach Befriedigung imaginärer Bedürfnisse des Menschen. Es wird ein Objekt aufbewahrt, weil es kostbar oder selten erscheint. Bestimmte Gegenstände erhalten dadurch eine besondere, über ihren bloßen Gebrauchswert hinausgehende Bedeutung. Sie versprechen den Besitz von etwas Schönem oder Erhabenem oder sie werden zu Trägern von Erinnerungen oder von Jenseitsbezügen. Auf jeden Fall stellen sie den Kontakt zum Unsichtbaren her und werden damit zu „Semiophoren“ (Pomian). Gefäße, Waffen oder auch Kleidungsstücke werden auf diese Weise dem Alltäglichen entzogen und Teil eines neuen Bezugs- oder Bedeutungssystems. Als Grabbeigaben sollen sie den Toten ins Jenseits, von der Gegenwart in die Zukunft begleiten. Der französische Kulturwissenschaftler K. Pomian sieht in diesem Vorgang der Transposition den „Ursprung des Museums“. Das Bedürfnis zu sammeln besitzt mithin verschiedenartige Beweggründe und hat sich seit der Frühgeschichte der Menschheit in ganz unterschiedlichen Ausprägungen geäußert. Zu den anthropologischen Grundbedingungen des Sammelns kamen damit die je verschiedenen historischen Bezugsrahmen und Ausdrucksformen. Das Sammeln im
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2. Kirchenschätze und fürstliche Schatzkammern
modernen Sinne besitzt dadurch vielfältige Wurzeln und Ausprägungen. Sie allein sollen uns interessieren. Bereits seit den frühen, schriftlosen Gesellschaften besaßen Totems und Götterbilder, Kleidungsstücke, Gefäße und Waffen einen besonderen rituellen Wert, der sie aus den übrigen Gebrauchsgegenständen heraushob und sammlungswürdig machte. Solche Objekte waren Mittelpunkte religiöser Rituale und dienten der sichtbaren Hervorhebung der religiösen Verehrung von Göttern und ihren Machtansprüchen, aber auch der Symbolisierung von irdischen Herrschaftsansprüchen und sozialen Rangstufen derer, die über sie verfügten. Indem die Objekte aus der Sphäre des Gebrauches in die Sphäre des Kultes herausgehoben, zusammengetragen und aufbewahrt bzw. als Grabbeigaben gewürdigt wurden, erhielten sie einen kultisch-ästhetischen Wert und wurden zu Gegenständen des Sammelns. Das frühe Sammeln hat seine Wurzeln ebenso in der Aufbewahrung und Präsentation von Waffen, besonders von Zeugnissen militärischer Triumphe, von Beutegut und Herrschaftszeichen der niedergerungenen Gegner zum Zeichen ihrer Unterwerfung. Sie wurden zusammen mit besiegten und erbeuteten Menschen und anderen Beutegegenständen in Triumphzügen vorgeführt sowie in Arsenalen und Schatzkammern aufbewahrt. In beiden Fällen der religiös-rituellen Präsenz wie der militärisch-herrschaftlichen Aneignung erhielten die zeigens- und begehrenswerten kultischen Objekte schließlich auch einen ästhetischen Rang und Reiz. Sie bildeten den Kern eines sinnbezogenen Sammelns. Mit dem Vorgang des Zusammentragens und Aufbewahrens verloren die Objekte im Verlauf der Jahrhunderte zunehmend, wenn auch nicht vollständig, ihren magischen Charakter. Sie wurden zu Symbolen von kirchlichen und weltlichen Machtund Deutungsansprüchen, aber auch von Wissen und Weltaneignung, schließlich auch zu Gegenständen eines künstlerischen Gestaltungsund Wirkungsanspruches.
2. Kirchenschätze und fürstliche Schatzkammern
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Zeichen der Frömmigkeit Das verdeutlichen auch die kirchlichen und fürstlichen Sammlungen des Mittelalters. Sie bilden die unmittelbaren und historisch erfahrbaren Wurzeln des ästhetischen Sammelns der Neuzeit und stehen damit am Übergang zum Kunstsammeln der Neuzeit. Was seit dem frühen 19. Jahrhundert vornehmlich als Zeugnis mittelalterlicher Kunst in privaten Sammlungen und öffentlichen Museen gesammelt wurde, stammte oft aus Kirchenschätzen und wurde aus ihrem ursprünglichen Funktionszusammenhang oder Bewahrungsort herausgenommen. Was in den Kirchenschätzen als Reliquien und als Gaben frommer Stifter eher zufällig zusammengetragen worden war, galt in seiner Zeit zunächst als sichtbares und bleibendes Zeugnis der Fürbitte und Frömmigkeit bzw. der Erwartung auf Barmherzigkeit und Heilsvermehrung. Ein Medium in dem Dialog der Heiligen und der
Reliquiarium de St. Louis. Reliquienschreine und heilige Gefäße dienten nicht nur dem liturgischen Gebrauch, sie gehörten zu den Kostbarkeiten, die in den Schatzkammern von Kirchen und Abteien, wie hier in St. Denis, von kirchlicher Macht und mittelalterlicher Frömmigkeit zeugten.
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2. Kirchenschätze und fürstliche Schatzkammern
irdischen Sünder, der Toten und der Lebenden. Neben Reliquienbüsten und Knochenbehältern begegnen uns darum geschnittene Steine, die an geweihter Stelle als Schmuck an Reliquienkästen oder Schreinen angebracht sind. Zugleich kündigen die Kirchenschätze des Mittelalters künftige Formen des Sammelns und Zeigens an, auch wenn sie die Objekte zunächst deswegen aufbewahren wollten, weil sie das Wunderbare und Fremde verkörperten. Damit nahmen sie zugleich Elemente der späteren Kunst- und Wunderkammern vorweg, ohne freilich deren Ordnungskonzept zu teilen. Ein glänzendes Beispiel für ein solches Nebeneinander des Heiligen und des Fremden bzw. Wunderbaren stellte der Schatz von S. Marco in Venedig dar, der als Folge der Kreuzzüge kunstvolle Raritäten und Kuriositäten wie Elfenbeinhörner und Narwalzähne aufbewahrte. Darüber standen in dem kirchlichen Wert- und Ordnungssystem freilich die Objekte des Heiligen. Edle Materialien aus der römischen Antike oder aus exotischen Welten wurden vor allem deswegen aufbewahrt und gepflegt, weil sie sich in hervorragender Weise zum Schmuck oder zur Nobilitierung von christlichen Kultgegenständen eigneten. Am Aachener Lotharskreuz, das um das Jahr 1000 von Otto III. gestiftet wurde, verleiht ein großer antiker Kameo mit dem Bild des lorbeergekrönten Kaisers Augustus, der auf der Rückseite eines Kreuzes angebracht ist, dem auf gleicher Höhe befindlichen Christus eine zusätzliche Bekräftigung seines Triumphes. Das antike Kunstwerk steht zudem symbolisch für die Legitimation weltlicher Macht. Denn mit der Ausgestaltung des Lotharskreuzes wird die Verschränkung von göttlicher und weltlicher Macht zum Ausdruck gebracht. Das antike Augustusbild steht für die Kontinuität der weltlichen Macht des mittelalterlichen Kaisers, dessen Ahnenreihe bis in die römische Kaiserzeit reicht. Das Kreuz ist zudem Zeichen göttlicher Souveränität. Auch scheinbar banale Objekte wie Becher, Krüge oder Kästchen wurden als Reliquienbehälter Teil eines kirchlichen Schatzes; noch mehr die Reliquien selbst, die als sakrale Objekte zum Träger einer magischen Präsenz wurden und in Altären und Schreinen den Schatz einer Kirchengemeinschaft bildeten, unabhängig von der Art und
Zeichen der Frömmigkeit
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Weise ihrer Materialität und ihrer gelegentlich auch gewaltsamen Aneignung. Sie wurden in der religiösen Praxis zu Medien einer dauerhaften Kommunikation mit den Heiligen und auf einer kulturellen Ebene zu Zeichen der Gottgefälligkeit und Frömmigkeit einer Kirchengemeinde. Zugleich wurde den fremdländischen Stoffen und Objekten auch eine gewisse Wunderkraft und bei Hofe wie bei Kirchenfürsten auch ein Schutz vor Vergiftungen zugeschrieben. Der Kirchenschatz trat nicht nur aus der Sphäre des Alltäglichen heraus, er wurde zugleich zum Medium zwischen dem Diesseitigen und Jenseitigen, zwischen dem Sichtbaren und Unsichtbaren. Zusammen mit dem liturgischen Gerät, den Bechern und Pokalen, den Leuchtern und geschmückten Codices, den Paramenten und Kleinodien, aber auch zusammen mit den Madonnen- und Wunderbildern und vielen anderen Gegenständen, die aus Stiftungen in den Besitz der Kirchen gelangten, waren sie Zeugnisse religiöser Frömmigkeit und kirchlicher Autorität. Der Kirchenschatz zeugte von göttlicher Fügung und war Sinnbild der Opfergabe für kommende Generationen. Durch die Überführung vieler Objekte aus dem Kirchenbesitz in das Museum vor allem im frühen 19. Jahrhundert, aber auch durch ihre Rettung vor der Zerstörung durch Bilderstürme und die Auflösung von Klöstern in der Säkularisation wurden sie, vielfach durch kenntnisreiche private Sammler aufbewahrt, zum Grundstock vieler Museen. Zu deren Beständen gehören ebenfalls Andachtsbücher und -bilder sowie Messtexte, die ursprünglich für die private Hausandacht geschaffen worden waren. Vor allem ihre oft künstlerisch anspruchsvolle Ausgestaltung trug unter den veränderten Bedingungen der beginnenden Moderne dazu bei, dass sie nun aufbewahrt und tradiert wurden. Dynastische Sammlungen und Schatzkammern Als profanes Gegenstück zum Kirchenschatz wirkte die Ausstattung der weltlichen Residenzen. Die zahlreichen dynastischen Sammlungen in den Schatzkammern und Gewölben der Herrscherhäuser waren für deren Identitätswahrung fast noch wichtiger. Sie waren angefüllt
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mit Memorialobjekten und Reliquien, aber vor allem mit Silberpokalen, Tischaufsätzen, Gold- und Tafelsilber, Fayencen und Porzellan, schließlich mit Huldigungssilber, aber auch mit Porträts und Heiligenbildern. Sie wurden nicht aus einer ästhetischen Wertschätzung heraus gesammelt, sondern ihre meist ungeordnete und zufällige Aufbewahrung oder Aufnahme in eine Gesamtausstattung einer Residenz entsprang dem adligen Selbstverständnis und der Präsentation des dynastischen Vermögens wie der herrschaftlichen Machtbehauptung. Dass dem Silberschatz, der oft aus den zeremoniellen Akten des Geschenketausches bei Hofe durch Stände und Gesandte stammte, neben der Demonstration des Herrschaftsgeflechts auch eine materielle, ökonomische Funktion für den Not- und Bedarfsfall zukam, beweist allein schon die Tatsache, dass für die Silberschätze seit dem 17. Jahrhundert eigene, gut bewachte und geschützte Schatzkammern errichtet wurden, um sie im Kriegs- und Notfall zu veräußern oder einzuschmelzen. Das Grüne Gewölbe in Dresden stellte eine besonders kostbare Form eines Staatstresors dar, der allerdings seit seiner Gründung 1732 immer mehr ein Schatzkammermuseum darstellte, das ausgewählten Besuchern und nicht nur Staatsbesuchen zugänglich war. Dass die Juwelen und anderen Preziosen, Diamanten, Bergkristallgefäßen oder Porzellan, Prunk- und Zeremonialwaffen aus dem Grünen Gewölbe immer Objekt der feindlichen Begehrlichkeiten wie in schlechten Zeiten Notgroschen waren, die man verpfänden und in besseren Zeiten wieder auslösen konnte, zeigt die wechselvolle Geschichte der Sammlung Augusts des Starken. Wie der Klerus war auch der weltliche Fürst allein schon aus seinem Amtsverständnis heraus zum Sammeln von Kostbarkeiten und Objekten des herrschaftlichen Prunks gleichsam verpflichtet. Eine klare Trennung von geistlicher und weltlicher Sammlung gab es, bezogen auf die Objekte des Sammelns, dabei nicht; nur dass im Staatsschatz des weltlichen Herrschers Herrscherinsignien ein Übergewicht besaßen. Auch gab es kaum eine Unterscheidung von persönlichem und dynastischem Besitz, auch wenn der eine oder andere Herrscher, vor allem im 14./15. Jahrhundert, zu erkennen gab, dass er die Schatzsammlungen als sein persönliches Eigentum betrachtete und
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Abraham Jamnitzer: Daphne als Trinkgefäß, um 1600. Dresden, Grünes Gewölbe. Kostbare Trinkgefäße gehörten zu den Schaustücken einer fürstlichen Sammlung. Abraham Jamnitzer aus Nürnberg hatte für den sächsischen Hof das goldene Trinkgefäß mit Korallen verziert, um den Augenblick darzustellen, in dem sich die Nymphe Daphne durch ihre Verwandlung in einen Lorbeerbaum der Werbung Apolls entzieht.
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für einzelne Objekte daraus auch eine besondere Wertschätzung entwickelte. Weltliche wie kirchliche Schatzkammern erfüllten dieselben Aufgaben: sie horteten Objekte von materiellem und kultisch-repräsentativem Wert. Sie demonstrierten das Vermögen eines Herrscherhauses wie eines Domkapitels oder Klosters. Ihre Aufgabe der Repräsentation erfüllten die Objekte bei kirchlichen und weltlichen Zeremonien, indem sie Teil eines Rituals waren und damit vor allem dessen Sinn verdeutlichen und gewährleisten sollten. Dazu gehörte auch die Präsentation der Fürstenschätze, wenn deren Besitzer unterwegs waren. Dann wurde das bewegliche Kunsthabe mit auf Reisen genommen, in Kisten verpackt oder zusammengerollt. Viele Transporte dieser Art kamen überhaupt nicht oder nur bruchstückhaft an ihrem Zielort an oder fanden den Weg zurück ins „Depot“. Wichtiger als der sorgfältige Umgang auch mit künstlerisch wertvollen Objekten war der symbolische Wert der Kunstwerke. Der kam erst in der Nähe der fürstlichen Besitzer zum Tragen, wenn sie als Teil der Herrscherrepräsentation zu dessen politischer Legitimation mitgeführt und gezeigt wurden. Kirchliche wie weltliche Schatzkammern und die darin gesammelten Objekte erfüllten vor allem institutionelle, an das Amt gebundene Zwecke und waren nicht Ausdruck des individuellen Selbstverständnisses und der persönlichen Neigungen des Besitzers. Sie entsprechen mithin nicht den Kriterien, auf denen eine neuzeitliche Sammlung gründet, und stellen allenfalls deren Vorläufer dar. Für beide Typen der Schatzhäuser und -kammern galt freilich, dass es seit dem 16. Jahrhundert auch fließende Übergänge zu einem neuzeitlichen Sammlungsverständnis gab. Die ersten fürstlichen Sammlungen, die im heutigen Verständnis dieser Bezeichnung entsprechen oder deutliche Ansätze eines veränderten Welt- und Kunstverständnisses zeigen, wurden im französischen Herrscherhaus der Valois bereits im 14. Jh. angelegt. In den Residenzen von König Johann (1319–1364) und seinem Nachfolger Karl V. wie bei Louis von Anjou, dem späteren König von Neapel, befanden sich Büchersammlungen, Kunstwerke und Produkte des Kunsthandwerkes, die nicht mehr nur aus Prunk- und Machtsucht und auch nicht als bloße Kuriositäten angehäuft waren, sondern die in ihrer Zusammenstellung
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eine eigene Handschrift erkennen ließen. Sicherlich besaßen sie nach wie vor die Aufgabe, die besondere Macht bzw. die ordnungsstiftenden Fähigkeiten des Herrschers zu repräsentieren. Neben ihrer Legitimation von Herrschaft besaßen sie jedoch eine gleichsam zweckfreie Bedeutung. Sie wurden allein aus der Freude an künstlerischen Formen und ihres Wertes als Kuriosität zusammengetragen und geordnet. Sie waren in Notzeiten auch nicht mehr in klingende Münze umzusetzen. Bereits in den Studierzimmern von Karl V. von Valois, König von Frankreich, die er sich im Louvre hatte anlegen lassen und die ihm den Rückzug in ruhige Räume erlaubten, wurden die Objekte annäherungsweise nach Sachgruppen geordnet. Darunter befanden sich Gemmen und Halbedelsteine, Prunkgefäße und Damaszenerware, astronomische Geräte, Statuetten, Duftstoffe und natürlich Bücher. Die Anordnung ergibt sich aus den Inventaren, die zum ersten Mal von fleißigen Intendanten der Valois angelegt wurden. Noch deutlicher tritt das Neue in den Sammlungen des dritten Sohns von König Johann, dem Herzog Jean de Berry, hervor. Auch er zeigte, ganz Kind seiner Zeit, Freude am Stofflichen und am Prunk. Daneben aber schimmern deutliche Züge einer Kennerschaft und auch Liebe zu den Sammlungsgegenständen durch. Die Objekte waren in den Inventaren nun nicht mehr nur nach Sachgruppen geordnet, sondern auch nach Untergruppen und deren Provenienz aufgelistet, was auf eine große Detailkenntnis des Herzogs oder seines Intendanten schließen lässt. Die religiösen Kleinodien waren beispielsweise in Kreuze, Kelche, Leuchter und Ähnliches unterteilt. Herkunftsregionen wurden genannt und als Merkmal eines Kunststils oder einer Kunstlandschaft gekennzeichnet. Auch sind, freilich sehr grobe, Ansätze einer chronologisch orientierten Zuordnung der Gemälde erkennbar. Schließlich wurden die Gold- und Silberschätze nicht mehr nur rein nach ihrem Gewicht bemessen, sondern nach ihrer Herstellungstechnik und ihren Verzierungen. Dass das Sammeln für Jean de Berry zu einer wirklichen Leidenschaft, auch mit ihren unangenehmen zu Fälschungen und Erpressungen führenden Seiten geworden war, hat schon Julius von Schlosser, einer der ersten Historiker der Kunst- und Wunderkammern,
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erwähnt. Gerne vergaß es der Herzog, Bücher, die er zu Studienzwecken entliehen hatte, zurückzugeben und ließ sie, wie dies mit einem Exemplar einer „Chronique de France“ aus der Abtei von St. Denis geschehen war, schließlich in sein eigenes Inventar aufnehmen. Erst der Beichtvater konnte Jean de Berrry auf seinem Totenbett dazu bewegen, dieses Buch und einige andere Kunst-und Bibliotheksstücke, die sich der Herzog „entliehen“ hatte, den eigentlichen Besitzern zurückzugeben. Um die Sammlerlust zu befriedigen und den Herzog günstig zu stimmen, hatten überdies Verwandte dem Herzog auch zwei Nachbildungen einer berühmten antiken Gemme, der Gemma Augustea, geschenkt und mit einem Bildnis des Herzogs schmücken lassen. Auch diese tauchten neben anderen wirklich antiken Stücken, aber auch neben anderen Nachbildungen und Fälschungen in den Inventaren Jean de Berrys auf. Während das Kunstsammeln und auch das Mäzenatentum im frühneuzeitlichen Frankreich vor allem Sache der Fürsten und des Staates waren, entwickelte sich Italien seit dem 15. Jahrhundert zum auserwählten Land der privaten Sammlungen, auch weil es hier keinen Zentralstaat gab. Privatsammler entfalteten sich in vergleichsweise großer Zahl in Mailand, Bologna, Verona, Venedig, Florenz und Rom und wurden dort zu Kristallisationspunkten stadtbürgerlicher Kultur und städtischen Patriotismus. Wer dort etwas auf sich hielt oder Einfluss in seiner Stadt gewinnen wollte, widmete sich seiner privaten Kunst- und Naturaliensammlung und richtete sich dafür einen eigenen Raum oder eine kleine Galerie ein. Wer zu der Prominenz von Kunstfreunden und -förderern gehörte, konnte nach einem langen Sammlerleben schließlich auch die städtische Verwaltung dazu bringen, dass diese sich der privaten Sammlung annahm bzw. sie übernahm. Vorbild für die privaten Sammlungen der vornehmen Bürger und humanistischen Gelehrten waren jedoch die fürstlichen Sammlungen, die auch das städtische Kulturleben bestimmten. Ihre Sammlungen umfassten Objekte, die sich nur Männer von Rang und Vermögen leisten konnten: Kunstwerke, vornehmlich Plastiken der römischen oder griechischen Antike, wie sie eigentlich nur die Päpste besaßen,
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aber seit dem 15. Jahrhundert ein wahres Besitzergreifungsfieber auslösten und deren Aneignung vorwiegend Sache der Aristokratie und ihrer Demonstration von Rang und Geschmack war. In dieser Zeit zeigten die Sammlungen italienischer Fürsten selten eine Tendenz zu einer durchdachten Spezialisierung, sondern sie waren bestimmt von dem eher zufälligen Nebeneinander von Naturalien und Kunstprodukten. Kunst und Natur lagen hier gewissermaßen im Wettstreit. Die Geschichte der Medici-Sammlungen zeigt exemplarisch und mit einer weiten Ausstrahlung auf andere europäische Fürstenhäuser die ständige Ausweitung und Systematisierung der Objekte, die die Vorfahren jeweils angehäuft hatten. Schon Cosimo der Ältere (1389–1464) und Piero de’ Medici (1416–1469) hatten Objekte von ganz unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichem Wert gesammelt. Darunter waren Münzen, Antiken und kostbare Handschriften. Lorenzo de’ Medici (1449–1492) hat dann die Sammlungen des Vaters und Großvaters um wichtige Stücke bereichert und durch ein Inventar auflisten lassen. Lorenzo erwarb und besaß handgeschriebene Bücher, Münzen, antike Skulpturen und Gemmen, Silbergefäße und Waffen. Hinzu kamen Gemälde, die er geerbt oder erworben hatte, teilweise auch unrechtmäßig; darunter befanden sich Schlachtenbilder von Paolo Uccello. Die aufwendig gearbeiteten Metallgefäße, von denen einige islamischer Herkunft waren, überstiegen nach Ausweis des Inventars den Wert der Gemälde. Den prachtvollsten und auch finanziell wertvollsten Teil seiner Sammlungen bildeten antike Steinvasen, darunter Gefäße aus Bergkristall, Vasen aus Lapislazuli oder Porphyr, eine Schale aus Jade und zwei große Amethystschalen, die übereinandergelagert eine Dose bildeten und mit einem reich verzierten Goldrahmen versehen waren. Der obere Abschluss des Gefäßes besteht aus einem Ring mit einem pyramidal geschnittenen Diamanten, ein Zeichen für Stärke, Klarheit und Ewigkeit, das die Medici schon seit den Zeiten des älteren Cosimo zum Sinnbild ihrer Familie erkoren hatten. Die Pracht des Materials und seiner Anfertigung kommt in der Feinarbeit des Diamantrings, der aus drei miteinander verschränkten Ringen gebildet war, besonders zum Ausdruck. Die Kraft der Natur und ihre Beherrschung durch
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menschliche Kunstfertigkeit sollten sich mit der Stärke und dem Geschick der Familie symbolisch verbinden. Seine teilweise äußerst kostbaren Sammlungsstücke hatte Lorenzo in seinen Privatgemächern, aber auch in den Nebenräumen seiner Palastkapelle untergebracht. Sein Nachfolger, der zum Herzog der Toskana aufgestiegene Cosimo I. (1519–1574), hat dieses Erbe nicht nur um südamerikanische und afrikanische Objekte sowie um eine Waffensammlung erweitert und systematisch rekonstruiert, nachdem es durch die Vertreibung der Familie 1494 vorübergehend konfisziert war; er hat die in geographischer wie in thematischer Hinsicht erheblich gewachsene Sammlung wirkungsvoll in eigens dafür geschaffenen Räume, wie die Guardaroba delle Carte Geografiche im Palazzo Vecchio, untergebracht. Diese waren durch ein ikonographisch ausgeklügeltes Bildprogramm geschmückt, das vor allem mit ästhetisch anspruchsvollen Deckengemälden den Zusammenhang zu dem Inhalt der Sammlungsschränke herstellte. Damit wurden die Einrichtung und die Präsentation der Sammlungen als zentrales Element einer dynastischen Geschichtspolitik wirkungsvoll in Szene gesetzt. Daraus entstanden später die Tribuna in den Uffizien. Francesco I. (1541–1587) versuchte schließlich den vielen und disparaten Sammlungsstücken eine Ordnung zu geben, indem er sich auf Anregung seiner Berater an dem Konzept des Studiolo orientierte. Die Vielfalt der natürlichen und der artifiziellen Welt sollte sich en miniature abbilden. Eine symbolische Ordnung, in der der ordnende und forschende Mensch im Mittelpunkt stehen sollte. Zugleich näherten sich damit die fürstlichen Sammlungen und die privaten Sammlungen humanistischer Gelehrter und Bürger konzeptionell, wenn auch nicht in ihren Größenordnungen und in der Kostbarkeit der Sammlungsstücke einander an.
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3. Makrokosmos im Mikrokosmos.
3. Makrokosmos im Mikrokosmos
Natur und Kunst in der Renaissance
Mit der Entfaltung der Renaissance und der Veränderung der Weltsicht hatten sich, wie das Beispiel der Medici gezeigt hat, auch die fürstlichen Sammlungen in ihrer Konzeption und in ihrer kulturellen Bedeutung schrittweise verändert. Vor allem war mit einigen Patrizierfamilien sowie humanistischen Gelehrten bzw. Naturwissenschaftlern in Bologna, Mailand, Florenz und Rom neben Fürsten, Kirchen und Adelsfamilien eine neue Gruppe von privaten Sammlern entstanden, deren Einfluss weit über ihr Territorium und ihr soziales Milieu reichte. Das späte 16. und das 17. Jahrhundert wurden zum goldenen Zeitalter privater Sammlungen. In Kirchen und Palästen wie in den Palais der Patrizier und in den Studierstuben von italienischen Gelehrten häuften sich Sammlungen von natürlichen und artifiziellen Objekten. Mit der Wiederentdeckung antiker Kunstwerke und der neuen Wertschätzung von Gemälden, wie sie sich in Italien und in Flandern seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entwickelten, wurden unter den Artefakten zwei Gruppen zunehmen voneinander getrennt: erstens die Objekte, die vor allem wegen ihres Materialwertes aufbewahrt wurden und die somit noch sehr viel stärker in der Tradition der Schatzkammern standen; zweitens diejenigen, deren Wert auf ihrer kunstvollen Bearbeitung und Ausführung beruhte. Sie traten fast gleichrangig neben antike Kunstwerke, die in der Renaissance zum Maß aller Dinge wurden; sie genossen zusammen mit diesen eine besondere Wertschätzung, weil sie von der Virtuosität des Künstlers wie von der Kennerschaft bzw. dem Geschmack des Sammlers zeugten. Neben antiken Kunstwerken und den Gemälden, Skulpturen und Plastiken der Gegenwart tauchten nun als Folge immer neuer Entde-
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3. Makrokosmos im Mikrokosmos
ckungen und naturwissenschaftlicher Erkundungen Reptilien und seltene Fische, Korallen, Straußeneier und Kokosnüsse, Elfenbein und kostbare Steine, daneben Wunderwerke kunstgewerblich-handwerklicher Fertigkeit wie z. B. prächtige Pokale und Gefäße aus Gold und Silber, oft auch wissenschaftliche Instrumente der Physik und Astronomie, schließlich Spielzeuge, Uhren, mechanische Geräte und hochkomplizierte Automaten auf; außerdem noch indianischer Federschmuck, Speer und Schildkrötenpanzer, Pfeile und Bögen und andere ethnologische Raritäten. Sie bildeten einen neuen Sammlungstypus, der zum Charakteristikum vieler Privatsammlungen der Renaissance in Italien wie in Deutschland werden sollte, die Kunstund Raritätenkammern, die später Kunst- und Wunderkammern genannt wurden. Sie waren Ausdruck einer enzyklopädischen Wissbegierde und entfernten sich konzeptionell damit am weitesten von den mittelalterlichen Schatzkammern. Schließlich entstanden mit wachsenden naturkundlichen Interessen auch Sammlungen mit einem Schwerpunkt auf der artengemäßen Zusammenschau von lebenden und getrockneten Pflanzen. Fürstliche Sammlungen erweiterten dieses Interesse um die Anlage von Gärten, die außerdem mit antiken Skulpturen oder Kopien davon geschmückt waren. Der Sinn für Repräsentation und die naturkundliche Neugierde waren dabei meist größer als das Bedürfnis nach idealtypischer Ordnung einer Sammlung, wie sie in Reiseberichten oder Inventaren vorgestellt wurde. In der Realität der einzelnen Sammlungen lassen sich darum die eben genannten idealtypischen Unterscheidungen nicht immer deutlich nachvollziehen und auch die Ausrichtung der einzelnen Sammlungen war mitunter recht vielfältig. Auf den ersten Blick mochte eine solche Sammlung von Raritäten und Kuriositäten, die meist in einem besonderen Raum und in großen Schränken und auf Tischen untergebracht war, pittoresk und zusammenhanglos wie ein Labyrinth wirken. Die neuen Sammlungen, die von den Zeitgenossen auch „Theatrum“ oder „Museum“ genannt wurden, wollten jedoch als „imago mundi“, als Abbild der damals bekannten Welt, der verbreiteten Neugierde und den neuen Welterkenntnissen visuellen Ausdruck verleihen. Darum waren sie
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als Raritäten- oder Kuriositätenkammern auf die Sammlung von Naturalien- und Artificialien ausgerichtet, was die Präsentation der verschiedensten Zeugnisse menschlicher Kunstfertigkeit und Wissenschaft ebenso einbeschloss wie die Zurschaustellung seltener und skurriler Zeugnisse von Naturwundern oder Naturgeschichte; sie lenkten den staunenden ethnologischen Blick auf ferne Welten und auf ferne Zeiten, von der Antike bis in die neue Welt der Wissenschaften und Technik. Sie waren darum ein Mikrokosmos in der Kammer und vereinten wie in einem Zeitraffer Produkte der unterschiedlichsten Zeiten der Erd- und Naturgeschichte. Die Ausrichtung und Schwerpunkte der Sammlungen konnten sehr unterschiedlich sein. Darum nannte man sie oft auch Kunstkammern, vor allem dann, wenn sie vorwiegend Gemälde und antike Kunstwerke oder Kopien davon umfassten; oder auch Wunderkammern, wenn sie Pretiosen zeigten wie auch allerlei wundersame Dinge, etwa ein „Skeleton von einem Frosch in einer Schachtel“, wie es ein Verzeichnis der Bevernschen Kunstkammer von 1687 auflistete. Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt: alles galt als Mirabilia oder auch Exotica. Der Begriff der Kunst- und Wunderkammern taucht erstmals im Testament von Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, dem Schöpfer der Sammlungen auf Schloss Ambras, von 1594 auf. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte, ausgehend von Italien, auch das analogische Ordnungsprinzip enzyklopädischer Sammlungen Anerkennung und Nachahmung gefunden. Es ging nicht um vermeintliche Hierarchien von wertvollen Kunstwerken oder bloßen Kopien, von Erhabenem und Skurrilem, sondern allein um die „Reproduktion und Wahrung der im Schöpfungswerk eingeschriebenen, perfekten Ordnung“ (Siegel). Bearbeitete und unbearbeitete, artifizielle und natürliche Objekte standen gleichrangig nebeneinander. Sie waren idealerweise, wenn auch nicht immer konsequent und einheitlich, nach einem spezifischen Ordnungsschema zusammengestellt. Das konnte sich auf eine symbolische Entsprechung ganz unterschiedlicher Objekte beziehen, aber auch auf eine Ordnung nach den jeweiligen Materialien oder der Herkunft der Objekte. Ziel war eine möglichst vollständige Enzyklopädie der Welt, ein symbolisch über-
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formtes und zugleich überschaubares Miniaturreich. Im utopischen Charakter dieses Anspruchs lag der Antrieb des Sammlers; die Befriedigung seiner Sammellust durch die Suche nach neuen, zusätzlichen Objekten, auch wenn es nur Kopien waren. Dieses Konzept, das von Museumstheoretikern wie dem flämischen Arzt Samuel Quiccheberg (1529–1567) als Idealplan erdacht und theoretisch begründet wurde, aber sich in der Praxis in vielfachen Varianten nur ansatzweise wiederfand, war aber keine Besonderheit der Territorien nördlich der Alpen, sondern zeigte viele Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte mit der zeitlich etwas früher einzuordnenden Einrichtung eines Studiolo in Italien, sodass man sie einem gemeinsamen intellektuellen Bedürfnis und einem einheitlichen Sammlungstypus zuordnen kann. Sie waren Ausdruck einer Neugierde, die dem Kuriosen und Sensationellen galt und sich von überkommenen Wahrnehmungsund Vorstellungszwängen befreien wollte. Sie waren enzyklopädisch und systematisch in ihrem Anspruch und versuchten einen inneren Zusammenhang zwischen Natur, Kunst, Technik und Wissenschaft herzustellen. Immer in der Absicht, die erfahrbare und gedachte Welt in eine Ordnung zu bringen und abzubilden. Kunst konkurrierte in den Sammlungen nicht mit Naturgegenständen, sondern diente der ergänzenden Beschreibung von Natur und der Vervollständigung der Sammlung. Die Geschichte des künstlichen Menschenwerkes sollte in die Geschichte der Natur integriert werden. Kunst, Geschichte, Natur und Wissenschaft waren zu einer Einheit, zu einer begehbaren Enzyklopädie verbunden. Was museumsgeschichtlich ebenfalls neu war: Die Sammlungen standen unter einer speziellen Aufsicht und befanden sich in einem abgetrennten Raum; sie waren für ein erlesenes Publikum zugänglich und dienten auf diese Weise der sozialen Distinktion. Nicht nur Fürsten und adlige Herren mehrten und präsentierten stolz ihre Sammlungen der Raritäten und Kostbarkeiten, sondern auch Gelehrte. Fürstenkultur und die Kultur der Wissenschaften berührten sich, auch wenn die meisten fürstlichen Sammlungen in ihren quantitativen Dimensionen wie in der Vielfalt der zusammengetragenen Objekte die Sammlungen humanistischer Gelehrter bei Weitem übertrafen. In ihrer Grundkonzeption stimmten beide, die
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fürstlichen Sammlungen wie die von vermögenden Privatgelehrten, überein: sie zeigten die im Vergleich zum Spätmittelalter veränderten und sich immer weiter verändernden Vorstellungen von Natur und Kunst. Sammeln wurde zur gefragten Aktivität der sozialen Eliten und galt als Schlüssel zu einem neuen Weltverständnis. Ein neuer Sammlertyp war entstanden. Dessen Sammlung repräsentierte vor allem sein Wissen und seinen Geschmack, sein ästhetisches Vermögen und wissenschaftliches Interesse an Systematik und Unterscheidung. Er definierte sich durch eine Ästhetisierung des Ichs und suchte seinen Platz in der Gesellschaft durch den Nachweis seiner Fähigkeiten zu imitatio, exempla und inventio, d. h. durch die Orientierung an der Kunst und den Normen der Antike, durch einen beispielhaften Umgang mit Zeugnissen von Natur und Kunst sowie durch die Fähigkeit zur wissenschaftlich-technischen Innovation. Besonders die Sammlungen von Uhren, wissenschaftlichen Instrumenten und von Automaten, die meist zu ihren Prunkstücken gehörten, standen für die Förderung des modernen wissenschaftlich-technisches Wissens und Könnens. Dennoch steckten die Sammlungen denk- und mentalitätsgeschichtlich teilweise noch tief im mittelalterlichen, christlichen und magischen Denken. Man glaubte noch immer an Wunderdinge und meinte beispielsweise in fossilen Knochen, die auf Sizilien gefunden wurden, die Gebeine des einäugigen Riesen Polyphem zu erkennen. Noch bis in das 17. Jahrhundert galten Narwalzähne als Skelettteile des sagenumwobenen Einhorns. Ein technisch-physikalisch denkender Wissenschaftler wie Otto von Guericke hatte sie zu einer phantastischen Rekonstruktion zusammengefügt, von der auch Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) noch beeindruckt war. Noch im mittelalterlichen Denken der Scholastik wurzelt auch die Vorstellung, dass allen Dingen und der Natur derselbe Gedanke der Offenbarung immanent sei und dass es darum eine enge Verbindung von Makrokosmos und Mikrokosmos gäbe. Auch naturwissenschaftlich orientierte Gelehrte des späten 16. Jahrhunderts, wie Ulisse Aldrovandi (1522–1605) aus Bologna oder Athanasius Kircher (1602–1680) aus Rom, verstanden darum die vielen Wunderstücke in ihren berühmten Samm-
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lungen als Werke eines göttlichen Willens. In den Kunstwerken wie in den ausgestopften Tieren und präparierten Pflanzen sahen sie die Repräsentation der einen göttlichen Schöpfung. Sie glaubten an eine Welt, in der Gott allein die Macht zum Eingreifen und Gestalten, eine vis plastica, besäße und darum auch für die Raritäten und wundersamen Dinge, wie das sagenumwobene Einhorn oder andere Monster und Drachen verantwortlich sei. Für den Jesuiten Kircher, dessen Sammlungen und deren Beschreibung den Höhe- und Endpunkt des naturkundlichen Sammelns und Forschens bedeuteten, behielt die Grundannahme dauerhafte Gültigkeit, dass das enzyklopädische Ideal der Sammlungen die göttliche Autorität repräsentiere. Auch wenn naturwissenschaftliche Beobachtungen und Erkenntnisse längst viele Annahmen eines Aristoteles oder Plinius in vielen Einzelheiten infrage gestellt hatten, blieben auch für die gelehrten Sammler die Grundmuster antiken und christlichen Denkens noch lange gültig. Die Vorstellung von der Identität der menschlichen schöpferischen Gestaltungskraft mit der göttlichen natürlichen Schöpferkraft beispielsweise war und blieb das Muster, das alles Ordnen und Beschreiben bestimmte. Doch gehörte es fast zwangsläufig zur alles verändernden Wirkungskraft der naturwissenschaftlichen Kategorienbildung und Analyse, die sich mit dem Sammeln verbanden, dass allmählich die theologische Begründung der Natur und damit auch die der Sammlungen einer säkularisierten Rationalität wich und damit den Übergang zu Aufklärung und Neuzeit endgültig herbeigeführt wurde. Darum ist auch die lange Geschichte der Kunst- und Wunderkammern vom späten 16. Jahrhundert bis zum 18. Jahrhundert keineswegs von dauerhafter Stabilität, sondern von langsamer und ungleichmäßiger Veränderung geprägt. Daran änderten weder die zahlreichen zeitgenössischen Beschreibungen der vielgestaltigen Kunst- und Wunderkammern, die ihre Ordnungen festzuschreiben schienen, etwas, noch die im Laufe des 17. Jahrhunderts vermehrt verfassten Programmschriften oder Kataloge mit Inhaltsangaben der Sammlungen. Sie beschrieben, wie eine Kunst- und Wunderkammer sein sollte, nicht aber wie sie wirklich aufgebaut war. Der erste Versuch dieser Art war der Traktat des flämischen Mediziners Samuel
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Quiccheberg, Berater des bayerischen Herzogs Albrecht V., der seinem Aufraggeber mit seinem Traktat „Inscriptiones vel Tituli Theatri Amplissimi“ von 1565 nicht nur eine Übersicht der Münchner Sammlungsbestände vorlegte, sondern zugleich eine systematische, die tatsächlichen Gegebenheiten verdichtende Beschreibung einer idealen Kunst- und Wunderkammer verfasste, die er als „theatrum sapientiae“ bezeichnete. Auf der Grundlage intensiver empirischer Studien und Reisen und orientiert an der Münchner Kunstkammer Herzog Albrechts, lieferte er die sammlungs- und museumstheoretische Begründung für das Sammeln und Ordnen der vielgestaltigen Naturalien und Artificialien, ohne dass damit die tatsächliche Ordnung der Münchner noch die anderer Sammlung festgelegt wurde. Mit seinem „Theatrum amplissimum“ gab er überdies eine Auflistung aller vorhandenen Sammlungen und damit zugleich eine Ahnung von dem Netzwerk an Kontakten und Korrespondenzen, die bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts die kleine, aber sehr wirkungsmächtige Sammlerrepublik nördlich und auch südlich der Alpen miteinander verband. Das Studiolo. Eine Schaubühne der Welt Ihren Ausgang hatten die Bemühungen um eine Ordnung der künstlichen und natürlichen Dinge zu einem Abbild des Makrokosmos im Mikrokosmos in dem Studiolo, in der Studierstube italienischer Fürsten und Gelehrter genommen. Ähnliche Gedanken und Bestrebungen waren uns ansatzweise auch in den Sammlungen der französischen Valois begegnet. Die Studiensammlungen waren aus einer Art Mönchszelle entstanden, in die sich italienische Herzöge und bald auch Gelehrte zurückzogen. Mit dem Aufbau von Sammlungen seltener und kostbarer Objekte, die sie in ihrer Nähe haben wollten, benötigte ihr Studiolo immer größere Räume, und diese erhielten eine prächtige Ausstattung. Vor allem italienische Gelehrte gaben ihren Sammlungen eine systematisch-räumliche Ordnung, die sich durch Zeichnungen visualisiert zum Vorbild vergleichbarer Sammlungen und Studierräume
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Studiolo Federico da Montefeltro. Intarsien der Nord- und Ostwand, Urbino, Palazzo Ducale. Sein Studiolo diente dem Herzog Federico III. da Montefeltro (1422–1482) in seinem Palast in Urbino als Rückzugsort und als Raum der Vision von einer Vereinigung von Kunst und Natur, für seine Sammlung von christlichen Heiligtümern und sakralen Objekten der Wissenschaft und Kunst.
entwickelten. Bald fanden sie auch nördlich der Alpen großen Zuspruch bzw. in den Kunst- und Wunderkammern Nachahmung. In Frankreich soll es nach einem zeitgenössischen Bericht von Pierre Borel, der selbst ein Sammler war, um die Mitte des 17. Jahrhunderts mehr als sechzig solcher Kuriositätensammlungen gegeben haben, in der Republik von Venedig mindestens siebzig. Nicht alle dieser Studiensammlungen waren von denselben Bedürfnissen und Einsichten bestimmt, und sie folgten auch nicht demselben Organisationsmuster. Die Unterschiede waren nach der Beobachtung des französischen Museumssoziologen Krzysztof Pomian in dem Vermögen, der Bildung und dem sozialen Rang der Sammler begründet und auch in der unterschiedlichen Rezeption der neuen Weltsicht der Renaissance, die der Idee der Sammlungen zugrunde
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lag. Daraus entwickelten sich je nach der Schwerpunktbildung unterschiedliche Sammlungstypen und -konzepte. Gerade die Gelehrtensammlungen zeichneten sich durch eine größere Spezialisierung und damit auch Beschränkung aus. Kunstwerke dienten Aldrovandi mehr zur Illustration seiner naturkundlichen Objekte und zur Ergänzung der Sammlung um Nachweise, die auf andere Weise nicht zu bekommen waren. Immerhin besaß er mehr als 8000 Temperazeichnungen und vierzehn Schränke mit den Druckstöcken seiner zahlreichen Publikationen, die seine mehr als 11 000 sorgfältig konservierten Tiere, Früchte und Mineralien sowie seine 7000 getrockneten Pflanzen zugänglich machten und ergänzten. Anders bei Cosimo de’ Medici (1519–1574), der seine ererbte Sammlung der Antiken durch Funde von etruskischen Bronzen, vor allem durch die bei Arezzo gefundene Chimäre, einem schrecklichen Tierungeheuer und Mischwesen aus Löwe, Schlange und Ziege, erheblich erweitern und diese in seiner Guardaroba aufstellen konnte. Hinzu kam eine beträchtliche Zahl von Gemälden, die von Familienporträts bis zu Deckengemälden reichten, die Vasari gemalt hatte. Aber auch bei den Medici blieben die Kunstwerke Teil einer Gesamtordnung. Mit ihrer umfassenden Sammlung und deren Präsentation verbanden sie jedoch zugleich den Anspruch, Herr der Kunst und Natur, der Geographie und Astronomie zu sein. Einen thematisch besonders weitreichenden und zugleich in sich geschlossenen Anspruch behaupteten die italienischen Sammlungen mit enzyklopädischem Charakter, die ein Abbild der Welt, ein Universum im Kleinen präsentieren wollten. In Venedig hatte Andrea Vendramin (1554–1629) als einer der Ersten mit dem Aufbau einer umfassenden Sammlung begonnen, die nach Ausweis seines gedruckten Katalogs Gemälde, Skulpturen, Götterbilder und Idole der Antike, Kleidungsstücke aus aller Herren Welt, antike Opfergeräte, Urnen und Öllampen, antike römische Münzen, Ringe und Siegel der Ägypter, Gemmen und andere geschnittene Steine, Muscheln, Wellhornschnecken und andere Naturalien, Mineralien und allerlei Kurioses aus Indien, illustrierte Bücher zur Chronologie, ferner Manuskripte, Stempel, Fische und Vögel umfasste sowie in Gestalt von Gemälden
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Pflanzen und Blumen; außerdem die Bücher, die der Sammler selbst zur Auferstehung Christi verfasst hatte. Von ähnlichen enzyklopädischen Ambitionen getrieben war Federico Contarini (1538–1613), der darauf aus war, von allen Lebewesen und Dingen ein Muster oder ein Probestück zu besitzen. Zu den reichsten Sammlungen in Venedig gehörte die von Carlo Ruzzini (1554–1644), die erst etwas später entstand und die zum Anziehungspunkt vieler Besucher wurde, auch nachdem Ruzzini sich gezwungen sah, seine kostbaren antiken Statuen an den Herzog von Mantua zu verkaufen. In Bologna gehörte der Philosoph und Professor Ulisse Aldrovandi (1527–1605), den man den Aristoteles aus Bologna nannte, zu den frühen Sammlern von natürlichen und artifiziellen Objekten, die sich daraus eine in sich geschlossene Welt im Kleinen schufen. Seine Studierräume mit seinen Objekten wurden zu einem Ort der Wissensaneignung und naturkundlicher Forschung. Aldrovandi und andere strebten danach, mit einem Minimum an Objekten dennoch die vollständige Repräsentation aller Dinge zu schaffen, die geeignet wären, um sich eine autonome Welt aufzubauen bzw. zu rekonstruieren. Mit der systematischen Anordnung von natürlichen und artifiziellen Objekten hoffte man durch Beobachtung und Vergleich der Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt auf die Spur zu kommen, aber auch die menschliche Kunstfertigkeit zu dokumentieren. Dennoch blieb der Versuch, durch Experiment und Beobachtung sich die Natur anzueignen und sie zu entmystifizieren, Teil einer sehr viel breiter angelegten Vorliebe für das Sammeln wissenschaftlicher Instrumente und naturkundlicher Objekte sowie ihrer Präsentation im Museum. Sammeln war die wichtigste und besonders geschätzte Beschäftigung eines Mannes von Stand und Bildung. Was Aldrovandi von anderen Sammlern unterschied, war sein pädagogischer Impetus. Er nutzte seine Sammlung nicht nur für die eigene Reflexion, sondern zur Überprüfung der These des Hippokrates, dass die jeweilige Umwelt die verschiedenen Lebens- und Produktionsformen der Menschen wie auch ihre Sitten und Bräuche bestimmte. Darum untersuchte er die materielle Kultur und Technologie von antiken wie von exotischen Völkern, um zu erfahren, welche
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praktischen Hinweise sich daraus für das zeitgenössische Europa ableiten ließen. Er war von dem Ziel besessen, die Zahl seiner Sammlungsstücke ständig zu erweitern und dadurch neues Material für seine Untersuchungen zu gewinnen. Im Jahre 1577 besaß er 13 000 Objekte, in 1595 bereits 18 000 Stücke und am Ende des Jahrhunderts etwa 20 000. Den zahlreichen Besuchern seiner berühmten Sammlungen konnte er verkünden, dass er damit auch den Anforderungen der Antike und den Prinzipien eines Aristoteles oder Plinius gerecht würde. Mit diesen wissenschaftlichen Autoritäten waren für die Naturwissenschaftler des 16. Jahrhunderts auch die Grenzen ihrer Forschung bestimmt, während die Nachfolger des 17. Jahrhunderts, wie der Jesuit Athanasius Kircher, diese Selbstbegrenzung nicht mehr gelten lassen wollten. Alle bisherigen Paradigmen gehörten auf den Prüfstand; vielleicht auch um die theologischen Risiken dieses unbegrenzten Denkens zu verringern, blieb für Kircher die Natur nach wie vor Werk und Spiegel der göttlichen Schöpfung. Das Museum erfüllte für ihn nicht nur den humanistischen Wunsch nach Wiedergewinnung antiken Wissens, sondern es besaß auch eine politische und religiöse Botschaft. Es war nicht nur Ort des Wissens für eine wachsende Gemeinschaft von Gelehrten, es war auch der Ort, um gefährliche religiöse Irrlehren zu bekämpfen. Kircher belegte seine permanenten Attacken auf falsches dämonisch-magisches Denken und auf gottlose Künste wie die Alchemie und die Medizin des Paracelsus mit dem Rückgriff auf die Objekte in seinem Museum. Das Kuriose, in speziellen Räumen und Kabinetten angeordnet, sollte Aldrovandi zum Spiegel einer vollkommenen Welt werden. Für Kircher waren sie Anschauungsmaterial im Bemühen um eine Versöhnung von Wissenschaft und Katholizismus. Der Makrokosmos in den eigenen Räumen, für die schon früh der Begriff des Museums oder auch als Synonym des Theatrums als Ort einer intensiven Schau aufkam, sollte zugleich die eigene soziale Anerkennung und wissenschaftliche Autorität der Gelehrten begründen und vermehren. Denn als Sammler stand man im engen Austausch auch mit dem Adel, aber auch in Konkurrenz mit anderen Sammlern, denn die Zahl der begehrten Exotika oder Antiken war begrenzt.
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Ein bevorzugtes Sammelgebiet der Aristokratie waren und blieben die Antiken, besonders Statuen. Sie waren in erster Linie Ausweis von Geschmack und Vornehmheit und waren darum besonders begehrt. Contarini und Ruzzini hatten ihre Statuen, den Stolz ihrer Sammlungen, schließlich an den ungleich reicheren Herzog von Mantua verkauft. Andere Sammler mussten sich daher auf antike Münzen, Medaillen, Ringe, Amulette oder andere Kleinkunst beschränken. Auch wenn in der Sammlung des Lorenzo Pignoria (1571–1631) in Padua viele Bilder oder Drucke neben antiken Münzen, Siegeln oder anderen antiken Kleinigkeiten hingen oder aufbewahrt wurden, handelte es sich dabei doch nicht um eine Kunst- und Wunderkammer, denn Pignoria war zu allererst ein Freund der Antike und darauf war sein Mikrokosmos ausgerichtet. Allein in Venedig soll es im 17. Jahrhundert dreißig Sammlungen von antiken Kunstwerken und Münzen, in Verona achtzehn, elf in Padua gegeben haben. Dabei waren die Übergänge zu anderen Sammlungstypen, wie das Beispiel von Pignoria schon andeutete, durchaus fließend und nicht einfach zu bestimmen. Was die Antikensehnsucht entfachte, war die Ansicht, in der Antike gleichsam das Grundmuster und den Maßstab auch für eine zu begründende moderne Welt zu erkennen. Die Frage nach der Ebenbürtigkeit von antiker und zeitgenössischer Kunst und Philosophie stellte ein Dauerthema der Renaissance dar. Wer in seinen Gärten oder in seinem Studiolo über entsprechendes Anschauungsmaterial verfügte, nahm auch in dem Gespräch der Vornehmen und Gelehrten einen besonderen Rang ein. Eine typologisch exakte Trennung der universellen Sammlungen wie der Antikensammlungen von den Gemäldesammlungen fällt im historischen Rückblick schwer. Kaum ein Mitglied etwa des venezianischen Patriziates, der keine Gemälde besaß. Darum treffen wir auch in fast allen Sammlungen auf Werke der bildenden Kunst. Wer jedoch Gemälde wirklich sammelte, der errichtete nicht nur Räumlichkeiten, um seine Bilder angemessen unterzubringen, sondern auch um das Augenmerk auf die Gemälde und die dort dargestellten Sujets zu richten; um vor allem die richtigen Fragen an die Gemälde zu stellen, wie das auch bei den anderen, vorwiegend enzyklopädisch orientierten Sammlungen oberstes Gebot war. Wer Bilder nur zu dekorativen Zwe-
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cken sammelte und aufhängte, der fand in den zeitgenössischen Aufstellungen der Gemäldesammlungen kaum Aufmerksamkeit. Auch in dieser Liste war Venedig führend; um 1660 soll es dort rund 75 Besitzer von Gemäldesammlungen gegeben haben, von denen aber nur zwanzig Galerien der Beschreibung für würdig erachtet wurden. Andere Sammler gefielen dafür durch ihre Sammlungen von Uhren, Waffen oder Münzen, während ihre Gemälde kaum „zählten“. Umgekehrt hatten die besten Stücke in den bedeutenden Gemäldesammlungen, wozu Bilder von Raffael und Veronese zählten, schon in dem 17. Jahrhundert den stattlichen Preis von mehr als 10 000 oder sogar 20 000 Dukaten, während die große Masse der Bestände auch der führenden Galerien in Venedig und Verona zwischen 10 und 50 Dukaten gekostet hatten. Nicht weniger kostbar als die Objekte der enzyklopädischen Sammlungen in den italienischen studioli wie in den mitteleuropäischen Kunst- und Wunderkammern war gelegentlich der Schmuck der Wände und Decken der eigens für die Sammlungen hergerichteten Räume. Da fanden sich gemalte Kosmologien, Sonnenuhren oder Sternbilder auf Leinwänden, auf Deckenfresken oder in den Lunetten der Deckengewölbe. Auch sie folgten einem programmatischen Anspruch, indem sie die Jahreszeiten visualisierten oder mathematischnaturwissenschaftliche Instrumente bzw. exotische Pflanzen und Tiere zeigten. Daneben fanden sich Reliquien und heilige Kreuze, die noch einmal die Ambivalenz der Übergangszeit und die Vorstellung von einer Identität der göttlichen und künstlerischen Schöpfung zum Ausdruck brachten. Immer gab es einen Zusammenhang zwischen den visualisierten Raumprogrammen der studioli und den darin enthaltenen Sammlungen. Nördlich der Alpen waren solche programmatischen Ausmalungen offenbar seltener. Die Kunst- und Wunderkammern. Die Welt in der Stube Julius von Schlosser, der Verfasser des ersten Standardwerkes zur Frühgeschichte der Museen, hatte um die Wende zum 20. Jahrhundert den Begriff der Kunst- und Wunderkammern wiederentdeckt und neu geprägt. Aus einer bunten Palette verschiedenartiger und ähnlicher
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zeitgenössischer Begriffe des 17. und 18. Jahrhunderts, die von der Raritäten- oder Kuriositätenkammer oder einer Naturalien- und Artificialienkammer bis zum Lustkabinett oder Museum reichten, hatte er die bis heute gültige Bezeichnung herausgegriffen. Seither wurden die Kunst- und Wunderkammern zum Leitbegriff für entsprechende Sammlungen, die vom 16. Jahrhundert bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts zum kultivierten Lebensstil vor allem von Fürsten und Adligen, aber auch von Gelehrten und Patriziern gehörten. Die wachsende Begeisterung für das Kunstsammeln und die Kunstpatronage gründete auch auf der neuartigen Rechtfertigung des Sammelns durch italienische Humanisten: Ethos und Großartigkeit der Aristokratie und der Fürsten werde, so hatte Giovanni Pontano gelehrt, durch nichts besser demonstriert als durch das Sammeln von Bronzen, Gemälden und anderen Kostbarkeiten. Auch Werke der bildenden Kunst hatten
Die ideale Kunstkammer, in: Eberhard Werner Happel: Grösseste Denkwürdigkeiten der Welt, Ende 17. Jh. Die Kunst- und Wunderkammern waren Abbild der großen Welt in der Stube des Gelehrten und Sammlers. In idealen Ordnungsentwürfen wie in der Realität vieler fürstlicher Sammlungen des 16. und 17. Jahrhunderts waren sie Speicher natürlicher und artifizieller Objekte, die als Träger des Wissens fungierten und eine Ordnung bzw. Erfahrung des Wissens erlaubten.
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mittlerweile eine große Wertschätzung erfahren, was sie nun zu bevorzugten Objekten fürstlicher Sammellust machte. Drei Kunst- und Raritätenkammern fanden bereits unter den Zeitgenossen besondere Beachtung und waren Gegenstand von Reiseberichten, Bestandsbeschreibungen und Inventaren: Die Sammlungen von Erzherzog Ferdinand von Tirol auf Schloss Ambras bei Innsbruck, die Kunstkammern des bayerischen Herzogs Albrecht V. in München sowie die Kunstsammlungen von Kaiser Rudolf II. in Prag. Daneben stellte die Sammlung des Baseler Rechtsgelehrten Amerbach den Typus einer bürgerlichen Sammlung dar, die sich viel mehr auf Zeichnungen konzentrierte und vom Muster der enzyklopädischen Kunstund Raritätenkammer entfernte. Bevorzugtes Beispiel für Schlosser war die Sammlung von Erzherzog Ferdinand von Tirol auf Schloss Ambras in Tirol. Der Erzherzog war nicht nur mit den großen Sammlern und Kunstliebhabern seiner Zeit verwandt oder verschwägert, er besaß überdies durch seine Heirat mit Philippine Welser, Patriziertochter aus Augsburg, ein großes Vermögen, das ihm die Erweiterung der ererbten Sammlungen zu einer kostbaren Sammlung von Kunst- und Kuriositäten sowie den angemessenen Ausbau seines Schlosses bei Innsbruck erlaubte. Auch hatte er, ganz italienischen Vorbildern folgend, in der Nähe des Schlosses noch eine Drechslerwerkstatt und eine Gießerei errichtet, ergänzt um seine Glashütte in Hall. Das lockte zahlreiche Handwerker und Künstler an, die für den Erzherzog arbeiteten. Zu seinen Sammlungen zählten eine Rüstkammer wie eine Bibliothek, vor allem aber eine „große Kunstkammer“, die in insgesamt achtzehn Schränken untergebracht war. Sie wurde zur ersten Sammlung, die nach übergeordneten Gesichtspunkten geordnet und auch einer begrenzten höfischen Öffentlichkeit zugänglich war. Die Aufzeichnungen des Inventars geben Auskunft über das Kunstwollen der Epoche. Es geht um die Präsentation der Vielfalt und Ambivalenz, um die Verfremdung von Formen und Materialien und damit auch um die Verunsicherung und Neugierde des Betrachters. In den Sammlungsschränken waren Kuriosa und Naturseltenheiten aufbewahrt, ferner Kristallgefäße und Gefäße aus Halbedelstei-
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nen, Gold- und Silberschmiedearbeiten, Muscheln und sog. Handsteine aus den heimischen Bergen; in einem weiteren Kasten befanden sich Musikinstrumente mit kostbaren Verzierungen und Brettspiele, in dem nächsten Kasten Kunstuhren, astronomische und mathematische Instrumente wie Astrolabien, Fernrohre und Guckkästen. Auch in den weiteren Kästen befanden sich Sammelstücke, die zu den Raritäten und Kuriositäten gehörten und die man damals an Fürstenhöfen und auch bei Gelehrten besonders schätzte. Dazu gehörten auch Münzen, Waffen und venezianische Bronzen und Gemälde. Vieles war zudem in anderen Schränken und Truhen untergebracht, oft kostbare Arbeiten der oberdeutschen Kunsthandwerker. Die Gliederung der Kunstkammerschränke, betrachtet man sie in ihrer Gesamtheit, folgte einer Hierarchie der Materialien. Innerhalb eines Kastens lässt sich als Ordnungsprinzip eine aufsteigende Linie von der jeweils rohen Naturform über eine gewisse Naturähnlichkeit bis hin zur künstlerischen Gestaltung und Überhöhung erkennen. Das Kunstwerk stellte damit die letzte Vollendung des im rohen Naturstoff angelegten Zwecks dar. Mit diesem Ordnungsgedanken war man der Philosophie von Aristoteles verpflichtet, die in der Natur ein sinnvoll und zweckmäßig geordnetes Ganzes erblickte, ein „Stufenreich der Zwecke“. Darin hat jedes Ding seinen Platz und seine spezifische Funktion. Gleichzeitig befanden sich in diesem Kosmos das Einzelne und das Ganze in einer ständigen Entwicklung zu einer höheren Form und einem höheren Zweck. Darin liegt das Wesen der Dinge. In diesem Prozess der Höherentwicklung, z. B. von einem rohen Stein zu einer Statue, verliert die Stofflichkeit ihre Bedeutung und lässt in der entwickelten Form die eigentliche Idee erkennen. Sieht man einmal von Sammlungsobjekten aus der heimischen Region ab, so fanden sich hier kaum Gegenstände, weder Naturalia, Mirabilia, Artefacta oder Exotica, die sich nicht auch in den Bestandskatalogen von anderen Kabinetten und Museen der Zeit fanden. Aber sie repräsentierten mit der Ordnung nach Materialien, die die Entwicklung von naturhaftem zur Kunst und Technologie zeigten, ein ausgesprochen reflektiertes Sammlungsprinzip. Darin schienen auch die eigentümlichsten Objekte – von rohen oder teilweise bearbeiteten
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Handsteinen bis zu einem Schüttelkasten mit zappelnden Reproduktionen von Kröten – aufzugehen bzw. sich in ein Ordnungsmuster einzufügen. Viele Objekte waren als Geschenke von Standesgenossen nach Ambras gekommen und zeigten den Rang des Sammlers und seiner dynastischen Netzwerke, in denen er lebte. Sie waren aber auch Zeugnisse einer gemeinsamen frühneuzeitlichen Wissenskultur, die von wissenschaftlicher Neugierde und von der gemeinsamen Überzeugung ausging, dass die Gegenstände niemals nur eine einzige, auf eine spezifische Identität begrenzte Bedeutung haben, sondern dass im allegorischen Denken ihnen auch eine weitergehende symbolische Bedeutung zukommt. Sie stehen für etwas anderes, wie beispielsweise die Uhren und die wundersamen (Spiel-)Automaten eben auch die Fähigkeit des Menschen zur Beherrschung der Welt zeigen sollen; die anderen Geräte für die Förderung der technischen Fertigkeiten und den Gewerbefleiß. Auch die Münchener Kunstkammer, die Herzog Albrecht V. 1565 gegründet hatte, war nicht nur für fürstliche Besucher, sondern auch für Gelehrte und Künstler zugänglich, denen wir überdies eingehende Berichte über die Anlage wie über wichtige Stücke der Sammlung verdanken. Georg Braun (1541–1622) und sein Drucker Franz Hogenberg widmeten in ihrer mehrbändigen Darstellung städtischer topographischer Ansichten „Civitas Orbis Terrarum“ von 1586 ein Kapitel der Stadt München und den Kuriositäten, die man in der Kunstkammer besichtigen konnte. Der Kunsthändler und Sammlungsberater Philipp Hainhofer (1578–1647) erwähnte auch die Risiken und Nebenwirkungen, die eine öffentliche Zugänglichkeit besaß: viele Stücke seien verloren gegangen und die Besuchsmöglichkeiten seien darum eingeschränkt worden. Umgekehrt gebot es allerdings der gute Ton, dass man als Besucher der Sammlung ein Geschenk hinterließ. Die Münchener Kunstkammer von Albrecht V. mit ihren mehr als 6000 Objekten (ohne die große Zahl an Münzen) war Teil seiner Sammlungen: dazu gehörten außerdem die schon sehr viel ältere Schatzkammer, eine Bibliothek und das Antiquarium. Dort hatte der
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Herzog als Erweiterung der Residenz einen ersten und in seiner Größe wie Ausstattung unübertroffenen Renaissance-Sammlungsbau errichtet und die bisher zerstreuten Objekte seiner Kunstkammer zusammengetragen. Als die übrigen Räume fertiggestellt waren, blieben im Antiquarium mit seiner Länge von 69 Metern und seiner prachtvollen Deckenbemalung vor allem antike Kunstwerke oder Kopien davon untergebracht. Durch testamentarische Verfügungen waren alle vier Sammlungen unveräußerlich und sollten dazu beitragen, die Kontinuität der Dynastie zu sichern. Sie befanden sich alle in der Residenz oder in unmittelbarer Umgebung. Für die Kunstkammer wurde schließlich ein Gebäude zwischen „Altem Hof“ und der „Neuveste“ vorgesehen; eine Vierflügelanlage mit einem von offenen Arkaden umsäumten Hof und Rundgängen, die Quiccheberg als ideal für die Einrichtung eines Museums pries. Die räumliche Einrichtung der Kunstkammer selbst und ihre themenbezogene Untergliederung entsprachen in der Realität allerdings nicht den idealtypischen Beschreibungen des flämischen Mediziners und Museumstheoretikers. Was in München zu sehen war und von Autoren wie Philipp Hainhofer als Bestand der Kunstkammer unter Albrechts Nachfolger, Wilhelm V., 1611 beschrieben wurde, entsprach grundsätzlich den Ordnungen anderer Kunstkammern der Zeit. Die Objekte wurden vor allem auf langen Tischen ausgebreitet oder im Raum aufgestellt bzw. an den Wänden aufgehängt. In München wurden im Unterschied zu Ambras und Prag keine Schränke zur Aufbewahrung der Objekte benutzt. Sie wurden so ausgebreitet, dass man sich bei Rundgängen durch den Raum einen raschen Überblick über die heterogene und reiche Sammlung machen konnte. Natürliche Objekte, wie Fossilien und Korallen, waren in München kaum anzutreffen, wohl aber Zähne, Hörner und Knochen von allen möglichen Tieren. Einen großen Raum nahmen Abnormalitäten ein, die als Naturschöpfungen zu den Kernbeständen der Naturalien gehörten. Was in der Sammlung ins Auge fiel, war die große Zahl von Artefakten. Darunter spielten mechanisch-wissenschaftliche Instrumente und Uhren, etwa im Unterschied zur Kunstkammer in Dresden, eine geringe Rolle. Dafür gab es eine große Anzahl von kunstgewerblichen Objekten, die durch ihre
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kunstvolle Bearbeitung auffielen, wie etwa Majolica-Geschirr, Emaille-Arbeiten aus dem Limousin oder Porzellan und kostbare Gläser. Von großer Bedeutung waren Objekte aus nicht europäischer Herkunft, meistens als „indisch“ oder „türkisch“ bezeichnet. Das waren vor allem Geschenke von Cosimo I. de’ Medici. Eine weitere Besonderheit bestand in der Pflege einheimischer, bayerischer Handwerksund Kunstarbeiten: von einem frühen Stadtmodell München bis zu Druckstöcken von Waffen und Wappen sowie geographische Karten. Wenn Quiccheberg für die Einteilung der Sammlungen zwischen einer Wunderkammer (miraculosarum rerum promptuarium) und einer Kunstkammer (artificiosarum rerum conclave) unterschied, dann nahm er sicherlich Bezug auf die Münchner Sammlungen. Hier spielten Antiken, vor allem aber eine beachtliche Sammlung von Gemälden und Skulpturen eine beherrschende Rolle. Auch künstlerische Hervorbringungen des Fürsten fehlten hier nicht. Eine erste gravierende Veränderung erfuhren die Bestände der Kunstkammer, als Maximilian I. 1606 eine eigene Kammergalerie einrichtete und die Kunstwerke von besserer Qualität aus der Kunstkammer abzog. Das hatte teilweise konservatorische Gründe, entsprang aber vor allem wohl dem Wunsch, diese Stücke dem öffentlichen Zugang zu entziehen und als persönlichen Besitz des Souveräns zu definieren. Sie gehörten nun zu seinem Arcanum. Der Wert der Kunstkammer wurde noch weiter eingeschränkt (und der Weg zur Spezialisierung von Sammlungen geebnet), als auch die Münzen zu Beginn des 17. Jahrhunderts ins Antiquarium gebracht wurden. Umgruppierungen und Veränderungen, aber vor allem ständige Erweiterungen erfuhren auch die Kunstkammern von Kaiser Rudolf II. Sie waren die größten ihrer Zeit und Gegenstand zahlreicher bewundernder Reise- und Gesandtenberichte. Später galten die Kunstkammern Rudolfs allerdings als sonderlich, gar als Ausgeburt eines Verirrten. Sicherlich war der Habsburger ein Kunstbesessener, der durch ein Netz von Kunstagenten und Künstlern, die in seinem Auftrag durch Europa reisten, mit Hartnäckigkeit, gelegentlich auch mit Druck und Zwang, die großartigsten Kunstwerke zusammenraffte. „Das ist mein“, soll er ausgerufen haben, als er ein Relief von Giovan-
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ni di Bologna, das eine Allegorie auf Francesco I. de’ Medici darstellte, als Geschenk erhalten hatte und dies eigenhändig in sein Privatzimmer trug. Dass er ein wirklicher Kunstliebhaber und -kenner war, ist vielfach belegt. Joachim von Sandrart beschreibt in seiner „Teutschen Akademie“, welche Sorgfalt und Vorsicht beim Transport wertvoller Bilder Rudolf anordnete. Das „Rosenkranzfest“ von Albrecht Dürer, das Rudolf in Venedig hatte erwerben lassen, wurde zuerst in Baumwollwatte, dann in Teppiche und schließlich in Wachsleinwand verpackt und dann von Venedig bis Prag von kräftigen Männern getragen, um dem Bild keinen Schaden durch Erschütterungen beim Transport zuzufügen. Dass seine Kunstkammer jedoch, wie noch Julius von Schlosser behauptete, trotz der dort vorhandenen Kunstwerke derart „bunt und abenteuerlich“ und von keinem methodischen Bewusstsein, sondern nur von der Jagd nach dem Seltenen und schwer Erreichbaren geleitet gewesen wäre, lässt sich nach der Publikation des Inventars von 1607–1611 nicht mehr behaupten. Im Gegenteil, sie hält auch in konzeptioneller Hinsicht jedem Vergleich mit den Kunstkammern in Ambras und München stand. Die Ansprüche, die der Kaiser an die Qualität der Objekte und die Reichhaltigkeit seiner Sammlungen stellte, waren größer als die seiner Zeitgenossen. Vor allem aber war die Kunstsammlung des Kaisers auf der Prager Burg ungleich größer und von bedeutender künstlerischer Qualität. Sie gilt heute in der Kunstgeschichte als das „größte Universalmuseum, das je in einer Hand vereinigt war“ (Bauer). Rudolf, Sohn von Kaiser Maximilian, hatte schon seit seinen Jugendjahren, die er am Hof in Madrid verbracht hatte und die ihn später auf ausgiebigen Reisen in italienische Städte und Herzogshöfe führten, seine Liebe zur Kunst entdeckt und entwickelt. Wiederholte Kontakte mit bedeutenden Künstlern seiner Zeit dienten ihm als Möglichkeit der Beratung und der intellektuellen Bereicherung. Seine Regentenzeit von 1576 bis 1612 bedeutete für die Zeit der Kunstkammern zugleich den Höhepunkt. Für seine Sammlungen, die durch Ankauf auf dem Kunstmarkt oder durch Aufträge an lebende Künstler, aber auch durch Erbschaften und Geschenke ständig wuchsen, hatte Rudolf auf der Prager
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Burg, die er seit den 1580er-Jahren schrittweise zu seiner Residenz ausbaute, zunächst einen Wohntrakt vorgesehen, dann aber angesichts der ständig wachsenden Sammlungen westlich des bestehende Palastes einen neuen Flügel, das sog. Sommerhaus, errichtet. Als diese Räume wiederum zu klein waren, begann man mit dem Bau des sog. Gangbaues, der zwei Obergeschosse für die Sammlungen besaß. Im obersten Geschoss war die Kunstkammer untergebracht. Sie bestand aus drei Räumen, die aufgrund ihrer Architektur das „Erste, Zweite und Dritte Gewölbe“ genannt wurden. Sie zusammen bildeten die „vordere Kunstkammer“; an diese schloss sich durch einen Gang die „Kunstkammer“. Im zweiten Geschoss befand sich über den drei Gewölben ein einziger Raum, der die Gemäldegalerie umfasste. In der Kunstkammer standen an der Wand zwanzig geschlossene oder offene, ein- oder zweiteilige Schränke. An der Fensterwand befanden sich Tische, Truhen und Globen. In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch mit Blumen aus Metall, Spielautomaten, Musikinstrumenten, Uhren, Spiegeln, Globen, Handsteinen und mit einem Kästchen mit Schreibutensilien. Das alles entsprach der Anordnung und Aufbewahrung anderer Kunstkammern, etwa auch der in Ambras. Die Bilder in der Galerie waren in drei Ebenen angeordnet. Auf der anderen Seite des rund ein hundert Meter langen Ganges waren sie nur an die Wände oder Fenster angelehnt. Ähnlich war auch der Spanische Saal mit Bildern dekoriert. Die Zahl der allein in der Kunstkammer untergebrachten Gegenstände muss riesig gewesen sein. Das Inventar aus den Jahren 1607 und 1611 enthält nur etwa die Hälfte aller Stücke, und es umfasste bereits 2814 Posten. Der venezianische Gesandte Soranzo schätzte allein die Zahl der Gemälde auf über 3000, was möglicherweise übertrieben war. Die Gemäldesammlung enthielt Werke berühmter italienischer, niederländischer und deutscher Meister. Dazu gehörten Bilder von Peter Brueghel, Raffael, Leonardo da Vinci, Parmigianino und Correggio sowie Skulpturen von Adrian de Vries und Giambologna. Besonders stark vertreten waren die Arbeiten Albrecht Dürers, für den
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Rudolf seit den intensiven Beratungen, die er durch den Nürnberger Maler Hans Hoffmann erhalten hatte, eine besondere Vorliebe hegte. Am Ende besaß niemand so viele Gemälde und Zeichnungen von Dürer wie Rudolf II. Hoffmann hatte auch bei der Auswahl von DürerBildern ein entscheidendes Wort mitzureden, als dem Kaiser die Sammlung des Nürnberger Patriziers Imhoff von dessen Nachfahren zum Kauf angeboten wurde. Mit der Beratung durch Hoffmann wählte er sich die besten Stücke aus und sonderte vor allem Kopien aus. Aber auch andere deutsche Maler fanden sich in der Sammlung: Lucas Cranach sowie einheimische rudolfinische Künstler. Seine besondere Vorliebe für die Werken von Tizian und Giambologna hatte Rudolf von seinem Onkel Philipp II. geerbt. Der Kontakt bzw. die Förderung zeitgenössischer noch lebender Künstler kam durch seine eigene Italienreise wie durch die Vermittlung des Künstlers Hans von Aachen zustande, der im Auftrag des Kaisers in Italien kräftig einkaufte. Hinzu kam eine große Kollektion graphischer Blätter, zu der wiederum Kupferplatten von Dürer und van Leyden gehörten. Im Vergleich zu anderen Sammlungen war die Kunstkammer Rudolfs weniger Ort für höfische Repräsentation und Zurschaustellung von Reichtum und Macht, sondern Ort der Kontemplation und des Forschens. Es waren Künstler und Forscher, die hier vor allem Zugang fanden, und keine fürstlichen Besucher und Diplomaten. Vielleicht lag darin der Grund für das hartnäckige (Vor-)Urteil, dass der Kaiser sich in seine Kunstkammern eingeschlossen und Politik und Herrschaftspflichten vernachlässigt habe. Doch allein die Pracht und der Reichtum der Sammlung sprachen gegen dieses Urteil, denn deren Funktion als Mittel der Repräsentation und Legitimation war dem Kaiser durchaus bewusst. Warum hätte er sonst Inventare seiner Sammlungen anlegen lassen und bereitwillig Kunstkenner und -schriftsteller darüber berichten lassen. Denn er ging wie andere kunstliebende und sammlungsbesessene Zeitgenossen von der Vorstellung aus, dass die Kontrolle über einen Mikrokosmos in einer Kunstkammer die überzeugendste symbolische Rechtfertigung für den Machtanspruch eines Herrschers über den Makrokosmos darstellte. In diesem Sinne hatte der Kardinal d’Este nach einem Besuch
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in Prag von dem Kunstschatz des Kaisers geschrieben, dass dessen Pracht der Größe seines Besitzers würdig sei. Als wohlhabender, aber nicht reicher Bürger hatte Basilius Amerbach (1533–1591), humanistisch gebildeter Rechtsgelehrter und Syndikus aus Basel, seine Sammeltätigkeit vor allem auf Münzen, Goldschmiedemodell und auf Werke der bildenden Kunst verlegt und damit das Erbe seines Vaters Bonifacius (1495–1562) fortgesetzt. Zu seinen Beständen gehörten Gemälde, vorwiegend Porträts von Hans Holbein, aber auch Zeichnungen von Dürer. Ein Inventar von 1596 verzeichnete 67 Gemälde, 1900 Zeichnungen, 3900 Holzschnitte, über 2000 Münzen und Medaillen sowie eine umfangreiche Bibliothek. Dazu kamen zahlreiche Musikinstrumente und Goldschmiedearbeiten. Seine Sammlung glänzte vor allem durch die konsequente Auswahl der Objekte und die Konzentration der Kunstwerke, die Amerbach sammelte. Den Schwerpunkt bildete seine oberrheinische Umgebung. Seine Sammlung konnte sich allein schon aus finanziellen Gründen weder im Umfang noch in der historischen Dimension mit den systematischen Grundsätzen messen, die in Italien Vasari in seinem „Libro de’ desegni“ für die Auswahl von Gemälden aufgestellt hatte, noch mit den Leitlinien Quicchebergs für eine Universalienkammer. Das strebte Amerbach aber offenbar auch gar nicht an. Er war vor allem Liebhaber der Kunst und verzichtete darum auf größere Bestände aus dem Bereich der Raritäten und Kuriositäten. Ein Kabinettsschrank, den er sich nach dem Umzug seiner Sammlung in das väterliche Haus 1562 anfertigen ließ, barg die Schatzkammer seiner Sammlung, wo er seine Münzsammlung nach chronologischen und ästhetischen Gesichtspunkten geordnet (und verschlossen) und mit Gemmen und Edelsteinen ergänzt hatte. Nur seine Gemälde befanden sich außerhalb des großen Schrankes und seine drei italienischen Bronzestatuetten antiker Götter waren bezeichnenderweise nach außen sichtbar in drei Nischen präsentiert. Allein schon die Anordnung der drei Statuetten Venus mit Spiegel, Merkur und Jupiter ist Programm. Venus mit dem Spiegel war Sinnbild von Vergänglichkeit und Eitelkeit und soll auch den Sammler an die Zeitlichkeit der irdischen Güter erinnern. Zudem steht Venus, hier im Mittel-
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3. Makrokosmos im Mikrokosmos
punkt des Arrangements, auch für die Schönen Künste, die in der Sammlung Amerbach einen großen Stellenwert besitzen. Merkur, der Gott des Handels, verweist auf die Münzen und damit auch auf den Besitzerstolz des Juristen Amerbach. Jupiter als Göttervater steht für die großen Männer, die auf den Münzen verehrt werden und für den Schutz des Rechtswahrers Amerbach. Seine Sammlung folgt den Grundsätzen einer „dispositorischen Vernunft“ (Braungart), ohne dass sie den idealtypischen Ausführungen von Quiccheberg über die Ordnung der Kabinettssammlungen verpflichtet war. Während Amerbachs Sammlungen noch an der Nahtstelle von einer klassischen Kunstkammer zu einer reinen Kunstsammlung anzusiedeln sind, haben andere bürgerliche Sammler nördlich der Alpen zur selben Zeit schon eine konsequentere Konzentration ihrer Sammlertätigkeit auf Kunstwerke ihrer Zeit vorgenommen und auch gute Kontakte mit dem Kunstmarkt in Italien sowie mit herausragenden Künstlern ihrer Zeit aufgenommen. In ihrer Gesamtstruktur war die Sammlung Amerbachs sehr nahe bei dem Praun’schen Kabinett in Nürnberg, nur dass die Vorlieben des bürgerlichen Kunstliebhabers sich bei diesem noch stärker auf die Auswahl der Sammlungsobjekte auswirkten als bei dem Basler Gelehrten. Mit den bürgerlichen Kunstsammlern, die im 16. Jahrhundert noch kaum vertreten waren, dann aber im 18. Jahrhundert einen deutlichen zahlenmäßigen Aufstieg nahmen, aber auch einen Qualitätsgewinn ihrer Sammlungen zeigten, soll sich das folgende Kapitel beschäftigen.
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4. Patrizier und Bürger als Kunstsammler in deutschen Handelsstädten im 17. und 18. Jahrhundert 4. Patrizier und Bürger als Kunstsammler
Auch in den Sammlungen von Nürnberger Patriziern und Kaufleuten fanden sich in Truhen verpackt oder an die Wände gehängt seit dem Ende des 16. Jahrhunderts Korallen, Muscheln, Seesterne, Kokosnüsse, Tierzähne und Geweihe. Daneben noch „indische Sachen“ und andere Naturalien. Das entsprach dem Typus einer Universalsammlung, die Natur, Kunst, Technik und Wissenschaft zu einer Einheit verbinden wollte. Auch zum Praun’schen Kabinett gehörten „antiquitates“, „artificilia“, „naturalia“ und „scientifica“. Was aber die kleine Schar von Künstlern und gebildeten Besuchern im frühen 17. Jahrhundert und später im aufgeklärten 18. Jahrhundert, unter ihnen im November 1797 für einige Tage auch Johann Wolfgang von Goethe, vor allem zum Besuch der Nürnberger Kabinette anlockte, waren die Gemälde und Zeichnungen von Albrecht Dürer und von anderen Malern, italienischen wie deutschen, die den Glanz der Nürnberger Sammlungen ausgemacht hatten und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Sammlungskatalogen publiziert waren. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war die Praun’sche Sammlung allerdings für gut ein Jahrhundert in einen Dornröschenschlaf verfallen, was auch etwas über das öffentliche Interesse an privaten Kunstsammlungen und ihre neue Konjunktur aussagt, die erst wieder im späten 18. Jahrhundert einsetzte. Die Sammlung des Paulus Praun war zu seiner Zeit die bekannteste und bedeutendste „aller nürnbergischen Kunstkammern“. In seinem Haus am Weinmarkt gab es 250 Gemälde italienischer und altdeutscher Meister zu sehen, darunter auch einige Kleinformate, die in schwarzen Rahmen in mehreren Registern über-
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einander die holzvertäfelten Wände bedeckt haben. In den Schränken und Truhen des Hauses waren die anderen Sammlungsteile untergebracht: rund 600 Handzeichnungen, 6000 Kupferstiche, 4000 Münzen, 1200 geschnittene Steine und Edelsteine, ferner 300 Bildwerke aus Marmor, Bronze und Terrakotta. Kostbare Bestände, vor allem Handzeichnungen und Druckgraphik, waren in Klebebänden oder in losen Bündeln zusammengepackt und auch in Truhen untergebracht. Dem Geschmack der Zeit entsprechend standen die Naturalien und Kuriositäten in den ersten Beschreibungen (und Wiederentdeckungen) der 1760er-Jahre erst am Ende des Textes, der aus der Feder des Altdorfer Gelehrten Georg Andreas Will stammte; den sehr viel größeren Raum nahmen die „Kunstsachen“ ein. Zum neuerlichen Ruhm der Praun’schen Sammlungen hatten allerdings weniger Buchpublikationen, sondern erst Faksimiledrucke von ausgewählten Handzeichnungen beigetragen, die Johann Gottlieb und Maria Katharina Prestel seit 1775 herstellten und vertrieben. In der Auswahl, die 1782 in einer zweiten Mappe fortgesetzt wurde, nahmen die italienischen Zeichnungen von Raffael, Michelangelo, Tizian, Correggio und anderen den größten Raum ein, auch wenn sich später herausstellen sollte, dass es sich bei nicht wenigen Werken um solche aus den Werkstätten der Meister oder um Kopien handelte. Mit weniger Kopien und dafür einem sehr viel größeren Anteil an Originalzeichnungen waren die altdeutschen Zeichner wie Dürer, Altdorfer oder Hirschvogel vertreten. Das entsprach dem Geschmack der Zeit und rückte die Praun’sche Sammlung in den Rang einer bedeutenden Zeichnungssammlung. Mit dem Verkaufsinventar von Christoph Gottlieb von Murr, das von einem der Nachfahren von Paulus Praun in Auftrag gegeben war und endlich 1797 erschien, sollte nicht nur der soziale Status des Hauses Praun in einem besseren Licht erscheinen, es war damit auch eine wichtige Voraussetzung für den Verkauf der Sammlung geschaffen. Denn die erschien der Familie mittlerweile als „ ganz todes Capital“, das allenfalls dem „Aeltesten zum Studio und zum Vergnügen benützet“ werde. Bei seinen Zuschreibungen war Murr, wie wir heute wissen, einigermaßen großzügig und schaute nicht genau, ob es sich um ein Werk aus der Werkstatt oder aus dem Umfeld eines Meisters handelt oder gar um eine Kopie. Den-
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noch kamen viele Stücke der Sammlung durch Verkauf im frühen 19. Jahrhundert in fürstliche Sammlungen in München oder Berlin und damit irgendwann in ein öffentliches Museum. Das war ein Weg, den im späten 18. und 19. Jahrhundert viele Sammlungen nehmen sollten, wenn sie bis dahin überhaupt noch Bestand hatten. Der Kaufmann Paulus Praun aus Nürnberg Was macht nun den besonderen Wert der Praun’schen Sammlungen aus? In dem Kaufmann und Sammler Paulus Praun treffen und bündeln sich die unterschiedlichen Entstehungsbedingungen einer frühneuzeitlichen bürgerlichen Kunstsammlung: der Reichtum einer patrizischen Handelsfamilie, der einen dem Adel vergleichbaren Lebensstil erlaubte; die engen Beziehungen zu Italien, dessen Kunst und Sammlungen Vorbildfunktion besaßen; die Kommunikation mit Künstlern, die als Auftragsmaler und Ratgeber zugleich fungierten; schließlich die stimulierende Wirkung des Kunstzentrums Nürnberg, das auch den Charakter der Praun’schen Sammlung prägte. Darum waren auch Nürnberger Kaufmannsfamilien, die teilweise ihre Ausbildung im Ausland genossen hatten oder über ausländische Geschäftsbeziehungen verfügten, mit den neuesten stilistisch-ästhetischen Entwicklungen in Italien oder den Niederlanden vertraut. Das fand seinen Niederschlag in der Architektur und Ausstattung prächtiger Patrizierhäuser, aber auch im Entstehen von Kunstsammlungen. Willibald Imhoff, der Enkel des Humanisten Pirckheimer, Paulus Praun und Martin Peller repräsentierten in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts eine neue Generation von Auftraggebern und Sammlern: voller Selbstbewusstsein und mit eigenen Kunstsammlungen, die es mit denen von vielen Fürsten aufnehmen konnten. Bürgerstolz und künstlerische Innovation waren im Nürnberg des 16. Jahrhunderts eine einzigartige Verbindung eingegangen und hatten die Kultur der Freien Reichsstadt geprägt. Patrizier und Kaufmannsfamilien verliehen ihrem gesteigerten sozialen Selbstverständnis Ausdruck, indem sie das taten, was bislang Vorrecht von Kirche, König und Adel war. Sie wurden zu Förderern und Sammlern von Kunst. Sie legten allmählich auch in ihren Häusern Kunstsammlungen
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Johann Gregor van der Schardt: Bildnismedaillon des Paulus Praun, 1580. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. In den oberdeutschen Handelsstädten eiferten Kaufmannsfamilien, wie die von Paulus Praun (1548–1616) aus Nürnberg, den Fürstensammlungen nach und nutzten ihre Geschäftsbeziehungen zum Erwerb von Kunstwerken italienischer Renaissancemeister, aber auch deutscher Maler.
an, nachdem sie zuvor in vorreformatorischer Zeit vorwiegend Aufträge für religiöse Kunst vergeben hatten und in der Ausgestaltung der Kirchen und ihrer Hauskapellen wetteiferten. Sie hatten teilweise aber auch schon weltliche Kunst für den privaten Wohnbereich gekauft. Die Einführung der Reformation 1525 brachte einen drastischen Rückgang an Aufträgen für religiöse Kunst. Die Rezeption von neuen ästhetischen Formen und Konzepten, die mit Dürer und Vischer ihren Anfang genommen hatte, setzte auf breiter Front ein.
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Zierde der Sammlung Imhoffs, dessen Familie im engen Kontakt mit der Dürers stand, waren neben „Antiquitäten“, d. h. Münzen, Medaillen und Marmorarbeiten, vor allem Gemälde und Zeichnungen, die in großer Mehrzahl von Albrecht Dürer stammten. Es waren wenigstens zehn Gemälde und zahlreiche Aquarelle, die Imhoff in seinen Kunstverzeichnissen als Werke Dürers beschrieb, nicht ohne den zufriedenen Hinweis, dass die Kreuzigung von Dürer, die er für 80 Gulden erworben habe, mittlerweile 120 Gulden wert sei. Im Vordergrund seiner Ankaufentscheidungen stand das Interesse am Objekt. Dass er seine Sammlung freilich auch als Wertfaktor verstanden hat, beweist seine Bemerkung, er habe seine Investitionen bei den Sammelobjekten gesteigert, um „etwas statlichs daran zu gewynnen“. Doch es überwogen der Stolz des Sammlers und ein neues Selbstbewusstsein. Sie sind unüberhörbar, wenn Imhoff in seinen Verzeichnissen auch Rechenschaft gegenüber den Nahkommen ablegt. „Im namen gottes des herren wirdt in diß puech von mir, Williboldtenn Im Hoff dem eltern aufgezeichnet und peschrieben, was ich fur antiquitet, auch ander kunst und gemel hab, auch wie ich solche wirdig und schecz. Dann was mich solche kosten, hab ich am pesten erfaren; solche auch darumb peschrieben und taxiert, damit nit eyner, so kein rechten verstand darauf hot, die guten stuck in niderem gelt und die geringsten in hochem gelt schez oder wirdig.“ Wie berühmt und begehrt die Nürnberger Privatsammlungen, besonders die von Imhoff, waren, zeigen die Besuche von geistlichen und weltlichen Fürsten sowie die Berichte von Kunstagenten und -händlern im Dienste der Fürsten, die ihren Auftraggebern berichteten, was bei Nürnberger Sammlern alles zu finden sei. Imhoff hatte in seinem Testament von 1580 festgelegt, dass seine Sammlung weder verkauft noch unter Erben aufgeteilt werden dürfte, sondern für ewig in seinem Haus am Egidienplatz zusammenbleiben sollte. Imhoffs Witwe konnte diese Verfügung für einige Jahre einhalten, bis Kaiser Rudolf II. und andere sie zwangen, wichtige Stücke der Sammlung zu verkaufen. Nicht viel anders erging es der größten Nürnberger Kunstsammlung bürgerlichen Ursprungs, der von Paulus II. Praun (1548–1616). Der stammte aus einer vermögenden Nürnberger Kaufmannsfamilie,
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die schon seit zwei Generationen enge Handelskontakte nach Italien besessen hatte. Paulus Praun arbeitete seit seiner Ausbildung zum Kaufmann in der Bologneser Niederlassung. Aus dieser Zeit stammten die kostspieligen Kunstinteressen des Sohnes, die Stefan II. Praun jedoch unterstützt hatte. Nach dem Tod des Vaters hatte Paulus seinen Wohnsitz wieder in Nürnberg genommen, um gegen Ende des Jahrhunderts wieder nach Italien zu gehen; vermutlich auch um seinen Bruder Hans zu unterstützen, der von der heiligen Inquisition verfolgt wurde. Nach dem überraschenden Tod von Paulus 1616 in Bologna veranlasste sein Bruder Jakob die Überführung seiner Kunstsammlung nach Nürnberg, wo aus Mangel an Zeit und Raum nur ein Teil davon ausgepackt und im zweiten Stock Praun’schen Vorderhauses am Weinmarkt aufgestellt wurde. Im Unterschied zu der Sammlung Imhoff, die zahlreiche Werte Dürers umfasst hatte, blieb die Praun’sche Sammlung, die nur wenige Werke von Dürer besaß, darum bis zum Ende des 18. Jahrhunderts mehr oder weniger im Verborgenen und war nur wenigen zugänglich. In Nürnberg wie in Bologna hatte Paulus stets in engem Austausch mit Künstlern gestanden; ihren Rat geholt, Werke aus ihren Werkstätten gekauft oder durch ihre Vermittlung erworben. Große Teile seiner Bestände an deutschen Meistern hatte er mithilfe seiner Ratgeber Jost Amann und Wenzel bzw. Christoph Jamnitzer oder Hans Hoffmann aus Nürnberg zusammengetragen. Der Schwerpunkt seiner Sammlungen stammte jedoch aus Begegnungen mit italienischen Künstlern, vor allem aus der Emilia und aus Bologna. Auch für Praun stellten die Werke Dürers und seiner Zeitgenossen den Mittelpunkt seiner Sammlung deutscher Meister dar; daneben besaß er jedoch sehr viel mehr Zeichnungen von Michelangelo, Leonardo, Raffael, Mantegna, Tizian und von Caravaggio. Prauns Sammlung folgte stärker als andere Nürnberger Sammlungen dem Geschmack der Zeit und spiegelte vor allem sein Kunstverständnis. Er besaß Gemälde beinahe aller Malerschulen aus Italien. In seiner Sammlung dominierten eindeutig mythologische und historische Motive. Auch in ihrem Umfang und in ihrer Vielfalt folgte sie dem Vorbild fürstlicher Sammlungen. Dazu gehörten, wenn auch in
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deutlich geringerem Umfang, darum auch Raritäten und Kuriositäten, die zu den Bestandteilen von Kunst- und Wunderkammern und zum unverzichtbaren Nachweis von Wissbegierde und Rationalität, aber auch von Kunstsinn und Wunderglauben zählten. Auch kostbare Stücke, die zu einer solchen Sammlung gehörten, wie etwa Hartsteinschnitte, die Rudolf II. ihm als Tauschobjekt angeboten hatte, konnten ihn nicht sonderlich interessieren. Dass die Sammlung vor allem dank ihrer Gemälde und Zeichnungen das Interesse und die Begehrlichkeiten der Mächtigen weckte, zeigte die Anfrage des Kaisers Rudolf II., der zu gerne aus Prauns Kabinett einige italienische Meister erworben hätte und dafür dem Nürnberg Patrizier einige schöne Steine überlassen wollte. Praun konnte seine Bilder vorerst nur dadurch vor dem kaiserlichen Zugriff bewahren, dass er sie als unbedeutend und als eines Kaisers nicht würdig abqualifizierte. Er sei bei dem Erwerb eher seiner „lust“ und „schlechten guettdunckhen“ gefolgt und weniger der Orientierung an den Namen großer Meister. In der Tat, Paulus Praun war vor allem ein Kunstliebhaber, der, wie er an anderer Stelle bekannte, in seiner Sammlung die Zeit pflegte, „do ansonsten recreation gesucht wirdt“. Everhard Jabach. Ein Kölner Kaufmann in Paris und seine Kunstsammlungen Auch eine andere bedeutende bürgerliche Kunstsammlung eines deutschen Kaufmanns, der sein Glück einige Jahrzehnte nach Praun im Ausland, in diesem Falle in Frankreich, gemacht hatte, geriet noch während der Lebzeiten des Sammlers in die Fänge eines Königs, nämlich von Ludwig XIV.: die von Everhard IV. Jabach (1618–1695). Jabach entstammte einer Kölner Pelzhändler- und Kürschnerfamilie und hatte als Kaufmann und Bankier in Paris, wo er sich 1638 ansiedelte, vor allem als Unternehmer und Heereslieferant ein großes Vermögen gemacht. Das war auch möglich dank seiner guten Kontakte zu dem Finanzminister Colbert und zu Kardinal Mazarin, dem prominentesten französischen Kunstsammler seiner Zeit. Durch geschickte und kenntnisreiche Einkäufe und Übernahmen hatte Jabach eine Kunstsamm-
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lung zusammengetragen, deren Glanzstücke Werke von van Dyck, Tizian, Correggio, Bronzino und Veronese, auch Aquarelle und Gouachen von Lucas Cranach, Hans Holbein und Peter Paul Rubens bildeten. Dass er Kenntnisse und Geschmack besaß, hatte Jabach schon als 18-jähriger Jüngling bewiesen. Er hatte sich dafür eingesetzt, dass ein Altarbild, das sein Vater – ebenfalls ein Sammler – für die Kirche seines Kölner Sprengels in Auftrag geben wollte, von keinem Geringeren als von Peter Paul Rubens ausgeführt werden sollte. Auch das Familienporträt, das Charles Le Brun 1660 angefertigt hatte, zeigte Jabach nicht nur als stolzes Familienoberhaupt, sondern wies ihn als Sammler aus. Es blieb folglich auch im Familienbesitz, als der Kaufmann und Sammler in eine finanzielle Notlage geriet, und landete nicht im Louvre – dafür auf vielen Umwegen heute im New Yorker Metropolitan Museum. Denn im Jahre 1662 musste sich Jabach von dem größten Teil seiner Gemäldesammlung trennen, die er für 330 000 Livres an Ludwig XIV. verkaufen musste. Der nahm sie in sein „Cabinet du roi“ auf und übertrug sie dem Louvre. Unter den verkauften Werken befanden sich 5427 Blätter mit Zeichnungen von Michelangelo, Raffael und anderen Meistern der italienischen Renaissance sowie Werke von Dürer und Hans Holbein. 1671 musste sich Jabach wieder von insgesamt 101 Gemälden und mehr als 5500 graphischen Blättern trennen, wofür er mit 221 338 Livres eine Kaufsumme erhielt, die ihn fürs Erste sanierte, aber bald wieder rückfällig werden ließ. Denn man sagte von Jabach, dass seine ins Maßlose gesteigerte Leidenschaft für die Kunst ihn immer wieder – trotz aller ökonomischen Erfolge – in finanzielle Bedrängnis brachte. Doch er gab nicht auf: bald besaß er wieder 672 Gemälde, 4105 Zeichnungen und 303 Kupferplatten. Im Jahre 1691 zählte Jabach wieder zu den „großen Bankiers“. In seinem Nachlass 1695/96 befanden sich noch immer zahlreiche Werke, deren Auflistung ganze Inventarverzeichnisse füllte. Niederländische Kunstsammlungen Die zahlreichen Krisen und Konflikte des 17. Jahrhunderts sind an den deutschen bürgerlichen Sammlungen nicht spurlos vorübergegangen.
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Darauf deuten die Nachrichten von Auflösung und Verkauf einiger Sammlungen. Ganz anders in den Niederlanden, in dessen goldenem Zeitalter, dem 17. Jahrhundert, Malerei und Kunstmarkt einen großen Aufschwung nahmen und Entwicklungen antizipierten, die uns in deutschen Städten erst im 18. Jahrhundert begegnen werden. Neben berühmten, durch Beschreibungen und Auktionslisten publizierten Sammlungen gab es in den niederländischen Städten eine breite Schicht von Sammlern, deren Sammlungen weniger öffentliche Aufmerksamkeit fanden und sich nur durch Nachlassinventare aus Notariatsarchiven erschließen lassen. Dabei überrascht die große Zahl von Bildern. Bis zu 50 000 Bilder sollen nach Schätzungen in der Mitte des 17. Jahrhunderts allein in Delft gehangen haben; in den 1124 ausgewerteten Delfter Inventaren der Jahre 1610 bis 1679 werden 18 969 Bilder aufgeführt; freilich wissen wir, wie bei allen Testamenten und Inventaren, in der Regel nicht, was sich hinter der bloßen Nennung etwa eines Bildes „mit Landschaft“ verbarg. Jedoch ist bei den Bildmotiven ein deutlicher Rückgang biblischer Themen und eine unaufhörliche Zunahme von Landschaften festzustellen, bei den wohlhabenderen Sammlern früher als in den kleinen Sammlungen. Bei den Reformierten unter den Sammlern überwogen die Landschaften und Stillleben, bei den Katholiken noch die biblischen Themen. Bürgerliche Kunstsammlungen im 18. Jahrhundert In Deutschland erlebte das Sammeln im 18. Jahrhundert, besonders in dessen zweiter Hälfte, eine signifikante soziale und quantitative Ausweitung. In den großen Handelsstädten des Reiches von Köln, Frankfurt/Main, Danzig, Leipzig bis Hamburg, aber auch in einigen Residenzstädten entstanden bürgerliche Sammlungen und Kunstkabinette. Für Frankfurt lassen sich auf der Grundlage von literarischen Zeugnissen und Auktionskatalogen im 18. Jahrhundert etwa hundert Gemäldekabinette nachweisen, deren Entwicklung allerdings wenig Kontinuität und Konstanz zeigte. Gab es um 1780 noch rund achtzig Kabinette, so war deren Zahl innerhalb von zehn Jahren um mehr als die Hälfte auf 29 zurückgegangen. Aus Reiseberichten und andern literarischen Quel-
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len wissen wir, dass es in Hamburg, Köln und offenbar in geringerem Umfang auch in Leipzig eine große, wenn auch nicht genau bestimmbare Zahl von Sammlungen und „Lustcabinetten“ gegeben hat. Bessere Auskünfte geben die wenigen Nachlassinventare, die vorhanden sind bzw. bisher ausgewertet wurden, sowie Auktionskataloge. Aus Köln sind siebzehn Inventare vorhanden, wobei dort die uns bekannten Sammlungen im Durchschnitt etwa sechshundert Bilder besaßen. Die größte Sammlung, die des Hofkammerrates Damian von Altstätten, umfasste laut Auktionskatalog 2250 Bilder. Die bekannteste Leipziger Sammlung, die des Kaufmannes Gottfried Winckler, bestand bei seinem Tod 1795 aus 1300 Gemälden, 2469 Handzeichnungen und angeblich 80 000 Blatt Kupferstiche. Hinzu kamen eine Bibliothek von 6842 Bänden und eine stattliche Gemmensammlung, für die das kaiserliche Kunstkabinett in Wien 1809 1200 Reichstaler geboten hat. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts hatte sich auch im Reich allmählich ein Markt für die unterschiedlichsten Kunstwerke, Altertümer und Raritäten gebildet. Neben dem freien Verkauf von Sammler zu Sammler und dem Verkauf durch Agenten und Zwischenhändler gab es öffentliche Auktionen und Messen. Über die großen Auktionen im 18. Jahrhundert waren die Zeitungen voll, und seit dem 17. Jahrhundert gab es gedruckte Auktionskataloge, die bald zu einem begehrten Informations- und Prestigegegenstand wurden. Sie setzten die Existenz oder die Entstehung eines großen, überlokalen Publikums voraus und förderten dessen Anwachsen. Vor allem verlangten die Auktionen und die dazugehörigen Kataloge eine sprachlich-begriffliche Übereinkunft und Klassifizierung. Denn die Sammlungsgegenstände mussten einigermaßen präzise benannt werden. Eine der Wurzeln des Frankfurter Sammelwesens waren die Messen und der damit verbundene Kunsthandel. Der war in Hamburg sogar noch bedeutender als die Kunstsammlungen der Stadt, wo man sich noch Zurückhaltung auferlegte. Umgekehrt waren die Leipziger Messen für den Kunsthandel und das Sammeln offenbar weniger förderlich, weil man hier vor allem Bücher verkaufte und verlegte. In Frankfurt versuchten schon sehr früh vor allem niederländische Künstler zur Messezeit ihre Produkte zu verkaufen. Die
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großen Versteigerungen fanden in der Regel während der Messezeiten statt. Neben Messen spielten Kunstagenten und -händler eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung von Sammlungsgegenständen und bei der Verbreitung von Informationen über Sammlungen. Es handelte sich bei den Kunsthändlern meistens um Kaufleute, die in Diensten von Fürsten und später im Kontakt mit privaten Sammlern sich durch ihre Vermittlerrolle zwischen Auftraggeber und Künstler bzw. Sammler eine zusätzliche, mitunter einträgliche ökonomische Basis und vor allem zusätzliches soziales Prestige verschafften. Georg Forstenheuser (1584–1659) aus Nürnberg, ein früher Vertreter des Kunsthändlers, war Korrespondent, Bücherrat und Kunstagent für eine Reihe deutscher Fürsten. Er war von Hause aus Kaufmann wie Philipp Hainhofer (1578–1659), der einer protestantischen Kaufmannsfamilie aus Augsburg entstammte. Er hatte auf Reisen nach Italien dortige Kunstsammlungen und Künstler kennengelernt und sich seit seiner Niederlassung in Augsburg nicht nur den üblichen Handelsgeschäften zugewandt, sondern den auch sehr viel prestigeträchtigeren Kunsthandel betrieben, der ihn als Kunstagenten in Verbindung mit verschiedenen Fürsten brachte. Er hatte als Kunstberater und Vermittler gedient und sich dabei auch eine eigene Sammlung aufgebaut. Für das 18. Jahrhundert ist neben vielen anderen vor allem der deutsche Handwerker und Kupferstecher Georg Wille in Paris zu nennen, der dort Anlaufstation für unzählige deutsche Parisreisende aus Adel und Bürgertum war und auch für den Leipziger Sammler Gottfried Winckler tätig war. Winckler hatte ihn in Paris kennengelernt und ihn dann um weitere Vermittlungen gebeten: „Ich melde ihm, dass ich fortfahre, nach seinen Verlangen Zeichnungen vor ihn einzukaufen.“ Auch Künstler betätigten sich bis ins 19. Jahrhundert als Kunsthändler und -berater: Jamnitzer etwa in Nürnberg, vor allem aber gebildete und weltläufige Künstler und Schriftsteller wie Sandrart oder Vasari. Ihre Existenz verdeutlicht zugleich eine kulturelle Veränderung: nicht nur die Motive für den Erwerb von Kunst hatten sich verändert, sondern auch die Erwartungen gegenüber dem Künstler/ Handwerker. Sie waren nun Schöpfer von Gegenständen, die nicht
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mehr vorrangig der Religion dienten, sondern der Selbstdarstellung und dem ästhetischen Vergnügen. Die Kunstwerke blieben Semiophoren, doch sie wurden nun Bedeutungsträger für ästhetische Werte und wurden von Anfang an für diesen Zweck hergestellt. Das Kunstwerk war ein Objekt, das dem ökonomischen Tauschverkehr entzogen wurde und das, wie es in einer württembergischen Quelle des 17. Jahrhunderts heißt, „nicht eben notwendig in societate humana“ ist. Sein Besitz erhielt einen besonderen Wert und blieb einer elitären Käuferschicht vorbehalten, die sich zunehmend der gebildeten Agenten als Vermittler bediente. Zu diesem Wandel gehörte es, dass auch in deutschen Städten private Kunstsammlungen im 18. Jahrhundert mittlerweile zu den Sehenswürdigkeiten einer Stadt gehörten. Sie wurden Thema einer umfangreichen Reiseliteratur und Gegenstand des öffentlichen Interesses. Dem entsprachen regelmäßige Öffnungszeiten sowie die Beschäftigung von Kustoden und die Publikation von Bestandskatalogen. Franz Wilhelm Kreuchauf fertigte für die Sammlung Gottfried Wincklers in Leipzig 1779 einen Katalog an, der auch ganz pragmatisch organisatorische Hinweise für den Besuch der Sammlung gab: „Das Wincklerische Malerkabinett besitzt der Kaufmann Gottfried Winckler und hat es in seinem hauss, auf der Katharinensztraße, hinter dry Treppen hoch. Es wird jeden Mittwoch von 2–4 Uhr, nur in der Messe nicht, geöffnet. In dem kleinen Zimmer, sobald man zur Türe hineinkommt, legt man Hut, Stock, Degen etc. ab. Hier hängen auch einige Gemälde, und in den Schränken sind Kupferstiche. Das eigentliche Cabinet besteht aus vier, parallel an einander fortlaufenden, kleinen Zimmern, an deren Wänden und Thüren die Gemälde hingen, alle in schönen schwarzen, vergoldeten Rahmen.“ Aus dem Fremdenbuch der Richter’schen Sammlung in Leipzig wissen wir etwas über den Besucherkreis. Es war eine erlauchte Gesellschaft, die sich dort immer wieder einfand: Mitglieder des sächsischen Hofes und Fürsten, die Leipzig besuchten, ferner künstlerische und literarische Größen, darunter auch immer wieder Goethe, Angehöriger des Adels und der oberen Schichten des Bürgertums; die Gebildeten also, dazu Künstler und Wissenschaftler. Mithin ein Milieu,
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Die Wiegand’schen Aquarell-Kopien von Gottfried Wincklers Sammlung. Im 18. Jahrhundert entstanden vorwiegend in Messestädten bedeutende bürgerliche Kunstsammlungen und wurden zum Mittelpunkt gelehrter Kunstbetrachtung. Zu den Besuchern der Sammlung des Juristen Gottfried Winckler (1731–1795), die öffentlich zugänglich war, gehörte Johann Wolfgang von Goethe, der die Kennerschaft der Sammler und Kunstfreunde pries, die sich in Wincklers Sammlung trafen.
in dem sich Schnittlinien der ständischen Gesellschaft mit der entstehenden bürgerlichen treffen; ein anfangs relativ geschlossenes Milieu, das sich im Laufe des 18. Jahrhunderts allmählich um Angehörige von Mittelschichten erweiterte. Wissenschaftler, Künstler und Gelehrte erhielten nun auch Zugang zu den Semiophoren, die sie für
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ihre beruflichen Aktivitäten benötigten. Sie nahmen dadurch aber zugleich auch teil an dem aufgeklärten Diskurs der gebildeten Eliten. Deren Mitglieder besuchten sich gegenseitig und standen durch Reisen und Korrespondenzen untereinander in Kontakt. Zugleich wurden die Kabinette und Galerien Mittelpunkt erster aufgeklärter Sozietäten und damit neuer Gesellungsformen. So trafen sich in Leipzig Kunstfreunde zu wechselseitigem Gedankenaustausch in künstlerischen Fragen und gründeten 1763 eine „Sozietät von Gelehrten, schönen Geistern, Künstlern und Kunstförderern.“ Es waren in ihrer Mehrheit Kaufleute, wie auch Kreuchauf, der geistiger Mittelpunkt war und selbst schrieb, dass diese Kunstfreunde aus der Kaufmannschaft „die Vorteile ihrer Handelsschaft auf die Wissenschaften verwendeten und ihre Glücksgüter mit den schönen Künsten teilten“. Das offenkundige Wachstum an Zahl und Größe der Sammlungen erfuhr eine zusätzliche Steigerung durch neue Reproduktionstechniken, die die Graphik zum Schwerpunkt vieler Sammlungen machten. Dadurch konnten sich auch diejenigen eine eigene Sammlung leisten, für die Gemälde oder gar Antiken unerschwinglich waren. Erfindung und fortlaufende technische Verbesserung des Druckes relativierten die traditionelle Exklusivität des Unikats und gingen einher mit dem wachsenden Selbstbewusstsein aufstrebender Gruppen. Sammeln war nicht länger Vorrecht des Adels und der obersten Ränge des Stadtbürgertums. Die soziale Herkunft der Sammler verbreitete sich und variierte mit der jeweiligen Sozialstruktur der Städte. Überwogen in den Residenzstädten unter den Sammlern Beamte, Geistliche und Offiziere, so dominierten in den Handelsstädten wie Frankfurt, Hamburg und Leipzig Kaufmannsfamilien, gebildete Schichten des Bürgertums und auch Manufakturbesitzer. Zwei Drittel der Verzeichnisse von Bildbesitz aus Köln geben einen Handelsherren oder Manufakturbesitzer und gut situierte Handwerksmeister als Eigentümer an. Inventare aus Münster erwähnen ausschließlich Geistliche und bildungsbürgerliche Funktionseliten. Vor allem lassen die von Rudolf Schlögl ausgewerteten Inventare die Vermögensschwelle für den demonstrativen Luxus des Sammelns erkennen: das Durchschnittsvermögen der Köl-
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ner Sammler lag bei 17 154 Reichstalern, das war das Siebenfache des über alle Inventare zu errechnenden Durchschnittsvermögens. Auch wenn so mancher Handelsherr in Bezug auf das Vermögen längst mit einigen Duodezfürsten gleichgezogen hatte und seine Sammlung an die eines adligen Herren nach Umfang und Bedeutung heranreichte, blieben für viele bürgerliche Sammler die Kunstkammern und Kabinette der Fürsten Bezugspunkte des Sammelns. Viele bürgerliche Sammlungen glichen den überkommenen Kunst- und Wunderkammern. Das bezeugen die zeitgenössischen Handbücher, die so wenig wie im 17. Jahrhundert eine klare Trennung zwischen „Naturalien- und Artificialienkammern“ ziehen. Nicht nur Wincklers Sammlung in Leipzig, sondern auch Frankfurter Sammlungen zeigen, was die Objekte der Sammlungen anbetrifft, noch Reste des alten Typus der Universalsammlung, der freilich im Lauf des Jahrhunderts im Rückgang begriffen war. Deutlich erkennbar war das in der Sammlung des Konditormeisters Prehn, der sich neben seinen kleinen Gemälden noch eine Naturaliensammlung zulegte. Prehn verkörperte den seltenen Repräsentanten eines Mittelschichtensammlers, der nicht aus dem Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum stammte und offensichtlich in seiner Geschmacksausrichtung noch sehr viel konventioneller verhielt als andere Sammler. Vor allem konnte er sich aus finanziellen wie aus räumlichen Gründen nur kleine Objekte leisten, und er musste sich auch im Bereich der Naturalien, wenn er keine „Originalien“ besaß oder kaufen konnte, mit der altbekannten Ersatzlösung zufriedengeben, sich doch wenigstens ein Gemälde zu beschaffen, das das begehrte Objekt zeigte. So besaß er im Bild zwei Gronländer, eine damals besonders bewunderte „raue Art der Menschen“, die man in der Königlichen Naturalienkammer in Kopenhagen beispielsweise nach den Originalen bewundern konnte. Vor allem sammelte Prehn weiterhin nach Quantität und nicht nach Qualität, obwohl auch er sich durch Auktionskataloge über den Kunstmarkt informierte. Der Typus der reinen Gemäldesammlung war jedoch auf dem Vormarsch. Zu einem beliebten Sammlungsgebiet wurden überall Handzeichnungen alter und zeitgenössischer Meister.
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Welche Geschmacksausrichtung bestimmte nun den Aufbau der Sammlungen? Was war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts modern? Stark vereinfacht lässt sich ein deutlicher Trend zu Landschaftsbildern und Stillleben vor allem aus der niederländischen Malerei feststellen, die die biblischen Themen und die Historienmalerei bzw. Mythologie als Bildthema ablösten. Doch gibt es bezogen auf die soziale Zugehörigkeit und den Zeitpunkt der Einrichtung bzw. der Information deutliche Unterschiede. Am Ende des Jahrhunderts nahm die Zahl der Bilder mit Natur- und Landschaftsmotiven insgesamt deutlich zu und auch eine Wendung zu klassizistischen Bildmotiven ist erkennbar. Sehr viel genauere Vorstellungen von dem, was sie gerne sammeln und erwerben möchte, hatte Karoline Luise von Baden bereits um 1760 entwickelt und ihre „Wunschliste“ zeigt eine deutliche Kennerschaft und künstlerisch-ästhetische Differenzierung je nach Sujet, für das sie ihre jeweils bevorzugten Maler nannte. Die kamen allerdings vorwiegend aus den Niederlanden und spiegeln damit auch die „Holländermode“, die später auch die lokalen Sammlungen bestimmte. Karoline Luise war mit ihrer Auswahl vermutlich der Mehrzahl der Sammler voraus, wenn sie neben deutschen Malern wie Mignon, Moss und Rottenhammer vor allem Rubens, van Dyck und Rembrandt nannte. Dahinter wünschte sie sich für das ländlich-bäuerliche Bildgenre Werke von Brouwer, Ostade und Teniers, für Landschaften Bril, van der Neer, Berchem und Saftleven; für Stillleben Jan van Huysum, de Heem und Rachel Ruysh; für Genremalerei ter Borch, Metsu, Frans und Willem Mieris und van der Werff. Sie hatte offenbar viele davon tatsächlich erwerben können. Bereits aus der genauen Liste, die sie aufstellte, lässt sich erkennen, was sie dann selbst bestätigte, dass sie nämlich ihre Bilder als „Mittel der Belehrung“ betrachtete. Durch Betrachtung und durch Kopieren wollte sie Qualität und Eigenart der Kunst entdecken. Auch andere Sammler versuchten ihre Kennerschaft durch eigene Zeichnungen und Radierungen zu üben und unter Beweis zu stellen. Auch in der Leipziger Sammlung von Gottfried Winckler gab es mit Franz Wilhelm Kreuchauf einen Kustoden, der einen Bestandskatalog anfertigte und
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nach dem Urteil von Johann Wolfgang von Goethe „ein Liebhaber mit geübtem Blick [war], der als Freund der ganzen Kunstsozietät, alle Sammlungen für die seinigen ansehen konnte“. Damit ist angedeutet, wie sich das aufgeklärte Ideal der Kennerschaft allmählich entwickelte und wie es vermittelt wurde. Man studierte Auktionskataloge, informierte sich bei Kunsthändlern und beobachtete Kunstauktionen, die in Handelsstädten wie Hamburg, die ein vergleichsweise liberales Handelsregiment besaßen, häufiger stattfanden, insgesamt dreißigmal in der ersten Jahrhunderthälfte und dann immer wieder, wenn der Verkauf einer Sammlung anstand. In Städten wie Leipzig, die ein strenges Reglement besaßen und Auktionen nur im Erbfall zuließen, gab es hingegen weniger Auktionen, etwa siebenundzwanzig im ganzen Jahrhundert, bei denen vorwiegend Gemälde auktioniert wurden. Neben den Händlern und den Auktionskatalogen, die ihre Objekte relativ genau beschrieben, gab es als wichtige Vermittler von Kunstkenntnissen und Anregern für die Geschmacksbildung seit jeher Künstler, vor allem Maler, die nicht nur Fürsten berieten und beim Kauf unterstützten, sondern auch für das bürgerliche Sammlerpublikum zur Verfügung standen. Auch organisierten nicht wenige Maler die Auktionen und vermittelten Geschmackstrends durch den Verkauf von Gemälden und Kopien geschätzter Meister. Schließlich dienten ihre eigenen Sammlungen, die es in Umfang und Qualität bzw. Innovation mit bürgerlichen Sammlungen aufnehmen konnten, als Musterbuch für das, was geschmacklich als erstrebens- und nachahmenswert galt. Denn nicht wenige Künstler hatten eine Weile in den jeweiligen Kunstzentren zugebracht: im 16. Jahrhundert in Italien, im 17./18. Jahrhundert vor allem in den Niederlanden. Darum konnten sie die Sammler beraten und Verkaufskontakte herstellen. In einigen Städten kennen wir die Auftraggeber, die Künstler mit dem Erwerb von Bildern beauftragten. Ein solcher Auftraggeber und Sammler in Frankfurt war Johann Caspar Goethe, Johann Wolfgang von Goethes Vater. Er vermerkte die Bildankäufe, die Frankfurter Maler, die die Niederlande besuchten oder bei Auktionen tätig waren, in seinem Auftrag tätigten, sorgfältig in seinem „Liber domesticus“. Zwischen 1758 und 1763 hatte er siebzehn Gemälde
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4. Patrizier und Bürger als Kunstsammler
von Seekatz, zwischen 1759 und 1763 fünf Gemälde von Trautmann, zwischen 1753 und 1764 sechs Gemälde von Juncker und zwischen 1756 und 1768 vier von Schütz erworben. Von den genannten Künstlern, allesamt sogenannte Hollandisten, kamen vorzugsweise Landschaftsbilder im niederländischen Stil oder Stillleben und Genreszenen. Ähnlich verliefen Information, Vermittlung und Erwerb von Kunstwerken in Hamburg und in anderen deutschen Städten; entweder stammten die Gemälde von niederländischen Künstlern oder von einheimischen Künstlern, die im niederländischen Stil malten. Dass sich im Laufe der Zeit auch bei bürgerlichen Schichten eine gewisse Kennerschaft entwickelte, zeigen nicht zuletzt die Auktionskataloge und Inventarverzeichnisse. Sie beschreiben im Unterschied zu früheren Jahrzehnten am Ende des Jahrhunderts die einzelnen Objekte nicht nur mit dem Namen des Künstlers und dem Sujet des Bildes, sondern geben eine Bildbeschreibung mitsamt dem Kolorit des Bildes sowie dem Pinselstrich, und sie bemühen sich auch um den Vergleich mit anderen (Landschafts-)Bildern von anderen Künstlern und Schulen; oft auch um die Einordnung des beschriebenen Gemäldes in das übrige künstlerische Werk des Malers bzw. in die weitere Kunstgeschichte. Der Kunsthändler Christian Benjamin Rauschner bot 1765 dem Karlsruher Hof mehrere Gemälde an, die er aus den Niederlanden importiert hatte. Die Beschreibung eines Stilllebens von Jan Weenix schloss er mit der rhetorischen Frage an „jeden Kenner, ob von diesem Fleiß, Natur und alles vom Geist des Menschen, seiner Hand und Pinzel dependiret, noch ein dergleichen Gemählde zu finden seye. Hamilton will viel sagen, aber diesem Weninx darf er nicht zu nahe hangen, sonsten übergehet ihn das Auge eines Kenners.“ Das Ziel der Kennerschaft wurde oft in wechselseitigem Gedankenaustausch unter Kunstfreunden gepflegt. Die gemeinsame Betrachtung einer Sammlung war, wie wiederum Goethe am Beispiel der Sammlung Winckler in Leipzig beschreibt, Ausgangspunkt für eine Betrachtung von Zuschreibung und Qualität eines Bildes. Die Sammlung wurde zum Bezugspunkt für die Kommunikation über das Schöne: „Winckler, der die einsichtsvolle Freude, die er an seinen Schätzen hegte, sehr gern mit andern teilte; mancher andere, der sich anschloss.
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Alle lebten und wirkten nur in dem einen Sinne, und ich wüßte mich nicht zu erinnern, so oft ich auch, wenn sie Kunstwerke durchsahen, beiwohnen durfte, daß jemals ein Zwiespalt entstanden wäre: immer kam billigerweise die Schule in Betracht, aus welcher der Künstler hervorgegangen, die Zeit, in der er gelebt, das besonderer Talent, das ihm die Natur verliehen, und der Grad, auf welchem er es in der Ausführung gebracht hat. Da waren keine Vorliebe weder für geistliche noch weltliche Gegenstände, für ländliche oder städtische, lebendige oder leblose; die Frage war immer nach dem Kunstgemäßen.“ Das Ideal des vorurteilsfreien ästhetischen Diskurses unter Kunstfreunden, das Goethe hier propagierte und das er in der Leipziger „Sozietät von Gelehrten, schönen Geistern, Künstlern und Kunstförderern“ auch verwirklicht sah, stand sicherlich nicht selten im Widerspruch zur Realität auch von Kunstfreunden und ihrer Kommunikation. Auf jeden Fall beschreibt die aufgeklärte Utopie eine Funktion von Kunstsammlungen, die in Ansätzen auch schon unter den Gelehrten der Renaissance galt: die Sammlung als Ort der Kommunikation. Allerdings zeigte bereits die Untersuchung von Nachlassinventaren, dass diese egalitäre und interessenlose Praxis der Geschmackspräferenzen von Kunstsammlern in der Wirklichkeit nur selten anzutreffen gewesen sein dürfte. Gerade die Inventare geben einen genaueren Überblick über Kunstbesitz und insbesondere über das komplexe Verhältnis von Geschmack und sozialem Interesse. Allerdings wurde bei der Aufstellung der Inventare in der Regel nicht auf Qualität und Zuschreibung der Kunstbestände geachtet; es sei denn, der Nachlassgeber verfügte über die Kennerschaft, die manchen Auktionator auszeichnete, der Genaueres über die Bilder und ihre Maler wusste. Bisher wurden nur Kölner Sammlungen des 18. Jahrhunderts auf der Basis von Nachlassinventaren ausgewertet. Die bevorzugten Bildmotive entsprachen durchaus den Trends, die schon für die niederländischen Sammlungen des 17. Jahrhunderts zu beobachten waren und die sich auch aus Auktionskatalogen aus deutschen Städten des 18. Jahrhunderts ablesen lassen: Man sammelte bevorzugt Bilder mit Sujets aus dem Bereich Natur, Landschaft und genrehafter Volksszenen. Erst danach folgten Bilder religiösen Inhalts und schließlich
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4. Patrizier und Bürger als Kunstsammler
Themen aus dem Bereich bürgerlicher Kultur, d. h. Familienbildnisse und Stillleben. Betrachtet man nun die Bildmotive in Bezug auf die sozialen Gruppen der Sammler, so lassen sich eindeutig Vorlieben für bestimmte Bildmotive in Abhängigkeit vom sozialen Standort des Sammlers feststellen (was Auktionskataloge uns in der Regel nicht erzählen können). Dabei zeigt sich, dass das Bedürfnis zu sammeln und den Sammlungen eine spezifisch ästhetisch-stilistische Ausrichtung zu geben, nicht allein vom Vermögen abhängig war. Die Geschmackspräferenzen bewegten sich vielmehr in einem Dreieck von sozialen Hierarchien und Wertmustern, von Stand sowie von Vermögen und Bildung bzw. von Herkunft, Leistung und Talent. Das bedeutet, dass adlige und bildungsbürgerliche Funktionseliten, die sich in der Nähe der Hierarchie der Macht bewegten, sich auch schon mit einem geringerem Vermögen als Sammler betätigten, als dies die übrigen Kunstbesitzer ihres Standes taten. Umgekehrt verspürten offenbar Wirtschaftsbürger, die mehr am Erfolg als an der Ehre orientiert waren, erst den Drang zum Sammeln, wenn sie wesentlich reicher waren als die adligen Kunstbesitzer. Während das Bildungsbürgertum sich besonders radikal von religiösen Bildmotiven abwandte, war dies bei den Geistlichen naturgemäß genau umgekehrt. Während bürgerliche Sammler eine Schwäche für Stillleben hatten, zeigte der Adel gegen diese Motive offenbar eine starke Abneigung. Hingegen bevorzugte man im Adel Tiermotive sowie Porträts einschließlich denen von Künstlern, auch Allegorien der Kunst, was sich wiederum bei Wirtschaftsbürgern kaum findet. Die Gebildeten, meist in fürstlichen Diensten, hatten von der Hierarchie der Macht gelernt, dass Sammeln soziales Prestige verleihen konnte. Darum legten sie sich Sammlungen zu, auch wenn das für sie mit finanziellen Risiken verbunden war oder sie sich das eigentlich nicht leisten konnten. Im Unterschied zu ihren adligen Vorbildern waren sie aber in ihrem Geschmack eigenständig; ihre Sammlungen unterstrichen ihre Rolle als bürgerlich-aufgeklärte Avantgarde, die sich durch ihr Sammeln von den ästhetischen Traditionen am weitesten zu entfernen suchten.
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5. Fürstliche Kunstsammlungen im 18. Jahrhundert. Sammeln als Herrschaftsrepräsentation
Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden in den fürstlichen Residenzen Gemälde im großen Stil gesammelt und in eigens dafür eingerichteten oder erbauten Räumen präsentiert. Die Blütezeit der Kunst- und Wunderkammern war damit vorüber, auch wenn Fürsten wie Gelehrte noch für Jahrzehnte Kunst- und Naturalienkabinette besaßen. Man begann die Raritäten- und Naturaliensammlungen teilweise aufzulösen und in spezielle Sammlungen zu überführen. Vor allem wurden viele Gemälde aus der Ordnung der Universalsammlungen herausgenommen und zum Auf- oder Ausbau einer eigenständigen Gemäldesammlung genutzt. Denn nun empfand man Gemälde und Skulpturen als Objekte, die als wertvoll und auch als schön empfunden wurden. Zuvor in dem Mikrokosmos der Kunst- und Wunderkammern galten sie zwar als wichtig, aber man räumte ihnen keine einzigartige Bedeutung bei. Sie besaßen Seltenheitswert oder galten als kostbar wie ein schöner Stein oder ein seltener Walfischzahn. Nun verstand man die Bilder und Skulpturen als Kunst und schrieb ihnen eine besondere moralische und intellektuelle Wirkung zu. Darum wurde ihr Wert nun sehr viel höher eingeschätzt als ehedem. Denn die Wahrnehmung von Kunst hatte sich an Fürstenhöfen wie in der Öffentlichkeit geändert. Das Schöne, das lehrten die Philosophien des 18. Jahrhunderts, und insbesondere die ästhetische Theorie, bringt ein moralisches Wertesystem zum Ausdruck und hebt sich damit vom Alltäglichen ab. Während die Objekte einer Kunst- und Wunderkammer vor allem der nur der höfischen Repräsentation und Zierde, auch den naturwissenschaftlichen Interessen und der Kontemplation der Sammler dienten, sollten
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5. Fürstliche Kunstsammlungen im 18. Jahrhundert
die Kunstgegenstände, die nun als schön und moralisch wertvoll, als Objekte der menschlichen Hebung und Erbauung verstanden wurden, in besonderer Form aufbewahrt und einer interessierten Öffentlichkeit, darunter auch Künstlern, zugänglich gemacht werden. Die Entstehung der sächsischen und brandenburgischen Kunstkammern Was im Verlauf dieses Vorgangs der Spezialisierung und Ästhetisierung der Sammlungen aus einer überkommenden Kunstkammer mit all ihren Raritäten und Kuriositäten nicht herausgenommen wurde, bestand oft mehr oder weniger lieblos weiter. Auch die preußisch-brandenburgischen Kunst- und Naturaliensammlungen, die erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts begründet worden waren, bestanden noch in der Regierungszeit Friedrichs des Großen und seines Nachfolgers in einer Art Koexistenz mit den Gemäldesammlungen mehr oder weniger unangetastet weiter. Der Bremer Kaufmann Henrik Carsten, der 1777 die alte Kunstkammer besuchte, beschrieb ihren traurigen Zustand: „… in der Kunstkammer, die aus elenden, dunklen Zimmern gantz oben auf dem Schloß bestehet. Unter den Sachen, so aufbehalten werden, sind, obwohl nicht viele, doch einige sehr kostbare und sehenswerte Stücke. Es ist aber alles schlecht conserviret und rangiret.“ Die sächsische Kunstkammer, 1560 eingerichtet und ungleich reicher und bedeutungsvoller als die der brandenburgisch-preußischen Kurfürsten und Könige, erlebte eine andere Entwicklung. Sie blieb bestehen und ihre Bestände wurden auch im 17. Jahrhundert weiter ausgebaut. Doch wurden sie nach und nach aus dem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst und mit neuen Erwerbungen zu Spezialsammlungen zusammengeführt. Diese standen gebildeten Besuchern zur Besichtigung offen und erregten immer wieder Bewunderung. Neben Pretiosen wurden auch in Dresden kostbare Gerätschaften, Werkzeuge und wissenschaftliche Instrumente präsentiert. Zeitgleich mit dem Ausbau der Kunstkammer entstand im 17. Jahrhundert eine Rüstkammer mit Prunk- und Jagdwaffen sowie Turnier- und Reitzeug; in einer Silberkammer, der sog.
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„Geheimen Verwahrung“, wurden Edelsteine und ein Münzkabinett aufbewahrt. Diese verschiedenen Sammlungen bildeten den Grundstock für den weiteren Ausbau und die Umorganisation der Sammlungskomplexe durch August den Starken. Neben Pretiosen und Gemmen galt seine Vorliebe vor allem Gemälden und Skulpturen. Zunächst war auch für August den Starken die Kunstkammer mit ihrer systematischen Gliederung Grundlage seiner Erwerbungs- und Sammlungspolitik, und er ließ noch 1704 ein Bestandsverzeichnis aller Kunstwerke in seinen Schlössern erstellen. Die Publikation der Bestände war ebenso Ausdruck des veränderten Verhältnisses der Höfe zur Öffentlichkeit wie die partielle Öffnung der Sammlungen. Die Gemälde und anderen wertvollen Objekte sollten für neue Repräsentationsbauten zusammengestellt werden, mit denen der leidenschaftliche Sammler Kurfürst Friedrich August von Sachsen, der 1697 zum polnischen König gekrönt wurde, seinen Machtanspruch sichtbar machen wollte. Ein zweistöckiges Gebäude mit 32 Räumen sollte gebaut werden, um die ständig wachsenden Sammlungen angemessen und systematisch geordnet unterbringen zu können. Während im Untergeschoss die Dinge untergebracht werden sollten, die zu den traditionellen Bestandteilen einer Kunst- und Wunderkammer gehörten, nämlich Naturalien, dekorative Kuriositäten und Juwelen, sollte das obere Stockwerk vor allem die Gemälde und Skulpturen aufnehmen, daneben mathematisch-physikalische Instrumente und eine Bibliothek. 1720 ernannte er den Kabinettsminister Graf Manteuffel zum „Directeur-General Unserer Bibliothequen und Cabinetter“ und in der Folgezeit noch eigene Leiter für die einzelnen Sammlungsbereiche. Sie wurden vorerst in verschiedenen Gebäuden, dem Schloss, einem Stallgebäude, einem Regimentshaus und dem Holländischen Palais aufbewahrt, um eines Tages in einem Universalmuseum, dessen Grundriss der Herrscher schon skizziert hatte, untergebracht zu werden und ein Ensemble höfischer Repräsentation zu bilden. Auch wenn in den folgenden Jahren die hochfliegenden Pläne für ein eigenes Ausstellungshaus nicht verwirklicht wurden, bedeuteten die ersten Schritte zur Realisierung dieser Museumsträume, nämlich der Umbau des ehemaligen Marstalls zu einer Gemäldesamm-
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lung, die Herauslösung der Gemäldesammlungen aus der integralen „galleria“ zu einem spezialisierten Museum für Gemälde. Eine zeitgenössische Beschreibung gibt einen Eindruck von dem neuen Bau- und Ausstellungstypus: „Die Decke ist weiß, ungemahlt, die Wände mit gründamastenen Tapeten mit goldenen Leisten, und obenher desgleichen Laubwerk bekleidet, und auf ihnen hängen die Bilder in prächtigen goldenen Rahmen von Bildhauerarbeit.“ Als Goethe gut vierzig Jahre später die Galerie im Jahre 1768 besuchte, war er von der feierlichen Stille des Kunst-Raumes beeindruckt und beschrieb mit der quasi-religiösen Stimmung, die das Betrachten der Gemälde bei ihm hervorrief, sein fast schon als Kunstreligion zu begreifendes Kunstverständnis, das zu Zeiten Augusts des Starken wahrscheinlich noch unbekannt war: „Dieser in sich selbst wiederkehrende Saal, in welchem Pracht und Reinlichkeit bei größter Stille herrschten, die blendenden Rahmen, alle der Zeit noch näher, in der sie vergoldet wurden, der gebohnte Fußboden, die mehr von Schauenden als von Arbeitenden benutzten Räume gaben ein Gefühl von Feierlichkeit, einzig in seiner Art, das umso mehr der Empfindung ähnelte, womit man ein Gotteshaus betritt, als der Schmuck so manches Tempels, der Gegenstand so mancher Anbetung hier abermals, nur zu heiligen Kunstzwecken aufgestellt schien.“ Die Betrachtung der Kunst diente der Erbauung und die institutionalisierten Räume, die für die Präsentation geschaffen wurden, waren der Schauplatz der veränderten Wahrnehmung von Kunst und ihrer Sammlung. Auch das Grüne Gewölbe wurde 1727 um einige Räume erweitert und begeisterte mit seinen Kostbarkeiten fremde Besucher, zu denen 1728 auch der junge preußische Kronprinz Friedrich mit seinem Vater König Friedrich Wilhelm I. gehörte. Der gerade einmal 16-jährige Kronprinz war – sehr zum Ärger seines so gar nicht kunstsinnigen Vaters – von den „Collectionen“ der verschiedenen „Cabineter“ wie von der ganzen Hofhaltung in Dresden sehr angetan. Im selben Jahr 1728 wurde auch der Zwinger als „Palais des Sciences“ erstmals für die Präsentation der berühmten Kupferstichsammlung sowie einer Mineralien- und Naturaliensammlung nebst einer Instrumentenkammer genutzt.
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Auch in anderen fürstlichen Sammlungen sollte sich dieser Vorgang der Spezialisierung und der Präsentation der Kunstgegenstände in neuen, dafür eigens geschaffenen Räumen wiederholen. Neue fürstliche Räume in Form von Galerien entstanden nach italienischem Vorbild und waren ausschließlich der Kunst vorbehalten. Nicht nur das stetige Anwachsen vieler fürstlicher Sammlungen im 18. Jahrhundert, mit denen Reichtum und Macht gezeigt werden sollten, sondern auch ein verändertes Verhalten der fürstlichen Höfe gegenüber der entstehenden Öffentlichkeit führten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Bau von eigenständigen Galeriebauten, die an das Schloss angrenzten. Der Fürst hatte somit in der Regel seinen ungestörten Zugang zu seiner Sammlung erhalten, die für ihn nach wie vor die Möglichkeit der ungestörten Kontemplation bot, aber auch durch die gleichzeitige, oft baulich getrennte Zutrittsmöglichkeit für eine begrenzte, elitäre Öffentlichkeit die Teilhabe an der Präsentation des Schönen gesichert. Er machte damit die Galerie zugleich zum Ort einer „zivilisierten Geselligkeit“ (Sheehan). Am Ende dieses Prozesses, der sich an mehreren Residenzen und Galeriebauten vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beobachten lässt, sollte das öffentliche Museum stehen. Zu den festen und prestigeträchtigsten Beständen einer fürstlichen Sammlung gehörte seit den aufsehenerregenden Initiativen der Päpste im 15. Jahrhundert vor allem die Gründung einer Antikensammlung. Auch sie sollte möglichst um immer neue Funde erweitert und bereichert werden und ebenso in einem eigenständigen Bau parallel zur Residenz oder mit ihr verbunden zu einem besonderen Ort der Präsentation von Wissen, Macht und zeitloser Schönheit werden. Seither galt es zunächst in Italien, später auch nördlich der Alpen als Ausweis größter Kennerschaft und Macht eine solche Sammlung antiker Skulpturen in Höfen und Gärten oder Villen als Orte der Musen zu besitzen und zu zeigen. Die erste und lange richtungsweisende Galerie für Antiken war das Antiquarium in München, das Herzog Albrecht V. von Bayern 1569 hatte errichten lassen. In der lang gestreckten Halle mit ihrem Tonnengewölbe hatte der sammelfreudige Herzog vor allem klassische Statuen unterbringen lassen.
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Der Raum war durch Nischen und Sockel unterteilt und diente mit seiner grandiosen Verbindung von Architektur, Malerei und Bildhauerei, die die Bühne für die Statuen, vor allem für die Kaiserbüsten, darstellten, einen Ort der Antikenverehrung und Herrschaftsrepräsentation. Auch August der Starke setzte, mehr als ein Jahrhundert später, seinen ganzen Ehrgeiz daran, auch eine Antikensammlung zu besitzen, die es mit der Berliner Sammlung, die seit 1703 in drei Räumen des Berliner Schlosses Aufstellung gefunden hatte, gleich tun könnte. Er erwarb zu diesem Zweck antike Skulpturen sowohl aus der Berliner Sammlung wie aus der Sammlung Chigi und aus dem Besitz des römischen Kardinals Alessandro Albani und ließ sie in einem Palais in Dresden aufstellen. Ihre endgültige Präsentation sollte in einem seit 1730 geplanten weiteren Museumsbau in Verlängerung des Zwingers erfolgen, zusammen mit der Gemäldesammlung. Diese hatte sich durch die Sammlungsleidenschaft von August dem Starken inzwischen zu einer der bedeutendsten Sammlungen im Reich entwickelt, was von seinem Sohn, August III., mit großer Kennerschaft fortgeführt wurde. Er ließ sich dabei gleich von mehreren Kunstagenten unterstützen, die in kurzer Zeit die Sammlung quantitativ und qualitativ durch Erwerbungen in Italien wie aus Paris, Prag und Hamburg ausweiteten und zu dem machten, was bis heute den Glanz der Dresdner Gemäldesammlungen ausmacht. August III. erwarb mit kräftiger und nicht ganz uneigennütziger Unterstützung seines Premierministers Heinrich Graf Brühl (1700–1763), der sich selbst eine Gemäldesammlung zugelegt hatte, Meisterwerke der italienischen Hochrenaissance ebenso wie Bilder von Velázquez, Rubens und Holbein. Als Krönung der Sammlungspolitik Augusts III. gilt der Erwerb der „Sixtinischen Madonna“ von Raffael im Jahre 1754 aus Piacenza. Sparsame Zeitgenossen, darunter auch Preußens König Friedrich der Große, warfen den Sachsen daraufhin Verschwendungssucht vor, was für die Staatsökonomie des 18. Jahrhunderts sicher nicht unzutreffend war. Nach einem Inventar von 1741 bestand die Sammlung mittlerweile aus 4708 Gemälden, von denen etwa 3000 als wertvoll galten. Da das Residenzschloss für diese Bilderflut inzwischen viel zu klein geworden war, wurde 1745 der Ausbau des
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Stallgebäudes zu einer Gemäldegalerie veranlasst, deren Ausstattung und vor allem Sammlung größte Bewunderung hervorriefen. Johann Winckelmann fühlte sich nach einem ausgiebigen Besuch der Galerie 1752 zu einer „Beschreibung der vorzüglichsten Gemälde der Dreßdner Galerie“ veranlasst und Johann Wolfgang von Goethe zu der schon erwähnten andächtigen Bewunderung der ausgestellten Kunst. Sicherlich war die Sammellust in der augusteischen Epoche Sachsens außergewöhnlich. Was von den beiden Herrschern mit Kennerschaft allein an Gemälden zusammengetragen worden war, bestach nicht nur durch die Qualität der gleich mehrere Epochen europäischer, vor allem romanischer Kunstgeschichte umfassenden Meisterwerke, sondern auch durch deren Präsentation in einer Gemäldegalerie, die weniger durch den Schmuck ihrer Deckenmalerei als durch die Qualität der ausgestellten Bilder überzeugen wollte. Ungewöhnlich war die Lust am Sammeln und Präsentieren im 18. Jahrhundert freilich nicht. Jedes weltliche oder auch geistliche Fürstenhaus war bestrebt, zur Befestigung des eigenen Machtanspruchs seine Residenz nach Versailler Vorbild auszubauen oder neue Schlossanlagen zu planen und auch zu bauen. Zu fast allen Residenzen gehörten nun auch Gemäldegalerien, auch kleine Adelshäuser wollten darauf nicht verzichten. Die individuelle Handschrift der fürstlichen Sammler und ihrer Ratgeber, d. h. ihre Kennerschaft und ihre Kunstvorstellung, aber auch ihre Pläne für die Unterbringung und Hängung ihrer Kunstwerke, schließlich die baulichen und materiellen Gegebenheiten und die dynastische Familienpolitik führten dazu, dass bei aller Sammlerleidenschaft und bei allem Repräsentationsbedürfnis die verschiedenen Sammlungen sich deutlich voneinander unterschieden. Von Düsseldorf nach München. Die Entstehung der Wittelsbacher Kunstsammlungen Zu den erlesensten Sammlungen neben den Dresdner Sammlungen gehörte die des pfälzischen Kurfürsten Johann Wilhelm (Jan Wellem) (1638–1716), in dessen Galerie in Düsseldorf schließlich 46 Gemälde von Rubens, 25 von van Dyck und der Passionszyklus von Rembrandt
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Aufriss der zweiten Wand des vierten nach van der Waff benannten Saals im Düsseldorfer Kunsthaus. Kupferstich aus „La Galerie Électorale de Düsseldorf“ von Nicolas de Pigage, 1778 Die Bilder, die Kurfürst Johann Wilhelms von der Pfalz, Herzog von Jülich und Berg (1658–1716), in dem Kunsthaus seines Düsseldorfer Palais’ zusammengetragen hatte, kündeten vom Geschmack und der Macht des Fürsten. Später wurde seine Sammlung mit anderen Kunstsammlungen der Wittelsbacher in der Münchner Residenz vereinigt und zum Grundstock der Münchner Pinakothek.
hingen. Für seine Sammlung, die schließlich insgesamt 342 Bilder umfasste und damit kleiner, aber nicht weniger qualitätsvoll war als die der sächsischen Könige, ließ Jan Wellem zwischen 1709 und 1714 von Jacobus du Bois ein selbstständiges Gebäude errichten. Es stellte einen der frühen, nicht mehr in das Schloss integrierten Galeriebauten dar. Umgeben und unterstützt von hilfreichen Diplomaten, Hofmalern und italienischen Künstlern hatte der Kurfürst in den Niederlanden
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nach Bildern von Rubens Ausschau halten lassen und seine Sammlung Stück für Stück aufgebaut. Zum Erwerb ganzer Sammlungen, wie das die sächsischen Könige taten, reichten die finanziellen Mittel in Düsseldorf nicht aus. Dafür gelang es dem Kurfürsten durch die Kontakte seiner zweiten Frau, Anna Maria Luisa de’ Medici, einer Tochter des toskanischen Großherzogs, in Florenz einzukaufen oder auch Bilder zu tauschen. Der Kunstverstand seines Diplomaten Heinrich von Wiser ermöglichte ihm den Erwerb von Werken von Rubens, Velazquez und Bordone in Paris. Der erste Katalog, der ausschließlich die Kunstwerke einer Galerie vorstellte, erschien 1719 in Düsseldorf. Er hatte nicht nur Schönes zu präsentieren, sondern weckte die Neugierde einer zunächst noch schmalen Öffentlichkeit. 1778 sollte dann ein vollständiger Katalog erscheinen. Der Wittelsbacher Kurfürst Karl Theodor (1724–1799), der schon in seiner pfälzischen Residenz in Mannheim eine Sammlung angelegt hatte, hatte 1770 seinen Galeriebauinspektor Lambert Krahe die Galerie in Düsseldorf neu organisieren und ganz im Sinne eines rationalen Kunstverständnisses die Bilder nach Schulen aufhängen lassen. In dem aufwendigen Katalog von 1778 hatte der Verfasser Christian Mechel (1737–1817), einer der wichtigsten Kunstvermittler seiner Zeit, die Bestände Wand für Wand dokumentiert; ein Zeichen für die Bedeutung, die man mittlerweile auch einer angemessenen Hängung der Sammlung beimaß. Als die kurbayerische Linie 1777 ausstarb, vereinte der Kurfürst die Wittelsbacher Territorien zu einer bayerisch-pfälzischen Herrschaft und verlegte seine Residenz von Mannheim nach München. Auch die beiden Galerien aus Düsseldorf und Mannheim wurden an die Isar verlegt und zusammen mit der Kunstsammlung der Wittelsbacher Nebenlinie des Herzogs von Zweibrücken, der mit Kurfürst Max IV. Joseph ebenfalls nach München kam, entstand damit ein geschlossener Wittelsbacher Kunstbesitz, der zur Grundlage der Sammlungen der 1836 eröffneten Alten Pinakothek wurde. Die verschlungenen und dynastischen Regeln folgenden Sammlungstraditionen wirkten, das zeigt nicht nur das Beispiel der Wittelsbacher und der Münchner Gemäldesammlungen, weit in das Museumszeitalter des 19. Jahrhunderts hinein, das ohne die monarchischen Sammlungen nicht denkbar wäre.
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Die „Galleria“ in Pommersfelden Auch ein Reichsgraf und geistlicher Kurfürst, wie Lothar Franz von Schönborn (1655–1729), konnte Kunstsammlungen von Rang aufbauen und pflegen. Der Mainzer Kurfürst war weit gereist und war stolz auf „la mia galleria Pommersfeldiana“. Mit dem Schloss Gaibach hatte er bereits eine Kunstsammlung geerbt, die er von seinem Hofmaler Cossiau stetig ausbauen ließ. Für den Neubau seines Schlosses in Pommersfelden wollte der Kurfürst jedoch einen Galeriebau ganz nach seinen Wünschen und Geschmack. Er sollte in unmittelbarer Nähe seiner Privatgemächer liegen, damit er jederzeit und ungestört sich an seinen Bildern erfreuen und erbauen konnte. Und die Galerie sollte auch von der Haupttreppe zugänglich sein, damit sie auch andere Besucher erreichen konnten. Anders als im Falle vieler fürstlicher oder bürgerlicher Sammlungen befindet sich die Gemäldesammlung von Lothar Franz von Schönborn bis heute an dem Ort, der für sie geplant und gebaut wurde: in dem Barockschloss Pommersfelden bei Bamberg, das der Kurfürst von den Baumeistern Johann Dientzenhofer und Johann Lucas von Hildebrandt seit 1710 errichten ließ. Seine Bilder sollten nicht der Ausstattung einzelner Räume der Residenz dienen, sondern in einer Galerie aufgehängt werden. Von der Hängung, nämlich Bild neben Bild, sollte vor allem eine Gesamtwirkung ausgehen. Ein Nebeneinander von Fresko und Ölmalerei sollte darum vermieden werden. Auch sollte keine Bildhauerei in der Galerie deren Gesamteindruck stören. Schließlich wurde auch die Rahmung der Bilder von Anfang an festgelegt; Lothar Franz bevorzugte schwarze Rahmen, ließ sich aber davon überzeugen, dass nach neuester Wiener Mode die schwarz polierten Rahmen innen und außen mit einem vergoldeten Stab belegt sein müssten. Nicht das einzelne Kunstwerk zählte, sondern das Gesamterscheinungsbild. 1715 war die Galerie fertig und der fürstliche Mäzen änderte nun seine Sammlungsstrategie: gesammelt wurde nun nur noch nach Maßstäben der Qualität, nicht der Quantität. Doch trotz eines großzügigen Geschenkes von Kaiser Karl VI. war der „Bilderapetit“ des Kurfürsten nach wie vor so groß, dass ihn ständig Geldsorgen plagten und er nach allen mögli-
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chen Einnahmequellen und Wegen des Bildertausches Ausschau halten musste. Ein erster Katalog der Sammlung, der bereits 1719 im Druck erschien, sollte den Verkauf von Bildern befördern. Aber daraus wurde nichts. Im Auftrag des Hausherren musste sein Galeriedirektor, der Maler Byss, von Gemälden, die der Kurfürst nicht erwerben konnte, Kopien anfertigen, was aber bei dem übermäßigen Bedarf an Bildern, der in der Barockzeit herrschte, nicht ungewöhnlich war. Der Katalog, den Byss anfertigte, spiegelt den Stand der Sammlung vom Februar 1719 und gibt, nach Räumen geordnet, Auskunft über den Titel des jeweiligen Gemäldes, den Künstlernamen und die Maße des Bildes. Insgesamt waren das 470 Gemälde, wovon die meisten in der Galerie hingen. Den größten Anteil nahmen Werke aus den Niederlanden ein, danach Italiener und schließlich deutsche Künstler. Werke mit religiösem Inhalt, seien es Heiligendarstellungen oder Themen aus dem Alten und Neuen Testament, waren am häufigsten vertreten, was bei einem geistlichen Herrn als Sammler nicht verwunderlich ist. Andere Bildthemen galten der Mythologie, der Geschichte und der Literatur. Daneben fallen Genreszenen ins Gewicht. Byss bemühte sich offensichtlich um eine einigermaßen korrekte Zuschreibung und zählte immerhin elf Werke von Rubens, zehn von Saftleven, je acht von Rembrandt und Weenix. Vieles von dem, was Byss damals für Originale von Rubens oder Rembrandt hielt, hat sich mittlerweile als Werk aus der Werkstatt oder doch als Replik erwiesen. Doch nicht wegen falscher Zuschreibungen, sondern wegen gravierender Veränderungen des Aussehens des Marmorsaales hat der Kurfürst schon 1721 den Katalog eingezogen. Erst ein späteres Stichwerk von 1728 gibt einen authentischen Eindruck von dem Aussehen der Galerie und über die Hängung der Bilder, die mit der auffälligen Ausrichtung nach Achsen und Symmetrien eher optischen Eindrücken folgte als inhaltlich-systematischen. Das war erst Jahrzehnte später eine entscheidende Ordnungskategorie. Friedrich der Große als Kunstsammler Auch der preußische Kronprinz Friedrich hat mit seinem Vater Friedrich Wilhelm I. 1730 Schloss Pommersfelden besucht, ähnlich wie
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zuvor schon 1728 die Dresdner Kunstsammlungen. Auch kannte er die Galerie auf Schloss Salzdahlum, die Residenz seiner Schwester Philippine Charlotte (1716–1801), die Herzog Carl I. von Braunschweig, einen Enkel Herzog Anton Ulrichs, geheiratet hatte. Weitere Bildungsreisen an andere Höfe im In- oder Ausland hatte Friedrich nie unternommen, und darum verfügte er wenig persönliche Kenntnis über andere größere Gemäldesammlungen. Umso erstaunlicher sind das anspruchsvolle Niveau seiner späteren Erwerbungen und die gelegentliche Eigenwilligkeit seines Geschmacks, vor allem in seinen frühen Jahren als preußischer König. Welche Einflüsse die Besuche in Salzdahlum, Dresden und Pommersfelden auf seine Kunst- und Sammlungsvorstellungen hinterlassen haben, lässt sich schwer ermessen. Sicher ist, dass die Kenntnis der dort anzutreffenden Galeriebauten mit ihren lang gestreckten, eigenständigen Baukörpern und ihrer Untergliederung des Raumes durch Statuen sowie die Einbindung der Galerien in die Schlossanlage auch bei der Planung der Neuen Kammer, dem selbstständigen Galeriebau von Sanssouci, eine Rolle gespielt haben dürfte. Friedrich war von kunstsinnigen Geschwistern umgeben, vor allem in Person seiner Lieblingsschwester Wilhelmine von Bayreuth (1709–1758) und seines Bruders Prinz Heinrich (1726– 1802), die beide selbst gesammelt haben. Wilhelmine besaß, wie ihr Nachlassinventar ausweist, Marmorskulpturen, Bronzestatuetten und Geräte antiken Ursprungs. Auch auf einer Italienreise mit ihrem Ehemann widmete sie sich offenbar antiken Kunstwerken und traf auch den damals bedeutendsten Antikensammler Kardinal Alessandro Albani. Überdies hatte das Markgrafenpaar die Bekanntschaft der Maler Anton Raphael Mengs und Pompeo Battoni gemacht, die die Besucher aus Bayreuth auch beim Kauf von Gemälden berieten. Prinz Heinrich, der 1744 von Friedrich Schloss Rheinsberg mitsamt Innenausstattung zum Geschenk erhielt, war ein engagierter Sammler auch von zeitgenössischer französischer Malerei. In Paris erwarb er eine Sammlung mit 106 Gemälden, darunter Werke von Rubens, Rembrandt, van Dyck oder Tintoretto. Dort lernte er auch die Malerin Louise Elisabeth Vigée-Le Brun und den Bildhauer Jean Antoine Houdon kennen, von dem er u. a. eine Büste von Voltaire erwarb.
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Auch Friedrichs fünfte Schwester, Luise Ulrike (1720–1782), die mit dem Prinzen Adolf Friedrich von Schweden, dem späteren König Friedrich II. verheiratet war, besaß auf den königlichen Schlössern in Stockholm, Drottningholm und Gripsholm eine beachtliche Gemäldesammlung, die sie von ihrem Gemahl als Geschenk erhalten hatte. Friedrich war also allein schon durch die ererbte Kunstkammer und das Antikenkabinett, die vor allem sein Großvater, Friedrich I. (1657–1713), der seit 1701 preußischer König war, ausgebaut und
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Gemäldegalerie im Schloss Sanssouci in Potsdam. Auch Friedrich der Große (1712–1786) konnte sich der Kultur des Sammelns nicht entziehen und errichtete für die Präsentation seiner Gemäldesammlungen einen eigenen Galeriebau neben seinem Schloss in Sanssouci.
gefördert hatte, aber ebenso sehr durch das Beispiel seiner Geschwister von Kunst umgeben, wie das zum Selbstverständnis und zur Selbstdarstellung europäischer Fürsten des 17. und 18. Jahrhunderts gehörte. Im Unterschied zu August III. von Sachsen und anderen fürstlichen Sammlern ging er vorsichtig und sparsam, vor allem
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rational und meistens utilitaristisch vor. Wenn er sich, was selten und nur im Bereich der Antikensammlung vorkam, auf den Ankauf einer größeren Sammlung einließ, oder wenn er sie als Geschenk bzw. als Erbschaft erhielt, wie im Falle der Antikensammlung seiner Schwester Wilhelmine, dann, weil diese Stücke bereits durch den Vorbesitzer nobilitiert waren. Von wenigen Beispielen abgesehen, hat er kaum ein starkes oder gar glühendes Interesse an individuellen Stücken gezeigt. Man wird Friedrich darum keine besondere Sammelleidenschaft unterstellen dürfen, der, um seine Sammellust zu befriedigen, sich auf große oder gar waghalsige Ankäufe und Ausgaben einließ. Wenn er sich für den Kauf einer größeren Sammlung entschlossen hatte, dann betraf das antike Kunstwerke, die zudem von einem renommierten Sammler stammten. 1742 erwarb er trotz eines hohen Preises die Sammlung des französischen Kardinals Polignac, die dreihundert Skulpturen teilweise von geringer Qualität umfasste. Als geschlossenen Bestand kaufte Friedrich außerdem 1764 die berühmte Gemmensammlung des Barons Philipp von Stosch (1691–1757), eines bedeutenden Antikenforschers und Experten für geschnittene Steine. Überdies hatte Winckelmann die Sammlung kurz zuvor, 1760, katalogisiert, was ihr ein zusätzliches Gütesiegel verlieh und die Erwartungen der Öffentlichkeit befriedigte, für die eine solche Publikation immer auch ein Stück Offenheit und Partizipation, eine Durchdringung von Hof und Öffentlichkeit bedeutete. Vermutlich sprach aus der Zurückhaltung Friedrichs bei dem Erwerb größerer Sammlungen, sieht man von den beiden Antikensammlungen ab, wohl auch eine gewisse Unsicherheit gegenüber dem Wert einzelner Stücke, die er selbst nicht zu beurteilen wagte. Auch wollte er sich wohl dem Sammeln nicht laufend widmen. Was ihn an der Sammlung Polignacs reizte, waren nicht einzelne antike Stücke, die er besitzen wollte, sondern der Gedanke, mit dem Erwerb einer solchen Sammlung etwas von der Kultur nach Potsdam übertragen zu können, in der eine Sammlung wie die des Kardinals entstanden war und die für ihn vorbildlich war. Der „esprit“ einer Sammlung war es, der ihn anregte, und der Gedanke, in einer solchen Atmosphäre, umgeben
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von solchen Kunstwerken, Gespräche mit einem lebenden, intellektuellen Zeitgenossen wie Voltaire pflegen zu können. Große Sammlungen von Gemälden hat Friedrich nie auf einmal gekauft und sich nicht auf finanzielle Abenteuer eingelassen, wenn es um den Erwerb eines Kunstwerks ging. Offerten von seinerzeit berühmten Kunstagenten, etwa von dem venezianischen Schriftsteller und Kunstkenner Francesco Algarotti (1712–1764), der dem Dresdner Hof wie auch Friedrich immer wieder seine Vermittlerdienste anbot, hat er ausgeschlagen, wenn ihm der geforderte Preis nicht akzeptabel erschien. Umgekehrt konnte Algarotti eine antike Statue, den „Betenden Knaben“ schließlich doch noch nach Potsdam vermitteln, vielleicht auch weil August III. sich vorher nicht zum Kauf entschließen konnte oder weil es ihm der schöne Jüngling angetan hatte. Immerhin wurde er an einem prominenten Platz in Sanssouci aufgestellt. Friedrich hat, wie üblich, wenn er Einzelstücke kaufte, auf den Rat seines Hofmalers Antoine Pesne oder seines Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorf gehört oder ließ sich beim Erwerb von Werken zeitgenössischer französischer Maler von dem preußischen Gesandten in Paris, Graf Rothenburg, beeinflussen. Das hat jedoch nicht verhindert, dass sich in seiner Sammlung auch von französischen Meistern, wie Watteau und Lancret, Fälschungen und Kopien befanden. Auch war der Ehrgeiz des Sammlers gelegentlich doch so groß, dass er, wie andere fürstliche Sammler auch, von Gemälden, die er nicht bekommen konnte, Kopien anfertigen und sie dann zwischen Originale hängen ließ. Die antiken Kunstwerke, die Friedrich angesammelt hatte, wurden meistens in größeren Ausstattungsprojekten eingesetzt. Im Schloss Charlottenburg oder in Sanssouci schmückten sie Terrassen oder Gartenalleen. In der Bildergalerie von Sanssouci, in einem eigens dafür errichteten, frei stehenden Museumsbau untergebracht, dienten sie der thematischen Untergliederung der Galerie; oder sie sollten zusammen mit den thematisch passenden Bildern leitmotivisch eine bestimmte Geisteswelt imaginieren: Die Statuen von Apoll, Dionysos, Athena und Marsyas sollten ihr Gegenüber in der Bildwelt
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der fêtes galantes finden, die gegenüber an den Wänden hingen. Später wählte man für solche symbolischen Vergegenwärtigungen heroisch-mythologische Themen und Objekte, wenn etwa Mars und Merkur sich programmatisch im Vestibül von Sanssouci gegenüberstanden. Dass das Umfeld, die Berater wie die allgemeinen ästhetischen und kunstpolitischen Entwicklungen, sich auch auf einen Sammler auswirken konnte, der er sich, wie Friedrich, seines Urteils in vielen Dingen von Politik und Kunst sicher zu sein schien, zeigen die deutlichen Veränderungen in den Geschmackspräferenzen von Friedrichs Gemäldesammlungen wie seiner Antikensammlung. Friedrichs eigenwillige und lange Zeit einseitige Vorliebe für das Genre der „fêtes galantes“, des ländlichen und unbeschwerten bukolischen Lebens, hatte die Ausrichtung nicht nur seiner Bildersammlungen, sondern auch die Anlage der Gärten mit Statuen und Skulpturengruppen geprägt, die in Sanssouci und anderswo eine heitere und galant gestimmte Atmosphäre schaffen sollten. Auch Pesne und Knobelsdorff malten eilfertig im Stile Watteaus. Seitdem jedoch einer der prominentesten Gesprächspartner und Berater, der französische Philosoph Marquis d’Argens, des Königs Vorliebe für die Werke der Maler der fêtes galantes kritisiert hatte, änderte Friedrich seine Präferenzen. Zwischen 1755 und 1770 kamen die Kunstagenten Johann Ernst Gotzkowsky und Louis-François Mettra zum Zuge, die nun für die Bilderwand der Galerie Werke vermittelten, die den Prinzipien der Akademie entsprachen und die dem höfisch-repräsentativen Anspruch besser gerecht wurden. Nun wurde Themen der Mythologie und der Historie der erste Rang eingeräumt, und man erwarb vor allem niederländische, italienische und französische Historienmalerei. Friedrich wandelte sich, wie es der Kunsthistoriker Christoph Vogtherr formuliert hat, „vom königlichen Privatsammler zum sammelnden König“. Katharina die Große. Eine leidenschaftliche Sammlerin Ganz anders die russische Zarin Katharina (1729–1796). Sie war eine leidenschaftliche und risikobereite Sammlerin. Denn bei ihren Erwerbungen war sie in einem starken Maße von den Kenntnissen und der
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Solidität ihrer auswärtigen Agenten abhängig. In nicht ganz dreißig Jahren schuf sie eine Kunstsammlung mit knapp 4000 Gemälden und Zehntausenden von Graphiken. Nicht nur in ihrer Quantität, sondern auch in der Qualität musste sich ihre Sammlung nicht hinter den bedeutenden (west-)europäischen Sammlungen verstecken. Dabei brachte die deutsche Prinzessin aus dem Hause Anhalt-Zerbst, die den Neffen und Nachfolger von Kaiserin Elisabeth, Peter, Herzog von Holstein-Gottorp 1745 geheiratet und bald nach dessen Thronbesteigung 1762 von ihrem Günstling, Graf Orlow, hatte ermorden lassen, nach ihrem eigenen Eingeständnis so gut wie keine Kenntnisse auf dem Gebiet der Malerei und auch nicht der Musik mit. Was ihr Interesse für Kunst und Philosophie weckte, nachdem sie Alleinherrscherin geworden war, war der Gedanke, ihre Legitimation und ihren Ruhm durch die Pflege von Kunst und durch die Einladung an die europäischen Geistesgrößen an den russischen Hof zu mehren. Sie wollte auch in Russland Bibliotheken, Kuriositätenkabinette und vor allem Gemäldesammlungen anlegen, die es dort bisher nur in sehr bescheidenen Ausprägungen gab. Auch der russische Adel zeigte bisher wenig Interesse für die Kunst. Katharinas erstaunlicher Kunsterwerb basierte auf dem Verfahren, das Friedrich gerade nicht bevorzugt hatte, nämlich auf dem Erwerb ganzer Sammlungen, die nach dem Siebenjährigen Krieg offenbar auf dem europäischen Markt in großer Zahl vorhanden waren. Als sie erfuhr, dass der Berliner Kunsthändler Gotzkowsky in finanziellen Schwierigkeiten steckte und seine Sammlung an den Preußenkönig verkaufen wollte, sandte sie einen Boten nach Berlin, der die 225 Gemälde, um die es ging, zu einem recht günstigen Preis erwerben konnte. Es handelte sich fast ausschließlich um Arbeiten niederländischer Maler, die damals billiger zu erwerben waren als Italiener. Auf diese Weise kam Katharina an drei Gemälde von Rembrandt und eines von Franz Hals, die sich in der Sammlung Gotzkowskis befanden. Das erfolgreiche Ankaufsverfahren schuf neue Begehrlichkeiten, und Katharina nutzte die Kontakte ihres Pariser Agenten, der im Salon der Madame Geoffrin verkehrte, um Informationen über mögliche Verkaufspläne in Paris zu erhalten. Galizyn konnte dort erfahren,
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dass der Philosoph Denis Diderot einen Teil seiner Bibliothek verkaufen wollte, um für seine Tochter eine Mitgift aussetzen zu können. Die Zarin willigte in den Kauf ein und bot dem Enzyklopädisten zusätzlich an, ihn zu einem stattlichen Gehalt auch noch zum Verwalter der eigenen Bibliothek zu machen, was diesen stärker an den russischen Hof band. Diderot sollte im Gegenzug nicht nur seine Augen auf dem Pariser Kunstmarkt für seine Gönnerin aufmachen, sondern er vermittelte auch den Kontakt zu dem Bildhauer Falconet, der schließlich im Auftrag der Zarin ein großes Denkmal für den von ihr verehrten Zaren Peter den Großen errichten und gleichzeitig in St. Petersburg als Kontaktmann Diderots wirken sollte. Auch wenn viele der Vermittlungsversuche fehlschlugen, Katharina hatte nicht nur viel Geduld mit dem Philosophen, sondern konnte durch diesen neben kleineren Erwerbungen schließlich die Galerie des Barons Thiers kaufen, die aus 324 hauptsächlich französischen Gemälden bestand. Es folgten der Erwerb der Sammlung Pierre Crozat (1665–1740) und der des Herzogs von Orléans aus dem Pariser Palais Royal. Das waren sicherlich die beiden spektakulärsten Fischzüge der Zarin, denn die Sammlung Crozats galt als die herrlichste, die es je in Frankreich gegeben hatte. Sie enthielt Werke von Cima da Conegliano, Raffael, Giorgione, Veronese, Tintoretto und anderen italienischen Meistern. Zusammen mit den Werken von Rembrandt, Rubens und van Dyck, die sich auch in der Sammlung befanden, sollten sie die größten Lücken in den Petersburger Sammlungen auf eindrucksvolle Weise füllen. Auffällig ist, dass in Crozats berühmter Sammlung sich keine Werke von zeitgenössischen französischen Malern befanden, sondern ausschließlich Italiener und Niederländer bzw. Flamen, die schon eine eigene künstlerische Geschichte und einen festen Platz in der ästhetischen Traditionsbildung hatten. Die Sammlung Crozat war an die Newa gekommen, weil sie nach dem Tod des Sammlers 1740 die traurige Geschichte von Teilungen und Erbstreitigkeiten hatte erleiden müssen, die viele Sammlungen überall und zu allen Zeiten bedrohten. Für Katharina war das ein Glücksfall: Diderot hatte sich zugunsten der Zarin eingeschaltet und den Verkauf zustande gebracht. Obwohl die Transaktion 1771 möglichst stillschweigend ver-
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laufen sollte, hatte der Superintendent der königlichen Bauten, der auch für die Sammlungen des französischen Königs zuständig war, davon Wind bekommen und Ludwig XV. beschworen, die Mittel für einen Verbleib der Sammlung in Frankreich bereitzustellen, was jedoch an der Finanzkrise der Großen Nation scheiterte. Wütende öffentliche Proteste begleiteten den Abtransport der Sammlung nach Russland, die im November 1772 an der Newa eintraf. Auch die hervorragende Sammlung des Grafen Brühl aus Dresden war schließlich nach St. Petersburg gekommen, da die Erben des einst mächtigen Grafen daran interessiert waren, die Sammlung abzustoßen. Denn an ihr haftete der Ruch, teilweise durch Unterschlagungen finanziert worden zu sein. Das Beispiel der Zarin, die sich als erfolgreiche Sammlerin und Mäzenin mit der Gemäldegalerie der Eremitage ein Denkmal setzte, machte Schule. Auch der russische Adel bereiste nun die europäischen Kunstzentren und kaufte im großen Stil ein, ohne allerdings das nötige Kunstverständnis mitzubringen. Ein Museumsbau in Kassel? Der hessische Landgraf und seine Sammlungen Mit den ständigen Erweiterungen der fürstlichen Sammlungen vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Paris wie in Wien, Berlin, München und auch in St. Petersburg und dem damit verbundenen Neubau von eigenständigen Gemäldegalerien bewegte sich die europäische Sammlungsgeschichte immer mehr auf die Planung und Errichtung von öffentlichen Museen zu. Architektur und Institution des Museums Friedericianum in Kassel, mit dessen Bau der Architekt des hessischen Landgrafen Friedrich II., Simon Louis du Ry, 1769 begonnen hatte, wiesen bereits in Richtung eines öffentlichen Museums: es war an vier Tagen in der Woche für jedermann geöffnet, in der anschließenden Bibliothek besaßen Gelehrte besondere Nutzungsrechte und die Aufsicht über die Sammlungen oblag nicht länger einem Hofbeamten, sondern einem Ausschuss von Gelehrten. Dennoch gab es viele Elemente in der Anlage und in der Präsentation, die noch
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ganz die Merkmale einer fürstlichen Sammlung trugen. Der Landgraf hatte sich ein getrenntes Studierzimmer reserviert und die Sammlungen, die in zwei Stockwerken untergebracht waren, besaßen noch viele Elemente eines klassischen Kunst- und Raritätenkabinetts: das Erdgeschoss präsentierte eine Antikensammlung mit antiken Statuen und neuen Gipsabgüssen; im Obergeschoss befanden sich Uhren, Waffen, Wachsfiguren und wissenschaftliche Instrumente zusammen mit naturgeschichtlichen Objekten. Das Museum war darum ein Produkt einer Übergangszeit und nicht, wie es oft gepriesen wird, der erste öffentliche Museumsbau in Deutschland. Der sollte noch eine Weile auf sich warten lassen.
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6. Die Erfindung nationalen Kulturgutes. Sammeln in Zeiten des Umbruchs 1770–1815
Auf dem Höhepunkt der französischen Aufklärung zwischen 1750 und 1780 setzten sich in der Öffentlichkeit des Ancien Régime neue politische Ordnungsbegriffe und Kommunikationsformen durch, die auch die privaten Sammlungen und öffentlichen Museen nicht unberührt ließen. Seit den 1770er-Jahren war in Frankreich und dann auch im übrigen Westeuropa immer häufiger zu beobachten, dass an die Stelle von Monarchie, ständischer Ordnung und Religion als oberste Referenzwerte Nation, Freiheit und Volkssouveränität, Natur und Vernunft traten. In der schöngeistigen Literatur wie in der politisch-philosophischen Publizistik änderten sich die Themen. Religiöse und staatsrechtlich-historische Literatur, also letztlich loyale Literatur, trat bei den Lesegewohnheiten der Bürger deutlich hinter einer explosiven Mischung von schöngeistiger und politisch-aufklärerischer systemkritischer Literatur aus der Feder philosophierender Schriftsteller zurück. In aufgeklärten Sozietäten von den Akademien und Salons, in Freimaurerlogen und Lesekabinetten wurde das neue Denken propagiert, diskutiert und teilweise auch praktiziert. Es entstand eine öffentliche Sphäre des kritischen Raisonnements, in der andere politisch-kulturelle Leitbegriffe bestimmend waren als bei den traditionalen Herrschaftsträgern. Der Begriff Nation, der mit der Französischen Revolution eine ungeheure Dynamik erhalten sollte, beschrieb in den Schriften Rousseaus und seiner Anhänger eine Gemeinschaft von rechtsgleichen Bürgern, die ihr Gefühl der Zugehörigkeit und ihrer Identität aus ihrer Erfahrung der gemeinsamen Geschichte und Kultur ableitet und dieses immer wieder bekräftigt. Schließlich sollten sich die Nation oder der
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stärker gefühlsbetonte Begriff des Patriotismus mit den Ideen von Freiheit, Glück und Tugend verbinden, die aus der Erinnerung an die Antike oder an die eigene Vergangenheit, der französischen wie auch der englischen und deutschen Geschichte erwachsen. Der patriotische Geschmack im Ancien Régime Auch für die Kunstsammler in Frankreich erhielten Bilder von zeitgenössischen Malern wie Jean-Baptiste Greuze, Jean-Honoré Fragonard und Hubert Robert einen neuen materiellen wie moralischen Wert. Bislang dominierten eindeutig Werke von Meistern der italienischen Renaissance wie von niederländischen oder flämischen Künstlern den Pariser Kunstmarkt und die Bestände der bedeutenden Privatsammlungen. In der wichtigsten Sammlung der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der von Pierre Crozat (1665–1740), hatten zeitgenössische französische Meister noch keinen Platz; es dominierten italienische, niederländische und flämische Maler, vor allem Rubens und van Dyck. Noch um die Mitte des Jahrhunderts bevorzugten Pariser Eliten, wenn sie Gemälde erwarben, Bilder aus dem Goldenen Zeitalter der Niederlande. Sie galten als Inbegriff von Natur. Seit den 1760er-Jahren wuchs die patriotische Begeisterung in Intellektuellenzirkeln wie unter prominenten Sammlern. Das Sammeln französischer bildender Kunst wurde nun als kultureller Dienst und als respektable Art und Weise verstanden, wie man dieser patriotischen Neigung gerecht werden könnte. Ein Jahrzehnt später hatte die französische Malerei der Gegenwart in den Pariser Privatsammlungen endgültig einen gleichberechtigten Platz neben den Niederländern erobert. Der Wert der Bilder von Watteau und Boucher war auf dem Kunstmarkt deutlich gestiegen, und auch die führenden Enzyklopädisten unterstützten diesen Geschmackswandel. D’Alembert sah darin den Ausdruck eines nationalen Stolzes und ein Ende der ästhetischen Inferioritätsgefühle der Franzosen. Eine Sammlung wie die von La Live de Jully (1725–1779), dem Sohn einer sehr reichen Familie eines Generalsteuerpächters, umfasste 140 Bilder, die aus allen französischen Malerschulen des 17. und 18. Jahrhunderts stammten. Die besondere Wertschätzung, die die neuere französische
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Malerei in der kunstinteressierten Öffentlichkeit besaß, resultierte aus einem doppelten Nachweis der Ehre, die der patriotische Geschmack bedeutete: er war eine große Ehre für den Sammler und für die Nation. In der öffentlichen Debatte konstruierte man einen engen Zusammenhang zwischen dem Sammeln französischer Kunst und dem Allgemeinwohl des Vaterlandes. Die größte Sammlung französischer Kunst mit rund einhundert Bildern gehörte am Ende des Jahrhunderts einem Notar, Duclos-Dufresnoy; darunter waren 23 Bilder von Greuze, vier von Fragonard sowie von Vernet und Robert. Gleichwohl schützte ihn dieser Akt des kulturellen Patriotismus nicht vor der Verfolgung durch die radikalen Revolutionäre, die zwar auch von der unteilbaren Nation sprachen, aber politisch abweichende Positionen oder gar die Unter-
Jacques Louis David: Der Schwur der Horatier, Ölgemälde 1786. Zu den bedeutendsten Sammlern aus der französischen höfischen Aristokratie gehörte der Comte de Vaudreuil. Zu seinen Sammlungen zählte auch ein Meisterwerk des republikanischen Radikalismus, der „Schwur der Horatier“ von Jacques Louis David, dem späteren Chefkünstler der Revolution.
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stützung von Emigranten unter Verdacht stellten. Duclos-Dufresnoy wurde 1794 auf der Guillotine hingerichtet. Auch in Deutschland hatte sich seit den 1770er-Jahren unter den Gebildeten eine Debatte über eine deutsche Nationalliteratur und eine deutsche Nationalsprache entzündet und immer weiter ausgebreitet. Die „Deutsche Bewegung“, die sich in den 1770er-Jahren als Form einer nationalen Öffentlichkeit der Bildungsschichten in Zeitschriften, Flugschriften und Theaterstücken konstituierte, brachte den neuen Patriotismus als Gefühl und Freiheitswillen zum Ausdruck. Neue Zeitschriften wurden gegründet, die „deutsch“ in ihrem Titel führten. Wielands „Teutscher Merkur“ war die bekannteste von ihnen. Mit dem „Deutschen Museum“ wollten die Herausgeber „die Deutschen mit sich selbst bekannter und auf ihre eigenen Nationalangelegenheiten aufmerksamer“ machen. Zeugnisse der Vergangenheit aus Kunst und Technik sollten die Rückbesinnung befördern. Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740– 1817) hatte in seinem Gartenreich in Schloss Wörlitz ein „gotisches Haus“ errichten lassen, das sein Kunstmuseum beherbergte und baulicher Ausdruck seines aufgeklärten Reformprogramms war. Alles, was er plante und umsetzte, war dem Versuch gewidmet, das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden. Die Zeugnisse der Geschichte und der Kunst – der Fürst war einer von denen, die den Blick auf die bis dahin verachtete Epoche der Gotik lenkten – sollten jedermann zur besseren Bildung dienen. Die Erfindung der Neugotik war in Wörlitz und anderswo vielfach mit dem nationalen Gedanken verbunden. Fürst Franz erwarb beispielsweise in der Schweiz spätmittelalterliche Glasgemälde. Im Umfeld des Wörlitzer Reformkreises schlug schon 1768 Rudolf Erich Raspe (1737–1794), Professor aus Göttingen, die Gründung eines Museums gotischer Altertümer vor. Johann Wolfgang von Goethe wollte 1774 die Wartburg zu einem Museum zur Erinnerung an die deutsche Vergangenheit machen. Der Plan einer nationalen Akademie blieb wie so vieles vorerst in der Schublade, denn die „Deutsche Bewegung“ war eine reine Intellektuellenbewegung ohne politisches Programm, ohne eine nennenswerte politische Basis; aber der Gedanke der Nation war in der
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Welt und wurde mit den Erschütterungen durch die Französische Revolution politisch wirksam. Verlusterfahrung und national-patriotisches Rettungswerk. Wallraf, Städel und die Brüder Boisserée Das Konzept einer öffentlichen Sammlung nationaler Kunst, die sich schon vor 1789 als Idee entwickelt hatte, erhielt eine neue Dringlichkeit, als es durch die Säkularisation und den Reichsdeputationshauptschluss (1804) zu territorialen Veränderungen und vor allem zur Auflösung von Klöstern und Kirchen in den Rheinlanden kam. Dadurch wurden viele Werke sakraler Kunst herrenlos, fielen Plünderern in die Hände oder lagen buchstäblich auf der Straße. Allerdings galt das nicht für Bilder Dürers oder Holbeins, die auch im 18. Jahrhundert Höchstpreise erzielten. Die Rettung und Bewahrung sakraler Tafelmalerei und anderer mittelalterlich-religiöser Zeugnisse, die nicht von materiellem Interesse waren, galt nun als nationale Verpflichtung. Vorbild war auch in diesem Fall die Kulturpolitik der Französischen Revolution. Dort hatte die Erfahrung des Bildersturmes als Begleiterscheinung der Radikalisierung der Revolution dazu geführt, dass zur Rettung bedrohter Kunst die Idee eines Nationalmuseums im Louvre und eines Musée des Monuments Français aufgegriffen und umgesetzt wurde. Die Nation wurde 1793 vom Konvent zur Schutzherrin und Eigentümerin von Kunstwerken erklärt, die einst im Besitz von Krone und Kirche waren. Der Maler Alexander Lenoir (1762– 1839) hatte, so urteilte Wilhelm von Humboldt bei einem Besuch in Paris, begriffen, dass die bedrohten Objekte, die nicht länger Gegenstände religiöser Ehrfurcht waren, nur gerettet werden konnten, wenn sie in Kunst verwandelt würden. Lenoir richtete daraufhin im ehemaligen Kloster der Petits Augustins ein Depot bzw. einen Präsentationsort für Grabmäler, Skulpturen und Glasfenster ein, die von Enteignung oder von einem revolutionären Bildersturm bedroht waren. Die geretteten Objekte sollten von der Größe der nationalen mittelalterlichen Vergangenheit künden. Zu diesem Zweck ordnete Lenoir die Objekte in einer chronologischen Raumabfolge. Der Rundgang durch die Ge-
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schichte begann mit Objekten des 13. Jahrhunderts und endete im 17. Jahrhundert. Auch wenn seit 1805 einzelne Kirchenvorstände ihre Bestände zurückholten und mit der Restauration 1815 die Rückgabe aller Bestände angeordnet wurde, hat Lenoirs „Musée des Monuments français“ als patriotisches und historisch orientiertes Erinnerungswerk eine große Wirkung auf spätere Museumskonzepte ausgeübt. Um die Jahrhundertwende entstand in Frankreich wie in Deutschland ein neuer Typus von Sammlern. Sie sammelten nicht mehr, um eine angemessene Form der Repräsentation von Macht und Geschmack zu entfalten, sondern aus einem patriotischen Geschichtsund Kunstinteresse heraus sowie aus persönlicher Verantwortung und dem Willen zur Kunstpflege zum Nutzen für die Allgemeinheit. Zu den wichtigsten deutschen patriotischen Sammlern gehören Ferdinand Franz Wallraf aus Köln, Johann Heinrich Städel aus Frankfurt/Main und die Brüder Sulpice und Melchior Boisserée aus Köln. Mit ihren Namen sollten sich bald Museen verbinden, die auf der Basis einer Stiftung eingerichtet wurden und der Pflege nationalen Kulturgutes dienen sollten. Im Falle der Boisserée-Brüder handelte es sich schließlich um eine bedeutende Sammlung, die zu einem Grundstock der Münchner Alten Pinakothek werden sollte. Was vor allem Wallraf und Städel zu ihrer Sammler- und Museumsabsicht trieb, waren die Erfahrung des tief greifenden historischen Wandels und das Bedürfnis nach der Pflege des kulturellen historischen Vermächtnisses ihrer Städte und der „vaterländischen Geschichte“. Gesammelt hatten sie teilweise schon vor den revolutionären Umbrüchen. Ferdinand Franz Wallraf (1748–1824), Sohn eines Schneidermeisters, wurde nach einem Studium der Theologie und Philosophie Lehrer am Montanergymnasium und nach seiner Promotion in der Medizin 1793 Rektor an der Universität. Kanonikus Wallraf hatte um 1780, vor allem aus didaktischen Zwecken, damit begonnen, Mineralien, Bücher und Kupferstiche zu sammeln und sie als Anschauungsmaterial für seinen Unterricht genutzt. Er sammelte bunt durcheinander, was seinen breit gefächerten wissenschaftlichen Interessen entsprach. Erst die einschneidenden historischen Veränderungen und Umbrüche, die die französische Herrschaft im Rheinland mit sich brach-
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B. N. Salm: Wallraf in seinen Sammlungen, Zeichnung 1820. Es waren vaterländische und lokalpatriotische Interessen, die den Kölner Kanonikus Ferdinand Franz Wallraf (1748–1824) dazu brachten, bedrohte Kunst- und Altertümer vor ihrer Auflösung und Zerstörung zu bewahren. Seine unermüdlich zusammengetragene Sammlung erschien Zeitgenossen wie Goethe als „Chaos“, das sich als Grundstock späterer Kölner Museumssammlungen als sehr fruchtbar erwies.
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te, setzen Wallrafs Leben und seinen Sammlerneigungen völlig neue Akzente. Seine Begeisterung für die große Vergangenheit seiner Vaterstadt Köln verwandelte sich in ein lebendiges National- und vertieftes Geschichtsbewusstsein. Wallraf versuchte nun zu retten, was zu retten war. Er kam der Inventarisation und dem Abtransport des Kulturgutes durch französische Kommissare zuvor; als Priester und Stiftsherr besaß er so viel Vertrauen, dass ihm viele Eigentümer ihre wertvollen Gegenstände anvertrauten. Wallraf bewahrte und sammelte zunächst ohne Wahl und besondere genauere Kenntnisse: Gemälde, Handzeichnungen, Glasfenster, Kupferstiche, Holzschnitte, Bücher, Landkarten, Bronzen, geschnittene Steine, aber auch Mineralien und Herbarien, was immer sich in privaten Sammlungen oder Kirchengütern verbarg bzw. gefährdet war. Als 1802 und 1803 die allgemeine Säkularisation der Kölner Klöster und Kirchen anstand, kamen immer mehr wertvolle Objekte unter seinem Schutz zusammen und beflügelten seinen Sammeleifer. Trotz seiner bescheidenen finanziellen Möglichkeiten – mit der Säkularisation hatte er auch sein Kanonikat verloren –, tauschte oder kaufte er, was verschleudert oder zerstört zu werden drohte. Als die Franzosen Rubens’ „Petri Kreuzigung“, die in St. Peter hing, als erstes Werk verschleppt hatten, beeilte er sich, um wenigstens ein anderes großes Bild von Rubens „Die Stigmatisation des hl. Franziskus“ vor ihrem Zugriff zu retten, und erschien zu diesem Zweck persönlich bei den Mönchen in der Machabäerstraße. Eine besondere künstlerische Kennerschaft besaß er nicht, und er war sich zunächst auch nicht des kunsthistorischen Wertes der geretteten und aufbewahrten Objekte bewusst. Das kam erst durch seine Begegnung mit dem Dichter Friedrich Schlegel, der eine Zeit lang neben Wallraf Lehrer an der Kölner Centralschule war. Nun richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Kölner Maler-Schule und ordnete, vor allem mithilfe der sehr viel sachverständigeren Brüder Boisserée, die altkölnischen Tafelbilder zu chronologischen Reihen. Vorerst sammelte Wallraf alles, was er bekommen konnte, und verwahrte es in einem ungeordneten Lagerhaus. Gleichwohl kamen viele Besucher, um „Wallrafs Chaos“, wie Johann Wolfgang von Goe-
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the das unsystematische Sammeln nannte, zu bewundern. Schließlich bestellte ihn die Stadt Köln zum Hüter ihres Kulturgutes und beauftragte ihn 1815 mit der Aufstellung der von den Franzosen seit 1794 entführten Kunst- und Altertumsgegenstände. In einem Brief an den preußischen Staatsminister von Schuckmann setzte sich Goethe im November 1815 dafür ein, dass die Sammlung Wallrafs gesichert und öffentlich zugänglich gemacht werden sollte. „Er gehört zu den Personen, die bei einer grenzenlosen Neigung zum Besitz, ohne methodischen Geist, ohne Ordnungsliebe geboren sind, ja die eine Scheu anwandelt, wenn nur von weitem an Sonderung, schickliche Disposition und reinliche Aufbewahrung gerührt wird. Der chaotische Zustand ist nicht denkbar, in welchem die kostbarsten Gegenstände der Natur, der Kunst und des Altertums übereinander stehen, liegen, hängen und sich untereinander umhertreiben. Wie ein Drache bewahrt er diese Schätze, ohne zu fühlen, dass Tag für Tag etwas Treffliches und Würdiges durch Staub und Moder, durch Schieben, Reiben und Stoßen einen großen Teil, seines Wertes verliert.“ Fast könnte man meinen, dass Goethe die geretteten Objekt nun vor Wallrafs chaotischem Sammeleifer meinte retten zu sollen. Denn wie Wallraf seine Schätze aufbewahrte bzw. seine Sammlung anlegte, ohne erkennbare Systematik und vor allem von seinem Sammler- und Besitzertrieb geleitet, musste bei Goethe auf Abneigung stoßen; schließlich widersprachen sein Weltbild und sein Sammelsinn dem von Wallraf diametral. Zugleich meinte der Geheime Rat damit eine Verhaltensform des Sammelns zu benennen, die uns bei vielen Sammlern begegnet: das Glück nämlich zu besitzen, was andere nicht haben. Diese Charakterisierung übersieht freilich die kulturellen Motive Wallrafs, nämlich die Rettung von bedrohten Kulturgütern. Für diese patriotischen Motive in einer Zeit eines erwachenden Nationalbewusstseins spricht auch seine testamentarische Verfügung von 1816, die er mehrfach erneuert hat. Er setzte die Stadt Köln zur Erbin seines gesamten Nachlasses ein, „unter der ausdrücklichen unnachlässigen Bedingung, daß meine Kunst-, Mineralien-, Mahlerei-, Kupferstich- und Bücher-Sammlung zu ewigen Tagen bey dieser Stadt und Gemeinde zum Nutzen der Kunst und Wissenschaft verbleiben,
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derselben erhalten und unter keinem erdenklichen Vorwande veräußert, anderswo verlegt, aufgestellt und derselben entzogen werden soll“. Für die Stadt Köln, die das Legat annahm und dem Stifter eine Leibrente aussetzte, wurde die Sammlung Wallrafs zum Grundstock ihres Museumsbesitzes. Als Wallraf 1824 starb, hinterließ er seiner Vaterstadt ein reiches Kunst- und Kulturerbe, das allerdings seine chaotische Genese kaum verbergen konnte. Dazu zählten eine wissenschaftliche Sammlung mit Tausenden von Handschriften, Urkunden und Fossilien; vor allem aber eine Kunstsammlung mit 1616 Gemälden, 3875 Handzeichnungen, 38 254 Kupferstichen und 3165 Holzschnitten. Schließlich eine Antikensammlung mit 38 Marmorantiken, 104 „vaterländischen Altertümern“ und 323 geschnittenen Steinen, 5958 Münzen, 96 Rüstungen und Waffen. Auch die bunte Zusammensetzung seiner Sammlung demonstrierte es noch einmal: Wallraf war und blieb ein „gelehrter Antiquarius“ (E. Mai), der angeregt durch Aufklärung und Romantik, herausgefordert durch die revolutionären Umbrüche seiner Zeit ganz uneigennützig ein patriotisches Werk vollbringen wollte. Ganz anders der vermögende Frankfurter Kaufmann und Bankier Johann Heinrich Städel (1728–1816), der mit Strenge und Sorgfalt seine Sammelpraxis offenbar so betrieb wie seine Geschäfte. Seine früh erwachte Liebe zur Kunst pflegte er durch massenhafte Ankäufe und Ansammlungen von Gemälden, Zeichnungen, Kupferstichen und Plastiken. Er setzte damit die Tradition Frankfurter Patriziersammlungen fort und wollte die Liebe zur Kunst und die ästhetische Erziehung ganz aus dem Geist der Aufklärung zu einem öffentlichen Anliegen machen. Am Ende besaß er allein 495 Gemälde. Dazu kamen Kupferstiche, Handzeichnungen und Antiken. Was Städel ferner von Wallraf unterschied, war sein schon frühzeitig entwickelter Gedanke, auf der Grundlage seiner Sammlung eine öffentliche Kunstanstalt zu gründen, eine kleine Kunstakademie nach dem Vorbild der Fürstenhöfe. Der Gedanke einer Stiftung war von lokal- und allgemeinpatriotischen Motiven bestimmt. Zentrale Elemente der Stiftung sollten darum nicht nur die öffentliche Sammlung sein, sondern eine Zeichenschule. Junge Künstler und Frankfurter Bürger sollten hier zur
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Kunstmehrung und Kunstausbildung, insgesamt zur Hebung des Geschmacks, unentgeltlich in Malerei, im Kupferstechen, aber auch in Mathematik und Baukunst unterrichtet werden. Bei entsprechenden Fähigkeiten sollten überdies Stipendien zur Förderung der Begabungen ausgesetzt werden. Um die bürgerliche Stiftung materiell überlebensfähig zu halten, stellte er es, ganz im Unterschied zu Wallraf, den späteren Verwaltern der Stiftung frei, alles, was von seinen hinterlassenen Kunstgegenständen nicht länger als sammlungswürdig erachtet würde, auszusondern, zu verkaufen oder gegen andere Werke einzutauschen. Seine Nachlassnehmer haben von dieser Befugnis bald nach seinem Tode ausgiebig Gebrauch gemacht: Nur 130 Bilder aus dem Bestand von insgesamt 495 Gemälden wurden in die Galerie aufgenommen. Städel hatte vor allem Niederländer und deutsche Barockmaler gesammelt. Gefragt waren aber in den ersten Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts altdeutsche Werke, frühe Italiener und die Kunst der Gegenwart. Schon 1817 kauften die Verwalter der Stiftung darum 90 Bilder aus der Sammlung von Frau de Neufville, die später wieder zum großen Teil verkauft wurden. Es waren also weniger Städels Kunstbesitz im engeren Sinne, der die Stiftung für das Kunstleben in Frankfurt bis heute so attraktiv machte, als das Bekenntnis Städels zur Freiheit der Kunst und die reichen Geldmittel, die der Stiftung zur Verfügung standen. Sie erlaubten ihr den Aufbau und die Erweiterung einer wertvollen Kunstsammlung. Auch für die Brüder Sulpiz Boisserée (1783–1854) und Melchior Boisserée (1786–1851), die aus einer angesehenen Kölner Kaufmannsfamilie stammten, bedeutete die Erfahrung des revolutionären Umbruchs am Ende des 18. Jahrhunderts den Anstoß zur Beschäftigung mit der Kunst und zum Sammeln. Auch sie begannen mit der Rettung von Kunstbesitz aus aufgehobenen Kirchen und Klöstern, nachdem sie sich schon früh dem Studium der Literatur und bildenden Kunst zugewandt hatten. Sulpiz hatte seit seiner Kaufmannslehre in Hamburg Kontakt mit kunst- und literaturinteressierten Hamburger Bürgern und kannte deren Kunstsammlungen. Entscheidend für den weiteren Lebensweg der beiden Brüder war, nach der Rückkehr von Sulpiz nach Köln ihre Bekanntschaft mit dem Juristen Johann
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Baptist Bertram (1776–1841), einem begeisterten Anhänger der entstehenden romantischen Bewegung. Mit Bertram besuchten sie 1803 das nachrevolutionäre Paris und besichtigten auch das „Musée Napoléon“, wo man neben den Beständen des Louvre die aus allen europäischen Ländern, über die Napoléon herrschte, zusammengebrachten Kunstwerke, Raubkunst also, besichtigen konnte. Ein Panorama des europäischen Kunstbesitzes, das freilich als Raubkunst zusammengetragen und 1815 nach dem Sturz Napoléons wieder aufgelöst wurde. Außerdem lernten sie Friedrich und Dorothea Schlegel kennen, die später auch Wallrafs Weg zum vertieften Kunstverständnis öffnen sollten. Zurück in Köln, verglichen die Brüder Boisserée das, was vor der Revolution zum Kunstbesitz von Köln gehörte, mit dem, was dort davon übrig geblieben war. Das brachte eine Verlusterfahrung, die sie für die noch in Köln verbliebene sakrale Kunst besonders sensibel machte. Mit Bertram besuchten sie das Altargemälde Stephan Lochners aus der Rathauskapelle, das auf Schlegel und seine Begleiter einen nachhaltigen Eindruck machte. Der Anblick eines anderen Altarbildes, das auf einer Tragbahre über den Neumarkt getragen wurde, gab den Boisserées den Anstoß zum eigenen Kunsterwerb. Danach kauften sie bei der Auflösung der Abtei Heisterbach größere Kunstbestände und erwarben Flügel des einstigen Hausaltars von Albrecht Dürer aus der ehemaligen Sammlung Jabach, der sich im Klarissenkloster befand; später den Dreikönigsaltar von Rogier van der Weyden und andere Altarbilder. Auch als sie im März 1810 für neun Jahre nach Heidelberg zu dem dortigen Kreis der Romantik übersiedelten, blieben die Rheinlande ihr wichtigstes Sammel- und Rettungsgebiet. In Heidelberg konnten sie auch ihre bislang verstreute Sammlung erstmals zusammenführen und zeigen. Ähnlich wie Wallraf, mit dem sie schon in Köln in Berührung gekommen waren, hatten sie sich ganz der mittelalterlichen und der deutschen Malerei der Renaissance verschrieben; deren Rettung vor Zerstörung, aber auch deren Entdeckung und Deutung. Denn anders als Wallraf verbanden sie den Gedanken der Bewahrung mit der Ideologie der Romantik, die Kunst als Religion verstand und als Zeugnis nationaler Vergangenheit verehrte. Die heilige Kunst zu retten und
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deren nationales Wesen zu erkennen, wurde für sie Antrieb auch für einen stärker kunstwissenschaftlichen Umgang mit den Bildern. Die deutsche Kunst sollte rehabilitiert und publiziert werden. Neben dem Sammeln und Zeigen widmete sich besonders Sulpiz Boisserée kunstgeschichtlichen Interpretationen, die im historischen Rückblick äußerst eigenwillig und nicht haltbar erscheinen, zu ihrer Zeit aber auch die Unterstützung Goethes fanden. Immer wieder ging es um die Entdeckung und Erklärung der spätmittelalterlichen Blüte der Kunst des Niederrheins und von Köln. Dass dabei der Bogen zur griechisch-byzantinischen Kunst geschlagen wurde, überrascht nicht angesichts der Vorliebe der Zeit gerade für die Kunst des griechischen Altertums. Aus den Erfahrungen der eigenen Sammlertätigkeit und den vielfachen Initiativen romantischer Schriftsteller und Altertumsforscher zur Gründung von Geschichts- und Altertumsvereinen entstand, mit der Zunahme der romantischen Gefühle und Bewegungen, in den beiden ersten Jahrzehnten des nachrevolutionären Jahrhunderts an verschiedenen Orten der Gedanke, eine Galerie für nationale Kunst zu gründen. Die persönlichen Neigungen und Interessen von Sammlern wie den Boisserées trafen sich mit den Bemühungen weiter Kreise von Künstlern und Gelehrten, die mit den auszustellenden Bildern und historischen Zeugnissen eine nationale Sammlung begründen wollten. Die Sammlung der Boisserées, die nach ihren eigenen Vorstellungen ein Grundstock dafür sein sollte, sollte zu diesem Zweck als geschlossenes Ganzes verkauft werden, und Interesse daran bestand vielerorts: in Berlin, in Frankfurt oder in Stuttgart. Doch niemand konnte oder wollte das Geld dafür aufbringen oder wollte es sich mit den einheimischen Künstlern verscherzen, die ihrerseits von einer Förderung ihrer Kunst träumten. So kam die Sammlung Boisserée, bestehend aus 213 Gemälden, schließlich 1827 nach München, wo sie König Ludwig I. für 240 000 Gulden erwarb. Dort verlor sie allerdings ihren repräsentativen Status und wurde in die übrigen Museumssammlungen integriert, ohne noch weiter ins Gewicht zu fallen. Immerhin hatten die Brüder Boisserée, wie der Kölner Kunsthistoriker und Museumsdirektor Ekkehard Mai feststellte, die Initiativen von
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Wallraf und Städel fortgesetzt und das bürgerliche Sammeln in den Rang einer nationalen Aufgabe erhoben bzw. hoffähig gemacht. Der Monarch als Sammler und die Museumsgründungen im Vormärz Nach dem Ende einer fast zwanzigjährigen Phase von Kriegen, politischen Umbrüchen und wirtschaftlichen Krisen kam es 1815 mit der Etablierung einer nachrevolutionären Ordnung, die zwischen Restauration, Reform und Wiederkehr der Revolution oszillierte und die nach der Erschöpfung durch Kriege und Revolutionen nur oberflächlich eine ins Biedermeierliche driftende Beruhigung zu bringen schien. Doch mussten auch die Fürsten trotz des äußerlichen Festhaltens an dem monarchischen Gehäuse der Tradition immer wieder Zugeständnisse an die bürgerlichen Emanzipationsbewegungen und die wirtschaftlichen bzw. rechtlichen Veränderungen machen. Das sich entfaltende moderne, zunehmend bürokratische Staatswesen trennte sich von der Person des Monarchen und gab bürgerlichen Kräften neue Handlungsmöglichkeiten. Auch wenn der Monarch für lange Zeit noch im Zentrum der Politik und auch der Kunstförderung blieb, sollten die Kräfte der Bewegung und Veränderung auf Dauer stärker werden. Auch die fürstliche Kunstförderung blieb von dem neuen monarchisch-bürokratischen Herrschaftstypus nicht unberührt. Zahlreiche Fürsten öffneten ihre Kunstkammern dem Publikum und traten auch verstärkt als Mäzenaten auf. Auch die privaten Sammlungen waren von den revolutionären Umbrüchen und Krisen nicht unberührt geblieben. Neben vielen Zusammenbrüchen und Veräußerungen von Sammlungen gab es, begünstigt durch temporäre wirtschaftliche Konsolidierungen, Aufbrüche und Neuformierungen, die in vieler Hinsicht Bedürfnisse und Einstellungen der vorausgegangenen Jahrzehnte aufgriffen und weiterführten. Mit dem allmählichen Erlöschen der romantisch-patriotischen Stimmung kam das Sammeln altdeutscher Malerei keineswegs zum Erliegen. Auch die Geschichte der bürgerlichen Privatsammlungen erlebte viele Anfänge. In vielen Städten entstanden im Umfeld von Residenzen und der monarchisch-
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staatlichen Macht neue Sammlungen, und auch das monarchische Sammeln prägte nach den Erschütterungen durch Revolutionskriege und napoleonische Herrschaft weiterhin die Kunst- und entstehende Museumslandschaft. Die Rhetorik der Restauration erweckte den Eindruck, dass sich nichts geändert hätte. Doch gab es trotz der Wiederherstellung monarchischer Souveränität und Legitimität nach dem Wiener Kongress von 1815 einige tief greifende politische, gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen, die auch die Bedingungen und die Formen des Sammelns und Förderns von Kunst veränderten. Vor allem der Aufstieg des Bürgertums und sein wachsender Anspruch auf politisch-soziale Teilhabe erweiterten schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts und erst recht danach die Interessen und Bedürfnisse neuer sozialer Schichten in Gesellschaft und Kultur. Bürgerliche Mentalitäten und kulturell-ästhetische Formen der Lebensführung und -gestaltung änderten sich zwar nur schrittweise und keineswegs widerspruchsfrei, doch die veränderten gesellschaftlichen Erwartungen und Ansprüche zwangen die monarchischen Staaten zur Ausweitung staatlicher Verwaltungstätigkeit sowie zu deren Anpassung an bürgerliche ästhetische Kultur- und Kunstvorstellungen. Der Fürst als Sammler und Mäzen konnte nicht mehr durch Kunstförderung allein und unbestritten seine absolute Macht zum Ausdruck bringen, sondern er versuchte durch die Förderung der Künste und die Öffnung bzw. Übertragung seiner Sammlungen seine Herrschaft neu zu begründen. Das berührte auch die Ausrichtung und Begründung von Kunstsammlungen, von dem sozialen Profil der Sammler bis hin zu den Formen der Präsentation und öffentlichen Zugänglichkeit von Sammlungen. Diese Veränderungen lassen sich als Demokratisierung des Sammelns beschreiben, ohne dass man die engen sozialen Grenzen dieser Öffnung übersehen darf. Die Monarchie wurde immer stärker bürokratisiert, der Monarch war bei wachsenden Staatsaufgaben, auch im Bereich von Kunst und Kultur, immer mehr auf seine Beamten und eine Staatsverwaltung angewiesen, die sich tendenziell von seinem Willen emanzipierten. Auch im Bereich der Kulturverwaltung entstanden, in durchaus unterschiedlicher Intensität, zentrale Ver-
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waltungen und Beauftragte für die staatlich-monarchischen Sammlungen und Kunstförderung, die mit ihrer Expertise zu gefragten Beratungs- und Entscheidungsinstanzen werden konnten, solange der Monarch sich wenig in Kunstsachen einmischte. Dafür bekam der Monarch umgekehrt Freiräume, um seine Lebensführung neben den Verpflichtungen von Politik und Repräsentation stärker nach privaten, fast schon bürgerlichen Vorstellungen zu organisieren. Der bayerische König Ludwig I., ein großer Förderer der Künste, genoss es, sich ohne größere Hofhaltung und Etikette auf Kunstreise nach Italien begeben und für eine kurze Zeit als „Privatmann glücklich“ zu leben. Dazu gehörte es auch, einen eigenen Geschmack für die private Kunstsammlung zu entfalten, ohne freilich die Verpflichtung zur Pflege und Förderung der öffentlichen Kunstsammlungen zu vernachlässigen. Die persönliche Beziehung des Monarchen zur Kunst konnte weiterhin für Künstler und Sammlungen entscheidend sein, nur konnte sich das unterschiedlich auswirken. König Wilhelm I. von Württemberg schätzte, durch Kunstreisen nach Italien 1838 und 1839 mit dortigen Kunstsammlungen und jungen Künstlern vertraut, zunehmend die neue Mode der Orientmalerei und erwarb Originale und Kopien mit orientalisch beeinflussten Sujets. Dadurch wurde die herkömmliche Ausrichtung der königlichen Sammlungen der Landschafts-, Tier- und Genremalerei verdrängt bzw. in den Bereich der öffentlichen Sammlungspolitik verwiesen. Der König pflegte in seinen Schlössern seinen privaten Geschmack. Was für Könige und Bürger, für Beamte, Kunstverwalter und Sammler immer stärker zur Verpflichtung und Orientierung wurde, war die Idee der Nation. Sie bestimmte immer stärker Denken, Fühlen und Handeln, auch wenn mit Nation und Vaterland sich ganz unterschiedliche Geschichts- und Wertvorstellungen sowie Geschmacks- und Sammlungspräferenzen verbinden konnten. Sie konnten sich an sehr vagen Zuschreibungen eines Kunstwerkes oder Bildprogrammes als „vaterländisch“ ausrichten oder aber eine sehr viel modernere Nationsvorstellung vorziehen, die durchaus zu Bekenntnisakten und einem strikten pädagogischen Bildungsprogramm wie zu Inklusions- und Exklusionshaltungen aufforderten.
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Monarchische Sammlungen und bürgerliche Sammlungen bestanden mithin in vielfacher Verschränkung nebeneinander und nicht in einer strikten Oppositionshaltung gegeneinander. Das Sammlerund Mäzenatenwesen entfaltete sich im frühen 19. Jahrhundert auf breiter Front ebenso in Residenzstädten wie auch in bürgerlichen Handelsstädten. Überall entstanden neue bürgerliche Sammlungen und neue Gemeinschaftsformen von Kunstfreunden und -förderern in Form von Museums- und Kunstvereinen. Sie waren durch die vielfältigsten Motive und Interessen miteinander verbunden, die schon am Beispiel von Wallraf, Städel und den Boisserées zu beobachten waren. Antiquarische Motive verknüpften sich mit pädagogischen Motiven, soziale Prestige- und Aufstiegsbemühungen mit wirtschaftlichem Machtstreben und politischen Repräsentationsbedürfnissen. Das gilt für bürgerliches Sammeln wie für die dynastisch-monarchische Sammeltätigkeit und Kunstförderung. Letztere blieb noch lange bis über die Jahrhundertmitte hinaus tonangebend, und es gab keineswegs ein schroffes Gegeneinander von bürgerlichem Partizipationsanspruch einerseits und monarchischer Traditionswahrung andererseits. Im Gegenteil, es gab in der bürgerlichen Sphäre nach wie vor große Beharrungskräfte des Geschmacks (neben immer wieder auftretenden Innovations- und Modernisierungsschüben) einerseits und eine bemerkenswerte ästhetisch-kulturelle Modernisierungsbereitschaft im höfischen Leben, besonders von kleinen Residenzen, andererseits. Auch hatten bürgerlicher Kunstbetrieb und Kunstverständnis lange keine Probleme mit der engen Anbindung und Einbindung bürgerlich-genossenschaftlicher Initiativen von Kunstvereinen oder Museumsvereinen in die monarchisch bestimmte Kunst- und Museumsszene. Veränderungen brachte allerdings der Beginn des Museumszeitalters mit der ersten Welle von Museumsgründungen in den 1830erJahren und ihrer explosionsartigen Fortsetzung nach 1848 für die Rolle der privaten Sammler. Denn das öffentliche Museum, das keineswegs erst mit der Französischen Revolution geboren wurde, sondern durch zahlreiche fürstliche Initiativen zur Öffnung und Neubestimmung ihrer Sammlungen schon vor 1789 vorangetrieben worden
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war, wurde zu einer großen Herausforderung, aber auch Chance für den privaten Kunstsammler; selbst für den weiterhin sammelnden Monarchen, der sich für seine private Sammlung nun ganz auf seine Neigungen und seinen Geschmack konzentrieren konnte, während er sein öffentliches Residenzmuseum weiterhin nach traditionellen Kriterien förderte. Zu den Sammler-Persönlichkeiten des frühen 19. Jahrhunderts, die auch das öffentliche Sammeln beeinflusst und sich selbst in ihrer Stadt einen Namen bzw. sozialen Rang erworben haben, gehörten neben den schon erwähnten Ferdinand Franz Wallraf, Johann Heinrich Städel und den Brüdern Boisserée vielerorts Repräsentanten der städtischen Oberschichten; Rats- und Handelsherren oder Kaufleute wie Gottfried Winckler, Johann Thomas Richter und eine Generation später Maximilian Speck von Sternburg in Leipzig; Johann Michael Speckter oder Carl Friedrich Freiherr von Rumohr in Hamburg; in Berlin nach Johann Ernst Gotzkowsky später James und Eduard Simon und viele andere. Deren Inititiativen mündeten nach langen Anstrengungen irgendwann in die Gründung eines Museums oder in die Stiftung einer größeren Sammlung für ein im Entstehen begriffenes Museum. Damit wollten die Stifter und Mäzene weniger die eigene Sammlung vor dem Zugriff geldgieriger Erben retten, sondern sie verstanden ihre Museumsstiftung als öffentliches patriotisches Vermächtnis zum Wohle ihrer Stadt oder Nation. Ganz in die Sammlungstradition seiner Stadt stellte sich, eine Generation nach den Wallrafs, Städels und Wincklers, der erfolgreiche Leipziger Handelsherr und Agronom Maximilian Freiherr Speck von Sternburg (1776–1856), der als Sohn eines Gastwirts und Jägers aus bescheidenen Verhältnissen stammte und durch großen Fleiß und durch nicht endende autodidaktische Anstrengungen in kurzer Zeit vom Handelsgehilfen zum erfolgreichen Kaufmann im Wollhandel und Landwirtschaftsreformer aufgestiegen war. Gekrönt wurde sein Aufstieg 1827 mit seiner Erhebung in den Freiherrnstand durch den bayrischen König. Speck hatte 1807 nach ausgedehnten Reisen und nach der Verleihung des Bürgerrechts der Stadt Leipzig an den jungen Kaufmann mit dem Sammeln von Gemälden begonnen. Die
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Zeit nach den napoleonischen Kriegen war offensichtlich günstig für den Erwerb von größeren Kunstsammlungen. Gleich mehrere standen in Leipzig und anderswo zum Verkauf an. Auch die beiden Privatsammlungen von Gottfried Winckler und Johann Thomas Richter waren von ihren Erben nicht mehr zu halten und bereits in alle Winde verstreut. Wer durch Krieg und Kontinentalsperre vorübergehend zu Geld gekommen war, legte sich eine Sammlung zu, auch um durch einen günstigen Weiterverkauf daraus einen finanziellen Gewinn zu ziehen. Auch Maximilian Speck war diese Einstellung zunächst nicht fremd, denn noch 1820 hatte er inkognito in Leipzig einen Teil seiner Kunstkollektion vermutlich aus ökonomischen Motiven versteigern lassen. Zwei Jahre später erwarb er das Lehnsgut Lützschena bei Leipzig. Später hat er allerdings die Unveräußerlichkeit seiner Sammlung betont und auch testamentarisch festlegen lassen. 1827 legte er zeitgleich mit seiner Adelserhebung einen ersten Bestandskatalog seiner Sammlungen vor; auch das war vermutlich schon ein Zeichen dafür, dass er nicht mehr am raschen Verkauf interessiert war. Vor allem war er nun stolz darauf, den Bestandskatalog auch Goethe vorlegen zu können und von diesem als ernst zu nehmender Sammler anerkannt zu werden. Schon 1820 bei der ersten Versteigerung von rund 120 seiner Gemälde hatte er sich, nicht ohne auf die erworbene Kennerschaft zu verweisen, in die lokale Tradition großer Leipziger Kunstsammlungen von Gottfried Winckler und Johann Thomas Richter gestellt und in dem Katalog von 1827 die Provenienz seiner Sammlung stolz benannt. Nicht nur aus der mittlerweile verstreuten Hinterlassenschaft von Winckler und Richter hatte er seine Sammlung vermehrt, sondern durch Einzelerwerbungen oder größere Ankäufe von geschlossenen Sammlungen im In- und Ausland. Danach nannte er, wann immer die Vorbesitzer zu ermitteln oder preiszugeben waren, deren Namen, um sich und seiner Sammlung damit gleichsam ein Gütesiegel zu verleihen. Herkunft und Bewahrung des Erworbenen dienten ihm als Mittel, um das eigene Gespür für Qualität und den persönlichen sozialen Aufstieg zu dokumentieren. Denn nicht wenige der erworbenen Sammlungen stammten von adligen Besitzern.
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Seine Kunstsammlung, die schließlich mehr als 1000 Gemälde und 800 000 Kupferstiche umfasst haben soll, war in der kunsthistorischen Breite der Sammelgebiete und in der Qualität einiger ihrer Objekte beachtlich genug, um auch mit einigen fürstlichen Sammlungen konkurrieren zu können. Auf jeden Fall gewährte sie soziale Anerkennung und war Zeugnis bürgerlichen Selbstbewusstseins. Bezogen auf ihre künstlerischen und kunsthistorischen Schwerpunkte waren die Vorlieben oder die Auswahl, die Speck unterstützt von einem Netzwerk von Kunsthändlern und städtischen Kunstfreunden traf, konventionell. Die Niederländer und Flamen des 17. und 18. Jahrhunderts standen im Mittelpunkt seiner Sammlung; das war eine Präferenz, die sich kaum von der seiner Vorgänger und Vorbilder Winckler und Richter unterschied. Danach kamen Werke der altdeutsch-niederländischen Tafelmalerei in seine Sammlung und erst in späteren Jahren auch Gemälde von zeitgenössischen, noch lebenden Künstler. Deren Werke hatte er unmittelbar bei ihnen erworben und ab und zu auch in der Tradition des Kunstmäzens bei ihnen in Auftrag gegeben. Der Münchener Maler Peter von Hess sollte für ihn 1839 eine Kriegsszene aus der Leipziger Völkerschlacht in der Gegend von Lützschena malen. Der Auftrag wurde offenbar weniger aus lokalpatriotischen Motiven vergeben, sondern aus der Genugtuung des Kunstförderers und Auftraggebers, der zudem in Lützschena 1822 aus einer Zwangsversteigerung ein Lehnsgut erworben hatte. Der Kauf hatte ihm das Amt eines Erb-, Lehens- und Gerichtsherren sowie eines Kirchenpatrons eingebracht und die Möglichkeit eröffnet, vor den Toren der Stadt eine respektable Residenz zu besitzen, die ihm umgeben von seinen Kunstsammlungen den Lebensstil eines Patriziers erlaubte. Allerdings würde man den Kunstsinn von Speck leugnen, wenn man die Gemälde, die er erworben und zu einem größeren Teil in seinem Domizil in Lützschena aufgehängt hatte, als bloßes Instrument der adligen Repräsentation und Dekoration seines Hauses missverstehen wollte. Er hatte das Gut wohl auch erworben, um genügend Platz für seine ständig wachsende Sammlung zu bekommen. Die alten Meister hatte er weitgehend auf dem Kunstmarkt erworben, die jüngeren Werke direkt von den Malern. Dazu gehörten Wer-
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ke von Caspar David Friedrich, Wilhelm von Schadow und Carl Spitzweg. Betrachtet man die Spannweite und Vielfalt der Sammlung, so ist ein Fortschreiten in den ästhetischen Präferenzen erkennbar. Das, was in seinen Jugend- und Anfangsjahren bei ihm hoch im Kurs stand, nämlich Werke von Rogier van der Weyden und Lucas Cranach bzw. Peter de Hoch, wurde abgelöst von zeitgenössischen Werken; ein Beweis für die Wandlungsfähigkeit des Sammlers. Zu den Bedingungen und Ausprägungen von Kunstsammeln und Kunstfördern hatte schon immer der enge Kontakt des Sammlers mit Experten und Kennern gehört, mit Künstlern, Kunstagenten und Kunsthändlern. Kunstsammeln war und ist ohne Kommunikation kaum denkbar. Das zeigen uns auch die zahlreichen Gemälde und Zeichnungen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die den Sammler und seine Sammlung als Mittelpunkt des Gesprächs darstellten. Für den Handelsherren Speck von Sternburg hatte das Sammeln von Kunst – und diese Auffassung hatte sich bei ihm offenbar allmählich gebildet – einen weitergehenden Auftrag. Für den Sammler gehörte nach seiner Ansicht neben der „Kennerschaft für Kunst ein gebildeter Geschmack, Liebe für die Sache, ein inniges Gefühl und Unabhängigkeit der Meinung“. Wichtiger für ihn jedoch war der enge Zusammenhang von Kunst und Leben. Kunst solle nicht bloß dem Vergnügen und auch nicht allein der Bildung dienen, sondern an das Leben heranführen und das Essenzielle des Lebens wiedergeben. Darum müsse Kunst letztendlich den Menschen für Gott und die Religion empfänglich machen. Nicht viel anders hätten das Wallraf und die Brüder Boisserée formuliert. Zu dem Netzwerk, das fürstliche wie bürgerliche Sammler umfasste und in dem auch Speck seinen festen Platz hatte, kam in der beginnenden Moderne des frühen 19. Jahrhunderts eine weitere Kommunikationsform hinzu, der Verein. Kunstvereine und Museumsvereine entstanden seit den 1820/30er-Jahren in fast allen Städten, und sie wurden inmitten einer sich auflösenden und transformierenden ständischen Gesellschaft aus verschiedenen Motiven gegründet. Neben der Geselligkeit und Kommunikation bestand meistens ein praktischer
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Vereinszweck; im Falle der Kunstvereine war dies oft die Gründung einer öffentlichen, institutionalisierten Sammlung oder Galerie. Auch in Leipzig hatten schon die Sammler Winckler und Richter die Sozietät, die sich in ihren Galerien gebildet hatte, in eine Gemäldesammlung oder in ein Museum überführen wollen. 1837 wurde dann in Leipzig endlich ein Kunstverein gegründet, aus dem heraus 1848 ein Museum entstand. Speck hat bei der Gründung des Vereins und bei seinen weiteren Aktivitäten mitgewirkt, ohne allerdings der wirkliche Gründungsvater zu sein. Er war ein Förderer, der nach dem Urteil von Herwig Guratzsch zugleich „auf Distanz blieb“ und der das entstehende Museum offenbar kaum materiell unterstützt hat, von einigen Schenkungen abgesehen. Für den Fall, dass kein Erbe für die Übernahme seiner Sammlung mehr vorhanden sein sollte, so verfügte er 1852, sollte allerdings die „Sternburg’sche Sammlung“ an das städtische Kunstmuseum übergehen.
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7. Die Blütezeit bürgerlichen Sammelns. Alte Meister und moderne Kunst in Villen und Museen
In seinen Erinnerungen an Berlin als neuer deutscher Reichshauptstadt beobachtete der dänische Schriftsteller Georg Brandes 1885 die Ausbildung einer großstädtischen Sammler- und Stifterkultur, die Berlin auf eine Stufe mit den Kulturmetropolen London und Paris stellte. Kunstbesitz wurde für eine großbürgerlich geprägte Oberschicht zu einem wichtigen Merkmal ihres Lebensstils. Bürgerlicher Reichtum werde nicht selten „in den Dienst der Kunst oder eines künstlerischen Luxus gestellt“. Die Zahl der privaten Kunstsammlungen wuchs im kaiserlichen Berlin, aber auch in anderen Residenzstädten wie München und Dresden sprunghaft an. Auch die Formen ihrer Aufbewahrung und Präsentation veränderten sich. Immer weniger Sammler hängten ihre Kunstwerke noch in Kabinetten auf, die von ihrem Wohnraum getrennt waren. Sie vereinten und zeigten vielmehr ihre Schätze in den mit Rokoko-Möbeln ausgestatten Repräsentationsräumen ihrer luxuriösen Villen, die ihnen zum häuslichen Leben wie zur gesellschaftlichen Repräsentation dienten. Sie demonstrierten damit den engen Zusammenhang von Kunst und Leben, vor allem von Sammeln und sozialer Repräsentation bzw. Distinktion. Auch in ihrem Verhältnis zur Öffentlichkeit unterschieden sich die Sammler des Kaiserreichs von ihren Vorgängern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; sie betrachteten ihre Sammlungen als ihre private Sphäre und hielten ihre Sammlungen zusammen, bis sie nach ihrem Tod als Stiftung ausgegeben oder aufgelöst wurden. Sammlermuseen, wie sie vor allem in den USA, aber auch in Frankreich üblich waren, bildeten eher die Ausnahme. Dafür änderten sich die Formen der Kunstförde-
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rung und des Mäzenatentums; alte und neue Kunstsammler und Förderer gründeten lokale Kunst- und Museumsvereine als Formen einer kollektiven Förderung oder schlossen sich diesen an. Einige dieser Vereine, wie der Berliner Kaiser-Friedrich-Museums-Verein, achteten besonders auf ihre Exklusivität. Sie nahmen nur finanziell potente Förderer auf, die zugleich über die Kennerschaft eines Sammlers verfügen sollten. Sammler und Mäzene waren Teil eines großbürgerlich-städtischen Netzwerkes der „feinen Gesellschaft“ und konnten diese auch für ihre Sammel- und Förderpraxis interessieren. Ihre privaten Galerien, die zugleich Salons waren, rückten in den Mittelpunkt glanzvoller Soireen in ihren neuen Villen im Tiergarten. Die Sammler suchten auch enge Kontakte zu den Kunstexperten der Berliner Museen, wie diese umgekehrt ohne die finanzielle Unterstützung ihrer vermögenden Mäzene ihre Sammlungen nicht in dem spektakulären Umfang hätten erweitern können, durch den Berlin in kurzer Zeit zu einer Kunst- und Museumsstadt wie Dresden oder München werden konnte. Die Berliner Sammlerkultur fand 1883 zum ersten Mal eine unübersehbare öffentliche Selbstdarstellung durch die „Ausstellung von Gemälden älterer Meister im Berliner Privatbesitz veranstaltet zu Ehren der silbernen Hochzeit des Kronprinzen und der Kronprinzessin“. Weitere Ausstellungen dieser Art sollten periodisch folgen. Innerhalb eines halben Jahrhunderts hatten sich die Bedingungen und Formen des privaten und öffentlichen Sammelns grundlegend verändert. Die Ursachen für diesen kulturellen Wandel, der seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingetreten war und der zu dem Sammlungsboom geführt hatte, waren vielfältiger Art: Mit dem großen wirtschaftlichen Aufschwung des Deutschen Kaiserreichs in den sog. Gründerjahren und als Folge des Industrialisierungs- und wirtschaftlichen Wachstumsschubs wuchsen die Großstädte; es entstanden große Vermögen, die städtische Gesellschaft erlebte eine neue, quantitativ bisher unbekannte Urbanisierungswelle. Alles schien in Bewegung zu geraten, die Massenmobilisierung wuchs und mit ihr die Bedeutung der öffentlichen Meinung. Mit dem prosperierenden Wirtschaftsbürgertum formierte sich eine selbstbewusste soziale
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Schicht, die ihren Reichtum im Bau von prunkvollen Villen und der Präsentation ihres Bildungs- und Kunstsinns zeigte. Denn der öffentliche Wert von Kunst und Kultur wuchs und bekam eine zunehmende Bedeutung für das Selbstbild der Nation. Der kulturpolitische Ehrgeiz des Gründerzeitalters und der jungen deutschen Großmacht äußerte sich in einer imposanten Urbanisierungs- und städtischen Baupolitik, die sich allein schon aus der Notwendigkeit ergab, vor allem für die junge Reichshauptstadt mit ihrem gewaltigen Bevölkerungswachstum eine angemessene Infrastruktur, aber auch großzügige und imperiale öffentliche Bauten von Regierungsgebäuden bis hin zu Museen zu errichten. Für die wirtschaftsbürgerlichen Schichten, die von diesem Boom profitierten und zu teilweise gewaltigen Vermögen gekommen waren, bedeutete Kunstsammeln und Kunstfördern die Chance, ihren ökonomischen Aufstieg und ihre Hoffnung auf wachsendes gesellschaftliches Ansehen durch soziale und kulturelle Würde- und Ausdrucksformen zu fördern bzw. zu festigen und auch in Bezug auf ihren kulturellen Anspruch sich als Repräsentanten einer Geistesaristokratie zu verstehen. Damit wollten und konnten auch die wirtschaftsbürgerlichen Eliten, deren Vermögen erst jüngeren Datums, dafür aber umso gewaltiger war, mit dem traditionellen Bildungsbürgertum gleichziehen, das gerne über die Emporkömmlinge lange Zeit noch die Nase gerümpft hatte. Das ist zugleich der soziale und kulturelle Hintergrund für das viel zitierte Diktum von Max Friedländer, der als einstiger Museumsassistent von Wilhelm von Bode über enge Kontakte zu Berliner Kunstförderern und -sammlern verfügte. „Der Kunstbesitz“, so Friedländer in einem Aufsatz von1919, „ist so ziemlich die einzige anständige und vom guten Geschmack erlaubte Art, Reichtum zu präsentieren. Den Anschein plumper Protzigkeit verjagend, verbreitet er einen Hauch ererbter Kultur.“ Dem Museum und seinen wissenschaftlich ausgewiesenen Museumsbeamten kam in diesem Prozess der Geschmacksbildung und Elitentransformation eine besondere Rolle zu; die Museen definierten Kunst und ästhetische Präferenzen. Gleichzeitig erlaubte das Mäzenatentum großbürgerlicher Gruppen den im Ausbau befindli-
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chen Museen eine qualitative und quantitative Erweiterung ihrer öffentlichen Sammlungen. Wirtschaftsbürgerliche Eliten und ihre Privatsammlungen Mit der Institutionalisierung und dem Ausbau der Museen veränderten sich die Rolle bzw. die Möglichkeiten des Sammelns und der Kunstförderung. Bürgerliche Sammelkultur und neues Mäzenatentum konnten nicht nur den kulturellen Abstand des neuen Wirtschaftsbürgertums zu den alten ständischen Eliten und zum Bildungsbürgertum abbauen oder einebnen, sondern auch den Anspruch begründen, einer neuen „kulturellen Elite“ anzugehören. Durch ihr Kunstsammeln kamen soziale Gruppen der Gesellschaft miteinander in Berührung, die früher und für gewöhnlich durch eine höfisch-ständische Etikette voneinander getrennt waren. Kronprinzessin Viktoria besuchte die berühmte Sammlung des Bankiers Hainauer; der Tuchfabrikant und Sammler James Simon und Kaiser Wilhelm II. tauschten Kunstgegenstände als Geschenke miteinander aus. Denn die Affinität zu Kunst und Kultur war schon seit den Zeiten fürstlicher und adliger Repräsentation ein besonderer Ausdruck von sozialer Dignität und Selbstbewusstsein. Nun hatten auch die erstarkten wirtschaftsbürgerlichen Gruppen, denen man vonseiten des Bildungsbürgertums anfangs jede kulturelle Kompetenz abgesprochen hatte, den Wert der Kunst erkannt und für sich genutzt. Kunst diente der Erbauung, wurde aber vor allem zum Mittel sozialer Nobilitierung, auch für diejenigen, die zwar loyal zur Monarchie standen, aber sich von den Mustern einer traditionellen Ästhetik und Kultur entfernt hatten. Auch für jüdische Bürger, deren soziale Emanzipation und Integration noch längst nicht abgeschlossen war, eröffnete sich über das Sammeln und Mäzenatentum, einschließlich demonstrativer sozialer Wohltätigkeit, ein Weg zur Anerkennung. Die Mehrheit der Sammler, sieht man zunächst einmal von den zum traditionellen Bildungsbürgertum gehörenden Gelehrten und Verlegern wie von sammelnden Künstlern und Galeristen ab, stammten im wilhelminischen Berlin, aber auch anderswo, aus dem Wirtschaftsbürgertum und hatten als Unternehmer, Bankiers und Kauf-
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leute einen sichtbaren materiellen Erfolg und sozialen Aufstieg erlebt. Als Unternehmer kamen sie aus der Metall verarbeitenden Industrie, aus der Textilindustrie oder der Energiewirtschaft. Zu den bürgerlichen Tugenden, die sie verkörperten, gehörten nach der Charakterisierung von Thomas Nipperdey „Leistung und Können, Fleiß und Sparsamkeit, Entschlusskraft und Mut zum Risiko, rationale Kalkulation, Ehrbarkeit und Solidität, Wille zur Selbstständigkeit, Lust an der Konkurrenz, und daran, andere zu überflügeln, Lust am Geldverdienen und an der Arbeit, Ablehnung der adligen Ehrbegriffe, des Abenteurertums, der Kriegsattitüden, des Müßiggangs“. Mit der Förderung von Kunst und Kultur ließ sich dieser Katalog bürgerlicher Tugenden um weitere Distinktionsmerkmale erweitern und zugleich eine Affinität zu einigen Formen der aristokratischen Lebensführung herstellen, ohne auf den besonderen Wert von Individualität und Innovationsbereitschaft zu verzichten. Nicht allein ein großes Vermögen oder genügend finanzielle Ressourcen gehörten zu den Voraussetzungen der Sammlerkulturen, sondern persönliche Eigenschaften wie Kennerschaft und Qualitätsbewusstsein, Weltläufigkeit und Offenheit. Damit verschafften sich die neuen Privatsammler innerhalb ihres gesellschaftlichen Milieus eine Sonderstellung, die man als Form einer Geistesaristokratie charakterisierte. Dazu gehörten soziale Kontakte, die Einbindung in ein kulturelles Netzwerk von Freunden und Fördern der traditionellen wie der modernen Kunst wie von Kunstexperten und Museen. Ein solches Geflecht von Sammlern, Museumsmännern und Kunstkritikern hatte es bis zur Jahrhundertmitte nicht gegeben. Sie bildeten nun eine schmale kulturelle Elite, die sich nicht auf ständische Herkunft gründete, sondern auf die eigene Leistung in Verbindung mit Geschmack und dem kenntnisreichen Umgang mit der Hochkunst. Das brachte die kulturelle Elite der Sammler und Kenner in die Nähe des Bildungsbürgertums, während ihr luxuriöser Lebensstil sie den Lebensformen des Adels annäherte, ohne dass zwischen beiden nicht immer auch ein gewisses Misstrauen und eine kulturelle Distanz bestanden. Schließlich konnten die vermögenden Wirtschaftsbürger durch ihr Mäzenatentum und ihre Nähe zur geistesaristokratischen
Wirtschaftsbürgerliche Eliten und ihre Privatsammlungen
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Elite ihren kulturellen Führungsanspruch sichtbar machen, ohne freilich an der nach wie vor bestehenden sozialen Führungsrolle der alten Eliten aus Aristokratie und höfischer Gesellschaft, aus Militär, hoher Bürokratie und Diplomatie zu rütteln. Denn nach wie vor behaupteten der Kaiser und die Landesfürsten ihren Anspruch, als Kunstförderer ihre politisch-soziale Vorrangstellung zu zeigen. Doch auch für sie war die Welt nicht mehr so wie am Beginn des Jahrhunderts: Die Trennung von privaten fürstlichen Sammlungen und öffentlichen Museumssammlungen wurde immer ausgeprägter. Mit der wachsenden Verantwortung des erstarkenden Staates erfüllten Staats- und Museumsbeamte den Auftrag der Kunstförderung und des Kunstsammelns. Auch mussten die fürstlichen Mäzenaten lernen, mit dem Anspruch auf Autonomie der Kunst und ihrer Verbürgerlichung umzugehen. Vor allem hatten die Explosion der Kosten und der Preise für Kunstwerke und Kunstförderung ihre Museen vor die Notwendigkeit gestellt, ihre Erwerbungs- und Erweiterungspraxis durch die Mitwirkung bürgerlichen Mäzenatentums mitzufinanzieren. Das Museum als Leitinstitution des Sammelns Die Gründung und die erste Blüte von Museen hatten die Praxis und das Selbstverständnis vieler privater Sammler vor neue Herausforderungen gestellt, aber auch neue Möglichkeiten der Kunstförderung geschaffen. Das Jahrhundert des Bürgertums war auch das Jahrhundert der Museen. Nach einer langen Formierungsphase, die im 17. und 18. Jahrhundert mit der Ausbildung öffentlicher Sammlungen begonnen hatte, waren im frühen 19. Jahrhundert in Deutschland aus fürstlichen Sammlungsbeständen und dem Engagement bürgerlicher Kunst- und Museumsvereine öffentliche Museen entstanden. Seit der Jahrhundertwende um 1800 hatte man in Preußen über die Einrichtung eines Kunstmuseums diskutiert und Pläne entworfen. Vor allem über die Aufgabe einer Kunstsammlung und über die Kunst insgesamt gab es ausführliche Debatten und Schriften, die auch das Kunstverständnis privater Sammler beeinflusst haben. Wilhelm von Humboldt, der in seiner Biographie die Verbindung von ästhetischer Theorie und
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praktischer Kulturpolitik verkörperte wie kein anderer, hatte der Kunst eine spezifische Rolle im Prozess der Bildung zugeschrieben, sowohl für die individuelle Bildung des Einzelnen wie für die Formierung der nationalen Gemeinschaft. Er leitete die Nützlichkeit der Kunst von ihrer Autonomie ab. „Ohne das Schöne fehlte dem Menschen die Liebe der Dinge um ihrer selbst willen“, schrieb er 1792. Weder Kunst noch Wissenschaft sollten darum vom Staat gelenkt und kontrolliert werden; der Selbstzweck galt als „Staatszweck“ (Lübbe). Wirklichkeit wurde das Museumsprogramm erst 1830, mitten in der Epoche der Restauration, mit der Eröffnung des Alten Museums in Berlin und zeitgleich der Glyptothek in München. Beide sollten das „große historische Ganze in seinem vollsten Glanze“ darstellen und ästhetische Exklusivität mit dem Auftrag zu „erfreuen“ und zu „belehren“ verbinden. Unabhängig von ihrem nationalen Bildungsauftrag, der Bildung mit der „Anschauung des Schönen“ gleichsetzte und der dem aufgeklärten Denken der Reformära nach 1800 entsprang, zeichneten sich die Museumsneugründungen des 19. Jahrhunderts strukturell und organisatorisch, ähnlich wie ihre Vorläufer, durch drei wesentliche Merkmale aus: durch ihre öffentliche Zugänglichkeit, ihre Gemeinnützigkeit und nun vor allem durch ihre Institutionalisierung als ständige Einrichtung. Doch grundsätzlich unterschieden sich die Privatsammlungen und Museen nach wie vor durch ihre unterschiedlichen Zwecke: Die einen dienten vor allem der persönlichen Repräsentation, die anderen hatten einen öffentlichen Auftrag und rechtfertigten sich durch ihre Gemeinnützigkeit wie ihre allgemeine Zugänglichkeit. Gleichwohl gab es spätestens mit dem unübersehbaren Beginn des ersten großen Museumszeitalters im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine Reihe von Verflechtungen und wechselseitigen Bedingungen bzw. Abhängigkeiten zwischen Privatsammlern und Museen. Ohne die Stiftungen durch Sammler und Mäzene wären ganze Museen, wie das Städel’sche Kunstinstitut, oder wichtige Sammlungsteile, wie im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum (dem heutigen Bode-Museum), nicht entstanden. Umgekehrt wurden die neuen Museen und ihre Sammlungs- bzw. Präsentationspraxis zum Vorbild und zur Beratungsstelle für viele private Sammler, sei es auch nur, um
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einen fundierten Rat beim Ankauf von Bildern und damit bei einer finanziellen Investition zu erhalten. Von besonderem Wert, nicht nur für die Sammler, wurden schließlich die zeitgenössischen Berichte in Kunstzeitschriften und in anderen Publikationen, wie z. B. in Ausstellungs- und Sammlungskatalogen aus der Feder der Museumsexperten. Die wichtigsten Berliner Museen, die in einem wechselseitigen Beziehungs- und Unterstützungsverhältnis zu den großen Privatsammlern standen, waren die Gemäldegalerie mit ihrer Sammlung alter Meister, die Nationalgalerie mit der Kunst des 19. und dann auch des beginnenden 20. Jahrhunderts und schließlich nach 1919 das ehemalige Kronprinzen-Palais, das Werke lebender Künstler sammelte. Viele
Obergeschoss der Alten Nationalgalerie mit Werken des Impressionismus, 1908. Hugo von Tschudi (1851–1911), Direktor der Nationalgalerie, hatte 1906 mit Unterstützung seiner Mäzene, darunter vor allem Eduard Arnhold und Robert von Mendelssohn, eine Jahrhundertausstellung deutscher Kunst präsentiert, die den Einfluss des französischen Impressionismus dokumentierte. Zusammen mit kaiserlichen Sondermitteln konnte er danach viele deutsche und französische Werke für das Museum erwerben.
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Sammler, die oft auch zu den Freundes- und Fördererkreisen der Museen gehörten, folgten in der Ausrichtung ihrer eigenen Sammlungsschwerpunkte den Empfehlungen und Vorbildern der Museen. Die Berliner Sammler unterstützten bereitwillig die Wünsche und Belange der in Gründung befindlichen Museen und erhielten dafür umgekehrt durch kenntnis- und beziehungsreiche Museumsmänner, allen voran Wilhelm von Bode (1845–1929), Rat und Unterstützung bei ihren privaten Kunsterwerbungen. Das ging so weit, dass ein hervorragender Kenner der Museumslandschaften in Deutschland wie in den USA, der einstige Assistent von Bode, Wilhelm Valentiner, der Meinung war, dass die Berliner Privatsammlungen „eigentlich nur von Interesse waren als Ergänzung des Besitzes des Kaiser-Friedrich-Museums, da ihre Auswahl meist durch Bode bestimmt war“. Ein Urteil, das vor dem Hintergrund der extrem individualistischen Praxis amerikanischer Sammlungen einigermaßen zutreffend erscheint, das aber mehrere Charakteristika des deutschen und kontinentaleuropäischen Sammlungs- und Museumswesens bzw. Kunstverständnisses übersieht bzw. verkennt. Einmal die schon immer existente Verbindung von staatlicher und privater Sammlung, ferner die verbreite deutsche und kontinentaleuropäische Vorstellung, dass die Förderung von Kunst auch und vor allem eine Verpflichtung des Staates sei, und drittens die Eigenständigkeit und das Selbstbewusstsein vor allem der wirtschaftsbürgerlichen Privatsammler, die ihren Willen nicht nur im Kaiserreich gegenüber Museen und staatlicher Kulturpolitik durchzusetzen wussten. Das zeigt vor allem die Beschreibung einzelner Sammlerprofile und Sammlungsgeschichten, denen wir uns nun zuwenden wollen. Nicht nur die Verflechtungen zwischen privaten Sammlungen und Museen können ausgeprägt sein, sondern auch die Kontinuitäten in der Sammlungslogik. Die Museen setzten die vielerorts in fürstlichen wie in privaten bürgerlichen Sammlungen entwickelten Kriterien des Sammelns, Ordnens und Zeigens fort und stellten sie auf Dauer. Durch die Breite und Repräsentativität ihrer Sammlungen, durch die Hängung der Exponate und ihre Inszenierungsformen, vor allem aber auch durch die Wissenschaftlichkeit ihrer Objektauswahl wie durch die Expertise des neu entstehenden Berufsstandes der Museumsbe-
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amten wurden die Museen zu „Leitinstitutionen des Sammelns“ (Rehberg). Sie betrieben die kunstwissenschaftliche Einordnung und Systematisierung der Objekte nach Epochen, Schulen und Kunstgattungen und ordneten in ihren Dauerausstellungen Objekte nach Kunstregionen oder Künstlern zu geschlossenen Ensembles oder Epochenräumen, wie sie in modifizierter Form auch in Privatsammlungen zu finden waren. Die Museumsexperten berieten die Sammler bei ihren Ankäufen und hatten nicht selten auch regelrechte Aufträge einzelner Sammler zum Erwerb von Gemälden bei Auktionen oder in auswärtigen Galerien und bei Kunsthändlern und bei zeitgenössischen Künstlern. Sie halfen, den klug kalkulierenden UnternehmerSammlern ihr „soziales Kapital zielsicher zu platzieren“ (Rehberg). Umgekehrt öffneten einflussreiche Berliner Sammler dem Museumsmann Wilhelm von Bode den Zugang zu den finanzkräftigen Kreisen des Wirtschaftsbürgertums und banden diese, sofern sie selbst Sammler waren, in die Freundes- und Fördervereine der Museen ein. Niemand betrieb das besser und erfolgreicher als Bode. Der „Bismarck der Berliner Museen“ sprach bei der Stiftung der Sammlung Simon an das Kaiser-Friedrich-Museum 1904 sogar von einem „Pakt“ zwischen Sammler und Museumsmann, was der bedeutende Mäzen vermutlich nicht so gerne hörte. Zwar hatte Simon, der jährlich einen beträchtlichen, aber nicht übermäßigen und immer sorgsam kalkulierten Teil seines Einkommens für Kunstkäufe ausgab, anfangs immer den Rat Bodes eingeholt, wenn es um Fragen der Echtheit und Qualität von Bildern und Skulpturen ging. Später kühlte das Verhältnis zwischen Mäzen und Museumsmann deutlich ab, was einmal mehr zeigt, dass es im Verhältnis von Privatsammlern zu den Museen, wie noch zu zeigen sein wird, durchaus Varianten unterschiedlichen Verhaltens gab. Monarchische Kunstfreunde und bürgerliche Kunstförderung Bis zur Entfaltung einer großbürgerlichen Sammler- und Mäzenatenkultur, deren Grundzüge eben angedeutet wurden, war es ein langer
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Weg von dem Nebeneinander der tonangebenden fürstlichen Sammlungen und den bürgerlichen Sammlungen und Stiftungen des frühen 19. Jahrhunderts einerseits bis zur Hochkonjunktur der bürgerlichen Sammlungen und der modernen Museen andererseits. Auch die programmatischen Grundsätze des Sammelns sollten sich verändern: Wallraf, Städel und die Brüder Boisserée folgten ihrer Vision vom Sammeln aus Patriotismus und nationaler Selbstfindung. Sie sammelten und bewahrten für die Nation. Sie waren passionierte Sammler. Auch die fürstlichen Sammlungen im Vormärz ließen sich von den nationalromantischen Vorlieben für altdeutsche Malerei beeinflussen, zumal deren Ansehen und Wert zusammen mit Werken der niederländischen oder flämischen Malerei in Deutschland gestiegen war, seitdem viele dieser Werke nach 1815 als Ergebnis des Wiener Kongresses wieder an ihre einstigen Standorte in den deutschen Staaten zurückgeführt werden. Der Kunstraub Napoleons (und die Rückführung der geraubten Kunstschätze nach Deutschland) hatte als nicht intendierte Nebenwirkung den öffentlichen Wert vieler Gemälde und von Kunst insgesamt gesteigert. Sie wurden zu nationalen Gütern. Ludwig I. von Bayern, für sein „Kunst-Königtum“ gepriesen, sah in der Kunstförderung eine Möglichkeit, nach den revolutionären Umbrüchen im Gefolge der Französischen Revolution und nach den Kriegen Napoleons die monarchische Ordnung neu zu begründen. „Nach Bonaparte“, äußerte er sich gegenüber dem französischen Gesandten in München, „müsse man auf den Ruhm der Waffen verzichten. Um ein großer Fürst zu werden, sei das Land Bayern ein viel zu enger Spielraum, so dass nichts übrigbleibe als der Mäzen Europas zu werden.“ Er verwendete darum Staatseinnahmen, um zahlreiche Gemälde zu erwerben, darunter die Sammlung Boisserée; um mit der Walhalla und der Befreiungshalle monumentale Denkmalsbauten zu errichten; um Kirchen und Paläste mit einer üppigen Freskomalerei auszustatten; um Künstler zu fördern und sich dafür von diesen feiern zu lassen. Die massenwirksame Inszenierung von Festen und Umzügen tat ein Übriges, um die Gefühle und Wahrnehmung der Bürger für eine erneuerte monarchische Herrschaft einzunehmen. Romantisch idealisierte Bilder der Vergangenheit sollten, ähnlich wie
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das der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. verstand, die „Erstarkung und Vermehrung deutschen Sinnes“ fördern. Das war ein Gegenbild zum liberalen, nationalen Geschichtsbild des aufstrebenden Bürgertums, aber es war zugleich ein kluger und finanziell aufwendiger Versuch, Tradition und Moderne mit den Mittel staatlichen Mäzenatentums zu verbinden und den eigenen Thron mit Mitteln moderner visueller Kommunikation zu sichern. Das war sicherlich kein modernes bürgerliches Mäzenatentum, das private Mittel zum Nutzen für die Allgemeinheit einsetzt; aber Ludwigs Kunst- und Geschichtspolitik folgte der Praxis fürstlicher Kunstförderung. Ähnlich verstand auch der sächsische Kronprinz und spätere König Friedrich August (1797–1854) seine Sammeltätigkeit und seine Kunstförderung. Mit dem enzyklopädischen Charakter seiner Sammlung stand er noch ganz in der Tradition des 18. Jahrhunderts und schuf „das letzte fürstliche Privatkabinett“ (Max Lehrs), das vom Umfang her ganz die Merkmale einer großen fürstlichen Sammlung trug und auch mit seiner erlesenen Qualität mit den privaten gleichzog. Hier dominierten Werke der altdeutschen und niederländischen Kunst, aber auch Bilder aus der zeitgenössischen Landschaftsmalerei wie Handzeichnungen und Radierungen von Caspar David Friedrich. Mit seiner Galerie „vaterländischer Landschaften“, die durch Ankauf wie durch Aufträge an junge Künstler entstand, war er jedoch auch ganz der (bürgerlichen) Gegenwart verpflichtet, wie auch mit seiner Kunst- und Kulturförderung, die die kollektiven Bestrebungen des Bürgertums zur Pflege und Erhaltung alter Kunstdenkmäler durch die Gründung eines „Sächsischen Alterthumsvereins“ unterstützte. An dessen Spitze hatte sich der junge Prinz bereits 1825 gesetzt. Die durchaus ambivalente Kunstförderung der kunstliebenden Monarchen, auch in den deutschen Kleinstaaten, war nicht nur sichtbar und qualitätsvoll, sie war unter den gesellschaftlichen Bedingungen ihrer Zeit möglicherweise allein in der Lage, sich gegen materielle Bedenken und die Vorwürfe angeblicher Geldverschwendung durchzusetzen. Denn die hat es mit dem Erstarken der öffentlichen Meinung seither immer wieder gegeben und war auch eine Folge des Konstitutionalismus. Der Protest eines bayerischen Landtagsabgeord-
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neten gegen die Kunstpolitik König Ludwigs aus dem Jahre 1831 hat von seiner Aktualität kaum etwas verloren: „Es ist wirklich Schauder erregend, wenn man in München Paläste aufsteigen sieht, die eine Million kosten, wie es bei der Pinakothek der Fall ist, während in anderen Kreisen die Kirchen, Schulen und Gefängnisse verwittern.“ Aus diesem durchaus widersprüchlichen Ineinander traditionellen fürstlichen Mäzenatentums einerseits und den Ansätzen einer bürgerlichen und kollektiven Kunstförderung auf Vereinsbasis erwuchs schließlich seit dem Vormärz, basierend auf bürgerlichen Kunstsammlungen und deren Stiftung an Museen, ein Gegenmodell, das in der zweiten Jahrhunderthälfte voll zur Entfaltung kommen sollte. Das bedeutet nicht, dass bürgerliche Sammler und Stifter aus dem Vormärz, wie Städel oder die Boisserées, ihre Praxis des Sammelns als antimonarchisch verstanden und dem Gedanken einer Stiftung an eine staatliche Sammlung oder eines Verkaufs ihrer Sammlungen völlig ablehnend gegenübergestanden hätten. Was einige von ihnen allerdings befürchteten (und Ähnliches hatten schon die Nürnberger Patrizier im späten 16. Jahrhundert befürchtet), war eine erzwungene Übernahme ihrer Sammlung durch den Staat. Der Bamberger Mediziner Johann Lukas Schönlein, der soziale Wohltätigkeit mit Kunstsammeln bzw. Mäzenatentum verband, schrieb in einem Brief: „Ich habe nur die eine Besorgnis, dass es einmal der Regierung gefallen könnte, die Sammlung als Staatsgut auszuplündern, und was ihr gefällig, nach München zu schleppen.“ Seine Sammlungen und Stiftungen für junge Künstler wollte er vielmehr als Ausweis von Bürgersinn und seiner Orientierung am Gemeinwohl verstanden wissen und nicht bloß als Dekoration monarchischer Herrschaft. Auch die privaten bürgerlichen Berliner Sammlungen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts zunächst zögerlicher entstanden als in einigen traditionellen Kunstzentren, waren ganz im Sinne des bürgerlichen Selbstverständnisses durch ein Nebeneinander von sozialer Wohltätigkeit, Kunstsammeln und Mäzenatentum geprägt. Nur so ließ sich der Luxus des Kunstsammelns öffentlich rechtfertigen. Die Beispiele der beiden prominentesten Berliner Sammler, des Kaufmanns Joachim Heinrich Wagener (1782–1861) und – eine Ge-
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neration später – des Bankiers James Simon (1851–1932) zeigen, wie wichtig für die öffentliche Legitimation wie für das individuelle Selbstverständnis der Sammler diese Gleichzeitigkeit von Sammeln und Fördern war. Beide verbanden den Aufbau ihrer Sammlungen mit einem Engagement für eine große nationale, öffentliche Sammlung zeitgenössischer Gemälde und alter Meister als Ort der Repräsentation einer nationalen kulturellen Einheit sowie mit der Förderung von Kunstvereinen und Künstlern. Bei Simon rangierte das soziale Engagement als öffentlicher Wohltäter sogar noch eindeutiger vor dem Kunstsammeln. Bis dahin hatte es in Berlin zwei bedeutende Sammler zeitgenössischer Kunst gegeben, die ihre Sammlungen auch als Ort der öffentlichen Kommunikation verstanden. Graf Athanasius Raczynski (1788–1874), ehemaliger preußischer Diplomat aus dem Großherzogtum Posen, hatte die Kunst der Nazarener und Spätromantiker im Blick. In seinem Palais am Königsplatz, unweit des Brandenburger Tors, hatte er eine historisch-thematisch breit angelegte Sammlung zusammengetragen, in der neben den Nazarenern wie Cornelius, Overbeck, Schnorr von Carolsfeld andere zeitgenössische deutsche Künstler wie Menzel und Makart sowie auch französische Maler des frühen 19. Jahrhunderts vertreten waren. Der Graf verfügte damit über ein Sammler-Museum, das in der Zeit der zögerlichen Gründung öffentlicher Museen eine Ausnahme bildete und auch eine Alternative zu den bestehenden Museumsplänen darstellte, in denen zeitgenössische Kunst ganz im Gegensatz zu dem Palais am Königsplatz keine Rolle spielen sollte. Zu seinen weitreichenden kunsthistorischen Interessen – immerhin verfasste er zwischen 1836 und 1841 die erste dreibändige Darstellung zur neueren Kunst – gehörten auch Werke der italienischen Kunst der Renaissance, darunter ein Tondo von Botticelli. Der Schwerpunkt von Raczynskis Sammellust lag zunächst, wie allgemein üblich, auf der Epoche der italienischen Malerei, auf der Epoche Raffaels und Michelangelos; denn die Renaissance hatte für ihn jene künstlerische Perfektion erreicht, die einst die Werke der Antike ausgezeichnet hatte. Eine zweite Renaissance meinte der sammelnde Kunstschriftsteller in der Schule der Nazare-
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ner und der Düsseldorfer Schule zu erkennen, dem zweiten Schwerpunkt seiner eigenen Sammlung, der immer mehr das Übergewicht bekam. In seinem Palais am Königsplatz, das seit 1847 öffentlich zugänglich war, zeigte er 92 Werke zeitgenössischer Künstler und 64 Gemälde alter Meister. Bemerkenswert in seiner kunsthistorischen Darstellung war die Erwähnung der Gründung der ersten Kunstvereine, die er als wichtige Einrichtungen der Kunstförderung verstand: Darmstadt und Karlsruhe 1818, München 1823/24, Berlin 1825, Dresden 1828 und Düsseldorf 1829. „Der Kunstverein in München“, schrieb der Graf, „machte es sich zuerst zur Aufgabe, vor allem die Fortschritte der neueren Kunst zu begünstigen und die aufkeimenden Talente durch den Ankauf ihrer Werke und durch Bestellung aufzumuntern.“ Diese „Aufmunterung“ durch einen Verein, der von Kunstfreunden getragen wurde und der als Kollektiv und nicht mehr allein durch die Person eines absoluten Fürsten Künstler förderte, war das Neuartige im Mäzenatentum bzw. im bürgerlichen Kunstbetrieb. Kunstvereine, aber auch der entstehende Kunsthandel, wurden zu den natürlichen Kooperationspartnern der entstehenden Museen. In vielen Städten, vor allem in München und Düsseldorf, entstanden Künstlerverbände und schlossen sich teilweise zusammen, um ihr Ziel, die Förderung von Künstlern und den Erwerb von Bildern, besser bewerkstelligen zu können. Auch in Berlin entstanden im Vormärz mehrere Kunstvereine. Der größte von ihnen, der „Verein der Kunstfreunde im Preußischen Staate“ unter Vorsitz von Peter Beuth, umfasste mehrere Tausend Mitglieder und besaß eine eigene Kunstsammlung, die später zu Teilen in die Bestände der Nationalgalerie überführt wurde. Eine 1835 gegründete „Gesellschaft von Künstlern, Gelehrten und Kaufleuten“ plante Werke „einheimischer Künstler“ zu erwerben und damit eine „Vaterländische Galerie“ oder „National-Galerie“ zu gründen. Der Name „National-Galerie“ stieß allerdings bei dem Kultusministerium und auch bei dem preußischen König, die den Plänen einer gezielten Kunstsammlung grundsätzlich positiv gegenüberstand, auf Ablehnung, denn der Name „Nationalgalerie“ stand nach ihrer Überzeugung einem privaten Unternehmen nicht zu. Es bedurfte noch einiger
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privater Initiativen, vor allem die des Konsuls Wagener, bis der Plan einer staatlichen Nationalgalerie Wirklichkeit wurde. Einstweilen bestimmten private Sammlungen das Kunstleben. Auch die andere große Berliner Sammlung, die des Grafen Redern, die er in seinem von Schinkel erbauten Palais am Pariser Platz im Erdgeschoss dem Publikum begrenzt zugänglich machte, war ein Schritt zu einer öffentlichen Sammlung, ähnlich wie die des Grafen Raczynski; Wagener nahm sie sich zum Vorbild. Rederns Palais beherbergte Werke zeitgenössischer und vergangener Kunst; im ersten Stock seiner Sammlung traf man auf alte Meister, darunter auf glanzvolle Künstler wie Dürer, Cranach, Veronese, Tintoretto und Rubens. Sehr viel bescheidener war eine dritte Berliner Sammlung der Vormärzzeit, die des Industriellen Peter Louis Ravené (1823–1879), der überwiegend zeitgenössische Berliner und Düsseldorfer Maler sammelte. Dafür besaß die Sammlung Ravenés eine größere Popularität, weil sie im Gegensatz zu den beiden anderen Sammlungen von Raczynski und Redern großzügigere Öffnungszeiten besaß. Zur Gründung eines weiteren Sammler-Museums kam es im kaiserlichen Berlin nicht mehr. Die privaten Kunstsammlungen, die nach der Jahrhundertmitte und verstärkt nach der Reichsgründung aus dem Boden schossen, waren deutlich exklusiver und nur einer kleinen Gruppe eines gebildeten Fachpublikums zugänglich. Die andere bedeutende bürgerliche Sammlung aus dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts, die des schon erwähnten Konsuls Johann Heinrich Wilhelm Wagener (1782–1861), konnte man inzwischen sogar in der Berliner Nationalgalerie bewundern. Ihr hatte Wagener seine Sammlung 1859 in seinem Testament mit der Auflage gestiftet, dass sie als Ganzes erhalten bleiben und weiterhin vermehrt werden sollte, um sie in einem zu gründenden Nationalmuseum zeigen zu können. Mit seinem Legat, das der preußische König Wilhelm I. annahm, setzte er den zögerlichen Staat unter Handlungszwang, bis der im Todesjahr schließlich die Gründung einer „Wagner’schen und Nationalgalerie“ bekannt gab. Der Berliner Kaufmann und schwedisch-norwegische Honorarkonsul hatte seit 1815 mit großem finanziellem Einsatz Bilder erworben und sie in den Privaträumen seines Firmenhauses in der
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Brüderstraße aufgehängt. Die Wohnung war in kleine Kabinette unterteilt und zeigte, dicht gehängt, an allen Wänden die Wagner’sche Sammlung. Sie bestand aus Genrebildern, aus Werken der Landschaftsmalerei und aus Stillleben. Vertreten waren vor allem zeitgenössische Künstler der Berliner, Düsseldorfer und Münchner Schulen. Mit über 70 Werken bildeten auffallend viele Landschaftsbilder von deutschen, schweizerischen, französischen und belgischen Künstlern einen Schwerpunkt seiner Galerie. Die stilistische und thematische Bandbreite der Landschaftsbilder reichte von klassischen Ansichten im Geiste des 18. Jahrhunderts über patriotisch-romantische Landschaften, volkstümliche Landschaften mit Genreelementen zu spätromantischen, realistischen Landschaften der Düsseldorfer Malerschule, vorzugsweise Wald- und Gebirgslandschaften. Zu den Kostbarkeiten gehörten Werke von Karl Ferdinand Schinkel und vor allem Caspar David Friedrich. Begonnen hatte Wagener seine Sammeltätigkeit mit Bildern Schinkels, die dem Gefühl des romantisch-patriotischen Aufbruchs und der Verklärung gotischer Bauwerke als Zeugnisse einer großen Vergangenheit und menschlicher Schaffenskraft Ausdruck verliehen. Damit war Wagener auf der Höhe seiner Zeit und seine Sammlung vollzog die Abkehr von der Historienmalerei nach. Gerade die Werke von Friedrich folgten einer romantischen Landschaftsvorstellung, die die Landschaft als Ort der Reflexion und des subjektiven, teilweise religiösen Empfindens verstand. Daneben fanden sich in der Sammlung auch Bilder von Freiheitskämpfern und Gefangenenschicksalen, was man als Beleg für eine bürgerlich-freiheitliche und nationale Sympathie des Sammlers lesen kann. Bei einigen seiner Ankäufe war Wagener allerdings mit seinem Faible für das „schwerelos und leicht Verständliche“ offenbar schlecht oder gar nicht beraten. Das äußerte sich auch darin, dass seine Sammlung nach der vollzogenen Stiftung in der neu gebauten Nationalgalerie bald im oberen, dritten Stock verschwand. Dennoch bleibt die Sammlung Wagener, so biedermännisch sie auch in Teilen angelegt war, eine Ausnahmeerscheinung in der Berliner Kunst- und Museumswelt: Sie war und blieb durch die Stiftung an ein Museum das einzige größere Haus-Museum in Berlin, vermutlich
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auch in Deutschland. Allenfalls Sammlerräume, d. h. die Ausstellung ausgewählter Stücke einer privaten Sammlung in einer Abteilung eines Museums, waren gelegentlich zu beobachten. Was in amerikanischen und französischen Museen schon sehr früh Schule machte, nämlich die geschlossene und sichtbare Übernahme und Präsentation einer privaten Sammlung in einem öffentlichen Museum, war in Deutschland kaum vorstellbar. Dass dies so wenig ausgeprägt war, hatte mit dem Anspruch der Museen und der Zurückhaltung von Sammlern zu tun. Während die Museen aus museologisch-didaktischen sowie systematischen Gründen Wert auf eine konsequente Präsentation ausgewählter Objekte gegliedert nach Epochen, Schulen und Kunstgattungen legten, befürchteten Sammler bei der Schenkung von Sammlung an ein Museum den „drohenden Verlust persönlicher Repräsentation“(Sven Kuhrau). Der persönliche Geschmack des Sammlers, der vor allem im Ensemble der Gemälde, Skulpturen, Medaillen und Textilien zum Ausdruck kam, oft auch im Arrangement der Kunstwerke inmitten des Mobiliars und der Salons des Sammlers, sollte nach dem Willen der Stifter erhalten bleiben. Das führte in amerikanischen Museen zu einem Nebeneinander öffentlicher und privater Sammlungsräume und zu einem Verlust an Übersichtlichkeit für den Besucher. Umgekehrt bekam er damit die Möglichkeit, den Geschmack eines Sammlers kennenzulernen. Einen Ausweg bot, wie wiederum amerikanische Beispiele zeigen, die Übergabe einer kompletten Sammlung mitsamt des Ausstellungsgebäudes an die Öffentlichkeit und damit die Öffnung eines besonderen Ausstellungshauses für eine Sammlung mit öffentlicher Unterstützung bzw. Finanzierung. Wie die Anteile in diesem ebenso spannungsreichen wie durchaus produktiven Verhältnis von privaten Sammlungen bzw. mäzenatischen Stiftungen und öffentlichen Museen jeweils gewichtet sind, dürfte von den kulturpolitischen Traditionen bzw. Selbstverständigungen wie von der finanziellen Stärke und der künstlerisch-ästhetischen Relevanz der Sammler und ihrer Sammlungen abhängig sein. Im Deutschen Kaiserreich traf eine erstarkte Sammlerkultur auf einen Staat, in Preußen ebenso wie in Bayern oder Sachsen, der die Kunstförderung als seine Aufgabe verstand, und auf eine
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Museumskultur, die sich durch die Förderung auch privater Sammler definierte. Darum schloss man sich lieber einem öffentlichen Museum und seinem Förderverein an und profitierte von der Expertise der kunstgeschichtlich ausgewiesenen Museumsfachleute. Natürlich war man auch in den Glanzzeiten etwa der Berliner Museumssammlungen auf die Unterstützung von Kunst- und Fördervereinen wie von privaten Mäzenen angewiesen, doch hatten diese eher eine anstoßgebende Zusatzfunktion. Erst in Zeiten explodierender Kunstpreise und begrenzter öffentlicher Mittel, wie das seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu beobachten ist, sollte sich das Verhältnis umkehren und Großsammler immer mehr in die Rolle von Museumssammlern kommen. Die Sammlungen des preußischen Privatsammlers Graf Adolf Friedrich von Schack (1815–1894), der sich nach seinem frühen Abschied vom preußischen Staatsdienst im Alter von gerade 38 Jahren in München als Privatgelehrter, Sammler und Mäzen niedergelassen hatte, zeigten in der Motivation ihres Urhebers und in ihrer Funktion im öffentlichen Sammeln und Präsentieren von zeitgenössischer Kunst mehrere Parallelen zu dem Berliner Kaufmann und Konsul Wagener, auch wenn Schack mit seinen breiten Fremdsprachkenntnissen und seinen literarischen und kulturwissenschaftlichen Studien neben dem Sammler immer auch Gelehrter geblieben war, was für Wagener nicht galt. Schack sammelte und zeigte in seiner Galerie vor allem Maler, die zur zeitgenössischen Avantgarde zählten und die von der staatlichen Kunstförderung noch nicht entdeckt und angekauft worden waren. Dazu gehörten vor allem Bilder der DeutschRömer Hans von Marées, Anselm Feuerbach und Arnold Böcklin wie Franz von Lenbach. Schack sammelte, ähnlich wie Wagener, in einer Zeit, in der die monarchische Kunstförderung ausblieb und zeitgenössische Kunst eher am Rande stand. Er schloss damit nicht nur eine Lücke, sondern er förderte vor allem durch Aufträge als kenntnisreicher Mäzen junge Künstler, die noch nicht entdeckt waren. Ähnlich wie Wagener war er ein individualistischer leidenschaftlicher Sammler, der sich vor allem von seinem Geschmack und seinen Vorstellungen von Qualität und Kennerschaft, weniger von Museumsexperten
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leiten ließ; überdies konnte er seine Vorlieben auch unabhängig von staatlichen Präferenzen selbst finanzieren. Dazu gehörten nicht nur die eigentümliche Gegenüberstellung von zeitgenössischen Originalen und von Kopien alter Renaissancemeister, auf die noch einzugehen sein wird; dazu gehörte auch der 1862 begonnene Bau einer eigenen Galerie, die in ihrer Architektur, ihrem Fassaden- und Raumschmuck wie in der Anordnung der Ausstellungsräume bzw. der Hängung der Bilder ganz auf seine kunsthistorischen Vorstellungen bzw. seine Botschaften bezüglich der Aufgabe der bildenden Kunst ausgerichtet waren. Schack legte Wert auf Qualität und verzichtete umgekehrt auf Vollständigkeit. Zu der Vorstellung von Qualität gehörte auch die Möglichkeit des Vergleichs mit Meisterwerken der Renaissance, die er nicht als Original besaß, sondern sich von zeitgenössischen Münchner Künstlern wie Lenbach und Marées kopieren ließ. Diese „Nachschöpfungen“ wurden nicht verheimlicht, sondern offensiv gerechtfertigt, da nach Schacks Meinung auch „eine gute Kopie ein so vollständiges Bild des Originals zu liefern [vermag], dass der Unterschied zwischen Beiden, wo nicht ganz aufhört, doch bis auf ein Minimum verschwindet“. Durch die Gegenüberstellung der kopierten Meisterwerke von Tizian, Veronese, Tintoretto und Michelangelo einerseits und den Gemälden der Deutsch-Römer andererseits wurde die Kunst der Alten zum Maßstab der Moderne, die sich diesem ästhetischen Wettstreit unterziehen musste. Es sei eine „gefährliche Probe“, der er die Zeitgenossen unterwarf. Doch meinte Schack etwas gönnerhaft, dass ein „heutiger Künstler schon mit seinem Ruhme zufrieden sein [könne], wenn seine Bilder durch die Werke jener Heroen nicht ganz unterdrückt werden“. Die Unsicherheit in der Beurteilung zeitgenössischer Kunst, die sich in dieser Gegenüberstellung auch ausdrückte, teilte Schack mit vielen Zeitgenossen, die sich in ihrem Stilempfinden von historistischen Neo-Stilen leiten ließen und sich am liebsten noch in ein Renaissance-Kostüm zwängten, um ihren eigentlichen ästhetischen Präferenzen zu frönen. Das Deutsche Kaiserreich und insbesondere die dynamische Reichshauptstadt erlebten in der wilhelminischen Ära einen starken Aufschwung privaten Sammlerwesens und Mäzenatentums. Auch sie
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ließen sich lange Jahre von der Verehrung der Renaissance-Kunst leiten und sammelten, wenn überhaupt, deutsche wie französische Gegenwartskunst nur als zweiten Schwerpunkt oder Randphänomen. Das hatte nichts damit zu tun, dass neben den bisherigen Sammlern, die eher den adligen und bildungsbürgerlichen Schichten zuzurechnen waren, nun immer stärker Vertreter eines aufstrebenden Wirtschaftsbürgertums die Sammlerkultur bestimmten. Ihnen möglicherweise Parvenuhaftigkeit und damit Geschmacksunsicherheit als Grund für ihre Orientierung an der kunstgeschichtlichen Tradition vorhalten zu wollen, die angeblich eher soziale Anerkennung und Dignität versprach als die Kunst der französischen Moderne, übersieht, dass die neuen Sammler und Mäzene aus dem Wirtschaftsbürgertum sich mehrheitlich von Experten aus dem Museum, besonders von Wilhelm von Bode, dem Bismarck der deutschen Museen, beraten ließen und dass diese meistens bildungsbürgerlichen Kenner und Fachleute einschließlich der Kunstschriftsteller und -kritiker eine ähnliche Geschmackspräferenz zeigten. Auch hatten später, seit den 1890er-Jahren, die neureichen Wirtschaftsbürger keineswegs Berührungsängste mit der Moderne, als deren Repräsentanten, unterstützt von Kunsthändlern, allmählich auch auf dem deutschen Kunstmarkt heimisch wurden; der Kaiser als oberste Instanz bei der Zuteilung von Nobilität und Anerkennung blieb aber ein heftiger und autoritärer Gegner der französischen Moderne und Bilder von Auguste Renoir bezeichnete er als „rosarote Schweinchen“. Berlin als Kunststadt Seit den 1880er-Jahren gewann Berlin als Kunststadt allmählich an Bedeutung und Anerkennung. Das verdankte die Stadt vor allem privaten Sammlern und Mäzenen sowie dem Aufstieg von kenntnisreichen Kunsthändlern. Spätestens am Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Berlin einen überaus lebendigen Kunstmarkt, zu dessen Ausbildung inzwischen mehrere Kunstauktionshäuser und Galerien beigetragen hatten. Den Anfang hatte 1853 Rudolph Lepke gemacht, der nach dem Urteil von Wilhelm Bode damit begonnen hatte, Berlin als
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Kunstmarkt aus der Bedeutungslosigkeit herauszuführen. Lepke hatte zeitgenössische Kunstwerke verkauft, vor allem aber inländische und ausländische Nachlässe versteigert. Mit dem Entstehen großer Vermögen in der Gründerzeit wuchs dann auch die Nachfrage nach Kunst, was im letzten Drittel des Jahrhunderts nicht nur neue und ansehnliche Privatsammlungen entstehen ließ, sondern auch dem Auktionshaus Lepke (und seinen Nachfolgern) neue Betätigungsmöglichkeiten bot. Mit der wachsenden Zahl von Versteigerungen änderte sich auch das Erscheinungsbild des Auktionshauses, das nun Kataloge mit Abbildungen publizieren konnte. Höhepunkt war die Versteigerung des Nachlasses von Konsul Wagener, dessen Autographen und Bilder nun auf Lichtdrucktafeln zu bewundern waren. Um 1900 konnten auch andere Kunsthändler ihre Angebote mit prächtigen Katalogen verbreiten. Schon 1860 hatte Hermann Amsler zusammen mit Theodor Ruthardt eine Kunsthandlung eröffnet, die sich auf den Verkauf von graphischen Werken spezialisiert hatte. Im Oktober 1880 hatte Fritz Gurlitt seinen Kunstsalon in der Behrensstraße eröffnet und dort Gemälde alter und jüngerer Meister angeboten sowie Skulpturen und Kunstgewerbe. 1898 eröffneten Paul und Bruno Cassirer eine Kunsthandlung, die sich nun auf Impressionisten und zeitgenössische Künstler spezialisierte. Inzwischen gab es auch genügend Kunden für einen Markt, der immer vielfältiger wurde. Seit den Siebzigerjahren waren neue bedeutende Privatsammlungen in Berlin entstanden, darunter die von Ludwig Darmstaedter, Oskar Hainauer und Eduard Arnhold. In dem folgenden Jahrzehnt wuchsen ihre Zahl und ihre Strahlkraft auf das kulturelle Leben der Stadt noch einmal. Nun sprach man vor allem von den Sammlungen und dem Mäzenatentum Adolph von Beckerath, James Simon, Karl von der Heydt, Oscar Huldschinsky, Rudolf Mosse, um nur einige von ihnen zu nennen. Dass diese Jahrzehnte und die auch die folgenden zur Blütezeit der Berliner Sammlerkultur werden konnten, in der das bisherige Qualitätsniveau und die kulturelle Wirkung überschritten wurden, hatte seine Gründen vor allem in dem unermüdlichen Engagement von Wilhelm Bode, der 1872 als Assistent an die Berliner Museen berufen worden war und seit 1883 als Direktor der Skulptu-
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ren-Abteilung enge Verbindungen zu Berliner Sammlern und Förderern aufbaute. Mit seiner oben schon erwähnten ersten Ausstellung von Berliner Privatsammlungen, die er 1883 in der Akademie veranstaltete, präsentierte er eine erste Bilanz der Sammlerkultur, die sich innerhalb eines Jahrzehnts entwickelt hatte. Er verdeutlichte damit aber auch, welche neuen Faktoren dazukommen mussten, damit eine solche Kultur entstand. Neben den Sammlern, die es zu beraten galt, und den Kunsthändlern, die zu unkonventionellen Kommissionkäufen und eigenen Ausstellungen bereit waren und eine wichtige Vermittlerrolle spielten, vor allem die Organe einer neuen Öffentlichkeit: die Kunst- und Fördervereine, die Berichterstattung der Medien, auch wenn sie im Falle der Einführung der Moderne ablehnend bis bösartig reagierten. Am wichtigsten für die Entstehung qualitätsvoller Privatsammlungen und entsprechender Museumssammlungen war das enge Beratungs- und Austauschverhältnis zwischen Sammlern und Museen. Das war keineswegs eine Einbahnstraße, deren Richtung allein Bode vorgab; eher ein Verhältnis auf Gegenseitigkeit. Unter den Berliner Sammlern, die sich schwerpunktmäßig mit der Renaissance beschäftigten und sich bei Bedarf von Experten beraten ließen, lassen sich mit der Kunsthistorikerin Barbara Paul drei Sammlertypen unterscheiden. Erstens diejenigen, die relativ selbstständig ihre Sammlung aufbauten. Dazu gehörte der 1894 verstorbene Bankier Oskar Hainauer, der seit 1864 das Bankhaus Rothschild in Berlin vertrat und bald danach auch mit dem Aufbau seiner Sammlung begann. Hainauer besaß durch gezielte und von ihm selbst verantwortete Ankäufe bei Versteigerungen neben Kunstgewerbearbeiten vor allem Gemälde, Skulpturen und Reliefs aus der italienischen Renaissance, dazu einzelne deutsche und niederländische Werke. Anregungen zu diesen Erwerbungen hatte er ganz offensichtlich in den verschiedenen Häusern der Rothschilds gefunden, aber auch bei dem Pariser Auktionshaus Spitzer. Auch Bode billigte Hainauer einen eigenen Geschmack und beachtliche Kennerschaft zu. Er hat den Bankier allenfalls bei einigen Erwerbungen bestärkt, diese aber offenbar nicht entscheidend beeinflusst. Dazu war Hainauer zu selbstständig und stolz auf seine Sammlung, die er mithilfe Bodes gerne auch in einer
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Ausstellung öffentlich zeigen wollte. Seit der von Bode 1883 initiierten Ausstellung mit Werken älterer Kunst standen der Bankier und der Museumsmann im engen Kontakt miteinander. Das war die Voraussetzung dafür, dass Hainauer seither dem Museum einige Werke stiftete. Seinen Traum, nach seinem Rückzug vom Bankgeschäft 1893, sich ganz der Kunst widmen zu können, konnte er kaum noch verwirklichen, da er ein Jahr später im Alter von nur fünfzig Jahren starb. Seine Witwe, die sich nach dem Tode ihres Mannes anfangs noch gerne auf den Rat Bodes stützte, verkaufte schließlich die Sammlung als Ganzes, da sie sich um die Versorgung der Kinder und Enkelkinder Sorgen machen musste. Die Sammlung ging 1906 für vier Millionen Mark an eine Londoner Kunsthandlung, nachdem die Berliner Museen sie aus verständlichen Gründen nicht kaufen wollten, um ihre Bestände nicht zu verdoppeln. Eine sehr viel engere und entscheidendere Beratertätigkeit verband Bode mit dem Eisenhüttenbesitzer Oskar Huldschinsky (1846– 1930). Der Millionär betrieb seine Fabrikanlagen in Oberschlesien, seine Verwaltung aber organisierte er in Berlin. In seiner Villa im Berliner Tiergarten befand sich auch seine umfangreiche Sammlung alter Kunst, die er seit den 1890er-Jahren unter Anleitung Bodes einrichtete. Allgemeiner Geschmack und die Erwartung eines zusätzlichen Prestigegewinns brachten ihn, beeinflusst durch Bode, dazu, Werke der italienischen Renaissance und des holländischen 17. Jahrhunderts zu erwerben, dazu erlesene kunstgewerbliche Produkte wie etwa Möbel, Textilien und Porzellane. Sie dienten vor allem der Dekoration seiner Villa und boten den Gemälden das passende Ambiente. Einzelne Werkgruppen wurden auf repräsentative Räume des Hauses verteilt, die mit passendem Mobiliar ausgestattet waren. Herrenzimmer und Arbeitszimmer sollten den Eindruck von Rang und Würde vermitteln und waren darum im Stile der Renaissance eingerichtet und mit Kunstwerken der Renaissance geschmückt. Im Herrenzimmer hingen links neben dem Kamin ein Bildnis des Giuliano de Medici von Raffael, rechts ein Frauenbildnis von Sebastiano del Piombo. Das Damenzimmer war als heiterer französischer Salon gestaltet, während die großen Niederländer im Oberlichtsaal hingen,
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der etwa 10 Meter lang, 8 Meter breit und über 6 Meter hoch war. Fast unnötig hinzuzufügen, dass eine ähnliche Raum-Ausstattung und Bildauswahl – mit geringen Abweichungen – in vielen Villen großbürgerlicher Sammler anzutreffen war und Anlass wachsender Luxuskritik wurden, wenn vor allem wenig eigene Kennerschaft hinter einer solchen repräsentativen Sammlung vermutet wurde. Dass Huldschinsky besonders von solchen Motiven der Dekoration und Repräsentativität geleitet war, lassen entsprechende Anfragen oder Bestellungen bei Bode vermuten. Für seine Villa am Wannsee wünschte sich der Sammler beispielsweise ein „Fruchtstück oder sonst etwas für ein Speisezimmer geeignetes“. Es käme ihm, so schrieb Huldschinsky an Bode, „auf die dekorative Wirkung“ an. Freilich wurde der Millionär mit seinen Sammel- und Ausstattungswünschen immer anspruchsvoller, und er suchte zunehmend „feinere Sachen“. Wenn die begehrten Stücke wertvoller erschienen, verlangte der Sammler vom Museumsmann, dass dieser das Gemälde dann aber nicht eines Tages für sein Museum bzw. den Kaiser-Friedrich-Museumsverein einfordern dürfe. Zwischen den erwähnten beiden Polen des Sammlerverhaltens, wie sie von Hainauer und Huldschinsky so gegensätzlich repräsentiert wurden, bewegte sich das sehr viel variantenreichere Verhältnis zwischen Bode und den Großunternehmern Eduard und James Simon, die sich beide nicht nur als Kunstsammler mit ausgeprägtem und erlesenem Geschmack erwiesen, sondern sich auch als Mäzene für Museumsbelange einsetzten. Besonders der 14 Jahre jüngere Eduard ließ sich stark von Bode leiten und vertraute ganz auf dessen Geschmack. Auch nahm er sich die Kenntnisse und die Sammlung seines älteren Vetters James zum Vorbild. Eduard konnte mit maßgeblicher Unterstützung Bodes zahlreiche Werke der italienischen Renaissance und einige Gemälde des französischen und englischen 18. Jahrhunderts erwerben. Während er mit dieser zweiten Schwerpunktsetzung seiner Sammlung vom allgemeinen, auf holländische Kunstwerke zielenden Zeitgeist abwich, folgte er mit der Ausstattung seiner Villa, die der Architekt Alfred Messel für ihn im Stile der NeoRenaissance errichtet hatte, ganz der herrschende Renaissance-
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Mode. Mehr noch, in den Repräsentationsräumen zeigte er seine Renaissance-Gemälde in dem Ambiente von originalen Türrahmen, Kaminen und Decken, die er sich ebenfalls in den Jahren 1904–1906 in Italien hatte besorgen lassen. Vorbild dafür war die Ausgestaltung des Kaiser-Friedrich-Museums, das 1904 eröffnet worden war und zu einem Leitmuseum auch für die private Sammlerkultur wurde. Sehr viel unabhängiger in der Zusammenstellung seiner Kunstsammlung war James Simon. Er war in verschiedener Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung unter den Berliner Sammlern und Mäzenen. Er war ein qualitätsbewusster, langsam und diszipliniert vorgehender Sammler, der seine Ankaufs- und Sammelstrategie immer von seinen finanziellen Gegebenheiten, die außerordentlich groß waren, und von seiner Priorität für sein soziales Mäzenatentum abhängig machte. Außergewöhnlich war er auch deswegen, weil er seine Renaissance-Sammlung in ihrer Gesamtheit schließlich dem Museum stiftete, das sie in einem eigenen Raum, dem sog. Kabinett James Simon, zeigte. Auch folgte die Aufstellung im Museum der Anordnung der Werke im Privathaus Simons. Das entsprach auch dem Konzept einer Museumsgestaltung, das Bode präferierte. Die Präsentation im Museum sollte einen „wohnlichen Eindruck“ vermitteln. Außergewöhnlich war James Simon schließlich auch in seinem Arbeits- bzw. Sammlerverhältnis zu Bode. Während Simon anfangs, bevor er Bode kannte, seit 1885 völlig unbefangen, aber durchaus mit Geschmack und deutlichen Präferenzen sammelte, nämlich holländische Bilder des 18. Jahrhunderts, mit einer Vorliebe für Stillleben, brachte ihn Bode davon ab und lenkte ihn auf die italienischen Renaissance-Werke aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, von deren künstlerischer Qualität er ihn überzeugte. In dieser ersten Phase intensiver Zusammenarbeit war Simon eindeutig von Bode geleitet, seit 1904 aber machte er sich, ganz im Unterschied zu Huldschinsky, vom Museumsimperialisten Bode relativ unabhängig. Er legte weiterhin großen Wert auf Qualität, nun aber auf eine systematische Sammlung, die die verschiedenen Kunstgattungen berücksichtigte. Vor allem war er eigenständig in der Lage, nachdem er seine Renaissance-Sammlung 1904 dem Museum gestiftet hatte, sich auf neue Sammlungsge-
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biete festzulegen und eine neue Sammlung aufzubauen. Nun erwies sich, dass er mittlerweile ein passionierter Sammler geworden war, der, wie er bekannte, nicht nur „aus äusseren Anlässen Sammler“ geworden sei. Er sammle vielmehr „mit dem Herzen und aus innerer Neigung“. Auch wenn mit diesem Bekenntnis ein Stück Selbstdarstellung verbunden gewesen sein mag, das teilweise zum öffentlichen Rollenbekenntnis gehören mochte, beweisen doch sein Verhalten und vor allem sein soziales Mäzenatentum, dass es Simon mit dieser Selbstbeschreibung ernst meinte. Zudem musste sich James Simon durch die Inszenierung als Sammler und durch eine glanzvolle Präsentation seiner Sammlung in den Räumen seiner 1886 errichteten Villa nicht erst eine soziale Anerkennung erwerben, denn die besaß er schon. Dass man auch unabhängig von dem Museumsmann Bode, aber nicht unabhängig von dem Rat eines Kenners eine bedeutende und originelle Sammlung aufbauen konnte, zeigte das Beispiel des aus Odessa stammenden Rechtsgelehrten Carl Bernstein und seiner Ehefrau Felice. Die Bernsteins hatten sich 1873 in Berlin niedergelassen und waren schon bald Mittelpunkt eines Kreises von Künstlern wie Max Klinger und Adolph von Menzel, von Literaten und von Wissenschaftlern, darunter der Historiker Theodor Mommsen und die Kunstwissenschaftler bzw. Museumsmänner wie Wilhelm von Bode, Friedrich Lippmann, Hugo von Tschudi und von Seidlitz. Später kam auch Max Liebermann hinzu, der bei den glänzenden Soireen im Hause Bernstein sich an die Salons der Henriette Herz erinnert fühlte, die vor achtzig Jahren das geistige Berlin beherrscht habe. Was Bernstein aber außergewöhnlich machte, war seine Sammlung zeitgenössischer Kunst. Vor allem besaßen die Bernsteins eine erlesene Sammlung von Werken französischer Impressionisten, die Bernstein auf Empfehlung seines Vetters Charles Ephrussi, des langjährigen Redakteurs und Herausgebers der „Gazette des Beaux-Arts“, Anfang der Achtzigerjahre in Paris erworben hatte. Er besaß von Manet vier Bilder, von Monet zwei, ferner Bilder von Sisley und Pissarro, bald auch von Degas und Morisot. Noch nie zuvor war eine derartige Sammlung neuartiger Kunstwerke in Berlin und in ganz Deutschland
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gezeigt worden. Sie waren, wie in ersten Berichten über die Sammlung zu lesen war, nicht nur gänzlich unbekannt, sondern „standen im heftigsten Widerstreit zu den Traditionen der deutsche Schulen“. Die Verunsicherung war groß, selbst bei einem reformbewussten Museumsmann wie Alfred Lichtwark, der später bekannte, „wie ratlos wir davor standen, nicht die Laien allein, auch die Künstler“. Die Verunsicherung sollte lange anhalten und bald in einen heftigen kunstpolitischen Streit zwischen den Verfechtern der Tradition und der entstehenden Moderne münden; in einen Streit, der in Deutschland sehr viel tiefere ideologische Gräben aufriss als etwa in Frankreich. Dieser Streit sollte auch innerhalb der Sammlerkultur der Jahrhundertwende deutliche Spuren hinterlassen und deren Einheit zerstören. Es kündigte sich der Aufbruch der Moderne an, an deren Durchsetzung Privatsammler und Kunsthändler einen nicht geringen Anteil hatten.
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Im Herbst 1883 wurden in der Berliner Galerie Fritz Gurlitt erstmals impressionistische Gemälde öffentlich gezeigt. Die Bilder stammten aus der Bernstein’schen Sammlung sowie aus dem Besitz des Pariser Kunsthändlers Paul Durand-Ruel. Es waren, wie so oft, ein Sammler und ein Kunsthändler, die dem neuen Stil den Weg bereiteten. Bestärkt wurde der Durchbruch der Moderne bald auch durch eine jüngere Kunstschriftstellerei und ein verändertes Kunstverständnis, das, wie Thomas Gaethgens hervorhebt, sich von der Betonung der Individualität und Unmittelbarkeit, von einer Abkehr von geschichtlichen Sujets und dafür der Hinwendung zu einem verstärkten Empfinden für die Natur und für den Sinngehalt der Form leiten ließ. Allerdings ging der Mehrheitsgeschmack gleichzeitig noch in eine ganz andere Richtung. In vielen Wohnungen des Adels wie des Großbürgertums hingen nach wie vor und für lange Zeit vor allem Genre- und Landschaftsbilder aus der Tradition der Akademiemalerei. Die Empörung, die der Maler Adolph von Menzel, ein Repräsentant der konventionellen historistischen Malerei, bereits in dem Bernstein’schen Salon bei dem Anblick der Manets und Monets ebenso spontan wie heftig vorgebracht hatte, machte nach der Ausstellung im Kunst-Salon Gurlitt überall in den Kunstkritiken und Kulturzeitschriften die Runde. Der Kunstkritiker Ludwig Pietsch, ein Freund von Menzel, sah diese Malerei „im Widerspruch gegen Alles, was ein Bild zum Kunstwerk und zum Gegenstand des Wohlgefallens für Augen und Geist macht“. Die einzigen Impressionisten, denen er „bei aller Verkehrtheit noch Talent“ zubilligen wollte, waren Manet und Degas. Noch heftiger waren die Schmähungen
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des nationalistischen Kunstkritikers Adolf Rosenberg, der in Monets „breiten groben Pinselstrichen “ nichts als technische Mängel zu erkennen glaubte. Damit war die Tonlage für die heftigen Polemiken gegen die Maler der Moderne gefunden, die sich in derselben Heftigkeit noch über Jahre fortsetzen sollten. Die Impressionisten galten den Kritikern als zu anspruchslos im Sujet, zu skizzenhaft in der Ausführung und zu unkonventionell in Farbe und Komposition. Niemand wollte sie zunächst verteidigen, wie das in Frankreich Emile Zola sehr wirkungsvoll getan hatte. Höhepunkt der traditionalistischen Gegenbewegung in Deutschland waren die Vorwürfe, die Kaiser Wilhelm II. dem Direktor der Nationalgalerie, Hugo von Tschudi, machte, der 1896/97 den Mut hatte, einige der anstößigen Bilder zu erwerben. Bei seinem Besuch in der Nationalgalerie verglich der Kaiser in seiner Empörung über den Ankauf die Bilder Renoirs mit „rosaroten Schweinchen“. Allenfalls unter jüngeren Künstlern hatte Alfred Lichtwark seit den späten 1880er-Jahren große Sympathien für die neue Richtung erkannt, und seit den 1890er-Jahren kaufte er als Direktor der Hamburger Kunsthalle selbst verschiedene impressionistische Gemälde an. Er veranstaltete überdies 1895 eine „Große Kunstausstellung“ mit zahlreichen Schlüsselwerken des französischen Impressionismus. Damit war der Streit um die Moderne längst noch nicht beendet. Noch mehr als zehn Jahre später, im Jahre 1911, startete der traditionalistische Landschaftsmaler Carl Vinnen, der aus dem Umfeld der Worpsweder Künstlerkolonie stammte, im „Namen der deutschen Kunst“ eine heftige Kampagne gegen die Ankäufe französischer Impressionisten durch das Museum in Bremen. Dieses Mal gab es zwar einflussreiche Fürsprecher für die Moderne, darunter namhafte Kunstkritiker, Kunsthändler und Sammler, doch der „Vinnen-Streit“ vermittelte eine Ahnung davon, wie tief die Ressentiments gegen die Moderne nach wie vor saßen. Sammler und Kunsthändler als Wegbereiter des Impressionismus Im Hause der Bernsteins hatten sich, das wurde bald deutlich, die „Wandlungen des europäischen Kunstlebens“ gespiegelt. Carl Bern-
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steins Sammlung hinterließ dauerhafte Spuren nicht nur im Kunstleben Berlins. Der Maler Max Liebermann kam hier mit impressionistischen Gemälden in Berührung und wurde bald einer ihrer Verfechter und Sammler. Ebenso Hugo von Tschudi, seit 1884 Direktorialassistent von Bode und seit 1896 Direktor der Nationalgalerie; auch der Großunternehmer Eduard Arnhold, der sich später in seiner Wohnung vor einem Bild von Manet stolz fotografieren ließ, das er erworben hatte. Die Bernsteins wurden zu Wegbereitern des Impressionismus, und sie hinterließen der heutigen „Alten Nationalgalerie“ mit Manets „Fliederstrauß“, den sie 1908 dem Museum schenkten, ein Prachtstück der klassischen Moderne. Was aber brachte Carl und Felicie Bernstein dazu, neben ihren japanischen Vasen, neben ihren Gobelins, Landschaftsbildern und ihren französischen Gemälden des 18. Jahrhunderts nun auch Kunst der Avantgarde zu sammeln? Entscheidend für ihre Begegnung mit der französischen Gegenwartskunst waren, wie schon dargestellt, familiäre Beziehungen mit dem Schriftsteller und Herausgeber Charles Ephrussi in Paris, wie auch in anderen Fällen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für die Moderne spielen sollten. Das erklärt jedoch noch nicht die Motive der Sammler. War es die Hoffnung, durch Kunstförderung und Mäzenatentum endlich die rechtliche und soziale Anerkennung zu erreichen, die gerade der jüdischen Minderheit bisher verwehrt geblieben war? Dann hätte man nicht unbedingt Werke der damaligen Avantgarde sammeln müssen. Was brachte die Sammler der Moderne, darunter eben auch jüdische Bürger, um die Jahrhundertwende dazu, Werke der „Skandalkunst“ zu erwerben, die der Kaiser gerne als „Rinnsteinkunst“ geißelte? Dahinter stand kein dezidiertes politisches, oppositionelles Bekenntnis. Zu einem nationalen Kulturdeutschtum und zur Hohenzollernmonarchie bekannten sich auch die vermögenden Wirtschaftsbürger und Galeristen, die nun Impressionisten sammelten. Wie ließ sich dieser Kunstgeschmack mit ihrer deutsch-nationalen politischen Orientierung vereinbaren, wo doch der Kaiser vor den „zersetzenden Gefahren“ der Moderne ständig warnte und die Förderung deutscher Kunst zur nationalen Verpflichtung erhob. Für
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die Sammler war der Impressionismus auf jeden Fall Sinnbild für kulturellen Aufbruch und ästhetischen Neubeginn und auch für ihre kulturelle internationale Orientierung. Das Sammeln moderner Kunst, ob sie nun aus Frankreich stammte oder nicht, symbolisierte das Bedürfnis, sich über ästhetische Konventionen hinwegzusetzen und ein Gespür für das Neue und Moderne, aber auch für das andere und das Fremde sichtbar zu machen. Kunstsammeln diente mehr denn je dazu, die Individualität und die persönlichen Geschmackspräferenzen zu demonstrieren. Die Tatsache, dass es unter den Sammlern der Moderne eine auffällig große Gruppe von jüdischen Bürgern gab, hat schon sehr bald zu der These geführt, dass das Sammeln moderner Kunst gerade bei den deutsch-jüdischen Kunstliebhabern, die sich in ihrem Patriotismus immer wieder abgewiesen fühlten, mit ihrer Suche nach Akkulturation und kultureller Identität zusammenhinge. Die vermeintliche Vorliebe der jüdischen Minderheit für Avantgardekunst wurde auch von zionistischen Autoren als Ausdruck des gesellschaftlichen Wandlungsprozesses erklärt, an dem Juden in besonderer Weise teilnähmen, den sie sogar repräsentierten. Das Judentum trage, so hieß es in einem Beitrag über „Juden in der bildenden Kunst der Gegenwart“ von 1924, „den Prozess der Umkehr in sich symbolisch aus. Das Judentum stand immer in Zeiten der Wende vorne an, aber noch nie in Ausmaßen wir gerade heute“. Das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung wird man den Bernsteins und den anderen vermögenden jüdischen Wirtschaftsbürgern jedoch nicht als vorrangiges Motiv für ihre Sammellust unterstellen können. Denn diese Anerkennung besaßen sie schon, bevor sie sich für das Sammeln der Moderne entschieden. Eher wird man angesichts ihrer besonderen Sensibilität für den gesellschaftlich-kulturellen Wandel von einem Bedürfnis nach Repräsentation der Vielfalt ausgehen. Das aber teilten sie auch mit nicht jüdischen Sammlern. Diese besaßen dasselbe Empfinden wie die jüdischen Intellektuellen und Bildungsbürger für die Schwächen und Widersprüche der Kultur in Zeiten des Umbruchs, und sie teilten mit ihnen die Kritik an einer starren Tradition. Auch unter den jüdischen und nicht jüdischen
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Kunstförderern und Sammlern, so auffällig die bedeutende Rolle einzelner vermögender jüdischer Wirtschaftsbürger und Kunstsammler war, blieb die jüdische Komponente nach dem Urteil des amerikanischen Historiker Peter Paret, einem Enkel des Kunsthändlers Paul Cassirer, ein „untergeordnetes Phänomen“. So waren 1897 nur etwa 10 Prozent der Abonnenten der bedeutsamen Kunstzeitschrift „Pan“, in der die Debatten um die Moderne u. a. ausgetragen wurden, jüdischer Herkunft. Unter den 54 ordentlichen Mitgliedern der Berliner Secession waren 1902 fünf oder sechs jüdischer Abkunft. „Die jüdische Teilnahme an der Moderne“, so Peter Paret weiter, „war wichtig; viel wichtiger war die der Nicht-Juden.“ Auch neuere Studien zur Sammlerkultur in Berlin bestätigen diesen Befund, auch wenn der prozentuale Anteil jüdischer Sammler an den Kunstsammlern und Mäzenen der Berliner Museen mittlerweile mit ca. 50 % als sehr viel höher angenommen wird. Allerdings gibt es keine eindeutige Definition davon, wer als Jude einzustufen ist. Das gibt allen quantifizierenden Betrachtungen eine begrenzte Aussagekraft. Auf keinen Fall nutzten die jüdischen Sammler ihre Sammelpraxis dazu, um durch die Auswahl von spezifischen Objekten eine getrennte jüdische Identität abzubilden. Auch gibt es keine Prägung ihrer kulturellen Praxis des Sammelns durch eine Präferenz für bestimmte Kunststile oder Sujets. Es finden sich keine Hinweise auf eine spezifische Ethnizität oder Religiosität; auch bei Sammlern, die sich als Mäzene für die jüdische Gemeinde bzw. Wohlfahrtseinrichtungen betätigten. Sie sammelten nichts anderes als die nicht jüdischen Sammler. All das spricht für die These, dass für sie das Sammeln gerade ein vollkommener „Ausdruck ihrer Akkulturation im deutschen Bürgertum darstellte“ (S. Kuhrau). Dass Hugo von Tschudi seine Erwerbungen impressionistischer Malerei trotz der Widerstände der monarchischen Obrigkeit immer wieder durchsetzen und finanzieren konnte, verdankte er der Hilfe von mächtigen Mäzenen wie Eduard Arnhold und den Familien Oppenheim und Mendelssohn; aber auch Kunstschriftstellern, Galeristen und Museumsreformern wie Julius Meier-Graefe, Paul Cassirer und Alfred Lichtwark, die in der Malerei des Impressionismus den Durch-
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bruch der Moderne erkannten und dies auch in ihren Schriften thematisierten. Sammler wie Kunstschriftsteller nobilitierten die Malerei des Impressionismus auch dadurch, dass sie diese in eine entwicklungsgeschichtliche Abfolge der jüngeren Kunstgeschichte rückten und gleichsam mit normativem Anspruch sie zum Höhepunkt eines Prozesses der Moderne erhoben. Dass die privaten Sammler, die sich seit den 1890er-Jahren trotz der verbreiteten und meist polemischen Abneigung ihres politischen und kulturellen Umfeldes dennoch für das Sammeln der französischen Moderne entschieden, hatte sicherlich mit ihrer Leidenschaft für das Unkonventionelle zu tun. Aber auch mit den Netzwerken, die sich gerade in Berlin zwischen Privatsammlern, Kunsthändlern, Schriftstellern und Museumsleuten dichter als anderswo gebildet hatten. Das garantierte Bestätigung und Zugehörigkeit. Es ermöglichte aber selbst in Zeiten eines überschießenden Radikalnationalismus einen Kulturtransfer zwischen den angeblich durch eine „Erbfeindschaft“ verfeindeten Ländern. Max Liebermanns Atelier wurde seit den frühen 1890er-Jahren zu einem Begegnungsort mit Bildern von Manet und Monet. Vermutlich um 1892 hatte er erstmals zwei impressionistische Werke erworben; nach einer Millionenerbschaft 1894 konnte sich Liebermann weitere Bilder leisten, auch wenn mittlerweile die Preise für die Impressionisten gewaltig gestiegen waren und auch ihn auf den „Kunsthändlerschwindel“ schimpfen ließen. Immerhin konnte er eine Sammlung in einem Umfang und einer Qualität begründen, wie kaum anderswo in Berlin und wie sich dies ohnehin nur wenige Künstler leisten konnten. Das Beispiel des Künstler-Sammlers Liebermann zeigt, welche Affinität oder Anregungen Künstler aus der ständigen Begegnung mit den Werken alter und zeitgenössischer Werke gewinnen und welche künstlerische Qualität solche Sammlungen besitzen konnten. Liebermann hatte sich nicht sofort nach seiner ersten Begegnung mit Gemälden der französischen Impressionisten für den neuen Stil begeistern können, auf den er sich nach eigenem Bekunden anfangs „keinen Vers machen konnte“. Nach einigen Jahren besaß er jedoch sechzehn Gemälde von Manet, fünf Arbeiten von Degas, Monet, Sisley und Cézanne, dazu ein Blumenstillleben von Renoir. Gartenbilder und
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Stillleben waren die bevorzugten Motive seiner Sammlung. Deren Malweise und Motivwahl entdeckte er seit Mitte der 1890er-Jahre auch für seine eigene Malerei. Er sammelte, was nach einem Urteil Lichtwarks seiner „eigenen Kunst“ entsprach. Darum präsentierte er seine französischen Stücke auch bevorzugt in seinem Atelier. Wichtig waren Liebermanns Vorlieben und Kontakte auch für seine Rolle als Vermittler: 1896 führte er Tschudi, der gerade zum Direktor der Nationalgalerie in Berlin ernannt worden war, in die Pariser Kunsthändlerszene ein. Seither gab dieser seine Begeisterung für den Impressionismus weiter und beeinflusste andere Privatsammler, wie etwa Eduard Arnhold, der 1896 seinen ersten Monet erworben hatte und danach verstärkt Impressionisten sammelte. Das war mittlerweile auch kein geschmackliches Wagnis mehr und führte nicht zu einer gesellschaftlichen Ächtung, wenn dies jemals der Fall gewesen sein sollte. Vielmehr zeigte sich, dass es zu dieser Zeit keineswegs mehr einen Graben zwischen Sammlern alter Meister und denen der Moderne gab. Es gab eine Menge Sammler, die sich für beide Schwerpunkte entschieden. Einige Sammler mit traditionellen Vorlieben für die Renaissance und die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts hatten keine Probleme, sich von Künstlern mit deutlicher Orientierung an der Moderne porträtieren zu lassen. Seit dem Ende des Jahrhunderts hatte Liebermann auch die Berliner Secession, die unter seinem Einfluss stand, zur Bühne für die Verehrung des Impressionismus gemacht. 1899 ging die Secession auch eine enge Bindung mit der Galerie von Paul Cassirer ein, die sich nun zum Vorreiter der Moderne machte. Persönliche Kontakte mit der französischen Kulturszene gaben auch den Ausschlag für eine weitere frühe Sammlung impressionistischer Gemälde durch den Literatur- und Kunsthistoriker Julius Elias (1861–1927). Er war bereits 1890 teilweise nach Paris übergesiedelt und verkehrte dort mit Monet, Pissarro und Picasso. Obwohl Elias als Historiker ein klassischer Repräsentant des in der Regel nicht zu übermäßigem Reichtum neigenden Bildungsbürgertums war, war der Bankierssohn durch eine Erbschaft in der Lage, in Paris Ausstellungen des Galeristen Durand-Ruel, einem bedeutenden Agenten
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und Sammler der Moderne, nicht nur zu besuchen, sondern dort auch einzukaufen. In Elias’ Berliner Wohnung hingen eine frühe Fassung von Cézannes Kartenspielern wie eine Schneelandschaft von Monet. Nach 1900 erwarb er noch weitere Gemälde von Monet, Sisley, Manet und Pissarro. Mutig und außergewöhnlich muss man auch seinen Erwerb eines Gemäldes („Tanzgesellschaft“) des seinerzeit skandalumwitterten Edvard Munch nennen, den er schon 1893 gekauft hatte. Mit einem Gemälde des niederländischen Repräsentanten des Fauvismus, Kees van Dongen, das er nach dessen erster Ausstellung in Deutschland in Dresden 1911 kaufte, verdeutlichte er, dass der Impressionismus auch für Sammler schon seinen Höhepunkt als Avantgarde-Kunst überschritten hatte. Sammler und Mäzene auf dem Berliner Kunstmarkt Mit dem schon erwähnten Großindustriellen Eduard Arnhold (1849– 1925) begegnet uns der wohl bedeutendste Berliner Privatsammler der Moderne und zugleich ein wahrer Kunst-Mäzen. Arnhold war 1849 in Dessau als dritter Sohn eines jüdischen Armenarztes geboren und durch Vermittlung seines Vaters als Lehrling in die Berliner Kohlengroßhandlung von Caesar Wollheim eingetreten. 1875 wurde er 26-jährig Teilhaber der Firma. Nach Wollheims Tod übernahm Arnhold dessen Unternehmen und baute es zielstrebig zu einem großen Energieunternehmen aus, das in mehreren Regionen Deutschlands die Produktion und den Vertrieb von Kohle beherrschte, dem entscheidenden Energieträger der Hochindustrialisierung und Verstädterung. Wenn Arnhold bald als „Kohlebaron“ bekannt wurde, dann zunächst dank seiner unternehmerischen Leistung, aber auch seiner selbstbewussten Haltung, die ihm Zugang zu den traditionellen wie den modernen wirtschaftlichen Eliten und hohe Ehrungen verschaffte. Die Nobilitierung lehnte er ab, dafür erfolgte 1913 die Berufung in das Preußische Herrenhaus. Sein Mäzenatentum schien ihm wichtiger zu sein als besondere Auszeichnungen. Während des Ersten Weltkrieges wurde er ständiger Berater des Reichskommissars für Kohleverteilung, von 1918 bis 1921 sachverständiges Mitglied der deutschen Verhand-
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lungsdelegationen bei den Friedens- bzw. Reparationsverhandlungen in Versailles und in London. Die Kunstförderung unterstützte und flankierte sicherlich seinen gesellschaftlichen Aufstieg. Doch soll er schon in seinen frühen Junggesellenjahren eine beachtliche Kunstsammlung besessen haben, die zunächst vor allem Werke der zeitgenössischen deutschen Malerei umfasste und sich vor allem auf Genrebilder und Porträts konzentrierte. In seinen ersten Sammlerjahren beschränkte sich Arnhold, ganz der nüchterne Ökonom, auf den Kauf von ein bis zwei Bildern pro Jahr. Nach seiner Hochzeit 1881 und dem Umzug in eine repräsentative Wohnung im Berliner Tiergarten führte die Sammellust zu einem deutlichen Anwachsen der Sammlung in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Die Wohnung erhielt nicht nur ein eigenes Oberlicht, um eine Bildergalerie unterbringen zu können. Arnhold kam überdies in Kontakt mit Bode und legte nun vor allem Wert auf die Qualität seiner Erwerbungen. Dazu trat er einem der prominenten Kunstvereine, der „Kunstgeschichtlichen Gesellschaft“, bei, wo man die Kennerschaft vor allem der älteren Kunst pflegte. Neben der Sammeltätigkeit, die mit dem wirtschaftlichen Erfolg und der sozialen Anerkennung weiter anwuchs, engagierte sich Arnhold als Mäzen der Künste, der Wissenschaft und von Wohlfahrtseinrichtungen. Die Unterstützung gemeinnütziger Einrichtungen gehörte zu seiner familiären Sozialisation und folgte dem Vorbild des sozial wie politisch und kulturell engagierten Vaters. Es gehörte für Arnhold auch zu seiner jüdischen Identität, die Wohltätigkeit und Förderung der eigenen Gemeinde nicht zu vergessen und ihr stets einen hohen Anteil seiner Aufwendungen einzuräumen. Arnhold unterstützte darum Waisenhäuser ebenso wie das deutsche Kunsthistorische Institut in Florenz und die Bibliotheca Hertziana in Rom, bis heute Säulen deutscher kunsthistorischer Auslandsinstitute. 1911 stiftete er die Villa Massimo, an der bis heute junge Künstler einen Rom-Aufenthalt erleben und studieren können. Schließlich wurde er Mitbegründer und Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, der heutigen Max-Planck-Gesellschaft, der größten außeruniversitären Großforschungseinrichtung.
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Eduard Arnhold in seinem Haus in der Berliner Regentenstraße um 1902 vor E. Manets „L’ Artiste“. Der Berliner Bankier Eduard Arnhold (1849–1925) zeigt sich voller Stolz in seiner großbürgerlichen Villa, in der sich Wirtschaftsbürger, Museumsleute und Künstler trafen, vor einem der Meisterwerke seiner Sammlungen impressionistischer Kunst. Arnhold gehörte zu einer kleinen, aber umso einflussreicheren Gruppe Berliner Sammler und Mäzene, die auch durch Ausstellungen und Museumserwerbungen den Einzug der frühen künstlerischen Moderne in das Berliner Kunstleben nachhaltig förderten.
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Wilhelm von Bode, der sich rühmte, dass viele private Sammlungen alter Kunst „fast ganz nach unseren Vorschlägen“ entstanden wären, pries Arnhold als „unseren bedeutendsten und glücklichsten Sammler von neuen Bildern, deutschen wie französischen“. Was er mit dem „glücklichsten Sammler“ meinte, lässt sich nicht genau sagen. Auf jeden Fall besaß Arnhold über zweihundert Gemälde, siebzig moderne Skulpturen und Kleinplastiken von der frühen Renaissance bis zum 18. Jahrhundert; nach Berechnungen von Michael Dorrmann hat er dafür rund drei Millionen Mark ausgegeben. Nach einigen Jahren gab Arnhold das Sammeln alter Kunst auf und damit auch seine enge Beziehung zu Bode. Er verlegte sich seit 1896 auf französische Impressionisten und deutsche Secessionisten. Zur selben Zeit hatte sich Arnhold auf Bitten von Tschudi zusammen mit Robert von Mendelssohn, Ernst von Mendelssohn-Bartholdy und Hugo Oppenheim, mit denen er nicht nur verwandtschaftlich verbunden war, sondern auch deren Sammelleidenschaft er teilte, mit der Stiftung eines Gemäldes von Manet „Im Wintergarten“ für die Nationalgalerie verdient gemacht. Alle vier verbanden ihre Sammelleidenschaft mit einem großherzigen Mäzenatentum. Damit wurde der Grundstein für die Sammlung französischer Werke der Moderne in einem Museum gelegt, das der deutschen Kunst gewidmet war. Für dogmatische Nationalisten war das eine „internationalistische“ Provokation, für das Museum ein großes Geschenk. Gleichzeitig erwarb Arnhold durch die Vermittlung Tschudis auch für seine eigene Sammlung sein erstes impressionistisches Gemälde. Das machte ihn zum Vorreiter der Moderne zumindest in den Sammlungen und Kunstinteressen des kapitalkräftigen Wirtschaftsbürgertums, während bei Bildungsbürgern wie Bernstein, Elias und auch Liebermann die französischen Impressionisten schon früher eingezogen waren. In Paris bei Durand-Ruel, den er zusammen mit Tschudi und Liebermann besuchte, erwarb Arnhold kurz entschlossen für 10 000 Francs Monets „Pourville bei Ebbe“. Weitere Stiftungen sollten folgen, doch in einigen Fällen, wie bei Monets „Pourville bei Ebbe“, siegte die Leidenschaft des selbstbewussten und dynamischen Sammlers über die Bereitschaft zur Stiftung. Obwohl Arnhold das Bild auf Empfehlung
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Tschudis ursprünglich für die Nationalgalerie erwerben wollte, zog er die Schenkungserklärung schließlich zurück und kaufte das Bild für die eigene Sammlung. Mäzenatentum und Privatsammlung gingen, nicht nur bei Arnhold, Hand in Hand. Hinzu kamen die Vermittlung von Liebermann und die Beratung von Tschudi, der für eine systematische und kontinuierliche Sammelpraxis sorgte. Schließlich lag der Schwerpunkt der Arnhold’schen Sammlung moderner Kunst auf vier Bildern von Monet und sechs von Manet. Außerdem zierten seine Sammlung noch einige Werke von Degas und Pissarro, schließlich noch eine Landschaft von Cézanne. Weitere Vorstöße in die aktuelle Kunst der Moderne wagte Arnhold, ähnlich wie andere Sammler seiner Generation, nicht. Der überwiegende Teil der Arnhold’schen impressionistischen Gemälde war in den 1860er- und 1870er-Jahren entstanden. Sie gehörten nach dem Urteil jüngerer Sammler und Kunsthändler mittlerweile schon zur Gruppe der klassischen, etablierten Werke. Gegenwartsbezogener und risikobereiter war Arnhold nach dem Urteil seines Biographen Dorrmann allein im Falle deutscher Künstler, die bald den größeren Anteil der Sammlung aus dem Bereich der Moderne einnahmen. Dazu gehörten Bilder von Böcklin, Thoma und Liebermann, der für den deutschen Impressionismus stand und zu dem Arnhold als einzigem Künstler persönliche Beziehungen unterhielt. Der Höhepunkt von Arnholds Sammlertätigkeit fällt in die Jahre zwischen 1907 und 1910, danach kaufte er immer weniger, bis er mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kaum noch Kunstgegenstände erwarb. Auch die kunstgeschichtliche Ausrichtung der Sammlung änderte sich kaum noch: Arnhold hatte wenig Interesse an den neuen stilistischen Bewegungen des Expressionismus oder gar des Kubismus. Nur ein Bild von Emil Nolde, bezeichnenderweise ein „Bauern“Bild von 1904, erwarb er noch im Jahre 1913 und während des Krieges einen van Gogh. Das war, so noch einmal Dorrmann, „das Höchstmaß an Avantgarde, dem Arnhold noch Einzug in seine Sammlung gestattete“. Auch in den schweren Wirtschafts- und Währungskrisen der Weimarer Republik, die auch sein Unternehmen betrafen, konnte Arnhold seine Sammlung erhalten, bis sie 1933 durch den
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nationalsozialistischen Amoklauf gegen die Moderne und das Judentum verstreut wurde. Arnholds Sammlung zeichnete sich nach dem Urteil der kunsthistorischen Forschung kaum durch eine spezifische Originalität aus, wohl aber durch die frühe Entschlossenheit zum Erwerb von impressionistischer Malerei. Auf diesem Weg folgten ihm andere. Was aber anhand von zahlreichen Fotos, die die Salonräume Arnholds zeigen, auffällt, ist die besondere Sorgfalt der Hängung, mit der der Sammler nicht nur seine Kennerschaft unter Beweis stellen wollte, sondern offenbar auch eine besondere kulturpolitische Botschaft. Einerseits wollte er sein eigener Museumsdirektor sein und folgte bei der Hängung in den verschiedenen Repräsentationsräumen seiner Villa den Grundsätzen der Museumspraxis. Der Betrachter sollte einen Überblick über die Kunstentwicklung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhalten. Andererseits hängte Arnhold die französischen und deutschen Gemälde nicht etwa separat auf, wie man es in den Hochzeiten des integralen Nationalismus hätte annehmen können, sondern parallel, um die nationalen Entwicklungen und Kunstauffassungen miteinander vergleichen zu können. Wenn Tschudi zwar mit anderer Betonung von einem „Friedensfest“ sprach, zu dem bei Arnhold die Bilder vereint waren, so lässt sich mit Michael Dorrmann in Arnholds Privatsammlung und ihrer Hängung auch ein Versuch der kulturellen Entspannung und Versöhnung in internationaler wie in innergesellschaftlicher Perspektive erkennen. In einer Epoche, in der sich die innergesellschaftliche Spaltung überall zugespitzt hatte und der Nationalismus auf beiden Seiten des Rheins sich geradezu überschlug und auch der Kunst eine nationale Orientierung und Verpflichtung zugewiesen werden sollte, wollte Arnhold durch die Auswahl der Bilder und durch Parallelisierung ihrer Hängung etwas von der Internationalität vermitteln, die der Kunstszene der frühen Moderne grundsätzlich zu eigen war und die den Subtext zum radikalen Nationalismus der Zeit auf beiden Seiten des Rheins darstellte. In der feierlichen Inszenierung, mit der Arnhold die Soireen in seinen Kunst-Galerien gestaltete und dabei Angehörige konservativer Eliten mit Literaten, Künstlern und Museumsleuten zusammenbrachte,
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wollte er ganz offensichtlich auch ein Stück der Moderne anschlussfähig machen. Ob die Dynamik und Selbstradikalisierung der gesellschaftlichen und künstlerischen Moderne diese Vermittlung zuließ, steht freilich auf einem anderen Blatt. Bevor die zunehmende Internationalität der Kunstszene und des Kunstmarktes am Beispiel von russischen und amerikanischen Sammlern des Impressionismus und nachfolgenden Kunstbewegungen der frühen Moderne beschrieben werden soll, muss sich unsere Aufmerksamkeit noch einmal auf Berlin und dann vor allem auf andere Kunstzentren in Deutschland und auf die Entwicklung der Sammlungen nach der Hochphase des Impressionismus richten. Es war ein illustrer Kreis von leidenschaftlichen Sammlern und Mäzenen, die über die nötigen finanziellen Mittel und kulturelle Aufgeschlossenheit für die Kunst der französischen Moderne besaßen. Wenn sie sich für die Erfüllung von Tschudis Wünschen einsetzten, dann konnten auch sie sich, ähnlich wie das zwischen Bode und seinen Sammlern geschah, umgekehrt auch auf die Expertise und den Rat von Tschudi bei ihren Erwerbungen verlassen. Viele von ihnen gehörten zum jüdischen Großbürgertum, das aber keineswegs geschlossen die Kunst der Moderne sammelte, im Gegenteil. Der Kreis der kulturellen „Modernisten“, die politisch in der Regel durchaus konservativ und monarchistisch eingestellt waren, bildete eher eine Minderheit, aber eine prominente und von ähnlichen künstlerisch-kulturellen Präferenzen geprägte. Einige davon haben wir schon erwähnt: Eduard Arnhold, Oscar Huldschinsky, Julius Stern, James und Eduard Simon. Einige von ihnen, wie die Mendelssohns und Oppenheims, waren zudem noch miteinander verwandt. Dass sich in ihren Sammlungen teilweise die Werke derselben französischen Impressionisten fanden, hatte aber keineswegs nur mit ihrer Herkunft zu tun, sondern vor allem mit den Netzwerken und den Vermittlern, die sich in der beträchtlich angewachsenen und reichen Berliner Sammlerkultur herausgebildet hatten. Hier traf man sich bei Soireen und Galeristen, war Mitglied in Kunstvereinen und las dieselben Abhandlungen und Essays über die Kunst der Gegenwart von Julius Meier-Graefe und anderen. Auf dieser Grundlage prägte sich bei ihnen ein ähnlicher Geschmack heraus.
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Nicht selten waren dabei der Rat und die Vermittlung von Kunsthändlern wie Paul Cassirer von Bedeutung, der seinerseits in ein verwandtschaftliches Netzwerk von Sammlern und Käufern eingebunden war. Ernst von Mendelssohn-Bartholdy sowie seine Neffen Robert von Mendelssohn (1857–1917) und Hugo Oppenheim (1847– 1921), alle drei Bankiers, hatten für Tschudi zusammen mit Arnhold nicht nur den ersten Manet für die Nationalgalerie erworben, sondern besaßen privat jeweils eine international ausgerichtete Kunstsammlung. Robert von Mendelssohn erwarb zwischen 1905 und 1910 mehrere Gemälde von Pissarro, Manet und van Gogh. Roberts Bruder Franz von Mendelssohn erwarb gleich drei Bilder van Goghs, den „Sämann“, „Das gelbe Kornfeld“ und den „Blühenden Kastanienzweig“. Auch ihr Vetter Hugo Oppenheim (1847–1921), Mitinhaber des Bankhauses Robert Warschauer & Co., war nicht nur Nachbar von Julius Elias und Mitstifter bei Tschudis Wünschen, er erwarb dabei auch für sich selbst einen Manet, nämlich sein Spätwerk „Monsieur Pertuiset, der Löwenjäger“. In der Familie Oppenheim konnte sich die Schwägerin von Franz Oppenheim, Margarete Oppenheim, sogar für Cézanne begeistern, obwohl sie von ihrer Familie für verrückt erklärt wurde. Der Historiker Felix Gilbert, ein entfernter Verwandter, erinnerte sich an die Kunstschätze des Hauses und ihre wechselnde Aufhängung, was für eine besondere Nähe der Sammlerin zu ihren Bildern, vor allem von Manet, Degas und van Gogh, spricht: „Im Winter befanden sie sich im Stadthaus am Cornelius-Ufer, im Frühjahr wurden sie in die Villa am Wannsee mitgenommen. Das Esszimmer dort sowie verschiedene Salons, alle von bescheidener, manche sogar von geringer Größe, gaben den Blick auf den See frei; die Bilder wurden über die verschiedenen Räume verteilt, nicht als besondere Schaustücke, sondern als gewöhnliche Dekoration der Wände.“ Vermutlich nicht nur bei den Mendelssohns hatten auch die Ehefrauen bei der Auswahl und Hängung der Bilder ein wichtiges Wort mitzureden. Aber von den drei Mendelssohns wissen wir es genauer. Paul von Mendelssohns (1875–1935) erste Frau, Charlotte (geb. 1877) sammelte in dem Palais, das sie von dem Architekten Bruno Paul hatte bauen lassen, „in großem Stil“ Bilder von van Gogh und
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Toulouse-Lautrec; ferner, was schon ungewöhnlicher war, von dem „Zöllner“ Henri Rousseau und dem frühen Picasso bzw. Braque. Dazu hatten ihr die Kunsthändler Paul Cassirer und Alfred Flechtheim (1878–1937) geraten, der auf Anregung seines Freundes Paul Cassirer neben seiner Düsseldorfer Galerie 1921 auch eine Filiale in Berlin gegründet und schon sehr früh Picasso gesammelt und vermittelt hatte. Zwei der van Goghs hatten Charlotte und Paul Mendelssohn im Vorfeld der Van-Gogh-Ausstellung gekauft, die Cassirer 1914 in Berlin veranstaltet hatte. Cassirer vermittelte sie auch an die Galerie Heinrich Thannhauser in München sowie an Pariser Galeristen, wo sie weitere Bilder vor allem aus dem Spätwerk von Vincent van Gogh erwarben. Auch im Landhaus Geltow bei Potsdam des oben erwähnten Bankiers Julius Stern (1858–1914), Direktor der Nationalbank für Deutschland, fanden sich neben van Gogh und Cézanne auch ein Bild von Picasso („Die Dame mit dem Reifrock“) sowie von Gauguin, was man anderswo in Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkrieges kaum zu sehen bekam. Malgonia Stern, die Ehefrau von Julius, hatte bei der Malerin Dora Hitz die Malerei erlernt und einmal mehr bestätigt, dass es vor allem auch Frauen aus dem Bürgertum waren, die die „Moderne erfanden“ (Nipperdey). Malgonia war die eigentliche Sammlerin in der Familie, die über zweihundert Gemälde besaß. Wer damals noch unbekanntere, jüngere französische Meister der Moderne in Paris bewundern oder sich von ihnen irritieren lassen wollte, der musste die Wohnung von Harry Graf Kessler (1868–1937) in der Köthenerstraße in Berlin besuchen. Der Weltbürger und Connaisseur, Sohn eines überaus vermögenden Hamburger Bankiers und einer irischen Baronesse, war in Paris, Ascot und Hamburg aufgewachsen und genoss, vor allem dank seiner Mutter, das besondere Wohlwollen des Kaisers. 1879 hatte Wilhelm I. die Familie in den Adelsstand erhoben, was Sohn Harry, der nach dem Tod des Vaters 1895 finanziell völlig unabhängig war, es erlaubte, als reicher Privatier die Salons der feinen Gesellschaft der europäischen Hauptstädte zu besuchen. Während seines juristischen Studiums an den Universitäten Bonn und Leipzig hatte er kunsthistorische Vorlesungen be-
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sucht und entfernte sich unter dem Einfluss des Kunstkritikers Julius Meier-Graefe und des Gutsbesitzers, Industriemanagers, Kunsthistorikers und Sammlers Eberhard von Bodenhausen dem väterlichen Wunsch, in seine Fußstapfen zu treten. Stattdessen entschloss er sich, sich ganz der Kunst und deren Vermittlung zu widmen. Meier-Graefe und Bodenhausen warben ihn 1894 für die Genossenschaft, die die exklusive Kunstzeitschrift „Pan“ herausgab. Dadurch kam Kessler in Berührung mit Berliner Künstler- und Intellektuellenkreisen, die sich als Opposition zur wilhelminischen Kulturpolitik verstanden. Als ehrenamtliches Redaktionsmitglied und Autor des „Pan“ baute sich Kessler schließlich eine eigene Kunstsammlung auf und förderte durch seine Ankäufe vor allem Künstler, die er im Umfeld des „Pan“ persönlich kennengelernt hatte, von Hans Thoma bis Edvard Munch. Dieser hat seinen Mäzen auch zweimal in sehr eindrucksvollen Porträts gewürdigt. Zwischendurch hielt Kessler sich immer wieder in Paris auf, auch um unbekannte Künstler für den „Pan“ zu entdecken und aus seiner Idee vom „Wettstreit gegensätzlicher nationaler Werte“ kunstpolitische Wirklichkeit werden zu lassen. In Paris erwarb er als einer der ersten deutschen Sammler Bilder von Auguste Renoir und begegnete dem Jugendstilarchitekten und Gestalter Henry van de Velde, den er mit der Ausgestaltung seiner Berliner Wohnung im Stile der „Art nouveau“ beauftragte. Ein ästhetisches Gesamtkunstwerk sollte man in der Köthenerstraße bewundern können, und dafür kaufte Kessler, meist auf Empfehlung des belgischen Alles-Künstlers, der auch selbst sammelte, vor allem in Paris neoimpressionistische Bilder von Seurat, Cross und Signac. Er war der erste deutsche Sammler, der sich für den Neoimpressionismus begeistern konnte. Die idyllischen Motive der Neoimpressionisten ergänzten, ästhetisch überzeugend, das Interieur von Kesslers Wohnungen in Berlin und Weimar. Selbst die schlichten, weißen Rahmen, die Henry van de Velde für die Bilder entworfen hatte, passten in das „Gesamtkunstwerk“, das Kessler anstrebte und das dem eigenen ästhetischen Sendungsbewusstsein und seiner Vorstellung von einem „Geistesaristokratismus“ ein glanzvolles Ambiente verlieh. In Weimar organisierte Kessler den Einzug der Moderne in die Klassikerstadt und träumte
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von einem Zentrum der europäischen Avantgarde, das er dort als Leiter des Großherzoglichen Museums für Kunst- und Kunstgewerbe parallel und in Konkurrenz zur Darmstädter Mathildenhöhe errichten wollte. In seiner eleganten Wohnung in der Cranachstraße in Weimar stellte er Werke der Nabis-Künstler Maurice Denis, Pierre Bonnard und Edouard Vuillard aus. Seine Sammlung sollte zugleich zum Anschauungsort für kunsthistorische Reflexionen werden und der Selbststilisierung dienen. Julius Meier-Graefe nahm drei von Kesslers frühen Erwerbungen in seine „Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst“ auf: Auguste Renoirs „La marchande de pommes“, van Goghs „La pleine d’Auvers“ und Paul Gauguins „Manao Tupapau“. In eigenen kunsttheoretischen Überlegungen, die er in Aufsätzen, aber nie in einer Monographie niederlegte, ging es ihm, wiederum am Beispiel der eigenen Bilder, die mittlerweile durch japanische Kunst ergänzt worden waren, um die Entwicklung der Farbe in der modernen Kunst. Umgekehrt leitete die Kunsttheorie die weiteren Ankäufe, darunter Meisterwerke von van Gogh, Cézanne und Gauguin; Bilder, die bei heutigen Auktionen Preise im zweistelligen Millionenbereich erzielen. Eine neue Rolle des Kunstsammlers deutete sich an, die in den 1920er-Jahren voll zum Tragen kam. Sammler wie Kessler sollten zusammen mit Kunstschriftstellern aktiv in die Kunsttheorie und Kunstgeschichte eingreifen. Der Erste Weltkrieg und die folgenden schweren wirtschaftlichen Krisen und Zusammenbrüche ließen auch Kesslers Vermögen und seine Sammlung nicht unberührt; nach und nach musste er sich in den 1920er- und 1930er-Jahren von seinem Seurat oder von Cézannes „Natur morte“ sowie von einer Maillol-Plastik trennen, um nur die wichtigsten zu nennen. Auch mit der neuen radikalen gesellschaftskritischen Gegenwartskunst konnte er sich nur schwer anfreunden; sie passte kaum in die heitere, helle Atmosphäre seines Jugendstil-Ambientes und die wenigen Bilder, die er erwarb, kaufte er aus karitativen Motiven, wie etwa 1919 zwei Gemälde von George Grosz. Künstler im Umfeld des Bauhauses kamen bei Kessler, der, angeregt von der Völkerbundsidee, sich ohnehin stärker auf das diplomatische Parkett begeben hatte, kaum vor, und von einer Ausstel-
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lung von Gropius, die er 1930 in Paris besucht hatte, hielt er in seinem Tagebuch nur die Beobachtung einer „gewissen Ärmlichkeit“ fest, „nicht ideell, aber materiell, Arme-Leute-Kunst“. Kessler war nicht der einzige Sammler der Moderne, der von deren Dynamik und Widersprüchlichkeit überholt wurde; der Erste Weltkrieg hatte diesen Umbruch noch verstärkt und radikalisiert. Hinzu kam, dass die einstige homogene kulturelle Elite der Jahrhundertwende sich längst gespalten hatte und ihre kulturelle Vorbildfunktion immer mehr verlor. Zu groß wurden schon vor 1914 die Gegensätze zwischen den volkspädagogischen Vorstellungen von Bode und Lichtwark einerseits und den elitären Ansprüchen von Kessler, Meier-Graefe und Tschudi andererseits, die sich gerne als ästhetizistische Elite inszenierten. Kunst war für sie nicht mehr Medium der Verbürgerlichung, sondern besaß einen eigenen ästhetischen Wert, der allein auf Qualität gerichtet und sich unabhängig von gesellschaftlichen Bindungen allein durch die Förderung durch Privilegierte und auch für sie entfalten sollte. Voller Kontraste war die Kunstszene in München in den beiden ersten Jahrzehnten nach der Jahrhundertwende. Auch in München existierten, wenn auch in bescheidenerem Ausmaß, die beiden Grundbedingungen für die Entfaltung einer Sammlerkultur und eines dazugehörenden Kunsthandels: das Neben- und Ineinander von Kapital und Kultur. Unter den privaten Kunstsammlungen dominierten diejenigen mit alter Kunst oder Münchener Malerei. Die Salonkultur im Stile Lenbachs beherrschte die Lebenswelt begüterter Schichten. Diese lebten, ähnlich wie in Berlin, vorwiegend in einem Ambiente, das mit Mobiliar und Gobelins im Stile der Neorenaissance ausgestattet war. Thomas Mann konnte im Elternhaus seiner Frau Katja, dem Palais Pringsheim in der Arcisstraße, die prächtigen Neorenaissance- Decken bewundern und den „unsäglich schönen Fries“, mit dem Hans Thoma das Musikzimmer ausgestattet hatte. Erst vor einiger Zeit hat die Kunsthistorikerin Andrea Pophanken darauf hingewiesen, dass es auch in München nach der Jahrhundertwende mindestens fünf bedeutende Privatsammlungen mit impressionistischer und nachimpressionistischer Kunst gab. Das war die Szenerie, auf die Hugo von Tschudi nach seinem freiwillig erzwungenen
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Abschied aus dem kaiserlichen Berlin 1909 traf. Bekanntlich blieben ihm als Folge einer schweren Erkrankung bis zu seinem Tod 1911 nur zwei Jahre, um der Münchener Sammeltätigkeit, wie er es formulierte, „neue und fruchtbringende Anregungen“ zu vermitteln. Die dortigen Sammler hätten, so konstatierte er, an der „Schwelle zur neuen Kunst Halt“ gemacht und stünden dieser „ablehnend und geradezu feindlich“ gegenüber. Nicht nur dass es München damals, im Vergleich zu Berlin, an einer breiten Schicht von innovationsfreudigen Wirtschaftsbürgern und folglich auch Privatsammlern fehlte, auch die Ausstellungen der Münchener Secession, so klagte Wilhelm Worringer, verstünden die dort präsentierten Bilder von Cézanne nur als Alibi und versteckten sie im Sekretariat, gleichsam unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Tschudis Ansprechpartner in München war darum zunächst nur eine schmale Schicht von Sammlern und Mäzenen; doch für die Tschudi-Spende, die sein Mitarbeiter Heinz Braune nach Tschudis Tod einrichtete, zeichnete ein illustrer Kreis von Förderern und Sammlern. Dazu gehörten der Schriftsteller Carl Sternheim und seine Frau Thea, der Verleger Walter Heymel, Rudolf Baron von Simolin, der Bankier Alfred Wolff. Ihre Bilder erwarben sie bei den Münchener Kunsthändlern Heinemann, Thannhauser, Brakl und Caspari, aber auch in Berlin bei Cassirer. Das Ehepaar Sternheim, das sein Vermögen vor allem der Mitgift verdankte, die Thea Loewenstein geb. Bauer (1883–1971) 1907 mit in die Ehe mit dem Schriftsteller Carl Sternheim brachte, sammelte ähnlich wie die Berliner Sammler der Moderne vor allem französische Impressionisten, die zu dieser Zeit allerdings schon deutlich im Preis gestiegen waren. Sie besaßen mehrere Bilder von Vincent van Gogh, Paul Gauguin und Auguste Renoir, aber auch von dem Neoimpressionisten Maurice Denis, von Henri Matisse und Jean Baptiste Greuze. Besonders Thea Sternheim hatte eine Vorliebe für van Gogh und lieh ihre Bilder auch für die Kölner Sonderbundausstellung von 1912 aus. Seit dieser Zeit stand sie auch in engerem Kontakt zu Alfred Flechtheim, der diese Ausstellung im Wesentlichen organisiert und mit eigenen Bildern ausgestattet hatte. Das sollte den Beginn seiner Karriere als Galerist bedeuten, der zugleich seine eigene Sammlung aufbaute und präsentierte. Auf
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der Kölner Ausstellung begegneten die Sternheims auch Bildern von Gauguin, von denen sie gleich zwei erwarben. Schließlich sollten sie zu den wenigen deutschen Sammlern gehören, die vor 1914 einen Matisse und einen Picasso besaßen. 1912 verließ das Ehepaar München, wo Carl Sternheim auf viele Widerstände gestoßen war. Aber auch in Brüssel, wo sie bis 1918 lebten, und später in der Schweiz war der Ausverkauf ihrer Sammlung, der aus ihren finanziellen Schwierigkeiten resultierte, nicht zu vermeiden. Ein Schicksal, das in den Krisen der Zwischenkriegszeit nicht wenigen Sammlungen drohte. Auch der Verleger Heymel, der ähnlich wie die Sternheims einen engen Kontakt zu Tschudi besaß und auch seine Ankäufe in München ermöglichte, war mit seiner Sammlung von Impressionisten, darunter allein vier Gemälde von van Gogh und noch mehr von ToulouseLautrec, von mehreren finanziellen Rückschlägen bedroht und zum Verkauf gezwungen, auch wenn er mehrmals nach einem Rückschlag wieder mit dem Erwerb neuer Bilder weitermachen konnte und wollte. Denn Kunst war für ihn Leidenschaft und „Lebensstoff“ (G. Busch). Auch die anderen Sammlungen, vor allem von Thurneyssen, vereinten impressionistische und nachimpressionistische Bilder. Das unterschied sie kaum von den Berliner Sammlungen, auch wenn sie im Vergleich dazu nur eine kleine Gruppe bildeten, deren Kapital meist aus ererbtem Familienvermögen und nicht aus industriewirtschaftlichen Gewinnen stammten. Die Internationale von Sammlern der Moderne Während die deutsche Kunstdebatte in dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts sich noch überwiegend um die Akzeptanz des Impressionismus und seine Einordnung in eine Entwicklungsgeschichte der Kunst drehte, war die aktuelle Kunstszene in Paris schon einen Schritt weiter und blieb darum für die internationale Kunstwelt nach wie vor attraktiv. Immer mehr deutsche Künstler, wie Hans Purrmann, oder Sammler wie Alfred Flechtheim, zog es vorübergehend oder auch für immer nach Paris. Vor allem trafen sich an der Seine auch amerikanische Kunstfreunde und Sammler ebenso wie russische. Sie kauf-
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ten ihre Bilder oft bei denselben Kunsthändlern, bei Durand-Ruel oder Vollard, später auch bei Kahnweiler. Hier kamen sie auch in Kontakt mit jüngeren Künstlern wie Matisse, Picasso und Braque, die nach der Ära der Impressionisten nun die Avantgarde bildeten. Einige von ihnen, wie die amerikanischen Geschwister Leo und Gertrude Stein, eröffneten eigene Salons, die zum Treffpunkt des intellektuellen und künstlerischen Lebens wurden. Die Geschwister Stein waren ursprünglich nicht nach Paris gekommen, um Kunst zu sammeln. Auch ihre Kennerschaft entwickelte sich erst „vor Ort“. Sie begannen Kunst zu erwerben, als ihr Bruder Michael ihnen Ende 1904 ankündigte, einen Überschuss von 8000 Francs im Familienbesitz ermittelt zu haben. Daraufhin kauften sie im großen Stil bei Pariser Kunsthändlern, oft auch zwei Gemälde auf einmal, weil man sich nicht einigen konnte. Als Vermittler traten dabei vielfach die Kunsthändler der Rue Lafitte, vor allem Ambroise Vollard auf. Die amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein (geb. 1874) und ihr älterer Bruder Leo stammten aus einer wohlhabenden bürgerlichen Familie mit deutsch-jüdischen Wurzeln. Im Herbst 1893 war sie ihrem Bruder zu Studienzwecken nach Cambridge, Mass. gefolgt, brach ihr Studium der Medizin und Biologie sowie der Psychologie nach einigen nicht bestandenen Prüfungen in der Medizin 1900 ab und reiste wiederholt nach Europa, wo sich ihr Bruder Leo bereits aufhielt, um Kunst zu studieren. 1903 folgte Gertrude ihrem Bruder Leo endgültig nach Europa; beide wohnten in Paris in der Rue de Fleurus und eröffneten dort einen Salon. Der wurde bald zu einer ersten Adresse für die internationale Avantgarde der Schriftsteller und bildenden Künstler, vor allem aber zu einer Kunstgalerie, deren Wände schließlich von unten bis oben mit Bildern von Malern vollgehängt waren, die außerhalb der Künstlerzirkel damals noch unbekannt waren und zu der zweiten Generation der Repräsentanten der französischen Moderne gehörten: Cézanne, Monet, Renoir, Gauguin und schließlich Denis und Picasso. 1903 hatte Leo seinen ersten Cézanne bei Ambroise Vollard, dem finanziellen Förderer der oft mittellosen Avantgarde, erworben. Dem folgten ein Jahr später, als Gertrude auch in Paris wohnte, noch drei weitere Gemälde von
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Cézanne, zwei von Gauguin und eins von Denis. Beim Herbstsalon von 1905 erwarb Bruder Leo ein erstes Bild des jungen Henri Matisse, der zwei Jahre zuvor beim Herbstsalon von 1903 mit seiner ersten Ausstellung für Furore gesorgt hatte. Es war das Gemälde „Frau mit Hut“, das 1915 in den Besitz der Familie Michael Steins überging. Michael und seine Frau Sarah setzten sich sehr für Matisse ein und waren an der Gründung der Académie Matisse beteiligt. Mit dem Kauf der „Frau mit dem Hut“, das Leo zunächst für die „widerlichste Schmiererei mit Farben“ hielt und vor dem er zusammen mit Gertrude wochenlang zweifelnd gesessen hatte, bis sie es für 500 Francs erwarben, veränderte sich die Ausrichtung der Sammlungen der Steins. Nicht mehr die bereits etablierten Meister der französischen Moderne erwarben sie, sondern finanziell erschwinglichere brandaktuelle Werke. Das führte sie vor allem zu Picasso, von dessen malerischem Genie Leo sofort überzeugt war. 1905 erwarben die Steins auf Betreiben von Leo ihr erstes Bild von Picasso, das „Nackte Mädchen mit Blumenkorb“, das Gertrude anfangs gar nicht mochte. Dennoch befreundete sie sich mit Picasso, der im Herbst 1906 nach langen Sitzungen im Bateau-Lavoir, dem Atelier Picassos, ein Porträt von ihr malte. Es sollte das wertvollste Bild werden, das die Wände der Stein’schen Privatgalerie in der Rue de Flerus zierte. Aber nicht das einzigste. Bald waren die Wohnungen von Gertude und Leo, wie von Michael und Sarah, die 1906 von New York zurück nach Paris gekommen waren, voll von Gemälden von Cézanne, Gauguin, Manguin, Matisse, Picasso, Renoir, Toulouse-Lautrec und Vallotton. Auch Sarah und Michael ließen sich von ihren Geschwistern dazu verleiten, einige weniger aktuelle Gemälde von Denis und Fantin-Latour zu verkaufen. Bald dominierten auch in ihrer Wohnung in der Rue Madame die Leinwände von Matisse. Die Ausstellung von Gegenwartsmalerei im Musée du Luxembourg wirkte, auch nach der Beobachtung von Paul Modersohn-Becker, dagegen äußerst bescheiden. Die beiden Wohnungen der Steins wurden hingegen zu einem begehrten Besuchsziel für Kenner, was die schriftstellerische Arbeit von Gertrude, die in ihrer Galerie auch ihren Schreibtisch hatte, sehr störte. Seit 1907 konnte man an jedem Samstagabend zu den Steins kommen, wenn man
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sich einen Eindruck von der aktuellen Malerei in Paris verschaffen wollte. Zu den Treffen im Salon in der Rue de Fleurus kam häufig Picasso mit Freunden. Dazu gehörten Fernande Olivier, Max Jacob, Alfred Jarry, Guillaume Apollinaire, André Salmon und Georges Braque. 1905 erwarben die Steins auf Betreiben von Leo ihr erstes Bild von Picasso, das „Nackte Mädchen mit Blumenkorb“, das Gertrude anfangs gar nicht mochte. Der ersten Erwerbung eines Bildes von Picasso folgten bald weitere in stattlicher Zahl. Noch waren sich die Geschwister bei ihren Entscheidungen einig, bis die rasche, stilistische Entwicklung des Meisters sie entzweite. Auch ausländische Besucher wie die russischen Sammler Iwan Morosow und Sergej Schtschukin und der amerikanische Sammler Albert C. Barnes sowie die britischen Kunstkritiker Roger Fry und Clive Bell besuchten die Steins. Ihr Salon wurde ebenso wie einige Galerien in der Rue de Fleurus zu Vermittlungsorten der Avantgardekunst. Hier trafen sich Künstler mit Sammlern und Kunstkritikern, deren Urteil ganz wesentlich die Meinung der Kunstwelt in der Alten wie in der Neuen Welt bestimmen sollte. Eine Internationale der Avantgardekünstler und Kunstsammler, auf die noch nicht die Schatten des Ersten Weltkrieges fielen. Doch bereits 1913 kam es zu ersten Konflikten und Auflösungserscheinungen: Leo Stein verließ die gemeinsame Wohnung, da er das Zusammenleben Gertrudes mit ihrer Muse Alice B. Toklas nicht mehr ertragen wollte und man sich außerdem über Gertrudes Vorliebe für den Kubismus sowie über ihre schriftstellerischen Produkte stritt. Leo zog nach Florenz, der Hausrat und die Kunstsammlung wurden aufgeteilt. Leo behielt die Renoirs und Matisse’, Gertrude die kubistischen Bilder Picassos sowie einige Cézannes und Matisses „Frau mit Hut“. Gertrude betrieb die Salons am Samstag alleine weiter; vor allem aber beteiligte sie sich mit ausgewählten Bildern an der Armory Show 1913 in New York, wo das amerikanische Publikum erstmals europäischen Künstlern der Moderne begegnete: Matisse, Picasso, Braque, Duchamp und Kandinsky. Die Samstage bei den Steins bedeuteten zugleich einen Übergang in der Geschichte der privaten Kunstgalerien von dem mehr intimen Salon der Vorgängergenerationen zu dem öffentlichen Spektakel der Galerie-Ausstellungen und
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Galerie-Touren. Gertrudes Ruhm als erfolgreiche Schriftstellerin überstrahlte bald den Glanz ihrer Kunstsammlungen, bis der literarische Erfolg in den 1930er-Jahren die Kunstsammlerin ganz in Vergessenheit geraten ließ. Gute Kenner ihrer Sammlungen und ihrer Salons, wie Clive Bell, behaupteten später, dass Gertrude Stein eigentlich kaum einen visuellen Zugang zu der bildenden Kunst besessen hätte; die Gemälde seien für sie nur Aufhänger für ihre intellektuellen Neigungen gewesen. Bei ihrem Tod 1946 in Paris besaß sie nur noch Werke von Picasso und Juan Gris, alle anderen Bilder hatte sie schon längst verkauft. Die „Samstage“ in der Wohnung der Geschwister Stein besuchten seit 1905 auch vier russische Sammler, wann immer sie in Paris weilten. Pjotr und Sergej Schtschukin sowie Michail und Iwan Morosow. Die Schtschukins stammten aus einer Tuchhandelsfamilie, die Morosows aus der Textilindustrie, die beide im 19. Jahrhundert große Vermögen erworben hatten und sich schon lange der Förderung der Kunst und vaterländischen Geschichte gewidmet hatten. Pjotr und Sergej Schtschukin kamen aus einer weitverzweigten, weltläufigen Dynastie, die die Künste liebte und in deren Haus Schriftsteller wie Gogol, Turgenjew und Tolstoi, aber auch politische Publizisten und Theoretiker wie Bakunin verkehrten. Ein Onkel, Pawel Tretjakow, hatte für seine Kunstwerke eine Gemäldegalerie gestiftet, mit der Pjotr und Sergej sowie ihr Bruder Nikolaj groß wurden. Die Brüder begannen, nachdem sie seit 1878 in das väterliche Unternehmen eingetreten waren und über sehr viel Geld verfügten, selbst damit, Kunst zu sammeln. Pjotr konzentrierte sich auf die russische Vergangenheit und sammelte eher wild und anfangs wenig wählerisch. 1892 begann er mit dem Bau eines eigenen Museums, in dem er historische Dokumente, Unikate des Kunsthandwerks und Tapisserien zusammentrug. Insgesamt umfasste der Bestand seines Museums 23 911 Katalognummern; nach einem ersten Besuch bei dem Kunsthändler DurandRuel erwarb Pjotr auf Anraten seines Bruders Iwan auch Meisterwerke der französischen Malerei, vor allem impressionistische Landschaften und Gemälde von Pissarro, von dessen Stadtlandschaften als Visualisierung von Bewegung sich Pjotr angezogen fühlte. Der
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dritte Sohn der Familie, Sergej (1854–1936), der 1890 die Firmenleitung übernommen hatte, sollte der bedeutendste Sammler aus der Dynastie werden. Seine Interessen hatten sich schon früh weg von der russischen hin zur westeuropäischen Kunst bewegt. Sein erstes Bild, das er 1897 von den französischen Impressionisten erwarb, war Monets „Flieder in der Sonne“. Es war zugleich der erste Monet, der nach Moskau gelangte. Schließlich kündeten mehrere Gemälde Monets in Sergejs Großem Salon, zu denen auch zwei Ansichten der Kathedrale von Rouen gehörten, von seiner Vorliebe für den späten Impressionismus. Bald kamen Tänzerinnen von Degas dazu, schließlich auch großformatige Bilder von Gauguin, die ebenso Aufsehen erregten wie einige Jahre später einige Van-Gogh-Gemälde, die ihren festen Platz in dem Nachbar-Raum der Gauguin-Bilder erhielten. Sergejs Sammlung setzte nicht auf umfassende Vollständigkeit, sondern auf „frische“ Bilder und auf das, was ihm wichtig erschien. 1908 kam das erste Bild von Picasso hinzu, den er gerade in Paris kennengelernt und in seinem Atelier besucht hatte. Seine Picasso-Sammlung konnte es bald mit der der Geschwister Stein in Paris aufnehmen, die er gut kannte und die ihn offenbar angeregt hatte. Schließlich begeisterte er sich für Matisse, den er durch die Vermittlung der Steins kennengelernt hatte und dem er weitere Aufträge für Stillleben gab. Bei einem Besuch von Matisse in Moskau 1911 überließ es ihm der Sammler, seine eigenen Werke, die mittlerweile auf 25 Gemälde angewachsen waren, eigenhändig in dem Rosa Salon seines Hauses zu hängen. Stein des Anstoßes für die zahlreichen Besucher von Schtschukins Galerie waren und blieben die kubistischen Gemälde von Picasso, die er bis zum Jahre 1914 immer wieder in Paris erwarb. Fast zur selben Zeit wie Sergej Schtschukin begeisterte sich Michail Morosow für moderne französische Malerei und gab diese Leidenschaft an seinen jüngeren Bruder Iwan weiter. Diese Präferenz bezog auch die Malerei der Avantgarde mit ein; nicht weil die russischen Sammler politische Affinitäten zu den Pariser Künstlern verspürten, sondern weil sie sich von den Farben und Formgestaltungen der Impressionisten und Nach-Impressionisten angezogen fühlten, die bei den Schtschukins wie bei den Morosows in großer Zahl zu
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sehen waren. Michail Morosow hatte sie immer wieder in den Pariser Galerien von Ambroise Vollard und Bernheim-Jeune gesehen. Sein Bruder Iwan, der nach dem frühen Tod Michails in seine Fußstapfen getreten war, war bei seinen ersten Besuchen des Pariser Kunstmarktes in den Jahren 1903 bis 1905 noch unsicher und versicherte sich stets eines Beraters. Anfangs hatte er sich für Bilder von Sisley begeistert, später kaufte er gezielter. Vollard erinnerte sich an: „Ein Russe, der nicht übereilt handelt.“ Félix Fénéon, künstlerischer Direktor der Galerie Bernheim-Jeune, kannte ihn als einen „ungemein aufmerksamen Betrachter“, der nach einigen Tagen intensiven Galeriebesuchs nach Moskau zurückzukehren pflegte, in denen er „nichts anderes als Bilder gesehen hat; manche nimmt er mit, und diese sind dann erlesene Arbeiten.“ Dazu gehörten vor allem Bilder von Monet und Renoir, später von Gauguin, van Gogh und Cézanne, den er auf dem Pariser Herbstsalon 1907 kennenlernte, der der postumen Würdigung Cézannes gewidmet war. Bald konnte man einen kompletten Cézanne-Raum in Iwans Palais bewundern. Beide Sammler, Schtschukin wie Morosow, waren von derselben Leidenschaft für die Malerei der Moderne beseelt, obwohl sie von ganz unterschiedlichem Naturell waren. Morosow war der vorsichtigere, Schtschukin war ein leidenschaftlicher Draufgänger. Morosow zog nach dem Urteil des russischen Kunstschriftstellers Ternowez „das friedliche Herumstöbern in Vollards Bilddepot dem Vagabundentemperament Schtschukins vor und reihte lieber ein Meisterwerk an andere wie Perlen auf einen Faden“. Beide Sammler erlebten den Ersten Weltkrieg und die Russische Revolution als tiefen Einschnitt in ihr Leben und ihr Sammlerleben: Der Weg nach Paris war abgeschnitten, ihre Sammlungen konnten nicht weiter ausgebaut werden, bis schließlich die bolschewistische Revolution die Sammlungsbestände mit der Begründung „Raube das Geraubte“ enteignete und in staatliche Gewalt brachte. Beider Unternehmen wurden verstaatlicht, während ihre Besitzer einer drohenden Verhaftung durch ihre Flucht in den Westen entkamen. Sergej Schtschukin siedelte sich in Frankreich an, ohne je wieder das Kunstsammeln im großen Stil fortzusetzen und den Kontakt mit Künstlern und Kunsthändlern wirklich zu suchen. Der brutale revolutionäre
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Eingriff in Eigentum und Autonomie hatte ein kulturelles Erbe einer großbürgerlichen Familie zerstört und mit der Enteignung der Kunstsammlungen und privaten Museen der Sammler auch ein wichtiges Element bürgerlicher Repräsentation ausgelöscht. Die Geschichte von Krieg und Diktaturen des 20. Jahrhunderts sollte noch weitere schreckliche Beispiele für die Fragilität bürgerlicher sozialer Repräsentation und Macht liefern. Zu den Besuchern der Steins in ihrem Pariser Salon gehörte seit 1912 auch ein amerikanischer Sammler, der sein Vermögen mit der Erfindung von Argyrol, einem Antiseptikum, gemacht hatte: Albert C. Barnes, ein Selfmademan und Unternehmer, der 1872 als Sohn eines Metzgers in einer Vorstadt von Philadelphia geboren worden war und nach seinem Studium der Medizin bereits als fünfundzwanzigjähriger Medizinalassistent ein Medikament entwickelt hatte, das vor allem bei Augenentzündungen erfolgreich eingesetzt wurde und dessen Produktion bzw. Vertrieb ihm große Gewinne einbrachte. Während die ursprünglich 1902 mit dem deutschen Chemiker Hille gegründete Firma nach der Trennung von seinem Kompagnon 1908 von Barnes alleine als A.C. Barnes Company mit großem Erfolg weitergeführt wurde, wandte sich der rastlose und wissbegierige Barnes neben seiner Unternehmertätigkeit der Psychologie, der Erziehungswissenschaft und schließlich der Kunst zu. Mit großem Eifer und sicherem Blick stürzte er sich auf die Kunst, nachdem ihn ein einstiger Schulfreund, der Maler William Glackens, zunächst eingeführt und er die einschlägigen Museen und Sammlungen der amerikanischen Ostküste besucht hatte. Glackens hatte auch die ersten Käufe für ihn in Paris vermittelt. Schon bei diesen Anfängen als Sammler war Barnes selbstbewusst genug, sich die letzte Entscheidung über die von Glackens eingekauften Bilder vorzubehalten, nachdem er sie selbst geprüft hatte. Im Juni und noch einmal im Dezember 1912 reiste er, nachdem er bis dahin nur in der New Yorker Filiale von Durand-Ruel mit einer bedeutenden Kunstgalerie in Berührung gekommen war, dann selbst nach Paris. Inzwischen hatte er mit bedeutenden Kunsthändlern korrespondiert und beauftragte Alfred Maurer, sich nach geeigneten Kaufobjekten umzusehen. Albert Barnes erregte bei den
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Auktionen und Galeriebesuchen mit seinem unkonventionellen Auftreten auf dem Kunstmarkt, aber auch mit seinem gebildeten Geist und der Unerbittlichkeit, mit der er seine Verhandlungen führte, Aufsehen und auch Irritationen. Weihnachten 1912 schrieb er an Robert Henri: „Vor einigen Tagen habe ich in Paris einige bedeutende Cézannes und Renoirs erstanden … Es handelt sich um sechs Cézannes und vier Renoirs … Ich habe auch zwei sehr typische Daumiers, einige frühe Picassos sowie das Stillleben und das Landschaftsgemälde von Matisse gekauft, die Du, wie ich glaube, in der Wohnung der Steins in Paris gesehen hast.“ Mit Leo Stein verband ihn bald ein enger Kontakt und Austausch; schließlich hatten sie sehr viel gemeinsame intellektuelle Grundlagen und Überzeugungen. Zwei Jahre nach seinem ersten Paris-Besuch, dem noch weitere folgen sollten, konnte er Anfang 1914 Leo Stein stolz berichten: „Ich habe bei mir zu Hause 25 Renoirs, 12 Cézannes und 12 Picassos gezählt. Ich denke, dass ich um den 1. Mai in Paris sein werde, und hoffe, Sie dort anzutreffen. Ich werde lange genug bleiben, um die Angebote der Kunsthändler zu prüfen, und dann werde ich nach Madrid in den Prado und für die Italiener nach Florenz fahren.“ Es war die große Zeit, in der man den Eindruck bekommen konnte, alle reichen Amerikaner führen auf Schatzjagd nach Paris. Ihre scheinbar unbegrenzte Zahlungsfähigkeit, die ihre „Einkaufstouren“ erlaubten, verwirrten und verbitterten so manchen europäischen Sammler und Museumsmann, der mit der Preissteigerung für Kunstwerke, die der Boom auslöste, nicht mehr mithalten konnte. Zugleich entstanden damit die amerikanischen Kunstsammlungen, die noch heute in den Museen der USA zu bewundern und Zeugnisse einer stolzen mäzenatischen Kultur sind. Albert Barnes war kein Einzelfall, aber er unterschied sich von anderen Sammlern, die nicht weniger von Jagdleidenschaft getrieben waren als er. Barnes brachte aber eine größere Energie und Unerbittlichkeit mit, zugleich zeichnete ihn auch ein starker intellektueller und pädagogischer Impetus aus. Mit Leo Stein hatte er verschiedentlich über die nach seiner Meinung bestehende Unzulänglichkeit der kunsthistorischen Literatur gesprochen und drängte diesen ungeduldig zur Niederschrift seiner
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Überlegungen. „Ich hoffe, Sie setzen sich dahinter und sprechen die Dinge aus, über die sich auch niemand von allen, die ich kenne, besser äußern kann als Sie.“ Inzwischen setzte Barnes sich selbst hin, um über Kunst zu schreiben; zuerst in Aufsatzform, später in Monographien. Dass er sich dadurch unter den Experten wenig Freunde geschaffen hat, ist nachvollziehbar. Später sollte das dazu führen, dass die Universität von Philadelphia, mit der er anfangs gute Kontakte pflegte, Barnes Angebote abwies, bei ihnen einen Lehrauftrag zu übernehmen. Im Gegenzug verwehrte er den etablierten Kunsthistorikern den Zugang zu seiner geheimnisumwitterten Sammlung. Der Zutritt war nur wenigen Auserwählten vorbehalten. Seine Sammlung hatte er, nachdem sie in der Nachkriegszeit weiter gewachsen war, schließlich 1924 in einem eigens für ihn errichteten Museum als wichtigsten Bestandteil der Barnes Foundation untergebracht und ganz nach seinen eigenwilligen Vorstellungen gehängt, indem Werke der alten Kunst neben denen der Moderne und auch der afrikanischen Kunst, die er seit den 1920er-Jahren ebenfalls sammelte, präsentiert wurden. Was ihn dabei antrieb, war das Bedürfnis, die vielfältigen menschlichen Erfahrungen, die in einem Gemälde stecken, durch Gegenüberstellungen und Zuordnungen zu erkennen. Darum waren seine Bilder für ihn auch immer Anschauungsmaterial, die er für seinen Unterricht in seinem Museum nutzte, manchmal auch umhängte oder herausnahm. Denn sein Museum war für ihn auch Werkstätte, an der und mit der er zeitlebens arbeitete. Auch nach der Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg setzte er seine Erwerbungen fort wie auch seine eigenwillige Hängungspraxis. Erst einige Jahre nach seinem Tod 1951 wurde die Sammlung Barnes im März 1961 für das Publikum geöffnet. Was ihn mit allen anderen großen Privatsammlern verband, war die Leidenschaft, mit der er immer neue Objekte aufspürte und erwarb; waren die Kennerschaft, der Sinn für Qualität und der sichere Blick bei der Auswahl der einzelnen Bilder. Was ihn aber von fast allen anderen Sammlern unterschied, war seine volkspädagogische Überzeugung, dass man die Kunstwerke als Instrument für ein Bildungsexperiment einsetzen könnte. Die Mitarbeiter seines Unterneh-
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mens sollten Nutznießer, aber auch Objekte seines missionarischen Eifers werden. Unterstützt wurden die pädagogischen Ziele von Barnes durch den amerikanischen Erziehungswissenschaftler John Dewey, dessen Buch „Democracy and Education“ von 1916 zur Grundlage demokratischer Erziehungstheorien des 20. Jahrhunderts und auch zur Leitschnur für Barnes werden sollte. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts gab es nur wenige, die die Werke von Renoir, der noch lebte, sammelten; auch an Bildern von Cézanne, der 1906 gestorben war, bestand nur unter Kennern Interesse. Noch mehr galt das für Bilder von Picasso, Braque und Gris. Zu den Sammlern, die diese jüngere Generation der Moderne schätzten, gehörten die Steins und Albert Barnes. Aber auch in Deutschland entstanden vor und besonders nach dem Ersten Weltkrieg Privatsammlungen mit Bildern von Picasso, Léger und Braque – lange bevor diese Einzug in öffentliche Museumssammlungen hielten. Beispielhaft für diesen Wandel der ästhetischen Präferenzen ist die Sammlung des Kaufmanns Gottlieb Friedrich Reber (1880–1959) aus Barmen-Langerfeld, der seine frühen Bestände, zu denen Bilder von Corot, Courbet, Gauguin, Renoir und Sisley gehörten, gegen Werke der Kubisten „eintauschte“. Dies vollzog sich jedoch nicht auf einen Schlag, wie der große Kenner der Kunstszene Julius Meier-Graefe dies in den frühen 1930er-Jahren angenommen hatte, sondern in einem schrittweisen Prozess. Das schloss, wie die Kunsthistoriker Peter Kropmann und Uwe Fleckner jüngst untersucht haben, nicht aus, dass Reber auch in den 1920er-Jahren weiterhin in Paris bei Vollard Bilder von Cézanne erwarb und auch schon vor 1914 an Picasso interessiert war. Cézanne hatte vor 1914 in der frühen Sammlerphase des Ehepaars Reber den qualitativen Mittelpunkt ihrer Sammlung in ihrer Villa in Langerfeld (später in München bzw. Lausanne) gebildet, was den Kunsthändler Alfred Flechtheim 1919 zu dem Urteil veranlasste: „Neben der Pellerin’schen Cézanne-Sammlung sind die bei Reber die besten der Welt.“ Ob die ersten Anstöße zu dem Erwerb von Meistern der französischen Moderne bei Paris-Besuchen Rebers entstanden und welche Rolle dabei Flechtheim gespielt hat, der schon Jahre vor der Eröffnung seiner Galerie in Düsseldorf (1913) sich als
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Kunstvermittler im Rheinland betätigte, lässt sich nicht mit Sicherheit klären. Den ersten Cézanne hatte Reber spätestens 1913, möglicherweise 1906/7 erworben; also kurz nach dem Tode des Meisters, als dessen Werke noch einigermaßen günstig zu erstehen waren. 1912 hatte er in Paris bei Vollard Bilder von Cézanne und auch bereits von Gauguin gekauft oder sich zunächst zur Ansicht schicken lassen. Immerhin war die Sammlung Rebers, die ganz auf die französische Malerei ausgerichtet war und ihren Ausgang bei Künstlern der Gegenwart genommen hatte, bis 1912 so weit angewachsen, dass sie in einer Ausstellung in Barmen gezeigt werden und einige seiner Bilder auch 1913 als Leihgaben zu Ausstellungen in der Berliner Galerie Paul Cassirers und auf der Mathildenhöhe in Darmstadt gingen. In Barmen und Berlin wurde auch Gauguins „Bretonne en prière“ von 1894 gezeigt, das zuvor Julius Meier-Graefe, später Thea Sternheim gehörte. Allein die verschlungenen Wege, auf denen dieses Bild zu Reber kam, deuten an, wie schwierig es ist, die Provenienz einzelner Bilder und den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem der Sammler sich wieder davon trennte. Neben dem Kunsthändler Flechtheim gehörte der Kunsthistoriker Carl Einstein, der in den 1920er-Jahren über die „Kunst des 20. Jahrhunderts“ publiziert und damit einen großen Einfluss auf die Kunstszene ausgeübt hatte, zu den Beratern und Freunden Rebers. Mittlerweile hatte Reber seine Sammlung ganz auf die Malerei des Kubismus ausgerichtet und damit begonnen, seine impressionistischen Werke wieder zu verkaufen. Einstein wollte die neu ausgerichtete Sammlung als Grundlage seiner Studien über den Kubismus nutzen. Für beide, den Sammler und den Wissenschaftler, stellte, wie Uwe Fleckner betont, der Kubismus nicht nur einen künstlerischen Stil, sondern auch einen weltanschaulichen Lebensentwurf dar, der von der in den Zwanzigerjahren verbreiteten Verklärung der Jugend bestimmt war. Inzwischen priesen nicht nur Flechtheim und Einstein die Qualität der Sammlung von Bildern von Picasso und Braque, von Léger und Gris, die sich in den Wohnräumen Rebers in Lugano bzw. Lausanne befand, sondern auch französische Experten wie Daniel-Henry Kahnweiler schätzten die Kennerschaft Rebers. Hier konnte man einen hervorragenden Querschnitt über die Etappen und ästhetischen Aus-
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prägungen des Kubismus gewinnen wie sonst nirgendwo. Ausgehend von der Malerei der Moderne hatte Reber schließlich auch alte Meister erworben und diese in seinem „Museum“ mit der Moderne konfrontiert, um sie kunstgeschichtlich einzuordnen. Carl Einstein, der an dem Zustandekommen der gesammelten Kunstschätze beteiligt war, war des Lobes voll: „Reber schuf diese Modernen, die einen völligen Wandel der Anschauung erzwangen, ihre geschichtliche Projektion und Tiefe. Er zeigt die große geschichtliche Überlieferung der entscheidenden Moderne. Picassos Flötenspieler ist dort einer Madonna des Guido da Siena benachbart; die farbigen Pierrots stehen zwischen archaischen Skulpturen der Zykladen und die Bilder des Gris leuchten über fellbekleideten Sumerern … Das Geschichtliche wird hier zur unmittelbaren Gegenwart verwandelt, während das Heute in die Aera historischer Dauer gebannt wird.“ Ähnlich wie Albert Barnes wird der Sammler Reber durch die Begegnung mit der Kunstwissenschaft zum Interpreten bzw. Theoretiker seiner Sammlungsstücke, die er durch den Dialog mit der Vergangenheit nicht nur in ihrem Wert steigern bzw. nobilitieren, sondern auch zum Anschauungsobjekt seiner kunsttheoretischen und museumsdidaktischen Überlegungen erheben möchte. Sammeln ist für Reber eine „intellektuelle Herausforderung“ (Fleckner) und symbolisches Handeln, das Zusammenhänge und Geschichtsbilder herstellt. Eine Sammlung, so hatte Einstein gefordert, müsse ein Programm haben, ja, sie müsse selbst ein Programm darstellen. Kunsthändler als Vermittler Immer waren es Kunsthändler, Kunstvereine (gelegentlich auch Kunsthistoriker) und vor allem Sammler, die als Vermittler und zugleich als Filter bei der Auswahl der Bilder wirkten. Auch für das Deutschland der 1910er-Jahre lässt sich das beobachten. Zwar gab es am Vorabend des Ersten Weltkriegs allein in Berlin rund dreißig Sammlungen französischer Malerei der Moderne, doch bestanden diese zum größten Teil aus den mittlerweile schon klassisch gewordenen Werken der Impressionisten. Picasso und Matisse waren dort kaum vertreten. Eine
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Georg Kolbe: Paul Cassirer. 1925. Bronzebüste, Berlin: Georg Kolbe Museum. Dass er, ähnlich wie sein Kollege Alfred Flechtheim (1878–1937) von vielen Künstlern porträtiert wurde, zeigt, wie einflussreich der Kunsthändler und Sammler Paul Cassirer (1871–1926) als Förderer der Kunst der frühen Moderne war. Seine Berliner Galerie, in der er regelmäßig Werke französischer Impressionisten und nachfolgender Malerschulen zeigte, war Mittelpunkt der Berliner Kunstszene.
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Ausnahme bildete u. a. die Sammlung Rebers, die um 1910 entstanden war. Mit dem Ziel, die Kunst der Avantgarde und auch ihre Sammler zu zeigen bzw. heimisch zu machen, wurden seit 1909 im Rheinland Ausstellungen zeitgenössischer deutscher und französischer Kunst präsentiert, die Ausstellungen des „Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler“, kurz Sonderbundausstellungen, zuerst in Düsseldorf und 1912 in Köln. Die vierte Ausstellung, 1912 in Köln, war die mit Abstand wichtigste. Sie zeigte 170 Künstler aus zehn europäischen Ländern und demonstrierte noch einmal die Internationalität der Kunstszene. Sie war eine große Schaubühne für Sammler und Kunstfreunde. Vor allem aber bot sie eine Momentaufnahme der aktuellen künstlerisch-stilistischen Bewegung und des eingetretenen Kurswechsels. Sie knüpfte an die französische Tradition der großen Akademieausstellungen, der Salons, an und war bei diesem Bemühen einer Spurensuche und Querschnitts der künstlerischen Entwicklungen nicht allein, wie die Amsterdamer Internationale Ausstellung von 1913 oder die Armory Show in New York, ebenfalls 1913, zeigte. Die Sonderbundausstellung war ganz auf die gegenständliche Kunst konzentriert; die Linien zum Kubismus und zur Abstraktion kündigten sich allenfalls an. Sie rückte die Werke von Cézanne, van Gogh und Gauguin in eine Entwicklungsgeschichte der Moderne ein; sie wurden Repräsentanten der gerade klassisch gewordenen Moderne, während der Expressionismus sich bemerkbar machte. Im Vorwort des in Umfang und Druck sehr bescheidenen Kataloges heißt es ebenso bescheiden: „ Die diesjährige vierte Ausstellung des Sonderbundes will einen Überblick über den Stand der jüngsten Bewegung in der Malerei geben, die nach dem atmosphärischen Naturalismus und dem Impressionismus der Bewegung aufgetreten ist und nach einer Vereinfachung und Steigerung der Ausdrucksformen, einer neuen Rhythmik und Farbigkeit, nach dekorativer oder monumentaler Gestaltung strebt, einen Überblick über jene Bewegung, die man als Expressionismus bezeichnet hat.“ Darum wurde die Ausstellung in Köln mit einer retrospektiven Präsentation mit Werkgruppen der drei mittlerweile verstorbenen Väter der Moderne eröffnet: mit Vincent van Gogh, Cézanne und Gauguin. Landschaften von Picasso, die ebenfalls um
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1909 entstanden waren, fehlten hingegen. Dennoch bestimmte ein großer, kaum noch zu überschauender Stilpluralismus die Schau in den Kölner Ausstellungshallen. Zu den Akteuren und Förderern der Sonderbundausstellungen gehörten neben Galeristen und Museumsleuten auch private Sammler, die alle die Kunst der Avantgarde im Blick hatten und es als ihre Aufgabe verstanden, für die moderne Kunst in Deutschland, wo sie besonders umstritten war, einzutreten. Einer von ihnen war der Sohn eines Münsteraner Getreidegroßhändlers, Alfred Flechtheim, der die Verpflichtung im väterlichen Unternehmen als Last und das Sammeln von Kunst als Lust verstand. Er hatte schon bei der ersten Ausstellung 1909 französische Impressionisten aus der Galerie Bernheim-Jeune vermittelt und aus seiner eigenen Sammlung mehr als 50 Graphiken und Zeichnungen zur Ausstellung beigesteuert. Seither verstand er sich als Mittler französischer Gegenwartskunst, die er in Pariser Galerien und Intellektuellentreffpunkten wie dem Café du Dôme kennengelernt hatte. Flechtheim war der geborene Kommunikator, geistreich und kontaktfreudig. Zu seinen frühen Erwerbungen, die er zu Hause am Rhein ausstellte, gehören Aquarelle von Rodin, Graphik von Manet, Cézanne und Gauguin sowie von Munch und Liebermann. Auch an den folgenden Ausstellungen war Flechtheim mit Leihgaben beteiligt und hatte damit als Sammler und Vermittler auf sich aufmerksam gemacht. Mittlerweile hatte er durch seine vielfältigen Freundschaften mit französischen Galeristen und Künstlern u. a. eine Picasso-Sammlung zusammengetragen, wie sie in Deutschland sonst nirgends existierte. Diese Sammlung war möglich, weil Flechtheim eine außergewöhnliche Spürnase für aktuelle Entwicklungen besaß und weil er seit seiner Heirat mit Betti Goldschmidt, einer jüdischen Kaufmannstochter aus Dortmund, im Jahre 1910 über deren Mitgift verfügte, obwohl der besorgte Schwiegervater Bettis Erbschaft in einem Ehevertrag zu sichern versuchte. Bereits auf der Hochzeitsreise nach Paris hatte Alfred einen größeren Teil davon, zum Entsetzen der Schwiegereltern, in systematischen Kunstkäufen, vor allem kubistischer Bilder, angelegt. „Es ist was Wahnsinniges mit der Kunst“, bekannte
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Flechtheim später und brachte damit seine ganze Leidenschaft für die Kunst zum Ausdruck. Mit Bettis Vermögen eröffnete sich die große Chance, seinen Traum eines wirtschaftlich unabhängigen Sammlers und Flaneurs zu leben. Vorbild war für ihn die Pariser Kunstszene und die dortigen Begegnungen mit Künstlern und Sammlern. Für ihn gab es, wie er sich später erinnerte, nichts Schöneres, als mit „Picasso und Waetjen auf dem Montmartre zu bummeln […], mit meiner Frau bei Nicole Groult und in den Galeries Lafayette kaufen gehen, beim Père Fred agile soupieren, bei Maxim’s und bei Lajeunie essen, […] mit Reber, der damals zu sammeln begann, bei den Maklern, Händlern und Sammlern rumliegen“ zu können. Auch Betti ließ sich von diesen Aussichten anstecken, wo sie doch eigentlich den Auftrag hatte, den ungestümen Kaufmannssohn für das Geschäft zu disziplinieren. Als die väterlichen Geschäfte 1913 nicht mehr so gut liefen, nutzte Sohn Alfred das als Chance zum Absprung aus dem ungeliebten Geschäft des Getreidehandels und gründete mithilfe von westdeutschen Kunstsammlern, meistens Bankiers, Unternehmer oder Warenhausbesitzer, darunter die Familien von der Heydt in Elberfeld oder von Leonhard Tietz und dem schon erwähnten Textilunternehmer Friedrich Reber, eine eigene Kunstgalerie in Düsseldorf. Ebenso wichtig war die Unterstützung von und Absprache mit Paul Cassirer in Berlin, der vor allem die Impressionisten vertreten und bekannt gemacht hatte. Er überließ dem jungen Enthusiasten Flechtheim den Kunstmarkt im Westen und die Vertretung der Gegenwartskunst. „Mich hat sie gepackt, die Kunst“, notierte er im Sommer 1913. „Mir ist die Kunst alles, ich bin der Kunst nichts.“ Zu diesem Zeitpunkt besaß Flechtheim, wie Ottfried Dascher in seiner Flechtheim-Biographie errechnet hat, in seiner privaten Sammlung drei Gemälde von van Gogh, acht von Cézanne, zwei von Munch, drei von Henri Rousseau, zwei von Gauguin, zwei von Matisse, sechs von Braque, drei von Gris und über dreißig Gemälde und Graphiken von Picasso. Niemand in Deutschland besaß am Vorabend des Ersten Weltkrieges so viele Werke von Picassso wie Flechtheim. Nun nutzte er sein frisches Renommee als Kenner und Organisator, um sich ganz der Kunst zu widmen. Sternheim und Paul Cassirer haben ihn dabei unterstützt.
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Seine guten Kontakte zu Pariser Kunsthändlern wie Durand-Ruel, Ambroise Vollard und Daniel-Henry Kahnweiler, die er bereits vor 1913 aufgebaut hatte und die er immer weiterpflegte, halfen ihm dabei, immer wieder Werke von Cézanne, van Gogh, Gauguin, Rousseau, Seurat und Bonnard zu erwerben, sie teilweise weiterzuverkaufen und zu vermitteln. Dabei verband er, um dem Publikumsgeschmack nicht zu verfehlen, immer wieder das Angebot alter Kunst mit dem der Gegenwartskunst. Das zeigte bereits die Verbindung seiner beiden Eröffnungsausstellungen in Düsseldorf 1913, die der „Kunst des 19. Jahrhunderts“ und der „Kunst unserer Zeit“ gewidmet waren. Mit dem Sammler und Kunsthändler Flechtheim, dessen große Zeit nach den schweren Rückschlägen von Krieg und Nachkriegsinflation in den angeblich „goldenen Jahren“ der Weimarer Republik kommen sollte, begegnet uns nicht nur eine jüngere Generation von Kunstsammlern, sondern auch ein „Kunsthändler neuen Typs“ (Peter Springer). Er war, ganz im herkömmlichen Verständnis, mehr Mäzen als Händler und verstand Kunst nicht als bloßes Handelsobjekt, als Ware. Zugleich verband er sein scheinbar selbstloses Mäzenatentum, wie sich das während der Großen Krise von 1930–1933 besonders zeigen sollte, mit großem professionellem Kalkül und propagandistischem Geschick, indem er in den Zwanzigerjahren mit seinen Galerien in Düsseldorf und Berlin immer wieder auf sich aufmerksam machte und aus dem mondänen Leben Berlins mit seinen Galerieeröffnungen und -festen nicht wegzudenken war. Von Anfang an hatte er für seine Einladungen und Kataloge ein einprägsames Signet benutzt, was seinen Sinn für Marketing beweist. Von Anfang an, vor allem nach der zweiten Wiedergründung der Galerie in Berlin, die er während der Hyperinflation hatte schließen müssen, machte er seine Galerie mit erlesenen Gästen der Vernissagen, für seine Galerie-Bälle und Partys zum kulturellen Mittelpunkt für Künstler, Intellektuelle und prominente Sportler wie Max Schmeling. Man nannte ihn den Napoleon der Kunsthändler. Mit der Gründung einer eigenen Zeitschrift „Querschnitt“ machte er sich auch in der literarischen Welt einen Namen und nahm an kunsttheoretischen Debatten der Zeit teil. Im eigenen Verlag erschienen anspruchsvolle Kataloge mit seinem
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ästhetisch anspruchsvollen und einprägsamen Signet. Vor allem pflegte er enge Kontakte und Leihverkehr mit Museen, deren Sonderausstellungen er, z. B. in der Kunsthalle Bremen, teilweise bestückte. Er stellte ihnen Gemälde und vor allem Graphiken als Leihgaben zur Verfügung, auch in der Hoffnung, dass diese von ihnen vielleicht einmal, wenn die Zeiten besser würden, angekauft werden könnten. Flechtheim war Kunsthändler, Kunstliebhaber, Mäzen, Sammler, Verleger und Spekulant zugleich. Die Personalunion von Sammler und Kunsthändler war seine Stärke, aber auch sein ständiges Problem. Die innere Spannung zwischen Kunst und Kommerz durchzog sein gesamtes Leben und erklärt auch teilweise die Mischung von bissiger, mitunter eleganter Ironie und Schroffheit, mit der er Kollegen und Kritikern begegnete. Wenn dieser Widerstreit thematisiert wurde, wie in dem berühmten Gemälde von Otto Dix, das den Kunsthändler Flechtheim vor allem als habgierigen Kaufmann und zudem mit antisemitischem Unterton zeigte, fühlte er sich mit guten Gründen denunziert; er schreckte umgekehrt aber nicht davor zurück, auch an der Malerei von Dix mit zotigen Worten scharfe Kritik zu üben. Mit dem Sammler Flechtheim haben wir endgültig die Kunst- und Sammlerwelt der Zwischenkriegszeit erreicht. Gleichwohl waren Krieg und Nachkriegszeit auch für Flechtheim, der als Offizier in der Truppenverwaltung an der Westfront seinen Militärdienst leisten und 1917 seine Galeriebestände wegen großer finanzieller Probleme hatte versteigern lassen müssen, nicht nur ein tiefer Bruch in der materiellen Existenz; es bestand umgekehrt eine starke Kontinuität in den ästhetischen Präferenzen. Flechtheims private Sammlungen waren, wenn wir die privaten Bestände von 1914 mit denen von 1919 bzw. 1926 – bei allen Schwierigkeiten mit einer Trennung zwischen Privatbesitz und Galerie-Kommissionen – miteinander vergleichen, von denselben Favoriten geprägt: In der wirkungsstarken „Geschichte der Kunst des 20. Jahrhunderts“ von Carl Einstein aus dem Jahre 1926 werden, worauf Ottfried Dascher aufmerksam macht, die Hauptwerke von Flechtheims Privatsammlungen gezeigt (und bekannt gemacht), deren Entstehung in die Vorkriegszeit fällt und die Flechtheim schon vor 1914 gesammelt hatte: Braque, Picasso, Matisse,
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Léger, Gris und Beckmann. Sie hatte Flechtheim auch nach 1919 kontinuierlich weitererworben und auch weiterverkauft, teilweise aber als unverkäufliche Stücke in seinem Privatbesitz behalten, die er in seiner luxuriösen Wohnung in der Berliner Bleibtreustraße zeigte. Neu hinzugekommen war eine Vorliebe für Werke von Paul Klee, den Flechtheim in den 20er-Jahren entdeckte. Viele Bilder, die von anderen Privatsammlern, etwa von Gottfried Friedrich Reber, stammten und ebenfalls als Leihgabe in einigen Ausstellungen moderner Kunst in den 20er-Jahren gezeigt wurden, stammten aus der Galerie Flechtheim. Er war und blieb ein wichtiger Vermittler französischer und deutscher Gegenwartskunst, auch wenn es im Bereich der privaten Sammlungen mittlerweile amerikanische und teilweise auch deutsche gab, die in ihrer Quantität und Qualität Flechtheim übertrafen. Dazu fehlten ihm trotz des Vermögens seiner Frau die materiellen Möglichkeiten. Seine wichtigsten Kunden waren und blieben die privaten Sammler, nicht die Museen, die sich entsprechende Ankäufe meistens finanziell gar nicht leisten konnten. Seine Sammelleidenschaft stürzte ihn immer wieder in finanzielle Krisen, sie ließ ihn aber auch immer wieder geschäftliche Rückschläge in den krisenreichen Zwanzigerjahren wegstecken, bis mit der Weltwirtschaftskrise und der politischen Radikalisierung die Chancen für den Kunsthandel immer schlechter wurden, bis mit dem anwachsenden nationalsozialistischen Antisemitismus gerade das Schicksal jüdischer Sammler immer bedrückender wurde. Seit 1930 wurde Flechtheim zur Zielscheibe antisemitischer Angriffe. Der Ruhm, Deutschlands bedeutendster Kunsthändler für die Moderne und einflussreichster Vermittler zwischen deutscher und französischer Kunstwelt zu sein, wurde bald zum Stigma und schließlich zum Fluch. Seine Bilder ließen sich kaum noch verkaufen, schließlich musste er auch einige seiner privaten Sammlerstücke veräußern so gut das ging. Im Frühjahr 1933 musste er die Düsseldorfer Zweigstelle schließen und sie seinem Mitarbeiter Vömel übertragen; die Bedingungen, unter denen das erfolgte, sind schwer zu klären. Ob es sich dabei um einen unrühmlichen Vorgang der Arisierung handelte, wie das vielen jüdischen Geschäftsleuten passierte, die sich gezwungen
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sahen, für einen geringen Preis ihre Besitzungen zu verkaufen, was sie für ihre Existenzsicherung und für ihr Überleben dringend benötigten, ist schwer zu entscheiden. Mithilfe von Freunden, die ihn dazu drängen mussten, schaffte Flechtheim im Sommer noch einige Bilder in die Schweiz, um von dort einen Neuanfang vielleicht in Frankreich oder in London zu versuchen. Gleichzeitig brach das Geschäft in Berlin zusammen und die NS-Gesetze, vor allem die Gründung der Reichskulturkammer, versperrten ihm jede Möglichkeit, sich weiterhin in Deutschland in der Kunstwelt zu betätigen. Am 1. Oktober verließ er Deutschland, seine Frau Betti sollte nachkommen, sobald alle Vermögensfragen der Familie geklärt wären. Flechtheim versuchte durch Ausstellungen im Ausland wieder im Kunsthandel Fuß zu fassen, was aber nur mühsam gelang. 1937 starb er, geschwächt und resigniert, an den Folgen eines Unfalls in London. Seine Frau Betti konnte nicht entkommen; nach Kriegsbeginn war das Überleben deutscher Juden in ihrem Heimatland kaum noch möglich. Als die Deportation in die Lager des Ostens drohte, nahm Betti sich im November 1941 das Leben. Flechtheims Schicksal steht für das Schicksal vieler deutscher Juden und auch vieler Kunsthändler und Sammler, die in der von Vielfalt und Widersprüchlichkeit geprägten Kultur der Weimarer Republik als Repräsentanten einer kulturellen Moderne eine prominente Rolle gespielt hatten und von den Nationalsozialisten gerade deswegen verfolgt wurden.
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9. Die Zerstörung der Vielfalt.
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Kunstraub und Sammelwahn im „Dritten Reich“
Auch private Kunstsammlungen blieben ebenso wie öffentliche Museen von der Durchsetzung der nationalsozialistischen Diktatur im Jahre 1933 nicht unberührt. Auch die mäzenatische Kunstförderung wurde von der autoritär und rassenideologisch verformten staatlichen Kulturpraxis eingeschränkt. Der schöne Schein der Kontinuität, den die Selbst-Inszenierung des „Kunstliebhabers“ und „Kunstmäzens“ Adolf Hitler immer wieder behauptete, wurde sehr bald von der Verfolgung und Zerstörung jüdischen Kunstbesitzes und durch die Kampagne gegen die moderne Kunst zerrissen. Auch die Selbstverpflichtung des modernen Staates zur Kunst- und Kulturförderung wurde durch die nationalsozialistische Geschmacksdiktatur in ihr Gegenteil verkehrt; die private Sammelleidenschaft wurde durch staatlich verordneten Kunstraub teilweise gewaltsam ausgelöscht sowie durch die hemmungslose Bereicherung der NS-Führungsclique mit Kunstwerken pervertiert und zum bloßen Instrument der persönlichen Herrschaftssicherung instrumentalisiert. Selbst private Sammlungen konnten, wenn sie moderne Kunst gesammelt hatten bzw. weiterhin erwarben, nur im „Hinterstübchen“ überleben, mit Unterstützung von einigen wenigen Kunsthändlern, die trotz allem ihren Kurs hielten, oft aber nur um den Preis, dass sie da und dort auch Konzessionen machen mussten. Der Kunsthandel, wenn er sich nach den Krisen der frühen 1920er-Jahre stabilisiert hatte und nicht den antisemitischen Kampagnen und staatlich verordneten Enteignungen zum Opfer gefallen war, konnte zwar von den diskriminierenden Maßnahmen des Regimes, den Zwangsverkäufen, der Einziehung und Verwertung vor allem jü-
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dischen Vermögens durchaus profitieren, aber als „Verwerter“ gerieten nicht wenige Händler, auch wenn sie vorrangig nur ganz pragmatisch ihre geschäftlichen Interessen im Auge hatten, in den Strudel von Mitmachbereitschaft und moralischer Mitverantwortung. Die Verfolgung der Moderne und das Schicksal jüdischer Sammlungen Denn mit der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ wurden nicht nur der verfassungspolitische Pluralismus, sondern auch die kulturelle Vielfalt und die individuelle Handlungsfreiheit der Weimarer Republik in einem permanenten und sich ständig radikalisierenden Prozess zerstört. Die Kultur der Moderne, die sich durch das spannungsreiche, aber auch kreative Nebeneinander unterschiedlicher, mitunter antagonistischer Lebens- und Kulturentwürfe auszeichnete, galt den Nationalsozialisten von Anfang an als Inbegriff von „Zersetzung“ und „Verfall“. Dabei zeigt auch der flüchtige Blick auf die kunstpolitische Debatte der Weimarer Republik, dass die nationalsozialistischen Attacken auf die moderne Kunst nicht aus heiterem Himmel fielen, sondern eine lange Vorgeschichte seit den 1920er-Jahren besaßen und von traditionalistischen bzw. reaktionären Kunst-Publizisten, Politikern und einigen Museumsleuten schon lange geführt und vorbereitet wurden. Die Angriffe richteten sich gegen moderne Plastiken auf Kriegerdenkmälern wie gegen Gemälde, die, wie zum Beispiel Otto Dix mit seinem „Schützengraben“, die Schrecken des Krieges thematisierten oder die bürgerliche Gesellschaft mit Gegenbildern wie Otto Freundlichs Plastik „Der neue Mensch“ (1912) konfrontierten. Was von einer jüngeren Künstlergeneration nach 1918 als Inbegriff der Freiheit verherrlicht wurde, wurde nicht erst seit 1933 zum Sinnbild „entarteter Kunst“. Freundlichs Plastik, gegen die schon lange von modernefeindlicher Seite polemisiert worden war, wurde nun in verzerrender Untersicht sogar zum Titelblatt des Begleitheftes der Ausstellung „Entartete Kunst“ gemacht. Der in immer neuen Kampagnen betriebene Vernichtungsfeldzug gegen die Moderne, der die Vorbereitung und seit 1933 auch Unterstützung durch eine traditionelle,
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deutschnationale Kritik der Moderne fand und an diese anknüpfte, war ideologisch begründet: Die NS-Ideologen, und nicht nur sie, sahen in der Kunst der Avantgarde ein „hohes widerständiges Potential“ und brachten darum die Kunst der Moderne in einen engen Zusammenhang mit politischen und sozialen Gegenentwürfen und neuen Weltbildern aus dem Geist der Utopie. Deren Zerstörung war darum ein genuines ideologisches Anliegen der Nationalsozialisten, auch wenn sie sich anfangs überhaupt nicht sicher waren, welche Kunst nun der vermeintlich gefährlichen und entarteten Moderne zuzurechnen sei. Darum war der Kunstraub der NS-Führungsriege, bei dem auch Werke der Moderne in ihren Besitz kamen, nicht nur ein Akt der Bereicherung, sondern auch der Herrschaftsbehauptung. Das gilt noch mehr für die Selbst-Darstellung der nationalsozialistischen Führungsgruppen, die sich als Kunstsammler und Förderer deutscher, d. h. regimekonformer Kunst feiern ließen und damit ihre umfassende Macht, auch über die Geister und das Schöne, sicherten bzw. repräsentierten. Sie behaupteten, die nationale Volksgemeinschaft vor der drohenden Kulturzerstörung zu retten und die „Einheit“ bzw. „Reinheit“ der Nation auch dadurch wiederherzustellen, dass sie, wie Hitler immer androhte und auch verwirklichte, einen „unerbittlichen Säuberungskrieg“ gegen die Moderne führten, die als Ausdruck eines „jüdischen Kulturbolschewismus“ und seiner „Zersetzungs“-Versuche galt. Damit waren die ideologischen Feindbilder der nationalsozialistischen Kulturpolitik benannt, die bald zur Richtschnur nicht nur der persönlichen Kunstdiktatur Hitlers wurden, sondern auch vieler selbst ernannter Retter deutscher Kultur, die zur „Säuberung des Kunsttempels“ aufriefen und dabei auch ihre eigene Karriere im Blick hatten. Zielscheibe der zerstörerischen Angriffe nationalsozialistischer Aktivisten im NS-Studentenbund wie in Rosenbergs „Kampfbund für die deutsche Kultur“ waren zunächst die als „undeutsch“ diffamierte Literatur der künstlerischen Avantgarde sowie der politischen, teilweise pazifistischen Linken; vor allem die Werke und Repräsentanten der bildenden Kunst der Moderne in Galerien und Museen. Während mit der von ihnen angezettelten und von Goebbels unterstützten Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 die NS-Studenten einen ersten schwe-
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ren und folgenreichen Schlag gegen die Freiheit des Geistes und der Wissenschaft durchsetzen konnten, waren sich die NS-Kunstideologen zunächst nicht einig, was als „deutsche Kunst“ einzubeziehen und was als „entartet“ auszugrenzen sei. Das machte nicht nur deutlich, wie diffus und auslegungsbedürftig die ideologischen Kampfbegriffe des Nationalsozialismus waren (und bleiben sollten), sondern führte dazu, dass Hitler in seiner privaten Kunstsammlung neben Genre-Bildern der deutschen Romantik des 19. Jahrhunderts auch eine Kollektion von Arnold Böcklin besaß, der umgekehrt von seinem Parteigenossen und selbst ernannten Chef-Ideologen Alfred Rosenberg im Namen einer germanischen Kunst vehement bekämpft wurde. Es sei eine „innere Unmöglichkeit“, sich „heute noch“ die „Toteninsel“ von Böcklin an die Wand zu hängen, verkündete der ehemalige Architekturstudent Rosenberg in seinem 1930 erstmals erschienenen Hauptwerk „Mythus des 20. Jahrhunderts“. Auch Goebbels, der sich gerne als Stimme seines Herren präsentierte, hielt 1929 in seinem Tagebuch Bilder von Böcklin, Feuerbach und Cornelius für „uns Heutige fast unerträglich“. Er fühlte sich daher in einer solchen Bildersammlung wie in einer „Totenkammer“ unwohl. Umgekehrt zeigte er, aus welchen Gründen auch immer, noch einige Jahre nach der „Machtergreifung“ eine gewisse Sympathie für einige deutsche Expressionisten, vor allem für Emil Nolde, den er als Vertreter einer „nordischen Kunst“ rechtfertigte. Erst 1937 konnte sich Rosenberg bei Hitler endgültig durchsetzen. Der „Führer“ als oberster Kunstrichter beendete den internen Kunststreit mit einem Machtwort und gab seinem Leibfotografen Heinrich Hoffmann den Auftrag, mit der „Großen deutschen Kunstausstellung“ und der gleichzeitig stattfindenden PropagandaAusstellung „Entartete Kunst“ den deutschen Kunstgeschmack und den der NS-Führung zu kanonisieren – auch wenn es noch immer vorkam, dass ein und derselbe Künstler mit einigen Bildern zu den „Entarteten“ gerechnet wurde, mit anderen in der „Großen deutschen Kunstausstellung“ vertreten war. Auf den berühmten jüdischen Sammler und Kunsthändler für die Moderne, Alfred Flechtheim, hatten sich die antisemitischen und antimodernistischen Attacken der Nationalsozialisten und ihrer Vor-
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läufer besonders früh gerichtet, und er geriet darum schon vor 1933 ins Visier ihrer Angriffe. Sein internationaler Ruhm wurde nun zum Stigma: Auf dem Titelblatt des „Illustrierten Beobachter“ vom 10. Dezember 1932 erschien ein Globus mit einem umlaufenden Spruchband „Die Rassenfrage ist der Schlüssel zur Weltgeschichte“ und mit dem Profil Alfred Flechtheims, das sich offenbar sehr gut dafür eignete, antijüdische Klischees zu bedienen. Später griffen die Propagandisten der „Entarteten Kunst“ darauf zurück, als auf dem Ausstellungsplakat von 1937 im Umriss wieder das Konterfei Flechtheims erschien. Zu diesem Zeitpunkt war er als prominentes Opfer der NSRassenideologen schon längst verfolgt und enteignet. Im März 1937 starb er vom Existenzkampf im Exil physisch und psychisch völlig zerstört an den Folgen eines Unfalls in London. Flechtheim hatte zunächst, wie viele Galeristen auch, in der Weltwirtschaftskrise ständig mit der Drohung der Insolvenz zu leben und erfahren müssen, dass die permanenten Angriffe auf die Kunst der Moderne selbst deren Meisterwerke schwer verkäuflich machten. Auch einige seiner privaten Sammlungsstücke, die für ihn immer auch Notgroschen waren, hatte er verkaufen müssen. Die wenigen Museumsdirektoren, die sich noch für die Kunst der Moderne eingesetzt hatten und Flechtheims enge Geschäftspartner waren, sahen sich zudem seit dem Frühjahr 1933 heftigen Verleumdungskampagnen und Entlassungen ausgesetzt. Im Frühjahr 1933 häuften sich für Flechtheim die Schicksalsschläge. Sie stellten freilich keinen Einzelfall dar, sondern entsprachen einem inzwischen erprobten Muster der NS-Verfolgungspolitik: Eine Ausstellung seiner Düsseldorfer Galerie musste am 11. März abgebrochen werden, nachdem es zu Widerständen einheimischer Kunsthändler und zu Protestaktionen der örtlichen SA gekommen war. Auch die eilige Übernahme seines Kunsthandels durch seinen bisherigen Kompagnon Alex Vömel verhinderte den Zusammenbruch seiner Galerie in Düsseldorf nicht, der von einer Rufmordkampagne der lokalen NSDAP begleitet wurde. „Flechtheim ist finanziell erledigt, seine Bilder lagern unverkäuflich im Keller. Seine Firma ging jetzt eben in Konkurs“, hieß es am 1. April 1933 in der Düsseldorfer „Volksparole“, die auch behauptete, die Ga-
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lerie Flechtheim habe sich als Galerie Vömel „getarnt“. Bald brach auch die Galerie in Berlin zusammen. Flechtheim brachte noch einige Bilder in die Schweiz, um vielleicht von dort aus einen Neuanfang zu beginnen. Denn in Deutschland belegten ihn die NS-Gesetze, vor allem die Gründung der Reichskulturkammer im Herbst 1933, mit Berufsverbot. Am 1. Oktober 1933 hatte Flechtheim schließlich Deutschland verlassen, doch trotz seiner rastlosen Aktivitäten im Exil konnte auch er durch seine Ausstellungen keinen Fuß mehr fassen. Spielte der Kunsthändler Alfred Flechtheim eine prominente und sichtbare Rolle in der Kunstszene der Weimarer Republik – allein acht Künstler, darunter Otto Dix und Rudolf Belling – haben ihn porträtiert –, so gehörte der vermögende Textilfabrikant Robert Graetz zu den Privatsammlern, die mit ihren Kunstschätzen kaum an die Öffentlichkeit traten und im Unterschied zu einem Kunsthändler auch nicht danach streben mussten. Im Gegenteil, ein stärkerer Rückzug in das Private des eigenen Kunstsalons, zu dem man allenfalls durch eine Samstagabendeinladung Zugang hatte, war bereits in den Zwanzigerjahren unter vielen Berliner Kunstsammlern üblich und unterschied diese, obwohl sie ebenfalls vorwiegend dem Wirtschaftsbürgertum angehörten, von der älteren Generation der großen Privatsammler. Sie hatten ihre Berliner Villen in Tiergarten und in Grunewald zu öffentlicher Repräsentation inmitten ihrer Kunstschätze genutzt und waren auch als Einzelpersonen als Mäzene der Museen hervorgetreten. Nun zog man sich lieber in die eigenen Salons zurück und bevorzugte kollektive Förderinitiativen, für die sich Kunstvereine und Förderkreise eigneten. Das hatte viele Gründe, die von der mittlerweile hohen Steuerbelastung bis zu zeitbedingten Vermögensverlusten durch Inflation, Währungsreform und Weltwirtschaftskrise reichten; es hatte aber auch mit einer Krise des alten wilhelminischen Establishments bzw. einer wachsenden Distanz zwischen dem großbürgerlich-konservativen Selbstverständnis vieler Sammler und Mäzene (auch wenn sie die Kunst der Moderne sammelten) und vielen jüngeren Künstlern andererseits zu tun, die sich seit 1918 mehr und mehr als sozialkritisch verstanden und auch, wie etwa Otto Dix oder George Grosz, die gesellschaftliche Position des
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Wirtschaftsbürgertums, mithin auch ihrer eigenen potenziellen Förderer, heftig hinterfragten. Auf jeden Fall waren die ökonomische Position und das sozial-kulturelle Selbstverständnis vieler Sammler teilweise schon erschüttert, bevor der nationalsozialistische Angriff auf die kulturelle Moderne und das mäzenatische jüdische Bürgertum mit voller Wucht einsetzte und zur Zerschlagung der meisten jüdischen Kunstsammlungen nach 1933 führte. Robert Graetz, der seit 1907 eine wirtschaftlich erfolgreiche Damenmantelkonfektion in Berlin betrieb, hatte nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mit dem Sammeln begonnen und in nur wenig mehr als einem Jahrzehnt eine bemerkenswerte Sammlung von rund 200
Der Sammler Robert Graetz im Herrenzimmer seiner Villa. Foto ca. 1930. Der Berliner Textilfabrikant Robert Graetz (1878–1942) hatte dank der Beratung durch seinen Bruder, den Galeristen Hugo Graetz, die bedeutendste Sammlung deutscher Expressionisten zusammengetragen und eine enge Freundschaft mit dem Maler Conrad Felixmüller entwickelt. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten seine Bilder und trieben ihn schließlich in die finanzielle Armut und in den Tod.
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Werken überwiegend zeitgenössischer Kunst und von Chinoiserien zusammengetragen. Öffentliche Aufmerksamkeit fand die Sammlung jedoch erst, als sie mit ausgewählten Werken auf zwei Ausstellungen 1928 im Berliner Kronprinzenpalais, wo die Nationalgalerie ihre Abteilung für moderne Kunst untergebracht hatte, vorgestellt wurde. Unterstützt wurde er dabei von seinem Bruder Hugo, der seit 1920 Geschäftsführer der Künstlervereinigung „Novembergruppe“ war und später eine eigene kleine Kunstgalerie besaß. Er beriet ihn nicht nur fachkundig; seinem Bruder Hugo verdankte Robert auch private Kontakte mit Künstlern, darunter Conrad Felixmüller. Es verwundert darum nicht, dass Bilder des deutschen Expressionismus bald auch einen Schwerpunkt der Sammlung Graetz bildeten. Sie waren Altersgenossen von Robert Graetz. Kunst- und entwicklungsgeschichtlich begann die Sammlung mit Werken deutscher Impressionisten wie Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt; daneben fanden sich, was eher außergewöhnlich war, auffallend viele Plastiken, vor allem von August Gaul, Georg Kolbe und Ernst Barlach. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Künstler der „Brücke“-Generation wie Karl SchmidtRottluff, Erich Heckel und Max Pechstein sowie aus der folgenden Generation des deutschen, nun stärker revolutionär ausgerichteten Expressionismus, nämlich Otto Dix und Wilhelm Schmid sowie Arbeiten von Conrad Felixmüller und George Grosz. Immer war Graetz bemüht, das Werk der von ihm ausgewählten Maler einigermaßen vollständig zu sammeln und deren künstlerische Entwicklungsphasen in seiner Sammlung repräsentativ abzubilden. So gehörten zu seiner Sammlung frühe wie spätere Bilder von Schmidt-Rottluff. Die stammten aus der unmittelbaren, revolutionären Nachkriegszeit und stellten den arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt. Sie atmeten den Geist des sozialen Radikalismus, während die späteren Bilder SchmidtRottluffs, die in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre entstanden und die friedlicheren Sujets wie Landschaften und Stillleben gewidmet waren, sich ebenfalls in der Sammlung von Graetz fanden. Dasselbe lässt sich an seiner Vorliebe und Förderung von Conrad Felixmüller beobachten, der sich vom ursprünglich „expressiv-kubistischen hin zum realistischen Stil“ (Angelika Enderlein) entwickelte und damit
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ebenfalls seine persönliche Entwicklung, aber auch die Zeiterfahrung der frühen Zwanzigerjahre im Unterschied zur späteren Stabilisierungsphase zum Ausdruck brachte. Die persönliche Freundschaft, die Felixmüller mit seinem Sammler Graetz bis in die Dreißigerjahre verband, lässt erahnen, dass zwischen Maler und Sammler eine durchaus kongruente Zeiterfahrung bestand, die sich auch in der Sammlung spiegelte. Die engen Kontakte, die auch zu mäzenatischem Handeln zur Unterstützung von Felixmüller und anderen Malern durch Graetz führte, rissen 1933/34 als Folge der veränderten politischen Bedingungen ab. Auch Robert Graetz stellte seine Sammlertätigkeit ein. Sein Bruder Hugo, der ihn immer beraten und zum Sammeln ermuntert hatte, wanderte noch 1933 nach Palästina aus. Für die Zeit nach 1933 sind keine Erwerbungen für die Sammlung nachweisbar, und einige Monate später klagte auch Felixmüller darüber, dass er keine Aufrage mehr von jüdischen Sammlern und Mäzenen erhalte. Es ist bezeichnend für das Schicksal der Sammlung von Robert Graetz, wie für andere jüdische Kunstsammlungen auch, dass der Verbleib einiger seiner Bilder als Folge der nationalsozialistischen Zerstörungspolitik heute nicht mehr nachweisbar ist. Es gibt für seinen Kunstbesitz, der rund 200 Werke umfasste, nur schüttere Quellen: neben persönlichen Erinnerungen von Angehörigen nur Akten der Berliner Nationalgalerie, denen Graetz Bilder ausgeliehen hatte. Die Konzentration auf Maler des deutschen Expressionismus, die nach 1933 in besonderer Weise dem Verdikt der „entarteten Kunst“ unterlagen, hatte ihren Grund neben der persönlichen Bekanntschaften mit den Künstlern oder wenigstens einer Zeitgenossenschaft der Sammler auch darin, dass zeitgenössische Arbeiten in politischen und wirtschaftlichen Umbruchzeiten günstiger zu erwerben waren als Werke alter Meister, die gerade in Krisenphasen als sicherere Kapitalanlage galten und darum teurer waren. Das Schicksal der Sammlung von Robert Graetz steht stellvertretend für das Schicksal vieler jüdischer Sammler und ihres Vermögens, auch wenn für Graetz, im Unterschied zu Flechtheim, der sofort nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ Opfer der Verfolgung und Zerstörung wurde, die Verfolgungsmaßnahmen erst mit den Nürnber-
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ger Gesetzen vom September 1935 zu einschneidenden Veränderungen von der Ausgrenzung bis zur wirtschaftlichen Ausplünderung und Verfolgung führten. Stagnation und allmählicher Zerfall der Sammlung hatten allerdings schon mit dem Jahr 1933 eingesetzt. Doch nun musste Graetz aus finanzieller Not, die ihn durch die NS-Verfolgung ereilte, sich 1936 auf eine Wohnung im Parterre seiner Villa zurückziehen und das übrige repräsentative Haus mitsamt des Mobiliars und der Gemälde vermieten. Als nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 den deutschen Juden als „Sühneleistung“ von Göring eine drastische Vermögensabgabe auferlegt wurde, musste Graetz mehrere Grundstücke, Lebensversicherungen und schließlich seine Villa veräußern. Zuletzt wurde er 1941 gezwungen, die verbliebene wertvolle Inneneinrichtung seiner Villa und Teile seiner Gemäldesammlung zu verkaufen. Bis dahin hatte das Ehepaar Graetz, wie andere besitzende jüdische Familien auch, versucht, durch hastige Fortgaben und Auslagerungen ihrer kostbaren Stücke an Verwandte und Freunde diese zu retten, bis sie durch Zwangsabgaben und Vermögenseinzug materiell und sozial immer weiter eingeengt wurden und ihre Zweizimmerwohnung schließlich nur noch als Untermieter bewohnen durften. Graetz musste vor seiner Deportation am 12. April 1942 noch eine Liste seines Vermögens erstellen, damit man ihn noch besser ausrauben konnte. Nun war der einstige erfolgreiche Fabrikant und Sammler ein beinahe mittelloser Mann, der, wie Angelika Enderlein erst jüngst erforscht hat, zu diesem Zeitpunkt nur noch „einige Gemälde und Bronzen“ besaß. Die Auflösung und Zerstörung der Kunstsammlungen von Alfred Flechtheim wie von Robert Graetz sind drastische Beispiele für das Zusammenwirken von nationalsozialistischer Verfolgungspolitik mit staatlichen Bürokratien der Finanzverwaltung und Devisenstellen, die das Vermögen wohlhabender Juden sehr früh erfassten, kontrollierten und deren Verfügungsgewalt über ihren Besitz schrittweise einschränkten. Mit „Sicherungsanordnungen“ wurde unter dem Vorwand der „Kapitalflucht“ der Zugriff auf das eigene Konto gesperrt, mit der „Reichsfluchtsteuer“ wurden ausreisewillige deutsche Juden schrittweise enteignet. Gleichzeitig wurden Juden durch Veränderungen im Steuerrecht immer weiter benachteiligt und finanziell be-
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lastet. Sie wurden in höhere Steuerklassen eingruppiert, man strich ihnen Freibeträge und andere Ermäßigungen. Die perfide Form eines „Eigentumsverlustes“ durch zivilrechtliche Gängelung und Zwänge wie die Verstrickung vieler Instanzen in diesen Vorgang wird am Schicksal des Breslauer Rechtsanwaltes Ismar Littmann und seiner Kunstsammlung deutlich. Littmann, der sich als Mäzen und Kunstsammler auch dem Kunstleben verpflichtet fühlte und im engen Kontakt zu Breslauer Künstlern, besonders zu Otto Mueller, stand, hatte seine Kunstsammlung, die zunächst auf Maler des 19. Jahrhunderts und auf die Berliner Secession konzentriert war, seit 1916 um Werke des Expressionismus und insbesondere der Künstlervereinigung der „Brücke“ erweitert und in diesem Sinne neu ausgerichtet. Allein von Corinth besaß er 13 Gemälde und 596 Grafiken. Nachdem er bereits im Frühjahr 1933 durch die antijüdischen Gesetze des NS-Regimes seine Zulassung als Rechtsanwalt verloren hatte und unter schweren wirtschaftlichen Druck geraten war, nahm er sich 1934 völlig verzweifelt das Leben. Im September 1933 war er nicht mehr in der Lage, die Versicherungsprämie für seine Gemälde zu zahlen und musste darum einen Teil seiner Sammlung einer Bank überlassen. Umfang und Wert der Sammlung lassen sich aus zwei Inventaren rekonstruieren, die Littmann 1930 hatte anfertigen lassen und die sich erst in den 1990er-Jahren wiederfanden. Littmanns Witwe sah sich zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes zum Verkauf der Kunstsammlung gezwungen. Insgesamt 200 Werke aus der Sammlung Littmann bot der Berliner Auktionator Max Perl im Auftrag der Witwe bzw. der Banken zur Versteigerung an. Zwei Tage vor der Auktion wurden 18 Bilder, darunter zwei Gemälde von Otto Mueller („Zwei weibliche Halbakte“ und „Knabe vor zwei stehenden und einem sitzenden Mädchen“) wegen „typisch kulturbolschewistischer Darstellung pornografischen Charakters“ von der Gestapo beschlagnahmt. Der restliche Bestand wurde als sog. „Judenauktion“ diffamiert und konnte überhaupt nicht verkauft werden oder erzielte nur einen Bruchteil des Schätzwertes. Die Gestapo übergab die beschlagnahmten Bilder 1936 der Berliner Nationalgalerie und ordnete die Überprüfung des Bestandes an; es sollte festgestellt werden, welche Bilder für eine Doku-
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mentation ausgesondert und welche beseitigt werden sollten. Der Direktor der Nationalgalerie, Eberhard Hanfstaengl, wählte die beiden zuvor schon beschlagnahmten Gemälde von Otto Mueller, einen Akt von Karl Hofer sowie einen von Franz Radziwill und 14 Aquarelle zur Aufbewahrung aus. Alle übrigen Bilder wurden, nachdem sie von Hanfstaengl zuvor noch fotografiert worden waren, am 20. März 1936 in der Heizungsanlage des Museums im Kronprinzenpalais verbrannt. Im Zusammenhang mit der Aktion „Entartete Kunst“ wurden auch die Bestände der Nationalgalerie durchsucht. Vier der zuvor beschlagnahmten Bilder aus der Sammlung Littmann wurden auf der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München 1937 gezeigt. Die Vermögenseingriffe richteten sich, das zeigt auch das Schicksal der Sammlung Littmann, von Anfang an auf die Kunstsammlungen der Verfolgten, die in negativer Umkehrung der bisherigen kulturellen Wertschätzung von Sammlern und ihren Sammlungen geradezu zum Symbol von angeblich „volksschädlichem“ jüdischem Reichtum und Kunstbesitz gemacht wurden; vor allem dann, wenn man die Kunstwerke, die wie am Beispiel von Alfred Flechtheim und Ismar Littmann sichtbar, zur Zielscheibe der antisemitischen Propaganda machte. Enteignung und Raub. Die Zerstörung von Kunstsammlungen Die Zerstörung von Kunstsammlungen sowie Enteignung und Raub von Kunst vollzogen sich auf unterschiedlichen Wegen und mit unterschiedlichen scheinlegalen bzw. offen gewaltsamen Instrumenten und Aktionen; das gesamte Bündel an vereinzelten und immer gezielteren Maßnahmen des Kunstraubes erlebte mit der ideologisch begründeten Beschlagnahme der Kunst der Moderne durch die Aktion „Entartete Kunst“ ihren signifikanten, aber nicht einzigen Ausdruck. Vor allem sollte sich die Beschlagnahmung der verfemten Kunst nach 1938 mit der nationalsozialistischen Expansions- und Besatzungspolitik in vielen weiteren Raub- und Kunstvernichtungsaktionen fortsetzen. Sie dienten der persönlichen Bereicherung wie der Befriedigung ideologisch motivierter „Säuberungsaktionen“.
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Plakat zur Ausstellung „Entartete Kunst“, Hamburg 1938. Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe. Mit ihrer Propaganda-Kampagne gegen „Entartete Kunst“ versuchten die Nationalsozialisten und ihre Helfer, die Kunst der Moderne verächtlich zu machen und ihre Repräsentanten und Sammler zu verfolgen und zu enteignen. Auf dem Plakat der Ausstellung „Entartete Kunst“, die durch viele deutsche Städte zog, diente das Profil des verhassten jüdischen Sammlers und Förderers der Kunst der Avantgarde, Alfred Flechtheim, als Schattenriss und „Fratze“ für den angeblichen Feind deutscher Kunst.
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Die Aktion „Entartete Kunst“ von 1937 war auch Folge eines machtpolitisch-ideologischen Klärungs- und Durchsetzungsprozesses, mit dem sich Hitler und Alfred Rosenberg im innerparteilichen Streit um die Definition „deutscher Kunst“ behaupten konnten. Die Diffamierung von Künstlern und Museumsdirektoren, die als Vertreter oder als Förderer der modernen Kunst stigmatisiert wurden, hatte bereits 1933 (in Thüringen unter Regierungsbeteiligung der NSDAP teilweise schon 1930) mit der Entlassung von bzw. Berufsverboten gegen Künstler, Kunstprofessoren an Akademien und Museumsdirektoren begonnen; im Jahre 1933 organisierten ihre parteiloyalen Nachfolger sogenannte „Schandausstellungen“, in denen die Kunst der Moderne massiv verleumdet wurde. Mit der Konsolidierung des NS-Regimes und der steigenden Popularität des „Führers“ wurde auch dessen Kunstgeschmack zur obersten Richtlinie. Nun wurde mit Ermächtigung des Präsidenten der Reichskunstkammer, Alfred Ziegler, der als Künstler zum Inbegriff einer drittklassigen traditionellen, realistischen Malerei wurde und hinter vorgehaltener Hand als „Meister des deutschen Schamhaares“ verspottet wurde, eine deutliche Zielrichtung der bildenden Kunst vorgegeben: Die im öffentlichen Besitz befindlichen Kunstwerke, die als Produkte „deutscher Verfallskunst seit 1910“ verfemt wurden, sollten sichergestellt und für eine Propaganda-Ausstellung ausgewählt werden. Daraufhin beschlagnahmten die nationalsozialistischen Kunstpolitiker und ihre Helfer mehr als 17 000 Kunstwerke in 101 Museen in ganz Deutschland, mithin den gesamten Bestand an moderner Kunst. Die meisten Gemälde stammten aus den Beständen der betroffenen öffentlichen Gemäldesammlungen, es befanden sich darunter aber auch rund 200 Leihgaben aus Privatbesitz. Das Sammeln moderner Kunst war im Deutschen Reich danach nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen und Tarnungen in privaten Sammlungen bzw. mit Unterstützung einzelner Kunsthändler möglich. Ein Teil der konfiszierten Kunstwerke wurde für die Ausstellung „Entartete Kunst“ in München ausgewählt, um dort durch eine diffamierende Hängung bzw. Kommentierung an den Pranger gestellt zu werden. Die Femeschau wanderte danach bis 1941 durch weitere
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Städte Deutschlands und Österreichs. Die übrigen Werke wurden nach Berlin-Kreuzberg transportiert und dort in einem Getreidespeicher eingelagert. Im Januar 1938 besichtigte Hitler mit Gefolge das Depot und verfügte die endgültige Enteignung der Werke. Auf Vorschlag Görings, der sich gerne als Kunstfreund und Sammler präsentierte, sollten diese außerhalb Deutschlands verkauft werden, um so „noch Geld mit dem Mist zu verdienen“. Eine Kommission entschied zusammen mit Joseph Goebbels, der das letzte Wort besaß, welche Bilder für „international verwertbar“ eingestuft und in das Schloss Schönhausen in Berlin-Pankow verbracht werden und welche zur Verbrennung in den Hof der Berliner Hauptfeuerwache befördert werden sollten. Ihre Zahl wird auf etwa 5000 Gemälde, Plastiken und Arbeiten auf Papier geschätzt. Um die Verwertung der ausgewählten Bilder bewarben sich zahlreiche Kunsthändler; ausgewählt wurden diejenigen Händler, die nach Meinung der Verwertungskommission über gute internationale Kontakte verfügten, um für die Bilder beim Verkauf ins Ausland die erhofften Devisen zu erzielen oder die verfemten Bilder gegen andere einzutauschen. Rettung im „Hinterstübchen“. Sammler und Kunsthändler als Bewahrer der Moderne Nach den massenhaften Beschlagnahmungen und Enteignungen von Kunstwerken der Moderne waren es allein private, nicht jüdische Sammler und vereinzelt Kunsthändler, die sich, sofern sie sich nicht vollständig der Kunstdiktatur der Nationalsozialisten anpassten, für die Rettung moderner Kunst und für Kunstsammlungen ganz allgemein einsetzten. Das geschah oft im Verborgenen, im „Hinterstübchen“; gelegentlich auch mit dem Kalkül, dass unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Säuberungsaktionen Kunstwerke, die als „entartet“ galten, günstig zu erwerben und kaum zu verkaufen waren. Zwei Sammlungen, deren Bekanntheit und kulturelle Bedeutung in der Nachkriegszeit der Bundesrepublik vielfach gewürdigt wurden, sollen kurz vorgestellt werden. Die Sammelpraxis des Kölner Rechtsanwaltes Josef Haubrich wurde schon 1946 vom damaligen Oberbür-
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germeister Hermann Pünder als geradezu vorbildlich herausgestellt. „Haubrich habe in aller Heimlichkeit und unter steter Gefahr des Konzentrationslagers seine Sammlung durch Neuankäufe erweitert und vervollkommnet. Ihm sei es zu verdanken, dass nun mit seiner Sammlung zum Beispiel die drei schönen Liebermann des WallrafRichartz-Museums wieder in Kölner Besitz zurückkehrten. Überdies, so wurde in Köln immer wieder lobend hervorgehoben, habe Haubrich weitere 42 Gemälde, die bereits beschlagnahmt und in einem Sammeldepot in Berlin zusammengetragen worden waren, dadurch gerettet, dass er sie auf verschlungenen Wegen erworben hat und vor dem Verkauf gegen Devisen in der Schweiz bewahrt habe. Aktuelle Forschungen, so weit sie nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs noch möglich sind, haben dieses lokalpatriotisch verklärte Bild konkretisiert, teilweise aber auch korrigiert. Die Geschichte von Haubrichs Sammlung trägt deutliche Spuren und Zäsuren, deren Ursachen in den zeitgeschichtlichen Brüchen liegen. Im Unterschied zu der Mehrzahl der Sammler der Moderne, die wir bisher betrachtet haben, stammte Josef Haubrich aus dem bürgerlichen Mittelstand und war, obwohl er sehr bald ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt wurde, bei seinem Kunsterwerb in seinen finanziellen Möglichkeiten stärker beschränkt als die großbürgerlichen Wirtschaftsbürger in Berlin und anderswo. Das machte es ihm, wie er bekannte, auch unmöglich „eine wirklich erstklassige Sammlung alter Meister“ aufzubauen. Zeitgenössische Kunst, das war Haubrich wie vielen anderen Sammlern bewusst, war sehr viel preiswerter zu haben als die alten Deutschen und Niederländer. Stattdessen konzentrierte er sich von Anfang an besonders auf chinesische Goldbronzen und Grabkeramiken und Jadearbeiten. Die Anregung zum Kunstsammeln hatte Haubrich aus seinem Elternhaus mitgebracht; sie hatte durch die Sonderbundausstellung von 1912 einen deutlichen Schub und eine verstärkte Ausrichtung auf die Gegenwartskunst erhalten. Im Rückblick bezeichnete er die Eindrücke der Sonderbundausstellung als eine „Offenbarung“. Noch während des Ersten Weltkrieges und danach in den 20er-Jahren begann er mit dem Aufbau seiner Sammlung, die dank seines öffentlichen Engagements und Mäzena-
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tentums auch bald öffentlich bekannt wurde. Sie umfasste vor allem Kunst der „Brücke“ sowie Gemälde von James Ensor und Plastiken von Wilhelm Lehmbruck, Aquarelle von Otto Dix und Marc Chagall, Heinrich Campendonk und Max Ernst. Zwei Gemälde ragen aus den Ankäufen dieser Jahre heraus: das „Porträt des Dr. Koch“ von Otto Dix sowie der „Halbakt mit Hut“ von Ernst Ludwig Kirchner. Haubrich erwarb seine Gemälde und Aquarelle, die den Kern seiner Sammlung bildeten, meistens in den Galerien Nierendorf und Becker; weitere Berater beanspruchte er nicht, allerdings war der Kölner Kunstverein für ihn ein wichtiger Ort der Kommunikation und Information. Haubrich verstand seine Sammlungstätigkeit auch als Korrektiv zur städtischen Museumspolitik in Köln, der er vorwarf, wenig für die bildende Kunst zu tun. Ein erster Versuch, seine Sammlung zusammen mit zwei anderen Kölner Sammlungen bereits in den 1920er-Jahren in einer öffentlichen Sammlung zu zeigen, stieß auf die Ablehnung von Kölns Oberbürgermeister Dr. Konrad Adenauer, dem das alles zu modern war. Dass andere Kenner das nicht so sahen, zeigt das Urteil eines „Kunstfreundes der Progressiven“: Er warf Haubrich im Gegenteil vor, dass er sich bei seinen Ankäufen nur auf das „halbwegs Arrivierte“ konzentriere. Für den herrschenden Geschmack des Kölner Bürgertums war das aber schon eine Provokation, wie bereits die lokalen Reaktionen auf die Sonderbundausstellung von 1912 bewiesen hatten. Daran sollte sich auch in den 20er-Jahren nichts ändern. Haubrichs Sammeltätigkeit zwischen 1933 und 1945 bildet nach dem Urteil von Wolfgang Braunfels einen zweiten wichtigen Abschnitt seines Kunstsammelns, das ganz unter den veränderten Bedingungen nationalsozialistischer Kunstpolitik und Verfolgung stattfand und dadurch auch den Stempel der Mehrdeutigkeit erhielt. Einerseits zeigte er sich unbeirrt von Verfolgungen und Verfemungen von jüdischen Sammlern und Künstlern und hielt an seinen Geschmackspräferenzen bzw. Ankäufen fest. Andererseits, und darauf wurde in jüngster Zeit stärker verwiesen, nutzte er die Situation und kaufte die Werke der deutschen Moderne, auf die er sich immer konzentriert hatte, sehr günstig ein. Einige dieser günstigen Angebote, so ein Gemälde von Oskar Kokoschka „Bildnis von Tilla Durieux“,
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erwarb er 1934 durch Vermittlung des Galeristen Vömel, der ein Jahr zuvor die Düsseldorfer Galerie von Alfred Flechtheim übernommen hatte. Andere Bilder stammten aus dem Besitz des Wallraf-RichartzMuseums, das sich unter seinem Direktor Otto H. Förster, populistisch wirksam und politisch angepasst, von seinen verfemten Kunstwerken trennen wollte und etwa ein Selbstbildnis des jüdischen Malers Max Liebermann zum Verkauf freigegeben hatte. Denn auch vor den Kölner Museen hatte die Aktion „Entartete Kunst“ 1937 nicht haltgemacht. Es waren von der Femeaktion 45 Gemälde, 143 Aquarelle und 295 Grafiken aus dem Wallraf-Richartz-Museum betroffen. Vier Kunsthändler – Bernhard Böhmer, Karl Buchholz, Hildebrand Gurlitt und Ferdinand Möller – waren von Goebbels autorisiert worden, Werke „entarteter“ Kunst ins Ausland zu verkaufen; Verkäufe im Inland waren ihnen untersagt, was allerdings von den Händlern immer weniger beachtet wurde. So kamen auf diesem Wege sechs Gemälde aus deutschem Museumsbesitz über Gurlitt in die Sammlung Haubrich: das „Bildnis des Dichters Theodor Däubler“ von Otto Dix, der „Kanal“ von Erich Heckel, die „Maskerade“ von Karl Hofer, Heinrich Campendonks „Frau mit Fischen“ und Georg Schrimpfs „Mädchenakt vor dem Spiegel“. Bezeichnend für das Schicksal von als „entartet“ beschlagnahmten Gemälden der Moderne war der verschlungene Weg von Otto Muellers „Zwei weibliche Halbakte“ aus der Sammlung Littmann in Breslau. Die Witwe des jüdischen Notars und Kunstsammlers hatte es, wie schon oben beschrieben, 1935 aus finanzieller Not verkaufen wollen, aber vorher wurde das Bild von der Gestapo beschlagnahmt. Hanfstaengl, der Direktor der Berliner Nationalgalerie, durfte es sich für sein Museum auswählen, bis es ein Jahr später wieder beschlagnahmt und schließlich in das Depot in Schloss Schönhausen verbracht wurde. Über Gurlitt gelangte es dann an Haubrich. 1999 wurde das Bild an die Erben der Familie Littmann restituiert und schließlich vom Museum Ludwig einvernehmlich zurückerworben. Sicherlich hat Haubrich für solche Ankäufe deutliche Preisnachlässe erhalten (während die alte Kunst auch in den Dreißigerjahren im Kunsthandel relativ teuer angeboten wurde), aber wäre es verfehlt, Haubrich zu unterstellen, er habe mit der Kunst lediglich spe-
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kuliert oder rein ökonomische, auf Gewinnmaximierung gerichtete Absichten verfolgt. Man sollte nicht vergessen, dass durch sein Engagement einige verfemte Meisterwerke, die sich heute wieder in Kölner Museen befinden, vor dem Verschleudern oder gar der Zerstörung gerettet wurden. Unter den Bedingungen einer populistischen Diktatur, die auch eine Geschmacksdiktatur war, hatte nicht konformes Handeln mitunter seinen „Preis“, der unter strengen moralischen und unhistorischen Gesichtspunkten im Rückblick leicht als zu hoch betrachtet wird. Auch Haubrich, der in dritter Ehe mit einer jüdischen Ärztin verheiratet war, entging schließlich nicht der Verfolgung durch NS-Behörden. Er musste seine Anwaltskanzlei aufgeben und wurde im Februar 1944 von der Gestapo vorgeladen, weil man seine jüdische Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung ausweisen wollte. Alice Haubrich nahm sich daraufhin das Leben, und auch Josef Haubrich musste weitere Anfeindungen und Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen. Dabei konnte er geistesgegenwärtig eines der verfemten Bilder, das sich nun in seinem Besitz befand, retten. 1946 hat er dann verwirklicht, was er schon 1923 geplant hatte: er schenkte seine Sammlung der Stadt Köln und ließ auch ausdrücklich zu, dass seine Werke der klassischen Moderne mit anderen Beständen vermischt und danach durch bedeutende Zukäufe erweitert würden. Bernhard und Margrit Sprengel aus Hannover, er Schokoladenfabrikant, sie Violistin, begannen ihre Sammlertätigkeit erst unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Verfolgung moderner Kunst. Die Femeschau „Entartete Kunst“, die sie im November 1937 auf ihrer Hochzeitsreise (es war Sprengels zweite Ehe) in München besucht hatten, hatte sie nicht von der unerwünschten Kunst abgehalten, wie das von ihren Machern beabsichtigt war, sondern im Gegenteil erst dafür begeistert. Besonders von dem künstlerischen Werk Emil Noldes, das im Münchner Hofgartengebäude als Beispiel für eine fehlgeleitete Religiosität ausgestellt und diffamiert wurde, waren sie fasziniert. Bernhard Sprengel berichtete über diese Offenbarung: „Trotz schlechter Hängung wirkte die ‚entartete Kunst‘ auf meine Frau und mich wie eine Fanfare. Für mich, der ich bisher nur der Musik wirklich verhaftet war und bildende Kunst mehr im Vorü-
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bergehen, wenn auch immer mit Interesses, aber doch ohne eigentliche Passion betrachtet hatte, war dieses die erste wirklich zündenden Begegnung.“ Von den Eindrücken der Ausstellung bewegt, erwarben sie noch am selben Tag im Graphischen Kabinett von Günther Franke in der Brienner Straße in München zwei Aquarelle von Nolde. Aus dieser Begegnung mit der bildenden Kunst und einem engagierten Galeristen erwuchs eine intensive Sammlertätigkeit und enge, vertrauensvolle Geschäftsbeziehung, zu der bald noch eine Freundschaft mit dem Künstlerehepaar Nolde hinzukam. Franke hatte das Ehepaar Sprengel bei dem ersten Besuch in seinem Graphischen Kabinett, das er 1932 von I. B. Neumann übernommen hatte, auch auf Arbeiten des Expressionisten Karl Hofer aufmerksam gemacht, den er auch nach dessen Stigmatisierung als „entartet“ weiter in seiner Galerie vertrat. Nach außen tarnte Franke seine Galerie als Galerie der deutschen Romantik; nur Eingeweihte wussten, was der unerschrockene Verfechter der Moderne im Hinterstübchen noch vertrat und auch selbst sammelte. Als Franke den Wunsch Sprengels, ihm doch, nachdem er in der Berliner Kunsthandlung Nierendorf eine Plastik von Wilhelm Lehmbruck erworben hatte, Graphiken von Lehmbruck zu vermitteln, zunächst nicht erfüllen konnte und ihm stattdessen ein Konvolut von acht Radierungen und einer Farbstiftzeichnung von Lehmbruck aus seinem eigenen Besitz nach Hannover schickte, entspann sich daraus ein enges Geschäftsund Vertrauensverhältnis. Mithilfe Frankes erwarben die Sprengels in den folgenden Jahren fast 600 Werke des deutschen Expressionismus. Franke lud weiterhin zu Galerieausstellungen in München, der „Hauptstadt der Bewegung“ ein, bei denen er unter dem Tarnmantel der deutschen Romantik weiterhin auch Aquarelle von Max Beckmann, Erich Heckel, Otto Mueller, Emil Nolde und anderen „Verfemten“ zeigte. Stolz teilte er Sprengel mit: „Sie sehen, wir halten den Kurs weiter.“ Als Franke ihm 1939 eine Plastik von Barlach anbot, beschlichen Sprengel dann doch existenzielle Ängste. Er sandte im Dezember 1939 den Barlach zurück. Sprengel fragte immer wieder erstaunt, wie Franke seine Verkaufs- und Ausstellungspraxis trotz möglicher politischer Schwierigkeiten durchhalten könnte, und ließ
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sich von dessen Haltung schließlich dazu verleiten, im August 1940, als der „Führernimbus“ Hitlers nach dem siegreichen Frankreichfeldzug auf seinem Höhepunkt angekommen war, zwei Plastiken des verfemten Barlach von Frankes Galerie zu kaufen; weitere Graphiken folgten in den nächsten Monaten und Jahren; bei einem Besuch Frankes in Hannover im November 1940 konnte er sich davon überzeugen, wie groß und bedeutend mittlerweile die Sammlung Sprengel war. Schließlich vermittelte Franke auch noch die Bekanntschaft mit Emil Nolde, der bald großes Zutrauen zu Sprengel gewann und ihm in Sorge um seine Kunstwerke, die sich noch ihn seinem Besitz befanden, diese zur weiteren Einlagerung in Hannover zusandte. Nolde umging damit die drohende Beschlagnahme seiner künstlerischen Produktion, die der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste, Adolf Ziegler, im April 1941 unter dem Vorwand, die Bilder Noldes begutachten zu wollen, vorbereitet hatte. Für die Sammlung Sprengel bedeutete dieser mutige Schutz, der von der zunehmenden Angst vor Übergriffen oder Bespitzelung des Sammlerehepaars begleitet war, eine nicht unbeträchtliche Ausweitung der Nolde-Sammlung, zu der schließlich dreißig Gemälde und 870 Aquarelle und Zeichnungen gehören sollten. Das Handeln und notgedrungen auch das Lavieren von Sprengel und Franke, aber auch von anderen Kunsthändlern und Sammlern beim Erwerb und bei der Vermittlung von Kunstwerken in den Jahren 1937 bis 1945, erzählt von den Möglichkeiten und Grenzen des privaten Kunstsammelns sowie des Kunsthandels unter den Bedingungen der NS-Diktatur. Schon immer waren Kunstsammler und Kunsthändler aufeinander bezogen und aufeinander angewiesen und bildeten mit der Entfaltung der bürgerlichen Gesellschaft und Urbanisierung seit dem 19. Jahrhundert immer engere Beziehungsgeflechte, die sich nicht auf das rein Geschäftliche beschränkten, sondern auf gemeinsamer Kunstliebe und Kennerschaft beruhten. Die Geschichte des Galeristen Alfred Flechtheim steht stellvertretend für ein weitreichendes soziales und kulturelles Phänomen. In der nationalsozialistischen Mobilisierungsdiktatur war der Weiterbestand solcher gesellschaftlicher, meist lokaler Netzwerke von Händlern, Sammlern und auch Künstlern von existen-
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zieller Bedeutung für die Bewahrung individueller Freiräume. Das zeigt auch die Entstehungsgeschichte der Sammlung Sprengel. Die Inszenierung als Kunstfreunde. Die NS-Führung und ihre „Sammlungen“ Fast alles, was den privaten Sammlern von Kunst seit Jahrhunderten wichtig war, nämlich Begeisterung und Sammelleidenschaft, Kennerschaft und kulturelle Verpflichtungen, war der nationalsozialistischen Führungsriege mehr oder weniger fremd, obwohl auch sie sich mit Kunst umgab und sie sammelte. Kein „Führergeburtstag“, ohne dass die braunen Machtträger nicht bei Hitler antraten, um publikums- und medienwirksam in strammer Haltung ein bombastisches Geschenk zu überreichen, oft ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Nicht weniger Ehrgeiz und Jagdtrieb legte Göring bei seinem Kunstsammeln an den Tag, vor allem als man sich mit Beginn der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft aus dem reichen Beutegut von Kunstwerken der eroberten Länder bedienen konnte. Den Vorgriff hatte allerdings der „Führer“, dann war der zweite Mann des Reiches, Göring, an der Reihe. Wilfried Nerdinger hat darum vorgeschlagen, bei Hitler (und auch bei seinen Paladinen) allenfalls von einem „Pseudomäzenatentum“ zu sprechen. Wenn Kunstsammeln neben aller persönlichen Leidenschaft und Kennerschaft auch der Herrschaftsdarstellung diente, dann galt der Machtinstinkt und politische Repräsentationsinstinkt in ganz besonderer Weise für die Männer der nationalsozialistischen Diktaturen (und auch für andere Diktatoren des 20. Jahrhunderts). Für sie bestand die eigentliche Aufgabe der Kunstförderung und des Kunstsammelns in der massenwirksamen Selbstdarstellung und dem heftigen Bedürfnis, es damit den alten Eliten der Fürsten und Großbürger gleichtun zu wollen und sich durch die scheinbare Aneignung von Tradition bzw. traditionellen kulturellen Verhaltensmustern Anerkennung zu verschaffen. Damit wollte man nicht nur „hoffähig“ werden, sondern der eigenen Gefolgschaft wie den Unterworfenen die eigene kulturelle Potenz, die natürlich immer im Dienste der Volksgemeinschaft stand, beweisen.
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Adolf Hitler lässt Hermann Göring zu dessen Geburtstag am 12.1.1938 Makarts „Falknerin“ überreichen. Foto 1938. Die nationalsozialistische Führungsclique inszenierte sich mit Vorliebe als „Kunstfreunde“ und zeigte dies durch aufwendige Geschenke sowie durch ein vorgetäuschtes Mäzenatentum. Hitler und Göring hatten eigene Kunstsammlungen zusammengetragen, die gerade im Falle Görings durch eine schamlose Bereicherung und durch Kunstraub zustande gekommen waren.
Ob der gescheiterte Kunstmaler Adolf Hitler nun wirklich ein Kunstfreund war, wie ihn die NS-Propaganda unaufhörlich darstellte, und ob der Künstler-Politiker seine Herrschaftsziele und -politik an ästhetischen Prinzipien ausrichtete, wie jüngst der Historiker Wolfram Pyta behauptete, bleibt umstritten. Ein Blick auf sein Kunstsammeln kann sich den Problemen einer Hitler-Biographie allenfalls annähern, auf jeden Fall aber seine Kunst der Selbst-Inszenierung beleuchten. Hitler fing wie fast jeder Sammler klein an, und er verließ sich dabei ganz auf seinen Freund Heinrich Hoffmann, der seit 1923 zum Vertrauten und Leibfotografen des „Führers“ aufgestiegen war. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass Hitlers frühe Kunstsammlung, wie Birgit Schwarz festgestellt hat, der seines Beraters
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Hoffmann ähnelte. Hoffmann und Hitler hatten gesammelt, was damals in München üblich war, nämlich kleinformatige Landschaftsund Genrebilder der Münchener Maler des 19. Jahrhunderts und nicht impressionistische oder nachimpressionistische Meisterwerke, wie sie in den Häusern der großen Privatsammler Sternheim, Thurneyssen oder Heymel anzutreffen waren. Als Agentin für Hitlers Kunsterwerb war bis 1935 Maria Almas-Dietrich, eine Freundin von Eva Braun, tätig, die ihm Auktionskataloge verschaffte und für ihn auch Auktionen besuchte. Die Dilettantin Almas-Dietrich wurde allmählich von den Kunst-Experten, dem Dresdner Museumsdirektor Hans Posse, der zu Hitlers Sonderbeauftragten für den Kunsterwerb, d. h. für seinen Kunstraub und dessen Verteilung aufgestiegen war, sowie dem Kunsthändler Karl Haberstock verdrängt. Haberstock, der eine Galerie in Berlin betrieb, war seit Mitte der 1930er-Jahre für die Ausstattung von Hitlers Feriendomizil Haus Wachenfeld auf dem Obersalzberg zuständig, das bald zu Hitlers zweiter Residenz ausgebaut wurde. Mit der Ausbildung von Hitlers charismatischer Führermacht und einem entsprechenden ungebrochenen Selbstverständnis des Diktators gehörte der Kunstbesitz für dessen öffentliche Auftritte und Selbstinszenierungen zum unverzichtbaren Ambiente, das von dem Fotografen und Großverleger Hoffmann in den Massenauflagen von entsprechenden Bildbänden gewinnbringend verbreitet und ausgeschlachtet wurde. Bezeichnend für die Perversion des Kunstsammelns, wie sie Hitler verkörperte, wurde der prachtvolle Privatdruck „Meisterwerke der Malerei AH“, den Haberstock in zwei Bänden mit rotem Ledereinband und Goldprägung in nur wenigen Exemplaren herstellte. Im Teilband „Neue Meister“ wurden 31 Gemälde des deutschen 19. Jahrhunderts und im Band „Alte Meister“ 27 Werke der europäischen Malerei auf eingeklebten Fotografien präsentiert. Sie gingen ganz offensichtlich auf Haberstocks Ankäufe zurück und sollten den Sammler und Museumsgründer Hitler für alle Zeiten verherrlichen und dokumentieren. Birgit Schwarz betont den „dekorativen Charakter“ der ausgewählten Gemälde, die von venezianischen Frauenporträts des 16. Jahrhunderts über niederländische Stillleben des 17. Jahrhunderts zu venezianischen Stadtansichten des 18. Jahrhun-
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derts reichten. Die deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts im ersten Band wurde von bedeutenderen Werken repräsentiert, die von Arnold Böcklin, Anselm Feuerbach, Adolph Menzel, Hans Thoma, Moritz von Schwind, Georg Ferdinand Waldmüller bis Eduard Grützner reichten. Das waren Künstler, die für die NS-Führung nun kanonische Gültigkeit erhielten und zu den bevorzugten Objekten von Geschenken der Paladine an ihren „Führer“ gehörten. Nationalsozialistischer Eroberungskrieg und Kunstraub Während die in den beiden Prachtbänden abgebildeten Kunstwerke offenbar noch über den Kunsthandel erworben wurden, setzte zur gleichen Zeit mit der Radikalisierung des Regimes und der Eroberungspolitik seit 1938 auch die persönliche Bereicherung an beschlagnahmter Kunst ein. Kunstwerke, die durch Zwangsverkäufe von jüdischen Kunstsammlern und Kunsthändlern aus Wien von der Gestapo erpresst wurden, wanderten über andere Kunsthändler an Haberstock, der sie in Hitlers Sammlung auf dem Berghof einverleibte. Eine neue Dimension erlebte der nun überwiegend erzwungene oder auf Raub beruhende Kunsterwerb Hitlers mit seinem Plan, seiner Heimatstadt Linz ein Museum zu stiften und sich selbst damit ein Denkmal zu setzen. Das wurde nun die Aufgabe von Hans Posse, Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie in Dresden, der sich vor 1933 als junger Museumsleiter durch Ankäufe und Ausstellungen von Werken der Avantgarde, u. a. von dem Anti-Kriegsbild von Otto Dix, „Schützengraben“, das 1937 zu den „Entarteten“ gehören sollte, zunächst einen Namen gemacht hatte, nun aber deswegen an den Pranger gestellt wurde und 1938 entlassen werden sollte. Mit einer Ausstellung „Deutsche Kunst vom 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts“ wollte er offenbar den sächsischen NS-Gauleiter besänftigen und fand, möglicherweise von Haberstock eingefädelt und als führungsstark angepriesen, die Aufmerksamkeit von Hitler, der die Dresdner Ausstellung besuchte. Der potenzielle Museumsgründer Hitler sah in Posse seinen Mann, dem er die Durchführung weiter Beutezüge durch die europäischen Museen anvertrauen wollte und der, obwohl kein Parteigenos-
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se, umgekehrt „seinem Führer“ dankbar sein musste, nicht entlassen, sondern sogar noch befördert worden zu sein. Mit der Bestallung Posses rückte für Hitler seine Vision vom Linzer Museum in greifbarere Nähe, denn kurz nach dem Dresden-Besuch im Juni 1938 beauftragte Hitler den Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, mit der Formulierung des sog. „Führervorbehaltes“, der Generalvollmacht, die sich Hitler selbst einräumte, für den „Sonderauftrag Linz“ und damit den vorrangigen Zugriff Hitlers (und damit auch Posses) zunächst auf das gesamte NS-Kunstraubgut aus Österreich und der Tschechoslowakei, seit 1939/1940 auch aus Polen, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und der Sowjetunion. Schließlich stand die gesamte Raubkunst Europas, die sich die nationalsozialistischen Eroberer in den besetzten Gebieten zusammenrafften, unter „Führervorbehalt“. Mit der „Führerauswahl“ verschaffte sich Hitler den Zugriff auf Hunderttausende von Objekten und ermächtigte sich selbst zum „größten Kunstraub aller Zeiten“ (B. Schwarz). Einen anderen, ebenfalls publikumswirksamen Weg der Kunstsammlung hatte Hitler ebenfalls seit 1937 beschritten und bis 1944 eingehalten. Mit der „Großen Deutschen Kunstausstellung“, deren Auswahl wiederum von Heinrich Hoffmann und der ArchitektenWitwe Gerdy Trost vorgenommen wurde, hatte Hitler sich ein weiteres Instrument geschaffen, um seinen Kunstgeschmack wirkungsvoll durchzusetzen. Die Mehrzahl der ausgewählten Bilder wurde jedoch nicht in seine persönliche Sammlung auf dem Obersalzberg eingefügt, sondern auf die Dienstzimmer der Reichsministerien und Parteidienststellen verteilt. Denn zu seiner größten Enttäuschung hatte der „Führer“ unter all den eingereichten Bildern keine entdeckt, die er für eine künftige nationalsozialistische Kunst für würdig erachtete. Dennoch wurde in den Kunstzeitschriften und anderswo sorgfältig registriert und verbreitet, welche Bilder oder Skulpturen „vom Führer gekauft“ wurden und damit immerhin eine Auszeichnung erhalten hatten. Auf der ersten Großen Deutschen Kunstausstellung 1937 kaufte er für 268 000 RM, 1938 für insgesamt 1 200 000 RM gleich 202 Werke. Bis 1942 bewegte sich die Kaufsumme, mit der sicherlich auch die Förderung der Kunst betrieben wurde, auf einer vergleich-
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baren Höhe: 1942 waren es noch einmal 1 200 000 RM, 1944 immer noch 894 000 RM. Das Geld stammte aus Hitlers Kulturfonds, der hauptsächlich aus dem Erlös von Sonderbriefmarken und von Gewinnen aus der Filmproduktion gespeist wurde. Später kamen noch Gewinne aus dem Verkauf beschlagnahmten jüdischen Vermögens hinzu. Ob auch Mittel aus seiner Privatschatulle, die durch Tantiemen für den millionenfachen Verkauf von „Mein Kampf“ und andere Publikationen zusammengekommen waren und meistens aus Haushaltsmitteln der Städte stammten, die dem Eher Verlag des „Führers“ Bekenntnisschrift als Geschenk zur Eheschließung abkaufen mussten, ist ungewiss. Anders als Hitler, der aus dem Dunkel der österreichischen Provinzgeschichte kam, war Hermann Göring schon früh mit privatem Kunstbesitz in Berührung gekommen und hatte auf der Burg Veldenstein bei Nürnberg, die seinem Patenonkel, dem jüdischen Arzt Hermann von Epenstein, gehörte und der Familie Görings eine großzügige Wohnung bot, ein Leben inmitten von Kunst und Pomp kennengelernt. Der junge Kadett Göring hatte sich bereits auf seiner ersten Italienreise 1911 für die Werke Leonardo da Vincis, Peter Paul Rubens’ und Raffaels begeistert. Den Vorzug gab er allerdings immer den Werken der alten deutschen Meister Lucas Cranach, Albrecht Dürer und Mathias Grünewald. Das entsprach mehr den traditionellen bildungsbürgerlichen Präferenzen und folglich hatte Göring auch später wenig mit der nationalsozialistischen Kunst und Kunstförderung im Sinn. Auf den Großen Deutschen Kunstausstellungen tauchte er nicht auf. Seine bescheidenen finanziellen Möglichkeiten nach dem Ersten Weltkrieg, den er bekanntlich als bekanntes Flieger-As beendet hatte, ließen nur geringe Kunstkäufe zu. Erst 1936/37, als er eine gewaltige Ämterfülle auf sich vereinigt hatte und zu Hitlers Erstem Paladin aufgestiegen war, sammelte er im Auftrag des „Führers“ Kunst mit dem angeblichen Ziel, eine große deutsche Kunstsammlung aufzubauen. Der „Anschluss“ Österreichs bot Göring, wie anderen NS-Größen auch, die willkommene Möglichkeit, seinen Kunstbesitz um immer neue Gemälde und Skulpturen erheblich zu erweitern. Im Unterschied zu Hitler legte er keine öffentliche
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Sammlung etwa für ein „Führer“-Museum an, sondern er erwarb die Kunstwerke für sich persönlich und zu seinem eigenen Vergnügen. Allerdings rechtfertigte er seine Sammlung damit, sie dereinst dem deutschen Volk als „Vermächtnis“ übergeben zu wollen. Eine besondere Anziehungskraft auf den Möchtegern-Renaissancemenschen Göring übte das Depot im Pariser Jeau de Paume aus, das er seit 1940 über zwanzigmal besuchte. Dort hatte der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg französische Kunstsammlungen, die er mit Billigung Hitlers ausgeplündert hatte, zusammengetragen, die angeblich aus „z.Zt. herrenlosem jüdischen Besitz“ stammten. Mindestens 594 Werke soll Göring sich dort gesichert haben, die er trotz seiner Ankündigungen nie bezahlte. Angeblich hatte Hitler seinem Zweiten Mann im Reich das zweite Zugriffsrecht zugesichert, das Göring zur Abgrenzung vom geplanten „Führermuseum“ in Linz vor allem zum Aufbau eines eigenen Museums in Carinhall mit Werken der deutschen und niederländischen Malerei des 15. bis 17. Jahrhunderts ausstatten wollte; erweitert um eine Sammlung französischer Meister des 18. und 19. Jahrhunderts – als Frucht der hemmungslosen Raubzüge in Paris. Inzwischen rühmte sich Göring, die größte Privatsammlung in Europa zu besitzen. Was ihn mit Hitler verband, war eine skrupellose „Sammeltätigkeit“, die einzig der Selbstdarstellung und Herrschaftssicherung diente. Seine Kunstsammlung inmitten seiner luxuriösen Residenzen, an der Spitze sein pompöser Landsitz in Carinhall in der Schorfheide nördlich von Berlin, sollte seine Machtposition im Dritten Reich repräsentieren und zugleich seinen Hang zu Pomp und leichtem Gewinn erfüllen. Die Kunstwerke waren für ihn eine sichtbare, für Staatsgäste immer offene „Schatzkammer“, die sich durch günstigen Erwerb oder rasche Veräußerung, durch Geschenke und Tauschaktionen häufig verändern konnte. Das war sein eigentliches „Sammelkonzept“, das keine wirkliche Konsistenz zeigte, sondern nur die Handschrift ihres geld- und machthungrigen Besitzers verriet. Untergebracht war die seit Kriegsbeginn lawinenartig anwachsende Sammlung neben Carinhall in den anderen zahlreichen Wohnsitzen und Residenzen, die Göring nutzte und deren Eigentumsverhältnisse, ähnlich wie die seiner Sammlungen, eine
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Unterscheidung von privat und öffentlich kaum zuließen. Sie umfasste nach einer Auflistung von Ilse von zur Mühlen bei Kriegsende 1375 Gemälde, 250 Skulpturen, 108 Tapisserien, 200 antike Möbel, 60 Perser- und französische Teppiche, 75 Glasfenster und 175 kunstgewerbliche Objekte.
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10. Von Josef Haubrich zu Peter Ludwig. Die Wiederentdeckung der Avantgarde und die Entstehung des öffentlichen Privatmuseums
Die nationalsozialistische Mobilisierungsdiktatur hatte viele Traditionen des bürgerlichen Kunstbetriebs und der kulturellen Praxis zerstört oder verschüttet; nicht nur durch die Kunstdiktatur und Raubpolitik der NS-Führungsclique, sondern auch durch Anpassung und Verstrickung von Museumsleitern, Kunsthändlern und Sammlern, die sich an der Verdrängung und Ausplünderung ungeliebter Konkurrenten beteiligt und von den Verlockungen des Regimes haben korrumpieren lassen. Auch zahlreiche private Kunstsammlungen und vorwiegend jüdische Galerien waren durch die perfide Strategie antijüdischer Gesetze und steuerlicher Ausplünderung sowie durch das Zerstören und durch das Verschleudern jüdischen Vermögens am Ende der 1930er-Jahre vernichtet; hinzu kamen die Verluste durch die Bombenangriffe während der letzten Kriegsjahre sowie durch Flucht, Vertreibung und Raub bei Kriegsende. Sie führten zu weiteren Zerstörungen oder Auflösungen von Kunstwerken und Sammlungen, die nicht vom nationalsozialistischen Rassenwahn betroffen waren und bis dahin im Verborgenen überlebt hatten. 10. Von Josef Haubrich zu Peter Ludwig Neben der Beseitigung und Wiedergutmachung materieller Zerstörungen sowie der mühsamen Arbeit des Wiederaufbaus und Neuanfangs stellte sich die Frage, ob das Bürgertum und dessen kulturelle Praxis mit dem Nationalsozialismus untergegangen waren oder nicht; ob das Bürgertum als Motor einer erneuerten Sammlerpraxis und Kunstförderung wieder wirksam werden könnte. Würden Kontinuitätslinien wieder auferstehen, die in das pluralistische Kunstleben
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der Weimarer Republik zurückreichen und damit auch das Sammeln von Kunst der Moderne wieder belebten, das in besonderer Weise von der nationalsozialistischen Geschmacksdiktatur und Verfolgungswut getroffen und zerstört war? Sammeln als Erinnerung und Rehabilitation der Moderne Tatsächlich erlebten spätesten in den 1950er-Jahren bürgerliche Konzepte des Sammelns und des Schenkens eine auffällige Renaissance, die vielfach an die 1920er- und frühen 1930er-Jahre anknüpften. Die westdeutsche Nachkriegskunstszene bewegte sich nach 1945 für mehr als ein Jahrzehnt im Bannkreis der Erinnerung an frühere Perioden der Moderne, die mittlerweile bereits klassisch geworden waren. Diese „erste Erinnerungsbewegung“ (Grasskamp) war Künstlern und Kunstrichtungen gewidmet, die während des Nationalsozialismus verfemt und verfolgt waren; die Sammelstrategien in öffentlichen Museen und privaten Sammlungen orientierten sich, wenn sie sich auf die Moderne konzentrierten, vorwiegend auf die Malerei des Expressionismus und auf die Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, kaum auf die unmittelbare Gegenwartskunst. Weder auf die abstrakte Malerei noch auf die „antifaschistische“ Kunst. Museen und Sammler versuchten die Verluste, die durch die NS-Kunstpolitik eingetreten waren, zu ersetzen oder zu kompensieren, sofern das schmale Budget und die Zerstörung vieler menschlicher Kontakte dies so rasch überhaupt zuließen. Viele Museumserwerbungen der 1950er- und 1960erJahre konzentrierten sich auf expressionistische Kunstwerke, und auch private Sammler knüpften daran an. Freilich gab es auch Ausnahmen, wie etwa den Kauf von George Grosz’ gesellschaftskritischem Gemälde „Leichenbegängnis“ in Stuttgart. Charakteristisch für die Strategie der Rückblicke und der Wiedergutmachung war die erste „documenta“ in Kassel 1955, die in einer stark zerstörten Stadt dem verstörten Publikum wieder die Repräsentanten der klassischen Moderne in ihrer Vielfalt und Breite zeigen bzw. diese wieder mit ihnen vertraut machen wollte: mit Picasso und Matisse, mit Beckmann oder Kandinsky. Westdeutsche Nachkriegskünstler waren kaum vertreten.
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10. Von Josef Haubrich zu Peter Ludwig
Auch nach dieser ersten und durchaus erfolgreichen Rehabilitation, die nach der gewaltsamen Zäsur durch die NS-Politik auch eine Art Restauration der klassischen Moderne war, riss das Angebot der Erinnerungen und Beschwörungen einer ungebrochenen europäischen Moderne nicht ab. An sie wollte das Nachkriegsdeutschland wieder Anschluss finden, um, wie es in der „ZEIT“ von 1946 bereits hieß, die „Denkvorgänge an der Stelle wiederaufzunehmen, wo sie fallengelassen wurden“. 1958 wurden auf Initiative des „Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen“ eine erste umfangreiche Dada-Retrospektive in Düsseldorf gezeigt und zudem einige Protagonisten der damaligen Anti-Bewegung, die als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg entstanden war, eingeladen: Man Ray, Hannah und Hans Richter kamen als Ehrengäste und lösten damit ähnliche Kontroversen aus wie sie sie in den 1920er-Jahren hervorgerufen hatten. Der nordrhein-westfälische Kultusminister fühlte sich zu einer heftigen Kritik herausgefordert und erklärte, dass „Dada eine der häßlichsten Äußerungen menschlichen und deutschen Wesens überhaupt“ sei; die Künstler seien „politisch verantwortungslos“ und „unsittlich“. Auch andere kunstideologische Konfliktfelder brachen in den 1950er-Jahren wieder auf. Der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr hatte bereits 1948, als Antwort auf die Verteidigung der Moderne durch W. Baumeisters Schrift „ Das Unbekannte in der Kunst“ (1947), mit seinem Buch „Der Verlust der Mitte“ die Moderne als Symptom und Ausdruck des gesellschaftlich-kulturellen Verfalls angegriffen und eine lang anhaltende, heftige Diskussion ausgelöst, die auch bei der „documenta“ I von 1955 weiterschwelte. Auch innerhalb der Künstlerschaft selbst gab es einen „Bilderstreit“, der verbal an die Polemik der NS-Zeit anknüpfte. Karl Hofer, einer der verfolgten Künstler und Vorsitzende des Deutschen Künstlerbundes, ging 1955 vehement gegen die abstrakte Kunst vor, obwohl diese auf der „documenta“ I, im Unterschied zur „documenta“ II von 1959, erst ansatzweise vertreten war. Doch reichte das für Hofer aus, um den Förderern der Abstrakten ein Verhalten vorzuwerfen, das mit dem „Gebahren des Nazistaates“ verglichen werden müsse. Dieser Vergleich, meist in polemischer Absicht, sollte die Kunst- und Kulturdiskussion noch lange unterschwellig bestimmen. Eine wirkliche
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Auseinandersetzung der Künstler mit den Erfahrungen des Nationalsozialismus blieb hingegen lange aus. Stattdessen bestimmte in Fortsetzung der ersten Erinnerungsbewegung der Siegeszug der abstrakten Malerei seit Ende der 1950erJahre die Kunstszene. Die Erinnerung an die klassische Moderne war stärker und wirkungsmächtiger als die traditionelle Kritik und führte zur (Wieder-)Entdeckung der abstrakten Moderne, der man die „ästhetische Stellvertretung demokratischer Werte“(Grasskamp) zusprach. Das Bekenntnis zur „formalen Freiheit der Kunst“ (Grasskamp) entsprach dem Bekenntnis zur politisch westlich-demokratischen Freiheit und fand als Abkehr von den Verstrickungen in den Nationalsozialismus eine wachsende gesellschaftliche Zustimmung. Die Moderne, in ihrer klassischen Variante der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts und insbesondere der Zwischenkriegszeit, ebenso in Gestalt des abstrakten Expressionismus der 1960er-Jahre, wurde zum Synonym für Freiheit und für den Anschluss der bundesrepublikanischen Kunstlandschaft an die westlichen Kunstmetropolen in Paris und in New York. Zugleich wurde sie zum Gegenbild zum sozialistischen Realismus, wie er mittlerweile in der DDR zur offiziellen Staatskunst erhoben wurde. Die Künstler in der DDR und die gesamte Kunstszene definierten sich nach wie vor als antifaschistisch und verstanden sich im Gegensatz zum Westen als politisch. Erst in der zweiten Erinnerungsbewegung der 1960/70er-Jahre wurde auch der Kunstbetrieb in der Bundesrepublik sehr viel politischer und pluralistischer. Mit Ausstellungen von Werken von Christian Schad sowie von anderen Vertretern einer stärker sozialkritischen Kunst, wie Otto Dix und George Grosz, fanden auch die vergessenen Kunstrichtungen der Zwischenkriegszeit ihre Anerkennung. Mit einer Ausstellung über das „Bauhaus“, das 1969 50 Jahre alt wurde, wurde die Idee eines Gesamtkunstwerkes, das die Bereiche der Bildenden Kunst wie der Architektur und Angewandten Kunst umfasste, allmählich wieder populär. Das Kunstverständnis des Bauhauses, das alle künstlerischen Konventionen sprengte, wurde nach seiner Wiederbelebung bald zum Synonym für die Modernität aller Reform- und Avantgardebewegungen der Weimarer Republik. Ihre Wiederentde-
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ckung wie die Renaissance von Kulturtheoretikern wie Walter Benjamin, Wilhelm Reich oder Carl Einstein, die von der 1968er-Bewegung betrieben wurde, gab der Kritik der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Kulturpraxis neue Nahrung. Damit wurde die Vielfalt und auch die Ambivalenz der Kultur der Zwischenkriegszeit, vor allem in ihrer linken, sozialkritischen Richtung wiedererweckt; für die deutsche Nachkriegskunst hatte man hingegen nicht viel übrig, und über den Nationalsozialismus handelte man eher abstrakt und ideologisch. Noch 1985 klagte Günter Grass über seine Anfangs- und Ausbildungszeit als Künstler in den 1950er-Jahren, und seine Diagnose, die sich gegen die abstrakte Moderne richtete, galt eigentlich auch für die 1960er-Jahre: „Von all dem Häßlichen, das man glücklich hinter sich zu haben meinte, sollte möglichst nichts zu erkennen sein. Chiffren, ja, Ornamente, gewiß. Auch Materialien, Strukturen die Menge, die reine Form. Nur Überdeutliches nicht, nichts, das als Bild schmerzte. Kein Dix, kein Kirchner, kein Beckmann zwang das erlebte Grauen ins Bild.“ In dieser Gemengelage von Rehabilitation und Verdrängung, von Wiederentdeckung einer verschütteten Moderne und der schrittweisen Entfaltung all ihrer Widersprüche traten Kunstsammlungen wieder an die Öffentlichkeit, spielten nicht wenige Sammler und Mäzene in dem Prozess der Erinnerung und Wiedergutmachung eine wichtige Rolle. Mit dem Erwerb und der Sammlung von Kunstwerken der klassischen Moderne, vor allem des Expressionismus, durch Museen und private Sammler förderte bzw. restituierte man eine Vergangenheit, die man selbst miterlebt hatte, die aber im Unterschied zu den 1920er- und 1930er-Jahren längst nicht mehr kontrovers diskutiert und rezipiert wurde. Es sollte ein Zustand wiederhergestellt werden, der nun allgemein als verkannt galt. Es ist bezeichnend für diese wiedergefundene Kontinuität, dass auch der weitere Ausbau etwa der Sammlung Haubrich in Köln sich auf dieser Linie bewegte und keine anderen Schwerpunkte zusätzlich schuf. Man setzte auch in der neuen Form der Stiftung im Wallraf-Richartz- Museum alles daran, den eigenen Bestand an expressionistischen Bildern zu erweitern. Um diese kunstpolitische Botschaft zu verbreiten, war die Sammlung Haubrich, die als die „große Expressionisten-Sammlung“ gepriesen
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wurde, zuvor zwischen 1946 und 1954 durch insgesamt dreißig deutsche und europäische Städte gewandert, bis sie 1955 wieder nach Köln zurückkehrte und 1957 in dem Neubau des Wallraf-Richartz-Museums endgültig ihren Platz fand. Das Kölner Museum besaß nun zum ersten Mal eine bedeutende Sammlung moderner Kunst und wurde als „Heimstatt der Entarteten“ gerühmt. Dieser neuen Rolle entsprach die Tatsache, dass Köln und das Rheinland, nachdem die Kunststadt Berlin stark zerstört und isoliert war, sich mit zahlreichen Galerien, Sammlern und Kunstmessen (neben München und Hamburg) zu einem der neuen Kunstzentren der Bundesrepublik entwickelte. Im Rheinland blühten der Kunstmarkt und der Kunsthandel bereits in den 1950er-Jahren wieder auf. Zwischen Ruhrgebiet und Bonn, wo die neuen Zentren von Politik und Industrie lagen und wo sie auch eine enge Verbindung eingingen, bildete sich eine Kunstszene mit großem Potenzial heraus. Traditionsreiche und junge Galerien öffneten sehr bald ihre Türen, lockten mit Ausstellungen und bauten neue Netzwerke mit Künstlern, Sammlern und Museen auf. Anfangs bestimmte der Nachholbedarf ihr Programm. Ein Zeitungsbericht beschrieb die Lage der Galerien, die nach der Währungsreform überall in den Westzonen vor vergleichbaren Problemen standen: „In allen drei Zonen sieht man mehr Gedächtnis- als Verkaufsausstellungen. Wenn man weiß, dass in München neulich ein Nolde-Aquarell für 80 D-Mark angeboten wurde (bisher mindestens 400 Reichsmark), dann ist zu verstehen, dass von den neuen Bildern, die der Münchner Berufsverband der bildenden Künste seit einem Monat zeigt, erst eines verkauft werden konnte“. Noch war es schwer, Kunstwerke zu verkaufen, denen noch einige Jahre zuvor ein kultureller Wert abgesprochen wurde. Das sollte sich in den 1950er-Jahren ändern, als mit Blick auf die florierende französische Kunstszene sich auch im Rheinland sowie in Hamburg und München Galerien fanden, die der verbreiteten Orientierungslosigkeit mit einem Spektrum von Diskussionsforen und Ausstellungen von Werken jüngerer Künstler begegneten. Außerdem hatten sich seit der Mitte der 1950er-Jahre Künstlervereinigungen wie die „Quadriga“ mit Karl Otto Goetz und Bernard Schultze und die Gruppe „ZERO“ um Mack, Piene und
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Plakat zur ersten Ausstellung der Sammlung Haubrich in der Alten Universität Köln 1946. Der Kölner Rechtsanwalt Josef Haubrich (1889–1961) hatte mit viel Geschick seine Sammlung vorwiegend expressionistischer Kunst über die Verfolgungen der NS-Zeit gerettet und sie schließlich seiner Vaterstadt Köln zum Geschenk gemacht. Die erste Ausstellung dieser Sammlung 1946 war zugleich ein früher Akt der Erinnerung und der Rehabilitierung der Moderne.
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Uecker gebildet, die nicht nur untereinander den Austausch bei ihren Vorstößen in ästhetisches Neuland suchten, sondern auch auf dem Kunstmarkt nicht mehr als Einzelgänger, sondern als Kollektiv auftraten. An ihrem Erfolg hatten auch die Galeristen als Vermittler einen nicht geringen Anteil, indem sie die Kontakte mit interessierten Sammlern herstellten und pflegten. In ihren Galerien konnten Besucher Einblicke in die Entwicklung der Gegenwartskunst bekommen, konnten sich mit Unvertrautem, mit der Kunst von „Informel“ und „Fluxus“ vertraut machen und natürlich auch deren Kunstwerke erwerben. In der Düsseldorfer Galerie von August Schmela fanden nicht nur die Maler der ZERO-Gruppe ihren Ort, sondern bald auch Arman und Fontana, später auch Graubner, Richter und Polke. Eine feste Größe wurde schließlich auch Joseph Beuys, der bei Schmela seine Werke vorstellte. Parallel dazu zeigten auch Museen, nachdem sie mit dem Erinnern und Nachholen erste Schritte unternommen hatten, um den Anschluss an die klassische Moderne zu gewinnen, in Sonderausstellungen schließlich auch Werke der Gegenwartskunst. Mit den Netzwerken von innovationsbereiten Sammlern und Galerien, aber auch mit Unterstützung einiger Museen und großer Ausstellungen vollzog sich seit den späten 1950er-Jahren und verstärkt seit den 1960ern eine Versöhnung des bürgerlichen Konservativismus bzw. bürgerlicher Wirtschaftseliten mit der Kunst der klassischen Moderne, bald auch der Gegenwartskunst, auch wenn diese in ihren künstlerischen Hervorbringungen sich immer wieder als ästhetische Opposition zur bürgerlichen Gesellschaft definierte bzw. inszenierte. Als Josef Haubrich seine Sammlung, die er über Krieg und NSDiktatur gerettet hatte, bereits 1946 der Stadt Köln in einer Schenkung übereignet hatte, hatte er damit eine bemerkenswerte Serie von privaten Nachkriegs-Stiftungen an Museen eröffnet. Diese bildeten den Grundstock für die veränderte Rolle vieler Kunstmuseen in der Kunstszene. Zugleich demonstrierten die Sammler mit ihren Stiftungen immer deutlicher ihre Emanzipation. Ihr Interesse, sich für die Einrichtung und den Ausbau öffentlicher Museumssammlungen mit dem Zweck zu engagieren, Sammlungslücken zu füllen, machte sie für die Anschlussfähigkeit der deutschen Kunstlandschaft an die Ent-
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wicklung moderner Kunst und an die westeuropäische Kunstszene immer wichtiger. Zunächst blieb die Leitfunktion des öffentlichen Museums bei der Sammlung und Bewertung von Kunst von der starken Rolle der Sammler und ihrer Galeristen unberührt und erfuhr dadurch sogar eine zusätzliche Bestätigung. Noch konnten die Museumsdirektoren ihre Skepsis gegenüber privaten Sammlern und deren Intervention in die Kunstszene bzw. in die Museumspolitik pflegen und behaupten. Das galt nach einer Beobachtung von Tilmann von Stockhausen vor allem für die staatlichen Landesmuseen, während Museen mit einer bürgerlichen, zivilgesellschaftlichen Gründungsgeschichte und Tradition schon immer mit der Figur des Mäzens zusammenarbeiteten und auch aus Gründen der eigenen Satzung und der begrenzten Finanzen dies auch pflegen mussten. Im Falle Haubrichs und der Stadt Köln hat sich das Verhältnis von Mäzen und städtischem Museum positiv und für beide Seiten vorteilhaft, gleichsam auf derselben Augenhöhe, gestaltet. Seine Großherzigkeit der Schenkung und sein erklärtes Ziel, damit einen Beitrag zu Bildung und Erziehung der Jugend zu leisten, sprachen für ein Wiedererwachen des kulturellen Sendungsbewusstseins des Bürgertums und dem Beispiel Haubrichs sollten viele andere großbürgerliche Sammler in den 1960er-Jahren mit ihren Geschenken an die Öffentlichkeit folgen. Auch waren die Bedingungen, die der Sammler Haubrich mit seiner Schenkung verband, noch bescheiden und gaben wenig Anlass zum Widerspruch. Sie wurden auch von der Stadt Köln als Selbstverständlichkeit verstanden und erfüllt: Der Stifter durfte jederzeit Stücke aus seiner Sammlung entleihen, und er erhielt für die Betreuung der Sammlung ein Gehalt, das dem eines städtischen Beigeordneten entsprach. Der Sammler und Mäzen wurde zum Kurator, d. h. zum museumspolitischen Partner. Die Möglichkeit zur Mitwirkung bei der Sammel- und Ausstellungstätigkeit des Museums war die Gegenleistung für das großzügige mäzenatische Geschenk. Dafür verzichtete Haubrich in dem Stiftungsvertrag auf jedwede Bestimmung, nach der die Sammlung als Zeugnis seines Kunstsinns unverändert konserviert und nur separat im Museum präsentiert werden müsse, wie das vielfach von amerikanischen Stiftern, aber auch in Deutschland gefor-
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dert wurde. Stattdessen stimmte er zu, dass die Sammlung als Teil des Museums jederzeit erweitert werden könnte und auch sollte. Ähnliches gilt auch für die Rolle anderer Privatsammlungen der Nachkriegszeit, die die deutsche Katastrophe der Kunstverfolgung und Zerstörung dank des Mutes und der Gesinnungsfestigkeit der Sammler überstanden hatten und die nun Sammlungslücken der Museen schließen konnten. So verdankten auch Museen in Hamburg und Hannover ihren Aufstieg zu repräsentativen Kunstmuseen der Moderne dem Engagement und der Schenkung von privaten Sammlern. Bernhard Sprengel hatte, wie schon beschrieben, erst unter dem Eindruck der zerstörerischen Kunstpolitik des NS-Regimes mit dem Aufbau einer Kunstsammlung begonnen, die nach gut dreißig Jahren mehr als 800 teilweise hochkarätige Werke umfasste. Er übereignete sie 1979 der Stadt Hannover mit der Bedingung, sie nach qualitätsorientierten Maßstäben weiterzuführen und verzichtete, wie schon Städel mehr als hundert Jahre zuvor, auf jede Auflage, die das Museum, das seinen Namen tragen sollte, zwingen könnte, unverändert an den übereigneten Sammlungsbeständen festzuhalten und diese nicht gegen andere, interessantere Werke auszutauschen. Sprengel begründete diese Regelung, die nicht hemmend, sondern fördernd wirken sollte, mit seiner langen Erfahrung einer bewährten Zusammenarbeit von privaten Sammlern und Museen. Auch der Hamburger Industrielle Hermann F. Reemtsma hatte seit seiner Bekanntschaft mit dem Bildhauer und Zeichner Ernst Barlach 1934 dessen Werke gesammelt und diese als fast lückenlose Sammlung nicht nur gerettet, sondern Ende der 1950er-Jahre der Stadt Hamburg geschenkt. Im Jahre 1962, kurz nach dem Tod des Stifters, wurde das Ernst-Barlach-Haus/Stiftung Hermann F. Reemtsma eröffnet. Stiftungen und Museumssammler Zwei Förderlinien zeichneten sich seit den 1960er-Jahren ab und knüpften an ältere bürgerliche Formen des Mäzenatentums an: Zunächst der individuelle Mäzen, der zu Reichtum gekommen war und
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mit einem großzügigen Geschenk seinen Namen in die Museumsgeschichte einschreiben wollte. Der aber auch die Sammlung des Museums wesentlich erweitert wissen bzw. Sammlungsgegenstände in das Museum einbringen wollte, die vom öffentlichen Museum bisher nicht erworben werden und vielleicht auch vernachlässigt worden waren. Neben diese individuelle Förderung trat seit den 1960er die korporative Förderpraxis von Museums- und Fördervereinen verstärkt in Erscheinung. Das erinnerte vielfach an die Förderpraxis des späten Kaiserreichs und signalisierte zugleich, dass die öffentliche Anerkennung von Kunst und Kunstsammlungen bzw. von Museen deutlich gewachsen war. Auch hatten mit dem „Wirtschaftswunder“ der 1950er-Jahre der allgemeine Wohlstand und das Bedürfnis nach Stiftungen aller Art inzwischen wieder deutlich zugenommen. Dass die Vorstellungen eines Stifters nicht immer in Erfüllung gehen konnten, zeigt umgekehrt das Schicksal der Sammlungen, die von den Unternehmern Karl Ströher und Wilhelm Hack in der Nachkriegszeit zusammengetragen wurden. Die Sammeltätigkeit von Wilhelm Hack weist auf den ersten Blick zunächst manche Parallele zu der von Haubrich auf; aber der Wunsch, seine Sammlung ebenfalls seiner Heimatstadt Köln zu übereignen, scheiterte an der Konkurrenz eines anderen, mächtigeren Sammlers, Peter Ludwig. Hack hatte zunächst mit einem Schwerpunkt auf mittelalterlicher Kunst seine Sammlungsaktivitäten begonnen und erst nach den Erfahrungen des nationalsozialistischen Bildersturms in einem zweiten Ansatz in der Nachkriegszeit sich bewusst auf die verschüttete Moderne der Zwanzigerjahre konzentriert. Hack hatte seine Anstöße zum Kunstsammeln ähnlich wie Haubrich von der Kölner Sonderbundausstellung 1912 erhalten. Nach den Schrecken des Krieges meinte er, dass angesichts dieser Erfahrung die Bedeutung mittelalterlicher Kunst zurücktreten und dass eine Kunstsammlung sich den Wahrnehmungen gegenwärtiger Generationen stellen müsse. Dabei käme der Kunst eine besondere Bedeutung zu, indem sie die „seit der Renaissance gültigen Werte“ sichtbar machen und eine Kunstsammlung sich an diesem Grundgedanken orientieren müsse. Sie müsse Leitbilder für eine künftige Gesellschaft vermitteln. Das war ein hehrer Anspruch, der
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ganz in der Tradition humanistisch-aufklärerischer Vorstellungen stand und aus der ideellen Not bzw. Orientierungslosigkeit nach der Diktatur-Erfahrung umso verständlicher war. Hacks Sammlungskonzept konzentrierte sich darum programmatisch auf die Kunstentwicklung, wie sie im Jahre 1912 ablesbar war. Deren Höhepunkt sah er in den Werken der Konstruktivisten. Darum sollten in seiner Sammlung Malewitsch, Kandinsky, Mondrian und Delaunay vertreten sein. Mit der Konzentration auf die Konstruktivisten, besonders auf Mondrian und die russische Avantgarde, erhielt seine Sammlung ihren außergewöhnlichen Charakter. Was Hacks Sammlung von Haubrichs Konzeption unterschied, war die Existenz eines zweiten Schwerpunkts seiner Sammlung, der auf die „informelle Kunst“ der Nachkriegszeit ausgerichtet und damit nicht mehr auf die Impulse von 1912 zu beziehen war. Im „Informel“ sah der Sammler den Ausdruck „eines ewigen Kampfes um eine neue Ästhetik“. Trotz der unbestrittenen Qualitäten seiner Sammlung konnte Hack seinen Traum, seine Sammlung ebenfalls seiner Heimatstadt Köln zu stiften, nicht verwirklichen. Die Stadt Köln lehnte das Geschenk ab, das mit der Bedingung verbunden war, für die Sammlung später ein eigenes Museum zu bauen. Man war in Köln schon mit Peter Ludwig im Gespräch, der seine Sammlung zu ähnlichen Bedingungen in eine öffentliche Privatsammlung in Köln (und vielen anderen Städten) überführte. Hack stiftete daraufhin seine Sammlung der Stadt Ludwigshafen, die dafür 1979 ebenfalls einen eigenen Museumsbau errichtete und damit in den Besitz eines wichtigen Ausstellungshauses für konstruktivistische Kunst kam. Auch der Darmstädter Kosmetik-Konzernbesitzer Ströher konnte seine Stifterpläne nicht verwirklichen, obwohl die expressionistische und abstrakte Kunst der Nachkriegszeit, die er zusammengetragen hatte, für viele Jahre als Dauerleihgabe den zentralen Anziehungspunkt des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt gebildet hatten. Ströher hatte die Sammlung getreu seiner Devise „Nicht Stehenbleiben! Weitergehen!“ sogar um einen weiteren Zweig der Gegenwartskunst der 1960er-Jahre, nämlich um die amerikanische Pop-Art und Minimal-Art erweitert. Er hatte jedoch, wie andere Großsammler
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seiner Zeit auch, die Errichtung eines Neubaus zur zentralen Bedingung einer künftigen Stiftung seiner Sammlung an das Land Hessen gemacht und war damit schließlich auf die ministerielle Ablehnung gestoßen. Ein Teil der Sammlung wurde nach dem Tod des Sammlungsgründers von den Erben verkauft und auf verschiedene Museen verstreut. Eine Großnichte von Karl Ströher, Sylvia Ströher, führte die Sammlertradition fort und schuf nach dem Verkauf des KosmetikKonzerns eine eigene Sammlung, die sich nun ganz auf die informelle Kunst ausrichtete. Als 2005 das Ehepaar Sylvia und Ulrich Ströher noch die Sammlung des Immobilienhändlers Hans Grothe erwarb, entstand aus der Fusion eine der größten Privatsammlungen in Deutschland. Allein Grothe hatte über 600 Werke deutscher Nachkriegskunst zusammengetragen und bereits 1999 teilweise durch einen Leihvertrag mit der Stadt Duisburg dem neuen Museum in der Küppersmühle überlassen. Die neuen Besitzer, Sylvia und Ulrich Ströher, haben diesen Vertrag übernommen, sodass im Museum Küppersmühle in beeindruckendem Ambiente dem Publikum nach wie vor eine ebenso beeindruckende Auswahl von Gegenwartkunst zu bewundern ist. Der spektakuläre Erweiterungsbau kam bisher freilich nicht zustande. Die Liste der großen Privatsammler, die in den wirtschaftlichen Boom-Jahren alte wie moderne Kunst, vor allem die der Epoche der Klassischen Moderne wie der abstrakten Moderne bis hin zu der deutschen Gegenwartskunst, erworben hatten und als private Sammlung auch der Öffentlichkeit zugänglich machten, hatte allmählich eine bisher nie gekannte Dimension, aber auch eine öffentliche Anerkennung in der Kunstwelt wie in der Kulturpolitik erreicht, sodass von den Stiftungen oder Leihgaben auch entlegenere Regionen profitierten. Als Beispiel sei nur die Sammlung des Hamburger Verlegers und Chefredakteurs des Magazins „Stern“, Henri Nannen, erwähnt, der seinen Plan einer Museumsgründung bzw. Kunststiftung taktisch sehr viel geschickter vorantrieb, indem er 1983 zu seinem 70. Geburtstag eine Stiftung zur „Förderung des Verständnisses für die bildende Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart“ zusammen mit einer Malschule in seiner Heimatstadt Emden gründete, bis er
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dort offenbar genügend Vertrauen geweckt hatte, dass er 1986 mithilfe von anderen Förderern und Spenden die Kunsthalle Emden eröffnen konnte. Das Herzstück seiner Sammlung, die nach seinen eigenen Aussagen keinem konsequenten Konzept, sondern seiner Sammelleidenschaft und seiner Vorliebe für den „Rausch der Farben“ folgte, bildeten Werke deutscher Expressionisten und der Malerei der Neuen Sachlichkeit. In weiteren Etappen und Bauabschnitten der Kunsthalle kamen Schenkungen des Münchener Galeristen und Sammlers Otto van de Loo hinzu, die die Kunsthalle um Künstler der Gruppe Cobra und des Informel erweiterten. Mit den sich schrittweise entfaltenden Stiftungsplänen großer Sammler der Nachkriegskunst haben wir in der Beziehungsgeschichte von privaten Sammlern und öffentlichen Kunstmuseen längst eine neue Entwicklungsstufe erreicht, die über die Aufbau- und Anschlussphase zeitlich weit hinausreicht und seit den 1980/90er-Jahren bis in die Gegenwart führt. Seit dieser Zeit, vor allem seit der deutschen Wiedervereinigung, erfuhren die Sammlertätigkeit und die Museumspolitik der Bundesrepublik eine neue Qualität. Ähnliches vollzog sich auch in anderen westlichen Industriegesellschaften. Es ist nicht nur die Phase der vollständigen Emanzipation oder Macht der Sammler und Mäzene; es ist gleichzeitig die Phase der Museumssammler und der öffentlichen Privatmuseen bzw. spektakulärer Museumsbauten. Der Kölner Schokoladenfabrikant und Großsammler Peter Ludwig gilt, zusammen mit seiner Frau Irene Ludwig, als der Prototyp dieser neuen Sammler- und Stiftergeneration. Zwölf Museen in Deutschland und Europa tragen seinen Namen und zeigen Kunstwerke aus seinen riesigen und thematisch weitgespannten Sammlungen, die von präkolumbianischer Kunst bis zur Pop-Art und DDR-Kunst reichen. Doch die Öffentlichkeit, vor allem die Kunst- und Museumsszene, hat auf diese Geschenke oft mit Unverständnis und Kritik reagiert; nicht weil die Sammelleidenschaft der Ludwigs fast grenzenlos erschien – das trifft auch für andere Sammler zu. Ludwigs Sammel- und Stiftungsmanie hat Fragen nach der Macht der Sammler und Mäzene im modernen Kunstbetrieb und nach ihrer Dominanz gegenüber öffentlichen Museen aufgeworfen.
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Das Sammlerehepaar Peter (1925–1996) und Irene (1927–2010) Ludwig hatte gemeinsam Kunstgeschichte in Mainz studiert. Sie waren Fachleute mit einem großen Bildungshintergrund, hatten Latein und Altgriechisch gelernt; im Unterschied zu manchen Spekulationssammlern, die mit der Amerikanisierung des Kunstbetriebs auch nach oben gespült wurden. Peter Ludwig hatte über Picasso promoviert und war nach seiner Eheschließung in die Schokoladenfabrik seines Schwiegervaters eingestiegen. Aus einem mittelständischen Unternehmen machte er einen erfolgreichen Schokoladenkonzern. Die Gewinne aus dem Unternehmen erlaubten dem Sammlerpaar den Kunsterwerb im größeren Stil. Ihr Interesse galt zunächst sakralen Kunstwerke aus dem Spätmittelalter, antiken Objekten und kunstgewerblichen Arbeiten sowie Porzellanen. Außerdem sammelten sie von Anfang an präkolumbianische Kunst sowie Kunst aus Afrika und Indien. Nachdem ihre Kunstsammlung eine gewisse Größe angenommen hatte, suchten sie die Zusammenarbeit mit Museen und Kunsthändlern in Köln und Aachen. Als 32-jähriger Unternehmer übernahm Peter Ludwig den Vorsitz des Aachener Museumsvereins und machte das dortige Suermondt-Museum, das zunächst einen eher lokalen Bezug hatte, zusammen mit dem neuen Direktor des Hauses, Ernst Günther Grimme, durch den Erwerb verschiedener Privatsammlungen und durch einen wissenschaftlichen Bestandskatalog sowie der Herausgabe einer gediegenen kunstwissenschaftlichen Zeitschrift bald zu einem vorzeigbaren Museum mit dem Schwerpunkt auf der mittelalterlichen Kunst, vor allem der Plastik. 1977 übergaben die Ludwigs als vorläufige Krönung ihrer Sammel- und Fördertätigkeit der Stadt Aachen ohne Auflagen eine Stiftung von insgesamt 193 Objekten, die alle Gattungen alter und moderner Kunst umfasste. Die Stadt benannte daraufhin das Museum in „Suermondt-Ludwig-Museum“ um. Diesem Beispiel sollten bald weitere Stiftungen an Museen in Basel und Köln folgen. Auch die Praxis, die Namen der Stifter in den Namen der beschenkten Museen einzufügen, setzte sich, ganz nach amerikanischem Vorbild, fort. Zur amerikanischen Dimension der Kunstszene gehörte aber auch ein noch größerer Umfang von Sammlungen und ein größeres Gewicht der
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Sammler in der allgemeinen Kunstförderung und Museumspolitik. Vorbild Amerika bedeutete für Peter Ludwig auch die Begeisterung für die amerikanische Pop-Art. Ludwig reiste seit der Mitte der 1960er-Jahre auch geschäftlich häufiger in die USA und besuchte dabei regelmäßig New Yorker Galerien; vor allem in der von Leo Castelli wurde er ein gern gesehener Gast und Käufer. 1967 erwarb er, als erstes Werk der Pop-Art, ein Bild von Tom Wesselmann. Wie besessen Ludwig von der neuen Kunst und wie hartnäckig er bei deren Erwerb sein konnte, belegt eine Episode beim Kauf eines Bildes von Roy Lichtenstein („M-Maybe“), das der Sammler trotz der anfänglichen Weigerung Leo Castellis, diese Ikone der Pop-Art zu verkaufen, in mehreren Anläufen, völlig verrückt von dem Bild, demonstriert hat, bis er sich endlich durchsetzen und das Bild erwerben konnte. Zu Hause stießen das Bild und der Preis, den Ludwig dafür bereitwillig gezahlt hat, auf Unverständnis und Kritik. Doch war es zu diesem Zeitpunkt 1968/69 schon zu einer Wende in der Sammelpraxis Ludwigs gekommen, und er ließ sich von seiner Orientierung auf Gegenwartskunst nicht mehr abbringen. Nachdem er bislang vor allem Werke von Picasso erworben hatte, kaufte er nun größere Werkgruppen der amerikanischen Pop-Art. Für ihn waren die Bilder von Andy Warhol, Tom Wesselmann, Roy Lichtenstein, Robert Indiana und anderen, die gegen die Generation des Abstrakten Expressionismus aufstanden, Ausdruck einer großen Aufbruchsstimmung und eines veränderten Lebensgefühls, das Kritiker mit Gleichgültigkeit und Konsum gleichsetzten. Ludwig sah in den Ikonen der Pop-Art, den Coca-ColaFlaschen, den glitzernden Straßenkreuzern, den amerikanischen Filmstars und den vielen anderen trivialen Gegenständen des amerikanischen Alltags, die nun bildwürdig wurden, einen Spiegel seiner Zeit und wollte sie für sich und sein Land entdecken. Einen solchen Umbruch sah nicht nur Ludwig; auch auf der „documenta“ von 1968 in Kassel wurde die Abkehr von der bisherigen ästhetischen Tradition in der deutsche Kunstszene überdeutlich. Nicht nur dass Ludwig einen regelrechten Kaufrausch entwickelte und auf der „documenta“ 4 wie in New York an einem Tag gleich zehn Werke kaufte sowie den Eindruck erweckte, er wolle die halbe „docu-
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Peter Ludwig in der Installation „Hatstand, Table, Chair (1969) von Allen Jones Der Kölner Schokoladenfabrikant Peter Ludwig (1925–1996) hatte zusammen mit seiner Frau Irene seit der frühen Nachkriegszeit ebenso mittelalterliche sakrale wie präkolumbianische Kunst gesammelt und ihre Sammlungen seit den späten 1960er-Jahren in großen Ankäufen um Gegenwartskunst der amerikanischen Pop-Art wie Kunst der DDR ausgeweitet. Künstler wie Andy Warhol und Allen Jones machten ihn zum Gegenstand ihrer Werke und trugen zu seiner Popularisierung bei. Allein die Größe seiner Sammlungen führte seit den 1970er-Jahren zu einer Serie von Schenkungen und Museumsgründungen des „Großsammlers“ und teilweise ungeliebten Mäzens.
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menta“ aufkaufen. Er ließ sich seither immer weiter auf Gegenwartskunst ein: Auf Werke der Minimal-Art, die in den raschen Veränderungen der Kunstrichtungen der Pop-Art fast schon wieder den Rang abzulaufen schien; auf zeitgenössische Kunst aus dem Ostblock, aus Kuba und vor allem auch der Bundesrepublik. Ludwig war einer der ersten Sammler, der auch Bilder deutscher Gegenwartskünstler, von Baselitz, Penck, Lüpertz und Immendorf, kaufte, die anfangs einen schweren Stand gegen die marktbeherrschende Rolle der Abstrakten hatten. Dadurch dass Ludwig ihre Werke für seine Sammlung erwarb, machte er sie vorzeigbar. Noch unverständlicher waren für die Öffentlichkeit Ludwigs Einkaufsreisen in die DDR. Später, in den 1990erJahren, lange nachdem Ludwig sie entdeckt hatte, sollten viele Künstler aus der ehemaligen DDR auf den Kunstmärkten hohe Preise erzielen. Kunstkritiker und Museumsdirektoren sahen in diesen Massenerwerbungen in Ost und West, die immer mit dem Risiko der späteren Bedeutungslosigkeit behaftet waren, vor allem eine gefährliche Gleichmacherei, bei der nicht mehr die Qualität, sondern nur noch die Quantität zählte. Ludwig hätte, so monierte der Direktor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Werner Schmalenbach, allein in Bulgarien innerhalb von zwei Wochen 250 Kunstwerke gekauft. Schmalenbach hatte, gleichsam als Gegenmodell zu Ludwig, sehr gezielt und allein schon aus Gründen einer öffentlichen Haushaltskontrolle vor allem qualitätsorientiert eine öffentliche Sammlung moderner Kunst aufgebaut. Ludwig baute hingegen seit den späten 1960er-Jahren ganze Blöcke von Kunstwerken auf, die er dann einem Museum zur Verfügung stellte, um dort bestehende Sammlungslücken zu schließen. Die Massenhaftigkeit der Objekte in diesen Museumsblöcken war für Ludwig Voraussetzung dafür, um mit den gesammelten Bildern die kulturelle ästhetische Tendenz einer Zeit erfassen zu können. Dass der Privatsammler und Mäzen bei aller Großzügigkeit des Schenkens immer auch ökonomisch denken kann und muss, wurde einer irritierten Öffentlichkeit bewusst, als Ludwig seine bedeutende Sammlung mittelalterlicher illuminierter Handschriften, die zuvor
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noch im Kölner Schnütgen-Museum wissenschaftlich und mit öffentlichen Geldern bearbeitet worden waren, für vermutlich 100 Millionen DM an das Getty-Museum in Malibu, Kalifornien, verkaufte. Eine vertragliche Zusage, dass diese Handschriften dem Kölner Museum übereignet werden sollten, gab es nicht. Als Grund für seinen Verkauf, der die Kulturpolitik sehr verärgerte und dem Vorwurf reiche Nahrung gab, hier werde nationales Kulturgut verschleudert, nannte Ludwig ausschließlich wirtschaftliche Überlegungen, nämlich die Notwendigkeit, das Grundkapital seines Unternehmens aufzustocken. Das Bild des ungeliebten Mäzens verfestigte sich, als sich diese Nachricht 1982 mit einem kulturpolitischen Streit vermischte, der seit 1980 ausgetragen wurde, als Ludwigs Angebot bekannt wurde, den wesentlichen Teil seiner Kunstschätze in eine nationale Stiftung einzubringen. Damit wollte er die Lücke füllen, die durch die lange diskutierte, aber nicht realisierte kulturpolitische Vision einer öffentlichen „Deutschen Nationalstiftung“ entstanden war. Als die Einzelheiten einer möglichen Stiftungssatzung bekannt wurden, kam aus allen politischen Richtungen scharfe Kritik (auf die der ungeduldige und verärgerte Mäzen schließlich mit der Rücknahme seines Angebotes reagierte). Die ungeklärten Fragen über die Größe des von Ludwig einzubringenden privaten Kunstschatzes wie auch die vielfältigen Einflussmöglichkeiten, die sich der Mäzen vor allem für die Einrichtungsphase der Stiftung und grundsätzlich bei der Zusammensetzung eines Stiftungsrates sichern wollte, weckten den Verdacht, hier wolle ein reicher Sammler, der eine der größten Privatsammlungen besaß, sich nun eine kulturpolitische Machtposition sichern, als eine Art „Bundeskunstminister“. Die kulturelle und ökonomische Macht eines Sammlers war, so lauteten die Befürchtungen, so sehr gewachsen, dass er in eine kulturpolitische Lücke vorstoßen konnte (auch weil die Politik keine Lösungen anzubieten wusste), die ihm eine halb-staatliche Kompetenz gesichert hätte. Das aber widersprach auch den Grundbedingungen der privaten Rolle wie dem öffentlichen Bild eines Sammlers, die den Status der öffentlichen Museen und ihrer Direktoren tangierte bzw. ihre finanzielle und politische Hilflosigkeit und ihren gravierenden Einflussverlust auf dem Kunstmarkt überdeutlich
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machten. Gleichwohl bleibt es Ludwigs Verdienst, zur „Popularisierung der Kunst und der Institution Museum maßgeblich“ (Ridler) beigetragen zu haben. Mit seinen kaum noch zu überblickenden Erwerbungen und Stiftungen hatte er dafür gesorgt, dass die davon begünstigten Museen in der internationalen Kunstszene „mithalten“ konnten, weil sie einen hohen Aktualitätsgrad und eine entsprechende Innovationsfähigkeit behaupten konnten. Wenn der Anschluss an die internationale Kunstentwicklung seit der Nachkriegszeit eines der wichtigsten Ziele vor allem der Kunstmuseen war und blieb, dann hat mit der großzügigen Stiftungspraxis und dem Konzept seines Museums-Imperiums die Sammlungspolitik von Peter Ludwig diesen Anschluss auch in einer Entwicklungsphase bis zum Ende des 20. Jahrhunderts gesichert, in der die öffentlich finanzierten Museen alleine zu einer entsprechenden Erwerbungs- und Ausstellungspraxis längst nicht mehr in der Lage waren. Dass damit die Autonomie des Museums und auch der kleineren Sammler eingeschränkt wurde, ist der offensichtliche Preis für diese Entwicklung. Auch andere Sammler folgten Ludwig bei der Entdeckung der bunten und mitunter schrillen Bilder und Plastiken der Pop-Art. Karl Ströher hatte zur selben Zeit in New York Werke der Pop-Art erworben. Allerdings mit der Erwartung, diese neuen Produkte der Gegenwartskunst mitsamt seiner Sammlung einem Museum zu verkaufen, was gescheitert war. Ludwig hatte die Bilder in New York und anderswo auch für Museen gekauft, aber um sie letztendlich dem Museum, dem zentralen Ort für die Definition von Kunst, zu schenken. Beides waren Varianten des neuen Phänomens des „Etablierungssammelns“, mit dem das Sammeln und dessen Verhältnis zum Museum eine neue Dimension bekam. Wie anregend und stilbildend der Erwerb von amerikanischer Gegenwartskunst sein konnte, zeigte die Nachricht, dass der Kölner Kunsthändler Rudolf Zwirner, enger Kooperationspartner von Peter Ludwig, 1970 auch im Auftrag der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen bei einer Auktion bei Parke-Bernet 75 000 Dollar für den Erwerb eines Roy Lichtenstein ausgegeben hatte. Zwirner soll den Kauf damit begründet haben, dass „zeitgenössische amerikanische Kunst […] eine der heißesten Sachen in Deutschland“ sei.
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Die Emanzipation des Sammlers und das öffentliche Privatmuseum Mit Ludwig und anderen Großsammlern, denen die Attitude des Großwildjägers zugeschrieben wurde, veränderte sich das Verhältnis des Mäzens zum Museum bzw. zum Museumskurator. Der Mäzen wurde zur dominanten Figur des Museumssammelns. Neue Trends in der Kunstentwicklung konnten nur mithilfe und mit der Risikobereitschaft privater Sammler in die Museen gebracht werden. Allerdings traten Mäzene seit den 1990er-Jahren kaum noch als Stifter auf, die dem Museum seine Sammlung zum Geschenk machten oder für ein zu gründendes oder für ein zu erweiterndes Museum sammelten. Die Museen werden seither nur noch mit Leihgaben für eine befristete Zeit bedacht, falls daraus nicht doch noch eine Stiftung wurde, die dann allerdings gelegentlich mit der Auflage verbunden war und ist, für die Sammlung aus öffentlichen Mitteln ein neues Museumsgebäude zu errichten. Oft kann eine Stadt oder ein Land diesem Angebot, allein schon aus Image-Gründen, nicht widerstehen. In dem Maße freilich, in dem die Preise auf dem Kunstmarkt aus den unterschiedlichsten Gründen steigen, können hinter dem mäzenatischen Akt der befristeten Leihgabe mitunter auch die Überlegung des Sammlers stehen, durch die Präsentation seiner Sammlung im Museum dieser eine besondere Wertsteigerung zu verschaffen. Denn in der öffentlichen Präsentation wird das Kunstwerk, das bisher nur im „Wohnzimmer“ oder im Depot hing oder lag, für jedermann sichtbar und durch den guten Ruf des Museums geadelt. Der Sammler entpuppt sich dann ausschließlich als Spekulationssammler, der einen aktuellen Trend auf dem Kunstmarkt für seine Interessen nutzt. Mäzenatisches Handeln erweist sich dann als Akt der geschickten Kapitalanlage; das Kunstwerk wird nach einer Definition von Walter Grasskamp zur „Aktie an der Wand“. Die Ambivalenz des Mäzenatentums wird dann erkennbar. Freilich nur in Umrissen, solange die entsprechenden Transaktionen zwischen „Mäzen“ (wenn dieser Begriff dann überhaupt noch angemessen erscheint) und öffentlicher Einrichtung im Dunkeln bleibt und seine Bedingungen nicht veröffentlicht werden. Mittlerweile sind
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freilich nicht nur private Sammler auf diesen marktadäquaten Gedanken gekommen, sondern auch der finanzschwache Staat, der wie das Land Nordrhein-Westfalen mit dem Verkauf begehrter Objekte der Pop-Art, die auf dem Kunstmarkt ein Mehrfaches von dem einstigen Kaufpreis erzielen, die leeren Kassen füllen möchte. Wenn die Definition von Max Friedländer, die der Museumsmann aus den Erfahrungen eines ersten großen Booms der Privatsammlungen in Berlin um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert formulierte, dass nämlich der Kunstbesitz so „ziemlich die einzige anständige und vom guten Geschmack erlaubte Art [sei], Reichtum zu präsentieren“, dann gilt dieser Satz umso mehr für die zweite Hochkonjunktur privaten Sammelns, die hundert Jahre später, seit den 1990er-Jahren, zu beobachten ist. Sichtbarster Ausdruck dieser Entwicklung, die auch mit neuerlichen wirtschaftlichen Wachstumsphasen und der Globalisierung von Ökonomie und Finanzen zu tun hat, sind die seither entstandenen öffentlichen Privatsammlungen. Sie stehen zwar scheinbar in der Tradition der Leihgabe und Schenkung einer privaten Sammlung an ein Museum, wo die Sammlung dann öffentlich gezeigt und der Sammler öffentlich gemacht wird. Tatsächlich bedeutet die neue Form einer öffentlichen Privatsammlung aber eine Abkoppelung des Sammlers von der Institution öffentliches Museum und ist begleitet von einem deutlichen Rückgang der „Kooperationen zwischen privaten Sammlern und öffentlichen Museen“ seit den 1990er-Jahren (Ridler). Private Sammler (jedoch längst nicht alle) präsentieren der Öffentlichkeit nun in privaten Kunsträumen ihre Sammlungen und geben damit auch Einblicke in ihre Sammelleidenschaft und -strategien, was von einer immer breiteren Öffentlichkeit gerne wahrgenommen wird. Zur Steigerung dieser Präsentations- und Definitionsmacht werden von denjenigen, die dafür auch die finanziellen Ressourcen besitzen, überdies für ihre öffentlichen privaten Sammlungen von international renommierten Architekten aufsehenerregende oder zumindest ansehnlich private Museumsbauten errichtet, ohne dass es vorher zu langwierigen öffentlichen Ausschreibungsverfahren gekommen wäre.
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Es sind vor allem erfolgreiche Unternehmer, die zugleich als engagierte Kunstfreunde in den 1990er-Jahren damit begonnen haben, ihre privaten Sammlungen, die teilweise schon länger bestanden, an ihren Firmensitzen in eigenen selbst finanzierten Ausstellungsgebäuden öffentlich zugänglich zu machen. Einer der Ersten war der Unternehmer Reinhold Würth (Jg. 1935) aus dem baden-württembergischen Künzelsau, für den Kunst immer als Lebensbereicherung und Gegengewicht zu dem Unternehmerischen galt und der zuerst den Mitarbeitern seines Metall verarbeitenden Unternehmens, dann auch der kunstinteressierten Öffentlichkeit seine auf rund 12 000 Objekte angewachsene Kunstsammlung zugänglich machen wollte. Mittlerweile verteilt sich die Sammlung Würth auf insgesamt 14 Museen und Kunstkabinette im In- und Ausland. Würths frühe Museumsgründung mit eigenem Museumsbau wurde Vorbild für weitere Privatsammler aus Baden-Württemberg, das als Region ohnehin schon eine besonders große Dichte an öffentlichen Museen aufzuweisen hat. Die Sammlung Würth umfasst Werke der Malerei, Grafik und Bildhauerei vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart und trägt in besonderer Weise die persönliche Handschrift des Sammlers. Denn er alleine entscheidet nach Beratung durch eine Expertengruppe aus renommierten Kunsthistorikern über den Ausbau der Sammlung, die mehrere Themenschwerpunkte umfasst. Einmal konzentriert sich die Auswahl auf das Werk bestimmter Künstler, darunter zeitgenössische Bildwelten von Markus Lüpertz, Jörg Immendorf oder David Hockney; andererseits auf thematische Schwerpunkte aus dem Schaffen von Max Ernst, Anselm Kiefer und Georg Baselitz. Einen weiteren Schwerpunkt ganz anderer Art stellen spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Tafelbilder u. a. von Cranach und seiner Werkstatt sowie von Holbach dem Älteren dar, die Würth aus der fürstlichen Sammlung des Hauses Fürstenberg erworben hatte. Neben der Sammlung Würth suchte Ingvild Goetz (Jg. 1941) in den 1990er-Jahren mit ihrer Sammlung den Weg zur öffentlichen Präsentation in einem eigenen Ausstellungsgebäude in München, das überdies zu einer Ikone der zeitgenössischen Architektur wurde. Der Schwerpunkt der Sammlung Goetz, die in der Fachwelt hohe Aner-
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kennung genießt, liegt auf der zeitgenössischen Kunst, die hier ohne alle Aufgeregtheiten gezeigt wird. Die Reihe der vorwiegend im süddeutschen Raum anzutreffenden Privatsammler mit einem eigenen Museumsbau lässt sich um die Sammlungen von Frieder Burda, Josef Froehlich oder der Familie Grässlin, um nur einige zu nennen, fortsetzen. Während Burda seinen Sammelschwerpunkt auf die Werke des amerikanischen abstrakten Expressionismus wie Willem de Kooning, Jackson Pollock oder Mark Rothko legte und daneben auch Werke des deutschen Expressionismus und von Georg Baselitz sammelte, galt Froehlichs Interesse den bedeutendsten deutschen und amerikanischen Künstlern der Gegenwart von Donald Judd, Cy Twombly, Andy Warhol bis Joseph Beuys, Sigmar Polke, Anselm Kiefer und Gerhard Richter. Seine Begeisterung für die Kunst der Gegenwart wurde bei seinem Besuch der „documenta“ 7 1982 geweckt, wo ihn vor allem die spektakulären Aktionen von Joseph Beuys faszinierten, der die Kopie einer Zarenkrone in einen „Friedenshasen“ umschmolz. Seither war es für Froehlich wichtig, auch die Künstler, für deren Werke er sich begeisterte, persönlich kennenzulernen. Mit Joseph Beuys entwickelte sich daraus eine lange Freundschaft und weitere mäzenatische Förderung seines Werkes. Da der Maschinenbauunternehmer Froehlich keinen eigenen Museumsbetrieb aufbauen wollte und seine Sammlung in einem Stiftungsgebäude auf seinem Firmengelände untergebracht hat, suchte er stattdessen die enge Kooperation mit Museen für Gegenwartskunst, wie der Tate Modern in London, wo seine Sammlung regelmäßig unter verschiedenen Schwerpunkten ausgestellt wird. Unter den Architekturen der öffentlichen Privatsammlungen, die seit 1990 entstanden, stellt der Bau, den der amerikanische Architekt Richard Meier für die Sammlung Burda errichtete, in seiner einzigartigen kompakten Bauweise, die die lokale Tradition Baden-Badens mit einer offenen, lichten und größtenteils gläsernen Architektur verbindet, sicherlich die auffälligste und die gelungenste architektonische Leistung dar. Einen eigenen Museumsbau der besonderen Art hat sich der Berliner Sammler von Gegenwartskunst Christian Boros, zusammen mit seiner Frau, geschaffen. Sie haben den alten Reichs-
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bahnbunker, einen wuchtigen Betonklotz, in der Reinhardtstraße in der Nähe des Berliner Bahnhofs Friedrichstraße, umgebaut und in das Gebäude, dessen Wandinschriften und eisernen Feuerschutztüren noch die Spuren seiner (Kriegs-)Geschichte zeigen, eine mehrstöckige Galerie eingebaut, indem in die meterdicken Betonwände Durch- und Umgänge hineingefräst wurden. Auf dem Dach des Betonklotzes haben sie sich ihre eigene Penthouse-Wohnung eingerichtet: ein Sammler, der in seiner eigenen Sammlung wohnt. Auf 3000 Quadratmetern zeigen Christian und Karen Boros nun in 80 Räumen ihre Sammlung von Gegenwartskunst; Lichtinstallationen von Olafur Eliasson und Tobias Rehberger und neuerdings einen sechs Meter hohen Baum des chinesischen Künstlers Ai Weiwei. Der Werbefachmann Boros hat sich in Kennerkreisen den Ruf eines „Trüffelschweins“ erworben, da er ständig auf der Suche nach aktuellen Kunstwerken ist, die für ihn dann besonders attraktiv sind, wenn sie noch „feucht und frisch“ und nicht bereits etabliert sind. Boros verkörpert mit dieser Sammelstrategie, die ihm mitunter bedeutsame Entdeckungen beschert, in besonderer Weise einen Trend der gegenwärtigen Kunstszene. Dort ist der Sammler längst zur Schlüsselfigur geworden und hat bei der Innovation und Komplettierung einer Sammlung den Museumskurator überrundet, weil der nicht über die notwendige Unabhängigkeit und finanzielle Ausstattung verfügt, um mit hohem Risiko auf dem Kunstmarkt Produkte zu erwerben, die von einer besonderen Kennerschaft und Individualität des Sammlers zeugen und diesem damit einen „geradezu mythischen Status“ (Herwig) verleihen. Der exklusive Charakter der Sammlung und des Sammlungsgebäudes vermitteln darüber hinaus den Eindruck von Individualität und Authentizität, mithin von Merkmalen, die in einer Konsum- und Luxusgesellschaft besonders gefragt sind. Boros erhielt seine Anregung zum Aufbau einer eigenen Kunstsammlung bei einem Besuch in der Privatsammlung von Harald Falckenberg in Hamburg-Harburg, der seit mehr als dreißig Jahren eine Sammlung von Gegenwartskunst angelegt hat, die von Kunstmagazinen seit 2001 immer wieder unter die 200 weltweit besten Kollektio-
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nen gezählt wird. In den ehemaligen Fabrikhallen der Phoenix-Werke machte er seit 2001 seine private Sammlung öffentlich zugänglich. Seit 2011 wird die Sammlung von den Deichtorhallen Hamburg betrieben, seitdem sich Falckenberg entschieden hat, Betrieb und Marketing seiner Sammlung für zwölf Jahre in die Verantwortung einer öffentlichen Institution zu übergeben. Eine weitergehende vertragliche Regelung und Aufnahme seiner Sammlung in ein öffentliches Museum, in diesem Fall die Hamburger Kunsthalle, ist gescheitert. Das wirft ein Schlaglicht auf das mittlerweile recht schwierige Verhältnis von privaten Sammlern zu öffentlichen Museen, das von stetiger Konkurrenz und einem gesteigerten Selbst- und Machtbewusstsein der Sammler bestimmt ist. Das führt dazu, dass viele Sammler sich nicht mehr auf das wissenschaftliche Renommee und die Definitionsmacht eines Museums angewiesen fühlen und das Museum allenfalls als eine Art Durchlaufstation betrachten, das anfangs der wissenschaftlichen Zuordnung, öffentlichen Zugänglichkeit und konservatorischen Betreuung, vor allem aber der Wertsteigerung der Kunstwerke dienlich sein kann – mehr aber auch nicht. In der langen Geschichte des Privatsammelns ist damit eine Entwicklungsstufe erreicht, die die private Sammlung längst zur unverzichtbaren Ressource und zum Pfadfinder in einer unüberschaubaren aktuellen Kunstlandschaft hat werden lassen.
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Aachen, Hans von 19 Adenauer, Konrad 208 Adolf Friedrich, Prinz von Schweden 92 Ai Weiwei 245 Albani, Alessandro 85, 91 Albrecht V., Herzog von Bayern 42, 50, 52, 84 Aldrovandi, Ulisse 40, 44-46 Altdorfer, Albrecht 61 Algarotti, Francesco 95 Almas-Dietrich, Maria 215 Amann, Jost 65 Amerbach, Basilius 58-59 Amerbach, Bonifacius 58 Amsler, Hermann 144 Anton Ulrich, Herzog 91 Apollinaire, Guillaume 174 Aristoteles 41, 46, 51 Arman 228 Arnhold, Eduard 130, 153, 155, 157-165 Augustus, Kaiser 27 August der Starke, Friedrich August, Kurfürst von Sachsen 29, 82-83, 85 August III. von Sachsen 85, 93, 95 Bakunin, Michail 175 Battoni, Pompeo 91 Bauer 55 Baumeister, Willi 223 Barlach, Ernst 199, 211-212, 230 Barnes, Albert C. 174, 178-181, 183
Baselitz, Georg 238, 243-244 Beckerath, Adolph von 144 Beckmann, Max 190, 211, 225 Bell, Clive 174 Belling, Rudolf 197 Benjamin, Walter 225 Berchem, Nicolaes P. 75 Bernheim-Jeune, Joseph 177 Bernstein, Carl 149, 151-152, 161 Bernstein, Felice 149, 152 Bertram, Johann Baptist 111 Beuys, Joseph 228, 244 Bode, Wilhelm von 15, 125, 131132, 143-145, 148, 153, 159, 161, 164, 169 Bodenhausen, Eberhard von 167 Böcklin, Arnold 141, 162, 195 Böhmer, Bernhard 209 Bois, Jacobus du 87 Boisserée, Melchior 105-107, 111113, 117-118, 133, 134 Boisserée, Sulpiz 105-107, 111-113, 117-118, 133, 134 Bonnard, Pierre 168, 188 Bordone, Paris 88 Borel, Pierre 43 Boros, Christian 244-245 Boros, Karen 245 Botticelli, Sandro 136 Boucher, François 102 Boyer, Jean Baptiste de, Marquis d’Argens 96 Brakl, Franz Josef 170
Personenregister
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Brandes, Georg 123 Braun, Eva 215 Braun, Georg 52 Braune, Heinz 170 Braunfels, Wolfgang 208 Braungart, Wolfgang 59 Braque, Georges 20, 166, 172, 174, 181-182, 187, 189 Bril (Paul oder Mathijs?) 75 Bronzino (welcher der drei?) 67 Brouwer, Adriaen 75 Brueghel, Peter 56 Brühl, Heinrich Graf von 85, 99 Buchholz, Karl 209 Bude, Heinz 22 Burckhardt, Jacob 14-15 Burda, Frieder 244 Busch, Günther Byss, Johann Rudolf 90 Campendonk, Heinrich 208-209 Caravaggio 65 Carl I. von Braunschweig 91 Carsten, Henrik 81 Caspari, Georg 170 Cassirer, Bruno 144 Cassirer, Paul 11, 144, 155, 157, 165-166, 184, 187 Castelli, Leo 236 Cézanne, Paul 156, 158, 165-166, 168, 170, 173, 177, 179, 181182, 185-188 Chagall, Marc 208 Chigi, Flavio 85 Colbert, Jean-Baptiste 66 Conegliano, Cima da 98 Contarini, Federico 45, 47 Corinth, Lovis 199, 202 Corot, Jean-Baptiste 181 Cornelius, Peter von 136, 195 Correggio 56, 61, 67 Cossiau, Jan Joost van 89 Courbet, Gustave 181
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Cranach, Lucas 57, 67, 121, 138, 218, 243 Cross, Henri Edmond 167 Crozat, Pierre 98, 102 D’Alembert 102 d’Este, Ippolito II. 57 Däubler, Theodor 209 Damian von Altstätten 69 Dascher, Ottfried 187, 189 Daumier, Honoré 179 David, Jacques Louis 103 Degas, Edgar 151, 156, 165, 176 Delaunay, Robert 232 Denis, Maurice 168, 170, 173 Dewey, John 181 Diderot, Denis 98 Dientzenhofer, Johann 89 Dix, Otto 189, 193, 197, 199, 208, 216, 224-225 Dongen, Kees van 158 Dorrmann, Michael 161-163 Duchamp, Marcel 174 Duclos- Dufresnoy , Charles-Nicolas 103-104 Dürer, Albrecht 55-58, 60, 63-65, 67, 105, 112, 138, 218 Durand-Ruel, Paul 151, 157, 161, 172, 175, 178, 188 Dyck, Anthonis van 67, 75, 86, 91, 98, 102 Einstein, Carl 182-183, 189, 225 Elias, Julius 157-158, 161, 165 Elisabeth von Anhalt-Zerbst 97 Eliasson, Olafur 245 Enderlein, Angelika 199 Ensor, James 208 Epenstein, Hermann von 218 Ephrussi, Charles 153 Ernst, Max 208, 243 Falconet, Étiènne-Maurice 98 Fantin-Latour, Henri 173 Federico III. da Montefeltro 43
Felixmüller, Conrad 198-200 Fénéon, Félix 177 Ferdinand II. von Tirol 38, 50 Feuerbach, Anselm 141, 195 Flechtheim, Alfred 11-12, 18, 166, 170-171, 181-182, 184, 186-191, 195-197, 200-201, 203-204, 209, 212 Fleckner, Uwe 181-183 Förster, Otto H. 209 Fontana, Lucio 228 Forstenheuser, Georg 70 Fragonard, Jean-Honoré 102-103 Franke, Günther 211-212 Freud, Sigmund 18 Freundlich, Otto 193 Friedländer, Max 15, 125, 242 Friedrich, Caspar David 121, 134, 139 Friedrich I., König von Preußen 92 Friedrich II., König von Preußen 81, 83, 85, 90-91, 93, 94-97, 99 Friedrich August, König von Sachsen 134 Friedrich Wilhelm I., König von Preußen 83, 90 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 134 Froehlich, Josef 244 Fry, Roger 174 Gaethgens, Thomas 151 Galizyn, Dmitri 97 Gaugin, Paul 166, 168, 170-171, 173, 176-177, 181-182, 185, 186-188 Gaul, August 199 Geoffrin, Marie Thérèse Rodet 97 Gilbert, Felix 165 Giovanni da Bologna, gen. Giambologna 54-57 Giorgione 98 Glackens, William 178
Goebbels, Joseph 194-195, 206, 209 Göring, Hermann 201, 206, 213214, 218-219 Goethe, Johann Caspar 76 Goethe, Johann Wolfang von 18, 60, 71-72, 76-78, 83, 86, 104, 107109, 119 Goetz, Ingvild 243 Goetz, Karl Otto 226 Gogh, Vincent van 162, 165-166, 168, 170-171, 176-177, 185, 187-188 Gogol, Nikolai 175 Goldschmidt, Betti 186-187, 191 Gotzkowsky, Johann Ernst 96-97, 118 Grässlin 244 Graetz, Hugo 198-200 Graetz, Robert 11, 197-201 Grass, Günter 225 Grasskamp, Walter 224 Graubner, Gotthard 228 Greuze, Jean-Bapstiste 102-103, 170 Grimme, Ernst Günther 235 Gris, Juan 175, 181-182, 187, 190 Gropius, Walter 169 Grosz, George 168, 197, 199, 224 Grothe, Hans 233 Grünewald, Mathias 218 Guericke, Otto von 40 Guido da Siena 183 Guratzsch, Herwig 122 Gurlitt, Fritz 144, 151 Gurlitt, Hildebrand 209 Haberstock, Karl 215-216 Hack, Wilhelm 231-232 Hainauer, Oskar 126, 144-145, 147 Hainhofer, Philipp 52-53, 70 Hals, Franz 97 Hanfstaengl, Eberhard 203 Happel, Eberhard Werner 49 Haubrich, Alice 210
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Haubrich, Josef 206-210, 221, 225, 227-229, 232 Heckel, Erich 199, 209, 211 Heem, Jan Davidszoon de 75 Heinemann, David 170 Heinrich, Prinz von Preußen 91 Henri, Robert 179 Herwig, Malte 245 Hess, Peter von 120 Heydt, Karl von der 144, 187 Heymel, Walter 170-171, 215 Hildebrandt, Johann Lucas von 89 Hippokrates 45 Hirschvogel, Augustin 61 Hitler, Adolf 192, 194-195, 205-206, 212-219 Hitz, Dora 166 Hoch, Peter de 121 Hockney, David 243 Hofer, Karl 203, 211, 223 Hoffmann, Hans 57, 65 Hoffmann, Heinrich 195, 214-215 Hogenberg, Franz 52 Holbein, Hans 24, 58, 67, 85, 105, 243 Houdon, Jean Antoine 91 Huldtschinsky, Oskar 144-145, 148, 164 Humboldt, Wilhelm von 105, 129 Huysum, Jan van 75 Imhoff, Willibald (Nürnberg) 57, 62, 64-65 Immendorf, Jörg 238, 243 Indiana, Robert 236 Jabach, Everhard IV. 66-67, 112 Jacob, Max Jamnitzer, Abraham 30 Jamnitzer, Christoph 65, 70 Jarry, Alfred 174 Jean de Berry 32-33 Johann II., König von Frankreich 31-32
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Personenregister
Johann Wilhelm von der Pfalz 86-87 Jones, Allen 237 Juncker, Justus 77 Judd, Donald 244 Kahnweiler, Daniel-Henry 172, 182, 188 Kandinsky, Wassily 174, 232 Karl V., König von Frankreich 31-32 Karl VI., Kaiser 89 Karl Theodor von der Pfalz 88 Karoline Luise von Baden 75 Katharina, Zarin 96 Kessler, Harry Graf 166-169 Kiefer, Anselm 243-244 Kircher, Athanasius 40, 46 Kirchner, Ernst Ludwig 208, 225 Klee, Paul 190 Knobelsdorf, Georg Wenzeslaus von 95-96 Kokoschka, Oskar 208 Kolbe, Georg 184, 199 Kooning, Willem de 244 Krahe, Lambert 88 Kreuchauf, Franz Wilhelm 71, 73, 75 Kropmann, Peter 181 Kuhrau, Sven 140, 155 La Live du Jully, Ange-Laurent de 102 Lammers, Hans Heinrich 217 Lancret, Nicolas 95 Le Brun, Charles 67 Léger, Fernand 181-182, 190 Lehmbruck, Wilhelm 208, 211 Lehrs, Max 134 Leibnitz, Gottfried Wilhelm 40 Lenbach, Franz von 141-142 Lenoir, Alexander 105 Leonardo 65 Leonardo da Vinci 56, 218 Leopold III., Friedrich Franz von Anhalt-Dessau 104
Lepke, Rudolph 143-144 Lichtenstein, Roy 236, 240 Lichtwark, Alfred 150, 152, 155, 169 Liebermann, Max 14, 153, 156-157, 161-162, 186, 199, 207, 209 Littmann, Ismar 202-203, 209 Lochner, Stephan 112 Loo, Otto van de 234 Lucas van Leyden 57 Ludwig I. von Bayern 116, 133-135 Ludwig XIV, König von Frankreich 66-67 Ludwig XV., König von Frankreich Ludwig, Irene 234-235, 237 Ludwig, Peter 221, 232, 234-241 Lüpertz, Markus 238, 243 Luis von Anjou, König von Neapel 31 Luise Ulrike, Königin von Schweden 92 Mack, Heinz 226 Mai, Ekkehard 110, 113 Maillol, Aristide 168 Makart, Hans 136, 214 Malewitsch, Kasimir 232 Manet, Edouard 151, 156, 158, 161162, 165, 186 Manguin, Henri 173 Mantegna, Andrea 65 Manteuffel, Ernst Christoph von 82 Mann, Thomas 169 Marée, Hans von 141-142 Matisse, Henri 170-174, 176, 183, 187 Maurer, Alfred 178 Max IV. Joseph, Kurfürst 88 Maximilian I., Herzog von Bayern 54 Maximilian II., Kaiser (HRR) 55 Mazarin, Jules 66 Mechel, Christian 88 Medici, Anna Maria Luise de‘ 88 Medici, Cosimo de‘ 34, 44, 54 Medici, Cosimo I. de‘ 35
Medici, Francesco I. de‘ 35, 55 Medici, Guiliano de‘ 146 Medici, Lorenzo de‘ 34, 55 Medici, Piero de‘ 34 Meier, Richard 244 Meier-Graefe, Julius 155, 164, 167169, 181-182 Mendelssohn, Charlotte 165-166 Mendelssohn 155, 164 Mendelssohn, Paul von 165-166 Mendelssohn, Robert von 130, 161, 165 Mendelssohn-Bartholdy, Ernst von 161, 165 Mengs, Anton Raphael 91 Menzel, Adolph von 136, 151 Merck, Wilhelm 18 Messel, Alfred 147 Metsu, Gabriel 75 Mettra, Louis-Francois 96 Michelangelo 61, 65, 67, 136, 142 Mieris, Frans 75 Mieris, Willem 75 Mignon, Abraham 75 Modersohn-Becker, Paula 173 Möller, Ferdinand 209 Mondrian, Piet 232 Monet, Claude 151, 156-158, 161162, 176-177 Morosow, Iwan 174-177 Morosow, Michail 175-177 Moss 75 Mosse, Rudolf 144 Mühlen, Ilse von zur 220 Mueller, Otto 202, 203, 209, 211 Munch, Edvard 158, 167, 186-187 Murr, Christoph Gottlieb von 61 Nannen, Henri 233 Napoléon Bonaparte 112, 133 Neer, Aert van der 75 Nerdinger, Wilfried 213 Nipperdey, Thomas 127, 166
Personenregister
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Nolde, Emil 162, 195, 210 Olivier, Fernande 174 Oppenheim, Familie 155, 164 Oppenheim, Franz 165 Oppenheim, Hugo 161 Oppenheim, Margarete 165 Orlow, Grigori Grigorjewitsch 97 Ostade, Adriaen van 75 Overbeck, Friedrich 136 Otto III. 27 Paracelsus 46 Paret, Peter 155 Parmigianino 56 Paul, Barbara 145 Paul, Bruno 165 Pechstein, Max 199 Peller, Martin 62 Penck, A. R. 238 Perl, Max 202 Pesne, Antoine 95-96 Peter I., Zar von Russland 98 Peter III. von Holstein-Gottorp 97 Philipp II., König von Spanien 57 Philippine Charlotte 91 Picasso, Pablo 20, 157, 166, 171176, 179, 181, 183, 185-187, 189, 236 Piene, Otto 226 Pietsch, Ludwig 151 Pigage, Nicolas de 87 Pignoria, Lorenzo 47 Piombo, Sebastiano del 146 Pirckheimer, Willibald 62 Pissarro, Camille 157, 165, 175 Plinius 41, 46 Pünder, Hermann 207 Polke, Sigmar 228, 244 Pollock, Jackson 244 Pomian, Krzysztof 16, 24, 43 Polignac, Melchior de 94 Pontano, Jacopo 49 Pophanken, Andrea 169
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Personenregister
Posse, Hans 215-217 Praun, Hans 65 Praun, Jakob 65 Praun, Paulus 59-66 Praun, Stefan II. 65 Prehn, Johann Valentin 74 Prestel, Johann Gottlieb 61 Prestel, Maria Katharina 61 Pringsheim, Katja 169 Purrmann, Hans 171 Pyta, Wolfram 214 Quiccheberg, Samuel 39, 41-42, 5354, 58 Raczynski, Athanasius 136, 138 Radziwill, Franz 203 Raffael 48, 56, 61, 65, 67, 98, 136, 146, 218 Raspe, Rudolf Erich 104 Rauschner, Christian Benjamin 77 Ray, Man 223 Reber, Gottlieb Friedrich 181-183, 187, 190 Redern, Friedrich Wilhelm von 138 Reemtsma, Hermann F. 230 Rehberg, Karl-Siegbert 18, 21, 132 Rehberger, Tobias 245 Reich, Wilhelm 225 Rembrandt 75, 86, 90-91, 97-98 Renoir, Auguste 143, 156, 168, 170, 173-174, 177, 179, 181 Richter, Gerhard 228, 244 Richter, Hannah 223 Richter, Hans 223 Richter, Johann Thomas 71, 118119, 122 Ridler, Gerda 240, 242 Rigaud, Paul de, Comte de Vaudreuil 103 Robert, Hubert 102-103 Rodin, Auguste 186 Rosenberg, Adolf 152 Rosenberg, Alfred 194-195, 205, 219
Rothenburg, Friedrich Rudolf von 95 Rothko, Mark 244 Rottenhammer, Johannes 75 Rousseau, Henri 166, 187-188 Rubens, Peter Paul 67, 75, 85-86, 88, 90-91, 98, 102, 108, 218 Rudolf II., Kaiser (HRR) 18-19, 50, 54-55, 57, 64, 66 Rumohr, Carl Friedrich Freiherr von 118 Ruthardt, Theodor 144 Ruysh, Rachel 75 Ruzzini, Carlo 45, 47 Ry, Simon Louis du 99 Saftleven, Herman 75, 90 Salm, B. N. 107 Salmon, André 174 Sandrart, Joachim von 55, 70 Schack, Adolf Friedrich Graf von 141-142 Schad, Christian 224 Schadow, Wilhelm von 121 Schardt, Johann Gregor van der 63 Schiller, Friedrich 15, 18 Schinkel, Karl Ferdinand 139 Schlegel, Friedrich 108, 112 Schlegel, Dorothea 112 Schlögl, Rudolf 73 Schlosser, Julius von 32, 48, 50, 55 Schmalenbach, Werner 238 Schmela, August 228 Schmeling, Max 188 Schmid, Wilhelm 199 Schmidt-Rottluff, Karl 199 Schnorr von Carolsfeld, Julius 136 Schönborn, Lothar Franz von 89 Schönlein, Johann Lukas 135 Schrimpf, Georg 209 Schtschukin, Nikolaj 175 Schtschukin, Pjotr 175-176 Schtschukin, Sergej 174-177 Schütz, Christian Georg 77
Schultze, Bernard 226 Schwarz, Birgit 214-216 Sedlmayr, Hans 223 Seekatz, Johann Conrad 77 Seurat, Georges 167-168, 188 Sheehan, James J. 84 Siegel, Steffen 38 Signac, Paul 167 Simon, Eduard 118, 147, 164 Simon, James 118, 126 132, 136, 144, 147-148, 164 Simolin, Rudolf Baron von 170 Sisley, Alfred 156, 158, 177, 181 Slevogt, Max 199 Soranzo 56 Speckter, Johann Michael 118 Spitzweg, Carl 121 Sprengel, Bernhard 210, 230 Sprengel, Margrit 210 Springer, Peter 188 Städel, Johann Heinrich 106, 110111, 114, 117-118, 133-134 Stagl, Justin 20 Stein, Gertrude 172-176, 178-179, 181 Stein, Leo 172-174, 176, 178-179, 181 Stein, Michael 172-173 Stein, Sarah 173 Stern, Malgonia 166 Stern, Julius 164, 166 Sternburg, Maximilian Freiherr Speck von 118-122 Sternheim, Carl 170-171, 187, 215 Sternheim, Thea 170-171, 182 Stockhausen, Tilmann von 229 Stosch, Philipp von 94 Ströher, Karl 231-232, 240 Ströher, Sylvia 233 Ströher, Ulrich 233 Tenier d. Jüngere, David 75 ter Borch, Gerard 75
Personenregister
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Ternowez Boris 177 Thannhauser, Heinrich 166, 170 Thier 98 Thoma, Hans 162, 167, 169 Thurneyssen, Thérèse 171, 215 Tiez, Leonhard 187 Tizian 61, 65, 57, 142 Tintoretto, Jacopo 91, 98, 138, 142 Toklas, Alice B. 174 Tolstoi, Lew 195 Toulouse-Lautrec, Henri de 166, 171, 173 Trautmann, Johann Georg 77 Tretjakow, Pawel 175 Trost, Gerdy 217 Tschudi, Hugo von 130, 152-153, 155, 157, 162, 164-165, 169, 170-171 Turgenjew, Iwan 175 Twombly, Cy 244 Uccello, Paolo 34 Uecker, Günther 228 Ullrich, Wolfgang 9-10 Valentiner, Wilhelm 131 Vallotton, Félix 173 Vasari, Giorgio 58, 70 Velázquez, Diego 85, 88 Velde, Henry van de 167 Vendramin, Andrea 44 Vernet, Claude Joseph 103 Veronese, Paolo 48, 98, 138, 142 Vigée-Le Brun, Louise Elisabeth 91 Vinnen, Carl 152 Viktoria Luise von Preußen 126 Vischer d.Ältere, Peter 63 Vömel, Alexander 190, 196, 209 Vogtherr, Christoph 96 Voltaire 91, 95 Vollard, Ambroise 172, 177, 181, 182, 188
Vries, Adriaen de 56 Vuillard, Edouard 168 Waetjen, Eduard 187 Waff, Adrian van der 87 Wagener, Joachim Heinrich 135, 138-139, 141, 144 Wallraf, Franz Ferdinand 106-110, 112, 114, 117-118, 133 Warhol, Andy 236-237, 244 Watteau, Antoine 95-96, 102 Weenix, Jan 77, 90 Welser, Philippine 50 Werff, Adriaen van der 75 Wesselmann, Tom 236 Weyden, Rogier van der 112, 121 Wiegand, Christian Friedrich 72 Wieland, Christoph Martin 18 Wilhelm I., König von Württemberg 116 Wilhelm I., Kaiser des deutschen Reiches 138, 166 Wilhelm II., Kaiser des deutschen Reiches 126, 152-153 Wilhelm V. von Bayern 53 Wilhelmine von Bayreuth 91, 94 Will, Georg Andreas 61 Wille, Johann Georg 70 Winckelmann, Johann 86 Winckler, Gottfried 69-73, 75, 77, 118-119, 122 Wiser, Heinrich von 88 Wolff, Alfred 170 Wollheim, Caesar 158 Woringer, Wilhelm 170 Würth, Reinhold 243 Ziegler, Alfred 205 Zola, Emile 152 Zwirner, Rudolf 240
Das Register wurde von David Rüschenschmidt angefertigt.
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Verzeichnis der Abbildungen
Seite 12: Alfred Flechtheim zwischen Bildern seiner Galerie, Berlin 1928. Abb. aus: Dascher: „Es ist etwas Wahnsinniges mit der Kunst“, S. 200 Seite 19: Hans von Aachen: Porträt von Kaiser Rudolf II., 1606-1608. © akg-images Seite 26: Reliquiarium de St. Louis. Abb. aus: Blom: Sammelwunder. Sammelwahn, S. 233 Seite 30: Abraham Jamnitzer: Daphne als Trinkgefäß, um 1600. Dresden, Grünes Gewölbe. Abb. aus: U. Arnold, J. Menzhausen, G. Spitzer (Hrsg.): Grünes Gewölbe Dresden. Leipzig 1993, S. 24 Seite 43: Studiolo Federico da Montefeltro. Urbino, Palazzo Ducale. Abb. aus: Beßler: Wunderkammern, S. 38 Seite 49: Eberhard Werner Happel: Grösseste Denkwürdigkeiten der Welt, Ende 17. Jh. Abb. aus: Beßler: Wunderkammern, S. 18 Seite 63: Bildnismedaillon des Paulus Praun, 1580. Abb. aus: Kunst des Sammelns Seite 72: Wiegandsche Aquarell-Kopien von Gottfried Wincklers Sammlung. Foto aus: Mai, Paret: Sammler, Stifter und Museen, S. 58 Seite 87: Kupferstich aus Nicolas de Pigage: La Galerie Électorale de Dusseldorf. Abb. aus: Kurfürst Johann Wilhelms Bilder. Bd. II: Galerie und Kabinett. Ausst. Kat. München 2009, S. 15 Seite 92: Berlin, Schloss, Arbeitszimmer Friedrichs des Großen. Abb. aus: Friedrich der Große. Sammler und Mäzen. Ausst. Kat. München 1992, S. 98 Seite 93: Gemäldegalerie im Schloss Sanssouci. Abb. aus: Friedrich der Große. Sammler und Mäzen. Ausst. Kat. München 1992, S. 98
Verzeichnis der Abbildungen
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Seite 103: J. L. David: Schwur der Horatier, 1786. Abb. aus: C. Bailey: Patriotic Taste, S. 192 Seite 107: B. N. Salm: Wallraf in seinen Sammlungen, 1820. Abb. aus: Mai, Paret: Sammler, Stifter und Museen, S. 73 Seite 130: Alte Nationalgalerie Berlin, drittes Obergeschoss, Foto 1908. Abb. aus: Ludewig, Schoeps, Sonder: Aufbruch in die Moderne, S. 223 Seite 160: Eduard Arnhold in seinem Haus, Foto 1902. Abb. aus: Sammler der frühen Moderne in Berlin, S. 20 Seite 184: Bronzebüste von Paul Cassirer, 1925. Abb. aus: Dascher: „Es ist etwas Wahnsinniges mit der Kunst“, S. 200 Seite 198: Der Sammler Robert Graetz im Herrenzimmer seiner Villa. Foto ca. 1930. Abb. aus: Enderlein: Der Berliner Kunsthandel in der Weimarer Republik und im NS-Staat, Frontispiz Seite 204: Plakat zur Ausstellung „Entartete Kunst“, Hamburg 1938. Abb. aus: Thurn: Der Kunsthändler, S. 167 S. 214: Hitler lässt Hermann Göring am 12.1.1938 Makarts „Falknerin“ überreichen. Abb. aus: von zur Mühlen: Die Kunstsammlung Hermann Görings, S. 13 Seite 227: Plakat zur ersten Ausstellung der Sammlung Haubrich, Köln 1946. Abb. aus: Meisterwerke der Moderne. Die Sammlung Haubrich im Museum Ludwig. Ausst. Kat. Köln 2012, S. 4 Seite 237: Allen Jones: Hatstand, Table, Chair. Installation 1969. Abb. aus: Ludwig goes Pop. Ausst. Kat. Köln 2015, S. 77
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