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German Pages 250 Year 2000
KERRIN SCHILLHORN
Kulturelle Rechte indigener V6lker und Umweltvölkerrecht Verhältnis und Vereinbarkeit
Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von lost Delbrück und Rainer Hofmann Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht
129
Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Daniel Bardonnet l'Universite de Paris n Rudolf Bernhardt Heidelberg Lucius Caflisch Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales, Geneve Antonius Eitel New York; Bonn
Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis Albrecht Randelzhofer Freie Universität Berlin Krzysztof Skubiszewski Polish Academy of Sciences, Warsaw; The Hague
Luigi Ferrari Bravo Universita di Roma
Christian Tomuschat Humboldt-Universität zu Berlin
Louis Henkin Columbia University, NewYork
Sir Arthur Watts London
Tommy T. B. Koh Singapore John Norton Moore University of Virginia, Charlottesvi He
Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg
Kulturelle Rechte indigener Völker und Umweltvölkerrecht Verhältnis und Vereinbarkeit
Von
Kerrin Schillhom
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Schillhorn, Kerrin: Kulturelle Rechte indigener Völker und Umweltvölkerrecht Verhältnis und Vereinbarkeit I von Kerrin Schillhorn. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel; Bd. 129) Zug!.: Kiel, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10059-X
Alle Rechte vorbehalten
© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Ber1in
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 3-428-10059-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Dem Andenken meines Vaters
Vorwort Mein Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Rüdiger Wolfrum, der das Thema angeregt und stets mit Interesse und konstruktiven Vorschlägen begleitet hat. Herrn Professer Dr. Jost Delbrück danke ich für die zügige Erstellung des fundierten Zweitgutachtens und die Aufnahme dieser Arbeit in die Veröffentlichungsreihe des Walther-Schücking-Instituts. Die Grundlage für die Bearbeitung dieses Themas wurde während meines Master-Studiums in Australien gelegt, das durch ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und des Graduiertenkollegs für nationales, internationales und europäisches Umweltrecht der Christian-Albrechts-Universität in Kiel ermöglicht wurde. Für diese Förderung danke ich an dieser Stelle sehr herzlich. Während meines Aufenthaltes "down under" und der Teilnahme an den Sitzungen der Working Group on Indigenous Populations der Vereinten Nationen haben eine Reihe von Indigenen und Nicht-Indigenen mit Informationen, Gesprächen und Ideen wesentlich dazu beigetragen, die Thematik der Arbeit zu strukturieren und aufzubereiten. Stellvertretend für diese Unterstützung möchte ich hier Frau Dr. Helen Charters, Herrn Dara McDaniel sowie Herrn Dr. Kwame Mfodwo und Frau Diane Crengle erwähnen und ihnen für ihre außerordentlich hilfreichen Anregungen danken. Die Forschungsbedingungen der Australian National University und ihrer Northern Research Unit in Darwin, des Walther-Schücking-Instituts in Kiel, des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg und des Menschenrechtszentrums der Vereinten Nationen in Genf haben mit ihrer guten Ausstattung die Recherche für diese Arbeit erst ermöglicht. An dieser Stelle sei meinen Kolleginnen und Kollegen an diesen Instituten, die stets für Diskussionen und Hinweise zur Verfügung standen, sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Institute gedankt, deren Hilfsbereitschaft und Engagement das Auffinden von Material erleichtert und zum Teil ermöglicht hat. Frau Dr. Juliane Hilf danke ich dafür, daß sie die Mühe des Korrekturlesens auf sich genommen und dabei sprachliche und logische Unebenheiten geglättet hat. Frau Rotraut Wolf sei für die Erstellung der Druckvorlage an dieser Stelle herzliehst gedankt.
8
Vorwort
Mein besonderer Dank gilt schließlich meiner Mutter, Gertrud Schillhorn, und meinem Bruder, Ulf Schillhorn, die das Werden dieser Arbeit stets mit Interesse unterstützt und begleitet haben und durch deren Hilfe die eine oder andere Unwägbarkeit überwunden werden konnte. Für ihre moralische, aber auch technische Unterstützung und Begleitung danke ich sehr herzlich. Die vorliegende Arbeit wurde im September 1998 fertiggestellt, Literatur und Entwicklungen sind bis zum Sommer 1999 berücksichtigt. Bonn, Dezember 1999
Kerrin Schillhom
Inhaltsverzeichnis Teil I Einleitung
17
Teil II Definitionen und ethnologische Grundlagen
24
A. Definition der Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
24
I. Indigene Völker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
24
1. Begriff der indigenen Völker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
24
2. Internationale Rechtspersönlichkeit indigener Völker. . . . . . . . . . . . ..
30
a) Staat ................................................
31
b) Verträge..............................................
31
c) Neuere Entwicklungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
33
11. Kulturelle Besonderheiten von indigenen Völkern. . . . . . . . . . . . . . . . . ..
36
III. Internationale Umweltschutznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
37
B. Ethnologische Grundlagen - Umweltrelevante kulturelle Besonderheiten von indigenen Völker ................................................
41
Teil III Internationaler Schutz der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker - Inhalte und systematische Betrachtung A. Inhalte des internationalen Schutzes der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker ..................................... I.
48
49
Völkervertragsrechtlicher Schutz der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker .....................................
49
1. ILO-Konventionen über indigene Völker Nr. 107 und 169. . . . . . . . . .
50
10
Inhaltsverzeichnis a) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
52
b) Landrechte ...........................................
53
aa) Relevanz der Landrechte für umweltrelevante kulturelle Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
53
bb) Inhalte der Landrechte nach der ILO-Konvention Nr. 169 . . ..
54
c) Subsistenz und Gesundheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
55
d) Zusammenfassung......................................
56
2. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte. . . . . . . ..
56
a) Artikel 1 IPBPR (Selbstbestimmungsrecht) ..................
57
aa) Wörtliche Auslegung ................................
58
bb) Historische und systematische Auslegung ................
59
cc) Ergebnis ..........................................
60
b) Art. 27 IPBPR (Minderheitenschutz) .......................
60
aa) Anwendbarkeit des Art. 27 IPBPR auf indigene Völker. . . . ..
60
bb) Inhalt des Art. 27 IPBPR .............................
63
cc) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
65
c) Weitere Vorschriften des WBPR von Bedeutung für die umweltrelevanten Besonderheiten indigener Völker ....................
66
aa) Recht auf eigene Existenzmittel ........................
66
bb) Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung ........
67
cc) Religionsfreiheit nach Artikel 18 WBPR .................
67
dd) Recht auf Teilnahme am politischen Leben nach Artikel 25 IPBPR ...........................................
68
3. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
69
a) Recht auf Arbeit, Art. 6 IPWSKR .........................
70
b) Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, Art. 11 IPWSKR
71
c) Recht auf Gesundheit, Art. 12 IPWSKR ....................
72
d) Recht auf religiöse Erziehung, Art. 13 Abs. 3 IPWSKR . . . . . . . ..
72
e) Teilnahme am kulturellen Leben, Art. 15 IPWSKR . . . . . . . . . . . .
73
Recht auf volle und freie Nutzung der natürlichen Reichtümer, Art. 25 IPWSKR ......................................
73
4. Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung ........................................
74
5. VölkervertragsrechtIicher Schutz des geistigen Eigentums. . . . . . . . ..
77
f)
Inhaltsverzeichnis
11
a) Übereinkommen zu handelsbezogenen Aspekten der Rechte am geistigen Eigentum .......................................
78
b) Bemer Konvention zum Schutz literarischer und künstlerischer Werke...............................................
80
c) Pariser Konvention zum Schutz industriellen Eigentums. . . . . . . .
80
d) Genfer Vertrag zur Aufzeichnung wissenschaftlicher Entdeckungen
81
6. Zwischenergebnis .........................................
82
11. Völkergewohnheitsrechtlicher Schutz der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker ..................................
82
1. Recht aufkulturelle Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
a) Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
83
b) ..Opinio juris". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
2. Ausformung des Rechts auf kulturelle Identität ..................
91
a) Ethnozid .............................................
91
b) Kulturelle Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
92
aal Verhältnis Selbstbestimmung - kulturelle Autonomie .... . ..
93
bb) Staatenpraxis zur kulturellen Autonomie ................. 100 cc) ..Opinio juris" zur kulturellen Autonomie. . . . . . . . . . . . . . . .. 105 III.
Neuere Entwicklungen im internationalen Schutz der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 106 1. Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples. . . . . . . . . . . .. 108 a) Kulturelle Identität und umweltrelevante Besonderheiten ....... 109 b) Kulturelle Identität und Autonomie ........................ 112 2. Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . .. 113
B. Systematische Betrachtung des Schutzes umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker ..................................... 114 I.
Schutz indigener Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen. . . . . . . .. 115 1. Schutz der verhaltensabhängigen indigenen Besonderheiten ........ 115 a) Subsistenzaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 115 b) Religiöse und spirituelle Praktiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 116 c) Wissenschaftliche Praktiken und Verfahren ..... . . . . . . . . . . . .. 116 d) Verfahren und Praktiken zum Schutz der Gesundheit. . . . . . . . . .. 117 e) Allgemeine Praktiken und Traditionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 117
12
Inhaltsverzeichnis 2. Schutz der ortsabhängigen Besonderheiten 11.
117
Schutz der kulturellen Identität als Gesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 118 1. Völkervertragsrechtlicher Schutz derldentität indigener Kulturen. . .. 119 2. Völkergewohnheitsrechtlicher Schutz der Identität indigener Kulturen
120
3. Schutz der Identität indigener Kulturen in der neueren Entwicklung des Völkerrechts ............................................. 120 III.
Verhältnis zwischen den beiden Rechtsgütern - Praktiken und Traditionen und der Identität der Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 120 1. Indigene Praktiken und Traditionen als selbständiges Schutzgut ..... 121 2. Kulturelle Identität indigener Völker als Summe der Praktiken und Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 122
Teil IV
Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt Inhalte und systematische Betrachtung
124
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 124 I. Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 126 1. Umweltnormen zum Schutz staatsfreier Räume - UN-Seerechtsübereinkommen ................................................ 127 2. Umweltnormen zum Schutz der gemeinsamen Güter ("global commons") .............................................. " .. 128 a) Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs . . . .. 128 b) Übereinkommen über die biologische Vielfalt ...... . . . . . . . . .. 131 aa) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 131 bb) Schutzmaßnahmen .................................. 132 cc) Nutzungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 134 dd) Zugang zu genetischen Ressourcen und Technologie. . . . . . .. 134 3. Umweltbestimmungen zum Schutz der nationalen Umwelt ......... 135 a) Übereinkommen über Feuchtgebiete. insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel. von internationaler Bedeutung (RamsarKonvention) .......................................... 136 aa) Verpflichtungen nach der Ramsar-Konvention . . . . . . . . . . . .. 136 bb) Auswirkungen auf kulturelle Besonderheiten indigener Völker 139
Inhaltsverzeichnis
13
b) Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention) .............................. 140 aa) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 140 bb) Verpflichtungen zum Schutz wandernder wildlebender Tierarten ............................................. 141 cc) Auswirkungen auf kulturelle Besonderheiten indigener Völker 143 c) Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Heritage-Konvention) .................................. 144 aa) Verpflichtungen zum Schutz des Welterbes . . . . . . . . . . . . . .. 145 bb) Auswirkungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker ............................................ 146 d) Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefahrdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzabkommen) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 147 aa) Verpflichtungen zum Schutz gefahrdeter Arten ......... . .. 147 bb) Auswirkungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker ................................ " .......... 148 4. Zusammenfassung......................................... 149 11.
Völkergewohnheitsrecht ....................................... 149 1. Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 151 2. "Opinio juris". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 153
111.
Neuere Entwicklungen im Umweltvölkerrecht ...................... 155 I. Stockholm-Erklärung ...................................... 155 2. World Charter for Nature ................................... 156 3. Brundtland-Bericht........................................ 157 4. Rio-Erklärung............................................ 157 5. Wald-Prinzipien .......................................... 158 6. Zusammenfassung ........................................ 158
B. Systematische Betrachtung der Umweltschutznormen . . . . . . . . . . . . . . . . .. 159 I.
Schutzansatz ................................................ 159 I. Schutz der Arten .......................................... 160 a) Inhalt des Schutzansatzes ................................ 160 b) Auswirkungen aufindigene Völker ................... '" ... 161 2. Schutz der Arten und ihres Lebensraums ....................... 162
14
Inhaltsverzeichnis a) Inhalt des Schutzansatzes ................................ 162 b) Auswirkungen aufindigene Völker ........................ 163 II. Umsetzungsformen des Schutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 164 1. Inhalte der Umsetzungsformen ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 165
a) Nutzungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 165 b) Nutzungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 166 2. Auswirkungen aufindigene Völker ............................ 167 a) Intensität der Umsetzungsmaßnahme ....................... 167 b) Bedeutung für indigene kulturelle Besonderheiten . . . . . . . . . . . .. 169
Teil V
Konflikte zwischen internationalen Umweltschutzbestimmungen und den Rechten indigener Völker und Ansätze zu deren Auflösung oder Vermeidung
172
A. Kategorien möglicher Konflikte .................................... 173 I. Geschützte-Arten-Konflikt ..................................... 173 1. Konflikt mit rechtlich geschützten Praktiken, Traditionen und Verfahrensweisen .............................................. 174
2. Konflikt mit dem Recht auf kulturelle Identität .................. 178 II.
Schutzgebiets-Konflikt........................................ 179 1. Konflikt mit rechtlich geschützten Praktiken, Traditionen und Verfahrensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 180
2. Konflikt mit dem Recht auf kulturelle Identität. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 181 III. Entwicklungskonflikt ......................................... 182 IV. Autonomie-Konflikt .......................................... 185 B. Kategorien möglicher Lösungsansätze ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 186 I. Ausnahme-Ansatz............................................ 186 1. Internationale Umweltbestimmungen .......................... 189
2. Rechte indigener Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. 190 II.
Kooperations-Ansatz.......................................... 191 1. Internationale Umweltbestimmungen .......... . .. . . . . . . . . . . . .. 196
2. Rechte indigener Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 197
Inhaltsverzeichnis III.
Autonomie-Ansatz
15 198
1. Internationale Umweltbestimmungen .......................... 199
2. Rechte indigener Völker .................................... 200
Teil VI Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze
202
A. Problembereiche bei der Anwendung der Konfliktskategorien und Lösungsansätze ............................................ ~ . . . . . . . . . .. 203 I. Problem der konzeptionellen Unterschiede ........................ 204 11. Problem der Diversität ........................................ 205 III. Kulturelle Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 206 B. Prinzipien bei der Anwendung der Lösungsansätze .................... 206 I. Verfahrensspezifische Grundsätze ............................... 207 1. Anerkennungselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 207
2. Mitwirkungselement ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 209 11. Materiellrechtliche Prinzipien. . .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 211 1. GleichheitsprinziplDiskriminierungsverbot...................... 212 2. ,,Effet-utile"-Prinzip ....................................... 218 3. VerhältnismäßigkeitIProportionalität .......................... 221
Teil VII Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse
222
Literaturverzeichnis
225
Sachregister
245
Teill
Einleitung Seit einigen Jahren rücken indigene Völker immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Besonders das spirituell geprägte und über viele Generationen überlieferte Wissen um die nachhaltige Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen hat das Interesse an diesen Völkern wachsen lassen. Diese Arbeit befaßt sich mit dem Thema unter dem Aspekt der Schnittstellen zwischen dem Umweltvölkerrecht und den kulturellen Besonderheiten indigener Völker. Diese Schnittstellen sind vielfältig, lassen sich aber in zwei größere Bereiche untergliedern: Der erste Bereich umfaßt die Situationen, in denen Normen zum Schutz der Umwelt mit den Interessen und den Bedürfnissen des kulturellen Erbes von indigenen Völkern in Übereinstimmung stehen, d. h. der Schutz der Umwelt auch den kulturellen Besonderheiten indigener Völker zugute kommt. l Der zweite Bereich umfaßt die Fälle, in denen die Ausübung der kulturellen Besonderheiten durch indigene Völker aufgrund von internationalen Umweltschutzbestimmungen eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. 2 Grundlage des ersten Bereichs ist der Umstand, daß indigene Völker in ihrer Kultur, ihrer Religion und ihrem Lebensunterhalt direkt von ihrer Umwelt abhängig sind. 3 So wird der Umweltschutz als Grundvoraussetzung für das Überleben indigener Kulturen angesehen. 4 Folglich führt die Zerstörung dieser Umwelt auch zu der Zerstörung der Lebensgrundlage und damit der Kultur der indigenen Völ-
I Ward, Ecology Law Quarterly 19 (1992), 795 (820 f.) für die Indianer der USA; vgl. auch Kimerling, Hastings International & Comparative Law Review 14 (199011991), 849 ff.; Fabra, in: Boyle1Anderson (eds.), 245 ff. 2 Vgl. bereits Jungius, Survival International Review 14 (1976), 6 (6 f.). 3 Suagee, University of Michigan Journal of Law Refonn 25 (1992), 671 (678/679) m. w. N.; Jungius, Survival International Review 14 (1976), 6 (6 f.); im einzelnen siehe dazu unten Teil 11. 4 Report of the Uni ted Nations Technical Conference on Practical Experience in the Realization of Sustainable and Environmentally Sound Self-development of Indigenous Peoples, FlCN.4/Sub.21l992/311Add.l, 10; Suagee, University ofMichigan Journal ofLaw Refonn 25 (1992),671 (706).
2 Schillhorn
18
Teil I: Einleitung
ker. s Ein Beispiel hierfür sind die indigenen Völker in der Amazonasregion. Diese Völker sind von der Lebensfähigkeit und der Integrität des tropischen Regenwaldes in unmittelbarer Weise sowohl in spiritueller und religiöser Hinsicht als auch zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs abhängig. Doch auch in anderen geographischen Regionen gibt es diesen engen Zusammenhang. So wurden in Nordskandinavien durch die Zerstörung der Wälder und die Umleitung von Flüssen zur Energiegewinnung die Lebensbedingungen der Rentiere derart geändert, daß die Existenz der Herden, und damit auch die Lebensgrundlage der Sarni und ihrer Kultur bedroht waren. 6 Es ist inzwischen anerkannt, daß die Umweltzerstörung auch die Ausübung von Menschenrechten beeinträchtigt.7 So erkannte der UN-MenschenrechtsausschuB des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte unlängst an, daß auch Umweltzerstörung eine Verletzung von Menschenrechten darstellen
~ Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992),671 (678/679) m. w. N.; vgl. auch Call for Action to Halt Destruction ofRainforests, International Commission of Jurists The Review 42 (1989), 39 ff. für die Auswirkungen der Zerstörung des Regenwaldes auf die dort lebenden Völker und ihre Kulturen unter Bezugnahme auf die Declaration ofthe World Rainforest Movement; Meyers, Colorado Journal ofinternational Environmental Law & Policy 3 (1992), 479 (481/482) unter Bezugnahme auf Our Common Future, 12114 und (510) m. w. N.; insbesondere siehe lohnston, Canadian Journal ofLaw and Jursiprudence 2 (1989), 19 (32) über das besondere Verhältnis der indigenen Völker zu ihrer Umwelt. 6 To"es, Yale Journal ofinternational Law 16 (1991),127 (137). 7 Die Menschenrechte, die durch Umweltzerstörung direkt betroffen sind, umfassen das Recht auf Leben (Art. 3 Allgemeine Menschenrechtserklärung, Art. 6 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Art. 2 Europäische Menschenrechtskonvention und Art. 4 der Afrikanischen Charta der Menschen- und Völkerrechte), das Recht auf Gesundheit (Art. 16 Amerikanische Menschenrechtskonvention, Art. 12 der allgemeinen Menschenrechtserklärung sowie Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention), das Recht auf Privatsphäre (Art. 11 Amerikanische Menschenrechtskonvention, Art. 17 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Art. 12 Allgemeine Menschenrechtserklärung und Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention), das Recht auf angemessene Arbeitsverhältnisse (Art. 15 Amerikanische Menschenrechtskonvention, Art. 7 Internatioanler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte), das Recht auf angemessenen Lebensstandard (Art. 11 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und Art. 25 Allgemeine Menschenrechtserklärung), und das Recht auf politische Beteiligung und Information (Art. 9, 10 und 12 Afrikanische Charta der Menschen- und Völkerrechte, Art. 12 und 13 Amerikanische Menschenrechtskonvention, Art. 10 und 11 Europäische Menschenrechtskonvention und Art. 19,20 und 21 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung; vgl. auch Aguilar/Popovic, Review of European Community and International Environmental Law 3 (1994),197 ff.
Teil I: Einleitung
19
kann. 8 Der besonderen Bedeutung dieser Auswirkungen auf indigene Völker hat die Weltbank bereits 1982 durch die Erstellung von Richtlinien Rechnung getragen, die die Auswirkungen von Entwicklungsprojekte auf indigene Völker zum Gegenstand haben. 9 Weiterhin ist es erklärte Politik der Weltbank, Projekte nur zu fördern, wenn hinsichtlich des Einflusses auf traditionelle Gebiete von indigenen Völkern ausreichende Sicherheitsrnaßnahmen getroffen werden. 10 Auch der UNAusschuß des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung ll hat 1995 erstmals anerkannt, daß die Zerstörung der Umwelt auch eine Beeinträchtigung der Rechte der indigenen Völker sein kann. 12 Aus diesem Grund wird in der Regel angenommen,13 daß aufgrund der unmittelbaren Verbundenheit der indigenen Völker mit dem Land von und mit dem sie leben, dies die einzige Art von Schnittstelle zwischen dem Umweltschutz und dem kulturellen Erbe von indigenen Völkern ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn der zweite Bereich, in dem Schnittpunkte zwischen dem Umweltvölkerrecht und kulturellen Besonderheiten indigener Völker entstehen können, gewinnt durch die fortschreitende Entwicklung des Umweltrechts und der zunehmenden ,Emanzipation' vieler indigener Völker zunehmend an Bedeutung. 14 Konflikte können entstehen, wenn die Angehörigen indigener Völker in der Ausübung ihrer kulturellen Besonderheiten durch die Umweltschutznormen gestört, behindert oder ausgeschlossen werden. ls Mit diesem Bereich der Schnittpunkte zwischen dem Um8 Communication No. 67/1980 in United Nations, 2 Selected Documents ofthe Human Rights Committee under the Optional Protocol, 20, UN Doc. CCPRlClOP/2 (1990), zitiert in Shelton. Stanford Journal of International Law 28 (1991), 103 (113) mit kurzer Zusammenfassung des Falles; EcksteiniGitlin. Human Rights Brief 2 (1995), 1 (8); Popovic. Stanford Environmental Law Journal 15 (1996),339 (351). 9 Operational Manual Statement (OMS) 2.34 "Tribal People in Bank-financed Projects"; vgl. auch Cycon. New England Law Review 25 (1990/1991), 761 (779) mit Verweis auf Goodland. R., Tribal Peoples and Economic Development - The Human Ecological Considerations (World Bank, Washington, D.C. 1982). 10 Worldbank Operational Directi ve 4.20 vom September 1991 (The World Bank Operational Manual Vol. II), Ziff. 2 und Participation and Indigenous Peoples, The World Bank Participation Sourcebook, Appendix II: Working Paper Summaries; vgl. auch Cycon, New England Law Review 25 (1990/1991),761 (779) mit Verweis auf "information received from UN organs and specialized agencies", UN ESCOR (Agenda Items 4 and 5), 10, UN Doc. ElCN.4/Sub.21AC.4/3 (1988). 11 Vom 07.03.1966, BOBl. 1969 II, 961 ff. 12 CERD/Cl50IMisc. 7. 13 Vgl. zum Beispiel ElCN.4/Sub.21199118 para. 25 and 27. 14 Vergleiche hierzu: Cycon, New England Law Review 25 (1990/1991),761 (762). 15 Vgl. Lewis, The Oeographical Magazine 62 (1990), 18 (18 f.); Jungius. Survival International Review 14 (1976), 6 (6 f.).
2'
20
Teil I: Einleitung
weltvölkerrecht und kulturellen Besonderheiten indigener Völker befaßt sich diese Arbeit. Dabei geht es nicht um eine Bewertung der "Umweltverträglichkeit" indigener Praktiken hinsichtlich der Umwelt. 16 Es geht vielmehr um die Auflösung von Konflikten zwischen zwei Rechtsgütern im internationalen Recht, namentlich dem Rechtsgut der kulturellen Besonderheiten indigener Völker und dem Rechtsgut der Umwelt. Dabei werden beispielhaft Erfahrungen aus nationalen Rechtsordnungen aufgenommen, da nicht nur das Völkerrecht einen Einfuß auf die nationalen Rechtsordnungen, sondern diese auch einen Einfluß auf das Völkerrecht haben. So kann die nationale Praxis in den einzelnen Staaten die Grundlage für gewohnheitsrechtliche Normen bilden. Es liegt nahe anzunehmen, daß indigene Völker aufgrund ihrer besonderen Nähe zur Umwelt besonders umweltfreundlich mit den Ressourcen verfahren, die sie umgeben. 17 Dies mag auf einige indigene Völker zutreffen und insgesamt läßt sich wohl sagen, daß die indigenen Völker dieser Erde in den tausenden von Jahren, in denen sie für ihr Land verantwortlich waren, nicht einen Bruchteil des Schadens angerichtet haben, der durch die Europäischen Kolonial- und Industriemächte in den letzten 500 und besonders in den letzten 200 Jahren hervorgerufen wurde. 18 Doch Grundlage dieser Arbeit soll nicht sein, das Bestandsrecht einer Kultur danach zu bemessen, ob diese "umweltfreundlich" in unseren Sinne ist. Statt dessen werden die Rechte indigener Völker im Völkerrecht sowie das Umweltrecht dahingehend untersucht, ob sich bei der Anwendung dieser Völkerrechtsbestimmungen Konflikte ergeben können und wie diese Konflikte zu lösen sind. Ausgangspunkt dieser Arbeit sind dabei neben dem völkerrechtlichen Umweltrecht die Rechte indigener Völker im internationalen Recht. Nach der Überwindung des Integrations- und Assimilationsgedankens wird heute als Ziel der Bestand der verschiedensten Kulturen angestrebt. Dieses Ziel kann, neben dem 16 Vgl. dazu Shelton. Stanford Journal of International Law 28 (1991), 103 (127). die zwar die Möglichkeit von Konflikten sieht. indigene Völker aber aufgrund ihrer. Umweltfreundlichkeit' als adäquate Umweltschützer einschätzt. 17 Siehe in diesem Zusammenhang 1983 Draft Declaration of Principles for Submission for the UN Working Group on Indigenous Populations, zitiert in Davies. American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 200 (2011202); Juli. Social Alternatives 9 (1991),47 (49); Kapashesit/Klippenstein. McGill Law Journal 36 (199011991). 927; Suagee. University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (677 und 694) m. w. N.; vgl. dazu auch Barsh. Meanjin 49 (1990),723 (729), der jedoch einen recht kritischen Standpunkt zu dieser Annahme einnimmt. 18 Vgl. Date, Golden Gate University Law Review 27 (1997), 631 (636).
Teil I: Einleitung
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Respekt für andere Kulturen, auch beinhalten, eine Kultur um ihrer selbst willen zu schützen und diesen Schutz nicht nur zu gewähren, weil die Kultur bestirrunte Erfordernisse erfüllt. Bei einer Anwendung dieses Ziels der Multikulturalität auf den Umweltschutz erkennt man, daß der Ansatz des "Umweltschutzes" in den verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich ist. Nach dem westlichen Verständnis ist für einen möglichst umfassenden Umweltschutz jegliche menschliche Tätigkeit auszuschließen. 19 Nach dem Verständnis vieler indigener Kulturen dagegen besteht aufgrund ihres integrativen Verhältnisses zur Umwelt geradezu eine Pflicht, für diese Umwelt zu sorgen. 20 Diese Sorge um die Umwelt äußert sich nicht notwendigerweise in Maßnahmen, wie sie in westlichen Ländern als Umweltschutzmaßnahmen zu finden sind, so beispielsweise Jagd- oder Betretungsverbote oder Aufforstungsaktionen. Vielmehr können indigene Maßnahmen zum "Schutz der Umwelt" auch spirituellen Charakter besitzen. Die Umwelt kann nach dem Verständnis vieler indigener Völker nur dann "funktionieren", wenn alle Aspekte des komplexen Gesamtsystems aus Menschen, Umwelt und Spiritualität erfüllt sind. 21 Auf dieser Grundlage befaßt sich diese Arbeit mit den verschiedenen Konflikten, die bei der Anwendung des internationalen Umweltschutzes zwischen diesem und den völkerrechtlich anerkannten kulturellen Besonderheiten von indigenen Völkern entstehen können. Es gibt eine Vielzahl von internationalen Abkommen zum Schutz der Umwelt, auch im Rahmen des Gewohnheitsrechts lassen sich einige Entwicklungen auffinden und im Rahmen des soft laws gibt es besonders nach dem Gipfel in Rio einige neue Ansätze zum Umweltschutz. Auch die internationale Anerkennung der kulturellen Besonderheiten indigener Völker findet sich im Völkervertragsrecht, im Völkergewohnheitsrecht sowie in den neueren Entwicklungen des Völkerrechts (soft law). So hat das völkerrechtliche Interesse an indigenen Völkern stetig zugenorrunen, seit der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen 1982 die Working Group on Indigenous Populations (WGIP) ins Leben rief. 22 Dabei haben sich im Hinblick auf das Verständnis für indigene Kulturen und deren Anerkennung eine Reihe von konzeptionellen Problemen ergeben, da diese Kulturen häufig auf einem anderen Grundverständnis der Beziehungen zwischen 19 Vgl. Jackson, Colorado Journal of International Environmental Law and Policy 4 (1993), 502 (507 ff.). 20 Herz, Virginia Law Review 79 (1993), 691 (7021703). 21 Central Land Council, Alice Springs, Australien, 1994, persönliche Kommunikation. 22 Bergin, Environmental and Planning Law Journal, 10 (1993), 438 (438); Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (673).
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Teil I: Einleitung
Menschen, zwischen Mensch und Natur sowie zwischen Mensch und Spiritualität beruhen. Doch trotz dieser Probleme, die im Dialog zwischen den Kulturen entstehen, ist es heute unerläßlich, diesen Dialog zu suchen und Lösungen zu finden, die für alle beteiligten Kulturen zu lebbaren Ergebnissen führen. Daher ist es eine Aufgabe dieser Arbeit, zunächst die nach dem völkerrechtlichen Rechtssytem bestehenden Rechte der indigenen Völker auf ihre kulturelle Besonderheiten zu identifizieren und auf der Grundlage dieser Rechte Konfliktskategorien und Lösungsansätze zu entwickeln, die beiden Systemen Rechnung tragen. Im einzelnen untergliedert sich diese Untersuchung in folgende Abschnitte: Im Teil n werden die Schlüsselbegriffe "indigene Völker", "kulturelle Besonderheiten" und "internationale Umweltbestimmungen" für diese Arbeit definiert und es erfolgt eine Einführung in die kulturellen Besonderheiten indigener Völker aus ethnologischer und soziologischer Sicht. Im Teil m werden die bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen zunächst daraufhin untersucht, ob und in welchem Umfang sie eine Rechtsgrundlage für den Schutz der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker darstellen können. Hieran schließt sich eine systematische Betrachtung dieser Rechtsgrundlagen im Hinblick auf ihre Schutzrichtung an. Zu unterscheiden ist in diesem Zusammenhang zwischen Bestimmungen, die lediglich indigene Praktiken und Traditionen schützen und Bestimmungen, die auf den Schutz der Identität und Integrität indigener Kulturen als solche gerichtet sind. Einzugehen ist hier auch auf das Verhältnis zwischen diesen beiden Schutzrichtungen. Im Teil IV werden Normen des Umweltvölkerrechts untersucht, die geeignet sind, Schnittstellen mit den kulturellen Besonderheiten indigener Völker hervorzurufen. Auch in diesem Teil schließt sich an die allgemeine Untersuchung eine systematische Betrachtung an, in der die internationalen Bestimmungen zum Schutz der Umwelt im Hinblick auf die Art der möglichen Auswirkung auf die kulturelle Besonderheiten indigener Völker untersucht werden. Dabei werden die Schutzansätze "Artenschutz" und "Schutz von Gebieten bzw. Ökosystemen" im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die umweltrelevanten Besonderheiten indigener Völker zu unterscheiden sein. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden im fünften Teil aufgegriffen, in dem auf dieser Grundlage Kategorien entwickelt werden, die eine abstrakte Einordnung der Konflikte ermöglichen, die zwischen internationalen Umweltschutzbestimmungen und dem völkerrechtlichen Schutz der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker entstehen können. Diese Konfliktskategorien umfassen den "Geschützte-Arten-Konflikt", den "Schutzgebiets-Konflikt", den
Teil I: Einleitung
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"Entwicklungs-Konflikt" und den "Autonomie-Konflikt". Ebenfalls in diesem fünften Teil werden verschiedene Ansätze erarbeitet, die geeignet sind, potentielle Konflikte zu vermeiden und entstandene Konflikte zu lösen. Als Lösungsansätze kommen in Betracht der "Ausnahme-Ansatz", der "Kooperations-Ansatz" sowie der "Autonomie-Ansatz". Der Erfolg dieser Konfliktskategorien und Lösungsansätze wird in der Praxis weitgehend von der Art ihrer Anwendung und Umsetzung abhängen. Aus diesem Grund werden im Teil VI die Aspekte aufgezeigt, die bei der Anwendung der Konfliktskategorien und Lösungsansätze im Dialog zwischen den Kulturen zu beachten sind, um beide Rechtsgüter angemessen zu berücksichtigten. Hieran anschließend werden einige Verfahrens grundsätze aufgezeigt, deren Berücksichtigung die Anwendung der Konfliktskategorien und Lösungsansätze erleichtern und effektiver gestalten und so dazu beitragen, sowohl den internationalen Umweltschutzbestimmungen als auch den völkerrechtlichen Rechten indigener Völker im Hinblick auf ihre umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten die größtmögliche und effektivste Anwendung zu verschaffen. Im Teil VII schließlich werden die Ergebnisse dieser Untersuchung zusammengefaßt und bewertet.
Teil II
Definitionen und ethnologische Grundlagen A. Definition der Schlüsselbegriffe Die Schlüsselbegriffe dieser Untersuchung sind indigene Völker, kulturelle Besonderheiten dieser Völker und internationales Umweltrecht. Im folgenden werden diese Begriffe definiert. Dabei wird neben dem Völkerrecht auch auf Beispiele aus nationalen Rechtsordnungen Bezug genommen.
I. Indigene Völker 1. Begriff der indigenen Völker Der Begriff des indigenen Volkes ist im Völkerrecht nicht abschließend definiert. 1 Auch die UN-Working Group on Indigenous Populations (WGIP), die sich jahrelang um eine Definition von "indigenen Völkern" bemüht hat,2 ist bisher zu keinem abschließendem Ergebnis gelangt. 3 Die Gründe hierfür sind sowohl bei den indigenen Völkern selbst als auch bei der Staatengemeinschaft zu finden. So wehren sich gerade die indigenen Völker gegen eine abschließende Definition des Begriffes. Neben der Überzeugung, einer solchen Definition ihrer selbst im Völkerrecht nicht zu bedürfen ("we know who
1 ComtasseVPrimeau. Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 (347) zu den Problemen bei der Definition "indigene Völker"; Suagee. University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (680) m. w. N. 2 V gl. vor allem Note by the Chariperson-Rapporteur of the Working Group on Indigenous Populations, Ms. Erica-Irene Daes. on criteria which rnight be applied when considering the concept of indgenous peoples, FJCN.4/Sub.2/AC.411995/3. 3 Vgl. Kastrup. Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (100); vgl. auch die Dokumente der WGIP, FJCN.4/Sub.2, besonders Working Paper on the concept of "indigenous people", FJCN.4/Sub.2/AC.4/1996/2 S. 20121 und FJCN.4/Sub.2/AC.4/199712.
A. Definition der Schlüsselbegriffe
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is indigenous"),4 befürchten sie auch, daß durch eine starre Definition einige Völker von dieser ausgeschlossen werden und damit nicht in den Anwendungsbereich der Rechte indigener Völker fallen. s Andererseits sind einige Staaten nicht bereit, eine Definition von indigenen Völkern anzuerkennen, die einen weiten inhaltlichen Anwendungsbereich eröffnen würde. 6 Eine solche Festlegung würde diesen Staaten die Möglichkeit nehmen, selbst zu bestimmen, ob es indigene Völker auf ihrem Staatsgebiet gibt und ob diesen besondere Rechte nach dem Völkerrecht zukommen. 7 Auch wenn die bestehenden Bedenken eine gewisse Berechtigung haben, ist es für die rechtliche Untersuchung unerläßlich, den Begriff "indigene Völker" zu konkretisieren. Zunächst ist festzustellen, daß viele indigenen Völker die üblichen Voraussetzungen eines Volkes erfüllen. Ein Volk ist als soziales Wesen zu verstehen, das eine eigene Identität und eigene Charakteristika besitzt. 8 Als solche sozialen Wesen sind die meisten indigenen Völker anzusehen. Sie setzen sich jeweils aus einer eigenständigen (distinct) Bevölkerung zusammen, haben historisch ein bestimmtes (defined) Gebiet bewohnt, sprechen eine eigene Sprache, bewahren ihre eigenen kulturellen und spirituellen Traditionen und haben - soweit sie nicht unterdrückt wurden oder werden - ihre selbst entwickelten Formen der sozialen und politischen Organisation aufrechterhalten. 9 Im Völkerrecht wurde ein Volk traditionell mit dem Staatsvolk gleichgesetzt. 10 So führte bereits Bluntschli 1862 aus: " ... so wissen wir doch, daß der Staat nur 4 Übereinstimmende Aussage der Angehörigen verschiedenster indigener Völker in der 13. Sitzung der WOIP, 1995, persönliche Kommunikation; vgl. auch Sitzungsbericht der WOIP 1995, FJCNA/Sub.211995. S Ebd. 6 Vgl. hierzu die Ausführungen von Thomberry auf der 13. Sitzung der WGIP in Genf 1995. 7 Vgl. die Sitzungsberichte der WOIP, FJCN.4/Sub.2; siehe auch ComtassellPrimeau, Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 (350) unter Verweis auf die Situation u. a. der Kurdenffürkei, IndianerIMexiko und Aboriginesffasmanien, Australien (bis vor kurzem). 8 Barsh, Oregon Law Review 62 (1983), 73 (94) mit Verweis auf Cristescu Report FJCNA/Sub.2/404, para. 279. 9 Berman, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 189 (192); Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 3; Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992),671 (680); Stromski, American Indian LawReview 16 (1991), 575 (580); Hannig, Arizona Journal of International and Comparative Law 13 (1996), 175 (178 f.). \0 Vgl./psen. 57.
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Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen
gleichsam der Leib dieses Volkes, daß das geistig-sittliche Wesen, welches in diesem Leibe lebt, in Wahrheit das Volk ist."l1 Das Verhältnis zwischen ,Volk' und ,Nation' beschrieb er einige Jahre später wie folgt: "Wenn die Nation sich ihrer Gemeinschaft in Sitte und Sprache, in Geist und Charakter recht lebendig bewußt wird, dann liegt der Gedanke und das Verlangen nahe ... , daß sie den Staat bestimme oder zum Staate werde .... Das ist die Begründung des politischen Nationalitätsprinzips."12 Doch hat sich in den letzten Jahren eine Entwicklung ergeben, nach der Völker auch unabhängig von Staaten bzw. der Staatswerdung existieren können. Zentral in dieser Entwicklung ist die Diskussion um das Recht auf Selbstbestimmung. Besonders in der Zeit der Dekolonisierung nach dem zweiten Weltkrieg war das Recht auf Selbstbestimmung der Völker Gegenstand der juristischen Diskussion. Art. 1 Abs. 2 der UN Charta, aber auch die Erklärungen der Generalversammlung "On the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples"l3 und "On Principles oflnternational Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations,,14, sehen ein Selbstbestimmungsrecht für alle Völker vor, das auch die Entscheidung über den politischen Status lS beinhalten soll.16 Diese Entwicklung wurde in den beiden Menschenrechtspakten von 1966 aufgegriffen, in denen ebenfalls ein umfassendes Selbstbestimmungsrecht der Völker anerkannt wurde. 17 Seit dieser Zeit hat sich das Verständnis des Selbstbestimmungsrechts im Völkerrecht verändert. Aufgrund der drohenden Gefahr der Auflösung bestehender Staaten l8 kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, daß das völkerrechtliche Selbstbestimmungsrecht immer auch die unabhängige Staatswerdung als Handlungsoption mit einschließt. 19 Andererseits ist dieses eingeschränkte Bluntschli in: Staatswörterbuch, 154. Bluntschli. Nationale Staatenbildung, Gesammelte Kleine Schriften, 89; vgl. zum Verhältnis, Volk' und ,Nation' auch Delbrück in: Festschrift für Bernhardt, 777 (779 f.) und Zippelius, 70 ff. 11
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GA Res. 1514 (XV), 1960.
14 GA Res. 2625 (XXV), 1970. 15 Die Entscheidung über den politischen Status umfaßt drei Alternativen: Unabhängigkeit von, freie Assoziation mit und Integration in den jeweiligen Staat, in dem das jeweilige Volk lebt. 16 Batistich. Auckland University Law Review 7 (1995),1013 (1020). 17 Vgl. gemeinsamer Art. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. 18 Vgl. z. B. die Republik Jugoslawien, die Sowjetunion, aber auch die Tschechoslowakei. die sich in den letzten Jahren zugunsten mehrerer neuer Staaten auflösten; vgl. hierzu auch Thamilmaran. Sri Lanka Journal ofInternational Law 7 (1995), 165 (174 ff.). 19 Vgl. dazu näher unten zum Selbstbestimmungsrecht.
A. Definition der Schlüsselbegriffe
27
Selbstbestimmungsrecht nun auch auf solche Gruppen bzw. Völker anwendbar, die nicht als Staats volk qualifiziert werden können. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf gruppenbezogene Rechte indigener Völker. Während der Individualrechtsschutz auch für Angehörige indigener Völker gilt,20 kann die kulturelle Identität und damit auch die Ausübung vieler Individualmenschenrechte für die Angehörigen indigener Völker nur dann effektiv gewährleistet werden, wenn das Volk in seiner kulturellen Eigenart hinreichend Berücksichtigung findet. 21 Aus diesem Grund ist auch die UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities zu dem Ergebnis gelangt, daß auch indigene Bevölkerungen als, Völker' zu qualifizieren sind. 22 So ist es inzwischen fast allgemeine Praxis, indigene Bevölkerungen als "Völker" anzuerkennen. 23 "Indigen" sind Völker, wenn sie bereits vor der Beherrschung einer Fremdrnacht24 dem jeweiligen Land "eingeboren" oder "einheimisch" waren?S Diese 20 So im Ergebnis auch Alfredsson. Journal of International Affairs 36 (1982). 113 (119); Capotorti. EPIL 8 (1985). 386 (391) und Capotorti. in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (603); Kastrup. Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (110); Suagee. University of Michigan Journal of Law Refonn 25 (1992), 671 (681); Rehof, Nordic Journal of International Law 61 (1992). 19 (22); Centre for Human Rights. Fact Sheet No. 18,1 und Centre for Human Rights. Fact Sheet No. 9,13; vgl. auch Obsahl. in: Summary Record of the Human Rights Committee, 25th Session, UN Doc. CCPRI C/SR.618, 8; Stromski. American Indian Law Review 16 (1991), 575 (581) unter Verweis auf die Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples, die die Anwendbarkeit der allgemeinen Menschenrechtsbestimmungen auf indigene Völker bereits in ihrer Präambel feststellt. 21 Vgl. Stromski. American Indian Law Review 16 (1991), 575 (578); Coulter. American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 198 (200); Turpel. Cornell International Law Journal 25 (1992),579 (584); Herz. Virginia Law Review 79 (1993), 691 (699). 22 UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities, FJCN.4/Sub.211991140 (31). 23 Vgl. International Labor Organization Convention No. 169 Concerning Indigenous and Tribal Peoples in Independent Countries vom 27.06.1989, in Kraft getreten am 05.09.1991, Draft Report of the Committee on Convention No. 107, Appendix I, C.c. 107/0. 303 (Juni 1989) sowie UN Dokumente der vergangenen Jahre über indigene V ölker. die von der Bezeichnung ,Jndigenous populations" zugunsten der Bezeichnung "indigenous peoples" abgewichen sind; insbesondere die Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples. Lediglich die USA können als "pennanent objector" hinsichtlich dieser Entwicklung angesehen werden. 24 Siehe hierzu Artikel I (b), der ILO-Konvention Nr. 169, in dem es heißt:
" ... populations which inhabited a country, or a geographical region to which the country belongs, at the time of conquest or colonization or the establishment of present state boundaries. "
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Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen
beiden Begriffe bestimmen die grundlegende Eigenschaft von indigenen Völkern. Nach der Definition der Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and Protection of Minorities bezieht sich der Begriff der Indigenität vorrangig auf solche Völker, die der europäischen Kolonisierung unterworfen waren. 26 Auch wenn diese Interpretation häufig zutreffend ist, so zum Beispiel für die Indianer, Metis und Inuit Nordamerikas, die Maoris Neuseelands und die Aborigines Australiens, kann der Hinweis auf die Kolonisierung nicht immer ausreichend sein. So gibt es zum Beispiel auch in afrikanischen und asiatischen Staaten heute Völker, die nicht nur verglichen mit den europäischen Kolonialmächten, sondern auch in der Abgrenzung zu der jeweiligen heute herrschenden Bevölkerung afrikanischer oder asiatischer Herkunft, als "einheimisch" zu bezeichnen sind. 27 Ein Beispiel für solch ein Volk sind die Massai Kenias. Um auch diese indigenen Völker zu erfassen, erstreckt sich der Anwendungsbereich der ILO-Konvention Nr. 169 "Concerning Indigenous and Tribai Peoples in Independent Countries"28 neben Völkern, die zur Zeit der Kolonisierung auf dem Land einheimisch waren, auch auf solche, die zur Zeit der Entstehung der gegenwärtigen Staatsgrenzen auf dem Gebiet einheimisch waren. 29 Diesem Ansatz ist bei der Vgl. auch Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 3; Bryant, Saskatchewan Law Review 56 (1992),267 (278); Falk, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 17 (18). 2S Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 18, 10 und Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 3; Swepston, Oklahoma City University Law Review 15 (1990), 677 ff. unter Bezugnahme auf Section 2 der Charter ofthe World Council ofindigenous Peoples; Rehof, Nordic Journal of International Law 61 (1992), 19 (20); Hilpold, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften 97 (1998), 30 (34); Wilson, Connecticut Journal of International Law 11 (1996),433 (469). 26 Martinez-Cobo, ElCN.4/Sub.2/L.566 (1972),11, der seiner Studie folgende Definition indigener Völker zugrunde legte: "Indigenous communities, peoples and nations are those, which, having a historical continuity with pre-invasion and pre-colonial societies that developed on their territories, consider themselves distinct from other sectors of the societies now prevailing in those territories, or parts of them. They form at present non-dominant sectors of society and are determined to preserve, develop and transmit to future generations their ancestral territories, and their ethnic identity, as the basis of their continued existence as peoples, in accordance with their own cultural partners, social institutions and legal systems." 27lbarra, ElCN.4/Sub.2/l992/311Add.l, 3; Hannig, Arizona Journal ofInternational and Comparative Law 13 (1996), 175 (178). 28 Angenommen am 27.06.1989 in Genf, Draft Report of the Committee on Convention No. 107, Appendix I, C.C. 107/D. 303. 29 Art. 1 Absatz 1 (b) der Konvention: " ... peoples in independent countries who are regarded as indigenous on account of their descent from the populations which inhabited the country, or a geographical region to
A. Definition der Schlüsselbegriffe
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Definition von indigenen Völkern zu folgen. Die Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples 30 dagegen verzichtet völlig auf eine Definition indigener Völker. 31 Ein weiteres Kriterium für die Definition indigener Völker ist die im Vergleich zu der regierenden Volksgruppe eigenständige Kultu~2. Diese eigenständige Kultur muß bereits zu Beginn der Fremdbestimmung vorhanden gewesen und seitdem von dem indigenen Volk aufrechterhalten worden sein. Es ist diese "ursprüngliche" Identität33 als eigene kulturelle Einheit, die die Besonderheit der indigenen Völker im Vergleich zu anderen Völkern ausmacht. 34 In diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen Ermacoras zu verstehen, der indigene Völker wie folgt von Minderheiten 35 abgrenzt: " ... Aborigines exist by their very nature, minorities, however, exist due to government acts of states or due to internationallaw."36
Dies hat auch die besondere Qualität der Rechte zufolge, die von den indigenen Völkern gefordert werden. Sie verstehen sich nicht als Minderheiten, denen ein besonderer rechtlicher Schutz von seiten des Staates zugestanden wird. Vielmehr verstehen sie die von ihnen eingeforderten Rechte als dem Volk inhärente Rechte, die seit Anbeginn der jeweiligen Kultur dem Volk zustehen und deren Existenz nun nicht von der Anerkennung oder dem Zugeständnis der staatlichen Gewalt abhängig ist. 37 Neben diesen objektiven Kriterien ist ein subjektives Kriterium in allen wichtigen Definitionsansätzen enthalten. Die Selbstidentifikation indigener Völker als which the country belongs, at the time of conquest or colonization or the establishment of present state boundaries." 30 ElCN.4/Sub.21l993/26. 3\ Vgl. dazu oben zu den Schwierigkeiten einer Definition. 32 V gl. Artikel 1 Abs. I ILO-Konvention Nr. 169; Alfredsson, EPIL 8 (1985), 311 (311); Hilpold, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften 97 (1998), 30 (32); Bryant, Saskatchewan Law Review 56 (1992), 267 (278). 33 Martinez-Cobo, Study of the Problem of Discrimination Against Indigenous Populations, ElCN.4/Sub.21l983/21/Add.8, para. 578, der aus dieser historisch begründeten Identität auch das natürliche und originäre Recht indigener Völker ableitet, in Freiheit auf dem eigenen Land zu leben. 34 Ibarra, ElCN .4/Sub.211992/31 / Add.l, 3/4. 35 Im einzelnen zum Verhältnis Minderheitenlindigene Völker im internationalen Recht siehe unten, TeillII. 36 Ermacora, Recueil des Cours 182 (1983-IV), 249 (279). 37 Williams, Review ofConstitutional Studies 2 (1995), 146 (153); ComtassellPrimeau, Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 (348).
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Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen
solches ist für die Bestirmnung dieser Völker als unerläßlich anzusehen. 38 Die Voraussetzung der Selbstidentifikation findet sich sowohl in Artikel 1 Abs. 2 der ILO-Konvention Nr. 16939 als auch in der nationalen Praxis betroffener Staaten40 wieder. Nach einigen nationalen Rechtsordnungen kann sich eine Person nur dann auf indigene Rechte berufen, wenn sie von dem indigenen Volk als Angehörige anerkannt wird. 41 Dieses subjektive Element der Selbstindentifikation ist im Hinblick auf die besondere Relevanz der Zugehörigkeit zu einer kulturellen Gruppe, die sich von den anderen Bevölkerungsteilen grundlegend unterscheidet, ein wichtiges Kriterium zur Bestirmnung eines indigenen Volkes und seiner Angehörigen. Somit kann zum Zwecke dieser Untersuchung für eine Definition "indigener Völker" folgendes zusarmnengefaßt werden: Indigene Völker sind Nachkormnen der ursprünglichen Bewohner des jeweiligen Gebietes, leben heute unter einer Staatsherrschaft, die im wesentlichen von anderen Bevölkerungsgruppen getragen wird, haben eine von der Staatskultur abweichende eigene und besondere Kultur und identifizieren sich selbst als "indigenes Volk".
2. Internationale Rechtspersönlichkeit indigener Völker
Indigenen Völkern kormnt im Völkerrecht derzeit noch keine internationale Rechtspersönlichkeit ZU. 42 Dies wird im Völkerrecht nur Staaten43 und anderen Rechtssubjekten des Völkerrechts zuerkannt. Indigene Völker erfüllen jedoch
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Hannig, Arizona Journal ofInternational and Comparative Law 13 (1996), 175 (178). Art. 1 Absatz 2:
"Self-identification as indigenous or tribal shall be regarded as a fundamental criterion for determining the groups to which the provisions ofthis Convention apply." 40 V gl. UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities, FlCN.4/Sub.21198617, para 381. 41 " .•• a person ... who is recognized by the aboriginal community as an Aboriginal" wie von Richter Deane in dem Fall Commonwealth v. Tasmania, A.L.R. 46 (1983), 625 (817) ausgeführt wurde; diese Voraussetzung wurde auch in verschiedene Rechtsakte aufgenommen, wie z. B. in den Aboriginal Land Act 1978 (N.T.), den Aboriginal Land Rights Act 1983 (N.S.W.), den Aboriginal Affairs Planning AuthorityAct 1972 (W.A.), und den Fisheries Act Amendment Act 1979 (W.A.); vgl. auch UN Sub-Commission on the Prevention ofDiscrimination and the Protection ofMinorities, FlCN.4/Sub.21198617, para. 381. 42 Williams, Duke Law Journal (1990), 660 (695/696); Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (109). 43 Batistich, Auckland University Law Review 7 (1995), 1013 (1013).
A. Definition der Schlüsselbegriffe
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weder die Voraussetzungen für Staaten noch für andere Rechtssubjekte des Völkerrechts.
a) Staat Nach der Drei-Elemente-Lehre44 des Staatsrechts verfügt ein Staat über ein Staatsvolk und ein Staatsgebiet, welche von einer Staatsgewalt beherrscht werden.4s Diese Voraussetzungen erfüllen indigene Völker nicht. 46 Während das Volk und das Gebiet für die meisten indigenen Völker zu identifizier~n wäre, stellt sich die Frage, ob auch eine Staatsgewalt über Volk und Gebiet angenommen werden kann. Voraussetzung hierfür wäre die Organisation eines souveränen Staates mit voller Selbstregierung und rechtlicher Unabhängigkeit von anderen Staaten. 47 Ein Ansatzpunkt hierfür könnte die Andersartigkeit des sozialen und politischen Systems der indigenen Völker gegenüber den herrschenden Systemen der jeweiligen Staatsgewalt bieten. So verstehen sich einige indigene Völker - insbesondere in Nordamerika - als "Nationen" und üben in einem nicht unerheblichen Maße eine Selbstregierung in eigenen Angelegenheiten aus. 48 Hierbei beschränken sich die indigenen Systeme jedoch auf die Regelung des täglichen und spirituellen Lebens der jeweiligen Gruppe und erheben keinen Anspruch auf die Qualifizierung als "Staat" im völkerrechtlichen Sinn. Jedenfalls ist die Voraussetzung der rechtlichen Unabhängigkeit von anderen Staaten für indigene Völker regelmäßig nicht erfüllt.
b) Verträge Einen weiteren Hinweis auf die internationale Rechtspersönlichkeit indigener Völker könnten die Verträge geben, die von den Völkern mit den Kolonialmächten über die Landnutzung geschlossen wurden. Nach einigen Stimmen in der Verdross/Simma, § 380 m. w. N. I der Konvention über die Rechte und Pflichten von Staaten, vom 26.12.1933, in dem neben diesen Elementen auch die Fähigkeit genannt wird, auswärtige Beziehungen zu unterhalten; vgl. Lapidoth, Journal of International Affairs 45 (1992), 325 (328) m. w. N. 46 Batistich, Auckland University Law Review 7 (1995),1013 (1014). 47 Verdross/Simma, § 380. 48 Gardiner-Garden, Aboriginality and Aboriginal Rights Internationally, 19; Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (100 f.). 44
4' Vgl. auch Art.
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Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen
Literatur handelt es sich bei diesen Abkommen um Verträge des Völkerrechts. 49 Allerdings wurden die indigenen Völker auch zu der Zeit des Vertragsabschlusses häufig nicht als gleichberechtigte Partner in Verhandlungen angesehen. Diese fehlende Anerkennung indigener Völker setzt sich bis heute in dem Fehlen ihrer nationalen und internationalen Rechtspersönlichkeit fort. Besonders kontrovers wird diese Frage in Neuseeland hinsichtlich des Treaty ofWaitangi und in Nordamerika hinsichtlich der vielfältigen mit indigenen Völkern abgeschlossenen Verträge geführt. Sowohl in Neuseeland als auch in den USA werden diese Verträge unter dem nationalen Recht als gültige Rechtsinstrumente anerkannt, die auch heute noch Ansprüche der jeweiligen indigenen Völker begründen können. Es ist jedoch umstritten, ob diesen Verträgen zur Zeit ihres Abschlusses ein internationaler Charakter zukam. So verweist Brownlie darauf, daß die Briten den Treaty von Waitangi als internationalen Vertrag angesehen und ihn in die entsprechenden Vertragssarnmlungen aufgenommen haben. so Erst nach dem Abschluß der Verträge sei es im Völkerrecht zu einer Entwicklung gekommen, nach der diese Verträge mit indigenen Völkern nicht mehr als internationale Verträge anerkannt wurden. Dies sei aber unerheblich, da es lediglich auf den Zeitpunkt der in Frage stehenden Handlung ankomme. Insofern seien diese Verträge als völkerrechtliche Verträge zu werten. S1 Auch Chieflustice Marshallleitet aus der Naturrechtsphilosophie die Souveränität der indianischen Stämme sowie deren Fähigkeit bzw. Befugnis zum Abschluß von internationalen Verträgen ab. S2 Allerdings ist heute weitgehend anerkannt, daß diese Verträge, selbst wenn sie zur Zeit ihres Abschlusses als "international" zu qualifizieren waren, zwar als rechtsverbindliche Instrumente, nicht aber als völkerrechtliche Verträge zu werten sinds3 • Von dem fehlenden völkerrechtlichen Charakter der Verträge mit indigenen Völkern gingen auch die internationalen Entscheidungen Cyunga Indians CaseS\ Palmas lsland Arbitrationss und Legal Status ofEastern Greenland Case S6
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50 51
Sanders, Human Rights Quarterly ll (1989),406 (427/429). Brownlie, Treaties and Indigenous Peoples, 8. Ebd.
52 Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (683) m. w. N. zu den einzelnen Entscheidungen. 53 Study on treaties, agreements and other constructive arrangements between States and indigenous populations, ElCNA/Sub.2/1995/27 und ElCNA/Sub. 2/1996/23, 3 ff.; ComtasseVPrimeau, Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 (356). 54 R.I.A.A., Vol. 6, 173. 55 R.I.A.A., Vol. 2, 829. 56 DänemarkINorwegen, P.C.I.J. 1933 (Ser. NB), No. 53, 33.
A. Definition der Schlüsselbegriffe
33
aus. S7 Aus dem Abschluß dieser Verträge jedenfalls wird heute keine internationale Rechtspersönlichkeit indigener Völker abgeleitet.
c) Neuere Entwicklungen Neuere Entwicklungen im Völkerrecht deuten auf die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit indigener Völker hin. So wird argumentiert, daß sich in der neueren Entwicklung des Völkerrechts, in der auch andere Institutionen als Staaten in einem begrenzten Umfang eine internationale Rechtspersönlichkeit zugesprochen wird, S8 die internationale Rechtspersönlichkeit aus der Existenz von Befugnissen und Rechten ableitet und nicht umgekehrt. s9 In den letzten Jahrzehnten sind durch die völkerrechtliche Normierung der Menschenrechte und damit auch der Rechte indigener Völker große Regelungsbereiche der ausschließlichen nationalen Kompetenz entzogen und dem Völkerrecht unterstellt worden. 60 Aus dieser Entwicklung des Völkerrechts ergeben sich Rechte indigener Völker,61 aus denen sich wiederum ihre internationale Rechtspersönlichkeit ableiten könnte, da diese Rechte vermehrt internationale Anerkennung gefunden haben. 62 Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß die völkerrechtliche Rechtsträgerschaft nicht zwingend zur Völkerrechtssubjektivität führt. So kann eine Gruppe durchaus Trägerin von Rechten und insofern auch als solche anerkannt sein, ohne daß daraus eine darüber hinausgehende Anerkennung der etwaigen internationalen
V gl. auch Alfredsson, Encyclopedia of Public International Law 8 (1985), 314 f. Vgl. zum Beispiel bereits für Internationale Organisationen Advisory Opinion des Internationalen Gerichtshofs in dem Fall Reparation/or Injuries Suffered in the Service 0/ the United Nations, ICJ Reports 1949, 174 ff. 59 Leary, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 194 (194); ähnlich auch Coulter, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 198 (199), der eine Rechtspersönlichkeit indigener Völker insoweit annimmt als sie Täger von völkerrechtlichen Rechten sind. 60 Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997),97 (l07); Nettheim, International Law and Indigenous Political Rights: Yesterday, Today and Tomorrow, 19; Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9,4/5. 61 Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (107). 62 Berman, American Society ofInternational Law Proceedings 79 (1985), 189 (191); vgl. dazu auch Leary, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 194 (194), der aus diesem Grund eine stärkere Formulierung von internationalen Normen zugunsten der Rechte und Befugnisse indigener Völker fordert. 57
58
3 Schillhorn
34
Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen
Rechtspersönlichkeit abzuleiten ist. 63 Denn über völkerrechtliche Rechten und Pflichten hinaus kann die internationale Rechtspersönlichkeit an folgenden Kriterien festgemacht werden: die FähigkeitlBefugnis, internationale Verträge und Abkommen einzugehen; die FähigkeitlBefugnis, Fälle vor ein internationales Tribunal zu bringen; der Umstand, daß das jeweilige Subjekt nicht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterworfen ist; die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen und Rechte und Pflichten gegenüber anderen Subjekten mit internationaler Rechtspersönlichkeit. 64 Hinsichtlich der Fähigkeit bzw. der Befugnis, internationale Verträge abzuschließen, ist festzustellen, daß indigene Völker zunehmend an internationalen Verhandlungen beteiligt werden. Doch gründet sich eine derartige Teilnahme meist auf politische, nicht aber rechtliche Überlegungen, da sich auch heute noch das Völkerrecht auf Staaten als Rechtssubjekte konzentriert. 6s Weiterhin ist eine solche Beteiligung in der Regel auf einen Beobachterstatus beschränkt und schließt kein eigenes Rede- und Stimmrecht der indigenen Völker ein. Zu nennen ist an dieser Stelle jedoch die Entwicklung im Rahmen des Umsetzungsprozesses der Konvention über biologische Vielfalt. 66 Unter dem Vertrag wurde eigens ein Workshop zum Thema der biologischen Vielfalt und des indigenen Wissens ins Leben gerufen, der unter gleichberechtigter Beteiligung indigener Völker und der Vertragsstaaten Vorschläge für die künftige institutionelle Beteiligung indigener Völker an der Umsetzung der Konvention erarbeiten sollte.67 Aber auch aus dieser recht weitgehenden Beteiligung läßt sich keine Befugnis indigener Völker ableiten, selbst internationale Abkommen zu schließen. Eine umfassendere direkte Beteiligung indigener Völker dagegen besteht im Rahmen der WGIP, die zwar Teil des UN-Systems ist, nicht aber selbständig völkerrechtliche Verträge abschließt, sondern allenfalls Vorbereitungen und Vorschläge für solche erarbeitet. Das Forum der WGIP ist seit Jahren für Berichte von Vertretern und Vertrete-
Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (389). Leary, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 194 (194). 6S Sanders, Human Rights Quarterly 11 (1989),406 (419). 66 Vom 05.06.1992, BGB!. 199311, 1742ff. 67 Workshop on Biological Diversity and Indigenous Knowledge, November 1997 in Madrid, vorgesehen durch die Entscheidung IIII14 der Conference of the Parties der Konvention über Biologische Vielfalt. Doch auch in diesem Rahmen ist die Beteiligung indigener Völker noch auf die Übermittlung ihrer Belange beschränkt. Eine Beteiligung von Repräsentanten indigener Völker an den Entscheidungsgremien des CBD-Systems ist derzeit noch Gegenstand der Verhandlungen. 63
64
A. Definition der Schlüsselbegriffe
35
rinnen indigener Völker offen. 68 So wurden auch die Regeln über den Status und die Beteiligung von NGOs im Rahmen der WGIP flexibler gestaltet. Auf dieser Grundlage war es möglich, im Jahre 1989 ein UN-Seminar durchzuführen, bei dem indigene Teilnehmende den Abgesandten der Staaten gleichberechtigt gegenübertraten. 69 Weiterhin wurde im Rahmen der WGIP ein Dokument einer nationalen Organisation70 anerkannt, das neben anderen Ansprüchen indigener Völker auch die internationale Rechtspersönlichkeit im Hinblick auf Verträge und Abkommen fordert. 71 Die Beteiligung in diesem Rahmen hat jedoch nicht zu der Anerkennung einer Rechtspersönlichkeit indigener Völker geführt. So definiert die von der WGIP erarbeitete Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples72 indigene Völker und die mit ihnen geschlossenen Verträge zwar als Subjekte internationalen Interesses, billigt ihnen aber auch keine internationale Rechtspersönlichkeit im eigentlichen Sinne ZU. 73 An diesem Umstand hat sich auch im UN-Jahr der indigenen Völkee4 nichts geändert, obwohl viele indigene Völker fordern, daß ihr Verhältnis zu demjeweiligen Heimatstaat nicht durch innerstaatliches Recht, sondern durch das Völkerrecht geregelt wird. 75 So haben indigene Völker immer wieder eine internationale Rechtspersönlichkeit beansprucht, um sich gegen Enteignungen, Kolonisierung und Integration zu wehren. Diese Ansprüche wurden auf den originären und individuellen Charakter ihrer Gesellschaften gegründet, die bereits seit Jahrtausenden vor der Kolonisierung auf den von ihnen bewohnten Gebieten bestanden.16 Allerdings ist das Völkerrecht allein wohl ungeeignet, korrigierend im Namen der "Gerechtigkeit" einzugreifen. So ist es unwahrscheinlich, daß durch das Völkerrecht die historisch begründeten Beschwerden dieser Gruppen zu deren Zufriedenheit gelöst werden. 71
68 Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 107 (107) m. w. N.; Sanders, Human Rights Quarterly 11 (1989), 406 (408). 69 Sanders, Human Rights Quarterly 11 (1989),406 (419). 70 Die Principles lor Guiding the Deliberations 01 the Working Group on Indigenous Populations, die von dem Indian Law Resource Center entwickelt wurden. 71 Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 107 (115). 72 FlCNA/Sub.211993/26. 73 Williams, Duke Law Journal (1990), 660 (699). 74 Vgl. AlRes/45/164 vom 18.12.1990. 75 Bergin, Environmental and Planning Law Journal 10 (1993), 438 (447). 76 Berman, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 189 (190); Falk, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 17 (18). 77 Brilmayer, Cornell International Law Journal 25 (1992), 555 (556).
3·
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Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen
Dies sieht man bereits daran, daß schon in den achtziger Jahren eine gewisse Einigkeit in der akademischen Diskussion zugunsten einer internationalen Rechtspersönlichkeit indigener Völker bestand,78 diese Meinungen sich jedoch in den folgenden Jahren nicht in verbindlichen völkerrechtlichen Regelungen niedergeschlagen haben. 79 Der Grund für diese fehlende Umsetzung in bindendes Völkerrecht ist unter anderem auch darin zu sehen, daß das Völkerrecht nach wie vor auf Staaten konzentriert ist und die Anerkennung der internationalen Rechtspersönlichkeit von Individuen oder Völkern sehr restriktiv behandelt wird. 80 So werden indigene Völker in der völkerrechtlichen Praxis auch heute noch fast ausschließlich als Subjekte der innerstaatlichen Jurisdiktion des jeweiligen Staates denn als Völkerrechtssubjekt angesehenY Somit läßt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht feststellen, daß indigenen Völkern eine internationale Rechtspersönlichkeit nach dem Völkerrecht zukommt.
ll. Kulturelle Besonderheiten von indigenen Völkern Der Begriff der "kulturellen Besonderheiten" der indigenen Völker, wie er in dieser Arbeit verwendet wird, urnfaßt " ... all expressions of the relationship between the people, their land and other living beings and spirits which share the land, and [are] the basis for maintaining social, economic and diplomatie relationships - through sharing - with other peoples. ,,82
Diese Definition ist auf den anthropologischen Kulturansatz gegründet, der "Kultur" als all das versteht, was einem Volk zu eigen ist, d. h., was es von anderen Völkern unterscheidet und damit seine Identität ausmacht ("everything that belongs to the distinct identity of a people")83 sowie die Gesamtheit des intellektu78 Siehe im einzelnen: American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 198 (189 ff.). 79 V gl. insbesondere ILO-Konvention Nr. 169 von 1989 und die Draft Declaration von 1993, in denen die Anerkennung auf die internationale Rechtspersönlichkeit von indigenen V ölkern fehlen. 80 Leary, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 194 (195). 81 Wil/iams, Duke Law Journal 1990, 660 (664). 82 ,,All expressions of the relationship between the people, their land and other living beings and spirits which share the land, and [are] the basis for maintaining social, economic and diplomatie relationships - through sharing - with other peoples", UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities, FlCN.4/Sub.21 1993/28 (39). 83 Ebd. (8).
A. Definition der Schlüsselbegriffe
37
ellen und materiellen Wissens und der Wissensanwendung durch alle Gruppen dieses Volkes und des Volkes an sich ("the totality of the knowledge and practices, both intellectual and material, of each of the particular groups of a society, and - at a certain level - of a society itself as a whole")84.85 Diese Definition der kulturellen Besonderheiten hat in der genannten Fonn noch keinen Eingang in völkerrechtliche Verträge gefunden. Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß diesen Verträgen zumeist ein anderes Konzept von "Kultur" zugrunde liegt, das als Kultur nur die höchsten intellektuellen Errungenschaften von Menschen ("the highest intellectual achievements of human beings: the musical, philosophical, literary, artistic, and architectural works, ... seen by communities as their best achievements")86 umfaßt. 87 Dieses Verständnis von "Kultur" hat sich allerdings in der Auseinandersetzung mit den komplexen Systemen Erbes und der kulturellen Besonderheiten von indigenen Völkern als zu eng erwiesen. 88 Aus diesem Grund wird diese Arbeit, wie auch die Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities, dem anthropologischen Kulturbegriff folgen und den umfassenderen Kulturbegriff verwenden. 89
Irr. Internationale Umweltschutznormen Der Begriff der Umwelt und damit auch des Umweltschutzes ist sowohl im internationalen als auch im nationalen Recht bisher nicht genau definiert wor-
84 Prott, in: Crawford, 93 (94); Shutkin, Virginia Joumal ofintemational Law 31 (1991), 479 (488); Nair, Indian Journal ofinternational Law 34 (1994),1 (5). 8S Siehe auch Szabo, 51154; Wyss, 19; Delbrück in: Wolfrum, Recht aufinformationSchutz vor Information, 181 (184). 86 Prott, in: Crawford, 93 (94); vgl. auch Coombe, Canadian Journal of Law and Jurisprudence 6 (1993), 249 (256). 87 Siehe z. B. das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16.11.1972, BGBI. 197711,215 ff., nach deren Artikel 1 Denkmäler, Ensembles und Stätten als "Kulturerbe" qualifiziert werden; Artikel 15 des IPWSKR, der sich auf "Werke der Wissenschaft, Literatur oder Kunst" bezieht, Abs. I (c), sowie die Übereinkommen zum Schutz geistigen und kulturellen Eigentums, vgl. unten Teil III. I. 5. 88 Vgl. Wright, University of British Columbia Law Review 1995, 45 (46) für die Aborigines Australiens; siehe auch English, Environmental and Planning Law Journal 1996, 103 (103); Coombe, Canadian Journal of Law and Jurisprudence 6 (1993), 249 (258 f.). 89 Zu den Besonderheiten indigenen kulturellen Erbes vgl. unter B. dieses Abschnitts.
38
Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen
den. 90 Es gibt zwar eine Reihe von internationalen Instrumenten, die eine Definition von "Umwelt" enthalten,91 eine allgemein anerkannte völkerrechtliche Definition existiert jedoch nicht. Als grundlegende theoretische Konzepte zur Bestimmung des Begriffes "Umwelt" kommen der anthropologische Ansatz92 und der nicht-anthropologische Ansatz93 in Betracht. Nach dem anthropologischen Ansatz ist die Umwelt zu schützen, um sie für die Menschheit zu erhalten. Nach dem nicht-anthropologischen Ansatz dagegen ist die Menschheit als Teil der Umwelt anzusehen, die ihrerseits um ihrer selbst willen zu schützen ist. 94 Die frühen umweltrechtlichen Bestimmungen gründeten sich auf den anthropologischen Ansatz, indem sie auf den Erhalt von natürlichen Ressourcen in einem für das Überleben der Menschheit nötigem Maß abzielten. 9s In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Abschluß von Abkommen zu nennen, die die Quotierung von Fang- oder Jagdrechten hinsichtlich bestimmter Arten zum Gegenstand hatten. 96
90 Wolfrum. Recueil des Cours 272 (1998). 9 (9); Shelton. Stanford Journal of International Law 28 (1991), 103 (107). 91 Vgl. Bimie/Boyle. 2/3 m. w. Beispielen. 92 Siehe Gonnley. Geogetown International Environmental Law Rev 3 (1990), 85 (86). 93 Siehe Ehrenfeld. The Arrogance ofHumanism 1978,176-211; Tribe. Yale Law Journal83 (1974). 1315. 94 Vgl. hierzu im einzelnen Gillespie. 4-19; Redgwell. in: Boyle/Anderson (eds.). 71 ff. 9S Vgl. z. B. Abs. 5 und 7 der Präambel der Walfang-Konvention, wonach: "The Governments ... [have] decided to conclude a Convention to provide for the proper conservation of whale stocks and thus make possible the orderly development of the whaling industry" und ..... whaling operations should confined to those species best able to sustain exploitation in order to give an interval of recovery to certain species of wh ales now depleted in numbers." Siehe in diesem Zusammenhang auch Meyers. Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992),479 ff. 96 V gl. z. B. den 1885 geschlossenen Vertrag über die Lachsfischerei am Rhein, Text in: Rüster/Simma/Boch (Hrsg.). Band XXV, 200; das Abkommen zum Schutz der für die Landwirtschaft nützlichen Vögel vom 19.03.1902, RGBl. 1906,89; das Abkommen zum Pelzrobbenschutz vom 07.07.1911, abgedruckt in: Rüster/Simma/Boch. Bd. VIII, 3682, erneuert durch das Übereinkommen zur Erhaltung der nordpazifischen Pelzrobben vom 09.02.1957, abgedruckt in: Rüster/Simma/Boch. Bd. VIII, 3716; das Übereinkommen zur Regelung des Walfangs vom 24.09.1931, abgedruckt in: Rüster/Simma/Boch. Bd. VII, 3466, abgelöst durch das internationale Übereinkommen zur Regelung des Walfangs vom 02.12.1946, BGBl. 198211,559; das Abkommen zum Schutz der Thunfische im Atlantik
A. Definition der Schlüsselbegriffe
39
Daneben haben aber internationale Abkonunenjüngeren Datums vennehrt auch den eigenständigen (intrinsic) Wert der Umwelt anerkannt. 97 So heißt es zum Beispiel in Abs. 3 der Präambel der World Charter for Nature: ., ... every fonn of life is unique, warranting respect regardless of its worth to man .....
und .,mankind [peoplekind) is part ofnature and life depends on the uninterrupted functioning of natural systems which ensure the supply of energy and nutrients."
Die Präambel der Berner Convention on the Conservation of European Wildlife and Natural Habitats bestätigt: ., ... wild flora and fauna constitute a natural heritage of aesthetic, scientific, cultural, recreational, economic and intrinsic value that needs to be preserved and handed on to futUre generations."
Das jüngste umfassende Übereinkommen zum Schutz der Umwelt dagegen, die Konvention über Biologische Vielfalt, nimmt beide Aspekte auf. Während im ersten Absatz der Präambel der Eigenwert der biologischen Vielfalt anerkannt wird, findet sich im selben Absatz auch der Hinweis auf den Wert der biologischen Vielfalt und ihrer Bestandteile in ökologischer, genetischer, aber auch sozialer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, erzieherischer, kultureller und ästhetischer Hinsicht sowie im Hinblick auf ihre Erholungsfunktion. Nach diesem Ansatz ist die Menschheit ein mit der Umwelt verbundener und abhängiger Teilnehmer in einem Ganzen mit Pflichten, alle Elemente der Natur zu schützen und zu erhalten, unabhängig davon, ob sie selbst davon profitiert, einen wirtschaftlichen Nutzen erlangt oder nicht. 98 Damit liegt also ein anthropologischer Ansatz vor, der aber nicht allein als utilitaristisch bezeichnet werden kann. 99 Das Überleben wird als das fundamentalste Ziel angesehen, aus dem sich die Notwendigkeit der Umwelterhaltung für zukünftige Generationen als gemeinsames Interesse der Menschheit ableitet. 100 So findet sich in internationalen um-
vom 14.05.1966, Rüster/Simma/Boch, Bd. VIII, 3772; das Übeinkonunen zur Erhaltung der antarktischen Robben vom 01.06.1972, BGB!. 1987 n, 92; das Abkommen zum Schutz der Eisbären vom 15.11.1973, Rüster/Simma/Boch, Bd. V, 2276, sowie die Regelungen über wandernde Fischarten nach dem Internationalen Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen. 97 Shelton, Stanford Journal ofInternationai Law 28 (1991),103 (109). 98 Ebd. (110). 99 Ebd. 100 Ebd.
40
Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen
weltrechtlichen Instrumenten immer häufiger der Bezug zu künftigen Generationen. 101 Allerdings ist zu beachten, daß das Verständnis von Umwelt in verschiedenen Kulturen unterschiedlich ausgeprägt ist. Dem westlichen Verständnis von Umwelt liegt die Dichotomie Mensch-Umwelt - und damit grundsätzlich der anthropologische Ansatz - zugrunde, wie an der Umweltdefinition der Stockholmer Declaration on the Human Environment lO2 zu erkennen ist. Danach ist die Umwelt des Menschen: ..... which gives hirn [and her] physical sustenance and affords hirn [and her] the opportunity for intellectual, spiritual, moral and social growth ... both aspects of man's [human's] environment, the natural and the man-made, are essential for his [and her] wellbeing and enjoyment of human rights. ,,103
Die Umwelt urnfaßt somit alle natürlichen und kulturellen nicht-menschlichen Aspekte des Lebens. 104 Der Umweltschutz nach dieser Definition ist vorrangig auf den Vorteil für die Menschen gerichtet. 105 Dagegen steht jedoch das Umweltverständnis, das in den meisten indigenen Kulturen zu finden ist. Diesen Kulturen ist die Dichotomie Mensch-Umwelt nicht bekannt, vielmehr werden sowohl Menschen als auch die nicht-menschlichen Aspekte des Lebens als integrale Bestandteile eines Ganzen angesehen. 106 Diese Bestandteile stehen in vielfältiger Beziehung zueinander und können nicht voneinander getrennt werden. 107 Die weiteren Besonderheiten dieses indigenen Umweltverständnisses werden im nächsten Abschnitt genauer betrachtet werden,I08 doch ist es schon an dieser Stelle unerläßlich, festzustellen, daß ein allgemeingültiges globales Verständnis von Umwelt, und damit auch von Umweltschutz, nicht existiert.
Vgl. Shelton. Stanford Journal of International Law 28 (1991), 103 (110) m. w. N. Vom 16.06.1972, I.L.M. 11 (1972), 1416, im folgenden Stockholm Erklärung. 103 1. Absatz der Präambel der Stockholm Erklärung. \04 Eine ähnliche Erklärung findet sich in s 47 (3) des Aboriginal Land Grant (Jervis Bay Territory) Act 1986 (Cth) Australien: ..... all aspects of the surroundings of a natural person." und im Oxford Dictionary, wonach ,Environ • als ..conditions or influcences under which any person or thing lives or is developed" beschrieben wird. 105 Shelton. Stanford Journal ofInternational Law 28 (1991),103 (108). \06 Wolje/BechardlCizek/Cole. 13114; KapashesitiKlippenstein. McGill Law Journal 36 (199011991),925 (930). \07 Scott. Journal of Sociology & Anthropology 75 (1989), 193 (195). 108 V gl. unter B. 10\
102
B. Umweltrelevante kulturelle Besonderheiten von indigenen Völkern
41
Im Rahmen dieser Arbeit jedoch, und insbesondere bei der Prüfung der internationalen Umweltschutzvorschriften wird das oben genannte westliche Verständnis im Sinne der Stockholmer Deklaration zugrunde gelegt. Dies geschieht vor allem deshalb, weil die Instrumente, die im folgenden zu untersuchen sind, sich auf dieses Verständnis von Umwelt gründen und auch nur in diesem Zusammenhang zu verstehen sind. Danach sind also Umweltschutzbestimmungen solche, die auf den Schutz und die Erhaltung aller nicht-menschlichen Aspekte des Lebens gerichtet sind.
B. Ethnologische Grundlagen Umweltrelevante kulturelle Besonderheiten von indigenen Völkern Es gibt zur Zeit weltweit etwa 200 bis 300 Millionen Menschen 109 in mehr als Staaten, die sich indigenen Völkern zugehörig fühlen. lll Diese Völker sind auf allen bewohnten Kontinenten der Erde zu finden. Von der Wüste Australiens bis zum kanadischen und skandinavischen Polarkreis und dem südamerikanischen Urwald sind indigene Völker in den verschiedensten geographischen Gebieten heimisch. ll2 Aufgrund dieser geographischen Verteilung und der meist recht großen Isolation dieser Völker haben sich die jeweiligen Kulturen über zehntausende von Jahren als individuelle ll3 und in der Regel sehr komplexe Systeme 114 entwickelt.
40 110
Wegen dieser Individualität und Komplexität ist es praktisch unmöglich, Aussagen zu treffen, die für all diese Kulturen gleichermaßen zutreffend sind. lls Dies wird auch in Artikel 34 der ILO-Konvention Nr. 169 anerkannt, der eine flexible
109 Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 3; Suagee, University ofMichigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (679), der darauf hinweist, daß die Angehörigen indigener Völker ca. 4-5 % der Weltbevölkerung ausmachen; vgl. auch Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (103); ComtassellPrimeau, Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 (346); Davies/Soejtestad, World Bank Environment Department Dissemination Notes No. 21 (1995), 1 (1). 110 Alfredsson, EPIL 8 (1985), 311 (311). 111 Beauclerk/Narby, 3. 112 Ebd. 113 Hilpold, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften 97 (1998), 30 (31). 114 Beauclerk/Narby, 5; Wolfe/Bechard/Cizek/Cole, 12113; Herz, Virginia Law Review 79 (1993), 691 (699). 115 Kapashesit/Klippenstein, McGill Law Journal 36 (199011991), 925 (929).
42
Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen
Handhabung der Konvention vorsieht, um den unterschiedlichen Bedingungen Rechnung zu tragen. 116 Andererseits ist es jedoch ebenso unmöglich, eine ethnologische Einführung in alle bestehenden indigenen Kulturen zu geben und sei es auch nur im Hinblick auf ihre umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten. Diese notwendigen Grenzen haben zu Restriktionen in der folgenden Darstellung geführt: Wegen der großen Menge an indigenen Völkern werden hier nur die Völker der Maoris Neuseelands, die Aborigines Australiens und die indigenen Völker der Vereinigten Staaten und Kanadas beispielhaft untersucht. Diese Auswahl ergibt sich daraus, daß zum einen in diesen Staaten eine starke Interessenvertretung der indigenen Völker besteht und zum anderen die "Heimatstaaten" dieser Völker ein ausgeprägtes System von internationalen und nationalen Umweltvorschriften haben. Weiterhin werden im folgenden die umweltrelevanten kulturellen Aspekte hervorgehoben, die diesen indigenen Völkern - im Vergleich zu westlichen Kulturen - gemeinsam l17 sind. Obwohl diese Völker sehr unterschiedliche Kulturen entwickelt haben,118 gibt es gerade im Hinblick auf umweltrelevante Aspekte der Kultur einige Gemeinsamkeiten, 119 die in den westlichen Kulturen keine Entsprechung finden. 120 Als äußerliches Merkmal ist zunächst festzuhalten, daß indigene Völker in der Regel in einem sehr unmittelbaren Zusammenhang von und mit ihrer Umwelt leben. 121 Viele bestreiten auch heute noch wenigstens einen Teil ihres Lebens116 Art. 34 ILO-Konvention Nr. 169: 'The nature and sope ofthe measures to be taken to give effect to this Convention shall be determined in a flexible manner, having regard to the conditions characteristic of each country." 117 Vgl. hierzu Meyers, University ofTasmania Law Review 14 (1995),1 (23); Blumm, Canterbury Law Review 4 (1990), 211 (211). 118 Kapashesit/Klippenstein, McGill Law Journal 36 (1990/1991), 925 (929 f.), die sich dabei sogar nur auf die indigenen Völker Normdamerikas beziehen; Wolfe/Bechard/Cizek/ Cole, 12/13; Hilpold, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften 97 (1998), 30 (45). 119 Lyons, American Society ofInternational Law Proceedings 79 (1985), 202 (202), der sich auf eine Aussage der Haudenosaunee beruft, in der es heißt: "our ideologies, philosophies and religions have much in common with other indigenous peoples"; siehe auch Beauclerk/Narby, 3; Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 4; Kapashesit/Klippenstein, McGill Law Journal 36 (199011991), 925 (929 f.); Hilpold, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften 97 (1998), 30 (31). 120 Te Puni Kokiri, 9. 121 1983 Draft Declaration of Principles for Submission for the UN Working Group on Indigenous Populations, zitiert in Davies, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 200 (2011202); siehe auch Beauclerk/Narby, 4; Juli, Social Alternatives 9
B. Umweltrelevante kulturelle Besonderheiten von indigenen Völkern
43
unterhalts aus der Jagd, der Fischerei oder dem Sammeln. 122 Dabei sind diese Tätigkeiten häufig als komplexes System integraler Bestandteil der jeweiligen indigenen Kulturen. 123 Dieser äußerliche Aspekt würde jedoch nicht ausreichen, die umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker herauszustellen. Vielmehr ist ein Blick auf die grundlegenden Konzepte von Mensch und Umwelt erforderlich, um wenigstens einen Eindruck dieser Besonderheiten zu erhalten. So lassen sich konzeptionelle umweltrelevante Aspekte indigener Kulturen zusammenfassen unter die Begriffe: fehlende Dichotomie zwischen Mensch und Natur,124 spirituelles Verhältnis zur Natur, 125 Besorgnis um die nachhaltige Erhaltung der Umwelt (sustainability), Verständnis von Gegenseitigkeit und Verhältnis von Respekt und Verpflichtung hinsichtlich der Umwelt. 126 Grundlage all dieser Aspekte ist ein System von traditionellen Regeln, die das tägliche wie auch das spirituelle Leben bestimmen. 127 Die UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities beschreibt dieses Verhältnis wie folgt:
(1991),47 (47); DavieslSoeftestad, World Bank Environment Department Dissemination Notes No. 21 (1995),1 (I). 122 Blumm, Canterbury Law Review 4 (1990), 211 (211); Cycon, New England Law Review 25 (199011991),761 (764) m. w. N.; Barsh, Meanjin 49 (1990), 723 (727); Daviesl Soeftestad, World Bank Environment Department Dissemination Notes No. 21 (1995), I (I); DavisIWali, 4; Freeman, in: Native People and Renewable Resource Management, 29 (31); Cordell, 41; Bryner, Alaska Law Review 12 (1995), 293 (296); Rinaldi, Virginia Journal of Natural Resources Law 7 (1987-1988), 147 (150). 123 Kapashesit/Klippenstein, McGill Law Journal 36 (199011991), 925 (933/934) für die Cree Nordamerikas. 124 Aussagen wie folgende: "The people, territory, and nation were and are synonymous with the Haudenosaunee", zitiert in: Lyons, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 202 (202), finden sich für fast alle indigenen Völker; Scott, Journal of Sociology & Anthropology 75 (1989), 193 (195); Kapashesit/Klippenstein, McGill Law Journal 36 (199011991),925 (929); Suagee, University of Michigan Journal ofLaw Reform 25 (1992), 671 (697); DavisIWali, 4; Te Puni Kikiri, 9 f.; siehe auch oben, Einleitung. 123 Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992),671 (677) m. w.N; Meyers, University of Tasmania Law Review 14 (1995), I (24); Schug, Marine Policy 20 (1996), 209 (209). 126 Kapashesit/Klippenstein, McGill Law Journal 36 (1990/1991), 925 (929); Brownlie, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, I (4) mit Verweis auf Northern Frontier, Northern Homeland: Report of the Mackanzie Valley Pipeline Inquiry (OUawa 1977); Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 107 (117). 127 Vgl. UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities ElCN.4/Sub.21198617 & Adds. 1-4,28; siehe auch BeauclerkINarby, 4.
44
Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen "All indigenous communities have, and uphold, a complete code of rules of various kinds which are applicable to the tenure and conservation of lands as an important factor in the production process, the foundation of farnily life and the territorial basis for the existence of their people as such. The whole range of emotional, cultural, spiritual and religious considerations is present where the relationship with the land is concerned ... The land forms part of their existence ... 128
Die emotionalen, kulturellen, spirituellen und religiösen Aspekte des Lebens spielen also in dem Verhältnis zum Land und zur Umwelt die entscheidende Rolle.!29 Die Umwelt wird dadurch zum Teil der Existenz und der Kultur der indigenen VölkerYo Das Land wird als sozialer Raum, als soziale und kulturelle Identität verstanden.!3! Im Hinblick auf die nordamerikanischen indigenen Völker wurde dieses Verhältnis so beschrieben, daß diese Teil des Landes sind und das Land als Teil von ihnen angesehen wird. 132 Jeder Bestandteil dieses Universums wird als lebendig angesehen, und all diese Teile werden als miteinander verwandt betrachtet. \33 Diese verwandtschaftliche Verbindung, die in vielen indigenen Kulturen zwischen einzelnen Personen und Bestandteilen ihrer Umwelt besteht, ist ein weiteres Indiz für das besondere Verhältnis, das den indigenen Kulturen hinsichtlich ihrer Umwelt zu eigen ist. 134 So muß auch die Geschichte der indige-
128 UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities FlCN.4/Sub.21198617 & Adds. 1-4, 28; vgl. auch Al501l8 und CERD/C/50/ MisC.7. 129 WoljeIBechardlCizekiCole, 14; Torres, Yale Journal of International Law 16 (1991), 127 (138); Wright, University ofBritish Columbia Law Review 1995,45 (46) für die Aborigines Australiens; Ward, Ecology Law Quarterly 19 (1992), 795 (797) für die Indianer der USA; vgl. auch Report of the Expert Seminar on Practical Experiences Regarding Indigenous Land Rights and Claims, FlCN.4/Sub.2/AC.41l996/6/Add.l. 130 V gl. UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities FlCN.4/Sub.21198617 & Adds. 1-4,28 und Indigenous People and their Relationship to Land, FlCN.4/Sub.211997, 17; siehe auch Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 107 (117); Williams, Duke Law Journal 1990, 660 (689) unter Verweis auf die Ausführungen der indigenen Völker vor der WGIP; Meyers, University ofTasmania Law Review 14 (1995), 1 (24 f.). 131 Report of the United Nations Technical Conference on Practical Experience in the Realization of Sustainable and Environmentally Sound Self-development of Indigenous Peoples, FlCN.4/Sub.211992/311AM. 1, 21; Barsh, American Journal of International Law 81 (1987),756 (761); Falle, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 17 (22); Ganz, The Georgetown International Environmental Law Review 9 (1996),173 (174). \32 Booth/Jacobs, Environmental Ethics 12 (1990), 27-43, zitiert in WoljeIBechardi CizekiCole, 15. 133 Vine Deloria, Native American Leader, zitiert in WoljeIBechardlCizekiCole, 13. 134 WoljeIBechardlCizekiCole, 18; lbarra, FlCN.4/Sub.2/19921311Add.l, 22; Boyles, Cornell Law Review 76 (1990/1991),1117 (1122 f.).
B. Umweltrelevante kulturelle Besonderheiten von indigenen Völkern
45
nen Völker im Hinblick auf das Land und die Umwelt mit beachtet werden, wenn die Frage nach der Identität der indigenen Völker gestellt wird. 135 Weiterhin sind die Ausübung des Glaubens und der religiösen Überzeugungen sowie die kulturellen Rechte indigener Völker nicht von der Frage der Landrechte zu trennen. 136 Auch dieser Umstand läßt sich auf das integrative Verhältnis der indigenen Völker mit der Natur zurückführen. Aufgrund der physischen und spirituellen Einheit des Menschen mit der direkten Umwelt und dem ganzen Kosmos besteht in indigenen Kulturen ein komplexes System von Verantwortung für die Umwelt und all ihrer Bestandteile. 137 So ist die Spiritualität der australischen Aborigines untrennbar von dem Land auf und von dem sie leben. 138 Werden sie von ihrem Land vertrieben, so ist ihr Wissen nicht mehr mit dem Land in Übereinstimmung und die Einheit zwischen Religion, Spiritualität, Kultur und täglichem Leben mit der neuen Umwelt muß neu entwickelt werden - ein Prozeß, der, wenn er überhaupt gelingt, sehr langwierig sein kann. 139 Dabei gehen häufig nicht nur das traditionelle Wissen hinsichtlich des jeweiligen Landes, sondern auch ganze Teile der Kultur verloren. In Einzelfällen kann es sogar zum Verlust der Kultur als solcher kommen. Grundsätzlich wird in indigenen Kulturen nicht zwischen religiösem und spirituellem Leben einerseits und ..weltlichem" Leben andererseits unterschieden: fast jedem Aspekt des Lebens kommt eine spirituelle Bedeutung zu; 140 ebenso, wie jedem Menschen, Tier, Geist und sogar einigen geographischen Formationen menschliche Qualitäten zukommen, wodurch das Prinzip der Gegenseitigkeit zwischen diesen Elementen eine besondere Bedeutung erhält. 141 Ein weiterer Aspekt der kulturellen Besonderheiten ist die Nahrungsbeschaffung indigener Völker. Viele indigene Völker bestreiten auch heute noch große
Falk. in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 17 (22). Barsh. Four Directions Council to UN Commission on Human Rights, 1984. 137 Wolfe/Bechard/Cizek/Cole. 14und 18; Wiggins. YaleJournalofInternatioanlLaw 18 (1993). 345 (348); Williams. West Virginia Law Review 96 (1994), 1132 (1163). 138 Blackbum J. Millirrpum v. Nabalco Pty Ltd. (1971) 17 FLR 141 (267); Hawkel Gallagher. 36; McRaeiNettheimiBeacroft. 45; WolfeiBechard/Cizek/Cole. 18; Australian Law Reform Commission Report No. 31. Vol. 2, 125 ff. 139 Wolfe/Bechard/Cizek/Cole. 16. 140 Kapashesit/Klippenstein. McGill Law Journal 36 (199011991), 925 (930). 141 Scott. Journal of Sociology & Anthropology 75 (1989), 193 (195); Kapashesit/Klippenstein. McGill Law Journal 36 (199011991), 925 (929). 13'
136
46
Teil 11: Definitionen und ethnologische Grundlagen
Teile ihrer Nahrung auf traditionelle Weise. 142 Dabei ist die traditionelle Nahrungsbeschaffung ebenso wichtig wie der Nährwert der so erworbenen Lebensmittel. 143 Aus nordamerikanischen Untersuchungen geht hervor, daß Angehörige indigener Völker im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überproportional an Diabetes erkrankt sind. Dieser Umstand wurde darauf zurückgeführt, daß das Nahrungsverwertungssystem der Indianer noch nicht an die "westliche Zivilisationsnahrung" angepaßt sei, die im Vergleich mit der traditionell beschafften Nahrung äußerst leicht zu verwerten ist. Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch in anderen Ländern finden. So ist eine traditionelle Nahrungsbeschaffung nicht allein aus kulturellen, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen dort sinnvoll, wo sie von den Angehörigen indigener Völker erwünscht l44 ist. Diese Traditionen können jedoch nur dann ausgeführt werden, wenn die indigenen Völker Zugang zu ihren traditionellen Gebieten und die Möglichkeit haben, diese zu nutzen. 145 So haben sich viele indigene Völker in den letzten Jahrzehnten vermehrt gegen Integrations- und Assimilierungsversuche gewendet und statt dessen versucht, die Verbundenheit mit den traditionellen Gebieten sowie Praktiken und Traditionen wiederzubeleben und ihr Leben in Würde und entsprechend ihrer eigenen Werte zu leben. 146 Dies gilt unabhängig von dem Umstand, daß sich natürlich auch viele Angehörige indigener Völker der westlichen Lebensweise angepaßt haben und auch die Kulturen selbst nicht von dieser Lebensweise unbeeinflußt geblieben sind. Generell kann jedoch festgehalten werden, daß indigene Völker sich heute stärker zu ihrer historischen kulturellen Identität und damit auch zu dem besonderen kulturellen Verhältnis zur Umwelt bekennen als dies noch vor ein paar Jahren bzw. Jahrzehnten der Fall war. 142 BeauclerkINarby, 41, die sogar davon ausgehen, daß einige indigene Völker ihre Nahrung ausschließlich durch traditionelle Aktivitäten erwerben; Torres, Yale Journal of International Law 16 (1991), 127 (136) für die Miskitos Kanadas; Altman, in: Edwards (ed.), 53 (56) für die Gunwinggu Aborigines im Ambern Land (NT); Altman/Allen, in: Birckhead/De Lacy/Smith (eds.), 117 (121 ff.) für die Situation in den Nationalparks Kakadu, Rudall River (Karlarniliyi), Purnululu (Bungle Bungle) sowie Central Amhern land, Central Australia und Maralinga lands in Australien; vgl. auch Bericht der Australian Law Reform Commission No. 31, Vol. 2, 120 ff. zu Traditional Hunting, Fishing and Gathering Practices; für die Inuit Grönlands vgl. Nutall in: Minority Rights Group (ed.), 1 (21). 143 Altman, in: Edwards (ed.), 53 (59) für die Gunwinggu Aborigines im Amhern Land (NT); die Inuit Grönlands vgl. Nutall in: Minority Rights Group (ed.), I (21). 144 BeauclerkINarby, 42143, die auf einen entsprechenden Wunsch des Dene Volkes in Kanada verweisen; Wildsmith, Alaska Law Review 12 (1995), 293 (296 f.). 145 Siehe in diesem Zusammenhang: BeauclerkINarby, 41. 146 Falle, in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 17 (33).
B. Umweltrelevante kulturelle Besonderheiten von indigenen Völkern
47
All diese Aspekte machen deutlich, daß indigene Völker nicht nur ein sehr enges, sondern auch ein sehr komplexes Verhältnis zu und mit der Umwelt haben, in der sie leben. Die Umwelt ist dabei ein integrativer Bestandteil nicht nur der indigenen Kulturen, sondern auch der Menschen selbst. Dieses Verhältnis ist auch die Grundlage für verschiedene umweltrelevante Praktiken, wie sie von indigenen Völkern angewandt werden.
Teil III
Internationaler Schutz der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker Inhalte und systematische Betrachtung Für den rechtlichen Schutz der kulturellen Besonderheiten indigener Völker kommen im internationalen Recht vor allem zwei Rechtsbereiche in Betracht: die Menschenrechte und der Schutz geistigen Eigentums. Bei der Anwendung dieser Rechtsgebiete auf indigene Völker sind die Besonderheiten dieser Völker und ihrer Kulturen ebenso zu beachten wie das besondere Schutzbedürfnis, das sich hieraus ableitet. So verstehen sich indigene Völker und deren Angehörige vorrangig als Gruppe l bzw. als Teil einer solchen, nicht aber als einzelne Individuen. 2 Zwar können einige der indigenen kulturellen Besonderheiten auch durch die Individualmenschenrechte geschützt werden, doch der eigentliche Schutz der indigenen Völker und ihrer Kulturen kann nur durch den Schutz der gesamten Gruppe erfolgen. Es wäre unzureichend, Rechte indigener Völker nur über den Individualmenschenrechtsschutz oder den Schutz des individuellen geistigen Eigentums schützen zu wollen, da die negativen Einflüsse sich gerade auch auf die jeweilige Gruppe und nicht nur auf einzelne Angehörige dieser Völker beziehen. 3 Der internationale Menschenrechtsschutz dagegen ist vorrangig als Individualrechtsschutz ausgeprägt,4 während Gruppenrechte im internationalen Recht nur im
IStromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (578). Arizona Law Review 32 (1990), 739 (742); Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 (586). 3 Coulter, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 198 (200); Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 (584). 4 Anaya, Arizona Journal ofinternational and Comparative Law 8 (1991), 1 (3); Reisman, American Journal oflnternational Law 4 (1990), 866 ff.; Stromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (578). 2 Clinton,
A. Inhalte des internationalen Schutzes
49
Ansatz enthalten sind. 5 Doch auch im Völkerrecht zeichnet sich eine Entwicklung zugunsten von Gruppenrechten ab. 6 Bei der Prüfung des rechtlichen Schutzes indigener kultureller Besonderheiten ist mithin vorrangig auf die Gruppenrechte abzustellen. Die Individualrechte haben jedoch ebenfalls Relevanz, da auch hierdurch ein gewisser Schutz für indigene kulturelle Besonderheiten erreicht werden kann.
A. Inhalte des internationalen Schutzes der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker Der völkerrechtliche Schutz der kulturellen Besonderheiten indigener Völker ergibt sich zunächst aus dem Völkervertragsrecht. Doch auch das Völkergewohnheitsrecht und neuere Entwicklungen im internationalen Recht können Ansätze zum Schutz der indigenen kulturellen Besonderheiten bieten.
I. Völkervertragsrechtlicher Schutz der umweltrelevanten kuitureUen Besonderheiten indigener Völker Für den völkervertragsrechtlichen Schutz der kulturellen Besonderheiten indigener Völker in bezug auf die Umwelt kommen die ILO-Konventionen über indigene Völker Nr. 1077 und 169, die Internationalen Menschenrechtspakte,8 die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung9 und der vertragsrechtliche Schutz des geistigen Eigentums in Betracht.
S Clinton, Arizona Law Review 32 (1990), 739 (740), der diesen Umstand auf die westliche Idee der Menschenrechte als Schutz des Individuums vor dem Staat zulÜckführt; siehe auch Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (390), der sich entschieden gegen Gruppenrechte ausspricht. 6 Anaya, Arizona Journal oflnternational and Comparative Law 8 (1991), 1 (3). 7 Angenommen am 26.6.1957 in Genf, in Kraft getreten am 2.6.1959; UNTS 328, 247, im folgenden ILO-Konvention Nr. 107. 8 Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte, vom 19.12.1966, BGB!. 1973 11, 1553 ff. und Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, vom 19.12.1966, BGB!. 197311,1569 ff. 9 Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, 7.3.1966, BGB!. 1969 11, 961, im folgenden CERD.
4 Schillhorn
50
Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
1. [LO-Konventionen über indigene Völker Nr. 107 und 169 Die ILO-Konvention Nr. 169 Concerning Indigenous and Tribai Peoples in Independent Countries und die ILO-Konvention Nr. 107 Concerning the Protection and Integration of Indigenous and other Tribai and Serni-Tribal Populations in Independent Countries sind die einzigen rechtlich verbindlichen Völkerrechtsverträge, die ausschließlich auf den Schutz der Rechte indigener Völker gerichtet sind. 1O Dabei stellt die ILO-Konvention Nr. 169 die revidierte Fassung der ILOKonvention Nr. 107 darY Die Konvention Nr. 107 war auf das Ziel gerichtet, indigene Völker in die jeweilige nicht-indigene Gesellschaft zu integrieren l2 • Deshalb war diese Konvention in den 70er und 80er Jahren zunehmend der Kritik indigener Völker,13 aber auch der internationalen Gemeinschaft l4 ausgesetzt. Die neue Konvention Nr. 169 hat dieses Ziel der Integration durch die Ziele der Multikuituralität1S und der internen Selbstbestimmung l6 ersetzt. Dabei werden vor allem
10 Swepston, Oklahoma City University Law Review 15 (1990),677 (680); Sanders, Human Rights Quarterly 11 (1989),406 (412/413); Stromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (576). 11 Herz, Virginia Law Review 79 (1993), 691 (711). 12 Dieses Ziel findet sich in vielen Bestimmungen der Konvention, grundlegend ist aber vor allem Art. 2 Abs. 1: "Governments shall have the primary responsibility for their [the indigenous populations] progressive integration into the life oftheir respective countries"; vgl. aber auch Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), 1 (6); Barsh, Oregon Law Review 62 (1983), 73 (81) mit besonderem Verweis auf Art. 5 und 7 der ILO-Konvention Nr. 107; Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (319) und Caportorti, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (603); Cholewinski, Human Rights Quarterly 10 (1988), 344 (361); Falk, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 17 (33); Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 107 (113/114 und 126); Stromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (576 und 582); Swepston, Oklahoma City University Law Review 15 (1990), 677 (679); Hilpold, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften 97 (1998), 30 (37 ff.). \3 Samson, Interantional Commission of Jurists The Review 42 (1989), 43 (43/44); Bergin, Environmental and Planning Law Journal 10 (1993), 438 (440); Falle, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 17 (33); Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 107 (113/114 und 126); Sanders, Human Rights Quarterly 11 (1989),406 (4121413). 14 Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), 1 (7) mit Verweis auf Report of the Meeting of Experts, ILO: Partial Revision of Indigenous and Tribal Populations Convention, 1957 (No. 107), Report VI (1), International Labour Conference, 75th Session 100-118 (1988), para. 46; Barsh, American Journal ofInternational Law 81 (1987),756 (756-759); Cycon, New England Law Review 25 (1990/1991),761 (782) m. w. N.; Swepston, Oklahoma City University Law Review 15 (1990), 677 (679). 15 Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), 1 (7) mit Verweis auf Paragraph 5 der Präambel der Konvention Nr. 169; Swepston, Oklahoma City
A. Inhalte des internationalen Schutzes
51
die Möglichkeiten der Kontrolle über eigene Institutionen, Lebensstile und wirtschaftliche Entwicklung sowie die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der indigenen Identitäten, Sprachen und Religionen im Rahmen des bestehenden Staates hervorgehoben 17 und damit ein internationaler Schutz der indigenen Kulturen an sich geschaffen. So wurde das Recht indigener Völker, ihre eigene Entwicklung soweit wie möglich selbst zu bestimmen und zu kontrollieren, als Hauptthema dieses Instrumentes beschrieben. 18 Dazu gehöre auch das Recht, traditionelle Ökosysteme in indigenem Besitz zu erhalten und diese Gebiete zu bewirtschaften; weiterhin sei ein Mitwirkungsrecht an der Planung und Entwicklung dieser Gebiete und das Recht enthalten, das Land vor umweltschädlichen Einflüssen zu bewahren. 19 Dieser Ansatzwandel im Hinblick auf den Umgang mit indigenen Völkern und deren Kulturen läßt sich bereits im Titel der jeweiligen Instrumente wiederfinden. Während die Konvention Nr. 107 von "indigenous populations" (indigene Bevölkerung) spricht, stellt die Konvention Nr. 169 auf "indigenous peoples" (indigene Völker) ab. Schon allein an dieser Wortwahl ist der neue Ansatz zu erkennen, der nicht auf den Schutz zu integrierender Bevölkerungsgruppen, sondern vielmehr auf den Schutz kulturell eigenständiger Völker als solcher abzielt. Mit diesem Schutzansatz stellt die Konvention Nr. 169 eine bedeutende Weiterentwicklung der internationalen Rechte indigener Völker dar, obwohl auch sie der Kritik von indigenen Völkern20 und Staaten ausgesetzt bleibt. Hinsichtlich der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker im einzelnen enthält weder die Konvention Nr. 107 noch die Konvention Nr. 169 eine ausdrückliche Regelung. Mögliche Konflikte zwischen den indigenen Kulturen und dem Umweltschutz wurden offenbar bei dem Entwurf und der Annahme der Konvention Nr. 169 noch nicht gesehen und haben somit auch keinen expliziten Eingang in die Konvention gefunden. Die Konvention Nr. 169 ist in zehn
University Law Review 15 (1990), 677 (681); vgl. auch Stromski. American Indian Law Review 16 (1991), 575 (577). 16 Swepston. Interantiona1 Commission of Jurists The Review 42 (1989), 43 (45); Kastrup. Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (113); Anaya. Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991). 1 (36) mit Hinweis auf die Art. 4 und 6 der ILO-Konvention Nr. 169. 17 Rehoj, Nordic Journal of International Law 61 (1992), 19 (23). 18 Bergin. Environmental and P1anning Law Journal, 10 (1993), 438 (440). 19 Ebd. 20
4'
Swepston. Oklahoma City University Law Review 15 (1990),677 (682).
52
Teil I1I: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
Abschnitte unterteilt,21 von denen keiner ausschließlich den umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker gewidmet ist. Allerdings lassen sich aus der Konvention einige Rechte indigener Völker und Verpflichtungen von Staaten im Hinblick auf indigene umweltrelevante Besonderheiten ableiten.
a) Allgemeine Grundsätze Bereits in der Präambel der ILO-Konvention Nr. 169 sind die allgemeinen Menschenrechte und die kulturelle Diversität als zu verwirklichende Ziele angesprochen. 22 Weiterhin finden sich im ersten Abschnitt, der die allgemeinen Grundsätze enthält, einige Bestimmungen, die auch den Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten beinhalten könnten. So sollen etwa nach Art. 2 und 5 die soziale und kulturelle Identität, die Gebräuche, Traditionen und Institutionen indigener Völker geschützt werden. Von besonderer Bedeutung für den Schutz umweltrelevanter Besonderheiten indigener Völker sind auch die Bestimmungen der Art. 8 bis 10, die Rücksicht auf indigene Gebräuche und Traditionen bei der Anwendung nationaler und internationaler Nonnen verlangen. Diese Bestimmungen sind für die umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker insofern wichtig, als viele dieser Besonderheiten sich in Gebräuchen und Traditionen manifestieren. So kann es Teil der Tradition eines Volkes sein, bestimmte Pflanzen- oder Tierarten für Zeremonien und Rituale oder auch als Nahrungsmittel zu verwenden. Nach Art. 4 ILO-Konvention Nr. 169 ist zur Erreichung dieses Schutzes auch der Einsatz besonderer Maßnahmen zulässig. Besondere Maßnahmen können dann von Bedeutung sein, wenn die Ausübung der kulturellen Besonderheit durch indigene Völker eine von der restlichen Bevölkerung unterschiedliche Behandlung erfordert. Die Anwendbarkeit der Menschenrechte unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes ist in Art. 3 zu finden und Art. 6 und 7 ILO-Konvention Nr. 169 sehen eine Mitwirkung indigener Völker an der Schaffung und Anwendung der für 21 Im einzelnen sind die Titel dieser Abschnitte: Allgemeine Grundsätze; Land; Einstellung und Arbeitsbedingungen; Berufsausbildung, Handwerke und ländliche Industrien; Sozialversorgung und Gesundheit; Ausbildung und Mittel der Kommunikation; grenzüberschreitende Wanderungen; VerwaitunglDurchsetzung der Konvention; allgemeine Vorschriften und Abschlußvorschriften. Mit Ausnahme der grenzüberschreitenden Wanderungen und der Abschlußvorschriften finden sich die gleichen Abschnitte auch in der Konvention Nr. 107 wieder. 22 Hilpold. Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften 97 (1998), 30 (43).
A. Inhalte des internationalen Schutzes
53
sie geltenden nationalen Regelungen vor. Diese Rechte und Pflichten beziehen sich nicht so sehr auf inhaltliche Fragen als vielmehr auf prozedurale Richtlinien, die beim Umgang mit indigenen Rechten und Besonderheiten zu berücksichtigen sind.
b) Landrechte
aa) Relevanz der Landrechte für umweltrelevante kulturelle Besonderheiten Der zweite Abschnitt der ILO-Konvention Nr. 169 ist dem Thema "Land" gewidmet. In diesem Abschnitt geht es vorrangig um das Eigentum indigener Völker an den von ihnen traditionell bewohnten Gebieten. Dies ist in der Entwicklung indigener Rechte das wohl grundlegendste Thema. 23 Zunächst ist festzuhalten, daß es in den meisten der traditionellen indigenen Kulturen kein Konzept gab, das dem Eigentum und insbesondere dem Grundeigentum im westlichen Sinn entsprach. Die Gebiete waren in gewisser Weise an verschiedene Gruppen verteilt, so daß Fremde nicht ohne weiteres Zugang oder Nutzungsrechte hinsichtlich bestimmter Gebiete hatten. Doch diese Folge ergab sich nicht aus Eigentumsregelungen, sondern vielmehr daraus, daß das Volk und seine Angehörigen zu einem bestimmten Gebiet gehörten. Es war also genau umgekehrt: nicht das Land gehört den Menschen, sondern die Menschen gehören auf das und zu dem Land. 24 Dieses Verhältnis zwischen Mensch und Land hat sich auch durch den Kontakt zu europäischen Kulturen nicht entscheidend verändert. Allerdings war es nach dem Kontakt und vor allem durch die fortschreitende Expansion der nicht-indigenen Siedlungen in den jeweiligen Staaten notwendig, daß sich indigene Völker an das westliche Rechtssystem insofern anpassen, daß sie das Land, zu dem sie gehören, durch Eigentumstitel nach westlichen Verständnis beanspruchen. Diese Entwicklung ist für viele indigene Völker immer noch einer der zentralsten Punkte in ihrem Kampf um eigene Rechte. 2s
23 Vgl. beispielsweise Avery, in: Bartlett (ed.), 113 ff.; Barker, University of Western Australian Law Review 15 (1983), 245 (247 ff.); Meyers, University of Tasmania Law Review 14 (1995), 1 ff.; Banlett, in: Bartlett (ed.), 35 ff.; Hili, Human Rights Quarterly 17 (1995),303 ff.; Bemdl, in: Berndt, 1 ff.; Northern and Central Land Councils, 19 f.; Bartell, Western Australian Law Review 25 (1995), 127 ff. 24 Siehe oben Teil 11. B., kulturelle Besonderheiten indigener Völker; vgl. auch CERDI C/50IMisc.7. 2~ Ganz. The Georgetown International Environmental Law Review 9 (1996),173 (173).
54
Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
Auch für die Frage nach den Rechten indigener Völker bezüglich ihrer umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten ist die Eigentumsfrage nicht unerheblich, jedoch ist sie nicht in der gleichen Art und Weise zentral wie sie es für die "Gesamtemanzipation" indigener Völker ist. Im Hinblick auf umweltrelevante kulturelle Besonderheiten geht es hauptsächlich um Zugangs- und Nutzungsrechte hinsichtlich des Landes und der dort lebenden Flora und Fauna. Diese Nutzungsrechte können unabhängig von dem Eigentumsrecht an dem Land selbst bestehen. So ist es etwa möglich, daß der Staat das Eigentum an dem Land behält, die ansässigen indigenen Völker jedoch ungestört ihrer Kultur auf diesem Land nachgehen können. Insofern, als es um privatrechtliche Ausschlußrechte von der Benutzung des Landes geht, ist natürlich ein Eigentumstitel von Vortei1. 26 Allerdings geht es bei der Kollision umweltrechtlicher Vorschriften mit den kulturellen Besonderheiten indigener Völker weniger um privatrechtliche Eingriffe, sondern vielmehr um öffentlich-rechtliche Eingriffe durch umweltrechtliche Vorschriften. Und diese wären auch auf solche Gebiete anwendbar, die im privatrechtlichen Eigentum indigener Völker stehen. Eine andere Wertung ergibt sich lediglich dann, wenn die Eigentumsrechte indigener Völker an ihrem Land auch ein gewisses Maß an Selbstbestimmung bzw. Selbstregierung einschließen würden. 27 Nur in diesem Fall ist es denkbar, daß die indigenen Völker selbst über die Anwendbarkeit oder aber die Art der Umsetzung von nationalen und internationalen Umweltschutznormen entscheiden könnten und dadurch mögliche Konflikte vermeiden oder aber lösen könnten.
bb) Inhalte der Landrechte nach der ILO-Konvention Nr. 169 Jedoch sind auch in diesem zweiten Abschnitt der ILO-Konvention Nr. 169 über das Land einige Bestimmungen zu finden, die für die in Frage stehende Problematik Konflikte der kulturellen Besonderheiten indigener Völker mit internationalen Umweltbestimmungen von Bedeutung sein könnten. So werden in Art. 13 die Staaten aufgefordert, die besondere Wichtigkeit des Landes für die indigenen Kulturen anzuerkennen 28 •29 Weiterhin werden in Art. 14 die Nutzungs-
27
Barker. University ofWestem Australian Law Review 15 (1983), 245 (253 f.). Barker. University ofWestem Australian Law Review 15 (1983), 245 (255).
28
Art. 13 Abs. 1 ILO-Konvention Nr. 169:
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"In applying the provisions of this Part of the Convention govemments shall respect the special importance for the cultures and spiritual values of the peoples concemed of their relationship with the lands and territories, or both as applicable, which they occufor the cultures and spiritual values of the peoples concemed of their relationship with the lands
A. Inhalte des internationalen Schutzes
55
rechte indigener Völker an den Gebieten anerkannt, an denen sie keine Eigenturnsrechte haben30 und mit Art. 15 soll das Recht indigener Völker an ihren natürlichen Ressourcen gesichert werden. Dieses Recht an den natürlichen Ressourcen umfaßt das Recht der Mitwirkung an der Nutzung, der Verwaltung und des Schutzes dieser Ressourcen. 31 Schließlich ist in Art. 16 ILO-Konvention Nr. 169 das Recht indigener Völker anerkannt, nicht von ihrem Land vertrieben zu werden. Allerdings gilt dieses Recht nicht ohne Einschränkungen, da bereits in der Bestimmung selbst in den Absätzen 2 bis 5 Maßnahmen vorgesehen sind, die die Folgen einer solchen Vertreibung ausgleichen und mildem sollen.
c) Subsistenz und Gesundheit
In Art. 23 wird die Relevanz der lebenserhaltenden Aktivitäten anerkannt. Die Staaten werden verpflichtet, die Stärkung und die Weiterentwicklung der Subsistenzaktivitäten indigener Völker - wie zum Beispiel Jagen, Fischen, und Sammeln - zu fördern und zu unterstützen. Da diese Aktivitäten bei indigenen Völkern häufig im engen Zusammenhang mit kulturellen, spirituellen und religiösen Aspekten stehen,32 können auch sie umweltrelevante kulturelle Besonderheiten darstellen. Weiterhin ist Art. 25 zu nennen, wonach bei der Gesundheitsversorgung unter anderem die sozialen und kulturellen Bedingungen der indigenen Völker ebenso beachtet werden sollen wie deren traditionellen Vorbeugemaßnahmen, Heilungsand territories, or both as applicable, which they occupy or otherwise use, and in particular the collective aspects fo this relationship ... 29 Vgl. auch Swepston, Oklahoma City University Law Review 15 (1990), 677 (683), der jedoch auch auf die Schwierigkeit hinweist, das jeweilige Verhältnis auf das ,Land' als solches zu begrenzen. 30 Art. 14 Abs. 1 ILO-Konvention Nr. 169: "The rights of ownership and possession of the peoples concerned over the lands which they traditionally occupy shall be recognized. In addition, measures shall be taken in appropriate cases to safeguard the right of the peoples concerned to use lands not exclusively occupied by them, but to which they have traditionally had access for their subsistence and traditional activities. Particular attention shall be paid to the situation of nomadic peoples and shifting cultivators in this respect." 31 Art. 15 Abs. 1 ILO-Nr. 169: "The rights ofthe peoples concnerned to the natural resources pertaining to their lands shall be specially safeguarded. These rights include the right ofthese peoples to participate in the use, management and conservation of these resources." 32 KancewickiSmith, University ofMissouri Kansas City 59 (199011991), 645 (649).
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
praktiken und Arzneimittel. In diesem Bereich sind die kulturellen Besonderheiten insofern relevant, als der Zugang zu traditionellen Pflanzen und Tieren, aber auch zu bestimmten religiösen oder spirituellen Stätten sowohl für die physische als auch für die psychische Gesundheit33 der Angehörigen der indigenen Völker von zentraler Bedeutung sein kann.
d) Zusammenfassung Die ILO-Konvention Nr. 169 enthält eine Reihe von Rechten indigener Völker, die auf den Schutz umweltrelevanter Besonderheiten indigener Kulturen ausgerichtet sind oder für einen solchen Schutz instrumentalisiert werden können.
2. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte 34 selbst enthält keine ausdrücklichen Regelungen im Hinblick auf indigene Völker. Jedoch ist in der Menschenrechtsliteratur unumstritten, daß die allgemeinen Menschenrechte, die in dem IPBPR und in dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte3S enthalten sind, auch auf indigene Völker anzuwenden sind. 36 Damit stehen den Angehörigen indigener Völker alle allgemeinen bürgerlichen und politischen Rechte aus dem IPBPR zu. Es gibt jedoch Bestimmungen in diesem Pakt, die für indigene Völker und damit auch für ihre umweltrelevanten 33 V gl. zur Definition von "Gesundheit" als Zustand der völligen physischen, mentalen und sozialen Wohlbefindens im Gegensatz zur Abwesenheit von Krankheiten, Willis, The Georgetown International Environmental Law Review 9 (1996), 195 (197 ff.) unter Bezugnahme auf die Verfassung der Weltgesundheitsorganisation. 34 Im folgenden: IPBPR. 35 Siehe unten unter 3. 36 So im Ergebnis auch Alfredsson, Journal of International Affairs 36 (1982), 113 (119); Wolfrum, Europa Archiv 1993,681-686); Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (391) und Capotorti, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (603); Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (110); Suagee, University ofMichigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (681); Rehof, Nordic Journal ofInternational Law 61 (1992), 19 (22); Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 18, I und Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 13; vgl. auch Obsahl, in: Summary Record ofthe Human Rights Committee, 25th Session, UN Doc. CCPR/ClSR.618, 8; Stromski, American Indian Law Review 16 (1991),575 (581) unter Verweis auf die Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples, die die Anwendbarkeit der allgemeinen Menschenrechtsbestimmungen auf indigene Völker bereits in ihrer Präambel feststellt.
A. Inhalte des internationalen Schutzes
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kulturellen Besonderheiten von spezieller Bedeutung sind. Dies sind Art. 1, der allen Völkern das Recht auf Selbstbestimmung zuspricht und Art. 27, der einen besonderen Minderheitenschutz im Rahmen des Paktes enthält.
a) Artikel 1 IPBPR (Selbstbestimmungsrecht) Nach Art. 1 Abs. 1 haben ,,[A]lle Völker [ ... ] das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung". Könnten auch indigene Völker das Recht auf Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 IPBPR ausüben, so wären sie in der Bestimmung ihres kulturellen, spirituellen und alltäglichen Lebens weitgehend unabhängig von der bestehenden Staatsgewalt. Diese Form der Selbstbestimmung könnte auf verschiedenste Weise ausgestaltet sein. So gäbe es die Möglichkeit, das Recht auf Selbstbestimmung in einer Form Selbstregierung innerhalb des bereits bestehenden Staates auszuüben. 37 Eine solche Selbstregierung könnte sich auch auf die Regelung umweltrelevanter Aspekte ihres kulturellen und alltäglichen Lebens beziehen wie z. B. die Umsetzung und Anwendung nationaler und internationaler Umweltbestimmungen entsprechend der indigenen kulturellen Besonderheiten. Doch auch im Falle einer Selbstregierung würde die auswärtige Gewalt, und damit auch die Befugnis, internationale Verpflichtungen zu übernehmen, bei dem Heimatstaat des indigenen Volkes verbleiben. Denkbar ist jedoch, daß in diesem Fall Vereinbarungen hinsichtlich des Ratifikationsverhaltens und der Entwicklung neuer völkerrechtlicher Verpflichtungen zwischen den indigenen Gruppen und der Regierung des Heimatstaates abgeschlossen werden, um auch bei der Teilnahme am internationalen Rechtskreis die Interessen der indigenen Völker zu sichern. Solche Vereinbarungen könnten beispielsweise dahingehend ausgestaltet sein, daß den indigenen Völkern als Gruppe die Mitwirkung an der nationalen Durchsetzung internationaler Instrumente gesichert wird, oder daß die indigenen Völker diese Normen selbst durchsetzen, soweit sie ihr Land und ihre Umwelt betreffen. 38 Im folgenden ist damit zu untersuchen, welcher Inhalt dem Recht auf Selbstbestimmung i. S. d. Art. 1 IPBPR zukommt und ob dieses auch auf indigene Völker Anwendung findet. 37 Anaya. Iowa Law Review 75 (1990),837 (842); vgl. auch Aboriginal Self-Determination, Cassidy (ed.), 20 ff. und die Arbeit der WGIP unter FJCN.4/Sub.2 der letzten Jahre. 38 Vgl. Crawford. Australian Law Journal 63 (1989), 392 (400 f.) zu verschiedenen Arten solcher Abkommen.
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Teil I1I: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
aa) Wörtliche Auslegung Das Selbstbestinunungsrecht nach Art. 1 IPBPR steht nur "Völkern" zu. Dabei enthält Art. 1 IPBPR selbst keinen Hinweis auf die Definition des Begriffes ,Volk' oder eine Abgrenzung dieses Begriffes gegenüber ethnischen Gruppen, kulturellen oder religiösen Gemeinschaften oder indigenen Völkern39 oder den genauen Inhalt des gewährten Selbstbestinunungsrechts. 4O Der Wortlaut der Bestimmung läßt jedoch auf ein umfassendes Selbstbestinunungsrecht schließen, indem er bestinunt, daß diese Völker das Recht haben, sowohl ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung als auch über ihren politischen Status frei zu bestinunen. Diese Freiheit der Entscheidung über den politischen Status schließt neben den Alternativen der freien Assoziierung und der Integration auch die Alternative des unabhängigen Staates ein, in der die Selbstbestinunung im Zusanunenhang mit der Befreiung von Kolonialmächten auf die eigene Staats werdung gerichtet ist. 41 Diese Alternative wurde von vielen ehemaligen Kolonien in den sechziger Jahren ausgeübt als der IPBPR entstand. 42 Aber auch in jüngerer Zeit wurde das Selbstbestinunungsrecht herangezogen, um die Schaffung eines unabhängigen Staates zu begründen. Dies war vor allem im Rahmen der Auflösung der Sowjetunion und Jugoslawiens der Fall. Wie diese Fälle im einzelnen rechtlich einzuordnen sind, mag dahinstehen, denn die meisten indigenen Völker streben nicht nach der unabhängigen Staatswerdung,43 sondern wollen das Selbstbestinunungsrecht nach dem gemeinsamen Art. 1 der Pakte innerhalb ihres jeweiligen Heimatstaates ausüben. 44
39 Makinson, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 69 (74); Torres, Yale Journal of International Law 16 (1991),127 (155). 40 Wilson, Connecticut Journal ofInternational Law 11 (1996),433 (458). 41 Im einzelnen sind die Möglichkeiten der Unabhängigkeit, der freien Assoziierung und der Integration als Formen der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts anerkannt; vgl. Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992),671 (685) und (692) m. w. N., der außerdem auch verschiedene Formen der innerstaatlichen Autonomie zu den Ausübungsformen der Selbstbestimmung zählt. 42 Delbrüclc, Vereinte Nationen 1977,6 (7). 43 Lam, Cornell International Law Journal 25 (1992),603 (608); Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 578 (592); Brownlie, in: Crawford, 4 (6); Berman, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 189 (193); Richardson, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 204 (207); Kingsbury, Cornell International Law Journal 25 (1992), 481 (500). 44 Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (692) m.w.N.
A. Inhalte des internationalen Schutzes
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bb) Historische und systematische Auslegung Nach der herkömmlichen Auslegung des Art. 1 Abs. 1 wird der Begriff, Völker' so verstanden, daß nur die Völker eines Staates oder eines noch abhängigen Gebietes (Kolonie) in den Anwendungsbereich dieser Nonn fallen. 4s Insofern kann auf die obigen Ausführungen zum herkömmlichen Begriff des Volkes verwiesen werden. 46 Inhaltlich war das Selbstbestimmungsrecht, insbesondere im Hinblick auf die Grundpfeiler der Charta der Vereinten Nationen und der gesamten Völkerrechtsordnung - der Souveränität und der territorialen Integrität - auf solche Situationen beschränkt, in denen sich ein Volk von einer Kolonialmacht oder einer auf Apartheid gegründeten Diktatur befreite. 47 In einern politischen System dagegen, in dem die Regierung auf nicht-diskriminierende Weise die gesamte Bevölkerung repräsentiert, wurde ein Selbstbestimmungsrecht nach Art. 1 der Menschenrechtspakte abgelehnt. 48 Diese Ablehnung gründet sich im wesentlichen auf die Prinzipien der Souveränität und der territorialen Integrität, da mit der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts auch immer die Gefahr der unabhängigen Staatswerdung einherging. 49 Eine solche lehnen aber die Staaten insbesondere auch für indigene Völker ab. so Die systematische Auslegung des Rechts auf Selbstbestimmung aus den Menschenrechtspakten führt aber zu dem Ergebnis, daß neben dem oben beschriebenen "klassischen" Recht auf Selbstbestimmung auch ein Selbstbestimmungsrecht in den Pakt enthalten ist, das innerhalb bestehender Staaten zur Verwirklichung der Menschenrechte beitragen kann. So kann das Selbstbestimmungsrecht unter Einbeziehung der Verwirklichung der Menschenrechten nicht darauf beschränkt werden, lediglich die Erlangung der Souveränität in einem einzigen Ausübungsakt zu umfassen; vielmehr ist es auf die Sicherung der Rechte von Individuen und Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (390); WiLliams, Duke Law Journal (1990), 660 (665). Vgl. oben Teil 11. I. 1. 47 Harris, 96; Batistich, Auckland University Law Review 7 (1995), 1013 (1026); Bryant, Saskatchewan Law Review 56 (1992), 267 (277); vgl. auch A.L.R.c. Report No. 31, VoLl, (128); Lam, Cornelllnternational Law Journal 25 (1992),603 (616). 48 Kooijmans, Netherlands International Law Review 43 (1996),211 (212 f.); vgL auch Slatterly, Osgoode Hall Law Journal 32 (1994), 723; Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (390). 49 Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (692) m. w. N.; Wilson, Connecticut Journal ofInternational Law 11 (1996),433 (457). so Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (692) m. w. N.; vgL dazu auch Gardiner-Garden, Aboriginality and Aboriginal Rights Internationally, 5; Bryant, Saskatchewan Law Review 56 (1992), 267 (274 f.). 4S
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
Gruppen in einer politischen Ordnung gerichtet. Im Ergebnis sollen nachhaltige Bedingungen für die Ausübung der Freiheit geschaffen werden. 51 Diese Grundvoraussetzung für die Ausübung der Menschenrechte nach den Pakten kann aber im Fall von indigenen Völkern nur erreicht werden, wenn ein gewisses Maß an Selbstbestimmung realisiert wird.
ce) Ergebnis Somit ist festzuhalten, daß nach der Auslegung des Art. 1 Abs. 1 IPBPR die Anwendbarkeit eines inhaltlich beschränkten Rechts auf Selbstbestimmung auf indigene Völker nicht ausgeschlossen ist; diese Auslegung wird aber noch nicht übereinstimmend von den Vertragsparteien angenommen und praktiziert. 52
b) Art. 27 IPBPR (Minderheitenschutz) Nach Art. 27 IPBPR darf ,,Angehörigen [ethnischer, religiöser oder sprachlicher] Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen...53 Diese Anerkennung und Verpflichtung zum Schutz des kulturellen Lebens und der Religion könnte eine Rechtsgrundlage für die umweltrelevanten Besonderheiten indigener Völker darstellen.
aa) Anwendbarkeit des Art. 27lPBPR auf indigene Völker Dann müßte die Bestimmung des Art. 27 IPBPR auch auf indigene Völker anwendbar sein. Wie oben bereits festgestellt, sind indigene Völker als "Völker" und gerade nicht als "Minderheiten" zu qualifizieren, so daß nach dem Wortlaut 51 Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (693) m.w.N. 52 Vgl. auch Coulter/Janis/Miller/Schaaf, Indigenous Peoples, Self-Determination and the Unfounded Fear of Secession, Indian Law Resource Center, 3. 53 Vgl. zur historischen Entwicklung des Minderheitenschutzes Frowein, in: Achourl Laghmani (eds.), 123 ff.; s. auch Triggs, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples. 141 (144); Niewerth, 32 m. w. N.
A. Inhalte des internationalen Schutzes
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der Bestimmung eine Anwendbarkeit nicht in Betracht kommt. Doch lassen sich die Begriffe "Volk" und "Minderheit" nicht immer klar voneinander abgrenzen; auch ist das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander nicht genau definiert. S4 SO setzt sich eine Minderheit aus einer Personengruppe zusammen, die sich vom Rest der Bevölkerung hinsichtlich der ethnischen, religiösen und sprachlichen Charakteristika, sowie der kulturellen Zugehörigkeit deutlich unterscheidet, eine nicht-dominante Position innerhalb dieser Bevölkerung ausmacht, dieser zahlenmäßig unterlegen ist und den Willen, wenn auch nur implizit, zeigt, ihr Verhalten und ihre Art zu leben zu erhalten und zu entwickeln. ss Diese Definition deckt sich zum größten Teil mit der Definition indigener Völker als Bewohner eines bestimmten Gebietes, die heute unter fremder Staatsherrschaft leben, eine von der Staatskultur abweichende eigene und besondere Kultur haben und sich selbst als "indigenes Volk" identifizieren. Der Unterschied zu den Minderheiten tritt lediglich in dem Umstand zutage, daß indigene Völker Nachkommen der ursprünglichen Bewohner des jeweiligen Gebietes sind. Bei den Minderheiten dagegen handelt es sich, jedenfalls im klassischen Fall einer Minderheit, um Angehörige eines anderen Staates, die dem Schutz des Staates unterstellt werden, in dem sie nunmehr leben. Wie aus den travaux preparatoires zu Art. 27 IPBPR hervorgeht, bildete der Schutz fremder Staatsangehöriger die Grundlage dieser Bestimmung. 56 Eine solche Schutzwirkung jedoch ist nicht auf indigene Völker anwendbar, da sie i.d.R. zu keiner Zeit Angehörige eines anderen Staates im Sinne des Völkerrechts waren. S7 Die wenigstens historische Zugehörigkeit zu einem anderen Staat aber ist nicht zum Tatbestandsmerkmal des Art. 27 IPBPR geworden,s8 so daß allein dieser Umstand indigene Völker nicht von der Anwendbarkeit der Norm ausschließen kann. Der Schutzzweck der Bestimmung ist vielmehr der Schutz und die Förderung der Ausübung von Kulturen und Religionen, die sich nicht in der Bevölkerungsmehrheit des jeweiligen Staates finden. 59 Dieser Schutz ist für indigene De Zayas. 2. Andrysek. 60; Capotorti. EPIL 8 (1985), 386 (386); Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 18, 9/1 O. 56 De Zayas. 14. 57 Andrysek. 17. 58 Vgl. im einzelnen zum Begriff der Minderheit i. S. d. Art. 27 IPBPR Niewerth. 41 ff. (46), der auch ausländische Staatsangehörige unter den Begriff der Minderheit i. S. dieser Bestimmung faßt, wenn das Kriterium der Dauerhaftigkeit des Aufenthalts erfüllt ist. 59 Vgl. Tomuschat. in: Summary Record ofthe Human Rights Committee, 8th Session, UN Doc. CCPRlC/SRlI87, 7, para. 20 (1979). zitiert in: Cholewinski. Human Rights Quarterly 10 (1988), 344 (357); Rehof, Nordic Journal of International Law 61 (1992), 19 54 55
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TeilIlI: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
Völker in gleicher Weise von Bedeutung wie für Minderheiten. So haben auch und gerade indigene Völker im Verhältnis zu den anderen Staatsangehörigen eine eigene kulturelle Identität. Sie befinden sich Ld.R. hinsichtlich der Zahlen- und Machtverhältnisse im Staat in der Minderheit. Dies hat häufig zu einer rechtlichen oder faktischen Unterwerfung und wirtschaftlichen Entbehrungen der indigenen Völker geführt. So haben viele Angehörige indigener Völker einen deutlich geringeren Lebensstandard als der Rest der Bevölkerung des jeweiligen Staates. 60 Dieser Umstand hat dazu geführt, daß indigene Völker aufgrund der demographischen Gegebenheiten als Minderheit qualifiziert wurden,61 wobei wegen ihrer Unterschiedlichkeit zu "Minderheiten" im eigentlichen Sinne zum Teil gefordert wurde, sie als qualifizierte Minderheit anzusehen. 62 Diese Auffassung birgt jedoch gewisse Probleme,63 da sich indigene Völker selbst von der Bezeichnung als Minderheit L S. d. Art. 27 IPBPR distanziert haben. 64 So wurde die Qualifizierung als Minderheit von dem Vertreter des International Indian Treaty Council unter anderem aus dem Grund abgelehnt, daß eine solche Einordnung allein dem Ziel der Kolonialmächte entsprechen würde, indigene Völker nicht als eigenständige Völker, sondern als nationale Minderheiten behandeln zu können. 65 In der Praxis des Human Rights Cornmittees und in der Literatur hat dies dazu geführt, daß indigene Völker zwar nicht als "Minderheiten" qualifiziert werden, sie aber doch unter den Schutz des Art. 27 IPBPR sowie anderer Normen zum (21) unter Verweis auf die Entscheidung des Menschenrechtsausschusses in den Sachen Kitok - Schweden und Lubicon LAke Band - Kanada. 60 Rehof, Nordic Journal ofInternational Law 61 (1992), 19 (20). 61 Alfredsson. EPIL 8 (1985), 311 (311); Working Goup of the Human Rights Committee, CCPRlCI23/CRP.l (1984), para. 4 für die Australischen Aborigines; vgI. auch Niewerth. 53 m. w. N. 62 Rehof, Nordie Journal ofInternational Law 61 (1992), 19 (20). 63 Andrysek. 46. 64 Bell. in: An-Na'im, 339 (341); Hannum. American Society ofInternational Law Proceedings 79 (1985), 196 (197); Coulter. American Society of International Law Proceedings 79 (1985),198 (200); Turpel. Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 (587); de Zayas. 2; Suagee. University ofMichigan Journal ofLaw Reform 25 (1992), 671 (679), der zwar auf den faktischen Status indigener Völker als Minderheitskulturen hinweist, die rechtliche Einordnung indigener Völker als Minderheiten jedoch ablehnt; vgI. auch Minority Rights Fact Sheet No. 18 (10). nach dem indigene Völker nicht in der Definition der Minderheiten enthalten sind. 65 Diskussionen der Informal Working Group of the Human Rights Comrnission zum Enwurf der Declaration of Rights and Persons Belonging to National, Ethnic, Linguistic and Religious Minorities im März 1980, UN Doc. ElCN.4/L.1540 vom 10.3.1980, para. 31, 7, zitiert in: Andrysek. 15.
A. Inhalte des internationalen Schutzes
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Schutze von Minderheiten zu stellen sind. 66 Dies erscheint unter Berücksichtigung der Rechtsdogmatik und Rechtspolitik als sinnvolle Lösung dieser sensiblen Frage.
bb) Inhalt des Art. 27 IPBPR Durch Art. 27 IPBPR wurde das Problem der Minderheiten erstmals auf ein universelles Niveau67 gehoben. Diese Bestimmung gehört zum Diskriminierungsverbot des Paktes und ist damit im Zusammenhang mit den Art. 26 und Art. 2 Abs. 1 zu sehen. 68 Über das Diskriminierungsverbot hinaus enthält der Art. 27 IPBPR jedoch auch Pflichten der Staaten hinsichtlich des Minderheitenschutzes. 69 So werden die Vertragsstaaten durch Art. 27 IPBPR verpflichtet, nicht in das tägliche Leben der Minderheiten einzugreifen und das Recht auf freie Ausübung der eigenen Kultur, religiösen Praktiken und Sprache zu gewähren. 70 Diese Verpflichtung ist nach der Auslegung des UN Menschenrechtsausschusses nicht auf kulturelle Praktiken beschränkt, sondern urnfaßt auch wirtschaftliche Aktivitäten, wenn diese elementarer Bestandteil der in Frage stehenden Minderheitenkultur sind. 71 Der Schutz aus Art. 27 IPBPR bezieht sich damit nicht nur auf folkloristische Eigenarten, sondern vielmehr auf die Entwicklung der kulturellen Identität
66 Siehe zum BeispielOminayak and Lubicon Lake Band v. Canada, UN Doc. N45/40, Vol. 11., App. A; vgl. aber auch Martinez Cobo, UN Doc. FlCN.4/Sub.211983/2l/Add.8 vom 30.9.1983; Obsahl, in: Summary Record ofthe Human Rights Committee, 25th Session, UN Doc. CCPRlC/SR.618, 8, para 55 und 56 (1985), zitiert in: Cholewinski, Human Rights Quarterly 10 (1988), 344 (361); Alfredsson, Journal of International Affairs 36 (1982), 113 (117); Hannum, American Society of International Law Proceedings 79 (1985),196 (197); Triggs, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 141 (141); so auch Andrysek, 46, der die Qualifizierung indigener Völker als Minderheiten entschieden ablehnt, 39/40; vgl. auch Nowak, CCPR, Art. 27, S. 493 f. 67 Caportorti, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (598). 68 Ebd. (604). 69 Vgl. dazu auch de Zayas, 15. 70 Rehof, NordicJournal ofinternational Law 61 (1992), 19 (21). 7\ Bergin, Environmental and Planning Law Journal 10 (1993), 438 (439) unter Verweis auf Kitok v. Schweden, UN Doc. CCPRlC/33/D/197/1985, 10; Lovelace v. Canada Report ofHuman Rights Committee, UN GAOR 36th sess., Supp. No. 40, Annex Agenda Item 18, 166, UN Doc N36/40 und Chief Ominayak and Lubikon Lake Cree band v. Canada, UN Doc. CCPRlC/38/D/167/1984; vgl. auch Rehof, Nordic Journal of International Law 61 (1992),19 (21).
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
der Minderheiten. 72 Wie die Stellungnahme der Australian Law Reform Commission zeigt, wird der Begriff der Kultur dabei weit ausgelegt: " ... the practice of customary laws and traditions ... as an aspect of the culture of the relevant group, whether those laws and traditions relate to kinship, marriage or other issues."73
Somit fallen auch indigene Praktiken, Traditionen und Regeln, die sich auf das Land und die Umwelt beziehen und einen elementaren Bestandteil der indigenen Kultur darstellen, unter den Schutzbereich des Art. 27. Weiterhin zeigt die Praxis des UN Menschenrechtsausschusses, daß Art. 27 IPBPR immer häufiger auch als Instrument der direkten Anerkennung von kollektiven Rechten benutzt wird. 74 Zwar enthält Art. 27 IPBPR dem Wortlaut nach ("Angehörigen solcher Minderheiten") ein Individualrecht, doch ist für dieses Recht die Notwendigkeit der kollektiven Ausübung anerkannt. 75 So hat der Menschenrechtsausschuß in dem Fall Ominayak and the Lubicron Lake Band v. Canada festgestellt, daß sich Art. 27 IPBPR auch auf die wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten der in Frage stehenden Gruppe erstreckt und erkannte diese Gruppe als besondere kulturelle Gemeinschaft an, deren Überleben als eine solche gesichert werden muß. 76 Interessant ist dieser Fall insofern, als es sich um den Anspruch eines indigenen Volkes handelte, dessen besondere Beziehung zum Land und dessen traditionelle Praktiken und Traditionen Gegenstand der Verhandlungen war. 77 Der Ausschuß wählte in seiner Entscheidung den Ansatz, indigene Praktiken und Traditionen als Teil der kulturellen Identität und Integrität dieses Volkes zu schützen,78 einzelnen Praktiken und Traditionen jedenfalls aus dem Art. 27 IPBPR aber keinen eigenständigen Schutz zuzusprechen. Diese Auslegung des Art. 27 IPBPR deckt sich insoweit mit der Auffassung, daß diese Norm in 72 Vgl. Tomuschat. in: Summary Record of the Human Rights Committee, 8th Session, UN Doc. CCPRlClSRl187, 7, para. 20 (1979), zitiert in: Cholewinski. Human Rights Quarterly 10 (1988), 344 (357); Rehoj. Nordic Journal of International Law 61 (1992), 19 (21) unter Verweis auf die Entscheidung des Menschenrechtsausschusses in den Sachen Kitok - Schweden und Lubicon Lake Band - Kanada. 73 CrawJord. A.L.R.e. Research Paper No. 10, 17 zum anthropologischen Verständnis des Begriffes "Kultur" als "all socially transmitted rules, values and practices in a particular society". 74 Kingsbury. Cornell International Law Journal 25 (1992), 481 (491). 75 Capotorti. EPIL 8 (1985), 386 (389); Caportorti. in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (604); vgl. auch Niewerth. 102. 76 1990 Annual Report of the Human Rights Committee, UN Doc A/45/40, Vol. 11, App. A, para. 32.2. 77 Kingsbury. Cornell International Law Journal 25 (1992),481 (490). 78 Vgl. Gardiner-Garden. Aboriginality and Aboriginal Rights Internationally, 8.
A Inhalte des internationalen Schutzes
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Verbindung mit der Anwendung des Gleichheits- und Nichtdiskriminierungsgrundsatzes auf Gruppen und der Anerkennung von Gruppenrechten einen Schutz der Gruppenidentität darstellt. 79 Damit sind von dem Schutzbereich des Art. 27 IPBPR einzelne Praktiken und Traditionen nicht an sich, sondern nur insoweit umfaßt, als die Manifestation der kulturellen Identität und Integrität indigener Völker darstellen. Hinsichtlich der Art der Verpflichtung deutet der Wortlaut des Art. 27IPBPR " ... darf nicht vorenthalten werden ... " auf eine positive Handlungspflicht der Vertragsstaaten zugunsten der Minderheitenkulturen hin. 80 Dies gilt vor allem deshalb, weil die in Art. 27 IPBPR garantierten Rechte ohne eine aktive Unterstützung des jeweiligen Staates häufig nicht verwirklicht werden können. 81 Weiterhin läßt sich wirkliche Gleichheit zwischen der Minderheit und der jeweiligen Mehrheit nicht nur auf der Grundlage der Nichtdiskriminierung erreichen. Vielmehr kann es nötig sein, außerdem auf positive Handlungen des Staates zurückzugreifen. 82 So entschied auch der UN Menschenrechtsausschuß, daß nach Art. 27 IPBPR eine besondere Behandlung erforderlich sein könne ("a preferential treatment rnay be relevant"), doch bestehe keine grundsätzliche Verpflichtung zu positiven Maßnahmen. 83
ce) Zwischenergebnis
Mithin sind indigene Völker zwar nicht als "Minderheit" i. S. d. Art. 27 IPBPR zu qualifizieren, doch sind sie unter den Schutz der Norm zu stellen. Es darf ihnen also nach Art. 27 IPBPR nicht das Recht verweigert werden, ihre eigene Kultur auszuüben,84 wobei die Vertragsstaaten auch zu positiven Maßnahmen verpflichtet sein können. Brownlie. in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 1 (6). Cholewinski. Human Rights Quarterly 10 (1988), 344 (348 und 352) mit entsprechenden Beispielen auf den jeweils folgenden Seiten; vgl. auch Capotorti. EPIL 8 (1985), 386 (390). 81 Capotorti. in: Study on the Rights ofPersons Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities 26, para. 213 (1979), zitiert in: Cholewinski. Human Rights Quarterly 10 (1988), 344 (364). 82 Cholewinski. Human Rights Quarterly 10 (1988),344 (363) m. w. N. 83 Rehof, Nordic Journal ofinternational Law 61 (1992), 19 (21). 84 CrawJord. AL.R.C. Research Paper No. 10, 13 m. w. N.; für indigene Völker im allgemeinen vgl. auch Anaya. Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), I (16 f.). 79
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5 Schillhorn
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Teil I1I: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
c) Weitere Vorschriften des IPBPR von Bedeutung für die umweltrelevanten Besonderheiten indigener Völker Grundsätzlich gilt, daß alle Bestimmungen des IPBPR auch auf die Angehörigen indigener Völker anwendbar sind. 85 Zu bedenken ist jedoch, daß die Menschenrechtspakte Individualrechte enthalten. Lediglich das Recht auf Selbstbestimmung aus Art. 1 und in einem gewissen Maße der Minderheitenschutz aus Art. 27 haben kollektiven Charakter. Während die indigenen umweltrelevanten Besonderheiten vorrangig durch kollektive Rechte dieser Gruppen geschützt werden können, kommt daneben auch ein Individualrechtsschutz in Betracht.
aa) Recht auf eigene Existenzmittel Nach Art. 1 Absatz 2 Satz 2 IPBPR86 darf in keinem Fall ein Volk seiner Existenzmittel beraubt werden. Aus dieser Bestimmung wird das Verbot abgeleitet, indigenen Völkern die Möglichkeit zu nehmen, ihren Lebensunterhalt auf traditionelle Weise zu bestreiten (means of subsistence).87 Zwar wurde diese Auslegung bislang auf den Entzug der Existenzmittel durch staatliche Entwicklungsprogramme oder Aktivitäten transnationaler Unternehmen bezogen,88 jedoch könnte gleiches auch für staatliche oder internationale Aktivitäten im Bereich des Umweltrechts gelten, wenn die Folgen für die indigenen Völker die gleichen wären. Zwar würden durch die Anwendung von Umweltnormen die Existenzmittel der indigenen Völker nicht vernichtet werden, doch kann es zu einem Entzug dieser Mittel kommen, wenn diese nicht mehr genutzt werden können. Da die traditionellen Existenzmittel indigener Völker nur durch die traditionellen Praktiken erlangt und genutzt werden können, würde der Schutz dieser Existenzmittel mittelbar auch
85 So im Ergebnis auch Alfredsson. Journal of International Affairs 36 (1982), 113 (119); Capotorti. EPIL 8 (1985). 386 (391) und Capotorti. in: Wolfrum (Hrg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (603); Suagee. University ofMichigan Journal ofLaw Reform 25 (1992),671 (681); Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 18, 1 und Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 13; vgl. auch Obsaht. in: Summary Record of the Human Rights Committee, 25th Session, UN Doc. CCPR/ClSR.618 at 8; Stromski. American Indian Law Review 16 (1991), 575 (581) unter Verweis auf die Draft Declaration on the Rights ofIndigenous Peoples, die die Anwendbarkeit der allgemeinen Menschenrechtsbestimmungen auf indigene Völker bereits in ihrer Präambel feststellt. 86 V gl. gleichlautende Bestimmung auch im Art. 1 IPWSKR. 87 Suagee. University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992),671 (691). 88 Ebd.
A. Inhalte des internationalen Schutzes
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einen Schutz der indigenen Praktiken und Traditionen im Bereich der Versorgung mit Existenzmitteln bedeuten. Schließlich stellt sich auch bei der Anwendung dieser Bestimmung die Frage nach der Anwendbarkeit auf indigene Völker, da der Grundsatz des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 IPBPR als Recht von "Völkern" ausgestaltet ist. Indigene Völker sind aber in der Praxis der Vertragsstaaten des IPBPR nicht als "Völker" im Sinne des Paktes zu qualifizieren. 89
bb) Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung Art. 2 Abs. 2 und Art. 26 IPBPR enthalten den Grundsatz der Gleichheit und Nicht-Diskriminierung. Das Gleichbehandlungsgebot allein schafft zunächst wenig inhaltliche Anhaltspunkte für die Berücksichtigung indigener Besonderheiten. Dieses Gebot kann jedoch im Zusammenspiel mit anderen Bestimmungen für indigene Rechte von Relevanz sein, so zum Beispiel, wenn materielle Gleichheit zwischen den Angehörigen eines indigenen Volkes und den Angehörigen der anderen Bevölkerungsgruppen nur dadurch erreicht werden kann, daß besondere Regelungen für Angehörige indigener Völker gelten. Im einzelnen wird dieser Komplex der Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung unter dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung behandelt. 90
cc) Religionsfreiheit nach Artikel 181PBPR Nach Art. 18 IPBPR wird die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit geschützt. Diese Freiheit umfaßt gern. Abs. 1 dieser Vorschrift nicht nur das Recht, die Religion oder Weltanschauung durch Gottesdienste zu bekunden, sondern diese auch durch Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht der jeweiligen Religion oder Weltanschauung zu praktizieren. Einige der traditionellen umweltrelevanten indigenen Praktiken stehen, wie oben dargestellt,91 in einem engen Zusammenhang mit den religiösen und spirituellen Werten und Verpflichtungen der jeweiligen indigenen Völker. Mithin kann Art. 18 IPBPR eine Grund-
89 90
91
Vgl. unter 2. a). Vgl. unter 4. Vgl. Teil II. B.
68
TeillII: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
lage für den Schutz bestimmter umweltrelevanter indigener Besonderheiten darstellen.
dd) Recht au/Teilnahme am politischen Leben nach Artikel25lPBPR Nach Art. 25 lit. a IPBPR hat ,jeder Staatsbürger ... das Recht und die Möglichkeit, ... a) an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen."
Weiterhin wird das aktive und passive Wahlrecht sowie der Zugang zu öffentlichen Ämtern des Landes unter den allgemeinen Grundsätzen der Gleichheit garantiert. Während in der Literatur hauptsächlich das Wahlrecht untersucht wurde,92 ist für die indigenen Völker lit. a des Art. 25 IPBPR von größerer Bedeutung. So ist es denkbar, daß indigene Völker durch die Teilnahme am öffentlichen Leben ihres jeweiligen Staates Einfluß auf die Anerkennung und den Schutz ihrer kulturellen umweltrelevanten Besonderheiten nehmen können. Da die Gewährung der politischen Teilnahme weitreichender ist als die Garantie des aktiven und passiven Wahlrechts, ist die Teilnahme an dem politischen Leben als wesentliches Element einer Entwicklung zur indigenen Autonomie verstanden worden. 93 Eine derartige Ausweitung des Art. 25 IPBPR ist jedoch nicht unproblematisch. So gewährt der Art. 25 IPBPR zunächst ein individuelles Recht, während die Ausübung der Autonomie ein kollektives Recht der betreffenden Gruppe voraussetzt. Weiterhin ist fraglich, inwieweit das Recht auf Teilnahme am politischen Leben noch von dem oben bereits angesprochenen Recht auf Selbstbestimmung und Selbstverwaltung94 zu unterscheiden ist, wenn bereits aus Art. 25 IPBPR ein indigenes Recht auf Autonomie oder jedenfalls eine Vorstufe der Verwirklichung eines solchen Rechts abgeleitet werden kann. Neben dem Unterschied hinsichtlich des Adressatenkreises - Art. 25 IPBPR als Individualrecht, das Recht auf Selbstbestimmung und Autonomie als Kollektivrechte95 - sind jedoch auch konzeptionelle Unterschiede zu beachten, die eine Ausweitung des Art. 25 auf eine mögliche indigene Autonomie erschweren. So gewährt Art. 25 IPBPR das Recht, an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten teilzunehmen. Dies bedeutet, daß die Angehörigen indigener Völker das Turpel. Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 (590). Vgl. dazu Turpel. Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 (593). 94 Siehe auch unter 11. 95 Suagee. University of Michigan Journal of Law Refonn 25 (1992), 671 (685) m.w.N. 92
93
A. Inhalte des internationalen Schutzes
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Recht haben, die öffentlichen Angelegenheiten in ihrem Heimatstaat ebenso mitzubestimmen, wie alle anderen Angehörigen des jeweiligen Staates auch. 96 Ein besonderes Recht indigener Völker jedoch, ihre eigenen politischen und kulturellen Angelegenheiten selbständig zu regeln, läßt sich aus dieser Bestimmung nicht ableiten. Nicht auf die selbständige unabhängige Regelung der öffentlichen, sondern der eigenen Angelegenheiten ist jedoch das Recht auf Selbstbestimmung und Selbstregierung gerichtet. Nach diesem Recht ist es gerade das "Selbst", das sich von dem Rest der Bevölkerung politisch, kulturell, sozial und religiös unterscheidet und dessen unabhängige kollektive Verwirklichung97 durch die Gewährung des Selbstbestimmungsrechts bzw. des Selbstregierungsrechts angestrebt wird. Das Recht auf Teilnahme an der Gestaltung öffentlicher Aufgaben kann jedoch eine wichtige Rolle spielen, wenn das Recht auf Selbstbestimmung oder Selbstverwaltung ausgeübt wird, um die Verbindungen zwischen der Staatsgewalt und dem sich selbst regierenden indigenen Volk herzustellen. 98 Dazu müssen sich indigene Völker jedoch bis zu einem gewissen Grad dem politischen System ihres Heimatstaates anpassen, d. h. einige ihrer Besonderheiten aufgeben, um in das jeweilige politische System integriert werden zu können. 99 Ein direkter Bezug hinsichtlich der umweltrechtlichen kulturellen Besonderheiten indigener Völker läßt sich aus Art. 25 IPBPRjedoch nicht ableiten.
3. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 100 enthält, ähnlich dem IPBPR, keine ausdrückliche Regelung im Hinblick auf indi96 Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992),579 (596) mit einem Verweis auf die Reaktion der Mikmaq auf die Entscheidung der Human Rights Commission in dem Fall Mikmaq Tribai Society v. Canada (No. 205/1986), UN Doc. CCPR/Cl391D1205/1986 (1990), para. 6.3. In diesem Fall stellte die Menschenrechtskommission fest, daß nicht jede Gruppe innerhalb eines Staates das Recht hat, an gewissen politischen Entwicklungen direkt beteiligt zu werden. Aus dieser Argumentation ergab sich, daß die Mikmaq als indigenes Volk unter Art. 25 IPBPR nicht zwangsläufig mehr oder weitreichendere Rechte haben als alle anderen Angehörigen des jeweiligen Staates. 97 Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 (595). 98 Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 (593), die davon ausgeht, daß "without participation in national decision-making, self-government is not meaningful because indigenous self-government is redefining the nation". 99 Turpel, Comell International Law Journal 25 (1992), 579 (594). 100 Angenommen am 16.12.1966 in New York, in Kraft getreten am 3.1.1976,I.L.M. 6 (1967),360, im folgenden IPWSKR.
70
Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
gene Rechte. Darüber hinaus ist in dem IPWSKR auch keine dem Art. 27 IPBPR entsprechende Vorschrift zu finden. 101 Jedoch ist dieser Pakt mit seinen allgemeinen Vorschriften zum Schutz von Menschenrechten auf indigene Völker anwendbar. 102 Artikel 1, der das Recht auf Selbstbestimmung enthält, ist mit dem Art. 1 des IPBPR identisch. Insofern wird auf die Ausführungen in dem vorhergehenden Abschnitt verwiesen. 103 Ebenfalls große Ähnlichkeit zu der Norm des IPBPR weist der Art. 2 auf, der den Grundsatz der Gleichheit und der Nicht-Diskriminierung enthält. Dieser Grundsatz wird im Rahmen des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung von jeder Form von Rassendiskriminierung geprüft werden. 104
a) Recht auf Arbeit, Art. 6 IPWSKR Nach Art. 6 IPWSKR erkennen die Vertrags staaten das Recht auf Arbeit an, "welches das Recht jedes einzelnen auf die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte und angenommene Arbeit zu verdienen, umfaßt ... ". Danach könnte auch die "indigene Arbeit" des Jagens, Fischens und Sammelns zur Dekkung des täglichen Lebensbedarfs von dem Schutzbereich dieser Bestimmung erfaßt sein. Die systematische Stellung des Art. 6 IPWSKR im Teil III des Paktes vor den Bestimmungen zu Arbeitsbedingungen (Art. 7), Gewerkschaftsfreiheit (Art. 8) und Sozialversicherung (Art. 9) sowie der 2. Absatz des Art. 6 selbstlOS Crawford, A.L.R.C. Research Paper No. 10, 25. So im Ergebnis auch Alfredsson, Journal of International Affairs 36 (1982), 113 (119); Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (391) und Capotorti, in: Wolfrum (Hrg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (603); Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992),671 (681); Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 18, I und Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9,13; vgl. auch Obsaht, in: Summary Record ofthe Human Rights Committee, 25th Session, UN Doc. CCPR/ClSR.618, 8; Stromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (581) unter Verweis auf die Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples, die die Anwendbarkeit der allgemeinen Menschenrechtsbestimmungen auf indigene Völker bereits in ihrer Präambel feststellt. 103 V gl. oben, 2. a). 104 V gl. unten, 4. 105 Art. 6 Abs. 2: 101
102
,,Die von einem Vertragsstaat zur vollen Verwirklichung dieses Rechts zu unternehmenden Schritte umfassen fachliche und berufliche Beratung und Ausbildungsprogramme sowie die Festlegung von Grundsätzen und Verfahren zur Erzielung einer stetigen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung und einer produktiven Vollbeschäftigung unter
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lassen darauf schließen, daß das Recht auf Lohnarbeit im weiteren Sinn durch Art. 6 IPWSKR geschützt werden soll. Somit fallen nur solche indigenen Aktivitäten unter den Schutz des Art. 6 IPWSKR, die nicht direkt den Lebensunterhalt in Form von Nahrung oder Kleidung decken, sondern vielmehr auf die Deckung des Lebensbedarfs durch Teilnahme am wirtschaftlichen Leben gerichtet sind. Möglich wäre dies zum Beispiel im Fall von indigenen Fischern und Jägern, die die Fischerei oder die Jagd zumindest auch kommerziell betreiben.
b) Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, Art. 11 IPWSKR Eine weitere Grundlage für den Schutz indigener umweltrelevanter Besonderheiten könnte in Art. 11 IPWSKR zu finden sein, der das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard schützt. Nach Art. 11 Abs. 1 S. 1 IPWSKR ist das Recht "eines jeden auf einen angemessenen Lebensunterhalt für sich und seine Farnilie ... , einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung ... " anerkannt. Fraglich ist, ob aus dieser Bestimmung ein Zugangs- und Nutzungsrecht Angehöriger indigener Völker im Hinblick auf ihre traditionellen Nahrungsmittel abgeleitet werden kann. Der Wortlaut des Art. 11 IPWSKR deutet darauf hin, daß "ausreichende Ernährung" lediglich quantitativ zu verstehen ist. Danach wäre die Qualität der Ernährung nicht vom Schutzbereich der Norm urnfaßt, solange eine ausreichende Menge von Nahrungsmitteln zur Verfügung steht. Ein anderes Ergebnis könnte sich aber aus der Auslegung der englischen Fassung des Textes ergeben, in dem an dieser Stelle der Begriff "adequate food" verwendet wird. Mit diesem Begriff könnte sowohl die quantitative als auch die qualitative Beschreibung der Nahrung gemeint sein. Wird "adequate food" bzw. "ausreichende Ernährung" qualitativ verstanden, so könnte sich hieraus ein Recht auf "ausreichende Nahrung" nach der eigenen Definition ergeben. Zu einer solchen Nahrung würden für indigene Völker unter anderem auch solche Nahrungsmittel gehören, die traditionell Bestandteil ihrer Diät oder das Ergebnis der traditionellen Jagd, Fischerei oder des Sarnmelns sind. Aus einer systematischen Betrachtung des Art. 11 IPWSKR in seiner Gesamtheit folgt jedoch eine Auslegung des Begriffes "ausreichende Ernährung" in quan-
Bedingungen, welche die politischen und wirtschaftlichen Grundfreiheiten des einzelnen schützen." V gl. insbesondere den Verweis auf "produktive Vollbeschäftigung".
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
titativer Hinsicht. Diese Auslegung wird durch den Sinn und Zweck der Bestimmung gestützt. So soll durch Art. 11 IPWSKR sichergestellt werden, daß eine ausreichende Menge an Nahrung für alle Angehörigen der Staatsbevölkerung zur Verfügung steht. Damit kann Art. 11 IPWSKR keine besondere Grundlage zum Schutz indigener umweltrelevanter Besonderheiten darstellen.
c) Recht auf Gesundheit, Art. 12 IPWSKR Eng verbunden mit dem in Art. 11 IPWSKR enthaltenen Recht auf ausreichende Nahrung ist das Recht aus Art. 12 IPWSKR auf das erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit. Wissenschaftliche Untersuchungen haben erwiesen, daß Angehörige indigener Völker, die ihrer Kultur entfremdet wurden, in einem unproportional hohen Prozentsatz dem Alkoholismus verfallen. Weiterhin wurde festgestellt, daß Angehörige indigener Völker, die nur noch, westliche' leicht verdauliche Nahrung zu sich nehmen, oft an Diabetes erkranken, da ihre Organismen auf die traditionell erworbene Nahrung ausgerichtet ist. Dies trifft zwar nicht auf alle Angehörigen indigener Völker zu, doch zeigen diese Untersuchungen, daß diese beiden Krankheiten, ebenso wie viele andere Infektionskrankheiten, durch die unfreiwillige Abkehr von der eigenen Kultur begünstigt, wenn nicht sogar hervorgerufen werden. Vor diesem Hintergrund kann die Gesundheit von Angehörigen indigener Völker in einigen Fällen nur dann in seinem Höchstmaß erreicht werden, wenn auch der Zugang zu traditionellen Nahrungsmitteln und die Ausübung traditioneller kultureller Praktiken möglich sind.
d) Recht auf religiöse Erziehung, Art. 13 Abs. 3 IPWSKR Ein Schutz für umweltrelevante Besonderheiten indigener Völker kann sich auch aus Art. 13 Abs. 3 IPWSKR ergeben. Nach dieser Bestimmung ist die Freiheit der Eltern zu achten, die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen sicherzustellen. Zu den religiösen Überzeugungen indigener Völker kann auch die Durchführung ritueller und spiritueller Praktiken gehören, die in einem bestimmten Gebiet oder mit besonderen Arten der Rora und Fauna abzuhalten sind. Soll die Erziehung der Kinder im traditionell religiösen Sinne erfolgen, so ist die Möglichkeit des Zugangs zu solchen Gebieten und Arten für eine derartige Erziehung unerläßlich.
A. Inhalte des internationalen Schutzes
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e) Teilnahme am kulturellen Leben, Art. 15 IPWSKR In Art. 15 IPWSKR werden die Teilnahme am kulturellen Leben und der Schutz der Errungenschaften aus Wissenschaft, Literatur und Kunst anerkannt. Zu diesem Recht gehören nach Art. 15 Abs. 2 IPWSKR auch die zur Erhaltung, Entwicklung und Verbreitung von Wissenschaft und Kultur erforderlichen Maßnahmen. Während indigene umweltrelevante Besonderheiten eher selten unter den Begriff der Kultur i. S. d. Literatur und Kunst wie im Art. 15 IPWSKR impliziert zu fassen sind, kann sich ein Schutzanspruch indigener Besonderheiten aus der Anerkennung der Wissenschaft in dieser Bestimmung ergeben. Indigene Besonderheiten im Umgang mit der Umwelt sind zwar keine Ergebnisse der Wissenschaft im westlichen Sinne von systematischer Erforschung bestimmter naturwissenschaftlicher Gegebenheiten, doch beruht das indigene Wissen auf traditionellen Überlieferungen von empirischen Versuchen und Ergebnissen, sich an die Gegebenheiten der jeweiligen Umwelt bestmöglich anzupassen. Dieses Wissen kann für die westliche Wissenschaft einen wichtigen Beitrag leisten. Eine solche Entwicklung zeichnet sich vor allem auf dem Gebiet der pharmazeutischen Industrie und der Biotechnologie ab. 106 In diesen Bereichen wird vermehrt auf die Erkenntnisse indigener Völker zu Wirkstoffen bestimmter Arten zurückgegriffen, um aufwendige Grundlagenforschung zu vermeiden. 107 Dabei wird auch indigenes Wissen als "Technologie" und eine bestimmte Form der Ausprägung wissenschaftlicher Erkenntnisse verstanden. \08 Somit kann auch indigenes Wissen unter den Schutz der Wissenschaft i. S. d. Art. 15 IPWSKR fallen.
f) Recht auf volle und freie Nutzung der natürlichen Reichtümer,
Art. 25 IPWSKR Nach Art. 25 IPWSKR ist keine Bestimmung des Paktes so auszulegen, "daß sie das allen Völkern innewohnende Recht auf den Genuß und die volle und freie Nutzung ihrer natürlichen Reichtümer und Mittel beeinträchtigt". Nach allgemeiner Auffassung sind indigene Völker bereits nicht als "Völker" i. S. d. Pakte anzusehen. 109 Dies dürfte in besonderem Maße für die Frage der Souveränität über na106 Vgl. hierzu JacobylWeiss, Stanford Environmental Law Journal 16 (1997), 74 (84 ff.); Elisabetsky, Cultural Survival, 1991,9 (10 ff.); King, Cultural Survival, 1991, 19 (19). 107 Ebd.
108 109
Vgl. z. B. Art. 18 Abs. 4 Konvention über biologische Vielfalt. Vgl. oben unter 2. a).
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
türliche Reichtümer gelten. Diese Frage ist zwischen indigenen Völkern und ihren Heimatstaaten sehr umstritten, und auch auf internationaler Ebene ist noch keine Übereinstimmung zugunsten einer solchen Souveränität über natürliche Reichtümer erreicht. 110 Somit verbleibt zur Zeit für Angehörige indigener Völker lediglich die allgemeine Nutzung der natürlichen Reichtümer und Mittel, die auch den anderen Angehörigen des Staatsvolkes des jeweiligen Staates zusteht.
4. Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierunglll enthält ebenfalls keine ausdrücklichen Regelungen über indigene Völker. ll2 Da es aber als allgemeines Menschenrechtsabkommen ebenfalls auf indigene Völker anwendbar ist, 113 kann es auch für den Schutz der umweltrelevanten indigenen Besonderheiten eine Grundlage bieten. Rassendiskriminierung ist nach Art. 1 Abs. 1 CERD jede " ... auf Rasse ... beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, daß dadurch ein gleichberechtigtes Anerken110 Siehe dazu Barsh, American Journal of International Law 80 (1986), 369 (382) m. w. N., der selbst zugunsten eines solchen Rechts argumentiert. 111 Angenommen am 7.3.1966 in New York, in Kraft getreten am 4.1.1969, I.L.M. 5 (1966), 352, im folgenden CERD. 112 Alfredsson, Journal ofInternational Affairs 36 (1982), 113 (119) unter Bezugnahme auf die World Conference to Combat Racism and Racial Discrimination, 1978 Genf: ". .. endorses the right of indigenous peoples to maintain their traditional structure of economy and culture, including their language, and also recognizes the special relationship of indigenous peoples to their land and stresses that land, land rights and natural resources should not be taken away from them ..... Vgl. auch Rehof, Nordic Journal ofInternational Law 61 (1992), 19 (22); de Zayas, 24. 1\3 So im Ergebnis auch Alfredsson, Journal of International Affairs 36 (1982), 113 (119); Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (391) und Capotorti, in: Wolfrum(Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (603); Suagee, University ofMichigan Journal ofLaw Reform 25 (1992),671 (681); Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 18, 1 und Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 13; vgl. auch Obsahl, in: Summary Record of the Human Rights Committee, 25th Session, UN Doc. CCPRlc/SR.618, 8; Stromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (581) unter Verweis auf die Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples, die die Anwendbarkeit der allgemeinen Menschenrechtsbestimmungen auf indigene Völker bereits in ihrer Präambel feststellt; vgl. auch Rehof, Nordic Journal of International Law 61 (1992), 19 (22); de Zayas, 24; siehe auch Paragraph 1 der Draft Declaration.
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nen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird."
Nach Art. 2 CERD sind die Vertragsstaaten verpflichtet, jeder Fonn der Rassendiskriminierung entgegenzuwirken. Für die Verwirklichung indigener Rechte ist dieses weitreichende allgemeine Diskriminierungsverbot von großer Bedeutung. Für die umweltrelevanten Besonderheiten indigener Völker dagegen sind die konkreteren Bestimmungen der CERD heranzuziehen. Denn nur aus den konkreten Ausprägungen des Diskriminierungsverbotes läßt sich ein direkter Schutz bestimmter indigener Praktiken und Traditionen im Hinblick auf die Umwelt ableiten. Hier kommt zunächst Art. 5 Abs. d lit. vii) CERD in Betracht, der die NichtDiskriminierung im Hinblick auf das Recht auf Religionsfreiheit garantiert. Wie bereits dargestellt, sind einige der umweltrelevanten indigenen Praktiken Teil der jeweiligen Religion. 114 Im weiteren ist Art. 5 Abs. e lit. vi) CERD zu nennen, wonach der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung auch hinsichtlich des Rechts auf eine gleichberechtigte Teilnahme an kulturellen Tätigkeiten zu beachten ist. Auch diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zu der Relevanz der Teilnahme an kulturellen Tätigkeiten für die indigenen umweltrelevanten Besonderheiten verwiesen. 115 Die Bestimmungen der CERD richten sich auf die Anwendung der NichtDiskriminierung hinsichtlich dieser Rechte, d. h. sie enthalten selbst diesbezüglich keine inhaltlichen Regelungen. Doch gerade die Verpflichtung zur Nicht-Diskriminierung bzw. Gleichbehandlung wirft die Frage auf, ob indigene Besonderheiten durch die Bestimmungen der CERD wirklich geschützt werden können. Sichergestellt wird durch die Konvention zunächst nur, daß Angehörige indigener Völker nicht anders bzw. schlechter behandelt werden als andere Staatsangehörige des jeweiligen Staates. Doch um ihre Kultur und ihre Besonderheiten ausüben zu können, bedürfen indigene Völker häufig nicht nur des gleichen Schutzes und der gleichen Rechte wie alle anderen, sondern vielmehr des Rechtes, gerade ihre eigene Besonderheit zu pflegen. Besondere Maßnahmen zugunsten benachteiligter Gruppen sind in Art. I Abs. 4 CERD und Art. 2 Abs. 2 CERD vorgesehen. 116 Art. 1 Abs. 4 CERD betrifft Sondermaßnahmen, die eine angemessene Entwicklung bestimmter Rassen-
113
Vgl. unter l. c) cc) die Ausführungen zu Art. 18 IPBPR. Vgl. oben 2. e) die Ausführungen zu Art. 15IPWSKR.
116
De Zayas, 26.
114
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
gruppen gewährleisten soll, soweit dies erforderlich ist, um den Genuß und die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten. 117 Eine ähnliche Formulierung zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen findet sich in Art. 2 Abs. 2 CERD in dem es heißt: "Die Vertragsstaaten treffen, wenn die Umstände es rechtfertigen, auf sozialem, wirtschaftlichem, kulturellem und sonstigem Gebiet besondere und konkrete Maßnahmen, um die angemessene Entwicklung und einen hinreichenden Schutz bestimmter Rassengruppen ... sicherzustellen, damit gewährleistet ist, daß sie in vollem Umfang und gleichberechtigt in den Genuß der Menschenrechte und Grundfreiheiten gelangen ...
Für indigene Völker ist dieses Ziel der gleichberechtigten Teilnahme an der Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in vielen Staaten noch nicht erreicht. 118 Fraglich ist aber, inwieweit besondere Maßnahmen nach diesen Bestimmungen der CERD geeignet sind, eine tatsächliche Gleichbehandlung indigener Völker zu gewährleisten. Die Gleichheit, die durch CERD angestrebt wird, urnfaßt auch die Gleichheit auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet. 119 Dabei sind die Vertragsstaaten verpflichtet, besondere Maßnahmen zu ergreifen, um die Entwicklung bestimmter rassischer bzw. ethnischer Gruppen sicherzustellen. 120 Diese beiden letzten Bestimmungen stehen unter der Einschränkung, daß diese besonderen Maßnahmen nur solange durchgeführt werden dürfen, bis das durch sie angestrebte Ziel erreicht ist und daß ihre Folge keinesfalls die Beibehaltung ungleicher oder getrennter Rechte für verschiedene Volksgruppen sein darf. 121 Daraus folgt, daß die besonderen Maßnahmen nach CERD auf eine Ungleichheit abzielen, die es zu überwinden gilt. Aus diesem Grund sind "besondere Maßnahmen" geeignet, die gleichberechtigte Teilhabe indigener Völker an den allgemeinen Menschenrechten und Grundfreiheiten zu gewährleisten. So hat der CERD-Ausschuß in seinen "General Recommendations concerning Indigenous Peoples" die Besonderheit der indigenen Kulturen, des indigenen Erbes und die Identität indigener Völker anerkannt, sowie die Gleichheit indigener Völker hinsichtlich der Ausübung ihrer Rechte bestätigt. 122
Delbrück, 63. Taylor, in: Gutman (ed.), 53 (68). 119 Bergin, Environmental and Planning Law Journal 10 (1993), 438 (439). 120 Caportorti, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (603). 121 Ebd. 122 Draft General Recommendations concerning Indigenous Peoples vom 5.3.1997, CERD/C/50IMisc. 7, die jedoch noch nicht vom ganzen Ausschuß verabschiedet wurden. 117 118
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Es ist jedoch zu beachten, daß gerade im Hinblick auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker eine Andersartigkeit dieser V ölker besteht, die es nicht zu überwinden, sondern anzuerkennen gilt. In diesem Zusammenhang sind zeitlich begrenzte "besondere Maßnahmen" zur Überwindung der Ungleichheit nicht geeignet, den kulturellen Besonderheiten indigener Völker Rechnung zu tragen. Die Andersartigkeit indigener Völker wurde ebenso wie die Notwendigkeit des Respektes für diese Andersartigkeit von dem CERD-Ausschuß betont. 123 Dies läßt darauf schließen, daß auch der CERD-Ausschuß anerkennt, daß indigene Völker und deren Angehörige im Vergleich zu dem Rest der Bevölkerung anders zu behandeln sind, um die Ausübung ihrer Kultur und Identität sicherzustellen. Hierdurch wird jedoch die Frage aufgeworfen, ob eine solche andere Behandlung als gerechtfertigte Diskriminierung i. S. d. Art. 1 Abs. 4 CERD oder Art. 2 Abs. 2 CERD zu qualifizieren ist, oder bereits den Tatbestand der Rassendiskriminierung i. S. d. Art. 1 Abs. 1 CERD nicht erfüllt. Eine Andersbehandlung wegen der Zugehörigkeit zu einem indigenen Volk ist zunächst eine auf der Rasse beruhende Unterscheidung. Kann jedoch die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die Angehörigen indigener Völker nur dann im Sinne ihrer Kultur und Identität gewährleistet werden, daß sie unterschiedlich zu dem Rest der Bevölkerung behandelt werden, so kann eine solche U ngleichbehandl ung nicht als Rassendiskrimierung qualifiziert werden. 124 Im Bereich der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker kann es erforderlich sein, indigenen Völkern und deren Angehörigen andere Rechte zuzugestehen als der übrigen Bevölkerung. Dies kann dann der Fall sein, wenn eine bestimmte Umweltschutzmaßnahme indigene Völker in ihrer kulturellen Identität auf andere Weise und dadurch sehr viel stärker beeinträchtigt als dies für den Rest der Bevölkerung gilt. 125 Insoweit kann also auch die CERD eine rechtliche Grundlage für den Schutz der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker darstellen.
5. Völkervertragsrechtlicher Schutz des geistigen Eigentums Ein anderer Ansatzpunkt für den rechtlichen Schutz indigener umweltrelevanter Besonderheiten ist der Schutz geistigen und kulturellen Eigentums. Der Schutz 123
Ebd.
Vgl. im einzelnen hierzu Ausführungen zur Anwendung des Gleichheitsgebotes in diesem Kontext, unter Teil VI. B. 11. I. mEbd. 124
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
geistigen Eigentums ist zunächst auf künstlerische und wissenschaftliche Produkte ausgerichtet, die vor der unbefugten und unentgeltlichen Nutzung Dritter geschützt werden sollen. Insbesondere im Hinblick auf künstlerische und musikalische Werke ist ein solcher Schutz auch für indigene Völker von großer Bedeutung. 126 Allerdings hat dieser Aspekt des Schutzes geistigen Eigentums indigener Völker für ihre umweltrelevanten Besonderheiten keine Relevanz. Vielmehr besteht in diesem Bereich für das indigene Wissen und ihre Praktiken und Verfahrensweisen im Umgang mit natürlichen Stoffen ein Schutzbedarf. Dabei können Regelungen zum Schutz geistigen Eigentums aber nur einen Aspekt dieses Schutzbedarfs abdecken. Denn der Schutz geistigen Eigentums ist nicht vorrangig auf die Sicherung der Ausübung bestimmter Praktiken durch indigene Völker oder ihre Angehörigen gerichtet, sondern darauf, die Ausübung dieser Praktiken und Verfahrens weisen vor der unautorisierten und unbezahlten Ausübung Dritter zu schützen. Damit unterscheidet sich der Schutzansatz bezüglich des geistigen Eigentums von den oben dargestellten menschenrechtlichen Schutzansätzen. Gleichwohl werden im folgenden einige internationale Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums auf ihre Anwendbarkeit auf umweltrelevante Besonderheiten indigener Kulturen hin untersucht. 127
a) Übereinkommen zu handels bezogenen Aspekten der Rechte am geistigen Eigentum Das Übereinkommen zu handelsbezogenen Aspekten der Rechte am geistigen Eigentum ("Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property
126 So sind viele indigene Kunstwerke von Dritten zum kommerziellen Gebrauch benutzt worden, ohne daß das jeweilige Volk seine Zustimmung hierzu gegeben hätte oder an dem Gewinn aus der Nutzung beteiligt wäre, vgl. hierzu Bell, Aboriginal Law Bulletin 1985, 6 ff. m. w. N.; Golvan, European Intellectual Property Review 11 (1989),346 ff. m. w. N.; ders., European Intellectual Property Review 14 (1992), 227 ff. m. w. N.; ders., Aboriginal Law Bulletin 1992, 3 ff. m. w. N.; Gray, Law Institute Journal 66 (1992), 46 ff. m. w. N.; Jamieson, International Journal ofCultural Property 4 (1995), 215 ff. m. w. N.; Simpson. Hastings International Law and Comparative Law Review 18 (1994), 195 ff. m. w. N.; Wright, University ofBritish Columbia Law Review 1995,45 ff. m. w. N. 127 V gl. auch Study on the protection of the cultural and intellectual property of indigenous peoples, by Erica-Irene Daes, Special Rapporteur of the Sub-Commission on Prevention ofDiscrimination and Protection ofMinorities and Chariperson ofthe Working Group on Indigenous Populations, FlCN.4/Sub.211993/28.
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Rights")128 im Rahmen des GA17129 ist darauf gerichtet, einen effektiven und angemessenen Schutz des intellektuellen Eigentums zu gewährleisten, ohne hierdurch Hemmnisse für den Handel entstehen zu lassen. 130 Neben der Bezugnahme auf andere internationale Verträge zum Schutz geistigen Eigentums wie die Berner Konvention zum Schutz literarischer und künstlerischer Werke 13 I und der Pariser Konvention zum Schutz des industriellen Eigentums l32 enthält das TRIPSAgreement Regelungen zum Schutz von Warenzeichen (trademarks), zu Patentrechten und anderen Formen des wirtschaftlich nutzbaren intellektuellen Eigentums. 133 Da es sich bei den indigenen umweltrelevanten Besonderheiten vorrangig um Praktiken und Verfahrensweisen sowie um traditionelles Wissen im Umgang mit der Natur handelt, kommt ein Schutz dieser durch die Bestimmungen zu Warenzeichen (trademarks) und künstlerischen Werken nicht in Betracht. 134 Ein Schutz könnte sich aber aus den Regelungen über Patentrechte ergeben. Nach Art. 27 Abs. I TRIPS-Agreement sind Erfindungen, gleich ob Produkte oder Verfahren, aus jedem Gebiet der Technologie patentfähig, " ... vorausgesetzt, sie sind neu, beinhalten einen erfinderischen Aspekt und sind zur industriellen Anwendung geeignet". \3S Aus Abs. 3 der gleichen Bestimmung ergibt sich, daß Heilmethoden sowie Pflanzen, Tiere und biologische Prozesse nicht grundsätzlich von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. 136 Nach Art. 28 TRIPS-Agreement soll der Patentinhaber die ausschließlichen Rechte hinsichtlich der Weitergabe der Erfindung an Dritte und der Lizensierung haben. Diese Bestimmung könnte also einen Schutz für indigene umweltrelevante Besonderheiten vor der Nutzung des Wissens und der Verfahren durch Dritte bieten. Jedoch handelt es sich bei dem indigenen Wissen über natürliche Prozesse oder Verfahren mit Naturstoffen Ld.R. um traditionelles Wissen, das über Generationen weitergegeben worden ist. 137 Es ist somit nicht "neu" L S. d. Art. 27 Abs. 1 Im folgenden TRIPS-Agreement. General Agreement on Tariffs and Trade. 130 Vgl. Präambel TRIPS-Agreement. 13l Siehe unten unter b). 132 Siehe unten unter c). 133 Date, Golden Gate University Law Review 27 (1997), 631 (653). 134 Vgl. auch Hannig, ArizonaJournal ofInternational and ComparativeLaw 13 (1996), 175 (207), der auch auf das Problem der Geheimhaltung indigenen Wissens verweist. 135 Übersetzung d. Verf. 136 Art. 27 Abs. 3 TRIPS-Agreement stellt es den Mitgliedstaaten frei, die Patentierbarkeit diesbezüglich einzuschränken. 137 VgI. hierzu Jacoby/Weiss, Stanford Environmental Law Journal 16 (1997), 74 (95 f.); Date, Golden Gate University Law Review 27 (1997), 631 (663 f.); vgl. auch Weiner, 128 129
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TRIPS-Agreement. Damit kann der Schutz durch eine Patentierung i. S. d. TRIPSAgreement nicht zugunsten indigenen umweltrelevanten Wissens eingreifen. Auch ein Schutz indigenen Wissens nach Art. 39 TRIPS-Agreement kommt nicht in Betracht. Nach Art. 39 TRIPS-Agreement kann geheimes Wissen geschützt werden, allerdings gilt dies nur, wenn die Geheimheit des Wissens gerade seinen kommerziellen Wert ausmacht. Für eine indigene Kultur kann es notwendig sein, das Wissen gegenüber Nicht-Angehörigen der Kultur geheimzuhalten. 138 Denn in indigenen Kulturen gibt es zum Teil komplexe Systeme des Wissenszugangs, d. h. bestimmte Praktiken oder ein besonderes Wissen um umweltrelevante Besonderheiten sind genau definierten Angehörigen des Volkes vorbehalten. 139 Doch liegt der Wert dieses Wissens in der Kultur selbst und nicht in dem kommerziellen Wert dieses geheimen Wissens. Aus diesem Grund kann Art. 39 TRIPS-Agreement für diesen besonderen Aspekt der indigenen Kulturen keinen ausreichenden Schutz bieten.
b) Berner Konvention zum Schutz literarischer und künstlerischer Werke Die Bemer Konvention l40 sieht den Schutz literarischer und künstlerischer Werke vor. Dieser Schutz kann für die kulturelle Identität und Integrität indigener Völker von großer Bedeutung sein, da es für ihre Kulturen notwendig sein kann, den Zugriff Dritter auf die aus ihr entstandenen Kunstwerke zu kontrollieren. Hinsichtlich des umweltrelevanten indigenen Wissens und der indigenen Praktiken jedoch bietet der Schutz der sich auf die Verkörperung von künstlerischem Schaffen im weiteren Sinn beziehenden Konvention keinen Ansatzpunkt.
c) Pariser Konvention zum Schutz industriellen Eigentums Die Pariser Konvention zum Schutz industriellen Eigentums von 1883 141 enthält eine weite Definition von industriellem Eigentum. Urnfaßt wird nach Art. 1 International Review of Industrial Property and Copyright Law 18 (1987), 56 (63), die auch darauf hinweist, daß das indigene Eigentum i. d. R. nicht einem Individuum allein zugeordnet ist, sondern der ganzen Gruppe. 138 Cunningham. Cultural Survival Quarterly, 1991,4 (4). 139 Vgl. oben Teil 11. B. 140 Vom 9.9.1886, in Kraft getreten am 5.12.1887, in der Form vom 24.6.1971, UNTS 1161,3. 141 Vom 20.3.1883, in Kraft getreten am 6.7.1884, USTS 379.
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Abs. 3 auch landwirtschaftliche Industrien und natürliche Produkte. Somit könnten auch indigenes Wissen und traditionelle Praktiken von dem Schutz der Pariser Konvention erfaßt sein. Dabei ist zu beachten, daß die Pariser Konvention selbst keine inhaltlichen Anforderungen an den zu gewährenden Schutz enthält und vor allem auf die Koordinierung verschiedener nationaler Schutzarten des industriellen Eigentums ausgerichtet ist. Die Konvention ist auf nationale Patente und Gebrauchsmuster ebenso anwendbar wie auf Warenzeichen und andere industrielle Designs nach nationalem Recht. Aus Art. 4 ergibt sich jedoch, daß die Schutzarten, die unter dieser Konvention in Betracht kommen, das Patent und das Gebrauchsmuster, sowohl im internationalen Recht als auch in den nationalen Rechtsordnungen, auf "Erfindungen", d. h. auf neue Entwicklungen anwendbar sind. Indigenes traditionelles Wissen und traditionelle Technologien aber sind über Generationen hinweg überliefert worden und damit kein "neues" Wissen im Sinne dieser Konvention. Sie sind damit vom Schutzbereich dieser Konvention nicht erfaßt. 142
d) Genfer Vertrag zur Aufzeichnung wissenschaftlicher Entdeckungen Gleiches gilt für den Genfer Vertrag zur Aufzeichnung wissenschaftlicher Entdeckungen von 1978. Nach diesem Vertrag können wissenschaftliche Entdeckungen auf dem Gebiet der Technologie geschützt werden. Dabei ist "Technologie" in diesem Sinne als jegliches Wissen zu verstehen, das nützlich, systematisch und geordnet ist, um ein besonderes Problem zu lösen und das irgendwie anderen mitgeteilt werden kann. 143 Zwar mag indigenes umweltrelevantes Wissen als Technologie in diesem Sinne verstanden werden, doch auch unter diesem Vertrag sind nur "neue" Technologien und Entdeckungen zu schützen. Der Schutz traditionellen indigenen Wissens ist damit vom Schutzbereich des Genfer Vertrages ausgeschlossen. 144
Vgl. hierzu JacobylWeiss, Stanford Environmental Law Journal 16 (1997), 74 (97). Interpretation der WIPO in ,The elements of industrial property', WIPO-Dokument WIPOIIP/AR/8517. 144 UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities zum kulturellen und geistigen Eigentum indigener Völker, E/CNA/Sub.2/1993/ 28,34. 142 143
6 Schillhorn
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
6. Zwischenergebnis Zusanunenfassend läßt sich festhalten, daß sich aus den völkervertragsrechtlichen Bestinnnungen im Bereich der Menschenrechte eine Grundlage für den Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten von indigenen Völkern ergibt. Dies gilt insbesondere für die allgemeinen Grundsätze sowie die Rechte auf Subsistenz und Gesundheit nach Art. 23 und Art. 25 ILO-Konvention Nr. 169, das Recht auf Ausübung der eigenen Kultur nach Art. 27 IPBPR, das Recht auf Religionsfreiheit nach Art. 18 IPBPR, das Recht auf Gesundheit nach Art. 12 IPWSKR, das Recht auf religiöse Erziehung nach Art. 13 Abs. 3 IPWSKR und das Recht auf Gleichbehandlung nach dem gemeinsamen Art. 2 der Menschenrechtspakte sowie Art. 26 IPBPR und der CERD. All diese Bestinnnungen sind geeignet, die Ausübung indigener umweltrelevanter Besonderheiten zu schützen und zu fördern. In einem gewissen Umfang gilt dies auch für das Recht auf Teilnahme am politischen Leben nach Art. 25 IPBPR, das Recht auf Arbeit nach Art. 6 IPWSKR und das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben nach Art. 15 IPWSKR. Kein Schutz umweltrelevanter Besonderheiten indigener Völker dagegen läßt sich aus dem Recht auf Selbstbestinnnung nach den gemeinsamen Art. 1 der Menschenrechtspakte, dem Recht auf einen angemessenen Lebensstandard gern. Art. 11 IPWSKR, dem Recht auf volle und freie Nutzung der natürlichen Reichtümer nach Art. 25 IPWSKR und den völkervertragsrechtlichen Bestinnnungen zum Schutz geistigen Eigentums ableiten.
11. Völkergewohnheitsrechtlicher Schutz der umweltrelevanten kuitureUen Besonderheiten indigener Völker Das Recht auf kulturelle Identität indigener Völker kann inzwischen als Teil des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts angesehen werden. 14s Lange Zeit war der Umgang mit indigenen Völkern durch Assimilations- und Integrationsbestrebungen geprägt.146 Indigene Kulturen wurden nicht geachtet, indigene Völker wurden vielmehr unterentwickelt, primitiv, zum Teil sogar als ..behindert" angesehen. Jedoch zeichnet sich in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung im VölkerAnaya, in: Anaya/Falk/Pharand, 9 (31). Dies spiegelt sich zum Beispiel in der ILO-Konvention Nr. 107 von 1959 wider, deren Ziel eindeutig ist, indigene Bevölkerungen in die jeweilige Staatsgemeinschaft zu integrieren. 145
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recht ab, die die Identität indigener Kulturen anerkennt und die sich explizit von den Intregrations - und Assimilierungszielen der vorangegangenen Dekaden distanziert. 147 So hat sich die Einschätzung indigener Völker insofern gewandelt, als die Angehörigen indigener Völker nicht nur völkerrechtlich als vollwertige Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft angesehen werden, sondern auch ihre Kulturen als Teil des gemeinsamen Erbes der Menschheit als schützens wert geachtet werden. 148 Somit werden inzwischen indigene Kulturen in ihrer Eigenart und in ihrem Eigenwert anerkannt und den Angehörigen dieser Völker ein Recht auf kulturelle Identität zugestanden. Fraglich ist jedoch, welche Ausprägung dieses Recht im einzelnen im Völkergewohnheitsrecht hat. Eine Bestimmung des internationalen Gewohnheitsrechts liegt nach Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH Statut vor, wenn sich diese Norm in der allgemeinen Übung der Staaten der Weltgemeinschaft wiederfindet (Staatenpraxis) und durch die jeweilige Rechtsüberzeugung der Staaten getragen ist (opinio juriS).149 i. Recht auf kulturelle identität
Die Entwicklung zugunsten der Anerkennung auf kulturelle Identität indigener Völker läßt sich in der Staatenpraxis und in der opinio juris der Staatengemeinschaft nachvollziehen. Dabei urnfaßt die Identität indigener Kulturen die Anerkennung als Volk und die Respektierung besonderer kultureller Bedürfnisse hinsichtlich des Landes, heiliger und wichtiger Stätten, Praktiken und Traditionen sowie des Rechts, der Sprachen und anderer Aspekte der Kultur. ISO a) Staatenpraxis In vielen Staaten haben sich in der letzten Zeit Entwicklungen ergeben, die auf die Anerkennung indigener Völker und ihrer kulturellen Identität gerichtet sind. 147 Vgl. dazu Präambel der ILO-Konvention Nr. 169, die diese Distanzierung ausdrücklich enthält; siehe zum Beispiel auch Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9,4 und Fact Sheet Nr. 18 des Centre for Human Rights, I, nach dem die kulturelle Diversität innerhalb eines Staates sogar einen besonderen Wert und eine soziale und kulturelle Bereicherung darstellt. 148 Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 17; Wolfrum, Europa Archiv 1993, 681 (687); vgl. auch Ziff. 28-32 des Schußdokumentes der Weltkonferenz über Menschenrechte in Wien 1993, abgedruckt in Europa Archiv 1993, D 498 (51l). 149 Vgl. hierzu auch Frowein, Zeitschrift für ausländisches öffenteliches Recht und Völkerrecht 49 (1989), 778 ff.; Akehurst, British Yearbook of International Law 17 (1974-1975), I ff. ISO Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 107 (111).
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So wurde in Australien die Identität indigener Völker in mehrfacher Hinsicht anerkannt. 1989 wurde ein Selbstbestimmungsorgan ISI, die Aboriginal and Torres Strait lslander Commission (ATSIC), geschaffen. ls2 Diese Kommission wurde von der Bundesregierung Australiens eingesetzt, um die Interessenvertretung der indigenen Bewohner Australiens sicherzustellen. Daneben bestehen die von der Regierung mitfinanzierten regionalen land council, die die Vertretung indigener Interessen mit den lokalen Behörden ebenso wahrnehmen, wie Aufgaben der Selbstverwaltung. Weiterhin hat das australische Verfassungs gericht 1992 erstmals die Existenz der Aborigines und Torres Strait Islander in Australien zur Zeit der Kolonisierung anerkannt und ihnen gewisse Rechte am Land zugestanden. Im Einklang mit dieser Rechtsprechung sind zwei Bundesgesetze, der Native Title Act von 1993 1S3 und der Council for Aboriginal Reconciliation Act von 1991 154, erlassen worden. Während der Native Title Act hauptsächlich Fragen der indigenen Landrechtsansprüche gewidmet ist, enthält der Councilfor Aboriginal Reconciliation Act in Art. 5 eine explizite Anerkennung der Aboriginal und Torres Strait Islander Kulturen und erklärt als sein Ziel die inter-kulturelle Aussöhnung in Form der Zusammenarbeit der nicht-indigenen mit den indigenen Kulturen Australiens. Schließlich hat Australien die Kulturen der Aborigines insoweit anerkannt, als diese an der Verwaltung einiger Nationalparks beteiligt sind. ISS In Neuseeland ist die kulturelle Identität der Maori bereits durch den Treaty von Waitangi lS6 anerkannt worden. Dieser 1840 zwischen der Krone Englands und den Maori geschlossene Vertrag ist bis heute gültig und dient als Grundlage der Rechte der Maori in Neuseeland. Zur Durchsetzung dieser Rechte wurde 1975 das Waitangi Tribunal ins Leben gerufen. IS7 Weiterhin besteht in Neuseeland schon seit längerer Zeit die Praxis die Maorikultur als gleichberechtigte Zweitkultur des Staates Neuseeland anzuerkennen. So tragen alle öffentlichen Einrichtungen sowohl einen englischen als auch einen Maori-Namen. Auch wird den Maoris und Vgl. Brennan, University ofNew South Wales Law Journal 16 (1993), 245 (254). Aboriginal and Torres Strait Islander Commission Act 1989, Acts of Parliament Commonwealth of Australia 1989, Vol. 3, 4104 ff. m Acts of Parliament - Commonwealth of Australia 1993, Vol. 2, 2121 ff. 154 Acts of Parliament - Commonwealth of Australia 1991, Vol. 4; 4683 ff. 155 Vgl. Teil V. B. 11. 2. 156 Vgl. zum Treaty of Waitangi: Waitangi - Maori and Pakeha Perspectives of the Treaty of Waitangi, Kawharu (ed.), 10 ff.; McHugh, The Maori Magna Charta, 167 ff.; Palmer, Victoria University of Wellington Law Review 19 (1989), 335 ff.; McGinty, Vanderbilt Journal ofTransnational Law 25 (1992), 681 ff. 157 Oliver, Claims to the Waitangi Tribunal, 1; Parliamentary Commissioner for the Environment, 13. 151
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ihrer Kultur eine recht große Selbständigkeit zugestanden, die Angelegenheiten des täglichen Lebens selbst zu bestimmen. In den Vereinigten Staaten üben viele indianische Völker eine Art Souveränität über ihre eigenen Gebiete aus 158 und nehmen so staatsrechtlich eine Sonderstellung im System des Bundesstaates ein. Diese Form der Souveränität der indianischen Völker in den Vereinigten Staaten wird auch als "domestic dependent nations" bezeichnet. ls9 Bereits aus diesem Begriff wird deutlich, daß es sich bei dieser Form der Souveränität nicht um eine völlige Unabhängigkeit handelt, doch wird durch diesen Status die kulturelle Identität der indianischen Völker grundsätzlich anerkannt. Schließlich hat die Bundesregierung der Vereinigten Staaten ein Programm zur finanziellen Unterstützung von indianischen Völkem l60 ins Leben gerufen, das ausdrücklich auf die "Erhaltung ihres kulturellen Erbes" gerichtet ist. 161 Ein weiteres Beispiel für die Anerkennung der kulturellen Identität der indianischen Völker ist die Verabschiedung des Tribai SelfGovemance Act 1994. 162 Dieses Gesetz bietet die Grundlage für die sog. "retribalization" der indianischen Völker und überträgt ihnen die kulturelle Sebstbestimmung über die eigenen Angelegenheiten bis hin zur Entscheidung über die Verwendung der zur Verfügung gestellten Regierungsgelder. 163 In diesem Zusammenhang ist auch der 1ndian General Crimes Actl64 zu nennen, der zwar die indianischen Reservate grundsätzlich der bundesrechtlichen Jurisdiktion unterstellt, jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz vorsieht, wenn es sich um ein "inner-indianisches Delikt" handelt und wenn die indianische Person bereits aufgrund des lokalen Stammesrecht für das Delikt bestraft wurde. 165 Die besonderen kulturellen Interessen und Selbstbestimmungsrechte der indianischen Völker an der Jagd werden im Indian
m Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (104 f.); Williams, Arizona Journal ofinternational and Comparative Law 8 (1991), 51 m. w. N. 159 Cherokee Nation v. Georgia, 30 U.S. (5 Pet.) 1 (1831); vgl. auch Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992),671 (699); Galloway, Washington Law Review 70 (1995), 177 (178); Martella, Vanderbilt Law Review 47 (1994), 1863 (1872); Eklund, Hameline Law Review 20 (1996), 125 (130); Skibine, Utah Law Review 1995, 1105 (1120 ff.); Willoughby, Southern Illinois University Law Journal 19 (1995), 593 (598 f.). 160 Wobei zu beachten ist, daß sich die Vereinigten Staaten vehement gegen die Qualifizierung der indianischen Stämme bzw. Gruppen als "Völker" wehren. 161 Suagee, University ofMichigan Journal ofLaw Reform 25 (1992), 671 (706). 162 1994, 108 U.S.C. 4270. 163 Vgl. dazu lohnsonIHamilton, Connecticut Law Review 27 (1995), 1251 (1269 ff.). 164 1994, 18 U.S.C. § 1152. 165 V gl. im einzelnen hierzu Gamett, North Dakota Law Review 72 (1996), 433 (445).
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Gaming Regulatory Ad 66 gegenüber den Interessen der Bundesstaaten geschützt, die Jagd durch eigene Bestimmungen zum Nachteil der tribai sovereignty regeln. 167 Die kulturelle Identität in ihrer religiösen und spirituellen Ausprägung findet ihre Anerkennung im American Indian Religious Freedom Act, 168 der sowohl die indianischen Religionen als auch die heiligen Orte unter Schutz stellt. 169 Ein vergleichbares Projekt wurde in Kanada mit dem Cultural Development Programme entwickelt, das indigene Kulturen bei dem Schutz und der Ausübung ihrer Kulturen finanziell unterstützt. 170 Weiterhin sind die Rechte indigener Völker in Kanada verfassungsrechtlich anerkannt. 171 Die Anerkennung indigener Völker durch Kanada dokumentiert sich darüber hinaus in dem 1998 verabschiedeten Gathering Strength Canada' s Aboriginal Action Plan. Dieser Plan beziet sich auf die Partnerschaften zwischen indigenen Völkern und dem kanadischen Staat, die Stärkung indigener Selbstregierung, die Entwicklung neuer finanzieller Beziehungen und die Unterstützung von indigenen Gemeinschaften, Völkern und Wirtschaftseinheiten. 172 Auf die besonderen Relevanz der Anerkennung und der Unterstützung der indigenen Kultur und des kulturellen Erbes für die Partnerschaft zwischen den indigenen Völkern und dem kanadischen Staat wird in dem Plan ausdrücklich hingewiesen. 173 Guatemala hat 1996 die jahrelange Unterdrückung und Verfolgung indigener Völker aufgegeben und ein "peace agreement" mit den Vertretern indigener Völker abgeschlossen. Durch dieses Abkommen werden diese Völker nicht nur erstmals anerkannt, sondern auch in ihrer Kultur und ihrem Verhältnis zum Land respektiert. In Kolumbien wurden in den 80er Jahren große Gebiete an die indigene Bevölkerung zurückgegeben und gleichzeitig anerkannt, daß dies zur Wahrung der kulturellen Identität dieser Völker notwendig sei. 174
1994,25 U.S.c. § 2702 (2). Vgl. Amold, Thurgood Marshali Law Review 21 (2995),205 ff. 168 1998,42 U.S.c. § 1996. 169 V gl. Boyles, Cornell Law Review 76 (1990/1991), 1117 (1118 ff.). 170 To"es, Yale Journal ofInternational Law 16 (1991),127 (135). 171 V gl. s 35 (1) der Verfassung: 'The existing Aboriginal and treaty rights of the Aboriginal peoples of Canada are hereby recognized and affirmed."; vgl. auch Slatterly, Queen's Law Journal 8-9 (1982-1984),232 (233 ff.); Sanders, Canadian Bar Review 61 (1983),314 (316 f.). 172 Ottawa, 07.01.1998, http://www.inac.gc.ca/strengthlchange.htm. 173 To"es, Yale Journal of International Law 16 (1991), 127 (135). 174 Vgl. Staatenbericht Kolumbiens vor dem CERD-Ausschuß 1991, CERD/C/191/ Add.l, 4 und 17. 166
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In anderen südamerikanischen Staaten sind die Anerkennung und der Schutz indigener Völker und ihrer Kulturen verfassungsrechtlich verankert. m So enthält auch die Verfassung Nicaraguas eine ausdrückliche Bestimmung zum Schutz der indigenen Traditionen. 176 Insgesamt ist Nicaragua bemüht, die Integrationspolitik aufzugeben und besondere Programme für den Schutz der indigenen Rechte zu entwickeln,177 entsprechend ist in der Verfassung die Verpflichtung enthalten, besondere Institutionen zu schaffen, die helfen sollen, indigene Gemeinschaften und ihre Kulturen zu schützen und zu fördern. 178 In Panama sind Tradition und indigene Sprachen unter den Schutz der Verfassung gestellt. 179 Auch Brasilien hat
175 So sind beispielsweise die lenguas autoctonas in Art. 62 der Verfassung EI Salvadors vom 15.12.1983 ausdrücklich geschützt. Vgl. hierzu auch Torres, Yale Journal ofInternational Law 16 (1991), 127 (159) m. w. N. 176 Art. 5 Abs. 3 der Verfassung Nicaraguas vom 9.1.1987:
"The State recognizes the existence of indigeous peoples who enjoy the rights and guarantees and share the obligations assigned in the Constitution and especially those to maintain and develop their identity and culture, to have their own forms of social organization and administer their local affairs, as weil as to have communal forms of land property and enjoyment, use, and yields of same, all according to law. For the communities of the Atlantic Coast, an autonomous regime is established in the present Constitution." Vgl. hierzu auch Torres, Yale Journal ofInternational Law 16 (1991),127 (159) m. w. N. 177 Torres, Yale Journal of International Law 16 (1991), 127 (159) m. w. N. 178 Art. 181 der Verfassung Nicaraguas: "The State shall organize by menas of a law the regime of autonomy for the indigenous peoples and ethnic communities of the Atlantic Coast, which will have to contain, among other rules: the functions of their government organs, their relatin with the Executive and Legislative Power and with the municipalities, and the exercise of their rights. This law shall require for ist approval and reform the majority established for the amendment of constitutionallaws. The concessions and contracts of rational exploitation of the natural resources gran ted by the State in the Autonomous Regions of the Atlantic Coast must have the approval of the corresponding Regional Autonomous Council. The members of the Regional Autonomous Councils of the Atlantic Coast can lose their condition for the reasons and procedures established by law." 179 Art. 83 der Verfassung Panamas vom 11.10.1972: "The State recognizes that folkloric tradition constitutes an essential element of national culture, and shall promote its study, preservation and publication, establishing its primary over manifestations or tendencies that adulterate that." sowie Art. 84: "Aboriginallanguages shall be the object of special study, conservation and dissemination. The State shall promote programs of bilingualliteracy in indigenous communities."
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das Recht indigener Völker auf Erhaltung ihrer kulturellen Integrität verfassungsrechtlich anerkannt. 180 In Dänemark besteht seit 1979 das Green Land Horne Rule Governrnent, das die Regierungsgeschäfte Grönlands weitgehend unabhängig ausübt. 181 In dieser Regierung sind mehrheitlich die Inuit vertreten und haben so die Möglichkeit, ihre kulturelle Identität direkt zu bewahren und auszuüben. 182 Insgesamt verfolgt Dänemark eine unterstützende Politik hinsichtlich der Rechte indigener Völker und damit auch ihrer kulturellen Identität. 183 Die Hauptelemente dieser Politik sind die Stärkung der Rechte indigener Völker durch den politischen Dialog vor dem Hintergrund internationaler Deklarationen und Abkonunen; einen besseren Dialog mit den mit Dänemark kooperierenden Staaten, um die Situation der indigenen Völker in diesen Staaten zu verbessern; die vermehrte Berücksichtigung indigener Belange bei der Durchführung bilateraler und multilaterer Entwicklungshilfeprojekten; zusätzliche finanzielle Förderung von Projekten, die unmittelbar auf die Verbesserung der Situation und Rechte indigener Völker gerichtet sind - wobei vor allem auch indigene Organisationen gefördert werden sollen, da diese die Bedürfnisse und Entwicklungsmodelle formulieren und schließlich, die Entwiclung neuer Lösungen für die wirtschaftlichen Probleme indigener Völker, wie beispielsweise ,,Nischenproduktion" und Vorzugsbehandlungen im Hinblick auf den Handel zu ermöglichen. 184 Hieraus wird deutlich, daß nicht nur die Situation der indigenen Völker verbessert werden soll, sondern daß den indigenen Völkern eine entscheidende Beteiligung an den Förderprojekten eingeräumt wird, um den kulturellen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Ähnlich verhält es sich auch mit anderen nordischen Heimatstaaten der Inuit. Diese haben die Schaffung der Inuit Circurnpolar Conference unterstützt, einen Zusammenschluß der Inuit aus den verschiedenen Staaten, um ihre Belange und 180 Art. 215 § 1 der brasilianischen Verfassung: "The State shall protect manifestations of popular, indigenous and Afro-Brazilian cultures and those of other participant groups in the process of national civilization." Vgl. auch den umfangreichen Art. 231, der allein den indigenen Völkern gewidmet ist und dessen erster Satz lautet: "The social organization, customs, languages, creeds and traditions of Indians are recognized, as weIl as their original rights to the lands they traditionally occupy." 181 Harhoff, Canadian Yearbook ofinternational Law 32 (1994), 243 (249); Dahl, 24. 182 Dänisches Außenministerium, Greenland on its way, Horne Rule since 1979, 1997, 7 ff. 183 Dänisches Außenministerium, Strategy for Danish Support to Indigenous Peoples, 1994,5 ff. 184 Ministry of Foreign Affairs Danida, Strategy for Danish Support to Indigenous Peoples, 10/11.
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Forderungen zu koordinieren. Weiterhin besteht ein Sami Parlament seit 1973 in Finnland und seit 1987 in Norwegen. 18S Diese Staatenpraxis wird auch in der Neufassung der ILO-Konvention Nr. 107 als ILO-Konvention Nr. 169 von 1989 reflektiert, die ausdrücklich die kulturelle Identität indigener Völker anerkennt und den Integrationsansatz zugunsten einer Politik der Multikulturalität aufgibt. Die sich ändernde Staatenpraxis wird darüber hinaus in der Konvention über biologische Vielfalt von 1992 deutlich, die in verschiedenen ihrer Bestimmungen die Anerkennung der kulturellen Identität indigener Völker enthält. 186 Im Bereich der internationalen Organisationen ist das Verhalten der Weltbank zu nennen, die anerkannt hat, daß sie in der Vergangenheit Fehler dahingehend begangen hat, Projekte gefördert zu haben, die eine zerstörerische Auswirkung auf indigene Völker hatten. 187 Als Konsequenz wurden von der Weltbank Richtlinien erarbeitet, die eine Verträglichkeit der von der Weltbank geförderten Projekte mit der kulturellen Identität indigener Völker sicherstellen SOll.188 Es ist also festzuhalten, daß immer mehr Staaten rechtliche und strukturelle Voraussetzung für die Verwirklichung indigener Rechte im nationalen Rechtssystem schaffen. Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Maßnahmen internationaler Organisationen. Somit kann eine eindeutige Staatenpraxis zugunsten der Anerkennung der kulturellen Identität indigener Völker festgestellt werden.
b) "Opinio juris" Diese Staatenpraxis wird auch von der ihr zugrundeliegenden Rechtsauffassung i. S. d. Art. 38 Abs. 1 b) IGH Statut, der opinio juris, getragen. Die ILO-Konvention Nr. 169 und die Konvention über biologische Vielfalt dienen nicht nur als Bestätigung der Staatenpraxis, sondern auch für die zugrunde18' Sillanpaa, 3 und 7; vgl. hierzu im einzelnen auch IWGIA, SelfDetermination and Indigenous Peoples, 1987,3 ff. und Beach, in: Minority Rights Group (ed.), 147 (197 ff.). 186 Vgl. die Präambel, Art. 8 j), 10, 17 und 18 der Konvention. 187 So z. 8. Worldbank Operational Directive 4.20 vom September 1991, Ziff. 3 (The World Bank Operational Manual Vol. 11); vgl. auch Suagee, University ofMichigan Journal ofLaw Reform 25 (1992),671 (717) m. w. N. 188 Worldbank Operational Directive 4.20 vom September 1991 (The World Bank Operational Manual, Vol. 11), Ziff. 6; vgl. auch Cycon, New England Law Review 25 (1990/1991),761 (779).
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TeillII: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
liegende Rechtsauffassung der beteiligten Staaten. Besonders an der Schaffung der Konvention über biologische Vielfalt haben auf dem UN-Gipfel über Umwelt und Entwicklung fast alle Staaten der Staatengemeinschaft teilgenommen. Auch im Umsetzungsprozeß dieser Konvention ist zu erkennen, daß die große Mehrheit der Vertrags staaten die kulturelle Identität indigener Völker grundsätzlich anerkennt. 189 In der Proposed American Declaration on the Rights o/lndigenous Peoples ist das Recht auf kulturelle Integrität und Identität ausdrücklich anerkannt. 190 Auch die Beiträge der Staaten in den Sitzungen der WGIP lassen darauf schließen, daß das Recht auf kulturelle Identität indigener Völker von fast allen Staaten anerkannt ist. 191 So enthält die Draft Declaration on the Rights o/lndigenous Peoples eine solche Anerkennung. 192 Weiterhin wurde im Rahmen der WGIP das Dokument einer nationalen Organisation 193 anerkannt, das neben den Ansprüchen indigener Völker auf Landrechte, Selbstbestimmung, internationale Rechtspersönlichkeit im Hinblick auf Verträge und Abkommen und der Kontrolle über Umweltschutzangelegenheiten den Schutz der physischen, kulturellen und politischen Integrität indigener Völker fordert. 194 Darüber hinaus finden sich immer mehr internationale Deklarationen, Untersuchungen und Arbeitsgruppen, die Rechte indigener Völker hinsichtlich des Schutzes der jeweiligen Kultur zum Gegenstand haben. 195 Schließlich hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Jahr 1993 zum Jahr der Indigenen Völker 196 und die mit diesem Jahr beginnende Dekade zur Dekade der Indigenen Völker erklärt. Mit diesen Resolutionen hat die Weltge-
189 Vgl. die Beteiligung der Staaten an dem Workshop on Indigenous Knowledge and Biological Diversity in Madrid, November 1997. 190 Art. VII der Declaration, die am 26.02.1997 von der Inter-American Commission on Human Rights bestätigt wurde. 191 Anaya. Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), 1 (21) m.w.N. 192 Ebd. 193 Die ,Principles for Guiding the Deliberations ofthe Working Group on Indigenous Populations', die von dem Indian Law Resource Center, entwickelt wurden. 194 Nettheim. in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 107 (115). 193 Torres. Yale Journal ofInternational Law 16 (1991),127 (158). 196 "Recognizing the value and the diversity of the cultures and the forms of social organisation of the world's indigenous peoples", GA Res., The International Year of the World's Indigenous Peoples, 1991, siehe auch GA Res. 45/164 ofDec. 18,1990; vgl. auch HiLpoLd. Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften 97 (1998), 30 ff.
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meinschaft den indigenen Völkern und ihrer kulturellen Identität erstmals eine internationale Wichtigkeit beigemessen und diese dadurch anerkannt.
2. Ausformung des Rechts auf kulturelle Identität
Während das Recht auf kulturelle Identität grundsätzlich als gewohnheitsrechtlieh anerkannt anzusehen ist, ist weiterhin fraglich, auf welche konkrete Ausformung dieses Rechts auf kulturelle Identität sich die gewohnheitsrechtliehe Anerkennung bezieht. In Betracht kommt zunächst das Verbot des Ethnozid, d. h. des kulturellen Völkermordes. Eine weitere Ausformung der kulturellen Identität indigener Völker ist in dem Selbstbestimmungsrecht in Form der kulturellen Autonomie zu sehen.
a) Ethnozid Als Ethnozid sind Handlungen zu verstehen, die nicht allein, wie bei den vertragsrechtlichen und gewohnheitsrechtlichen Vorschriften über den Völkermord, die Personen der jeweiligen Gruppen in ihrer körperlichen Integrität verletzen, sondern darüber hinaus auch die kulturellen Besonderheiten dieser Gruppen und deren kulturelle Integrität als solche. 191 Bereits bei den Verhandlungen zur Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes 198 wurde überlegt, den kulturellen Völkermord ausdrücklich in die Konvention aufzunehmen. Letztlich wurde es jedoch als ausreichend betrachtet, diese Frage im Rahmen des Minderheitenschutzes zu behandeln. 199 Dies schließt aber nicht grundsätzlich aus, daß die Völkermordkonvention auch den Ethnozid als eine Ausprägung des Völkermordes urnfaßt. Dies könnte dann der Fall sein, wenn nicht die Individuen oder Gruppen selbst Ziel des Angriffs sind, sondern die Handlungen eine Zerstörung der Grundlagen indigener Kulturen, Religionen oder Sprachen zum Ziel oder zur Folge haben. 2°O Aufgrund der engen Verbindung zwischen den indigenen Kulturen
197 Barsh, Arnerican Journal oflnternational Law 81 (1987),756 (759); Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (388); Williams, Duke Law Journal (1990), 660 (688); Crawford. in: Crawford, Rights of Peoples, 55 (59/60) mit Verweis auf Thomberry. Texas International Law Journal 15 (1980),421 (444). 198 BGBI. 11 1955, 2 JO ff., UNTS 78, 277. 199 Capotorti. EPIL 8 (1985), 386 (388). 200 Nettheim. in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 107 (116/117).
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
und ihrem Land, wäre dieser Tatbestand bei jedem Angriff auf das Land selbst erfüllt. 201 Nach Art. 2 der Völkermordkonvention ist aber die Absicht erforderlich, die jeweilige nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören. 202 Die Anwendung internationaler Umweltbestimmungen ist nicht auf das Ziel einer solchen Zerstörung gerichtet, doch kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Zerstörung oder Einschränkung indigener Kulturen Folge der Anwendung und Umsetzung internationaler Umweltbestimmungen sein kann. Das völkergewohnheitsrechtliche Verbot des Ethnozid kann als Ausprägung des Verbots des Völkermordes inzwischen als weitgehend unumstritten angesehen werden. Einen Schutz der umweltrelevanten indigenen Besonderheiten kann das Verbot des Ethnozids jedoch nur in Ausnahmefällen bieten. Dies wäre dann der Fall, wenn die Ausübung bestimmter umweltrelevanter Praktiken von so überragender Bedeutung für das Überleben der jeweiligen indigenen Kultur ist, daß die Verhinderung der Ausübung dieser Praktiken zu der Vernichtung der Kultur an sich führen würde. Einen positiven Schutz auf Ausübung und Förderung der kulturellen Identität indigener Völker kann aber durch das Verbot des Ethnozid nicht erreichen werden.
b) Kulturelle Autonomie Das Recht auf kulturelle Autonomie als Kernbereich indigener Selbstbestimmung bzw. Selbstverwaltung umfaßt die eigenverantwortliche Entscheidung über alle Angelegenheiten, die die eigene Kultur betreffen. 203 Zu der kulturellen Autonomie gehören im einzelnen alle Aspekte, die das jeweilige Volk ausmachen, d. h. seine Religion, Spiritualität, Traditionen, Regeln, Gesetze sowie die wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten im engeren Sinne. 204 Die Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung in Form der kulturellen Autonomie kann die einzige Möglichkeit sein, indigene Kulturen zu erhalten und die
201
Ebd.
Vgl. auch Suagee, University ofMichigan Journal ofLaw Reform 25 (1992),671 (695/696). 203 Parker, University ofPittsburgh Law Review 55 (1993/1994), 207 (216 f.); Hannuml Li/lieh, American Journal of International Law 74 (1980), 858 (883 ff.). 204 Vgl. Bericht der WGIP 1997, ElCN.4/Sub.2/1997, Annex 11, 3 ff. 202
A. Inhalte des internationalen Schutzes
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Angehörigen dieser Völker zu schützen. 2os Aus diesem Grund ist die Diskussion um das Recht auf Selbstbestimmung bzw. kulturelle Autonomie nicht von der Frage der Rechte indigener Völker zu trennen. 206 Bei dieser Form der kulturellen Autonomie handelt es sich um eine Form der Selbstbestimmung, die nicht mehr dem Kontext der Dekolonisierung zuzurechnen ist. 207 Durch die Ausübung der kulturellen Autonomie wird die Zugehörigkeit zum Heimatstaat im Rahmen des internationalen Rechts nicht in Frage gestellt, da die Unabhängigkeit nicht als Option der Ausübung des Rechts mit eingeschlossen ist. 208 So bleibt die Möglichkeit der Sezession allein bestimmten Formen des Rechts auf Selbstbestimmung vorbehalten,209 ist aber nicht Bestandteil der Handlungsmöglichkeiten im Rahmen der kulturellen Autonomie. Gerade für indigene Völker, die eine eigene Kultur als Volk haben und nicht nur eine Minderheit eines im Ausland lebenden Volkes in dem jeweiligen Heimatstaat sind, ist die kulturelle Autonomie für die Erhaltung ihrer kulturellen Identität von großer Bedeutung. 2IO Die umweltrelevanten Besonderheiten indigener V ölker sind Teil ihrer kulturellen Identität. Die Anerkennung eines Rechts auf kulturelle Autonomie hat damit die Anerkennung und den Schutz dieser Besonderheiten zur Folge.
aa) Verhältnis Selbstbestimmung - kulturelle Autonomie Das Recht auf Selbstbestimmung ist eine anerkannte Regel des internationalen Vertrags- und Gewohnheitsrechts. 2l1 Dieses Recht ist in Art. 1 und 55 der Charta 205
Falle, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 17 (20); Barsh, in: Hocking, 68 (72).
206 Brownlie, in: Crawford (ed.), I (16). 207 Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), I (32);
ComtasseVPrimeau, Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 (353); Rehof, Nordic Journal ofinternational Law 61 (1992), 19 (19); vgl. auch Batistich, Auckland University Law Review 7 (1995), 1013 (1035) zu einer "anderen" Form der Selbstbestimmung für indigene Völker. 208 Coulter/Janis/Miller/Schaaf, Indigenous Peoples, Self-Detennination and the Unfounded Fear of Secession, Indian Law Resource Center, 3; vgl. zu Autonomie von Minderheiten auch Frowein, in: AchourlLaghmani (eds.), 123 (127 f.). 209 Kooijmans, Netherlands International Law Review 43 (1996),211 (214). 210 ComtasseVPrimeau, Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 (362 f.); Dahl, 12. 211 Vgl. Judge Dillard: "it is for the people to detennine the destiny of the territyory and not the territory the destiny of the people" der Separate Opinion in der Western Sahara Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1975, 12 (122); vgl. auch Brownlie, 597; Hannum, 45; Thomberry, 63; McCorquodale, African Journal of International and Comparative Law 4 (1992),592 (594); Thürer, EPIL 8, 470 (473).
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
der Vereinten Nationen, in den Menschenrechtspakten212 und in zahlreichen Resolutionen der Generalversammlung213 enthalten. Aufgrund seiner Auswirkungen auf den Bestand der territorialen Integrität der Staaten ist das Recht auf Selbstbestimmung eines der umstrittensten völkerrechtlichen Rechte; diese Diskussion und Entwicklung im einzelnen nachzuzeichnen kann nicht Aufgabe dieser Untersuchung sein. 214 Aus diesem Grund sei hier lediglich auf folgende Aspekte hingewiesen: Das Recht auf Selbstbestimmung wurde vor allem auf Kolonialgebiete angewendet2 1s und war auf die Erlangung der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht begrenzt (sog. salt- or blue water rule).216 Nach diesem traditionellen Verständnis umfaßte das Selbstbestimmungsrecht drei Handlungsalternativen: Unabhängigkeit, Integration und freie Assoziation. 217 Bereits auf dieser Grundlage haben einige indigene Völker versucht, das Recht auf Selbstbestimmung auszuüben, da auch sie einer Kolonialmacht unterworfen worden waren. 218 Zur Begründung dieses Anspruchs vertraten sie, sie seien immer noch eigenständige Nationen, die nie die Souveränität über ihr Gebiet abgegeben hätten. 219 Gestützt wurde Vgl. Teil III. A.1. 2. und 3. Siehe zum Beispiel die Resolutionen der Generalversammlung: 567 (VI) vom 18.1.1952; 648 (VII) vom 10.12.1952; 742 (VIII) vom 27.1.1953; 1514 (XV) vom 14.12.1960; 1803 lXVII) vom 14.12.1962; 2105 (XX) vom 20.12.1965; 2189 (XXI) vom 13.12.1966; 2621 (XXV) vom 12.10.1970; 2625 (XXV) vom 24.10.1970. 214 Zum völkerrechtlichen Recht auf Selbstbestimmung vgl. zum Beispiel Thürer, EPIL 8,470 ff.; Doehring, 9 ff.; Cassese, in: Henkin, 92 ff.; Ermacora, 6 ff.; Emerson, American Journal of International Law 65 (1971), 459 ff.; Thamilmaran, Sri Lanka Journal of International Law 7 (1995),165 ff.; Batistich, Auckland University Law Review 7 (1995), 1013 ff.; Slatterly, Osgoode Hall Law Journal 32 (1994),703 ff.; Brilmayer, Yale Journal of International Law 16 (1991), 177 ff.; Buchanan, Journal of International Affairs 45 (1992),347 ff.; Cass, Syracuse Journal of International Law and Commerce 18 (1992), 20 ff.; Morgan, New York University Journal of International Law and Politics 20 (1987/1988),355 ff. jeweils m. w. N. m Vgl. Delbrück, Vereinte Nationen 1977,5 ff.; Orentlicher, Yale Journal ofinternational Law 23 (1998), 21 (39). 216 Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1971, 16 (32); Western Sahara, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1975, 12 (31/32); siehe dazu Erklärung "On the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples", GA Res. 1314 (XV) vom 14.12.1960; vgl. auch Alfredsson, EPIL 8 (1985), 314 (315); Paxman, Case Western Reserve Journal of International Law 21 (1989),185 (193). 217 Vgl. hierzu im einzelnen Thürer, EPIL 8, 470 (473). 218 Anaya, lowa Law Review 75 (1989/90), 837 (838); Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 107 (121). 219 Torres, Yale Journal ofinternational Law 16 (1991),127 (154). 212 213
A. Inhalte des internationalen Schutzes
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diese Forderung auf den Art. 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), nach demeinemjeden das Recht auf Nationalität zusteht. 220 Die indigenen Völker verstanden sich selbst als Angehörige mit indigener Nationalität, wobei die Nationalität i. S. d. Art. 15 AEMR verstanden wurde. 221 Diese Ansprüche sind jedoch erfolglos geblieben, da einerseits der intertemporäre Charakter des Völkerrechts eine Anwendung des heute geltenden Völkerrechts auf historische Situationen verbietet und andererseits die Prinzipien der territorialen Integrität und damit auch die Stabilität des Status Quo diesen Ansprüchen entgegenstehen. 222 Die territoriale Integrität wird bei der Bewertung des Selbstbestimmungsrechts außerhalb des Dekolonisierungsprozesses relevant, da die Ausübung eines derartigen Selbstbestimmungsrechts zur Fragmentierung des jeweils betroffenen Staates führen könnte. 223 So erscheint es zweifelhaft, ob das Selbstbestimmungsrecht über den Dekolonisierungsprozeß hinaus einzelnen Gruppen generell ein Recht zur Sezession bieten kann. 224 Jedoch wird argumentiert, daß die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts eine fortwährende Voraussetzung für die tatsächliche Freiheit eines Volkes ist,225 die nicht allein mit der Unabhängigwerdung von dem ehemaligen Kolonialstaat zu erreichen ist. Damit wird die sogenannte one-shot-rule, die die einmalige Ausübung des Selbstbestimmungsrechts beschreibt, überflüssig, oder zumindest auf die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts in Form der Unabhängigwerdung begrenzt. Die Anwendung des klassischen226 Selbstbestimmungsrechts außerhalb des Dekolonisierungsprozesses ist hiernach auch auf solche Situationen anwendbar, in denen ein Staat krasse Menschenrechtsverletzungen (wie z. B. Apartheid) selbst vornimmt oder zumindest nicht verhindern kann. 227 220 221
Ebd. Ebd.
222 Anaya, Iowa Law Review 75 (1989/90), 837 (838-840); Orentlicher, Yale Journal of International Law 23 (1998), 21 (41). 223 Paxman, Case Western Reserve Journal ofInternational Law 21 (1989), 185 (193); Thürer, EPIL 8, 470 (474) unter Verweis auf die Staatenpraxis hinsichtlich der Fälle Tibet, Katanga, Biafra und Bangladesh. In der jüngeren Vergangenheit sind jedoch Beispiele zu finden, die ein etwas anderes Licht auf diese Staatenpraxis werfen, so zum Beispiel die Auflösung Jugoslawiens 1991 und der Sowjetunion 1993 sowie die Anerkennung der Unabhängigkeit Eritreas 1993. 224 Thürer, EPIL 8, 470 (473), der eine derartige Ausweitung des Selbstbestimmungsrechts ablehnt. m Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), 1 (35). 226 Also das die Unabhängigkeit einschließende Recht auf Selbstbestimmung. 227 Thürer, EPIL 8, 470 (473); Bryant, Saskatchewan Law Review 56 (1992), 267 (277); vgl. auch oben Teil III. A. I. 2. a).
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
Dagegen wird vertreten, daß dem Recht auf Gleichheit und Selbstbestimmung ausreichend Rechnung getragen werde, wenn das in Frage stehende Rechtssystem eine Regierung aufweise, die alle Angehörigen dieses Staates ohne Unterscheidung nach Rassenzugehörigkeit repräsentiere. 228 Häufig wird angenommen, daß die Schaffung einer demokratischen Regierung bereits ausreiche, diesen Inhalt des Selbstbestimmungsrechts - d. h. Verwirklichung von Demokratie und Menschenrechten - zu erfüllen. 229 Dies mag im Hinblick auf den Dekolonisierungsprozeß auch zutreffend sein, bleibt jedoch im Hinblick auf Bevölkerungsgruppen innerhalb des sich unabhängig erklärenden Staates weiterhin fraglich. Auch in ehemaligen Kolonien, die die Unabhängigkeit erreicht haben, ist von einer Garantie für die Verwirklichung der individuellen Menschenrechte nicht ohne weiteres auszugehen. 230 Dies gilt insbesondere für die Rechte indigener Völker, deren Rechte und Interessen bislang auch in westlich geprägten Demokratien nicht vollständig verwirklicht wurden. Die Forderungen fast aller indigener Völker richten sich auf das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu bestimmen, nicht aber auf die Erlangung der Unabhängigkeit von ihren derzeitigen "Heimatstaaten".231 Dieses spiegelt sich zum Beispiel auch in der Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples 232 wider, die zwar das Recht indigener Völker auf Autonomie in Art. 23 enthält,m nicht aber Hinweise auf ein Recht zur Sezession. 234 Schließlich ist eine umfassende interne Selbstbestimmung zur Wahrung der kulturellen Identität in den meisten Fällen der territorialen Sezession vorzuziehen,23S da viele indigenen Völker nicht 228 Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (390); Orentlicher, Yale Journal ofInternational Law 23 (1998), 21 (46). 229 Vgl. oben Teil III. A. I. 2. a) bb). 230 Zu denken wäre etwa an allgemeine Minderheitenrechte und Frauenrechte. 231 Juli, Draft for Social Alternatives, 9.12.93, 3; Gardiner-Garden, Aboriginalityand Aboriginal Rights Internationally, 15, mit Verweis auf die kanadischen Dene, zitiert in: Evans, Catherine, Aboriginal Self Government: Tbe Unfinished Agenda, Current Issues Paper # 65, Legislative Research Service, Canadian Parliarnent, 11 (Dene Declaration); vgl. auch Lam, Cornell International Law Journal 25 (1992), 603 (608); Hilpold, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften 97 (1998), 30 (45). 232 Im einzelnen vgl. hierzu unter III. 1. 233 Vgl. auch Stromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (587). 234 V gl. dazu auch Gardiner-Garden, Aboriginality and Aboriginal Rights Internationally, 10; Suagee, University of Michigan Journal of Law Refonn 25 (1992), 671 (693) m.w.N. 235 Brownlie, in: Crawford (ed.), Tbe Rights of Peoples, 1 (3) mit Verweis auf den Begian Linguistics Case 1968 - keine positiven Pflichten des Staates die Minderheitenkultur zu fördern.
A. Inhalte des internationalen Schutzes
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als Einheit auf einern begrenzten Gebiet, sondern verstreut in dem Gebiet ihres Heimatstaates leben. 236 Seit einiger Zeit ist sowohl national als auch international eine Entwicklung außerhalb des herkömmlichen Dekolonisierungskontextes - zu beobachten, die die Frage nach der Rechtrnäßigkeit der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts durch Minderheiten und indigene Völker in unabhängigen Staaten stellt. 237 Im Lichte der aufgezeigten neueren Bereitschaft, die kulturelle Identität indigener Völker anzuerkennen, statt sie zu integrieren oder assimilieren,238 eröffnet sich so eine neue Fonn der Selbstbestimmung, die auf andere Ziele gerichtet ist als die Selbstbestimmung im Rahmen der Dekolonisierung. 239 Beide Fonnen von Selbstbestimmung sind auf die Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit, aber auch von kultureller Identität gerichtet, die ihrerseits untrennbar mit der Ausübung des jeweiligen Selbstbestimmungsrechts verknüpft sind. 24O
236
Ebd.
237 Anaya,
Arizona Journal ofInternational and Comparative Law 8 (1991), 1 (32); Blay, New York University Journal ofInternational Law and Politics, 18 (198511986),441 ff.; Nanda, Case Western Reserve Journal ofInternational Law 13 (1986), 257 (266); Brennan, University ofNew South Wales Law Journal 16 (1993), 245 ff.; Crawford, in: Crawford, Rights of Peop1es, 55 (58); Slatterly, Osgoode Hall Law Journal 32 (1994), 703 (706); Batistich, Auckland University Law Review 7 (1995), 1013 (1026 ff.); Lapidoth, Journal ofInternational Affairs 45 (1992), 325 ff.; Balkin, in: Hocking (ed.), 19 ff.; vgl. hierzu auch Kooijmans, Netherlands International Law Review 43 (1996), 211 (214); Turpel, Cornell International Law Journal 25 1992),579 ff.; Paxman, Case Western Reserve Journal of International Law 21 (1989), 185 ff.; Lam, Cornell International Law Journal 25 (1992), 603 ff.; ComtassellPrimeau, Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 ff.; Barsh, University of Michigan Journal of Law Reform, 26 (1993), 277 ff.; ders., in: Hocking (ed.), 68 ff.; Rehof, Nordic Journal of International Law 61 (1992), 19 ff.; Suagee, University of Michigan Journal ofLaw Reform 25 (1992), 671 ff. 238 Vgl. Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 4. 239 Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), 1 (32); Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 ff.; Paxman, Case Western Reserve Journal of International Law 21 (1989), 185 ff.; Lam, Cornell International Law Journal 25 (1992), 603 ff.; ComtassellPrimeau, Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 ff.; Barsh, University ofMichigan Journal ofLaw Reform 26 (1993), 277 ff.; ders., in: Hocking (ed.), 68 ff.; Batistich, Auckland University Law Review 7 (1995), 1013 (1026 ff.); Lapidoth, Journal ofInternational Affairs 45 (1992), 325 ff.; Balkin, in: Hocking (ed.), 19 ff.; Rehof, Nordic Journal ofInternational Law 61 (1992), 19 ff.; Suagee, Uni versity of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 ff. 240 Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), 1 (32) mit Verweis auf den Miskito case vor der Inter-American Commission of Human Rights; vgl. auch Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 ff.; Paxman, Case Western Reserve Journal of International Law 21 (1989), 185 ff.; Lam, Cornell International Law 7 Schillhorn
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Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
Trotz der grundsätzlichen konzeptionellen Gleichheit dieser beiden Arten der Selbstbestimmung, gibt es Bestrebungen, sie in der rechtlichen Bewertung und Anwendung voneinander zu trennen. 241 Der Vorteil einer solchen theoretischen Trennung der verschiedenen Fonnen der Selbstbestimmung ist für indigene Völker von großer praktischer Relevanz. 242 Viele Staaten sehen das Recht auf Selbstbestimmung noch im Lichte des Dekolonisierungsprozesses als Instrument, die nationale Unabhängigkeit zu erlangen. Deshalb sind viele Staaten mit indigenen Bevölkerungsanteilen sehr zögerlich, ein solches Recht für indigene Völker anzuerkennen,243 da sie eine Desintegration ihres Staates fürchten. 244 Dies gilt, obwohl Art. 1 und 55 Charta der Vereinten Nationen weder auf den Dekolonisierungsprozess 24S noch auf die unabhängige Staatswerdung verweisen. 246 Es ist also nicht zwingend, das Selbstbestimmungsrecht dahingehend zu verstehen, daß die Möglichkeit der Erreichung der Unabhängigkeit konstitutives Element dieses Rechts ist. 247 Durch die formale Trennung des Selbstbestimmungsrechts im herkömmlichen Sinne und des Rechts auf kulturelle Autonomie kann den Bedenken dieser Staaten entgegengetreten werden. Die Fonndes Selbstbestimmungsrechts, wie sie von den indigenen Völkern in Anspruch genommen wird, ist grundsätzlich nicht auf die Erlangung der Unabhängigkeit,248 sondern auf eine Fonn der kulturellen Autonomie bzw. Selbst-
Journal 25 (1992), 603 ff.; ComtassellPrimeau, Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 ff.; Berg, Saskatchewan Law Review 56 (1992), 375 ff. 241 McWhinney, American Society of International Law Proceedings 79 (1985), 204 (205).
Vgl. Bryant, Saskatchewan Law Review 56 (1992), 267 (270). Herz. Virginia Law Review 79 (1993), 691 (691). 244 Hannum, American Society ofInternational Law Proceedings 79 (1985), 196 (197). 245 Siehe dazu zum Beispiel Art. 73 und 76 UNC; vgl. auch Wyss, 34. 246 Crawford, in: Crawford, Rights of Peoples, 55 (58). 247 Thürer, EPIL 8, 470 (474/475), der sich für eine Ausweitung des Anwendungsberei242 243
ches des Selbstbestimmungsrechts in der Form der internen Selbstbestimmung ausspricht. Nach Thürer können auch die Vereinten Nationen die Verwirklichung des internen Selbstbestimmungsrechts unterstützen, da es sich bei der Gewährung dieses Rechts nicht mehr um eine ,innere Angelegenheit' des jeweiligen Staates i. S. d. Art. 2 (7) UNC handele. 248 Lam, Cornell International Law Journal 25 (1992), 603 (608); Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 578 (592); Brownlie, in: Crawford, 4 (6); Berman, American Society ofInternational Law Proceedings 79 (1985), 189 (193); Richardson, American Society ofInternational Law Proceedings 79 (1985), 204 (207); Kingsbury, Cornell International Law Journal 25 (1992),481 (500); Torres, Yale Journal of International Law 16
(1991),127 (142).
A. Inhalte des internationalen Schutzes
99
regieruni49 gerichtet. Eine solche Selbstregierung zielt auf die Schaffung von indigener Autonomie in lokalen politischen und kulturellen Angelegenheiten und Verwaltungsaufgaben sowie auf die politische Mitwirkung an allen staatlichen Entscheidungen, die das jeweilige indigene Volk betreffen. 230 Autonomie251 wird dabei als rechtliches Regime verstanden, in dem die Kompetenzen der Selbstregierung, einschließlich der Gesetzgebungskompetenzen für einen oder mehrere spezifische Bereiche im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung des jeweiligen Staates auf eine bestimmte Gruppe von Individuen übertragen wird. 2S2 Dabei ist das Konzept der Selbstregierung per definitionem auf die Ausübung innerhalb eines verfassungsrechtlichen Rahmens eines bestimmten Staates beschränkt. 253 Die Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung kann viele andere Formen annehmen, die unterhalb der Schwelle der unabhängigen Staatswerdung liegen. Anaya beschreibt es wie folgt: "Self-determination may be understood as a right of cultural groupings to the political institutions necessary to allow them to exist and develop according to their distinctive characteristics. The institutions and degree of autonomy, necessarily, will vary as the circumstances in each case vary. And in determining the required conditions for a claimant group, decision makers must weigh in the human rights of others ...254
Nach diesem Verständnis von Selbstbestimmung steht dieses Recht auch den indigenen Völkern zu. Somit haben sie das Recht, ihre kulturellen, spirituellen und traditionellen Praktiken weitgehend unabhängig von den Regelungen ihres Heimatstaates auszuüben und selbst zu bestimmen, welche Regeln - auch bei der
249 Ebd.; vgl. auch Bericht von Martinez Cobo, FJCN.41Sub.211983/2I1Add.8, para. 581; Brennan, University ofNew South Wales Law Journal 16 (1993), 245 (248). 2'0 Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), 1 (33) m. w. N.; Kingsbury, Cornell International Law Journal 25 (1992),481 (500); siehe auch BeauclerkINarby, 28; vgl. auch Kooijmans, Netherlands International Law Review 43 (1996), 211 (216) zur Abgrenzung Selbstbestimmung - Autonomie; vgl. zur ausführlichen Diskussion indigener Autonomie und Selbstregierung Aboriginal Self-Determination, Cassidy (ed.), 20 ff. m Vgl. Delbrück, Vereinte Nationen 1977,5 (8). m Rehof, Nordic Journal ofinternational Law 61 (1992), 19' (19). 253 Ebd. 2'4 V gl. in diesem Sinne auch Kingsbury, Cornell International Law Journal 25 (1992), 481 (5021503), der selbst jedoch das Selbstbestimmungsrecht als Wahlmöglichkeit inclusive der unabhängigen Staatswerdung versteht, m. w. N.; Sanders, Human Rights Quarterly 11 (1989),406 (427/429); Torres, Yale Journal of International Law 16 (1991), 127 (142 und 1621163).
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1()() Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
Umsetzung internationaler Verpflichtungen - auf ihr Land und ihre Umwelt anzuwenden sind.
bb) Staatenpraxis zur kulturellen Autonomie Viele Heimatstaaten indigener Völker haben sich in den letzten Jahren mit der Frage der Selbstbestimmung und der kulturellen Autonomie auseinandergesetzt. 255 Wie bereits ausgeführt, gibt es in verschiedenen Staaten Selbstregierungsinstitutionen indigener Völker. 256 Insgesamt läßt sich eine Entwicklung dahingehend feststellen, daß das Recht auf Selbstbestimmung in der Ausfonnung der kulturellen Autonomie anerkannt und zugestanden wird. 2S7 Derartige Entwicklungen finden sich z. B. in den Vereinigten Staaten und in Kanada. 2S8 Bereits 1983 wurde in dem Bericht des kanadischen parlamentarischen Komitees vorgeschlagen, die indigene Selbstregierung als besondere Ebene der Regierung anzuerkennen. 259 Weitere Beispiele für die Anwendung von indigener Selbstregierung sind das James Bay and Northern Quebec Agreement von 1975 260, das Inuvialuit (Western Arctic) Agreement von 1984261 sowie der Sechelt Indian Band Self-Government Act von 1984262 und das Vuntut Gwichln First Nation Self-Government Agreement von 1992. 263 Diese Vereinbarungen enthalten die Anerkennung der Rechte der betreffenden indigenen Völkern hinsichtlich bestimmter Gebiete sowie Regelungen über Entschädigungen und Umweltschutz, kulturelle und sprachliche Rechte, soziale und wirtschaftliche Entwicklung sowie Rechte hinsichtlich der Jagd, der Fischerei, des Vgl. dazu Juli, Draft for Social Alternatives, 9.12.93, I. Vgl. oben I. a). 257 Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), I (37) m. w. N.; Parker, University ofPittsburgh Law Review 55 (199311994), 207 (222). 258 Vgl. für heide Staaten Aboriginal Self-Determination, Cassidy (ed.), 10 ff.; für Kanada siehe Zusammenstellung des Department of Indian and Northern Affairs Canada, Aboriginal Agenda: Renewing the Partnership, 1997; Berg, Sasketchewan Law Review 56 (1992),375 (380 f.). 259 Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 107 (112): 260 Vgl. hierzu Moss, in: Aboriginal Self-Government, 55 (106 ff.); BartleU, 155 ff.; Dörrenbächer, Zeitschrift für Kanadastudien 30 (1996), 33 f1; Dupuis, in: DupuisJMcNeil, 34 ff. 261 Vgl. hierzu Moss, in: Aboriginal Self-Government, 55 (106 ff.). 262 Vgl. hierzu Elliot, 196 ff.; Bartlett, 162 ff. 263 V gl. hierzu Elliot, 202 ff. 2SS
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101
Fallenstellens und des Sammelns. 264 Auch unter dem kanadischen Indian Act ist ein begrenztes Maß an Selbstverwaltung möglich. 265 Außerdem bestehen Überlegungen, die kanadische Nation derart umzugestalten, daß die ersten Nationen, also die indigenen Völker, akkomodiert werden können. 266 Insgesamt wird in fast 90 Fällen derzeit an dem Abschluß von Abkommen zwischen der Kanadischen Regierung und indigenen Völkern gearbeitet, um das Recht der indigenen Völker auf kulturelle Integrität und Selbstregierung vertraglich abzusichern. 267 Auch in dem Gathering Strenth Canada' s Aboriginal Action Plan von 1998 stellt die Anerkennung des Rechtes der indigenen Völker auf Selbstregierung und die tatsächliche Umsetzung dieses Rechts einen wichtigen Bestandteil dar. 268 In den Vereinigten Staaten üben die einzelnen Völker bzw. Stämme ein hohes Maß an Regierungsbefugnissen aus; so sind mehr als 500 Stämme in den Vereinigten Staaten durch die Bundesregierung anerkannt ifederally recognized).269 Die indigene (triba!) Souveränität ist in den Vereinigten Staaten seit 200 Jahren anerkannt, und viele Reservationen verwalten ihre eigenen Angelegenheiten und üben triballaw, also das jeweilige indigene Recht aus. 270 Weiterhin hat der USamerikanische Supreme Court die doctrine 0/ inherent tribai sovereignty entwikkelt, wonach indigene Stämme als souveräne Regierungen von domestic dependent nations (abhängige Nationen innerhalb eines Staates) einzustufen sind. 271 Dabei umfaßt die tribai sovereingty alle Merkmale eines Staates, soweit sie nicht vom Bundesrecht ersetzt wurden. 272 Dies gilt auch für die Gesetzgebung, die
Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 107 (113). Torres, Yale Journal ofInternational Law 16 (1991),127 (143). 266 Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 (581). 267 Vgl. Beitrag der Repräsentanten Kanadas zur 15. Sitzung der WGIP 1997, die auf Vertragsverhandlungen mit den Inuit, den Miqmaq, den Yukon First Nations, den Metis und anderen Völkern verweist. 268 V gl. oben 11. 1. a). 269 Suagee, University ofMichigan Journal ofLaw Reform 25 (1992),671 (697). 270 Juli, Draft for Social Alternatives, 9.12.93, 3. 271 Cherokee Nation v. Georgia, 30 U.S. (5 Pet.) 1 (1831); vgl. auch Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (699); Galloway, Washington Law Review 70 (1995), 177 (178); Martella, Vanderbilt Law Review 47 (1994), 1863 (1872); Eklund, Hameline Law Review 20 (1996), 125 (130); Skibine, Utah Law Review 1995, 1105 (1120 ff.); Willoughby, Southern Illinois University Law Journal 19 (1995), 593 (598 f.). 272 Mirande, Natural Resources and Environment 4 (1990),10 (11); Eklund, Hameline Law Review 20 (1996),125 (131); Willoughby, Southern Illinois University Law Journal 19 (1995),593 (598 f.). 264
265
102 TeillII: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
grundsätzlich bei den indigenen Völkern liegt.273 Eine staatliche Gesetzgebungskompetenz ergibt sich grundsätzlich nur, wenn diese Souveränität der Indianer durch einen ausdrücklichen Akt des Kongresses eingeschränkt wird. 274 Des weiteren hat es in jüngerer Vergangenheit Neuerungen im Umweltrecht gegeben, die ein Modell für indigene Autonomie vorsehen, das für andere indigene Völker Vorbildcharakter haben könnte. 27s So sind in den letzten Jahrzehnten der Water Quality Act,276 der Safe Drinking Water Acf77 und der Clean Air Act, 278 also wichtige bundesrechtliche Umweltgesetze erlassen bzw. geändert worden worden, die die Environmental Protection Agency, die staatliche Umweltschutzbehörde, ermächtigen, indianische Stämme in gewissen Kontexten wie Staaten zu behandeln. 279 Die Voraussetzungen für die Behandlung des Stammes als Staat in diesem Kontext ist, daß der Stamm bundesrechtlich anerkannt ist, über ein Regierungsorgan mit der Kapazität zur Durchführung von substantiellen Aufgaben und Kompetenzen verfügt und die Aufgaben ausführen kann, die die Gesetze vorsehen. 280 Im einzelnen bezieht sich die Möglichkeit, indianische Stämme nach dem Water Quality Act als Staaten zu behandeln unter anderem auf Darlehen, Reinheitsanforderungen an Wasser, saubere Seen, Zertifizierung und das National Pol/utant Discharge Elimination System (NPDES). 281 Sollten allerdings die indianischen Bestimmungen nicht im Einklang mit dem Water Quality Act stehen, so ist die Environmental Protection Agency befu~, die indianische Regelung durch eine eigene zu ersetzen. 282 Auch unter dem Safe Drinking Water Act gilt die Möglichkeit, indianische Stämme als Staaten zu behandeln für die Vergabe von Darlehen, aber auch für die Verantwortlichkeit zur Durchsetzung der Bestimmungen. 283 Martella, Vanderbilt Law Review 47 (1994),1863 (1873). Ebd. m Ebd. (704). 276 1987,33 U.S.C. Ch. 26. 271 1996,42 U.S.C. 300 f. 278 1990,42 U.S.c. Ch. 85. 279 Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (704); Coursen, Environmental Law Reporter 23 (1994), 10579 (10580); Caldwell-Hill, Northem Kentucky Law Review 24 (1996),81 (99); Bilut, Syracuse Law Reyiew 45 (1994),887 (892). 280 § 518 Water Quality Act, § 1451 Safe Drinking Water Act und § 301 Clean Air Act. 281 §§ 201-219, 303, 305, 308 Water Quality Act; vgl. auch Coursen, Environmental Law Reporter 23 (1994),10579 (10581); Caldwell-Hill, Northern Kentucky Law Review 24 (1996), 81 (100). 282 Bilut, Syracuse Law Review 45 (1994), 887 (893). 283 § 1451 (a) Safe Drinking Water Act. 273
274
A. Inhalte des internationalen Schutzes
103
Ähnliches gilt für den Clean Air Act, der darüber hinaus vorsieht, daß die indianischen Standards zur Luftreinhaltung von der Environmental Protection Agency unter den gleichen Kriterien beurteilt wird, wie die staatlichen Standards. 284 Die Behandlung in diesem Sinne als Staaten bedarf für jedes spezielle Programm eines Antrages der jeweiligen indianischen Stämme, der dann von der Environmental Protection Agency anhand der oben genannten Kriterien der Anerkennung, der Regierung, der Kompetenz und der Durchsetzungsgewalt überprüft wird. 28S Das Zulassungs verfahren sieht vor Entscheidung durch die Environmental Protection Agency eine Beteiligung der anderer Behörden zur Abgrenzung der jeweiligen Kompetenzen mit dem Stamm vor. 286 Es handelt sich bei diesem Ansatz also um eine wichtige Neuerung bei der Um- und Durchsetzung umweltrechtlicher Standards, die, jedenfalls in ihren Grundzügen, auf die Anerkennung der indianischen Autonomie gegründet sind. In Australien sind in den letzten Jahren verschiedene Institutionen gebildet worden, die die Selbstregierung und Selbstbestimmung der Aborigines und Torres Strait Islander verwirklichen sollen. So gibt es die land councils im Northem Territory, New South Wales und South Australia, die Queensland Aboriginal Councils, die lsland Councils, das Aboriginallndustries Board und das lsland Industries Board sowie Western Australia's community councils. 287 In diesem Zusammenhang ist auch die Aboriginal and Torres Strait !slander Commission zu nennen, die das Hauptorgan der indigenen Selbstbestimmung darstellt. 288 Allerdings sind nur einige dieser Institutionen an bestimmte Gebiete gebunden, und es erscheint sehr fragwürdig, wie echte Selbstverwaltung ohne ein entsprechendes Gebiet verwirklicht werden kann. 289 Die traditionellen Strukturen und Mechanismen der tribai control der Maori Neuseelands wurden bereits im Treaty ofWaitangi von 1840 erstmals anerkannt und sind seitdem als tribai autonomy respektiert und verwirklicht. 290 In Nicaragua haben die Miskitos einen Status der Autonomie aufrechterhalten können. 291 Die nicaraguanische Verfassung garantiert zwar die kulturelle Autono-
284 § 110 (0) Water Quality Act. m Coursen, Environmental Law Reporter 23 (1994),10579 (10582). 286
Ebd.
288
Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 107 (121). V gl. oben 1. a).
289
Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 107 (121).
287
290 291
Vgl. Munro, Victoria University ofWellington Law Review 24 (1994), 388 (393). Torres, Yale Journal ofInternational Law 16 (1991), 127 (BI).
104 Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
mie der Miskitos, bleibt aber in der Garantie der de Jacto politischen Autonomie hinter der alten Verfassung zurück. 292 Während in Guatemala indigene Autonomieforderungen über lange Zeit als Gefahr für den Staat und deshalb auch als Rechtfertigung für repressive Maßnahmen angesehen wurden,293 ist im Dezember 1996 der Acuerdo de Paz Fimre Y Durandera zwischen den indigenen Völkern und der Regierung geschlossen worden, der weitgehende Rechte der indigenen Völker enthält. 294 Durch diese vertragliche Regelung ist erstmals in Guatemala eine Anerkennung der indigenen Völker - irrunerhin mehr als die Hälfte der Staatsbevölkeruni9s - und ihrer kulturellen Identität erfolgt. In Kolumbien sind die Rechte indigener Völker hinsichtlich der Kontrolle über ihr Land, die natürlichen Ressourcen sowie ihrer eigenen Angelegenheiten verfassungsrechtlich festgeschrieben296.297 Auch Grönland ist, wie oben bereits ausgeführt,298 in der Regelung der eigenen Angelegenheiten weitgehend unabhängig von Dänemark. 299 In den Staaten Nordskandinaviens hat sich ebenfalls herauskristallisiert, daß eine Anerkennung indigener und territorialer Autonomie im Rahmen institutioneller Innovation der nationalen Einheit am besten gerecht wird. 300
Ebd. (144). Ebd. 294 Thesing, Kas-AI 1997,20 ff. 29S ComtasseVPrimeau, Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 (347). 296 Art. 329 der kolumbianischen Verfassung: ,.In the case of an indigenous [Indian] territory that rnay include the territory of two or more departments, its administration will be implemented by indigenous councils in coordination with the governors of the respective departments. In case that such territory should decide to constitute itself as a territorial entity, this will be done in compliance with the requirements established by the first clause of this article." sowie Art. 330: ,,In accordance with the Constitution and the laws, the indigenous territories will be governed by the councils formed and regulated according to the uses and customs of their cornmunities ..... 297 DaviesiSoeftestad, World Bank Environment Department Dissemination Notes No. 292 293
21 (1995), 1 (2). 298
Siehe oben 1. a).
Juli, Draft for Social Alternatives, 9.12.93, 2. 300 Juli, Peter, Self-Management and Local Government in Aboriginal North America, September 1990, 94; Gardiner-Garden, Aboriginality and Aboriginal Rights Internationally, 30. 299
A. Inhalte des internationalen Schutzes
105
Mithin wird das Recht auf Selbstregierung und Autonomie in Kanada und den Vereinigten Staaten praktiziert, aber auch in Australien, Neuseeland, Skandinavien und Lateinamerika gibt es bereits Ansätze für eine derartige Praxis oder jedenfalls Politik. 301
ce) "Opinio juris" zur kulturellen Autonomie
Die Anerkennung des Rechts auf kulturelle Identität ist, wie bereits dargestellt,302 inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannt. Dabei hat sich gezeigt, daß die Staatengemeinschaft das klassische Recht auf Selbstbestimmung für indigene Völker ablehnt, doch einer Ausgestaltung des Rechts auf kulturelle Identität in Form einer kulturellen Autonomie oder Selbstregierung nicht entgegensteht. So sehen sowohl die ILO-Konvention Nr. 169 und die Draft Declaration Autonomierechte indigener Völker vor. Insgesamt ist im Rahmen der Vereinten Nationen in den letzten beiden Dekaden die Unterstützung für indigene Autonomieforderungen erheblich gestiegen. 303 Dies wird bereits aus der Erklärung des Jahres 1993 zum Jahr der indigenen Völker und die mit diesem Jahr beginnende Dekade der indigenen Völker durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen deutlich. Weiterhin wurden während der World Conference to Combat Racism and Racial Discrimination 1978 in Genf Rechte indigener Völker in Bezug auf Autonomie erwähnt. So wurde das Recht indigener Völker auf Fortführung ihrer traditionellen wirtschaftlichen und alltäglichen Strukturen ebenso anerkannt, wie das Recht, gleichberechtigt am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben ihres ,Heimatstaates' teilzunehmen. 304 Dieser Ansatz wurde schon fünf Jahre späte~S wieder aufgenommen und insofern weitergeführt, als auch das besondere Verhältnis indigener Völker zu ihrem Land und dessen Ressourcen anerkannt wurde. 306 Auf dieser Grundlage wurde das Recht indigener Völker auf Sicherung ihres 301 Sanders, Human Rights Quarterly 11 (1989), 406 (427/429), der darauf hinweist, daß diese Staatspraxis die Grundlage für die Aufnahme der Selbstbestimmungs- und Autonomierechte in die Draft Declaration bildet. 302 V gl. oben I. 303 Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 579 (580). 304 Alfredsson, Journal ofInternational Affairs 36 (1982), 113 (120). 30S World Conference to Combat Racism and Racial Discrirnination von 1983 (UN Docs. AlConf.92/40 und AlConf.119126). 306 Alfredsson, EPIL 8 (1985), 311 (312); Barsh, American Journal ofInternational Law 80 (1986), 369 (371).
106 Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
Landes ebenso anerkannt, wie das Recht, die eigenen Angelegenheiten soweit wie möglich selbst zu bestimmen. Dieser Hinweis auf indigene Autonomie urnfaßt sowohl die eigentliche Autonomie im Sinne der unabhängigen Verwaltung eigener Angelegenheiten, als auch die mittelbare Autonomie, in Form der Konsultation indigener Völker, soweit ihre Interessen und ihr Wohlergehen betroffen sind. 307 In den Sitzungen der WGIP wird deutlich, daß die beteiligten Staaten einer Selbstregierung indigener Völker dann nicht ablehnend gegenüber stehen, soweit die Ausübung dieses Rechts nicht zu einer Sezession führt. 308 Auch im Rahmen der Second Decade to Combat Racism and Racial Discrimination der Vereinten Nationen wurden Modelle der Autonomie und Selbstregierung als gute Beispiele angeführt. 309 Diese Entwicklung zugunsten der Anerkennung der kulturellen Autonomie indigener Völker in der Staatengemeinschafe lO und im Rahmen internationaler Organisationen311 wird von der Literatur312 unterstützt.
ID. Neuere Entwicklungen im internationalen Schutz der umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker Die neuere Entwicklung des internationalen Schutzes indigener Völker und ihrer kulturellen Besonderheiten zeigt sich im sogenannten soft law. Als soft law gelten allgemein unverbindliche Entschließungen internatioanler Konferenzen oder internationaler Organisationen, die keiner Rechtsquelle zuzuordnen sind. 313 Auch das soft law als solches stellt keine Rechtsquelle i. S. d. Art. 38 IGH Statut dar. 314 Es kann nicht Aufgabe dieser Untersuchung sein, den Diskussionsstand Alfredsson, EPIL 8 (1985), 311 (312). Torres, Yale Journal ofInternational Law 16 (1991),127 (160). 309 Report of the Meeting of Experts to review the experience of countries in the operation of schemes of internal self-government for indigenous peoples, FJCNA/1992142, 9. 310 V gl. Brennan, University of New South Wales Law Journal 16 (1993), 245 (259). 311 Insbesondere in der UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities und der WGIP. 312 Vgl. z. B. Lam, Cornell InternationalLaw Journal 25 (1992), 603 ff.; Turpel, Cornell International Law Journal 25 (1992), 578 ff.; Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991),1. 313 Vgl. Bimie/Boyle, 10,29 f.; Ipsen, 221; Fastenrath, 178; Bleckmann, 338 ff. 314 Vgl. Ipsen, 2211222; Verdross/Simma, 419; s. auch Gruchalla-Wesierski, McGill Law Journal 30 (1984/1985), 37 ff., der die Elemente einer möglichen Definition von "soft law" analysiert. 307 308
A. Inhalte des internationalen Schutzes
107
und die Dogmatik im Hinblick auf das soft law aufzuarbeiten. 31S Im Zusammenhang mit den hier zu untersuchenden Fragen ist jedoch auf folgendes hinzuweisen: Das soft law ist in zwei Formen zu unterteilen: das rechtliche soft law und das nicht-rechtliche oder politische soft law. 316 Das "rechtliche" soft law umschreibt rechtsverbindliche Instrumente, die in der Formulierung ihrer Verpflichtungen und Rechte so vage gehalten sind, daß von einer Begründung konkreter echter Rechte und Pflichten nicht gesprochen werden kann. 317 Das "nicht-rechtliche" soft law ist seinerseits in zwei Unterkategorien zu unterscheiden. Die Instrumente der ersten Unterkategorie haben selbst zwar (noch) keinen rechtlich verbindlichen Charakter, sind aber dazu bestimmt, zukünftig einen Teil des rechtsverbindlichen Völkerrechts zu bilden. 318 Diese Umwandlung vom soft law in hard law, also in verbindliche Rechtsnormen, vollzieht sich entweder durch die ganze oder teilweise Übernahme dieser Instrumente in rechtsverbindliche Konventionen oder durch eine universelle Annahme der Grundsätze aus den Soft-law-Instrumenten in die Praxis der internationalen Gemeinschaft (Staatenpraxis) und der sie unterstützenden opinio juris, die sie dann zu Normen des Völkergewohnheitsrechts machen. 319 Diese Form des soft law, die das Potential hat, in rechtlich verbindliche Normen transferiert zu werden, ist unter anderem als das Forum beschrieben worden, in dem sich internationales Recht und interna-
mV gl. hierzu beispielsweise: Reisman, in: Bello/Ajibola (eds.), 135 ff.; Chinkin, International Comparative Law Quarterly 38 (1989), 850 ff.; American Society of International Law, American Society of International Law Proceedings 92 (1988), 371 ff.; GruchallaWesierski, McGill Law Journal 30 (1984), 34 ff.; Gold, American Jounral ofinternational Law 77 (1983),443 ff.; Bothe, Netherlands Yearbook of International Law 11 (1965), 65 ff.; Seidl-Hohenveldem, Receuil des Cours 163 (1979),164; Danilenko, 20 f.; Thürer, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 194 (1985),445 ff.; Reif, in:YounglIwasawa (eds.), 73 (74 f.), jeweils m. w. N. 316 Gruchalla- Wesierski, McGiII Law Journal 30 (198411985), 37 (40); Reif, in: Young/ Iwasawa (eds.), 73 (74 f.). 317 Chinkin, International and Comparative Law Quarterly 38 (1989), 850 (851); Gruchalla-Wesierski, McGill Law Journal 30 (198411985),37 (40). 318 Vgl. Palmer, American Journal ofinternational Law 86 (1992), 259 (269). 319 Vgl. die Argumentation des Gerichtshofes im Fall Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States), I.C.J. Rep. 1986, 14, in der der IGH die Bereitschaft gezeigt hat, die Transformation von "soft law" in "hard law" anzuerkennen; Chinkin, International and Comparative Law Quarterly 38 (1989), 850 (853/857); Gruchalla-Wesierski, McGiII Law Journal 30 (1984/1985), 37 (61); Chodosh, Texas International Law Journal 26 (1991), 87 (90).
108 Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
tionale Politik treffen, um neue Nonnen zu schaffen. 320 Die andere Unterkategorie der "nicht-rechtlichen" SoJt-law-Instrumente sind dagegen bereits bei ihrer Annahme auf ihren nicht-rechtlichen Charakter zugeschnitten. Diese Instrumente sind nicht dazu bestimmt, jemals in ihrer Gesamtheit oder auch nur in Ausschnitten rechtlich verbindlichen Charakter zu erlangen. 32I Solche "Nonnen" sind in internationalen Instrumenten wie z. B. in Berichten, Deklarationen oder Resolutionen zu finden. 322 Ein Beispiel für ein "nicht-rechtliches" SoJt-law-Instrument dieser Unterkategorie ist die KSZE-Helsinki-Deklaration. 323 In der neueren Entwicklung des internationalen Schutzes der Rechte indigener Völker sind die Instrumente der Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples324 und die Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung. 32S Diese beiden Deklarationen gehören zu den nicht-rechtlichen SoJt-law-Instrumenten der ersten Unterkategorie. So wurde bei der Schaffung dieser Instrumente nicht ausgeschlossen, daß sie eines Tages rechtliche Verbindlichkeit erhalten könnten. Die in ihnen enthaltenen Nonnen könnten in rechtsverbindliche Abkommen übernommen werden oder durch Staatenpraxis mit der entspechenden opinio juris zu Bestimmungen mit völkergewohnheitsrechtlichem Charakter werden.
1. DraJt Declaration on the Rights o/lndigenous Peoples Diese Deklaration wurde von der WGIP im Rahmen der UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination and the Proteetion of Minorities erarbeitet und ist allein den Rechten indigener Völker gewidmet. Dabei ist dieses Instrument als Entwurf einer universellen Deklaration der Standards anzusehen, die für alle indigenen Völker unabhängig von ihren besonderen Charakteristika und LebensPalmer, American Journal ofInternational Law 86 (1992), 259 (269). Gruchalla-Wesierski, McGill Law Journal 30 (1984/1985), 37 (40); Baxter, International and Comparative Law Quarterly 29 (1980), 549 (554); einige Autoren dagegen lassen nur das ,,rechtliche soft law" als "soft law" gelten und ordnen das ,,nicht-rechtliche soft law" nicht als Recht in irgendeiner Form ein, vgl. im einzelnen Gruchalla-Wesierski, McGill Law Journal 30 (1984/1985),37 (44). 322 Palmer, American Journal ofinternational Law 86 (1992), 259 (269); Chinkin, International and Comparative Law Quarterly 38 (1989), 850 (855); Gruchalla-Wesierski, McGill Law Journal 30 (1984/1985), 37 (46). 323 Vom 01.08.1975, I.L.M. 14 (1975),1292. 324 Draft Declaration on the Rights on Indigenous Peoples, vorbereitet von der WGIP zum 08.06.1993, FlCN.4/Sub.211993126, im folgenden Draft Declaration. m Vom 14.6.1992, UN Doc. AlConf.15115/Rev.l vom 13.6.1992, im folgenden RioErklärung. 320 321
A. Inhalte des internationalen Schutzes
109
umständen gelten. 326 Diese Deklaration wird jedoch, selbst wenn sie, wie geplant, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wird, noch kein bindendes Völkerrecht darstellen. 327 Dennoch wird dieser Deklaration ein besonderes Gewicht beizumessen sein, da sie die bereits bestehenden Normen des Vertragsrechts und des Gewohnheitsrechts hinsichtlich der indigenen Völker interpretieren wird. 328 Die grundlegenden Prinzipien der Draft Declaration umfassen die volle Ausübung des Menschenrechtsschutzes nach den bestehenden Menschenrechtsverträgen, die Erhaltung der kulturellen Identität, die Nutzung der Land- und Wassergebiete von denen indigene Kulturen abhängig sind und die Autonomie indigener Völker innerhalb ihrer traditionellen Gebiete. 329 Damit sind viele der für indigene Völker wichtigen Bereiche in der Draft Declaration enthalten. 330 Es findet sich jedoch kein ausdrücklicher Hinweis auf umweltrelevante kulturelle Besonderheiten indigener Völker. Enthalten ist lediglich eine Regelung, die die Rechte indigener Völker auf Umweltschutz dahingehend anerkennt, daß die für die indigenen Völker wichtige Umwelt nicht zerstört oder beeinträchtigt wird. 331 Doch läßt sich aus einer Reihe von Bestimmungen eine Grundlage für den Schutz umweltrelevanter indigener Besonderheiten ableiten. Diese werden im folgenden dargestellt.
a) Kulturelle Identität und umweltrelevante Besonderheiten Die kulturelle Identität indigener Völker ist das grundlegende Prinzip der Draft Declaration und findet sich in fast jeder Bestimmung der Erklärung. So werden bereits im zweiten Absatz der Präambel die Diversität und der Reichtum der Zivilisationen und Kulturen bestätigt, wobei sie als Teil des gemeinsamen Erbes der Menschheit bezeichnet werden. Weiterhin werden im sechsten Absatz der Präambel der Draft Declaration die Rechte indigener Völker anerkannt, die sich Stromski. American Indian Law Review 16 (1991), 575 (582) m. w. N. Vgl. Suagee. University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (689). 328 Ebd. 329 Ebd. 326
327
330 Williams. Duke Law Journal (1990), 660 (666), der die Draft Deklaration in ihrer heutigen Form für das weitreichendste Instrument auf dem Gebiet der indigenen Rechte hält. 331 Art. 26 der Draft DecIaration; vgl. auch Stromski. American Indian Law Review 16 (1991), 575 (586).
110 Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
unter anderem aus ihren Kulturen und ihren spirituellen Traditionen ergeben. Im achten Absatz der Präambel der Draft Declaration ist das Ziel enthalten, die Kulturen und Traditionen der indigenen Völker zu stärken. 332 Daneben umfaßt die Draft Declaration eine Reihe von Regelungen, die auf einen Schutz der indigenen Praktiken und Traditionen abzielen. Wie oben dargestellt,333 stehen viele dieser Praktiken und Traditionen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Umwelt. In Art. 4 Draft Declaration wird das Recht indigener Völker an der Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben des jeweiligen Staates unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der eigenen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Charakteristika anerkannt. Hieraus wird deutlich, daß nicht nur eine gleichberechtigte Teilnahme am staatlichen Leben zu gewähren ist, sondern daß der Beibehaltung der eigenen kulturellen Besonderheiten ein eigener Wert zugemessen wird. Nach der Regelung des Art. 6 Abs. b) Draft Declaration soll jede Handlung verhindert und mit Wiedergutmachung belegt werden, die den Entzug der indigenen Identität als besondere Gesellschaft, oder der indigenen kulturellen oder ethnischen Charakteristika oder Identitäten zum Ziel oder zur Folge hat. Der entscheidende Unterschied zu früheren internationalen Regelungen ist dabei nicht nur in dem Schutzgut - Integrität der Kultur - zu sehen, sondern auch in den zu verhindernden Handlungen. Während sich in der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes in Art. 2 eine vergleichbare Formulierung findet,334 wird dort der Tatbestand durch das subjektive Merkmal der Absicht begrenzt. Diese Begrenzung findet sich in der Draft Declaration nicht. Nach Art. 6 Draft Declaration kann vielmehr auch dann ein kultureller Völkermord vorliegen, wenn dies nicht beabsichtigt, sondern nur eine Folge der betreffenden Handlung war. 335 Durch diese Erweiterung des Tatbestandes wird der Anwendungsbereich - und damit auch der Schutzbereich - dieser Norm im Gegensatz zur Völkermordkonvention entscheidend erweitert. In Art. 8 Draft Declaration wird ausdrücklich das Recht auf kulturelle Identität anerkannt, das nach dieser Bestimmung individuell und kollektiv ausgeübt werden kann und sowohl die Erhaltung als auch die Weiterentwicklung der eigenen Charakteristika und Identitäten umfaßt. Ebenso wird das Recht auf Wiederbelebung Vgl. Stromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (581). Vgl. oben Teil 11. B. 334 Vgl. oben unter Gewohnheitsrecht in diesem Abschnitt. m Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (696). 332 333
A. Inhalte des internationalen Schutzes
111
und Ausübung der kulturellen Traditionen in Art. 11 und der religiösen und spirituellen Traditionen und Zeremonien in Art. 12 der Draft Declaration anerkannt. Zum Schutzbereich dieser Bestimmungen gehören auch die Ausübung der traditionellen Zeremonien und Technologien sowie der Traditionen und Gebräuche. Nach Art. 12 sind insbesondere auch die heiligen Orte der indigenen Völker unter Schutz gestellt. 336 Besonders interessant ist dabei der Zusatz "in privacy", der im Wortlaut der Bestimmung dem Recht auf Zugang bzw. Besuch der heiligen Stätten beigefügt ist. Durch diesen Zusatz soll die Ausschließlichkeit während der Benutzung dieser Stätten gesichert werden. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn sich diese Stätten in einem touristisch erschlossenen Gebiet befinden. So hat es besonders in Nordamerika vermehrt Fälle gegeben, in denen die indigenen Gruppen zwar freien Zugang zu ihren heiligen Stätten hatten, in denen sie diesen freien Zugang jedoch mit einer großen Zahl von Touristen teilen mußten. 337 In einer solchen Situation ist die Ungestörtheit der dort zu vollziehenden Rituale nicht mehr gewährleistet und die Stätte ihrem eigentlichen Sinn entfremdet. Daher ist die Gewährleistung der heiligen Stätten nicht nur auf deren Schutz an sich und den freien Zugang zu diesen Stätten zu beziehen, sondern auch auf die Abgeschiedenheit beziehungsweise die ausschließliche Nutzung dieser Gebiete zumindest zu den Zeiten, in denen die religiösen, spirituellen oder rituellen Zeremonien tatsächlich vorbereitet und ausgeführt werden - auszuweiten. Das Recht auf Erhaltung und Entwicklung der eigenen wirtschaftlichen und sozialen Systeme, insbesondere der Ausübung der traditionellen Subsistenzaktivitäten wie die Jagd, die Fischerei, das Sanuneln, aber auch Viehzucht, Wald- und Ackerbau, sind in Art. 19 geschützt. 338 Art. 22 enthält die Anerkennung und den Schutz der medizinisch relevanten Praktiken, insbesondere auch im Hinblick auf die dafür erforderlichen natürlichen Materialien. Der Teil VI der Draft Declaration umfaßt die Bestimmungen der Art. 23-28 über indigene Rechte hinsichtlich ihrer Gebiete und des Landes. Zunächst wird in
336 Art. 12 Draft Declaration: ,,Indigenous peoples have the right to manifest, practise and teach their spiritual and religious traditions, customs and ceremonies; the right to maintain, protect, and have access in privacy to religious and cultural sites; the right to use and control of ceremonial objects; and the right to the repatriation of human remains. States shall take effective measures to preserve, respect and protect the sacred places and cemeteries of indigenous peoples." 331 Für die kanadische Situation siehe Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), I (23) mit Verweis auf 1989 Working Group Analytical Compilation of Observations, UN Doc FJCN.4.1Sub.211989/33/Adds.I-3 (1989), 20. 338 Vgl. dazu auch Williams, Duke Law Journal (1990), 660 (694).
112 TeillII: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
Art. 23 Draft Declaration das besondere und enge Verhältnis zum Land anerkannt. 339 Daraus resultierend enthält Art. 24 das Recht auf Anerkennung der indigenen Regeln und Gebräuche hinsichtlich der Frage des Eigentums und der Nutzung des Landes und der Gebiete. In diesem Zusarrunenhang ist auch Art. 9 Draft Declaration zu nennen, der das Recht indigener Völker anerkennt, nicht von ihrem Land vertrieben zu werden. Für die umweltrelevanten Besonderheiten indigener Völker von Bedeutung ist auch der Art. 28 der Draft Declaration, wonach die vorherige Zustimmung der jeweiligen indigenen Völker einzuholen ist, bevor Maßnahmen hinsichtlich ihres Landes getroffen werden. 340 Weiterhin ist nach dieser Bestimmung sicherzustellen, daß die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, spirituellen und umweltlichen Auswirkungen solcher Projekte so gering wie möglich gehalten werden. Schließlich wird in Art. 27 ein weitreichendes Recht auf den Schutz des geistigen Eigentums beschrieben, das nicht nur die Wissenschaft und Technologien, sondern auch kulturelle Manifestationen des Wissens in Form von genetischen Ressourcen, Samen, Medizin, Wissen um die Flora und Fauna, mündlichen Überlieferungen und künstlerischen Werken umfaßt.
b) Kulturelle Identität und Autonomie Neben dem Schutz einzelner Praktiken und Traditionen enthält die Draft Declaration auch verschiedene Bestimmungen, die auf das Recht indigener Völker auf die Ausübung kultureller Autonomie gerichtet sind. Während Art. 17 Draft Declaration das Recht auf politische Teilhabe auf allen Ebenen enthält, beschreibt Art. 18 das Recht auf direkte Beteiligung indigener Völker an den legislativen und administrativen Entscheidungen, die sie unmittelbar betreffen. Nach dieser Bestimmung soll in Abstimmung mit den indigenen Völkern ein Verfahren für eine effektive Beteiligung in diesem Sinne geschaffen werden. Die Durchsetzung von Entscheidungen wird dabei unter den Vorbehalt der Zustimmung durch indigene Völker gestellt. Auch die Schwerpunkte bei der wirtschaftlichen Entwicklung sollen nach Art. 21 Draft Declaration von den indigenen Völkern selbst gesetzt werden.
339 340
Williams, Duke Law Journal (1990), 660 (691). Stromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (586).
A. Inhalte des internationalen Schutzes
113
Das Recht auf Autonomie und Selbstregierung ist ausdrücklich im Teil VII der Draft Declaration anerkannt. 341 Nach dessen Art. 29 bezieht sich dieses Recht auf alle inneren und lokalen Angelegenheiten, namentlich Kultur, Religion, Ausbildung, Information, Medien, Gesundheit, Wohnraum, Beschäftigung, Sozialvorsorge, wirtschaftliche Aktivitäten, Nutzung des Landes und der Ressourcen, Umwelt, Zugang durch Nicht-Angehörige des Volkes sowie lokale Steuern. Die Institutionen der Autonomie und Selbstregierung und ihre Verfahrensweisen sind nach Art. 30 eigenverantwortlich zu schaffen. Schließlich sollen nach Art. 30 indigene Rechtssysteme, soweit sie mit den Menschenrechten vereinbar sind, im Rahmen des staatlichen Rechtssystems anerkannt und erhalten werden. 342 Zum Teil werden diese Bestimmungen dahingehend verstanden, daß die Heimatstaaten aufgefordert sind, Verhandlungen mit den indigenen Völkern zu führen und verfassungsrechtliche Abkommen mit ihnen zu schließen, die innerstaatlich das Recht auf indigene Selbstbestimmung konkretisieren und festlegen. 343
2. Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung Die Rio-Deklaration ist zwar eigentlich den Themen Umwelt und Entwicklung und nicht den Rechten indigener Völker gewidmet. In Prinzip 22 der Rio-Deklaration ist jedoch eine Bestimmung enthalten, die allein indigenen Völkern gilt. Hiernach haben indigene Völker aufgrund ihres Wissens und ihrer traditionellen Praktiken eine bedeutende Rolle im Umweltrnanagement. Deshalb sollen die Staaten die Identität und Kultur der jeweiligen indigenen Völker anerkennen und unterstützen und ihnen eine Mitwirkung an der Erreichung der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) ermöglichen. 344 Dabei kann die nachhaltige Entwicklung dahingehend ausgelegt werden, daß zu dieser nicht nur das Überleben der natürlichen, sondern auch das der kulturellen Aspekte gehören. 345 Damit ist die Zielrichtung dieser Bestimmung deutlich: die indigenen Völker bzw. ihr Wissen und ihre Praktiken sollen für die Ziele des Umweltschutzes genutzt werden. Der Schutz dieser Kulturen wird dabei als "Mittel zum Zweck" und 341 Vgl. dazu auch Sanders, Human Rights Quarterly ll (1989), 406 (427/429); Stromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (586). 342 Art. 31 Draft Declaration. 343 Bergin, Environmental and Planning Law Journal 10 (1993), 438 (442/443). 344 Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (115). 34' V gl. dazu Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (677), der die indigenen Kulturen als Teil des schützenswerten Gutes für eine nachhaltige Zukunftsentwicklung ansieht.
8 Schillhorn
114 Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
nicht als eigenständiges zu erreichendes Ziel angesehen. Gleichwohl enthält die Deklaration die ausdrückliche Aufforderung zum Schutz des indigenen Wissens, ihrer Praktiken und Kulturen. Besonders interessant ist der Zusammenhang zwischen dem Schutz dieser Rechtsgüter und dem Umweltschutz, der in Prinzip 22 deutlich wird. Die Praktiken und Traditionen indigener Völker sollen für den Umweltschutz instrumentalisiert werden. Dieser Zusammenhang zwischen Umweltrecht und den Besonderheiten indigener Völker wird erstmals durch diese Bestimmung in einem globalen internationalen Instrument hergestellt. Wenn dies auch als eigene Anspruchsgrundlage für den Schutz indigener Besonderheiten nicht in Betracht kommt, so ist doch die Aufnahme dieser Bestimmung, auch und gerade in dieser Form, ein wichtiger Schritt in der Entwicklung eines internationalen Bewußtseins hinsichtlich der Besonderheiten und der Rechte indigener Völker.
B. Systematische Betrachtung des Schutzes umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker Der Inhalt des Schutzes umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker, wie er im vorhergehenden Abschnitt dargestellt wurde, läßt erkennen, daß dieser Schutz auf zwei verschiedenen Ansatzpunkten beruht. Einerseits werden die Praktiken, Verfahrens weisen und Traditionen indigener Völker geschützt und andererseits wird die indigene kulturelle Identität als solche unter einen besonderen Schutz gestellt. Der erste Ansatz greift punktuell einzelne Besonderheiten indigener Kulturen heraus und stellt z. B. das Jagen, Fischen, Sammeln und bestimmte Verfahrensweisen oder aber bestimmte heilige oder spirituelle Stätten unter den Schutz des Rechts. Der zweite Ansatz dagegen zielt auf den Schutz der kulturellen Identität als solcher ab. Zu diesem Ansatz gehören die Bestimmungen, die die kulturelle Diversität und die Identität und Integrität einzelner Kulturen sicherstellen soll. Besteht ein solcher Schutz der Kultur, sind alle Aspekte dieser Kultur, also auch die kulturellen Praktiken, Verfahrens weisen und Traditionen, mit von diesem Schutz erfaßt. 346
346 Anaya. Arizona Journal of International and Comparati ve Law 8 (1991), 1 (17) m.w.N.
B. Systematische Betrachtung des internationalen Schutzes
115
I. Schutz indigener Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen Die umweltrelevanten Praktiken indigener Völker sind, wie oben dargestellt,347 hauptsächlich in den traditionellen Nahrungsbeschaffungsmethoden zu sehen. Es handelt sich dabei vorrangig um das Jagen, Fischen, Sammeln und Fallenstellen, aber auch um land- und forstwirtschaftliche Praktiken und Verfahrensweisen. Darüber hinaus sind traditionelle Verfahrens weisen urnfaßt, die der Verwertung und Verarbeitung von natürlichen Stoffen zu Medizin, Nahrungsmitteln oder Gebrauchs- und Kunstgegenständen dienen. Einige dieser Tätigkeiten werden nicht nur zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs ausgeführt, sondern haben einen selbständigen spirituellen, religiösen oder zeremoniellen Charakter. In diesem Zusammenhang steht auch die Besonderheit indigener Kulturen im Hinblick auf die Existenz heiliger oder spiritueller Stätten. Somit urnfaßt der Bereich der indigenen Praktiken und Traditionen, der durch die internationalen Instrumente geschützt wird, sowohl verhaltens abhängige als auch ortsabhängige Besonderheiten. Die ortsabhängigen Besonderheiten sind fast immer mit einer besonderen spirituellen oder religiösen Bedeutung verbunden, während dies nur für einen Teil der verhaltensabhängigen Besonderheiten zutrifft.
1. Schutz der verhaltensabhängigen indigenen Besonderheiten Der Schutz der verhaltensabhängigen indigenen Besonderheiten ergibt sich insbesondere aus Bestimmungen, die indigene Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen anerkennen. Diese Bestimmungen enthalten verschiedene Schutzansätze. So werden indigene Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen als Subsistenzaktivitäten, als Religionsausübung, als Wissenschaftsausübung, als Gesundheitsfürsorge aber auch als allgemeine Praktiken, Traditionen und Verfahrensweisen geschützt.
a) Subsistenzaktivitäten Ein Schutz der Subsistenzaktivitäten indigener Völker, also derjenigen Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen, die auf die Deckung des Lebensbedarfs gerichtet sind, findet sich sowohl im Völkervertragsrecht als auch in den neueren Entwicklungen des Völkerrechts (soft law). Ein ausdrücklicher Schutz dieser 347
S·
Vgl. Teil 11. B.
116 Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
indigenen Aktivitäten ist in Art. 23 n..o-Konvention Nr. 169 und in Art. 19 Draft Declaration enthalten, in denen die einzelnen Praktiken zur Deckung des Lebensbedarfs, wie die Jagd, die Fischerei, das Fallenstellen und das Sammeln, aber auch die Land- und Forstwirtschaft, explizit anerkannt werden. Ein Schutz dieser Aktivitäten ergibt sich mittelbar auch aus Art. 6 IPWSKR, der durch das Recht auf Arbeit auch Subsistenzrechte einzelner umfassen kann. Schließlich ist Art. 24 Draft Declaration zu nennen, nach dem die indigenen Gebräuche hinsichtlich des Landes und seiner Nutzung zu schützen sind. Wegen der engen Verbindung der indigenen Subsistenzaktivitäten mit dem Land, sind diese auch als Gebräuche hinsichtlich des Landes und seiner Nutzung zu qualifizieren.
b) Religiöse und spirituelle Praktiken Indigene Praktiken und Traditionen können neben der Deckung des Lebensbedarfs aber auch der Religionsausübung im weiteren Sinn dienen. Hierzu gehört nicht nur die Ausübung der Religion selbst, sondern auch die Ausübung der Spiritualität und der traditionellen Zeremonien. Die religiösen Praktiken und Traditionen werden ausdrücklich durch Art. 12 Draft Declaration geschützt. Daneben bietet auch Art. 18 IPBPR eine Grundlage für diese Praktiken und Traditionen, da diese Bestimmung das Recht auf Religionsfreiheit anerkennt. Weiterhin ist in diesem Zusanunenhang Art. 27 IPBPR zu nennen, der Minderheiten das Recht garantiert, sich zu ihrer eigenen Religion zu bekennen und diese auszuüben. Schließlich kann auch Art. 13 Abs. 3 IPWSKR, der das Recht auf religiöse Erziehung garantiert, eine Grundlage für indigene religiöse und spirituelle Praktiken und Traditionen bieten. Denn zur Ausübung der Religion und Spiritualität indigener Völker gehört auch die Weitergabe der jeweiligen Praktiken und Traditionen an die nachfolgenden Traditionen.
c) Wissenschaftliche Praktiken und Verfahren Praktiken, Traditionen und Verfahrens weisen hinsichtlich des Auffindens, der Erzeugung oder der Verarbeitung bestimmter natürlicher Stoffe können durch das Recht auf Wissenschaft geschützt sein. Wiederum findet sich lediglich in der Draft Declaration eine Bestimmung, die einen solchen Schutz ausdrücklich vorsieht. So sind nach Art. 27 Draft Declaration sind indigene Wissenschaft und Technologien, auch im Sinne des Schutzes geistigen Eigentums, zu respektieren. Aber auch das Recht auf Wissenschaft in Art. 15 Abs. 3 IPWSKR stellt eine Rechtsgrundlage für den Schutz indigener Praktiken und Verfahrensweisen dar.
B. Systematische Betrachtung des internationalen Schutzes
117
d) Verfahren und Praktiken zum Schutz der Gesundheit Verhaltens abhängige Praktiken, Verfahren und Traditionen indigener Völker können sich neben der Subsistenz, der Religion und der Wissenschaft auch der Gesundheitsfürsorge widmen. Darunter sind sowohl Vorsorgehandlungen als auch Heilbehandlungen und das Herstellen und Anwenden von Heilmitteln zu verstehen. Diese Aktivitäten sind ausdrücklich in Art. 22 Draft Declaration unter Schutz gestellt. Die Einbeziehung der traditionellen Gesundheitsvorsorge, Heilbehandlung und Medizin indigener Völker in das allgemeine Gesundheitssystem sieht auch Art. 25 ILO-Konvention Nr. 169 vor. Einen mittelbaren Schutz dagegen enthält das in Art. 12 IPWSKR garantierte Recht auf Gesundheit. Durch diese Bestimmungen werden keine besonderen Verhaltensweisen indigener Völker anerkannt, doch kann es zur Verwirklichung des Rechts auf Gesundheit im Sinne dieser Bestimmung nötig sein, traditionelle Praktiken und Verfahrens weisen zu respektieren. e) Allgemeine Praktiken und Traditionen Schließlich werden indigene Praktiken, Traditionen und Verfahrensweisen ohne besonderen Bezug in Art. 8 ILO-Konvention Nr. 169 und Art. 11 Draft Declaration geschützt. Nach Art. 8 ILO-Konvention Nr. 169 ist die Erhaltung der Gebräuche und Gewohnheitsrechte indigener Völker anerkannt, während Art. 11 Draft Declaration den Schutz der kulturellen Traditionen indigener Völker zum Gegenstand hat.
2. Schutz der ortsabhängigen Besonderheiten Durch die enge Verbundenheit indigener Kulturen mit dem Land auf dem die Völker leben, spielt der Schutz der ortsabhängigen Besonderheiten für diese Völker neben dem Schutz der verhaltensabhängigen Besonderheiten eine große Rolle. Der Schutz der ortsabhängigen Besonderheiten indigener Völker kann durch den Schutz bestimmter heiliger oder kulturell wichtiger Stätten, den Schutz des Landes und seiner Nutzung oder aber durch den Schutz der Religionsausübung verwirklicht werden. Ein ausdrücklicher Schutz der heiligen und kulturell wichtigen Stätten indigener Völker ist lediglich in Art. 12 Satz 2 Draft Declaration enthalten. Das besondere Verhältnis indigener Völker zum Land und die Notwendigkeit, dieses für die Deckung des Lebensbedarfs, aber auch für spirituelle und religiöse
118 Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker Gebräuche zu nutzen, ist in Art. 14 ILO-Konvention und in Art. 24 Draft Declaration anerkannt. Dabei garantiert Art. 14 ILO-Konvention die Nutzungsrechte indigener Völker an solchen Gebieten, an denen sie kein Eigentum haben. Art. 24 Draft Declaration dagegen enthält die Anerkennung der indigenen Regeln und Gebräuche hinsichtlich des Landes. Schließlich ist das Recht, nicht vom Land vertrieben zu werden, in Art. 16 ILO-Konvention Nr. 169 und in Art. 9 Draft Declaration anerkannt. Diese Bestimmungen beziehen sich zwar nicht ausdrücklich auf Praktiken und Traditionen indigener Völker, doch sind diese Praktiken und Traditionen der besonderen Bedeutung des Landes für die indigenen Völker immanent. Die religiösen Traditionen indigener Völker sind häufig eng mit dem Land und besonderen Orten verbunden. Dies wird in Art. 12 Draft Declaration anerkannt, der sowohl den Schutz der religiösen und spirituellen Traditionen urnfaßt als auch den Schutz der heiligen und kulturell wichtigen Stätten. Auf die Ausübung der Religion an sich erstreckt sich der Schutz der Art. 18 und 27 IPBPR. Allerdings sichert Art. 18 IPBPR nicht allein das Recht auf Religionsfreiheit, sondern auch die Ausübung religiöser Bräuche. Nach Art. 27 IPBPR ist sowohl das religiöse Bekenntnis als auch die Ausübung der jeweiligen Religion geschützt. Damit erstreckt sich der Schutz der Religionsausübung nach Art. 18 und 27 IPBPR auf verhaltensabhängige Besonderheiten ebenso wie auf ortsabhängige Besonderheiten.
II. Schutz der kulturellen Identität als Gesamtheit Bei der Betrachtung der umweltrelevanten Besonderheiten indigener Völker ist vor allem festzustellen, daß es die Komplexität der Kultur ist, die die Menschen und deren Umwelt durch die Spiritualität und das tägliche Leben zu einem einheitlichen Ganzen verbindet. In diesem System haben zwar einzelne Handlungsformen wie zum Beispiel das traditionelle Jagen und Sammeln oder die Durchführung besonderer Rituale an bestimmten Orten einen herausragenden Stellenwert. Die Besonderheit indigener Kulturen im Hinblick auf die Umwelt ist jedoch in dem komplexen System an sich zu sehen. Damit stellt sich die Frage, inwieweit diesen kulturellen Besonderheiten durch einen speziellen Schutz Rechnung getragen werden kann. Einerseits kann der Schutz einzelner Handlungen angestrebt werden, wie dem Fischen, der Jagd oder des Sammeln oder aber auch Ritualen, die mit der Umwelt verbunden und auf sie angewiesen sind. Andererseits kann der Schutz auf die Gesamtheit der jeweiligen Kultur, also auf deren Identität selbst, gerichtet sein. Im folgenden wird auf den letzteren Aspekt näher eingegangen.
B. Systematische Betrachtung des internationalen Schutzes
119
Der Schutz der Rechte indigener Völker ist mit dem aus den Menschenrechten abgeleiteten Schutz kultureller Identität eng verbunden. 348 So wird das kulturelle Überleben ebenso wichtig erachtet wie das physische Überleben und die Verwirklichung der Gleichheit. 349 Weiterhin wird der Schutz der Identität und Integrität indigener Kulturen mit einer neuen Form des Selbstbestimmungsrechts in Verbindung gesetzt. 350 Der Schutz der kulturellen Identität läßt sich sowohl im völkerrechtlichen Vertragsrecht als auch im Völkergewohnheitsrecht finden. Desweiteren ist ein solcher Schutz in den neueren Entwicklungen des Völkerrechts enthalten.
1. Völkervertragsrechtlicher Schutz der Identität indigener Kulturen Die kulturelle Identität indigener Völker ist das grundlegende Prinzip der ILOKonvention Nr. 169. Dies läßt sich aus der PräambeJ3s1 und aus der Formulierung vieler Bestimmungen dieser Konvention ableiten. Zudem enthält die Konvention Verpflichtungen, die ausdrücklich den Schutz der kulturellen Identität und Integrität indigener Völker zu Gegenstand haben. Im einzelnen sind dies Art. 2 und 5 ILO-Konvention Nr. 169, die die Verpflichtung zur Beachtung der sozialen und kulturellen Identität bei der Anwendung der Konvention enthalten und sogar besondere Maßnahmen zum Schutz der kulturellen Identität ermöglichen. In Art. 13 ILO-Konvention Nr. 169 wird die besondere Relevanz den Landes für die Ausübung der indigenen Kulturen anerkannt. Schließlich enthält Art. 25 ILO-Konvention die Verpflichtung zur Anerkennung der sozialen und kulturellen Bedingungen indigener Völker bei der Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung. Ein Schutz der indigenen kulturellen Identität als solche läßt sich auch aus Art. 27 IPBPR ableiten, wonach Angehörigen von Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden darf, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen. 348 Anaya, Arizona Journal of International and Comparative Law 8 (1991), 1 (16) m. w. N. und Verweis auf den Westflilischen Frieden 1648 (,,respect for cultural particularism"), die Völkermordkonvention ("all cultural groupings have a right to exist"), Art. 27 IPBPR und die UNESCO Dec1aration on the Principles ofInternational Cultural Cooperation (1966). 349 Sanders, Human Rights Quarterly 11 (1989),406 (427/429). 330 Siehe oben, B. I. 2.
m Abs. 4, 5 und 7 der Präambel ILO-Konvention Nr. 169.
120 Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
2. Völkergewohnheitsrechtlicher Schutz der Identität indigener Kulturen Die Identität indigener Kulturen und der ihnen innewohnende Wert ist Teil des Völkergewohnheitsrechts. Wie oben dargestellt,3S2 hat sich die Einstellung zu indigenen Völkern und ihren Kulturen in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. So kann heute davon ausgegangen werden, daß das Recht indigener Völker auf kulturelle Identität und Integrität völkergewohnheitsrechtlichen Charakter hat.
3. Schutz der Identität indigener Kulturen in der neue ren Entwicklung des Völkerrechts Der Schutz der Identität indigener Kulturen findet sich in seiner ausgeprägtesten Form in der Draft Declaration. In diesem Dokument liegt als fundamentale Idee die Anerkennung und Respektierung der Identität und Integrität indigener Kulturen zugrunde. Insbesondere Art. 8 Draft Declaration schützt ausdrücklich die kulturelle Identität indigener Völker. Doch auch andere Bestimmungen verkörpern den Wert der kulturellen Identität an sich. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Art. 6 Draft Declaration, der das Verbot des Ethnozid enthält und Art. 4 Draft Declaration, der die Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben des jeweiligen Staates unter den Vorbehalt der Aufrechterhaltung der eigenen indigenen Charakteristika stellt. Einen vergleichbaren Ansatz enthält auch Art. 28 Draft Declaration, der die Verpflichtung enthält, die Kultur indigener Völker bei Projekten auf ihrem Land zu beachten und die Auswirkungen auf die Kultur so gering wie möglich zu halten. Schließlich ist Art. 29 Draft Declaration zu nennen, der aus der eigenen und besonderen Kultur indigener Völker das Recht auf Autonomie ableitet.
m. Verhältnis zwischen den beiden Rechtsgütern Praktiken und Traditionen und der Identität der Kultur Nach der Darstellung der Rechtsgüter - Praktiken und Traditionen indigener Völker einerseits und Identität indigener Kulturen andererseits - stellt sich die Frage in welchem Verhältnis diese Rechtsgüter zueinander stehen. Sind die indigenen Praktiken und Traditionen als selbständiges Rechtsgut oder als Ausprägung der jeweiligen indigenen Kultur geschützt? Ist der Schutz der indigenen Kulturen m V gl. oben A. 11.
B. Systematische Betrachtung des internationalen Schutzes
121
als Schutz der Summe der Praktiken und Traditionen zu verstehen, oder kommt der kulturellen Identität ein darüber hinaus gehender Wert und damit auch Schutz zu?
1. 1ndigene Praktiken und Traditionen als selbständiges Schutzgut In den völkervertragsrechtlichen Bestimmungen finden sich wenig Hinweise auf das Verhältnis beider Schutzgüter zueinander. In den wenigen Bestimmungen, in denen beide Schutzgüter ausdrücklich enthalten sind, scheinen diese gleichberechtigt nebeneinander zu stehen. So heißt es in Art. 2 Abs. 2 b) ILO-Konvention Nr. 169: " ... promoting the full realization of the social, economic and cultural rights of these peoples with respect for their social and cultural identity, their customs and traditions and their institutions. "
Vergleichbar lautet Art. 27 IPBPR: " ... darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen."
Das gleichberechtigte Nebeneinander von indigenen Praktiken und Traditionen einerseits und kultureller Identität andererseits als Schutzgüter könnte sich auch aus dem Umstand ergeben, daß die Rechte indigener Völker im Hinblick aufPraktiken, Verfahrensweisen und Traditionen religiöser, medizinischer und wissenschaftlicher Art Teil des Menschenrechtsschutzes sind, der jedem Individuum unabhängig von der kulturellen Zugehörigkeit zukommt. Dies gilt jedoch nur insoweit, als die indigenen Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen demjeweiligen Schutzbereich der fraglichen Menschenrechte unterfallen. Für die Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen aber, die sich durch ihren besonderen indigenen Charakter auszeichnen und sich deshalb gerade von den Praktiken und Traditionen anderer Kulturen unterscheiden, fällt diese Einschätzung anders aus. So werden zum Beispiel die klassischen Praktiken und Verfahrensweisen indigener Völker zur Deckung ihres Lebensbedarfs nicht von den allgemeinen Menschenrechten erfaßt, sondern nur durch die ILO-Konvention Nr. 169 und die Draft Declaration geschützt, die allein für die Belange indigener Völker gelten. Dabei ist diesen beiden Instrumenten die Grundidee der kulturellen Identität indigener Völker immanent. Gegenstand der ILO-Konvention und der Draft Declaration ist die Erhaltung der indigenen Kulturen. Diese Kulturen aber können nur verwirklicht werden, wenn die zur Kultur gehörenden Praktiken und
122 Teil III: Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker
Traditionen auch ausgeübt werden können. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang Art. 23 Abs. 1 ILO-Konvention Nr. 169, der die Verpflichtung zur Anerkennung traditioneller Praktiken und Subsistenzaktivitäten enthält: " ... shall be recognized as important factors in the maintenance of their cultures ... ". Folglich werden die Traditionen indigener Völker nach dieser Bestimmung als Teil bzw. notwendige Ausübung der Kultur, nicht aber als selbständiges Rechtsgut geschützt. Der besondere Schutz der Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen indigener Völker gründet sich also gerade auf die kulturelle Andersartigkeit dieser Völker. Nur wegen ihrer besonderen Kultur ist der Schutz dieser Praktiken und Traditionen relevant und in ihr findet der Schutz seine Berechtigung. Der Wert, der dem Schutz der indigenen Praktiken und Traditionen zugrunde liegt, ist der der kulturellen Identität und Integrität indigener Völker und der kulturellen Diversität insgesamt. Würden die Praktiken losgelöst von der kulturellen Identität geschützt, so fehlte es ihnen an der Berechtigung, an dem ihnen zugrunde liegenden und sie legitimierenden Wert. Die Rechte indigener Völker auf Ausübung ihrer besonderen Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen können damit zwar ein selbständiges Schutzgut sein, doch sind diese Rechte immer im Kontext des Rechts auf kulturelle Identität zu sehen. Damit sind die indigenen Rechte hinsichtlich besonderer Praktiken und Traditionen in letzter Konsequenz als Ausformung des Rechtes auf kulturelle Identität zu verstehen.
2. Kulturelle Identität indigener Völker als Summe der Praktiken und Traditionen Die kulturelle Identität indigener Völker ist also das dem Schutz besonderer Praktiken und Traditionen zugrunde liegende Prinzip. Es stellt sich jedoch die Frage, ob allein die Summe aller (geschützten) Praktiken und Traditionen die kulturelle Identität indigener Völker darstellt oder ob diese nicht vielmehr darüber hinausgeht. Der Schutz der indigenen Praktiken, Verfahrens weisen und Traditionen nach der ILO-Konvention Nr. 169 und insbesondere nach der Draft Declaration ist als recht umfassend anzusehen. Die Bestimmungen dieser Instrumente erfassen den Schutz der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, sprachlichen, religiösen und medizinischen Praktiken und Traditionen. Weiterhin sind politische Rechte und die Rechte der Völker am Land anerkannt. Durch diesen scheinbar umfassenden
B. Systematische Betrachtung des internationalen Schutzes
123
Schutz scheint die kulturelle Identität indigener Völker ausreichend gesichert zu sein. Eine solche Sicht würde aber den Umstand verkennen, daß Kulturen und damit auch die kulturelle Identität sich weiterentwickeln. Keine Kultur ist statisch3s3 und eine Festschreibung der kulturellen Identität auf bereits bestehende Praktiken und Traditionen würde die jeweilige Kultur auf einen bestimmten Entwicklungsstand beschränken. 354 Nachfolgende Entwicklungen wären nicht mehr als Teil der Kultur und damit auch nicht mehr als Teil der kulturellen Identität zu qualifizieren. Insofern muß die kulturelle Identität neben der Summe der bestehenden Praktiken und Traditionen immer auch die Möglichkeit der Weiterentwicklung dieser Praktiken, Verfahrens weisen und Traditionen beinhalten. Darüber hinaus würde eine Reduzierung der kulturellen Identität auf die Summe bestehender Praktiken und Traditionen der Besonderheit und Komplexität indigener kultureller Identität nicht gerecht. Die kulturelle Identität eines Volkes besteht gerade nicht aus der Summe der kultur-immanenten Praktiken und Verfahrensweisen, sondern vielmehr auch aus den intellektuellen, spirituellen und religiösen Zusammenhängen, die aus den verschiedenen Praktiken und Traditionen erst ein Ganzes, die kulturelle Identität, machen. Indigene Kulturen zeichnen sich durch einen hohen Grad an Komplexität aus. So sind die einzelnen Aspekte der Kultur wie die Spiritualität, das Verhältnis zum Land und die diesbezüglichen Praktiken und Kompetenzen innerhalb des Volkes untrennbar miteinander verbunden. Auch die wirtschaftlichen Aktivitäten bilden einerseits einen Teil des traditionellen Lebens, werden jedoch auch durch das soziale und religiöse System des jeweiligen Volkes bestimmt. 3SS Die Einzigartigkeit des jeweiligen Volkes und damit auch ihrer kulturellen Identität entsteht erst durch die Verknüpfuni s6 der wirtschaftlichen Traditionen und Praktiken mit dem jeweiligen sozialen, spirituellen und religiösen Hintergrund. Diese untrennbare Verbindung der verschiedenen Aspekte ginge verloren, würde man die kulturelle Identität allein auf die Summe der Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen beschränken. Die kulturelle Identität indigener Völker ist somit als Ganzes zu sehen, das über die Summe der geschützten Praktiken, Verfahrensweisen und Traditionen hinausgeht. 353 Toope, McGiIl Journal 42 (1997),169 (180); CordelI, 22; Sacks, AlaskaLaw Review 12 (1995), 247 (253). 354 Brennan J, Deane J und Gaudron J, Mabo v. Queenland (No. 2), (1992), 175 CLR 1 (61 und 70); Campbell v. Amold (1982),56 FLR 382 (NT SC); ProU, in: Crawford, 93 (95); Naete, University of New South Wales Law Journa116 (1993), 161 (222). m Barsh, American Journal oflnternational Law 80 (1986), 369 (383). 356 Beauclerk/Narby, 4.
Teil IV
Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt Inhalte und systematische Betrachtung Das internationale Umweltrecht hat sich erst in den letzten Jahrzehnten als eigenständiges Rechtsgebiet entwickelt. 1 Als Ausgangspunkt dieser Entwicklung wird allgemein die Stockholmer Konferenz 1972 angesehen. 2 Die wichtigsten Instrumente in der Entwicklung des internationalen Umweltrechts sind die World Charter for Nature von 1982, 3 die Ergebnisse der World Commission on Environment and Development (WCED) Expert's Group on Environmental Law4 und die United Nations Declaration on Environment and Development in Rio von 19925 • Keines dieser Instrumente entfaltet jedoch eine rechtlich verbindliche Wirkung. Daneben sind zahlreiche Konventionen zu bestimmten umweltrelevanten Themen in Kraft getreten und einige gewohnheitsrechtliche Verpflichtungen hinsichtlich des Umweltschutzes haben sich herausgebildet.
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen Um herauszufinden, welche Umweltschutznormen für die umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker von Bedeutung sind, können die internationalen Umweltschutznonnen zunächst, ausgehend von ihrem Schutzzweck, in drei Kategorien unterteilt werden:
1 Sachs, The Ecologist 21 (1991),252 (252); Shelton, Stanford Journal ofInternational Law 28 (1991),103 (107); Jackson/Crough, Australian Geographer 26 (1995), 44 (46). 2 Mit der aus ihr hervorgegangenen Erklärung zur Umwelt des Menschen; vgl. Popovic, Stanford Environmental Law Journal 15 (1996), 339 (348). 3 Vom 28.02.1982, Res. 37n UN GAOR Supp. (No. 51), 21, UN Doc. N37/L.4 and Add. 1 (1982), im folgenden World Charter. 4 Von 1987, World Commission on Environment and Development, Our Common Future (Brundtland Report), im folgenden Brundtland-Bericht. ~ Vom 14.06.1992, UN Doc. NConf.151/5/Rev.1 vom 13.6.1992, im folgenden RioErklärung.
125
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen
Zunächst gibt es die Gruppe der Umweltschutznormen, die die Vermeidung von grenzüberschreitenden negativen Auswirkungen zum Gegenstand haben. Nach diesen Verpflichtungen muß jeder Staat dafür Sorge tragen, daß das eigene Staatsgebiet nicht für Handlungen benutzt wird, die negative Auswirkungen auf die Rechte anderer Staaten haben könnten. 6 In der Regel haben in Teil III beschriebenen indigenen umweltrelevanten Besonderheiten jedoch keine oder nur wenig7 grenzüberschreitende Auswirkungen. Aus diesem Grund wird dieser umfassende Teil der Umweltschutzvorschriften nicht Gegenstand der Untersuchung sein.
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Die zweite Gruppe der internationalen Umweltschutznormen ist auf den Schutz der internationalen Güter ("global commons") wie zum Beispiel der Hohen See, der Ozonschicht oder der Antarktis gerichtet. Diese Gebiete unterliegen keiner staatlichen Jurisdiktion. 8 Die Nutzung und der Schutz dieser Gebiete ist Gegenstand verschiedener internationaler Konventionen. Grundsätzlich sind die Schnittpunkte indigener kultureller Besonderheiten mit diesen internationalen Gütern gering, so daß auch diese Gruppe für die vorliegende Untersuchung nicht von großer Bedeutung ist. Jedoch gibt es zwei Ausnahmen: Dies betrifft zunächst die Normen, die auf den Schutz der hohen See gerichtet sind. So gibt es einige indigene Völker, zu deren kulturellen Traditionen die Fischerei zählt und die dadurch unter Umständen auch von internationalen Normen zum Schutz der hohen See oder der dort lebenden Arten betroffen sein könnten. Weiterhin gibt es die Gruppe der internationalen Normen, die auf den Schutz des kulturellen und natürlichen Erbes der Menschheit gerichtet ist. Auch diese Normen gehören zu dieser zweiten Gruppe, da sie Gegenstände schützen, die - obwohl einer staatlichen Jurisdiktion unterliegend - von großer Bedeutung für die gesamte Menschheit sind und damit als "internationales Gut" qualifiziert werden. Auch in diesen Fällen können die kulturellen Besonderheiten indigener Völker von der Anwendung dieser Normen betroffen sein. Die dritte Gruppe der internationalen Umweltnormen ist auf den Schutz von Arten und Ökosystemen gerichtet, die der Jurisdiktion einzelner Staaten unterliegen. Diese Arten sind in der Regel in dem Gebiet von einzelnen Staaten zu finden. 6 Caron, Yale International Law Journal 13/14 (1989-1990), 528 (528); Verdross/ Simma, 644; Bimie/Boyle, 89/90; Kiss/Shelton, 122/123. 7 Denkbar sind derartige Auswirkungen nur, wenn indigene Völker sich am industriellen Wirtschaftsleben beteiligen. Dies ist zwar auch im Rahmen ihrer kulturellen Besonderheiten nicht auszuschließen, doch liegen in diesem Bereich nicht die Schwerpunkte der möglichen Konflikte zwischen dem internationalen Umweltrecht und indigenen kulturellen Besonderheiten. Siehe im einzelnen dazu aber auch Teil V "Entwicklungs-Konflikt". 8 Wolfrum, 4; Verdross/Simma, 742/743.
126
Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
Auch wenn diese Arten aufgrund internationaler Bestimmungen geschützt werden, so ist es doch letztlich die Umwelt innerhalb eines Staates, die von diesem Schutz profitiert. Andererseits ist es aber auch die "nationale" Umwelt, die die Basis für den Lebensunterhalt und das spirituelle und geistige Leben der indigenen Völker darstellt. Deshalb sind indigene Völker und ihre kulturellen Besonderheit von dieser Art der Umweltbestimmungen am stärksten betroffen. Diese Gruppe von internationalen Umweltnormen findet sich in multilateralen und in zahlreichen bilateralen Instrumenten. Aus Gründen der Repräsentativität wurden für diese Untersuchung die wichtigsten multilateralen Abkommen zum Schutz von Arten und Ökosystemen ausgewählt.
I. Völkervertragsrecht Das Völkervertragsrecht, das nach Art. 38 Abs. 1 lit. a) IGH Statut9 eine der Rechtsquellen des Völkerrechts ist, ist die Hauptgrundlage des internationalen Umweltrechts. So waren im Mai 1991 bereits 152 multilaterale Konventionen zum Schutz der Umwelt in Kraft getreten. lO Da es unmöglich ist, all diese Konventionen hier zu untersuchen, wird sich die Untersuchung auf einige Beispiele beschränken, die für die potentiellen Konflikte zwischen dem Umweltschutz und dem indigenen kulturellen Erbe von besonderer Bedeutung sind. Dabei ist zu beachten, daß die verschiedenen Konventionen unterschiedliche Schutzrichtungen haben können. So sind die herkömmlichen Verträge zum Schutz von bestimmten Arten meist auf den Schutz der Art vor übermäßiger menschlicher Nutzung beschränkt. Nicht enthalten ist in diesen Verträgen jedoch der Schutz der Lebensräume der zu schützenden Arten. lI Somit kann zwischen Verträgen, die allein die Arten vor Ausbeutung schützen und Verträgen, die darüber hinaus auch die Lebensräume dieser Arten unter einen gewissen Schutz stellen, unterschieden werden. Hinsichtlich des Schutzes einer Art vor Ausbeutung wiederum kann unterschieden werden zwischen Regelungen, die die Nutzung wild lebender Arten regeln, also gewisse Eingriffe zulassen, und Regelungen, die jegliche Nutzung untersagen. 12
9 Vom 26.10.1945, in Kraft getreten am 24.10.1945, Yearbook United Nations 1976, 1952. 10 Palmer, American Journal ofInternational Law 86 (1992), 259 (262). 11 Meyers, Colorado Journal ofInternational Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (549). 12 Ebd.
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen
127
1. Umweltnormen zum Schutz staatsfreier Räume UN-Seerechtsübereinkommen
Im Bereich der Umweltnormen zum Schutz staatsfreier Räume, die die kulturellen Besonderheiten indigener Völker betreffen können, kommt das UN-Seerechtsübereinkommen von 1982 13 in Betracht. Das SRÜ ist das umfassendste internationale Instrument über seerechtliche Fragen. Es enthält neben Regelungen zur Seeschiffahrt, der marinen Forschung und dem Tiefseebergbau auch Bestimmungen zum marinen Umweltschutz und zur Nutzung und Erhaltung der marinen Lebensformen.
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des SRÜ ist allein dem Schutz und der Erhaltung der marinen Umwelt Teil gewidmet. Die Bestimmungen dieses Teils sind auf die Vermeidung und Ahndung der verschiedensten Verschmutzungsarten der See gerichtet. Diese Bestimmungen gelten für indigene Völker ebenso wie für andere Nutzer der See, doch läßt sich keine besondere Relevanz dieser Regelungen für indigene kulturelle Besonderheiten erkennen, da die Verschmutzung der See keine Verwirklichung der kulturellen Identität irgendeines indigenen Volkes ist. Relevant für die Ausübung und Verwirklichung indigener kultureller Identität können aber Regelungen von Fangquoten für marine Lebensformen zu dessen Schutz und Erhaltung sein, die in Art. 61 und 62 SRÜ vorgesehen sind. Nach Art. 61 SRÜ hat jeder Küstenstaat die Höchstfangmenge mariner Lebensformen in seiner ausschließlichen Wirtschaftszone 14 festzulegen. Ziel der Festlegung der Höchstfangmengen ist es, eine Überfischung des jeweiligen Gebietes zu verhindern. 1S Dabei enthält Art. 61 SRÜ in seinen Absätzen 2 bis 5 die Kriterien, die bei der Festlegung der Fangmengen zu diesem Zweck anzuwenden sind. Nutzt der Küstenstaat die Fangmengen selbst nicht voll, so kann die Ausnutzung der verbleibenden Fangmenge nach Art. 62 Abs. 2 SRÜ an andere Staaten übertragen werden. Dabei kann der Küstenstaat die Modalitäten des Fischfangs in seiner EEZ durch Angehörige anderer Staaten durch nationale Regelungen bestimmen. 16
Vom 10.12.1982, in Kraft getreten am 16.11.1994, im folgenden SRÜ. Exclusive Economic Zone (EEZ), nach Art. 55 SRÜ handelt es sich hierbei um die an die Territorialgewässer eines Staates angrenzende Zone, in der der Küstenstaat Rechte und Hoheitsgewalt im Sinne des SRÜ ausüben kann. U Vgl. Art. 61 Abs. 2 SRÜ. 16 Vgl. Art. 62 Abs. 4 SRÜ, der eine Auflistung des möglichen Inhalts solcher Regelungen hinsichtlich der Anforderungen an die jeweiligen Fischer und den Fang selbst enthalten. 13
14
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Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
Ein solches Fischereiregime mit Höchstfangquoten nach Art. 61 SRÜ und die besonderen Anforderungen i. S. d. Art. 62 SRÜ für die Fischerei in der EEZ anderer Staaten kann für die Ausübung der kulturellen Identität indigener Völker von Bedeutung sein. Der Fischfang in dem Bereich der EEZ des eigenen oder eines fremden Staates kann sowohl der Deckung des Lebensbedarfs als auch der Durchführung spiritueller Rituale dienen. Dabei haben indigene Völker, zu deren Kultur die Nutzung mariner Lebensformen gehört, selbst ausgeprägte Regelungen über die Nutzung und Erhaltung dieser Lebensformen. Die Unterwerfung des indigenen Nutzungsregime unter ein fremdes Nutzungsregime i. S. d. Art. 61,62 SRÜ kann dazu führen, daß die volle Verwirklichung der indigenen Fischerei nicht mehr gewährleistet ist. So kann zum einen die vorn Küstenstaat festgelegte Höchstfangmenge einer bestimmten Art niedriger sein als die Menge, die von dem indigenen Nutzungssystem vorgesehen ist. Zum anderen gilt die festgelegte Höchstfangmenge i. S. d. Art. 61 und 62 SRÜ für alle Angehörigen der jeweiligen Staaten, also auch für die nicht-indigenen Nutzer der marinen Lebensformen. Die zulässige Höchstfangmenge ist damit in ihrer Ausnutzung zwischen allen Nutzenden aufzuteilen. Diese Aufteilung kann im Einzelfall dazu führen, daß ein indigenes Volk die nach seiner Kultur vorgesehene Nutzung der marinen Lebensformen nicht voll ausüben kann, wenn die Höchstfangmenge eine volle Verwirklichung aller Nutzungsinteressen nicht befriedigen kann.
2. Umweltnormen zum Schutz der gemeinsamen Güter ("global commons
H
)
Umweltnormen zum Schutz der gemeinsamen Güter der Menschheit (global commons), die zu Überschneidungen mit den kulturellen Besonderheiten indigener Völker führen können, sind insbesondere im Internationalen Übereinkommen zur Regelung des Walfangs 17 und in der Konvention über biologische Vielfalt 18 enthalten.
a) Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs Das Walfangübereinkommen ist wohl das bekannteste internationale Instrument zum internationalen Schutz einer einzelnen Spezies. 17 18
Vom 2.12.1946, BOBL 198211,559 ff., im folgenden Walfangübereinkommen. Vom 5.6.1992, BOB I. 199311,1742 ff., im folgenden eBD.
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen
129
Die Anwendbarkeit des Walfangübereinkommens ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1, wonach das Übereinkommen auf alle der Hoheitsgewalt der Vertragsstaaten unterstehenden Walfangmutterschiffe, Landstationen und Walfänger, aber auch auf alle Gewässer, in denen diese Walfang betreiben, anwendbar ist. Dabei sind "Walfangmutterschiffe" als Schiffe zu verstehen, auf denen Wale verarbeitet werden, während die "Landstationen" i. S. d. Übereinkommens Fabriken zur Verarbeitung von Walen darstellen. "Walfänger" i. S. d. Übereinkommens sind Schiffe, die zum Jagen, Fangen, Schleppen, Festhalten oder Aufspüren von Walen eingesetzt werden. Für indigene Völker hat die Anwendbarkeit des Übereinkommens auf "Walfänger" die größte Bedeutung. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß auch indigene Völker Wale industriell und kommerziell nutzen, doch liegt der Schwerpunkt der indigenen Nutzung der Wale in Subsistenzaktivitäten und in spirituellen und rituellen Praktiken und Traditionen. Hinsichtlich des Schutzes und der Erhaltung von Walen wurde im Walfangübereinkommen ein besonderer Ansatz gewählt. Dabei ist zu beachten, daß die Walfangkonvention vorrangig ein Instrument zur Regelung der Nutzung der Ressource "Wal", nicht jedoch vorrangig auf den Schutz der Wale gerichtet ist. 19 Zwar spielt der Schutz der Wale im Rahmen der Konvention auch eine bedeutende Rolle, dies gilt jedoch nur, um eine fortwährende Nutzung der Wale zu ermöglichen. 20 Insoweit erstreckt sich der Schutz lediglich darauf, ausgedünnten Walpopulationen die Möglichkeit zur Erholung zu geben und damit die Nutzung des Bestandes für die Zukunft zu sichern. 21 Zur Verwirklichung dieses Ziels wurde nach Art. 3 Walfangübereinkommen eine Kommission, bestehend aus den Vertragsstaaten, gebildet, die neben anderen Aufgaben auch dafür zuständig ist, Bestimmungen für die Erhaltung und Nutzung der Walbestände zu erlassen. Nach Art. 5 Walfangübereinkommen können diese Bestimmungen unter anderem Einzelheiten über geschützte und ungeschützte Arten, Fang- und Schonzeiten, Größenbeschränkungen und Zeit, Methoden und Intensität des Walfangs enthalten. Dieses Recht ist in den letzten Jahren zunehmend zugunsten eines erhöhten Schutzes und zulasten einer Nutzung der Wale ausgeübt worden. Der Grund hierfür liegt unter anderem darin, daß dem Übereinkommen eine Reihe von Staaten 19 Vgl. insbesondere Abs. I und 2 der Präambel des Walfangübereinkommens; siehe auch Meyers. Colorado Journal ofInternational Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (551). 20 Meyers. Colorado Journal ofinternational Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (551). 21 Ebd.
9 Schillhom
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Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
beigetreten sind, die selbst keinen kommerziellen Walfang ausüben, aber ein besonderes Interesse an dem Schutz der einzelnen Walarten verfolgen. Diese Beteiligung hat dazu geführt, daß sich innerhalb der Kommission eine Mehrheit der Staaten für einen Bestandsschutz der Wale ausgesprochen hat, der über der Grenze des Bestandes liegt, der für die wirtschaftliche Nutzung dieser Ressource erforderlich wäre. In diesem Zusammenhang ist auch die Resolution zu einem lOjährigen Moratorium des kommerziellen Walfangs zu nennen, die im Rahmen der Stockholmer Konferenz über die menschliche Umwelt von 1972 verabschiedet wurde. 22 Ein daran anschließendes lOjähriges Moratorium kommerziellen Walfangs wurde 1982 von der Kommission des Walfangübereinkommens angenommen. 23 Auch heute besteht ein Moratorium der Kommission für den kommerziellen Walfang. 24 Ein solches grundsätzliches Walfangverbot ist geeignet, die Ausübung der kulturellen Besonderheiten der arktischen indigenen Völker, insbesondere der Inuit, zu beschränken. 2s Denn für diese Völker ist der Walfang ein wichtiger und integrativer Bestandteil ihres kulturellen Erbes. 26 Sie leben nicht nur vom Walfang, sondern ihre gesamte Kultur hat sich um die Wale und den Walfang herum gebildet. 27 Um diesen indigenen Besonderheiten Rechnung zu tragen, wurde bereits 1931 eine Ausnahme vom Walfangverbot zugunsten dieser Völker geschaffen, wenn "the meat and products would be used exclusively for local consumption by aborigines".28 Diese Ausnahme ist nach der Auffassung der Internationalen Walfangkommission auch heute noch zugunsten der betroffenen indigenen Völker anwendbar. 29 Jedoch legt die Kommission nunmehr Fangquoten für die indigenen Nutzer für solche Walarten fest, die nach ihrer Einschätzung vom Aussterben bedroht sind. 30 Die Kompetenz der Kommission allerdings, überhaupt Regelungen 22
Doubleday, Denver Journal of International Law and Policy 17 (1989), 373 (384).
23
Ebd. (385).
24
McDorman, Ocean Development & International Law 29 (1998), 179 (179).
Aboriginal Exemption to the International Whaling Convention, American Indian Law Review 6 (1978), 249 (249). 26 Doubleday, Denver Journal of International Law and Policy 17 (1989), 373 ff.; Aboriginal Exemption to the International Whaling Convention, American Indian Law Review 6 (1978), 249 (249). 27 Freeman, in: Native People and Renewable Resounce Mangement, 29 (32 f.). 28 Doubleday, Denver Journal ofInternational Law and Policy 17 (1989), 373 (384). 29 GambelI, International Whaling Commission Reports Special Issue 4 (1982), 1; vgl. auch Hankins, University ofCalifornia Davis Law Review 24 (1990), 489 (490). 30 Doubleday, Denver Journal ofInternational Law & Policy 17 (1989), 373 (385). 2S
A. Inhalte umweltreehtlieher Normen
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für indigene Völker treffen zu können, ist umstritten. 31 Es hat bereits mehrere Ansätze im Rahmen der Kommission gegeben, die Bestimmung der Fangquoten für indigene Völker zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu lösen, doch eine rechtlich verbindliche Lösung ist noch nicht erreicht worden. Auch eine gerichtliche Klärung dieser Frage hat noch nicht stattgefunden. 32 Somit ist festzuhalten, daß zwar eine Ausnahme vom allgemeinen Walfangverbot unter dem Walfangübereinkommen zugunsten der indigenen Völker besteht. Die Ausgestaltung der Ausnahme unterliegt jedoch den Entscheidungen der Kommission, ohne daß indigene Völker einen Einfluß auf die zu bestimmenden Quoten haben. Es ist also nicht auszuschließen, daß die Ausübung der kulturellen Besonderheiten indigener Völker durch die Bestimmung von Fangquoten im Rahmen der Ausnahme betroffen ist und durch sie eingeschränkt wird.
b) Übereinkommen über die biologische Vielfalt Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt ist wohl das jüngste und auch umfassendste internationale Abkommen zum Schutz der Umwelt. Grundlage dieser Konvention ist das Bewußtsein um den Eigenwert der biologischen Vielfalt aber auch um deren Wert in ökologischer, genetischer, sozialer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, erzieherischer, kultureller und ästhetischer Hinsicht. 33 Auch die Erkenntnis, daß die heutige Rate des Artensterbens um ein vielfaches höher ist als dies für das natürliche Artensterben galt, hat zum Abschluß dieses Übereinkommens beigetragen. 34
00) Allgemeine Grundsätze
Die Ziele des Übereinkommens sind nach Art. 1 CBD die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile. Der Geltungsbereich, in dem diese Ziele verwirklicht werden sollen, ist in Art. 4 CBD festgelegt. Hiernach erstreckt sich der 31
Ebd.
Ebd. (384). Abs. 1 der Präambel der CBD. 34 Meyers, Colorado Journal ofInternational Environmental Law & Poliey 3 (1992), 479
32 33
(503). 9"
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Teil IV: Völkerrechtliche Nonnen zum Schutz der Umwelt
Geltungsbereich der CBD auf Bestandteile der biologischen Vielfalt in den Gebieten innerhalb eines nationalen Hoheitsbereichs sowie auf Verfahren und Tätigkeiten, die der Hoheitsgewalt oder Kontrolle einzelner Vertragsstaaten unterliegen. Andererseits wird bereits in der Präambel betont, daß die Erhaltung der biologischen Vielfalt ein gemeinsames Anliegen der Menschheit ist. 3' Nach Art. 2 Abs. 2 CBD ist die biologische Vielfalt ..... die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören; dies umfaßt die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme."
Das heißt, die biologische Vielfalt i. S. d. CBD erstreckt sich auf die Vielfalt der Arten ebenso wie auf die genetische Vielfalt. 36 Umfassend ist die CBD insofern, als sie sich neben der biologischen Vielfalt auch auf den Schutz biologischer Ressourcen erstreckt. ~abei sind nach Art. 2 Abs. 1 CBD biologische Ressourcen als ..genetische Ressourcen, Organismen oder Teile davon, Populationen oder andere biotische Bestandteile von Ökosystemen zu verstehen, die einen tatsächlichen oder potentiellen Nutzen oder Wert für die Menschheit haben". Bei dem Schutz der biologischen Vielfalt geht es nicht allein darum, die Anzahl und Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten zu schützen, sondern auch die Vielfalt der jeweiligen Beziehungen und Interaktionen zwischen den Arten. 37 Für den Schutz der biologischen Vielfalt sind dabei der Schutz der Lebensräume der Arten ebenso wichtig wie der Schutz der natürlichen lebenden Ressourcen vor übermäßiger Nutzung. 38
bb) Schutzmaßnahmen
Um diesen Schutz zu verwirklichen, ist nach Art. 6 CBD jede Vertragspartei verpflichtet, nationale Strategien, Pläne oder Programme zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu entwickeln bzw. diese Ziele in bereits bestehende Pläne und Strategien zu integrieren. Konkretere Verpflichtungen sind in Art. 8 CBD hinsichtlich der In-situ-Erhaltung der biologischen Ressourcen und Vielfalt enthalten. 3' V gl. Absatz 3 der Präambel. 36 Meyers, Colorado Journal ofIntemational Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (504) m. w. N. 37 Ebd. (505) m. w. N. 38 Ebd. (513) m. w. N.
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen
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Für indigene kulturelle Besonderheiten sind besonders folgende Verpflichtungen von Bedeutung: Nach Artikel 8 a) ist von jedem Vertrags staat ein System von Schutzgebieten einzurichten. Weiterhin sollen nach Artikel 8 b) erforderlichenfalls Leitlinien für die Auswahl, Einrichtung und Verwaltung von Schutzgebieten entwickelt werden. Darüber hinaus sind die Vertragsstaaten aufgefordert, biologische Ressourcen von Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schutzgebiete zu regeln oder zu verwalten, um ihre Erhaltung und nachhaltige Nutzung zu gewährleisten,39 den Schutz von Ökosystemen und natürlichen Lebensräumen sowie die Bewahrung lebensfähiger Populationen von Arten in ihrer natürlichen Umgebung zu fördern,40 beeinträchtigte Ökosysteme zu sanieren oder wiederherzustellen und die Regenerierung gefährdeter Arten zu fördern,41 notwendige Rechtsvorschriften zum Schutz bedrohter Arten und Populationen auszuarbeiten und durchzusetzen42 sowie Vorgänge und Kategorien von Tätigkeiten zu regeln und zu beaufsichtigen, die eine erhebliche nachteilige Wirkung auf die biologische Vielfalt gezeigt haben 43 . All diese Maßnahmen können dazu führen, daß indigene Völker in der Ausübung ihrer kulturellen Besonderheiten beeinträchtigt werden. Sowohl die Errichtung von Schutzgebieten als auch die Schaffung eines arten- oder populationsspezifischen Schutzes wird gewisse Beschränkungen menschlicher Aktivitäten nach sich ziehen. So sind besonders Betretungs- und Entnahmeverbote häufige Elemente derartiger Schutzbestimmungen.44 Die Beaufsichtigung und Regelung von Vorgängen und Kategorien von Tätigkeiten in Art. 8 I) CBD, die eine erhebliche nachteilige Wirkung auf die biologische Vielfalt entfalten können, werden wenig Auswirkung auf traditionelle kulturelle Besonderheiten indigener Völker haben, da durch diese in der Regel jedenfalls keine erhebliche nachteilige Wirkung auf die biologische Vielfalt zu befürchten ist. Folglich werden mit dieser Vorschrift vorrangig groß angelegte industrielle Vorgänge und Tätigkeiten erfaßt sein. Es ist aber hervorzuheben, daß Art. 8 CBD in seinem Abs. j) den indigenen Besonderheiten auf gewisse Weise Rechnung trägt. Nach dieser Bestimmung haben die Vertragsparteien, soweit wie möglich und sofern angebracht: Vgl. Absatz c) des Artikel 8 CBD. Vgl. Absatz d) des Artikel 8 CBD. 41 Vgl. Absatz 0 des Artikel 8 CBD. 42 Vgl. Absatz k) des Artikel 8 CBD. 43 Vgl. Absatz I) Artikel 8 CBD. 44 V gl. Jackson. Colorado Journal of International Environmental Law and Policy 4 (1993), 502 (505 ff.); Lewis. The geographical magazine 62 (1990), 18 (18). 39
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Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
" ... im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche eingeborener und ortsansässiger Gemeinschaften mit traditionellen Lebensformen, die für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt von Belang sind, [zu] achten, [zu] bewahren und [zu] erhalten ... "
Allerdings bezieht sich dieser eher utilaristische Schutzansatz lediglich auf solche indigenen Besonderheiten, die sich für die Konventionsziele der Erhaltung und Nutzung der biologischen Vielfalt einsetzen lassen.
cc) Nutzungsregelungen Die kulturellen Besonderheiten indigener Völker können auch durch Regelungen nach Art. 10 CBD betroffen sein. Nach Art. 10 CBD hat jede Vertragspartei Regelungen zur nachhaltigen Nutzung von Bestandteilen der biologischen Nutzung zu entwickeln. Durch solche nationalen Regelungen kann es zu Verboten, Einschränkungen oder Quotierungen hinsichtlich der Nutzung bestimmter Arten oder Ökosysteme kommen. Handelt es bei diesen Arten und Gebieten um solche, die Gegenstand indigener kultureller Praktiken oder Traditionen sind, kann die kulturelle Identität des jeweiligen Volkes von der Regelung betroffen sein. Diesem Umstand trägt jedoch bereits Art. 10 Abs. c) CBD Rechnung, der eine Verpflichtung der Vertrags staaten enthält, "die herkömmliche Nutzung biologischer Ressourcen im Einklang mit traditionellen Kulturverfahren, ... , zu schützen und zu fördern."
dd) Zugang zu genetischen Ressourcen und Technologie Schließlich kann die Ausübung der kulturellen Identität indigener Völker durch Zugangsregelungen hinsichtlich genetischer Ressourcen und Technologie i. S. d. Art. 15 und 16 CBD betroffen sein. In diesen Bestimmungen der CBD wird ein komplexes System des Zugangs zu genetischen Ressourcen und Biotechnologie im weiteren Sinne entwickelt, das sicherstellen soll, daß sowohl der Zugang zu diesen Ressourcen als auch die Vorteile der entwickelten Technologienallen Vertragsstaaten zugute kommen und gerecht unter ihnen verteilt werden. Ausgangspunkt dieser Bestimmungen ist die nationale Souveränität über die natürlichen und damit auch über die genetis,?hen Ressourcen. Die Art. 15 und 16 CBD gehören nicht mehr zum klassischen Umweltschutzrecht. Doch auch diese Bestimmungen können die kulturelle Identität indigener
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen
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Völker betreffen. Viele genetische Ressourcen, die für die Zwecke der Biotechnologie genutzt werden können, befinden sich in den Gebieten der indigenen Völker. Diese ihrerseits haben ein ausgeprägtes Wissen über diese Ressourcen und Verfahrensweisen, um diese für die verschiedensten Zwecke nutzbar zu machen. Auf dieses indigene Wissen greifen die industriellen Betreiber von Biotechnologie vermehrt zurück, um einen hohen Forschungsaufwand zu vermeiden. 4s Wird nun eine genetische Ressource, die Bestandteil einer indigenen kulturellen Nutzung war oder eine indigene Verfahrensweise durch die industriellen Betreiber von Biotechnologie patentiert, so kann dies zu einem Ausschluß der indigenen Völker von der Nutzung dieser Ressource oder Verfahrens weise führen. Außerdem verlieren die jeweiligen Völker die Kontrolle über das Wissen, sobald es kommerziell genutzt wird. Ein solcher Kontrollverlust ist häufig, wegen der komplexen Natur des indigenen Wissens ein schwerer Eingriff in die kulturelle Identität indigener Völker.
3. Umweltbestimmungen zum Schutz der nationalen Umwelt Die Abgrenzung dieser Umweltkategorie von der vorhergehenden, Umweltbestimmungen zum Schutz von global commons, kann insofern problematisch sein, als heutzutage immer mehr davon ausgegangen wird, daß auch die biologische Vielfalt innerhalb eines Staates zu dem gemeinsamen Erbe der Menschheit zu rechnen ist. So ist der Wert der einzelnen Lebensräume und Ressourcen nicht nur für den Nationalstaat, sondern auch für die Staatengemeinschaft so erheblich, daß internationale Abkommen und Mechanismen etabliert werden, um eben diese Lebensräume zu schützen. 46 Die internationalen Abkommen und Mechanismen beinhalten jedoch einen Schutz, der auf der nationalen Ebene ansetzt. Die zu untersuchenden Konventionen umfassen das Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, von internationaler Bedeutung,47 das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und
45 Vg!. hierzu lacobylWeiss, Stanford Environmental Law lournal16 (1997), 74 (84 ff.); Elisabetsky, Cultural Survival, 1991,9 (10); King, Cultural Survival, 1991. 19 (19). 46 Meyers, Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (483/484). 47 Vom 2.2.1971, BGB!. 197611,1266 ff., im folgenden Ramsar-Konvention.
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Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
Naturerbes der Welt,48 das Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten49 und das Washingtoner Artenschutzabkommenso.
a) Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, von internationaler Bedeutung (Ramsar-Konvention) Die Ramsar-Konvention ist der erste moderne globale Umweltschutzvertrag,SJ der vorrangig der Errichtung, Verwaltung und der Erhaltung von Lebensräumen wildlebender Arten gewidmet ist. s2 Die Ramsar-Konvention ist für den Schutz der nationalen Ökosysteme von besonderer Bedeutung, da sie zwei Schutzrichtungen enthält. Erstmals wurde in der Ramsar-Konvention die Bedeutung des jeweiligen Ökosystems für bestimmte Arten erkannt und auf internationaler Ebene geschützt. So werden durch die Ramsar-Konvention zum einen die Feuchtgebiete geschützt, zum anderen bezweckt dieser Schutz auch den Schutz dieser Feuchtgebiete als wichtigen Lebensraumfür Wasser- und Watvögel, aber auch für Fische und Reptilien. 53 Mit diesen zwei Schutzrichtungen stellt die Ramsar-Konvention ein entscheidendes Gegenstück zur Bonner KonventionS4 dar, die keinen eigenständigen Schutz des jeweiligen Lebensraumes enthält. 55
00) Verpflichtungen nach der Ramsar-Konvention
Die Ziele der Ramsar-Konvention liegen in der Begrenzung des Verlustes von Feuchtgebieten und in dem Schutz dieser Gebiete wegen ihrer Wichtigkeit für 48 Vom 16.11.1972, in Kraft getreten am 17.2.1975, I.L.M. 11 (1972), 1358, im folgenden Heritage-Konvention. 49 Vom 23.6.1979, in Kraft getreten am 1.11.1983,I.L.M. 19 (1980),11, im folgenden Bonner Konvention. so Vom 3.3.1973, in Kraft getreten am 1.7.1975, BGBL 197311,777, im folgenden Washingtoner Artenschutzabkommen. 51 Navid, Natural Resources Journal 29 (1989),1001 (1003). 52 Meyers, Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (564). 53 Navid, Natural Resources Journal 29 (1989), 1001 (1002); Timoshenko, in: Legal Aspects ofthe Conservation ofWetlands, 27 ff. 54 V gl. im einzelnen zur Bonner Konvention unter b). 55 Navid, Natural Resources Journal 29 (1989), 1001 (1002).
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen
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ökologische Abläufe, aber auch wegen der reichen Fauna und Flora dieser Gebiete. 56 Zur Verwirklichung dieser Ziele ist jeder Vertragsstaat grundsätzlich verpflichtet, Feuchtgebiete in seinem Staatsgebiet zu schützen. 57 Weiterhin bestehen besondere Verpflichtungen hinsichtlich der Gebiete, die in die unter der Konvention erarbeitete Liste über Feuchtgebiete von besonderer Wichtigkeit aufgenommen wurden. 58 Feuchtgebiete im Sinne dieser Konvention sind ,,Feuchtwiesen, Moor- und Sumpfgebiete oder Gewässer, die natürlich oder künstlich, dauernd oder zeitweilig, stehend oder fließend, Süß-, Brack- oder Salzwasser sind, einschließlich solcher Meeresgebiete, die eine Tiefe von sechs Metern bei Niedrigwasser nicht übersteigen...59
Inhaltlich erstreckt sich der Schutz nach der Rarnsar-Konvention gern. Art. 3 auf die Erhaltung der in der Liste geführten Feuchtgebiete und die Förderung einer ausgewogenen Nutzung der übrigen Feuchtgebiete innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets, soweit dies möglich ist. Die Vertragsstaaten haben diese Verpflichtung dahingehend ausgelegt und angewendet, daß der ökologische Charakter der Feuchtgebiete erhalten bleibt. 60 Dieses Verständnis der Verpflichtung spiegelt sich in der auf der Regina Konferenz verabschiedeten Resolution hinsichtlich der "wise use" wider. Danach ist die weise Nutzung der Feuchtgebiete die "sustainable utilization for the benefit of humankind in a way compatible with the maintenance ofthe natural properties ofthe ecosystem".61 Unter nachhaltiger Nutzung (sustainable use) ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, daß die Nutzung durch den Menschen derart auszuführen ist, daß sie den größtmöglichen und andauernden Nutzen für die Gegenwart ermöglicht, ohne dabei das Potential für nachfolgende Generationen zu beschränken. 62 Ebd. (1004). Art. 2 Abs. 1 Ramsar-Konvention. 58 Navid. Natural Resources Journal 29 (1989), 1001 (1004). '9 Art. 1 der Ramsar-Konvention; vgl. dazu auch Navid. Natural Resources Journal 29 (1989),1001 (1004). 60 Navid. Natural Resources Journal 29 (1989), 1001 (1005) unter Verweis auf die Empfehlung 1.5 der ersten Vertragsstaatenkonferenz, Proceedings of the Conference on the Conservataion ofWetlands ofinternational importance especially as Waterfowl Habitat 69 (24.-29. November 1980, Cagliari, Italy); Meyers. Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (566). 61 Vgl. Richardson. African Journal ofintemational and Comparative Law 8 (1996), 904 (910). 62 Navid. Natural Resources Journal 29 (1989), 1001 (1011) unter Hinweis auf den Bericht der Ramsar Convention Task Force, Third Meeting of the Conference of the Con56
51
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Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
Es ist jedoch zu beachten, daß kein völliger Ausschluß menschlicher Handlungen für die zu schützenden Feuchtgebiete vorgesehen ist. So enthalten die Richtlinien zur "weisen Nutzung" der Feuchtgebiete unter anderem die Vorgabe der Förderung von Projekten, die sowohl dem Schutz als auch der nachhaltigen Nutzung der Ressourcen der Feuchtgebiete und der geregelten Nutzung der wilden Flora und Fauna dergestalt dienen, daß diese Komponenten des Feuchtgebietsystems nicht übennäßig ausgebeutet werden. 63 Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß das ökologische Gleichgewicht der Feuchtgebiete vorrangiges Ziel der Ramsar-Konvention ist, während die Nutzung der biologischen Ressourcen lediglich einen untergeordneten Rang einnimmt. 64 Diese eher generellen Verpflichtungen aus Art. 3 Ramsar-Konvention werden durch Art. 4 näher bestimmt. In Art. 4 Abs. 1 Ramsar-Konvention ist die Erhaltung aller65 Feuchtgebiete sowie der darin lebenden Wat- und Wasservögel durch die Erklärung dieser Gebiete zu Schutzgebieten vorgesehen. Dabei darf ein Schutzgebiet nicht verkleinert werden, ohne daß an einem anderem Ort ein entsprechendes Gebiet neu unter Schutz gestellt wird. 66 Weiterhin sollen nach Art. 4 Abs. 1 der Konvention die Feuchtgebiete i. S. d. Liste, aber auch andere Feuchtgebiete, zu Naturschutzgebieten erklärt werden. Schließlich sieht Art. 6 Ramsar-Konvention vor, daß die Vertragsparteien bei Bedarf Konferenzen über die Erhaltung von Feuchtgebieten sowie Wat- und Wasservögeln einzuberufen. Auch wenn diese Konferenzen Empfehlungen über die Ausgestaltung des Schutzes der Feuchtgebiete abgeben können, ist ihre Kompetenz doch auf eine beratende Rolle beschränkt. Es bleibt also nach der RamsarKonvention den einzelnen Staaten überlassen, welche Maßnahmen sie hinsichtlich des Schutzes der Feuchtgebiete und der Wat- und Wasservögel ergreifen. Festgelegt sind allein die Verpflichtungen, Feuchtgebiete für die nach der Konvention zu etablierenden Liste vorzuschlagen und diese Gebiete zum Gegenstand einer besonderen Planung zum Schutz dieser Ökosysteme zu machen. In die Liste der Feuchtgebiete von besonderer Bedeutung im Sinne der RamsarKonvention waren bereits 1989 445 Feuchtgebiete mit mehr als 30 Mio. Hektar tracting Parties, Recommendation 3.3 (May 27-June 5, 1987), (Document C.3.6), (Regina, Saskatchewan, Canada). 63 Ebd. 64 Meyers, Colorado Journal ofInternational Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (568) m. w. N. 65 Vgl. den Wortlaut des Artikel 4 Abs. 1: ..... daß Feuchtgebiete - gleichviel, ob sie in der Liste aufgeführt werden oder nicht - ... ". 66 Art. 4 Abs. 2 Ramsar-Konvention.
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Fläche aufgenommen worden. 67 Keines der Gebiete ist seitdem von der Liste genommen und durch ein anderes ersetzt worden. 68 Somit ist die Ramsar-Konvention ein wichtiges Werkzeug zum Schutz der Umwelt geworden. 69 Zwar bildet der Schutz von Wasser- und Watvögeln den entscheidenden Faktor für den Schutz von Feuchtgebieten unter der Ramsar-Konvention, doch haben die Vertragsstaaten inzwischen auch den Schutz anderer Arten bei der Auswahl von schützenswerten Feuchtgebieten einfließen lassen.7o Weiterhin fördert die Ramsar-Konvention auch den Schutz solcher Feuchtgebiete, die nicht in der Liste der Feuchtgebiete enthalten sind, so daß inzwischen viele Staaten auch hinsichtlich nicht in der Liste enthaltener Gebiete Erhaltungsmaßnahmen im Sinne der Ramsar-Konvention ergriffen haben. 7l
bb) Auswirkungen auf kulturelle Besonderheiten indigener Völker Die Ramsar-Konvention enthält kein Verbot menschlicher Aktivitäten hinsichtlich der zu schützenden Feuchtgebiete. Allerdings beinhalten die Erklärung eines Gebietes zu einem Naturschutzgebiet und andere Schutzmaßnahmen immer auch eine Reglementierung der menschlichen Aktivitäten in diesen Schutzgebieten. Eine solche Reglementierung kann in Form von Verboten, beschränkenden Nutzungsregimes oder Erlaubnisvorbehalten ergehen. 72 Derartige Regelungen sind geeignet, die Ausübung indigener Praktiken und Traditionen zu erschweren oder zu verhindern. So könnte die Jagd, Fischerei oder das Sammeln besonderer Arten mit einem Verbot belegt werden oder der Zugang zu den geschützten Feuchtgebieten könnte auf bestimmte Personenkreise beschränkt und von der Erteilung einer besonderen Erlaubnis abhängig gemacht werden. Bereits ein solcher Erlaubnisvorbehalt kann ein indigenes Volk in der Ausübung seiner kulturellen Identität ein67 Navid, Natural Resources Journal 29 (1989),1001 (1006); Meyers, Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (566). 68 Navid, Natural Resources Journal 29 (1989), 1001 (1006). 69 Ebd. 70 Ebd. 71 Meyers, Colorado Journal ofinternational Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (567) m. w. N. 72 Ein Beispiel für eine solche Regelung stellt s 8 des Crown Lands Act 1976 Tasmania dar. Nach dieser Bestimmung ist für die Jagd auf bestimmte Vögel die Genehmigung vom Director of National Parks and Wildlife erforderlich, der seinerseits einen weiten Ermessensspielraum hat, die Genehmigungen auch zu widerrufen; vgl. auch Richardson, African Journal of International and Comparative Law 8 (1996), 904 (919) für Kenia und Uganda; Barker, University ofWestern Australian Law Review 15 (1983), 245 (261).
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schränken, wenn dies dazu führt, daß vor jeder rituellen, spirituellen oder sonstigen Nutzung des jeweiligen Gebietes eine Erlaubnis von den staatlichen Behörden eingeholt werden muß. Ein Nutzungsverbot bestimmter Arten dagegen kann zur Folge haben, daß gewisse Praktiken und Traditionen, die sich auf die Nutzung der jeweiligen Art stützen, für die betroffenen Völker und ihre Angehörigen nicht mehr durchführbar sind.
b) Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention) Die Bonner Konvention ist auf den Schutz von Arten gerichtet, die zwischen einzelnen Nationalstaaten wandern. 73 Sie betrifft also vorrangig den Schutz dieser Arten in den betroffenen Staaten. Darüber hinaus wird jedoch schon in der Präambel der Konvention deutlich, daß der Schutz dieser Arten auf dem Verständnis beruht, daß diese Arten einen "unersetzlichen Teil des natürlichen Systems der Erde"74 darstellen.
aa) Allgemeine Grundsätze Der Schutz der Art ist nach der Bonner Konvention umfassender ausgestaltet als der Schutz der entsprechenden Lebensräume. 75 Dies mag damit erklärt werden, daß viele nationale Rechtsordnungen bereits Bestimmungen zum Schutz bedrohter Arten enthalten, der Schutz der betreffenden Lebensräume jedoch mit den industriellen und landwirtschaftlichen Interessen kollidieren könnte. 76 Doch erfassen beide Schutzrichtungen eine große Zahl von Aktivitäten und Verpflichtungen. 77 Die Bonner Konvention ist ein wichtiges internationales Instrument, das ein globales Regime zum Schutz von wandernden Tierarten errichtet. 78 So setzen sich die Vertragsstaaten aus der Europäischen Union, Staaten Nord- und Osteuropas, 73 Lyster, Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (981/982). 74
Vgl. Abs. 1 der Präambel.
Meyers, Colorado Journal ofinternational Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (554/555); Lyster, Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (985-988). 76 Lyster, Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (988). 77 Meyers, Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (554/555); Lyster, Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (985-988). 78 Meyers, Colorado Journal ofinternational Environmental Law & Policy 3 (1992),479 7S
(553).
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen
141
Asiens, Afrikas, Süd- und Zentralamerikas sowie des Mittleren Ostens zu sammen. 79 Um den angestrebten Schutz zu verwirklichen, erstreckt sich die Bonner Konvention auf eine ungewöhnlich große Zahl von Gefahren für das Überleben der in Anhang I der Konvention aufgeführten Arten. Sie ist besonders streng hinsichtlich der Beschränkungen der Nutzung der in Anhang I enthaltenen Arten und einzigartig in dem von ihr eingeführten System der Abkommen über Arten, die in ihrem Schutz von der internationalen Zusammenarbeit abhängig sind. 80 Diese Inhalte stellen die drei wichtigsten Elemente der Konvention dar. 81
bb) Verpflichtungen zum Schutz wandernder wildlebender Tierarten
Die wesentlichen Grundsätze der Bonner Konvention sind in Art. 2 aufgeführt. Sie umfassen nach Abs. 1 dieser Bestimmung die Anerkennung der Wichtigkeit der Erhaltung wandernder Arten und der in diesem Zusammenhang zu vereinbarenden Maßnahmen. Nach Abs. 2 erkennen die Vertragsparteien die Notwendigkeit an, Maßnahmen zur Verhinderung der Gefährdung wandernder Arten zu ergreifen. Als gefährdet gilt eine Art dann, wenn sie in ihrem ganzen Verbreitungs- bzw. Wandergebiet oder aber in substantiellen Bereichen hiervon auszusterben droht. 82 Im dritten Absatz des Art. 2 Bonner Konvention sind sowohl die Aufforderung zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit, zum unverzüglichen Schutz der in Anhang I aufgeführten Arten als auch zum Abschluß von Abkommen über die Erhaltung, Hege und Nutzung von in Anhang 11 aufgeführten Arten enthalten. 83 Interessant sind insoweit die beiden Schutzansätze, die mit den zwei Anhängen korrespondieren. 84 Hinsichtlich der in Anhang I aufgeführten Arten, haben sich die Vertrags parteien um einen unverzüglichen Schutz zu bemühen, während die Be-
79
Ebd.
Lyster. Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (999). Meyers. Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (553/4); Lyster. Natural Resources Journal 29 (989), 979 (981/982 und 999). 82 Vgl. Art. I Nr. lAbs. e) Bonner Konvention; siehe hierzu auch Lyster. Natural Resources Journal 29 (989), 979 (985). 83 Osterwoldt. Natural Resources Journal 29 (1989), 1017 (1020/1 021); Lyster. Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (981/982). 84 Osterwoldt. Natural Resources Journal 29 (1989),10170020/1021). 80
81
142
Teil IV: Völkerrechtliche Nonnen zum Schutz der Umwelt
mühungen hinsichtlich der in Anhang 11 aufgeführten Arten auf den Abschluß weiterer Abkommen zur Erhaltung, Hege und Nutzung gerichtet sind. Bezüglich der noch abzuschließenden Abkommen ist besonders bemerkenswert, daß das Kriterium für diese Abkommen nicht die besondere Gefährdung der zu schützenden Arten ist, sondern lediglich die Frage, ob die wandernde Tierart von dem Abschluß eines solchen internationalen Abkommens zwischen den Vertragsparteien profitieren würde. 8s Allerdings sind die nach Art. IV und V vorgesehenen zwischenstaatlichen Übereinkommen über Arten nach Anhang 11 bislang noch nicht abgeschlossen worden 86. Im Hinblick auf gefährdete wandernde Arten, die in Anhang I aufgeführt sind, bestimmt Art. 3 Bonner Konvention die Verpflichtungen der Vertrags staaten. Nach dieser Bestimmung sind ,jene Lebensstätten zu erhalten und, wo durchführbar und zweckmäßig, wiederherzustellen, die von Bedeutung sind, um die Art vor der Gefahr des Aussterbens zu bewahren". Weiterhin sind "nachteilige Auswirkungen von Aktivitäten oder Hindernissen, die die Wanderung der Arten ernstlich erschweren oder verhindern, auszuschalten, zu beseitigen, auszugleichen oder soweit angebracht - auf ein Mindestmaß zu beschränken, sowie gefährlichen Einflüssen vorzubeugen".87 Schließlich gilt nach Art. 3 Abs. 5 Bonner Konvention ein Verbot der "Entnahme aus der Natur". Die "Entnahme aus der Natur" umfaßt nach der Definition in Art. 1 Nr. 1 Abs. i) der Konvention "entnehmen, jagen, fischen, fangen, absichtlich beunruhigen, vorsätzlich töten oder jeden derartigen Versuch". Zwar sind von diesem Verbot Ausnahmen zugelassen, doch ist die Nutzung der in Anhang I aufgeführten Arten strikt auf eng umschriebene Nutzungsarten wie zum Beispiel Entnahme der Arten aus wissenschaftlichen Gründen, für Maßnahmen zur Unterstützung des Überlebens dieser Art, zur Erfüllung der Bedürfnisse traditioneller Nutzenden dieser Art oder sonstiger außergewöhnlicher Umstände begrenzt. 88 Allerdings stehen auch diese Nutzungen unter dem Vorbehalt, daß sie das Überleben der Art nicht nachteilig beeinflussen. 89 Beispiele für die Art des Schutzes nach der Bonner Konvention sind die Einrichtung von Schutzzonen, das Verbot des Einsatzes bestimmter PflanzenschutzLyster. Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (981/982). Bimie/Boyle. 472 ff.; Lyster. Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (991). 87 Vgl. Art. 3 Abs. 4lit. a) bis c) Bonner Konvention. 88 Lyster. Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (981/982). 89 Meyers. Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992), 479 (554). 85
86
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mittel und das Verbot der Vernichtung der von der bedrohten Tierart zu verzehrenden Arten. 90
ce) Auswirkungen auf kulturelle Besonderheiten indigener Völker
Die Auswirkungen dieser Bestinunungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker können sich einerseits hinsichtlich des Entnahmeverbots des Art. 3 Abs. 5 Bonner Konvention ergeben und andererseits bei der UnterschutzsteIlung bestinunter Lebensräume von wandernden Arten i. S. d. Art. 3 Abs. 4 relevant werden. Die durch Art. 3 Abs. 5 untersagten Handlungen "entnehmen, jagen, fischen, fangen und vorsätzlich töten" lassen sich auch in den wirtschaftlichen und rituellen Aktivitäten indigener Völker wiederfinden. Traditionell waren diese Völker ausschlieBlich auf diese Art der Nahrungsbeschaffung angewiesen und auch heute wird der Lebensunterhalt indigener Völker jedenfalls zum Teil auf diese Art erworben. Weiterhin kann das "Entnehmen" einzelner Exemplare für rituelle oder religiöse Handlungen von groBer Bedeutung sein. Der Schutz bestinunter Lebensräume wandernder Arten nach Art. 3 Abs. 4 Bonner Konvention kann ebenfalls eine Einschränkung menschlicher Aktivitäten zur Folge haben. Eine solche Einschränkung in Form eines Nutzungsverbots, einer Reglementierung der Nutzung oder eines Erlaubnisvorbehalt kann, wie oben dargestellt,91 die Ausübung der kulturellen Identität indigener Völker betreffen. Jedenfalls den Auswirkungen des Entnahmeverbots nach Art. 3 Abs. 5 trägt die Bonner Konvention jedoch insoweit Rechnung, als sie Ausnahmen zu diesem Verbot zuläßt. Neben wissenschaftlichen GTÜnden 92 können nach Art. 3 Abs. 5 lit. c) Bonner Konvention Ausnahmen auch dann gewährt werden, wenn die Entnahme aus der Natur dazu dient, den Lebensunterhalt von traditionell diese Art Nutzenden zu befriedigen. Mithin sind die Subsistenzaktivitäten indigener Völker von dem allgemeinen Verbot der Entnahme ausdrücklich ausgenonunen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Ausnahme hinsichtlich des Lebensunterhalts traditionell Nutzender im Sinne dieser Bestinunung auch die Entnahme zu rituellen und religiösen Zwecken einschlieBt. Doch selbst wenn die Entnahme zu rituellen und religiösen Zwecken nicht durch lit. c) des Abs. 5 gedeckt ist, 90
91 92
Lyster, Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (986). Vgl. oben a) bb). Vgl. Art. 3 Abs. 5lit. a) und b) Bonner Konvention.
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Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
könnte sich aus lit. d) dieser Bestimmung eine derartige Ausnahme ableiten lassen. Nach Art. 3 Abs. 5 lit. d) Bonner Konvention sind Ausnahmen auch dann zulässig, wenn außerordentliche Umstände dies erfordern. Ausnahmen nach Art. 3 Abs. 5 werden jedoch nicht vorbehaltlos gewährt. Diese sind vielmehr nur dann zulässig, wenn die Ausnahme inhaltlich genau bestimmt sowie räumlich und zeitlich begrenzt ist und sich nicht nachteilig für die in Frage stehende Art auswirkt. Diese Einschränkungen sind grundsätzlich mit der Ausübung der indigenen kulturellen Besonderheiten vereinbar,93 problematisch ist jedoch die zeitliche Begrenzung dieser Ausnahmen für indigene Völker. Während es hinsichtlich der wissenschaftlich begründeten Ausnahmen sinnvoll und notwendig erscheint, eine zeitliche Begrenzung der zu gewährenden Ausnahme zu verlangen, gilt dies nicht für indigene Völker. Es kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, daß indigene Völker ihre traditionelle Versorgung zu Gunsten der Teilnahme an der Marktwirtschaft völlig aufgeben. Vielmehr besteht der Wunsch und das Bedürfnis indigener Völker, ihre Kultur auch in dieser Hinsicht zu praktizieren.94 So versorgen sich beispielsweise die meisten Angehörigen des Amuesha Volkes in Peru mit allen notwendigen Gütern auf ihre traditionelle, der Umwelt des tropischen Waldes angepaßte Weise, obwohl auch Kontakte und Austauschbeziehungen mit der Marktwirtschaft des Landes bestehen. 9s Auch die Aborigines und Torres Strait Islander des nördlichen Australiens96 und die indigenen Völker Alaskas97 decken einen erheblichen Teil ihres täglichen Kalorienbedarfs mit traditioneller Nahrung. Mithin ist der Erwerb des Lebensunterhalts auf traditionelle Weise nicht als vorübergehendes Phänomen, sondern als fester Bestandteil der jeweiligen Kulturen zu sehen, die ihrerseits auch völkerrechtlichen Schutz98 genießen.
c) Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Heritage-Konvention) Nach dem Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt ist dieser Schutz eine Aufgabe der internationalen Gemeinschaft in ihrer GesamtIm einzelnen zur Konfliktlösung siehe jedoch unten Teil V und VI. Freeman. in: Native People and Renewable Resource Management, 29 (31). 9S Cycon. New England Law Review 25 (1990/1991), 761 (764) m. w. N. 96 CordelI. 41. 97 Bryner. Alaska Law Review 12 (1995), 293 (296); Rinaldi. Virginia Journal of Natural Resources Law 7 (1987-1988), 147 (150). 98 V gl. oben Teil III. 93 94
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heit. 99 Dennoch darf nicht vergessen werden, daß es sich bei den zu schützenden Objekten um Gegenstände und Gebiete unter der Jurisdiktion des jeweiligen Heimatstaates handelt. Der Schutz des Naturerbes hat dabei auch umweltschutzrechtlichen Charakter.
aa) Verpflichtungen zum Schutz des Welterbes Naturerbe im Sinne der Heritage-Konvention sind nach Art. 2 "Naturgebilde, geologische und physiographische Erscheinungsformen, genau abgegrenzte Gebiete, die den Lebensraum für bedrohte Pflanzen- oder Tierarten bilden sowie Naturstätten oder -gebiete, die aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung oder natürlichen Schönheit wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind."
Der Schutz nach der Heritage-Konvention erstreckt sich also auf Gebiete von außergewöhnlichem Wert in ästhetischer oder wissenschaftlicher Sicht, indem er besonders ausgewiesene Gebiete als Lebensraum gefährdeter Arten von Flora und Fauna erfaßt. 100 Keinen Umweltschutz im eigentlichen Sinn, aber eine gewisse Relevanz für indigene Völker kann auch der Schutz des Kulturerbes i. S. d. Art. 1 HeritageKonvention beinhalten. Diese Bestimmung qualifiziert als Kulturerbe Denkmäler, Ensembles und Stätten. Während Ensembles als Gruppen einzelner oder miteinander verbundener Gebäude keine besondere Relevanz für indigene Kulturen haben, könnte etwas anderes für Stätten und Denkmäler i. S. d. Art. 1 HeritageKonvention gelten. Stätten im Sinne dieser Bestimmung sind "Werke von Menschenhand oder gemeinsame Werke von Natur und Mensch sowie Gebiete einschließlich archäologischer Stätten, die aus geschichtlichen, ästhetischen, ethnologischen oder anthropologischen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind."
Auch einige Stätten indigener Völker erfüllen diese Voraussetzungen. Dies gilt besonders für heilige Stätten, an denen bestimmte Rituale stattfinden. Auch Denkmäler können in dieser Hinsicht für indigene Völker von Relevanz sein. Nach Art. 1 Heritage-Konvention können unter anderem "Großplastiken und Monumentalmalerei, Objekte oder Überreste archäologischer Art, Inschriften, Höhlen und Verbindungen solcher Erscheinungsformen, die aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert" V gl. Absätze 8 und 9 der Präambel der Heritage-Konvention. Meyers, Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992), 479 (564). 99
100
IOSehillhorn
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Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
sind, als "Denkmal" qualifiziert werden. Somit könnten indigene Kunstwerke und oder von ihnen bearbeitetes Gestein unter den Schutz der Heritage-Konvention fallen. Die Güter des Natur- und Kulturerbes zu schützen ist das Ziel der HeritageKonvention, die in Art. 3 die Staatenverpflichtung enthält, die in dem Hoheitsgebiet befindlichen Güter i. S. d. Art. 1 und 2 zu erfassen und zu bestimmen. Weiterhin sind die Vertragsstaaten nach Art. 5 Heritage-Konvention unter anderem dazu verpflichtet, eine allgemeine Politik zu verfolgen, die darauf gerichtet ist, dem Kultur- und Naturerbe eine Funktion im öffentlichen Leben zu geben und den Schutz dieses Erbes in erschöpfende Planungen einzubeziehen. Schließlich sollen rechtliche, wissenschaftliche, technische, Verwaltungs- und Finanzmaßnahmen getroffen werden, die für Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit sowie Revitalisierung dieses Erbes erforderlich sind. Nicht zuletzt ist die ,,Liste des gefährdeten Erbes der Welt" zu nennen, die nach Art. 11 Heritage-Konvention vorgesehen ist. Aufnahme in die Liste finden nur solche Güter des Kultur- und Naturerbes, die durch ernste und spezifische Gefahren bedroht sind lOl und deren Aufnahme der jeweilige Staat zugestimmt hat. 102 Nach Art. 13 Heritage-Konvention ist es Ziel der Liste, solche Güter zu identifizieren, deren Schutz durch internationale Maßnahmen unterstützt werden muß.
bb) Auswirkungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker
Die Schutzmaßnahmen nach der Heritage-Konvention können die kulturellen Besonderheiten indigener Völker in verschiedener Weise betreffen. Zunächst kommt eine Reglementierung menschlicher Aktivitäten im Hinblick auf das zu schützende Gut in Betracht. Die Reglementierung zum Schutz der Naturgüter, aber auch der Kulturgüter, könnte ein Nutzungsverbot, eine Nutzungsregelung oder aber einen Erlaubnisvorbehalt hinsichtlich der Nutzung des jeweiligen Gebietes beinhalten. Die möglichen Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die kulturelle Identität sind bereits im Kontext der Rarnsar-Konvention beschrieben worden. 103
Art. ll Abs. 4 Heritage-Konvention. Art. 11 Abs. 3 Heritage-Konvention. 103 Vgl. oben a) bb). 101
102
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Im Rahmen der Heritage-Konvention kann sich jedoch auch eine weitere Auswirkung auf die kulturelle Identität indigener Völker ergeben. Denn nach Art. 5 Abs. a) Heritage-Konvention soll dem zu schützenden Gut eine "Funktion im öffentlichen Leben" gegeben werden. Eine solche Funktion läßt sich nur erreichen, wenn das zu schützende Gut mit seinen Besonderheiten der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht und unter Umständen auch zugänglich gemacht wird. Die Schaffung einer Funktion im öffentlichen Leben könnte also dazu führen, daß das jeweilige Gut zu einer Attraktion für Touristen und Medien wird. Betroffen ist eine indigene Kultur von dieser Öffentlichkeits funktion des Gutes, wenn das jeweilige Natur- oder Kulturgut auch für das indigene Volk eine besondere Bedeutung hat. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es sich bei dem zu schützenden Gut um eine heilige Stätte handelt, an der die Religion oder heilige Rituale des jeweiligen Volkes ausgeübt werden und die von Außenstehenden nicht betreten oder besichtigt werden darf.
d) Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzabkommen) Das Washingtoner Artenschutzabkommen ist besonders auf den Schutz gefährdeter Arten vor d~n Auswirkungen des internationalen Handels gerichtet. 104 Zur Erreichung dieses Schutzes sieht das Abkommen sowohl den Schutz der einheimischen Arten auf nationaler Ebene als auch die internationale Zusammenarbeit der Vertragsstaaten vor. lOS Mitte 1997 hatten ca. 135 Staaten das Washingtoner Artenschutzabkommen ratifiziert,l06 das damit zu einern der umfassendsten anerkannten Umweltschutzabkommen auf internationaler Ebene und womöglich auch zu einern der erfolgreichsten internationalen Abkommen zur Erhaltung gefährdeter Arten wurde. 107 aa) Verpflichtungen zum Schutz gefährdeter Arten
Die Bestimmungen des Washingtoner Artenschutzabkommens sind ausschließlich auf die Schaffung nationaler Systeme gerichtet, die den internationalen Han104 Meyers. Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992), 479 (559) m. w. N. 105 Ebd.
106 107
Sand. European Journal ofinternational Law 8 (1997), 29 (46). Meyers. Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992),
479 (558) m. w. N. 10*
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deI mit den betreffenden gefährdeten Arten im Sinne der Konvention kontrollieren sollen. Dabei betrifft der Handel i. S. d. Konvention gemäß Art. 1 Abs. c) den Export, Re-Export, Import und die Einführung von See. Darüber hinaus enthält das Washingtoner Artenschutzabkommen keine Verpflichtungen über den Umgang, das Management oder den Schutz mit den betreffenden gefährdeten Arten im jeweiligen Staatsgebiet selbst. Die konkreten Bestimmungen des Washingtoner Artenschutzabkommens umfassen nach Art. 2 Abs. 4 die Verpflichtung der Vertragsparteien, den Handel mit den in den Anhängen 1 bis 3 aufgeführten gefährdeten Arten zu verbieten bzw. nur unter den in der Konvention selbst vorgesehenen Bestimmungen zuzulassen. Dies gilt auch für die Einführung von Arten von See i. S. d. Art. 1 Abs. c) des Abkommens. Nach dieser Bestimmung ist unter der Einführung von See der Transport von Arten aus der Hohen See zu verstehen, welche den Bereich jenseits der marinen Umwelt unter der jeweiligen staatlichen Jurisdiktion umfaßt.
bb) Auswirkungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker Die Verpflichtungen nach dem Washingtoner Artenschutzabkornmmen können in verschiedener Weise für die kulturellen Besonderheiten indigener Völker relevant sein. Ein Ansatzpunkt ist der internationale Handel, der nach dem Abkommen stark eingeschränkt wird. Viele indigene Kulturen beinhalten Praktiken und Traditionen, die auf die Jagd und die Fischerei bestimmter Arten ausgerichtet sind. Dabei kann es sich auch um solche Arten handeln, die nach den Anhängen des Was hingtoner Artenschutzabkommens als besonders gefährdet gelten. Gehört es nun auch zu der jeweiligen Kultur, diese Arten nicht nur zu fangen oder zu erlegen, sondern auch mit ihnen Handel zu treiben, kann dieser durch die Bestimmungen des Abkommens betroffen sein. Zwar haben die meisten indigenen Völker einen eher lokalen oder regionalen Wirkungskreis, doch ist nicht auszuschließen, daß bestimmte Völker in Ausübung ihrer kulturellen Besonderheiten auch am internationalen Handel beteiligt sind. Dabei bedeutet die Nähe zum westlichen, nichtindigenen Wirtschafts system und der Umstand, daß sich diese Praktiken erst seit relativ kurzer Zeit etabliert haben, nicht zwangsläufig, daß diese wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht zu den kulturellen Besonderheiten von indigenen Völkern gerechnet werden können. lOB
108
Im einzelnen siehe zu diesem Komplex unter Teil V ,.Entwicklungs-Konflikt".
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Ein weiterer Aspekt der Auswirkungen des Washingtoner Artenschutzabkommens auf indigene kulturelle Besonderheiten kann sich aus der Einschränkung der Einführung von See i. S. d. Art. 1 Abs. c) Washingtoner Artenschutzabkommen ergeben. Während die meisten indigenen Völker die marinen Ressourcen innerhalb der nationalen Jurisdiktion ihres Heimatstaates nutzen, gibt es auch indigene Völker, zu deren kulturellen Besonderheiten es gehört, die Ressourcen jenseits der Territorialgewässer zu nutzen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang beispielsweise an die Inuit des Polarkreises, deren Walfangaktivitäten sich auch über die Territorialgewässer hinaus erstrecken.
4. Zusammenfassung
Es ist also zusammenfassend festzuhalten, daß völkervertragsrechtliche Umweltbestimmungen der verschiedensten Schutzrichtungen Auswirkungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker haben. Besonders betroffen sind indigene Völker in der Ausübung ihrer kulturellen Besonderheit von internationalen Bestimmungen, die auf den Schutz von Arten und Gebieten auf der nationalen Ebene abzielen.
n. Völkergewohnheitsrecht Noch vor 25 Jahren konnte kaum von einern völkergewohnheitsrechtlichen Schutz der Umwelt gesprochen werden, wie eine Aussage Professor Brownlies von 1973 zeigt: "custornary law [contains ] ... no rules or standards related to the protection of the environment as such"Yl9 Seit der durch die Stockholmer Erklärung initiierten Entwicklung hat sich dagegen eine Verpflichtung aller Staaten zum Umweltschutz herausgebildet. llo Im Bereich des Völkergewohnheitsrecht ist hier insbesondere die Verpflichtung zu nennen, die Umwelt eines anderen Staates nicht zu beeinträchtigen. lll Insgesamt hat sich durch die wiederholte Bestätigung Brownlie, Natural Resources Journal 13 (1973), 179 (179). Kilian, Handbuch Vereinte Nationen, 868 (970); Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (107). 111 Trail Smelter Arbitration (1938/1941), R.I.A.A. iii, 1905 ff.; Corfu Channel Case (Uni ted Kingdom v. Albania), I.C.J. Rep. 1949,4 ff.; Lac Lanoux Arbitration (1957), R.I.A.A. xii, 281 ff.; Nuclear Test Cases (Australia v. France), (New Zealand v. France), I.C.J. Rep. 1974,253 ff. und 457 ff.; vgl. Palmer, American Journal ofinternational Law 86 (1992), 259 (265); dies ist auch die einzige Art von Umweltrecht, die in das US Re109
110
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Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
bestinunter (Soft-law- )Regeln l12 eine internationale Praxis ergeben, die heute umweltrechtliche Verpflichtungen anerkennt, die vor einigen Jahrzehnten noch als Eingriff in die Souveränität eines Staates angesehen wurden. 113 So bestehen heute immerhin gewisse völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtungen zum Schutz der Umwelt. 114 Wie anband der Prüfung der völkerrechtlichen Verträge deutlich wurde, sind Bestinunungen zum Schutz bestinunter Arten und ihrer Lebensräume innerhalb des jeweiligen Staatsgebietes besonders geeignet, die Ausübung der kulturellen Identität indigener Völker zu beeinträchtigen. Zu untersuchen ist somit, ob sich auch aus dem Völkergewohnheitsrecht die Verpflichtung zum Schutz von einzelnen Arten und Gebieten im Rahmen der nationalen Jurisdiktion der einzelnen Staaten ergibt. Eine solche Verpflichtung kann nach Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH Statut dann angenommen werden, wenn eine dahingehende Staatenpraxis besteht, die von der opinio juris getragen wird. Dabei muß die Staatenpraxis verschiedene Kriterien erfüllen, namentlich die Uniformität, die Generalität und eine bestinunte Dauer, um eine ausreichende Grundlage für die Schaffung einer Norm im V ölkergewohnheitsrecht schaffen zu können. IIS Das Zeitelement ist jedoch, nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes,116 nicht allzu streng anzuwenden, da bereits eine kurze Dauer tatsächlicher Praxis zu diesem Zweck ausreichen kann. Hinsichtlich der Uniformität ist zu beachten, daß die Praxis zwar im wesentlichen,
statement 0/ Foreign Relations Law 1987 aufgenommen wurde, vgl. Caron, Yale International Law Journal 13/14 (1989-1990), 528 (528). 112 Dupuy, Michigan Journal ofinternational Law 12 (199011991), 420 (424). 113 Ebd. (424/425). 114 Palmer, American Journal of International Law 86 (1992), 259 (264); Brownlie, Natural Resources Journal 13 (1973), 179. m Fisheries lurisdiction Case (United Kingdom v. Iceland), I.C.J. Reports 1974, 3 (23-26); Asylum Case (Columbia v. Peru), I.C.J. Reports 1950,266 (276/277); United States Nationals in Morocco Case (Fance v. United States),I.C.J. Reports 1952, 175 (200); Right 0/ Passage over Indian Territory Case (Portugal v. India), I.C.J. Reports 1960,6 (40/43), und North Sea Continental Shelf Cases (Federal Republic of Germany v. Denmark), (Federal Republic of Germany v. Netherlands), I.C.J. Reports 1969, 3 (43); vgl. auch Brownlie, 6; Chodosh, Texas International Law Journal 26 (1991), 87 (99); Gunning, Virginia Journal of International Law 31 (199011991),211 (214). 116 North Sea Continental Shelf Cases (Federal Republic of Germany v. Denmark), (Federal Republic of Germany v. Netherlands), I.C.J. Reports 1969, 3 ff.; vgl. auch Brownlie, 5; Chodosh, Texas International Law Journal 26 (1991), 87 (101).
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nicht aber in ihrer Gesamtheit uniform sein muß. ll7 Dabei darf jedoch keiner Enthaltung und keinem Protest besonders schwerwiegende Bedeutung beizumessen sein, um die Uniformität nicht zu zerstören. 118 Es muß also, um festzustellen, ob gewohnheitsrechtliche Verpflichtungen zum Schutz bestimmter Arten und Gebiete unter im Rahmen der nationalen Jurisdiktion der einzelnen Staaten bestehen, nach Belegen für eine wesentlich übereinstimmende und generelle Staatenpraxis hinsichtlich solcher Verpflichtungen gesucht werden, die von der entsprechenden opinio juris getragen wird.
1. Staatenpraxis Viele Staaten haben bereits nationale Regelungen zum Schutz der nationalen Umwelt erlassen 1l9 und begonnen, nachhaltige Systeme des Umweltmanagement zu implementieren. 120 Insbesondere haben viele Industriestaaten umweltschützende Normen erlassen und durchgesetzt. 121 Auch verpflichten sich immer mehr Staaten durch internationale Abkommen zum Schutz bestimmter Arten und ihrer Lebensräume. Wie bereits erwähnt, sind mehr als 152 Umweltschutzkonventionen in Kraft,I22 von denen jedoch nicht alle dem Artenschutz gewidmet sind. Doch könnte die vermehrte Bereitschaft der 117 Fisheries Case (United Kingdom v. Norway), I.C.J. Reports 1951, 116 (131); Asylum Case (Columbia v. Peru), I.C.J. Reports 1950, 266 (276/277); vgl. auch United States Nationals in Morocco Case (Fance v. United States), I.C.J. Reports 1952, 175 (200); Right 0/ Passage over Indian Territory Case (Portugal v. India), I.C.J. Reports 1960,6 (40/43), und North Sea Continental Shelf Cases (Federal Republic of Germany v. Denmark), (Federal Republic of Germany v. Netherlands), I.C.J. Reports 1969,3 (43). 118 Fisheries Jurisdiction Case (United Kingdom v. Iceland), I.C.J. Reports 1974, 3 (23-26); vgl. auch Brownlie. 6; Chodosh. Texas International Law Journal 26 (1991), 87 (99); vgl. aber auch S.S. Wimbledon Case (France, Italy, Japan, United Kingdom v. Germany), P.C.I.J. 1923 (ser. A), No. 1,7 (15, 25 and 28), und S.S. Lotus Case (France v. Turkey), P.C.l.J. 1927 (ser. A), No. 10, 4 (29), in dem der Gerichtshof eine Praxis von weniger als 12 Staaten für den Beweis einer gewohnheitsrechtlichen Regel ausreichen ließ. 119 Glennon. American Journal ofInternational Law 84 (1990),1 (29). 120 Earth Summit in Focus, No. 5 (4); vgl. auch Meyers. Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992), 479 (586). 121 Siehe z. B. McGee/Zimmermann. Universtiy ofMiami Inter-American Law Review 21 (1990), 513 (516 ff.) für Brasilien; Maluwa. African Review ofInternational and Comparative Law 1(1989),650 (660/661) für Afrika; vgl. auch Magraw. Colorado Journal of International Environmental Law and Policy 1 (1990). 69 (70 ff.) und Giaimo. Environmental Law 18 (1988), 537 (538 ff.). 122 Palmer. American Journal of International Law 86 (1992), 259 (262).
152
Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
Staaten, sich durch vertragliche Verpflichtungen zum Schutz der Umwelt zu binden, auch Auswirkungen auf gewohnheitsrechtliche Verpflichtungen zum Schutz der Umwelt haben. 123 Denn die Ratifizierung solcher Konventionen durch die Staaten kann als Staatenpraxis i. S. d. Völkergewohnheitsrechts angesehen werden. 124 Allerdings bedeutet eine Vielzahl von internationalen Abkommen noch nicht, daß diese auch jeweils von vielen Staaten ratifiziert wurden. 12S Weiterhin müßten die Ratifikationen die Kriterien der Uniformität und der Generalität erfüllen. 126 Die Uniformität und Generalität läßt sich an dem Status der Ratifikationen von internationalen Verträgen bestimmen, die Verpflichtungen zum Schutz von bestimmten Arten und ihren Lebensräumen enthalten. Von den ca. 190 Staaten, die die internationale Staatengemeinschaft ausmachen, haben etwas mehr als 100 Staaten die Heritage-Konvention ratifiziert. 127 Die Ramsar-Konvention hatte 198852 Ratifikationen aufzuweisen,128 eine Zahl, die auch in den letzten Jahren nicht sehr gestiegen ist. 129 Das gleiche gilt für die Bonner Konvention, die bis 1989 nur von 30 Staaten ratifiziert worden warYo Allerdings wurde die CBD von über 150 Staaten aus den verschiedensten geographischen Regionen ratifiziert und ist durch ihre Entstehungsgeschichte auf dem Gipfel von Rio de Janeiro 1992, an dem fast alle Staaten der Weltgemeinschaft beteiligt waren, besonders repräsentativ für die derzeitige Staatenpraxis im Hinblick auf die internationale Verpflichtung zum Schutz der Umwelt. Dieses Ratifikationsverhalten von Staaten zur Übernahme von internationalen Verpflichtungen zum Arten- und Lebensraumschutz entspricht somit den nationalen Entwicklungen zugunsten der Schaffung eines Schutzstandards für Arten und ihre Lebensräume. 131
123 Palmer, American Journal of International Law 86 (1992), 259 (264); Brownlie, Natural Resources Journal 13 (1973),179. 124 D'Amato, Vanderbilt Journal ofTransnational Law 21 (1988),459 (462). m Palmer, American Journal ofInternational Law 86 (1992), 259 (263). 126 Lauterpacht, 368; Kunz, American Journal of International Law 47 (1953), 662 (666); Chodosh, Texas International Law Journal 26 (1991), 87 (103). 121 108 Ratifikationen 1993, vgl. BurrittlGibson, Environmental and P1anning Law Journal 10 (1993), 278 (278). 128 Navid, Natural Resources Journal 29 (1989),1001 (1001). 129 Vgl. Status der Ratifikationen in I.L.M. 1989-1993. 130 Lyster, Natural Resources Journal 29 (1989), 979 (980) mit einer Liste der Vertragsparteien. 131 V gl. im Ergebnis auch Glennon, American Journal ofInternational Law 84 (1990), 1 (10).
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen
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2. ., Opinio juris" Die opinio juris beschreibt die Voraussetzung, daß die Staatenpraxis mit der entsprechenden Rechtsüberzeugung ausgeführt werden muß, daß also die Handlungen aus dem Bewußtsein einer rechtlichen Verpflichtung motiviert sein müssen. I32 Es ist heute weithin von den Staaten der Weltgemeinschaft - jedenfalls theoretisch - anerkannt, daß unser Planet allen Völkern ..gehört" und daß alle Völker ein Interesse an der Bewahrung des natürlichen und kulturellen Erbes und den natürlichen Ressourcen sowie an dem Schutz der Arten haben. 133 Ein solches Interesse umfaßt auch das Wissen um die Wichtigkeit der nationalen Umwelt mit ihrer Biodiversität. Ein Beweis hierfür kann zum Beispiel den Ausführungen des tansanischen Präsidenten: ..... that Tanzania has such a rich wildlife is an accident of geography. It belongs to all man[people]kind", und des ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten Bush: ..... the environment belongs to all of uso In this new world of freedom the world citizens must enjoy this common trust for generations to come" entnommen werden. 134 Als weiterer Hinweis einer Rechtsüberzeugung kann der National Environmental Policy Act der Vereinigten Staaten aufgeführt werden, der feststellt, daß es die Verantwortung eines Staates ist, die wichtigen historischen, kulturellen und natürlichen Elemente des nationalen Erbes zu schützen. 135 Diesen Gedanken nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf als sie 1982 in der World Charter for Nature bestätigte, daß alle Gebiete der Erde den Grundprinzipien der Erhaltung (conservation) unterworfen sind. 136 Weiterhin erkannte die Generalversammlung am 22.12.1989 in ihrer Resolution 44/228 an: 132 Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua Case (Nicaragua v. United States of Arnerica), I.C.J. Reports 1986, 14 (1081109); North Sea Continental Shelf Cases (Federal Republic of Germany v. Denmark), (Federal Republic of Germany v. Netherlands), I.C.J. Rep. 1969,3 (41/42); S.S. Lotus Case (France v. Turkey), P.C.I.J. 1927 (ser. A), No. 10,4; Gunning, Virginia Journal of International Law 31 (199011991),211 (214); Brownlie, 7; Weisburd, Vanderbilt Journal ofTransnational Law 21 (1988), 1 (7). 133 Caron, Yale International Law Journal 13/14 (1989-1990), 528 (529), der sich auf Art. 4 Abs. 2 des Antarctic Minerals Treaty von 1988 (I.L.M. 27 (1988), 868 ff.) bezieht und darauf hinweist, daß diese Aspekte Teil der Entwicklung zum "Sustainable Development" (vgl. Brundtland-Bericht) und der "Intergeneration Equity" (vgl. Weiss, Ecology Law Quarterly 11 (1984),495 (511 ff.) sind. 134 Beide Zitate sind wiedergegeben in Glennon, American Journal of International Law 84 (1990), 1 (28/29). m 1969,42 U.S.C. § 4331 (b) (4) (1976). 136 UN GA Res. 3717 vom 28.10.1982, Principle 3.
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Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
..... that the global character of environmental problems, including climate change, depietion of the ozone layer, trandboundary air and water pollution, the contarnination of the oceans and seas and degradation ofland resources, including drought and desertification, necessitates action at all level, including the global, regional and national levels, and the commitment and participation of all countries"
und betonte: ..... the importance for all countries of taking effective measures for the protection, restoration and enhancement of the environment in accordance, inter alia, with their respective capabilities, while at the same time acknowledging the efforts being made in all countries in this regard, including international cooperation between developed and developing countries. ,,137
Im Nachgang zu dieser Resolution haben auch die Verhandlungen der UNKonferenz über Umwelt und Entwicklung verdeutlicht, daß die Staatengemeinschaft sich verpflichtet fühlt, die biologische Vielfalt und damit auch die Vielfalt der Arten und ihrer Lebensräume zu schützen. So heißt es beispielsweise im Vorschlag Kanadas zum Principle 2 der Agenda 21: "all individuals, organizations and States share the responsibility to conserve, protect and restore the Earth's environment, including its air, land, water and biological diversity".'38 Allerdings wurde während der Verhandlungen ebenfalls klar, daß die Staaten eine isolierte Verpflichtung zum Schutz bestimmter Arten und ihrer Lebensräume nicht übernehmen wollten. 139 Vielmehr wurde auf dem Rio-Gipfel erstmals ein umfassendes Konzept erarbeitet, das neben dem Schutz der biologischen Vielfalt im Rahmen der nationalen Jurisdiktion auch die wirtschaftliche Nutzung der nationalen Ressourcen vorsieht. '40 Umschrieben wurde dieses Konzept mit dem Begriff der "sustainability", d. h. der Nachhaltigkeit der anzustrebenden Entwicklungen. '41 Allein durch die Verknüpfung des wirtschaftlichen Aspekts mit dem umweltschützenden Aspekt konnte der Schutz der einzelnen Arten und ihrer Lebensräume eine so breite Unterstützung erfahren wie dies auf dem Rio-Gipfel 1992 deutlich wurde. 142 UN GA Res. 44/228. Working Group III, agenda item 4 vom 23.08.1991, abgedruckt in: RobinsonIHassanIHead (eds.), Agenda 211 and the UNCED Proceedings, Vol. I, cxv (cxvii). 139 Vgl. hierzu im einzelnen Wirth, Georgia Law Review 29 (1995), 599 ff.; Soell, in: KissIBurhenne-Guilmin (Hrsg.), 33 ff. 140 Vgl. Stahl, Jahrbuch Dritte Welt 1993,48 (50 f.). 141 Der Begriff der sustainability geht jedoch bereits auf den Brundtland-Bericht ..Our Common Future" von 1987 zurück. V gl. zur Nachhaltigkeit i. S. d. Rio-Gipfels: Myers/ Muller, Buffalo Environmental Law Journal 4 (1996),1 (3 ff.). 142 Vgl. hierzu im einzelnen Wirth. Georgia Law Review 29 (1995), 599 ff.; Soell. in: KissIBurhenne-Guilmin (Hrsg.), 33 ff. 131
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A. Inhalte umweltrechtlicher Normen
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Unter Anwendung dieses Konzepts aber hat sich noch kein Staat gegen die Verpflichtung zum Schutz der biologischen Vielfalt und damit auch zum Schutz bestimmter Arten und ihrer Lebensräume im Rahmen seiner nationalen Jurisdiktion ausgesprochen.
Irr. Neuere Entwicklungen im Umweltvölkerrecht Die neueren Entwicklungen des Umweltvölkerrechts richten sich fast ausschließlich auf den Schutz der globalen oder universellen Umwelt. Einige enthalten jedoch - jedenfalls indirekt - Bezüge zum Schutz bestimmter Arten und ihrer Lebensräume. Im einzelnen sind dies die Stockholm-Erklärung über die menschliche Umwelt, die World Charter for Nature, der Brundtland-Bericht, die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung und die Wald-Prinzipien. 143 Besonders die neueren dieser Instrumente sind als außerrechtliches soft law l44 zu qualifizieren, bei denen es jedoch nicht ausgeschlossen ist, daß sie eines Tages rechtliche Verbindlichkeit erlangen, indem sie in einen internationalen Vertrag integriert oder durch Staatenpraxis und opinio juris als Gewohnheitsrechtsnormen anerkannt werden.
1. Stockholm-Erklärung
Die Stockholm-Erklärung von 1972 ist in gewisser Weise der Grundstein des modernen Umweltrechts. Trotz ihres unverbindlichen Charakters hat sie das Verhalten der Staaten und damit die Staatenpraxis in den letzten zwei Jahrzehnten entscheidend beeinflußt. 14s Es gibt sogar Stimmen in der Literatur, die wegen der umfassenden Unterstützung dieses Instruments durch die Staatengemeinschaft dessen gewohnheitsrechtliche Geltung annehmen. 146 Hinsichtlich des Schutzes bestimmter Arten und ihrer Lebensräume ist insbesondere das 4. Prinzip der Stockholm-Erklärung zu nennen. In dieser Bestim-
143 "Non-Iegally binding authoritative statement of principles for a global consensus on the management, conservation and sustainable development of all types of forests", vom 13.06.1992, UN Doc. NConf.151/6/Rev.l, im folgenden Wald-Prinzipien. 144 Zum außerrechtIichen soft law vgl. Teil III. A. m. 145 Dupuy, Michigan Journal of International Law 12 (199011991), 420 (421). 146 Palmer, American Journal ofinternational Law 86 (1992), 259 (268).
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Teil IV: Völkerrechtliche Nonnen zum Schutz der Umwelt
mung sind die Wichtigkeit des Wildlebens, der Lebensräume und des Naturschutzes anerkannt. 141
2. World Charter for Nature Die World Charter enthält demgegenüber einen universelleren Ansatz, indem im 1. Prinzip erklärt wird: "Nature shall be respected and its essential processes shall not be impaired." Im 14. Prinzip werden die Staaten dazu aufgerufen, die Prinzipien der Charter in ihr Recht und dessen Anwendung auf nationaler und internationaler Ebene einfließen zu lassen. Jedoch ist zu beachten, daß auch die World Charter lediglich Empfehlungen, nicht aber bindendes Recht enthält. 148 Doch fand die World Charter 1982 eine breite Unterstützung im Rahmen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in der sie mit einer Stimmenmehrheit von 111 zu 1 Stimme angenommen wurde. 149 So ist es nicht ausgeschlossen, daß die W orld Charter die Grundlage einer rechtlich verbindlichen internationalen Konvention sein könnte. ISO Inhaltlich erkennt die World Charter bereits in der Präambel an, daß die Menschheit" ... is part of nature and life depends on the uninterrupted functioning of natural systems" und bestätigt vor allem auch den einzigartigen Wert jeder Lebensform, der unabhängig von dem jeweiligen Wert für den Menschen besteht. lsl Konkretere Bestimmungen für den Schutz bestimmter Arten und ihrer Lebensräume enthält das Prinzip 2, nach dem die Überlebensfähigkeit der Populationen aller Lebensformen ebenso gesichert werden soll, wie die hierfür notwendigen Lebensräume. Auch Prinzip 3 ist auf einen solchen Schutz ausgerichtet, indem es alle Gebiete der Erde, besonders aber repräsentative Ökosysteme und die Lebens-
141 "Man [humankind] has a special responsibility to safeguard and wisely manage the heritage of wildlife and its habitat. Nature conservation including wildlife must therefore receive importance in planning for economic development." Prinzip 4 der Stockholm-Erklärung. 148 Meyers, Colorado Journal ofinternational Environmental Law & Policy 3 (1992), 479 (589); Wood, Ecology Law Quarterly 12 (1985), 977 (982). 149 Wobei die Vereinigten Staaten die ablehnende Stimme abgab, vgl. Meyers, Colorado Journal ofinternational Environmental Law & Policy 3 (1992), 479 (588). ISO Wood, Ecology Law Quarterly 12 (1985), 977 (982). m Meyers, Colorado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992), 479 (588).
A. Inhalte umweltrechtlicher Normen
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räume seltener und gefährdeter Arten unter die Anwendung der Erhaltungs- bzw. Schutzprinzipien der WorId Charter stellt. Im weiteren enthält die WorId Charter in den Prinzipien 6 bis 13 konkrete Anweisungen für die Ausgestaltung der nationalen Umsetzung ihrer Ziele.
3. Brundtland-Bericht
Die Prinzipien des Brundtland-Berichts sind hinsichtlich des Schutzes bestimmter Arten und ihrer Lebensräume nicht sehr konkret. In seinem 3. Prinzip heißt es allerdings: "States shall maintain ecosystems and ecological processes essential for the functioning ofthe biosphere, shall preserve biological diversity, and shall observe the principle of optimum sustainable yield in the use of li ving natural resources and ecosystems."
Der Brundtland-Bericht enthält einen Bezug zu den kulturellen Besonderheiten indigener Völker, indem gefordert wird, diese kulturellen Besonderheiten anzuerkennen und indigenen Völkern " ... a decisive voice in formulating policies about resources development in their areas" zu geben. 152
4. Rio-Erklärung
Auch die Rio-Erklärung verfolgt einen universellen und sehr unbestimmten Ansatz in ihren "Verpflichtungen". So heißt es im 7. Prinzip der Rio-Erklärung: "States shall cooperate in a spirit of global partnership to conserve, protect and restore the health and integrity of the Earth's ecosystem." Hinsichtlich des nationalen Umweltschutzes enthält die Rio-Erklärung lediglich in Prinzip 11 die Aufforderung, daß eine effektive Umweltgesetzgebung zu erlassen ist. Allerdings enthält die Rio-Erklärung Bestimmungen, die für die kulturelle Identität indigener Völker von Bedeutung sein können. Zunächst ist nach Prinzip 10 der Rio-Erklärung bei der Behandlung von Umweltbelangen die Beteiligung der betroffenen Bevölkerung vorgesehen. Eine direkte Beteiligung indigener Völker sieht das 22. Prinzip der Rio-Erklärung vor, in dem es heißt:
IS2
Brundtland-Bericht, 12 und 114-116.
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Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
,,1ndigenous people ... have a vital role in environmental management and development because of their vital knowledge and traditional practices"
und "States should recognize and duly support their [indigenous peoples'] identity, culture and interests and enable their effective participation in the achievement of sustainable development. ..
5. Wald-Prinzipien Die Wald-Prinzipien sind nach ihrer Präambel auf alle Arten des Waldes anzuwenden. 1S3 Dabei sind die inhaltlich nicht-verbindlichen "Verpflichtungen" vorrangig auf die nachhaltige Nutzung des Waldes und nicht auf seinen Schutz gerichtet. Ein ausdrücklicher Schutz ist lediglich für ökologisch repräsentative und seltene Wälder vorgesehen. lS4 Auch die Wald-Prinzipien enthalten Hinweise auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker, die bei der Nutzung des Waldes zu berücksichtigen sind. ISS So heißt es im 5. Prinzip unter (a): ,,National forest policies should recognize and duly support the identity, culture and the rights of indigenous people, .... Appropriate conditions should be promoted for these groups to enable them to ... perform econornic activities, and achieve and maintain cultural identity .....
Weiterhin wird in Prinzip 8 (0 erklärt, daß die nationale Politik den Schutz der " ... cultural, spiritual, historieal, religious and other unique and valued forests ... " berücksichtigen sollte.
6. Zusammenfassung
Die neueren Entwicklungen des Völkerrechts (soft law) sind hinsichtlich ihrer "Verpflichtungen" wenig konkret, schließen aber gleichwohl Auswirkungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker bei der Umsetzung ihrer Ziele nicht aus.
Abs. e) der Präambel der Wald-Prinzipien. Prinzip Slit. f) Wald-Prinzipien. m Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (115). 153
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B. Systematische Betrachtung der Umweltschutznormen
159
B. Systematische Betrachtung der Umweltschutznormen Die in Teil A dargestellten Umweltschutzbestimmungen lassen sich nach verschiedenen Schutzansätzen sowie nach ihren verschiedenen Umsetzungsformen unterscheiden. Sowohl aus der Art des Schutzansatzes als auch aus der Art der Umsetzungsform ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker. 1S6 Da die internationalen Regelungen recht abstrakt gefaßt sind, bleibt es zwar in der Regel den Staaten bei der Umsetzung der umweltrechtlichen Verpflichtungen überlassen, über die konkreten Schutzmaßnahmen zu entscheiden. Doch sind häufig bereits in den internationalen Verpflichtungen selbst unterschiedliche Schutzansätze und Umsetzungsformen angelegt. Einige der Normen sind lediglich auf den Schutz der einzelnen Art gerichtet, während andere sowohl die Arten als auch deren Lebensräume schützen sollen. Hinsichtlich der Art der Umsetzungsform läßt sich eine Unterscheidung zwischen einem generellen Nutzungsverbot, einer Nutzungsregelung, z. B. mit Quotierungsbestimmungen, und Erlaubnisvorbehalten treffen.
J. Schutzansatz Der Schutz der Umwelt durch internationale Verpflichtungen mit Auswirkungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker läßt sich in zwei Ansätze unterteilen. Der erste Ansatz umfaßt die Verpflichtungen, die ausschließlich auf den Schutz einer Art gerichtet sind. Der zweite Ansatz ist in solchen internationalen Verpflichtungen zu finden, die neben der Art auch den Lebensraum der Arten oder ganze Ökosysteme schützen und erhalten sollen. Dabei ist dieser zweite Schutzansatz unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes in der Regel vorzuziehen, da er einen ganzheitlichen Schutz der Art und ihrer Lebensbedingungen verfolgt. Doch ist es auch dieser Ansatz, der die kulturellen Besonderheiten indigener Völker stärker beeinträchtigen kann.
156
Vgl. English, Environmental and Planning Law Journal 1996, 103 (104).
160
Teil IV: Völkerrechtliche Nonnen zum Schutz der Umwelt
1. Schutz der Arten Der traditionellere Ansatz zum Artenschutz umfaßt solche Regelungen, die sich allein auf den Schutz der Art an sich richten, indem sie die Jagd, das Fischen oder Sammeln dieser Arten sowie deren Verwertung verbieten oder einschränkend regeln.
a) Inhalt des Schutzansatzes Dieser Schutzansatz ist sowohl im Völkergewohnheitsrecht als auch im Völkervertragsrecht zu finden. Während das Völkergewohnheitsrecht sich allgemein auf die Verpflichtung zum Schutz bedrohter Arten bezieht, sind die völkervertragsrechtlichen Bestimmungen konkreter. So enthält das Walfangübereinkommen in der Ausprägung der durch die Kommission erlassenen Bestimmungen ein grundSätzliches Fangverbot für Wale. Dieses gilt zwar nur mit Ausnahmen auch für indigene Völker, doch wird auch die Anwendung der Ausnahmen auf indigene Völker durch Bestimmungen der Kommission geregelt. Diese können hinsichtlich bestimmter Walarten Fangquoten oder sonstige Beschränkungen des indigenen Walfangs betreffen. Weiterhin ist zu bemerken, daß die Ausnahmen grundsätzlich nur für die Subsistenzaktivitäten indigener Völker, nicht aber zugunsten spiritueller oder religiöser Praktiken und Traditionen gelten. Der Schutzansatz des isolierten Artenschutzes findet sich auch in der Bonner Konvention. Nach Art. 3 Abs. 5 ist die Entnahme der in Anhang I der Konvention aufgeführten wild lebenden wandernden Arten verboten. Durch diese Bestimmung werden jegliche Aktivitäten im Hinblick auf die jeweilige Art untersagt. Auch in der Bonner Konvention ist jedoch eine Ausnahme zugunsten indigener Besonderheiten enthalten. 157 Diese gilt ebenfalls lediglich für Subsistenzaktivitäten indigener Völker und steht zudem unter dem Vorbehalt der räumlichen und zeitlichen Beschränkung. Weiterhin ist das Washingtoner Artenschutzabkommen auf den Schutz von Arten gerichtet. Unter diesem Abkommen ist insbesondere das Verbot der Einführung gefährdeter Arten von See in Art. 2 Abs. 4 zu nennen, das Auswirkungen auf indigenen kulturelle Besonderheiten haben kann.
m Art. 3 Abs. 5 lit. c) Bonner Konvention.
B. Systematische Betrachtung der Umweltschutznormen
161
Schließlich sehen Art. 61 und 62 SRÜ die Regelung des Fischfangs in der ausschließlichen Wirtschafts zone des jeweiligen Staates vor. Während beide Bestimmungen die Grundlage für die Quotierung der zulässigen Fangmenge bezüglich einzelner Arten bilden, kann nach Art. 62 SRÜ auch die Ausübung der Fangrechte weiteren Regelungen unterworfen werden. Diese Bestimmung gilt jedoch nur für nationale Fangrechte, die von fremden Staatsangehörigen ausgeübt werden.
b) Auswirkungen auf indigene Völker Dieser Schutzansatz kann besonders in Einzelfällen Auswirkungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker haben. Denn Schutzbestimmungen zugunsten einer bestimmten Art können die Jagd, Fischerei, das Sammeln oder sonstige Handlungen bezüglich dieser Arten generell verbieten oder diese Aktivitäten hinsichtlich der gefährdeten Arten einschränkend regeln. 158 Ein Beispiel für eine solche Regelung im nationalen australischen Kontext stellt s 8 des Crown Lands Act 1976 (Tas)IS9 dar. Nach dieser Bestimmung ist für die Jagd auf bestimmte Vögel die Genehmigung vorn Director 0/ National Parks and Wildlife erforderlich, der seinerseits einen weiten Ermessensspielraum hat, die Genehmigungen auch zu widerrufen. 160 Ein weiteres nationales Beispiel ist der Bald Eagle Protection Act der Vereinigten Staaten,161 der ein umfangreiches Verfahren vorsieht, um eine Genehmigung für die allgemeine, aber auch spirituelle und religiöse Nutzung von Adlern oder auch nur deren Federn zu erlangen. 162 Für indigene Völker kann die Nutzung dieser geschützten Arten zur Deckung ihres Lebensbedarfs oder zu rituellen oder spirituellen Handlungen nötig sein, so daß ein Verbot oder auch nur ein Genehmigungsvorbehalt die Ausübung der jeweiligen kulturellen Handlung erschwert oder gar ausschließt. 163 Dieser Schutzansatz hat damit eine direkte Auswirkung auf die Ausübung der indigenen Praktiken und Traditionen, soweit diese die Nutzung dieser bestimmten, international geschützten Arten einschließen. Die kulturelle Identität indigener Völker an sich ist dagegen i. d. R. nur mittelbar durch die Einschränkung der mV gl. Barker, University ofWestem Australian Law Review 15 (1983), 245 (261); De Meo, Hastings Constitutional Law Quarterly 22 (1995), 771 ff. Tasmanian Statutes 1976,289. Vgl. Barker, University ofWestem Australian Law Review 15 (1983),245 (261). 161 16 U.S.C. 668. 162 De Meo, Hastings Constitutional Law Quarterly 22 (1995), 771 (785 ff.). 163 Vgl. De Meo, Hastings Constitutional Law Quarterly 22 (1995), 771 (789); LittelI, 151 f. 159
160
11
Schillhorn
162
Teil IV: Völkerrechtliche Nonnen zum Schutz der Umwelt
Praktiken und Traditionen betroffen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die geschützte Art für die jeweilige Kultur einen besonders hohen und zentralen Wert darstellt. So gibt es indigene Kulturen, die in ihrer Identität und Ausübung eng mit einer bestimmten Art verbunden sind. Diese Verbundenheit kann sich aus der völligen Abhängigkeit der kulturellen Identität von der Nutzung der Art für die Deckung des Lebensbedarfs und/oder die religiösen, spirituellen und rituellen Handlungen ergeben. Ein Beispiel für eine solche Verbundenheit einer Kultur mit einer bestimmten Art ist die Kultur der arktischen Inuit, deren Kultur sich ausschließlich um den Walfang entwickelt hat. In einem solchen Fall wären von dem Verbot oder der Einschränkung der Nutzung der Art nicht nur die Praktiken und Traditionen des Volkes, sondern auch dessen kulturelle Identität als solche betroffen. l64
2. Schutz der Arten und ihres Lebensraums
Der Ansatz, der sich auf die Arten selbst und ihren Lebensraum bezieht, beinhaltet den umfassenderen Schutz der Arten. Dies hat jedoch zur Folge, daß auch die Auswirkungen auf die kulturellen Besonderheiten indigener Völker weitreichender sind.
a) Inhalt des Schutzansatzes Dieser Schutzansatz ist im Völkergewohnheitsrecht, im Völkervertragsrecht und in den neueren Entwicklungen des Völkerrechts zu finden. Der Ansatz zum Schutz der Arten und ihres Lebensraums ist im V ölkergewohnheitsrecht und in einigen Instrumenten der neueren Entwicklungen des Völkerrechts recht allgemein ausgeprägt. So erkennt die Stockholm-Erklärung in Prinzip 4 lediglich die Wichtigkeit der Lebensräume an. Auch die W orld Charter bleibt allgemein, indem sie in Prinzip 2 den Schutz der Überlebensfähigkeit der Populationen aller Lebensformen und der hierfür notwendigen Lebensräume fordert. Konkreter ist dagegen die Aufforderung in Prinzip 3 World Charter, wonach die Erhaltung von repräsentativen Ökosystemen und den Lebensräumen seltener und gefährdeter Arten vorgesehen ist.
164 Freeman. in: Native People and Renewable Resource Mangement, 29 (32 f.); vgl. auch allgemein Wildsmith. Alaska Law Review 12 (1995), 293 (300).
B. Systematische Betrachtung der Umweltschutznormen
163
Konkretere Verpflichtungen finden sich in der Bonner Konvention. Nach deren Art. 3 Abs. 4 sind die Lebensstätten der in ihrem Anhang I aufgeführten wild lebenden wandernden Tierarten zu erhalten und ggf. wiederherzustellen. Auch in der Verpflichtung nach Art. 3 Abs. 5 Bonner Konvention zur Beseitigung und Beschränkung nachteiliger Auswirkungen von Aktivitäten auf die Wanderung der Arten kann als Schutz der Lebensräume dieser Arten verstanden werden. Zu beachten ist jedoch die Ausnahme zugunsten indigener Subsistenzaktivitäten in Art. 3 Abs. 5 Bonner Konvention. Nach Art. 2 Ramsar-Konvention sind Feuchtgebiete zu schützen. Dabei soll die Nutzung dieser Gebiete im Sinne einer "weisen Nutzung" erfolgen. Schließlich ist unter Art. 4 Ramsar-Konvention vorgesehen, die Feuchtgebiete zu Schutzgebieten zu erklären. Auch Art. 3 der Heritage-Konvention ist auf den Schutz bestimmter Gebiete gerichtet. Allerdings enthält die Konvention auch die Verpflichtung nach Art. 5, daß die zu schützenden Güter eine Funktion im öffentlichen Leben erhalten sollen. Schließlich sieht die CBD in Art. 8 Schutzmaßnahmen i. S. d. In-situ-Schutzansatzes vor, in dessen Rahmen Lebensräume und Ökosysteme innerhalb und außerhalb bestimmter Schutzgebiete zu erhalten sind. Nach Art. 10 CBD können Regelungen für Arten, deren Lebensräume und Ökosysteme zur Nutzung der biologischen Vielfalt erlassen werden. Allerdings sind die Bestimmungen der Art. 8 j) und 10 c) CBD zu beachten, in denen indigene Besonderheiten anerkannt werden.
b) Auswirkungen auf indigene Völker Der Ansatz zum Schutz der Arten und Lebensräume kann die kulturellen Besonderheiten indigener Völker stärker betreffen als der isolierte Schutz der Arten. Wenn die Schutzvorschriften auch Einschränkungen hinsichtlich der Nutzung der Lebensräume der Arten enthalten, so kann dadurch auch der Zugang der indigenen Völker zu diesen Gebieten und deren Nutzung verboten oder beschränkend geregelt werden. Durch derartige Regelungen können indigene Völker in der Ausübung ihrer Praktiken und Traditionen, die an ein bestimmtes Gebiet gebunden sind, eingeschränkt werden. 16s So kann nicht nur die Nutzung bestimmter Plätze und Gebiete für Subsistenzaktivitäten ausgeschlossen oder eingeschränkt sein, 165
11"
Vgl. Lewis. The geographical magazine 62 (1990), 18 (19).
164
Teil IV: Völkerrechtliche Nonnen zum Schutz der Umwelt
sondern auch für das Auffinden und Verarbeiten medizinischer Stoffe und, insbesondere, für die Ausübung religiöser, spiritueller und ritueller Handlungen, die nur auf einem bestimmten Gebiet erbracht werden können. 166 Beispiele hierfür finden sich im nationalen Kontext: so wurden die Massai in Kenia von ihrem traditionellen Land vertrieben als der Amboseli Nationalpark geschaffen wurde. 167 Das gleiche gilt für die Völker der Miwoc, Sioux, Utes und Navajo Indianer, die ihr Land verlassen mußten als die Yosemite und Yellowstone Nationalparks in den Vereinigten Staaten eingerichtet wurden. 168 Ein Verbot oder eine einschränkende Regelung können aber nicht nur die Praktiken und Traditionen indigener Völker, sondern auch ihre kulturelle Identität als solche betreffen. 169 Denn indigene Völker haben ein besonderes Verhältnis zu dem Land, auf und von dem sie leben. Häufig gehört das Land selbst sogar mit zu der Identität des indigenen Volkes. In jedem Fall aber ist die kulturelle Identität dieser Völker nicht von ihrem Land zu trennen. 170 Wird nun den Angehörigen eines Volkes der Zugang zu dem Land verweigert, so kann dies unter Umständen sogar zu einem Verlust der kulturellen Identität führen. 171 Somit hat der Ansatz zum Schutz der Arten und Lebensräume nicht nur direkte Auswirkungen auf die Praktiken und Traditionen indigener Völker, sondern auch eine direkte Auswirkung auf die kulturelle Identität als solche.
11. Umsetzungsfonnen des Schutzes Die Umsetzungs formen des Schutzes, die nach den internationalen Verpflichtungen ausgeübt werden können, umfassen das Nutzungsverbot und Nutzungsregelungen bezüglich bestimmter Arten allein oder zusätzlich auch ihrer Lebensräume. Dabei ist zu beachten, daß die konkrete Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen den Staaten überlassen bleibt. Doch in einigen internationalen Verpflichtungen sind bereits recht konkrete Vorgaben hinsichtlich der Umsetzungsform, d. h. Verbot oder Regelung enthalten. Diese Regelungen können in BeacroJt, Aboriginal Law Bulletin 1987,3. Jacbon, Colorado Journal of International Environmental Law and Policy 4 (1993), 502 (509). 168 Lewis, The geographical magazine 62 (1990),18 (18). 169 Ward, Ecology Law Quarterly 19 (1992), 795 (800 ff.) m. w. N. für die Indianer der USA. 170 Ebd. 166 167
171
Vgl. oben Teil 11. B.
B. Systematische Betrachtung der Umweltschutznormen
165
ihrer Intensität unterschiedlich ausgeprägt sein und in verschiedener Weise die kulturellen Besonderheiten indigener Völker betreffen.
1. Inhalte der Umsetzungs/ormen
Die inhaltliche Ausgestaltung der Umsetzungsfonnen kann von einem generellen Nutzungsverbot hinsichtlich des Schutzgutes bis zu einer Nutzungsregelung in Fonn der zeitlichen oder mengenmäßigen Einschränkung oder eines Erlaubnisvorbehalts reichen.
a) Nutzungsverbot Generelle Nutzungsverbote sind ausdrücklich nur in wenigen internationalen Instrumenten vorgesehen. So enthält ein ausdrückliches Verbot das Walfangübereinkommen mit seinem Walfang-Moratorium. Da dieses Übereinkommen aber hinsichtlich der indigenen Besonderheiten eine Ausnahme enthält, die von der Kommission inhaltlich ausgestaltet wird, ist dieses Übereinkommen in diesem Zusammenhang eher als Nutzungsregelung anzusehen. Die Bonner Konvention sieht in Art. 3 Abs. 5 ein ausdrückliches Verbot der Entnahme der in ihrem Anhang I aufgeführten Arten aus der Natur vor. Ähnlich wie unter dem Walfangübereinkommen ist aber in der Bonner Konvention eine Ausnahme von diesem Verbot zugunsten indigener Völker enthalten. Diese Ausnahme gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern eröffnet die Möglichkeit zur Regelung der Nutzung durch den jeweiligen Vertragsstaat. Somit ist diese Bestimmung im Hinblick auf indigene Völker nicht als Verbot, sondern als Nutzungsregelung zu verstehen. Neben diesen ausdrücklichen Verboten gibt es Bestimmungen, die die Umsetzungsfonn nicht konkret festlegen, so daß auch die Umsetzung in Fonn eines generellen Nutzungsverbotes nicht ausgeschlossen ist. So sind nach Art. 3 Abs. 5 Bonner Konvention Aktivitäten mit nachteiligen Auswirkungen auf die Wanderung von Arten auszuschalten, zu beseitigen oder auf ein Mindestmaß zu beschränken. Die Fonnulierung dieser Bestimmung sieht zwar kein ausdrückliches Verbot solcher Handlungen vor, doch wäre ein dahingehendes Verbot von der Staatenverpflichtung nach Art. 3 Abs. 5 Bonner Konvention gedeckt. Das gleiche gilt für die Verpflichtung nach Art. 3 Abs. 4 Bonner Konvention, der die Erhaltung und ggf. die Wiederherstellung des Lebensraums der geschützten Arten vorsieht. Auch in dieser Bestimmung ist kein ausdrückliches Verbot enthalten,
166
Teil IV: Völkerrechtliche Nonnen zum Schutz der Umwelt
doch kann ein solches zur Erhaltung des Lebensraums bestimmter Arten geeignet sein und wäre somit von Art. 3 Abs. 4 Bonner Konvention erfaßt.
b) Nutzungsregelung Die Mehrzahl der internationalen Instrumente zum Schutz von Arten und ihren Lebensräumen eröffnen den Vertragsstaaten einen Handlungsspielraum hinsichtlieh der im Rahmen der Umsetzung der Verpflichtung zu ergreifenden Maßnahmen. Den verschiedensten Maßnahmen im Sinne der internationalen Verpflichtungen ist gemeinsam, daß sie die Reglementierung der Nutzung der betreffenden Art oder ihres Lebensraums betreffen. Eine solche Nutzungsregelung kann in einer Quotierung der Entnahme, einer zeitlichen oder räumlichen Beschränkung, einem Erlaubnisvorbehalt oder sonstigen Maßnahmen liegen. Nutzungsregelungen sind hinsichtlich der biologischen Vielfalt in Art. 8 und 10 CBD enthalten. Diese Bestimmungen enthalten recht konkrete Vorgaben hinsichtlich der Ziele, die durch die Regelungen zu erreichen sind, und der Entscheidungsprozesse, in denen die zu treffenden Nutzungsregelungen berücksichtigt werden sollen. Dabei enthalten Art. 8 und 10 CBD auch inhaltliche Vorgaben hinsichtlich der Berücksichtigung der Besonderheiten indigener Völker bei der Anwendung der in den Bestimmungen enthaltenen Verpflichtungen. Doch eine Ausgestaltung der einzelnen Regelungen zur Nutzung der biologischen Vielfalt in den Staaten ist in diesen Bestimmungen nicht zu finden. Diese bleibt der Umsetzung der Verpflichtungen durch die Staaten vorbehalten. Eine Nutzungsregelung enthält auch das SRÜ in seinen Art. 61 und 62. Nach diesen Bestimmungen ist eine Festsetzung der Höchstfangmenge und eine Quotierung der Ausübung dieser Fangrechte vorgesehen. Auch können an die Ausübung der Fangrechte durch Angehörige fremder Staaten hohe Anforderungen bzgl. einer Zulassung zur Ausübung dieser Rechte gestellt werden. Die Möglichkeit einer Nutzungsregelung sieht die Ramsar-Konvention in ihren Art. 2 bis 4 vor, in denen die Verpflichtung zum Schutz der Feuchtgebiete durch ihre Erklärung zu Schutzgebieten und deren weiser Nutzung enthalten ist. Die Ramsar-Konvention bietet in diesen Bestimmungen keine Vorgaben hinsichtlich der Umsetzung dieser Verpflichtungen, doch ist die Nutzung dieser Gebiete zu reglementieren, um einen der Konvention entsprechenden Schutz zu gewährleisten. Die Verpflichtung zur Schaffung einer Funktion im öffentlichen Leben für Güter unter der Heritage-Konvention nach Art. 3 sieht ebenfalls keine besonderen
B. Systematische Betrachtung der Umweltschutznormen
167
Umsetzungsverpflichtungen vor. Jedoch kann eine solche Funktion im öffentlichen Leben nur erreicht werden, wenn Regelungen für den Umgang mit dem zu schützenden Gut und seiner Nutzung getroffen werden. Das Walfangübereinkommen enthält zwar keine ausdrückliche Nutzungsregelung, die auf indigene Völker anwendbar ist, doch hat die Kommission die für indigene Völker bestehende Ausnahme durch Nutzungsregelungen ausgestaltet. Diese Nutzungsregelungen können Fangquoten bezüglich bestimmter Walarten und zeitliche, d. h. saisonbedingte Einschränkungen des Walfangs durch indigene Völker beinhalten.
In ihrer Ausprägung ist in der Ausnahme zum Verbot der Entnahme aus der Natur nach Art. 3 Abs. 5 Bonner Konvention eine Nutzungsregelung zu sehen. Denn die Vertragsstaaten werden durch diese Bestimmung ermächtigt, die Anwendbarkeit der Ausnahme von der genauen inhaltlichen Bestimmung, einer räumlichen und zeitlichen Begrenzung sowie der jeweiligen Auswirkung auf die fragliche Art abhängig zu machen. Weiterhin wird durch die Formulierung der Verpflichtungen zum Erhalt von Lebensstätten geschützter Arten und der Beschränkung der negativen Auswirkungen auf wandernde Arten nach Art. 3 Abs. 4 und 5 Bonner Konvention die Möglichkeit einer nationalen Nutzungsregelung eröffnet. 2. Auswirkungen auf indigene Völker
Die Auswirkungen dieser verschiedenen Umsetzungsformen auf indigene Völker können anhand von zwei Kriterien ermittelt werden. Zum einen ist dies die Intensität der Umsetzungsform des Schutzes. So erscheint auf den ersten Blick eine Regelung, die lediglich eine Nutzungsregelung enthält, die kulturellen Besonderheiten indigener Völker weniger stark zu betreffen als ein Verbot der Nutzung an sich. Doch ist die Intensität der gewählten Umsetzungsform nur in begrenztem Umfang geeignet, die tatsächlichen Auswirkungen auf kulturelle Besonderheiten indigener Völker zu beschreiben. Hierfür ist ein zweites Kriterium erforderlich, namentlich die Bedeutung der durch die Regelungen verbotenen oder eingeschränkten Aktivität für die jeweilige indigene Kultur.
a) Intensität der Umsetzungsmaßnahme Bei einer isolierten Betrachtung der Intensität der Umsetzungsmaßnahme muß ein generelles Verbot als stärkerer Eingriff in die kulturellen Besonderheiten
168
Teil IV: Völkerrechtliche Nonnen zum Schutz der Umwelt
indigener Völker gewertet werden als eine Nutzungsregelung. Durch das Verbot der Nutzung einer bestimmten Art oder eines ganzen Gebietes wird ein Teil der kulturellen Identität von der Ausübung gänzlich ausgeschlossen. Allerdings hat die Analyse der internationalen Bestimmungen gezeigt, daß nach den geprüften völkerrechtlichen Bestimmungen keine zwingenden Verbote hinsichtlich der Nutzung von Arten und ihren Lebensräumen bestehen, die keine Ausnahme zugunsten von indigenen Völkern zulassen. Im Rahmen der Nutzungsregelungen dagegen können verschiedene Intensitätsstufen erreicht werden. Dabei kann die Nutzungsregelung in Form einer mengenmäßigen, zeitlichen oder räumlichen Beschränkung ergehen, diese Beschränkungen können kumulativ angewandt werden oder es wird für eine bestimmte Nutzung eine Erlaubnisvorbehalt eingeführt. Hinsichtlich der mengenmäßigen Beschränkung oder Quotierung ist zu bemerken, daß eine solche Regelung die Bedürfnisse aller Nutzer der jeweiligen Ressource zu berücksichtigen hat. So ist denkbar, daß Angehörige indigener Völker mit Jägern, Fischern oder Landwirten, aber auch Wissenschaftlern, die diese Aktivitäten beruflich oder als Freizeitbeschäftigung ausüben, konkurrieren müssen. Dabei obliegt es den staatlichen Stellen eines jeden Staates, die Auswahlkriterien für die Vergabe von quotierten Nutzungsrechten aufzustellen und anzuwenden. Häufig wird lediglich die zeitliche Reihenfolge der Anträge für die Vergabe der Rechte zugrunde gelegt. Ein internationaler Standard für die Berücksichtigung der verschiedenen Interessen bei einer solchen Auswahl besteht bislang nicht. So kann es durch die Quotierung zu einern gänzlichen Ausschluß indigener Völker von der Nutzung bestimmter Arten oder Gebiete kommen, wenn die Nutzungsrechte bereits anderen Interessenten zugesprochen wurden. Bei der zeitlichen und räumlichen Beschränkungen der Nutzungsrechte entsteht eine solche Konkurrenzsituation der verschiedenen Nutzenden nicht. Auch wird die Nutzung an sich nicht ausgeschlossen, sondern lediglich auf solche Zeiten und Gebiete beschränkt, die von der Nutzungsregelung nicht erfaßt werden. Grundsätzlich hat eine zeitliche oder räumliche Beschränkung also eine weniger intensive Auswirkung auf die Ausübung des kulturellen Erbes indigener Völker. Eine andere Bewertung kann sich jedoch ergeben, wenn die Bedeutung der Beschränkung für die jeweilige indigene Kultur mit in die Betrachtung einbezogen wird. 172 Demgegenüber scheint eine Nutzungsregelung in Form eines Erlaubnisvorbehalts einen sehr viel milderen Eingriff in die kulturellen Besonderheiten der indigenen Völker darzustellen. Denn die kulturellen Besonderheiten des jeweili172
Vgl. dazu unter b).
B. Systematische Betrachtung der Umweltschutznormen
169
gen Volkes dürfen weiter ausgeübt werden, nur muß vor der Ausübung die Erlaubnis der zuständigen staatlichen Stelle eingeholt werden. Die mögliche Intensität eines solchen Eingriffs zeigt sich erst bei genauer Betrachtung der Bedeutung dieser Nutzungsregelung für die jeweilige indigene Kultur. 173 Allerdings ist auch die Anwendung der Nutzungsregelung im Einzelfall in die Betrachtung einzubeziehen. So kann es beispielsweise unter dem amerikanischen Eagle Protection Act bis zu 5 Jahre dauern, bis die erforderliche Genehmigung zur religiösen Nutzung eines Adlers bzw. von Adlerfedern erteilt wird. 174 Auch wird bei der Beurteilung des Genehmigungsantrages die Bedeutung der jeweiligen beabsichtigten religiösen Handlung, die durchaus von unterschiedlicher Intensität sein kann, nicht berücksichtigt. 175
b) Bedeutung für indigene kulturelle Besonderheiten Die Intensität des Eingriffs einzelner Verbote oder Nutzungsregelungen läßt sich jedoch nicht losgelöst von der jeweiligen Bedeutung für die betroffene indigene Kultur ermitteln. So hat ein generelles Verbot hinsichtlich der Nutzung einer bestimmten Art oder eines Gebietes für sich gesehen eine hohe Eingriffsintensität. Doch wenn durch das Verbot eine Art oder ein Gebiet betroffen ist, die bzw. das für das indigene Volk gegen andere austauschbar ist, so stellt dieses Verbot keinen besonders intensiven Eingriff dar. Dies ist z. B. möglich, wenn es sich um eine Art handelt, die lediglich eine unter vielen zur Deckung des Lebensbedarfs ist, ohne daß ihr eine besondere spirituelle oder rituelle Bedeutung zukommt. Gleichfalls kann eine geringe Intensität des Eingriffs hinsichtlich des Nutzungsverbot eines Gebietes dann vorliegen, wenn das jeweilige Gebiet zwar durch die kulturelle Gemeinschaft des indigenen Volkes genutzt wird, aber ihm aber selbst keine spirituelle oder rituelle Bedeutung innewohnt und andere entsprechende Gebiete zur Dekkung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehen. Andererseits kann sich ein generelles Verbot aber auf die Praktiken und Traditionen indigener Völker, und damit mittelbar auch auf ihre kulturelle Identität, sehr intensiv auswirken. Dies ist dann der Fall, wenn das Verbot der Nutzung einer Art oder eines Gebietes eine Praktik oder Tradition betrifft, die einen zentralen Bestandteil der jeweiligen Kultur darstellt. Dabei ist zu beachten, daß Nut173 174
m
Vgl. dazu unter b).
De Meo, Hastings Constitutional Law Quarterly 22 (1995), 771 (789). V gl. De Meo, Hastings Constitutional Law Quarterly 22 (1995), 771 (791).
170
Teil IV: Völkerrechtliche Normen zum Schutz der Umwelt
zungsverbote hinsichtlich bestimmter Gebiete eine größere Gefahr für die Identität und Integrität der indigenen Kultur darstellt als Verbote bezüglich einer Art. Dieser Umstand ist auf die besondere Verbundenheit indigener Völker mit ihrem Land zu erklären. Sollte durch ein solches Verbot also ein indigenes Volk völlig von dem Zugang und der Nutzung ihres Landes ausgeschlossen werden, so kann dies das Überleben der Kultur an sich gefährden. 176 Die Intensität der Auswirkung des Verbots auf die indigene Kultur kann sich in den verschiedensten Ausprägungen zwischen diesen Extremen zeigen. Es ist deshalb der jeweilige Grad der Eingriffsintensität eines Nutzungsverbotes nur durch eine genaue Prüfung der Auswirkungen auf die betroffene indigene Kultur im Einzelfall zu ermitteln. Dies gilt ebenfalls für die Auswirkungen von Nutzungsregelungen auf indigene Kulturen. Richtet sich die mengenmäßige Beschränkung der Nutzung auf eine Art, die lediglich zur Nahrungsversorgung dient, ohne dabei von spiritueller oder ritueller Bedeutung zu sein, so kann die mengenmäßige Beschränkung keine besondere Intensität hinsichtlich der Kultur indigener Völker entwickeln. Dies würde selbst dann gelten, wenn durch die angesprochene Konkurrenz zwischen den verschiedenen Nutzem der Art die Teilhabe des jeweiligen indigenen Volkes an der Ausnutzung der Quote ausgeschlossen ist. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn für das indigene Volk Ausweichmöglichkeiten auf andere Arten und Gebiete bestehen. Ist die von der Quotierung betroffene Art dagegen von zentraler Bedeutung für die Kultur des indigenen Volkes, so kann diese Regelung dazu führen, daß die Kultur und ihre Praktiken und Traditionen nicht mehr vollständig ausgeübt werden können. Dabei ist die Intensität des Eingriffs bei einer Garantie der Teilhabe indigener Völker an der Ausnutzung der Quote geringer als in dem Fall, in dem die quotierten Nutzungsrechte ohne Berücksichtigung der indigenen Besonderheiten an andere Bewerber um diese Rechte vergeben werden. Denn ein solches Verfahren kann dazu führen, daß indigene Völker von der Nutzung der jeweiligen Art völlig ausgeschlossen werden, obwohl eine Nutzung, jedenfalls in der festgelegten Höchstmenge, zulässig wäre. Im Ergebnis kann auch eine Nutzungsregelung in Form der räumlichen oder zeitlichen Beschränkung zu einem völligen Ausschluß indigener Völker von der Nutzung der zu schützenden Arten und Gebiete führen. Dies ist dann der Fall, wenn die fraglichen Arten und Gebiete nur zu einer bestimmten Zeit von den Indigenen genutzt werden, dieser Zeitraum aber mit dem durch die Beschränkung 176
Vgl. oben Teil II. B.
B. Systematische Betrachtung der Umweltschutznormen
171
erfaBten Zeitraum zusammenfällt. Ähnlich verhält es sich mit der räumlichen Beschränkung, die dann einen völligen Ausschluß indigener Aktivitäten zur Folge hat, wenn bestimmte Praktiken und Traditionen aus kulturellen Gründen ausschließlich auf dem fraglichen Gebiet stattfinden können. Ein völliger Ausschluß der Ausübung der kulturellen Identität indigener Völker kann dagegen von einer Nutzungsregelung in Form eines Erlaubnisvorbehalts nicht erreicht werden. Doch auch diese Form der Nutzungsregelung führt zu Eingriffen in die kulturellen Besonderheiten indigener Völker. Ist die Nutzung einer Art oder eines Gebietes mit einem Erlaubnisvorbehalt versehen, so müssen die Angehörigen indigener Völker vor der Ausübung kultureller Praktiken die Erlaubnis von staatlichen Stellen einholen. Ein solches Erfordernis würde also dazu führen, daß bestimmte kulturelle Praktiken und Traditionen nur mit einer staatlichen Genehmigung ausübt werden können. Dieser Umstand aber stellt einen nicht unerheblichen Eingriff in die kulturelle Identität indigener Völker und das darauf gegründete Selbstverständnis als eigenständige Kultur mit Rechten und Pflichten hinsichtlich des Landes und der Ressourcen dar. 177 Neben der kulturellen Autonomie, die durch einen derartigen Erlaubnisvorbehalt betroffen und eingeschränkt wäre, ist auch in diesem Zusammenhang die Spiritualität indigener Kulturen zu beachten. So ist denkbar, daß Exemplare der geschützten Art oder ein geschütztes Gebiet allein für besondere Zeremonien oder Rituale erforderlich sind, deren Durchführung nicht zeitlich bestimmbar ist. Dies gilt nicht ausschließlich, aber insbesondere für Bestattungszeremonien. In einem solchen Fall wäre das Erfordernis der Erlaubniseinholung für die Nutzung eines bestimmten Tieres, einer bestimmten Pflanze oder eines Gebiets, das für die Durchführung der Zeremonie oder des Rituals erforderlich ist, ein schwerer Eingriff in die kulturelle Identität.
177 Williams. Review ofConstitutional Studies 2 (1995), 146 (153); ComtasseVPrimeau. Human Rights Quarterly 17 (1995), 343 (348).
Teil V
Konflikte zwischen internationalen Umweltschutzbestimmungen und den Rechten indigener Völker und Ansätze zu deren Auflösung oder Vermeidung Wie sich aus dem vorangehenden Teil über die Umweltschutzbestimrnungen ergibt, kann die Ausübung der kulturellen Besonderheiten indigener Völker mit dem internationalen Umweltrecht auf unterschiedliche Weise und Intensität in Konflikt geraten. Während einige Instrumente des Umweltrechts bereits Ansätze zur Auflösung dieser Konflikte enthalten, gibt es im bestehenden Völkerrecht keine allgemeine Regelung für den Umgang mit diesen Konflikten. Auf nationaler Ebene werden diese Konflikte als Einzelfälle behandelt. So sind die meisten dieser Konfliktlösungen, möglicherweise durch das vorherrschende common law system in einigen der betreffenden Staaten, in Form von Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen behandelt worden, die jedoch i. d. R. nicht veröffentlicht wurden. Ein wissenschaftlicher Ansatz, der diese verschiedenen Konflikt- und HandlungsffiÖglichkeiten erfaßt, umschreibt und voneinander abgrenzt, ist weder in der internationalen noch in der nationalen Rechtsanwendung oder Literatur enthalten. Im folgenden werden die Rechte indigener Völker auf Ausübung ihrer kulturellen Besonderheiten und die völkerrechtlichen Umweltbestimrnungen miteinander ins Verhältnis gesetzt, um allgemein anwendbare Kategorien möglicher Konflikte und Ansätze zu deren rechtlicher Lösung zu erarbeiten. Diese Kategorien und Ansätze sind bewußt sehr generell gehalten, da es unmöglich ist, konkrete Konflikte vorherzusehen und Lösungsvorschläge für sämtliche potentiellen Konflikte zu entwickeln, die für alle indigenen Völker und deren Untergruppierungen gleichermaßen angemessen sind. All diese Völker - und zum Teil auch deren Untergruppen - haben sehr unterschiedliche Kulturen und damit auch unterschiedliche Bedürfnisse. Sie leben auf verschiedenen Kontinenten und haben über zehntausende von Jahren individuelle und in der Regel sehr komplexe Systeme entwickelt, von und mit ihrer Umwelt zu leben. So stellen sich die Pro-
A. Kategorien möglicher Konflikte
173
bleme auf sehr unterschiedliche Art und auch die Lösungen müssen für jede Gruppe neu konkretisiert werden.
A. Kategorien möglicher Konflikte Die Kategorien möglicher Konflikte sollen ein Instrumentarium bilden, unter dem die verschiedensten rechtlichen Konflikte zwischen den internationalen Rechten indigener Völker und deren Angehörigen einerseits und internationalen Umweltschutzbestimmungen andererseits erkannt und entsprechend behandelt werden können. Die entwickelten Konfliktskategorien umfassen im einzelnen den Geschützte-Arten-Konflikt, den Schutzgebiets-Konflikt, den Entwicklungs-Konflikt und den Autonomie-Konflikt. Dabei ergeben sich die ersten beiden Konfliktskategorien unmittelbar aus den Ergebnissen des letzten Teils, der systematischen Betrachtung der für die Kulturen indigener Völker relevanten Umweltbestimmungen. Die letzten beiden Konfliktskategorien dagegen ergeben sich mittelbar aus dem Verhältnis der Umweltbestimmungen zu den Rechten indigener Völker und ihrer Angehörigen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich die Anwendungsbereiche der einzelnen Konfliktskategorien überschneiden, doch umfaßt jede Kategorie für sich einen besonderen Aspekt der Kollision zwischen Umweltbestimmungen und den rechtlich anerkannten kulturellen Besonderheiten indigener Völker.
I. Geschützte-Arten-Konflikt Der Schutz von Arten ist ausdrücklich in den Bestimmungen des Walfangübereinkommens, der Bonner Konvention, dem Washingtoner Artenschutzabkommen und in dem Seerechtsübereinkommen vorgesehen. Eine Verpflichtung zum Artenschutz ist aber auch aus der Ramsar Konvention, der Konvention über biologische Vielfalt, der Stockholm Declaration, der World Charter und dem Völkergewohnheitsrecht abzuleiten. Wie oben dargestellt, kann der Artenschutz nach diesen internationalen Bestimmungen auf unterschiedliche Weise einen Eingriff in die kulturellen Besonderheiten indigener Völker darstellen.! So sind von den Artenschutzbestimmungen vorrangig indigene Praktiken, Traditionen und Verfahrensweisen be-
I
Vgl. oben Teil IV. B.
174
Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
züglich der jeweils geschützten Arten betroffen. 2 In Einzelfall kann es aber auch zu einer Auswirkung des Artenschutzes auf die kulturelle Identität eines Volkes kommen. 3 Dabei hängt die Schwere des Eingriffs von dessen Intensität und der Bedeutung der jeweiligen Art für die Kultur des indigenen Volkes ab. Sind nun diese kulturellen Besonderheiten indigener Völker ihrerseits Gegenstand völkerrechtlicher Bestimmungen, so kann es zwischen diesen und den Artenschutzregelungen zu einem rechtlichen Konflikt kommen. Die kulturelle Identität und als Teil ihrer Ausübung auch Praktiken, Traditionen und Verfahrensweisen4 indigener Völker werden durch eine Reihe von internationalen Bestimmungen geschützt. Für die kulturelle Identität ergibt sich dieser rechtliche Schutz aus der ILO-Konvention Nr. 169, dem IPBPR und dem Völkergewohnheitsrecht. Auch die Draft Declaration ist auf den Schutz der kulturellen Identität indigener Völker ausgerichtet, doch kommt diesem Instrument keine völkerrechtliche Verbindlichkeit zu.
1. Konflikt mit rechtlich geschützten Praktiken, Traditionen und Veifahrensweisen Hinsichtlich der Praktiken, Traditionen und Verfahrensweisen läßt sich der rechtliche Schutz im Hinblick auf den Ausübungskontext unterscheiden: So wird das Recht auf die Ausübung dieser Aktivitäten zur Deckung des Lebensbedarfs, also der Subsistenzaktivitäten ausdrücklich in Art. 23 ILO-Konvention Nr. 169 und Art. 19 Draft Declaration anerkannt. Aber auch aus Art. 6 IPWSKR läßt sich aus dem Recht auf Arbeit der Schutz der indigenen Subsistenzaktivitäten ableiten, soweit diese als "Arbeit" i. S. d. IPWSKR qualifiziert werden können. Der Bereich der religiösen und spirituellen Praktiken und Traditionen wird durch den Schutz aus Art. 27 IPBPR, Art. 18 IPWSKR und Art. 12 Draft Declaration garantiert. Praktiken, Traditionen und Verfahrensweisen im medizinischen Kontext finden ihre Anerkennung in Art. 25 ILO-Konvention Nr. 169 und Art. 22 Draft Declaration. Allerdings kann ein Recht auf Ausübung dieser Praktiken auch aus Art. 12 IPWSKR, dem Recht auf Gesundheit, abgeleitet werden, wenn die Gesundheit indigener Völker nur durch die Ausübung ihrer eigenen Praktiken, Traditionen und Verfahrens weisen sichergestellt werden kann.
Vgl. Teil IV. B.1. und 11. Vgl. Teil IV. B. I. und 11. 4 Vgl. oben unter Teil III. B.
2
3
A. Kategorien möglicher Konflikte
175
Wissenschaftliche Praktiken, Traditionen und vor allem Verfahrens weisen indigener Völker werden durch Art. 27 Draft Declaration ausdrücklich geschützt, doch kann auch das Recht auf Wissenschaft aus Art. 15 IPWSKR auf indigene Völker anwendbar sein. Schließlich findet sich das Recht auf Ausübung der eigenen Praktiken und Traditionen allgemein in Art. 5 und 8 ILO-Konvention Nr. 169, Art. 11 Draft Declaration und im Völkergewohnheitsrecht. Soweit diese Rechte indigener Völker in ihrer Ausübung die Nutzung bestinunter, durch das Umweltvölkerrecht geschützter Arten urnfaßt, kann es also zum Konflikt zwischen dem Umweltvölkerrecht und den Rechten indigener Völker in Form des Geschützte-Arten-Konflikts kommen. Ein Beispiel für diese Form des Konflikts im nationalen australischen Kontext ist der Fall eines Gungalida-Ältesten, der in Queensland wegen des Fangens eines "bush turkey" angeklagt und verurteilt, da diese den Traditionen der Aborigines entsprechende Handlung gegen den Fauna Conservation Act 1974 (Qldl verstieß. 6 Grundsätzlich sind alle oben aufgeführten Ausübungskontexte geeignet, einen Geschützte-Arten-Konflikt hervorzurufen. Doch sind Ausprägung und Auswirkung auf die indigene kulturelle Identität je nach Art der Praktik, Tradition oder Verfahrens weise unterschiedlich zu beurteilen. Hinsichtlich der Ausübung von Subsistenzaktivitäten ist ein Fall des Geschützte-Arten-Konflikts dann gegeben, wenn indigene Völker und ihre Angehörigen traditionell geschützte Arten für die Deckung ihres Lebensbedarfs verwenden. Zwar sind nur wenige indigene Völker noch ausschließlich auf diese Art der Versorgung angewiesen, da sie i. d. R. ebenfalls Zugang zu den Lebensmitteln der Marktwirtschaft des jeweiligen Heimatstaates haben. Doch stellt die traditionelle Art der Nahrungsbeschaffung einen wichtigen Teil der kulturellen Identität indigener Völker dar. 7 Denn die Integrität der kulturellen Identität indigener Völker kann häufig nur dann gewahrt werden, wenn ein gewisses Maß an traditioneller Selbstversorgung aufrechterhalten wird. Weiterhin können solche Praktiken und Traditionen nur erhalten bleiben und damit einen aktiven Bestandteil der kulturellen Identität des jeweiligen Volkes bilden, wenn die Praktiken und Traditionen auch ausgeübt werden und an nachfolgende Generationen weitergegeben werden können.
The Queensland Statutes 1974,429. Waiden v. Hensler (1989), 173 CLR 561. 1 Vgl. z. B. für die Inuit Nuttall. in: Minority Rights Group (ed.), 1 (21). 5
6
176
Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
Schließlich gibt es indigene Kulturen, die in ihrer Gesamtheit auf die Nutzung und das Zusammenleben mit einer bestimmten Art gegründet sind. Wird nun durch den Artenschutz diese Nutzung mit einern Verbot oder einer Regelung belegt, wird die indigenen Kultur in ihrer Gesamtheit erschüttert und in ihrer Integrität und Identität in Frage gestellt. Ein Beispiel hierfür ist die Bedeutung der Wale für die arktischen Inuit. Die Wale sind für die Inuit nicht nur die Nahrungsgrundlage, sondern die ganze Kultur ist auf den Fang, die Verwertung der Wale, das Leben von und mit den Walen ausgerichtet. Würde die Ausübung dieser Kultur einern Verbot oder einer externen Nutzungsregelung unterworfen, könnte die Kultur der Inuit in ihrer existierenden Form nicht aufrechterhalten werden. Doch ist eine derartige Abhängigkeit einer Kultur von einer bestimmten Art recht selten. So gilt für Subsistenzaktivitäten, daß - je nach geographischer Lage des betreffenden Gebiets und dem dort vorhandenen Artenreichtum - der Austausch der geschützten Arten gegen andere grundsätzlich möglich ist. Für religiöse und spirituelle Praktiken und Traditionen kann sich eine Überschneidung mit den internationalen Artenschutzbestimmungen dann ergeben, wenn die geschützten Arten für die Ausübung der Religion bzw. Spiritualität erforderlich sind. Dies kann beispielsweise für bestimmte Zeremonien oder Rituale der Fall sein, wie ein Beispiel aus dem nationalen australischen Kontext zeigt. In diesem Fall wurden Aborigines wegen des Fangens von Seekühen (dugongs) und Wasserschildkröten angeklagt. Dies Tiere wurden für eine traditionelle Bestattungszeremonie benötigt, waren aber unter dem Fisheries Act 1976 (Qld)8 geschützt.9 Als vergleichbares Beispiel ist der Fall United States v. Dion lO zu nennen, in dem der Supreme Court der Vereinigten Staaten entschied, der Endangered Species Actll und der Bald Eagle Protection Act12 hätten jedes traditionelle Recht der Indianer, Adler zu zeremoniellen Zwecken zu töten, verdrängt.13 In Alaska jedoch erkennt der Alaska National1nterest Lands Conservation Act die traditionellen Jagd- und Fischereirechte der indigenen Bevölkerung an, so daß die Angehörigen dieser Völker sich auch gegenüber sonstigen, beispielsweise zeitliThe Queensland Statutes 1976,928. R. v. Boume (unreported Townsville Magistrates Court, Barrett SM, 19.1.1990; vgl. Sweeney, University ofNew South Wales Law Journal 16 (1993), 97 (117f). 10 476 U.S. 734 (1986). 11 16 U.S.C. 1531. 12 16 U.S.C. 668. 13 V gl. dazu auch lAurence, Natural Resources Journal 31 (1991), 859 (863); zu dem gleichen Ergebnis kam auch der Ninth Cicuit in dem Fall United States v. Fryberg, 622 F.2d 1010 (9th Cir.), 449 U.S. 1004 (1980); vgl. auch Forsgaard, Washington LawReview 57 (1981-1982), 225ffm. w. N. und Ward, Ecology Law Quarterly 19 (1992), 795 (827). 8
9
A. Kategorien möglicher Konflikte
177
chen Jagdbeschränkungen auf diese berufen können. 14 In der Entscheidung Washington v. Washington State Commercial Passenger Fishing Vessel Association bestätigte der Supreme Court der Vereinigten Staaten das Recht der Indianer Oregons, 50 % der zulässigen Fangquoten für Lachse in Anspruch zu nehmen; diese Quote sollte sich jedoch nur auf den Bestand beziehen, der nach der Entnahme von Lachsen durch Indianer in den Reservaten und zu Nahrungszwecken und aus zeremoniellen Gründen verbleibt. 15 Zu einem anderen Ergebnis wiederum kam der United States District Court, Western District of Washington, der zwei Quinault-Indianer wegen illegaler Jagd auf Elche im traditionellen Jagdgebiet der Quinault verurteilte. 16 Diese Beispiele zeigen, daß die Rechtslage in den Vereinigten Staaten sich je nach dem Verständnis und der Auslegung der vertraglichen Rechte der indigenen Völker sehr uneinheitlich ist. 17 Das traditionelle Fangrecht der Musqueam Indianer bestätigte der kanadische Supreme Court in seiner Entscheidung Regina v. Sparrow,18 in der ebenfalls über traditionelle Fangrechte indigener Völker bei entgegenstehender staatlicher Gesetzgebung zu entscheiden war. 19 In den vorangegangenen Entscheidungen Dick v. R. 20 und lack and Charlie v. R. 21 dagegen hatte der Supreme Court Kanadas 14 Atkinson, Natural Resources Journal 27 (1987), 421 (421 f., 440); vgl. auch KancewickiSmith, University of Missouri Kansas City 59 (1990/1991), 645 (658 ff.) und Kelso, in: Wildlife Management Institute (ed.), 630 ff. IS 423 U.S. 1086 (1976); vgl. hierzu auch Fox, Stanford Environmental Law Journal 8 (1989),174 (184) und Monson, Environmental Law 12 (1981-1982),469 (482). 16 587 F. Supp. 1162, 1163 (W.D. Wash. 1984); vgl. auch Holt, Environmental Law 16 (1985/1986),207 (208 ff.). 17 V gl. zu den Ausnahmen und Rechten zugunsten indigener Völker in den Vereinigten Staaten auch Holt, Environmental Law 16 (1985/1986), 207 (216 ff. und 236 ff.); Johnson, University ofCalifornia Los Angeles Law Review 43 (1995),547 ff.; Laurence, Natural Resources Journal 31 (1991),859 ff.; Nye, Washington Law Review 67 (1992),175 ff.; Ordon, American Indian Law Review 13 (1985), 59 ff.; Oft, Boston College Environmental Affairs Law Review 14 (1986--1987), 313 ff.; Ovsak, William Mitchell Law Review 20 (1994),1177 ff.; Pacheco, Ecology Law Quarterly 15 (1988), 627 ff.; PriceIWeatherford, Law and Contemporary Problems 40 (1976), 97 ff.; Reynolds, North Carolina Law Review 62 (1983-1984), 743 ff.; Ross, American Indian Law Review 9 (1981), 195 ff.; Walker, Natural Law Journal 26 (1986),187 ff.; Wilkinson, Wisconsin Law Review 1991,375 ff. 18 70 D.L.R. (4th), 385. 19 Vgl. hierzu im einzelnen Tennant, Dalhousie Law Journal 14 (1991-1992), 372 ff.; Usher, Social Alternatives 18 (1991), 20 f.; Wildsmith, Dalhousie Law Journal 18 (1995), 116 (127); Binnie, Queens Law Journal 15 (1990), 217 ff.; Bowker, University ofToronto Faculty of Law Review 53 (1995), 1 ff. 20 [1985] 2 s.c.R. 309. 21 [1985] 2 S.C.R. 332.
12 Schillhom
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Teil Y: Konflikte und Lösungsansätze
gegen die Annahme besonderer Jagdrechte der Indianer entschieden, als diese wegen des Tötens eines Rehs zur Nahrungsversorgung und aus religiösen Gründen außerhalb der Jagdsaison angeklagt wurden. 22 Die Nutzung der geschützten Arten für derartige Rituale und Zeremonien ist nicht sehr intensiv. Doch ist hinsichtlich religiöser und spiritueller Praktiken und Traditionen der Austausch der geschützten Art gegen eine andere immer auch mit einer Gefahr für die kulturelle Identität des jeweiligen indigenen Volkes verbunden. Für medizinische Praktiken, Verfahrens weisen und Traditionen können geschützte Arten dann relevant sein, wenn sie für die Herstellung traditioneller Medizin und die Durchführung medizinischer Rituale verwendet werden. Auch in diesem Ausübungsfall der indigenen Rechte ist die Möglichkeit des Ausweichens auf andere als die geschützten Arten eingeschränkt, ohne die Praktik oder Tradition selbst aufzugeben. Schließlich ist zu beachten, daß den indigenen Völkern und ihren Angehörigen oft auch die Nutzung des staatlichen Gesundheitssystems möglich ist, doch stellt die Einschränkung medizinischer Praktiken und Traditionen einen Eingriff in die jeweilige kulturelle Identität dar. Auch wissenschaftliche Praktiken, Traditionen und besonders Verfahrensweisen können die Verwendung geschützter Arten einschließen. Allerdings ist in diesem Fall eine Austauschbarkeit der betreffenden Art recht unproblematisch, ohne daß sich daraus eine Gefahr für die Integrität der kulturellen Identität ergäbe. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die jeweilige Praktik, Tradition oder Verfahrensweise über den wissenschaftlichen Kontext hinaus nicht auch Teil eines anderen Ausübungskontexts wie Subsistenz, Religion oder Gesundheit ist. Diese müßten dann ggf. mit in die Gesamtbewertung einbezogen werden.
2. Konflikt mit dem Recht auf kulturelle Identität
Sollte die Anwendung einer Artenschutzbestimmung im Einzelfall wegen ihrer Intensität oder Bedeutung für eine Kultur zu einer Einschränkung der kulturellen Identität eines indigenen Volkes führen, so ergibt sich auch hieraus der Geschützte-Arten-Konflikt. Denn der internationalen Verpflichtung zum Schutz der Art stehen die internationalen Verpflichtungen des Vertrags- und Gewohnheitsrechts hinsichtlich des Schutzes der kulturellen Identität indigener Völker gegenüber. Diese ergeben sich im einzelnen aus Art. 2 und 5 ILO-Konvention Nr. 169 und 22
Ginn, McGilI Law Journal 31 (1985-1986), 527 (529 ff.).
A. Kategorien möglicher Konflikte
179
Art. 27 IPBPR, sowie aus dem völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht. Nach diesen Bestimmungen ist die kulturelle Identität indigener Völker anzuerkennen und zu schützen. Besonders ausgeprägt ist dieser Schutz nach der Draft Declaration, in der die kulturelle Identität indigener Völker ausdrücklich in Art. 2, 4, 6 und 8 anerkannt ist.
n. Schutzgebiets-Konflikt Die internationalen Umweltbestimmungen enthalten, wie im Teil IV untersucht, nicht nur Verpflichtungen zum Schutz von gefährdeten Arten, sondern auch Regelungen zum Schutz bestimmter Gebiete. Dieser Schutz kann sich auf die Wichtigkeit des Gebietes als Lebensraum bestimmter gefährdeter Arten gründen, wie im Fall der Bonner Konvention, auf den Wert des jeweiligen Gebietes als Naturdenkmal i. S. d. Heritage-Konvention oder auf ein Ökosystem mit einer besonders hohen biologischen Vielfalt i. S. d. Konvention über biologische Vielfalt. Neben diesen Abkommen findet sich ein umweltrechtlicher Schutz von Gebieten für Feuchtgebiete in der Ramsar Konvention sowie im Völkergewohnheitsrecht. Weiterhin ist der Schutz von Gebieten als Lebensraum von Arten der Flora und Fauna nach den SoJt-law-Instrumenten der Stockholm Erklärung und der World Charter vorgesehen. Demgegenüber enthalten einige internationale Bestimmungen den ausdrücklichen Schutz indigener Rechte bezüglich bestimmter Gebiete. Dies sind zunächst die Bestimmungen der ILO-Konvention Nr. 169. Nach Art. 13 wird die Wichtigkeit des Landes in seiner besonderen Bedeutung für indigene Kulturen anerkannt, Art. 14 soll Nutzungsrechte indigener Völker an solchen Gebiete garantieren, die nicht im Eigentum des jeweiligen Volkes stehen. Nach Art. 16 ILO-Konvention Nr. 169 sollen indigene Völker nicht von ihrem Land vertrieben werden. Darüber hinaus enthält nur die Draft Declaration in Art. 9,12 und 24 den Schutz indigener Rechte bezüglich bestimmter Gebiete. Hier wird die Bedeutung des Landes, seiner heiligen Orte für die indigenen Völker anerkannt und das Recht indigener Völker formuliert, nicht von ihrem Land vertrieben zu werden. Jedoch können die Rechte indigener Völker an der Nutzung von bestimmten Gebieten auch aus den unter 1. aufgeführten Bestimmungen zu Schutz von Praktiken und Traditionen sowie der kulturellen Identität als solcher abgeleitet werden. Dies ergibt sich einerseits aus dem Umstand, daß die völkerrechtlich anerkannten Praktiken und Traditionen mit dem jeweiligen Gebiet in gleicher Weise verbunden sind wie mit den Arten, die in diesem Gebiet leben. Andererseits ist auf die be12'
180
Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
sondere Verbundenheit der indigenen Kulturen mit dem Land, auf dem sie existieren, hinzuweisen. Häufig sind Kultur und Land untrennbar miteinander verbunden, so daß durch eine Einschränkung der Nutzung des Landes der Bezugspunkt der Kultur ebenfalls eingeschränkt wird. Der Schutzgebiets-Konflikt kann also entstehen, wenn internationale Umweltbestimmungen die Nutzung bestimmter Gebiete regeln, Verbote oder Regelungen vorsehen, um das Gebiet als Lebensraum gefährdeter Arten oder als besonders wertvolles Ökosystem zu schützen, dieses Gebiet aber gleichzeitig von indigenen Völkern entsprechend ihrer völkerrechtlich anerkannten Rechte genutzt wird. 23
1. Konflikt mit rechtlich geschützten Praktiken, Traditionen und Verfahrensweisen Dies kann dann der Fall sein, wenn indigene Völker Subsistenzaktivitäten, medizinische oder wissenschaftliche Praktiken und Traditionen auf dem Land ausüben. 24 Dabei hängt die Intensität des Konflikts davon ab, welchen Anteil das geschützte Gebiet an dem gesamten Lebensraum des indigenen Volkes in qualitativer und quantitativer Hinsicht darstellt. Wird lediglich ein kleiner Teil des Gesamtgebietes unter Nutzungsregelungen oder Nutzungsverbote gestellt, so kann es möglich sein, daß das indigene Volk seine Praktiken und Traditionen ausüben kann, ohne auf das geschützte Gebiet zurückzugreifen. Handelt es sich aber um das gesamte Gebiet, auf dem das indigene Volk lebt oder wird gerade ein besonders fruchtbarer Teil des Landes unter Schutz gestellt, so kann es sein, daß eine Ausweichmöglichkeit nicht ohne weiteres vorhanden ist. In einem solchen Fall hätte die UnterschutzsteIlung des Gebietes ernste Auswirkungen auf die Ausübung der völkerrechtlich anerkannten Rechte indigener Völker. Ähnlich verhält es sich mit den Auswirkungen auf religiöse und spirituelle Praktiken und Traditionen der indigenen Völker. Werden diese durch die UnterschutzsteIlung eines Gebietes mit Verboten oder Nutzungsregelungen belegt, führt dies zu einer Einschränkung der Ausübung der diesbezüglichen Rechte indigener Völker. Denn die religiösen und spirituellen Praktiken und Traditionen sind häufig eng mit dem jeweiligen Land verbunden, so daß ein Ausweichen auf ein anderes Gebiet nicht ohne weiteres in Betracht kommt. Vgl. Sadler, Natural Resources Joumal29 (1989), 185 (189). V gl. zu diesem Konflikt im nationalen Kontext Australiens AltmaniAllen, in: BirckheadIDe Lacy/Smith (eds.), 117 (128 ff.) mit einer Zusammenstellung der Subsistenzrechte australischer Aborigines und Torres Strait Islander in den Nationalparken Australiens. 23
24
A. Kategorien möglicher Konflikte
181
Zu einem Schutzgebiets-Konflikt kann es darüber hinaus auch kommen, wenn indigene Völker durch die Schutzbestimmungen von jeglicher Nutzung des Landes ausgeschlossen werden. So kann eine Regelung zum Schutz eines Gebietes den Ausschluß aller menschlichen Aktivitäten vorsehen25 und indigene Völker, die auf dem betreffenden Land leben, müssen dieses verlassen. Nicht völlig ausgeschlossen, aber in der Ausübung ihrer traditionellen Praktiken eingeschränkt wurden zum Beispiel die Martu Peoples des Gibson Gebietes in West-Australien, als dort 1997 der Ruddal River National Park eingerichtet wurde. 26 Ähnlich verhielt es sich in vielen frühen Schutzgebieten Nordamerikas wie beispielsweise im Hinblick auf die Alonquin People in Ontario, die nach der Schaffung des Alonquin Parks von der traditionellen Nutzung des Gebietes ausgeschlossen wurden. 27 Einer solchen Auswirkung steht das Recht der indigenen Völker aus Art. 16 ILO-Konvention Nr. 169 und Art. 9 Draft Declaration entgegen, nach dem indigene Völker nicht von ihrem Land vertrieben werden sollen. Allerdings gilt dieses Recht nicht absolut, denn in den Absätzen 2 bis 5 des Art. 15 ILO-Konvention Nr. 169 sehen Rechtsfolgen vor, die im Falle einer Vertreibung die Auswirkungen dieser möglichst gering halten sollen.
2. Konflikt mit dem Recht auf kulturelle Identität Schließlich spielt das Recht indigener Völker auf Erhaltung ihrer kulturellen Identität eine besondere Rolle hinsichtlich der Nutzbarkeit des Landes auf dem sie leben. So kann der Schutzgebiets-Konflikt auch zwischen diesem Recht und gebiets schützenden Umweltbestimmungen entstehen. Das Recht auf kulturelle Identität ist Teil des Völkergewohnheitsrechtes und im Völkervertragsrecht in Art. 2 und 5 ILO-Konvention Nr. 169 und in Art. 27 IPBPR zu finden. Darüber hinaus ist die besondere Bedeutung und Wichtigkeit des Landes für die Kultur indigener Völker in Art. 13 ILO-Konvention Nr. 169 anerkannt. Denn es gehört zur kulturellen Identität eines indigenen Volkes, die sehr starke spirituelle Verbindung mit dem Land, auf dem sie leben, auszuüben. Sie sind in eine besondere Gegend hineingeboren, die dann ein Teil ihrer selbst wird. Außerdem ist dieses Land untrennbar mit dem Leben nach den religiösen und spirituellen Praktiken 25 V gl. Jackson, Colorado Journal of International Environmental Law and Policy 4 (1993),502 (507 ff.) mit Beispielen für diesen Konflikt in Ost-Afrika; Jackson, Colorado Journal of International Environmental Law and Poliey 4 (1993), 502 (506); Sutherlandl Craig/Posey, Environmental Poliey and Law 27 (1997),13 (15). 26 ToyneiJohnston, Habitat 19 (1991), 8 (9). 27 WWF 1993,10 f.
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Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
und Traditionen und dem kulturellen Besonderheiten verbunden. Diese Verbindung mit dem Land kann durch gebietsschützende Umweltbestirnrnungen beeinträchtigt werden, wenn Schaffung der Schutzgebiete mit der Einschränkung der indigenen Nutzungsmöglichkeiten hinsichtlich des Landes verbunden sind. 28 Schließlich ist zu beachten, daß wegen dieser besonderen Verbundenheit mit dem Land eine Umsiedlung in ein anderes, nicht geschütztes Gebiet nicht ohne weiteres zur Wahrung der kulturellen Identität beiträgt. In einigen Fällen kann die kulturelle Identität eines Volkes nur dann gewahrt bleiben, wenn die Verbindung zum Land nicht unterbrochen wird. Aber auch in diesem Zusammenhang ist im Einzelfall zu ermitteln, welche Bedeutung das konkrete Gebiet für die jeweilige Kultur hat.
ill. Entwicklungskonflikt Der Entwicklungskonflikt kann sich aus der Anwendung der internationalen Umweltschutzbestirnrnungen und dem Recht indigener Völker auf W eiterentwicklung ihrer Kultur ergeben. Somit betrifft dieser Konflikt nicht die Praktiken und Traditionen in ihrer bisherigen und rechtlich anerkannten Form, sondern die Änderung dieser Praktiken und Traditionen in der Gegenwart und Zukunft. Auf der tatsächlichen Ebene entsteht dieser Konflikts häufig durch die jedenfalls teilweise Anpassung indigener Völker an die sie umgebenden westlichen Kulturen. So ist denkbar, daß Angehörige indigener Völker für die Ausübung ihrer Subsistenzaktivitäten moderne Waffen und Gerätschaften oder Fortbewegungsmittel nutzen. 29 Weiterhin kann eine Veränderung der traditionellen Praktiken durch sich ändernde äußere Umstände erforderlich sein. Denn jede Kultur ist mit ihren Praktiken und Traditionen im Wandel begriffen und nicht statisch festgelegt.30 So sind auch indigene Kulturen als dynamische Kräfte zu sehen, die einer stetigen Veränderung unterliegenY Die Herausforderung für indigene Völker besteht heute darin, von gewissen Veränderungen - gerade auch Veränderungen 28 Vgl. LipmanIDon, Aboriginal Law Bulletin 2 (1993), 6 (6); Toyne/Johnston, Habitat 19 (1991), 8 (9). 29 Australian Law Reform Comrnission, Research Paper No. 15,2 f. 30 Brennan l, Deane 1 und Gaudron l, Mabo v. Queenland (No. 2), (1992), 175 CLR 1 (61 und 70); Campbell v. Amold (1982),56 FLR 382 (NT SC); Prott, in: Crawford, 93 (95); Naete, University of New South Wales Law lournal 16 (1993), 161 (222). 31 Aussagen Abgesandter Mexicos und Kanadas, zitiert in: Barsh, American lournal of International Law 80 (1986), 369 (382); Davis/Wali, 4; Cordell, 22.
A. Kategorien möglicher Konflikte
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durch den westlich-europäischen Einfluß - zu profitieren und gleichzeitig ihre grundsätzlichen, essentiellen Werte zu behalten. 32 Insgesamt sind viele indigene Völker daran interessiert, ihre ursprüngliche Kultur unter den veränderten Bedingungen lebensfähig zu erhalten und auszuüben. 33 Dabei ist nicht auszuschließen, daß auch diese sich wandelnden Praktiken und Traditionen durch die Anwendung internationaler Umweltschutzbestimmungen betroffen sein können. Zwei Beispiele aus dem australischen Kontext zeigen den Konflikt, der zwischen Umweltbestimmungen und der wirtschaftlichen Entwicklung indigener Völker entstehen kann. Zum einen wurde ein Sägemühlenprojekt der Aborigines im tropischen Regenwald unmöglich, als das betreffende Gebiet in die Liste des Welterbes nach der Heritage-Konvention aufgenommen wurde. 34 Ferner wurden die Winycham People durch die Schaffung des Archer River National Park an dem Aufbau einer Rinderfarm in dem fraglichen Gebiet gehindert. 35 Auch die Frage der kommerziellen Nutzung indigener Fischereirechte wirft insbesondere in Nordamerika Probleme auf. 36 Jedoch kann es sich auch um Praktiken handeln, die einen direkteren Bezug zur jeweiligen traditionellen Kultur des Volkes haben als die wirtschaftliche Betätigung i. S. d. westlichen Marktwirtschaft. In welcher Weise sich aber ein solcher Eingriff manifestiert, kann erst festgestellt werden, wenn die neue Praktik angewandt wird. Doch wenn sich die sich wandelnden Praktiken im Rahmen der jeweiligen indigenen Kultur entwickeln, so gelten für sie die kulturellen Besonderheiten indigener Völker ebenso wie für traditionelle Praktiken. Ein rechtlicher Konflikt zwischen den internationalen Umweltbestimmungen und den durch Wandel entstehenden indigenen Praktiken ergibt sich, wenn auch dieser Aspekt der indigenen Kulturen durch das Völkerrecht geschützt ist. Eine ausdrückliche Anerkennung des Rechts auf Weiterentwicklung der jeweiligen Kultur ist in Art. 7 und 11 Draft Declaration enthalten. Nach Art. 7 umfaßt dieses Recht die Bewahrung und Entwicklung der eigenen besonderen Charakteri-
32 " ••• indigenous cultures are dynarnic forces in continuous transformation; the challenge is to enable indigenous populations to benefit from change but still preserve their essential values." Aussagen von Repräsentanten Mexicos und Kanadas, zitiert in: Barsh. American Journal ofInternational Law 80 (1986), 369 (382). 33 Suagee. University of Michigan Journal ofLaw Reform 25 (1992),671 (708). 34 Toyne/Johnston. Habitat 19 (1991), 8 (9). 3S Vgl. Koowarta v. Bjielke Petersen (1982).152 CLR 168. 36 V gl. hierzu Bumett. Suffolk Transnational Law Review 19 (1996), 389 ff.
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Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
stika und Identitäten. Gegenstand des Art. 11 Draft Dec1aration ist das Recht indigener Völker auf Wiederbelebung und Ausübung ihrer kulturellen Traditionen: ..This includes the right to maintain, protect and develop the past, present and future manifestations of their cultures, such as achreological and historical sites and structures, artefacts, designs, ceremonies, technologies .....
Das Recht auf Weiterentwicklung der Kultur findet sich auch im Wortlaut des Art. 31 Draft Dec1aration, der die Ausübung dieses Rechts unter den Vorbehalt der Vereinbarkeit mit den allgemeinen Menschenrechten stellt. Schließlich ist in Abs. 8 der Präambel und Art. 21 der Draft Dec1aration das Recht indigener Völker auf wirtschaftliche Entwicklung unter Wahrung ihrer kulturellen Identität anerkannt. Diese Bestimmungen deuten darauf hin, daß auch zukünftige Praktiken indigener Völker dem rechtlichen Schutz der Draft Dec1aration unterfallen. Allerdings ist zu beachten, daß es sich bei diesem Instrument nicht um rechtsverbindliches Völkerrecht handelt. 37 Im Gegensatz dazu ist Art. 7 Abs. 1 ILO-Konvention Nr. 169 für die Vertragsparteien rechtlich bindend. Diese Bestimmung sieht das Recht indigener Völker vor, über ihre eigenen Prioritäten bezüglich der Entwicklungsprozesse zu entscheiden, soweit ihr Leben, ihr Glaube, ihre Gebiete, Institutionen und ihre spirituelle Integrität betroffen ist. Weiterhin urnfaßt Art. 7 Abs. 1 ILO-Konvention Nr. 169 auch das Recht, die eigene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung, soweit möglich, selbst zu kontrollieren. Neben diesem ausdrücklichen Recht auf Weiterentwicklung kann ein solches Recht aber auch aus dem völkerrechtlichen Schutz der kulturellen Identität indigener Völker abgeleitet werden. Wie bereits dargestellt ergibt sich das Recht indigener Völker auf Ausübung und Bewahrung ihrer kulturellen Identität aus Art. 2 und 5 ILO-Konvention Nr. 169, Art. 27 IPBPR sowie aus dem Völkergewohnheitsrecht. Kulturen stellen nun aber keine statischen Gebilde dar, sondern sind einem stetigen Wandel unterworfen. 38 Somit urnfaßt der Begriff der "Kultur" neben deren bestehenden Manifestationen auch zukünftige Ausprägungen der jeweiligen Kultur. Dies gilt auch für die kulturelle Identität, die sich, um auf Dauer bewahrt werden zu können, ebenfalls auch auf neue Entwicklungen erstrecken muß. Der völkerrechtliche Schutz der kulturellen Identität indigener Völker urnfaßt also nicht nur bereits bestehende Praktiken und Traditionen, sonSutherland/Craig/Posey, Environmental Policy and Law 27 (1997), 13 (22). Toope, McGill Journal 42 (1997),169 (180); Coombe, Canadian Journal ofLaw and Jurisprudence 6 (1993), 249 (266 f.). 37 38
A. Kategorien möglicher Konflikte
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dem auch die Möglichkeit, im Rahmen dieser Identität bestehende Praktiken an veränderte Gegebenheiten anzupassen und neue Praktiken zu entwickeln.
IV. Autonomie-Konflikt Der Autonomie-Konflikt kann zwischen den verschiedensten Arten der Umweltschutzbestimmungen und dem Recht indigener Völker auf Ausübung ihrer kulturellen Autonomie entstehen. Dieses Recht ist nach der völkerrechtlichen Ausprägung dahingehend zu verstehen, daß indigene Völker ihre eigenen Angelegenheiten selbst bestimmen und regeln können. 39 Zum internationalen Umweltrecht, wie es im Teil IV analysiert wurde, gehört auch der Schutz von Arten und ihren Lebensräumen bzw. besonderen Ökosystemen wegen ihrer biologischen Vielfalt. Diesen Schutzbestimmungen steht das besondere Verhältnis indigener Völker zum Land und den darauf befindlichen Arten gegenüber, das sich in den eigenen Praktiken, Traditionen und Ritualen der jeweiligen Völker manifestiert. Diese Praktiken, Traditionen und Rituale wiederum können in ihrer Ausübung Gegenstand der eigenen Angelegenheiten und damit der kulturellen Autonomie indigener Völker sein. Wird also die Nutzung der Arten und Gebiete aufgrund des Umweltrechts eingeschränkt, so kann dies eine Auswirkung auf die Ausübung der kulturellen Autonomie haben. Das Recht indigener Völker auf kulturelle Autonomie ergibt sich aus dem Völkergewohnheitsrecht und den neueren Entwicklungen des Völkerrechts. Die kulturelle Autonomie indigener Völker ist als Sonderfall der Selbstbestimmung völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. Im einzelnen umfaßt dieses Recht die Regelung der eigenen lokalen Angelegenheiten und die Selbstregierung durch die jeweiligen Völker. Konkreter ist dieses Recht in der Draft Declaration ausgestaltet. Das Recht auf Regelung der eigenen Angelegenheiten, Autonomie und Selbstregierung ist in Art. 3 Draft Declaration enthalten. Auch Art. 29 und 30 Draft Declaration erkennen ausdrücklich das Recht indigener Völker auf Autonomie und Selbstregierung hinsichtlich der inneren und lokalen Angelegenheiten an. Nach Art. 29 Draft Declaration bezieht sich dieses Recht unter anderen auf die Bereiche Kultur, Religion, Gesundheit, wirtschaftliche Aktivitäten, Nutzung des Landes und der Ressourcen sowie auf Umweltfragen. Wie in Teil IV und unter 1. und 2. dieses Abschnitts dargestellt, können Nutzungsverbote und Nutzungsregelungen i. S. d. internationalen Umweltbestimmun-
39
Vgl. oben Teil III. A. III.
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Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
gen die Praktiken und Traditionen indigener Völker insbesondere hinsichtlich der Deckung des Lebensbedarfs, der Religion und der Gesundheitsvorsorge betreffen und deren Ausübung erschweren. In einem solchen Fall werden aufgrund von Umweltbestimmungen Regelungen über die Ausübung der indigenen Besonderheiten getroffen. Die Entscheidung über die eigenen inneren und lokalen Angelegenheiten wird dann nicht mehr allein von dem jeweiligen indigenen Volk ausgeübt. Dies gilt insbesondere für umweltrechtliche Nutzungsverbote, aber auch für mengenmäßige, zeitliche und räumliche Nutzungsbeschränkungen. Desweiteren stellt auch die Nutzungsregelung in Form eines Erlaubnisvorbehalts einen Eingriff in die kulturelle Autonomie indigener Völker dar, da diese nicht mehr selbst über die Ausübung der von der Regelung betroffenen Praktiken und Traditionen bestimmen können.
B. Kategorien möglicher Lösungsansätze In einigen Umweltinstrumenten zum Arten- und Gebietsschutz finden sich bereits Bestimmungen, die der besonderen Situation indigener Völker bei der Anwendung der jeweiligen Verpflichtungen Rechnung tragen sollen. Auch aus den Rechten indigener Völker nach dem Völkerrecht lassen sich Ansätze entwickeln, die zur Lösung der Konflikte zwischen dem Umweltrecht und den Rechten indigener Völker beitragen können. Diese verschiedenen Ansätze in den internationalen Bestimmungen können in drei Kategorien möglicher Lösungsansätze unterschieden werden: 1. der Ausnahme-Ansatz, 2. der Kooperations-Ansatz und schließlich 3. der Autonomie-Ansatz.
I. Ausnahme-Ansatz Der Ausnahme-Ansatz ist auf die Ausnahmengewährung zugunsten indigener Völker von umweltrechtlichen Nutzungseinschränkungen gerichtet. Dieser Ansatz findet sich bereits ausdrücklich in einigen der internationalen Umweltschutzinstrumente, die grundsätzlich ein Verbot der Nutzung bestimmter Arten und ihrer Lebensräume vorsehen. Doch auch aus den Rechten indigener Völker läßt sich der Ausnahme-Ansatz ableiten. Die letzteren sehen Ausnahmen zugunsten indigener Völker nicht ausdrücklich zu, vielmehr wird durch die internationalen Rechte indigener Völker die Zulässigkeit und Notwendigkeit von solchen Ausnahmen begründet.
B. Kategorien möglicher Lösungsansätze
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Ein Beispiel für den Ausnahme-Ansatz im nationalen Kontext ist in dem Xingu Indian Park in Brasilien zu sehen, der als Schutzgebiet konzipiert wurde, in dem aber die Anwesenheit der lokalen indigenen Gruppen nicht ausgeschlossen ist, solange deren Aktivitäten sich auf traditionelle Subsistenzaktivitäten beschränken. 40 Gleiches gilt für den Manu Park in Peru und verschiedene Schutzgebiete am Orinoco und Amazonas in Venezuela. 41 In Neuseeland wurden zwei Maori von dem Vorwurf eines Verstoßes gegen die New Zealand Fisheries (Amateur Fishing) Regulations 1986 freigesprochen, da sich für den Fang von Toheroa-Muscheln auf ihre traditionellen Fischereirechte berufen konnten. 42 Diese Ausnahme zugunsten der Maori leitet sich aus dem Fisheries Act (1983) Neuseelands 43 ab, in dem es heißt: "nothing in this Act shall affect any Maori fishing rights".44 Der Ausnahme-Ansatz wurde auch 1986 bei einer Änderung des Fisheries Act aufgenommen, nach dem ein System von Fangquoten festgeschrieben wurde, in dem zunächst die Entnahmerechte der Maori zu berücksichtigen sind, bevor der verbleibende befischbare Bestand durch Quotierung zum Fang freigegeben wird. 4s Um einiges weiter gefaßt ist der Treaty 0/ Waitangi (Fisheries Claims) Settlement Act 199246 , der nicht nur Ausnahmebestimmungen in Form eines Anteils der Maori von 20 % jeder neuen Fischereiquote enthält, sondern die Überlassung von 10 % des Gewinns aller bestehenden Fischereirechte sowie die einmalige Zahlung eines Wiedergutmachungsbetrages an die Maori vorsieht. 47 Damit geht der sog. Sealord Deal weit über eine Ausnahmeregelung hinaus und weist deutliche Züge einer Kompensation für historische Enteignungen der Maori auf. Darüber hinaus bestehen auch Ausnahmeregelungen
40 41
Davis/Wali. 13. Ebd.
42 Ministry 0/Agriculture and Fisheries v. Pono Hakaria and Tony Scott. District Court ofNew Zealand. 19.03.1989. CRN 8031003482-3; vgl. auch die Entscheidung Te Weehi v. Regional Fisheries Officer, [1986] 1 NZLR 680. in der ebenfalls traditionelle Fischereirechte der Maori zur Einstellung des Verfahrens wegen unrechtmäßiger Entnahme von Shelljish-Muscheln führten. 43 New Zealand Statutes 1983. Vol. 1.79. 44 S 88 (2) des Fisheries Act, vgl. dazu auch Austin. Western Australian Law Review 19 (1989),401 (401 f.). 45 Munro. Victoria University of Wellington Law Review 24 (1994), 388 (400); Waetford. Auckland University Law Review 7 (1993),402 (403). 46 New Zealand Statutes 1992, Vol. 3,1881. 47 McHugh. New Zealand Law Journal 1992, 354 ff.; Munro. Victoria University of Wellington Law Review 24 (1994),388 (410) m. w. N.; Waetford. Auckland University Law Review 7 (1993), 402 (404 ff.).
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Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
zugunsten der Maori unter dem Wildlife Act 195348 und seinen Ausführungsbestimmungen, wonach in einigen Gebieten und für bestimmte Arten die traditionelle Jagd und Fischerei für Maori zugelassen ist. 49 Weitere Beispiele für die Verwendung des Ausnahme-Ansatzes zugunsten indigener Völker in nationalen Rechtsordnungen finden sich in Ausnahmen von Jagd- und Fischereiverboten in Umweltvorschriften Australiens,so Neuseelands,51 Kanadas 52 und der Vereinigten Staaten53 . Auch das zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien bereits 1916 geschlossene Abkommen zum Schutz von Zugvögeln ist ein Beispiel für den Ausnahme-Ansatz. 54 Nach der Änderung dieses Vertrages 1979 wurde den Vertragsparteien die Möglichkeit eröffnet, indigene Nutzungen zur Deckung des Lebensbedarfs hinsichtlich der geschützten Arten zuzulassen. 55 In Ausübung dieses Rechts wurden auch dementsprechende 48
New Zealand Statutes 1953, Vol. 1,176.
49 V gl. hierzu im einzelnen New Zealand Conservation Authority, 4 ff. 50 Miller, Aboriginal Law Bulletin 2 (1992), 3 (3 f.) unter Hinweis auf den Nature Conservation Act 1992 (Qld); GreylLea, in: Turning the Tide, 207 (219), die auf s 53 des Fisheries Act (NT) verweisen; s. 211 Native Title Act 1993 (Cth-Australia); vgl. dazu Berry, University ofQueensland Law Journal 18 (1995), 325 (326 f.); Naete, University of New South Wales Law Journal 16 (1993), 161 ff. sowie Crawford, A.L.R.C. Research Paper No. 15, 15 ff. mit einer detaillierten Analyse der Australischen Gesetzgebung des Bundes und der Staaten zu Fischerei-, Jagd- und Sammelrechten der Aborigines; vgl. aber auch BerginlLawrence, in: Turning the Tide, 25 (33 f.), und BriggslZigterman, in: BirckheadlDeLacy/Smith (eds.), 275 ff. zum Great Barrier Reef Marine Park Act 1975 Qld, nach dessen Bestimmungen zwar besondere Zonen für traditionelle Nutzungen vorgesehen sind, jedoch für die traditionelle Jagd und Fischerei Genehmigungen eingeholt werden müssen. In der Praxis werden diese Genehmigungen zugunsten von Individuen oder Gruppen erteilt, gelten aber nur für die Jagd und die Fischerei zum Eigenbedarf; vgl. auch A.L.R.C. Report 31, Vol. 11, 143 ff. m. w. N.; Sweeney, University of New South Wales Law Journal 16 (1993), 97 ff., vgl. besonders (99-102); Head/Fullager, Australian Aboriginal Studies (1991), 39 (41) für das Northern Territory. 51 Vgl. McHugh, Otago Law Review 6 (1985), 62 (62-82) für eine Übersicht der indigenene Jagd- und Fischereirechte in Neuseeland und Kanada; für Kanada vgl. auch R. v. Spa"ow, [1990] 1 SCR 1075 als die wichtigste Entscheidung des kanadischen Supreme Court in diesem Zusammenhang; für Neuseeland vgl. beispielsweise auch Te Weehi v. Regional Fisheries OjJicer, [1986] 1 NZLR 680 (HC) zu Fischereirechten der Maori unter dem common law und dem Treaty of Waitangi (Fisheries Claims) Settlement Act 1992 (NZ). 52 Ebd. 53 Hankins, University ofCalifornia Davis Law Review 24 (1990), 489 (494 f.) für die Inuit Alaskas. 54 Zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien für Kanada, T.S. No. 628. " Protokoll zur Konvention am 16.08.1916 "for the protection of Migratory Birds in Canada and the US", 30.01.1979, Treaty Registry, Department of External Affairs, Ottawa.
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Ausnahmen zugunsten der Inuit erklärt. 56 Schließlich ist in diesem Zusammenhang der Torres Strait Treaty von 1978 zwischen Australien und Papua Neuguinea zu nennen, der in seinen Art. 10-12 Zonen bestimmt, die der traditionellen Nutzung durch indigene Völker gewidmet sind. 57
1. Internationale Umweltbestimmungen
In internationalen Umweltbestimmungen finden sich Ausnahmen zugunsten indigener Völker im Rahmen des Walfangübereinkommens und in der Bonner Konvention. Im Rahmen des Walfangübereinkommens hat die Kommission eine bereits 1931 formulierte Ausnahme zugunsten indigener Völker von einem Verbot des Walfangs für anwendbar erklärt. Diese Ausnahme gilt jedoch lediglich für den Wal fang durch indigene Völker zum Zwecke der Nahrungsbeschaffung. Andere Besonderheiten wie Religion oder Spiritualität oder aber die kulturelle Identität der betroffenen Völker bleiben nach dieser Ausnahme unberücksichtigt. Weiterhin besteht diese Ausnahme zugunsten der indigenen Völker nicht vorbehaltslos. Denn die Kommission hat diese Ausnahme durch den Erlaß von Nutzungsregelungen ausgestaltet, die auch für die indigene Nutzung von Walen anwendbar ist. So können durch die Kommission mengenmäßige, zeitliche und artenspezifische Beschränkungen des Walfangs durch indigene Völker ausgesprochen werden. Somit bleibt trotz der Ausnahme von dem Walfangverbot eine Nutzungsregelung hinsichtlich des Walfangs für indigene Völker bestehen. Die Bonner Konvention sieht eine Ausnahme zugunsten indigener Völker von dem Verbot der Entnahme der geschützten Arten aus der Natur in Art. 3 Abs. 5 lit. c) vor. Auch diese Ausnahme wird nicht vorbehalts los gewährt. So sieht Art. 3 Abs. 5lit. c) eine Anwendbarkeit dieser Ausnahme nur für Subsistenzaktivitäten, nicht aber für andere Praktiken und Traditionen indigener Völker vor. Weiterhin unterliegt die Gewährung der Ausnahme weiteren Voraussetzungen wie der inhaltlichen Konkretisierung, der räumlichen und zeitlichen Beschränkung der Ausnahme und dem Vorbehalt, daß sich die Ausübung der Ausnahme nicht nachteilig auf die zu schützende Art auswirkt. Mithin gilt auch für die Bonner Konvention, daß die Ausnahme vom Verbot der Entnahme geschützter Arten zugunsten 56 Allerdings sind diese Ausnahmen später durch die nationalen Gesetzgebungen widerrufen bzw. abgeschafft worden. Zur Zeit bestehen Forderungen indigener Völker die traditionelle Frühlingsjagd wieder zuzulassen, vgl. Osterwoldt. Natural Resources Journal 29 (1989), 1017 (1026). 57 Mfodwonsameni. 7 ff.; Schug. Marine Policy 20 (1996),209 (217); Mulrennanl Sullivan. in: Turning the Tide, 253 ff.
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indigener Völker tatsächlich eine Nutzungsregelung hinsichtlich der betreffenden Arten darstellen kann. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, daß derzeit lediglich Ausnahmen zugelassen sind, die den Subsistenzaktivitäten indigener Völker Rechnung tragen. Ausnahmen zugunsten spiritueller oder sonstiger Praktiken oder zugunsten der kulturellen Identität als solcher sind nicht vorgesehen.
2. Rechte indigener Völker Der Ausnahme-Ansatz kann auch aus den internationalen Bestimmungen über die Rechte indigener Völker abgeleitet werden. In Betracht kommt in diesem Zusanunenhang insbesondere die ILO-Konvention Nr. 169. Art. 4 Abs. 1 sieht eine Verpflichtung der Vertragsparteien vor, besondere Maßnahmen "as appropriate for safeguarding the peoples, institutions, property, labour, cultures and environment of the peoples concerned" zu ergreifen. Maßnahmen i. S. d. Art. 4 Abs. 1 ILO-Konvention Nr. 169 können also auch eingesetzt werden, um die Kultur und damit die kulturelle Identität indigener Völker zu bewahren. Zur Ausübung der kulturellen Identität ihrerseits gehören auch die Praktiken und Traditionen des jeweiligen Volkes im Hinblick auf die Nutzung bestimmter Arten und Gebiete. Art. 4 Abs. 1 ILO-Konvention Nr. 169 sieht zwar nicht ausdrücklich die Gewährung einer Ausnahme zugunsten indigener Völker von Verboten zum Schutz der Umwelt vor. Vielmehr ist diese Bestimmung als generelle Rechtsgrundlage für Maßnahmen zu sehen, die nötig sind, um die besonderen Belange indigener Völker zu schützen. Dadurch läßt Art. 4 Abs. 1 ILO-Konvention Nr. 169 auch eine Anwendung im Bereich des Umweltrechts zu, wenn dadurch den besonderen Belangen indigener Völker im Falle eines Konfliktes zwischen diesen Rechtsgütern Rechnung getragen wird. Weiterhin kann der Ausnahme-Ansatz auf Art. 8 Abs. 1 und 2 ILO-Konvention Nr. 169 gegründet werden. Nach dieser Bestimmung haben die Vertragsstaaten bei der Anwendung nationaler Regelungen die Gebräuche und traditionellen Regelungen indigener Völker zu berücksichtigen. Insbesondere sollen indigene Völker das Recht haben, ihre Gebräuche zu bewahren. Da die internationalen Umweltbestimmungen in der Regel in nationales Recht umgesetzt werden, schlieBt die Ausrichtung des Art. 8 ILO-Konvention Nr. 169 auf die Anwendung nationaler Regelungen diese Bestimmung nicht als Rechtsgrundlage für den Ausnahme-Ansatz aus. Auch Art. 8 enthält keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise, wie die Berücksichtigung indigener Gebräuche und traditioneller
B. Kategorien möglicher Lösungsansätze
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Regelungen zu erreichen ist. Doch wäre gerade die Gewährung einer Ausnahme von einem Nutzungsverbot geschützter Arten und Gebiete geeignet, die indigenen Gebräuche und traditionellen Regelungen bezüglich dieser Güter zu berücksichtigen und zu bewahren. Schließlich kann auch Art. 27 IPBPR für den Ausnahme-Ansatz herangezogen werden. Nach dieser Bestimmung darf kulturellen Minderheiten58 nicht das Recht vorenthalten werden, ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen und ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben. Wie oben dargestellt,59 kann die Nutzung bestimmter Arten und Gebiete für indigene Völker religiösen oder spirituellen Charakter haben und auch einen Bestandteil ihrer Kultur bilden. Eine Ausnahme zu einem bestehenden Nutzungsverbot hinsichtlich dieser Arten kann also dazu führen, den betroffenen indigenen Völkern die Ausübung ihrer Kultur und Religion zu ermöglichen. Im Rahmen des nicht-verbindlichen Völkerrechts kann der Ausnahme-Ansatz aus der Draft Declaration abgeleitet werden. Wie bereits dargestellt, sieht die Draft Declaration in einer Reihe von Bestimmungen das Recht indigener Völker auf Erhaltung ihrer kulturellen Identität und der ihr immanenten Praktiken und Traditionen vor. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang Art. 19 und 24 Draft Declaration zu nennen. Nach Art. 19 haben indigene Völker ein Recht auf die Erhaltung ihrer eigenen Wirtschafts systeme und insbesondere ihrer Subsistenzaktivitäten. Art. 24 sieht ausdrücklich die Anerkennung der indigenen Gebräuche hinsichtlich des Landes und seiner Nutzung vor. Eine weitere Grundlage für den Ausnahme-Ansatz können Art. 11 und 12 Draft Declaration darstellen, die den Schutz der kulturellen, religiösen und spirituellen Traditionen indigener Völker zum Ziel haben. Wird die Ausübung dieser Rechte durch ein umweltrechtliches Nutzungsverbot verhindert, so kann eine Ausnahme von diesem Verbot zur Verwirklichung der Rechte indigener Völker beitragen.
n. Kooperations-Ansatz Der Kooperations-Ansatz ist auf die Einbeziehung indigener Umweltpraktiken in das allgemeine staatliche Umweltmanagement gerichtet. Viele indigene Völker können aufgrund ihrer traditionellen Erfahrungen und ihres umfassenden Wissens
58 59
Zur Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf indigene Völker vgl. oben Teil III. A. I. 2. Vgl. Teil 11. B.
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Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
über Naturzusammenhänge einen positiven Beitrag zum Umweltschutz leisten. 60 Dies gilt insbesondere auch für den Ausgleich zwischen Bedürfnissen der Menschen und dem Schutz der Umwelt. 61 So können indigene Völker den westlichen Zivilisationskulturen Kenntnisse darüber vermitteln, wie ein Ökosystem nachhaltig genutzt werden kann62 oder wie menschliches Überleben in unwirtlichen oder unfruchtbaren geographischen Regionen der Erde möglich ist. 63 Schließlich ist in diesem Zusammenhang das indigene Wissen um biologische und genetische Ressourcen zu nennen, auf das im Rahmen der Biotechnologie immer häufiger zurückgegriffen wird. 64 Dabei ist der Kooperations-Ansatz nicht so sehr auf die Lösung der Konflikte zwischen internationalen Umweltbestimmungen und den Rechten indigener Völker gerichtet, als vielmehr auf die Vermeidung solcher Konflikte bei der Anwendung dieser Bestimmungen. 6s Wenn indigene Völker an der Umsetzung und Anwendung der Bestimmungen des internationalen Umweltrechts beteiligt werden, so können nicht nur die staatlichen Stellen von dem Wissen der indigenen Völker profitieren.66 Denn diese können die Umsetzung und Anwendung der Bestimmung dahingehend beeinflussen, daß möglichst wenig Konflikte mit der Ausübung indigener Rechte entstehen. 67 In der nationalen Praxis gibt es bereits Beispiele für diesen Lösungsansatz. Bereits seit 1985 enthält der australische National Parks and Wildlife Conservation liO Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 16; Meyers, University ofTasmania Law Review 14 (1995),1 (26); Lee, UNESO Review 8 (1983), 6 (7); Sadler, Natural Resources Journal 29 (1989),185 (194). 61 Suagee, University of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (681); English, Environmental and Planning Law Journal 1996, 103 (104). 62 Our Common Future, 'Empowering Vulnerable Groups' (114/116), wo das Verschwinden der indigenen Völker als "Ioss for the larger society which could leam a great deal from their traditional skills in sustainably managing very complex ecosystems" bezeichnet wird. 63 Meyers, Colorado Journal ofInternational Environmental Law & Policy 3 (1992),479 (482) unter Verweis aufOur Common Future, 114/115. 64 Vgl. hierzu JacobylWeiss, Stanford Environmental Law Journal 16 (1997), 74 (84 ff.); Elisabetsky, Cultural Survival, 1991,9 (10); King, Cultural Survival, 1991, 19 (19). 65 Vgl. Richardson, African Journal of International and Comparati ve Law 8 (1996), 904 (919 f.) für die Einbindung lokaler Bevölkerungsgruppen in die Verwaltung von Feuchtgebieten unter der Ramsar Konvention. tI6 Allen, in: JulllMulrennan/Sullivan/Crough/Lea (eds.), 39 (44); AltmaniAllen, in: BirckheadlDe Lacy/Smith (eds.), 117 (125); BakerlWoenne-GreeniMutitjulu, Community Uluru, in: BirckheadlDe Lacy/Smith (eds.), 65 (66 f. und 71); IWGIA, Document 69, 13. 67 Allen, in: JulllMulrennan/Sullivan/Crough/Lea (eds.), 39 (44 f.).
B. Kategorien möglicher Lösungsansätze
193
Act 1975 (Cthl 8 in s 14 (C) (2) die Maßgabe, daß bei Nationalparken, die auf Gebieten der Aborigines errichtet werden, die Angehörigen des betroffenen Volkes im Hauptentscheidungsorgan der Parkverwaltung mehrheitlich repräsentiert sein sollen. Im weiteren ist in s 73 des Territory Parks and Wildlife Conservation Act (NT) vorgesehen, Ansätze zu entwickeln, die dem Schutz und der Erhaltung von Wildleben und natürlichen Ressourcen auf Aboriginal-Land dienen. 69 So sind etwa lokale Aborigines an der Leitung des Uluru-Nationalparks und des KakaduNationalparks in Nord-Australien beteiligt.70 Darüber hinaus werden in der Bewirtschaftung dieser Nationalparks auch traditionelle Feuerpraktiken71 der Aborigines eingesetzt. Das gleiche Konzept, Beteiligung Angehöriger des jeweiligen indigenen Volkes und Anwendung traditioneller Praktiken,72 wird auch in den australischen Nationalparks Nitrnulik (Katherine Gorge)73 und Gurig (Coburg
Acts ofthe Parliament ofthe Commonwealth 1975, 101. Billyard, in: Turning the Tide, 198 (201). 70 De Lacy, Society and Natural Resources 7 (1994),479 (479 ff.); Meyers, University ofTasmania Law Review 14 (1995), I (26); AltmaniAllen, in: BirckheadlDe Lacy/Smith (eds.), 117 (128); Australian Law Reform Commission, Report No. 31, Vol. 11, 141 ff.; Rose, 25 f.; BakerIWoenne-GreeniMutitjulu, Community Uluru, in: BirckheadlDe Lacyl Smith (eds.), 65 (66 f.); BeacroJt, Aboriginal Law Bulletin 1987, 3; Blyth/deKoning/ Cooper, in: Birckheadlde Lacy/Smith (eds.), 263 f.; Craig, in: BirckheadlDe Lacy/Smith (eds.), 137 (141 ff.); JacksoniCrough, Australian Geographer 26 (2995), 44 (47); fapp, Natural Resources Journal 29 (1989),171 (174 ff.); Stewart, 19 ff., der den Aspekt des kulturellen Erbes unter dem Aboriginal and Torres Strait Islander Heritage Protection Act 1984 im Hinblick auf den Kakadu-Nationalpark untersucht. 71 Vgl. BakerIWoenne-GreeniMutitjulu, Community Uluru, in: BirckheadlDe Lacyl Smith (eds.), 65 (68 f.); fapp, Natural Resources Journal 29 (1989), 171 (174 ff.); Head, in: BirckheadlDe Lacy/Smith, (eds.), 47 (53); vgl. zum Einsatz indigener Feuerpraktiken auch Coombs, 5; Hughes, Environmental Planning Law Journal 12 (1995), 37 (37 ff.) m. w. N.; Lewis, in: BirckheadlDe Lacy/Smith (eds.), 15 (19 f.) und Lewis, in: Williams/ Hunn (eds.), 45. 72 Naete, University of New South Wales Law Journal 16 (1993), 161 (209 ff.); vgl. auch Australian Law Reform Commission, Report No. 31, Vol. 11, 145 ff. und Australian Law Reform Commission, Research Paper No. 15 und Boekel/l'aylor, Australian Ranger Bulletin 4 (1988), 25 f. für weitere Beispiele aus dem australischen Kontext. 73 Das Gebiet des Nitmuluk Nationalparks wurde von dem lokalen Volk der Aborigines and den Staat verleast, der seinerseits die Aborigines in das Management des Parks einbezogen hat. So ist nach s 10 (I) (a) des Nitmiluk (Katherine Gorge) National ParkAct NT 1989 vorgesehen, daß 8 der 13 Mitglieder des Hauptentscheidungsorganes des Nationalparkes ..traditional Aboriginal owners of the Park appointed on the nomination of the Jawoyn Association" sein sollen, darüber hinaus ist nach s 20 (7) des Acts der Schutz von Gebieten mit besonderer Bedeutung für Aborigines bei der Aufstellung des ..plan of management" zu beachten; vgl. auch Blowes, Aboriginal Law Bulletin 2 (1991), 4 (6); vgl. 68
69
13
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194
Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
Peninsulaf4 angewendet. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch der Deed
0/Management zwischen Limilngan-Wulna und der Conservation Commission 0/ the Northem Territory von 1994. 75
Weiterhin ist das Pernasky-Projekt in Panama zu nennen, das bereits 1983 ins Leben gerufen wurde. Es handelt sich dabei um ein Waldschutzgebiet, das ausschließlich von indigenen Völkern verwaltet wird. 76 Auf der Grundlage dieses Projektes wurde auch in anderen lateinamerikanischen Staaten versucht, indigene Völker in die Umweltverwaltung zu integrieren. 77 So wurden in Equador die Quecha in ihren Landansprüchen unterstützt und in verschiedenen Aspekten der Umweltverwaltung (sustainable natural resource management) unterrichtet. 78 Auch in Brasilien gibt es Bestrebungen, indigene Völker an umweltrelevanten Aktivitäten zu beteiligen. 79
auch AltmaniAllen, in: Birckhead/De Lacy/Smith (eds.), 117 (129 f.); Australian Law Refonn Cornmission, Report No. 31, Vol.lI, 144 f. 74 Nach dem Coburg Peninsula Aboriginal Land and Sanctuary Act NT 1981 wurde auch dieser Nationalpark auf dem Gebiet von lokalen Aborigines errichtet, die für die Nutzung des Landes als Nationalpark jährliche Zahlungen vom Northern Territory erhalten. Nach s 11 des Acts haben die Aborigines freien Zugang und Nutzungsrechte auf dem Gebiet des Nationalparkes. Nach s 19 (1) sollen 4 der 8 Mitglieder des Hauptentscheidungsorgans des Nationalparks Angehörige des lokalen indigenen Volkes sein. Auch nach dem Coburg Peninsula Aboriginal Land and Sanctuary Act NT 1981 ist der Schutz von Gebieten mit besonderer Bedeutung für Aborigines bei der Aufstellung des "plan of management" zu beachten, s 27 (4); Blowes, Aboriginal Law Bulletin 2 (1991),4 (5); vgl. auch AltmaniAllen, in: Birckhead/De Lacy/Smith (eds.), 117 (129); Eillyard, in: Turning the Tide, 198 (203 f.). 75 In diesem Fall wurde das Schutzgebiet von den indigenen Wulna zur Verwaltung an das Northern Territory übertragen. Nach dem Deed 0/ Management sind 4 von 6 Mitgliedern des Hauptentscheidungsorgans Mitglieder der Wulna und die kulturellen Besonderheiten der Wulna sind bei dem Schutz und der Verwaltung des Schutzgebietes zu beachten. 76 Cycon, New England Law Review 25 (199011991), 761 (776) m. w. N. 77 Ebd. 78 Ebd. 79
Vgl. Bericht des Repräsentanten Brasiliens zur 15. Sitzung der WGIP 1997:
"The Government has been taking measures with a view to restoring the ecologic balance in indigenous lands. These include establishing prograrns of ecologic diagnosis and recovering of deteriotated lands, ecologic control of activities that affect the environment, ecologic education involving indigenous communitites and their neighbors, as weIl as identification and dissemination of technologies that are adequate for the sustainable management of natural resources."
B. Kategorien möglicher Lösungsansätze
195
Im Mara Game Reserve in Kenia sind die ortsansässigen Massai an der Aufsicht und Verwaltung des Parks beteiligt.80 In Kanada wurde 1997 die Arctic Environmental Strategy verabschiedet, die auf eine starke Partnerschaft zwischen Staatlichen Umweltinstitutionen und indigenen Völkern gegründet ist. 81 Ein Konzept der Zusammenarbeit wird insgesamt in der arktischen Region verfolgt, in dem die Inuit Circumpolar Conference eine zentrale Rolle spielt. Hier werden in einem umfassenden System der Zusarrunenarbeit unter anderem traditionelles Wissen und modeme Quotensysteme gemeinsam angewandt, um Tierbestände zu beobachten und daraus Fangquoten zu entwickeln. 82 Auch im Northern Yukon National Park wurden indigene Völker an der Nutzung und Verwaltung des Parks beteiligt.83 Dies gilt ebenfalls für den Banks Island National Park, auf den sich das bereits genannte lnuvialuit Agreemen,s4 bezieht. Nach diesem Abkommen haben die Inuvialuit ausschließliche Jagd- und Sammelrechte, Fischereirechte mit Vorrang vor anderen Nutzern sowie ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Verwaltung des Nationalparks. 8s Die Beteiligung indigener Völker an der Umweltverwaltung sieht auch das 1992 in Kanada abgeschlossene Agreement on Joint Stewartship zwischen dem Cowichan Indian Band und der Regierung British Columbia86 vor. Ein weiteres Beispiel aus dem nationalen kanadischen Kontext stellt das Nunavut Agreement dar, das zwischen den Inuit der Northwest Territories und der Bundesregierung Kanadas 1992 abgeschlossen wurde. 87 Neben anderen Regelungspunkten sieht das Nunavut Agreement die gemeinsame Verwaltung der natürlichen Ressourcen Umwelt in dem Nunavut Gebiet vor, indem es die Grundlage für ein zu gleichen Teilen aus Inuit und Regierungsbeauftragten gebildetetes Nunavut Wildlife Management Board schafft. 88 Der Resource Management Act 1991 Neuseelands 89 enthält in s 8 die Verpflichtung, die Prinzipien des Treaty ofWaitangi bei der Anwendung des Geset80 Jackson, Colorado Journal of International Environmental Law and Policy 4 (1993), 502 (508 ff.). 81 Bericht der Repräsentanten Kanadas zur 15. Sitzung der WGIP 1997, 3. 82 IWGIA, Document 69,11 ff. 83 Sadler, Natural Resources Journal 29 (1989),185 (200 ff.); WWF 1993, 17. 84 Vgl. oben Teil 111. A. 11. 2. b) bb). 85 WWF 1993,16. 86 Vom 30.06.1992, unveröffentlicht. 87 Moss, in: Aboriginal Self-Government, 55 (104 ff.). 88 Fenge, in: JuIIJMulrennan/Sullivan/CroughlLea, 31 (34). 89 New Zealand Statutes 1991, Vol. 2,595. 13·
196
Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
zes zu beachten und sieht in seinen Ausführungsregelungen (First Schedule) vor, die iwi, also die lokalen Selbstverwaltungsorgane der Maori an der Vorbereitung von Strategien und Maßnahmen zu beteiligen. 90 Im internationalen Recht ist ein solcher Kooperations-Ansatz bereits in den neueren internationalen Instrumenten zum Schutz der Umwelt enthalten. Doch auch aus den Rechten indigener Völker läßt sich der Kooperations-Ansatz ableiten.
1. Internationale Umweltbestimmungen Der Kooperations-Ansatz findet sich vor allem in dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD). Erstmals wurde in einem internationalen Umweltschutzabkommen der Wert der Kulturen und des Wissens indigener Völker ausdrücklich anerkannt. Bereits im 12. Absatz der Präambel wird die Anwendung traditioneller Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt und der nachhaltigen Nutzung ihrer Bestandteile vorausgesetzt. Nach Art. 8 lit. j) CBD sind im Rahmen der In-situ-Erhaltung die "Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche eingeborener und ortsansässiger Gemeinschaften mit traditionellen Lebensformen, die für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt von Belang sind, zu achten, zu bewahren und zu erhalten, sowie ihre breitere Anwendung mit Billigung und unter Beteiligung der Träger dieser Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche zu begünstigen und die gerechte Teilung der aus der Nutzung dieser Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche entstehenden Vorteile zu fördern."
Durch diese Bestimmung werden einerseits die indigenen Kulturen als solche anerkannt, andererseits wird ausdrücklich die Beteiligung dieser Kulturen an der Bewahrung der biologischen Vielfalt vorgesehen. Demgegenüber sehen Art. 17 und 18 CBD nicht ausdrücklich eine Beteiligung indigener Völker vor, diese folgt hieraus jedoch mittelbar. Diese Bestimmungen regeln die Grundlagen des Austauschs von Informationen und der technischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien im Rahmen der CBD. Nach Art. 17 Abs. 2 CBD soll das indigene Wissen in den Informationsaustausch zwischen den Vertragsparteien miteinbezogen werden. Das gleiche gilt gern. Art. 18 Abs. 4 für indigene Technologien, die ebenfalls in die technische und wissenschaftliche 90 Crengle, 8 ff.; vgl. auch KenderdinelGalleniSomerville, 7 ff.; Ministry for the Environment (NZ), 11; Mikaere, New Zealand Law Review 1995, 137 (137).
B. Kategorien möglicher Lösungsansätze
197
Zusammenarbeit einbezogen werden sollen. Da das Wissen und die Technologien indigener Völker aber nur den Völkern selbst wirklich zugänglich und bekannt sind, ist eine Kooperation mit indigenen Völkern Voraussetzung für die Verwirklichung dieser Bestimmungen. Der Kooperations-Ansatz findet eine besonders deutliche Ausprägung in der Rio Erklärung. So sieht Prinzip 22 der Erklärung die effektive Mitwirkung indigener Völker an der Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung vor. Weiterhin werden in dieser Bestimmung das Wissen und die traditionellen Praktiken indigener Völker ebenso anerkannt wie die hierauf beruhende wichtige Rolle indigener V ölker im Umweltmanagement und in der Entwicklung. Eine Beteiligung indigener Völker an der Umsetzung internationaler - wenn auch nicht rechtsverbindlicher - Umweltbestimmungen soll auch das Prinzip 2 lit. d) der Wald-Prinzipien gefördert und gewährleistet werden.
2. Rechte indigener Völker Der Kooperations-Ansatz kann auch aus einigen Bestimmungen zum Schutz indigener Rechte abgeleitet werden. Die Mehrzahl dieser Bestimmungen ist auf Beteiligungsrechte (right to participate) gerichtet und enthalten keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Kooperation (cooperation) zwischen indigenen Völkern und staatlichen Stellen. Zwar kann eine "Beteiligunglparticipation" in ihrer Intensität unterhalb der Schwelle der "Kooperationlcooperation" liegen,91 doch kann die Beteiligung indigener Völker auf unterschiedliche Weise ausgestaltet sein. Einerseits kann bereits die Anhörung indigener Völker bei bestimmten Maßnahmen eine "Beteiligung" darstellen, andererseits ist auch die "Kooperation" eine Fonn der Beteiligung. Somit ist durch die bloße Beteiligung indigener Völker nicht sichergestellt, daß diese auch einen Einfluß hinsichtlich der zu treffenden Entscheidungen ausüben können. Allerdings eröffnet die "Beteiligung" verschiedenste Möglichkeiten und Abstufungen, die für die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und indigenen Völkern gewählt werden können. Der "Kooperations"-Ansatz ist dahingehend zu verstehen, daß dieser möglichst effektive Beteiligungsrechte indigener Völker urnfaßt. Die Mitwirkung und Kooperation indigener Völker ist in der ILO-Konvention Nr. 169 vorgesehen. Die Möglichkeiten der Kooperation mit indigenen Völkern 91 Vgl. hierzu UN Human Rights Fact Sheet Nr. 9 (12), das die Kooperation mit indigenen Völkern im Rahmen des nationalen Rechts als wichtiger darstellt als lediglich die Konsultation und Mitwirkung indigener Völker.
198
Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
in Umweltangelegenheiten ist ausdrücklich in Art. 7 Abs. 4 n..O-Konvention Nr. 169 geregelt. Nach dieser Bestimmung sind die Vertrags staaten verpflichtet, die Umwelt der von indigenen Völkern bewohnten Gebieten in Kooperation mit diesen zu schützen und zu erhalten. Keine Kooperation im wörtlichen Sinn, doch die Beteiligung indigener Völker sieht Art. 15 Abs. 1 n..O-Konvention Nr. 169 vor. Danach haben indigene Völker das Recht, an der Nutzung, der Verwaltung und der Erhaltung der natürlichen Ressourcen ihrer Gebiete beteiligt zu sein. Im Rahmen der Draft Declaration wird der Beitrag indigener Völker zum Umweltschutz indirekt in Abs. 9 der Präambel anerkannt, indern festgestellt wird, daß der Respekt für das Wissen und die Praktiken indigener Völker zur nachhaltigen Entwicklung und zum Umweltrnanagement beiträgt. In welcher Form dieser Beitrag erbracht oder sogar instrumentalisiert werden könnte, wird aber weder in der Präambel noch in den eigentlichen Bestimmungen der Draft Declaration ausgeführt. Ausdrückliche Beteiligungsrechte indigener Völker sind dagegen in Art. 4, 17 und 18 Draft Declaration vorgesehen. Diese Bestimmungen sind auf die Beteiligung indigener Völker an der Politik, Rechtsetzung und Rechtsanwendung in ihren Heimatstaaten gerichtet, soweit diese Maßnahmen eine Auswirkung auf indigene Völker haben können. Somit kann hieraus zwar ein Recht indigener Völker auf Einflußnahme auf die nationalen Entscheidungen abgeleitet werden. Inwieweit ein solches Recht jedoch geeignet ist, die Grundlage für eine Kooperation im Rahmen des Umweltrnanagements zu bilden, hängt von der jeweiligen nationalen Ausprägung dieses Rechts ab.
ill. Autonomie-Ansatz Der Autonomie-Ansatz ist ebenso wie der Kooperations-Ansatz auf die Vermeidung von Konflikten zwischen dem internationalen Umweltrecht und den Rechten indigener Völker gerichtet. Diesem Ansatz liegt die Prämisse zugrunde, daß den indigenen Völkern ein gewisses Maß an kultureller Autonomie und Selbstregierung gewährt wird. Die Ausübung eines solchen Rechts könnte sich auch auf Nutzungsregelungen der lokalen Gebiete und der dort lebenden Arten erstrecken.92 Im Zusammenhang mit internationalen Umweltbestimmungen ist denkbar, daß die indigenen Völker für diese Regelungsbereiche, die sie (aus-
92
Vgl. Meyers. University ofTasmania Law Review 14 (1995),1 (26).
B. Kategorien möglicher Lösungsansätze
199
schließlich) betreffen, selbst weitgehend autonom die Umsetzung dieser Bestimmungen ausüben. 93 Rechtsgrundlagen für den Autonomie-Ansatz können sowohl aus den internationalen Umweltbestimmungen selbst als auch aus den Rechten indigener Völker abgeleitet werden.
1. Internationale Umweltbestimmungen
Eine ausdrückliche Formulierung des Autonomie-Ansatzes ist in den Umweltbestimmungen nicht enthalten. Zu prüfen ist, ob sich in diesen Bestimmungen Hinweise auf die Anerkennung der eigenverantwortlichen Nutzung der Umwelt durch indigene Völker finden. So sieht Art. 10 lit. c) CBD den Schutz und die Förderung der herkömmlichen Nutzung biologischer Ressourcen im Einklang mit den traditionellen kulturellen Praktiken und Traditionen vor, soweit diese mit den Erfordernissen der Erhaltung oder nachhaltigen Nutzung vereinbar sind. Nach dieser Bestimmung sind die traditionellen Nutzungsformen indigener Völker anerkannt und sollen geschützt und gefördert werden. Diese Anerkennung könnte sich auch auf die autonome Nutzungsregelung indigener Völker hinsichtlich der biologischen Vielfalt erstrecken. Denn in den meisten indigenen Kulturen sind komplexe Regelungssysteme hinsichtlich der Nutzung ihrer Umwelt entwickelt worden. Die herkömmliche Nutzung der biologischen Ressourcen durch die indigenen Völker beruht auf diesen Systemen. Jedoch gibt es in Art. 10 lit. c) CBD keinen Hinweis darauf, daß ausschließlich oder insbesondere solche Nutzungen zu schützen und zu fördern sind, die auf autonomen Regelungssystemen beruhen. Vielmehr muß diese Bestimmung dahingehend verstanden werden, daß lediglich die traditionellen Nutzungsrechte indigener Völker anerkannt werden sollen. Ein Recht auf Ausübung einer Form von Autonomie oder Selbstregierung hinsichtlich der Nutzung der biologischen Ressourcen dagegen kann aus Art. 10 lit. c) CBD nicht abgeleitet werden. Ähnlich verhält es sich mit Prinzip 5lit. a) der Waldprinzipien. Auch nach dieser Bestimmung sind die indigenen Nutzungsformen hinsichtlich des Waldes anzuerkennen und zu unterstützten. Insbesondere soll hierdurch die Ausübung der wirtschaftlichen Aktivitäten und die kulturelle Identität indigener Völker ermög93 English, Environmental and Planning Law Journal 1996, 103 (104); Richardson, African Journal ofInternational and Comparative Law 8 (1996), 904 (925 ff.).
200
Teil V: Konflikte und Lösungsansätze
licht und sichergestellt werden. Doch auch in dieser Bestimmung finden sich keine Hinweise auf ein Recht auf autonome bzw. selbstregierte Ausübung dieser Aktivitäten. Es finden sich also keine ausdrücklichen oder abzuleitenden Grundlagen für den Autonomie-Ansatz in den internationalen Umweltbestimmungen.
2. Rechte indigener Völker Das Recht auf kulturelle Autonomie in Form der Selbstregierung ist Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts.94 Der Autonomie-Ansatz könnte sich also auf diese völkergewohnheitsrechtliche Bestimmung gründen. Weiterhin kann sich der Autonomie-Ansatz aus Art. 29 Draft Declaration ableiten lassen. Nach Art. 29 schließt das Recht indigener Völker auf Autonomie und Selbstregierung auch die Bereiche der Kultur, der Religion, der wirtschaftlichen Betätigungen, des Management von Land und Ressourcen sowie der Umwelt ein. Grundsätzlich handelt es sich bei der Regelung der Umweltnutzung um eigene Angelegenheiten des jeweiligen Volkes,9s denn die Nutzung des Landes und seiner Ressourcen gehört zu den wichtigsten Bestandteilen indigener Kulturen. Etwas anderes könnte jedoch dann gelten, wenn internationale Bestimmungen bestehen, die bestimmte Nutzungen regeln. Denn die Autonomie oder Selbstregierung indigener Völker erstreckt sich gerade nicht auf die Ausübung auswärtiger Gewalt. Diese wird mit Wirkung für die indigenen Völker ebenso wie für andere Staatsangehörige von dem Heimatstaat ausgeübt. Jedoch müssen die internationalen Verpflichtungen, die die Staaten eingegangen sind, i. d. R. in nationales Recht umgesetzt werden. Während grundsätzlich die Staaten selbst diese Umsetzung vornehmen, könnte die kulturelle Autonomie und Selbstregierung die indigenen Völker dazu berechtigten, solche internationalen Bestimmungen, die ihre eigenen Angelegenheiten betreffen, selbst ihrer Kultur entsprechend umzusetzen. Wegen des in allen Staaten geltenden Gesetzgebungsmonopols des Staates aber, kann ein solches Recht indigener Völker nicht ohne weiteres aus dem Recht auf kulturelle Autonomie und Selbstregierung ergeben. Vielmehr müßte ein solches Recht auf Umsetzung internationaler Bestimmungen Gegenstand einer staatlichen Regelung oder eines Abkommens zwischen dem jeweiligen Staat und den dort lebenden indigenen Völker sein. Vgl. oben Teil III. A. 11. 9S Vgl. dazu insbesondere den Verweis auf Kultur, Religion, wirtschaftliche Aktivitäten, Management des Landes und seiner Ressourcen und Umwelt in Art. 29 Draft Declaration. 94
B. Kategorien möglicher Lösungsansätze
201
Dies verdeutlicht eine Entwicklung in den Vereinigten Staaten. Dort sind in den letzten Jahren verschiedene Umweltgesetze dahingehend geändert worden, daß es der Environmental Protection Agency (EPA) ermöglicht wurde, indigene Völker für bestimmte Zwecke (jor certain purposes) als (Bundes-)Staaten zu behandeln. In Ausübung dieses Rechts hat die EPA entschieden, daß die indigenen Völker das Recht haben, Umweltprogramme selbst auszuführen. 96 Dies gilt nach der Entscheidung der EPA nicht nur für sog. "Trust-Gebiete", sondern grundsätzlich auch für solche Gebiete, die zwar Teil von indianischen Reservationen, nicht aber "Trust-Gebiete" sind. 97 Inwieweit sich dieses Recht aber auf die Umsetzung internationaler Umweltbestimmungen bezieht, läßt sich nicht feststellen. Auch eine entsprechende Entwicklung hinsichtlich der Umsetzungsbefugnis internationaler Umweltbestimmungen durch indigene Völker läßt sich insgesamt jedenfalls nicht feststellen. Daraus folgt, daß in den Bereichen, die durch internationale Umweltbestimmungen geregelt sind, derzeit keine Ausübung von Autonomie durch indigene Völker vorgesehen ist. Allerdings kann den indigenen Völkern im Rahmen ihrer kulturellen Autonomie die Entscheidung über einzelne Aspekte der Umsetzung internationaler Bestimmungen übertragen werden. So kann beispielsweise im Fall einer mengenmäßigen Beschränkung die gewährte Quote einem indigenen Volk zugesprochen werden, das dann seinerseits auf der Grundlage der eigenen Nutzungssysteme über die konkrete Ausübung dieser Quote durch seine Angehörigen entscheidet.98 Durch ein solches Verfahren kann gewährleistet werden, daß die Nutzung der Quote durch Angehörige des indigenen Volkes in Übereinstimmung mit den kulturellen Besonderheiten erfolgt.
Vgl. dazu auch oben Teil III. A. 11. 2. b) bb). Suagee, University ofMichigan Journal ofLaw Reform 25 (1992), 671 (7041705). 98 Vgl. Fierlbeck, Canadian Journal ofPolitical Science 29 (2996), 3 (10).
96
91
Teil VI
Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze Die im vorangegangenen Abschnitt entwickelten Kategorien und Ansätze bieten einen abstrakten Rahmen für den Umgang mit Konflikten, die sich aus internationalen Umweltbestimmungen und den internationalen Rechten indigener Völker ergeben können. Wie bereits angedeutet, sind die jeweiligen Konflikte bereits auf der völkerrechtlichen Ebene angelegt, doch werden sie erst bei der Umsetzung und Anwendung im nationalen Recht in vollem Umfang deutlich. Dabei bleibt den Staaten ein gewisser Spielraum in der Ausgestaltung der nationalen Bestimmungen und Rechtsanwendung zur Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen. Es bleibt also dem einzelnen Staat bis zu einem gewissen Grade selbst überlassen, wie er einerseits seine natürlichen Ressourcen schützt und nutze und andererseits die völkerrechtlichen Verpflichtungen im Hinblick auf die Rechte und den Schutz indigener Völker im nationalen Recht umsetzt. Diese grundsätzliche Freiheit der Staaten bei der Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen kann jedoch durch kollidierende völkerrechtliche Verpflichtungen eingeschränkt werden. Dies ist dann der Fall, wenn eine völkerrechtliche Verpflichtung nur auf eine bestimmte Art und Weise umgesetzt werden kann, ohne hierbei andere völkerrechtliche Verpflichtungen zu verletzen. Bei der Betrachtung der internationalen umweltrechtlichen Verpflichtungen wurde deutlich, daß die Konflikte zwischen dem internationalen Umweltrecht und den völkerrechtlich garantierten Rechten indigener Völker i. d. R. nicht bereits auf der Ebene des Völkerrechts entstehen, sondern erst bei der Umsetzung der jeweiligen Verpflichtungen in innerstaatliches Recht. Weiterhin hat sich in der Praxis der Vergangenheit gezeigt, daß in Fällen, in denen indigene Kulturen mit dem rechtlichen oder politischen System ihres "Heimatstaates" inhaltlich in Konflikt geraten, die staatliche Bereitschaft, indigene Kulturen zu schützen, in den Hintergrund tritt. 2 Weiterhin sind die internationalen Umweltbestimmungen in ihren Vorgaben
I
Meyers. Co1orado Journal of International Environmental Law & Policy 3 (1992),479
(592). 2
Torres. Yale Journal ofinternational Law 16 (1991), 127 (134).
A. Problembereiche bei Anwendung der Konfliktskategorien
203
hinsichtlich der Umsetzung so ausgestaltet, daß Staaten sowohl eine Umsetzung wählen können, die die völkerrechtlichen Rechte indigener Völker berücksichtigt als auch eine Umsetzung, die einer Verwirklichung der völkerrechtlichen Rechte indigener Völker entgegensteht. In einem solchen Fall trifft den Staat nach dem völkerrechtlichen Effet-utilePrinzip die Verpflichtung, die Bestinunungen beider Rechtsgebiete möglichst umfassend und effektiv ins nationale Recht umzusetzen. Im einzelnen bedeutet dies, daß eine Umsetzung von völkerrechtlichen Bestinunungen nur dann völkerrechtskonform ist, wenn nicht nur der umgesetzten Bestinunung, sondern auch möglicherweise hiermit in Konflikt stehende völkerrechtliche Verpflichtungen berücksichtigt werden. Im Teil V wurden den möglichen Konflikte auf der völkerrechtlichen Ebene aufgezeigt. Die Lösung in Form der dargestellten Lösungsansätze hat aber in der konkreten Anwendung auf der nationalen Ebene zu erfolgen. Dabei sind die jeweiligen den Konflikt auslösenden Bestinunungen so umzusetzen und anzuwenden, daß ihnen - gemessen an ihrem Sinn und Zweck - größtmögliche Effektivität zukonunt. Hier werden Leitlinien entwickelt, die die Berücksichtigung dieses völkerrechtlichen Grundsatzes bei der Umsetzung der internationalen Bestinunungen ins nationale Recht erleichtern. Zu diesem Zweck werden in einem ersten Schritt die Problembereiche bei der Anwendung der Konfliktskategorien und Lösungsansätze herausgearbeitet, um dann in einem zweiten Schritt verfahrensrechtliche und materiellrechtlichen Prinzipien zu entwickeln, die auf die möglichst umfassende Berücksichtigung des Umweltrechts und der Rechte indigener Völker in einem Konfliktsfall abzielen.
A. Problembereiche bei der Anwendung der Konfliktskategorien und Lösungsansätze Die Probleme, die sich bei der Anwendung der in Teil V herausgearbeiteten Konfliktskategorien und Lösungsansätze ergeben können, sind ebenso vielfältig wie die durch das Völkerrecht anerkannten und geschützten kulturellen Besonderheiten indigener Völker und die umweltrechtlichen Verpflichtungen der Staaten. Um das Verständnis für die indigenen Rechte auf Ausübung ihrer kulturellen Besonderheiten bei der Implementierung umweltrechtlicher Bestinunungen zu erleichtern, werden diese Probleme im folgenden in 3 Bereiche zusanunengefaßt.
204
Teil VI: Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze
I. Problem der konzeptionellen Unterschiede Das größte Problem bei dem Ausgleich zwischen den rechtlich anerkannten kulturellen Besonderheiten indigener Völker und den völkerrechtlichen Umweltnonnen sind die konzeptionellen Unterschiede zwischen der westlich-europäisch geprägten Kultur, die dem internationalen Umweltrecht zugrundeliegt, und den indigenen Kulturen. Wie bereits dargestellt,3liegt den meisten indigenen Kulturen ein ganzheitliches Grundverständnis zugrunde, das Menschen, Umwelt und Spiritualität gleichermaßen umfaßt und aus dem sich ein komplexes Regelwerk für das menschliche Verhalten ableitet. 4 Aus diesem lassen sich einzelne Aspekte der jeweiligen Kultur nur unvollständig isolieren und abstrakt betrachten. Vielmehr sind die Rechte und umweltrelevanten Besonderheiten indigener Völker im Kontext dieses Gesamtverständnisses zu betrachten. Dabei liegt die konzeptionelle Schwierigkeit besonders darin, daß das indigene kulturelle Grundverständnis Außenstehenden nicht ohne weiteres zugänglich ist. So verfügen indigene Völker in der Regel nicht über ein zentrales, nachvollziehbares Regelwerk hinsichtlich des Umgangs mit der Umwelt. Die indigenen Regeln und Besonderheiten ergeben sich aus den meist mündlichen Überlieferungen des jeweiligen Volkes. S Während die Nonnen des internationalen Rechts, aber auch der meisten nationalen Rechtsordnungen, leicht zu identifizieren sind, trifft dies auf die Normen und Besonderheiten indigener Völker nicht zu. Das Wissen der indigenen Völker ist nicht in jeder Hinsicht allen Angehörigen des jeweiligen Volkes oder gar Außenstehenden zugänglich. Einige Aspekte des umweltrelevanten Wissens sind geheim, 6 so daß sie bei der Konflikterkennung und -lösung nicht angemessen offengelegt und beurteilt werden können, ohne die jeweilige Kultur des indigenen Volkes zu verletzten. 7 Doch selbst wenn das Wissen als solches nicht geheim ist, können V gl. TeilI!. B. Vgl. KnudtsonlSuzuki, 1 ff., mit einem Überblick über das Verhältnis zur Umwelt indigener Völker auf den verschiedenen Kontinenten. S V gl. Eyporsson, 10. 6 English, Environmental and Planning Law Journal 1996, 103 (115). 7 Dies trifft besonders auf die australischen Aborigines zu, deren Wissen auf vielfliltige Weise verschlüsselt und nur Eingeweihten zugänglich ist. Ein Beispiel für eine solche Schwierigkeit ist in einem Fall zu sehen, in dem Umweltschutzinteressen mit den Bedürfnissen der ansässigen Aborigines konform gehen, doch ist dieser Fall im Hinblick auf die Geheimhaltung bestimmter Informationen von Relevanz. Der Bundesminister für Aboriginalangelegenheiten hatte sich für eine Beschwerde von Aboriginalfrauen eingesetzt, ohne das zugrunde liegende Material im einzelnen zu kennen, da dies nach der Kultur des beteiligten Volkes "womens business", also für Männer nicht verboten, war. Das entscheidende Gericht wies die Beschwerde Tickners ab, da, so das Gericht, er die Beweislage nicht hin3
4
A. Problembereiche bei Anwendung der Konfliktskategorien
205
Angehörige indigener Völker häufig ihre Traditionen und Erfahrungen nicht isoliert weitergeben, weil diese so tief in dem komplexen System der Werte und Überzeugungen verwurzelt sind, daß eine separate Weitergabe einzelner Praktiken und Traditionen an das westliche naturwissenschaftlich orientierte System nicht möglich ist. 8
11. Problem der Diversität Ein weiteres Problem bei der einheitlichen Umsetzung völkerrechtlicher Umweltverpflichtungen stellen die unterschiedlichen Ausprägungen der indigenen Kulturen dar, die sich für jedes einzelne Volk und deren Untergruppen entwickelt9 haben. So sind sowohl die sozialen und politischen Organisationsformen als auch die kulturellen und wirtschaftlichen Bedürfnisses eines jeden Volkes in ihren Einzelheiten unterschiedlich ausgeprägt. 10 Diese kulturellen Unterschiede ergeben sich unter anderem aus der geographischen Lage, der wirtschaftlichen Situation, der kulturellen Verwurzelung und dem Anpassungsgrad an das Gesellschaftssystem des jeweiligen Heimatstaates. Aufgrund dieser Unterschiede läßt sich keine allgemeingültige Lösung für alle indigenen Völker oder auch nur jedes Volk finden, die alle kulturellen Besonderheiten in ihrer jeweiligen individuellen Ausprägung berücksichtigen könnte. So lassen sich besonders konkrete Ergebnisse, die mit einem bzw. hinsichtlich eines Volkes und seiner kulturellen Besonderheiten gefunden worden sind, nicht zwangsläufig auf ein anderes indigenes Volk übertragen. Dieses Problem stellt sich nicht nur international, sondern auch auf nationaler Ebene, wenn in einem Staat verschiedene indigenen Völker oder unterschiedliche Ausprägungen der gleichen Kultur beheimatet sind. 11
reichend gewürdigt habe, indem er sich lediglich auf ein unverfängliche Zusammenfassung der Tatsachen gestützt, nicht aber das Material selbst gewürdigt habe. 8 Wolfe/Bechard/Cizek/Cole. 18. 9 Hannig. Arizona Journal ofinternational and Comparative Law 13 (1996), 175 (180). 10 Vgl. Barsh. Meanjin 49 (1990), 723 (728). 11 Diesem Umstand haben bereits die ILO-Konvention Nr. 107 und die nachfolgende Konvention Nr. 169 Rechnung getragen, in dem die in ihrnen formulierten Verpflichtungen sind bewußt vage gehalten wurden, um ihre Anwendbarkeit auf alle indigenen Völker dieser Welt zu ermöglichen. Dies läßt sich daran erkennen, daß es nicht absolute Regeln sind, die formuliert wurden, sondern Ziele, Prioritäten und Minimalstandards, die auf alle indigenen Völker anwendbar sein sollen.
206
Teil VI: Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze
m. Kulturelle Dynamik Neben den oben angesprochenen konzeptionellen Schwierigkeiten muß beachtet werden, daß auch indigene Kulturen einem Wandel unterworfen sind. 12 Besonders der Einfluß der westlichen Zivilisationsgesellschaften hat nachhaltige Auswirkungen auf indigene Kulturen bewiesen. 13 Einige der indigenen Kulturen haben Teile dieser fremden Kulturen in ihre eigene integriert oder die eigene Kultur auf andere Weise weiterentwickelt. So nehmen traditionelle Praktiken nicht mehr den ausschließlichen Platz bei der Nahrungsbeschaffung ein. Häufig werden traditionell erworbene Produkte durch gekaufte Produkte aus der Marktwirtschaft ergänzt. Gründe für einen derartigen Wandel sind in einer Veränderung der Demographie und der zur Verfügung stehenden Ressourcen und Technik zu finden. 14 Auch diese Veränderungen jedoch gehören nunmehf zu den kulturellen Besonderheiten indigener Völker und müssen als solche bei der Konfliktlösung beachtet werden. So ist es nicht möglich, sich bei der Anwendung der Lösungsansätze auf ethnologische Untersuchungen zu stützen, die die indigenen Kulturen aus der Zeit vor dem europäischen Kontakt beschreiben, sondern es müssen die Bedürfnisse und Interessen der indigenen Völker aus heutiger Sicht berücksichtigt werden.
B. Prinzipien bei der Anwendung der Lösungsansätze Um den aufgezeigten Problemen gerecht zu werden, werden im folgenden konkrete Vorschläge gemacht, die darauf zielen, Rechte indigener Völker bei der Umsetzung und Anwendung - besonders im Zusammenspiel mit der Umsetzung und Anwendung möglicherweise kollidierender völkerrechtlicher Verpflichtungen durch Verfahrens grundsätze sicherzustellen. Besonders in einem Bereich, der nach wie vor von Vorbehalten und Vorurteilen geprägt ist, können zu berücksichtigende formelle und materielle Verfahrens grundsätze garantieren, daß die in Frage stehenden Rechte indigener Völker in ausreichendem Maße Eingang in den Entscheidungsprozeß finden. 1s Schließlich kann durch die Anwendung der Verfahrensgrundsätze die Erarbeitung von Lösungen für einzelne Probleme in diesem Bereich erleichtert werden, sollte keine allgemeingültige Lösung gefunden werden.
12
Vgl. dazu oben, Entwicklungskonflikt, Teil V. A. III.
McLachlan. International and Comparative Law Quarterly 37 (1988), 368 (369). 14 HeadiFuliagar. Australian Aboriginal Studies 1991,39 (40). 13 Vgl. Williams. Duke Law Journal (1990), 660 (7021703). 13
B. Prinzipien bei der Anwendung der Lösungsansätze
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I. VerfahrensspezDlSche Grundsätze Die Anwendung und Umsetzung der völkerrechtlichen Umweltbestimmungen unter Beachtung indigener Rechte nach dem Völkerrecht im Rahmen der entwikkelten Konfliktskategorien und Lösungsansätze setzen als Grundvoraussetzung ein genaues Wissen um die in Frage stehenden Kulturen voraus. Dieses Wissen um die kulturellen Besonderheiten der betroffenen Völker kann jedoch nur von dem jeweiligen indigenen Volk in den Entscheidungsprozeß eingebracht werden. Deshalb erfordert jede staatliche Umsetzungs- und Anwendungsmaßnahme zur Berücksichtigung indigener kultureller Besonderheiten zunächst die Anerkennung der indigenen kulturellen Besonderheiten sowie die Mitwirkung des betroffenen Volkes an dem Entscheidungsprozeß. Dabei bildet das Anerkennungselement die Voraussetzung für das Mitwirkungselement.
1. Anerkennungselement
Jedes Erkennen eines Konfliktes zwischen den umweltrechtlichen Verpflichtungen des Völkerrechts und den internationalen Rechten indigener Völker setzt zunächst die Kenntnis und Anerkennung der indigenen Kulturen voraus. Denn nur, wenn die jeweilige Kultur in all ihren Einzelheiten bekannt ist, können die Konflikte erkannt und entsprechend behandelt werden. 16 Das Anerkennungselement als Voraussetzung für die Berücksichtigung indigener Rechte nach dem Völkerrecht ergibt sich bereits aus Art. 2 und 5 ILO-Konvention Nr. 169, Art. 27 IPBPR und dem völkergewohnheitsrechtichen Recht auf kulturelle Identität. Auch in der Draft Deklaration, besonders in Art. 8, ist das Recht auf kulturelle Identität indigener Völker formuliert. 17 Aus diesem völkervertragsrechtlichen und völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Recht auf kulturelle Identität leitet sich die Anerkennung der kulturellen Besonderheiten indigener Völker zwingend ab, da es die kulturellen Besonderheiten sind, die die kulturelle Identität dieser Völker ausmachen. Im einzelnen bedeutet dies, daß der das Völkerrecht implementierende Staat die kulturellen Besonderheiten indigener Völker als Bestandteil ihrer Identität zu achten und zu respektieren hat. Diese Achtung und dieser Respekt sind die Grundvoraussetzung dafür, daß die völkerrechtlich garantierten Rechte indigener Völker in staatliche Entscheidungsprozesse zur
16
17
Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (107). Williams, Duke Law Journal (1990), 660 (694/695).
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Teil VI: Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze
Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen einfließen können. 18 Ein Beispiel für die rechtliche Anerkennung der indigenen Besonderheiten stellen die neuseeländischen Gesetze Resource Management Act (1991) und der Historie Places Act (1993) dar. Nach s 6 (e) des Resource Management Act und s 4 (2)(c) des Historie Places Act werden "relationship of Maori and their culture and traditions with their ancestrallands, water, sites, waahi tapu, and other taonga" als grundlegendes Prinzip bei der Anwendung dieser Gesetze anerkannt. 19 Dagegen ist die Anerkennung der Kultur der australischen Aborigines im Bereich des Umweltschutzes auf besondere Plätze ("relics", "Aboriginal Place" im National Parks and Wildlife Act NSW 1974) beschränkt. 20 In diesem Zusammenhang sind auch die Prinzipien des World Wildlife Fund zu nennen, die eine Selbstverpflichtung zur Anerkennung und Berücksichtigung indigener kultureller Besonderheiten bei der Planung und Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen vorsehen. 21 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die NUU K Declaration on Environment and Development in the Arctic von 1993. Diese Deklaration wurde von Kanada, Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, der Russischen Föderation, Schweden und den Vereinigten Staaten verabschiedet und enthält die ausdrückliche Anerkennung der indigenen Völker des arktischen Raumes und deren Bedürfnisse im Hinblick auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen der Arktis. 22 Auch in den internationalen umweltrechtlichen Bestimmungen finden sich Hinweise auf die Notwendigkeit der Anerkennung indigener Völker und ihrer kulturellen Besonderheiten. Dabei gehören zu den anzuerkennenden kulturellen Besonderheiten indigener Völker im Bereich der Umsetzung und Anwendung völkerrechtlicher Verpflichtungen nicht nur inhaltliche Besonderheiten dieser Völker, sondern auch die jeweiligen Besonderheiten hinsichtlich der gruppeninternen Kompetenzverteilung und Entscheidungsmechanismen. In den meisten indigenen Kulturen bestehen komplexe Systeme im Hinblick auf Zuständigkeiten und Entscheidungsverfahren für bestimmte Lebensbereiche, Orte oder Tätigkeiten. So gibt es Eingeweihte, die allein bestimmte Plätze besuchen dürfen, oder gewisse Rituale durchführen dürfen. Außerdem gibt es in einigen Kulturen, so zum Beispiel bei den australischen 18 English, Environmental and Planning Law Journal 1996, 103 (104); vgl. auch Baker/ Woenne-GreeniMutitjulu, Community Uluru, in: BirckheadIDe Lacy/Smith (eds.), 65 (69). 19 English, Environmental and Planning Law Journal 1996, 103 (l08). 20 Ebd. 21 World Wildlife Fund, Indigenous Peoples and Conservation: WWF Statement of Principles, Teil III. Principles of Partnership, insbesondere Absätze 23, 25 und 27 ff. 22 Arctic Treaty XIXth Consultative Meeting, 1995, XIX ATCM/INF 71, 4.
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Aborigines, eine sehr strenge Geschlechtertrennung hinsichtlich des jeweils zugänglichen Wissens. Bestimmte Orte sind nur für männliche, andere nur für weibliche Angehörige eines Volkes zugänglich und entfalten daher auch nur für diesen Teil des Volkes eine Bedeutung. Weiterhin werden in den meisten indigenen Kulturen wichtige Entscheidungen mehrheitlich gefaßt. In der Regel geschieht dies durch eine Art Ältestenrat, der sich aus Mitgliedern einer bestimmten Initiationsstufe 23 zusammensetzt und häufig sowohl für die Frauen als auch für die Männer eines Volkes besteht. In diesen Gremien werden die für das Volk bedeutenden Entscheidungen gefällt. Dieser Prozeß ist nicht selten langwierig24 und paßt nicht immer in den westlichen Bürokratieablauf, der auf dem Grundsatz der Repräsentation aufbaut und häufig auch schnelle Entscheidungen verlangt. Ohne jedoch diesen Besonderheiten jedenfalls in einem gewissen Umfang Rechnung zu tragen, kann die Anerkennung der kulturellen Identität indigener Völker nicht erreicht werden. Deshalb ist es für die Anwendung der entwickelten Konfliktskategorien und Lösungsansätze zunächst erforderlich, daß sich die Anerkennung des Staates auch auf diese Besonderheiten der indigenen Kulturen erstreckt.
2. Mitwirkungselement Während das Anerkennungselement eine Grundvoraussetzung und keine verfahrensspezifische Anforderung darstellt, zielt das Mitwirkungselement auf die Schaffung eines besonderen Verfahrens bei der Umsetzung und Anwendung völkerrechtlicher Verpflichtungen ab. Wie bereits dargestellt, ist das Wissen um die kulturellen Besonderheiten indigener Völker nur bei den jeweiligen Gruppen selbst vorhanden. Sollen diese Besonderheiten also im Rahmen der nationalen Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen berücksichtigt werden, so ist der umsetzende Staat auf die Mitwirkung der betroffenen Völker selbst angewiesen.25 Denn nur die Völker selbst können die Auswirkungen bestimmter Regelungen auf ihre Kultur beurteilen. 26 Dabei kann es unter Umständen erforderlich sein, die 23 In vielen indigenen Kulturen wird das geheime Wissen .,stufenweise" weitergegeben. Zum Empfang des Wissens sind nur solche Personen qualifiziert, die durch bestimmte Rituale und Prüfungen (Initiationen) die entsprechende Stellung in der Gruppe erreicht haben. 24 Richardson/CraiglBoer, Environmental & Planning Law Journal 11 (1994), 357 (359 f). 25 Sadler, Natural Resources Journal 29 (1989), 185 (192). 26 DaviesiSoeftestad, World Bank Environment Department Dissemination Notes No. 21 (1995), 1 (1).
14 Schillhorn
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Teil VI: Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze
jeweiligen kulturellen Besonderheiten im Hinblick auf Entscheidungsprozesse zu berücksichtigen. 27 So kann es nötig sein, sowohl die Männer als auch die Frauen des betreffenden Volkes an der Entscheidungsfindung zu beteiligen, da sich jeweils unterschiedliche Beurteilungen für die verschiedenen Geschlechtergruppen ergeben können. 28 Das Mitwirkungselement findet sich bereits in einigen völkerrechtlichen Instrumenten, wie beispielsweise in Art. 6 und 7 ILO-Konvention Nr. 169, Art. 25 IPBPR und Art. 4 Draft Declaration29 • Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch das Recht indigener Völker auf Selbstbestimmung in Form der kulturellen Autonomie zu nennen. Auch aus diesem völkergewohnheitsrechtlichen Recht indigener Völker ergeben sich Anhaltspunkte für die Pflicht der Heimatstaaten, indigene Völker an Entscheidungsprozessen zu beteiligen, die sich auf sie betreffende Angelegenheiten beziehen. Im Zusammenspiel mit dem sich aus dem Recht auf kulturelle Identität ableitenden Anerkennungselement urnfaßt das Mitwirkungselement die Pflicht des Staates, indigene Völker unter Beachtung der jeweiligen kulturell bedingten Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen und -mechanismen an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen, die auf die Umsetzung und Anwendung völkerrechtlicher Verpflichtungen gerichtet sind und die kulturellen Besonderheiten indigener Völker betreffen können. Diese Beteiligung bzw. Mitwirkung indigener Völker kann auf unterschiedliche Weise erfolgen und hängt in ihrer jeweiligen Ausgestaltung auch von der Ausformung des Selbstbestimmungsrechts indigener Völker in dem jeweiligen Staat ab. So könnte die Mitwirkung indigener Völker beispielsweise als Konsultativrecht oder als Mitentscheidungsrecheo des jeweiligen indigenen Volkes ausgestaltet sein; auch Mischformen sind denkbar. Unverzichtbar ist jedoch, daß den indigenen Völkern die Möglichkeit eingeräumt wird, ihre kulturellen Besonderheiten und die voraussichtlichen Auswirkungen der beabsichtigten Umsetzungs- und Anwendungsakte des Staates hierauf darzulegen. Ein solches Mitwirkungsrecht wäre besonders effektiv, wenn es als fester Bestandteil des nationalen Entscheidungsprozesses institutionalisiert würde. Dabei hängt die Ausgestaltung dieser Beteiligungsform im einzelnen von einer Reihe von Faktoren wie z. B. dem Rechtssystem der Heimatstaates, der nationalen Ausgestaltung des Rechts auf Selbstbestimmung/kulturelle Autonomie oder dem Ross, 2. English, Environmental and Planning Law Journal 1996, 103 (109 ff.). 29 Vgl. Williams, Duke Law Journal (1990), 660 (690/691). 30 Vgl. zu den Anforderungen eines solchen Systems in der Praxis Lawson, in: Birckhead/De Lacy/Smith (eds.), 312 (312 ff.). 27
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B. Prinzipien bei der Anwendung der Lösungsansätze
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Organisationsgrad des betroffenen indigenen Volkes ab. Grundlegend sollte jedoch sein, daß eine Mitwirkung des jeweiligen indigenen Volkes garantiert und so ausgestaltet wird, daß Konflikte in der oben dargestellten Art im Entscheidungspozeß über die konkrete Umsetzung und Anwendung der völkerrechtlichen Verpflichtungen bezüglich des Umweltrechts und der Rechte indigener Völker bereits frühzeitig erkannt werden und gelöst werden können. Nur, wenn die Besonderheiten indigener Völker, wie sie in den internationalen Rechten reflektiert sind, verstanden und respektiert werden, können diese Rechte effektiv umgesetzt werden. Hierzu gehört besonders auch die Bereitschaft der Staaten, indigenen Völkern eine Möglichkeit zu bieten, an dem Verfahren beteiligt zu sein. Wie eine solche Beteiligungsform im einzelnen auszugestalten ist, ist vom Völkerrecht nicht vorgegeben. So muß nicht sichergestellt sein, daß den Völkern auch ein Mitentscheidungsrecht hinsichtlich der Umsetzung und Anwendung von völkerrechtlichen Verpflichtungen eingeräumt wird. Doch ist es unter dem Aspekt des Effet-utile-Prinzips unverzichtbar, indigene Völker wenigstens so zu beteiligen, daß ihre kulturellen Besonderheiten und Rechte im weiteren Verfahren bekannt sind und beachtet werden können. Ein Beispiel für eine auf nationaler Ebene gesetzlich vorgesehene Beteiligung indigener Völker stellt der neuseeländische Resource Management Act 1991 dar. Nach seinen Bestimmungen sind sowohl der grundlegende Treaty ofWaitangi zu beachten ist als auch die lokalen Maori Vertretungen zu Umweltschutzmaßnahmen zu hören sind. Weiterhin sind nach dem Gesetz iwi management plans, also indigene Pläne zur Umweltverwaltung der jeweiligen lokalen Gruppen in die staatlichen Maßnahmen einzubeziehen. 31
11. Materiellrechtliche Prinzipien Neben diesen verfahrensrechtlichen Prinzipen sind einige materiellrechtliche Prinzipien bei der Durchsetzung und Anwendung kollidierender völkerrechtlicher Bestimmungen im nationalen Recht zu berücksichtigen. Zu diesen materiellrechtlichen Prinzipien gehört zunächst das Gleichheitsgebot, das sich sowohl im Völkervertragsrecht als auch im Völkergewohnheitsrecht manifestiert hat. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang die Auslegung der völkerrechtlichen Bestimmungen i. S. d. Effet-utile-Prinzips zu nennen. Schließlich ist bei der Umsetzung
31
English. Environmental and Planning Law Journal 1996, 103 Oll ff.).
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Teil VI: Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze
und Anwendung völkerrechtlicher Normen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
J. Gleichheitsprinzip/Diskriminierungsverbot Für die nationale Umsetzung und Anwendung völkerrechtlicher Bestimmungen in Fällen, in denen Rechte indigener Völker betroffen sein können, ist das völkerrechtliche Gleichheitsprinzip bzw. das Diskriminierungsverbot als materiell-rechtliches Prinzip grundlegend. Bereits im Teil III wurde das Diskriminierungsverbot als Grundlage der Rechte indigener Völker behandelt. Darüber hinaus kommt diesem Prinzip jedoch bei der Berücksichtigung und Verwirklichung der Rechte indigener Völker im nationalen Recht bei der Umsetzung und Anwendung anderer völkerrechtlicher Verpflichtungen wie denen des Umweltrechts eine besondere Bedeutung zu. Die Erarbeitung der Konfliktskategorien und Lösungsansätze hat gezeigt, daß die Anwendung dieser Kategorien und Ansätze auch eine besondere Behandlung indigener Völker im Verhältnis zu dem Rest der Bevölkerung umfassen kann. Diese besondere Behandlung der kulturellen Identität indigener Völker kann das Problem der Diskriminierung aufwerfen. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen tatsächlich eine gegen das Gleichheitsprinzip verstoßende Diskriminierung vorliegt und, sollte eine Diskriminierung vorliegen, diese gerechtfertigt sein könnte. 32 Das Prinzip der Gleichbehandlung bzw. das Diskriminierungsverbot ist in der CERD völkervertragsstaatlich verankert. Es ist darüber hinaus ein völkergewohnheitsrechtlicher Rechtssatz 33 und ein allgemeiner Rechtsgrundsatz i. S. d. Art. 38 Abs. 1 lit. c), da dieses Prinzip in fast allen nationalen Rechtsordnungen zu finden ist. So ist das Diskriminierungsverbot bereits - zusammen mit dem Verweis auf fundamentale Menschenrechte - in der Charta der Vereinten Nationen, Art. I Abs. 3 und der Allgemeinen Menschenrechtserklärung in Art. 2 Abs. 1 enthalten. 34 Auch wenn indigene Völker in keiner der beiden Instrumente explizit genannt werden, so steht doch außer Frage, daß dieser Grundsatz. ebenso wie die n Vgl. Brownlie, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 1 (7). Nettheim, in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 107 (123); anders 1972 noch Delbrück, 92. 34 Caportorti, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (602), der in diesem Zusammenhang auch auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach Art. 56 i. V. m. 55 Buchst. c) UNC zur Verwirklichung der Menschenrechte verweist. 33
B. Prinzipien bei der Anwendung der Lösungsansätze
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fundamentalen Menschenrechte, für alle Individuen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu ethnischen, religiösen oder sprachlichen Gruppen, gilt. 35 Während das völkerrechtliche Verbot der Diskriminierung unbestritten ist, ist das Verständnis von "Diskriminierung" nicht ganz einheitlich. Zum einen wird Diskriminierung i. S. d. völkerrechtlichen Gleichheitsprinzips bzw. Diskriminierungsverbotes so verstanden, daß jegliche Ungleich behandlung auf der Grundlage der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, Hautfarbe, Abstarnrnung oder ähnlichem ohne weitere Qualifizierung erfaßt ist. Bei diesem Verständnis von Diskriminierung wird nicht auf das Prinzip der materiellen Gleichheit abgestellt, sondern vielmehr auf die formale Ungleichbehandlung. Dieser Interpretation wurde von dem Australian High Court in Gerhardy v. Brown 36 gefolgt, indem festgestellt wurde, daß jegliche Ungleichbehandlung auf der Grundlage von Rassenzugehörigkeit eine Diskriminierung i. S. d. s. 9 des Racial Discrimination Act J975 (Cth), der die australische Umsetzung der CERD ist/ 7 darstellt. Eine Diskriminierung kann jedoch unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein, wenn durch die vorgenommene Ungleichbehandlung bestehende Nachteile ausgeglichen werden sollen. Diese besonderen Umstände sind in der CERD in Art. 1 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 2 sowie in Art. 3 ILO-Konvention Nr. 107 formuliert. 38 Dabei ist zu bemerken, daß Art. 2 Abs. 2 CERD eine Verpflichtung enthält, besondere Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. 39 Dabei ist die unterschiedliche Behandlung von Gruppen nach Art. 2 Abs. 2 CERD im Rahmen von besonderen Maßnahmen nur für eine gewisse Zeit vorgesehen bis die angestrebte Integration der einzelnen Mitglieder dieser Gruppe in die nationale Gesellschaft vollzogen ist. 40
35 Alfredsson, Journal oflnternational Affairs 36 (1982), 113 (119); Wolfrum, Europa Archiv 1993,681 (686); Capotorti, EPIL 8 (1985), 386 (391) und Capotorti, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, 598 (603); Kastrup. Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (110); Suagee. Uni versity of Michigan Journal of Law Reform 25 (1992), 671 (681); Rehof, Nordic Journal of International Law 61 (1992), 19 (22); Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 18, 1 und Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 9, 13; vgl. auch Obsahl. in: Summary Record of the Human Rights Committee, 25th Session, UN Doc. CCPR/C/SR.618, 8; Stromski, American Indian Law Review 16 (1991), 575 (581). 36 Gerhardy v. Brown (1985), 184 CLR 212 ff. 37 Vgl. auch Sadursky, Sydney Law Review 11 (1986), 5 (7 ff.); Nettheim, Australian Law Journal 61 (1987), 291 (298). 38 Gerhardy v. Brown (1985),184 CLR 212 (334/335. Brennan J und 345, Deane J). 39 Nettheim. in: Crawford (ed.), The Rights ofPeop1es, \07 (124). 40 Ebd. (126); vgl. auch Delbrück. 111 ff.
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Teil VI: Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze
Nach diesem Verständnis von Diskriminierung wären sowohl der AusnahmeAnsatz als auch der Kooperations-Ansatz als Diskriminierung zu qualifizieren. Der Ausnahme-Ansatz schafft eine Ungleichbehandlung und Bevorzugung auf der Grundlage von Rassenzugehörigkeit durch die Nichtanwendung bestimmter Verbote im Hinblick auf die Angehörigen indigener Völker, während diese Verbote für Angehörige der nicht-indigenen Gruppen weiterhin Anwendung finden. Der Kooperations-Ansatz beinhaltet eine solche Ungleichbehandlung auf der Grundlage von Rassenzugehörigkeit bereits auf einer früheren Ebene - bei der Formulierung der umweltrechtlichen Normen. Auch in diesem Falle würde eine Unterscheidung in der Behandlung auf der Rassenzugehörigkeit bzw. der kulturellen Zugehörigkeit getroffen werden, indem gerade indigene Völker auf besondere Weise in den Normsetzungs- und anwendungsprozeß integriert werden. Andererseits könnte "Diskriminierung" auf solche Ungleichbehandlungen zu reduzieren sein, die auf die Rassenzugehörigkeit, Hautfarbe, Abstammung gegründet sind und die den Zweck oder den Effekt haben, dieser Gruppe die Anerkennung oder die Ausübung von Menschenrechten und Grundfreiheiten zu erschweren oder unmöglich zu machen. 41 Nach dieser Auslegung, die sich auf den Wortlaut des Artikel 1 Abs. 1 CERD gründet, sind nur negative Ungleichbehandlungen als Diskriminierung anzusehen. 42 Ein Rückgriff auf die Ausnahmenorm der "special measures" wäre also bei "positiven Diskriminierungen" nicht nötig. Besondere Rechte können gewährt werden, um Minderheiten die Möglichkeit zu geben, ihre Charakteristika und Traditionen zu erhalten und somit ebenso wichtig für die Erreichung der Gleichbehandlung sein wie die Nichtdiskriminierung. 43 Nach dieser Interpretation wäre eine besondere Behandlung indigener Völker bei der Anwendung des Ausnahme-Ansatzes oder des Integrationsansatzes nicht als Diskriminierung zu qualifizieren, da diese Ansätze gerade nicht den Zweck oder Effekt haben, den indigenen Völkem die Anerkennung oder Ausübung von Menschenrechten und Grundfreiheiten zu erschweren oder unmöglich zu machen. Denn beide Ansätze schaffen eine Unterscheidung auf der Grundlage von Rassenzugehörigkeit gerade um die Anerkennung und die Ausübung von Menschenrechten und Grundfreiheiten für indigene Völker zu ermöglichen. Folglich liegt der Zweck und der Effekt dieser Ansätze darin, die Situation der indigenen Völker zu verbessern, und nicht darin, ihre nachteilige Situation festzuschreiben und fort41 Vgl. Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 CERD oben Teil 111. A. 4.; Sadursky, Syndey Law Review 11 (1986),5 (34 f.) und Brownlie, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 4 (9). 42 Vgl. auch Sadursky, Sydney Law Review 11 (1986),5 (0131). 43 Eide, Sri Lanka Journal of International Law 7 (1995), 47 (56 f.); Centre for Human Rights, Fact Sheet No. 18, 4.
B. Prinzipien bei der Anwendung der Lösungsansätze
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zuführen. Damit erfüllen diese beiden Ansätze nach dieser zweiten Auslegung nicht die Merkmale einer Diskriminierung und eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung ist nicht nötig. Von praktischer Bedeutung ist diese Unterscheidung in der Definition von "Diskriminierung" bei der Anwendung völkerrechtlicher Verpflichtungen auf indigene Völker nicht auf den ersten Blick. Denn zunächst soll durch beide Definitionen sichergestellt werden, daß indigene Völker nicht anders behandelt werden als der Rest der Bevölkerung. Dies ist ausreichend, um zu gewährleisten, daß indigene Völker gleichberechtigt am politischen und gesellschaftlichen Leben ihres Heimatstaates teilnehmen können. Dies gilt auch dann, wenn besondere Maßnahmen getroffen werden, um eine bislang bestehende Benachteiligung indigener Völker - wie sie in vielen Staaten noch besteht - auszugleichen. Allerdings ist die formale Betrachtung der Diskriminierung als jegliche Form der Ungleichbehandlung nicht geeignet, den kulturellen Besonderheiten dieser Völker in Form einer besonderen Behandlung in bestimmten Bereichen Rechnung zu tragen. So sind indigene Völker aufgrund ihrer kulturellen Besonderheiten unterschiedlich vom der Rest der Bevölkerung. Wird nun angenommen, daß diese Ungleichheit im Rahmen der kulturellen Diversität einen Wert darstellt, der zu erhalten ist, dann kann diese Ungleichheit auch nicht Gegenstand einer besonderen Maßnahme sein, die darauf gerichtet ist, in einem bestimmten Zeitraum die Ungleichheit zu beseitigen. Vielmehr handelt es sich bei den kulturellen Besonderheiten indigener Völker nicht um eine zu beseitigende Benachteiligung als vielmehr um eine schützenswerte Ungleichheit. 44 Dies unterstellt, kann die Anwendung der formalen Betrachtung der Diskriminierung Probleme aufwerfen, da eine kulturell bedingte unterschiedliche Behandlung indigener Völker eine Diskriminierung darstellen würde, die bestenfalls durch besondere Maßnahmen ausgeglichen und beseitigt werden kann. Im Gegensatz hierzu kann die Anwendung der materiellen Betrachtung der Diskriminierung dieser Besonderheit indigener Völker begegnen. Liegt eine schützenswerte kulturelle Besonderheit eines indigenen Volkes, die eine unterschiedliche Behandlung gegenüber dem Rest der Bevölkerung erfordert, vor, so läge nach der materiellen Betrachtung der Diskriminierung zwar eine Ungleichbehandlung nicht aber eine Diskriminierung vor. Denn aufgrund der Unterschiedlichkeit der Kulturen würden diese auch unterschiedlich behandelt werden. Eine Diskriminierung läge erst dann vor, wenn die Ungleichbehandlung darauf abzielte oder den Effekt hätte, die
014 Vgl. zur Gleichheit durch Beachtung der Unterschiede auch Jayme. Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 16 (\996), 237 (24\).
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Teil VI: Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze
Anerkennung oder Ausübung von Menschenrechten und Grundfreiheiten zu erschweren oder unmöglich zu machen. Somit können Ungleichbehandlungen danach abgegrenzt werden, ob sie lediglich darauf gerichtet sind, einen bestehenden Nachteil einer grundsätzlich gleichen Gruppe auszugleichen oder einer bestehenden U nterschiedlichkeit Rechnung zu tragen. Im ersten Fall kommen beide Definitionen von "Diskriminierung" zum gleichen Ergebnis: Ungleichbehandlung ist - jedenfalls für einen gewissen Zeitraum - zum Ausgleich des Nachteils zulässig. Im zweiten Fall jedoch ist auf die materielle Betrachtung von "Diskriminierung" zurückzugreifen, da nur dadurch die Gleichheit der Gruppen gewährleistet werden kann. 45 So bedarf es unter bestimmten Voraussetzungen einer ungleichen Behandlung, um unterschiedlichen Gruppen gleiche Anerkennung und Ausübung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten gewähren zu können. Aus diesem Grund ist nicht jede Unterscheidung auf der Grundlage ethnischer oder Rassenzugehörigkeit als Diskriminierung zu qualifizieren. Eine Diskriminierung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn das Kriterium der Rassen- oder ethnischen Zugehörigkeit eine objektive Grundlage und einen vernünftigen Grund hat. 46 So kann nicht davon ausgegangen werden, daß ein indigenes Volk, dem es verwehrt wird, entsprechend seiner Kultur zu leben, gleich behandelt wird wie der Rest der Bevölkerung, der entsprechend seiner Kultur leben kann. Dieses Verständnis von "Diskriminierung" entspricht auch dem Sinn und Zweck des Diskriminierungsverbotes bzw. des Gleichheitsprinzips. Sinn und Zweck des Gleichheitsprinzips ist, Gleiches gleich und Ungleiches in dem Maße seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. 47 Es kann also nicht um eine rein formale Betrachtung der jeweiligen Behandlung gehen, sondern es muß festgestellt werden, welche Sachverhalte der jeweiligen Behandlung zugrunde liegen. Insoweit handelt es sich also um einen relativen Grundsatz. 48 Denn eine tatsächliche Gleichheit zwischen Minderheit und Mehrheit der Bevölkerung kann nicht nur durch Nicht-Diskriminierung im Sinne von Nicht-Unterscheidung erreicht
45 Sadursky, Sydney Law Review 11 (1986),5 (35); Brownlie, in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 1 (9) m. w. N. 46 Brownlie, in: Crawford (ed.), The Rights of Peoples, 1 (9). 41 Ebd. (463/464); vgl. auch Gerhardy v. Brown (1985), 184 CLR 212 (338), dieses Argument wurde jedoch leider nicht weiterentwickelt und von Brennan J auf den Fall angewendet. 48 Vgl. Richter Tanaka, für den die Gleichheit für die Frage der Menschenrechte von elementarer Bedeutung und als relativer Grundsatz ausgeprägt ist, Diss. op. of Judge Tanaka, l.c.J. Rep. 1966,6,463.
B. Prinzipien bei der Anwendung der Lösungsansätze
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werden, sondern es sind auch besondere Maßnahmen erforderlich, um die tatsächliche Gleichheit herzustellen. 49 Dieser Anwendungsfall der formalen Ungleichbehandlung, um eine Gleichheit gewährleisten zu können, ergibt sich auch bei der Umsetzung und Anwendung kollidierender völkerrechtlicher Umweltbestimmungen und internationaler Rechte indigener Völker. Es ist allgemein anerkannt, daß besondere Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung indigener Kulturen erforderlich sind. so Zwar wird die Anerkennung indigener Kulturen und gewohnheitsrechtlicher Rechtssysteme z. T. als Diskriminierung bewertet. Doch ist sowohl durch nationale als auch durch internationale Gerichte anerkannt worden, daß das Verbot der Diskriminierung nicht unbedingt eine identische Behandlung aller Gruppen verlangt.S1 In dem Zusammenhang dieser Untersuchung ist von besonderer Bedeutung, daß indigene Völker ein besonderes Verhältnis zu dem Land und der Umwelt haben, mit und von der sie leben. 52 Wegen dieses besonderen Verhältnisses sind die indigenen V ölker in besonderer Weise betroffen, wenn umweltrechtliche Vorschriften sie in ihren Praktiken bezüglich ihres Lebensunterhaltes und ihres spirituellen Lebens limitieren. Folglich haben indigene Völker und nicht-indigene Völker unterschiedliche Bedürfnisse und Rechte, wenn es um bestimmte umweltrechtliche Fragen geht. Somit sind indigene Völker, um "gleich" behandelt zu werden, unterschiedlich zu behandeln. Aus diesem Grund kann den kulturellen Besonderheiten im Rahmen der Umsetzung völkerrechtlicher Umweltbestimmungen zum Teil nur dadurch Rechnung getragen werden, daß indigenen Völkern und ihren Angehörigen besondere Rechte eingeräumt werden, um ihre kulturellen Besonderheiten wahren zu können. Dies gilt für alle der im Teil V entwickelten Lösungsansätze. Der Ausnahme-Ansatz, der Kooperations-Ansatz und der Autonomie-Ansatz beinhalten jeweils Elemente, die, um eine Berücksichtigung der kulturellen Besonderheiten indigener Völker zu gewährleisten, eine besondere Behandlung indigener Völker und ihrer Angehörigen voraussetzen. Als materiellrechtlicher Verfahrensgrundsatz ist durch das Gleichheitsprinzip bei der Umsetzung und Anwendung kollidierender völkerrechtlicher Bestimmungen also zu gewährleisten, daß eine tatsächliche Gleichheit der jeweiligen kulturellen Gruppen mit ihren Besonderheiten erreicht wird. Es ist daher bei der Vornahme der Umsetzungs- und Anwendungsakte zu prüfen, ob die Situation der Cholewinski, Human Rights Quarterly 10 (1988),344 (363) m. w. N. Ebd. (361). 51 Triggs, in: Crawford (ed.), The Rights ofPeoples, 141 (147) unter Verweis auf Judge Tanaka, ICJ Rep. 1966, 305/306. 52 Vgl. oben, 11. 2. 49
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Teil VI: Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze
betroffenen indigener V ölker eine ungleiche Behandlung erfordert. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob diese ungleiche Behandlung zu erfolgen hat, um bestehende Nachteile gegenüber dem Rest der Bevölkerung auszugleichen - dies wird im Bereich des Umweltrechts in der Regel nicht der Fall sein, oder ob die ungleiche Behandlung erforderlich ist, um den kulturellen Besonderheiten indigener Völker - wie sie auch in ihren völkerrechtlichen Rechten widergespiegelt sind - Rechnung zu tragen. Dieser Grund der Ungleichbehandlung wird, wegen des besonderen Verhältnisses zur Umwelt wie es den indigenen Kulturen zu eigen ist, bei der Umsetzung und Anwendung völkerrechtlicher Verpflichtungen im Umweltrecht die größere Rolle spielen. Somit kann das Gleichheitsprinzip einen Leitfaden für die Berücksichtigung indigener Rechte bei der Umsetzung und Anwendung völkerrechtlicher Umweltbestimmungen darstellen.
2. "EJfet-utile" -Prinzip Es gibt im Völkerrecht keine Nonnenhierarchie hinsichtlich der Umsetzung und Anwendung der verschiedenen völkerrechtlichen Verpflichtungen. Tritt also bei der Umsetzung und Anwendung ein Konflikt zwischen verschiedenen Verpflichtungen auf, so gelten keine festen Regeln, welche Bestimmung gegenüber der anderen Vorrang zukommt. Ein Rangverhältnis besteht auch nicht zwischen dem Völkervertragsrecht und dem Völkergewohnheitsrecht. Solange eine völkerrechtliche Verpflichtung, gleich welcher Rechtsquelle, für den jeweiligen Staat bindend ist, ist diese Verpflichtung zu beachten. Dabei hat die Auslegung, Umsetzung und Anwendung dieser Verpflichtung unter Anwendung des EJfet-utilePrinzips zu erfolgen. Das bedeutet, jede Verpflichtung ist so auszulegen und anzuwenden, daß sie eine möglichst effektive Wirkung entfalten kann. Handelt es sich aber um einen Fall von kollidierenden Verpflichtungen, so ist die Effektivität der Nonnanwendung beider Bestimmungen gemeinsam zu betrachten. Mit dem EJfet-utile-Prinzip ist es nicht vereinbar, eine der kollidierenden Verpflichtungen vollständig und effektiv umzusetzen und anzuwenden und dadurch eine Anwendbarkeit der anderen Verpflichtung gänzlich auszuschließen. Vielmehr muß in einer solchen Situation versucht werden, unter Berücksichtigung der Ziele bei der Verpflichtungen, eine Anwendung zu finden, die beiden Verpflichtungen in größtmöglichem Maße Rechnung trägt. Bei einer solchen "integrativen Auslegung" der beiden kollidierenden Verpflichtungen ist darauf abzustellen, welchen Schutzbereich die Verpflichtungen
B. Prinzipien bei der Anwendung der Lösungsansätze
219
garantieren sollen und inwieweit durch eine Berücksichtigung der anderen Verpflichtung in den Schutzbereich der jeweiligen Norm eingegriffen wird. Durch eine entsprechende Auslegung ist so zu ermitteln, welche Einschränkungen hinsichtlich der Anwendung der in Frage stehenden Verpflichtungen gemacht werden können, ohne daß der Sinn und Zweck der Bestimmung verfehlt wird. Da die völkerrechtlichen Verpflichtungen den Staaten in der Regel einen weiten Ermessensspielraum im Hinblick auf die nationale Umsetzung der umweltrechtlichen Verpflichtungen und der Rechte indigener Völker 3 lassen, kann es möglich sein, bereits durch die Art der Umsetzung eine Kollision zwischen diesen beiden Rechtsgebieten zu vermeiden. Eine solche Vermeidung ist bereits in gewisser Weise im Bereich des internationalen Walfangs und der Bonner Konvention unter Art. 3 Abs. 5 lit. c) und d) angelegt, indem Ausnahmen zugunsten indigener V ölker von den internationalen Verboten vorgesehen sind. 54 In einem solchen Fall wäre die Reglementierung der Ausnahme im Lichte der Rechte indigener Völker vorzunehmen. Ist eine Vermeidung einer Kollision der Rechtspflichten nicht bereits durch die Wahl der Umsetzungsart möglich, so ist sicherzustellen, daß im Zusammenspiel der kollidierenden Verpflichtungen eine Umsetzung gefunden wird, die beiden kollidierenden Bestimmungen Rechnung trägt. Zur Erreichung dieses Zieles bieten sich die Befolgung bestimmter Verfahrensschritte bei der Umsetzung und Anwendung der in Rede stehenden Verpflichtungen an. Der erste Verfahrensschritt urnfaßt die rechtliche Beurteilung der völkerrechtlichen Pflichten, die geeignet sind, eine Kollision verschiedener Rechte und Pflichten hervorzurufen. Dazu sind zunächst Inhalt, Sinn und Zweck sowie das Ziel der völkerrechtlichen Bestimmungen zu ermitteln. Im weiteren sollten in diesem Verfahrensschritt auch die Umsetzungsmöglichkeiten zusammengestellt werden, die nach der völkerrechtlichen Verpflichtung eröffnet sind und die der nationalen Rechtsordnung des umsetzenden Staates entsprechen. In einem zweiten Verfahrensschritt ist festzustellen, ob und ggf. auf welche Art ein Konflikt zwischen den völkerrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Umwelt und den Rechten indigener Völker entstehen kann. Aus den oben dargelegten Gründen sollten an diesem Verfahrensschritt die betroffenen indigenen Völker beteiligt werden, die von der Umsetzung der Bestimmungen betroffen sein könnten. Denn nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß die kulturellen Besonderheiten dieser Völker bekannt sind und so eine Grundlage im EntscheiSJ S4
Kastrup, Texas International Law Journal 32 (1997), 97 (114). Vgl. Teil IV. B. 11. 2. a).
220
Teil VI: Prinzipien zur Anwendung der Lösungsansätze
dungsprozeß darstellen können. 55 In diesem Verfahrens schritt sollte auch festgestellt werden, inwieweit die geltend gemachten kulturellen Besonderheiten des jeweiligen Volkes mit für den Staat verbindlichen Rechten indigener Völker korrespondieren. Denn das Verfahren soll der Bewältigung von rechtlichen Pflichten dienen, die sich aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten konkretisieren. In einem dritten Verfahrensschritt muß geprüft werden, ob eine Kollision der Umweltbestimmungen und der Rechte indigener Völker bereits durch die Wahl einer bestimmten Umsetzungsform vermieden oder bewältigt werden kann. In diesem Verfahrensabschnitt können die in Teil V entwickelten Ansätze, namentlich der Ausnahme-Ansatz und der Kooperations-Ansatz eingesetzt werden, um einen Konflikt der Umweltbestimmungen mit den kulturellen Besonderheiten indigener Völker zu vermeiden oder aber den kulturellen Besonderheiten durch die Gewährung von Ausnahmen oder der Mitwirkung an der Anwendung dieser Bestimmungen in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen. Möglich ist, daß im dritten Verfahrens schritt keine Vermeidung oder Bewältigung des entstehenden Konfliktes erreicht werden kann. Dies könnte z. B. darauf beruhen, daß die Umweltbestimmung bereits ein absolutes Verbot hinsichtlich der Nutzung bestimmter Umweltgüter enthält. In einem solchen Fall ist zu ermitteln, wie erheblich die Eingriffe in die jeweiligen Rechte und Pflichten wären, würden beide Rechtsgebiete berücksichtigt werden. So könnte ein absolutes Nutzungsverbot ein Gebiet oder eine Art betreffen, die für das jeweilige indigene Volk keine besondere Bedeutung hat. Betrifft das Nutzungsverbot dagegen ein Gebiet oder eine Art, die für die Aufrechterhaltung der kulturellen Identität des jeweiligen indigenen Volkes von zentraler Bedeutung ist, so muß dieser Umstand bei der Umsetzung der umweltrechtlichen Bestimmung berücksichtigt werden. Zu denken wäre etwa an die Anwendung einer besonderen Ausprägung des Ausnahme-Ansatzes. Dabei ist zu beachten, daß auch der Ausnahme-Ansatz auf verschiedene Art und Weise ausgestaltet sein kann. So wäre es möglich, eine Ausnahme darauf zu beschränken, daß das Gebiet oder die Art nur für religiöse, spirituelle oder zeremonielle Handlungen genutzt werden darf, nicht aber zur Deckung des Lebensbedarfes. Neben dieser inhaltlichen Beschränkung ist auch eine mengenmäßige Beschränkung denkbar. So könnte einem indigenen Volk zugestanden werden, von dem Verbot bis zur Erreichung einer bestimmten Quote ausgenommen zu sein.
5S
Vgl. unter I. 2. zur Mitwirkung indigener Völker an diesen Prozessen.
B. Prinzipien bei der Anwendung der Lösungsansätze
221
3. VerhältnismäßigkeitiProportionalität
Schließlich ist bei der Umsetzung und Anwendung kollidierender völkerrechtlicher Verpflichtungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dieser Grundsatz findet sich in fast allen nationalen Rechtsordnungen und stellt somit einen allgemeinen Rechtsgrundsatz i. S. d. Art. 38 Abs. llit. c) IGH Statut dar. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist im Einzelfall- ausgehend von dem Sinn und Zweck der fraglichen Bestimmungen - zu ermitteln, welchen Schutzbereich die jeweilige Bestimmung hat und wie schwer der mögliche Eingriff wäre. Je stärker der Kern des Schutzbereiches betroffen ist, desto größere Anforderungen sind an die Rechtfertigung des Eingriffs zu stellen. Im einzelnen bedeutet dies, daß je schwerer die geschützte Art oder das geschützte Gebiet durch die Berücksichtigung indigener Rechte beeinträchtigt wird, desto höher sind die Anforderungen, die an diese Rechte zu stellen sind. Für eine Rechtfertigung eines schweren Eingriffs in den Umweltschutz käme also nur ein Recht indigener Völker in Betracht, das den Kernbereich der kulturellen Identität gewährleisten soll. Ebenso gilt, je schwerer der Eingriff in diesen Kernbereich der kulturellen Identität indigener Völker wäre, desto höher ist die Anforderung an die Rechtfertigung aus umweltrechtlichen Gesichtspunkten. Diese Abwägung ist im Rahmen der Umsetzung und Anwendung völkerrechtlicher Umweltbestimmungen und internationaler Rechte für den konkreten Einzelfall vorzunehmen. Ziel der Abwägung muß es sein, jedes der Rechte nur in einem möglichst geringen Maße einzuschränken. Es ist also das Mittel des geringsten Eingriffs im Einzelfall zu wählen, das geeignet ist, beiden Rechtsgütern des Völkerrechts möglichst volle Verwirklichung zu garantieren.
Teil VII
Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse Die vorgehende Untersuchung zeigt, daß sich zwischen dem völkerrechtlichem Schutz umweltrelevanter kultureller Besonderheiten indigener Völker und den internationalen Umweltbestimmungen Konflikte in verschiedener Ausprägung entstehen können. Dabei zeigt sich, daß bereits in tatsächlicher Hinsicht den "Nicht-Indigenen" in diesem Kontext vor allem das Verständnis der indigenen Kulturen Schwierigkeiten bereitet. Durch die grundlegend unterschiedlichen Konzeptionen im Hinblick auf praktisch alle Bereiche des Lebens wird die Berücksichtigung der Rechte indigener Völker in der jeweiligen Ausprägung ihrer kulturellen Besonderheiten für Außenstehende fast unmöglich. Aus diesem Grund ist die zentrale Voraussetzung für die Umsetzung und Anwendung der völkerrechtlichen Rechte indigener Völker die Beteiligung der Angehörigen dieser Völker auf internationaler wie auf nationaler Ebene. Nur auf diese Weise kann den rechtlich bereits geschützten Besonderheiten dieser Kulturen Rechnung getragen werden. Dies gilt, wie die Untersuchung gezeigt hat, in besonderem Maße für die umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten indigener Völker, die mit völkerrechtlichen Umweltbestimmungen in Konflikt geraten können. Grundlagen für rechtliche Ausprägung dieser Konflikte ist einerseits der völkerrechtliche Schutz kultureller Besonderheiten indigener Völker, der sich aus dem Völkervertragsrecht sowie dem Gewohnheitsrecht und - in einem gewissen Umfang - auch aus den neueren Entwicklungen des Völkerrechts, dem sog. soft law, ergibt. Es ist festzuhalten, daß die mit diesem Schutz korrespondierenden Rechte indigener Völker sich aus dem Bereich der Menschenrechte ergeben. Nach diesen Bestimmungen haben indigene Völker das Recht, ihre kulturelle Identität zu bewahren. Hieraus leitet sich das Recht ab, die kulturellen Besonderheiten, und damit auch die umweltrelevanten Besonderheiten, zu erhalten, auszuüben und fortzuentwickeln. Dabei sind einerseits einzelne Praktiken und Traditionen Gegenstand der völkerrechtlichen Rechte, andererseits wird die kulturelle Identität als solche durch das Völkerrecht geschützt.
Teil VII: Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse
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Andererseits ist die rechtliche Grundlage für diese Konflikte in den internationalen Umweltnonnen zu finden, die sich ebenfalls aus dem Völkervertragsrecht, dem Gewohnheitsrecht und in den Ausprägungen des soft law ergeben. Die Untersuchung dieser Bestimmungen hat gezeigt, daß Konflikte bei den verschiedenen Schutzrichtungen dieser Bestimmungen entstehen können. So ist der Schutz einzelner Arten ebenso geeignet, die umweltrelevanten Besonderheiten indigener V ölker und damit die Ausübung ihrer diesbezüglichen Rechte zu betreffen wie der Schutz ganzer Gebiete oder Ökosysteme. Eine Verallgemeinerung hinsichtlich der Intensität der entstehenden Konflikte läßt sich jedoch anhand der Schutzrichtungen der internationalen Bestimmungen nicht treffen. Dies gilt sowohl für die zwei Schutzrichtungen der menschenrechtlichen Bestimmungen - Schutz und Anerkennung indigener Praktiken und Traditionen einerseits und der kulturellen Identität und Integrität andererseits - als auch für die zwei Schutzrichtungen des Umweltrechts - Schutz einzelner Arten einerseits und ganzer Gebiete und Ökosysteme andererseits. Vielmehr ist in jedem Einzelfall der Umsetzung dieser völkerrechtlichen Bestimmungen anhand der hier entwickelten Kriterien zu prüfen, ob Konflikte entstehen können, auf welche Art sie sich manifestieren, welche Intensität sie für die jeweiligen Rechtsgüter entwickeln und schließlich, ob sie vermieden oder wenigstens gelöst werden können. Zu diesem Zweck bietet sich die Anwendung der im Teil V entwickelten Konfliktskategorien und Lösungsansätze an. Durch diese Kategorien wird das Erkennen und die Einordnung der Art des entstandenden oder potentiellen Konfliktes zwischen den beiden Rechtsgütern erleichtert. Auf dieser Grundlage kann der identifizierte Konflikt darauf hin untersucht werden, welcher der entwickelten Ansätze zu seiner Lösung beitragen kann. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, daß ein Sachverhalt unter mehrere der entwickelten Kategorien und Lösungsansätze fällt. Entscheidend ist lediglich, daß auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung der internationalen Bestimmungen, des nationalen Rechtssystems und der jeweiligen kulturellen Besonderheiten des betroffenen indigenen Volkes eine Lösung gefunden wird, die diesen Belangen angemessen Rechnung trägt. In diesem Stadium kann dann auf die in Teil VI zusammengestellten Leitlinien zurückgegriffen werden. Die dort entwickelten Grundsätze fonneller und materieller Art sind geeignet, die Berücksichtigung der einander entgegenstehenden Belange in dem Umsetzungs- und Anwendungsprozeß der Völkerrechtsbestimmungen zu gewährleisten. Von zentraler Bedeutung sind hierbei das Mitwirkungselement und der Gleichheitsgrundsatz, um eine angemessene Berücksichtigung der Rechte indigener Völker auf Ausübung ihrer umweltrelevanten kulturellen Besonderheiten zu ennöglichen.
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Teil VII: Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse
Hiennit wird also ein Instrumentarium bereitgestellt, das es ennöglicht, Konflikte frühzeitig zu erkennen, Lösungsansätze aufzuzeigen und einer Art Leitfaden für die Anwendung dieser Lösungsansätze zu folgen, um Konflikte zwischen dem Umweltrecht und den kulturellen Besonderheiten indigener Völker in der Zukunft angemessen lösen zu können. Im Kontext konkreter Rechtsanwendung stellt sich die rechtlich und politisch angestrebte Multikulturalität als Herausforderung dar, sich mit fremden Kulturen, ihren Werten und Errungenschaften auseinanderzusetzen. Von der konkreten Anwendung der Multikulturalität im Bereich der Schnittstellen des internationalen Umweltrechts und der Rechte indigener Völker aber können nicht nur die Indigenen profitieren, sondern auch der Schutz der Umwelt. Denn durch die Anerkennung dieser Völker und der Kooperation mit ihnen können aus den indigenen umweltrelevanten Besonderheiten neue Impulse für das derzeit bestehende System des Umweltschutzes gewonnen werden. Gleichwohl sollen die Ergebnisse dieser Arbeit dazu beitragen, nicht nur den utilitaristischen Aspekt der Anerkennung kultureller Besonderheiten indigener Völker herauszustellen, sondern auch die Bereitschaft zu fördern, diese Kulturen ernstzunehmen und als Wert an sich anzuerkennen. Auf dieser Grundlage können die entwickelten Konfliktskategorien und Lösungsansätze sowie Prinzipien zu ihrer Anwendung eingesetzt werden, um das Verständnis für die sich ergebenden Konflikte zu verbessern und diese zukünftig zu venneiden oder aber unter Berücksichtigung der kollidierenden Interessen angemessen zu lösen. Dabei ist der Anwendungsbereich dieser Ergebnisse nicht allein auf die Anwendung und Umsetzung bereits bestehender völkerrechtlicher Umweltnonnen und Rechte indigener Völker in nationalen Rechtsordnungen beschränkt, sondern kann auch bei der Fonnulierung neuer Nonnen im Völkerrecht Anhaltspunkte für den notwendigen Interessenausgleich zwischen dem Schutz der Umwelt und den Rechten indigener Völker bieten.
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Sachwortverzeichnis Abkommen zum Schutz von Zugvögeln 188
Autonomie, kulturelle 92 ff., 112ff., 171, 185 f., 198 ff., 210
Aboriginal and Torres Strait Islander Commission 84, 103
Bald Eagle Protection Act (US) 161, 176
Aboriginal Industries Board 103
Biologische Vielfalt 39,131 ff., 153 f., 199
Aborigines und Torres Strait Islander 28, 42,45,84, 144, 175 f., 181, 183, 192 ff., 208 f.
Bluntschli 25
Acher River National Park 183 Acuerdo de paz Firnre Durandera 104 Agreement on Joint Stewartship 195 Alaska National Interest Land Conservation Act 144, 176 Alonquin PeoplelPark 181 Amazonas 18, 187 Ambroseli-Nationalpark 164 American Indian Religious Freedom Act 86 Amuesha 144 Anaya 99 Antarktis 125 Anthropologischer Ansatz 38 f. Apartheid 95 Arctic Environmental Strategy 195 Artenschutz 22, 136 ff., 160 ff. Asien 28 Assimilation 20, 46, 83 f., 97 Assoziierung, freie 58, 94 Australian Law Reform Commission 64 Australien 28, 42, 45,84, 103, 161, 175 f., 181,183,188 f., 192 f., 208 f. Autonomie 99 ff., 105, 198 ff.
Biotechnologie 73, 134 f., 192 Brasilien 87 f., 187, 194 Brownlie 32,149 CERD-Ausschuß 19,76 f. CERD-Konvention 74 ff., 212 ff. Chief Justice Marshali 32 Clean Air Act 102 Commom law 172 Council for Aboriginal Reconciliation Act (Aus) 84 Cowichan Indian Band 195 Crown Lands Act (Tas) 161 Cultural Development Programme 86 Cyunga Indians Case 32 Dänemark 88,104,208 Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-Operation among States in accordance with the Charter of the United Nations 26 Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples 26 Dekolonisierung 26, 93 ff. Dichotomie, Mensch-Umwelt 40, 43
246
Sachwortverzeichnis
Dick v. R. 177
Global commons 125, 128 f.
Diskriminierungsverbot 63, 75 ff., 212 ff.
Greenland Horne Ru1e Government 88
Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples 29, 35,41,90,96, 105, 108 ff., 120
Grönland 104
Eagle Protection Act (US) 169 ECOSOC 21 Ecuador 194 Eigentum, geistiges 48, 78 ff., 112 eingeboren/einheimisch 27 f.
Gruppenrechte 27, 48 f., 65 Guatemala 86, 104 Gurig (Coburg Peninsula) Nationalpark 193 f. Handel 147 f. Historic Places Act (NZ) 208 Hohe See 125
Endangered Species Act (US) 176 Environmental Protection Agency (US) 102,201
n..O-Konvention Nr. 10749 ff., 89
Ermacora29
ILO-Konvention Nr. 16928,30,49 ff., 89 f., 105, 116 ff.,
Ernährung 71
Indian Act, Kanada 101
Ethnozid 91 ff., 110, 120
Indian Garning Regu1atory Act (US) 96
Existenzmittel 66 f.
Indian General Crimes Act (US) 85 Indian Treaty Council 62
Fauna Conservation Act (Qld) 175
Indianer 28,85 f., 102 f.
Feuchtgebiete 136 ff.
Indigene Völker, Defintion 24 ff.
Feuerpraktiken, traditionelle 193
In-situ-Erhaltung 132 f.
Finnland 89, 208
Integration 20, 46, 50, 58, 83 ff., 94 ff.
Fischerei 43, 55, 70 f., 100, 111, 114 ff., 118, 125, 139 ff., 161, 176, 183, 188, 195
Integrität, territoriale 59, 94 f.
Fisheries Act (NZ) 187 Fisheries Act (Q1d) 176 Fremdbestimmung 29 Fremdrnacht 27 Gathering Strength Canada's Aboriginal Action Plan 8, 101 GA1T79 Generationen, künftige 40 Gerhardy v. Brown 213 Gesundheit 55 f., 72,111,117,164,174 Gleichheit 67,70,75 ff., 96, 212 ff. Gleichheitsgrundsatz 52, 212 ff.
Inuit 28, 88,149,161,176,188 Inuit Circumpo1ar Conference 88, 195 Inuvialuit (Western Arctic) Agreement 100, 195 IPBPR 18,56 ff. IPWSKR 56 ff., 116 ff. !sland 208 Is1and Counci1s 103 Is1and Industries Board 103 Jack and Charlie v. R. 177 Jagd43,55, 70f., 100, 111, 114ff., 118, 139ff., 161, 176ff., 188, 195 James Bay and Northern Quebec Agreement 100
Sachwortverzeichnis Jugoslawien 58
247
Minderheit 29, 60 ff., 91 ff. Miskito 103
Kakadu-Nationalpark 193
Mitwirkung, politische 68 f., 110 ff.
Kanada 41 f., 86,100 f., 154, 181,183, 188,195,208
Miwoc 164
Kenia 28,164,195 Kolonialmacht 58, 94 Kolonisierung 28, 35 Kolumbien 86, 104 Konvention über biologische Vielfalt 34, 39,89
Multikulturalität 21, 50, 89 National Environmental Policy Act (US) 153 National Parks and Wildlife Conservation Act (Aus) 192f.
National Parks and Wildlife Conservation Act (NSW) 208 Konvention über biologische Vielfalt, Workshop on indigenous knowledge 34 Native Title Act 84
Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes 91 f., 110 KSZE-Helsinki -Deklaration 108 Kultur 36 f.
Navajo 164 Neuseeland 28, 32, 42, 84,103,187 f., 195,208,211
Kulturelle Diversität 52, 114,213 ff.
New Zealand Fisheries (Amateur Fishing) Regulations 187
Kulturelles Leben 73
Nicaragua 87, 103
Land Councils 84, 103 Land, Zugangs-lNutzungsrechte 54
Nitmulik (Katherine Gorge) Nationalpark 193
Landeigentum 53 f., 111
Nordamerika 28, 31 f., 44, 46, 111
Landrechte 45, 53 ff., 111
Nordskandinavien 104
Lebensraumschutz 136 ff., 162 ff., 179 ff. Legal Status of Eastem Greenland Case 32
Norwegen 89, 208
Nichtdiskriminierung s. Gleichheit
Nunavut Agreement 195 Nutzung, nachhaltige 137 f., 154 f.
Manu Park 187
Nutzungsregime 139 ff., 166 ff.
Maori 28, 42, 84, 103, 187 f., 196, 208, 211
NUUK Declaration on Environment and Development in the Arctic 208
Mara Game Reserve 195 Martu People 181
Ökosystemschutz 22
Massai 28, 164, 195
Ominayak and the Lubicron Lake Band v. Canada64
Menschenrechte 48,52,54 ff., 60, 77, 96, 121, 184,213 f.
Orinoco 187
Menschenrechtserklärung, allgemeine 95, 212
Orte, heilige 111, 114 f., 117 ff., 145 f., 164 Ozonschicht 125
Menschenrechtspakte 26, 94 Metis 28
Panama 87, 194
248
Sachwortverzeichnis
Papua Neuguinea 189 Patent 79, 81 Pemasky Projekt 194 Peru 144, 187 Polarkreis 41 Praktiken, traditionelle 116 ff., 174 ff., 180 ff. Proposed American Declaration on the Rights of Indigenous Peoples 90
Selbstbestimmung 26, 50, 54, 68 f., 70, 93, 185 f., 210 Selbstbestimmungsrecht 26, 57 ff., 93 ff., 119 Selbstidentifikation 29 f. Selbstregierung 31,54,57,69,99 f. Sezession 96 Sioux 164 Skandinavien 18,41 Soft law 106 ff., 115 f.
Quecha 194
Souveränität 59
Quinault Indianer 177
Sowjetunion 58
Quotierung 38, 127f., 168, 177, 195,201 Racial Discrirnination Act (Aus) 213
Spiritualität 22, 44 ff., 55, 70, 92, 110 f., 116ff., 123, 128, 164ff., 174f., 181 f., 204f.
Recht auf Arbeit 70
Sprache 51, 63
Rechtspersönlichkeit 30 ff.
Staat 30 f., 102
Rechtsträgerschaft 34
Staatsgebiet 31
Regina v. Sparrow 177
Staatsgewalt 31
Religion 51, 55, 63, 67 f., 72, 75, 86, 92, 111, 116 ff., 143 f., 174 f.
Staatsvolk 25, 27, 31
Resource Management Act (NZ) 195,208, 211
Stockholmer Erklärung 149
Staatswerdung 58
Ressourcen 20, 55, 73 f., 132, 192
Subsistenz 122, 128, 143, 160 ff., 174 ff., 180 ff., 189 f.
Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung 108, 113, 124
Südamerika 41, 86 f.
Ruddal River National Park 181
Tansania 153
Russische Föderation 208
Territory Parks and Wildlife Conservation Act (NT) 193
Safe Drinking Water Act 102
Torres Strait Islanders 144
Saltlblue-water rule 94 Sarni 18
Sarni Parlament 89 Sammeln 43,55,70,100,111,114 ff., 118,139 ff., 161, 195 Schutzgebiet 133 Schweden 208 Sechelt Indian Band Self-Govemment Act 1984100
Torres Strait Treaty 189 Traditionen 116 ff., 174 ff., 180 ff. TreatyofWaitangi 32, 84,103,195,211 Treaty of Waitangi (Fisheries Claims) Settlement Act (NZ) 187 Tribal Self-Govemance Act (US) 85 Tribal sovereignty 101 lRIPS 79 ff.
Sachwortverzeichnis
249
Uluru-Nationalpark 193
Waitangi Tribunal 84
Umwelt 37 ff.
Walfang-Moratorium 130
Unabhängigkeit 31, 94 f.,
Warenzeichen 79, 81
UN-Charta 26, 93 ff.
Washington v. Washington State Commercial Passen ger Fishing Vessel Association 177
UN-Gipfel für Umwelt und Entwicklung 90,154,212 Uni ted States v. Dion 176 UN-Jahr der indigenen Völker 35, 90,105
Water Quality Act (US) 102 Weltbank 19,89 Wester Australia's community councils 103
UN-Menschenrechtsausschuß 18,64 f.
Wildlife Act (NZ) 188
UN-Subcommission on the Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities 27 f., 37,43, 108
Winycham People 183
Utes 164 Venezuela 187 Vereinigte Staaten von Amerika 42,85 f., 100 f., 153, 161, 164,168,176, 183, 188,195,208 Verträge 31 f., 37 Volk 25 ff., 58 ff. Völkermord s. Ethnozid Vuntut Gwichfn First Nation Self-Govemment Agreement 100
Wissen, geheimes 204 Working Group on Indigenous Persons 21, 24,34 f., 90 World Charter for Nature 39, 124, 153 World Commission on Environment and Development 124 World Conference to Combat Racism and Racial Discrimination 105 Xingu Indian Park 187 Yellowstone-Nationalpark 164 Yosemite-Nationalpark 164 Yukon-Nationalpark 195